Die Zukunft erzählen: Inhalte und Entstehungsprozesse von Zukunftsnarrationen in Geschichtsbüchern von 1950 bis 1995
 9783737009881, 3737009880

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Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik

Band 18

Herausgegeben im Auftrag der Konferenz für Geschichtsdidaktik vom Vorstand: Thomas Sandkühler, Michele Barricelli, Monika Fenn, Markus Bernhardt und Astrid Schwabe

Sabrina Schmitz-Zerres

Die Zukunft erzählen Inhalte und Entstehungsprozesse von Zukunftsnarrationen in Geschichtsbüchern von 1950 bis 1995

Mit einer Abbildung

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die vorliegende Dissertation wurde im Wintersemester 2017/18 der Philosophischen FakultÐt der UniversitÐt Duisburg-Essen von Sabrina Schmitz-Zerres aus Detmold zum Erwerb des Grades Dr. phil. vorgelegt. Die mþndliche Prþfung durch die Gutachter Prof. Dr. Markus Bernhardt und Prof. Dr. Holger Thþnemann fand am 20. 06. 2018 statt.  2019, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-5391 ISBN 978-3-7370-0988-1

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern . . . . . . . . 1. Das Quellenkorpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die tabellarische Übersicht über die westdeutschen Geschichtsbücher der 1950er- bis 1990er-Jahre . . . . . . . 1.2 Methodische Annahmen zur Analyse der Zukunftsnarrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Die Analyse der Verbindung der Zeitebenen . . . . . . . . . 1.5 Die Analyse der sprachlichen Mittel . . . . . . . . . . . . . 2. Die Analyse der Zukunftsnarrationen der westdeutschen Geschichtsbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Das Thema ›Atomkraft‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Der ›Dritte Weltkrieg‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Die Atomenergie als Zukunftstechnologie . . . . . . . 2.1.3 Die Ambivalenz von Bedrohung und ziviler Nutzung . 2.2 Das Thema ›Kalter Krieg‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die Bedrohung durch den Kommunismus . . . . . . . 2.2.2 Die Auswirkungen auf die deutschen Staaten . . . . . 2.3 Das Thema ›Dekolonialisierung‹ . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Die Zukunft der Einzelstaaten . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Finanzielle Hilfeleistungen zur Sicherung des Friedens 2.3.3 Die Dekolonialisierung und der Kalte Krieg . . . . . . 2.4 Das Thema ›Europa‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Der Staatenbund zur dauerhaften Wahrung des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Der Schutz der europäischen Kultur . . . . . . . . . .

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Inhalt

2.4.3 Von der wirtschaftlichen zur politischen Union . . . . 2.4.4 Der politische Zusammenschluss als Gegenposition zu den Großmächten des Kalten Krieges . . . . . . . . . . 2.4.5 Europa als Schild zur Abwehr der bolschewistischen Bedrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Die souveräne Bundesrepublik und die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten . . . 2.5 Das Thema ›Kriegsfolgen in Deutschland‹ . . . . . . . . . . 2.5.1 Die ›tapferen Deutschen‹ . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Die Wiedervereinigung als Höhepunkt . . . . . . . . . 2.5.3 Zukunftsgestaltung als Aufgabe . . . . . . . . . . . . . 2.6 Das Thema ›Wiedervereinigung‹ . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Gemeinsame Vergangenheit, gemeinsame Kultur, gemeinsame Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Die Abhängigkeit von den USA und der Sowjetunion . 2.6.3 Die Wiedervereinigung als europäische Aufgabe . . . . 2.7 Das Thema ›Nahostkonflikt‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Zukunftsnarrationen ohne Deutung . . . . . . . . . . 2.7.2 Die drohende Eskalation des Konflikts . . . . . . . . . 2.7.3 Der Konflikt als Stellvertreterkrieg . . . . . . . . . . . 2.7.4 Die drohende Ressourcenknappheit . . . . . . . . . . 2.8 Das Thema ›Umwelt‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Die Zukunft als Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9.1 Die Gestaltung der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . 2.9.2 Weltfrieden als Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9.3 Fortschritt in Wissenschaft und Technik . . . . . . . . 3. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methodische Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Produktion von Schulbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Entwicklung des föderalen Zulassungssystems für Geschichtsbücher nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . 3. Die Analyse des Produktionsprozesses von Geschichtsbüchern 3.1 Die Gruppe der Autoren und Herausgeber . . . . . . . . . 3.2 Die Auswahl der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Schreibpraktiken der Autoren und die Zukunftsnarrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3.4 Konzeptionieren, Koordinieren und Korrigieren – Herausgeber und Verlagsredakteure im Produktionsprozess 3.5 Das Zulassungsverfahren in Bayern und Rheinland-Pfalz 1950–1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Die Auswahl der Gutachter . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Schulbuchprüfung durch Referenten in den Kultusministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Der zeitliche Rahmen der Schulbuchprüfung . . . . . 3.6 Reagieren und Verhandeln – die Suche nach dem Kompromiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Prüfen, Monieren und Loben – Zukunftsbezüge in den Lehrplänen und den Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Werben und Präsentieren – Schulbuchautoren stellen die Geschichtsbücher vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Schulbuchzulassung in Nordrhein-Westfalen: Die Landesschulbuchkommission für Politische Bildung . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV Der Inhalt und die Entstehung von Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR 1945–1989 . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur politischen Funktion der Geschichtsbücher und dem ideologisch determinierten Zukunftskonzept . . . . . . . . . . . 2. Die Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Das »Lehrbuch für den Geschichtsunterricht 10. Schuljahr« von 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Das Lehrbuch »Geschichte 10« von 1960 und dessen überarbeitete Version von 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Das Lehrbuch »Geschichte 10«, Teil 2 von 1964 . . . . . . . 2.4 Das Lehrbuch »Geschichte 10«, Teil 2 von 1975 . . . . . . . 2.5 Das Lehrbuch »Geschichte 10« von 1977 . . . . . . . . . . . 2.6 Das Lehrwerk »Geschichte in Übersichten« von 1982 . . . . 2.7 Das Lehrbuch »Geschichte 10« von 1989 . . . . . . . . . . . 2.8 Die Zusammenfassung der Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . 3. Der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern in der DDR . . 3.1 Die Produktion von Geschichtsbüchern in der DDR 1945–1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Lehrpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Schulbuchproduktion von 1953 bis 1964 . . . . . . . . . 3.4 Die Schulbuchproduktion von 1964 bis 1989 . . . . . . . . . 3.4.1 Die Produktion des »Geschichtsbuchs 10« von 1963/64 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3.4.2 Die Produktion des Lehrbuches »Geschichte 10«, Teil 2 von 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Die Produktion des Lehrbuches »Geschichte 10« von 1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4 Die Produktion des Lehrbuches »Geschichte 10« von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Die Überarbeitung des Lehrbuches »Geschichte 10« von 1981 bis 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.6 Die Produktion des Schulbuches »Geschichte in Übersichten – Wissensspeicher für den Geschichtsunterricht« von 1982 . . . . . . . . . . . . 3.4.7 Die Produktion des Lehrbuches »Geschichte 10« von 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee . . . . . . . 1. Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gattungslogik und ihr Einfluss auf die Produktion des Geschichtsbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nicht gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Archiv der Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung Bestand APW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Bundesarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestand DR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Bayerisches Hauptstaatsarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . Bestand Bayerischer Schulbuchverlag . . . . . . . . . . . . . Bestand MK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Bayerisches Wirtschaftsarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestand F 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Landesarchiv Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . Bestand NW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Landeshauptarchiv Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . Bestand Nr. 910 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Privatbestand J.G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8 Privatbestand G.H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Privatbestand B.M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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VIII Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.10 Verlagsarchiv Westermann . . . . . . 1.11 Transkripte der Interviews . . . . . . 2. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Geschichtsbücher der Bundesrepublik 2.1.1 Bibliographie der1950er-Jahre . . 2.1.2 Bibliographie der 1960er-Jahre . 2.1.3 Bibliographie der1970er-Jahre . . 2.1.4 Bibliographie der 1980er-Jahre . 2.1.5 Bibliographie der 1990er-Jahre . 2.2 Lehrpläne der Bundesrepublik . . . . 2.3 Geschichtsbücher der DDR . . . . . .

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Vorwort

Ohne die Unterstützung von Freunden, Kollegen und meiner Familie wäre dieses Buch nicht geschrieben worden. Es ist mir daher eine große Freude, mich bei ihnen an dieser Stelle zu bedanken. Mein außerordentlicher Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Markus Bernhardt, der meine Arbeit mit konstruktiver Kritik und wohlwollenden Hinweisen begleitet hat. Sowohl fachlich als auch persönlich war und ist unsere Zusammenarbeit eine unschätzbare Bereicherung für mich. Zu großem Dank verpflichtet bin ich auch Prof. Dr. Holger Thünemann für die Diskussion des Projekts und die Übernahme des Zweitgutachtens. Der »Konferenz für Geschichtsdidaktik. Verband der Geschichtsdidaktikerinnen und Geschichtsdidaktiker Deutschlands e.V.« danke ich sehr für die Aufnahme in die Reihe »Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik« sowie für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Auch dem DFG-Graduiertenkolleg »Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage: Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln« am Historischen Institut sowie dem Dekanat für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen bin ich für die Druckkostenzuschüsse dankbar. Von großer Bedeutung für das Gelingen meines Forschungsprojekts waren die 16 Interviews mit Schulbuchautoren, -herausgebern und Verlagsredakteuren. Für die Bereitschaft, sich Zeit zu nehmen und mit mir über ihre Schulbucharbeit zu sprechen, danke ich ihnen sehr. Auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, im Bayerischen Wirtschaftsarchiv, im Archiv der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, im Bundesarchiv, im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, im Landeshauptarchiv Rheinland-Pfalz und im Unternehmensarchiv des Westermann Verlags möchte ich mich bedanken, da sie mitunter große Bemühungen auf sich nahmen, um mir Akten zur Verfügung zu stellen. Carla Schmidt und Julia Schwanke von V& R unipress danke ich für die Zusammenarbeit in der Drucklegung der Arbeit. Während meiner Zeit als Kollegiatin in der Ersten Kohorte des Graduiertenkollegs hat der fachliche Austausch mit dem Leistungsgremium im Kolloquium, aber vor allem die Zusammenarbeit mit den anderen Kollegiatinnen und

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Vorwort

Kollegiaten meine Arbeit geprägt. Dafür bin ich Arno Barth, Dennis Gschaider, Jasmin Hettinger, Anja Hoppe, Franziska Klein, Anna Michaelis, Friederike Schotters, Andrew van Ross und der Postdoktorandin Dr. Teresa SchröderStapper dankbar. Die zahlreichen Diskussionen und Gespräche in- und außerhalb der Universität haben wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen und meine Forscherpersönlichkeit geformt. Dem Team des Lehrstuhls für Geschichtsdidaktik danke ich herzlich für die überaus freundliche und kollegiale Arbeitsatmosphäre. Der konstruktive fachliche Austausch während der Doktorandenkolloquien und in persönlichen Gesprächen mit Christopher Friedburg, Irini Mitanoudi, Dr. Björn Onken, Dr. Rebecca Quick, Sven Alexander Neeb, Helen Wagner und Mareike-Cathrine Wickner haben das Projekt reifen lassen. Außerdem sind über das Berufliche hinaus Freundschaften entstanden, um die ich sehr dankbar bin und nicht mehr missen möchte. Dörte Foit, Jana Illner, Susanne Schmitz und Deborah Tappe gebührt mein Dank für langjährige Freundschaften, die für Ausgleich zu Wissenschaft und Forschung sorgen. Es ist mehr als ein Freundschaftsdienst, den Angela Heinemann und Roxana Kölker mir gegenüber durch die Korrektur von Manuskriptteilen erbrachten. Sie haben meine Ideen kritisch und konstruktiv diskutiert und standen mir mit aufmunternden Worten zur Seite, wenn sich gedankliche Sackgassen auftaten. Es gibt zwei Menschen, denen ich gar nicht genug danken kann. Mein Mann Benjamin und unsere Tochter Marlena haben mich durch alle Höhen und Tiefen begleitet und mir bedingungslosen Rückhalt in unserer Familie gegeben. Sie haben meine Zweifel ertragen und mich zum Weitermachen motiviert, sie haben mich in Schreibphasen mit ihrer Fröhlichkeit angesteckt und meine Arbeit als selbstverständlich angenommen. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Grefrath, im Mai 2019

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Einleitung

»Wir stehen an der Schwelle neuer, bisher ungeahnter Entwicklungen und Entscheidungen. Sie werden euer künftiges Leben füllen, und ihr werdet daran, handelnd und leidend zugleich, beteiligt sein.«1 So endet kein futuristischer Roman oder Science-Fiction-Spielfilm, sondern ein Geschichtsbuch aus dem Jahre 1962. Die Anlehnung an Jacob Burckhardts Formulierung, vom »duldenden, strebenden und handelnden Menschen, wie er ist und immer war und sein wird«2 auszugehen und aus dieser Perspektive die Geschichte zu betrachten, ist offensichtlich. Zugleich wirft diese Verbindung Fragen auf: Sie reichen von der Verwunderung, dass solche Textpassagen überhaupt in Geschichtsbüchern zu finden sind, bis hin zu der Frage, was diese Zukunftsprognose bedeuten soll. Der Topos »handelnd und leidend« wirft kein allzu positives Licht auf zukünftige Ereignisse. Welche Funktion hat eine solche Formulierung im Geschichtsbuch? Die historische Forschung beschäftigt sich seit einigen Jahren auch mit der Frage nach der Zukunft. Im Mittelpunkt stehen dabei Zukunftsvorstellungen verschiedener Epochen oder die Zukunftsforschung als Untersuchungsgegenstand selbst.3 Das DFG-Graduiertenkolleg »Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage: Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln« an der Universität DuisburgEssen, in dessen Kontext diese Arbeit entstand, erweitert diese Perspektive. Neben der Differenzierung von unterschiedlichen epochalen Zukunftsentwürfen geht es auch um verschiedene »Zukunftspraktiken«4 sowie die Frage nach grundlegenden Handlungsmodi im Umgang mit der Zukunft. 1 Ebeling, Hans: Die Reise in die Vergangenheit. Braunschweig 1962, S. 307. Zur besseren Übersichtlichkeit weicht das Zitationsschema der Geschichtsbücher von dem der Forschungsliteratur ab. Die Geschichtsbücher werden nach der Erstnennung nur noch mit ihrem Titel und dem Erscheinungsjahr angeführt. Die vollständigen bibliographischen Informationen befinden sich im Quellenverzeichnis (S. 494). 2 Burckhardt, Jacob: Weltgeschichtliche Betrachtungen. München 2018, S. 12. 3 Vgl. Seefried, Elke: Zukünfte. Aufstieg und Krise der Zukunftsforschung 1945–1980. Berlin 2015. 4 Reckwitz, Andreas: Zukunftspraktiken. Die Zeitlichkeit des Sozialen und die Krise der mo-

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Einleitung

Didaktisches Handeln, das durch staatliche Institutionen gesteuert wurde, ist ein solcher Modus der Vorsorge für die Zukunft. Schülerinnen und Schüler sind per se Akteure der Zukunft und sollen durch Schulbildung auf ihre Aufgabe der Zukunftsgestaltung vorbereitet werden. Der Geschichtsunterricht nimmt dabei eine besondere Rolle ein, denn durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit solle dieser Orientierung für die Zukunft schaffen. Da das individuelle Geschichtsbewusstsein der kognitive Ort dieser Tätigkeit ist, stellt die Beschäftigung mit der Zukunft für die Geschichtsdidaktik kein Novum dar : Die sinnbildende Verknüpfung der drei Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beschreibt die grundsätzliche Tätigkeit des Geschichtsbewusstseins.5 Daran anknüpfend versteht diese Arbeit den Begriff ›Zukunft‹ nicht als »vergangene Zukunft«6, sondern als die Zeitebene, die sich an die Gegenwart anschließt. Die folgende Untersuchung geht davon aus, dass die Zukunft durch Geschichtsbücher auf zweierlei Arten gestaltet wurde: Einerseits auf der narrativen Ebene in Form von Zukunftsszenarien, die sich mit dem Fortgang der Entwicklungen beschäftigten und Aussagen über die Zukunft trafen. Andererseits bezieht sie sich auf die pädagogische Ebene, indem durch diese Abschnitte in den Geschichtsbüchern politisches Zukunftshandeln vollzogen wurde. Durch diese Annahme ist die Zukunft nicht nur ein Diskurs im Geschichtsbuch, sondern Ergebnis von Produktionspraktiken verschiedener Akteure7. Mit beiden Aspekten beschäftigt sich diese Arbeit, die die Inhalte und die Produktion von Zukunftsnarrationen in Geschichtsbüchern der Bundesrepublik und der DDR im Zeitraum von 1950 bis 1995 untersucht. Als Zukunftsnarration beschreibt diese Arbeit die Abschnitte in den Geschichtsbüchern, die die Darstellung der Zeitgeschichte ab 1945 beinhalten. Mit dieser Setzung weicht die Analyse zwar von Rothfels’ etablierter Definition von Zeitgeschichte ab, doch geschieht dies nicht ohne Grund.8 Die Untersuchung

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dernen Rationalisierung der Zukunft, in: Becker, Frank u. a. (Hg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen. Kontingenz in der Geschichte. Frankfurt a.M./New York 2016, S. 115. Vgl. Jeismann, Karl-Ernst: Geschichte als Horizont der Gegenwart: Über den Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive. Paderborn 1985; Rüsen, Jörn: Historische Orientierung: Über die Arbeit des Geschichtsbewußtseins, sich in der Zeit zurechtzufinden. Schwalbach/Ts. 2008; Rüsen, Jörn: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft. Köln 2013. Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft: Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt a.M. 2013. Die Autorin verwendet in der vorliegenden Arbeit zur Beschreibung aller am Produktionsprozess beteiligten Personen das generische Maskulinum, um Gruppen von Akteuren und Akteurinnen zu beschreiben. Wenn es sich in der Analyse um eine Frau handelt, wird an diesen Stellen selbstverständlich die weibliche Substantivform gewählt. Vgl. Rothfels, Hans: Zeitgeschichte als Aufgabe, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1953) H. 1, S. 4.

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fragt nach prospektiven Elementen der Geschichtsbücher und nimmt die jüngst vergangenen Ereignisse nur insofern in den Blick, als sie mit der Zukunft verbunden werden. Aufgrund des Betrachtungszeitraums von 1950 bis 1995 verändert sich der Zeitraum, der mit den Formulierungen ›jüngste Vergangenheit‹ oder ›Zeitgeschichte‹ beschrieben wird, im Fortgang der Analyse ständig. Ähnlich fluide wie der Zeitraum, der als Vergangenheit beschrieben wird, ist das Verständnis der Gegenwart. Aufgrund der Dauer der Produktion des Geschichtsbuches gibt es einen Zeitpunkt der Manuskriptabgabe der Autoren und einen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Geschichtsbuches. Aus pragmatischen Gründen wird dieser Zeitraum zwischen den beiden Ereignissen als Gegenwart bezeichnet.9 Die Zeitebene Zukunft beginnt im Anschluss daran und ist dem Verständnis dieser Arbeit zufolge inhaltsoffen und durch die Schülerinnen und Schüler zu gestalten. Das eingangs angeführte Zitat berührt die unterschiedlichen Aspekte dieser Untersuchung. Im Mittelpunkt stehen drei Fragen: Wie wurde Zukunft in Geschichtsbüchern erzählt? Wie entstanden diese Texte? Und welche Funktion wurde ihnen beigemessen? Zur Beantwortung dieser Fragen untergliedert sich die Arbeit in drei Teile: Erstens in die Inhaltsanalyse der Zukunftsnarrationen, zweitens in die Analyse ihres Produktionsprozesses in der Bundesrepublik und der DDR und drittens in die theoretische Reflexion der Funktion des Geschichtsbuches. Diese Fragestellung erfordert ein variables und vielseitiges Instrumentarium, um sich ihr angemessen anzunähern. Da die vorliegende Arbeit verschiedene Bereiche der Schulbuchforschung miteinander verbindet, bedient sie sich dementsprechend auch verschiedener Methoden: Nach der Inhaltsanalyse der Zukunftsnarrationen im ersten Kapitel wird im zweiten Kapitel der Entstehungsprozess von Geschichtsbüchern untersucht. Die Ergebnisse dieser inhalts- und prozessanalytischen Kapitel werden im dritten Teil zusammengeführt. In einer (geschichts-) »didaktischen Schulbuchanalyse«10 steht das Geschichtsbuch im Mittelpunkt, um die Frage zu beantworten, inwiefern das Medium selbst seine Gestaltung mitbestimmt. Durch die Kombination verschiedener Analysemethoden berührt diese Arbeit mehrere Forschungsfelder. Die inhaltsanalytische Schulbuchforschung hat ein breites Spektrum an thematischen Untersuchungen hervorgebracht. Jene reichen von der Darstellung griechischer Bürgerstaaten11 über Mittelalterbilder12 bis hin zu Beschrei9 Eine Differenzierung von zwei Zeitpunkten ›Gegenwart 1‹ und ›Gegenwart 2‹ würde bei 231 Geschichtsbüchern eine unübersichtliche Darstellung ergeben. Außerdem ermöglicht diese definitorische Setzung, dass vom Zeitpunkt der Manuskriptabgabe ausgehend die Zukunft bereits begann, die der Autorentext beschrieb. 10 Schönemann, Bernd/Thünemann, Holger : Schulbucharbeit. Das Geschichtslehrbuch in der Unterrichtspraxis. Schwalbach/Ts. 2010, S. 40. 11 Vgl. Gorbahn, Katja: »Griechische Bürgerstaaten trotzten der persischen Weltmacht«. Die

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bungsformen des Kalten Krieges13 in Schulbüchern. Im Mittelpunkt dieser Arbeiten steht die Frage, wie ein Thema im Geschichtsbuch dargestellt wird. Als Korrektiv für die Ergebnisse der Analysen diente häufig die Fachwissenschaft, sodass vereinfachend festgestellt wurde, dass Schulbücher falsche und verkürzte Darstellungen enthielten. Das Resultat dieser Arbeiten, die vornehmlich aus den 1970er- und 1980er-Jahre stammen, war eine umfangreiche »Schulbuch-Schelte«14. Mittlerweile gehört selbige beinahe ebenfalls zum Bereich der historischen Schulbuchforschung, die vom Schulbuch als Quelle ausgeht und daran mentalitätsgeschichtliche Fragen erläutert. Jüngere inhaltsanalytische Forschungen beziehen neben der Frage nach den Themen und Diskursen auch die Frage nach den verwendeten Narrativen in ihre Arbeiten ein.15 Damit verbinden sie die Schulbuchforschung mit narratologischen Methoden, um über die erzählerische Ebene tieferliegende Argumenta-

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Darstellung des persischen Reiches in Schulbüchern für die Sekundarstufe I seit 1900, in: Handro, Saskia/ Schönemann, Bernd (Hg.): Geschichtsdidaktische Schulbuchforschung. Münster 2006, S. 177–197. Vgl. Fröchling, Jürgen: Die mittelalterliche Stadt im deutschen Schulbuch von 1871 bis 1971, in: Hantsche, Irmgard/Schallenberger, Horst (Hg.): Das Schulbuch. Analyse, Kritik, Konstruktion. Ausgewählte Analysen und Beurteilungen von Geschichtsbüchern. Kastellaun/ Hunsrück 1978, S. 83–110. Vgl. Flucke, Franziska/Kuhn, Bärbel/Pfeil, Ulrich (Hg.): Der Kalte Krieg im Schulbuch. St. Ingbert 2017. Verschiedene Akteure beteiligten sich an der öffentlichen Auseinandersetzung um Geschichtsbücher. Inhaltliche Kritik wurde an der Qualität der didaktisch aufbereiteten Texte geübt, die die Schulbuchforschung jedoch verteidigte und auf die Rahmenbedingungen des Schulbuchtextes verwies. Seit den 1970er-Jahren war vor allem das ministerielle Prüfverfahren Gegenstand der Kritik. In einer Ausgabe der Zeitschrift »Geschichte in Wissenschaft und Unterricht« äußerten sich 1998 neben den kritisierenden Schulbuchautoren und -herausgebern auch Mitarbeiter der Kultusministerien zur Kritik (vgl. Rohlfes, Joachim: Schulgeschichtsbuch und Schulbuchkritik, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 34 (1983) H. 9, S. 537–551; Knepper, Herfried: Scheingegensätze im Dienste interessengeleiteter Rhetorik. Zwei Richtigstellungen zu Joachim Rohlfes, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49 (1998) H. 3, S. 175–180; Frieß, Peer : Das bayerische Zulassungsverfahren für Schulbücher im Fach Geschichte, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49 (1998) H. 3, S. 180–187). Von Seiten der Schulbuchverlage wurde das Zulassungsverfahren auf struktureller Ebene kritisiert, da es dem Wettbewerb der Verlage schade (vgl. Braeunlich, Jochen: Das Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren von Schulbüchern in den einzelnen Bundesländern, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 31 (1975), S. 311–333). Vgl. dazu beispielsweise Bernhard, Roland: Geschichtsmythen über Hispanoamerika: Entdeckung, Eroberung und Kolonisierung in deutschen und österreichischen Schulbüchern des 21. Jahrhunderts. Göttingen 2013; Furrer, Markus: Einführende Bemerkungen zu Kriegsnarrativen im Schulgeschichtsbuch, in: Furrer, Markus/Messmer, Kurt (Hg.): Kriegsnarrative in Geschichtslehrmitteln. Brennpunkte nationaler Diskurse. Schwalbach/Ts. 2009, S. 7–15; Handro, Saskia: Der lange Abschied von vertrauten Opfermythen. Eine Schulbuchanalyse aus geschichtskulturellem Anlass, in: Handro, Saskia/Schönemann, Bernd (Hg.): Geschichtsdidaktische Schulbuchforschung. Münster 2006, S. 199–216; Schrader, Viola: Geschichte als narrative Konstruktion: Eine funktional-linguistische Analyse von Darstellungstexten in Geschichtsschulbüchern. Berlin 2013.

Einleitung

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tionsstrukturen und die Funktion der Geschichtsdarstellung aufzuzeigen. Diese Ergebnisse wurden allerdings bisher hinsichtlich ihrer didaktischen Funktion nicht interpretiert, sondern auf ihre politische Aufgabe zurückgeführt, bestimmte Mythen und Erzählungen zur Selbstvergewisserung der Nation weiterzugeben. Damit berühren die Arbeiten einen weiteren Bereich der Schulbuchforschung, der sich dem Schulbuch aus medientheoretischer, meist sozialwissenschaftlicher Perspektive, näherte. Als Folge der politischen und gesellschaftlichen Diskussionen um Schulbücher – insbesondere der 1970erJahre – wurden in der Schulbuchforschung deutliche methodische Fortschritte erzielt. Die Analysen von Stein16, Schallenberger17 und Weinbrenner18 legten methodische Grundsteine für die Schulbuchforschung. Ihre Annahmen zur pädagogischen, gesellschaftlichen und politischen Funktion des Mediums ›Schulbuch‹ bilden auch das theoretische Fundament dieses Vorhabens. Zahlreiche Arbeiten haben sich auf der theoretischen Ebene mit der Frage nach der Beschaffenheit des Schulbuchwissens beschäftigt. Es handle sich um ein »kulturelles Werkzeug«19 mit gesellschaftlicher Reichweite oder um ein »Palimpsest«20, dessen Entstehung kaum nachzuvollziehen sei. Das Schulbuch entstehe in einer »Diskursarena«21 und sei durch die Mitwirkung der verschiedenen Akteure sowie durch den Einfluss verschiedener Diskurse geprägt. Auch hinsichtlich ihrer Funktion wurden Schulbücher vielfach beschrieben. Sie enthielten »staatlich approbiertes und hinreichend legitimiertes Wissen, das von den Deutungseliten einer Gesellschaft als relevant eingestuft und als gesichert verstanden wird.«22 Es besteht in diesem Bereich der Schulbuchforschung Konsens darüber, dass Schulbücher die nationale Deutung von Geschichte widerspiegelten.23 Als »nationale Autobiographien« seien Geschichtsbücher 16 Stein, Gerd: Das Schulbuch als »Politicum«, in: Stein, Gerd (Hrsg.): Schulbuchkritik als Schulkritik. Hinweise und Beiträge aus politikwissenschaftlicher Sicht. Saarbrücken 1976, S. 25–77. 17 Schallenberger, Ernst Horst: Untersuchungen zum Geschichtsbild der Wilhelminischen Ära und der Weimarer Zeit: Eine vergleichende Schulbuchanalyse deutscher Schulgeschichtsbücher aus der Zeit von 1888 bis 1933. Ratingen 1964. 18 Weinbrenner, Peter : Grundlagen und Methodenprobleme sozialwissenschaftlicher Schulbuchforschung, in: Olechowski, Richard (Hrsg.): Schulbuchforschung. Frankfurt a.M./New York 1995, S. 21–45. 19 Rezat, Sebastian: Wozu verwenden Schüler ihre Mathematikschulbücher? Ein Vergleich von erwarteter und tatsächlicher Nutzung, in: Journal für Mathematik-Didaktik 32 (2011) H. 2, S. 153–177. 20 Christophe, Barbara: Kulturwissenschaftliche Schulbuchforschung. Trends, Ergebnisse und Potentiale, in: Eckert. Working Papers (2014) H. 6. 21 Höhne, Thomas: Schulbuchwissen: Umrisse einer Wissens- und Medientheorie des Schulbuches. Frankfurt a.M. 2003, S. 61. 22 Lässig, Simone: Repräsentationen des »Gegenwärtigen« im deutschen Schulbuch, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 62 (2012) H. 1–3, S. 46–47. 23 Vgl. Jacobmeyer, Wolfgang: Das Schulgeschichtsbuch-Gedächtnis der Gesellschaft oder

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Einleitung

Wertvorstellungen und Geschichtsbilder ihrer jeweiligen Entstehungszeit inhärent. Aus den Schulbuchanalysen wurden Rückschlüsse auf das Selbstverständnis von Gesellschaften gezogen und gezeigt, welche Diskurse und Wissensbestände zu diesem Zweck ausgewählt wurden. Diesen Forschungsarbeiten gemein ist ihre retrospektive Ausrichtung, um Geschichtsbücher als Quellen zu betrachten. Ein anderer Zweig der Schulbuchforschung betreibt historische Lehrmittelforschung. So legte Jacobmeyer eine umfassende gattungsgeschichtliche Darstellung zu Geschichtsbüchern von 1700 bis 1945 sowie eine Analyse ihrer Vorworte vor. Damit schuf er zugleich eine bisher einzigartige Überblicksdarstellung – nicht nur der erschienenen Schulbücher, sondern auch zu biographischen Informationen der Autoren.24 Schulbuch-theoretisch leistete Jacobmeyer einen wichtigen Beitrag, indem er sich mit der gesellschaftlichen Funktion von Geschichtsbüchern beschäftigte, die aus retrospektiver Perspektive zum »Gedächtnis der Gesellschaft«25 würden. Diese Arbeit möchte die geschichtsdidaktischen Annahmen zur Funktionalität von Narrationen mit den Darstellungstexten der Geschichtsbücher verbinden. Bereits weit vor dem ›narrative turn‹ der Kulturwissenschaften, dem die Schulbuchforschung folgt, beschäftigte sich die Geschichtsdidaktik mit der Funktion des Erzählens. Sie ist von grundlegender Bedeutung für die Tätigkeit des Geschichtsbewusstseins, da Zeiterfahrung in Form von Narrationen artikuliert wird.26 Historische Erzählungen sind demnach ein kognitives Produkt, durch das sich das Individuum angesichts von Kontingenzerfahrungen orienAutobiographie der Nation? in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik. Zeitschrift für historisch-politische Bildung, Beiträge und Nachrichten für die Unterrichtspraxis 26 (1998) H. 1–2, S. 26–35; Weiß, Christian: Geschichte(n) zwischen den Zeilen: Geschichtsbücher für deutsche und französische Volksschulen (1900–1960). Köln u. a. 2015. 24 Vgl. Jacobmeyer, Wolfgang: Das deutsche Schulgeschichtsbuch 1700–1945: Die erste Epoche seiner Gattungsgeschichte im Spiegel der Vorworte, Band 1–3. Berlin/Münster 2011. 25 Jacobmeyer 1998, S. 26. Nicht unerwähnt bleiben soll auch die internationale Schulbuchforschung mit ihren bedeutenden Verdiensten um die Völkerverständigung sowie die internationale Schulbuchrevision, die wertvolle Arbeit in der Überprüfung von Lehrmitteln leistet. Besonders die Schulbuchkommissionen waren und sind bedeutende politische Einrichtungen, die kulturellen Austausch beförderten und zur Dekonstruktion von Feindbildern in Schulbüchern beitrugen (vgl. dazu beispielsweise Faure, Romain: Netzwerke der Kulturdiplomatie: Die internationale Schulbuchrevision in Europa 1949–1989. Berlin 2015; Jeismann, Karl-Ernst: Politische Determinanten der deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen und ihrer Aufnahme in der Öffentlichkeit, in: Jeismann, Karl-Ernst/Quandt, Siegfried (Hg.): Geschichtsdarstellung. Determinanten und Prinzipien. Göttingen 1982, S. 102–122; Schissler, Hanna: Internationale Schulbuchforschung und Schulbuchkritik zwischen Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit, in: Schissler, Hanna (Hrsg.): Schulbuchverbesserung durch internationale Schulbuchforschung? Probleme der Vermittlung zwischen Schulbuchkritik und Geschichtsbuch am Beispiel englischer Geschichte. Braunschweig 1985, S. 89–103; Strobel, Thomas: Transnationale Wissenschafts- und Verhandlungskultur. Göttingen 2016). 26 Vgl. Anmerk. 4.

Einleitung

19

tieren kann. Der Darstellungstext im Geschichtsbuch als Teil des staatlichen Bildungsauftrages des Geschichtsunterrichts soll diese Tätigkeit unterstützen. Der Autorentext und weniger die ihn produzierenden Akteure stehen bei dieser Analyse im Mittelpunkt. Diese materialitätstheoretische Ausrichtung der Arbeit distanziert sich damit deutlich von der bisherigen Forschung, die die Darstellungstexte in Schulbüchern als unmittelbaren Ausdruck des Autors verstanden hat. Nicht selten enthalten Schulbuchanalysen Formulierungen, wie jene, dass die Darstellungstexte »die negative Grundhaltung der Autoren Bismarck gegenüber«27 oder »die Haltung der meisten Schulbuchautorinnen und -autoren gegenüber den von der Armee begangenen Verbrechen«28 zeigen würden. Diese Formulierungen belegen, dass ein undifferenziertes und unzureichendes Verständnis vom Produktionsprozess der Geschichtsbücher (und der Schulbücher insgesamt) vorherrscht und die Darstellungstexte als unmittelbarer Ausdruck historischer und politischer Urteile gelten. Die vorliegende Arbeit zeigt allerdings, dass die Zukunftsnarrationen keine Äußerungen der am Produktionsprozess beteiligten Akteure über die Zukunft sind. Die Zukunft wurde bisher aus geschichtsdidaktischer Perspektive thematisch und strukturell in Bezug auf die theoretischen Grundlagen zur Sinnbildung und zum Geschichtsbewusstsein untersucht. Betrachtungen über die damit verbundene Funktionalität dieser Zeitebene aus geschichtsdidaktischer Sicht blieben bis dato aus.29 Auch die Schulbuchforschung hat sich mit der Zukunft bisher nur nebensächlich beschäftigt. In zwei Arbeiten zur Neuen Ostpolitik30 und der Deutschen Frage31 wurde gezeigt, dass Autorentexte zu diesen Themen nicht nur gegenwärtige politische Ereignisse, sondern auch zukünftige Entwicklungsperspektiven behandelten. Letztere wurden weder inhaltlich noch im Hinblick auf ihre Funktion weitergehend reflektiert, sodass die Zukunftsbezüge nur nebensächliche Befunde waren. Dieses Desiderats nimmt sich das erste Kapitel der Arbeit an. Durch eine qualitative Inhaltsanalyse soll die Frage beantwortet werden, welche Themen und Narrative zur Darstellung der Zukunft verwendet 27 Schrader 2013, S. 76. 28 Schinkel, Etienne: Holocaust und Vernichtungskrieg. Die Darstellung der deutschen Gesellschaft und Wehrmacht in Geschichtsschulbüchern für die Sekundarstufe I und II. Göttingen 2018, S. 277. 29 Vgl. Schulz-Hageleit, Peter : Geschichtsbewusstsein und Zukunftssorge: Unbewusstheiten im geschichtswissenschaftlichen und geschichtsdidaktischen Diskurs. Geschichtsunterricht als »Historische Lebenskunde«. Herbolzheim 2004. 30 Bienko, Gertrud: Neue Ostpolitik und Demokratisierung in neuen Schulbüchern, in: Schule und Nation: Die Zeitschrift für ein demokratisches Bildungswesen 15 (1969) H. 3, S. 6–13. 31 Jacobmeyer, Wolfgang (Hrsg.): Deutschlandbild und deutsche Frage in den historischen, geographischen und sozialwissenschaftlichen Unterrichtswerken der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 bis in die 80er-Jahre. Braunschweig 1986.

20

Einleitung

wurden. In Verbindung mit narratologischen Theorien geht es dabei jedoch nicht nur um deren Benennung, sondern um die didaktische Funktionalisierung der Zeitebene ›Zukunft‹ durch entsprechende Erzählstrukturen. Da sich die Zukunftsnarrationen am Schluss der Geschichtsdarstellungen zu dem jeweiligen zeithistorischen Thema befinden und in den meisten Fällen nur wenige Sätze umfassen, konnte ein großes Quellenkorpus zusammengestellt werden. Es beinhaltet 223 Geschichtsbücher aus dem Zeitraum von 1950 bis 1995, in denen nach der narrativen Gestaltung der Zukunft gefragt wird. Damit handelt es sich um eine Vollerhebung aller Geschichtsbücher der Bundesrepublik Deutschland, die für die Jahrgangsstufe 10 der verschiedenen Schulformen produziert wurden. Das Textkorpus entstand durch die Verwendung der Bestände der Bibliothek des Georg-Eckert-Instituts für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. Im zweiten und dritten Kapitel geht es um den Produktionsprozess von Geschichtsbüchern und die Produktionspraktiken der Zukunftsnarrationen in der Bundesrepublik und der DDR. Die Grundlage für diese Analyse sind die Akten der Kultusministerien, die die Schulbuchgutachten enthielten. Es konnten 175 Gutachten analysiert werden, die Aufschluss über die Bedeutung der Zukunftsnarrationen geben. Neben Bayern und Rheinland-Pfalz wird außerdem die Zulassungspraxis der »Landesschulbuchkommission Politische Bildung« in Nordrhein-Westfalen beleuchtet. Bestände aus Verlagsarchiven und leitfadengestützte Interviews vervollständigen die Quellengrundlage dieses Kapitels. Die Vielzahl der beteiligten Akteure sorgt für eine hohe Komplexität, der daher nicht deskriptiv-hermeneutisch, sondern praxeologisch begegnet wird.32 Hinsichtlich der staatlichen Institutionen, die in dieser Arbeit für das Prüf- und Zulassungsverfahren von Bedeutung sind, hat sich die bisherige Forschung vor allem mit der Geschichte der staatlichen Institutionen nach 1945 beschäftigt.33 Die Kultusbürokratie ist dabei nur am Rande in den Blick genommen worden. Angesichts der fehlenden Forschungsgrundlage erarbeitete sich diese Analyse 32 Die Praxeologie wird dabei an Anlehnung an die Arbeiten von Pierre Bourdieu, Andreas Reckwitz und Karl Hörning verwendet (Bourdieu, Pierre: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt a.M. 1993; Reckwitz, Andreas: Praktiken und Diskurse: Eine sozialtheoretische und methodologische Relation, in: Hirschauer, Stefan/ Kalthoff, Herbert/ Lindemann, Gesa (Hg.): Theoretische Empirie. Zur Relevanz qualitativer Forschung. Frankfurt a.M. 2008, S. 179–205; Hörning, Karl/ Reuter, Julia: Kultur als Praxis, in: Dies. (Hg.): Doing culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis. Bielefeld 2004, S. 9–15). Als Beispiele für die Anwendung dieser Methode in den Geschichtswissenschaften dienen die Arbeiten in de Boer, Jan-Hendryk (Hrsg.): Praxisformen. Zur kulturellen Logik von Zukunftshandeln. Frankfurt a.M. 2019 sowie in Haasis, Lucas/Rieske, Constantin (Hg.): Historische Praxeologie: Dimensionen vergangenen Handelns. Paderborn 2015. 33 Vgl. Geißler, Gert: Schulgeschichte in Deutschland. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Frankfurt a. M./New York 2011.

Einleitung

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die Verwaltungsprozesse aus den Archivakten. Dies führt zu ausführlichen deskriptiven Passagen, deren positivistischer Charakter nicht Ziel der Darstellung, sondern ein nichtintendierter Nebeneffekt ist. Im Hinblick auf die Schulbuchproduktion nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stellt diese Betrachtung überblicksartig die Bemühungen der Alliierten um die Versorgung mit Schulbüchern dar. Im vierten Kapitel steht das Geschichtsbuch in seiner didaktischen Funktion im Mittelpunkt, sodass eine geschichtsdidaktische Schulbuchanalyse entsteht.34 Der Unterschied zu Arbeiten der historischen Schulbuchforschung besteht darin, dass aus den Ergebnissen der Inhaltsanalyse gerade nicht auf gesellschaftliche oder politische Konstellationen geschlossen wird, die eine bestimmte Zukunftsdeutung bedingen. Im Falle der DDR würde die Analyse dann zum Selbstzweck geschehen, da in dem totalitären sozialistischen Staat keine offene, sondern eine ideologisch determinierte Zukunftsperspektive entworfen wurde. Um diesem Zirkelschluss zu entgehen und die Ergebnisse der Inhaltsanalyse gewinnbringend zu verwenden, fragt die Arbeit auf einer theoretischen Ebene nach der Funktion bestimmter narrativer Formen im Zusammenhang mit der Medialität des Geschichtsbuches. Dabei knüpft sie an den Begriff der »Eigenlogik«35 an, den Schönemann und Thünemann geprägt haben und wird versuchen, ihn begrifflich weiter zu schärfen, um zu erklären, inwiefern das Artefakt Geschichtsbuch Einfluss auf seine Produktionspraktiken nehmen kann.36 Neben dieser materialitätstheoretischen Erweiterung der geschichtsdidaktischen Forschung möchte diese Untersuchung einen Beitrag zur methodischen Differenzierung in der Schulbuchanalyse leisten sowie dazu beitragen, dass der Produktionsprozess von Schulbüchern nicht länger eine ›black box‹ bleibt.

34 Vgl. Schönemann/ Thünemann 2010, S. 41. 35 Ebd., S. 7. 36 Vgl. Reckwitz 2008, S. 193.

II

Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

1.

Das Quellenkorpus

Die empirische Grundlage der Analyse der Zukunftsnarrationen bildet ein Quellenkorpus, das 223 westdeutsche Geschichtsbücher aus den Jahren von 1950 bis 1999 umfasst. Hinzu kommen acht Geschichtsbücher aus der DDR. Diese im Vergleich zur bundesrepublikanischen Schulbuchproduktion geringe Anzahl ist für die Inhaltsanalyse jedoch nicht von Bedeutung, da das inhaltliche Spektrum Zukunftsbeschreibungen im Laufe der Jahrzehnte und in Bezug auf die unterschiedlichen Narrative aufgezeigt. Das Korpus der 223 Geschichtsbücher setzt sich aus Büchern aller Jahrzehnte des Untersuchungszeitraums zusammen. Im Einzelnen bilden sie sich wie folgt ab: Aus den 1950er-Jahren wurden 38 Schulbücher analysiert, aus den 1960er-Jahren 36, aus den 1970er-Jahren 33, aus den 1980er-Jahren 48 und aus den 1990er-Jahren 65. Die überdurchschnittlich große Anzahl an Büchern der 1990er-Jahre liegt an zahlreichen spezifischen Ausgaben für die unterschiedlichen Bundesländer sowie an den Neuerscheinungen nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Genau wie bei der geringen Anzahl der DDR-Geschichtsbücher ist dieses quantitative Ungleichgewicht für die Art der durchgeführten Inhaltsanalyse nicht von Bedeutung. Mit 223 Geschichtsbüchern wurde ein großes Untersuchungskorpus zusammengestellt, das alle nach 1950 erschienenen Geschichtsbücher der letzten Jahrgangsstufe der Sekundarstufe I umfasst. Aufgrund der unterschiedlichen föderalen Schulsysteme handelt es sich um die Geschichtsbücher für die neunte oder zehnte Klasse. Die Arbeit berücksichtigt schulformbedingte Unterschiede insofern, dass als Äquivalent zu den Büchern der Gymnasialklassen neun und zehn auch Volksschulbücher für die achte Klasse enthalten sind. Die Auswahl dieser Jahrgangsstufe lässt sich mit der Struktur des chronologischen Geschichtsunterrichts begründen, da erst in diesen Jahrgangsstufen nach der Behandlung der Zeitgeschichte das Thema ›Zukunft‹ in den Lehrplänen vorgesehen war. Dementsprechend widmen sich die Geschichtsbücher in ihren letzten Kapiteln diesem Thema.

24

Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Die Auswahl des Untersuchungszeitraums von 1950 bis 1995 beruht auf drei unterschiedlichen Gründen. Erstens knüpft die Arbeit mit der Untersuchung dieses Zeitraums an vorhandene Forschungen an, die 1945 enden37 oder die Schulbuchproduktion unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg beleuchten, die in der Zeit von 1945 bis 1949/1950 durch die Alliierten kontrolliert wurde.38 Zweitens wurden (spätestens) seit den 1950er-Jahren alle Schulbücher durch die einzelnen Bundesländer geprüft und zugelassen, bevor sie veröffentlicht und in Schulen verwendet werden durften. Damit ergibt sich in Bezug auf die Analyse des Produktionsprozesses die Möglichkeit des Vergleichs, die von großer Bedeutung ist. Drittens sorgten die Ergebnisse der PISA-Studie im Jahr 2000 für eine grundsätzliche Überarbeitung der Geschichtsbücher. Natürlich wandelte sich die Gestalt der Bücher auch im Laufe des Untersuchungszeitraums, doch handelte es sich dabei um Veränderungen, die nicht mit den Umgestaltungen im Zuge der Kompetenzorientierung vergleichbar sind. Die Darstellungstexte blieben selbst beim Übergang vom Leitfaden hin zum Arbeitsbuch ein zentrales Element der Geschichtsbücher.

1.1

Die tabellarische Übersicht über die westdeutschen Geschichtsbücher der 1950er- bis 1990er-Jahre

Der Übersichtlichkeit halber wird das verwendete Quellenkorpus in tabellarischer Form präsentiert. Die Summe von 223 Geschichtsbüchern verteilt sich wie folgt auf fünf Jahrzehnte: Für die 1950er-Jahre wurden 38 Bücher untersucht und für die 60er-Jahre 36. Weitere 34 Geschichtsbücher aus den 1970er-Jahren, 48 aus den 1980er-Jahren und 65 Bücher der 1990er-Jahre vervollständigen das Untersuchungskorpus. Neben den bibliographischen Daten wird in den nachfolgenden Tabellen auch angegeben, welche Themen die Zukunftsnarrationen des Geschichtsbuches beinhalten. An dieser Stelle dienen die Übersichten der Information über das Quellenkorpus. Eine Analyse der Zukunftsnarrationen erfolgt im Anschluss daran und im dritten Kapitel werden Zusammenhänge zwischen Gegenwartsdiskursen und Zukunftsnarrationen hergestellt. Auf den nachfolgenden Seiten befinden sich tabellarische Übersichten über die analysierten Bücher.

37 Vgl. Jacobmeyer 2011. 38 Vgl. Bethge, Johanna: Kalter Krieg ums Schulbuch? Alliierte Schulbuchkonflikte in Berlin 1946–1948, in: Flucke, Franziska u. a. (Hg.): Der Kalte Krieg im Schulbuch. St. Ingbert 2017, S. 41–56.

Damals und heute

Grundzüge der Geschichte. Vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart

Grundzüge der Geschichte Band 4. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart

Geschichte Band 4: Von 1789 bis zur Gegenwart. 2. Halbband: Von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart (Geschichte für Mittel- und Realschulen)

Weltgeschichte der Neuesten Zeit II. Das Zeitalter der Weltkriege

Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart. III. Band der dreibändigen Ausgabe (Geschichtswerk für höhere Lehranstalten, Mittelstufe)

Clemens, Alfons; Paulus, Fritz; Stephan, Bruno

Deißler, Hans Herbert; Fernis, Hans-Georg

Deißler, Hans; Göttling, H.; Lehmann, Jakob

Deißler Hans Herbert; Mütze, Wilhelm; Sundermann, KarlHeinrich

Ebeling, Hans

Fürnrohr, Walter ; Keßel, Willi

1957 Verlag Lurz

1955 Westermann Verlag

1955 Diesterweg Verlag

1958 Diesterweg Verlag

1953 Diesterweg Verlag

1956 Klett Verlag

1959 Klett Verlag

1954 Klett Verlag

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Mit eigener Kraft. Geschichte 4

Mit eigener Kraft. Geschichte 4 (7. Auflage)

Boeck, Otto

Neueste Zeit 1918 bis heute und Längs- 1956 Schöningh und Querschnitte durch die Geschichte Verlag (Geschichtliches Unterrichtswerk für mittlere Schulen)

Becker, H. M.; Voelske, Arnold

Boeck, Otto

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Der Mensch im Wandel der Zeiten. 1952 Westermann Geschichtsbuch für die deutsche Schule Verlag

Bauer, Ida Maria; Müller, Otto Heinrich

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Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland x

Narrative Verlag

Autor

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Bibliographische Informationen

Tabelle 1: Die westdeutschen Geschichtsbücher der 1950er-Jahre

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Europa Nahost- Wiederver- Zukunft konflikt einigung als Aufgabe

Das Quellenkorpus

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Die moderne Welt, Band 4. Zweiter Halbband: Weltstaatensystem und Massendemokratie

Herzfeld, Hans

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1955 Klett Verlag

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Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 6. Auflage

Textor, Fritz; Pinnow. Hermann

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Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart

Pinnow, Hermann; Textor, Fritz

1951 Klett Verlag

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Aus deutscher Vergangenheit. Schüler- 1954 Verlag Ludwig arbeitsbuch Teil 2 Ausgabe B (Bayern) Auer

Nett, Benedikt

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Aus deutscher Vergangenheit. Schüler- 1954 Verlag Ludwig arbeitsbuch Teil 2 (Ausgabe C NordAuer west, Teil 2, 7./8. Schuljahr)

1958 Diesterweg Verlag

Frank, Gerhard; Frank, Theo; Grundzüge der Geschichte. Von der Hess, Adolf; Höfft, Walter ; Kaier, Frühgeschichte Europas bis zur WeltEugen; Wulf, Walter politik der Gegenwart

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Europa Nahost- Wiederver- Zukunft konflikt einigung als Aufgabe

Nett, Benedikt

1959 Pädagogischer Verlag Berthold Schulz

Hoffmann, Waldemar ; Brückner, Einst und jetzt. Geschichtsdarstellung Rudolf; Müller, Georg vom Altertum bis zur Gegenwart

1951 Klett Verlag

1959 C.C.Buchners Verlag

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Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950

Habisreutinger, Josef; Krick, Walter

1955 C.C.Buchners Verlag

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Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950

Habisreutinger, Josef; Krick, Walter

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Lebendige Vergangenheit 6. Erbe und Auftrag. Geschichtliche Betrachtungen in Längs- und Querschnitten

Furth, Peter ; Laege, W.; Beckhaus, K.

1957 Klett Verlag

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

Verlag

Narrative Jahr

Titel

Bibliographische Informationen

Autor

((Fortsetzung))

26 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Demokratie im Werden.Geschichte der 1950 Pädagogischer neuesten Zeit von 1849 bis in die GeVerlag Bertgenwart. Wege der Völker Band 4, hold Schulz Ausgabe B

Geschichte unseres Volkes IV. Teil

Demokratie im Werden.Geschichte der 1950 Pädagogischer neuesten Zeit von 1849 bis in die GeVerlag Bertgenwart. Wege der Völker Band 4 hold Schulz

Europa und die Welt 1815–1950

Lebendige Vergangenheit 5. Von 1850 bis zur Gegenwart

Bilder aus deutscher Geschichte. Neuzeit und Gegenwart

Geschichte unserer Zeit

Puhlmann, Wilfried

Scherl, Josef

Schulze, Gertrud; Puhlmann, Wilhelm; Seelig, Fritz; Schwarz, Martha; Hoffmann, Waldemar

Seitz, Max; Thierbach, Hans

Simonsen, Fritz

Steidle, Otto

Steinacker, Ruprecht

Stellmann, Martin

Stellmann, Martin

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1951 Pädagogischer Verlag Berthold Schulz 1957 Diesterweg Verlag

Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart

Die Neueste Zeit (Wege der Völker)

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1954 August Bagel Verlag

1954 Verlag Lurz

1958 Klett Verlag

1953 Blutenberg Verlag

1957 Oldenbourg Verlag

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Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 9. Auflage

Textor, Fritz; Pinnow, Hermann

1959 Klett Verlag

1956 Klett Verlag

Um Volksstaat und Völkergemeinschaft

Textor, Fritz; Pinnow, Hermann

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Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland x

Narrative Verlag

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Europa Nahost- Wiederver- Zukunft konflikt einigung als Aufgabe

Das Quellenkorpus

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Geschichte der neuesten Zeit von 1852 bis 1952

Werden und Wirken. Die Neueste Zeit (1815–1950), Band 4

Erbe des Abendlandes, die Neuzeit. 2. Halbband: Vom Bismarckreich bis zur Bundesrepublik

Lizenzausgabe für Bayern

Traber, Theodor

Vittali, Erich; Weiler, Karl

Würtenberg, Gustav

Würtenberg, Gustav ; Hahn, Ludwig 1953 Schwann Verlag

1951 Schwann Verlag

1953 Verlag G. Braun

1952 Johannes Borgmeyer Verlag

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1957 Schöningh Verlag

Europa und die Welt 1815–1956, Ausgabe B IV, 6. Auflage

Thierbach, Hans; Prof. Dr. K. Thieme

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Europa und die Welt (Ausgabe A IV (für 1953 Schöningh Verlag Oberstufen, daher nicht analysiert) und B IV für Mittelstufe)

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Thierbach, Hans

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Europa weitet sich zur Welt. Europa in der Krise

Thierbach, Hans

1952 Schroedel, Schöningh

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

Verlag

Narrative Jahr

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Bibliographische Informationen

Autor

((Fortsetzung))

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Europa Nahost- Wiederver- Zukunft konflikt einigung als Aufgabe

28 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Unsere Vergangenheit. Geschichtsbuch für die Deutsche Schule

Der Mensch im Wandel der Zeiten

Neueste Zeit von 1917 bis 1968 Schroedel, heute. Mit Längs- und Schöningh Querschnitten durch die Geschichte und mit Quellenanhang

Baitsch, Otto

Bauer, Ida Maria; Müller, Otto Heinrich

Becker, H. M.; Deermann, B.; Voelske, Arnold

1966 Klett Verlag

Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit

Mit eigener Kraft Geschichte 4

Bodensiek, Heinrich; Hilligen, Wolfgang; Lucas, Friedrich J.; Rumpf, Erhard

Boeck, Otto

1962 Klett Verlag

1960 Schöningh Verlag

Becker, H. M.; Voelske, Neueste Zeit 1918 bis Arnold ; Deermann, B. heute und Längs- und Querschnitte durch die Geschichte mit Quellen

1961 Westermann Verlag

1962 Kulturbuch Verlag

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Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute

Apfelstedt, Hartmut; Hirschböck, August; Mayer, Simon; Rost, Arthur x

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

1964 Oldenbourg Verlag

Narrative Verlag

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Autor

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Bibliographische Informationen

Tabelle 2: Die westdeutschen Geschichtsbücher der 1960er-Jahre

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Europa Frieden als Aufgabe

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Wiederver- Nahosteinigung konflikt

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Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

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1963 List Verlag

1967 Diesterweg Verlag

1960 Diesterweg Verlag

1968 Diesterweg Verlag

1969 Diesterweg Verlag

Zeitgeschichte und wir. Berichte, Dokumente, Bilder zur jüngsten Vergangenheit

Brückner, Rudolf; Einst und jetzt. GeHoffmann, Waldemar ; schichtsdarstellung vom Müller, Georg Altertum bis zur Gegenwart

Grundzüge der Geschichte 4. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart

Grundzüge der Geschichte 4. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart

Geschichte für Realschulen Band 3/4. Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart

Borcherding, Karl; Seiler, Alois

Deißler, Hans Herbert

Deißler, Hans Herbert; Fernis, HansGeorg

Deißler, Hans Herbert; Großarth, Ferdinand; Sundermann, Karl-Heinrich

Deißler, Hans HerVon den bürgerlichen bert; Lehmann, Jakob; Revolutionen bis zur GeMakatsch, Alfred genwart

1965 Diesterweg Verlag

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Damals und heute 4

Boeck, Otto; Dumke, Artur ; Hübner, Robert; Klenk, Fritz; Kratzert, Otto; Sohns, Eugen x

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

1965 Klett Verlag

Narrative Verlag

Titel

Autor

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Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Frieden als Aufgabe

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Wiederver- Nahosteinigung konflikt

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Dekolonialisierung

30 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

1962 August Bagel Verlag 1967 Diesterweg Verlag

Die Reise in die Vergangenheit Band 4. Unser Zeitalter der Revolutionen und Weltkriege

Geschichte unserer Zeit

Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart (einbändiges Lehrbuch der Reihe)

Menschen in ihrer Zeit 5. Im vorigen Jahrhundert

Menschen in ihrer Zeit 4. In der frühen Neuzeit

Geschichte unserer Welt Band 3

Wir erleben die Geschichte

Ebeling, Hans

Faßbender, Eugen; Steinacker, Ruprecht

Frank, Gerhard; Frank, Theo; Hess, Adolf; Höfft, Walter ; Kaier, Eugen; Wulf, Walter

Furth, Peter ; Grolle, Joist; Hilligen, Wolfgang Lucas, Friedrich J.; Rumpf, Erhard; Thiele, Gunter

Grolle, Joist

Hagener, Caesar

Hampel, Johannes; Seilnacht, Franz

1968 Bayerischer Schulbuchverlag

1961 Westermann Verlag

1966 Klett Verlag

1967 Klett Verlag

1962 Westermann Verlag

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Erkunden und erkennen Geschichte 3

Döhn, Hans; Sandmann, Fritz x

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

1969 Schroedel Verlag

Narrative Verlag

Titel

Autor

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Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Frieden als Aufgabe

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Wiederver- Nahosteinigung konflikt

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Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

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Europa und die Welt. Das 1966 Schroedel, 20. Jahrhundert Schöningh

1964 Verlag Ludwig Auer

1963 Mundus Verlag

1962 Klett Verlag

Unsere Geschichte Teil 2. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart

Neueste Zeit. Vierter Band

Aus deutscher Vergangenheit. Teil 4: Von der industriellen Revolution bis heute

Geschichte für die Jugend. Vom Wiener Kongress zur Gegenwart

Um Volksstaat und Völkergemeinschaft 4

Die Neueste Zeit. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart

Lebendige Vergangenheit 5. Von 1850 bis zur Gegenwart

Immisch, Joachim

Jaitner, Willy R.

Marks, Hannah; Marks, Wolfgang

Nett, Benedikt

Riemeck, Renate

Pinnow, Hermann; Textor, Fritz

Seitz, Max

Simonsen, Fritz

1966 Klett Verlag

1961 Blutenberg

1963 Kösel Verlag

1966 Schwann

1963 Schroedel, Schöningh

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Europa und die Welt 1914–1962

Immisch, Joachim

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Unser Weg durch die Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart

Heumann, Hans x

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

1961 Hirschgraben

Narrative Verlag

Titel

Autor

Jahr

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Frieden als Aufgabe

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Wiederver- Nahosteinigung konflikt

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Dekolonialisierung

32 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Die Neueste Zeit

Werden und Wirken. Die neueste Zeit (1915–1962)

Europa und die Welt. 1789 1965 Schroedel, bis heute Schöningh

Stellmann, Martin

Vittali, Erich;Weiler, Karl

Wachendorf, H; Thierbach, Hans

1965 Verlag Braun

1963 Diesterweg Verlag

1962 Bayrischer Schulbuchverlag

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Geschichte der Neuesten Zeit für Mittelschulen und Realschulen

Steinbügl, Eduard x

Bilder aus deutscher Geschichte. Zweiter Band Neuzeit und Gegenwart

Steidle, Otto

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Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

1965 Verlag Lurz

Narrative Verlag

Titel

Autor

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Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Frieden als Aufgabe

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Wiederver- Nahosteinigung konflikt

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Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

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1973 Klett Verlag

Binder, Gerhart; Burkhardt, Hermann; Christmann, Helmut; Jung, Alfred; Klenk, Fritz ; Schröder, Karl. G

Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute

Zeiten und Menschen. 1971 Schroedel, Die neueste Zeit (Das Schöningh 20. Jahrhundert)

1972 C.C. Buchners Verlag

Bauer, Gerhard; Grünke, Geschichte für RealGünter ; Schiblhut, Edu- schulen 4. Neueste ard; Schickel, Alfred Zeit

Becker, H. M.; Voelske, Arnold ; Immisch, Joachim

1978 Hirschgraben

Barth, Eckart; Betz, Joa- Fragen an die Gechim; de Buhr, Herschichte. Die Welt im mann; Bühler, Gertrud; 20. Jahrhundert Dörr, Margarete; Geuting, Janbernd; Gies, Horst; Grosche, Heinz; Hügle, Wolfgang; Leuthold, Gottfried R.; Margedant, Udo; Peternek, Günther ; Renz, Rudolf; Schanbacher, Eberhard; Schmid, Heinz Dieter ; Schmdt, Udo; Sieber, Eberhard; Wilms, Eberhard

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Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

Verlag

Narrative Jahr

Autor

Titel

Bibliographische Informationen

Tabelle 3: Die westdeutschen Geschichtsbücher der 1970er-Jahre

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Europa Wiederver- Nahost- Umwelt Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Dekolonialisierung

34 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

In unserer Zeit

In unserer Zeit

Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit

Damals und heute 4

Fragen an die Geschichte. Europäische Weltgeschichte

Bodensiek, Heinrich; Hilligen, Wolfgang; Lucas, Friedrich J.; Rumpf, Erhard

Bodensiek, Heinrich; Hilligen, Wolfgang; Lucas, Friedrich J.; Rumpf, Erhard

Bodensiek, Heinrich; Hilligen, Wolfgang; Lucas, Friedrich J.; Rumpf, Erhard

Boeck, Otto; Dumke, Artur ; Hübner, Robert; Klenk, Fritz; Kratzert, Otto; Sohns, Eugen

Bühler, Gertrud; Dörr, Margarete; Schiele, Siegfried; Schmid, Heinz Dieter ; Schmidt, Udo; Wilhelmy, Joachim; Wilms, Eberhard 1976 Hirschgraben

1976 Klett Verlag

1978 Klett Verlag

1975 Klett Verlag

1970 Klett Verlag

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Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute

Binder, Gerhart; Burkhardt, Hermann; Christmann, Helmut; Jung, Alfred; Klenk, Fritz ; Schröder, Karl. G x

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

1977 Klett Verlag

Narrative Verlag

Titel

Autor

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Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Umwelt Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

35

1976 Westermann Verlag

Die Reise in die Vergangenheit Band 3. Geschichte und Politik in unserer Zeit

Grundzüge der Ge1973 Diesterweg schichte. Von der Verlag Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart

Wir erleben die Geschichte, Ausgabe A, Band 3

Wir erleben die Geschichte Band 3

Unser Weg durch die Geschichte Band 3. Die Welt gestern und heute

Unser Weg durch die Geschichte Band 4. Von 1871 bis zur Gegenwart, Ausgabe Nordrhein-Westfalen

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

Frank, Gerhard; Frank, Theo; Hess, Adolf; Höfft, Walter ; Kaier, Eugen; Wulf, Walter

Hampel, Johannes; Rieder, Max

Hampel, Johannes; Rieder, Max

Heumann, Hans

Heumann, Hans

1978 Hirschgraben

1972 Hirschgraben

1974 Bayerischer Schulbuchverlag

1976 Bayerischer Schulbuchverlag

1977 Schroedel Verlag

Döhn, Hans; Sandmann, Erkunden und erkenFritz nen Geschichte 3

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Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart

Deißler, Hans Herbert; Lehmann, Jakob; Makatsch, Alfred

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Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

1970 Diesterweg Verlag

Narrative Verlag

Titel

Autor

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Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Umwelt Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Dekolonialisierung

36 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

1973 Hirschgraben

1975 Hirschgraben

Unser Weg durch die Geschichte. Die Welt gestern und heute

Heumann, Hans; Baatz, Heinz

Heumann, Hans; DroUnser Weg durch die ege, Georg; Sattler, Rolf- Geschichte. Band 4. Joachim Die Welt gestern und heute

Geschichte für die Hauptschule 9

Die Vergangenheit lebt Band 4, 8. Schuljahr

Geschichte 9. Jahrgangsstufe

Zeitgeschichte. Von 1917 bis zur Gegenwart

Hofmann, Hugo; Pelzer, Karlheinz

Hutterer, Franz; Schwander, Josef; Voit, Gustav

Hutterer, Franz; Schwander, Josef; Voit, Gustav

Immisch, Joachim

1978 Schroedel, Schöningh

1973 Oldenbourg Verlag

1970 Oldenbourg Verlag

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Spiegel der Zeiten. 1978 Diesterweg Band 4. Von der RusVerlag sischen Revolution bis zur Gegenwart

Hoffmann, Joachim ; Bahl, Franz

1977 Verlag Ludwig Auer

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Spiegel der Zeiten. 1972 Diesterweg Band 4. Von der RusVerlag sischen Revolution bis zur Gegenwart

Hoffmann, Joachim ; Bahl, Franz x

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

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Narrative Verlag

Titel

Autor

Jahr

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Umwelt Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

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Staatensystem und Weltpolitik

Riedmiller Geschichte. Band 4, Neueste Zeit

Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Ein Lehr- und Arbeitsbuch

Geschichte unserer Zeit. Berichte, Dokumente, Bilder. 1917 – Gegenwart

Geschichte Band 4. Neueste Zeit

Spiegel der Zeiten. Die 1971 Diesterweg Neueste Zeit Verlag

Menzel, K.-H.; Textor, Fritz

Riedmiller, Kornelius

Rückert, Hans; Oberhettinger, Helmut

Seiler, Alois

Steinbügl, Eduard; Schreiegg, Alfred

Stellmann, Martin

1973 Oldenbourg Verlag

1972 List Verlag

1978 Schöningh Verlag

1970 Schöningh Verlag

1974 Klett Verlag

1972 Ferdinand Dümmlers Verlag

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Lebendige Geschichte 4, Wir leben nicht allein

Mann, Hans

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Europa und die Welt. Von 1890 bis zur Gegenwart

Keßel, Willi; Böhn, Dieter x

Atomkraft Kriegsfol- Kalter gen in Krieg Deutschland

1979 Blutenberg Verlag

Narrative Verlag

Titel

Autor

Jahr

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Umwelt Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Dekolonialisierung

38 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

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1988 Verlag E.C. Baumann KG

1988 Klett Verlag

1984 Klett Verlag

1982 Westermann Verlag

1983 Westermann Verlag

Wurzeln unserer Gegenwart. Geschichte für die Hauptschule in Bayern

erinnern und urteilen IV

Geschichte und Geschehen IV

Erinnern und urteilen 10

Ackermann, Winfried; Protzner, Wolfgang

Alter, Peter ; Bergmann, Klaus; Hufnagel, Gerhard; Mayer, Ulrich; Rohlfes, Joachim; Schwalm, Eberhardt

Alter, Peter ; Bergmann, Klaus; Hufnagel, Gerhard; Mayer, Ulrich; Rohlfes, Joachim; Schwalm, Eberhardt

Alter, Peter ; Bergmann, Klaus; Hufnagel, Gerhard; Mayer, Ulrich; Rohlfes, Joachim; Schwalm, Eberhardt; Bernlochner, Ludwig; Posset, Anton; Sieber, Karlheinz; Sturm, Klaus; Weichselgärtner, Franz

Askani, Bernhard; Ender, J.; Gae- Zeitaufnahme 4 dke, Dieter ; Januschke, B.; Kohlhoff, W.; Markmann, H.J.; Protzner, P.; Wagener, E.; Warner, K.F.; Wunderlich, W.

Askani, Bernhard; Ender, J.; Gae- Zeitaufnahme Band 3/4 dke, Dieter ; Januschke, B.; Kohlhoff, W.; Markmann, H.J.; Protzner, P.; Wagener, E.; Warner, K.F.; Wunderlich, W.

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Atomkraft Kalter Krieg

1981 Klett Verlag

Narrative

Autor

Verlag

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Titel

Bibliographische Informationen

Tabelle 4: Die westdeutschen Geschichtsbücher der 1980er-Jahre

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Europa Wiederver- Nahost- Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Umwelt Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

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Geschichtliche Weltkunde. Von der Oktobeerevolution in Rußland bis zur Gegenwart

Geschichtliche Weltkunde. Vom Zeitalter des Imperialismus bis zur Gegenwart

Geschichtliche Weltkunde Band 4. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Unsere Geschichte 4. Von der Oktoberrevolution bis zur Gegenwart

Unsere Geschichte. Die Welt 1988 Diesterweg nach 1945 Verlag

Fragen an die Geschichte. Die Welt im 20. Jahrhundert. Lehrerbegleitband

Bahl, Franz; Hoffmann, Joachim; Krautkrämer, Elmar

Bahl, Franz; Hoffmann, Joachim; Krautkrämer, Elmar

Bahl, Franz; Hoffmann, Joachim; Hug, Wolfgang; Krautkrämer, Elmar

Bahl, Franz; Hoffmann, Joachim; Hug, Wolfgang; Krautkrämer, Elmar

Bahl, Franz; Hoffmann, Joachim; Hug, Wolfgang; Krautkrämer, Elmar

Barth, Eckart; Betz, Joachim; de Buhr, Hermann; Bühler, Gertrud; Dörr, Margarete; Geuting, Janbernd; Gies, Horst; Hügle, Wolfgang; Leuthold, Gottfried R.; Margedant, Udo; Peternek, Günther ; Renz, Rudolf; Schanbacher, Eberhard; Schmid, Heinz Dieter ; Schmdt, Udo; Sieber, Eberhard; Wilms, Eberhard 1984 Hirschgraben

1988 Diesterweg Verlag

1989 Diesterweg Verlag

1985 Diesterweg Verlag

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1989 Schroedel, Schöningh

Geschichte heute für Hauptschulen in Bayern

Autenrieth, Norbert; kimberger, Rolf; Odenbach, Friedrich; Reinhart, Günter ; Walter, Sigebald; Zylla, Dieter

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Atomkraft Kalter Krieg

1982 Diesterweg Verlag

Narrative

Autor

Verlag

Jahr

Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Umwelt Dekolonialisierung

40 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

1988 Schroedel, Schöningh 1989 Verlag Ludwig Auer

Geschichte heute 9/10

Geschichte für die Hauptschule 9

Geschichte entdecken 9. Neueste Zeit

Geschichte für morgen. Band 4. Zeitgeschichte

Geschichte für morgen Band 3. Zeitgeschichte (1917 bis zur Gegenwart)

In unserer Zeit

Geschichte 4 Neueste Zeit

Geschichte und Gegenwart. 1989 Schöningh Von der Weimarer Republik Verlag bis zur Gegenwart

Beeck, Karl-Hermann; Bülow, Hans-Peter ; Kamphues, Otto; Passon, Helga

Beilner, Helmut; Eiter, Horst; Hofmann, Hugo; Ippi, Josef

Bernecker, Walther ; Filser, Karl; Grünke, Günter ; Kammerbauer, Ilse; Loch, Manfred; Thieme, Hans

Blödorn, H.J.; Freund, W.; Hampel, J.;Matz, E.; Meyer, E.; Pötzsch, H.; Sattler, R.-J.; Droege, G.

Blödorn, H.J.; Heumann, Hans; Müller, M.; Matz, Eberhard; Pötzsch, H.

Bodensiek, Heinrich ; Hilligen, Wolfgang; Lucas, Friedrich J.; Rumpf, Erhard

Brack, Harro; Grünke, Günter ; Krauß, Friedrich; Lachner, Hannelore; Schickel, Alfred

Brinschwitz, Rudolf; Kirchhoff, Hans Georg; Koppe, Werner ; Lampe, Klaus; Niehaus, Siegfried

1983 C.C. Buchners Verlag

1981 Klett Verlag

1982 Hirschgraben

1980 Hirschgraben

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1989 Klett Verlag

Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit

Baumann, Leonhard; Dempf, Peter ; Halfbrodt, Dorothee; Hörberg, Norbert; Rabenstein, Christoph; Sturm, Klaus; Wege, Dorothee

1983 C.C. Buchners Verlag

Atomkraft Kalter Krieg

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Narrative

Autor

Verlag

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Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Umwelt Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

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Damals und heute 9. Schuljahr. Vom Entscheidungsjahr 1917 bis heute

Die moderne Welt Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart

Die Reise in die Vergangen- 1982 Westermann heit Band 4. Geschichte und Verlag Politik in unserer Zeit

Die Reise in die Vergangen- 1986 Westermann heit Band 4. Geschichte und Verlag Politik in unserer Zeit

Die Reise in die Vergangenheit Band 3. Zeitgeschichte Ausgabe für Niedersachsen

Welt- und Umweltkundekunde Geschichte

Lebendige Vergangenheit 9. Geschichte für die Hauptschulen in Rheinland-Pfalz

Burkhardt, Hermann; Jung, Alfred; Noetzel, Gerd

Dittrich-Gallmeister, Edeltrud; Dittrich, Jochen, Herzfeld, Hans

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

Eck, Guiskard; Fricke-Finkelnberg, Renate; Krause, Wolfram; Kuper, Ernst

Eck, Guiskard; Höfer, Arno; Krause, Wolfram; Kurz, Gerhard; Noetzel, Gerd; Pies, Christof; Schnabel, Berthold; Wagner, Edgar 1986 Klett Verlag

1989 Klett Verlag

1988 Westermann Verlag

1981 Klett Verlag

1985 Klett Verlag

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Damals und heute Geschichte 9. Von der Zeit des Imperialismus bis heute

Burkhardt, Hermann; Christmann, Helmut; Noetzel, Gerd

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Atomkraft Kalter Krieg

1982 Klett Verlag

Narrative Verlag

Autor

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Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Umwelt Dekolonialisierung

42 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Geschichtsbuch 4. Vom 1988 Cornelsen Ende des Ersten Weltkrieges Verlag bis heute

1989 Oldenbourg Verlag 1986 Schroedel, Schöningh 1988 Schroedel, Schöningh

1982 Hirschgraben

Geschichte entdecken 9

Geschichte kennen und verstehen 10

Geschichte kennen und verstehen 9

Geschichte heute für Hauptschulen in BadenWürttemberg Klasse 9

Geschichte heute für Hauptschulen in Rheinland-Pfalz

Geschichte für morgen. Band 3 Zeitgeschichte

Lebendige Vergangenheit. Band 4

Ernst, Ulrich; Günther-Arndt, Hilke; Hoffmann, Dirk; JungPaarmann, Helga; Kleßmann, Christoph; Mäding, Klaus; Mütter, Bernd; Pingel, Falk; Vasold, Manfred

Filser, Karl; Weber, Jürgen

Fink, Hans-Georg; Schmid, Anton; Stumpf, Karl; Schuster, Jürgen; Spiegel, Alfred

Fink, Hans-Georg; Schmid, Anton; Stumpf, Karl; Schuster, Jürgen; Spiegel, Alfred

Gerst, Hans M.; Langenstein, Konrad; Ryzlewicz, Peter ; Sparn, Waldemar

Gerst, Hans M.; Langenstein, Konrad; Ryzlewicz, Peter ; Sparn, Waldemar ; Mosel, Ekkehard; Walter, Hans

Heumann, Hans; Oomen, HansGert; Weingärtner, Karl

Höfer, Arno; Leinen, Klaus; Pies, Christof; Wagner, Edgar

1988 Klett Verlag

1984 Verlag Ludwig Auer

1988 C.C. Buchners Verlag

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Lebendige Vergangenheit 9

Eck, Guiskard; Junge, Karl-August; Krause, Wolfram; Krupp, Hans-Georg x

Atomkraft Kalter Krieg

1989 Klett Verlag

Narrative Verlag

Autor

Jahr

Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Umwelt Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

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Geschichte für morgen

Geschichte und Gegenwart Band 4. Die Welt nach 1945

Staatensystem und Weltpolitik

Koltrowitz, Bernd; Lanquillon, Klaus; Pötzsch, Horst; SürigRohrbach, Rita

Krapp, Günter ; Rudolf, Hans Ulrich; Schnatterbeck, Werner ; Walter, Edgar ; Wasser, Hartmut

Menzel, K.-H.; Textor, Fritz

Oomen, Hans-Gert; Weingärtner, Karl; Ellenberger-Marciniak, Anne; Haffner, Klaus; Hafner, Harald; Helber, Hannelore; Schultz, Theophil; Sperth, Fritz; Thiedemann, Manfred; Wendler, Dieter

1985 Hirschgraben

1983 Klett Verlag

1984 Schöningh Verlag

Geschichte für morgen. Ar- 1986 Hirschgraben beitsbuch für Hauptschulen in Baden-Württemberg

Oomen, Hans-Gert; Kaiser, Hans- Geschichte für morgen Jürgen; Schnee, Franz; Scholz, Band 4. Zeitgeschichte Helmut; Vehlow, Brigitte; Weingärtner, Karl; Heller, Ingrid; Ilg, Gerhard; Schulten, Gerd

1988 Cornelsen Verlag

Geschichte und Gegenwart 5. Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Gegenwart

Kirchhoff, Hans Georg; Lampe, Klaus; Niehaus, Siegfried

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1988 Schöningh Verlag

Geschichte und Gegenwart 4. Von 1850 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs

Kirchhoff, Hans Georg; Koppe, Werner ; Lampe, Klaus; Niehaus, Siegfried

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Atomkraft Kalter Krieg

1987 Schöningh Verlag

Narrative Verlag

Autor

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Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Umwelt Dekolonialisierung

44 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Blick in die Vergangenheit 9. Jahrgangsstufe

Hutterer, Franz; Schwander ; Josef; Ziebolt, Werner

1982 Oldenbourg Verlag x

Erlebnis Geschichte 9. Ein Geschichtsbuch für die Hauptschule in Bayern. 9. Jahrgangsstufe

Hutterer, Franz; Schwander ; Josef; Ziebolt, Werner

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Atomkraft Kalter Krieg

1986 Oldenbourg Verlag

Narrative Verlag

Autor

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Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Nahost- Frieden einigung konflikt als Aufgabe

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Umwelt Dekolonialisierung

Das Quellenkorpus

45

1992 Klett Verlag

1997 Westermann Verlag

1992 Diesterweg Verlag

Geschichte und Geschehen IV

Anno 4. Das 20. Jahrhundert

Geschichtliche Weltkunde. Von der Oktoberevolution in Rußland bis zur Gegenwart

Geschichtliche Weltkunde. Vom Zeitalter des Imperialismus bis zur Gegenwart

damals, heute, morgen 9. Geschichte / Gemeinschaftskunde

Alter, Peter ; Bergmann, Klaus; Hufnagel, Gerhard; Kochendörfer, Jürgen; Mayer, Ulrich; Ortgies ; Norbert; Rohlfes, Joachim; Schwalm, Eberhardt

Askani, Bernhard; Brandt, Ingrid; Erbar, Ralph; Fein, Sylvia; Gaedke, Dieter ; Hamann, Werner ; Seltmann, Ingeborg ; Stupperich, Amrei; Stupperich, Martin; Wagener, Elmar ; Wohlt, Klaus

Bahl, Franz; Hoffmann, Joachim; Hug, Wolfgang; Krautkrämer, Elmar

Bahl, Franz; Hoffmann, Joachim; Krautkrämer, Elmar

Bauer, Gerlinde; Christoph, Dieter ; Diebold, Reiner ; Englert, Karlheinz; Kaiser, Fritz; Lutz, Bernhard; Ullrich, Evelin; Wege, Dorothee; Weißbrodt, Dieter

1994 Klett Verlag

1997 Diesterweg Verlag

Atomkraft Kalter Krieg

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Narrative

Autor

Verlag

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Bibliographische Informationen

Tabelle 5: Die westdeutschen Geschichtsbücher der 1990er-Jahre

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

46 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

1994 Verlag Ludwig Auer

Geschichte 9. Schülerarbeitsbuch für die 9. Jahrgangsstufe

Wege durch die Geschichte 5

Beilner, Helmut; Eiter, Horst; Hofmann, Hugo; Ippi, Josef

Berg, Rudolf; Hofmeier, Franz; Sigel, Robert

1997 Cornelsen Verlag

Berger, Thomas; Kaiser, Jürgen; Mittelstädt; Ulrich; Neifeind, Harald; Oomen, HansGert; Schley, Cornelia

Entdecken und verstehen Band 4

1996 Cornelsen Verlag

Berger, Michael; Berger, Tho- Entdecken und Verstehen mas; von der Heide, Heidrun; Band 3 Heimbach, Helmut; Mittelstädt, Ulrich; Müller, KarlHeinz; Neifeind, Harald; Oomen, Hans-Gert; Regenhardt, Hans-Otto; Rogg, Inga; Übach, Gerd

1992 Cornelsen Verlag

1994 Klett Verlag

Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit

Baumann, Leonhard; Dempf, Peter ; Hörberg, Norbert; Mönnich, Andreas; Schierl, Wolfgang; Sturm, Klaus; Wege, Dorothee x

Atomkraft Kalter Krieg

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Narrative

Autor

Verlag

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Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

Das Quellenkorpus

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1996 Cornelsen Verlag

1994 Cornelsen Verlag

Entdecken und verstehen Band 3. Geschichtsbuch für Rheinland-Pfalz Grundausgabe

Berger, Thomas; von der Heide, Heidrun ; Heimbach, Helmut; Mittelstädt, Ulrich; Müller, Karl-Heinz; Neifeind, Harald; Oomen, Hans-Gert; Regenhardt, Hans-Otto; Schleiden, Marita; Schley, Cornelius; Schmaußer, Runhilt; Übach, Gerd; Wagner, Antonie; Wellstein, Ulrike

Entdecken und verstehen 4 Berger, Thomas; von der Heide, Heidrun ; Kaiser, HansJürgen; Mittelstädt, Ulrich ; Müller, Karl-Heinz; Oomen, Hans-Gert; Schley, Cornelius ; Übach, Gerd

Berger, Thomas; von der Entdecken und verstehen 3. 1999 Cornelsen Verlag Heide, Heidrun ; Karbach, Geschichtsbuch für RheinJürgen; Mittelstädt, Ulrich ; land-Pfalz-Saarland Müller, Karl-Heinz; Oomen, Hans-Gert; Regenhardt, Hans-Otto; Schley, Cornelius ; Schmaußeer, Runhilt; Übach, Gerd; Wellstein, Ulrike

Berger, Thomas; von der Entdecken und Verstehen 3. 1992 Cornelsen Verlag Heide, Heidrun ; Mittelstädt, Von 1917 bis zur Gegenwart Ulrich; Müller, Karl-Heinz; Neifeind, Harald; Oomen, Hans-Gert; Schley, Cornelius ; Übach, Gerd

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Atomkraft Kalter Krieg

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

Narrative

Autor

Verlag

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Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

48 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

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1998 Klett Verlag

Bergmann, Klaus; Bernlochner, Ludwig ; Brixius, Rolf; Heinemann, Wolfgang; Kutz, Susanne; Mayer, Ulrich; Rausch, Hans Michael; Rentzmann, Klaus; Rohlfes, Joachim; Schmidt-Wulffen, Wulf; Silbermann, Horst; Weißenfels, Alfred

Geschichte und Geschehen

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1997 Klett Verlag

Entdecken und Verstehen 9/ 1999 Cornelsen Verlag 10. Vom Ersten Weltkrieg bis zum vereinten Deutschland

1991 Cornelsen Verlag

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

Bergmann, Klaus; BernlochGeschichte und Geschehen ner, Ludwig ; Birk, Giselher ; B4 Baden-Württemberg Brixius, Rolf; Ferenczi, Caspar ; Harst, Wilfried; Kutz, Susanne; Mayer, Ulrich; Pfeil, Rudolf; Rohlfes, Joachim; Schmidt-Wulffen, Wulf

Berger-von-der-Heide, Thomas; Genedl, Sabine; Mittelstädt, Ulrich; Müller, KarlHeinz; Neifeind, Harald; Pilz, Christine; Regenhardt, HansOtto, Schmidt, Antje

Entdecken und verstehen Berger, Thomas; von der Heide, Heidrun ; Mittelstädt, Band 3 Ulrich; Müller, Karl-Heinz; Neifeind, Harald; Oomen, Hans-Gert; Schley, Cornelius ; Übach, Gerd;

Atomkraft Kalter Krieg

Verlag

Narrative Jahr

Autor

Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

Das Quellenkorpus

49

1999 Klett Verlag

1992 Klett Verlag

1997 Schroedel Verlag

Geschichte und Geschehen Bergmann, Klaus; Bernlochner, Ludwig ; Ferenczi, CasG4 par ; Fricke-Finkelnburg, Renate; Hanslik, Inge; Heinemann, Wolfgang; HeldSchrader, Christine; Kutz, Susanne; Mayer, Ulrich; Rohlfes, Joachim; Silbermann, Horst; Thunich, Martin; Völker, Peter ; Weißenfels, Alfred; Wildenrath, Ulrich von

Bernlochner, Ludwig ; Bumb, Geschichte und geschehen Jochen; Heinzberger, Ferdi10 nand; Kochendörfer, Jürgen; Ortgies, Norbert; Schwalm, Eberhardt; Silbermann, Horst

Böttcher, Christina; Eppinger, Geschichte konkret 4. Ein Michael; Juneja-Huneke, Mo- Lern- und Arbeitsbuch nica; Kaufmann, Uri; Kosche, Günter ; Schuster, Karl-Anton; Traub, Silke; Urbschat, Kerstin

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Atomkraft Kalter Krieg

Verlag

Narrative Jahr

Autor

Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

50 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Geschichte konkret 3. Ein Lese- und Arbeitsbuch

Treffpunkt Geschichte 4

Unser Weg in die Gegenwart. Neueste Zeit

Lebendige Vergangenheit. Band 4

Böttcher, Christina; Hilgart, Werner ; Juneja-Huneke, Monica; Kosche, Günter ; Koschig, Manfred; Kößler, Gottfried; Pandel, Hans-Jürgen; Redeker, Sabine; Schuster, Karl-Anton; Stiller, Eike; Walter, Egdar ; Urbschat, Kerstin ; Walzer-Mirwald, Anke; Wunderer, Hartmann

Brack, Harro; Brückner, Dieter ; Weber, Jürgen; Lachner, Hannelore; Heigenmoser, Manfred

Brack, Harro; Grünke, Günter ; Krauß, Friedrich; Raab, Hans-Paul

Bracker, Jochen ; Isecke-Vogelsang, Matthias; Matthiessen, Jürgen

1990 Klett Verlag

1991 C.C. Buchners Verlag

1996 C.C. Buchners Verlag

1998 Schroedel Verlag

Böttcher, Christina; Eppinger, Geschichte konkret. Band 3. 1999 Schroedel Verlag Michael; Juneja-Huneke, Mo- Ein Lern- und Arbeitsbuch nica; Kosche, Günter ; Koschig, Manfred; Kößler, Gottfried; Pandel, Hans-Jürgen; Schuster, Karl-Anton; Stiller, Eike; Urbschat, Kerstin ; Walzer-Mirwald, Anke; Wunderer, Hartmann

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Atomkraft Kalter Krieg

Verlag

Narrative Jahr

Autor

Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

Das Quellenkorpus

51

Lebendige Vergangenheit 10

Das waren Zeiten. Geschichte 4

Bracker, Jochen ; Isecke-Vogelsang, Matthias; Matthiessen, Jürgen

Brückner, Dieter ; Focke, Harald; Heigenmoser, Manfred; Lachner, Hannelore; Weber, Jürgen; Zückert, Gisela; Mirow, Jürgen

1998 Diesterweg Verlag

Fragen an die Geschichte. 1997 Cornelsen Verlag Europäische Weltgeschichte

Burghardt, Martin ; Guse, Mi- Wir machen Geschichte 4. chael; Hartewig, Karin; Heil, Vom Ende des Ersten WeltWerner ; Kneisel, Volker ; kriegs bis zur Gegenwart Müller, Bernhard; Niethammer, Lutz; Stehling, Jutta; van Laak, Dirk; Vondung, Klaus; Weber, Gerhard; WeberSchäfer, Peter

Bühler, Gertrud; Dörr, Margarete; Schiele, Siegfried; Schmid, Heinz Dieter ; Schmidt, Udo; Wilhelmy, Joachim; Wilms, Eberhard

Wir machen Geschichte 1999 Diesterweg Brüggemeier, Franz-Josef; Burghardt, Martin ; Dreier, Band 3. Von der IndustriaVerlag Bettina; Guse, Michael; Hart- lisierung bis zur Gegenwart ewig, Karin; Heil, Werner ; Holste-Schafferschik, Michael; Kneisel, Volker ; van Laak, Dirk; Müller, Bernhard; Niethammer, Lutz; Stehling, Jutta; Vondung, Klaus; Weber, Gerhard

1999 C.C. Buchners Verlag x

Atomkraft Kalter Krieg

1990 Klett Verlag

Narrative Verlag

Autor

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Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

52 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

1997 Bayrischer Schulbuchverlag

bsv Geschichte 4 BW: Das 20. Jahrhundert

Geschichtsstunden. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit. Zeitgeschichte aktuell

Geschichtsbuch 4. Von 1918 1996 Cornelsen Verlag bis 1995

Die Reise in die Vergangenheit Band 3. Zeitgeschichte Ausgabe für Rheinland-Pfalz/Saarland

Die Reise in die Vergangenheit. Zeitgeschichte

Die Reise in die Vergangenheit. Band 6. Weltgeschichte 1945–1990

Cornelissen, Joachim; Kusch, Dorothea; Neuß, Beate; Pfefferle, Heinz; Pitzner, Franz; Winter, Helmut; Zuber, KarlHeinz

Dempf, Peter ; Felsenstein, Thomas; Sturm, Klaus

Dilger, Andreas; Ernst, Ulrich; Günther-Arndt, Hilke; Hoffmann, Dirk; Jung-Paarmann, Helga; Kleßmann, Christoph; Mäding, Klaus; Mütter, Bernd; Pingel, Falk; Schwarzrock, Götz; Syring, Gerald; Vasold, Manfred; Zwölfer, Elisabeth; Zwölfer, Norbert

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

1991 Westermann Verlag

1990 Westermann Verlag

1990 Westermann Verlag

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Atomkraft Kalter Krieg

1991 Klett Verlag

Narrative

Autor

Verlag

Jahr

Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

Das Quellenkorpus

53

Die Reise in die Vergangenheit. Band 6. Weltgeschichte 1945–1990

Die Reise in die Vergangenheit. Band 6 Die Welt seit 1945 Ausgabe für Sachsen

Die Reise in die Vergan1990 Westermann Verlag genheit Band 3. Ausgabe für Rheinland-Pfalz / Saarland

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang; Schlundt, Rainer

Ernst, Ulrich; Günther-Arndt, Geschichtsbuch 4. Von 1917 1993 Cornelsen Verlag Hilke; Hoffmann, Dirk; Jung- bis 1992 Paarmann, Helga; Kleßmann, Christoph; Mäding, Klaus; Mütter, Bernd; Pingel, Falk; Vasold, Manfred; Schwarzrock, Gerd; Syring, Gerald; Zwölfer, Norbert

Ernst, Ulrich; Günther-Arndt, Geschichtsbuch 4. Von 1918 1997 Cornelsen Verlag Hilke; Hackfeld, Birgit; Hoff- bis heute mann, Dirk; Jung-Paarmann, Helga; Kleßmann, Christoph; Mütter, Bernd; Pingel, Falk; Schwarzrock, Götz; Syring, Gerald; Vasold, Manfred; Zwölfer, Elisabeth; Zwölfer, Norbert

1999 Westermann Verlag

1997 Westermann Verlag

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Die Reise in die Vergangenheit Band 4. Zeitgeschichte

Ebeling, Hans; Birkenfeld, Wolfgang x

Atomkraft Kalter Krieg

1993 Westermann Verlag

Narrative Verlag

Autor

Jahr

Titel

Bibliographische Informationen

((Fortsetzung))

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

54 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

1992 Oldenbourg Verlag

1997 Oldenbourg Verlag

1992 Oldenbourg Verlag

1991 Schroedel, Schöningh

quer Geschichte 3. Gegensätze und Einheit – Vom Dritten Reich bis zur EU

Geschichte kennen und verstehen B10

Geschichte kennen und verstehen. Unterrichtsmaterial für die 10. Jahrgangsstufe

Oldenburg Geschichte für Gymnasien 10

Oldenburg Geschichte für Gymnasien 10

Geschichte heute für Hauptschulen in BadenWürttemberg Klasse 9

Geschichte heute 3

Fiederle, Xaver ; Hergenröder, Gerhard; Simianer, Norbert

Fink, Hans-Georg; Fritsche, Christian; Schuster, Jürgen; Spiegel, Alfred

Fink, Hans-Georg; Schmid, Anton; Schönbuchner, Gisela; Schuster, Jürgen; Spiegel, Alfred

Franze, Manfred; Gottschalk, Regina ; Hennig, Diethard; Herrmann, Axel; Hübsch, Christine; Lauruschkat, Gerd

Franze, Manfred; Herrmann, Axel; Huberti, Franz Hermann; Lauruschkat, Gerd; Michel, Herbert; Tinkl, Gertrud

Gerst, Hans M.; Langenstein, Konrad; Ryzlewicz, Peter ; Sparn, Waldemar

Gerst, Hans M.; Langenstein, Konrad; Ryzlewicz, Peter ; Sparn, Waldemar ; Mosel, Ekkehard; Walter, Hans

1992 Schroedel, Schöningh

1997 Oldenbourg Verlag x

Atomkraft Kalter Krieg

1998 Schöningh Verlag

Narrative Verlag

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Europa Wiederver- Frieden einigung als Aufgabe

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

Das Quellenkorpus

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Wir machen Geschichte 9 1998 Diesterweg Von der Weimarer Republik Verlag bis zur Gegenwart

Zeitreise 3

von…bis. Von 1945 bis heute

von…bis. Von 1945 bis heute

von…bis. Band 4. Von 1945 1995 Schöningh Verlag bis heute

von…bis. B and 3 Von 1933 1998 Schöningh Verlag bis heute

von…bis. Band 4. Von 1945 1998 Schöningh Verlag bis heute

Lebendige Vergangenheit 9

Guse, Michael; Hartewig, Karin; Kneisel, Volker ; Müller, bernhard; Niethammer, Lutz; Stehling, Jutta; van Laak, Dirk; Gütersloh, Birgit; Knabe, Klaus; Ulbricht, Gunda

Heimbach, Helmut; Höfer, Arno; Leinen, Klaus; Offergeld, Peter ; von Sanden, Ulrich; Steidle, Hans; Wolters, Stefan

Hergenröder, Gerhard; Simianer, Norbert

Hergenröder, Gerhard; Simianer, Norbert

Hergenröder, Gerhard; Simianer, Norbert

Hergenröder, Gerhard; Simianer, Norbert

Hergenröder, Gerhard; Simianer, Norbert

Höfer, Arno; Leinen, Klaus; Wagner, Edgar

1990 Klett Verlag

1993 Schroedel, Schöningh

1990 Schroedel, Schöningh

1999 Klett Verlag

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Geschichte heute 3

Gerst, Hans M.; Langenstein, Konrad; Ryzlewicz, Peter ; Sparn, Waldemar ; Mosel, Ekkehard; Walter, Hans x

Atomkraft Kalter Krieg

1995 Schroedel, Schöningh

Narrative Verlag

Autor

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Umwelt Dekolonia- Nahostlisierung konflikt

56 Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Geschichtliche Weltkunde Klasse 10. Von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart

Geschichtliche Weltkunde Band 4. Von der Oktoberrevolution bis zur Gegenwart

Geschichtliche Weltkunde. 1991 Diesterweg Klasse 9. Von der OktoberVerlag revolution bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges

Unsere Geschichte 3. Von der Zeit des Imperialismus bis zur Gegenwart

Geschichtliche Weltkunde. Vom Zeitalter des Imperialismus bis zur Gegenwart

bsv Geschichte 4. Vom Zeitalter des Imperialismus bis zur Gegenwart

Geschichte entdecken 9

Hoffmann, Joachim; Bahl, Franz; Hug, Wolfgang

Hoffmann, Joachim ; Krautkrämer, Elmar ; Bahl, Franz

Hoffmann, Joachim ; Krautkrämer, Elmar ; Bahl, Franz; Hug, Wolfgang

Hug, Wolfgang; Hoffmann, Joachim; Krautkrämer, Elmar ; Bahl, Franz; Danner, Wilfried

Bahl, Franz; Hoffmann, Joachim; Krautkrämer, Elmar

vom Bruch, Rüdiger ; Cornelissen, Joachim; Eisele, Willi; Gahlmann, Alfred J., Holzbauer, Hans; Neuß, Beate; Zuber, Karl-Heinz

Weber, Jürgen; Hein-Mooren, Klaus-Dieter ; Mestel, Bernhard 1993 C.C. Buchners Verlag

1990 Bayrischer Schulbuchverlag, München

1990 Diesterweg Verlag

1991 Diesterweg Verlag

1991 Diesterweg Verlag

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Atomkraft Kalter Krieg

1990 Diesterweg Verlag

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Das Quellenkorpus

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

1.2

Methodische Annahmen zur Analyse der Zukunftsnarrationen

Als ›Zukunftsnarrationen‹ werden in dieser Arbeit alle diejenigen Abschnitte in Autorentexten von Geschichtsbüchern verstanden, die sich inhaltlich mit der Zukunft beschäftigen. Dabei geht es nicht um historische Zukunftsvorstellungen, wie Koselleck sie als »vergangene Zukunft«39 bezeichnete. In dieser Analyse soll nicht gezeigt werden, welche Zukunftsvorstellungen sich in den Autorentexten in historischer Perspektive finden. Es kann auch nicht die »vergegenwärtigte Zukunft«40 untersucht werden, da die Erwartungen an die Zukunft »personengebunden und interpersonal«41 sind. Eine solche Analyse würde sich auf spekulativer Ebene bewegen und könnte keine Antworten auf die Forschungsfrage nach der Gestalt der Zukunftsnarrationen geben. Auch Bezüge zu futurologischen Diskursen42, die die Zukunft (zumeist auf statistischen Grundlagen) beschreiben, können nicht im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Es soll nicht darum gehen, Zukunftsnarrationen auf ihren Ursprung oder ihre Plausibilität zu prüfen. Weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft liegt der Fluchtpunkt dieser Analyse, sondern in der Gegenwart: in der Produktionsgegenwart des jeweiligen Autorentextes, also in der jeweils gegenwärtigen Zukunft. Ausgehend vom jeweiligen Zeitpunkt der Entstehung der Texte wird nach der im Autorentext entworfenen Zukunftsvorstellung gefragt. Diese Arbeit untersucht also keine vergangenen Zukünfte, sondern zeitgenössische Zukunftsbeschreibungen, die sich am Ende der Schulbuchkapitel zur jüngsten Vergangenheit und Gegenwart befinden. Sie sind ein Betätigungsfeld für Akteure, um Zukunft narrativ zu gestalten und gehen damit über die eigentliche Funktion des Unterrichtsmediums hinaus. Die Analyse untersucht zum einen die Inhalte der Zukunftsnarrationen und fragt, mit welchen Narrativen thematische Verbindungen über die Gegenwart hinaus in die Zukunft hergestellt werden. Eng verbunden mit der inhaltlichen Gestaltung der Texte ist auch die Frage nach der narrativen Struktur der Texte. Zum anderen wird auf einer abstrakteren Ebene gefragt, in welches Verhältnis die Zukunftsnarrationen die drei Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft rücken und wie Verbindungen hergestellt werden. Damit verbunden ist auch die Frage, welchen zeitlichen Horizont (möglicherweise durch einen Rückgriff auf die Vergangenheit) die Zukunftsnarrationen vorausschauend beschreiben. 39 40 41 42

Koselleck 2013, S. 355–358. Ebd., S. 355. Ebd., S. 354. Eine detaillierte Analyse der bundesrepublikanischen Zukunftsforschung hat Seefried vorgelegt (vgl. Seefried 2015).

Das Quellenkorpus

59

Die nachfolgende Inhaltsanalyse der Geschichtsbücher unterscheidet sich insofern von der Vielzahl der bisherigen Schulbuchanalysen, da Zukunftsnarrationen von den Lehrplänen und der Geschichtswissenschaft inhaltlich nicht bestimmt werden. Damit entfällt erstens die geltende Annahme, dass der Inhalt der Geschichtsbücher auf den Lehrplan zurückzuführen sei und der Lehrplan die Entstehung der Texte vorgebe. Zweitens wird die Aussage entkräftigt, dass das Geschichtsbuch fachwissenschaftliche Inhalte didaktisch aufbereite. Welche Themen können diese besonderen Abschnitte der Autorentexte demnach umfassen, wo sie ohne inhaltliche Vorgabe auskommen und doch in jedem Geschichtsbuch seit den 1950er-Jahren zu finden sind? Und wie entstehen diese Kapitel, wie durchlaufen sie z. B. das staatliche Zulassungsverfahren? Eine Antwort auf diese Fragen ist nur in der Synthese der beiden Teile dieser Arbeit möglich. In Anlehnung an die Kategorisierung Schönemanns und Thünemanns versteht sich diese Analyse als eine Kombination aus zwei verschiedenen Bereichen der Schulbuchforschung: Während in diesem ersten Kapitel die Autorentexte einer themenspezifischen Schulbuchanalyse unterzogen werden, umfasst das zweite Kapitel eine geschichtsdidaktische Schulbuchanalyse und untersucht den Entstehungsprozess von Geschichtsbüchern.43

1.3

Die Inhaltsanalyse

Wie in der Vielzahl der bisherigen Schulbuchforschungen analysiert auch diese Arbeit, wie sich ein Thema in Schulbüchern abbildet. Konkret sollen die Autorentexte im diachronen Verlauf von 1950 bis 1995 auf die Frage hin untersucht werden, wie die Zukunft in Geschichtsbüchern erzählt wird. Anders als der Fokus auf die Darstellung einer Person, eines Landes oder eines Ereignisses, handelt es sich bei der Zukunft um einen zeittheoretischen Sammelbegriff, der sich nicht unmittelbar in den Geschichtsbüchern finden lässt und daher zur Operationalisierung näher bestimmt werden muss. Aufgrund der möglichen Diversität der Darstellungen zum Thema ›Zukunft‹ beschränkt sich die Analyse auf die Autorentexte, um diachron identische methodische Rahmenbedingungen zu erhalten. Auch die Auswahl der Methoden zur Schulbuchanalyse44 wird von der multiplen Darstellungsweise eingegrenzt. Die Frequenz- und die Raumanalyse scheiden aus, da sich deduktiv keine Kategorien zur Kodierung festlegen lassen. Eine Kodierung des Begriffs »Zukunft« 43 Vgl. Schönemann/Thünemann 2010, S. 26, 41. 44 Vgl. zur Darstellung der Methoden der Schulbuchforschung Schinkel, Etienne: Schulbuchanalyse (Stichworte zur Geschichtsdidaktik), in: Geschichte für Wissenschaft und Unterricht 65, 2014, H. 7–8, S. 482–497 und ausführlicher Schönemann/Thünemann 2010, S. 21–49.

60

Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

würde der Komplexität der Darstellung in den Autorentexten nicht gerecht bzw. auch keine zufriedenstellenden Antworten liefert. Das Auszählen von Zeilen scheidet aus diesen Gründen ebenfalls aus. Die deskriptiv-hermeneutische Inhaltsanalyse hingegen ermöglicht es, die Frage nach der inhaltlichen Gestaltung der Zukunftsnarrationen zu beantworten. Im Unterschied zu zahlreichen inhaltsanalytischen Forschungsarbeiten soll auch die narrative Gestaltung der Zukunft untersucht werden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wird die Inhaltsanalyse mit narratologischen Methoden kombiniert, um den Charakter der komplexen und vielgestaltigen Zukunftserzählungen zu erfassen.45 Ziel ist es, die Narrative, mit denen Zukunft erzählt wird, aufzuzeigen. Damit knüpft diese Arbeit an einige jüngere Forschungsarbeiten an, die sich ebenfalls der Narratologie bedienten, um Autorentexte systematisch und über die bloße Deskription hinaus zu betrachten.46 Doch auch ältere Arbeiten der Schulbuchforschung arbeiteten bestimmte Erzählstrukturen aus Geschichtsbüchern heraus, um stereotype Darstellungen oder Selbstbeschreibungen von Gesellschaften zu dekonstruieren.47 ›Narrativ‹ wird dabei zu einer inhaltlichen, übergeordneten Analysekategorie für die Autorentexte.48 Diese Wahl ist keineswegs willkürlich oder definitorisch unscharf, wie sie angesichts der offen gefassten Kategorie ›Narrativ‹ zunächst erscheinen mag: ›Narrativ‹ vorab nicht einzugrenzen, bietet für die Analyse 45 Einen wertvollen Beitrag hinsichtlich der Anwendung narratologischer Methoden für die Schulbuchforschung leistete jüngst Kirsch mit ihrer Analyse von Weltanschauungen in DDRStaatsbürgerkundebüchern (vgl. Kirsch, Anja: Weltanschauung als Erzählkultur : Zur Konstruktion von Religion und Sozialismus in Staatsbürgerkundeschulbüchern der DDR. Göttingen 2016). Auch Ott stellte legte den Schwerpunkt ihrer Untersuchung auf die Formen sprachliche Vermittlung in Geschichtsbüchern (vgl. Ott, Christine: Sprachlich vermittelte Geschlechterkonzepte. Eine diskurslinguistische Untersuchung von Schulbüchern der Wilhelminischen Kaiserzeit bis zur Gegenwart. Berlin/Boston 2017) und hat zur Analyse von Schulbüchern linguistische Methoden vorgeschlagen (vgl. Kiesendahl, Jana/Ott, Christine (Hg.): Linguistik und Schulbuchforschung. Gegenstände, Methoden, Perspektiven. Göttingen 2015). 46 Vgl. Onken, Björn: Theorie und Praxis im Konflikt. Überlegungen zur Narrativität von Verfassertexten in Geschichtsschulbüchern, in: Lücke, Martin/ Nitsche, Martin (Hrsg.): Historisches Erzählen und Lernen. Historische, theoretische, empirische und pragmatische Erkundungen. Wiesbaden 2016, S. 69–85; Rüth, Axel: Erzählte Geschichte: Narrative Strukturen in der französischen Annales-Geschichtsschreibung. Berlin 2005; Weiß, Christian: Geschichte(n) zwischen den Zeilen: Geschichtsbücher für deutsche und französische Volksschulen (1900–1960). Köln u. a. 2015. 47 Vgl. Schallenberger 1964. 48 Andere Arbeiten, die sich mit Darstellungsprinzipien in Geschichtsbüchern beschäftigten, benutzen die Terminologie des »Grundmusters« (Lißmann, Hans-Joachim/Nicklas, Hans/Oestermann, Aenne: ›Feindbilder in Schulbüchern‹, in: Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (Hrsg.): Friedensanalysen: Für Theorie und Praxis 1. Schwerpunkt: Feindbilder. Frankfurt a. M. 1975, S. 58). Demgegenüber betont ›Narrativ‹ stärker bestimmte Elemente in der sprachlichen Umsetzung.

Das Quellenkorpus

61

vielmehr die Möglichkeit, einige Aspekte zu verbinden, die bis dato nicht miteinander verknüpft betrachtet wurden. So können die Themen der Zukunftserzählungen genauso erfasst werden wie die Erzählstrukturen und die sprachliche (Tiefen-) Struktur der Autorentexte. In Anlehnung an die geschichtsdidaktischen »Basisnarrative«, die Bernhardt/Gautschi/Mayer49 unter Rückgriff auf Klafkis »Schlüsselprobleme«50 formulierten, an die »großen Fragen«, die Bergmann51 2002 beschrieb sowie an die von von Borries aufgelisteten Zukunftsthemen der Schulbücher52 sollen die Narrative thematisch als Deutungsmodelle der Zukunft erfasst werden.53 Analytisch setzt sich in dieser Arbeit der Begriff des ›Narrativs‹ aus einem Thema und dessen narrativer Strukturierung zusammen. Es wird also davon ausgegangen, dass ein Thema mit verschiedenen Narrativen erzählt werden kann. Innerhalb der einzelnen Narrative wiederum soll in diachroner Perspektive auf mögliche Veränderungen oder sich verschiebende Schwerpunkte eingegangen werden. Der Analyse der Zukunftsnarrationen liegen einige theoretische Annahmen zur Zukunft zugrunde: Sie wird als deutungsoffener und von Kontingenz geprägter, aus der Gegenwart nicht vorhersehbarer Zeitraum verstanden.54 Auf der Grundlage von Vergangenheits- und Gegenwartserfahrungen werden deutungsoffene Erwartungen an die Zukunft formuliert. Inhaltliche Voraussagen sind jedoch auf der Grundlage dieser Erfahrungen geschichtstheoretisch nicht möglich. Die Kenntnis historischer Ereignisse befähigt zur Orientierung, nicht 49 Bernhardt, Markus/Mayer, Ulrich/Gautschi, Peter : ›Historisches Wissen – was ist das eigentlich?‹ in: Kühberger, Christoph (Hrsg.): Historisches Wissen. Geschichtsdidaktische Erkundungen zu Art, Tiefe und Umfang für das historische Lernen. Schwalbach/Ts. 2012, S. 107. 50 Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik: Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 6. Auflage, Weinheim, Basel 2007, S. 56. 51 Bergmann, Klaus: Gegenwartsbezug im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2002, S. 27. 52 Von Borries, Bodo: Geschichte lernen aus Schulbüchern. Versuch einer Zwischenbilanz, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik. Zeitschrift für historisch-politische Bildung, Beiträge und Nachrichten für die Unterrichtspraxis (1989) 17, S. 189–190. 53 Ähnlich verwendete Frank die Analysekategorie, um damit Kriegsnarrative zu beschreiben: Kriege würde als »einschneidende historische Ereignisse […], als zentraler Bestandteil von Gründungs- oder anderen Anfangsnarrativen oder auch von Untergangs- oder Endnarrativen« dargestellt (Frank, Susi K.: Einleitung: Kriegsnarrative, in Borissova, Natalia/Frank, Susi K./ Kraft, Andreas (Hg.): Zwischen Apokalypse und Alltag. Kriegsnarrative des 20. und 21. Jahrhunderts. Bielefeld 2009, S. 7). 54 Die theoretischen Annahmen beruhen neben geschichtstheoretischen und -didaktischen Arbeiten auch auf den Ausführungen zum Konzept des Graduiertenkollegs, in dessen Zusammenhang diese Arbeit entstanden ist (vgl. dazu auch Brakensiek, Stefan: Ermöglichen und Verhindern - Vom Umgang mit Kontingenz: Zur Einleitung, in: Bernhardt, Markus u. a. (Hg.): Ermöglichen und Verhindern. Vom Umgang mit Kontingenz. Frankfurt a.M./New York 2016, S. 9–23 sowie Scheller, Benjamin: Kontingenzkulturen – Kontingenzgeschichten: Zur Einleitung, in: Becker, Frank u. a. (Hg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen. Kontingenz in der Geschichte, Frankfurt a. M./New York 2016, S. 9–31).

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

jedoch zu zutreffenden prospektiven Aussagen über den Fortgang der Geschichte.55 Bloch bezeichnet diesen kontingenten Zeitraum Zukunft als »echte Zukunft«56, der aus der Gegenwart heraus nicht zu überblicken sei und »aus nie so Gewesenem«57 bestehe. Sie sei »jeder bloßen Betrachtung verschlossen und fremd«58 und stelle einen »unabgeschlossenen Entstehungsraum vor uns«59 dar. Demgegenüber steht die Vorstellung einer unechten Zukunft, die »die Zukunft als Vergangenes«60 verkleidet. Aufgrund der inhaltlichen Verbindungen zur Gegenwart beschreibt Bloch sie als deren Verlängerung. Diese inhaltlich ›gefüllte‹ und determinierte Zukunft stellt in dieser Arbeit einen Endpunkt eines Spektrums dar, das von diesen ausgedeuteten Zukunftsvorstellungen bis hin zur Annahme einer offenen und kontingenten Zeit- und Ereignisebene reicht. Zwischen den beiden Enden dieser Skala befinden sich möglicherweise Zukunftsbilder, die potentielle Entwicklungen skizzieren oder unterschiedliche Grade von Eintrittswahrscheinlichkeiten der Prognosen angeben. Es soll dabei auch nach Angaben von Zeiträumen gefragt werden, in denen sich bestimmte Entwicklungen vollziehen sollen. Das Spektrum reicht dabei von vagen Beschreibungen und Andeutungen bis hin zur Benennung konkreter Zeitpunkte oder inhaltlicher Aussagen über den Fortgang der Gegenwart. Ein anderer Aspekt wird mit der Verwendung des Terminus »Zukünfte«61 hervorgehoben. Analog zum Begriff ›Vergangenheit‹ betont ›Zukünfte‹ die Offenheit und Pluralität der Zeitebene. Zugleich wird mit dieser Annahme auch die Kontingenz aller möglichen Entwicklungen, die die »Zukünfte der kommenden Gegenwarten einbezieht«62, operationalisiert. Die Analyse der Zukunftsnarrationen geht von der Annahme aus, dass die Zukunft grundsätzlich kontingent und plural ist. Eine weitere Möglichkeit einer Differenzierung der Zukunftsnarrationen über die inhaltliche Ebene hinaus bietet sich mit der Verwendung von Hölschers Konzept der »Tiefe«63 von Zeithorizonten. Mit der Beschreibung 55 Vgl. dazu Jeismann 1985, S. 16; Koselleck 2013, S. 354–359; Rüsen 2008, S. 15–18, Rüsen 2013, S. 29–32. 56 Bloch, Ernst: Das Prinzip Hoffnung. Erster Band. Frankfurt a. M. 1973, S. 335. 57 Ebd. 58 Ebd., S. 6. 59 Ebd. 60 Ebd., S. 228. 61 Die Pluralität der Zukunft als ›Zukünfte‹ deutet Wittram bereits 1966 an (Wittram, Reinhard: Zukunft in der Geschichte. Zu Grenzfragen der Geschichtswissenschaft und Theologie. Göttingen 1966, S. 14) und findet sich auch noch 2006 bei Esposito (Esposito, Elena: Zeitmodi, in: Soziale Systeme 12 (2006) H. 2, S. 328–344) sowie 2012 bei Rüdiger Graf (Graf, Rüdiger : Zeit und Zeitkonzeptionen in der Zeitgeschichte, Version 2.0, in: DocupediaZeitgeschichte, 22. 10. 2012, verfügbar unter http://docupedia.de/zg/Zeit_und_Zeitkonzep tionen_Version_2.0_Rüdiger_Graf [13. 12. 2018]. 62 Ebd. 63 Hölscher, Lucian: Die Entdeckung der Zukunft, Frankfurt a. M. 1999, S. 140.

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verschiedener Tiefen des Zukunftshorizontes wird es möglich, die Zeitspannen zu erfassen, wie weit in die Zukunft hinein die Beschreibungen der Autorentexte reichen: So umfassen beispielsweise die Fünfjahrpläne der DDR eine geringere Zukunftstiefe als Beschreibungen der Folgen von Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung. Neben dem prospektiven Blick von der Gegenwart auf die Zukunft können auch retrospektive Verbindungen der Zukunftsnarrationen in die Vergangenheit durch die Frage nach Zeittiefen sichtbar gemacht und einheitlich erfasst werden. Es kann gezeigt werden, auf welche historischen Ereignisse zurückgegriffen wird oder welche wiederum keine Rolle spielen, um die Zukunft zu erzählen. Durch die Anwendung dieser Analysekategorie werden die Autorentexte im Hinblick auf die narrative Ausdehnung der Zeitdimension ›Zukunft‹ vergleichbar. Diese Untersuchung versucht, die vorhandenen Aussagen zur Zeittiefe der Zukunftsbeschreibungen zu untermauern. Besonders im pädagogischen Kontext scheint der Übergang von der Gegenwart in die Zukunft ein fließender zu sein. So benennt Klafki die »sich abzeichnende Zukunft«64 als absehbaren und daher inhaltlich beschreibbaren Zeitpunkt, wenn er die Funktion und die Zielsetzung von Allgemeinbildung erläutert. Auch geschichtsdidaktisch wird die Zukunft als Zielpunkt gesetzt. Bergmann erwähnt eine »vermutete«65, »vermutliche«66 und »absehbare«67 Zukunft, über die auch inhaltliche Aussagen getroffen werden könnten. Rohlfes zufolge könne die »nächste Zukunft«68 ebenfalls noch vom Geschichtsunterricht erfasst werden und sei deshalb als Teil der Unterrichtsplanung zu berücksichtigen.69 Auf die Frage, wie diese gegenwartsnahe Zukunft inhaltlich gestaltet werden könne, gibt die geschichtsdidaktische Forschung Antworten. Bergmann ging davon aus, auf einen der Gegenwart ›nahen‹ Teil der Zukunft zugreifen zu können. Er nannte es die »Großen Fragen der Gegenwart und absehbaren Zukunft«70, in denen sich auch die Fragen der Vergangenheit wiederfänden und schlägt zur Operationalisierung den Ursachen- und den Sinnzusammenhang vor.71 Von Borries listete im Zusammenhang mit seiner Forderung nach einer Schulbuchrevision ebenfalls Themen auf, um die der Stoffkanon und die Fra64 Klafki 2007, S. 53. 65 Bergmann, Klaus: Geschichte als Steinbruch? Anmerkungen zum Gegenwartsbezug im Geschichtsunterricht, in: Schönemann, Bernd/Schreiber, Waltraud/Voit, Hartmut (Hg.): Zeitschrift für Geschichtsdidaktik. Grundlagen – Forschungsergebnisse – Perspektiven. Schwalbach/ Ts. 2002, S. 139. 66 Ebd., S. 140. 67 Ebd. 68 Rohlfes, Joachim: Geschichte und ihre Didaktik. Göttingen 2005, S. 214. 69 Bergmann, 2002, S. 24. 70 Ebd., S. 27. 71 Vgl. ebd., S. 38–40.

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

gestellungen der Geschichtsbücher ergänzt werden sollten, da sie »die absehbaren Probleme des Lebens, Überlebens und Menschenwürdiglebens von Jugendlichen um die Jahrtausendwende«72 beschreiben würden. Diese theoretischen Annahmen suggerieren eine Kontinuität von der Gegenwart in die Zukunft hinein, auch wenn sie alle einräumen, dass sich diese kontinuierliche Linie nur auf einen kleinen Teil der Zukunft beschränken kann. Diesen (unterrichts-) praktischen Ausführungen gegenüber stehen geschichtstheoretische und -didaktische Annahmen, dass die Zukunft inhaltlich offen und thematisch unbestimmt bleibe, wie der folgende Abschnitt skizziert.

1.4

Die Analyse der Verbindung der Zeitebenen

Das Verhältnis der drei Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das Rüsen73 und Jeismann74 beschrieben haben, ist der disziplinimmanente Grundbaustein, auf dem seit Jahren weitere Ausführungen zum historischen Lernen oder zur Kompetenzorientierung basieren. Für diese Analyse werden sie als zeit- und geschichtstheoretischer Ausgangspunkt verstanden, um einerseits Verbindungslinien zwischen den drei Zeitebenen und den Einfluss der Vergangenheit und der Gegenwart auf die Zukunft aufzuzeigen. Andererseits sollen die theoretischen Konzepte die Bestimmung der Zukunft als offenen und kontingenzwahrenden Zeitraum untermauern. Jeismann konstatierte 1985, dass Geschichte auch »stets die Gegenwart und die kommende Geschichte«75 beinhalte und dass Vergangenheitsdeutung und Zukunftsperspektive wechselseitig aufeinander wirkten. Bei der Zukunft handle es sich um »erwartete Geschichte«76, um eine Zukunftsperspektive, die sich vor dem Hintergrund von Vergangenheitsdeutung und Gegenwartsverständnis eröffnet. Die Verbindung von Vergangenheit und Zukunft ist dabei sowohl struktureller wie auch semantischer Natur. Die Erhaltung der Handlungsfähigkeit und das Eröffnen einer »handlungsleitenden Perspektive«77 angesichts von »deutungsbedürftigen Zeiterfahrungen 72 Von Borries 1989, S. 189–190. 73 Vgl. Rüsen, Jörn: Historische Sinnbildung. Eine Argumentationsskizze zum narrativistischen Paradigma der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsdidaktik im Blick auf nichtnarrative Faktoren, in: Internationale Schulbuchforschung 18 (1996), S. 501–544; Rüsen 2008; Rüsen 2013. 74 Vgl. Jeismann, Karl Ernst/Schönemann, Bernd: Geschichte amtlich: Lehrpläne und Richtlinien der Bundesländer : Analyse, Vergleich, Kritik, Frankfurt a.M. 1989; Jeismann 1982, S. 102–122. 75 Jeismann 1985, S. 16. 76 Ebd. 77 Rüsen 2008, S. 17.

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in der Gegenwart«78 beschreibt Rüsen als Tätigkeit des Geschichtsbewusstseins. Der gegenwärtigen Zeiterfahrung – »Kontingenzerfahrungen mit lebenspraktischer Bedeutung«79– wird durch die Verortung in einem Zeitverlauf Sinn verliehen. Damit vollzieht das Geschichtsbewusstsein auf individueller Ebene eine Bewältigungs- und Orientierungsleistung, um die Divergenz von Erfahrungen und Erwartungen zu überwinden. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei in der Verarbeitung der Brucherfahrungen, wenn die erfahrene Gegenwart nicht zu der erwarteten bzw. aus der Vergangenheit abgeleiteten Erfahrung passt. Aus dieser Bewältigung der Gegenwart eröffnet sich notwendigerweise eine Zukunftsperspektive, die allerdings deutungsoffen bleibt, da sich Erwartungen und Erfahrungen fortwährend aneinander ›abarbeiten‹. Rüsen beschreibt die Zukunft als »Erwartungsperspektive«80, die sich »erfahrungsgesättigt als Handlungsperspektive«81 eröffnet, die jedoch nicht von den Erfahrungen determiniert wird. Im Geschichtsbuch spreche »die Vergangenheit gleichsam über die Erinnerung so in die Gegenwart […], dass die Zukunft als Handlungsperspektive«82 geöffnet werde. Die Erfahrung der deutungsoffenen und von kontingenten Ereignissen geprägten Zukunft stellt also die notwendige Bedingung für die andauernde Tätigkeit des Geschichtsbewusstseins dar, um Orientierung zu stiften. Bereits 1975 beschäftigte sich Bergmann mit Darstellungsweisen der Zukunft. In enger Anlehnung an Bloch stellte er der ›echten Zukunft‹ eine Darstellungsform gegenüber, in der die Zukunft lediglich eine »zeitlich verlängerte, qualitativ unveränderte Gegenwart«83 sei. Letztere verhindere die »Denkbewegung […], um in Gegenwart und Zukunft vernunftgeleitetes Handeln zu ermöglichen«84, die von Bergmann als Aufgabe der Geschichtsdidaktik beschrieben wurde und als kognitive Arbeit Rüsens Sinnbildung durch Zeiterfahrung ähnelt. Für beide Theorien ist es von großer Bedeutung, die Zukunft als offenen und inhaltlich nicht determinierten Zeit-Raum zu erfahren. Neben seinen theoretischen Ausführungen beschreibt Bergmann allerdings auch den unterrichtspraktischen Umgang mit Zukunft und zeigt Möglichkeiten der inhaltlichen Gestaltbarkeit der Zukunft auf. Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der Zukunft seien »gegenwärtige, öffentlich-politisch umstrittene Probleme von tendenziell langer 78 79 80 81 82 83

Ebd. Ebd. Ebd., S. 18. Ebd. Ebd., S. 40. Bergmann, Klaus/Pandel, Hans-Jürgen: Geschichte und Zukunft. Didaktische Reflexionen über veröffentlichtes Geschichtsbewußtsein. Frankfurt a.M. 1975, S. 106. 84 Bergmann, Klaus: Gegenwartsbezogenheit und Zukunftsbezogenheit historischen und geschichtsdidaktischen Denkens, in: Schörken, Rolf (Hrsg.): Der Gegenwartsbezug der Geschichte. Stuttgart 1981, S. 41.

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Dauer, denen eine erkennbare gesellschaftliche Relevanz zukommt.«85 Die Notwendigkeit der Auswahl solcher Probleme entstehe durch »die Annahme einer offenen, nicht bereits vorentschiedenen oder vorgewußten Zukunft«86. Darin zeigt sich die Dialektik der kontingenten Zukunft: Ihre Offenheit und die Möglichkeit von Kontingenzerfahrungen erfordert eine didaktische Gestaltung und konstituiert die von der Gegenwart ausgehenden und in die Zukunft hineinreichenden Probleme. Durch die Herstellung eines Sinnzusammenhangs werde »an der Geschichte gelernt«87 und es entstehe ein »Orientierungswissen«88, das es ermögliche, prospektiv auf die Zukunft zu blicken. Die Zukunft wird an einigen Stellen in Bergmanns Ausführungen zum marxistisch inspirierten locus amoenus der Vergangenheit und der Gegenwart, was insbesondere an seiner Kritik einer vermeintlich bürgerlichen Geschichtstheorie deutlich wird.89 Mit jener verbindet er die Konstruktion historischer Kontinuität als »stillgestellte Geschichte«90. Eine kontingenzverneinende und Kontinuität der historischen Entwicklung suggerierende Darstellung sei als die »dominante Geschichtskonstruktion«91 in »historisches Alltagsbewußtsein«92 eingeflossen und als »veröffentlichtes Geschichtsbewußtsein«93 in die Gestaltung von Lehrplänen vorgedrungen. Konkret handle es sich nur noch um eine »chronologische Datensammlung, in der historische Daten wie Perlen an der Schnur aufgezogen sind.«94 Diese »stillgestellte«95 Geschichte diene nur noch »zur Legitimation zukunftsloser gegenwärtiger Praxis«96. Geschichte werde durch diese Darstellungsformen »singularisiert«97 und Kontingenz verschwinde hinter der Erzählung von Fortschritt und Erfolgen. Aus dieser Erzählform von Geschichte und der Konstruktion von Kontinuität resultiere, dass als Folge einer gedanklich »stillgestellten Gegenwart«98 die Zukunft zu einer unechten Zukunft (im Sinne 85 86 87 88 89

90 91 92 93 94 95 96 97 98

Ebd., S. 53. Ebd. Ebd. Ebd. In Bergmanns Formulierungen scheinen immer wieder marxistisch geprägte Begrifflichkeiten durch, deren Ursprung und Ursache nicht näher beleuchtet werden sollen. Neben einer möglichen politischen Prägung des Autors muss angesichts der mitunter scharfen Kritik am bürgerlichen Geschichtsbild auch beachtet werden, dass das o.g. Buch als Antwort auf die Kritik an den »Hessischen Rahmenrichtlinien Gesellschaftslehre« von 1972 entstanden ist, an deren Entstehung Bergmann maßgeblich beteiligt war. Ebd., S. 90. Ebd., S. 95. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 103.

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Ernst Blochs) werde, bei der es sich um »eine bekannte, in der Gegenwart strukturell bereits realisierte Zukunft«99 handle. Die Zukunft sei damit nichts anderes mehr als die »prolongierte Gegenwart«100. Diese Arbeit verwendet kein theoretisches Schema zur Untersuchung der Zukunftserzählungen, sondern versteht die Zeitebenen selbst als Kategorien und die sprachlichen Mittel als Bindeglieder. Auf diese Weise wird die Analyse nicht vorab durch bestimmte theoretische Prämissen determiniert. Aufgrund dieser theoretischen Annahmen werden für die Analyse der Zukunftserzählungen folgende Forschungsfragen formuliert: Mit welchen Narrativen werden die Zukunftsnarrationen inhaltlich gefüllt? Wie wird die Zukunft dabei von der Gegenwart unterschieden und abgegrenzt? Wie werden Kontingenz und die Offenheit der Erwartungen erzählt? Wie und welche Bezüge werden von der Zukunft zur Vergangenheit und Gegenwart hergestellt? Welche Funktion erfüllen die Zukunftsnarrationen zum Abschluss des Geschichtsbuches?

1.5

Die Analyse der sprachlichen Mittel

Die Zukunftsnarrationen der Autorentexte werden zum einen auf der linguistischen Ebene, zum anderen in Anlehnung an literaturwissenschaftliche Methoden untersucht.101 Zu diesen Erzählungen gehören ohne Zweifel diejenigen, in denen die Zukunft explizit angesprochen und beschrieben wird. Doch auch ohne die Erwähnung der Zeitebene kann durch Formulierungen suggeriert werden, dass historische Entwicklungen bis in die Gegenwart hinein andauern und möglicherweise auch darüber hinausgehen. Als Beispiele für diese impliziten Bezüge gelten Begriffe wie »bis heute«, »immer wieder«, »noch nicht/noch kein« oder »bisher«. In Anlehnung an die Annahmen der funktional-linguistischen Analyse wird davon ausgegangen, dass »über vermeintlich bereits kleinste Sprachpartikel komplexe Ereignisse beschrieben und erklärt werden«102 kön99 Ebd. 100 Ebd., S. 106. 101 Im Folgenden liefert diese Arbeit keine Übersicht über die linguistische und literaturwissenschaftliche Forschung, sondern wird nur die Methoden und Begriffe vorstellen, die als geeignet ausgewählt wurden. 102 Schrader 2013, S. 70. Aus forschungspragmatischen Gründen muss diese Arbeit auf die Kodierung der Zukunftsnarrationen verzichten, da die Themen der Zukunftsnarrationen und ihre narrative Struktur im Mittelpunkt stehen. Eine Kodierung der Texte stellte für die hermeneutische und narrative Analyse keinen Mehrwert dar. Die zumeist kurzen Textabschnitte, die die Zukunftsnarrationen enthalten, konnten auch ohne Kodierung in ihrer Tiefe analysiert werden. Überdies haben bisherige Arbeiten zur narrativen Gestaltung von Autorentexten wenig Nutzen aus der Kodierung gezogen, da Aussagen über die quantitative Ebene, wie häufig bestimmte Begriffe in Schulbuchkapiteln auftraten, nicht hinausgingen

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

nen, wie Schrader gezeigt hat. Durch bestimmte Formulierungen wird in den Texten deutlich, dass sich gegenwärtige Entwicklungen oder Problemstellungen bis in die Zukunft hinein ausdehnen (so beispielsweise »dauerhaft« oder »weiterhin«). Zugleich wird diese Dauerhaftigkeit ›ex negativo‹ angenommen, nämlich dann, wenn nach der Beschreibung der Gegenwart keine andere Prognose für die Zukunft abgegeben wird; wenn also beispielsweise nach der Schilderung einer gegenwärtigen Krise oder eines Konflikts keine Erwähnung einer möglichen Lösung oder ein positiver Zukunftsentwurf erfolgt. Auf der stilistischen Ebene werden scheinbar offene Fragen zu den Zukunftsszenarien gezählt. Indem in den Fragen mögliche Entwicklungen benannt werden, beschreiben sie die Zukunft und skizzieren einen möglichen Fortgang der Ereignisse. Auch die Tempusform der Verben gilt als Indikator für Bezüge zur Zukunft. Der Tempuswechsel vom Präteritum hin zum Perfekt markiert zunächst nur eine Verbindung zur Gegenwart, doch in Kombination mit den oben beschriebenen begrifflichen oder impliziten Verweisen auf die Zukunft kann sie ebenfalls als Indikator für eine Zukunftsnarration gelten. Die Verwendung des Futurs ist natürlich ein expliziter sprachlicher Zukunftsbezug. Neben diesen Zukunftsverweisen auf der linguistischen Ebene sollen die Zukunftsbezüge unter Zuhilfenahme der Erzähltextanalyse beleuchtet werden. Dazu wird die strukturelle Unterscheidung zwischen dem Autor des Textes und dessen Erzähler vorgenommen.103 Mit dieser zusätzlichen Analyseebene wird deutlich gemacht, dass der Autorentext nicht die Haltung seines Verfassers widerspiegelt. Der Text steht als Produkt für sich und ist nicht das verlängerte Sprachrohr seines Autors. Auch die Beschreibung, dass der Erzähler im Geschichtsbuch eine »abstrakte Verkörperung des Schulsystems und seiner amtlich geprüften Geschichtsschreibung«104 sei, erscheint als Versuch, von der auoder aus diesen quantitativen fragliche qualitative Aussagen abgeleitet wurden (vgl. dazu Schreiber, Waltraud: Schulgeschichtsbücher als Grundlage für die Methodenentwicklung, in: Schöner, Florian/Schreiber, Waltraud/Sochatzky, Florian/Ventzke, Marcus (Hg.): Analyse von Schulbüchern als Grundlage empirischer Geschichtsdidaktik. Stuttgart 2013, S. 38–66 sowie Schreiber, Waltraud/Schöner, Alexander/Sochatzy, Florian: Möglichkeiten der Auswertung für kategorial analysierte Datensätze, in: Schöner, Florian/Schreiber, Waltraud/Sochatzky, Florian/Ventzke, Marcus (Hg.): Analyse von Schulbüchern als Grundlage empirischer Geschichtsdidaktik, Stuttgart 2013, S. 124–158). 103 Mit dieser Annahme folgt die vorliegende Arbeit poststrukturalistischen Konzepten der Literaturtheorie. Barthes und Foucault haben sich seit den späten 1960er-Jahren mit Fragen von Autorschaft beschäftigt. Ihre These, das Werk und den Erzähler von der Person des Autors zu trennen und damit kausalen Verbindungen mehr zwischen der Person des Autors und seinem geschriebenen Text zu konstruieren, hat Schulbuchforschung allerdings bislang nicht beachtet (vgl. Barthes, Roland: Der Tod des Autors, in: Jannidis, Fotis u. a. (Hrsg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 185–198; Foucault, Michel: Was ist ein Autor?, in: Jannidis, Fotis u. a. (Hrsg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 198–233). 104 Weiß 2015, S. 29.

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torzentrierten Interpretation nun die politische Funktion des Geschichtsbuches in den Mittelpunkt rücken zu wollen. Ein Kollektivakteur wird damit durch einen anderen ausgetauscht. Diese Analyse geht von einem Erzähler aus, der aus dem Autorentext überhaupt nicht hervortritt (und damit auch nichts ›verkörpern‹ kann), sondern aus einer vermeintlich neutralen Position die Ereignisse und Entwicklungen beschreibt. Laut Genette geht es um die Frage nach »dem Unterschied der Beziehungen, die die verschiedenen Personen und Geschehnisse zu der Erzählung haben«105. Es wird nach den »Fokalisierungen«106 in den Autorentexten gefragt, um zu zeigen, inwiefern sich der Blickwinkel auf die Erzählung verändert. Dieses literaturwissenschaftliche Analyseinstrument erscheint sinnvoll, um Veränderungen in den Autorentexten zu beschreiben, die sich in den Gegenwarts- und Zukunftsnarrationen zeigen. Die Darstellung der historischen Ereignisse kann als »unfokalisierte Erzählung«107 beschrieben werden, in der der Erzähler des Textes mehr weiß als seine Rezipienten und aus der Vielzahl historischer Ereignisse ›die‹ Schulbucherzählung konstruiert. Diese Wissens- und Erzählperspektive verändert sich deutlich, wenn die Geschichtsdarstellung die Gegenwart berührt. An diesem Punkt werden der Erzähler im Autorentext und sein Leser zu seiner »Erzählgemeinschaft«108, die sich der Gestaltung der Zukunft gemeinsam annehmen sollen. Sprachlich wird dieser Unterschied durch Pronomen der ersten Person Plural oder Formulierungen wie »die Zukunft geht uns alle an« bzw. »unsere gemeinsame Aufgabe« realisiert. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive handelt es sich dabei um die »interne Fokalisierung«109. Neben der Frage, wie viel der Erzähler weiß bzw. was er aus der Vergangenheit zur Geschichte aufbereitet, soll auch die Distanz des Erzählers im Autorentext untersucht werden: Bleibt er in den Zukunftsnarrationen genauso unsichtbar wie im übrigen Autorentext oder wird er sichtbar, etwa durch die Verwendung entsprechender Personal- und Possessivpronomen? In Anlehnung an Genette sollen zur Klärung dieser Frage die Analysekategorien des heterodiegetischen und homodiegetischen Erzählers sowie der Fokalisierung herangezogen werden.110 Auch Rohbeck beschreibt den Wechsel der Erzählposition in den Zukunftsnarrationen als Versuch, ein »Gemeinschaftsgefühl«111 zu erzeugen. Es handle sich um »die Beschwörung eines kollektiven Geschichtssubjekts,

105 106 107 108 109 110 111

Genette, G8rard: Die Erzählung. Paderborn 2010, S. 147. Ebd., S. 121. Ebd. Weinrich, Harald: Narrative Theologie, in: Concilium 9 (1973), S. 330. Genette 2010, S. 147. Ebd., S. 159. Rohbeck, Johannes: Zukunft der Geschichte: Geschichtsphilosophie und Zukunftsethik. Berlin 2013, S. 48.

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

das in Wirklichkeit nicht existiert oder zumindest der Konkretion«112 bedürfe. Unabhängig von dieser Kritik hebt Rohbeck hervor, dass durch die Selbstpositionierung die allgemeine Funktion der Zukunftsnarrationen sichtbar werde. So bestehe die »psychisch-ästhetische Absicht […] darin, die Verzweiflung in eine Erwartungsenergie und einen moralischen Impuls umzupolen.«113 Neben der semantischen und thematischen Ebene fragt die Arbeit nach der Erzählstruktur der Zukunftsnarrationen. Geschichtsdidaktische Basisarbeit leistete Barricelli mit seinen disziplinbezogenen Ausführungen zur Narrativität. Er stellte heraus, dass die Geschichtswissenschaft nur über eine »kleine vorrätige Zahl von narrativen Blaupausen«114 verfüge und sich »alle historischen Erzählungen auf kaum mehr als zwanzig archetypische Verlaufsformen zurückführen«115 ließen. Eine Untersuchung, die neben der Inhaltsanalyse auch diese narrativen Schemata herausarbeitet, hat beispielsweise Furrer116 für Kriegsnarrative vorgelegt. Kirsch117 beschäftigte sich mit DDR-Staatsbürgerkundebüchern und untersuchte deren narrative Gestaltung im Hinblick auf ihre ideologische Funktion. Jansen entwarf eine »narratologische Geschichtsschulbuchforschung«118, für die er ausführlich die verwendeten Methoden darstellte. Kategorien wie ›Modus‹ und ›Zeit‹ eignen sich ebenso für die Analyse von Verläufen wie für Zukunftsszenarien. Zu Erzählstrukturen arbeitete Pflüger, die Geschichtsdarstellungen auf bestimmte Erzählmuster hin untersuchte. Sie stellte in ihrer Analyse heraus, dass die Erzählmuster ›Einer gegen alle‹ und ›Aufstieg und Fall‹ zu den »vorherrschenden Denkmustern hinsichtlich des Verlaufs von Geschichte, von Veränderungen und Entwicklungen«119 zählten. Weiss hat die Darstellungstexte in deutschen und französischen Volksschulbüchern als »Einheitserzählungen«120, »Zivilisierungserzählungen«121 und »Freiheitserzählungen«122 charakterisiert und sich dabei intensiv mit dem Begriff der »Meis112 Ebd. 113 Ebd. 114 Barricelli, Michele: Narrativität, in: Barricelli, Michele/Martin Lücke, Martin (Hg.): Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts. Band 1, Schwalbach/Ts. 2012, S. 262. 115 Ebd. 116 Vgl. Furrer 2009, S. 7–15. 117 Vgl. Kirsch 2016, S. 84. 118 Jansen, Johannes: Schulbücher als Erzählungen eigenen Formats. Perspektiven narratologischer Geschichtsschulbuchforschung, in: Danker, Uwe (Hrsg.): Geschichtsunterricht – Geschichtsschulbücher – Geschichtskultur. Aktuelle geschichtsdidaktische Forschungen des wissenschaftlichen Nachwuchses. Göttingen 2017, S. 129. 119 Pflüger, Christine: Die Vermittlung von Erzählmustern und analytischen Kategorien im Schulgeschichtsbuch, in: Handro, Saskia/Schönemann, Bernd (Hg.): Geschichtsdidaktische Schulbuchforschung. Münster 2006, S. 83. 120 Weiß 2015, S. 220. 121 Ebd., S. 236. 122 Ebd., S. 246.

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tererzählung«123 beschäftigt. Bei Weiß’ Analysen handelt es sich allerdings um Verlaufsdarstellungen historischer Ereignisse, die einen Beginn und ein Ende aufwiesen, sodass eine Erzählung daraus entstehen konnte.124 Zukunftsnarrationen weisen eine andere Struktur auf, da sie noch kein definites Ende haben und sich nicht wie historische Erzählungen ex post charakterisieren lassen. Zur Annäherung an Zukunftserzählungen untergliedert diese Arbeit die Narrationen in Themen sowie deren narrativer Strukturierung zu einem Narrativ. Unter Rückgriff auf die Arbeiten von Rohbeck125 und White126 geht die Analyse davon aus, dass mit gewissen narrativen Tiefenstrukturen bestimmte Funktionen und Aussagen verbunden sind. Es soll gezeigt werden, inwiefern Erzählstrukturen auch den Inhalt der Narrationen modellieren und Einfluss auf »die Art von Geschichte«127 nehmen, die erzählt wird. An Pflüger anknüpfend soll der Frage Beachtung geschenkt werden, inwiefern bestimmte Erzählmuster die inhaltliche Gestaltung der Zukunftsnarrationen determinieren können. Im Unterschied zu umfassenden narratologischen Modellen arbeitet diese Analyse mit dem Begriff des Erzählmusters oder der Erzählstruktur, da sie aus methodischen Gründen Zukunftsnarrationen präziser beschreiben. White beschäftigt sich mit historiographischen Arbeiten und kategorisiert ihre Struktur anhand literaturwissenschaftlicher Gattungen. Dieses Verfahren ist zur Beschreibung von Zukunftsnarrationen nur bedingt sinnvoll, da ihnen ein gattungsbestimmendes Element fehlt: der Schluss. Whites entlehnte Unterscheidung von Gattungen zur Strukturierung historischer Darstellungen, die Satire, die Komödie, die Tragödie und die Romanze, weisen (wie die Erzählungen bei Weiß) ein Ende auf und ermöglichen damit eine Bewertung des Handlungsstranges. Dies ist bei den Zukunftsnarrationen nur sehr begrenzt möglich, denn der Fortgang der Ereignisse wird prospektiv vom Blickpunkt der Produktionsgegenwart aus erzählt, während die Analyse der Erzählstruktur retrospektiv geschieht. In Anlehnung an White beschäftigt sich Rohbeck mit der Kategorisierung von Zukunftserzählungen und entwickelt eigene Modelle, um neben der narrativen Struktur 123 In Anlehnung an die Arbeiten in Rexroth, Frank (Hrsg.): Meistererzählungen vom Mittelalter : Epochenimaginationen und Verlaufsmuster in der Praxis mediävistischer Disziplinen. München 2007 sowie Jarausch, Konrad Hugo/Sabrow, Martin: Meistererzählung – Zur Karriere eines Begriffes, in: Jarausch, Konrad Hugo/Sabrow, Martin (Hg.): Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte nach 1945. Göttingen 2002, S. 9–33. 124 Ebenso auch die Analyse von Rüth, der die Erzählmodi der Annales-Schule verwendete, an die sich auch Rüsens vier Erzähltypen anschließen lassen (vgl. Rüsen 2013, S. 210; Rüth 2005). 125 Rohbeck 2013. 126 Vgl. White, Hayden V.: Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa. Frankfurt a.M. 2008, S. 18. 127 Ebd., S. 21.

72

Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

auch den Inhalt der Erzählungen zu erfassen. Er schlägt drei Kategorien vor, die sich an vormodernen Erzählstrategien orientieren: Zyklus, Apokalypse und Eschatologie.128 Die Kategorie ›Zyklus‹ beschreibt den Verlauf der Geschichte und die Zukunft als kreisförmig, um »das Vertrauen zu schöpfen, die aktuellen Krisen auf ähnliche Weise meistern zu können, wie es schon früher lebenden Völkern gelungen ist.«129 Die doppelte Funktion liegt darin, »Angst vor der Krise zu schüren und zugleich Hoffnung auf Überwindung zu wecken.«130 Das Erzählmodell der Apokalypse beschreibt die »Vernichtung der gesamten Menschheit«131. Rohbeck betont, dass gerade dieses Erzählmodell »wie die klassischen Utopien […] einen moralischen und didaktischen Grundton«132 enthalte und an das »Denken, Fühlen und Handeln der Menschen«133 appelliere. Es sei »paradox«, so Rohbeck weiter, den Leser »zum praktischen Eingreifen«134 zu motivieren, indem »der Untergang als höchst wahrscheinlich geschildert«135 wird. Horn differenzierte die Formen der Apokalypse noch aus und beschrieb die hier dargestellte als das »alte Apokalypse-Muster«136, das den Untergang und die Erneuerung verbindet. Das didaktische Element der Rettung ist demnach ein vormodernes und findet seinen Ursprung in der Offenbarung des Johannes. Damit ähnelt Horns Beschreibung Rohbecks Modus der Eschatologie oder »Rettung aus der Gefahr«137, die ähnlich wie ein Drama in drei Schritten erzählt werde: »Zuerst verschlimmert sich die Lage, dann spitzt sich die Krise zu und es kommt zur Wendung, schließlich beginnt die Rettung aus der Not.«138 Auf die Katastrophe folgt die Katharsis, so Rohbeck und der Neuanfang in eine bessere Zukunft sei in der Erfahrung der Katastrophe bereits enthalten. Die Utopie dieser besseren Zukunft wird aus der Dystopie abgeleitet und nur durch sie möglich. Allen drei Kategorien ist gemein, dass Rohbeck ihnen eine »pragmatische Funktion«139 zuschreibt: Durch die Prognosen in die Zukunft appellieren

128 129 130 131 132 133 134 135 136

Vgl. Rohbeck 2013, S. 38. Ebd. Ebd. Ebd., S. 40. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Horn, Eva: Die Enden des Menschen. Globale Katastrophen als biopolitische Phantasie, in: Sorg, Reto/Würffel, Stefan Bodo (Hg.): Utopie und Apokalypse in der Moderne. Paderborn 2010, S. 103. In der Moderne sei diese Version kaum mehr anzutreffen, sodass sie als neue Form der Apokalypse die vollständige Zerstörung der Menschheit bezeichnet (vgl. dazu auch Horn, Eva: Zukunft als Katastrophe. Frankfurt a.M. 2014, S. 14–20). 137 Rohbeck 2013, S. 43. 138 Ebd. 139 Ebd., S. 38.

Die Analyse der Zukunftsnarrationen der westdeutschen Geschichtsbücher

73

sie »an das Lesepublikum, die zu befürchtenden Krisen zu überwinden.«140 Diese Pragmatik, die sich auch auf sprachlicher Ebene zeigen lässt, ist zugleich die Beschreibung der didaktischen Funktion der Zukunftsnarrationen. Horn charakterisiert die Erzählstruktur als eine Art gesellschaftlichen Testfall, die eine »spezielle Form der Einsicht«141 im Hinblick auf das Wesen des Menschen ermögliche.

2.

Die Analyse der Zukunftsnarrationen der westdeutschen Geschichtsbücher

Die Analyse der Autorentexte geschieht unter einem thematischen Aspekt und verwendet die deduktiv generierten Narrative, die in den Zukunftserzählungen zu finden sind, als Analysekategorien. Im Gegensatz zu einem schulbuchzentrierten Vorgehen oder einer chronologischen Untersuchung der Autorentexte ermöglicht diese semantische Struktur ein diachrones Vorgehen. Auch Veränderungen der Narrative sowie Parallelen in Erzählstrukturen werden durch diese Gliederung besser sichtbar gemacht. Zugleich werden Wiederholungen vermieden, da die Autorentexte gebündelt werden, wenn sich die Gestaltung ähnelt. Auch Bezüge zwischen den Narrativen werden ersichtlich und können markiert sowie verglichen werden. So eröffnet sich innerhalb der Narrative ein Spektrum der verschiedenen Darstellungsweisen, die der Übersicht halber chronologisch gegliedert wurden.

2.1

Das Thema ›Atomkraft‹

Das Thema ›Atomkraft‹ wird in den Autorentexten des Betrachtungszeitraums dieser Arbeit in Form von drei unterschiedlichen Narrativen verwendet: Als apokalyptisches Szenario eines Dritten Weltkrieges142, als positive Zukunfts140 Ebd. 141 Horn 2010, S. 106. 142 In der Verwendung des Begriffs ›Dritter Weltkrieg‹ orientiert sich diese Arbeit an der zeitgenössischen Verwendung der Formulierungen in den Geschichtsbüchern. In der Begriffstradition des Zweiten Weltkrieges wird der Dritte Weltkrieg seit Beginn des Kalten Krieges mit dem Einsatz von Nuklearwaffen verbunden und die Zerstörung der Menschheit gefürchtet. Das Szenario eines Krieges und den Ausmaßen dessen Folgen wird seit den 1950er-Jahren sowohl in der Unterhaltungsliteratur, aber auch in politischen Sachbüchern thematisiert (vgl. dazu in Auswahl: Czernetz, Karl: Kommt der dritte Weltkrieg? Wien 1951; Hackett, John: Welt in Flammen. Der Dritte Weltkrieg – Schauplatz Europa. München 1983; Lehms, Rudolf: Der dritte Weltkrieg in Sicht. Köln 1980; Schmidt, Arno: Schwarze Spiegel, in Schmidt, Arno: Brand’s Haide. Zwei Erzählungen. Hamburg 1951, S. 153–259).

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perspektive durch die bedeutenden Vorteile der Atomenergie und als Narrativ, das die Ambivalenz der Atomkraft in den Blick nimmt. Insgesamt 92 der 223 Geschichtsbücher verbinden es mit dem Thema ›Kalter Krieg‹. Daraus entstehen in den Texten die Zukunftsnarration eines möglichen Dritten Weltkriegs unter Einsatz von Atomwaffen, von dem die Menschheit bedroht werde. Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich die Autorentexte auch mit den politischen Bemühungen um Abrüstung und Friedensverhandlungen und zeichneten sowohl optimistische wie auch negative Zukunftsperspektiven, die die Bedrohung als dauerhaftes Merkmal der politischen Situation beschreiben. Das zweite Narrativ zeigt, dass das Thema auch als besonders zukunftsrelevant erzählt wird, da durch die Atomkraft große Energiemengen produziert werden könnten. Diesen technik-optimistischen Zukunftsszenarien zufolge könne durch Atomenergie der Fortschritt gesichert und befördert werden. Das dritte Narrativ dieses Kapitels rückt die Ambivalenz von Bedrohung und Fortschritt in den Mittelpunkt, indem beide Aspekte Beachtung finden.

2.1.1 Der ›Dritte Weltkrieg‹ Dieses Narrativ wird geprägt durch die Verbindung der Themen ›Atomkraft‹ und ›Kalter Krieg‹. Die Autorentexte verknüpfen sie vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage und der Möglichkeit des Einsatzes nuklearer Waffen. Narrativ erschaffen sie die apokalyptische Vorstellung einer kriegerischen Eskalation des Konflikts unter Verwendung von Atomwaffen. Ein solcher Dritter Weltkrieg ist das Schreckensszenario der Zukunft, das sich quantitativ am häufigsten in den Geschichtsbüchern findet, denn in 92 der 223 Bücher zeigt sich diese narrative Gestaltung der Zukunft. Neben Darstellungen des Ausmaßes der Zerstörung durch einen Atomkrieg werden allerdings auch friedliche Zukunftsperspektiven entworfen. Zwei Entwicklungen der jeweiligen Gegenwart sind die Ausgangspunkte, auf deren Grundlage die Darstellungstexte extrapolieren, wie sich der Kalte Krieg weiterentwickeln könnte: Zum einen die Abrüstungsgespräche und zum anderen das »Gleichgewicht des Schreckens«143. In den 1950er-Jahren skizzieren zehn der insgesamt 38 Geschichtsbücher mit dem Narrativ ›Dritter Weltkrieg‹ eine mögliche Eskalation unter Verwendung von Atomwaffen, »womit ganze Völker ausgerottet werden können«144. Mit dem Zukunftsszenario wird an die Kriegserfahrungen der jüngeren Vergangenheit angeknüpft. So seien »noch keine 10 Jahre seit dem letzten Kriege vergangen«145, 143 Emmerich, Alexander: Der Kalte Krieg. Stuttgart 2011, S. 148. 144 Habisreutinger, Josef/Krick, Walter : Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950. Bamberg 1955, S. 196. 145 Steinacker, Ruprecht: Geschichte unserer Zeit. Düsseldorf 1954, S. 121.

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da »sprechen die Staatsmänner wieder von einem 3. Weltkrieg, die Zeitungen berichten von Atombombenversuchen«146. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges werden mit dem Wissen um das Ausmaß von Atombomben verknüpft, was den Darstellungstext in »Einst und Jetzt« von 1959 zu der Schlussfolgerung bringt, dass ein nächster Weltkrieg durch den Einsatz von Atomwaffen »noch viel entsetzlicher als der letzte«147 sein würde. Auch der Autorentext in »Geschichte unserer Zeit« bedient sich drastischer Formulierungen, um die Vergangenheit mit der Zukunft zu verknüpfen: Der Abwurf der Atombombe 1945 »führte […] der Welt vor Augen, daß der modernen Kriegsführung jetzt Mittel zu Gebote stehen, die den Bestand der Menschheit gefährden«148. Dass sich die Gefährdung durch die Atomwaffen nicht nur auf die Vergangenheit und die Ereignisse in Japan bezieht, sondern auch die Gegenwart mit einschließt, wird sprachlich durch den Wechsel vom Präteritum zum Präsens markiert. Eine vergleichende Betrachtung der Ausgaben von 1953 und 1958 des Geschichtsbuches »Werden und Wirken« zeigt, wie die Bedrohung sprachlich im Vergleich noch verstärkt wurde. 1953 resümiert der Text zum Abschluss: Über der »ruhelose[n] Erde hängt die Drohung der Atomwaffe«149 und verstärkt diese Bedrohung auf der sprachlichen Ebene, sodass der Text 1958 beschreibt, es gebe »die wachsende Angst der Völker vor der Herstellung immer neue atomarer Vernichtungswaffen«150. Eine deutliche quantitative Steigerung der Verwendung des Narrativs ›Dritter Weltkrieg‹ zeigt sich in den 1960er-Jahre, da 26 der untersuchten 37 Geschichtsbücher die Zukunft als Bedrohung durch die Produktion und Aufrüstung sowie den Besitz von Atomwaffen erzählen. Anders als in den 1950erJahren, wo vordringlich der Schaden durch den Einsatz von Atomwaffen betont wurde, werden in den 1960er-Jahren eher die internationale Frontstellung und die Konfliktparteien benannt. Der Autorentext in »Die Neueste Zeit 1815–1962« bezeichnet es als »das für die Zukunft der Menschheit bedeutsamste Ereignis«151, dass die Welt in »zwei sich gegenseitig bekämpfende Machtblöcke«152 auseinandergefallen sei. »Die Welt der Gegenwart ist erfüllt von Angst und Schre-

146 Ebd. 147 Brückner, Rudolf u. a.: Einst und jetzt. Geschichtsdarstellung vom Altertum bis zur Gegenwart. Hannover 1959, S. 291. 148 »Geschichte unserer Zeit«, 1954, S. 91. 149 Ebd., S. 159. 150 Frank, Gerhard u. a.: Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart. Frankurt a.M. 1958, S. 271. 151 Vittali, Erich/ Weiler, Karl: Werden und Wirken. Geschichtswerk für die Mittelstufe der höheren Schulen. Die neueste Zeit (1915–1962). Karlsruhe 1965, S. 173. 152 Ebd.

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cken«153, resümiert der Darstellungstext in »Geschichte der Neuesten Zeit« und steigert diesen Befund, indem das Zukunftsszenario eines Dritten Weltkrieges ausgebreitet wird, der das Ende der Menschheit bedeuten würde. Aus der Erfahrung der Kuba-Krise in jüngster Vergangenheit leiten die Autorentexte die dauerhafte Bedrohungssituation ab. So habe das Beispiel der Kuba-Krise gezeigt, »wie schnell der zwischen dem Ost- und Westblock seit Jahren bestehende ›Kalte Krieg‹ zu einem Dritten Weltkrieg führen kann«154. Die Beschreibungen des Ausmaßes einer kriegerischen Auseinandersetzung gleichen denen der 1950erJahre: Ein Atomkrieg bedeute den »Untergang der Menschheit«155, so der Darstellungstext in »Die neueste Zeit«. Eine noch ausführlicherer und drastischere Beschreibung enthält der Autorentext in »Die Reise in die Vergangenheit«, denn »Bedrückend schwer hängt die Drohung der Atomzerstörung unserer Welt über der ganzen Menschheit.«156 Angesichts der Atommächte Frankreich und China, die neben den USA und der Sowjetunion angeführt werden, sei schon die Gegenwart so gefährlich, dass »kein Winkel der Erde«157 mehr sicher sei »vor diesen überall hinreichenden Riesenmaschinen«158. Eine fehlende Perspektive auf einen möglichen Frieden suggeriert in dieser Darstellung, dass über die Gegenwart hinaus auch die Zukunft von dieser Bedrohung geprägt sein werde. Neben sprachlichen und narratologischen Mitteln wird in zwei Autorentexten aufgrund der Platzierung der Zukunftsnarration die Relevanz des Themas hervorgehoben. Die meisten Geschichtsbücher enden mit einer Beurteilung der Gegenwart und einem Ausblick auf die Zukunft. Sowohl in »Von der industriellen Revolution bis heute« als auch in »Geschichte unserer Welt« wird bereits zu Beginn des Kapitels zur Nachkriegsgeschichte bzw. schon im Vorwort des Geschichtsbuches der Ausbruch eines Dritten Weltkrieges beschrieben: Es handle sich um eine ständige Bedrohung, dass eine »Rakete mit einem Atomsprengkopf an einen fernen Ort geschossen werden und dort ganze Völker in Tod und Vernichtung stürzen«159 könne. Der Autorentext in »Geschichte unserer Welt« ist zugleich ein Beispiel dafür, dass der Kalte Krieg nicht explizit benannt werden muss, um die Gefährlichkeit des gegenwärtigen Konflikts auch in die Zukunft hinein zu projizieren und Zukunftsszenarien als Gefahr zu erzählen. Bis auf eine Ausnahme160 verbinden alle 34 Geschichtsbücher der 1970er153 Steinbügl, Eduard: Geschichte der Neuesten Zeit für Mittelschulen und Realschulen. München 1962, S. 139. 154 Stellmann, Martin: Die Neueste Zeit. Frankfurt a.M. 1963, S. 184. 155 Ebd. 156 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1962, S. 262. 157 Ebd. 158 Ebd. 159 Hagener, Caesar: Geschichte unserer Welt. Band 3. Braunschweig 1961, S. 5. 160 Das Geschichtsbuch »Lebendige Geschichte 4 – Wir leben nicht allein« von Hans Mann, das 1972 im Ferdinand Dümmlers Verlag erschien, thematisiert zwar die Verwendung der

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Jahre die Themen ›Atomkraft‹ und ›Kalter Krieg‹. Wie schon in den 1960erJahren beschreiben auch die Autorentexte der 1970er-Jahre die Apokalypse durch einen Atomkrieg.161 Dabei stimmen die Texte in der Einschätzung des Ausmaßes der Bedrohung überein, die von der Verwendung der Atomwaffen in einem Krieg ausgeht: die Vernichtung der gesamten Menschheit. Im Unterschied zu den Autorentexten der 60er-Jahre nehmen die Darstellungen der 70er-Jahre Graduierungen des Ausmaßes vor, die mit der Anzahl der Staaten verbunden wird, die Atomwaffen besitzen. Ausgehend von der Aufrüstung Großbritanniens, Frankreichs und Indiens werde die Möglichkeit eines Nuklearkrieges größer, so der Autorentext in »Zeitgeschichte (1917 bis zur Gegenwart)« von 1978.162 Auch »Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute« beschreibt Staaten, darunter die junge Atommacht Indien, und ihr Verhalten in Bezug auf Rüstungsabkommen als Faktor zukünftiger Ungewissheit. So sei es »unsicher, ob sie dem Vertrag endgültig zustimmen oder doch selbst eigene Atomwaffen entwickeln werden.«163 Die Zahl der Autorentexte, die die Themen ›Kalter Krieg‹ und ›Atomkraft‹ zum Narrativ ›Dritter Weltkrieg‹ verknüpften, reduziert sich in den 1980er-Jahren deutlich von 48 auf nur noch 17 Geschichtsbücher. Wie in den anderen Jahrzehnten auch finden sich – im Vergleich zum restlichen Autorentext – sprachlich außergewöhnlich gestaltete Zukunftsbeschreibungen, die annehmen, »daß jegliches Leben auf dieser Erde für alle Zeit vernichtet werden könnte. Die Apokalypse, also das Ende der Welt, war eine tatsächliche Möglichkeit geworden.«164 In »erinnern und urteilen IV« wird deutlich, dass diese Bedrohung nicht erst zukünftig, sondern bereits gegenwärtig vorhanden sei, wenn es im Text heißt, dass »über unserer heutigen Welt […] die Drohung der atomaren Vernichtung«165 stehe. Neben der Beschreibung des apokalyptischen Zukunftsszenarios zeigt der Darstellungstext in »erinnern und urteilen« mit der Formulierung »Ende oder Wende«166 ein Spektrum an zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten auf. Der Text benennt Vorschläge für »Chancen, ein menschenwürdiges Leben aller zu si-

161 162 163 164 165 166

Atomwaffen im Zweiten Weltkrieg und formuliert darauf aufbauend eine Mahnung für »Frieden und Menschenwürde für jeden Menschen!« (S. 62), doch verknüpft es die Verwendung nuklearer Waffen nicht mit dem Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion. Schwandner, Josef/Hutterer, Franz/Voit, Gustav : Geschichte 9. Jahrgangsstufe. München 1973, S. 192; Bodensieck, Heinrich u. a.: Menschen in ihrer Zeit 5. In unserer Zeit. Stuttgart 1970, S. 222. Vgl. Immisch, Joachim: Zeitgeschichte. Von 1917 bis zur Gegenwart. Paderborn 1978, S. 242. Binder, Gerhart u. a.: Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute. Stuttgart 1973, S. 167. Ebd. Alter, Peter u. a.: erinnern und urteilen 10. Stuttgart 1984, S. 215. Ebd.

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chern«167 und als mögliche Lösung der Bedrohung durch die atomare Rüstung die Fähigkeit des Menschen, »zu lernen und zu organisieren«168. Mit dieser Formulierung wird zwar kein expliziter Appell an die SchülerInnen gerichtet, dennoch impliziert die Wortwahl eine gemeinschaftliche friedenspädagogische Verantwortung zur Gestaltung der Zukunft. Dieser didaktische Appell steckt als Darstellungsprinzip implizit auch hinter anderen Autorentexten der 1980er-Jahre. So widmet sich der Text in »Geschichte und Gegenwart. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart«, der Frage, »weshalb es heute so schwierig ist, das atomare Wettrüsten zu beenden.«169 Eine friedliche Lösung des Konflikts wird also immerhin sprachlich explizit erwähnt, wenn auch nicht zu Forderungen weiterentwickelt. Andere Texte leiten aus den gescheiterten Abrüstungsverhandlungen von 1979 eine fortdauernde Gefahr ab. So sieht der Autorentext in »Lebendige Vergangenheit« von 1986 die Möglichkeit, dass sich fortschreitende Aufrüstung in »einer neuen ›Kuba-Krise‹«170 zuspitzen könne, »wenn […] keine der beiden Supermächte nachgeben«171 wolle. »Die großen Hoffnungen auf eine nachhaltige Verbesserung des Ost-West-Verhältnisses«172 seien seit 1979 »stark gedämpft worden«173. Selbst nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion 1989 bleibt das Thema ›Atomkraft‹ in Form des Narrativs ›Dritter Weltkrieg‹ in den Darstellungstexten erhalten. Sechs der 65 Autorentexte der 1990er-Jahre konstatieren, dass in den Konflikten zwischen den GUS-Staaten »alte Feindschaften und Streit um den Besitz von Gebieten […] zu bewaffneten Konflikten zwischen Nachbarstaaten«174 geführt haben. Vor dem Hintergrund dieser Konflikte skizziert der Text in »Geschichte heute 3« eine ungewisse Perspektive über die Gegenwart hinaus in die Zukunft hinein: So werde der weitere Verlauf der Entwicklung der GUS davon abhängen, »ob eine internationale Kontrolle über die atomaren Waffensysteme«175 erreicht werden könne. Damit wird mit dem Narrativ ›Atomwaffen‹ und dem Erzählschema der Bedrohung eine ungewisse Zukunft entworfen, in der die Möglichkeit der Verwendung von Atomwaffen bestehe und damit der Frieden bedroht bleibe. Der Darstellungstext 167 Ebd. 168 Ebd. 169 Brinschwitz, Rudolf u. a.: Geschichte und Gegenwart. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart. Paderborn 1989, S. 214. 170 Eck, Guiskard u. a.: Lebendige Vergangenheit 9. Stuttgart 1986, S. 150. 171 Ebd. 172 Ebd. 173 Ebd. 174 Gerst, Hans M. u. a.: Geschichte heute 3. Paderborn 1995, S. 121. Die Gefahr dieser Konflikte betonen auch »Geschichtsbuch«, 1993, S. 308, ausführlicher dann ab S. 316; »Wir machen Geschichte« 1998, S. 207; »Geschichtliche Weltkunde«, 1991, S. 304. 175 Ebd.

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in »Geschichtsbuch 4« hebt besonders hervor, dass die Weltpolitik »vor allem wegen des großen Atomwaffenpotentials«176 vor neuen Sicherheitsfragen stehe. Der Autorentext in »Das waren Zeiten« fügt diesem Zukunftsnarrativ noch eine Zahl über die Menge der verfügbaren Nuklearwaffen hinzu: »[…] allein Russland verfügt über 20 000 Atomwaffen«177. In den Autorentexten der 90er-Jahre wird das Narrativ ›Dritter Weltkrieg‹ mit den Themen ›Atomkraft‹ und ›Dekolonialisierung‹ in Verbindung gebracht. Der Darstellungstext in »Lebendige Vergangenheit 4« entwickelt das Zukunftsszenario, dass »trotz aller Erleichterung«178 über Abrüstungspläne auch bei Auseinandersetzungen in der Dritten Welt Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten. Unsicher sei auch der Verbleib der Atomsprengköpfe der Raketen und ob anstelle der Mittelstreckenraketen neue Waffensysteme aufgebaut würden.179 Die Tatsache, dass in Europa aufgerüstet worden sei, erhöht die Plausibilität dieser in die Zukunft andauernden Gefahr. Der Text zeigt, dass das Erzählschema ›Bedrohung‹ selbst dann noch Verwendung findet, wenn die atomare Abrüstung thematisiert wird. Die narrative Struktur formt den Inhalt der hoffnungsvollen Zukunftsperspektive, sodass die Sorge um die Zukunft bestehen bleibt. Neben der Darstellung des Ausmaßes und der damit verbundenen dystopischen Zukunftsszenarien der Zerstörung der Menschheit ist mit dem Narrativ ›Dritter Weltkrieg‹ auch eine positivere Zukunftsperspektive verknüpft, die die Wahrung des Friedens durch Abrüstungsgespräche betont. Der Erfolg dieser Gespräche wird sehr unterschiedlich bewertet und in der Mehrzahl der Autorentexte der 1950er-Jahre werden vor dem Hintergrund gescheiterter Gespräche negative Szenarien entwickelt. Alle beteiligten Akteure seien sich über die Gefahr des atomaren Wettrüstens im Klaren, so der Autorentext im fünften Band »Die neueste Zeit« der Reihe »Wege der Völker. Geschichtsbuch für deutsche Schulen«180. Dieser Gefahr sei durch Abrüstungskonferenzen zwar entgegengewirkt worden, doch das Scheitern der Konferenz lasse keine positive Zukunftsperspektive zu, in der die Atomenergie nur zu friedlichen Zwecken genutzt und damit Sicherheit geschaffen würde.181 »Wahrscheinlich liegt der Weg

176 177 178 179 180

Ernst, Ulrich u. a.: Geschichtsbuch 4. Von 1917 bis 1992. Berlin 1993, S. 215. Brückner, Dieter u. a.: Das waren Zeiten. Geschichte 4. Bamberg 1999, S. 241. Bracker, Jochen u. a.: Lebendige Vergangenheit. Stuttgart 1990, S. 134. Vgl. ebd. Vgl. Stellmann, Martin: Wege der Völker. Die Neueste Zeit. Karlsruhe 1957, S. 163. Die Bewertung der Gespräche genauso in »Grundzüge der Geschichte Band 4. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1958, S. 272. 181 Diese Beurteilung der politischen Bemühungen findet sich auch im Autorentext in »Einst und Jetzt. Geschichtsdarstellung vom Altertum bis zur Gegenwart« von 1959. Der Text konstatiert zum Ende des Abschnitts über den Kalten Krieg, dass bisher »keine der Abrüstungskonferenzen zu einem Erfolg geführt« (1959, S. 289) habe.

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der Abrüstung noch in ermüdender Länge vor uns«182 resümiert der Text die politischen Bemühungen. Durch den Wechsel der Erzählperspektive hebt sich diese Zukunftserzählung vom restlichen Autorentext ab und unterstreicht die Belastung, die auch in Zukunft bestehen bleiben und die Erzählgemeinschaft von Schulbuchproduzenten und Schülern gleichermaßen betreffen werde. Im Gegensatz zu neutralen Formulierungen der dritten Person wird das Pronomen »uns« verwendet, womit sich die Autoren und der Autorentext zu einer Erzählgemeinschaft mit den Lesern erklären. Die gemeinsame Aufgabe sei es, die angespannte politische Situation auszuhalten. Gestalterische Möglichkeiten schreiben die Autorentexte hingegen den Vereinten Nationen zu. Die Sicherung des Friedens sei die Aufgabe der UN, die sich dafür »tatkräftig«183 einsetzen werde, so der Autorentext in »Demokratie im Werden«. In drei der 36 Geschichtsbücher der 1960er-Jahre werden auch die politischen Bemühungen im Hinblick auf die Zukunft dargestellt. Sie unterscheiden sich deutlich im Hinblick auf die Beurteilung der politischen Maßnahmen zur Verhinderung eines Atomkrieges. Im Gegensatz dazu stellt der Text in »Mit eigener Kraft« 1962 fest: »Doch fehlen bis heute abgesehen von der Beschränkung bestimmter Atombombenversuche, noch alle Absprachen, die ein solches Unglück verhindern.«184 Auch der Autorentext in »Europa und die Welt 1914–1962« betont die Dauerhaftigkeit der Bedrohung durch Atomwaffen in die Zukunft hinein, indem er erfolglose Abrüstungsverhandlungen ausführt.185 Erfolgreiche Abrüstungsverhandlungen würden es ermöglichen, dass die »geängstigte und gequälte Menschheit frei von Kriegsfurcht und Atombedrohung leben«186 könne, so der Darstellungstext in »Der Mensch im Wandel der Zeiten«. Die Dringlichkeit dieser Erfolge wird sprachlich durch die Adjektive ›geängstigt‹ und ›gequält‹ verdeutlicht, wodurch ein indirekter Bezug auch zum Thema ›Kriegsfolgen in Deutschland‹ entsteht. Der Autorentext in »Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart« von 1965 lobt das Moskauer Atomteststoppabkommen

182 »Wege der Völker. Die Neueste Zeit«, S. 163. Auch der vierte Band »Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart« der Ausgabe D für Mittel- und Realschulen der Reihe »Wege der Völker« wurde von Martin Stellmann verfasst und erschien 1951. Bereits in diesem Autorentext werden die Themen ›Atomwaffen‹ und ›Kalter Krieg‹ verknüpft, um ein Bedrohungsszenario für die Zukunft zu erzählen. Gleichzeitig stellt der Text aber fest, dass »alle Friedliebenden und Einsichtigen ihn zu vermeiden suchen« (Stellmann, Martin: Wege der Völker. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart. Braunschweig 1951, S. 216). 183 Puhlmann, Wilfried: Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart. Hannover 1950, S. 126. 184 Boeck, Otto: Mit eigener Kraft. Geschichte 4. Stuttgart 1962, S. 61. 185 Vgl. Immisch, Joachim: Europa und die Welt. Das 20. Jahrhundert. Paderborn 1962, S. 179. 186 Bauer, Ida Maria/Müller, Otto Heinrich: Der Mensch im Wandel der Zeiten. Braunschweig 1961, S. 296.

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von 1963 als »ein[en] erste[n] Erfolg«187. Die unterschiedlichen Bewertungen der politischen Bemühungen zeigen eindrucksvoll den bedeutenden Einfluss der Gegenwartsdiskurse auf die Zukunftsnarrationen. Gegenwärtige Entwicklungen – wie die erfolgreichen Gespräche zwischen den USA und der Sowjetunion über Einschränkungen in der Verwendung oder Reduzierung der Atomwaffen – graduieren und plausibilisieren das Zukunftsziel des weltweiten Friedens und der atomaren Abrüstung in den Autorentexten. Auch in den Geschichtsbüchern der 1970er-Jahre zeigt sich, inwiefern Gegenwartserfahrungen der Annäherung zwischen den Großmächten das vermeintlich utopische Zukunftsziel des weltweiten Friedens wahrscheinlicher machen. Dass dies jedoch nicht zwangsläufig eintreten muss und keine kausale Verknüpfung zwischen der gegenwärtigen Entwicklung und der beschriebenen Zukunftsperspektive besteht, belegen zwei unterschiedliche Zukunftsnarrationen der sechs Autorentexte, die sich mit einer friedlichen Lösung des Konflikts beschäftigen. Die eine Gruppe von Texten deutet sie als positives Signal für eine Annäherung und damit verbunden für einen dauerhaft stabilen Frieden.188 Die USA und die Sowjetunion haben »Folgerungen aus dem sinnlosen Wettrüsten«189 gezogen, so die Ausführungen in »Damals und heute«. Weiter beschreibt er es als Folge der Verhandlungen über die Rüstungsgrenzen als »denkbar, daß sich dadurch auch die Kriegsgefahr verringerte.«190 So bedeuten die Gespräche und Vereinbarungen zwischen den USA und der Sowjetunion »die gegenseitige Anerkennung der Kräfteverhältnisse in der Welt«191. Die Abkommen »unterstreichen die Entschlossenheit der Supermächte, die seit 1963 betriebene Entspannungspolitik fortzusetzen«192, erläutert der Text und liefert damit neben der Beschreibung der Gegenwart auch einen Ausblick auf die Zukunft, indem die Vereinbarung eines dauerhaften 187 Deißler, Hans Herbert/Fernis Hans-Georg: Grundzüge der Geschichte 4. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart. Frankfurt a.M. 1965, S. 190. Diese Formulierung stellt einen großen Unterschied zu dem Autorentext der Ausgabe des Buches von 1960 dar. Darin entwirft der Text eine Zukunftsperspektive, dass der Konflikt und die Bedrohung durch eine atomare Eskalation bestehen bleibe, denn die Staatsmänner seien »in ihren jahrelangen Abrüstungsgesprächen noch keinen Schritt vorangekommen« (»Grundzüge der Geschichte« 1960, S. 160). Ähnlich positiv beschreibt auch »Von der industriellen Revolution bis heute« das Bestreben der Staatsmänner um Frieden und erwähnt die Gespräche auf internationalen Konferenzen (S. 92). Sein Autorentext hebt den »heißen Draht« zwischen den USA und der Sowjetunion zur Friedenssicherung hervor, der »in den Stunden der Gefahr die letzte Möglichkeit bieten« (S. 92) könne. 188 Vgl. Hoffmann, Joachim/Bahl, Franz: Spiegel der Zeiten, Band 4. Von der Russischen Revolution bis zur Gegenwart. Frankfurt a.M. 1972, S. 232f. 189 »Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute«, 1973, S. 167. 190 Ebd. 191 Böhn, Dieter/Keßel, Willi: Europa und die Welt. Von 1890 bis zur Gegenwart. München 1979, S. 220. 192 Ebd.

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friedlichen Nebeneinanders der Staaten hervorgehoben wird. Diese auch in die Zukunft hineinreichenden friedlichen Beziehungen, die zugleich die Bedrohung des Atomkrieges reduziert, werden auch im Schulbuch »Von der Russischen Revolution bis zur Gegenwart« als »Beginn einer Einschränkung des Wettrüstens«193 beschrieben. Der Darstellungstext in »Geschichte unserer Zeit« bewertet den Atomsperrvertrag skeptischer und sieht die Zukunft als Zeitraum, in dem sich erweisen müsse, ob durch die Verträge »der Ausbreitung der Atombombe und der Bedrohung der Menschheit durch sie«194 Einhalt geboten werden könne. Auch Autorentext in »Zeitgeschichte (1917 bis zu Gegenwart)« stellt vor dem Hintergrund der gescheiterten Verhandlungen fest, dass »weder die ›Reise-Diplomatie‹, bei der sich in spektakulären Begegnungen die führenden Männer der Großmächte treffen, noch die ›Konferenzen-Diplomatie‹«195 etwas an den Spannungen ändern. Bisher sei keine Einigung in Bezug auf die Abrüstung erzielt worden und der Text gibt auch keinen Anlass, diese als mögliche zukünftige Entwicklung in Betracht zu ziehen. Auch die Darstellungstexte der 80er-Jahre sind von einer ambivalenten Einschätzung der Abrüstungsverhandlungen geprägt. Während der Autorentext in »Zeitaufnahme Band 4« die Konferenzen als Orte der Suche »nach Möglichkeiten friedlicher Konfliktbeilegung«196 lobt, werden auch ambivalentere Zukunftsperspektiven in Bezug auf dieses Zukunftsziel entworfen. Auf einer Schulbuchseite des Geschichtsbuches »Lebendige Vergangenheit 9« urteilt der Autorentext, dass »die erhoffte Abrüstung […] noch lange nicht in Sicht«197 sei. Diese Prognose wird aus den Erfahrungen der Vergangenheit abgeleitet, dass man sich bisher »noch nicht einmal darüber einigen [konnte], wie groß die Truppenstärken auf beiden Seiten sind«198. Wenige Sätze später wird der 1988 in Moskau ratifizierte INF-Vertrag thematisiert. So »gelang«199 es den Parteien, »einen Vertrag über die Beseitigung der atomaren Mittelstreckenraketen auszuhandeln, der die Verschrottung aller Atomraketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5000 Kilometern innerhalb von drei Jahren vorsieht.«200 Als weiteren Schritt auf dem Weg zur Abrüstung ist von dem »nächsten gemeinsamen Ziel, der Halbierung der Anzahl der atomaren Langstreckenraketen«201 die 193 »Spiegel der Zeiten, Band 4. Von der Russischen Revolution bis zur Gegenwart«, 1978, S. 240. 194 Seiler, Alois: Geschichte unserer Zeit. Berichte, Dokumente, Bilder. 1917 – Gegenwart. München u. a. 1972, S. 205. 195 Immisch, Joachim: Zeitgeschichte. Von 1917 bis zur Gegenwart. Paderborn 1978, S. 242. 196 Askani, Bernhard u. a.: Zeitaufnahme 4. Braunschweig 1982, S. 144. 197 »Lebendige Vergangenheit 9«, 1989, S. 140. 198 Ebd. 199 Ebd. 200 Ebd. 201 Ebd.

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Rede. Die unterschiedlichen Perspektiven und Ausblicke auf den Fortgang des atomaren Wettrüstens werden in den Autorentexten für die jeweilige historische Situation entwickelt und suggerieren durch die Wahl der Präsensformen einen Bezug auf die ›echte‹ Zukunft, also die Zeitebene ›Zukunft‹, die die Erzählgemeinschaft von Schulbuchproduzenten und ihren Adressaten gemeinsam erleben würden. Auch der Autorentext in »erinnern und urteilen 10 Unterrichtseinheiten« bedient sich der Präsensformen, wenn in Bezug auf die Abrüstungskonferenzen jeweils ein Fazit gezogen wird. So resümiert der Text für die Beschlüsse im SALT II–Vertrag von 1979: »Das Wettrüsten geht weiter, nur in anderer Form.«202 Ein weiterer Tempuswechsel vom Präteritum ins Präsens, der den Bezug zur Gegenwart und Zukunft suggeriert, folgt am Schluss des Autorentextes. Damit wird die Beurteilung der Maßnahmen im Hinblick auf den Fortbestand des Konfliktes zusammengefasst. So müsse »angesichts der Gefahr einer Atomkatastrophe […] jeder auch noch so kleine Schritt zur Eindämmung des Risikos gewagt werden.«203 Die vergangenen politischen Beschlüsse reichten dem Autorentext zufolge nicht aus, um daraus eine friedliche Zukunft zu entwerfen. Stattdessen wird an weitere Bemühungen hinsichtlich der Friedenssicherung appelliert. Dieser Forderung nach zivilem Engagement schließt sich auch der Autorentext in »Geschichte 4 Neueste Zeit« an. Nach der Beschreibung der Behauptung der »Militärs in Ost und West […], daß nur eine starke Rüstung den Gegner von einem Angriff abschrecken könne«204, wird auf die politische und gesellschaftliche Ebene verwiesen. Es gehe darum, »das gegenseitige Mißtrauen zwischen den Militärblöcken abzubauen, damit der Frieden in der Welt und damit das Leben auf der Erde erhalten bleibt.«205 Die Ambivalenz der Auswirkungen der Abrüstungsgespräche wird auch in den Darstellungstexten der 1990er-Jahre thematisiert. Zwei von 65 Autorentexten heben hervor, dass trotz aller Verhandlungen die Gefahr nicht gebannt sei, da nach wie vor »die Selbstvernichtung der Menschheit durch Atomwaffen möglich«206 bleibe. Zugleich könne aber »diese Gefahr […] auch eine Chance bedeuten«207, indem der »Zwang zur Rüstungskontrolle, zur Abrüstung und zum gegenseitigen Verzicht auf Anwendung kriegerischer Mittel«208 entstehe. Eine zunächst optimistische Zukunftsperspektive angesichts der Abrüstungsverhandlungen seit dem Ende der 80er-Jahre beschreibt der Autorentext in »Ge202 »erinnern und urteilen«, 1981, S. 243. Genauso auch in der Ausgabe des Autorentextes von 1984, S. 244. 203 Ebd. 204 Brack, Harro u. a.: Geschichte 4. Neueste Zeit. Bamberg 1983, S. 205. 205 Ebd. 206 Höfer, Arno u. a.: Lebendige Vergangenheit 9. Stuttgart 1990, S. 102. 207 Ebd. 208 Ebd.

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schichtsstunden«. So beschäftige die Menschen »erstmals nicht nur der drohende Einsatz von Waffen, sondern auch deren gefährliche Vernichtung und Entsorgung.«209 An dieser Stelle wird deutlich, dass nicht der mögliche Einsatz, sondern auch der Besitz als Gefahr verstanden und zur Herausforderung der Zukunft wird. Das Erzählschema ›Bedrohung‹ wird ausgeweitet und auf einen anderen Aspekt bezogen. Damit steht die narrative Struktur im Gegensatz zum Inhalt des Autorentextes: Trotz der Deutung einer hoffnungsvollen Zukunftsperspektive bleibt zugleich die fortwährende Bedrohung durch Atomwaffen bestehen. Ein zweiter friedenssichernder Aspekt ist Ausgangspunkt für Zukunftsszenarien und wird mit dem Narrativ ›Dritter Weltkrieg‹ verbunden, um die Eskalation des Konflikts zu verhindern: das Gleichgewicht des Schreckens. Drei der 38 Texte der 1950er-Jahre erwähnen das »Gleichgewicht zwischen dem von Rußland geführten Ostblock und den unter Führung der Vereinigten Staaten stehenden Westmächten«210. Fünf Geschichtsbücher (von insgesamt 36) der 60er-Jahre thematisieren das Gleichgewicht des Schreckens als ambivalente Situation in Gegenwart und Zukunft, in der durch den fortwährenden drohenden Krieg um die Vormachtstellung der Frieden gewahrt werde.211 So halte ein neues Wettrüsten »mit der Drohung des allgemeinen Untergangs zugleich den Angriffswillen […] in Schach.«212 Aus der Erfolglosigkeit bisheriger Gespräche leiten die Texte eine dauerhafte Bedrohungssituation ab.213 Dieser Deutung der Zukunft als unsichere und von Krieg bedrohte Zeitebene schließen sich zwei der zehn Autorentexte der 70er-Jahre an und verwenden ähnliche Formulierungen.214 Die übrigen acht Darstellungen konzentrieren sich zum einen auf Bewertungen der andauernden Kriegsgefahr und zum anderen auf die Betonung der friedenssichernden Folgen der politischen Situation. Es könne in der Auseinandersetzung »keinen Sieger mehr«215 geben, sodass angesichts des Zerstö209 Baumann, Leonhard u. a.: Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit. Stuttgart 1994, S. 75. 210 Traber, Theodor : Geschichte der neuesten Zeit von 1852 bis 1952. Bonn 1952, S. 190. Der Autorentext in »Europa und die Welt« führt die militärische Stärke beider Blöcke noch weiter aus, um das Gleichgewicht zu betonen (vgl. Ausgabe 1953, S. 183 und Ausgabe 1983, S. 188). 211 Vgl. Steidle, Otto: Bilder aus deutscher Geschichte. Zweiter Band: Neuzeit und Gegenwart. München 1965, S. 237; »Europa und die Welt« 1963, S. 160; »Damals und heute 4«, 1965, S. 73. 212 »Werden und Wirken, Band 4. Die neueste Zeit (1915–1962)«, 1965, S. 173. 213 Vgl. »Grundzüge der Geschichte 4. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1960, S. 160. 214 Diesen Ausblick auf die unsichere Zukunft angesichts des Rüstungsgleichgewichts auch in Becker, H. M. u. a.: Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert). Paderborn 1971, S. 175; »Damals und heute«, 1973, S. 167. 215 Rückert, Hans/Oberhettinger, Helmut: Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Paderborn 1978, S. 156.

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rungspotentials »zwangsläufig ein militärisches Umdenken«216 notwendig sei. Aus dieser Bedrohung leiten die Autorentexte einen Appell ab, alles zu tun, »um künftige Kriege zu verhindern und den Frieden zu erhalten«217. Die Darstellung in »Die Reise in die Vergangenheit« gehört demgegenüber zu jenen, die die dauerhafte friedenssichernde Perspektive durch die internationale Pattsituation betonen: Auf diese Weise werde »die Menschheit vielleicht am sichersten vor dem Einsatz dieser Vernichtungswaffen«218 bewahrt. Auch der Autorentext in »Geschichte Band IV« von 1973 hebt hervor, dass das Gleichgewicht zwischen den Großmächten das Risiko des Dritten Weltkrieges vermindere, »da beide Seiten im Falle eines Kernwaffenangriffs mit der völligen Vernichtung rechnen müssen.«219 Aus dieser – beiden Konfliktparteien bekannten – Bedrohung erwachse Sicherheit für die Zukunft, die der Text in »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts« als »Nichtkriegszustand«220 bezeichnet. Der Darstellungstext in »Riedmüller Geschichte« von 1970 bezeichnet das Verhältnis der beiden Großmächte (in Anlehnung an Chruschtschows Politik) als Koexistenz: So würden angesichts der verheerenden Zerstörungskraft »die Auseinandersetzung zwischen den beiden Machtblöcken nicht auf militärischem, sondern auf politischem und wirtschaftlich-sozialem Gebiet vorangetrieben«221. Acht der 48 Geschichtsbücher der 80er-Jahre beschäftigen sich mit der internationalen politischen Lage und legen das Hauptaugenmerk auf die friedenssichernde Funktion, da das Prinzip der gegenseitigen Abschreckung »in Europa seit 40 Jahren gut funktioniert«222 habe, so der Darstellungstext in »Lebendige Vergangenheit 9«. Der Autorentext in »Zeitaufnahme Band 4« verwendet für diese Situation den Begriff »Angstfrieden«223, der durch die gegenseitige Abschreckung aufrechterhalten werde. Aus der Erfahrung, dass der Frieden durch die Ambivalenz von gleichzeitiger kriegerischer Bedrohung und friedenssichernder Funktion gewahrt wurde, leiten die Autorentexte der 80erJahre – bis auf eine Ausnahme224– eine dauerhafte friedliche Zukunft ab. Dies 216 Ebd. 217 »Geschichte 9. Jahrgangsstufe«, 1973, S. 192. Die Perspektive auf eine friedliche Zukunft findet sich auch in »Die Reise in die Vergangenheit«, 1976, S. 170, »Spiegel der Zeiten, Band 4. Von der Russischen Revolution bis zur Gegenwart« 1972, S. 232 sowie in Schmid, Heinz Dieter u. a. »Fragen an die Geschichte«. Frankfurt 1978, S. 1. 218 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1976, S. 170. 219 Steinbügl, Eduard/Schreiegg, Alfred: Geschichte Band 4. Neueste Zeit. München 1973, S. 141. 220 »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«, 1978, S. 157. 221 Riedmiller, Kornelius: Riedmiller Geschichte. Band 4 Neueste Zeit. Paderborn 1970, S. 174. 222 Ebd. 223 »Zeitaufnahme«, 1982, S. 79. 224 Der Autorentext in »Lebendige Vergangenheit 9« von 1986 legt dem Entwurf einer Zukunftsperspektive die »erfolglosen Verhandlungen« um die Abrüstung der Mittelstreckenraketen zugrunde und stellt fest: »In einem Klima des gegenseitigen Mißtrauens findet

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wird sprachlich an einem Tempuswechsel vom Präteritum zum Präsens deutlich.225 Vor dem Hintergrund der langjährigen Friedenserfahrung erwägt der Autorentext in »erinnern und urteilen IV« sogar die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Abrüstung. Eine Einschätzung vor dem Hintergrund der Abrüstungsgespräche verneint dieses Szenario, da »Furcht und Mißtrauen«226 die größten Hindernisse einer Abrüstung seien. Keine der Supermächte wolle »im Rüstungswettlauf zurückbleiben«227, da sie sonst »die Erpressung durch den überlegenen Partner riskiert«228. So hätten es »Humanität, Moral und Vernunft […] schwer«229 und dauerhaft scheine »niemand imstande zu sein, den entscheidenden ersten Schritt zu tun.«230 Um einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler herzustellen, verbindet ein Autorentext die Themen ›Kalter Krieg‹ und ›Europa‹. So hänge eine künftige und dauerhafte europäische Entspannung »von der Politik der Supermächte und deren Bemühungen um Rüstungsbeschränkungen«231 ab. In den neun Geschichtsbüchern, die sich in den 90er-Jahren noch mit der Zukunft der Rüstungsfrage beschäftigen, wird ein »Klima der Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen Ost und West«232 beschrieben, da die »Angst vor einem großen Krieg fast ganz verschwunden«233 sei und Sicherheit und Frieden die internationale politische Lage dominierten.234 Drei von ihnen beschreiben jedoch, dass sich »Ungewißheit und Unsicherheit«235 nun in anderen Bereichen zeigten. So sei die USA zwar die alleinige Führungsmacht, doch es bleibe noch unklar, »wie Amerika seine neue Rolle in der veränderten Welt ausfüllen«236 werde, da das Land innenpolitisch geschwächt sei.

225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236

also wieder ein Wettrüsten statt, das den Frieden durch ein Höchstmaß an atomarer Abschreckung erhalten will.« (»Lebendige Vergangenheit«, 1985, S. 150). Vgl. »Geschichte heute für Hauptschulen in Rheinland-Pfalz«, 1988, S. 141; Bahl, Franz u. a.: Unsere Geschichte. Die Welt nach 1945. Frankfurt 1988, S. 290; »Geschichtliche Weltkunde«, 1989, S. 236. »erinnern und urteilen«, 1981, S. 198. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. »Geschichtliche Weltkunde«, 1982, S. 202. Ebd. So auch in »Die Reise in die Vergangenheit«, 1993, S. 151. »Geschichtsbuch 4. Von 1918 bis heute«, 1993, S. 312. Auch in der Ausgabe von 1996 wird diese Formulierung verwendet (vgl. »Geschichtsbuch 4«, 1996, S. 304). Vgl. »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit«, 1994, S. 79. »Geschichtsbuch 4. Von 1918 bis heute«, 1993, S. 308, ausführlicher dann ab S. 316. Ebd.

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2.1.2 Die Atomenergie als Zukunftstechnologie Neben dem Narrativ ›Bedrohung durch Atomwaffen‹ verwenden die Autorentexte seit den 1960er-Jahren auch das Narrativ ›Atomenergie als Zukunftstechnologie‹, um die Zukunft zu beschreiben. In Kombination mit dem Thema ›Energie‹ entsteht eine positiv konnotierte Zukunftsnarration, die die Vorteile der Atomenergie betont. Die Zukunft wird in den Geschichtsbüchern hinsichtlich der Energieversorgung zu einem utopischen Zeitraum, da aufgrund der Effizienz der Atomenergie keine Ressourcenknappheit zu befürchten sei. Der technische Fortschritt, die wissenschaftliche Weiterentwicklung und die Nutzbarmachung der nuklearen Energie würden in der Zukunft für Wohlstand sorgen. Fünf von 36 Autorentexten der 1960er-Jahre beschreiben mit der Verwendung des Narrativs auch die Vorteile des Themas für die Zukunft und entwickeln eine positive und fortschrittsorientierte Perspektive.237 Betont wird dabei vor allem das große Energiepotential der Atomkraft, an dessen Nutzung »die Welt fieberhaft«238 arbeite, um Elektrizitätswerke auf der Grundlage von Atomenergie zu bauen. In Kombination mit dem technischen Fortschritt in der Raketenforschung beschreibt der Darstellungstext in »Geschichte 3« die Möglichkeit, dass »Raumschiffe atomaren Antrieb erhalten, um noch weitere Strecken im Raum durchmessen zu können«239. Ähnlich betont auch der Autorentext in »Wir erleben die Geschichte« 1968 das Energiepotential: »Wahrscheinlich erleben wir es noch, daß ganze Städte und Industrien ihre Elektrizität aus diesen Kraftwerken beziehen«240. In »Mit eigener Kraft« führt Boeck als einziger die chronologische Reihenfolge an, in der Atomreaktoren gebaut wurden, »noch ehe es Atombomben gab«241. So werde die Atomenergie »neuerdings […] auch zu medizinischen und anderen Zwecken verwendet.«242 Die Betonung der positiven Aspekte der Atomenergie beschränkt sich dabei jedoch auf ihre wirtschaftliche, wissenschaftliche oder medizinische Verwendung. Ein Darstellungstext mahnt 237 Dies sind die Autorentexte in Hampel, Johannes/Seilnacht, Franz: Wir erleben die Geschichte. München 1968; Thierbach, Hans/Wachendorf, H.: Europa und die Welt, Paderborn 1965; »Die Neueste Zeit«, 1963; »Mit eigener Kraft«, 1962 und Steinacker, Ruprecht/ Faßbender, Eugen: Geschichte unserer Zeit. Düsseldorf 1962. 238 »Europa und die Welt«, 1965, S. 247. 239 Döhn, Hans/Sandmann, Fritz: Erkunden und erkennen. Hannover 1969, S. 179 240 »Wir erleben die Geschichte«, 1968, S. 248. Die Möglichkeit der Nutzung der Atomenergie zur Erzeugung von Elektrizität betont auch der Autorentext von 1963 in »Die Neueste Zeit«. »Mit eigener Kraft« führt als einziger die chronologische Reihenfolge an, in der Atomreaktoren gebaut wurden, »noch ehe es Atombomben gab«. So werde die Atomenergie »neuerdings […] auch zu medizinischen und anderen Zwecken verwendet«, wobei für diese Aussage keine konkreten Anwendungsbeispiele erwähnt werden. 241 »Mit eigener Kraft. Geschichte 4«, 1962, S. 61. 242 Ebd.

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auch im Hinblick auf die friedliche Verwendung, dass die »technischen und industriellen Fähigkeiten des Menschen […] ins Ungeheure gestiegen«243 seien und »heute gerade die Existenz der gesamten Menschheit«244 bedrohten. Fünf Autorentexte der 1970er-Jahre stellen die Vorteile der Nutzung der Atomenergie für friedliche Zwecke dar. »In absehbarer Zeit«245, also einer nahen und zeitlich erlebbaren Zukunft, würden Atomkraftwerke »Elektrizität für die Industrie und die Städte liefern«246, so der Autorentext in »Geschichte 9« von 1973. Gestützt wird diese Prognose auf den gegenwärtigen Stand der Forschung, der bereits den Antrieb von Schiffen durch Atomenergie ermögliche sowie die Verwendung der Erkenntnisse der Atomforschung in der Medizin.247 Neben den Anwendungsgebieten zur Stromgewinnung und zur medizinischen Diagnostik beschreiben die Texte auch Verwendungsmöglichkeiten zur Konservierung von Lebensmitteln. Der Autorentext in »Geschichte für die Hauptschule« von 1973 greift den Diskurs um die Begrenztheit der Ressourcen auf und folgert daraus, dass »eines Tages […] die natürlichen Energiequellen der Erde erschöpft sein«248 werden. Er entwickelt auf der Grundlage dieser Zukunftsprognose ein Szenario, denn: »Dann wird die Atomenergie an ihre Stelle treten müssen, sonst würde das Leben der Menschheit wieder auf den Lebensstand der Steinzeit zurückfallen.«249 Narrativ wird in diesem Text zunächst der technische Fortschritt zur Energiegewinnung der Gegenwart in die Zukunft hinein verlängert. Im zweiten Schritt wird die in den 1970er-Jahren umstrittene Nutzung dieser Energieform durch die Konstruktion einer imaginierten Bedrohung legitimiert. Dieser Aufbau der Erzählung verstärkt die Plausibilität des Zukunftsszenarios der technischen Entwicklung und dient gleichzeitig zur Rechtfertigung der Nuklearforschung angesichts möglicher Gefahren: Befördere man diesen technischen Fortschritt nicht, drohe der zivilisatorische Rückfall. Um diesem (kritischen) Gedanken im Umgang mit der Atomenergie keinen Raum zu lassen, wird mit dem Rückfall in die Steinzeit eine gravierende und allumfassende Dystopie gezeichnet. Zwei Geschichtsbücher der 1970er-Jahre greifen die Möglichkeit negativer Nebeneffekte der verstärkten Nutzung der Atomenergie auf. In Bezug auf den Bau von Atomreaktoren zur Stromerzeugung bemerkt der Autorentext in »Damals und heute«, dass mit der Menge des Plutoniums in den Reaktoren die Gefahr des Atomtods steige. Die Kühlwerke seien »aber schon dadurch bedrohlich, daß von 243 244 245 246 247

»Die Reise in die Vergangenheit«, 1962, S. 306. Ebd., S. 307. »Geschichte 9. Jahrgangsstufe«, 1973, S. 187. Ebd. Vgl. »Riedmiller Geschichte. Band 4, Neueste Zeit«, 1970; »Geschichte für die Hauptschule 9« 1973; »Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute« 1973. 248 »Geschichte für die Hauptschule 9«, 1973, S. 194. 249 Ebd.

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ihnen zu warmes Kühlwasser in die Flüsse zurückfließt.«250 Auch die »Lagerung radioaktiver Abfälle«251 belaste die Umwelt, sodass »mit der weiteren technischen Entwicklung langfristig neue Gefahren für die ganze Menschheit«252 verbunden seien. Außerdem skizziert der Autorentext die Möglichkeit, dass »mit der Verbreitung der Atomenergiegewinnung« auch die Gefahr bestehe, »daß die Atomwaffenherstellung der Kontrolle entgleitet.«253 Beide Texte nehmen neben der Technikbegeisterung und dem Fortschrittsoptimismus mögliche zukünftige Schäden in den Blick, die eben durch diese Technik verursacht werden könnten.

2.1.3 Die Ambivalenz von Bedrohung und ziviler Nutzung Zwischen den Narrativen ›Bedrohung durch Atomwaffen‹ und ›Atomenergie als Zukunftstechnologie‹ lässt sich das Narrativ ›Ambivalenz von Atomwaffen und Atomenergie‹ verorten. Eine geringe Zahl von Autorentexten stellt in den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren beide Entwicklungsmöglichkeiten dar. Die Texte enthalten sich damit einer eindeutigen Bewertung und überlassen diese den Schülerinnen und Schülern. Im Zusammenhang des technischen Fortschritts wird 1955 in »Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950« auf die Atomenergie als bedeutendstes Forschungsergebnis des 20. Jahrhunderts eingegangen, bei der »unvorstellbare Kräfte« frei würden, »deren Erkenntnis und technische Ausnützung die heutige Atomforschung beschäftigen«254. Damit ist Atomenergie zunächst als Teil des technischen Fortschritts und Forschungserfolges zu verstehen. Doch die Autorentexte beleuchten nicht nur die Vorteile der nuklearen Energiequelle. Neben den Vorzügen, die technische Errungenschaften mit sich bringen, warnt beispielsweise der Darstellungstext in »Geschichte unserer Zeit« davor, dass es immer schwerer gelinge, »zu den wahren Werten des Lebens«255 zurückzufinden. Die Weiterentwicklung der Nukleartechnologie zur Wasserstoffbombe, »deren Wirkung noch gewaltiger ist als die der Atombombe, hat das Verantwortungsgefühl noch gestärkt«256, so der Autorentext in »Demokratie im Werden« von 1950. Die herausragenden Naturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts werden zwar portraitiert, doch die Ambivalenz der Technik stets betont: So beruhe auf der Entdeckung Otto Hahns eine der »furchtbarsten Waffen der 250 251 252 253 254 255 256

»Damals und heute 4«, 1976, S. 83. »Fragen an die Geschichte«, 1978, S. 257. Ebd. Ebd. »Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950«, 1955, S. 196. »Geschichte unserer Zeit«, 1954, S. 116. »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 126.

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Gegenwart, die Atom- und die Wasserstoffbombe«257. Ein Geschichtsbuch visualisiert diese Ambivalenz, indem auf zwei gegenüberliegenden Seiten im unteren Drittel der einen Seite über Atomkraft berichtet wird, während sich auf der anderen Seite eine Abbildung des Pax-Christi-Friedenskreuzes in Bühl findet.258 Die Zahl der Autorentexte, die die Potentiale und Risiken der Verwendung der Atomkraft beschreiben, reduziert sich von fünf Geschichtsbüchern in den 1950er-Jahren auf drei in den 1960er-Jahren. Die Zukunft bleibe gleichsam bedroht von einer kriegerischen Eskalation, könne aber auch von den technischen Fortschritten profitieren. So betont »Geschichte unserer Zeit«, dass auf dem Vorgang der Kernspaltung »die furchtbarsten Waffen der Gegenwart, die Atomund Wasserstoffbombe, aber auch segensreiche Fortschritte in der Medizin und Energieerzeugung«259 beruhten. Ähnlich hebt der Darstellungstext in »Unser Weg durch die Geschichte« hervor, dass man ein »Sonnenfeuer zur Verwüstung«260 erzeugen könne, aber diese Kraft auch eingesetzt werden könne, »um große Städte mit Licht und Wärme zu versorgen, um Wüsten fruchtbar zu machen und um Millionen von Menschen ein angenehmes Leben zu bescheren«261. In »Mit eigener Kraft« betont der Verfassertext, dass zunächst die friedliche Nutzung der Atomenergie in Form von Atomreaktoren im Mittelpunkt stand, »noch ehe es Atombomben gab«262. In den 1970er-Jahren sind es vier Autorentexte, die die Ambivalenz hervorheben. Die Atomkraft könne »zum Fluch oder Segen für die Menschheit werden«263, so der Text in »Riedmiller Geschichte, Band 4«. In »Damals und heute« wird der Ambivalenz durch die Formulierung »Segen oder Fluch« Ausdruck verliehen.264 Die Verwendung der Atomkraft für friedliche Zwecke habe bereits in der Gegenwart begonnen und solle in Zukunft weiter fortgesetzt und ausgeweitet werden. Durch wissenschaftliche Forschung wird die Zukunft zu einem gestaltbaren Raum. Das entdeckte Potential der nuklearen Energieressource ist der Ausgangspunkt für Beschreibungen einer besseren Zukunft, denn mit dem technischen Fortschritt wird eine Erfolgsgeschichte von Wohlstand und Sicherung der Lebensverhältnisse verknüpft. Der Darstellungstext in »Geschichte unserer Zeit« sieht die Atomenergie als Möglichkeit, »neue Energiequellen zu 257 »Geschichte unserer Zeit«, 1954, S. 116. 258 Vgl. »Bilder aus deutscher Geschichte. Neuzeit und Gegenwart« 1954, S. 181/183. 259 »Geschichte unserer Zeit«, 1962, S. 148. Ähnlich auch in »Vom Wiener Kongress zur Gegenwart«, dessen Text die friedliche Nutzung der Atomenergie als »Segen« (S. 95) für die Menschheit bezeichnet. 260 Heumann, Hans: Unser Weg durch die Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart. Frankfurt 1961, S. 177. 261 Ebd. 262 »Mit eigener Kraft Geschichte 4«, 1962, S. 61. 263 »Riedmiller Geschichte. Band 4 Neueste Zeit«, 1970, S. 176. 264 »Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute«, 1973, S. 171.

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erschließen«265, um den steigenden Bedarf zu decken. Er hebt die Energieleistungen der Kraftwerke hervor : Für die Zukunft seien Kraftwerke »mit einer Leistung von 4136 Megawatt«266 bereits im Bau. Die Ambivalenz des Themas zeigt sich im gleichen Autorentext an späterer Stelle, der bedauert, dass die freiwerdende Hitze »bis jetzt nur zur Herstellung von Wasserstoffbomben und nicht zur friedlichen industriellen Nutzung verwertet«267 werden könne. In den 1980er-Jahren verschwindet das Narrativ aus den Darstellungstexten, bis sich erst in den 1990er-Jahren wieder ein Autorentext mit der Frage der Zukunftsfähigkeit der Kernenergie angesichts der Erfahrung der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl beschäftigt. Als moderne Industriegesellschaft »brauchen wir sichere Energie«268, konstatiert der Autorentext und beschreibt Versuche zur Nutzung von Sonnenenergie.269 Als weitere Option wird die Kernverschmelzung anstelle der Kernspaltung in Betracht gezogen und Spekulationen über nukleare Forschungsmöglichkeiten angestellt. Die große Bedeutung der Lösung der Frage nach sicheren und zukunftsfähigen Energieformen wird auch sprachlich am Wechsel der Erzählperspektive deutlich. Der Text schafft durch das Pronomen »wir« eine Gemeinschaft, die auf Energie angewiesen sei und sich daher um die Zukunft der Energieversorgung kümmern müsse.

2.2

Das Thema ›Kalter Krieg‹

Lediglich in sieben der 38 untersuchten Geschichtsbücher der 1950er-Jahre wird der Kalte Krieg nicht mit der Zukunft in Verbindung gebracht. Auch in den 1960er-Jahren bleibt die Zahl der Darstellungstexte, die das Thema mit der Zukunft verbinden, mit 30 der insgesamt 37 Geschichtsbücher hoch. Im Vergleich dazu reduziert sich die Anzahl von 24 von 34 Büchern in den 1970erJahren und auch in die 1980er-Jahre hinein weiter auf noch 20 von 48 Geschichtsbüchern. In den 1990er-Jahren beschreiben noch neun von 65 Autorentexten die Zukunft mit diesem Thema. Die quantitativ häufigste Verbindung von zwei Themen ist die von ›Kalter Krieg‹ und ›Atomkraft‹ zum Narrativ ›Dritter Weltkrieg‹. Im vorhergehenden Kapitel wurde das damit verbundene Zukunftsszenario bereits ausführlich dargestellt, sodass zur Vermeidung einer Doppelung in diesem Kapitel die übrigen Narrative zum Thema ›Kalter Krieg‹ 265 266 267 268 269

»Geschichte unserer Zeit. Berichte, Dokumente, Bilder. 1917- Gegenwart«, 1972, S. 213. Ebd. Ebd., S. 213. »Lebendige Vergangenheit 10«, 1990, S. 158. So auch in Askani, Bernhard u. a.: Anno 4. Das 20. Jahrhundert, 1997, S. 289 und »Treffpunkt Geschichte 4«, 1996, S. 162.

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betrachtet werden. Neben der Darstellung der Eskalation des Konflikts wird das Thema auch in Form der Narrative ›Bedrohung durch den Kommunismus‹ und ›Auswirkungen auf die deutschen Staaten‹ auf die Zukunft ausgeweitet. Es finden sich jedoch auch Autorentexte, die die Bedeutung des Themas auf die Zukunft ausweiten, ohne dabei Szenarien für den Weitergang des Konflikts zwischen den USA und der Sowjetunion zu entwerfen oder aus der Gegenwart abgeleitete Entwicklungen zu bewerten.270 14 der 38 Geschichtsbücher beschreiben die gegenwärtige weltpolitische Situation und den ideologischen Gegensatz zwischen den USA und der Sowjetunion. Dabei stellen sie fest, dass die »internationalen Spannungen zwischen den Westmächten und Sowjetrußland«271 seit 1948 zunahmen. Zugleich mahnen sie zur Wahrung des Friedens: Die »in zwei Hälften zerrissene Welt«272 solle sich bemühen, ihre »Einheit wiederzugewinnen, ohne die Freiheit zu verlieren«273, so der Autorentext in »Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart« 1957.

2.2.1 Die Bedrohung durch den Kommunismus Drei Darstellungstexte (von insgesamt 38) aus den 50er-Jahren, zehn (von 37 Geschichtsbüchern) aus den 60er-Jahren und zwei von 34 aus den 70er-Jahren konstruieren narrativ eine Bedrohung durch den Kommunismus. Für die Zukunft gelte es daher, sich mit der Abwehr dieser Bedrohung auseinanderzusetzen. Diachron lassen sich dabei auf der sprachlichen Ebene implizite und explizite Gestaltungsformen zeigen. Die implizite Variante der sprachlichen Gestaltung des Bedrohungsszenarios, das es abzuwehren gilt, zeigt sich im Autorentext in »Geschichte der neuesten Zeit von 1852 bis 1952«: Der Atlantikpakt wird als einziger »Schutz zur Erhaltung alles dessen, was uns das 270 Vgl. »Europa weitet sich zur Welt, Europa in der Krise«, 1952, S. 144 (sowie auch in der achten Auflage, »Europa und die Welt«, 1957); »Erbe des Abendlandes, die Neuzeit. 2. Halbband: Vom Bismarckreich bis zur Bundesrepublik«, 1951, S. 184 (sowie auch in der Lizenzausgabe für Bayern von 1953); »Der Mensch im Wandel der Zeiten. Geschichtsbuch für die deutsche Schule«, 1952, S. 244; »Werden und Wirken. Die Neueste Zeit (1815– 1950)«, 1953, S. 156; »Bilder aus deutscher Geschichte. Zweiter Band Neuzeit und Gegenwart«, 1954, S. 189; Pinnow, Herrmann/Textor, Fritz: Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Stuttgart 1955, S. 189f.; »Weltgeschichte der Neuesten Zeit II. Das Zeitalter der Weltkriege«, 1955, S. 158; »Geschichtliches Unterrichtswerk für mittlere Schulen. Neueste Zeit 1918 bis heute«, 1956, S. 58; »Um Volksstaat und Völkergemeinschaft«, 1956, S. 203; »Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1951, S. 216. 271 »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 332. 272 Fürnrohr, Walter/Keßel, Willi: Geschichtswerk für höhere Lehranstalten. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart. Braunschweig 1957, S. 245. 273 Ebd.

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menschliche Dasein lebenswert macht«274, bewertet. Durch die Erwähnung, dass die westlichen Staaten schutzbedürftig seien, wurde eine latente Bedrohung durch den Ostblock suggeriert. Internationale Vertragswerke, in die die USA als militärische Großmacht eingebunden seien, schützten die schwächeren Staaten. Die diplomatische Schutzfunktion greift auch der Autorentext in »Die Neueste Zeit. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart« auf. Demzufolge hätten die USA »den bedrohten Westen bisher vor der Überflutung durch die Sowjetmacht gerettet«275. Explizite sprachliche Bezüge unter Anwendung des Narrativs stellt beispielsweise der Autorentext in »Grundzüge der Geschichte« her und benennt die Bedrohung im Zusammenhang mit dem Koreakrieg. Der kommunistische Angriff sei in Asien vorläufig ins Stocken geraten, »aber niemand weiß, ob und wo er fortgesetzt wird.«276 Sprachlich beschränkt sich der Text damit nicht nur auf den Koreakrieg, sondern konstruiert eine dauerhafte Bedrohung an allen Frontstellungen von Kommunismus und Anti-Kommunismus. Mit einer ähnlichen Formulierung beschreibt der Autorentext in »Einst und jetzt« die Bereitschaft der Westmächte, »jedem gewaltsamen Vordringen des Kommunismus Einhalt zu gebieten, wann und wo es auch sei.«277 Die kriegerische Perspektive des Narrativs stellt auch der Autorentext in »Bilder aus deutscher Geschichte« in den Mittelpunkt, denn »durch den ›Kalten Krieg‹ schaffen die Sowjets ständig neue Unruheherde in der Welt und versuchen, die Westmächte zum Nachgeben zu zwingen.«278 Dies äußere sich auch auf der diplomatischen Ebene, indem russische Diplomaten immer wieder »ultimative Drohungen«279 aussprächen. Der Darstellungstext in »Europa und die Welt. 1789 bis heute« fasst die Bedrohung als »Kriegsgefahr«280 zusammen, die von der Sowjetunion ausgehe. Neun Darstellungstexte aus den drei Jahrzehnten verbinden die Themen ›Kalter Krieg‹ und ›Dekolonialisierung‹ und weiten die Schutzbedürftigkeit auch auf die ehemaligen Kolonialvölker aus. Es sei nicht nur für sie von »entscheidender Bedeutung«281, wessen Hilfeleistungen sie annähmen und zu welchem Machtblock sie sich zugehörig fühlten. Der Autorentext in »Menschen in ihrer Zeit« sah in der kommunistischen Bedrohung einen Antrieb für weitere zu274 »Geschichte der neuesten Zeit von 1852 bis 1952«, 1952, S. 190. Der »Schutz der westlichen Staaten« wird auch in »Geschichte unserer Zeit«, 1962, S. 5. erwähnt. 275 Seitz, Max: Die Neueste Zeit. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart. München 1961, S. 161. Auch »Mit eigener Kraft« beschreibt aus ideologischen Gründen Moskau und den »Weltkommunismus« (1962, S. 55) als Bedrohung der Zukunft. 276 »Grundzüge der Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1953, S. 152. 277 »Einst und jetzt. Geschichtsdarstellung vom Altertum bis zur Gegenwart«, 1959, S. 282. 278 »Bilder aus deutscher Geschichte. Zweiter Band Neuzeit und Gegenwart«, 1965, S. 237. 279 »Werden und Wirken. Die Neueste Zeit (1815–1962)«, 1965, S. 176. 280 »Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 232. 281 »Lebendige Vergangenheit 5. Von 1850 bis zur Gegenwart«, 1966, S. 155.

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künftige Hilfeleistungen.282 Die Sowjetunion leiste in den unabhängig werdenden Staaten »Wühlarbeit«283 und werde ihr »Ausdehnungsbestreben«284 überall dort zeigen, wo sie »eine Möglichkeit zu finden glaubt, ihre Macht auszuweiten.«285 Die westliche Entwicklungshilfe bleibe daher auch in Zukunft von großer Bedeutung, damit »der Kommunismus die jungen Völker Asiens und Afrikas schwerlich […] überzeugen«286 könne. Eine besorgniserregende Zukunftsnarration angesichts der Bedrohung durch den Kommunismus, aber auch Aufforderungen zu dessen Abwehr, beschreiben in den 1970er-Jahren zwei Autorentexte. Die »globale Verbreitung des Kommunismus«287 sei der Grund, warum die Gefahr auch über die Gegenwart hinaus in der Zukunft bestehen bleiben werde, so der Autorentext in »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts« von 1978. »Zeiten und Menschen – Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)« zufolge habe die Bedrohung ein größeres Ausmaß erreicht und berühre auch die demokratischen Gesellschaften, weil auch »unter den linken Sozialisten des Westens, vor allem unter Jungakademikern, […] Maos Lehren manche Anhänger«288 fänden. 2.2.2 Die Auswirkungen auf die deutschen Staaten Neun von 38 Autorentexten der 1950er Jahre erwähnen die Spannungen zwischen den Machtblöcken und leiten daraus zukünftige Entwicklungen ab. In »Grundzüge der Geschichte« wird die Zukunft als ungewiss dargestellt, weil Deutschland nicht absehen könne, »wann seine Zerrissenheit ein Ende haben wird.«289 Es sei der »Schauplatz dieser politischen, propagandistischen, 282 Vgl. »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1966, S. 175. 283 »Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 240. Der Begriff »Wühlarbeit« auch in »Neueste Zeit von 1917 bis heute«, 1968, S. 117. 284 Marks, Hannah/Marks, Wolfgang: Neueste Zeit. Vierter Band. München 1963, S. 196. Eine »Ausdehnung des Bolschewismus« beschreibt der Autorentext in »Neueste Zeit von 1917 bis heute« (1968, S. 101) und von »russischen Ausdehnungspolitik« ist auch in der Darstellung »Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart« (1967, S. 276) die Rede. Die USA versuchten »durch wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen, Waffenlieferungen und durch zahlreiche Militärbündnisse den Abwehrwillen der freien Völker […] zu stärken.« Ähnlich auch Formulierungen »Neueste Zeit. Vierter Band«, dass es gelte, »ein weiteres Vordringen des Kommunismus zu verhindern« (S. 204) und in »Wir erleben die Geschichte«, 1968, S. 242, deren Darstellungstext beschreibt, dass die Welt bedroht sei von der Idee, den Kommunismus auf die ganze Welt auszudehnen. 285 »Der Mensch im Wandel der Zeiten. Geschichtsbuch für die deutsche Schule«, 1961, S. 296. 286 »Werden und Wirken. Die Neueste Zeit (1815–1950)«, 1962, S. 172. 287 »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«, 1978, S. 156. 288 »Die neueste Zeit. Das 20. Jahrhundert«, 1971, S. 187. 289 »Grundzüge der Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1953, S. 155. Die Beschreibung »das zerrissene Deutschland« findet sich auch in »Bilder aus deutscher Ge-

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manchmal auch ›heißen‹ Kämpfe […] dieses Weltgegensatzes«290, sodass es bisher auch »noch keinen Friedensvertrag bekommen«291 habe. Da die Frontlinie der Auseinandersetzung »mitten durch Deutschland«292 verlaufe, können auch die Verbesserungen der Lebensverhältnisse »die Furcht nicht bannen, welche wegen dieser Spaltung der Welt auf vielen Völkern, vor allem aber auf dem deutschen Volke lastet«293, so der letzte Satz des Autorentextes. Der Darstellungstext in »Geschichte unserer Zeit« verbindet das Thema ›Kalter Krieg‹ zur Lösung der bedrohlichen Situation in Deutschland mit dem Thema ›Europa‹. Angesichts der Situation in Deutschland bestehe »die Möglichkeit, daß die Völker Europas […] zu einer neuen und engeren Völkergemeinschaft finden und so eine neue Epoche europäischer Geschichte begründen«294. In den 1960er-Jahren beschäftigen sich drei von 37 Geschichtsbüchern mit der Bedeutung des Kalten Krieges für die beiden deutschen Staaten. Die Beschreibungen gleichen denen der 50er-Jahre, da auch die Darstellungstexte der 60er-Jahre die besondere Betroffenheit Deutschlands betonen, »weil die Trennungslinie mitten durch unser Land verläuft«295, so der Autorentext in »Unser Weg durch die Geschichte« von 1961. Auf der sprachlichen Ebene wird die gegenwärtige politische Situation in »Mit eigener Kraft« besonders eindrücklich dargestellt: »Schandmauer und Stacheldraht verhindern jeden Verkehr aus dem östlichen Deutschland nach dem freien Westen.«296 Die Dauerhaftigkeit dieses Zustandes werde aufgrund der festgefahrenen Machtpositionen und scheiternder Annäherungen in der Gegenwart bis in die Zukunft anhalten. Sprachlich wird die Zukunft zu einer schwierigen Aufgabe bzw. einem leidvollen Ertragen, wie der Wechsel der Erzählerperspektive bei »unser Land« suggerierte. Als Erzählgemeinschaft habe man die Zukunft gemeinsam passiv zu ertragen, da die Formulierungen keine appellativen Elemente enthalten.

290 291 292 293 294 295 296

schichte. Zweiter Band Neuzeit und Gegenwart«, 1954, S. 189; »Geschichte unseres Volkes IV. Teil«, 1957, S. 125. Als »Kluft« beschreiben den Zustand die Texte in »Mit eigener Kraft« (1954 und 1959, S. 54) und »Damals und heute« (1956, S. 103). Ebd. Ebd. Ebd., S. 258. Ebd. Eine Last auf dem deutschen Volk beschreibt auch der Autorentext in »Geschichtliches Unterrichtswerk für mittlere Schulen. Neueste Zeit 1918 bis heute«, 1956, S. 56. »Geschichte unserer Zeit«, 1954, S. 107. Der Bezug zum Thema ›Europa‹ auch in Furth, Peter u. a.: Lebendige Vergangenheit 6. Erbe und Auftrag. Braunschweig 1957, S. 93 sowie in »Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950«, 1959, S. 194. »Unser Weg durch die Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1961, S. 157. »Europa und die Welt. 1789 bis heute« beschreibt es als »Angelpunkt« (1965, S. 232). »Mit eigener Kraft«, 1962, S. 62.

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Das Thema ›Dekolonialisierung‹

Mit diesem Thema verbinden Geschichtsbücher seit den 1950er-Jahren Zukunftsperspektiven und beschreiben mögliche Entwicklungen der unabhängig werdenden Staaten. In den 50er-Jahren nehmen neun von 38 Büchern und in den 60er-Jahren 29 von 37 Geschichtsbüchern dieses Thema in ihre Zukunftsnarrationen auf. In den 70er-Jahren sind es 20 von 34 Büchern und auch in den 1980er-Jahren liegt die Zahl noch bei mehr als der Hälfte der Bücher, nämlich bei 32 von 48 Autorentexten. In den 1990er-Jahren reduziert sich die Anzahl auf noch 28 von 65 Büchern. Inhaltlich beschäftigen sich die Autorentexte mit Prognosen der weiteren Entwicklung einzelner Staaten bzw. Kontinente. Dabei liegen die Betrachtungsschwerpunkte auf China und Afrika. Neben der Betrachtung der Einzelstaaten wird mit diesem Thema auch die dauerhafte weltweite Sicherung des Friedens beschrieben, die durch Entwicklungshilfeleistungen erzielt werden soll. Die dritte Form der narrativen Gestaltung ist die Verbindung des Themas ›Dekolonialisierung‹ mit dem Thema ›Kalter Krieg‹. Im deutlichen Unterschied zu den späteren Geschichtsbüchern beinhalten die Autorentexte der 1950er-Jahre überwiegend Schilderungen in auktorialer Erzählform, die dem übrigen Darstellungstext des Buches ähneln. Sie beschreiben die zukünftige Entwicklung als »Bestreben[s] der asiatischen und afrikanischen Völker, sich von der Herrschaft der Kolonialmächte zu befreien«297. Eine Zukunftsperspektive wird implizit und ex negativo entwickelt, wie die Beschreibung der Unabhängigkeitsbestrebungen als »Brennpunkte der Weltpolitik der Gegenwart«298 zeigt. Neben einer Bewertung der gegenwärtigen Konfliktlage wird durch eine fehlende Lösungsperspektive eine dauerhafte und damit auch zukünftige Krisensituation in Aussicht gestellt. Zwei der Autorentexte erwähnen die Hilfeleistungen der Industriestaaten für die Länder Afrikas und Asiens und erweitern deren Dauer bis in die Zukunft hinein. In »Geschichte unserer Zeit« prognostizierte der Darstellungstext: Alle ergriffenen Maßnahmen würden »die Entwicklung der farbigen Völker zu freien und selbstständigen Nationen nicht aufhalten können«299, wenn sie auch wirtschaftlich »noch lange die Hilfe der Weißen brauchen«300. Im Gegensatz zu dieser vermeintlich sicheren Perspektive steht der Darstellungstext in »Von 1850 bis zur Gegenwart«, der zwar zwei Problemfelder der Zukunft eröffnet, doch deren Schwere und den Ausgang der Entwicklung nicht vorhersagt. Das starke Bevölkerungswachstum der nach Unabhängigkeit strebenden Länder stehe in deutlichem Gegensatz zu der zu297 »Europa und die Welt 1815–1956«, 1957, S. 194. 298 »Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart«, 1958, S. 271. 299 Ebd. 300 Ebd.

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künftig sinkenden Bevölkerungszahl in Europa, so der Text weiter. Zum einen mindere diese Verschiebung die Geltung Europas und erhöhe »die Bedeutung der farbigen Welt«301. Diese Länder, »in denen heute schon Hunger herrscht«302, stünden zum anderen vor der Frage, wie sie zukünftig die Bevölkerung ernähren könnten, da ihre Landwirtschaft rückständig sei und Industrie »noch fast völlig«303 fehle.

2.3.1 Die Zukunft der Einzelstaaten Neben der Gesamtdarstellung und -beurteilung der Entwicklungen stellen die Autorentexte auch Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Staaten und deren Fortgang in die Zukunft dar. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den Beschreibungen Chinas und Afrikas, während einzelne Geschichtsbücher sich auch mit dem Nahen Osten, Indien und Pakistan beschäftigen. In ihrer Beurteilung und den daraus resultierenden Perspektiven für die Zukunft unterscheiden sich die Texte in diachroner Perspektive: In jedem Jahrzehnt finden sich Darstellungstexte, die eine von Erfolg gekennzeichnete Zukunft für China skizzieren. Demgegenüber stehen Geschichtsbücher, die auf die anhaltenden Schwierigkeiten des Landes verweisen. Die thematischen Schwerpunkte verändern sich dabei. In den 1950er-Jahren überwiegen ethnologische Beobachtungen, dass das chinesische Volk aus eigenen Kräften die Zukunft erfolgreich gestalten könne. Dies sei zum einen »aufgrund der starken biologischen Kraft«304 des chinesischen Volkes möglich, zum anderen aufgrund der über Jahrhunderte tradierten Migration der Chinesen. So entwirft der Autorentext in »Europa weitet sich zur Welt – Europa in der Krise« sogar das Szenario einer möglichen zukünftigen Besiedlung Sibiriens durch die »fleißigen, genügsamen, intelligenten und widerstandsfähigen Chinesen«305. 1981 lobt noch ein Autorentext die Leistungen und die Eigeninitiative des Landes, da sie »für manche Entwicklungsländer vorbildlich sein«306 könne. Fast wörtlich wird dieses Lob 1999 in einem Autorentext erneut aufgegriffen.307 Deutungsoffenere Beschreibungen der Zukunft zeigen sich in drei Geschichtsbüchern aus unterschiedlichen Jahrzehnten. In Bezug auf das Verhältnis zur Sowjetunion äußert 1953 ein Autorentext, dass abzuwarten sei, »ob daraus 301 302 303 304 305 306

Ebd., S. 146. Ebd. Ebd. »Europa weitet sich zur Welt. Europa in der Krise«, 1952, S. 140. Ebd., S. 141. Dittrich-Gallmeister, Edeltrud u. a.: Die moderne Welt, Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart. Stuttgart 1981, S. 302. 307 Vgl. »Das waren Zeiten. Geschichte 4«, 1999, S. 287.

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eine neue Abhängigkeit entsteht«308. Hinsichtlich des möglichen Besitzes vom Atomwaffen bemerkt der Darstellungstext in »Unser Weg durch die Geschichte« 1961, dass sich eine bedrohliche Situation entwickeln könnte.309 Der Autorentext in »Geschichtsstunden 9« skizziert 1989 einen Konflikt angesichts der innenpolitischen Neuorientierung nach Maos Tod, die in der Bevölkerung auf Kritik stoße. Daher werde »erst die Zukunft zeigen, welchen Weg China gehen wird.«310 Die Bevölkerungsgröße und ihr stetes Wachstum werden seit den 1960er-Jahren von den Autorentexten als Herausforderung für die Zukunft gesehen. Zwei Autorentexte aus den 60er-Jahren konstatieren, dass China neben Indien als einer der beiden »menschenreichen Staaten«311 auch in Zukunft große Bedeutung habe. Berechnungen hätten ergeben, »daß China im Jahre 2000 eine Bevölkerung von über 1 Milliarde Menschen haben«312 werde. Wenn es bis dahin geschafft worden sei, »einen großen und starken Industriestaat«313 aufzubauen, könne es »das mächtigste Land der Erde sein und vielleicht als eine neue Weltmacht die Geschichte auf dieser Welt weitgehend bestimmen.«314 Auch im Autorentext von 1973 bleibt die Zukunftsperspektive deutungsoffen, indem lediglich ausgesagt wird, dass das Land mit einer Bevölkerungsgröße von »mehr als 600 Millionen Menschen und seiner großen strategischen Bedeutung«315 auch in Zukunft weltpolitisch von Bedeutung bleibe. In den 1990er-Jahren beschreiben die Darstellungstexte die Bevölkerungszahl als Ursache für innenpolitische Schwierigkeiten, die sich auch zukünftig fortsetzen würden. Ihnen zufolge sei China »auch 40 Jahre nach der Gründung […] noch immer ein Entwicklungsland, in dem drei große Probleme zu lösen sind: die Senkung der Geburtenrate, die Entwicklung der Landwirtschaft und die Reform der Industriestruktur«316, wie der Autorentext in »entdecken und verstehen« konstatiert. Neben dieser Formulierung von Aufgaben für die Zukunft wird auch das politische System infrage gestellt: Angesichts der politischen Umbrüche von 1989 sei es ungewiss, ob das sozialistische System in China »überleben«317 werde. In 308 »Europa und die Welt«, 1953, S. 140 und ebenso in der Ausgabe des Lehrwerks für Bayern von 1953. 309 Vgl. »Unser Weg durch die Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1961, S. 161. 310 »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit«, 1989, S. 103. 311 Apfelstedt, Hartmut u. a.: Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute. München 1964, S. 153. In »Die Reise in die Vergangenheit« beschreibt der Autorentext beide Staaten als »die wichtigsten Großmächte« (S. 295) unter den »nach oben strebenden farbigen Ländern« (Ebd.) 312 Ebd. 313 Ebd. 314 Ebd. 315 »Geschichte Band 4. Neueste Zeit«, 1973, S. 147. 316 Berger, Thomas u. a.: Entdecken und verstehen Band 3. Berlin 1991, S. 229. 317 Ebd.

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»Geschichte entdecken Band 9« wird mit der Erwähnung ausländischer Beteiligung an »über 20 000 Unternehmen«318 und der Feststellung, dass »die Versorgung der Bevölkerung funktioniert« und »die Läden [sind] mit Konsumgütern ausgestattet«319 seien, ein gegenwärtiger und möglicherweise auch dauerhafter Wohlstand erzählt, der eine Öffnung zur nicht-kommunistischen Welt beschreibt. Dieser Zukunftsprognose wird im darauffolgenden Satz jedoch Einhalt geboten, da die Grenze der Reformfähigkeit Chinas so läge, dass die »Machtposition der Kommunistischen Partei«320 nicht bedroht werden dürfe. Zudem haben »Demokratie und Menschenrechte […] noch immer keinen Platz im ›Sozialismus chinesischer Prägung‹«321. Der Autorentext in »Geschichte und Geschehen C4« verfährt nach der Nennung der wirtschaftlichen Erfolge ähnlich und stellt fest, dass »keiner weiß, zu welchen innenpolitischen Auseinandersetzungen […] der Balanceakt der letzten kommunistischen Großmacht in Zukunft führen wird.«322 Auch »Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 10« widmet sich den »Zukunftsperspektiven«323 Chinas und greift die Fragen über die Zukunft auf, die »immer lauter«324 würden. Drei Szenarien werden in diesen Fragen angedeutet: Die erste fragt, ob »kommunistische Reformer die starre Ideologie ehemaliger Reformer ablösen«325 können. Zweitens wird skizziert, dass China möglicherweise eine »aggressive Außenpolitik«326 einschlage und eine Wiedervereinigung mit Taiwan erzwingen wolle. Drittens erscheint es möglich, den Kommunismus zukünftig durch einen »chinesischen Nationalismus«327 zu ersetzen. Sieben der 223 Geschichtsbücher beschäftigen sich mit Zukunftsszenarien für Indien. 1971 stellt der Autorentext in »Spiegel der Zeiten« infrage, ob es Indien angesichts der Auseinandersetzungen mit China auf Dauer gelingen werde, seine »›blockfreie‹ Politik«328 beizubehalten. Die übrigen Darstellungstexte nehmen weniger lobende und eher pessimistische Perspektiven ein, wie beispielsweise der Autorentext in »Europa und die Welt 1914–1962«. Darin wird für Indien und Pakistan konstatiert, dass »dringend ausländische Hilfe zum Aufbau ihrer Wirtschaft«329 benötigt werde. Auch innenpolitisch sei die Zukunft 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329

Weber, Jürgen u. a.: Geschichte entdecken 9. Bamberg 1993, S. 128. Ebd. Ebd. Ebd. »Geschichte und Geschehen«, 1998, S. 277. »Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 10«, 1997, S. 183. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. »Spiegel der Zeiten. Die Neueste Zeit«, 1971, S. 174. »Europa und die Welt 1914–1962«, 1963, S. 163.

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Indiens von Herausforderungen geprägt, da das Land »bis heute […] keine wirklich durchschlagenden Erfolge«330 erzielen konnte. Neben »seiner Riesenzahl von Analphabeten, seinen vielen Völkern und Religionen und seinem schwer veränderbaren Gesellschaftssystem«331 sei das »dringendste Problem […] die Überwindung der Unterernährung«332. Auch der Konflikt mit Pakistan belaste Indiens Zukunft, denn obwohl die Kampfhandlungen eingestellt wurden, »bestehen die Feindseligkeiten weiter«333. Für Indien entwarf der Autorentext in »Die Reise in die Vergangenheit« 1982 eine indirekte Perspektive für die Zukunft. Das Land unternehme »große Anstrengungen, um Not und Armut zu lindern«334, doch »bis heute […] konnten […] keine wirklich durchschlagenden Erfolge erzielt werden.«335 Die Beschäftigung mit der Zukunft der afrikanischen Staaten nimmt quantitativ im Verlauf des Betrachtungszeitraumes zu. In den 60er-Jahren sind es drei Autorentexte336 die sich mit den afrikanischen Staaten beschäftigen und eine Zukunftsperspektive entwerfen: »Afrika wird daher noch lange ein Unruheherd bleiben«337, denn die Staaten seien »ohne wirtschaftliche Unterstützung von außen«338 nicht lebensfähig, sondern unterentwickelt. Dieser Zustand bedürfe der Unterstützung der »großen reichen Industriestaaten der Erde«339. Sowohl auf der grammatischen wie der semantischen Ebene wird durch sprachliche Mittel eine dauerhafte Krisensituation entwickelt, die über die Gegenwart hinausgeht. Durch die Verwendung des Präsens wird die Zeitebene Vergangenheit verlassen und ein Bezug zur Gegenwart hergestellt. Die Allgemeinheit der Beschreibungen und fehlende Maßnahmen zur Beseitigung der Missstände schließen über die Gegenwart hinaus auch die Zukunft mit ein, sodass die Dekolonialisierung zur Aufgabe wird. In sechs Autorentexten der 70er-Jahre wird besonders auf die weitere Entwicklung Afrikas eingegangen, wobei sich die Zukunftsbeschreibungen der Texte diametral unterscheiden. So stellt der Autorentext in »Europa und die Welt« fest, dass für die Zukunft der jungen eigenständigen Staaten 330 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1976, S. 231. 331 »Unser Weg durch die Geschichte. Band 4. Die Welt gestern und heute«, 1975, S. 170. 332 Ebd. Diese Maßnahmen als Zukunftsaufgaben beschreibt auch »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)«, 1971, S. 196–198. 333 »Geschichte 9. Jahrgangsstufe«, 1973, S. 171. 334 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1986, S. 292. Auch in »Geschichte für die Hauptschule« wird die gegenwärtige Situation Indiens beschrieben, um daraus eine ebenso schwierige Zukunft zu prognostizieren (1989, S. 93). 335 Ebd. 336 »Geschichte für die Jugend. Vom Wiener Kongress zur Gegenwart«, 1963; »Mit eigener Kraft. Geschichte 4«, 1962 und »Die Neueste Zeit. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1961. 337 »Mit eigener Kraft. Geschichte 4«, 1962, S. 60. 338 Ebd. 339 Ebd.

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»günstige wirtschaftliche Aussichten340« bestünden, da sie »trotz eines hohen Bevölkerungswachstums noch nicht unter dem asiatischen Problem der Übervölkerung leiden und teilweise über große Rohstoffvorräte verfügen.«341 Neben dieser wirtschaftlichen Entwicklung werde auch »eine engere politische Zusammenarbeit in der Organisation der Einheit Afrikas«342 angestrebt. Demgegenüber stehen die Ausführungen des Darstellungstextes in »Die neueste Zeit – Das 20. Jahrhundert«, der eine weiterhin angespannte Situation beschreibt, da »die auf europäischen Schulen gebildete Oberschicht«343 nicht ausreiche, »eine politische Verantwortung zu erkennen und zu tragen, zu groß die Masse der Analphabeten, die noch in den uralten Traditionen des Stammes befangen sind.«344 Hinzu komme, dass die willkürlichen Grenzen der europäischen Kolonialherren für Konflikte unter den unterschiedlichen Kulturen sorgen und damit einen Frieden gefährden würden. Dies sei nicht nur innerhalb der jeweiligen Staaten der Fall, sondern sorge dafür, dass das Ziel eines »politisch und wirtschaftlich einheitlichen Afrikas […] vorläufig in weiter Ferne«345 liege. Der Autorentext in »Die Reise in die Vergangenheit – Geschichte und Politik in unserer Zeit« konstatiert, dass es »immer wieder zu Bürgerkriegen und Kämpfen innerhalb dieser Staaten«346 komme, da sich in den meisten neuen Staaten »eine dünne Oberschicht […] auf einen bestimmten Stamm und auf die Maschinenpistolen ihrer Soldaten«347 stütze. Das Geschichtsbuch »Zeiten und Menschen – Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)« hat in der Ausgabe von 1971 den Wortlaut eines Zukunftsszenarios übernommen, das bereits in der Ausgabe von 1968 eine mögliche Bedrohung durch afrikanische Nationalisten beschreibt: Aufgrund der großen Ungleichheit zu den modernen, von weißen Europäern errichteten Großstadtkerne könnten sich die Afrikaner als »hoffnungslos arm und zurückgesetzt«348 verstehen. Aus dieser Perspektive heraus könnten nationalistische Rufe formuliert und Selbstbestimmung eingefordert werden. Die Sorge vor möglichen Unruhen und Aufständen angesichts der wirtschaftlichen Ungleichheit bleibt auch in die 1970er-Jahre hinein Bestandteil der Ge340 341 342 343

344 345 346 347 348

Ebd. Ebd. Ebd. »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)«, 1971, S. 206. Auch in »Geschichte unserer Zeit« wird die Gesellschaftsform der Staaten als Ursache für die dauerhafte Ungleichheit zwischen einer wohlhabenden Oberschicht und einer von »Elend, Armut und Ungewissheit« (»Geschichte unserer Zeit. Berichte, Dokumente, Bilder. 1917Gegenwart«, 1972, S. 212) betroffenen Unterschicht beschrieben. Ebd. Ebd. »Die Reise in die Vergangenheit«, 1976, S. 233. Ebd. Diese Beschreibung der politischen Verhältnisse findet sich auch in »Damals und heute 4«, 1976, S. 74. »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)«, 1971, S. 205.

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schichtsbücher. Sie wird aus der Vergangenheit hergeleitet und in die Zukunft fortgeführt, denn besonders die sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Kolonialzeit begründen die dauerhaften Krisen und Konflikte, so die Erzähllogik des Narrativs. Diese Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft verändert sich in den 1980er-Jahren. Die Darstellungstexte rücken die gegenwärtigen Probleme in den Mittelpunkt und leiten daraus Prognosen für die Zukunft ab. Ein zentrales Problem sei die Verbindung zwischen der steigenden Bevölkerungszahl und der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. »Auf absehbare Zeit«349 werde das Ernährungsproblem »für die meisten afrikanischen Staaten […] die zentrale Existenzfrage bleiben«350, so der Autorentext in »Geschichte kennen und verstehen«. Wie schon in der Gegenwart werde Afrika auch in Zukunft angesichts der wachsenden Bevölkerung nicht in der Lage sein, »Katastrophen vorzubeugen«351 und bleibe angesichts dieser schweren Probleme auch weiterhin auf Hilfe angewiesen. »Geschichtsbuch 4« prognostiziert, dass sich die Situation »voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten nicht bessern, sondern sogar noch verschärfen«352 werde. Die Apartheid in Südafrika und Rhodesien (der heutigen Republik Simbabwe, Anm.d.Verf.) wird im Autorentext von »Zeiten und Menschen – Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)« zum Thema einer Zukunftsnarration. Der Darstellungstext formuliert die Frage, wie lange »das Freiheitsbegehren der schwarzen Massen zu bändigen«353 sei. Afrika wird in zwei Autorentexten der 90er-Jahre aufgrund der hohen Verschuldung »praktisch aller afrikanischen Staaten bei internationalen Banken«354 in »Geschichte und Geschehen« als »›internationaler Sozialfall‹«355 bezeichnet. Eine wesentliche Veränderung der Lage wird nicht in Aussicht gestellt, sodass der Text suggeriert, dass die wirtschaftliche Situation Afrikas auch künftig von Schwierigkeiten geprägt bleiben werde. In »Geschichtsbuch 4« wird für einige afrikanische Gesellschaften konstatiert, dass sie sich als Folge der hohen Flüchtlingszahlen aufgrund der herrschenden Not »nahezu im Zustand der Auflösung«356 befänden. Auch die weitere Entwicklung angesichts des kriegerischen Konflikts in Algerien findet in den Darstellungen der Geschichtsbücher Beachtung. Im Au349 350 351 352

353 354 355 356

»Fragen an die Geschichte. Die Welt im 20. Jahrhundert«, 1984, S. 330. Ebd. Ebd. »Geschichtsbuch 4«, 1988, S. 257, 9. Eine Verstärkung des Wohlstandsgefälles erwähnt ebenfalls der Autorentext in »erinnern und urteilen IV« (1981, S. 216) sowie in »Kletts geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen. Staatensystem und Weltpolitik« (1983, S. 167). Ebd., S. 207. »Geschichte und Geschehen«, 1998, S. 289. Ebd. »Geschichtsbuch 4. Von 1918 bis 1995«, 1996, S. 284.

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torentext des Geschichtsbuches »Zeitgeschichte und wir« von 1963 wird dargestellt, dass sich de Gaulle seit seinem Regierungsantritt »um Beendigung des ›schmutzigen‹ Krieges« bemühe, »und es sieht so aus, als ob in naher Zukunft eine Lösung gefunden wird.«357 Zu einer völlig anderen, quasi konträren Einschätzung gelangt 1965 der Verfassertext in »Die neueste Zeit (1915–1962)«. So sei 1962 zwar der Krieg beendet worden, doch »ohne daß die Hoffnung auf eine baldige Stabilisierung der Verhältnisse berechtigt erschiene.«358 2.3.2 Finanzielle Hilfeleistungen zur Sicherung des Friedens 29 der untersuchten 37 Geschichtsbücher der 1960er-Jahre verknüpfen das Thema Dekolonialisierung mit der Zukunft. Die Autorentexte beschreiben die finanziellen und personellen Hilfeleistungen als Mittel, um Aufstände zu verhindern. Durch Hilfsmaßnahmen könne eine friedliche und sichere Zukunft mit zufriedenen jungen Staaten in Afrika, dem Vorderen Orient und Asien geschaffen und gesichert werden, so der Verfassertext in »Unser Weg durch die Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«. Es handle sich um die »große gemeinsame Aufgabe aller wirtschaftlich starken Länder«359, die aus humanitären, moralischen und historischen Gründen in der Gegenwart notwendig sei und auch in Zukunft notwendig bleibe. Außerdem dient diese Friedenssicherung auch den Industriestaaten selbst, indem sie Unruhen durch ihre Hilfeleistungen vermeiden. Im Folgenden werden auch Autorentexte angeführt, die weniger die Gestaltung der Zukunft als die Abwehr von Gefahren und Schaden als Motor der Entwicklungshilfe erläutern. Die Notwendigkeit der Hilfeleistungen wird unter Angabe von statistischen Werten plausibilisiert: »Heute leben etwa 2,8 Milliarden Menschen auf der Erde. Nur 1 Milliarde kann sich satt essen. Viele Millionen sterben jährlich am Hunger.«360 Diese Zahlen werden auch in »Menschen in ihrer Zeit 5 – Im vorigen Jahrhundert« aufgegriffen und belegen, dass auch die Bevölkerungszahl von sieben Milliarden Menschen auf der Welt satt werden könne. Der Text lässt dabei offen, ob es in Zukunft möglich sei, »alle diese Möglichkeiten schnell genug zu verwirklichen, um den Wettlauf mit dem Hunger zu gewinnen«361. Um die politische und moralische Verpflichtung zur Unterstützung der Entwicklungsländer zu untermauern, bedient sich auch der Autorentext in »Wir erleben die Geschichte« wissenschaftlich fundierter Angaben: »Wissenschaftler haben errech357 »Zeitgeschichte und wir. Berichte, Dokumente, Bilder zur jüngsten Vergangenheit«, 1963, S. 156. 358 »Werden und Wirken. Die Neueste Zeit (1815–1962)«, 1965, S. 178. 359 »Unser Weg durch die Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1961, S. 154. 360 Ebd. 361 »Menschen in ihrer Zeit 5. Im vorigen Jahrhundert«, 1967, S. 171.

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net, daß unsere Erde 30–40 Milliarden Menschen ernähren könnte.«362 Nach der Erwähnung dieser Ergebnisse werden Appelle formuliert, die zwar durch die doppelte Verneinung nur einen sehr impliziten Aufforderungscharakter haben, doch durch die gleiche Syntax der Sätze sehr eindringlich wirken: So sei es »nicht unabänderlich, daß jährlich Millionen Menschen an Unterernährung sterben« und auch »nicht unabänderlich, daß jährlich Millionen an Seuchen und Krankheiten zugrunde gehen.«363 Die Gestaltung der Zukunft geschieht in diesem Text durch die Beschreibung, dass durch handelnde Bürger mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende Schäden verhindert werden können. Die Texte zeigen dabei nicht die nötigen Maßnahmen auf, sondern betonen die grundsätzliche Notwendigkeit, zu handeln. An dieser Stelle beziehen sich die Darstellungstexte auf unterschiedliche Tiefen der Zukunft: Um in einer weit entfernten Zukunft einen besseren Zustand zu erreichen, müssen in der Gegenwart Maßnahmen ergriffen werden. Ihre Erfolge würden sich in einer zeitlich näher an der Gegenwart liegenden Zukunft zeigen und stellen wiederum die Grundlage für eine weitere Verbesserung dar. Es sei das langfristige Zukunftsziel, durch Hilfsmaßnahmen auch in den Entwicklungsländern ein bestimmtes Wohlstandsniveau zu erreichen. Diese verschiedenen Zeittiefen sprach auch der Darstellungstext in »Bilder aus deutscher Geschichte – Neuzeit und Gegenwart« an, der es als Ziel und als »wirkliche Hilfe beschrieb […], wenn sie in Zukunft ihre politischen und sozialen Verhältnisse selbstständig gestalten.«364 Einige Autorentexte gehen über diese Schilderung der allgemeinen Ziele hinaus und benennen konkrete Maßnahmen, um Erfolge zu erzielen und damit das Risiko kriegerischer Eskalationen zu reduzieren. So gelte es, »die Menschen zur Familienplanung zu erziehen«365 und für Kinder und Jugendliche »allgemeine Schulen und Berufsbildungsstätten«366 einzurichten und zu betreiben. Auch Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur seien so möglich: Durch die Förderung der Ausbildung von »Fachkräften für Wirtschaft, Technik und Verwaltung […] könnte sich auch in den Entwicklungsländern eine heute zumeist noch fehlende Mittelschicht bilden, die imstande wäre, die großen sozialen Unterschiede zwischen der kleinen, aber reichen Oberschicht und den armen, ungebildeten Volksmassen zu überbrücken.«367

362 »Wir erleben die Geschichte«, 1968, S. 239. 363 Ebd. 364 »Bilder aus deutscher Geschichte. Zweiter Band Neuzeit und Gegenwart«, 1965, S. 245. In »Damals und heute« wird ebenfalls als Ziel der Hilfeleistungen hervorgehoben, »daß sich die Völker künftig selber helfen können« (1965, S. 67). 365 »Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart«, 1969, S. 341. 366 Ebd. Ähnlich in »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1966, S. 177. 367 »Europa und die Welt 1914–1962«, 1963, S. 167.

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Aus der Beurteilung der bisherigen Maßnahmen leitet der Autorentext in »Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart« die Aufgaben für die Zukunft ab: »Die bisherigen Leistungen der Entwicklungshilfe reichen bei weitem nicht aus, alle Not zu lindern, allen Bedarf zu decken.«368 So formuliert der Text es als wichtigste und dringlichste Aufgabe, die Bedürfnisse der Menschen in den Staaten zu lindern, um die drohenden »Hungersnöte nie gekannten Ausmaßes«369 zu verhindern. Die UN werden im Darstellungstext in »Wir erleben die Geschichte« als Institution benannt, zu deren wichtigsten und »riesigen«370 Aufgaben die Bekämpfung der Unterernährung sowie die Eindämmung von Seuchen und Krankheiten gehörten. Das Ziel dieser humanitären Hilfe seien die Wahrung des Friedens und die Sicherung der Freiheit sowohl der jungen eigenständigen Staaten als auch der übrigen Welt. In der Begründung der Hilfeleistungen verknüpfen die Darstellungstexte die Vergangenheit mit der Zukunft. So formuliert es »Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute« von 1964 als »Gelegenheit, viele Versäumnisse der Vergangenheit wiedergutzumachen.«371 Mit dieser Formulierung verbindet der Autorentext eine leidvolle und negativ besetzte Vergangenheit mit der Perspektive auf eine bessere Zukunft. Vor dem Hintergrund einer Gegenwart, in der deutlich wird, welche Folgen die Kolonialherrschaft für die entsprechenden Länder hat, wird eine Zukunft entworfen, in der sich die Länder erfolgreich zur Eigenständigkeit entwickelt haben werden. Die Vergangenheit und der Kolonialismus sowie die gegenwärtig politisch wie wirtschaftlich nur gering entwickelten Staaten sind der Hintergrund, vor dem der Autorentext eine äußerst positive Zukunft entwickelt. Die Prognose erscheint als so sicher, dass sogar ein Zeitrahmen für diese Entwicklung benannt wird. So würden »in einigen Jahren«372 die »unterentwickelten Länder reichere Ernten erzeugen, mehr Bodenschätze fördern und eigene Industrien besitzen. Damit schwinden Hunger und Arbeitslosigkeit, die immer viele Millionen von Menschen in Asien und Afrika peinigen. Die Menschen werden dann genug zu essen haben, dazu Arbeitsplätze, mit deren Hilfe sie sich dann ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können.«373

»Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart«, 1969, S. 341. Ebd., S. 342. »Wir erleben die Geschichte«, 1968, S. 237. »Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute«, 1964, S. 153. Das historische Argument findet sich auch in »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1966, S. 174. In »Neueste Zeit von 1917 bis heute« wird es als »Bemühen, die ›Sünden der Väter‹, der einst so brutalen Kolonialherren, wiedergutzumachen, das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen«, beschrieben (1968, S. 114). 372 Ebd. 373 Ebd.

368 369 370 371

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In dieser Zukunftsnarration vollzieht sich die Entwicklung ähnlich der der Struktur einer Erzählung mit Happy-End, demzufolge sich in der Zukunft also all das bessern werde, was in der Gegenwart noch nicht erreicht werden konnte. In Kontrast zu dieser Utopie des Lebens in Wohlstand, Freiheit und Sicherheit kann ein anderer Autorentext der 60er-Jahre gestellt werden, der die Maßnahmen zur Entwicklungsförderung hinsichtlich der gesellschaftlichen und sozialen Folgen für die Zukunft kritischer beurteilt: »Die Maschinen der Weißen haben die uralten Lebensgewohnheiten der Eingeborenen weitgehend zersetzt: Der junge Neger, der den Busch verlassen hat und in einem Bergwerk, in einer Fabrik arbeitet, lernt dort den Lebensstandard der Weißen kennen und kann sich später nicht mehr in den äußerst bescheidenen und eingeengten Verhältnissen des heimatlichen Dorfes und in manchen Sitten und Gewohnheiten seines Stammes zurechtfinden. Auf der anderen Seite hindert die politische Rechtlosigkeit oder Minderberechtigung den Schwarzen daran, die gleichen Chancen des wirtschaftlichen Aufstieges zu haben wie die weißen Menschen. Er sieht sich als Bewohner von Mietskasernen und von Behelfshütten in den Vororten rings um die von den Europäern errichteten modernen Großstadtkerne herum hoffnungslos arm und zurückgesetzt. Aus ihm wird ein afrikanischer Nationalist, der begeistert in den Ruf einstimmt: Afrika den Afrikanern! Selbstbestimmung für unser Volk und Land!«374

Es handelt sich bei diesem Auszug nicht um eine Quelle, die das Geschichtsbuch den Schülerinnen und Schüler zur Interpretation präsentiert, sondern um eine (literarische) Fiktion des Autorentextes, an der – didaktisch aufbereitet – Kritik an Entwicklungshilfemaßnahmen und die Gefahr der Verfremdung, die wiederum zu Aufständen führen könnte, gezeigt werden soll. Die Zukunftsnarration prognostiziert als Folge der Hilfsmaßnahmen Konflikte, was die Frage nach dem Ursprung solcher Abschnitte in den Darstellungstexten nahelegt. Besonders deutlich tritt durch die sprachliche Gestaltung, den beinahe dramatischen Aufbau des Abschnitts und die daraus resultierende Anschaulichkeit die Besonderheit dieser Elemente in Geschichtsbüchern zutage. Es bleibt zu spekulieren, welcher Intention die Gestaltung folgt. Möglich wäre die Idee einer schülernahen und emotional-mitreißenden Beschreibung, um die Bedeutung des Themas zu unterstreichen. Denkbar wäre auch, durch diesen Text auf politische und gesellschaftliche Diskurse aufmerksam zu machen, die kritisch mit der Art der Fördermaßnahmen umgingen und jene als neue Form des Kolonialismus verstanden, durch den Kulturen und Traditionen hinter europäischen Maßnahmen verschwanden. 20 der 34 Darstellungstexte aus den 70er-Jahren beschäftigen sich mit den Entwicklungshilfemaßnahmen, indem sie Bilanz aus der bisherigen Arbeit ziehen und daraus Perspektiven für die Zukunft entwickeln. Der Nord-Süd-Kon374 »Neueste Zeit von 1917 bis heute«, 1968, S. 120f.

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flikt, so die vorherrschende Beschreibung der weltpolitischen Situation, sei eine Gefahr für den Weltfrieden.375 Aufgrund dieses gegenwärtig in Erscheinung tretenden »ungeheuren Gegensatzes zwischen den satten Völkern der nördlichen und den hungernden der südlichen Hemisphäre«376 bleibe ungewiss, wie sich die Zukunft entwickeln werde. Nur durch einen Abbau »der krassen Gegensätze zwischen arm und reich«377 könne der Weltfrieden dauerhaft gesichert werden. Dies sei am besten durch »Hilfe zur Selbsthilfe«378 möglich, um die Hilfsmaßnahmen so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Neben diesen Rückgriffen auf die Gegenwart behält das Argument der historischen Verpflichtung, die einer Wiedergutmachung der ehemaligen Kolonialmächte quasi gleichkommen sollte, Gültigkeit.379 Der Autorentext in »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts« negiert diese weit zurückreichende Verpflichtung der Industrieländer und fordert von den Entwicklungsländern, darauf zu verzichten, »mit erpresserischen Mitteln eine neue Wirtschaftsordnung zu schaffen und die Schuld für ihre Unterentwicklung nur im ehemaligen Kolonialstatus und im bösen Willen der Reichen zu sehen.«380 Der Text zählt »eine Reihe schwerwiegender eigener Versäumnisse«381 der Länder auf, die einer erfolgreichen Entwicklung im Wege stünden. Die Aufgabe der Zukunftsgestaltung obliege demnach den Ländern selbst, da sie für ihre Entwicklung mitverantwortlich seien. In 15 Darstellungstexten der 80er-Jahre wird als Zukunftsziel der Hilfeleistungen ein »Nord-Süd-Dialog« beschrieben, der »auf lange Sicht einen Interessenausgleich auf friedlichem Wege sichern«382 solle, so der Autorentext in »Geschichte und Gegenwart Band 4. Die Welt nach 1945«. Andere Geschichtsbücher beurteilen die Situation als »Nord-Süd-Gefälle«383 oder sogar als »Steil375 Vgl. »Fragen an die Geschichte 4«, 1978, S. 257. Ähnliche Formulierungen auch in »Geschichte für die Hauptschule«, (1973, S. 200), in »Damals und heute«, (1973, S. 168f.) und in »Die Reise in die Vergangenheit«, (1976, S. 162). 376 »Geschichte Band 4. Neueste Zeit«, 1973, S. 154. Dass die Zukunft weniger durch den OstWest-, sondern durch den Nord-Süd-Konflikt geprägt sei, heben auch die Autorentexte der Geschichtsbücher »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts« (1978, S. 166), »Fragen an die Geschichte« (1978, S. 5, 257), »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)« (1971, S. 193) und »Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart« (1973, S. 274) hervor. 377 Ebd. 378 Ebd., S. 80. Auch der Autorentext in »Neueste Zeit« (Riedmüller 1970, S. 184) betont die Notwendigkeit, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, um dauerhaft wirksame Entwicklungshilfe zu leisten. 379 Vgl. »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1970, S. 277 und »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)«, 1971, S. 193. 380 »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«, 1978, S. 167. 381 Ebd. 382 Krapp, Günter u. a.: Geschichte und Gegenwart Band 4. Die Welt nach 1945. Paderborn 1984, S. 177. 383 »Damals und heute 9. Schuljahr. Vom Entscheidungsjahr 1917 bis heute«, 1982, S. 180.

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hang«384. Es sei in der Gegenwart ein Strukturmerkmal der internationalen Beziehungen und werde es aufgrund der großen Schwierigkeiten in der dritten und vierten Welt auch künftig bleiben.385 Der Gegensatz zwischen den Entwicklungsländern und den reichen Industrieländern wird als gegenseitige Abhängigkeit erzählt, da beide Seiten aufeinander angewiesen seien.386 Daher sei die Entwicklungshilfe »zur Zeit wohl die wichtigste Aufgabe der Menschheit[…]«387, so der Autorentexte in »Geschichte entdecken« und fährt zur Begründung auch zukünftiger Maßnahmen fort, dass es bei sich verschärfender Ungleichheit keinen dauerhaften Frieden in der Welt geben könne.388 Der Text in »Geschichtsbuch 4« spitzt die Frage auf die Formel »Zerstörung oder eigenständiger Fortschritt?«389 zu. Häufiger als bisher stellen die Autorentexte explizite Bezüge zur Zukunft her : Zum einen durch die Benennung der Dauerhaftigkeit der weiteren Bemühungen, wie im Darstellungstext in »Blick in die Vergangenheit«: »Es wird in der Zukunft noch vieler eigener Anstrengungen und fremder Hilfe bedürfen, bis sich die Lebensverhältnisse in den frei gewordenen Staaten denen der entwickelten Staaten annähern.«390 Zum anderen entstanden die Verweise auf die Zukunft, indem die Texte die Hilfeleistungen als große Aufgabe der kommenden Generation beschrieben, um »eine Verschärfung der Krise zu verhindern.«391 Die Politik müsse versuchen, »die Entwicklungsmöglichkeiten, z. B. die Entwicklungsländer mit ihrer drohenden Bevölkerungsexplosion zu durchdenken, um danach in die Zukunft weisende verantwortliche Maßnahmen zu ergreifen.«392 Neben der Erläuterung der Notwendigkeit und der friedenssichernden Funktion der Maßnahmen hinterfragt der Autorentext in »erinnern und urteilen« die bisherige Praxis der Hilfeleistungen. Der »über Generationen geschürte Haß zwischen Religionen, Stämmen, Staaten und 384 Koltrowitz, Bernd u. a.: »Geschichte für morgen«. Berlin 1988, S. 180. Ebenso in »Zeitaufnahme 4«, 1982, S. 79 und »Geschichte und Gegenwart Band 4. Die Welt nach 1945«, 1984, S. 177. 385 Vgl. ebd., S. 185. Der Autorentext in »erinnern und urteilen« beschreibt den Abbau der Unterschiede als »eine der dringendsten politischen Aufgaben unserer Zeit.« (1984, S. 219). »Damals und heute. Von der Zeit des Imperialismus bis heute« sieht in der Verringerung des Abstands die Bedingung dafür, dass »in unserer Welt der Frieden sicherer werden« (Damals und heute 9. Schuljahr. Vom Entscheidungsjahr 1917 bis heute, 1982, S. 180) kann. 386 Vgl. ebd. Diese Abhängigkeit erwähnen ebenfalls die entsprechenden Kapitel in »Geschichte für morgen. Zeitgeschichte (1917 bis zur Gegenwart)« (1982, S. 217), »Zeitaufnahme 4« (1982, S. 79), »Unsere Geschichte 4« (1988, S. 271), »Geschichte und Gegenwart« (1988, S. 191). 387 Bernecker, Walther u. a.: Geschichte entdecken 9. Neueste Zeit. Bamberg 1983, S. 97. 388 Vgl. ebd. 389 »Geschichtsbuch 4«, 1988, S. 260. 390 »Blick in die Vergangenheit 9. Jahrgangsstufe«, 1982, S. 131. 391 Ebd. 392 »Die moderne Welt, Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart«, 1981, S. 270.

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Ideologien«393 breche »immer wieder offen hervor«394 und es werde sich »die Schere zwischen arm und reich im globalen Maßstab […] nicht schließen«395. Für die Zukunft der Entwicklungsländer bedeute dies, dass »vor allem die armen Länder in den Zirkel von Ohnmacht und Resignation treiben.«396 Die Autorentexte konstruieren eine Kontinuität von der Vergangenheit bis in die Zukunft hinein, die von der Erfahrung der bisher wenig erfolgreichen gegenwärtigen Hilfsmaßnahmen genährt wird. Ähnlich kausal und zirkulär beschreibt auch der Autorentext in »Geschichte erkennen und verstehen« die »schweren wirtschaftlichen und sozialen Probleme«397 in Afrika und Lateinamerika. Aus dieser Erörterung und der wenig erfolgversprechenden Perspektive für die Hilfeleistungen lässt sich eine Kritik der Hilfsmaßnahmen herauslesen, die in der bisherigen Form den Ländern nicht so geholfen habe, wie dies intendiert gewesen sei. Das historisch hergeleitete Argument der Verpflichtung zu Hilfeleistungen wird in den 80er-Jahren in zwei Autorentexten angeführt. Die schwierige Lage in den Entwicklungsländern bestehe aufgrund der »Nachwirkungen des Kolonialismus und ihrer oft willkürlichen Grenzziehungen«398. Dies bedinge Konflikte in Form von Bürgerkriegen und Kämpfen, die »immer wieder«399 ausbrächen. So regiere »eine dünne Oberschicht, die sich auf einen bestimmten Stamm und auf die Maschinenpistolen ihrer Soldaten stützt.«400 In den 1990er-Jahren beschäftigen sich 30 der 65 untersuchten Geschichtsbücher mit den Hilfeleistungen für die Entwicklungsländer und leiten aus der Schlussfolgerung, dass die »Erfolge bis heute sehr begrenzt«401 seien, weitere Hilfeleistungen für die Zukunft ab. Das sich vergrößernde Gefälle zwischen Nord und Süd sei der Grund402, dass »Massenwanderungen in unvorstellbarem Aus393 Ebd. 394 Ebd. 395 Ebd. Diese Formulierung findet sich auch in »Geschichte und Geschehen IV« (1988, S. 265), das vom gleichen Autorenteam verfasst wurde. 396 Ebd. 397 »Fragen an die Geschichte. Die Welt im 20. Jahrhundert«, 1984, S. 306. 398 Ackermann, Winfried/Protzner, Wolfgang: Wurzeln unserer Gegenwart. Geschichte für die Hauptschule in Bayern. Kulmbach 1988, S. 66. Diesen historischen Bezug stellen auch der Darstellungstext in »Geschichte erkennen und verstehen« her (1984, S. 305f.); »Geschichte entdecken 9. Neueste Zeit«, 1983, S. 94. In »erinnern und urteilen 10« wird es als »Hypotheken« der Kolonialherrschaft (1984, S. 181) beschrieben. 399 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1986, S. 293. Diese Formulierung ist wörtlich ebenfalls in die Ausgabe des Buches von 1988 übernommen worden (vgl. S. 219). 400 Ebd. 401 Böttcher, Christina u. a.: Geschichte Konkret Band 3. Hannover 1998, S. 206. 402 Dies erwähnen auch die Autorentexte in »Treffpunkt Geschichte 4«, 1996, S. 225; »Das waren Zeiten. Geschichte 4«, 1999, S. 251; Heimbach u. a.: Zeitreise 3. Stuttgart 1999, S. 176; »Entdecken und verstehen 3«, 1991, S. 215, 221; Cornelißen, Hans Joachim u. a.: bsv Geschichte 4. Vom Zeitalter des Imperialismus bis zur Gegenwart. München 1990, S. 278; Berg,

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maß im nächsten Jahrhundert die Welt in Atem halten werden.«403 Angesichts dieser Ungleichheit, die auch in Zukunft fortbestehen werde, skizziert der Autorentext in »von bis…Band IV« die Möglichkeit, dass »Krisen und Verteilungskämpfe«404 entstehen könnten. Auch in »Geschichtsbuch 4« wird konstatiert, dass es »unüberschaubar«405 sei, welche Konflikte zukünftig noch entstehen würden. Damit wird aus dem Narrativ der ›Sicherung des Friedens‹ ein Bedrohungsszenario, das es abzuwehren gelte. Mit dieser veränderten narrativen Gestaltung des Themas geht ein Wechsel der Erzählperspektive einher, der die Dringlichkeit des Problems ebenfalls betont. So fragt der Autorentext: »Sind wir selbst bereit, Verantwortung für die Weltgesellschaft von morgen zu übernehmen?«406 Auch »Lebendige Vergangenheit« wechselt die Fokalisierung und stellt fest: Es sei an der Zeit, »dass wir Lösungen finden, um die Armut in der Welt zu bekämpfen.«407 Die geschaffe Erzählgemeinschaft betont den appellativen Charakter und beschreibt eine gemeinsame Zukunftsaufgabe, die aus der Sicht der Produktionsgegenwart eine sehr hohe Eintrittswahrscheinlichkeit besitzt, da sie durch Bemühungen erreicht werden kann. Jene stellen zugleich die grundsätzlichen Ziele des schulischen Bildungsauftrages dar, sich aktiv gestaltend in die Gesellschaft einzubringen. Der Darstellungstext in »Entdecken und verstehen Band 3« fragt, mit welchen Maßnahmen »jeder Einzelne von Euch die Anstrengungen der Entwicklungsländer zur Beseitigung der Armut unterstützen könne[n], damit auch die Menschen dort – wie wir alle – dem Traum von einer besseren Welt näher kommen.«408 Mit der Annahme unterschiedlicher Zeittiefen wird an diesem Beispiel deutlich, dass der Autorentext die Hilfeleistungen für die Entwicklungsländer in einer sich näher an der Gegenwart befindlichen Zukunft verortet, um durch die Beseitigung der Armut dem ›weiter‹ entfernten Zukunftsziel näherzukommen: der Utopie von einer ›besseren Welt‹. Die didaktische Logik hinter dieser narrativen Struktur verhindert allerdings ein Erreichen dieser romantisch-utopischen Zeitebene. Ihr zufolge ist das stete Bemühen in Gegenwart und näherer Zukunft um das Erreichen der Utopie der Motor allen politischen und gesellschaftlichen Handelns. Diese narrative Konstruktion verdeutlicht sowohl den Unterschied zwischen dem Wohlstand der

403 404 405 406 407 408

Rudolf u. a.: Wege durch die Geschichte 5. Berlin 1992, S. 162; »Geschichte und Geschehen IV«, 1992, S. 196. Fink, Hans-Georg u. a.: Geschichte kennen und verstehen. München 1997, S. 244. So auch in »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 317 und »Anno 4. Das 20. Jahrhundert«, 1997, S. 295. »von…bis. Von 1945 bis heute«, 1998, S. 236. Kriegerische Auseinandersetzungen um den Reichtum des Nordens auch in Beilner, Helmut u. a.: Geschichte 9. Donauwörth 1994, S. 131. »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 316. »von…bis. Von 1945 bis heute«, 1998, S. 236. »Lebendige Vergangenheit Band 4«, 1990, S. 74. »Entdecken und verstehen 3«, 1996, S. 167, 180.

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Industrieländer und den Entwicklungsländern als die Vorstellung, die westlichen Werte als Maßstab anzulegen. Auf der sprachlichen Ebene differenziert der Satz zwischen ›die Menschen dort‹ und ›wir‹, wodurch sich eine kulturell bedingte Trennung zeigt, die im Widerspruch zu den vermeintlich gemeinsamen Zielen von Frieden und Wohlstand steht. 2.3.3 Die Dekolonialisierung und der Kalte Krieg Die Verbindung dieser beiden Themen erfolgt auf drei verschiedene Weisen: Als erste Zukunftsperspektive benennen insgesamt drei Geschichtsbücher des gesamten Betrachtungszeitraumes, dass sich als Folge der Dekolonialisierung die internationale Machtkonstellation um eine dritte Kraft erweitern könnte. So stellen zwei Autorentexte der 50er-Jahre die Unabhängigkeitsbestrebungen im Zusammenhang mit der Politik der Großmächte des Kalten Krieges dar. In »Die Neueste Zeit« wird dabei offengelassen, ob sich die unabhängig werdenden Länder als dritte Kraft zwischen den USA und der Sowjetunion positionieren können. So spricht der Autorentext der Vereinigung der »asiatisch-afrikanischen Staatenwelt«409 die Möglichkeit zu, »wie ein Vereinigtes Europa – vielleicht einmal die Rolle einer ›dritten Kraft‹«410 spielen zu können.411 Es sei »von entscheidender Bedeutung, ob sie diese Anleihen oder Spenden von den USA und ihren Verbündeten erhalten oder aber aus dem sowjetischen Block«412. Neben den amerikanischen Investitionen in Form wirtschaftlicher Unterstützung erläutert der Text auch die Hilfsmaßnahmen der Sowjetunion, durch die ihr Einfluss »sehr gestiegen«413 sei. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der ehemaligen Kolonien beschreibt der Autorentext einen »Klassenkampf zwischen den armen und den reichen Völkern«414, der möglicherweise in Zukunft entstehen könne, »wenn die Probleme der farbigen Welt nicht gemeistert werden«415. Neben diesem negativen Zukunftsszenario führt der Text jedoch auch die Möglichkeit an, dass die Schwierigkeiten gemeistert werden könnten und sich daraus ein wirtschaftlicher Vorteil ergebe, denn »je besser die heute noch unterentwickelten Völker leben, um so bessere Kunden können sie morgen werden«416. Neben der Sorge vor kriegerischen Eskalationen rücken auch die 409 »Wege der Völker. Die neueste Zeit«, 1957, S. 162. 410 Ebd. 411 Diese Vorstellung einer dritten Kraft zwischen den beiden Machtblöcken findet sich auch in »Geschichtswerk für höhere Lehranstalten. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart«, 1957, S. 244. 412 Ebd., S. 147. 413 Ebd. 414 Ebd. 415 Ebd. 416 Ebd., S. 148.

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ökonomischen Interessen der Industrieländer in den Mittelpunkt. Die Hilfeleistungen werden als Investitionen von längerfristigem zukünftigem Nutzen betrachtet, der über kurz- und mittelfristige Entwicklungshilfe hinausgeht. Dabei sind weniger die Bedürfnisse der Entwicklungsländer, sondern vielmehr die wirtschaftlichen Vorteile der Industrieländer Ziel der Hilfe. Erst in den 1980er-Jahren wird das Narrativ in einem Darstellungstext wiederaufgenommen, der die Entwicklungsländer selbst als Gestalter ihrer Zukunft beschreibt. Durch den Zusammenschluss der Blockfreien, die man als »›Gewerkschaft der Dritten Welt‹«417 bezeichnen könne, so der Autorentext in »Zeitaufnahme«, würden Forderungen in Bezug auf »eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Entwicklungsländern, sowie die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung«418 gestellt. Eine zweite Zukunftsperspektive aus der Verbindung der Themen ›Dekolonialisierung‹ und ›Kalter Krieg‹ beschreibt eine Bedrohung, die vom Erstarken des Kommunismus ausgehe. Insgesamt 30 der 223 untersuchten Geschichtsbücher konstruieren dieses Szenario.419 Quantitativ liegt damit eines der am häufigsten verwendeten Zukunftsszenarien vor, das sich auf die Jahrzehnte unterschiedlich verteilt. In den 1950er-Jahren konstruiert ein Geschichtsbuch durch die Verbindung der beiden Themen ›Dekolonialisierung‹ und ›Kalter Krieg‹ das Narrativ des bedrohlichen Kommunismus: In »Neueste Zeit von 1918 bis heute« beschreibt der Autorentext die Gefahr der Einnahme von Staaten durch den »Weltkommunismus«420. Neben Afrika, wo er sich »mit dem Streben der farbigen Bevölkerung nach Unabhängigkeit und politischer Selbstständigkeit«421 verbinde, dränge der Kommunismus auch bis nach Südostasien vor und »benutzt die Unzufriedenheit und die Streitigkeiten, um die Kolonialbevölkerung zum Aufruhr anzustiften«.422 Deutlich häufiger zeigt sich das Narrativ in den 60er-Jahren: Mehr als zwei Drittel der Autorentexte, nämlich 26 von 39 untersuchten, verknüpfen mit der Gestaltung der Zukunft der Entwicklungsländer zugleich die Abwehr des Kommunismus. Die häufigste Darstellungsform 417 »Zeitaufnahme 4«, 1982, S. 96. Oomen, Hans-Gert u. a.: Geschichte für morgen. Band 4 Zeitgeschichte. Frankfurt 1985, S. 147 beschreibt den Zusammenschluss ohne jegliche Bewertung. 418 Ebd. 419 Zu diesem Befund passt auch das Ergebnis der Schulbuchanalyse von Füllberg-Stollberg, dass zur Darstellung der »Krisengebiete der Dritten Welt […] nicht zufällig nur die ausgewählt« wurden, »die zu einer Interessenkollision der Großmächte geführt haben« (Füllberg-Stollberg, 1981, S. 192) führten. Füllberg-Stollberg zufolge dient auch die Darstellung der Ereignisse in den Entwicklungsländern dazu, um die ideologisch bedingte Abwertung der UdSSR zu evozieren (vgl. Füllberg-Stollberg, 1981, S. 192). 420 »Geschichtliches Unterrichtswerk für mittlere Schulen. Neueste Zeit 1918 bis heute«, 1956, S. 54. 421 Ebd. 422 Ebd.

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ist dabei, dass es für die jungen Staaten gelte, sich als neutrale »Dritte Macht«423 zwischen den USA und der Sowjetunion zu behaupten. So könnten sie durch »ihr starkes Stimmengewicht in den Vereinten Nationen […], soweit sie sich einig sind, in zunehmendem Maß auch die Politik der Großmächte«424 beeinflussen. Damit leisten sie einen Beitrag, zukünftig die gefürchtete kommunistische Bedrohung einzugrenzen. Dass dies notwendig scheint, zeigt die Beschreibung des Autorentextes in »Europa und die Welt – Das 20. Jahrhundert«: Die Kuba-Krise wird als Beispiel dafür angeführt, dass die wirtschaftlich schwachen Länder in der Nachbarschaft der reichen nordamerikanischen Staaten »der Sowjetunion Möglichkeiten der Einflußnahme eröffnen«425 könnten. Ein weiteres Beispiel für diese Einflussnahme der Sowjetunion seien die Wahlen im Rahmen einer Nachkriegsordnung in Korea oder Indochina (heutiges Vietnam, Anm.d.Verf.), wie der Darstellungstext in »Die Neueste Zeit – Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart« skizziert. Durch Entwicklungshilfemaßnahmen solle verhindert werden, dass »die Heilslehren des sowjetischen und chinesischen Kommunismus […] auf fruchtbaren Boden fallen«426. Unterlasse man die Hilfeleistungen, stehe dem Westen innerhalb weniger Jahrzehnte »eine Welt erbitterter Feinde«427 gegenüber, so das negative Zukunftsszenario des Autorentextes in »Menschen in ihrer Zeit – In unserer Zeit«. Sprachlich eindrucksvoll wird das Narrativ im Geschichtsbuch »Die neueste Zeit (1915–1962)« gestaltet, da mit dem Erfolg der Entwicklungshilfe und der Abwehr des Kommunismus auch das Schicksal Europas verbunden sei, denn Europa stelle »die wertvollste Beute in dem weltweiten Kampfe dar, den der Kommunismus um die Gewinnung der Menschheit führt.«428 Solange sich die europäischen Staaten widersetzen, könne der »Kommunismus die jungen Völker Asiens und Afrikas schwerlich in ihrer

423 »Europa und die Welt 1914–1962«, 1963, S. 162. Auch in »Damals und heute 4« werden die Bestrebungen der Länder betont, neutral zu bleiben, »ungebunden an Ost und West« (1965, S. 67). 424 Ebd. 425 Ebd., S. 167. Die Einflußnahme der Sowjetunion auf entwicklungsschwache Staaten beschreiben auch die Autorentexte in »Bilder aus deutscher Geschichte. Zweiter Band Neuzeit und Gegenwart«, 1965, S. 242–243, S. 245 und »Neueste Zeit von 1917 bis heute«, 1968, S. 114. Darin werden die außenpolitischen Aktivitäten der Sowjetunion im Vorderen Orient als »geschickte Wühlarbeit« (S. 117) bezeichnet. Die gleiche Formulierung zur Beschreibung findet sich in »Europa und die Welt«, 1965, S. 240. Für den Autorentext in »Lebendige Vergangenheit 5. Von 1850 bis zur Gegenwart« ist es »von entscheidender Bedeutung«, ob die unterentwickelten Länder die Unterstützung der USA oder der Sowjetunion annähmen (1966, S. 155). 426 »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1966, S. 175. 427 Ebd. 428 »Werden und Wirken. Die Neueste Zeit (1815–1962)«, 1965, S. 172.

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Mehrheit davon überzeugen, daß sein System wirklich das bewährte Endmodell«429 darstelle. 14 der 34 Autorentexte verwenden auch in den 1970er-Jahren das Narrativ der kommunistischen Bedrohung. So bemühe sich der Ostblock, »die farbigen Völker unter den Parolen des Antikolonialismus und Antiimperialismus in sein Lager herüberzuziehen«430. Es sei ein zähes und verbissenes Ringen »in den Urwäldern und Steppen Asiens und Afrikas […] um den Einfluß bei den Farbigen«431. Der Darstellungstext in »Geschichte Band IV« beschreibt die Situation als »Wettlauf der Großmächte in Ost und West um die Gunst der […] jungen Staaten«432, der auch über die Gegenwart hinaus andauere. Mit der Sowjetunion wird auch in diesen Autorentexten die fortwährende Gefahr einer sich ausbreitenden Ideologie verbunden, die gegenwärtig wie zukünftig abgewendet werden müsse. Nicht nur in Bezug auf den Konflikt im Nahen Osten, sondern auch »das Verhalten der UdSSR in den Auseinandersetzungen in Rhodesien, Namibia, Ost- und Südafrika wird zeigen, ob […] Afrika neue gefährliche Konflikte zwischen den Supermächten schafft«433, prognostiziert der Autorentext in »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«. »Menschen in ihrer Zeit – In unserer Zeit« bezieht den Konflikt zwischen Indien und Pakistan auf die »›Eindämmung‹ Chinas durch die Sowjetunion«434. Damit werden die Konflikte in und um Entwicklungsländer in die übergreifende (ideologische) Auseinandersetzung zwischen den USA und der Sowjetunion eingeordnet. Mit dieser Verbindung wird den Auseinandersetzungen eine Dauerhaftigkeit zugeschrieben, die über gegenwärtige Friedensschlüsse hinausgeht. Genauso ist der ideologische Gegensatz zwischen den politischen Systemen der USA und der Sowjetunion in die Zukunft hinein festgelegt. Eine zunehmende internationale Spannung, zusätzlich zu dem Gegensatz der beiden Machtblöcke, beschreibt auch der Autorentext in »Geschichtliche Weltkunde«: Die UN sei »als Weltfriedenspolizei […] immer mehr zur Weltentwicklungszentrale«435 geworden. Auch in den 80er-Jahren bleibt die Bedrohung durch den Kommunismus in drei Darstellungstexten der Motor der Entwicklungshilfe, denn sollte diese Unterstützung durch die westliche »freie Welt«436 nicht gelingen, »werden diese Länder möglicherweise mit Auflehnung und Aggression gegen die Industrienationen

429 430 431 432 433 434 435 436

Ebd. »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)«, 1971, S. 193. Ebd. »Geschichte Band 4. Neueste Zeit«, 1973, S. 114. »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«, 1978, S. 156. »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1972, S. 203. »Geschichtliche Weltkunde Band 4. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart«, 1989, S. 235. Ebd.

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reagieren«437. Diese Gefahr von Aufständen werde zusätzlich dadurch verstärkt, dass China und die Sowjetunion versuchten, die »angespannte Situation für ihre politischen Ziele«438 auszunutzen. Der Erfolg der Maßnahmen der Entwicklungshilfe gilt demnach gleichzeitig als Abwehr der kommunistischen Bedrohung. Die Entwicklungsarbeit werde aber auch zukünftig durch die kommunistischen Staaten bedroht, da die Auseinandersetzungen zwischen China und der Sowjetunion um die Vormachtstellung unter den kommunistischen Staaten anhielten. Am historischen Beispiel der politischen Revolution in Kuba wird für die Gegenwart und Zukunft die Befürchtung entworfen, dass die USA »ihren politischen Einfluß auf Lateinamerika und die amerikanische Wirtschaft ihren Markt verlieren könnten.«439 Einen dritten Aspekt betonen in den 1970er-Jahren vier Autorentexte. Der Weltfrieden werde »nicht nur durch die beiden Supermächte, sondern auch durch die soziale Ungleichheit zwischen der nördlichen und der südlichen Erdhalbkugel bedroht.«440 Die Beschreibung des Konflikts als »Frontstellung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern«441 entwirft eine Zukunft, die dauerhaft von vielschichtigen Auseinandersetzungen zwischen zahlreichen Ländern geprägt sein werde, da der Nord-Süd-Konflikt »zu einem gefahrvollen Kampffeld der beiden Machtblöcke Ost-West«442 werde. Eine mögliche Interpretation ist, dass der Ost-West-Konflikt als mögliche zukünftige Bedrohung in den Hintergrund rücke.443 Durch diese Veränderung der Situation in der internationalen Politik und der Steigerung ihrer Komplexität erscheint die Friedenssicherung als noch größere und dringlichere Herausforderung. Drei Zukunftsnarrationen der 80er-Jahre benennen die gemeinsamen internationalen Bemühungen um Entwicklungshilfe als Grund für die Entschärfung des OstWest-Konflikts und eröffnen eine optimistische Perspektive auf die Gegenwart: So herrsche im Westen die »Hoffnung auf Fortschritte in der eingeschlagenen

437 Ebd. 438 »Die moderne Welt, Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart«, 1981, S. 310. An anderer Stelle des Autorentextes wird das Verhältnis zwischen der Sowjetunion und China als gegensätzlich beschrieben, das »teils ideologischer, teils politischer Art« sei (S. 303). Für die Gegenwart und die Zukunft bedeutsam ist die Beschreibung in der Präsensform, dass »beide um die Führung im Weltkommunismus und in der dritten Welt« (Ebd.) kämpfen. 439 Beeck, Karl-Hermann u. a.: Geschichte heute 9/10. Paderborn 1988, S. 214. 440 »Fragen an die Geschichte«, 1978, S. 257. 441 Ebd. 442 »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)«, 1971, S. 193. Ein Nebeneinander der beiden Konflikte wird auch in »Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart«, 1973, S. 274 beschrieben. 443 Auch »Geschichte Band 4. Neueste Zeit« konstatiert, dass der Ost-West-Konflikt »an Bedeutung angesichts des Nord-Süd-Konflikts« verliere (1973, S. 154).

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Richtung«444. Narrativ werden in diesem Text zwei Themen in ein kausales Verhältnis gesetzt und auf der Basis einer positiven Gegenwartserfahrung zu einem ebenso positiven Zukunftsszenario verknüpft. Der Darstellungstext in »Geschichte heute 9/10« entwickelt hingegen eine skeptischere Perspektive auf die Gegenwart. Eine Annäherung zwischen den Machtblöcken sei und bleibe schwierig. Die USA und die Sowjetunion würden in Konflikte »ständig hineinverwickelt«445, sodass die internationalen Konflikte zu Stellvertreterkriegen zwischen den beiden Großmächten würden. Der Darstellungstext in »Die moderne Welt Band 2« beschreibt dies als »verhüllte Interessengegensätze […] im vorderasiatischen Raum«446. Ein Autorentext der 90er-Jahre stellt diese narrative Verbindung ebenfalls her und beschreibt als Folge der »Ost-West-Entspannung«447 das Ende der Stellvertreterkriege. Ein Indiz für einen möglichen zukünftigen Frieden sieht der Autorentext darin, dass mit dem Ende der militärischen Konfrontation der USA und der Sowjetunion »auch in den Entwicklungsländern die Militärausgaben langsam zu sinken«448 begannen.

2.4

Das Thema ›Europa‹

In allen fünf untersuchten Jahrzehnten wird die Zukunft narrativ mit dem Thema ›Europa‹ in Verbindung gebracht. Die Anzahl der Geschichtsbücher, die sich jeweils mit dem Thema beschäftigten, variiert dabei deutlich: In den 1950er-Jahren sind es 24 von 38 untersuchten Büchern, also rund zwei Drittel, die das Thema beschreiben. In den 60er- und 70er-Jahren beschäftigen sich die Hälfte der Bücher hinsichtlich der Zukunft auch mit Europa (60er-Jahre 18 von 37 Büchern und 70er-Jahre 17 von 34). Im Unterschied dazu reduziert sich die Zahl in den 80er-Jahren auf ein Drittel (17 von 48 Büchern) und erhöht sich in den 1990er-Jahren nur geringfügig. 2.4.1 Der Staatenbund zur dauerhaften Wahrung des Friedens 23 der 38 untersuchten Autorentexte der 1950er-Jahre machen einen europäischen Staatenbund zum Gegenstand der Zukunftsnarration. Für die kriegsgeschwächten europäischen Staaten wird für die Zukunft ein positives Ziel erklärt: Dass die europäischen Völker gemeinsam, friedlich und in wirtschaftlichem 444 »Lebendige Vergangenheit 9«, 1989, S. 149. 445 »Geschichte heute 9/10«, 1988, S. 214. 446 »Die moderne Welt, Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart«, 1981, S. 309. 447 »Geschichte und Geschehen IV«, 1992, S. 196. 448 Ebd.

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Wohlstand zusammenleben könnten.449 Die dauerhafte Sicherung und Bewahrung des Friedens auf dem Kontinent sei dabei das vordringlichste Ziel. Um es zu erreichen, gebe »zwar jeder dieser Staaten einen Teil seiner nationalen Selbstständigkeit preis«450, doch könne dann zukünftig kein Land mehr »einseitig seine Rüstungen verstärken und einen Krieg vorbereiten«451, so der Autorentext in »Geschichte unseres Volkes IV. Teil« von 1957. Der Autorentext des vierten Bandes der Reihe »Wege der Völker« benennt den zukünftigen Zusammenschluss der Staaten als Bedingung, denn Europa sei »nur in seiner Vereinigung lebensfähig«452. Die Gründung der »Vereinigten Staaten von Europa«453 – bereits diese Formulierung macht das politische Vorbild deutlich – bedeute »das Ende der europäischen Kriege«454, so der Autorentext. Die Wahl der Pluralform »Kriege« zeigt, dass die Erfahrung der Vergangenheit nicht nur auf den unmittelbar erlebten Zweiten Weltkrieg zurückgeht, sondern (mindestens) auch den Ersten Weltkrieg miteinschließt, wenn nicht sogar noch die kriegerischen Konflikte des 19. Jahrhunderts. Diesem weiten zeitlichen Rückgriff entspricht auch der Vorgriff auf eine dauerhafte friedliche Zukunft Europas. Die Tiefe dieser zeitlichen Ausdehnung wird nicht explizit benannt; implizit wird allerdings durch den Verweis auf die Vergangenheit eine ebenso lang andauernde friedliche Zukunft prognostiziert. Ähnlich weit zurück in die Vergangenheit greift der Autorentext in »Geschichte der Neuesten Zeit« von 1951, der es als historische Verpflichtung beschreibt, dass die europäischen Staaten »auf eigennützige Ziele und einen Teil ihrer Hoheitsrechte verzichten und sich zu einer lebendigen Gemeinschaft zusammenfinden wollen.«455 Es gelte, an »die Vormachtstellung Europas, die um 1890 ihren Gipfelpunkt erreichte«456 anzuknüpfen und einen Kriegsschaden aufzuarbeiten. Dass die Vergangenheit aber nicht nur als Begründung der Notwendigkeit des zukünftigen Zusammenschlusses funktionalisiert wird, sondern selbigen auch behindern könne, zeigt der Darstellungstext in »Einst und jetzt«: Bei der Bildung des Europarates sei deutlich geworden, »wieviel [sic!] alte und neue Vorurteile, Vor-

449 Als eines der wenigen Bücher betont der Autorentext in »Lebendige Vergangenheit 5. Von 1850 bis zur Gegenwart« diese Schwächung sehr explizit und erwähnt neben den materiellen Schäden auch die »Blutopfer« des Krieges (1958, S. 143). 450 »Geschichte unseres Volkes IV. Teil«, 1957, S. 128. 451 Ebd. 452 »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 122. 453 Ebd. 454 Ebd. 455 »Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart«, 1951, S. 181. 456 Ebd.

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sichten und Hemmungen zwischen den Völkern noch bestanden«457. Durch den Rückgriff auf die Vergangenheit scheint der Weg zum zukünftigen Zusammenschluss der Staaten von Hindernissen geprägt. Ein Autorentext von insgesamt 13 (der 34 untersuchten), die sich in den 1970er-Jahren mit dem Thema Europa beschäftigen, bilanziert die bisherigen Bemühungen um eine politische Einigung und kontrastiert diese mit der gesellschaftlichen Entwicklung. Der Autorentext in »Fragen an die Geschichte – Europäische Weltgeschichte« beschreibt, dass sich »in unserer Zeit ein immer stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl der Völker und Staaten Westeuropas entwickelt, der Zusammenschluß aber dennoch nicht entscheidend vorankommt.«458 Diese Gegenwartsbeschreibung hält die Zukunft deutungsoffen. Es ließe sich aus der Formulierung im Nebensatz ableiten, dass auch in Zukunft wenige Bestrebungen zu einem Zusammenschluss der europäischen Staaten folgen werden. Möglich ist angesichts der Erwähnung eines Zusammengehörigkeitsgefühls ebenfalls, dass damit mögliche Hindernisse überwunden werden könnten; dass also das genaue Gegenteil eintritt und Bemühungen um eine Einigung in Zukunft Früchte tragen könnten. Der Darstellungstext bedient sich innerhalb eines Satzes zweier Erzählmuster, die grundverschiedene Zukunftsperspektiven implizieren. Diesen beiden Entwicklungsmöglichkeiten entspricht auch eines der Lernziele, die der Text formuliert, nämlich dass die Benutzer des Buches »untersuchen und diskutieren können, […] ob die geschichtlichen Erinnerungen der europäischen Völker die Einigung oder die Spaltung Europas fördern«459. Eine Möglichkeit, die offene Entwicklung darzustellen, zeigt der Autorentext in »Damals und heute«, der die Frage formulierte: »Wird das ganze Europa zu einer Einheit zusammenfinden?«460 Vier weitere Autorentexte benennen die sichere Entwicklung, dass in der Folge der Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich auch ein politischer Zusammenschluss in Zukunft wahrscheinlicher werde und skizzieren mehr oder minder konkrete Schritte hin zu diesem Zukunftsziel. In »Die Reise in die Vergangenheit« wird berichtet, dass im Oktober 1972 auf der Pariser Gipfelkonferenz verkündet worden sei, dass die Wirtschaftsgemeinschaft »bis 1980 zur ›Europäischen Union‹ ausgebaut werden«461 solle. Mit dieser Beschreibung legt 457 »Geschichte Band 4: Von 1789 bis zur Gegenwart. 2. Halbband: Von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart«, 1955, S. 84. 458 »Fragen an die Geschichte. Europäische Weltgeschichte«, 1976, S. 1. 459 Ebd. 460 »Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute«, 1973, S. 164. 461 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1976, S. 212. Die Einigung zu einer Europäischen Union bis zum Jahre 1980 beschreiben auch die Autorentexte in »Wir erleben die Geschichte«, 1974, S. 182; »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)«, 1971, S. 190 und in »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«, 1978, S. 152.

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der Text einen konkreten Zeitpunkt in der Zukunft fest, bis zu dem die inhaltliche Prognose eintreten werde: der politische Zusammenschluss der Staaten. Auch der Autorentext in »Menschen in ihrer Zeit – In unserer Zeit« beschreibt die zukünftige politische Zusammenarbeit als Folge der gegenwärtigen Erfolge »auf dem Weg der ›Sechs‹ zu einer wirtschaftlichen Großmacht.«462

2.4.2 Der Schutz der europäischen Kultur Neun der 223 Geschichtsbücher verwenden das Narrativ ›Schutz der europäischen Kultur‹, um eine Zukunft zu entwerfen. Der Darstellungstext in »Geschichte der Neuesten Zeit« von 1951 formuliert die Sicherung der »europäischen Weltgeltung«463 als Ziel und Aufgabe für die Zukunft, da nur so der »Zusammenbruch der abendländischen Kultur«464 vermieden werden könne. Der kulturelle Niedergang Europas wird als Szenario erzählt, das (nur) durch einen Zusammenschluss der Staaten verhindert werden könne. Die Staatengemeinschaft wird vor dieser Negativfolie zur verbindlichen Zukunftsaufgabe. Diese Konzeption der Zukunft knüpft damit narrativ an die europäische Vormachtstellung im 19. Jahrhundert an, die neben den Kriegserfahrungen des Zweiten Weltkrieges die Grundlage der Zukunftsbilder darstellt. Die Forderung nach einer europäischen Gemeinschaft basiert in diesem Beispiel nicht nur auf der von den Kriegsfolgen geprägten Situation von 1945, sondern ebenso auf dem Rückgriff auf glorreiche Zeiten der europäischen Hochkultur, die es in Zukunft wieder zu erreichen gelte. Die Erzählform setzt die Zukunft in Verbindung zur Vergangenheit und die Erfahrungen der Gegenwart werden zum Ausgangspunkt dieser narrativen Konstruktion. Auch dem Autorentext in »Neueste Zeit 1918 bis heute« zufolge werde Europa in einem zukünftigen Zusammenschluss der Staaten seine »geschichtliche Aufgabe des Abendlandes erfüllen: im Geiste unverfälschten Christentums die Würde und Freiheit des Menschen zu wahren und Gerechtigkeit und Brüderlichkeit zu verwirklichen«465. In den 1960er-Jahren verwenden zwei Autorentexte Rückgriffe auf die gemeinsame Vergangenheit der europäischen Staaten, um daraus eine Zukunftsperspektive abzuleiten. Implizit wird der Bezug im Darstellungstext in »Der Mensch im Wandel der Zeiten« mit dem Terminus »Abendland«466 eingeflochten, während der Darstellungstext in 462 »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1970, S. 228. Der Text wurde wörtlich aus der Ausgabe von 1966 übernommen. 463 »Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart«, 1951, S. 181. 464 Ebd. 465 »Geschichtliches Unterrichtswerk für mittlere Schulen. Neueste Zeit 1918 bis heute«, 1956, S. 56. 466 »Der Mensch im Wandel der Zeiten. Geschichtsbuch für die deutsche Schule«, 1961, S. 307.

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»Die Neueste Zeit 1815–1962« explizite und ausführliche Verweise herstellt. Geeint könne Europa »hoffen, sich auch in Zukunft in der Welt geltend zu machen«467. Die europäischen Völker könnten sich so »wieder für ihre jahrtausendalte Aufgabe freimachen, am Aufbau einer weltverbindenden und völkerversöhnenden Gesittung zum Wohle der Menschheit führend mitzuarbeiten.«468 Die Zukunft wird auch hier narrativ an die Vergangenheit angeknüpft, indem die Texte auf die kulturelle Bedeutung Europas im 19. und frühen 20. Jahrhundert rekurrieren. Erst 1983 wird das Narrativ in einem Geschichtsbuch wieder aufgegriffen. Der Autorentext in »Geschichte 4 Neueste Zeit« stellt Bezüge zur Vergangenheit her, da »ein gemeinsames kulturelles Erbe«469 die Grundlage für ein vereintes Europa sei. Mit diesem Rückgriff auf die Vergangenheit begründet der Darstellungstext seine Zukunftsprognose und klammert gegenwärtige politische und wirtschaftliche Bemühungen als Motoren der Einigung aus, da das Zukunftsziel aus der gemeinsamen Vergangenheit abgeleitet wird. Zwei der 65 Darstellungstexte der 90er-Jahre beurteilen die Auswirkungen des Vertrages von Maastricht auf die kulturelle Zukunft Europas skeptisch. Die historisch bedingten »Eigenheiten der europäischen Völker, ihre Sprachen, Sitten und Gebräuche, sollten in einem vereinten Europa keineswegs verlorengehen«470 und die kulturelle Eigenständigkeit müsse bewahrt werden. Auch »Entdecken und verstehen Band 4« berichtet von der Sorge vieler Menschen in Europa, »ob ihr eigener Staat nicht in einem europäischen Bundesstaat«471 untergehe und urteilt, dass »der Weg zur Europäischen Union […] noch weit«472 sei. Skepsis angesichts der gemeinsamen Währung und Außenpolitik beschreibt der Autorentext einer späteren Ausgabe des Geschichtsbuches »Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 10«. Es erfordere weiterhin »große Überzeugungsarbeit«473, die »Europamüdigkeit, ja Europaverdrossenheit«474 bei den Bürgern zu beseitigen. Ausführlich stellt auch der Autorentext in »Geschichtsstunden 9« die »gemischten Gefühle«475 vieler Bürger Europas dar, die meinten, »man solle sich mit dem Erreichten zufriedengeben.«476

467 468 469 470 471 472 473 474 475 476

»Werden und Wirken. Die Neueste Zeit (1815–1962)«, 1965, S. 183. Ebd. »Geschichte 4. Neueste Zeit«, 1983, S. 170. »Geschichte heute 3«, 1993, S. 123. »Entdecken und verstehen 4«, 1994, S. 211. Ebd. Franze, Manfred u. a.: Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 10. München 1997, S. 160. Ebd. »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit«, 1994, S. 89. Ebd.

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2.4.3 Von der wirtschaftlichen zur politischen Union Das Narrativ konstruiert eine Verbindung zwischen dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Verbund in Europa und einem möglichen politischen Zusammenschluss. Aus dem Quellenkorpus verwenden 33 Geschichtsbücher diese Erzählstruktur. Der Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen und der politischen Einheit der europäischen Staaten wird bereits in einem Darstellungstext von 1950 aufgezeigt. Der Autorentext in »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart« führt aus, dass sich die europäischen Völker über die wirtschaftlichen Verbindungen hinaus auch politisch friedlich vereinigen würden. Als Indiz dafür, dass ein vereinigtes Europa »bald Wirklichkeit werden«477 könne, werden Annäherungen im europäischen Verkehrswesen angeführt. Die Wirtschaft sei der »Motor für Sicherheit und Frieden«478, sodass der Zusammenschluss auf politischer Ebene lediglich ein Nebenprodukt wirtschaftlicher Bemühungen sei.479 Diese positive Zukunftsperspektive teilen nicht alle Autorentexte. Einige entwickeln auch kritische Zukunftsnarrationen hinsichtlich der Vereinigung der europäischen Staaten und betonen, dass das wirtschaftliche Bündnis »hoffnungsvoller«480 sei als das politische. Auch in den 1960er-Jahren konstatieren sechs Autorentexte, dass mit einem wirtschaftlichen Zusammenschluss »der stärkste Wirtschaftsraum der Welt geschaffen«481 werde und daher »viele Politiker hoffen, daß der wirtschaftliche Zusammenschluß auch den politischen nach sich ziehen wird«482. In »Von der industriellen Revolution bis heute« wird die wirtschaftliche Zusammenarbeit als Vorbereitung für die politische Einigung interpretiert und damit als sicheres Zukunftsziel ausgegeben.483 Im Autorentext von »Einst und jetzt« handelt es sich um eine »Übergangszeit von 12 bis 14 Jahren«484 bis aus Europa »ein einheitliches Wirtschaftsgebiet«485 geworden sei. Dieser Zeit bleibe es überlassen, »ob der wirtschaftliche Zusammenschluß auch zu

477 »Geschichtliches Unterrichtswerk für mittlere Schulen. Neueste Zeit 1918 bis heute«, 1956, S. 56. 478 »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 329. 479 Vgl. ebd. sowie in »Bilder aus deutscher Geschichte. Zweiter Band Neuzeit und Gegenwart«, 1954, S. 182. 480 Ebd. 481 »Europa und die Welt 1914–1962«, 1963, S. 170. 482 Ebd. Dass nach dem wirtschaftlichen Zusammenschluss der Staaten auch der politische zu erwarten bzw. wünschenswert sei, findet sich ähnlich in »Unser Weg durch die Geschichte«, 1961, S. 152f. 483 Vgl. Nett, Benedikt: Aus deutscher Vergangenheit. Teil 4: Von der industriellen Revolution bis heute. München 1964, S. 90. 484 »Einst und jetzt. Geschichtsdarstellung vom Altertum bis zur Gegenwart«, 1967, S. 283. 485 Ebd.

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einer engeren politischen Gemeinschaft führen wird.«486 Damit stellt dieser Autorentext als einer der wenigen die politische Vereinigung als mögliches, aber nicht sicheres Zukunftsziel dar. An der Darstellung im Geschichtsbuch »Die Neueste Zeit« werden demgegenüber die unterschiedlichen Möglichkeiten der Versprachlichung der Eintrittswahrscheinlichkeiten einer politischen Einigung deutlich: Der Zusammenschluss sei ein notwendiges Ereignis, da Europa »unheilvoll geschwächt«487 sei. Sieben Seiten weiter beschreibt der Text es nicht mehr als notwendige, sondern als mögliche Entwicklung, »ob der wirtschaftliche Zusammenschluß auch zu einer engeren politischen Gemeinschaft führen wird«488. In den 1980er-Jahren rücken neun der 34 Autorentexte vor allem die Erhaltung des Interesses und des Engagements für die europäische Einigung in den Mittelpunkt. Mit der Gründung des Europäischen Parlaments sei zwar ein Schritt getan worden, doch »bis zur echten Gemeinschaft aller Völker Europas hat auch das Europäische Parlament noch einen weiten Weg zurückzulegen«489. Zwei Autorentexte appellieren, dass »alle Europäer […] ihren Beitrag dazu leisten«490 sollten. Eine »besondere Aufgabe«491 in Bezug auf die »Verwirklichung des Europagedankes« habe dabei die Jugend. Die Idee, dass aus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch eine politische Einigung der Staaten resultieren könnte, beurteilen 12 der 48 Darstellungstexte der 1980er-Jahre skeptisch. Während der »wirtschaftliche Zusammenschluß trotz mancher Rückschläge vorankam, blieben die Erfolge zur politischen Einigung bescheiden.«492 Diese kritische Zukunftsperspektive auf ein vereintes Europa nimmt auch der Autorentext in »Die Reise in die Vergangenheit« ein. Im Gegensatz zu einer wirtschaftlichen Einigung seien im politischen Bereich keine Fortschritte ersichtlich: »Eine starke Zentralgewalt gar, die sich über die einzelnen Mitgliedsstaaten wölbt, ist überhaupt nicht in Sicht.«493 Die Regierungen der europäischen Länder seien mehr damit beschäftigt, »im ständigen Kleinkrieg nationale Interessen durchzusetzen, als […] den Integrationsprozess voranzutreiben«494. Auch das Meistern gemeinsamer Krisen habe die EG poli486 Ebd. 487 »Die Neueste Zeit«, 1963, S. 176. In »Menschen in ihrer Zeit – In unserer Zeit« wird der politische Zusammenschluss als Resultat des Wollens der Staaten bezeichnet (1966, S. 171). 488 Ebd., S. 180. 489 »Wurzeln unserer Gegenwart. Geschichte für die Hauptschule in Bayern«, 1988, S. 81. 490 Ebd. 491 »Blick in die Vergangenheit 9. Jahrgangsstufe«, 1982, S. 170. 492 Autenrieth, Norbert u. a.: Geschichte für heute für Hauptschulen in Bayern. Paderborn 1989, S. 120. »Fragen an die Geschichte. Die Welt im 20. Jahrhundert« beschreibt die europäischen Staaten als »wirtschaftlichen Riesen, der politisch nicht die ihm gemäße Rolle zu spielen vermag« (1984, S. 303). 493 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1988, S. 198. 494 Ebd., S. 199. Diesen Aspekt betont auch der Autorentext in »Geschichte – kennen und verstehen 10«, 1984, S. 303.

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tisch »nicht sonderlich weitergebracht«495. Gegenwärtige Schwierigkeiten, die aus den unterschiedlich starken Wirtschaftskräften der verschiedenen Regionen in der EG resultieren, bilden für den Autorentext in »Geschichte für Morgen Band 4« den Ausgangspunkt für einen ebenso skeptische Prognose.496 So stelle »die Beseitigung dieser Unterschiede […] die EG vor die größten Probleme ihrer nahen und vermutlich auch weiteren Zukunft.«497 Einige Autorentexte beschreiben es als zukünftige Aufgabe, eine Lösung für »die Agrarkrise und die wirtschaftlichen Strukturschwierigkeiten«498 der Gegenwart zu finden. Eine dieser Schwierigkeiten stellt die hohe Arbeitslosigkeit in der EG dar, die, statistischen Berechnungen zufolge, auch in die Zukunft hinein bestehen bleibe.499 Die landwirtschaftliche Überproduktion sei ebenfalls eine Herausforderung, die es zu bewältigen gelte. Die Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart erschaffen eine negative Zukunftsperspektive, da es bisher nicht gelungen sei, mit »den sogenannten ›Butterbergen‹, ›Schweinebergen‹, ›Obstbergen‹ fertig zu werden.«500 Es bleibe daher abzuwarten, ob diese Schwierigkeiten bewältigt würden, damit das Ziel erreicht werden könne, »daß alle Europäer menschenwürdig leben können«501. Fünf der 65 untersuchten Autorentexte aus den 1990er-Jahren beschäftigen sich mit der weiteren Entwicklung der politischen Gemeinschaft. Die Zukunft bleibt dabei angesichts der Erfahrung, dass sich »die politischen Strukturen in Europa grundlegend verändert«502 hatten, deutungsoffen. Auch »Geschichte konkret 4« formuliert keine Zukunftsprognose. Der Darstellungstext endet mit der Feststellung, dass »das veränderte Europa […] noch vor großen Aufgaben«503 stehe. Ähnlich lautet die Formulierung in »bsv Geschichte 4 BW«, dass mit den Verträgen von 1990 und 1991 »eine wichtige Grundlage für eine ge495 Ebd. 496 Die Unterschiede zwischen den wirtschaftlich unterschiedlich starken Regionen der EG skizziert auch der Autorentext in »Zeitgeschichte 1917 bis zur Gegenwart« als größte Herausforderung für die Zukunft, die mithilfe des Europäischen Regionalfonds gelöst werden soll (1982, S. 177f.). Auch diese Passage wurde wörtlich in die überarbeitete Ausgabe des Buches »Geschichte für morgen« von 1988 übernommen (vgl. ebd., S. 165). Aufgrund dieser individuellen Unterschiede und Schwierigkeiten der Staaten stelle die Eingliederung neu beitretender Staaten in die EG eine Schwierigkeit dar, so der Autorentext in »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit«, 1989, S. 109. 497 »Geschichte für morgen Band 3. Zeitgeschichte (1917 bis zur Gegenwart)«, 1980, S. 158. 498 »Geschichte und Gegenwart. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart«, 1988, S. 162. 499 Vgl. »Fragen an die Geschichte. Die Welt im 20. Jahrhundert«, 1984, S. 303. 500 »Zeitaufnahme 4«, 1982, S. 78f. Diese Schwierigkeiten, die der EG aufgrund der landwirtschaftlichen Überproduktion entstehen, beschreiben auch die Autorentexte in »Geschichte für heute für Hauptschulen in Bayern«, 1989, S. 119 und in »Geschichte 9«, 1989, S. 109. 501 »Geschichte und Gegenwart. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart«, 1988, S. 162. 502 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1993, S. 151. 503 »Geschichte Konkret Band 3«, 1997, S. 82.

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meinsame europäische Zukunft geschaffen«504 worden sei. Etwas konkreter beschrieben vier Darstellungstexte die Entwicklungsperspektive insofern, als eine politische Einigung »keine Utopie mehr«505 sei. Europa werde so an Stabilität gewinnen, um angesichts internationaler Konflikte fortbestehen zu können.506 Gleichzeitig sichere die Gemeinschaft »den Frieden und fördert den Wohlstand«507, wie der Autorentext in »damals« darlegt. Mit der Gewissheit, dass es zwischen »liberalen Demokratien […] in den letzten Jahrzehnten keine Kriege mehr«508 gegeben habe, wird die Zukunft mit der Integration der osteuropäischen Staaten als positiv und friedlich beurteilt. Statt sich mit der Frage der grundsätzlichen Möglichkeit und Form der Staatengemeinschaft zu beschäftigen, benennen vier Autorentexte Aufgaben, vor denen die Gemeinschaft stehe und die »politische Herausforderung für ganz Europa«509 seien. Im Bereich des Umweltschutzes, der Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit und »der Einwanderung sowie der Aufnahme von Asylanten«510 müssen die Staaten zusammenarbeiten, um in naher Zukunft Lösungen bereitzuhalten. 2.4.4 Der politische Zusammenschluss als Gegenposition zu den Großmächten des Kalten Krieges Das Thema ›Europa‹ wird auch mit dem Zukunftsszenario verbunden, dass die europäischen Staaten auf der internationalen Ebene zur dritten Kraft neben den USA und der Sowjetunion werden könnten. Neun Geschichtsbücher der 1950erJahre, ein Buch aus den 1970er-Jahren und zehn Verfassertextegfv aus den 1990er-Jahren entwerfen mit diesem Narrativ eine Zukunftsperspektive. Ein Autorentext der 50er-Jahre beschreibt den Zusammenschluss der europäischen Staaten als Resultat aus den politischen Spannungen des Ost-West-Konflikts. Die Gegensätze zwischen den beiden Großmächten »zwangen die westeuropäischen Staaten, auf Schutz und Sicherheit ihrer Völker bedacht zu sein«511. Acht Dar504 »bsv Geschichte 4 Baden-Württemberg: Das 20. Jahrhundert«, 1997, S. 232. 505 »Zeitreise 3«, 1999, S. 158. »Die Reise in die Vergangenheit« bezeichnet es ähnlich als »Wunschtraum« (1990, S. 199). 506 Die Betonung der Stabilität der EU auch in »Geschichte heute 3«, 1995, S. 122, 186; »Wege durch die Geschichte 5«, 1992, S. 214. 507 Bauer, Gerlinde u. a.: Damals, heute, morgen 9. Geschichte / Gemeinschaftskunde. Stuttgart 1994, S. 144. 508 Ebd. 509 »Wege durch die Geschichte 5«, 1992, S. 208. Ebenso in »Das waren Zeiten. Geschichte 4«, 1999, S. 245; »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit«, 1994, S. 89. 510 »Geschichte heute 3«, 1995, S. 122 sowie in »Das waren Zeiten. Geschichte 4«, 1999, S. 245; »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit«, 1994, S. 89; »Wege durch die Geschichte 5«, 1992, S. 208. 511 »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 332.

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stellungstexte erklären den Verbund der europäischen Staaten zu einem möglichen politischen Gegengewicht zu den USA und der Sowjetunion. Die Zukunftsperspektive einer neuen zukünftigen Machtkonstellation findet sich erstmalig 1953 in »Europa und die Welt«: Denn nur durch ein friedliches und geeintes Europa könne »die Kriegsgefahr«512 gebannt und ein »Angriff auf den vereinigten Westen […] ein immer größeres Risiko für einen Angreifer«513 werden. Auf der letzten Seite des Buches wird Europa zur dritten Kraft zwischen der Sowjetunion und den USA erklärt, denn es könne »vor allem durch seine schöpferischen geistigen Kräfte einen hervorragenden Platz unter den Erdteilen der Welt einnehmen«514. Der Autorentext konstruiert durch seine weltpolitische Perspektive der großen politischen und wirtschaftlichen Zusammenschlüsse eine friedliche Zukunft, die in deutlichem Kontrast zu den Ereignissen und Entwicklungen in der Vergangenheit steht. Expliziter und appellativer wird es in »Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950« als Aufgabe für die Zukunft formuliert, dass Europa »aus seiner Zersplitterung herauskomme und daß seine Staaten sich zusammenschließen«515, um sich im Ost-West-Gegensatz zu positionieren und nicht länger passiver Spielball im Konflikt zu sein.516 Die aktive Rolle Europas betont auch der Darstellungstext in »Die Neueste Zeit« von 1957, da die Gemeinschaft der europäischen Staaten »der Sowjetunion auf dem Kontinent ein Gegengewicht entgegenstellen«517 solle. Eine konträre Einschätzung und damit verbunden eine pessimistische Zukunftsperspektive entwirft der Autorentext in »Erbe und Auftrag«: Zusätzlich zu den Folgen des Krieges schwäche der Ost-West-Konflikt die europäischen Staaten, so das Geschichtsbuch. Die europäische Vormachtstellung sei »endgültig verloren«518 und »entscheidendes Gewicht«519 hätten nur die Sowjetunion und die USA. Lediglich der Darstellungstext in »Europa und die Welt. In den 1960er-Jahren verbindet kein Darstellungstext die Zukunft mit diesem Narrativ. Erst 1979 beschreibt »Von 1890 bis zur Gegenwart« beschreibt, dass die EG in der Weltpolitik zwischen den USA und der UdSSR nur »als geschlossene politische Kraft«520 von Bedeutung 512 »Europa und die Welt«, 1953, S. 140. 513 Ebd. 514 Ebd.; Fast wortwörtlich findet sich diese Formulierung auch in »Werden und Wirken. Die Neueste Zeit (1815–1950), 1953, S. 180. 515 »Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950«, 1955, S. 193. 516 Eine ähnliche Formulierung findet sich in »Einst und Jetzt. Geschichtsdarstellung vom Altertum bis zur Gegenwart«: »[…] nur durch die Vereinigung aller seiner Kräfte hat Europa Aussicht, zwischen den Weltmächten zu bestehen« (1959, S. 280). 517 Ebd. 518 »Erbe des Abendlandes, die Neuzeit. 2. Halbband: Vom Bismarckreich bis zur Bundesrepublik«, 1951, S. 108. 519 Ebd. 520 »Europa und die Welt. Von 1890 bis zur Gegenwart«, 1979, S. 183.

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sein könne. Damit eröffnet der Autorentext zwei mögliche Perspektiven auf die Zukunft: Entweder gelinge der Zusammenschluss und Europa stehe eine positive zukünftige Entwicklung bevor oder es werde sich zwischen den beiden Machtblöcken nicht behaupten können und bleibe politisch (trotz der großen Wirtschaftskraft) unbedeutend. In den 1990er-Jahren wird aus dem Narrativ ›Gegenposition‹ zwischen den Machtblöcken die definite Zukunftsaufgabe Osterweiterung, die zehn der 65 Darstellungstexte formulieren. Es müsse das Ziel aller politischen Bemühungen sein, so der Darstellungstext in »Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 10«, »Osteuropa in ein neues ›Europäisches Haus‹ einzubeziehen«521. Erste Maßnahmen, um diese Entwicklung zu fördern, seien in der Gegenwart bereits getroffen worden: Man habe Ländern wie Polen einen Teil der Auslandsschulden erlassen und Gesetze zur Zusammenarbeit in Fragen des Umweltschutzes, der Vereinheitlichung der Ausbildung, des Arbeitsschutzes und im sozialen Bereich beschlossen. Dennoch seien durch diese »Hinwendung zum Westen noch lange nicht die menschlichen, politischen und wirtschaftlichen Probleme gelöst.«522 In »Geschichte und Geschehen G4« wird die Integration der GUS in die EU aus einer anderen Perspektive erzählt. So übe die EG eine »Anziehungskraft«523 aus, die »heute massiv auf die osteuropäischen Staaten und die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion« wirke: »Sie drängen […] ungeduldig auf die Aufnahme […] in die EU, um an deren wirtschaftlichen Erfolgen teilzuhaben.«524 Neben dem »wirtschaftlichen Nachholbedarf«525 betont auch der Autorentext in »Wege durch die Geschichte«, dass die europäische Kultur und ihr Geistesleben eine starke Anziehung ausübten. In »Geschichtsbuch 4« gilt es als sichere zukünftige Entwicklung, dass durch die Erweiterung der EG »das bedeutende Ungleichgewicht der Lebensverhältnisse zwischen Ost- und Westeuropa überwunden und ein Rückfall in ein nationalstaatliches Europa nur mit verschärften politischen Konflikten verhindert werden«526 könne. Dieses Zukunftsziel werde allerdings nicht in der nahen Zukunft

521 »Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 10«, 1992, S. 134. Das »europäische Haus« als Zukunftsvision auch in »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 193. Ähnlich auch »Wege durch die Geschichte 5«, 1992, S. 214, das eine »Integration des gesamten Europas« beschreibt. In »Anno 4« wird darüberhinausgehend noch nach der spezifisch deutschen Rolle beim Anschluss der osteuropäischen Staaten an die EU gefragt (»Anno 4. Das 20. Jahrhundert«, 1997, S. 275); ebenso in »Geschichte und Geschehen B4« (1997, S. 294). 522 Ebd. Ähnlich auch in »Wege durch die Geschichte«, indem die Integration als »langer, mühseliger Weg« beschrieben wird (1992, S. 209). 523 »Geschichte und Geschehen«, 1998, S. 249; wörtlich ebenso in der Ausgabe G4 von 1999, S. 305. 524 Ebd. 525 »Wege durch die Geschichte 5«, 1992, S. 209. 526 »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 315. Das Ungleichgewicht zwischen nördlichen und südlichen Regionen findet sich ähnlich in »Entdecken und verstehen 3«, 1999, S. 215.

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erreicht, da es der »Geduld der Menschen in den osteuropäischen Staaten«527 bedürfe und nicht sicher sei, ob diese ausreiche. Der Autorentext in »Geschichte 9« interpretiert die Osterweiterung als Beginn eines Kurses. Dieser könne »auch für andere Staaten des Ostens und Südostens Europas den Weg für einen späteren EG-Beitritt ebnen.«528

2.4.5 Europa als Schild zur Abwehr der bolschewistischen Bedrohung Einen anderen Aspekt in Bezug auf die Zukunftsaufgabe der europäischen Gemeinschaft heben neun Autorentexte zwischen 1950 und 1979 hervor. Der Darstellungstext der sechsten Auflage von »Geschichte der Neuesten Zeit« aus dem Jahr 1955 fordert, die europäischen Staaten müssten sich »angesichts der bolschewistischen Gefahr«529 zu einer Gemeinschaft zusammenschließen. Dieser Verbund sei über die Gegenwart hinaus von Bedeutung, »um die Abwehrfront«530 gegen die Sowjetunion zu stärken. Das Geschichtsbuch »Geschichte der neuesten Zeit« formuliert es als »Verteidigung Europas«531 gegen die sowjetische Bedrohung. Während sich in den 1950er-Jahren nur zwei Autorentexte dieses Narrativs bedienen, sind es in den 1960er-Jahren bereits sechs. Der Zusammenschluss der demokratischen Staaten, als dessen Grundlage der Atlantik-Pakt unter Federführung der USA erzählt wird, diene zur Abwehr des sowjetischen Einflusses. Diese Opposition zur Sowjetunion ist dem Autorentext zufolge von großer Bedeutung, denn »Europa wird nur leben können und eine Zukunft haben, wenn die Staaten des Abendlandes nicht mehr gegeneinanderstehen, sondern miteinander gehen«532. Damit wird das gegenwärtige Ziel der Vereinigung der europäischen Staaten zu einer sicheren Entwicklung in der Zukunft, um sich notwendigerweise politisch als Gemeinschaft gegenüber der Sowjetunion zu positionieren und weitere ideologische Einflüsse des Kommunismus zu verhindern. Diese kommunistische Bedrohung expliziert sich im Darstellungstext in »Die Reise in die Vergangenheit« auch sprachlich: »Gegenwärtige Diktaturen, der Bolschewismus Chruschtschows und Maos, bedrohen uns«533, woraus die »Notwendigkeit gemeinsamen, übernationalen Planens und Han527 Ebd. 528 »Geschichte 9«, 1994, S. 123. 529 »Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart«, 1955, S. 185. 530 Ebd., S. 185. 531 »Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950«, 1955, S. 193. 532 »Der Mensch im Wandel der Zeiten. Geschichtsbuch für die deutsche Schule«, 1961, S. 307. Die Abwehr der Sowjetunion als Zweck und Zukunftsziel der europäischen Staatengemeinschaft wird auch im Autorentext in »Neueste Zeit von 1918 bis heute« (1956) erzählt. 533 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1962, S. 307.

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delns« in »großräumigen Zusammenschlüssen«534 abgeleitet wird. Die konkrete Benennung der drohenden Gefahr unterstreicht die Dringlichkeit der Abwehr der Bedrohung. Ein Beispiel aus der Gegenwart der Erzählgemeinschaft soll dem Szenario der sowjetischen Bedrohung Plausibilität verleihen: So habe durch den »wirtschaftlichen Konkurrenzkampf […] nur der Hauptgegner eines vereinten Europas, die Sowjetunion, Nutzen.«535 Die Verbindung der Themen ›Europa‹ und ›Kalter Krieg‹ macht die Zukunft zu einem Zeitraum, der von der Bedrohung durch die Sowjetunion geprägt sei und die es daher fortwährend abzuwehren gelte. Ein vereintes politisches Europa bedeute ein Zurückdrängen der Sowjetunion und die Verteidigung demokratischer (also auch amerikanischer) Werte, sodass Europa in Demokratie und Frieden fortbestehen könne. Vor dem Hintergrund negativer Erfahrungen der Vergangenheit wird eine bessere Zukunft entworfen, deren Eintreten die Autorentexte unterschiedliche Grade an Wahrscheinlichkeit zuschreiben. Nur ein Autorentext der insgesamt 33 beschreibt noch in den 1970er-Jahren, dass der Einigungsprozess durch zahlreiche Faktoren bedroht werde, zu denen er auch den Bolschewismus zähle.536 In den 1980er- und 90er-Jahren wird das Narrativ nicht mehr verwendet.

2.4.6 Die souveräne Bundesrepublik und die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten Mit der Zukunftsnarration einer europäischen Staatengemeinschaft verbinden drei Autorentexte aus den 1950er-Jahren auch die politische Selbstständigkeit und die Wiedererlangung der außenpolitischen Souveränität der Bundesrepublik. An dieser Verbindung der Narrative zeigt sich, auf welche Weise die gegenwärtigen politischen Bemühungen narrativ zu einer wünschenswerten Entwicklung in der Zukunft werden. So schreibt ein Autorentext aus dem Jahr 1952 es den Bemühungen Konrad Adenauers zu, sich »trotz größter Schwierigkeiten«537 für die Eingliederung der Bundesrepublik in die westeuropäische Staatengemeinschaft eingesetzt zu haben, womit die Entwicklung zunächst sehr allgemein und deutungsoffen beschrieben wird. Konkreter formulieren es Autorentexte nach 1955 und skizzieren eine explizite sowie mit einem Urteil versehene Zukunftsperspektive. Politisch könne die Bundesrepublik nach Unter534 Ebd. Eine Bedrohung Europas durch den Kommunismus beschreibt der Autorentext in »Wir erleben die Geschichte«. So sei Europas Zusammenschluss »ein Schritt auf dem Weg zum Frieden und zur Freiheit« (1968, S. 242), der jedoch vom Kommunismus bedroht werde. 535 Ebd. 536 Vgl. »Zeiten und Menschen. Die neueste Zeit (Das 20. Jahrhundert)«, 1971, S. 188. 537 »Geschichte der neuesten Zeit von 1852 bis 1952«, 1952, S. 181.

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zeichnung der Pariser Verträge »fortan ihr Schicksal selbst bestimmen«538. Sie sei »als souveräner Staat und gleichberechtigte Macht […] aufgenommen und hat damit ein Recht auf eine eigene Wehrmacht erhalten«539, wie der Autorentext in »Europa und die Welt 1815–1956« aus dem Jahr 1957 formuliert. Die politische wie militärische Stärke ist damit nicht auf die Gegenwart begrenzt; der Text suggeriert auch eine zukünftige positive Entwicklung des Landes. Zwei Autorentexte der 60er-Jahre verknüpfen die Themen ›Europa‹ und ›Wiedervereinigung‹, um zwei unterschiedliche Zukunftstiefen anzusprechen. Näher an der Gegenwart lag das Ziel eines vereinten Europas, das »einer späteren politischen Einheit«540 Deutschlands den Weg bahnen könne, so der Darstellungstext in »Neueste Zeit 1918 bis heute«. Der Autorentext in »Die Neueste Zeit. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart« benennt als Zukunftsziel die Wiedereingliederung des deutschen Staates in die europäische Staatengemeinschaft und formuliert dementsprechend einen Schlusssatz: Es sprächen »hoffnungsvolle Anzeichen« dafür, dass nach den »furchtbaren Erfahrungen der letzten Jahrzehnte […] Europa aus seiner lebensgefährlichen Krise durch gemeinsame Bemühung einen Ausweg finden wird.«541 Von 48 Darstellungstexten verwenden in den 80er-Jahren zwei dieses Narrativ. Ein Geschichtsbuch beschreibt eine offene zukünftige Entwicklung: »Wir wissen nicht, ob die Teilung des Kontinents überwunden werden kann«542, so der Autorentext in »erinnern und urteilen IV«. Unklar und offen bleibe in Bezug auf die zukünftige Entwicklung, »ob der erreichte Grad der Einigung in Westeuropa bewahrt und ausgebaut werden kann; es bedarf dazu der Einsicht in die Notwendigkeit und den Nutzen europäischer Einigung.«543 Nach diesen Beschreibungen auf der Kapitelauftaktdoppelseite, die den »Rahmen für unsere Unterrichtseinheit«544 darstellt, werden in dem folgenden Kapitel aus den Erfahrungen der Vergangenheit und der Gegenwart Prognosen für die Zukunft abgeleitet: »So blieben Beschlüsse der Regierungschefs, in absehbarer Zeit eine Wirtschafts- und Währungsunion, und schließlich auch die politische Union zu verwirklichen ohne Folgen.«545 Der andere Darstellungstext in »Wurzeln in unserer Gegenwart« aus dem Jahr 1988 verknüpft den Abschluss des Kapitels zur deutsch-deutschen Geschichte mit einem Ausblick. So solle man »die Hoffnungen nicht aufgeben auf eine Wie-

538 539 540 541 542 543 544 545

»Geschichte unseres Volkes IV. Teil«, 1957, S. 128. »Europa weitet sich zur Welt 1815–1956«, 1957, S. 188. »Neueste Zeit von 1917 bis heute«, 1960, S. 64. Ebd. »erinnern und urteilen 10«, 1984, S. 199. Ebd. Ebd. Ebd., S. 205.

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dervereinigung in Frieden und Freiheit in einem vereinten Europa.«546 Mit dieser Darstellung werden sowohl die deutschen wie die europäischen Einigungsbemühungen miteinander verbunden und zu einem entfernten Zukunftsziel.

2.5

Das Thema ›Kriegsfolgen in Deutschland‹

In den Autorentexten der 1950er-Jahre beschäftigt sich rund die Hälfte der Geschichtsbücher, 16 von 38, mit der Darstellung der gesellschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs und entwirft vor dem Hintergrund dieser Erfahrung eine bessere Zukunft. Erzählerisch gestalten die Schulbücher dies auf drei unterschiedliche Weisen. Zwischen den im Folgenden dargestellten Narrativen besteht jedoch insofern eine Verbindung, als dass die Wiedervereinigung als Zukunftsziel aller Entwicklungen dargestellt wird. In den 1960er-Jahren reduziert sich die Zahl der Bücher, die zur Erzählung der Zukunft auf das Thema zurückgreifen auf zwei, in den 1970er-Jahren ist es nur noch ein Autorentext und seit den 1980er-Jahren verschwindet es gänzlich aus den Zukunftsnarrationen. 2.5.1 Die ›tapferen Deutschen‹ Die Kapitel der Geschichtsbücher, in denen die Situation in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beschrieben wird, bedienen sich diverser sprachlicher Mittel, um die Dimensionen des erfahrenen Leids deutlich zu machen: Neben wertenden Verben und Substantiven wird auch durch den Wechsel der Fokalisierung eine Erzählgemeinschaft geschaffen, um das Ausmaß zu beschreiben und die Rolle der leidenden Zivilbevölkerung zu festigen. Narrativ schaffen die Autorentexte damit eine Opferrolle, von der ausgehend eine Zukunft entworfen wurde. Es handelt sich dabei um eine Selbstbezeichnung, die in allen drei Jahrzehnten die Teilhabe und die Verantwortung für das Entstehen der nationalsozialistischen Diktatur sowie die Kriegsverbrechen ausklammert und in Selbstreferenz das eigene Schicksal aus einer deutschen Perspektive betrachtet. Eine Formulierung macht dabei deutlich, dass dieser passive Status als Opfer bereits im Nationalsozialismus begonnen habe: So haben »heimgekehrte Emigranten […] von den Verhältnissen und Schwierigkeiten unter der nationalsozialistischen Herrschaft keine Ahnung«547. Nur ein Darstellungstext bricht mit dieser narrativen Verdrängungsstrategie und fordert, die Bevölkerung müsse »Verantwortung für das Unheil auf sich […] nehmen, das die na546 »Wurzeln unserer Gegenwart. Geschichte für die Hauptschule in Bayern«, 1988, S. 58. 547 »Grundzüge der Geschichte. Vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart«, 1953, S. 144.

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tionalsozialistische Führung über die Welt gebracht hatte«548. Mit diesem Narrativ leiten die Texte aus der Vergangenheit eine bessere Zukunft ab, die für die deutsche Bevölkerung aufgrund ihrer Tapferkeit eine gesetzmäßige Entwicklung sei. In Bezug auf die Tapferkeit lassen sich zwei unterschiedliche Handlungsmodi unterscheiden, auf die das Narrativ hinwies. Während die Mehrzahl der Darstellungstexte der 1950er-Jahre das passive Erleiden als Aufgabe beschreibt, formuliert ein Autorentext der 1960er-Jahre die Möglichkeit, durch eigenes Handeln die Passivität zu beenden. Der Darstellungstext in »Weltstaatensystem und Massendemokratie« von 1951 schreibt der deutschen Bevölkerung eine passive Rolle zu. Der Weltkrieg wird hier als »Katastrophe«549 bewertet, durch die Millionen Deutsche »Heim und Habe verloren haben«550 und dann auch noch »auf Gnade und Ungnade den Siegern ausgeliefert«551 waren. Nur den »Ostflüchtlingen«552 sei es noch schlimmer ergangen, so der Autorentext weiter. Auch quantitativ wird die Darstellung der Kriegsfolgen für die deutsche Bevölkerung ausführlicher gestaltet als die Schilderung der internationalen Situation. Zu dem Narrativ zählen auch die Zahlen der »Vertriebenen und Verschwundenen«553 sowie die Entnazifizierungsverfahren in den Besatzungszonen. Deren Durchführung sei »besonders unglücklich«554 und schematisch gewesen. Die Übertragung auf deutsche Laiengerichte habe dazu geführt, dass diese versucht hätten, »oft das Beste herauszuholen […], zuweilen aber auch die unklaren Bestimmungen in gehässiger Weise mißbrauchten oder sich gar bestechen ließen«555. Der Autorentext in »Grundzüge der Geschichte« stimmt dieser Beurteilung des Entnazifizierungsverfahrens zu und versetzt die Deutschen narrativ in die Opferrolle.556 Die abwertende Beschreibung der alliierten Politik trägt dazu bei, das Narrativ der ›Tapferkeit‹ hervorzuheben und zu verstärken. Als besonders tapfer wird zudem das Verhalten der Berliner Bürger während der Luftbrücke herausgestellt: Jene hätten »durch ihr tapferes Aushalten und das Ertragen großer Entbehrungen«557 bedeutenden Anteil »an der Abwehr

548 »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 319. 549 »Die moderne Welt Band 4, Zweiter Halbband: Weltstaatensystem und Massendemokratie«, 1951, S. 172. 550 Ebd. 551 »Grundzüge der Geschichte. Vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart«, 1953, S. 144. 552 Ebd. 553 »Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart«, 1955, S. 183. 554 Ebd. 555 Ebd. 556 Vgl. »Grundzüge der Geschichte. Vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart«, 1953, S. 150. 557 »Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart«, 1955, S. 184.

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des russischen Versuchs«558. Die Interpretation der historischen Ereignisse der Berliner Luftbrücke 1948/1949 bestimmt an dieser Stelle das beschriebene Narrativ. Politische Bemühungen der amerikanischen Alliierten werden nicht erwähnt und stattdessen der Bevölkerung eine wichtige Rolle zugeschrieben. Es schimmert das Narrativ ›Abwehr der bolschewistischen Bedrohung‹ durch, wodurch die Leistung der Berliner Bevölkerung zusätzlich hervorgehoben wird. Dieser Erzähllogik zufolge hat die Bevölkerung nicht nur unter dem Nationalsozialismus und dem Krieg, sondern auch unter der Verwaltung der Alliierten gelitten. Die Zukunft muss sich vor dieser negativen Vergangenheitsfolie beinahe notwendigerweise zum Besseren entwickeln. Hinter dieser Erzählstruktur steht das Ideal einer utopischen Zukunft. Aus der gegenwärtigen Perspektive bleibt diese Zeitebene jedoch noch in unerreichbarer Zukunft, da zunächst die alliierte Nachkriegspolitik durch andauerndes Ertragen bewältigt werden müsse. Mit dem Narrativ wird die Passivität erklärt, da zum Ausharren und Ertragen Tapferkeit nötig sei. Wie die Auswirkungen des Krieges werde die deutsche Bevölkerung auch die Nachkriegszeit hinnehmen, um sich nach dem Ende der alliierten Kontrolle in politischer Selbstständigkeit dem Zukunftsziel anzunähern. Das Narrativ wird von den Autorentexten auch verwendet, um eine Verbindung zum Thema ›Kalter Krieg‹ herzustellen: Seit 1947 leide das Land als dessen Schauplatz unter den Auswirkungen des Kalten Krieges und bekomme daher keinen Friedensvertrag, so der Autorentext in »Grundzüge der Geschichte«559. Ein Ende dieser »Zerrissenheit«560 des Landes sei nicht in Sicht – der Opferstatus wird an dieser Stelle also narrativ auf Dauer gestellt. Jene Dauerhaftigkeit dieses Zustands zeigt sich sprachlich auch durch den Wechsel der Fokalisierung der Erzählposition. Der Autorentext in »Geschichte unseres Volkes« unterscheidet sich dabei deutlich von den übrigen. Mit der Formulierung »aber auch seines geistigen Eigentums wurde unser Volk beraubt«561 beendet der Autorentext die wertneutrale Position der Geschichtsdarstellung aus der auktorialen und heterodiegetischen Erzählperspektive. Er konstruiert sprachlich eine Erzählgemeinschaft mit veränderter Fokalisierung, um sich als Opfer der Alliierten und damit als Teil der Schulbucherzählung zur jüngsten Vergangenheit zu verstehen. Das Kapitel schließt mit der Feststellung des personalen homodiegetischen Erzählers: »Nur langsam setzten sich beim Wiederaufbau unseres Vaterlandes echte Leistung und Charakterfestigkeit durch.«562 Auch dieser Satz zeigt den Wechsel der Erzählerposition und suggeriert die Schicksalhaftigkeit der deut558 Ebd. 559 Vgl. »Grundzüge der Geschichte. Vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart«, 1953, S. 155. 560 Ebd. Das zerrisse Land beschreibt auch »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 318. 561 »Geschichte unseres Volkes IV. Teil«, 1957, S. 116. 562 Ebd., S. 117.

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schen Vergangenheit. Die gemeinsame Leidenserfahrung dehnt der Autorentext damit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum lesenden Schüler Ende der 1950er-Jahre aus. Welche Zukunftsvorstellung wird mit dem Narrativ verknüpft? Zwei positive Perspektiven erscheinen möglich: Zum einen könne vor dem Hintergrund der erlittenen Not und des ertragenen Leids die Zukunft nur besser werden. Diese Erzählform nähert sich dem Plot einer Katastrophe an und funktioniert vor der Negativbeschreibung der Vergangenheit und Gegenwart. Zum anderen könne sich das Leiden der Gegenwart kontinuirlich in die Zukunft fortsetzen – dies suggeriert vor allem das o.g. Beispiel. Die Hintergrundfolie dieser Zukunftsnarration ist allerdings auch das zuerst geschilderte Zukunftskonzept, dass man in einer näheren Zukunft weiterhin das Leid ertragen werde, um dann in der weiter entfernten Zukunft ein besseres Leben führen zu können. Letztere Perspektive beschreibt der Autorentext in »Demokratie im Werden«, denn die »Standhaftigkeit«563 habe »das Ansehen Deutschlands in der Welt«564 gestärkt. Die Beschreibung der Charaktereigenschaft des deutschen Volkes ist in dem Darstellungstext der Ausgang für einen positiven prospektiven Blick auf die Zukunft, in der die Bundesrepublik durch Wiedererlangen der Souveränität »fortan ihr Schicksal selbst bestimmen«565 könne. Zwei der 36 Darstellungstexte der 1960er-Jahre verbinden die Zukunftsperspektive mit diesem Narrativ. Die von Not und Elend geprägte Nachkriegszeit ist der Ausgangspunkt der Autorentexte, von dem aus sie eine Gegenwart beschreiben, in der »bei weitem nicht alle Wunden des letzten Krieges vernarbt, längst nicht alle Ruinen durch Neubauten beseitigt, nicht einmal alle Rückkehrwilligen heimgekehrt«566 seien. Es brauche für »unser verarmtes Land«567 noch viele Jahre, harte Arbeit sowie »viel Geduld, Zähigkeit und taktisches Geschick«568, um zerstörte Städte wiederaufzubauen und um Arbeitsplätze und Wohnungen (insbesondere für die große Zahl von Vertriebenen) zu schaffen. Beide Autorentexte beschreiben die Zukunft als Zeitraum, in dem sich alles zum Besseren entwickeln werde, als kontinuierliche und logische Folge der Leidenserfahrungen der Vergangenheit und der Bewältigungsleistungen der ›tapferen Deutschen‹.

563 »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 318. 564 Ebd. 565 Ebd., S. 128. 566 »Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 249. 567 Jaitner, Willy : Unsere Geschichte Teil 2. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart. Düsseldorf 1966, S. 155. 568 »Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 249.

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2.5.2 Die Wiedervereinigung als Höhepunkt Die Bewältigung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Krieges aus eigener Kraft beschreibt eine Erfolgs- und Fortschrittsgeschichte, an deren Ende die Wiedervereinigung als Höhepunkt steht. Diesem Erzählschema folgen in den 1950er-Jahren zwei Autorentexte: Der Darstellungstext in »Geschichte unseres Volkes«, der sich ausführlich auch den alltäglichen Folgen des Krieges und den Belastungen widmet sowie in »Geschichte der neuesten Zeit von 1852 bis 1952«, der zu Beginn des Textes die Belastungen durch den verlorenen Krieg erwähnt. Eine positive Perspektive wird durch die Erwähnung der politischen Erfolge der Gegenwart eingenommen, die »trotz größter Schwierigkeiten«569 erreicht worden seien. Der Endpunkt dieser Entwicklung in eine bessere Zukunft (in Relation zu Gegenwart und Vergangenheit) sei die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten.570 Zwei Darstellungstexte der 1960er-Jahre greifen die Wiedervereinigung als Zukunftsziel auf, das den Endpunkt der positiven Entwicklung aus der leidvollen Nachkriegszeit markiert. Es sei »die schönste und wichtigste Aufgabe jedes Deutschen, vor allem aber der deutschen Jugend«571, sich um die Wiedervereinigung zu bemühen und damit »diese Sehnsucht nach einem gemeinsamen Vaterland für alle Deutschen zu verwirklichen«572. Die große Bedeutung, die diesem Zukunftsziel zugeschrieben wird, zeigt sich in den Autorentexten zum einen inhaltlich daran, die Wiedervereinigung aufgrund der Bemühungen jedes einzelnen Bürgers sowie der zukünftigen Bürger-Generation zu erreichen. Aus einer möglichen zukünftigen Entwicklung wird eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Zum anderen wird auch auf der sprachlichen Ebene durch den Wechsel in die homodiegetische Erzählperspektive deutlich, dass es sich um eine gemeinschaftliche Aufgabe handelt. Der Autorentext in »Europa und die Welt« formuliert es als Ziel für »alle Deutschen«, womit sprachlich explizit eine Gemeinschaft konstruiert wird. Der Wechsel der Fokalisierung im Darstellungstext in »Unsere Geschichte Teil 2. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart« und die Konstruktion einer Erzählgemeinschaft verstärken den Appellcharakter. Damit verknüpft dieser Autorentext die beiden Narrative ›Wiedervereinigung als Höhepunkt‹ und ›Zukunftsgestaltung als Aufgabe‹, indem er die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten als Endpunkt einer Entwicklung beschreibt, der durch eigenes Handeln erreicht werden könnte. Ein einziger Autorentext bedient sich in den 1970er-Jahren noch der Verbindung der beiden Themen, um in »Geschichte unserer Zeit« die Hoffnung auf 569 570 571 572

»Geschichte der neuesten Zeit von 1852 bis 1952«, 1952, S. 181. Vgl. »Europa und die Welt 1815–1956«, 1957, S. 200. »Unsere Geschichte Teil 2. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart«, 1966, S. 156. »Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 249.

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eine baldige Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten historisch herzuleiten. »Aus mühsamen Anfängen«573 habe sich die Bundesrepublik »rasch zu einer geachteten Stellung und zu wirtschaftlicher Blüte emporgearbeitet.«574 Die »dringendste Sorge«575, die sich auf die Zukunft bezieht, bleibe »die Einigung Europas in Frieden und Freiheit«576. Vor dem Hintergrund des Narrativs ›Kriegsfolgen‹ entwickelt der Autorentext ein Zukunftsszenario, das sowohl die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wie auch eine Staatengemeinschaft der europäischen Völker einschließt und den Endpunkt einer Erfolgsgeschichte markiert. Mit der Formulierung, dass die Bundesrepublik sich emporgearbeitet habe, suggeriert der Autorentext, dass auch das positive Zukunftsziel Wiedervereinigung durch Anstrengungen und Bemühungen befördert werden könne. Dies beinhaltet einen impliziten Appell an die Schülerinnen und Schüler, sich für dieses Ziel und die Gestaltung der Zukunft einzusetzen.

2.5.3 Zukunftsgestaltung als Aufgabe Zwei von 38 Darstellungstexten der 1950er-Jahre beschreiben vor dem Hintergrund der Kriegserfahrung zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten, die bis hin zu konkreten Aufgaben für die Politiker und die Bevölkerung reichen. Eine Herausforderung sei, so der Autorentext in »Europa weitet sich zur Welt – Europa in der Krise«, die Vertriebenen aus dem Osten in das »besiegte und verwüstete Restdeutschland«577 zu integrieren. Der Autorentext in »Demokratie im Werden« von 1950 entwirft die Zukunft als gestaltbaren Raum. Es wird ausgeführt, dass »die Bedingungen der Sieger nicht leicht sein würden, nicht sein konnten«578. Dennoch sei die Bevölkerung bereit, »Verantwortung für das Unheil auf sich zu nehmen, das die nationalsozialistische Führung über die Welt gebracht hatte«579. Das Narrativ wird in diesem Autorentext im Zusammenhang mit Verantwortung und Anerkennung der Verantwortung verwendet und nicht, wie in den übrigen Büchern, zur Betonung des Elends und der Opferrolle angeführt. Der zeitliche Horizont liegt dabei nicht nur in der Vergangenheit, sondern reicht in Gegenwart und Zukunft hinein, denn die Deutschen wollten »Wiedergutmachung im Rahmen des Möglichen und unter Aufbietung aller Kräfte leis573 574 575 576 577 578

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. »Europa weitet sich zur Welt, Europa in der Krise«, 1952, S. 134. »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 318. 579 Ebd., S. 319.

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ten«580. Damit wird mit dem Narrativ ›Kriegsfolgen‹ eine hoffnungsvolle und positive Zukunftsperspektive entworfen, die die Not der Bevölkerung nicht ausklammert, sondern in Verbindung mit der Verantwortung bringt, die auch das Volk zu tragen hat. Diese aktive und gestaltende Rolle unterscheidet sich deutlich von der passiven Position, in der es galt, das durch Außenstehende zugefügte Leid zu ertragen und keine Gestaltungsräume zu haben. Dieser Zukunftskonzeption als gestaltbarer Raum entspricht auch die Darstellung der Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens. Der Autorentext erläutert die politische Struktur, die die Alliierten für Deutschland beschlossen hatten und nennt als Ziel: »Die deutsche Bevölkerung sollte wieder darangehen, aus eigener Verantwortung ihre Angelegenheiten zu regeln […]«581. Neben dem positiv bewerteten, eigenständigen Handeln der Bevölkerung zeichnet der Autorentext jedoch auch das Bild derjenigen, die der nationalsozialistischen Regierung anhingen und beurteilt diesen Teil. So öffneten die Verhandlungen der Prozesse in Nürnberg »manchem unentwegten Anhänger des Dritten Reiches endlich die Augen über die Menschen, deren Führung er sich und sein Vaterland anvertraut hatte«582. Neben der moralischen Verurteilung der Anhänger der nationalsozialistischen Regierung macht der Autorentext deutlich, dass das Nachtrauern und ein passives Verharren in der Opferrolle keine gegenwarts- und zukunftsfähige Perspektive sei, sondern rückt die Gestaltbarkeit der Zukunft als Aufgabe in den Mittelpunkt.

2.6

Das Thema ›Wiedervereinigung‹

Angesichts der thematischen Ähnlichkeit zum Narrativ ›Wiedervereinigung als Höhepunkt‹ in Kapitel 2.5.2 mag es fraglich erscheinen, dem Thema ein eigenes Kapitel zu widmen, doch zeigen sich in der Analyse weitreichende inhaltliche, narratologische und zeitstrukturierende Unterschiede. Das o.g. Narrativ interpretiert die Wiedervereinigung als Höhepunkt überwundener Kriegsfolgen und schreibt damit eine Erfolgsgeschichte angesichts der Leidenserfahrungen der deutschen Bevölkerung. In diesem Kapitel wird von der Wiedervereinigung als sicher eintretendem Ereignis ausgegangen, dessen Zeitpunkt allerdings noch unklar ist. Sie ist demnach nicht der End-, sondern der Ausgangspunkt für Zukunftsnarrationen. Anders als in Kapitel 2.5.2 reichen die temporalen Verknüpfungen nicht nur bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurück und der politische Rahmen beschränkt sich nicht nur auf die deutsche Politik. Zeitlich 580 Ebd. 581 Ebd. 582 Ebd., S. 323.

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werden Verbindungen in die weiter zurückliegende Vergangenheit hergestellt und die Zukunft der deutschen Staaten in den internationalen wie den europäischen politischen Kontext eingeordnet. Das erste Narrativ in diesem Kapitel stellt retrospektive Bezüge her, indem auf die Vergangenheit in einer kausalen Argumentationsstruktur verwiesen wird. Das Narrativ ›Wiedervereinigung als Höhepunkt‹ setzt jene prospektiv als Endpunkt und richtet die Erzählung von der Vergangenheit in die Zukunft. Auch die unkritisch positive Bewertung des Zukunftsziels, die in der narrativen Struktur einer Erfolgsgeschichte erzähllogisch nicht anders möglich ist, wird in diesem Kapitel nicht geteilt. Drei Formen der narrativen Gestaltung werden in der Analyse der Autorentexte deutlich: Erstens sei die Wiedervereinigung nur eine logische Konsequenz aus der gemeinsamen Vergangenheit der beiden deutschen Staaten und müsse aus diesem Grund befürwortet werden. Zweitens sei sie von der Entwicklung des Kalten Krieges abhängig und könne sich nicht davon isolieren. Drittens wird es als gesamteuropäische Aufgabe verstanden, die Wiedervereinigung zu befördern. Bereits die knappe Zusammenfassung der inhaltlichen Gestaltung der deutsch-deutschen Beziehungen grenzt diese Arbeit durch ihre Ergebnisse deutlich von einer quantitativen Schulbuchanalyse ab, die sich mit der Darstellung des Verhältnisses der beiden Staaten in ihren Schulbüchern beschäftigte. Die Untersuchung stellte 1983 fest, dass die untersuchten Geschichtsbücher keinen »produktiven Nachvollzug der Entspannungspolitik«583 ermöglichten. Die Autoren der Studie schlossen daraus: »Wer in der Schule zu einem friedlichen, gut-nachbarschaftlichen Verhältnis zwischen BRD und DDR erziehen will, bleibt von der übergroßen Anzahl der Schulbücher […] allein gelassen.«584 Die Analyse der Zukunftsnarrationen wird im Folgenden zeigen, dass sich sehr wohl Anhaltspunkte eines friedlichen Nebeneinanders der beiden deutschen Staaten zeigen, dessen Höhepunkt die Wiedervereinigung darstellte. Wie die Themen ›Europa‹ und ›Kalter Krieg‹ zeigt sich auch das Thema ›Wiedervereinigung‹ in Zukunftsnarrationen aller untersuchten Jahrzehnte – und selbst nach 1990 wurde mit dem Narrativ noch eine Zukunftsperspektive beschrieben. In den 1950er-Jahren beschäftigen sich 21 von 38 Autorentexten mit dem Thema, in den 60er-Jahren erhöht sich die Zahl auf 22 von 37 Darstellungstexte, bevor sie sich in den 1970er-Jahren reduziert und nur noch ein 583 Aubel, Siegfried u. a.: DDR im Schulbuch. Eine Analyse der neuen Schulbuchgeneration. Köln 1983, S. 143. 584 Ebd. Dieser diametrale Unterschied lässt sich durch die unterschiedliche Methodenwahl und das kleinere Quellenkorpus der o.g. Untersuchung erklären. Aubel, Dörre et. al. bedienten sich der Raum- und der Frequenzanalyse, die beide über Bewertungen nur begrenzt Aufschluss geben können, wenn nicht ein Abschnitt inhaltlich interpretiert, sondern nur nach bestimmten Begriffen abgesucht wird.

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Drittel der Bücher (12 von 34) die Zukunft mit der Wiedervereinigung in Verbindung bringt. Die Zahl sinkt in den 1980er-Jahren weiter auf 15 von 48 Geschichtsbüchern und steigt in den 1990er-Jahren wieder auf 23 von 65 Autorentexten, die sich dann mit der Zukunft nach der Wiedervereinigung beschäftigen. Rund ein Drittel der Geschichtsbücher (23 von 65) beschäftigt sich auch nach 1990 noch mit dem Thema ›Wiedervereinigung‹. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Appellen an die Schüler, sich auch weiterhin mit den Auswirkungen der Wiedervereinigung zu beschäftigen: »Ihr werdet die weiteren Geschehnisse in Deutschland mit Spannung verfolgen.«585 Der Darstellungstext in »Anno 4« formuliert offene Fragen, mittels derer jedoch indirekt ebenfalls Entwicklungsperspektiven benannt werden. Gefragt wird danach, was »das Zusammenwachsen des so lange geteilten Deutschland […] fördern«586 könne und »welche Empfindlichkeiten und Vorurteile, die aus der Teilung und Vereinigung hervorgegangen sind«587, abgebaut werden müssten. Anhand dieser Fragen wird deutlich, dass der Autorentext das gesellschaftliche und soziale Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten als Aufgabe für die Zukunft versteht. Außerdem umfasst er gegenwärtige Hindernisse in Form von »Empfindlichkeiten und Vorurteilen«588, die in Zukunft abgebaut werden müssten. Somit wird auch durch die Formulierung von scheinbar offenen Fragen eine Aussage über die Gestaltung der Zukunft getroffen. Die Benennung von Aufgaben richtet sich explizit an die Schülerinnen und Schüler, wie der Autorentext in »Geschichte heute 3« darstellt. Bemühungen um eine soziale und gesellschaftliche Einheit seien eine »wichtige Aufgabe für die jetzige Schülergeneration«589. Der Autorentext in »Wege durch die Geschichte« reflektiert den Zeitrahmen, der notwendig sei, um angesichts der »ungeheuren Aufgaben das Ziel der einheitlichen Lebensverhältnisse in den alten und neuen Ländern«590 zu erreichen: Es bleibe eine offene Frage, ob es bis zum Jahr 2000 gelingen könne.

585 Ebd. Auch »Geschichte heute 3« (1995, S. 105) schreibt die Gestaltung der Zukunft explizit der Schülergeneration zu. 586 »Anno 4. Das 20. Jahrhundert«, 1997, S. 275. 587 Ebd. 588 Ebd. 589 Ebd. Auch der Autorentext in »Geschichtsbuch 4« (1993, S. 257, und genauso in der Auflage von 1996, S. 248) richtet den Fokus auf die »jungen Menschen im vereinten Deutschland« (S. 248), denen Verantwortung obliege und gleichzeitig auch Wege zur Bewältigung ihrer Perspektivlosigkeit aufgezeigt werden müssten, um sich nicht in »rassistischen Überfällen und gesteigertem Nationalismus« (Ebd.) abzureagieren. 590 »Wege durch die Geschichte 5«, 1992, S. 141.

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2.6.1 Gemeinsame Vergangenheit, gemeinsame Kultur, gemeinsame Zukunft 12 Autorentexte der 38 Geschichtsbücher der 1950er-Jahre bezeichnen die Wiedervereinigung als Konsequenz aus der gemeinsamen Vergangenheit der beiden deutschen Staaten. Dies geschieht auf der sprachlichen Ebene einerseits in Form expliziter Formulierungen, zeigt sich andererseits auch aufgrund der Wahl der sprachlichen Mittel auf der impliziten Ebene. Der singuläre Gebrauch von Substantiven, die bei zwei Staaten eigentlich im Plural zu verwenden wären, markiert die Zusammengehörigkeit. So endet der Autorentext in »Mit eigener Kraft« von 1954 mit der Beschreibung der Hoffnung auf »die Einheit des Vaterlandes«591. Ebenfalls im Singular beschreibt die Ausgabe des Schulbuches von 1959, dass das deutsche Volk »voller Sorge […] auf die Kluft zwischen Ost und West«592 schaue, die »mitten durch das deutsche Land und Volk«593 verlaufe. Dass das Land wiedervereinigt werde, stellt der Autorentext nicht in Frage. Auch die Frage nach dem Zeitpunkt der Wiedervereinigung wird vage beantwortet: »Alle Deutschen hoffen: bald.«594 Die Substantive »Land« und »Volk« werden dabei im Singular benutzt. Dass der Text in einem vorherigen Abschnitt die Formulierung »die beiden Deutschland [sic!]«595 verwendet, macht die Sensibilität für das Thema deutlich. Über die sprachliche Ebene hinaus zeigt sich die Sicherheit in Bezug auf die Wiedervereinigung auch in den Formen der Überarbeitung des Textes: 1954 wird noch offen gelassen, ob die beiden deutschen Staaten jemals wiedervereinigt werden. 1959 hingegen fragt der Darstellungstext, »wann […] die beiden Deutschland [sic!] wieder zusammenfinden«596. Nicht das Ereignis der Wiedervereinigung stellt für die Autorentexte eine Ungewissheit der Zukunft dar, sondern lediglich der Zeitpunkt ihres Eintretens.597 Sprachlich expliziert wird die Wiedervereinigung als »Wunsch des ganzen deutschen Volkes«598, als die »Frucht der persönlichen Freiheit«599, aber auch die »brennendste Aufgabe unserer Tage«600. 591 592 593 594 595 596 597

598 599 600

»Mit eigener Kraft. Geschichte 4«, 1959, S. 54. Ebd. Ebd. Ebd. Die Verwendung der Singular-Form zeigte sich auch in »Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart« (1958, S. 270). »Mit eigener Kraft. Geschichte 4«, 1954, S. 54. Ebd. Ähnliche Formulierungen, die die Wiedervereinigung als sichere zukünftige Entwicklung beschreiben, nur noch den Zeitpunkt des Eintritts nicht benennen können, auch in »Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart«, 1957, S. 239 und S. 245 und in »Geschichte Band 4: Von 1789 bis zur Gegenwart. 2. Halbband: Von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart«, 1955, S. 85. »Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart«, 1958, S. 271. Genauso in »Mit eigener Kraft. Geschichte 4« (1954, S. 54). »Geschichtliches Unterrichtswerk für mittlere Schulen. Neueste Zeit 1918 bis heute«, 1956, S. 58. »Einst und jetzt. Geschichtsdarstellung vom Altertum bis zur Gegenwart«, 1959, S. 291

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Der Wechsel der Fokalisierung betont die notwendige Aktivität der Erzählgemeinschaft, um das Zukunftsziel zu erreichen. Der Autorentext in »Um Volksstaat und Völkergemeinschaft« erschien 1958 in achter Auflage und mit verändertem Schlussteil, der vor allem auf sprachlicher Ebene die Wiedervereinigung als Zukunftsziel in Aussicht stellt, wenn nur entsprechende gesellschaftliche Bemühungen erfolgten. Ein separater Abschnitt mit der Überschrift »Die Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit«601 widmet sich den politischen Bemühungen »aller deutschen Politik«602. Wenn auch bis zum gegenwärtigen Stand »alle Bemühungen erfolglos«603 blieben, so sei es »vor allem die Aufgabe aller Deutschen, in jeder Weise, zu jeder Stunde auf dieses Ziel hinzuarbeiten und sich durch keine Enttäuschungen entmutigen zu lassen«604. Mit diesem Verhalten auf gesellschaftlicher Ebene solle die Politik beeinflusst werden, »damit die Großmächte diesem ganz natürlichen und völlig berechtigten Verlangen endlich stattgeben«605. Zwar erwähnt der Autorentext die Wiedervereinigung nicht explizit, doch ist diese Formulierung einer Aufgabe eindeutig auf das zukünftige Verhalten bezogen. Damit wird im Unterschied zum Autorentext 1955 die Wiedervereinigung nicht nur als politisches Ziel und als Folge von Entscheidungen von Politikern formuliert, sondern allen Staatsbürgern als Aufgabe gestellt. Der gesellschaftliche Einfluss wird betont und eingefordert, um die Wiedervereinigung zu erreichen. Ein weiteres Argument für die Wiedervereinigung ist die Präambel des westdeutschen Grundgesetzes, die als wörtliches Zitat in die Autorentexte aufgenommen wurde.606 Ein Autorentext attestiert der Verfassung der Bundesrepublik aus diesem Grund auch »nur eine vorläufige Geltung. Denn die deutsche Einheit bleibt das letzte Ziel jeder deutschen Politik«607. Auch in den 1960er-Jahren beschreiben Darstellungstexte, dass »der Wille des Volkes in Ost und West […] die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit«608 erstrebt, so der Autorentext in »Von der industriellen Revolution bis heute«. Die deutsche Bevölkerung hoffe, »mit Ausdauer und Zähigkeit und viel Geduld«609 dieses Ziel zu erreichen. In anderen Texten findet sich die Formulierungen, dass

601 »Geschichte der Neuesten Zeit. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart«, 1959, S. 197. 602 Ebd. 603 Ebd. 604 Ebd. 605 Ebd. 606 »Lebendige Vergangenheit 5. Von 1850 bis zur Gegenwart«, 1958, S. 157. 607 »Geschichte Band 4: Von 1789 bis zur Gegenwart. 2. Halbband: Von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart«, 1955, S. 87. 608 »Aus deutscher Vergangenheit. Teil 4: Von der industriellen Revolution bis heute«, 1964, S. 89. 609 Ebd.

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es die »Hoffnung«610, »die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Vaterland«611 oder »der Wunsch des ganzen deutschen Volkes nach einer Wiedervereinigung«612 sei, der sich bisher noch nicht erfüllt habe. Der Autorentext in »Unsere Geschichte Teil 2« benennt die Wiedervereinigung als »schönste und wichtigste Aufgabe jedes Deutschen, vor allem aber der deutschen Jugend.«613 Durch diese präzise Beschreibung wird sowohl die Zukunft inhaltlich gestaltet, als auch die Leser des Geschichtsbuches als zukünftige Akteure mit der Erfüllung der Aufgabe beauftragt. Durch die sprachlichen Mittel und den Wechsel der Erzählperspektive enthält diese Zukunftsnarration eine Aufforderung an die Schülerinnen und Schüler, die Zukunft mitzugestalten und sich für die Wiedervereinigung einzusetzen. Neben zeitgenössischen Hoffnungen auf die Zukunft wird die Wiedervereinigung unter Rückgriff auf gesellschaftlich, emotional oder moralisch begründete Argumente aus der Vergangenheit abgeleitet: So seien »eine gemeinsame Vergangenheit und eine gemeinsame Muttersprache«614 stärker »als die Zerrissenheit der politischen Weltanschauungen«615, so der Darstellungstext in »Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute«. Aus der gemeinsamen deutschen Geschichte leiten die Darstellungstexte die Notwendigkeit ab, sich um die Wiedervereinigung zu bemühen. Die Lebensumstände in der DDR bieten Texten den Anlass, das Zukunftsziel der Wiedervereinigung einzufordern. So sei es »uns, im Gegensatz zum Schicksal unserer Landsleute in Mittel- und Ostdeutschland – vergönnt, unser Leben in Freiheit zu führen«616 und »Schandmauer und Stacheldraht verhindern jeden freien Verkehr«617. Es sei nicht möglich, dass die Westdeutschen »mit ihren Brüdern im östlichen Deutschland«618 zusammenleben könnten, denn die DDR sei ein »großes Gefängnis«619. Um die Bürger in der DDR zu unterstützen, dürften »unsere Verbindungen zu Verwandten und Freunden jenseits des ›Ei610 »Lebendige Vergangenheit 5. Von 1850 bis zur Gegenwart«, 1966, S. 166. 611 »Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 249. 612 »Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart«, 1967, S. 274. In »Damals und heute 4« heißt es: »Auch das deutsche Volk ersehnt nichts inniger als Frieden und Freiheit.« (1965, S. 73). 613 »Unsere Geschichte Teil 2. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart«, 1966, S. 156. Die Formulierung einer »Aufgabe, […] unseren Teil zur Erreichung dieser Ziele beizutragen« findet sich auch in »Zeitgeschichte und wir. Berichte, Dokumente, Bilder zur jüngsten Vergangenheit« (1963, S. 170). 614 »Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute«, 1964, S. 156. 615 Ebd. 616 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1962, S. 261. 617 »Damals und heute 4«, 1965, S. 73. Auch »Neueste Zeit. Vierter Band« skizziert das drückende Schicksal der Deutschen in der Ostzone (1963, S. 199). 618 Ebd. 619 Vgl. »Geschichte für Realschulen Band 3/4. Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart«, 1968, S. 270.

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sernen Vorhangs‹ […] nicht abreißen, gerade weil sie dort in Unfreiheit leben müssen.«620 Die Wiedervereinigung werde »die Lage der mitteldeutschen Bevölkerung erleichtern können«621, so der Autorentext in »Europa und die Welt 1914–1962«. Der Darstellungstext in »Zeitgeschichte und wir« stimmt mit dieser Beurteilung überein und prognostiziert, dass »unsere deutschen Brüder im Osten unter der roten Diktatur weiter leiden.«622 Die Darstellungstexte der 1970er-Jahre beschreiben dagegen das Nebeneinander der beiden deutschen Staaten als Zukunftsperspektive. Es bleibe abzuwarten, so der Autorentext in »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«, ob die beiden deutschen Staaten »im völlig anders gelagerten Umfeld der realen politischen Situation die deutsche Frage offenhalten können.«623 Der Autorentext in »Geschichte unserer Zeit« formuliert es als Aufgabe für das deutsche Volk, »seine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit«624 anzustreben. Explizit werden in diesem Text sowohl das Zukunftsziel wie auch ein Appell an Schülerinnen und Schüler benannt, sich um den Eintritt einer wünschenswerten Zukunft zu bemühen. Im Anhang »Damals – Heute – Morgen« zum Geschichtsbuch »Menschen in ihrer Zeit 5« erinnert der Autorentext sowohl in der Ausgabe von 1970 wie auch 1972 an die Verantwortung der Gesellschaft, die Zukunft mitzugestalten: »Es liegt an uns allen, ob […] auch wir Deutschen in einem wieder vereinigten Land, das nicht mehr durch eine unnatürliche Grenze zertrennt sein wird«625, leben werden. Die Darstellungstexte beziehen die politische Situation des Nebeneinanders der beiden Staaten ein und betonen es als gesellschaftliche Aufgabe, dass das deutsche Volk angesichts der Teilung »eine Nation bleiben«626 solle. Es sollen zudem Maßnahmen ergriffen werden, um im Gegensatz zu der politischen Trennung gesellschaftlich eine »Verbesserung der Kontakte zwischen den Menschen der beiden Staaten«627 zu erzielen. Den Grundlagenvertrag zwischen den beiden deutschen Staaten von 1972 interpretieren die Darstellungstexte als politische Manifestation des Nebeneinanders, da »faktisch die Teilung Deutschlands in zwei Staaten anerkannt«628 worden sei. Für die Zukunft »sollen Maßnahmen eingeleitet werden, um die unnatürliche Trennung unseres Volkes wenigstens zu erleichtern. Weitere Verträge sollen ein 620 »Unser Weg durch die Geschichte. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1961, S. 143. 621 »Europa und die Welt 1914–1962«, 1963, S. 175. 622 »Zeitgeschichte und wir. Berichte, Dokumente, Bilder zur jüngsten Vergangenheit«, 1963, S. 170. 623 »Politik und Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«, 1978, S. 208. 624 »Geschichte unserer Zeit. Berichte, Dokumente, Bilder. 1917 – Gegenwart«, 1972, S. 219. 625 »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1970, S. 284. Der Autorentext wurde dabei wörtlich aus der Ausgabe von 1966 übernommen. 626 »Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute«, 1973, S. 164. 627 »Wir erleben die Geschichte«, 1974, S. 181. 628 »Europa und die Welt. Von 1890 bis zur Gegenwart«, 1979, S. 212.

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geregeltes Nebeneinander ermöglichen.«629 Damit skizziert der Text Aufgaben für die Politik und reduziert gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit einer Wiedervereinigung der Staaten auf ein Minimum. Der gegenwärtige Zustand des Nebeneinanders wird narrativ als dauerhaft in die Zukunft hinein verlängert. Im Unterschied dazu hebt der Autorentext in »Grundzüge der Geschichte« hervor, dass der Grundvertrag »das Verhältnis der beiden deutschen Staaten regeln soll […], ohne daß dadurch auf Selbstbestimmungsrecht und Wiedervereinigung der Deutschen verzichtet wird.«630 Mit dieser Interpretation bleibt die Möglichkeit der Wiedervereinigung für die Zukunft bestehen. In den 1980er-Jahren verändern sich in den 15 Darstellungstexten (von insgesamt 48 Geschichtsbüchern) die Zukunftsnarrationen zur Wiedervereinigung. Sie behandeln nicht mehr die Beschreibung des Nebeneinanders der beiden Staaten, sondern stellen die Angespanntheit der politischen Situation dar, durch die das Szenario der Wiedervereinigung an Plausibilität verlor.631 Positive Entwicklungen der Gegenwart, die sich möglicherweise in die Zukunft fortgesetzt hätten, werden seitens der DDR durch politische »Versuche, den Status Berlins in ihrem Sinne zu verändern«632, getrübt, so der Autorentext in »Geschichte für morgen. Band 4. Zeitgeschichte«. Somit eröffnet der Autorentext keine Zukunftsperspektive, in der eine Wiedervereinigung möglich erschien, sondern zeichnete ein Bild einer (mutmaßlich auch dauerhaft) angespannten Situation zwischen den beiden deutschen Staaten. Diese Anspannung resultiere aus der Erfahrung, dass sowohl politische als auch gesellschaftliche Bemühungen, »die Grenze durchlässiger zu machen […], immer wieder Rückschläge«633 erfahren hätten. Eine zukünftige Wiedervereinigung wird daher als äußerst unwahrscheinlich dargestellt oder sogar explizit ausgeschlossen. Die Gegenwartserfahrung des geteilten Deutschland wird zur Zukunftsprognose. Der Autorentext in »Geschichte und Gegenwart« verstärkt die Aussage, dass man der Wiedervereinigung »heute ferner denn je«634 sei durch einen Wechsel der Erzählerperspektive: »Ja, wir sind ihr heute ferner denn je«635 beschreibt die gegenwärtige Situation zwischen den beiden Staaten und impliziert auch, dass sich an diesem Zustand in der Zukunft wenig ändern werde. Die Erzählgemeinschaft aus Autorentext und Schülern verharrt gleichermaßen gemeinsam 629 Ebd. 630 »Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart«, 1973, S. 277. 631 Vgl. »Die moderne Welt, Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart«, 1981, S. 318. 632 Ebd. 633 Burkhardt. Hermann u. a.: Damals und heute 9. Schuljahr. Vom Entscheidungsjahr 1917 bis heute. Stuttgart 1985, S. 174. 634 »Geschichte und Gegenwart Band 4. Die Welt nach 1945«, 1984, S. 88. 635 Ebd.

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im gegenwärtigen status quo. Dieser Darstellung diametral gegenüber steht der Autorentext in »Wurzeln unserer Gegenwart«, der angesichts der gleichen Gegenwartserfahrung aber unter Rückgriff auf die gemeinsame Vergangenheit eine andere Zukunftsperspektive entwickelt. Unter der Überschrift »Aufgabe für die Zukunft«636 wird zunächst gefragt, ob »Deutschland auf ewig zweigeteilt«637 bleibe, bevor die »jahrhundertelange gemeinsame Geschichte und gemeinsame Kultur«638 als Argument für die Zusammengehörigkeit der beiden Staaten aufgeführt werden. Die Fragen »Wo ist da Ost und wo West? Sind nicht alle Deutschen eine Nation?«639 erscheinen angesichts ihrer Positionierung am Ende des Absatzes zur gemeinsamen Vergangenheit und Kultur beinahe rhetorisch und machen die Wiedervereinigung zu einem fast zwangsläufigen zukünftigen Ereignis. Die folgenden Absätze beinhalten appellative Elemente, die Wiedervereinigung aktiv befördern zu können. So handeln die Menschen in beiden Ländern aufgrund des gemeinsamen Wunsches »nach Frieden, nach Überleben«640. Sie »sollten die Hoffnungen nicht aufgeben auf eine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit in einem vereinten Europa.«641 An diese Eigenschaften appelliert auch der Darstellungstext in »Lebendige Vergangenheit«, der die Wiedervereinigung infolge politischen Handelns als unwahrscheinlich beschreibt. Aufgrund dieser Lage sollen sich »die Deutschen in Ost und West auf lange Fristen einstellen und durch Rückschläge nicht entmutigen lassen – ähnlich den Polen […]«642. Anders als auf der politischen erscheint es in den Darstellungstexten auf der gesellschaftlichen und zivilen Ebene durch Bemühungen der Bevölkerung also möglich, das Ziel der Wiedervereinigung zu erreichen. Der Bezug zu dem historischen Beispiel Polens soll diese Ermutigung stützen und ihr Evidenz verleihen.

2.6.2 Die Abhängigkeit von den USA und der Sowjetunion Dieses Narrativ beschreibt als Determinante der Wiedervereinigung das Verhältnis zwischen den beiden internationalen Machtblöcken und knüpft den Fortgang der Zukunft an die Entwicklung der weltpolitischen Situation. Der Autorentext in »Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart« der Reihe »Grundzüge der Geschichte« konstatiert 1958, dass es »gewisse Anzeichen einer ver636 637 638 639 640 641 642

»Wurzeln unserer Gegenwart. Geschichte für die Hauptschule in Bayern«, 1989, S. 58. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. »Lebendige Vergangenheit 9«, 1986, S. 141.

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söhnlicheren Haltung Moskaus«643 gebe, mit denen die Perspektive auf die Wiedervereinigung verknüpft wurde. Der Autorentext in »Europa und die Welt 1815–1950« stellt fest, dass das Schicksal des deutschen Volkes vom »Interessenkampf der Großmächte«644 abhänge, der auch durch die militärische Wiederaufrüstung Deutschlands beeinflusst werde. Die Aufrüstung sei also nur dann vertretbar, »wenn sich durch eine solche Maßnahme die Möglichkeiten einer friedlichen Wiedereinigung Deutschlands und allgemeinen Sicherung nach außen nicht verschlechterten«645. Damit wird die Wiedervereinigung in ein Wechselspiel zwischen innenpolitischen Entwicklungen in Westdeutschland und deren Auswirkungen auf die Auseinandersetzungen zwischen den USA und der Sowjetunion gesetzt. Spielführend seien dabei die Großmächte. In der thematischen Verbindung zum Kalten Krieg ist die Wiedervereinigung von den Auseinandersetzungen zwischen der Sowjetunion und den USA abhängig. Die Zukunft bleibt angesichts des Konflikts offen. Der Text gibt keine Prognose über die Entwicklung in Deutschland ab, da sie von externen Faktoren abhing und sich nicht als gestaltbar zeigt. In den Darstellungstexten der 1960er-Jahre zeigt sich die Verbindung der beiden Themen durch eine antikommunistische Haltung und die Ablehnung der Politik der Staatsführung der DDR. Sprachlich wird dies durch die Verwendung von Begriffen wie »Schandmauer«646, »Schicksal«647 oder »Gefängnis«648 deutlich. Neben diesen Beschreibungen wird die Politik der sowjetischen Regierung auch explizit als Ursache für die andauernde Teilung des Landes genannt. So führt der Autorentext in »Europa und die Welt. 1789 bis heute« den »sich erneut verhärtenden außenpolitischen Kurs der Sowjetunion«649 als Ursache an, dass die Wiedervereinigung »wieder in weite Ferne gerückt«650 sei. Diesem Urteil schließt sich auch der Darstellungstext in »Lebendige Vergangenheit 9« aus dem Jahr 1986 an. So handle es sich bei der Wiederherstellung der deutschen Einheit um »ein schwieriges, aber immer noch offenes Problem der internationalen Politik.«651 Diese als ›offen‹ beschriebene Zukunft weicht im Laufe des weiteren Textes einer expliziten inhaltlichen Beschreibung, denn der Text bilanziert: »Aus verschiedenen Gründen scheint die Lösung der Deutschen Frage auf absehbare 643 »Grundzüge der Geschichte Band 4. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1958, S. 160. 644 »Europa und die Welt 1815–1956«, 1957, S. 189. 645 Ebd. 646 »Damals und heute 4«, 1965, S. 73. 647 Ebd. 648 »Geschichte für Realschulen Band 3/4. Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart«, 1968, S. 270. 649 »Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 249. 650 Ebd. 651 »Lebendige Vergangenheit«, 1986, S. 141.

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Zeit kaum möglich zu sein.«652 Ein zweiter der 48 Autorentexte der 80er-Jahre betont, dass sich in Zukunft erweisen werde, »ob aus den Regelungen der ›besonderen Beziehungen‹ eines Tages ein ›Miteinander‹ werden kann, d. h. ob die Deutschen in Ost und West sich in freier Selbstbestimmung entscheiden können, wie sie leben wollen.«653 Positiver wird die Zugehörigkeit der beiden deutschen Länder zu den Machtblöcken angesichts der Abrüstungsverhandlungen in Genf beschrieben, denn dadurch habe »sich auch das Klima zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wieder verbessert.«654 Die Bundesregierung sei angesichts dieser Annäherung »bemüht, die deutsche Frage offen zu halten.«655 Damit bleibt die Wiedervereinigung eine mögliche Perspektive für die Zukunft, wenn der Autorentext auch dazu nicht explizit Stellung bezieht.

2.6.3 Die Wiedervereinigung als europäische Aufgabe Zwei Darstellungstexte der 1950er-Jahre verbinden die Themen ›Wiedervereinigung‹ und ›Europa‹ miteinander. In »Europa und die Welt 1918–1950« wird indirekt auch der europäischen Gemeinschaft Verantwortung zugeschrieben, sich für die Wiedervereinigung einzusetzen, denn durch das gespaltene Deutschland sei die abendländische Tradition, die die Grundlagen Europas bildet, infrage gestellt worden.656 Während dieser Text die Zukunft aus der Vergangenheit ableitet, konstruiert der Autorentext in »Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart« zwei Zeitpunkte in der Zukunft, von denen ausgehend die Entwicklung begründet wird. Die Wiedervereinigung sei eines der »brennendsten Probleme der Weltpolitik überhaupt […], ohne dessen Lösung es eine dauerhafte Friedensordnung in Europa und in der Welt nicht geben kann«657. Die Wiedervereinigung und die europäische Einigung werden narrativ miteinander verbunden und zeitlich zueinander in Verbindung gesetzt. Der Text suggeriert eine kontinuierliche und beinahe kausale Entwicklung: Wenn das erste Ziel – die Wiedervereinigung – erreicht werde, würden sich auch die europäischen Staaten vereinigen. Zugleich werden die Verantwortlichen benannt, die im Falle dieses Textes nicht die Leser des Geschichtsbuches, sondern die Politiker sind. In den 1960er-Jahren wird diese temporäre und kausale Verbindung der beiden Ereignisse in umgekehrter Rei652 Ebd. Diese Formulierung wird auch in »Staatensystem und Weltpolitik« (1983, S. 182) verwendet. 653 »Zeitaufnahme Band 3/4«, 1983, S. 100. 654 »Erlebnis Geschichte 9«, 1986, S. 126. 655 Ebd. 656 »Europa und die Welt« 1953, S. 148. 657 »Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart«, 1951, S. 167. Eine ähnliche Formulierung auch im Autorentext von »Einst und jetzt. Geschichtsdarstellung vom Altertum bis zur Gegenwart«, der es als »Aufgabe der Weltpolitik« formuliert (1959, S. 288).

Die Analyse der Zukunftsnarrationen der westdeutschen Geschichtsbücher

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henfolge dargestellt. Der Autorentext in »Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute« prognostiziert einen wahrscheinlichen Zusammenschluss der europäischen Staaten. Es könne »vielleicht […] dann eines Tages die wirtschaftliche Anziehungskraft des ›Vereinten Europas‹ bewirken, daß der ›Eiserne Vorhang‹ aufgeht«658 und »die Stunde der Wiedervereinigung aller Deutschen schlagen«659 könne. In den 70er-Jahren verbindet ein Autorentext die beiden Themen und stellt fest, dass eine »Lösung dieses Problems«660 der deutschen Teilung »nur im Zusammenhang mit einer gesamteuropäischen Lösung«661 verortet werden könne. Über die Zeitpunkte der Ereignisse und die Form ihrer Verbindung gibt der Darstellungstext jedoch keine Auskunft mehr. Erst 1997 taucht die Verbindung der Themen wieder in einem Autorentext auf. In »Geschichte und Geschehen B4« von 1997 wird die Möglichkeit beschrieben, dass Deutschland »zu einer Ost-WestDrehscheibe wird und damit wesentlich zur Stabilität in Europa beitragen«662 könne. Es gehöre zu den »herausragenden Aufgaben der deutschen Politik«663, dauerhafte und friedliche Verbindungen zu den osteuropäischen Nachbarstaaten aufzubauen. Dank der wirtschaftlichen Förderung durch die Europäische Union sei Ostdeutschland zur »Wirtschaftsregion mit den höchsten Wachstumsraten in Europa geworden«664 und könne künftig sogar »zu den modernsten Industriestandorten der Welt gehören«665.

2.7

Das Thema ›Nahostkonflikt‹

Seit den 1950er-Jahren beschäftigen sich die Autorentexte mit den politischen Entwicklungen im Nahen Osten und entwerfen Entwicklungen für die Zukunft dieser Region. Drei verschiedene Formen der narrativen Gestaltung dieser Zukunftsbezüge lassen sich ausmachen, nach denen die Darstellungstexte im Folgenden in ihrer Analyse untergliedert werden.

658 659 660 661 662 663

»Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute«, 1964, S. 156. Ebd. »Riedmiller Geschichte. Band 4 Neueste Zeit«, 1970, S. 192. Ebd. »Geschichte und Geschehen«, 1997, S. 294. Ebd. Dieses außenpolitische Zukunftsziel beschreibt auch »Entdecken und verstehen 3« (1996, S. 253). 664 »Geschichte Konkret Band 3«, 1997, S. 104. 665 Ebd. Die Einschätzung der wirtschaftlichen Erfolge als »Ansätze eines Aufschwungs« auch in »Anno 4. Das 20. Jahrhundert« (1997, S. 271).

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

2.7.1 Zukunftsnarrationen ohne Deutung Zwei der 38 Autorentexte der 1950er-Jahre entwerfen eine Zukunftsperspektive zu dem Thema ›Nahostkonflikt‹, ohne sich dabei narrativer Elemente zur Textgestaltung zu bedienen. In »Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart«666 wird die gegenwärtige Situation nicht als Endpunkt der Auseinandersetzungen gesetzt, womit der Eindruck entsteht, dass sie auch in Zukunft fortbestehen würden. »Aber noch immer«667 sei das Verhältnis der beiden »auf äußerste gespannt«668, so der Darstellungstext und skizziert, dass sich der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern auch in die Zukunft hinein fortsetzen werde. Auch der Autorentext in »Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart« nimmt die Unruhen im Nahen Osten in den Blick und beschreibt die Dauerhaftigkeit der Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina. Der Text resümiert, dass das Land »noch heute […] ein Krisenherd«669 sei. Der Autorentext wechselt zwar die Tempusform ins Präsens, unterlässt jedoch Kommentare oder Prognosen zur weiteren Entwicklung dieser gegenwärtigen politischen Situation. In den 1960er-Jahren sind es vier Texte, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der zukünftigen Entwicklung im Nahen Osten beschäftigen. Für Nordafrika und den Mittleren Osten lässt der Autorentext in »Die Neueste Zeit« die Zukunftsperspektive offen: »Noch ringen im Mittleren Osten und in Nordafrika die arabischen Staaten miteinander um die Frage, wer einmal die Führung übernehmen soll.«670 Einen ähnlichen Bezug zur Gegenwart stellt der Darstellungstext in »Bilder aus deutscher Geschichte« zu Israel und Ägypten her. Israel müsse »sich immer wieder der Angriffe der arabischen Nachbarstaaten erwehren, die das Land als arabisches Gebiet betrachten«671 und auch in Ägypten komme es »immer wieder zu Grenzkämpfen und inneren Unruhen.«672 Mit diesen Beschreibungen beziehen sich die Texte in erster Linie auf gegenwärtige politische Situationen in den Ländern, doch implizieren sie durch die sprachliche Gestaltung auch einen Blick auf die Zukunft. Die Formulierung »immer wieder«, die bei beiden Beispielen gewählt wird, suggeriert konstante wiederkehrende militärische Auseinandersetzungen, deren Ende nicht absehbar seien. Der Darstellungstext »Europa und die Welt. 1789 bis heute« beschäftigt sich 666 »Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart«, 1958, S. 271. 667 Ebd. 668 Ebd. 669 »Geschichtswerk für höhere Lehranstalten. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart«, 1957, S. 244. 670 »Die Neueste Zeit«, 1963, S. 169. 671 »Bilder aus deutscher Geschichte. Zweiter Band Neuzeit und Gegenwart«, 1965, S. 243. 672 Ebd.

Die Analyse der Zukunftsnarrationen der westdeutschen Geschichtsbücher

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ebenfalls mit der Zukunft Ägyptens, entwirft jedoch eine positivere Zukunftsperspektive. Präsident Nasser sei es gelungen, durch den Zusammenschluss mit dem Jemen und Syrien Ägypten zur Vereinten Arabischen Republik zu erweitern. Es scheint das Narrativ der Abwehr der kommunistischen Bedrohung auf, wenn der Text fortfährt, dass Nasser in Syrien »mit starker – kommunistisch geschürter – Opposition zu kämpfen«673 habe, »sodaß die Zukunft des neuen Staates noch ungesichert«674 sei. Als einziger Darstellungstext betont der in »Geschichte für die Jugend« die große Bedeutung der Länder im Nahen Osten für die Zukunft Westeuropas. So sei es auch im Interesse der Europäer, sich um eine friedliche Zukunft im Nahen Osten zu bemühen, da nur so die Erdölversorgung Westeuropas gesichert werden könne.675 Die Aufmerksamkeit für Konflikte und politische Bemühungen wird mit möglichen Auswirkungen auf Europa begründet. Im Mittelpunkt steht nicht der Frieden im Nahen Osten, sondern der dauerhafte Frieden in Europa. Konflikte und Kriege werden als Gefahr für eine friedliche und von Wohlstand geprägte europäische Zukunft verstanden.

2.7.2 Die drohende Eskalation des Konflikts Ein Autorentext der 1970er-Jahre beschreibt die friedliche Zukunft des israelisch-arabischen Verhältnisses als unsicher. Vergeltungsaktionen könnten »jederzeit den Waffenstillstand beenden«676, konstatiert auch der Autorentext in »Menschen in ihrer Zeit – in unserer Zeit« von 1970. Damit wird in den Geschichtsbüchern eine dauerhafte (in die Gegenwart und Zukunft hineinreichende) Krisensituation erzählt und die latente Bedrohung durch eine mögliche Eskalation beschrieben. Die Zahl der Darstellungstexte, die sich dieses Narrativs bedienen, steigt in den 1980er-Jahren auf zehn (von 48) an. Sie verorten den israelisch-arabischen Konflikt nicht nur als gegenwärtige Herausforderung für die internationale Politik, sondern schreiben ihm auch für die Zukunft Bedeutung zu.677 Allen Darstellungen gemein ist, dass sie nicht mit einem baldigen Frieden rechnen. Sie unterscheiden sich auf der sprachlichen Ebene jedoch 673 674 675 676 677

»Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 239. Ebd. Vgl. »Geschichte für die Jugend. Vom Wiener Kongress zur Gegenwart«, 1963, S. 93. »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1970, S. 167. So »Blick in die Vergangenheit 9. Jahrgangsstufe« (1982, S. 139); »Geschichte für morgen. Zeitgeschichte (1917 bis zur Gegenwart), (1982, S. 184); »Fragen an die Geschichte. Die Welt im 20. Jahrhundert« (1984, S. 305f.); »Geschichte 4. Neueste Zeit« (1983, S. 182); »Geschichte für morgen. Band 4 Zeitgeschichte« (1985, S. 139); »Geschichte entdecken 9. Neueste Zeit« (1983, S. 93); »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit« (1989, S. 97); »Geschichte 9« (1989, S. 96); »Damals und heute 9. Schuljahr. Vom Entscheidungsjahr 1917 bis heute« (1988, S. 173) sowie »Lebendige Vergangenheit« (1986, S. 149).

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

deutlich hinsichtlich der Beschreibungen der Auswirkungen einer möglichen Eskalation. Explizit benennt nur der Autorentext in »Geschichte heute für die Hauptschulen« die Kriegsgefahr : Demzufolge sei der Libanon ein »zweiter kritischer Punkt im Nahen Osten […] mit seinen religiösen, ethnischen und sozialen Spannungen«678, die einen »ständigen Kleinkrieg«679 bedingen würden. Auch der radikale Islam, der den Krieg zwischen dem Iran und dem Irak zu einer »Art Religionskrieg«680 werden lasse, stelle eine große Gefahr für die Gegenwart dar. Der Autorentext in »Zeitaufnahme« betont die Notwendigkeit eines Friedensschlusses. So seien die israelischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet sowie die Nichtakzeptanz der PLO als Verhandlungspartner Hindernisse »auf dem Weg zu einem Ausgleich«681. Angesichts der gegenwärtigen Unruhen im Iran und in Afghanistan sei für die Zukunft ein Frieden zwischen Israel und den Arabern »umso bedeutsamer«682. In den 1990er-Jahren stellen vier Autorentexte die weitere Entwicklung der »Krisenregion«683 dar. Dies geschieht in impliziter Form, wie im Autorentext in »Die Reise in die Vergangenheit«, der den Nahen und Mittleren Osten als »gefährliche Spannungszonen der Gegenwart«684 beschreibt. Expliziter als dieser nimmt »Geschichtsbuch 4« die Zukunft der Region in den Blick und konstatiert, dass es »unkalkulierbar« sei, »wie sich die ›alte‹ Krisenregion Naher Osten und das neue Krisengebiet des ehemaligen Jugoslawien entwickeln werden.«685 Der Text entwickelt keine positive Prognose, da auch bisher »noch keine friedensstiftenden Erfolge vorzuzeigen«686 seien, sondern »hektische Aktivitäten«687 in der Region dominierten. Die andauernde Konfliktsituation könne »jederzeit zu neuen kriegerischen Auseinandersetzungen führen«688, so der Darstellungstext in »Entdecken und verstehen Band 3«. Eine Gesamtlösung für die Konflikte erscheint auch dem Darstellungstext in »Geschichte 4« »immer schwieriger«689. Aus den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart wird eine Zukunftsperspektive abgeleitet, in der eine »Belastung der Gegenwart durch Ereignisse der Vergangenheit«690 beschrieben wird. Jene Last bewirke eine 678 679 680 681 682 683 684 685 686 687 688 689 690

»Geschichte heute 9/10«, 1988, S. 209. Ebd. Ebd. »Zeitaufnahme 4«, 1982, S. 110. Ebd, S. 111. »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 317. In »Geschichte 9« wird der Begriff »Gefahrenherd« verwendet (1994, S. 146). »Die Reise in die Vergangenheit«, 1993, S. 151. »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 317. Ebd. Ebd. Ebd. »bsv Geschichte 4. Vom Zeitalter des Imperialismus bis zur Gegenwart«, 1990, S. 261. »Entdecken und verstehen 3«, 1996, S. 179.

Die Analyse der Zukunftsnarrationen der westdeutschen Geschichtsbücher

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»Verhärtung«691 zwischen den Israelis und den Palästinensern, sodass »Unsicherheit über den Frieden« herrsche, so der Autorentext weiter. Für die Zukunft bleibt damit offen, ob Friedensvereinbarungen eingehalten werden können oder ob der in der Vergangenheit verwurzelte Konflikt erneut ausbrechen würde.692 Der Bezug zur Vergangenheit ermöglicht allerdings auch den Entwurf einer optimistischeren Zukunftsperspektive. So gebe es eine UN-Resolution, die die Grundlage der Friedensbemühungen sei, auch wenn sie bisher noch nicht verwirklicht werden konnte.693 Die Erwähnung der politischen Basis eines möglichen Friedens erhöhe die Plausibilität eines friedlichen Nebeneinanders. Auch das Geschichtsbuch »Geschichtliche Weltkunde Band 4« verbindet die Themen ›Nahostkonflikt‹ und ›Dekolonialisierung‹. Unter Bezugnahme auf die Golfkriege wird die Vergangenheit zum Argument, um eine Bedrohungssituation zu konstruieren, die über die Gegenwart hinaus auch in der Zukunft besteht. So habe der zweite Golfkrieg eine Form gezeigt, »in der künftig Nord-Süd-Gegensätze ausgetragen werden könnten.«694 2.7.3 Der Konflikt als Stellvertreterkrieg Der Autorentext in »Geschichte Band 4« verbindet als einziger in den 1970erJahren den Nahostkonflikt mit dem Kalten Krieg. Beide Großmächte stärken die jeweilige Konfliktpartei, sodass »eine Beendigung des arabisch-israelischen Konfliktes […] noch nicht abzusehen«695 sei, da »keine der beiden Seiten bereit ist, ihre Position aufzugeben.«696 »Die ständige Bereitschaft der Sowjetunion, sich in die inneren Angelegenheiten des Vorderen Orients einzumischen«697 verhindere, dass dieser »Teil der Welt nicht zur Ruhe kommen«698 könne. An diesen Zitaten wird deutlich, dass in den Autorentext nicht nur die politische Konstellation, sondern auch die ideologische Rhetorik des Kalten Krieges auf den Nahostkonflikt übertragen wird. Auf dieser Grundlage werden auch Einschätzungen zur Eintrittswahrscheinlichkeit der Prognosen abgegeben. Drei Autorentexte der 1980er-Jahre verknüpfen das Narrativ ›Nahost‹ mit dem Narrativ ›Kalter Krieg‹. So bleiben die beiden Großmächte durch ihre Beteiligung in Form von Waffenlieferungen und den Besitz von Erdölgesellschaften 691 Ebd. Ähnlich wird der Konflikt in »Geschichte heute 3« (1992, S. 186 und 1995, S. 127) beschrieben. 692 So auch die Formulierung in »Geschichte und Geschehen« (1992, S. 274). 693 Vgl. »Geschichtliche Weltkunde Band 4«, 1990, S. 352 und identisch in »Unserer Geschichte Band 4« (1991, S. 276). 694 »Unserer Geschichte Band 4«, 1991, S. 304. 695 »Geschichte Band 4. Neueste Zeit«, 1973, S. 152. 696 Ebd. 697 Ebd., S. 201. 698 Ebd.

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im »gegenwärtig größten Krisenherd der Welt«699, dem Nahostkonflikt, präsent. Auch der Darstellungstext in »Geschichte für morgen« verbindet das Narrativ ›Kalter Krieg‹ mit dem arabisch-israelischen Konflikt und beschreibt die Positionierung der Machtblöcke auf den Seiten der Kriegsparteien. Der Autorentext wechselt im letzten Satz des Abschnitts ins Präsens, woraus sich eine Perspektive auf die Gegenwart und die Zukunft ableiten lässt. So hätten »die USA eine immer aktivere Rolle in den Bemühungen um einen Frieden im Nahen Osten gespielt«700. Es wird suggeriert, dass dieses Engagement auch in Zukunft anhalten werde, sodass die gesamte Konfliktsituation sowohl zwischen Israel und Palästina als auch zwischen den USA und der Sowjetunion dauerhaft sei.

2.7.4 Die drohende Ressourcenknappheit Mit diesem Narrativ wird in einem der 34 untersuchten Geschichtsbücher der 1970er-Jahre ein Zukunftsszenario erzählt, das durch die Erfahrung der Ölkrise geprägt ist. In »Damals und heute« beschreibt der Autorentext im Hinblick auf die Entwicklung des Konfliktes: »Die tödliche Auseinandersetzung zwischen Israelis und Arabern schwelt weiter. Ein neuer Nahostkrieg aber, in dem die Araber wieder die ›Ölwaffe‹ einsetzen, würde schwere Auswirkungen auf unsere heutige Weltordnung haben.«701 Mit dieser Darstellung wird die Auseinandersetzung der beiden Länder auf die Zukunft ausgeweitet und eine mögliche Wiederholung der Ölkrise prognostiziert. Fünf Autorentexte beschäftigen sich auch in den 1980er-Jahren mit der »Erdölwaffe«702 der arabischen Länder, die sie als einen der wichtigsten Faktoren im Nahostkonflikt ausmachten, da »die Energieversorgung der westlichen Welt mit Öl zu einem großen Teil von Lieferungen aus dem Nahen Osten«703 abhänge. Diese Abhängigkeit vom Öl und die Möglichkeit einer künftigen Knappheit dieser Ressource habe dazu geführt, dass die USA eine Eingreiftruppe für den Fall aufgestellt haben, »daß die UdSSR etwa von Afghanistan aus Sperrmaßnahmen versuchen sollte oder daß diese von anderen Kräften ausgehen.«704 Vier Autorentexte verbinden in den Auseinandersetzungen um das Erdöl die Themen ›Nahostkonflikt‹ und ›Dekolonialisierung‹. Zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern sei der Nord-SüdKonflikt im Nahen Osten im Krieg um das Öl bereits eskaliert. Man kämpfe zwar 699 »Die moderne Welt, Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart«, 1981, S. 309. Diese Formulierung ebenso in »Geschichtsbuch 4« (1988, S. 159). 700 »Geschichte für morgen Band 3. Zeitgeschichte (1917 bis zur Gegenwart)«, 1980, S. 216. 701 »Damals und heute 4«, 1976, S. 77. 702 »Zeitaufnahme 4«, 1982, S. 110. 703 Ebd. 704 »Geschichte heute 9/10«, 1988, S. 209.

Die Analyse der Zukunftsnarrationen der westdeutschen Geschichtsbücher

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nicht mit militärischen, aber mit »wirtschaftlichen Waffen«705. Drei der 65 Darstellungstexte der 1990er-Jahre gestalten die Zukunftsszenarien als Auseinandersetzungen um die Ressourcen Wasser und Öl. Den Ländern im Nahen und Mittleren Osten fehle es an Wasser, wobei der Bedarf angesichts steigender Bevölkerungszahlen noch steigen werde. Die Autorentexte in »Entdecken und verstehen Band 3« sowie in »Geschichtsstunden 9« prognostizieren, dass der Wassermangel im Nahen und Mittleren Osten das dringendste Problem geworden sei und »die Länder entweder zur Zusammenarbeit oder in den Krieg«706 zwingen werde. Auch um das Kurdengebiet werde in Zukunft ein Konflikt geführt werden, da das Land »reich an Erdöl und wichtigen Buntmetallen«707 sei und die umliegenden Länder diesen Reichtum nicht preisgeben wollen. »Eine Lösung des Problems zeichnet sich nicht ab, da keiner der fünf Staaten auf Land zugunsten der Kurden verzichten oder ihnen Autonomie gewähren will«708, konstatiert der Autorentext und narrativiert damit die gegenwärtige Situation zu einem dauerhaften krisengeprägten Zustand.

2.8

Das Thema ›Umwelt‹

Seit den 1970er-Jahren finden sich Zukunftsnarrationen mit dem Thema ›Umwelt‹ in den Geschichtsbüchern. Das erste untersuchte Buch, dessen Zukunftsnarration dieses Thema aufgreift, ist »Geschichte unserer Zeit«, das 1972 erschien. Im gleichen Jahr legte der Club of Rome die Studien »Grenzen des Wachstums«709 vor, auf die gemeinhin der Beginn der Ökologiebewegung zurückgeführt wird. Dieses Buch kann aufgrund der Produktionszeit von Geschichtsbüchern also nicht der unmittelbare Anlass gewesen sein, dass sich der Verfassertext mit der Umweltproblematik beschäftigt. Welche Diskurse Einfluss auf die Gestaltung der Autorentexte nehmen, kann diskursanalytisch nur schwer gefasst werden, soll jedoch in der Zusammenfassung dieser Arbeit auch am Beispiel des Themas ›Umwelt‹ andeutungsweise versucht werden. Lediglich Quellen des Autors und Reflexionen seines Schreibprozesses gäben eindeutig Aufschluss darüber, was ihn zum Aufgreifen des Themas bewog und sein Schreiben beeinflusste. Umgekehrt lässt sich das Geschichtsbuch natürlich in den Diskurs um die ökologische Zukunft der Erde aufnehmen, da es thematisch 705 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1986, S. 299. 706 »Entdecken und verstehen 3«, 1996, S. 176. Auch »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit« erwähnt den Wassermangel als mögliche Ursache für Konflikte im Nahen und Mittleren Osten (1994, S. 120). 707 »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit«, 1994, S. 118. 708 Ebd. 709 Meadows, Dennis: Die Grenzen des Wachstums. Stuttgart 1972.

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

den Zeitgeist der 1970er-Jahre berührt. Sind es in den 70er-Jahren zehn von insgesamt 34 Darstellungstexten, verringert sich die Zahl für die 80er-Jahre auf neun von insgesamt 48 Texten. Erst in den 90er-Jahren steigert sich die Anzahl erneut und rund ein Drittel der untersuchten Bücher bezieht die Zukunft auf dieses Thema, nämlich 23 von 65. Sie folgen dabei grundsätzlich alle dem gleichen Narrativ, das die fortschreitende Umweltverschmutzung als zukünftige Bedrohung beschreibt. Im Folgenden sollen sie daher diachron danach systematisiert werden, welche narrativen und sprachlichen Elemente Teil der Narrationen waren und inwiefern sie explizite oder implizite Handlungsaufforderungen enthalten. Die Darstellungstexte der 1970er-Jahre konstruieren noch keine Szenarien hinsichtlich der Folgen der Umweltverschmutzung, sondern beschreiben sie als »Gefahr für den Menschen«710, wie der Darstellungstext in »Europa und die Welt« 1979. Er ist zugleich der einzige, der daraus ableitet, dass die Menschen ein »Bewußtsein für den Umweltschutz«711 entwickeln und sich »alle Völker der Erde, aber auch Natur und Mensch stärker als Einheit begreifen müssen«712. In »Geschichte unserer Zeit« wird 1972 festgestellt, dass »auch die Landschaft […] immer mehr durch die Technik verändert«713 werde. Es gelte fortan, »die Natur zu ergänzen und nicht zu vertreiben […], um so den Menschen in Heim und Garten zur Familie und Natur zurückzuführen.«714 In den 1980er-Jahren greifen die Autorentexte die narrative Struktur der selbstverursachten Bedrohung wieder auf und beschreiben die Vermeidung dieser voranschreitenden Schäden als Zukunftsaufgabe. Die weitere Verschmutzung der Umwelt wird als Gefahr erzählt, die es zu verhindern gelte. Um den Zukunftsnarrationen Plausibilität zu verleihen und die Notwendigkeit des Handelns zu unterstreichen, führt der Darstellungstext in »erinnern und urteilen« an, dass »zahlreiche Experten […] die größte Gefahr in der allmählichen Aufheizung des Klimas auf der Erde«715 sähen. Ein Zukunftsszenario entwirft der Autorentext in »Geschichte und Gegenwart«, der eine analoge Fortführung der gegenwärtigen Abholzung des Regenwaldes beschreibt und in die Zukunft potenziert. So »wird es in 25 Jahren dort keinen Wald mehr geben«716, wenn die Abholzung im Amazonasgebiet wie bisher voranschreite. Weitere Folgen benennt der Autorentext in »Lebendige Vergangenheit 9«. So könnten 710 »Europa und die Welt. Von 1890 bis zur Gegenwart«, 1979, S. 242. 711 Ebd. 712 Ebd. So auch »Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute« (1973, S. 171); »Wir erleben die Geschichte« (1974 und 1976, S. 184); »Damals und heute 4« (1976, S. 81); »Geschichte für die Hauptschule 9« (1977, S. 193) und »Fragen an die Geschichte 4« (1978, S. 266). 713 »Geschichte unserer Zeit. Berichte, Dokumente, Bilder. 1917- Gegenwart«, 1972, S. 148. 714 Ebd. 715 »erinnern und urteilen IV«, 1981, S. 229. 716 »Geschichte und Gegenwart. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart«, 1988, S. 183.

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»die Eismassen der Pole […] schmelzen und weite Teile unter Wasser setzen«717 sowie »Schäden an Tieren und Pflanzen und zunehmende Hauterkrankungen« entstehen. In »Die Reise in die Vergangenheit« beschreibt der Autorentext das Waldsterben als Folge der Luftverschmutzung, sodass »jeder zweite Baum […] inzwischen krank«718 sei. Daraus leitet der Text die Forderung ab, dass man »das Umweltbewußtsein der Bürger der Bundesrepublik wachrüttelte«719. Es gehe zukünftig um »die Rettung der natürlichen Umwelt vor dem Menschen für den Menschen«720, so der Darstellungstext in »erinnern und urteilen IV« und fordert staatliche Maßnahmen zum Umweltschutz, deren Notwendigkeit »Rohstoffknappheit, Energiekrise und Umweltkatastrophen […] deutlich gemacht«721 hätten. Neben der gesellschaftlichen Aufgabe, sich um den Umweltschutz zu bemühen, benennt der Autorentext in »Geschichte und Geschehen IV« »Wirtschaftsunternehmen, Wissenschaftler und Techniker, neue Werkstoffe zu erfinden und neue Produktionsverfahren zu entwickeln, die weniger Rohstoffe und Energie benötigen und die Umwelt nicht so stark belasten.«722 Damit wird die Zukunft als Zeitrahmen entworfen, in dem diese Technologien erfolgreich sein und zur nachhaltigen Erhaltung der Rohstoffe beitragen würden, ohne dass damit ein direktes Engagement der Schülergeneration verknüpft ist. Explizite appellative Elemente sind kein Bestandteil der Zukunftsnarrationen der 1980erJahre mehr. Das verändert sich in den Darstellungstexten der 90er-Jahre deutlich. Die Dringlichkeit, der weiteren Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt Einhalt zu gebieten, wird in den Geschichtsbüchern auf drei Arten deutlich gemacht: Erstens werden Zukunftsszenarien nicht mehr nur als Bedrohungen, sondern als Katastrophen skizziert. Zweitens werden konkrete Zeiträume angegeben, in denen sich die Erfolge des Umweltschutzes einstellen müssten, um die unwiderrufliche Zerstörung zu vermeiden und drittens enthalten die Darstellungstexte explizite Appelle an Schülerinnen und Schüler, sich als Teil der Erzählgemeinschaft und auch zukünftig aktiv am Umweltschutz zu beteiligen. Allen 23 Zukunftsnarrationen gemein ist, dass die gegenwärtigen Schäden und Möglichkeiten zum nachhaltigen Schutz der Umwelt in Zukunft thematisiert werden. Sie unterscheiden sich allerdings in der sprachlichen Ausgestaltung, also darin, wie drastisch sie die Zukunft skizzieren, um die Notwendigkeit zu handeln zu begründen. Im Gegensatz zu dem eingangs geschilderten Beispiel, das sehr allgemein zum Handeln aufruft, konstruiert der Autorentext in »Anno 4« ein 717 718 719 720 721 722

»Lebendige Vergangenheit 9«, 1989, S. 142. »Die Reise in die Vergangenheit«, 1988, S. 170. Ebd. »erinnern und urteilen 10«, 1984, S. 200. Ebd., S. 229. »Geschichte und Geschehen IV«, 1988, S. 249.

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

eindrücklicheres Szenario: Energiesparen allein reiche angesichts »der drohenden Gefahren«723 nicht aus. Es erfordere grundsätzliche Veränderungen in der Energiegewinnung, um die »beängstigenden ökologischen Schäden heutiger Energiesysteme«724 zukünftig vermeiden zu können. Auch Formulierungen wie »die Zeit drängt«725 und dass die negativen Folgen »sich noch steigern, sofern nicht umgehend wirkungsvolle, d. h. einschneidende Gegenmaßnahmen ergriffen«726 würden, suggerieren Dringlichkeit sowie die unbedingte Notwendigkeit, zu handeln. Dem ähnelt die Beschreibung, dass es sich beim Umweltschutz um eines der »drängendsten Probleme der nächsten Jahrzehnte«727 handle, das notwendigerweise Lösungen erfordere, die möglicherweise »von überkommenen Denkmustern und unbedachten Lebensgewohnheiten abweichen«728 müssten. Im Autorentext in »von…bis Band 3« werden konkrete Folgen benannt und das Szenario geschildert, wenn zukünftig im Umweltschutz keine Fortschritte erreicht würden und »die Klimakatastrophe kommt«729. Der Autorentext in »Treffpunkt Geschichte Band 3« beschreibt, dass die Folgen der Umweltzerstörung »alle Menschen der Erde tragen müssen«730, denn durch den Raubbau an der Umwelt sei »die Existenz des Menschen«731 gefährdet: »Eine Erde ohne trinkbares Wasser, saubere Luft und genießbare Nahrungsmittel, braucht keine Wälder und keine Rohstoffe mehr ; sie wird auch ohne Menschen und Tiere auskommen müssen«732 warnt der Autorentext in »Geschichte heute 3«. Die Dringlichkeit der Zukunftsprognosen wird durch statistische Angaben untermauert. So seien »in weniger als 30 Jahren […] die Weltvorräte an mineralischen Rohstoffen erschöpft«733, wie der Autorentext in »Geschichtsbuch 4« erläutert und hinzufügt, dass innerhalb von zwei Jahren 50 000 Quadratkilometer Regenwald zerstört worden seien. Der Autorentext in »Entdecken und verstehen Band 3« prognostiziert, dass es in ca. 50 Jahren keinen Regenwald mehr gebe, könne die gegenwärtige Entwicklung nicht gestoppt werden.734 Alle 723 724 725 726 727 728 729 730 731 732 733 734

Ebd., S. 289. Ebd. »Lebendige Vergangenheit. Band 4«, 1990, S. 148. »Geschichte und Geschehen«, 1998, S. 299. »bsv Geschichte 4. Vom Zeitalter des Imperialismus bis zur Gegenwart«, 1990, S. 282. Ebd. »von…bis. Von 1945 bis heute«, 1998, S. 237. Ebd. Eine ähnliche Formulierung zum notwendigen weltweiten Engagement auch in »Geschichte 9«, 1994, S. 57. »Geschichte heute 3«, 1995, S. 134. Ebd., S. 137. »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 302. In »Geschichte heute 3« werden ebenfalls wissenschaftliche Berechnungen zum Vorrat an Rohstoffen erwähnt (1995, S. 137). Vgl. »Entdecken und verstehen 3«, 1996, S. 165. Auch in »Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 10« wird der Raubbau des Regenwaldes angemahnt (1997, S. 200).

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Autorentexte verwenden ein ähnliches Erzählschema, um die Maßnahmen zum Umweltschutz zu beschreiben: Die gegenwärtig verursachten Schäden würden unwiderrufliche und nicht zu korrigierende Auswirkungen auf die Zukunft haben. Vor diesem Hintergrund der apokalyptischen Zerstörung, die auch Menschenleben unmöglich machen würde, wird als Aufgabe der Schutz der »Zukunft unseres Planeten« beschrieben. Alle umweltpolitischen und ökonomischen Maßnahmen zielen darauf ab, »die Umwelt vorsorgend vor weiteren Schäden zu bewahren«735. Die Bedeutung des Themas und die Verantwortung der gegenwärtigen Generation für die Zukunft wird auch auf der sprachlichen Ebene deutlich, wenn von der »Zukunft unseres Planeten«736 die Rede ist. Die komplexe Zuständigkeit reicht von der Erzählgemeinschaft des Autorentextes bis zur UN, die als überstaatliche Organisation mit der Gestaltung der ökologischen Zukunft beauftragt wurde.737 Der Autorentext in »Geschichtsbuch 4« gibt eine Einschätzung in Bezug auf die Möglichkeit ab, die weltweite Umweltproblematik zu lösen: es sei »unvorstellbar«738, wie die Probleme bewältigt werden könnten. Diese Prognose stützt der Text auf die »Wirtschaftsinteressen der einzelnen Staaten«739, die die gemeinsamen Sofortmaßnahmen blockieren. Fraglich sei daher auch, ob die Kooperation der Staaten, die die UN-Umweltkonferenz 1992 beschlossen hatte, bestehen bleibe.

2.9

Die Zukunft als Aufgabe

Die Autorentexte formulieren auch ohne thematische Bindung, dass es die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler oder eine gemeinsame Aufgabe der Erzählgemeinschaft sei, die Zukunft zu gestalten. Häufig wird die Wahrung des Friedens als Thema benannt, doch es finden sich auch Beschreibungen, die die Zeitebene Zukunft in summa als Krise beschreiben ohne thematische Spezifikationen zu nennen. Ein weiteres Thema der Zukunftsnarrationen ist die Bedeutung von Wissenschaft und Technik, welches sowohl als Chance wie auch als Bedrohung dargestellt wird. In 94 der 223 Geschichtsbücher ist das Thema zu finden, das mit drei Narrativen verknüft wird. 735 »Treffpunkt Geschichte 4«, 1996, S. 137. Auch das wirtschaftliche Handeln hinsichtlich der Folgen für die Umwelt zu prüfen, fordert der Autorentext in »Geschichte und Geschehen IV« (1992, S. 297). 736 Ebd. Ebenso in »Geschichte kennen und verstehen« (1997, S. 254) und »Die Reise in die Vergangenheit« (1993, S. 203). 737 Vgl. ebd. Ebenso in »Damals, heute, morgen 9. Geschichte / Gemeinschaftskunde« (1994, S. 147); »Entdecken und verstehen 3« (1996, S. 153) und »Das waren Zeiten. Geschichte 4« (1999, S. 251). 738 »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 317. 739 Ebd.

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2.9.1 Die Gestaltung der Zukunft Dem Narrativ eigen ist ein Appell, mit dem die Gestaltung der Zukunft zur Aufgabe wird. Als Adressaten benennen die Autorentexte der 1960er-Jahre dabei explizit die Schülerinnen und Schüler. So spricht der Autorentext in »Geschichte der Neuesten Zeit« die »Jugend in aller Welt«740 an, an der Verwirklichung eines dauerhaften Friedens zu arbeiten, denn: »Der junge Mensch von heute ist der Staatsbürger von morgen, in dessen Hände das Schicksal des Volkes gelegt ist.«741 Von den zukünftigen gesellschaftlichen und politischen Akteuren – historisch bedingt aber besonders von der deutschen Jugend – fordert der Text »wache Sinne, einen klaren Verstand, kritisches Urteilsvermögen und ein feines Empfinden für Wahrheit und Gerechtigkeit.«742 Der Autorentext in »Wir erleben die Geschichte« bezieht die Aufgabe auf die Erzählgemeinschaft des Buches: Der Fortbestand des Lebens in Freiheit »hängt davon ab, ob du und ich uns darum kümmern«743, so der Darstellungstext. An dieser Stelle wird der politische und pädagogische Auftrag der Schule angesprochen. Sie solle Schülerinnen und Schüler befähigen, sich einzubringen und teilzuhaben. Vor der Erfahrung der Vergangenheit erscheint diese Zukunftsaufgabe umso bedeutsamer und dringlicher, sodass auch sprachlich diese Kausalität aufgegriffen wird. Gleichzeitig wird durch die Konstruktion der Erzählgemeinschaft eine Verpflichtung geschaffen, sich für die Gestaltung der Zukunft gesamtgesellschaftlich einzusetzen. Im Vergleich zu den 60er-Jahren verändern sich in den 70er-Jahren zum einen die Anzahl der Autorentexte, die das Narrativ verwenden und zum anderen auch dessen sprachliche Ausformung. 15 der untersuchten 34 Autorentexte formulieren die Teilhabe an der Zukunft als grundsätzliche Pflicht der Adressaten des Geschichtsbuches. Die Autorentexte bezeichnen es als »Aufgabe« oder »Verantwortung«744 und begründen diese Erwähnungen mit der zukünftigen politischen und gesellschaftlichen Rolle der Schülerinnen und Schüler, deren Auftrag die Förderung und Wahrung der Demokratie sowie des Friedens sei.745 Die Zukunft als gestaltbare Zeitebene wird in den Kapiteln explizit angesprochen und Themenfelder benannt. Auch auf der sprachlichen Ebene unterscheiden sich die Zukunftsnarrationen vom restlichen Darstellungstext, indem die Schülerinnen und Schüler direkt angesprochen werden. Das Geschichtsbuch »Die Reise in die Vergangenheit« schließt mit einem Dialog zwischen dem Erzähler des Buches und den lesenden Schülerinnen und Schülern: »Aber ihr, 740 741 742 743 744 745

»Geschichte der Neuesten Zeit für Mittelschulen und Realschulen«, 1962, S. 139. Ebd. Ebd. »Wir erleben die Geschichte«, 1968, S. 250. »Geschichte für die Hauptschule 9«, 1977, S. 199. Vgl. ebd.

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Jungen und Mädel, die ihr die Erben der Vergangenheit seid, fragt mit Recht: Was nun? Was können wir aus den Geschehnissen lernen? Was können wir tun? Ich meine, es handelt sich dabei vor allem um folgende Fragen […]«746 formuliert der Text einen Abschluss der Geschichtsdarstellung spricht vier Themenbereiche an, die auch in Zukunft bedeutsam bleiben würden. Dabei handelt es sich um eine Warnung vor gegenwärtigen Diktaturen und dem Missbrauch der Macht, die Aufforderung zu »großräumigen Zusammenschlüssen«747 der Staaten sowie die Aufforderung zur Unterstützung der Entwicklungsländer. In den Autorentexten der 70er-Jahre ist zu beobachten, dass ausschließlich in den Zukunftsnarrationen eine Erzählgemeinschaft konstruiert wird, was die besondere didaktische Bedeutung dieser Textabschnitte zusätzlich betont. So beschreibt unter der Überschrift »Jeder muß mithelfen«748 der Autorentext in »Wir erleben die Geschichte« die Mitwirkung der Bürger als gemeinsame Aufgabe zur Erhaltung der Demokratie: »Ob wir auch künftig in einer Demokratie leben können, ob die Deutschen je wieder einen gemeinsamen Staat haben werden, ob die europäischen Völker zur Einheit finden, ob die Hungernden gesättigt werden, hängt auch von unserem Bemühen ab«749, formuliert der letzte Abschnitt des Autorentextes und verbindet einige Narrative zu diesem Aufruf. Dieser richtet sich nicht nur an die Schüler, sondern an eine sprachlich konstruierte Gemeinschaft, in die sich auch Akteure der Gegenwart einschließen. Diese Erzählgemeinschaft mitsamt der veränderten Fokalisierung schafft auch der Text in »Menschen in ihrer Zeit«, die die Schülerinnen und Schülern durch ihr zukünftiges Handeln Verantwortung für »unsere Sicherheit«750 aufträgt. In »Fragen an die Geschichte« wird als Motiv für die Suche nach einer Lösung gegenwärtiger Probleme das Ziel der »Selbsterhaltung der gesamten Menschheit«751 genannt. »Damals und heute« betont die Möglichkeit, die Zukunft zu gestalten, im historischen Vergleich, denn »noch nie in der Geschichte ist die Menschheit in so hohem Maße verantwortlich für ihr Schicksal gewesen wie in unserer Zeit, weil sie im Besitz der Mittel ist, ihre Zukunft so oder so zu gestalten«752. Im Unterschied zu den beschriebenen Autorentexten wird die Gestaltung der Zukunft in »Fragen an die Geschichte« nicht erst in den Kapiteln zur Zeitgeschichte thematisiert, sondern bereits in der Einleitung, in der begründet wird, warum das Buch mit einem Kapitel namens »Die Welt von morgen« schließt. So werde die Zukunft »durch die Vergangenheit und Gegenwart

746 747 748 749 750 751 752

»Die Reise in die Vergangenheit«, 1962, S. 307. Ebd. »Wir erleben die Geschichte«, 1974, S. 187. Ebd. »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1970, S. 252. »Fragen an die Geschichte 4«, 1978, S. 5. »Damals und heute 5. Vom Ersten Weltkrieg bis heute«, 1973, S. 171.

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mitbestimmt«753 und die Beschäftigung damit umso bedeutsamer, da durch »durch wissenschaftliche Berechnungen langfristige Zukunftsentwicklungen und Gefahren sichtbar geworden«754 seien. In »Fragen an die Geschichte – Die Welt im 20. Jahrhundert« werden am Ende des Buches die »Zukunftsfragen der Menschheit«755 aufgeführt. Von den Autorentexten der 1980er-Jahre beschäftigen sich 14 Darstellungstexte mit der Aufgabe der Zukunftsgestaltung. In »erinnern und urteilen« von 1981 konstatiert der Text, dass die Apokalypse »eine tatsächliche Möglichkeit geworden«756 sei. Einige Absätze weiter eröffnet der Text jedoch, dass »Lebensmöglichkeiten zukünftiger Generationen«757 eine Chance böten, die Zukunft »mit Mut zu Neuem, aber auch mit Sinn fürs Bewahren zu gestalten.«758 Sie trage ein »Janus-Gesicht«759, resümiert der Autorentext in »Geschichte und Geschehen IV«. Er betont die Ambivalenz von Chancen zur Gestaltung der Zukunft und der Angst, »daß falsche Entscheidungen in der Gegenwart die Lebensmöglichkeiten der Menschen in der Zukunft vernichten könnten.«760 In der Frage der Vorhersehbarkeit der Zukunft und dem Grad der möglichen Kontingenz variieren die Darstellungstexte stark. Während einige Texte Entwicklungen aus der Gegenwart in die Zukunft hinein narrativ verlängern und daraus Aufgaben formulieren, umreißen andere, dass »wir nicht oder nur sehr ungefähr [wissen], wohin diese vor unseren Augen ablaufende Geschichte gehen wird.«761 So werden auch neue Probleme entstehen, »von denen wir noch nicht wissen, welche Wirkung sie auf die Zukunft der Menschen haben werden.«762 Häufig findet sich in diesen sehr allgemeinen Textpassagen der Wechsel der Erzählperspektive und der Fokalisierung, sodass die Zukunft narrativ zu einer gemeinsam zu lösenden Aufgabe der Produzentengeneration wie der Schülergeneration wurde.763 Quantitativ häufiger als in den bisherigen Jahrzehnten leiten die Texte der 80er-Jahre eine Zukunftsaufgabe aus der Vergangenheit ab. Im Gegensatz zu dieser Steigerung reduziert sich allerdings die konkrete Aufforderung an die 753 754 755 756 757 758 759 760 761

»Fragen an die Geschichte 4«, 1978, S. 5. Ebd. Ebd., S. 266. »erinnern und urteilen IV«, 1981, S. 200. Ebd. Ebd. »erinnern und urteilen IV«, 1981, S. 235. Ebd. Diese Formulierungen finden sich auch in der Ausgabe von 1988, S. 254. »erinnern und urteilen 10«, 1984, S. 215. Als »nicht überschaubar« beschreibt der Autorentext in »Die moderne Welt, Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart« die Zukunft (1981, S. 270). 762 »Geschichte und Gegenwart. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart«, 1988, S. 162. 763 So neben den zitierten Beispielen auch in »Zeitaufnahme Band 3/4« (1983, S. 98).

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Schüler. Statt sie wie in den 60er- und 70er-Jahren noch sprachlich explizit dazu aufzufordern, sich aktiv gestaltend einzubringen, verschwinden die appellativen Elemente. Die Autorentexte fordern die Schüler auf, durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen. So beschreibt der Darstellungstext in »Geschichte und Geschehen IV«: Die »menschliche Lernfähigkeit verklammert Vergangenheit und Zukunft miteinander«764. Durch Fragen an die Geschichte sollen sich demnach neue Sichtweisen auf die Gegenwart und die Zukunft eröffnen. Die Suche nach Antworten scheint dem Autorentext besonders wichtig, da die Zukunft mit Gefahren verbunden wird. Zu Beginn des abschließenden Kapitels, dessen Titel »Geschichte für die Zukunft: erinnern und urteilen«765 bereits einen Bezug zur Zukunft herstellt, werden die grundlegenden Fragen erörtert, ob die Zukunft auf die Menschen zukomme »und droht sie zu überwältigen? Oder ergreifen die Menschen die Zukunft, um sie zu gestalten?«766 Inhaltlich beleuchtet der Autorentext Themen, von denen angenommen wird, dass sie auch zukünftig von Bedeutung bleiben: »Unüberwindbar erscheinen die Probleme unserer Zeit: Krieg und Wettrüsten; Armut und Hunger ; Umweltzerstörung und Raubbau an unersetzbaren Naturschätzen; Ausbeutung, Unterdrückung und Verletzung der Menschenrechte; Ratlosigkeit, Angst und Aggressivität der Menschen im Umgang miteinander, weil sie sich diesen Gefahren ohnmächtig ausgeliefert fühlen.«767

Aufgrund dieser Zerstörungsgewalt könne »unsere Zeit«768 mit keiner anderen Epoche verglichen werden. Der Text endet jedoch nicht mit diesen Schreckensszenarien, sondern fragt danach, wo sich Chancen auftäten, um ein »menschenwürdiges Leben aller Bewohner des Planeten zu sichern.«769 An dieser Stelle werden keine konkreten Maßnahmen in Form von Aufgaben formuliert, sondern es wird durch den Rückgriff auf die Vergangenheit nach Antworten gesucht. Die Verbindung zur Vergangenheit soll also dabei helfen, die Zukunft zu meistern. In dem Autorentext steckt der implizite Appell, sich nicht durch die Angst vor den zukünftigen »Gefahren der Welt am Ende des 20. Jahrhunderts«770 lähmen zu lassen, sondern (auch) durch das Wissen über 764 765 766 767 768 769 770

»Geschichte und Geschehen IV«, 1988, S. 281. Ebd., S. 280. Ebd. Ebd., S. 244. Ebd. Ebd., S. 245. Ebd., S. 244. In der Ausgabe »erinnern und urteilen IV Unterrichtseinheiten« von 1981 beschreibt der Autorentext, dass viele Menschen gegenwärtig eine »besorgte und pessimistische Antwort« (S. 200) auf die Frage nach der Zukunft gäben. Ihr »privates Glück« (Ebd.) sähen sie »durch Krankheit, Arbeitslosigkeit und Vereinsamung gefährdet.« Neben dieser individuellen Ebene beleuchtet der Text auch die gesamtgesellschaftliche Situation,

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die Vergangenheit, die Zukunft zu gestalten. An einer anderen Stelle des Autorentextes wird die Aufforderung zur Gestaltung der Zukunft expliziter formuliert. So solle »die Angst vor der Zukunft […] als Chance begriffen werden, die Kraft zur Selbsterhaltung der Menschheit noch zu steigern.«771 Diese Zuschreibung einer Verantwortung zur Gestaltung der Zukunft findet sich auch im Autorentext in »erinnern und urteilen«, den das gleiche Autorenteam verfasste. Auf die Frage nach einer »Richtschnur für politisches Handeln in der Gegenwart«772 wird auf die »Verantwortung für die Zukunft bei jedem Bürger«773 verwiesen. Der Autorentext in »Geschichtsbuch 4 Vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Gegenwart« formuliert angesichts der »Auseinandersetzungen um die Zukunft«774 die Frage »Lernen wir aus der Geschichte?«775. Es gelte, die verschiedenen Erwartungen an die Zukunft je nach historischem Standpunkt und den damit verbundenen unterschiedlichen Erfahrungen zu betrachten.776 Die Vergangenheit wird jedoch nicht nur als Ausgangspunkt zur Suche nach Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft beschrieben, sondern auch als Ursache der gegenwärtigen und zukünftigen Schwierigkeiten. In »Geschichte und Gegenwart 5« entwirft der Darstellungstext ein schematisches und lineares Geschichtsverständnis: Viele Probleme der Vergangenheit »sind auch die der Gegenwart. Weil sie nicht gelöst sind, werden sie auch Probleme der Zukunft sein«777, so der Autorentext. Auch »Unsere Geschichte Band 4« fragt bereits in der Einleitung, wie die Gegenwart entstand und »warum es geschah, damit wir für die Zukunft daraus lernen können.«778 Die elf Darstellungstexte der 1990er-Jahre unterscheiden sich insofern von diesen allgemeinen Ausführungen, als sie die Kontingenz der Zukunft hervorheben und die appellativen Elemente der Texte sprachlich expliziter zum Ausdruck bringen. Sie fordern die Schülerinnen und Schüler auf, den gegenwärtigen Problemen handelnd zu begegnen, doch sie konstruieren dazu keine Erzählgemeinschaft. So berührt der Autorentext in »Entdecken und verstehen Band 3« die Zukunft, indem er am Beispiel der historischen Zukunft von Kindern aus dem Jahr 1945 eine Verbindung zur Gegenwart herstellt. Wie für die Schüler 1945

771 772 773 774 775 776 777 778

in der »immer häufiger […] die Furcht vor einem dritten Weltkrieg laut« (Ebd.) werde. Das vorherrschende »Gefühl von Unsicherheit und Angst« lasse sich nicht verdrängen. Ebd., S. 245. »erinnern und urteilen IV«, 1981, S. 258. Ebd., S. 260. Auf das Engagement jedes Individuums zur Gestaltung der Zukunft verweist auch der Autorentext in »Geschichte und Gegenwart. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart« (1989, S. 214). »Geschichtsbuch 4«, 1988, S. 10. Ebd. Vgl. ebd., S. 11. »Geschichte und Gegenwart. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart«, 1988, S. 162. »Unsere Geschichte 4. Von der Oktoberrevolution bis zur Gegenwart«, 1988, S. VI.

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bleibe auch für die Gegenwart der Schülerinnen und Schüler unbeantwortet, welche Zukunft »unsere heutige Gegenwart«779 habe. Der Autorentext in »Lebendige Vergangenheit« sieht in der Beschäftigung mit Geschichte den Sinn, die Gegenwart zu erklären, »um uns auf Morgen vorzubereiten.«780 Inhaltlich deutet er die Zukunft nicht weiter, sondern konstatiert lediglich, dass aufgrund des »rasanten Tempo[s]«781 der Gegenwart die Möglichkeit bestehe, dass künftig alles anders sein könne als gestern.782Auch im Autorentext in »Geschichtsbuch 4« wird eine eher theoretische Verbindung zur Zukunft konstruiert, indem die Gegenwart als »Übergangszeit«783 beschrieben wird, »von der noch niemand weiß, wie lange sie dauern wird.«784 Mit der Formulierung, dass »wir« in dieser Übergangszeit leben, verlässt der Text die theoretische Reflexion und beschreibt die Auswirkungen der Unsicherheit für die Erzählgemeinschaft. Durch die zeitliche Ausdehnung der Unsicherheiten und Umbrüche dieser Übergangszeit auf die Zukunft bleibt diese unsicher und unübersichtlich. Auch der Autorentext in »damals« spricht die Schülerinnen und Schüler an, die »Geschichte von morgen«785 mitzugestalten. Es gebe »viel zu tun, und jeder kann etwas tun« beschreibt und verstärkt der Autorentext den Appell zur Mitgestaltung der Zukunft. Anregungen zum Engagement werden im Imperativ formuliert: »Zeige Anteilnahme und engagiere dich!«786. Als Ziele dieser Unterstützung nennt der Autorentext Arbeitsgruppen und Hilfsorganisationen für verschiedene gesellschaftliche Themen, angefangen von Partnerstädten über Flüchtlingshilfe bis hin zum Tierschutz. Konkreter werden die Aufforderungen, sich gegen Ausländerhass und die Verfolgung von Andersdenkenden zu stellen. Auch in »Entdecken und verstehen Band 3« wird betont, dass es der aktiven Gestaltung der Zukunft bedürfe. So sei es wichtig, »dass sich jeder einzelne in seinem unmittelbaren Lebensbereich für die Lösung der bestehen Probleme engagiert.«787

2.9.2 Weltfrieden als Aufgabe Das Bemühen um den Weltfrieden und damit verbunden das Vermeiden kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den Staaten wird von den Darstel779 780 781 782 783 784 785 786 787

»Entdecken und verstehen 3«, 1996, S. 247. »Lebendige Vergangenheit Band 4«, 1990, S. 174. Ebd., S. 107. Vgl. ebd. »Geschichtsbuch 4«, 1993, S. 317. Ebd. »Damals, heute, morgen 9. Geschichte / Gemeinschaftskunde«, 1994, S. 146. Ebd. »Entdecken und verstehen 3«, 1996, S. 167.

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lungstexten in allen Jahrzehnten als Aufgabe für die Zukunft formuliert. Alle sollten sich um dieses Ziel bemühen, sodass auch dieses Thema als gemeinsame Angelegenheit der Erzählgemeinschaft verstanden werden kann. Auch wenn keine konkreten Maßnahmen zur Sicherung des Friedens beschrieben werden, benennen einige Darstellungstexte die UN als friedens-verantwortliche Institution. In den 1950er-Jahren beschäftigen sich alle 38 untersuchten Geschichtsbücher mit der Wahrung des Friedens. Der Autorentext in »Europa weitet sich zur Welt, Europa in der Krise« stellt die Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft her : Die Nürnberger Prozesse sollten »alle Menschen abschrecken, noch einmal in frevelhafter Weise einen Krieg anzuzetteln«788. Die UN erfülle »die tiefe Sehnsucht aller Völker der Welt nach Frieden und Verständigung«789, so der Autorentext weiter. Exemplarisch für alle Darstellungstexte dieses Jahrzehnts kann jener aus »Geschichte unserer Zeit« genannt werden, der aus der Erfahrung des Zweiten Weltkrieges die Notwendigkeit der Sicherung des Friedens ableitet.790 22 der 38 Darstellungstexte beschreiben, dass die dauerhafte Wahrung des Friedens die zentrale Aufgabe der UN sei.791 Ihre Einrichtungen »sollen Streitfälle zwischen den Staaten schlichten, Mißstände, die einen Krieg verursachen können, beseitigen und so dem Frieden und der Sicherheit unter den Völkern dienen«792, so der Autorentext in »Geschichte unseres Volkes IV. Teil« von 1957. Fünf von 37 Geschichtsbüchern der 1960er-Jahre benennen die Sicherung des Friedens als zentrale Aufgabe für die Zukunft und zugleich die UN als dafür zuständige Institution. In »Geschichte unserer Welt« wird ein Appell an die Schüler zur Friedenssicherung gleich zu Beginn des Autorentextes platziert.793 »Die Reise in die Vergangenheit« leitet die Verpflichtung aus der Erfahrung der Vergangenheit ab. Es gelte, sich der aktiven Gestaltung der Zukunft anzunehmen, denn »es geht um die sehr schweren Fragen: Schuld – Mitschuld – Mitverantwortung – Haftung – es geht um die Frage, wie wir alle unser Leben führen

788 »Europa weitet sich zur Welt, Europa in der Krise«, 1952, S. 136. 789 Ebd. Eine »Friedenssehnsucht« beschreiben auch »Geschichte unserer Zeit« (1954, S. 106), »Lebendige Vergangenheit 5. Von 1850 bis zur Gegenwart« (1958, S. 145) sowie »Um Volksstaat und Völkergemeinschaft« (1956, S. 199). 790 »Geschichte unserer Zeit«, 1954, S. 92. 791 So in »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950, S. 108 und »Geschichte der neuesten Zeit von 1852 bis 1952«, 1952, S. 187. 792 »Geschichte unseres Volkes IV. Teil«, 1957, S. 123. 793 Vgl. »Geschichte unserer Welt«, 1961, S. 5. So auch im Anhang »Damals- Heute- Morgen« des Geschichtsbuches »Menschen in ihrer Zeit- In der frühen Neuzeit«, der von einer gemeinsamen Beteiligung »an der Verantwortung für unsere Sicherheit« (1966, S. 137) spricht.

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wollen«794. Ein Bezug zur Vergangenheit wird auch hinsichtlich der UN hergestellt: Die dauerhafte Stabilität der Institution seit dem Ende des Ersten Weltkrieges sei angesichts der internationalen Konflikte und der immer gefährlicher werdenden Waffen für den Frieden von großer Bedeutung. Der »Zusammenschluß zu immer größeren politischen Einheiten«795, so der Autorentext in »Zeitgeschichte und wir«, solle auch in Zukunft für Sicherheit und Frieden sorgen. Dies geschehe über die »politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit der Staaten«, denn »ständig wacht der Sicherheitsrat über den Frieden zwischen den Völkern«796, wie der Darstellungstext in »Von der industriellen Revolution bis heute« beschreibt. Die Autorentexte unterscheiden sich deutlich in Bezug auf die Explizitheit und Implizitheit der Zukunftsnarrationen. Der Autorentext in »Der Mensch im Wandel der Zeiten« stellt in Bezug auf die Friedenssicherung implizitere Bezüge her als die genannten Beispiele. Er beschreibt die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg und verwendet zur Beschreibung des Verhältnisses der beiden Weltmächte die Präsensform: »Noch ist die Menschheit von Friede, Freiheit und Gerechtigkeit weit entfernt«797. Mit der zeitlichen Verortung »weit entfernt« wird die gegenwärtige konfliktreiche Situation auf die Zukunft ausgedehnt. Gleich zu Beginn beschreibt der Darstellungstext in »Geschichte unserer Welt« die Sicherung des Friedens als zentrale Aufgabe für die Zukunft.798 Neben den thematisch unpezifischen Appellen zur Gestaltung der Zukunft stellen in den 1970er-Jahren drei Autorentexte vor allem die pragmatische Umsetzung dieser Forderung in den Mittelpunkt. In »Geschichte 9« wird die Friedenssicherung als die zentrale Aufgabe für die Zukunft beschrieben und aus der Kriegserfahrung der jüngsten Vergangenheit abgeleitet: »Am Frieden der Welt hängt die Zukunft der Menschheit, unseres Volkes, und damit auch das Schicksal jedes einzelnen. Jeder ist daher aufgerufen, alles zu tun, daß nie wieder die Geißel des Krieges die Menschheit heimsucht.«799 Zu der Feststellung, dass »jeder […] zur Erhaltung des Friedens beitragen« kann, indem »er in seiner 794 »Die Reise in die Vergangenheit«, 1962, S. 252. 795 »Zeitgeschichte und wir. Berichte, Dokumente, Bilder zur jüngsten Vergangenheit«, 1963, S. 144. 796 »Aus deutscher Vergangenheit. Teil 4: Von der industriellen Revolution bis heute«, 1964, S. 86. 797 »Der Mensch im Wandel der Zeiten. Geschichtsbuch für die deutsche Schule«, 1961, S. 286. Der Wortlaut findet sich identisch im Autorentext in »Damals und heute« (1965), die die Menschheit als »weit entfernt« vom Frieden und damit von einer Zusammenarbeit zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern. 798 Vgl. »Geschichte unserer Welt«, 1961, S. 5. So auch im Anhang »Damals- Heute- Morgen« des Geschichtsbuches »Menschen in ihrer Zeit – In der frühen Neuzeit«, der von einer gemeinsamen Beteiligung »an der Verantwortung für unsere Sicherheit« (1966, S. 137) spricht. 799 »Geschichte 9. Jahrgangsstufe«, 1973, S. 192.

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Umgebung gegen den Mißbrauch der Macht und für ein menschenwürdiges Leben aller eintritt«800 kommt das Geschichtsbuch »Menschen in ihrer Zeit – in unserer Zeit«. Auch zu Beginn des Darstellungstextes in »Fragen an die Geschichte« wird die Sicherung des weltweiten Friedens als Zukunftsaufgabe beschrieben.801 Der Schluss des Autorentextes in »Menschen in ihrer Zeit – In unserer Zeit« verknüpft den Appell an die Verantwortung und die Aufmerksamkeit für die Zukunft damit, dass »die Geschichte unserer Zeit […] vieles gezeigt«802 habe, »was die Menschen nie für möglich gehalten hätten«803. Der Text beschreibt den gegenwärtigen Zustand aufgrund der erfahrenen und der zukünftig möglichen Veränderungen als »Krise«804. Die Gegenwart sei geprägt davon, dass »wir alle das Empfinden haben: »So war es, aber so wie es war, kann es nicht weitergehen«805. Das Geschichtsbuch fordert dazu auf, »Krieg durch eine ›Kunst des Friedens‹ zu ersetzen«806. Dies erfordere »Mut zum Handeln, Geduld zum Zuhören, Fähigkeit zum Abwägen, Bereitschaft zum Verzicht. Phantasie zum Zusammenleben.«807 Der Autorentext von »Geschichte für die Hauptschule« formuliert den Appell für Verantwortung und Beschäftigung mit der Gegenwart anhand von Negativbeschreibungen von Verhaltensweisen der Gegenwart. Unter der Überschrift »Krise und Vergeßlichkeit«808 führt er Reaktionen auf Nachrichten über den Vietnamkrieg auf: »All das sehen wir – und sehen es doch nicht. Es berührt viele von uns nur oberflächlich. Wir leben ja in Sicherheit. Was geht uns das schon an! Information und Abendunterhaltung gehen ineinander über. Morgen haben wir es sicher vergessen. Typisch für unsere Zeit!«809

Hinter dieser drastischen Beobachtung vom gesellschaftlichen Umgang mit Nachrichten stehen ein Urteil und eine Aufforderung: Das negative Urteil betrifft die Oberflächlichkeit und impliziert als erwünschtes Verhalten, die Geschehnisse in der Welt wahrzunehmen und mitzugestalten. Eine ähnliche Mahnung findet sich auch im Autorentext in »Geschichte unserer Zeit«. Der Text beschreibt zwei Sorgen, die zu lösende Aufgaben für die Zukunft darstellen. Die eine Sorge sei »die Gefahr, daß unter der Bevölkerung eine zu starke Einstellung auf die materiellen Werte des Lebens um sich greift; eine andere die, wie die 800 801 802 803 804 805 806 807 808 809

»Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1970, S. 223. Vgl. »Fragen an die Geschichte«, 1978, S. 5. »Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1970, S. 281. Ebd. Ebd, S. 178. Ebd. Ebd., S. 219. Ebd. »Geschichte für die Hauptschule 9«, 1973, S. 203. Ebd., S. 204.

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immer größer werdende Freizeit für den arbeitenden Menschen sinnvoll ausgefüllt werden kann«810. Die durch die Automation verursachten Veränderungen der Arbeit thematisiert ebenfalls der Autorentext in »Geschichte für die Hauptschule«: »Wo früher viele Menschen schafften, laufen nun die Automaten. Was wird aus dem Menschen?«811 In den späten 1980er- und den 1990er-Jahren wird das allgemeine Postulat des Friedens in Form der Völkerverständigung konkretisiert, da diese das friedliche Miteinander sicherstellen könne. Das Geschichtsbuch »Lebendige Vergangenheit 9« von 1989 betont die große Bedeutung, dass die Staaten »unserer Erde […] trotz aller Gegensätze miteinander verflochten und voneinander abhängig sind.«812 Damit seien auch »die Probleme der Welt […] uns näher gerückt«813, erklärt der Autorentext in »Geschichtsstunden«. Als Beispiel für das ›Zusammenrücken der Völker‹, also die Globalisierung, führt der Autorentext in »Wir machen Geschichte« die olympischen Spiele an, denn ihre »Ideale (Friede und Völkerverständigung, internationale Zusammenarbeit und Solidarität) könnten als Leitideen für die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges angesehen werden.«814 Zugleich werde mit dem olympischen Motto ›Höher, schneller, weiter‹ »die Entwicklungsrichtung der Zukunft«815 angedeutet, wie der Text weiter erläutert. Das Ziel der Bemühungen um eine globale Verbundenheit solle eine »gerechte Verteilung des Wohlstands und das friedliche Zusammenleben der Völker«816 sein, formuliert der Autorentext in »Geschichte kennen und verstehen B10« als die »Zukunftsaufgaben der Menschheit«.817 Eine andere Perspektive auf die globalisierte und verbundene Welt entwirft der Autorentext in »Entdecken und verstehen Band 3«. Auf der Auftaktseite zu dem Kapitel »Sorge um die Erhaltung der Welt«818 werden politische, aber auch ökologische Probleme der Welt angedeutet, deren historischer Ursprung in dem Kapitel untersucht wird. Gemeinsam sei all den »vielen ungelösten Fragen der heutigen Welt […], daß sie den Erhalt der einen Welt gefährden.«819 Die Formulierung der »einen Welt« macht deutlich, dass der Autorentext die Welt ge810 »Geschichte unserer Zeit. Berichte, Dokumente, Bilder. 1917 – Gegenwart«, 1972, S. 217. 811 »Geschichte für die Hauptschule 9«, 1973, S. 196. 812 »Lebendige Vergangenheit 9«, 1989, S. 131. Dies betont auch der Autorentext in »erinnern und urteilen IV«, 1981, S. 200. In den späteren Ausgaben finden sich diese Formulierungen und Zukunftsbezüge ebenfalls. 813 »Geschichtsstunden 9. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit«, 1989, S. 105. 814 Guse, Michael u. a.: Wir machen Geschichte 9. Von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart. Frankfurt a.M. 1998, S. 196. 815 Ebd. 816 »Geschichte kennen und verstehen«, 1997, S. 290. 817 Ebd. 818 »Entdecken und verstehen 3«, 1996, S. 153. 819 Ebd.

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

genwärtig bereits als verbunden versteht. Die zukünftigen Herausforderungen lägen also weniger auf dem Weg zu einer global verbundenen Welt, sondern in der gemeinschaftlichen Bewältigung von Schwierigkeiten. Dieses Verständnis von der bereits globalisierten Welt verfolgt der Autorentext jedoch nicht konsequent. Im gleichen Kapitel ist an späterer Stelle von dem »Traum von der einen Welt«820 die Rede, der schon existiere, »solange es auf der Erde Menschen gibt.«821 In den acht Autorentexten der 1980er-Jahre und den neun der 90er-Jahre, die sich mit der friedenssichernden Zukunftsaufgabe der UN beschäftigen, zeigen sich auch kritische Stimmen. Einerseits nehme angesichts des drohenden Atomkriegs ihre friedenssichernde Rolle noch an Bedeutung zu, damit »nie wieder ein Krieg über die Menschheit hereinbrechen«822 werde. Andererseits könne sie »nicht mehr tun […], als Empfehlungen auszuarbeiten«823. Diese mangelnde Handlungsfähigkeit kritisiert der Darstellungstext in »Oldenbourg Geschichte für Gymnasien«: Die UN hätten »in Wirklichkeit […] aber kaum die Möglichkeiten einzugreifen, wenn ein Staat gegen die Menschenrechte verstößt«824, wie am Beispiel des mehrfachen Einsatzes von Giftgas durch Saddam Hussein in den 80er-Jahren erläutert wird, den die UN nicht wirksam verhindert hätten. Auch die »gescheiterte Mission in Somalia […], die nicht endenden Kriege im ehemaligen Jugoslawien«825 würden Überlegungen zur Umstrukturierung notwendig machen. Aufgrund ihrer Größe sei die Weltorganisation »bei den Entscheidungen schwerfällig«826. Trotz aller Kritik bleibe sie weiterhin das Forum, »wo man drängende Fragen der Menschheit vor der Weltöffentlichkeit diskutiert und gemeinsam nach einem Ausgleich der Interessen sucht.«827 Im Autorentext von »Geschichte kennen und verstehen B10« wird ihre vermittelnde Funktion betont, die dazu beitragen könne, angesichts der »enormen Spannungen in den Ländern der Dritten Welt«828 auf politischem Weg den Frieden dauerhaft zu sichern.

820 821 822 823 824 825 826 827 828

Ebd., S. 167. Ebd. »Blick in die Vergangenheit 9. Jahrgangsstufe«, 1982, S. 156. »erinnern und urteilen IV«, 1981, S. 193. »Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 10«, 1992, S. 165. »Geschichtsbuch 4. Von 1918 bis 1995«, 1996, S. 306. »Geschichtliche Weltkunde 4«, 1989, S. 235. Ebd. »Geschichte kennen und verstehen«, 1997, S. 254.

Die Analyse der Zukunftsnarrationen der westdeutschen Geschichtsbücher

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2.9.3 Fortschritt in Wissenschaft und Technik Im Zeitraum von 1950 bis 1995 greifen 12 Autorentexte das Narrativ auf, um das Voranschreiten wissenschaftlicher und technischer Entwicklungen aufzuzeigen. In den 1960er-Jahren sind es drei Autorentexte, die das Narrativ verwenden und eine kritische Perspektive auf die Zukunft entwerfen. Der Autorentext in »Menschen in ihrer Zeit – In unserer Zeit« leitet aus den voranschreitenden technischen Fortschritten eine besondere Wachsamkeit für die Gegenwart und Zukunft ab. So sei »nicht alles geblieben, wie es immer war«829. Der Darstellungstext in »Europa und die Welt – 1789 bis heute« konkretisiert diese Aussagen zu den Folgen des technischen Fortschritts: Der Einsatz von Maschinen sei »ein Vorgang, der weitgehende soziale, aber auch geistige Folgen für die arbeitenden Menschen haben wird«830. Auch der Verfassertext im fünften Band »Im vorigen Jahrhundert« der Schulbuchreihe »Menschen in ihrer Zeit« von 1967 beschreibt, dass Wissenschaft und Technik »unsere Welt immer komplizierter und unübersichtlicher«831 machen und sich die Lebensverhältnisse »fortwährend«832 wandeln würden. Zur Lösung dieser subjektiven Orientierungslosigkeit skizziert der Text durch eine rhetorische Frage die Möglichkeit, sich entweder bedingungslos einzuordnen oder aber Erfahrungen zu sammeln, »um uns ein eigenes Urteil zu bilden, auf abweichenden Meinungen zu hören und durch Kritik auch Einfluß auf unsere Umgebung zu nehmen«833. Vier Autorentexte der 1980er-Jahre erörtern die Vor- und Nachteile des technischen Fortschritts. »Technischer Wandel«834 und der daraus resultierende hohe Lebensstandard, der mit einer hohen Lebenserwartung verbunden wurde, seien »für viele Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden.«835 Gleichzeitig spricht der Text auch eine Mahnung aus und erinnert daran, dass »mit diesem Fortschritt […] die Risiken für die Zukunft gewachsen«836 seien. Es vollziehe sich eine »immer schneller werdende Entwicklung von Wissenschaft und Technik«837, konstatierte der Autorentext in »Lebendige Vergangenheit 9« bereits zu Beginn des Geschichtsbuches. Der Begriff ›Entwicklung‹ schließt dabei aufgrund seiner Prozesshaftigkeit auch die Zukunft implizit mit ein. 829 830 831 832 833 834 835 836 837

»Menschen in ihrer Zeit 6. In unserer Zeit«, 1966, S. 151. »Europa und die Welt. 1789 bis heute«, 1965, S. 247. »Menschen in ihrer Zeit 5. Im vorigen Jahrhundert«, 1967, S. 148. Ebd. Ebd. »Die Reise in die Vergangenheit«, 1988, S. 169. »Lebendige Vergangenheit 9«, 1986, S. 152. Ebd. »Lebendige Vergangenheit 9«, 1989, S. 4 sowie in »Geschichte und Geschehen IV« (1988, S. 253f.) und »Die moderne Welt, Band 2. Von den bürgerlichen Revolutionen bis zur Gegenwart« (1981, S. 270, 297).

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Nur ein Darstellungstext aus den 1990er-Jahren beschäftigt sich mit dem »doppelgesichtigen Wesen der Technik«838 und den damit verbundenen Chancen und Risiken. Im Verlauf des Textes lässt sich eine Veränderung der Perspektive auf die Zukunft des technischen Fortschritts beobachten. In dem Abschnitt »Wo bleibt der Mensch«839, wird gefragt, ob der Mensch der »unübersehbar gewordenen Informations- und Unterhaltungsflut gewachsen«840 bleibe. Offen sei, wer die technische Datenerfassung kontrolliere und »uns« vor Missbrauch schütze. Der Text beschreibt die Sorge, dass »unser unmittelbares sinnliches Erleben«841 verkümmere und »wir […] in die Isolation ›elektronischer Einsiedelei‹«842 geraten könnten. Im Hinblick auf die Zukunft sozialer Beziehungen wird die Technik als Bedrohung dargestellt.843 Diesem Erzählschema folgt der Text auch einige Seiten später. So könne die Technik zwar die menschliche Existenz erleichtern, doch erzeuge sie gleichzeitig »bedrohliche oder zerstörerische Nebenund Folgewirkungen«844. Der Mensch sei diesen technischen Entwicklungen jedoch nicht hilflos ausgeliefert. In einer Aufzählung von drei Sätzen, die alle mit der gleichen Formulierung »Wir müssen«845 beginnen, wird die Zukunft durch das Beherrschen der Technik gestaltbar. So müssten der Umgang mit Technik und das Konsumverhalten zum einen unter dem Aspekt der globalen Vernetzung reflektiert werden. Zum anderen solle sich das Handeln »an der Achtung vor Natur und Technik«846 orientieren sowie »an der Achtung vor den kommenden Generationen«. Als dritten Punkt fordert der Text, dass »wir« zum Verzicht »auf manche Selbstverständlichkeiten unseres Wohlstandsdaseins«847 bereit sein sollten. Der Abschnitt schließt mit einer Perspektive auf die Zukunft, dass diese nicht nur »Verluste und Risiken«848 berge, sondern auch »die Chance eröffnet, neue und vielleicht wertvolle Formen der Lebensgestaltung zu entdecken.«849

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»Geschichte und Geschehen«, 1998, S. 303. Ebd., S. 292. So auch in der Ausgabe G4 des »Geschichtsbuches« von 1997. Ebd. Ebd. Ebd. So auch in »Lebendige Vergangenheit Band 4«, 1990, S. 143. »Geschichte und Geschehen«, 1998, S. 303. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

Zusammenfassende Betrachtung

3.

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Zusammenfassende Betrachtung

Die Inhaltsanalyse von 223 westdeutschen Geschichtsbüchern, die zwischen 1950 und 1995 erschienen sind, zeigt, dass die Zukunft in den Autorentexten als Aufgabe für die Schülerinnen und Schüler erzählt wurde. Mehrheitlich formulierten die Darstellungstexte Aufforderungen, beschrieben Bedrohungen oder zu meisternde Herausforderungen. Dies geschieht auf zwei unterschiedliche Weisen: Zum einen durch inhaltlich und narrativ gestaltete Zukunftserzählungen und zum anderen durch einen thematisch indefiniten allgemeinen Appell, die Zukunft zu gestalten. Die Inhaltsanalyse hat acht Themen herausgearbeitet, anhand derer die Geschichtsbücher Perspektiven auf die Zukunft entwickeln: Fünf dieser Themen, ›Atomkraft‹, ›Europa‹, ›Kalter Krieg‹, ›Wiedervereinigung‹ und ›Dekolonialisierung‹, sind im gesamten Betrachtungszeitraum Bestandteil der Zukunftsnarrationen. Doch auch die übrigen drei (›Nahostkonflikt‹, ›Umwelt‹ und ›Kriegsfolgen‹) verbleiben meist mindestens zwei Jahrzehnte lang in den Geschichtsbüchern. Die Themen werden alle auf mindestens zwei grundverschiedene Weisen narratologisch in die Texte eingebunden; die Mehrzahl der Geschichtsbücher verbindet sogar zwei Themen zu einem Narrativ, sodass festzuhalten ist, dass die Zukunftsnarrationen eine große thematische Pluralität aufweisen. Quantitativ am häufigsten zeigt sich dabei das Narrativ ›Dritter Weltkrieg‹ in den Autorentexten. Mit dem Thema ›Kalter Krieg‹ ist (bis auf die Themen ›Umwelt‹ und ›Zukunft als Aufgabe‹) jedes andere Thema verknüpft: Der Konflikt beschränke sich demnach nicht nur auf die USA und die Sowjetunion, sondern zeige sich den Autorentexten zufolge auch in den Dekolonialisierungsbestrebungen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Auch der Nahostkonflikt wird in Zusammenhang mit dem Kalten Krieg gesetzt und den Folgen des Konflikts noch in den 1990er-Jahren noch eine große Bedeutung für die Zukunft beigemessen. Die untersuchten Zukunftsnarrationen machen hinsichtlich der Frage, wie Zukunft überhaupt erzählt werden könne, deutlich, dass die Geschichtsbücher konkrete Szenarien entwerfen. Die Zukunft ist damit kein offener und kontingenter Zeitraum mehr, sondern wird in den Darstellungstexten präzise beschrieben. Die Analyse der sprachlichen Mittel hat zwar Unterschiede in Bezug auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten und das Ausmaß der Entwicklungen gezeigt, doch alle untersuchten Geschichtsbücher stimmen darin überein, Zukunftsszenarien zu benennen. Inhaltlich handelt es sich dabei nicht um imaginierte Katastrophen fiktionalen Charakters, sondern um gegenwärtige Entwicklungen, die sich in die Zukunft hinein fortsetzen werden. Diese kontinuierliche Fortsetzung der Gegenwart ins Negative bedeutet auch, dass Zukunftsszenarien in den meisten Fällen keine allzu hohen Komplexitätsgrade erreichen. Im Prozess des ›Verschlimmerns‹ der Gegenwartsdiskurse verändern

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

sie sich qualitativ nicht, sondern lediglich quantitativ. Am Beispiel der drohenden Umweltkatastrophe wird dies deutlich: Die in der Gegenwart bereits sichtbaren Schäden werden sich in Zukunft noch deutlicher zeigen und ihre Auswirkungen das Leben noch dramatischer beeinflussen. Die Autorentexte ziehen allerdings nicht in Betracht, dass sich auch die Formen der Verschmutzung verändern könnten. Die Darstellungstexte beschreiben Entwicklungen von Konflikten und die Verschärfung von Krisen als kaum mehr abwendbare katastrophenähnliche Szenarien, was durch die Analyse der verwendeten sprachlichen Mittel gezeigt werden konnte. Die Kontingenz zukünftiger Entwicklungen spielt in diesen Szenarien der Geschichtsbücher keine Rolle. Die Vorstellung eines kontinuierlichen Verlaufs von der Gegenwart in die Zukunft dominierte die Darstellungstexte. In der thematischen Gestaltung der Zukunftsnarrationen treten zwei zeitstrukturierende Praxen zutage. Die eine verknüpft die jüngste Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zu einem Zeitbereich, aus dem die Erfahrungen stammen, auf deren Grundlage eine Zukunft entworfen wird. Sie wird in prospektiver Perspektive mit der Gegenwart verknüpft und wurzelt in der Vergangenheit. Diese Gestaltungsform zeigen beispielsweise die Themen ›Kalter Krieg‹, ›Umwelt‹ oder ›Dekolonialisierung‹. Sie greifen Ereignisse und Erfahrungen in einem Zeitraum auf, der längstens fünf Jahre in die Vergangenheit zurückreicht und die Diskurse der Gegenwart beinhaltet. Daraus extrapolieren sie mögliche zukünftige Entwicklungen. Diese Praxis entspricht der erziehungswissenschaftlichen und geschichtsdidaktischen Annahme der historischen »Schlüsselprobleme«850, die – auf Klafki zurückgehend – als Ausgangspunkt für die Themenfindung des Geschichtsunterrichts beschrieben wurden. Die Anbindung der Zukunft an gegenwärtige gesellschaftliche oder politische Diskurse zeigt sich exemplarisch am Verschwinden des Narrativs ›Die tapferen Deutschen‹ und dem Auftreten des Themas ›Dekolonialisierung‹ in den 1960erJahren. Diese zeitstrukturierende Praxis unterteilt die Zukunft in zwei Teile, die der Annahme verschiedener Zeittiefen zufolge, in unterschiedlicher Reichweite liegen: In einer nah an der Gegenwart verortbaren Zukunft sollen Herausforderungen und Probleme der Gegenwart gelöst werden, um in der weiter entfernt liegenderen Zukunft den Idealzustand von Frieden, Wohlstand und Sicherheit zu erleben. Zwischen diesen beiden Zukunfts-Ebenen lässt sich keine lineare Verbindung ziehen. Es handelt sich vielmehr um eine Hintergrundfolie, deren Eintreten es durch die Abwehr der apokalyptischen Bedrohung zu sichern gelte, so eine mögliche Erzähllogik. Die temporale Struktur bedingt das Erzählmuster 850 Bernhardt, Markus u. a.: Themenbestimmung im Geschichtsunterricht der Sekundarstufen, in: Barricelli, Michele/ Lücke, Martin: Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts, Band 1. Schwalbach / Ts. 2012, S. 385.

Zusammenfassende Betrachtung

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der Romanze, der »Triumph des Guten über das Böse«851, das sich in den Darstellungstexten als Zeitstruktur der Zukunft zeigt. Eine friedliche Zukunft, das Leben in demokratischer Selbstbestimmung, Sicherheit und Freiheit, war der romantische und utopische Idealzustand, den es zu schützen galt und vor dem sich ein Panorama apokalyptischer Bedrohungen eröffnete. In der gegenwartsnahen Zukunft sollten die Probleme gelöst und Herausforderungen bewältigt werden. Die zweite Praxis blickt aus der Gegenwart prospektiv in die Zukunft und verknüpft Zukunft und Vergangenheit miteinander. Der Ausgangspunkt dafür sind ebenfalls die Erfahrungen und Schwierigkeiten der Gegenwart, für die die Texte Lösungen suchen. Die Zukunftsnarration beschreibt durch diese zeitliche Erzählstruktur keinen Höhepunkt einer Entwicklung, sondern benennt einen zu erreichenden Endpunkt. Mit dem Thema ›Wiedervereinigung‹ ist ein solches Ziel verbunden, sodass die Darstellungstexte eine dementsprechende Erzählstruktur aufweisen und aus der Zukunft ableiten, was für die Gegenwart notwendig sei. Es handelt sich also nicht nur um kontinuierliche Verbindungen von der Gegenwart in die Zukunft, sondern auch um Rückgriffe der Zukunft auf die Gegenwart. Auch Verweise von der Zukunft auf die Vergangenheit werden deutlich, wie beispielsweise beim Thema ›Europa‹: Die gemeinsame Geschichte der europäischen Staaten bedinge auch deren Zusammenschluss in der Zukunft, so das Narrativ. Der Gegenwart wird in dieser temporalen Verklammerung nur eine geringe Bedeutung beigemessen, um die Zukunftsentwicklung zu beschreiben. Das Eintreten künftiger Entwicklungen stellt (in idealisierter Form) quasi die Wiederherstellung eines vergangenen Zustands dar. Beinahe stereotype Vorstellungen des 19. Jahrhunderts, das von politischer, gesellschaftlicher und kultureller Hegemonie geprägt sei und zugleich keine Auseinandersetzung um seine Vormachtstellung fürchten msste, sind die Grundlage für eine Zukunftskonzeption, die sich an zwei Themen deutlich zeigt: Zum einen an den Zukunftsnarrationen der 1950er-Jahre, die die politische Einheit Europas auf eine gemeinsame europäische Geschichte und Kultur zurückführen. Zum anderen – den gesamten Betrachtungszeitraum über – wird die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten mithilfe einer historischen Traditionslinie begründet. In beiden Fällen erhöht die lineare narrative Verbindung von Vergangenheit und Zukunft die Plausibilität des Szenarios und seine Eintrittswahrscheinlichkeit. Auf der sprachlichen Ebene unterscheiden sich die Zukunftsnarrationen deutlich vom restlichen Autorentext des Geschichtsbuches. Der krisenhafte Charakter der Zukunft wird durch Verben und Substantive und die dauerhafte Bedeutung durch den Tempuswechsel vom Präteritum zum Präsens erzeugt. Die 851 White 2008, S. 23.

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Die Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

narratologische Methode zur Analyse der Erzählperspektive hat gezeigt, dass sich in den Zukunftserzählungen die Fokalisierung des Erzählers verändert: In der Darstellung wird die neutrale darstellende Position verlassen und eine Erzählgemeinschaft mit den Schülerinnen und Schülern geschaffen. Die Lösung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen ist demnach eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe. Neben der Konstruktion einer Erzählgemeinschaft sprechen die Darstellungstexte auch die Schüler direkt an und betrauen sie als zukünftige Akteure mit der Bewältigung einer Herausforderung. Entsprechende Formulierungen zeigen sich dann, wenn es beispielsweise um Maßnahmen zum Schutz der Umwelt oder um die gesellschaftliche Aufgabe ging, sich für die Wiedervereinigung einzusetzen. Sprachlich werden die Schülerinnen und Schüler zur Gestaltung der Zukunft verpflichtet, indem die Autorentexte sie als Akteure direkt ansprechen oder benennen. Das Kriterium für die Formulierung didaktischer Appelle ist demnach die Frage, ob Schülerinnen und Schüler durch eigenes Handeln in der Lage sein würden, die geschilderten Gefahren abzuwehren und sich für die Bewältigung des Problems einzusetzen. Eine dritte Variante zeigt sich bei den überwiegend staatspolitisch zu lösenden Themen ›Kalter Krieg‹ und ›Dekolonialisierung‹. Die mit diesen Inhalten verbundenen Zukunftsszenarien werden außerhalb der Reichweite der gegenwärtigen und zukünftigen Handlungen von Schülerinnen und Schülern verortet, wie beispielsweise Schutzmaßnahmen zur Abwehr des Kommunismus. In Bezug auf diese Themen werden auch keine Appelle an die Schülerinnen und Schüler gerichtet.

III

Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Nach der Inhaltsanalyse der Zukunftsnarrationen im ersten Kapitel geht es nun um die Frage, wie diese – in vielerlei Hinsicht besonderen – Textabschnitte im Produktionsprozess der Geschichtsbücher entstanden sind. Um dies zu beantworten, ist es nötig, den Entstehungsprozess der Schulbücher insgesamt nachzuzeichnen und an entsprechenden Stellen auf die Zukunftsnarrationen einzugehen. Untersucht werden in diesem Kapitel die Mechanismen und Abläufe der Produktionsprozesse von Schulgeschichtsbüchern der Bundesrepublik Deutschland. Diese Arbeit greift auf ein praxeologisches Analyseinstrumentarium zurück, um die Entstehung von Geschichtsbüchern zu untersuchen. Daher beginnt das Kapitel mit einigen methodischen Grundlagen zur Praxeologie und zur Interaktion von Akteuren. Darauf folgt ein kurzer Überblick über die Anfänge der Schulbuchproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst ab 1950 etablierten sich die Produktionsverfahrens, die diese Analyse dann in den Blick nimmt. Das Kapitel schließt mit einem Blick auf die Arbeit der Landesschulbuchkommission für Politische Bildung, die 1972 in Nordrhein-Westfalen gegründet wurde und eine Besonderheit in der Schulbuchzulassung darstellt.

1.

Methodische Vorarbeiten

Eine Vielzahl von Akteuren ist am Produktionsprozess eines Schulbuches beteiligt: Autoren und Herausgeber, Verlagsredakteure, Mitarbeiter des Kultusministeriums und die von ihnen beauftragten Gutachter.852 In dieser Abfolge gelangen die Akteure in Kontakt mit den Autorentexten und nehmen Einfluss auf seine Gestaltung. Daher bedarf es einiger methodischer Vorannahmen, um eine 852 Damit erweitert dieses Projekt die Auflistung von Stein aus dem Jahr 1977, die bis in die Gegenwart Bestand hat, um die Akteure im Kultusministerium, die bis dato in den Beschreibungen des Entstehungsprozesses keine Beachtung fanden (vgl. Stein, Gerd: Schulbuchwissen, Politik und Pädagogik. Untersuchungen zu einer praxisbezogenen und theoriegeleiteten Schulbuchforschung. Ratingen 1977, S. 118).

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

umfassende Analyse dieses Prozesses durchzuführen. In der jüngeren Schulbuchforschung ist vom Schulbuch als »Diskursarena«853 die Rede, die »die Vielzahl und Heterogenität der an der Schulbuchproduktion Beteiligten und den Charakter der Auseinandersetzung von Schulbuchzulassungen«854 sichtbar machen soll. Folgte man dieser theoretischen Annahme, entstünde eine Diskursanalyse, die die Schulbuchinhalte auf ›außer-buchliche‹ Diskurse zurückführte und das Panorama der einflussnehmenden Diskurse aufzeigte. Es würden Verbindungen zwischen den Diskursen und ihre Teilnehmer benannt sowie ihr Ursprung untersucht. Die Analyse verbliebe auf der inhaltlichen Ebene und würde zugleich die Untersuchung der Frage verhindern, wie die Diskurse Eingang in Schulbuch fanden. Unweigerlich und zwangsläufig würde auf die Ebene der Akteure gewechselt, da die Diskurse über das Handeln der Akteure in die Bücher gelangten. Damit folgte die Analyse dem wohlbekannten Schema, dass der Autorentext die Meinung oder Interpretation der Autoren widerspiegele, die ihn verfassten. Formulierungen der bisherigen Forschung belegen dieses Verständnis und führen zu der banalen wie naheliegenden Schlussfolgerung, dass das Schulbuch Produkt der Intention, Haltung oder Meinung des Autors sei.855 Eine Alternative zu dieser personalen Zuordnung ist die Charakterisierung des entstandenen Schulbuchwissens als »Gedächtnis einer Nation bzw. Gesellschaft«856. Durch die Kollektivakteure ›Nation‹ oder ›Gesellschaft‹ wechselt der Fokus auf die Funktion des Buches und seine Entstehung rückt in den Hintergrund. Die Schulbuchanalysen fragen dann danach, welche Wissensbestände ausgewählt wurden. Im Falle des Geschichtsbuches wird diese Feststellung noch durch einen Abgleich ergänzt, welche fachwissenschaftlichen Elemente (oder Diskurse) Eingang in das Geschichtsbuch finden. Da es sich bei Geschichtsbü853 Höhne 2003, S. 61. 854 Ebd. 855 Dieses Verständnis weist in der Schulbuchforschung eine lange Tradition auf und findet sich seit den 1970er-Jahren bis heute in Forschungsarbeiten. So u.a. bei Biener, Hansjörg: Die Kreuzzüge in deutschen Religions- und Geschichtsbüchern. Berlin 2014; Freiwald, Helmut: Das Deutschlandproblem in Geschichtsbüchern, in: Freiwald, Helmut u. a. (Hg.): Das Deutschlandproblem in Schulbüchern der Bundesrepublik. Düsseldorf 1973, S. 118; Jacobmeyer 1998, S. 32; Lässig 2012, S. 49; Lißmann, Hans-Joachim: Zielprojektion »Frieden« – Schulgeschichtsbücher als Medien einer Erziehung zum Frieden in einer friedlosen Welt, in: Schallenberger, Ernst Horst/Stein, Gerd (Hg.): Das Schulbuch zwischen staatlichem Zugriff und gesellschaftlichen Forderungen. Kastellaun 1978, S. 249–250; Möhring, Andrea/Steinbach, Matthias: »Entweder regiert Ebert oder Liebknecht«. Zum Umgang mit der Revolution 1918/19 im Schulbuch. Skizze eines deutsch-deutschen Vergleichs, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik. Zeitschrift für historisch-politische Bildung, Beiträge und Nachrichten für die Unterrichtspraxis 28 (2000) H. 3–4, S. 194; Reich, Brigitte: Erziehung zur Völkerverständigung und zum Frieden. Ein internationaler Vergleich zur Umsetzung der UNESCO-Empfehlung in Geschichts- und Sozialkundebüchern der Sekundarstufe II. Frankfurt a.M./New York 1989, S. 265; Schinkel 2018, S. 201, 205). 856 So beispielsweise Jacobmeyer 1998, S. 27; Lässig 2012, S. 47.

Methodische Vorarbeiten

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chern um didaktisch funktionalisierte, quantitativ begrenzte und daher inhaltsreduzierende Medien handelt, können sie keine vollständigen fachwissenschaftlichen Darstellungen enthalten, wie Schönemann und Thünemann betonten. Diese »Eigenlogik des Mediums«857 muss in der Analyse Beachtung finden. Wenn dies nicht geschieht, erscheinen auch gegenwärtig Schulbuchanalysen als gemilderte Form der Schulbuchschelte der 1970er- und 80er-Jahre, indem sie die verkürzte Darstellung, die eigentlich und zwangsläufig eine reduzierte sein muss, kritisieren. Dergestaltige Analysen verbleiben auf der inhaltlichen Ebene. Sie beschreiben die Inhalte zwar detailliert und zeigen ihren (fachwissenschaftlichen) Ursprung auf, doch geben sie keine Antwort darauf, wie Wissen in das Schulbuch gelangt und durch welche Mechanismen es zu dem geformt wird, was sich im Autorentext präsentiert. Um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie die Schulbuchnarrationen entstehen, bedarf es einer Analyse, die über Benennung von Diskursen hinausgeht. Auch die Verwendung der phänomenologischen Methode in der Schulbuchforschung verbleibt auf einer deskriptiven Ebene, die auf die Frage nach dem Entstehungsprozess von Schulbuchinhalten nur unzureichende Antworten geben kann. Eine methodische Öffnung der Schulbuchforschung erscheint angesichts dieser aufgezeigten Grenzen notwendig, um aussagekräftige Antworten auf die Forschungsfrage dieses Vorhabens zu finden. Wie im Folgenden gezeigt wird, ermöglicht die Praxeologie ein präzises Instrumentarium, das erstmals zur Schulbuchanalyse und im geschichtsdidaktischen Forschungskontext angewandt wird. Das Verhältnis von Diskursen und Praktiken lässt sich mit Schatzkis Ausführungen zur Praxeologie als »nexus of doings and sayings«858 beschreiben. Diskurse sind demnach Bestandteile der Praktiken und gestalten so auch das Schulbuch mit. In der Betrachtung des Verhältnisses von Diskursen und Praktiken hat die Forschung betont, dass es sich nicht um einen Gegensatz, sondern um komplementäre Begriffe und Analysekategorien handelt: Praxeologisch vollziehe sich das Hervorbringen diskursiver Strukturen und umgekehrt würden auch Diskurse die Gestalt und Veränderung von Praktiken beeinflussen.859 Durch dieses interdependente Verhältnis werden auch in der Analyse diejenigen zeitgenössischen Diskurse eine Rolle spielen, welche Eingang in die Autoren857 Schönemann/Thünemann 2010, S. 7. 858 Schatzki, Theodore R.: Social practices: AWittgensteinian approach to human activity and the social. Cambridge 1996, S. 89. 859 Vgl. Schäfer, Hilmar : Eine Mikrophysik der Praxis – Instanzen diskursiver Stabilität und Instabilität im Anschluss an Michel Foucault, in: Landwehr, Achim (Hrsg.): Diskursiver Wandel. Wiesbaden 2010, S. 122–125; Füssel, Marian/Neu, Tim: Doing Discourse. Diskursiver Wandel aus praxeologischer Perspektive, in: Landwehr, Achim (Hrsg.): Diskursiver Wandel. Wiesbaden 2010, S. 222–224.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

texte finden. Im Mittelpunkt steht aber weiterhin die Frage nach den Produktionspraktiken. Um darauf eine Antwort finden zu können, wird der analytische Blick zunächst weg von der semantischen Ebene und der Frage, welches Wissen sich in Schulbüchern findet und hin zu der Frage gerichtet, wie Geschichtsbücher produziert werden. So banal dies erscheinen mag, eröffnet sich mit der Beantwortung doch ein komplexer Prozess, der keineswegs so statisch abläuft, wie er bisher beschrieben wurde. Um die Quellen systematisch bearbeiten zu können, bedarf es eines methodischen Instruments, das der Vielzahl von Abläufen und Ausnahmen gerecht wird. Die Praxeologie ermöglicht es, vielfältige und unterschiedlichste Praktiken zu beleuchten und zu unterscheiden. Damit wird es methodisch möglich, die unterschiedlichen Phasen des Entstehungsprozesses differenziert zu beleuchten und die Praktiken aller beteiligten Akteure zu untersuchen. Die Vielzahl dieser Praktiken wird als »Praktikenkomplex«860 zusammengefasst, der durch einen »bestimmten praktischen Sinn, das heißt einen Komplex von impliziten Interpretationsformen, know-how-Wissen […] strukturiert wird.«861 Praktiken können eine intersubjektive, aber auch eine interobjektive Struktur haben. So erwähnt Reckwitz in seinen theoretischen Grundlagen zur Praxeologie sogar »Texte […] als Bestandteile von bestimmten Rezeptions- und Produktionspraktiken«862. Eine strenge Auslegung der Praxeologie versteht Praktiken als körperlich verankerte routinierte Verhaltensweisen, sodass Handlungen ohne subjektive Intentionen vollzogen werden. Sie verneint die Existenz eines »›autonomen‹ Menschen als Akteur«863, sondern sieht Akteure als Träger von Praktiken an, die ihm eine bestimmte Funktion zuschreiben. Diesem strengen Verständnis folgt diese Analyse nicht, sondern geht davon aus, dass die Akteure ihre Praktiken mitbestimmen, da die Gestaltung von Schulbuchtexten reflektierter geschieht als beispielsweise routinierte Praktiken des Alltags, wie Reckwitz sie als Beispiele anführt. Von großer methodischer Bedeutung sind jedoch die praxeologischen Annahmen über die Formung der Praktiken: Die Praxeologie ermöglicht es, die »Interiorisierung der Exteriorität und die Exteriorisierung der Interiorität«864 sichtbar zu machen. Die »Implizitheit des Sinns«865 in den Praktiken befreit die 860 Reckwitz, Andreas: Auf dem Weg zu einer kultursoziologischen Analytik zwischen Praxeologie und Poststrukturalismus, in: Wohlrab-Sahr, Monika (Hrsg.): Kultursoziologie. Paradigmen – Methoden – Fragestellungen. Wiesbaden 2010, S. 190. 861 Reckwitz, Andreas: Die Kontingenzperspektive der »Kultur«. Kulturbegriffe, Kulturtheorien und das kulturwissenschaftliche Forschungsprogramm, in: Ders. (Hrsg.): Unscharfe Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie. 2. Aufl., Bielefeld 2010, S. 44. 862 Ebd. 863 Reckwitz 2010, S. 190. 864 Bourdieu, Pierre: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. 2. Aufl., Frankfurt a.M. 2009, S. 147. 865 Reckwitz 2008, S. 191.

Methodische Vorarbeiten

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Analyse von Mutmaßungen über Intentionen und Handlungsziele der Akteure, sondern nimmt an, dass ihren Praktiken diese bereits einverleibt sind. Es handelt sich bei diesem »impliziten Sinn«866 um implizites, inkorporiertes Wissen, das »kaum je verbalisiert«867 wird und sich daher auch nicht in Diskursen niederschlagen würde. Es steuert Praktiken und den »Umgang mit Artefakten«868. Analytisch wird das implizite Wissen bzw. die implizite Wissensordnung eines Praktikenkomplexes in der Gestaltung der Praktiken fassbar. Dies ist nicht durch einen einfachen Umkehrschluss möglich, sondern erfordert Rückschlüsse auf die »impliziten Schemata«869, die hinter »expliziten Äußerungen, Handlungen, Umgangsweisen mit Dingen«870 stehen. Es gilt, die Deutungsmuster zu rekonstruieren, die sich in den Praktiken äußern. Das Produkt dieses Praktikenkomplexes ist der Schulbuchtext, in dem diese impliziten Wissenspropositionen als explizite sichtbar werden, wenn ihnen »ein Satz(teil) an der Textoberfläche entspricht.«871 Die Produktionspraxis von Schulbüchern besteht aus einem Praktikenkomplex verschiedener Akteure und zahlreicher Praktiken im Umgang mit dem Artefakt ›Schulbuch‹. Es handelt sich um ein Artefakt, das in seinen Produktionsprozess zwangsläufig eingebunden ist. Wie die Akteur-Netzwerk-Theorie geht auch die Praxeologie von einer »Eigenmächtigkeit«872 der Artefakte aus: Sie sind zugleich »Gegenstand der Verwendung und Benutzung und zugleich beeinflussen sie die Form, die soziale Praktiken überhaupt haben können.«873 Im Mittelpunkt dieser Analyse stehen »die Praktiken mit Artefakten«874 und die Annahme, jene »shape and are shaped by human practice«875. Anders als bei Latour beschreibt Hörning die Artefakte weniger als eigenständige Akteure, sondern den Umgang mit den Dingen seitens der Akteure. Auch Röhl folgt diesem Verständnis, wenn er feststellt: »[…] objects are part of complex and interwoven assemblages involving human actors, practices and things.«876 In der 866 867 868 869 870 871 872 873 874 875 876

Ebd. Ebd. Ebd., S. 192. Ebd., S. 196. Ebd. Titzmann, Michael: ›Wissen und Wissensgeschichte. Theoretisch-methodologische Bemerkungen‹, in: Burkhard, Thorsten/Hundt, Markus (u. a., Hg.): Natur, Religion, Medien. Transformationen frühneuzeitlichen Wissens. Berlin 2013, S. 19. Reckwitz 2008, S. 193; Röhl, Tobias: Disassembling the classroom – an ethnographic approach to the materiality of education, in: Ethnography and Education 7 (2012) H. 1, S. 109. Ebd. Wieser, Matthias: Inmitten der Dinge. Zum Verhältnis sozialer Praktiken und Artefakte, in: Hörning, Karl Heinz/Reuter, Julia (Hrsg.): Doing culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis. Bielefeld 2004, S. 93. Röhl 2012, S. 109. Ebd.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Interaktion zwischen Akteur und Artefakt, indem »der Mensch die Dinge handelnd und deutend erfaßt und einsetzt, wirken diese auf ihn ein«877. Am Beispiel des Computers hat Hörning beschrieben, dass Artefakte nicht nur eine »bedeutungsstrukturierende und handlungsorientierende«878 Funktion, sondern auch eine »bedeutungsunterminierende und desorientierende Rolle«879 einnehmen können. Dass auch Schulbücher diese Funktion einnehmen können, hat bereits Stein 1976 angedeutet. Für die Schulbuchforschung hat er daraus abgeleitet, dass sich mit dem Schulbuch als »Produkt und Faktor gesellschaftlicher Prozesse sowie als einem zeitgeist-bestimmten und -bestimmenden Spiegel des Alltagsbewusstseins«880 beschäftigt werden müsse. In dieser Beschreibung Steins wird eine Annahme deutlich, die von der bisherigen Schulbuchforschung tradiert wurde und bis heute Bestand hat. Schulbücher gelten als gesellschaftliches Produkt, als »Gedächtnis der Gesellschaft oder Autobiographie der Nation«881. Diesem Verständnis folgt die Phänomenologie, der die Schulbuchforschung sehr zugeneigt ist, indem sie die Inhalte aufzeigt, die als gesellschaftlich intendiertes Wissen bewahrt werden sollen. Aus praxeologischer Sicht hält die Annahme des Kollektivakteurs ›die Gesellschaft‹ nicht stand. Es erscheint nicht zielführend, die Vielzahl der Praktiken einem Akteur zuzuordnen, denn wie soll der Kollektivakteur ›Gesellschaft‹ ein Schulbuch schreiben? Diese Analyse fokussiert daher auf die jeweiligen Akteure und untersucht die Praktiken im Produktionsprozess des Geschichtsbuches. Es wird auch um die Frage gehen, inwiefern und auf welche Weise die verschiedenen Akteure in den Phasen der Entstehung eines Geschichtsbuches dessen Inhalte aushandeln. Eine Schwäche der Praxeologie bleibt die Frage nach der Intentionalität von Handlungen (siehe oben). Um die Frage zu lösen und das Methodenset der Analyse abzuschließen, wird für die Zusammenarbeit der Akteure und die Funktionalität des Produktionsprozesses in Anlehnung an Bourdieu angenommen, dass die Akteure und das Artefakt auf einem »Feld«882 interagieren. Mit dieser Wahl wird vermieden, Akteuren Intentionen und Handlungsmotive zuzuschreiben und damit den Bereich des Spekulativen zu betreten. Dennoch kann über Handlungsmechanismen und Hintergründe von Praktiken Auskunft gegeben werden, da deren kausale Ursache zumindest zum Teil weder an die Akteure noch an das Artefakt gebunden ist. Das Miteinander der Akteure im 877 Hörning, Karl Heinz: Experten des Alltags. Die Wiederentdeckung des praktischen Wissens. Weilerswist 2001, S. 68. 878 Ebd., S. 95. 879 Ebd. 880 Stein, Gerd: Das Schulbuch als »Politicum«, in: Ders. (Hrsg.): Schulbuchkritik als Schulkritik. Hinweise und Beiträge aus politikwissenschaftlicher Sicht. Saarbrücken 1976, S. 10. 881 Jacobmeyer 1998, S. 26. 882 Bourdieu, Pierre: Soziologische Fragen. Frankfurt a.M. 1993, S. 108.

Die Produktion von Schulbüchern

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Kontext der Gestaltung der Geschichtsbücher kann mit Bourdieu als das Feld Schulbuchproduktion beschrieben werden. Als Feld versteht Bourdieu thematische Räume, in denen Akteure in der Auseinandersetzung um »Interessenobjekte«883 nach bestimmten Regeln interagieren. Immanente und »invariante Funktionsgesetze«884 bestimmen das jeweilige Handeln auf dem Feld. Die Akteure verbindet darüber hinaus auch, dass sie »bestimmte Grundinteressen gemeinsam [haben], nämlich alles, was die Existenz des Feldes selbst betrifft.«885 Blaschke bediente sich zur Analyse der Zusammenarbeit von Historikern und Verlegern ebenfalls der Feldtheorie.886 Er betonte, dass diese Methode einen »relativ autonomen ›Spiel-Raum‹ zwischen Verlegern und Historikern mit eigenen Gesetzen und Hierarchien, mit eigenen Codes und Kapitalflüssen, mit bestimmten Positionen aller Akteure und mit ständig neuen Positionierungen«887 sichtbar mache. Auch das nicht-verbalisierte implizite Wissen der Akteure werde so sichtbar, selbst wenn die Akteure die Spielregeln nicht verbalisierten und wie »das Arkanum hüten, über das zu reden geschmacklos scheint.«888

2.

Die Produktion von Schulbüchern

2.1

Forschungsstand

Einige Arbeiten zur Schulbuchforschung haben sich der praxeologischen Methode bereits bedient und untersuchten Lektürepraktiken der Schülerinnen und Schüler oder die Zirkulation von Schulbüchern im 18. Jahrhundert.889 Aufgrund 883 884 885 886

Ebd. Ebd., S. 107. Ebd., S. 109. Vgl. Blaschke, Olaf: Verleger machen Geschichte. Buchhandel und Historiker seit 1945 im deutsch-britischen Vergleich. Göttingen 2010, S. 555–579 sowie Blaschke, Olaf: Rezeptheft für Studienräte oder Wissenschaftsforum? 60 Jahre »Geschichte in Wissenschaft und Unterricht« und die unbekannte Rolle ihres Gründers Gerhard Aengeneyndt, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 61 (2010) 10, S. 570. 887 Blaschke, Rezeptheft für Studienräte, 2010, S. 570. 888 Ebd., S. 578. 889 Vgl. Hellekamps, Stephanie u.a.: Einleitung: Schulbücher und Lektüren in der vormodernen Unterrichtspraxis, in: Dies. (Hg.): Schulbücher und Lektüren in der vormodernen Unterrichtspraxis. Wiesbaden 2012, S. 3; Chapron, Emmanuelle: Das Elementarschulbuch im 18. Jahrhundert. Räumliche Ausbreitung und Handelspraktiken zwischen Paris und der Champagne (1680–1730), in: Stephanie Hellekamps/Jean-Luc Le Cam/Anne Conrad (Hrsg.), Schulbücher und Lektüren in der vormodernen Unterrichtspraxis. Wiesbaden 2012, S. 93. Macgilchrist und Müller beschrieben bisher als einzige »Praktiken der Schulbuchproduktion«, ohne jedoch den methodischen Mehrwert zu betonen oder quellenanalytische Arbeit zu leisten (Macgilchrist, Felicitas/Müller, Lars: Kolonialismus und Modernisierung. Das Ringen

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

der thematischen Nähe sollen auch Arbeiten zur Geschichte des Buchhandels, die die Produktion von Büchern thematisieren, sowie literatursoziologische Arbeiten einbezogen werden.890 Neben der Forschungsliteratur werden auch Texte herangezogen, die weder eindeutig als Forschungsliteratur noch als Quelle behandelt werden können. Es handelt sich um selbstreferentielle Texte, die von Schulbuchautoren oder -gutachtern in Form von Zeitschriftenaufsätzen erschienen und zwar Aufschluss über Produktionspraktiken geben, eher allerdings scharfe Kritik am Zulassungsverfahren beinhalten, wenn nicht sogar Kritik an anderen Akteuren.891 Die Analyse des Produktionsprozesses von Schulbüchern ist ein seit langem bestehendes und beschriebenes Forschungsdesiderat. Weinbrenner konstatierte 1995, dass »nichts über die Entwicklungsarbeit, Motive und Interessen von Schulbuchautoren bei der Konzeption eines Schulbuches«892 in Form von Analysen vorliege. Außerdem sei nur »sehr wenig über die Zulassung bzw. Nichtzulassung von Schulbüchern, über die Auseinandersetzung mit der Zulassungsbehörde, über die vermeintliche oder tatsächliche Willkür von Ableh-

um ›Afrika‹ bei der Schulbuchentwicklung, in: Manuel Assner, Manuel u.a (Hg.): AfrikaBilder im Wandel? Quellen, Kontinuitäten, Wirkungen und Brüche. Frankfurt a.M. 2012, S. 207). Jüngst legte der amerikanische Literatursoziologie Childress eine Arbeit vor, die den Entstehungsprozess eines Romans und dabei besonders das Zusammenspiel zwischen »creation, production and reception« (Childress, Clayton: Under the cover: The creation, production, and reception of a novel. Princeton, Oxford 2017, S. 1) in den Mittelunkt stellte. Bei der Entstehung eines Buches nur vom Autor auszugehen, sei »like trying to describe an elephant by describing only its ear« (Ebd., S. 4). 890 Vgl. Blaschke, Verleger machen Geschichte, 2010. Blaschke betrachtete in seinen Arbeiten die Zusammenarbeit von Autoren und Verlegern, wobei er letzteren größeren Einfluss auf die Buchproduktion zuschrieb als bisher von der Forschung angenommen. 891 Vgl. Altmann, Peter : Zum Mechanismus heutiger Schulbuchproduktion, in: Deutsche Kommunistische Partei (Hrsg.): Kampf der Verdummung. Materialien der Schulbuchkonferenz der DKP Hessen am 6. Juni 1971 in Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 1971, S. 33–43; Braeunlich, Jochen: Das Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren von Schulbüchern in den einzelnen Bundesländern, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Frankfurter Ausgabe 31, 1975, S. 311–317; Flechsig, Karl-Heinz/Haller, Dieter : Entscheidungsprozesse in der Curriculumentwicklung. Donauwörth 1973, S. 55–60; Fohrbeck, Karla u. a.: Heile Welt und Dritte Welt. Medien und politischer Unterricht I. Schulbuchanalyse. 2. Aufl., Opladen 1971, S. 88–103; Klemenz, Lola: »Ware Geschichtsschulbuch«. Wie »Geschichte« in die Schulbücher kommt, in: Praxis Geschichte 11 (1997) 2, S. 60–62 sowie Meier, Richard: Erfahrungen eines Autors mit der Genehmigung von Schulbüchern, in: Rauch, Martin (Hrsg.): Schulbücher für den Sachunterricht. Überblick, Analysen, Entscheidungshilfen. Frankfurt a.M. 1986, S. 83–93. Dass der ideologische Hintergrund der Autoren ihre Kritik am Produktionsprozess mitunter deutlich beeinflusst, zeigt die Kritik der Arbeitsgemeinschaft Buchproduktion (Bremen) im Sozialistischen Lehrerbund von 1973 (vgl. Sozialistischer Lehrerbund: Materialien zur Schulbuchproduktion. Analyse, Tendenzen, Alternativen. Reihe Roter Pauker, H. 8. Frankfurt a.M. 1973, S. 25–28). 892 Weinbrenner 1995, S. 23.

Die Produktion von Schulbüchern

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nungen«893 bekannt. 2006 wurden von Hessenauer die »vielfältigen Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen«894 der Schulbuchproduktion beschrieben, doch erinnert diese Darstellung stark an die Ausführungen Schönemanns von 1982 und Weinbrenners von 1992 und 1995. In den theoretischen Beschreibungen des Produktionsprozesses wurde in der Schulbuchforschung seit rund 20 Jahren die Forderung nach einer quellenbasierten Arbeit wiederholt. In regelmäßigen Abständen wird konstatiert, dass die Schulbuchproduktion »fast ganz vernachlässigt«895 sei, da »insgesamt ziemlich wenig«896 Forschung vorliege. Einige Beschreibungen betrafen den Ablauf des Produktionsprozesses und benannten die beteiligten Akteure. 2014 wurde die theoretische Differenzierung vorgenommen, ob die »Schulbuchproduktion in geschlossenen Zirkeln auf der Grundlage von eingespielten Regelwerken organisiert wird oder aber Gegenstand einer öffentlichen Debatte ist, an der sehr viele Akteure beteiligst sind.«897 Weinbrenner legte 1992 eine Liste von Analysefragen vor und zeigte das Desiderat der »prozessorientierten Schulbuchforschung«898 auf: »Wir wissen nichts über die Entwicklungsarbeit, über den Anteil von Einzel- und Teamarbeit, über die vielen gescheiterten Schulbuchprojekte und die Gründe dieses Scheiterns. Wir wissen sehr wenig über die Zulassung bzw. Nichtzulassung von Schulbüchern, über die Auseinandersetzung mit der Zulassungsbehörde, über die vermeintliche oder tatsächliche Willkür von Ablehnungen, über Art und Anzahl der Auflagen usw.«899

2006 wurden diese Fragen von Hessenauer um einige Aspekte ergänzt: Zu untersuchen seien »Rückkopplungseffekte zwischen Schulbuch und Lehrplan«900, der »Zusammenhang zwischen Schulbuchproduktion und Schulbuchfinanzierung«901 sowie die »Rekrutierung von Autoren, Herausgebern 893 Ebd., S. 24. 894 Hessenauer, Heike: Die Produktion von Schulbüchern. Zwischen rechtlichen Vorgaben und unternehmerischem Kalkül, in: Handro, Saskia/ Schönemann, Bernd (Hg.): Geschichtsdidaktische Schulbuchforschung. Münster 2006, S. 268. 895 Friedrich, Cathrin u. a.: Schulbücher und ihre Bedeutung für regionenbezogene Identifikationsprozesse, in: Friedrich, Cathrin u. a. (Hg.): Die Rolle von Schulbüchern für Identifikationsprozesse in historischer Perspektive. Leipzig 2002, S. 14. 896 Schönemann/Thünemann 2010, S. 48. 897 Fuchs, Eckhardt u. a.: Das Schulbuch in der Forschung. Analysen und Empfehlungen für die Bildungspraxis. Göttingen 2014, S. 17. 898 Weinbrenner, Peter : Grundlagen und Methodenprobleme sozialwissenschaftlicher Schulbuchforschung, in: Fritzsche, Karl Peter (Hrsg.): Schulbücher auf dem Prüfstand. Perspektiven der Schulbuchforschung und Schulbuchbeurteilung in Europa. Frankfurt a.M. 1992, S. 34. 899 Ebd., S. 36–37. 900 Hessenauer 2006, S. 270. 901 Ebd., S. 275.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

und Beratern«902. 2010 betonten Schönemann und Thünemann das Desiderat erneut. Dieses Vorhaben versucht, auf einige der gestellten Fragen erste Antworten zu geben und damit Leerstellen im Produktionsprozess von Schulbüchern zu schließen. Die Untersuchung baut auf den theoretischen Annahmen auf, die die Forschung in Bezug auf die Einflussfaktoren und einige Teilbereiche der Schulbuchproduktion herausgearbeitet hat. Die Schulbuchforschung von Stein ist noch immer der Referenzpunkt für die Frage nach den Determinanten der Schulbuchproduktion. 1976 beschrieb er das Schulbuch als »Politicum«903, da es »Gegenstand politischer Auseinandersetzungen, […] Kostenfaktor im Rahmen öffentlicher Bildungsausgaben, […] Investitionsprojekt für Verlage«904 und »Instrument staatlicher Kontrolle von Unterricht und Erziehung«905 sei. Becher ergänzte Steins Auflistung, dass auch »ökonomische Zwänge, die Politik der Verlage, die öffentliche Meinung«906 Einflussfaktoren auf die Gestaltung von Schulbüchern seien. Die Geschichte der Schulbuchverlage wurde bisher lediglich im Zusammenhang mit Darstellungen zur Geschichte des deutschen Buchhandels angeschnitten. Diese Arbeiten haben bisher schwerpunktmäßig die Entwicklung der Verlagslandschaft bis 1949 betrachtet und widmeten sich außerdem eher globalen Beschreibungen von Verlagsgründungen, als dass sie die Entstehung einzelner Bücher nachzeichneten. Eine Ausnahme stellt die Arbeit von Teistler907 dar, die sich mit der Entstehung von Schulbüchern und der Arbeit der Verlage in der Zeit von 1945 bis 1949 beschäftigte. In Teistlers Darstellung standen die Lehrmittel – und darunter auch die ersten Bändchen für den Geschichtsunterricht – der unmittelbaren Nachkriegszeit im Mittelpunkt, wobei der Schwerpunkt der Untersuchung auf der Arbeitsweise der Verlage und dem Zusammenspiel zwischen Schulbuchverlagen und Militärverwaltungen lag. Die Entstehung einzelner Textabschnitte in Geschichtsbüchern wurde in der chronologischen Betrachtung der Schulbuchpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg nicht thematisiert. Vielmehr wurden die operativen Mechanismen der beginnenden Schulbuchproduktion durch die Verlage beleuchtet, da das Bestreben der alliierten Bildungspolitik eine möglichst zügige Produktion von Lehrmitteln 902 903 904 905 906

Ebd., S. 277. Stein 1976, S. 25. Ebd. Ebd. Becher, Ursula: Schulbuch, in: Pandel, Hans-Jürgen/ Schneider, Gerhard (Hg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. 4. Aufl., Schwalbach /Ts. 2007, S. 46. 907 Vgl. Teistler, Gisela: Schulbücher und Schulbuchverlage in den Besatzungszonen Deutschlands 1945 bis 1949. Eine buch- und verlagsgeschichtliche Bestandsaufnahme und Analyse. Wiesbaden 2017. Teistler benennt in detailreicher Präzision die erschienenen Geschichtsbücher unter alliierter Verwaltung und skizziert die Rahmenbedingungen für die Entstehung der Lehrmittel.

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war, um nach dem Verbot nationalsozialistischer Schulbücher den Lehrern neue Bücher zur Verfügung zu stellen. Die Aushandlung von Lehrbuchinhalten steht hinter dieser pragmatischen Anforderung zurück, der auch die historische Darstellung folgte und den sich entwickelnden Schulbuchmarkt untersuchte. Auf die Zeit des 19. und frühen 20. Jahrhunderts konzentrierte sich auch Titels Analyse der »Marktsituation«908 der Schulbuchverlage, die ebenfalls keine konkreten Produktionsprozesse in den Blick nahm. Andere Arbeiten zur Geschichte der Schulbuchentstehung beschäftigten sich mit der Frage, inwiefern zu Beginn des 20. Jahrhunderts Einfluss auf »die Vermittlung regionenbezogener Inhalte«909 genommen wurde. Den ökonomischen als den dominierenden Faktor der Schulbuchproduktion rückte Keiderling in den Mittelpunkt und schilderte den schematischen Entstehungsprozess eines Schulbuches, der maßgeblich vom wirtschaftlichen Interesse des Verlags gesteuert werde. Die Handlungen der Akteure, wie beispielsweise die Arbeit des Verlegers am Schulbuchmanuskript, hatten vornehmlich das Ziel, das Buch »dem erwarteten Zielpublikum«910 und »den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen«911 anzupassen. Schönemann beschrieb 1982, dass es die »wirkungsmächtigen Einflüsse, die Schulbuchmärkte und Verlagsstrategien, gültige Richtlinien und Lehrpläne, vorhandene Empfehlungen und bevorstehende Zulassungsverfahren, auktoriale Befindlichkeiten und Motivationen«912 seien, die sich auf die Produktion von Schulbüchern auswirkten. Dass die didaktische Konzeption nicht das zentrale Kriterium für die Zulassung eines Schulbuches sei, zeigte Bühl-Gramer in ihrer Untersuchung der Bedingungen der Schulbuchproduktion in Italien. Auch wenn an dieser Stelle kein Vergleich zwischen italienischen und deutschen Produktionsbedingungen 908 Titel, Volker : Die Marktsituation des Schulbuchhandels im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Friedrich, Cathrin u. a. (Hg.): Die Rolle von Schulbüchern für Identifikationsprozesse in historischer Perspektive. Leipzig 2002, S. 71. Den jüngsten Überblick über den gegenwärtigen deutschen Schulbuchmarkt legte 2010 Baer vor (vgl. Baer, Andreas: Der Schulbuchmarkt, in: Fuchs, Eckhart u. a. (Hg.): Schulbuch konkret. Kontexte – Produktion – Unterricht. Bad Heilbrunn 2010, S. 68–83). 909 Niedermeier, Stefan: Der Einfluss von Staat und Buchmarkt auf die Vermittlung regionenbezogener Inhalte in Lehrmitteln für die Volks- und Bürgerschulen Böhmens und Mährens, in: Friedrich, Cathrin u. a. (Hg.): Die Rolle von Schulbüchern für Identifikationsprozesse in historischer Perspektive. Leipzig 2002, S. 46. 910 Keiderling, Thomas: Der Schulbuchverleger und sein Autor. Zu Spezialisierungs- und Professionalisierungstendenzen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Friedrich, Cathrin u. a. (Hg.): Die Rolle von Schulbüchern für Identifikationsprozesse in historischer Perspektive. Leipzig 2002, S. 87. 911 Ebd., S. 88. 912 Schönemann, Bernd: Determinanten der Darstellung der polnischen Geschichte am Beispiel des dreibändigen Schullehrbuches »Geschichtliche Weltkunde«, in: Jeismann, KarlErnst/Quandt, Siegfried (Hg.): Geschichtsdarstellung. Determinanten und Prinzipien. Göttingen 1982, S. 82.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

erfolgen soll, ist das Ergebnis der Darstellung von Interesse: So bildeten in Italien hauptsächlich die »wissenschaftliche Qualität, der Bekanntheitsgrad eines Schulbuchautors oder des Verlags«913 die Beurteilungsgrundlage, während die »didaktische Qualität häufig nur sehr oberflächlich begutachtet«914 worden sei. 1978 beschäftigten sich Lackamp und Ziegenspeck mit Schulbüchern für die Orientierungsstufe und gingen anhand von zehn Gesichtspunkten auch auf die Zulassungsbedingungen ein. Sie kritisierten dabei vor allem die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern, die aufgrund »kaum aufeinander abgestimmter Begutachtungsverfahren oder unterschiedlicher politischer Konstellationen«915 vorherrschten. Auch die Auswahl der Gutachter war für sie ein Kritikpunkt, da die Auswahlmethoden für Gutachter nicht transparent waren und damit seitens der Ministerien »nicht grundsätzlich für qualitativ hochwertige und didaktische angemessene Ergebnisse gutachterlicher Tätigkeit«916 gebürgt werden könne. Sie kritisierten das Verfahren als »verfassungsmäßig höchst bedenklich«917, da es die Wirkung von Zensur haben könnte. Außerdem bestünde die Gefahr, dass die Zielgruppe der Bücher nicht die Lehrer und Schüler seien, sondern die Kultusministerien. Die Autoren forderten die Einrichtung eines länderübergreifend agierenden wissenschaftlichen Instituts, das eine »Clearingfunktion zwischen Verlagen und Schulen«918 sowie zudem die wissenschaftliche Begleitung der Entstehung von Schulbüchern übernehmen solle. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des ministeriellen Zulassungsverfahrens wurde ebenfalls aus rechtswissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Zentral in Wittrocks Darstellung ist dabei die Forderung, die Anonymität der Gutachter aufzuheben.919 2002 erörterte Leppek »verfassungs- und verwal-

913 Bühl-Gramer, Charlotte, Rahmenbedingungen der Schulbuchproduktion in Italien, in: Handro, Saskia/Schönemann, Bernd (Hg.): Geschichtsdidaktische Schulbuchforschung. Münster 2006, S. 287. 914 Ebd., S. 288. 915 Lackamp, Angelika/Ziegenspeck, Jörg: Das Schulbuchgenehmigungs- und Schulbuchzulassungsverfahren in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Eine Synopse mit kritischen Anmerkungen, in: Schallenberger, Ernst Horst/ Stein, Gerd (Hg.): Das Schulbuch, zwischen staatlichem Zugriff und gesellschaftlichen Forderungen. Kastellaun 1978, S. 109. 916 Ebd., S. 110. 917 Ebd., S. 111. Diese Kritik wurde 2010 von Wendt erneut aufgegriffen, der die Frage erörterte, ob es sich bei den Zulassungsverfahren um Zensur oder ein Steuerungsmittel des Staates handle (vgl. Wendt, Peter : Schulbuchzulassung: Verfahrensänderungen oder Verzicht auf Zulassungsverfahren? in: Fuchs, Eckhardt u. a. (Hg.): Schulbuch konkret. Kontexte – Produktion – Unterricht. Bad Heilbrunn 2010, S. 83–96). 918 Ebd., S. 112. 919 Vgl. Wittrock, Achim: Rechtsprobleme des Schulbuchgenehmigungsverfahrens, in: Schallenberger, Ernst Horst/ Stein, Gerd (Hg.): Das Schulbuch, zwischen staatlichem Zugriff und gesellschaftlichen Forderungen. Kastellaun 1978, S. 52.

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tungsrechtliche Grundlagen«920 des Zulassungsverfahrens. Bei beiden Arbeiten handelt es sich um juristische Darstellungen und Argumentationen, die keine Aussagen zum Verlauf des Prozesses tätigten. In historischer Perspektive beschäftigte sich Stöber921 mit dem Zulassungsverfahren von Schulbüchern und arbeitete heraus, welche Institutionen seit dem 16. Jahrhundert an der Prüfung von Lehrmitteln beteiligt waren. Für den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit verbleibt die Analyse bei allgemeinen Informationen, dass die Schulbuchprüfung den jeweiligen Bundesländern obliege. Um die Produktion von Schulbüchern wurden mitunter auch polemische Auseinandersetzungen geführt. Jene berühren zum einen die Abläufe und Entscheidungen im Zulassungsverfahren, wie sie quellenanalytisch in Kapitel 2.2 betrachtet werden sollen. Sie betreffen zum anderen aber auch die ökonomische Perspektive. In der retrospektiven Betrachtung der Vorwürfe zeigt sich, um welch großen und bedeutsamen Markt es sich handelte. Eine anonyme »Arbeitsgemeinschaft Schulbuchproduktion« urteilte 1973, dass aus »dem ›Unternehmer‹ Verleger […] praktisch ein hochdotierter Beamter der Kultusbürokratie«922 werde, sobald das Schulbuch zugelassen worden sei. Damit wird der bildungspolitische Einfluss kritisiert, den Verlage durch ihre Bücher gewännen. Ähnlich argumentiert der Aufsatz, dass der Staat die westdeutschen Schulbuchverleger »aus dem Steuersäckel jährlich mit 33 Millionen D-Mark«923 subventioniere, indem Schulbücher angeschafft würden. Harsche Kritik übt der Text auch an dem Zusammenschluss der Verleger (»Lobbyzusammenschlüsse«924) sowie an Werbekampagnen als Reaktion auf die Einführung der Lernmittelfreiheit. Indem die Kultusministerien entschieden, dass Schulen für die Anschaffung von Büchern zuständig seien und diese an die Schüler ausgeliehen wurden, befürchteten die Verlage Umsatzeinbußen. Unter dem Motto »Mit eigenen Büchern lernt sich’s besser« bewarben sie die Anschaffung eigener Schulbücher für jeden Schüler.925 Nur wenige Arbeiten gingen bisher über die deskriptive Ebene hinaus. 1977 920 Vgl. Brandenberg, Verena: Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte des Verlegens von Schulbüchern. Mit einer Fallstudie zum bayerischen Zulassungsverfahren. Erlangen 2006; Leppek, Sabine: Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern und anderen Lernmitteln an staatlichen deutschen Schulen: Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundfragen. Marburg 2002. 921 Vgl. Stöber, Georg: Schulbuchzulassung in Deutschland. Grundlagen, Verfahrensweisen und Diskussionen, in: Eckert. Beiträge 3 (2010), S. 1–24. 922 Arbeitsgemeinschaft Schulbuchproduktion: Schulbuch- Produktion und Profit. Eine polemische Bestandsaufnahme, in: PÄD extra (1973) 3/4, S. 10. 923 Ebd., S. 9. 924 Ebd. 925 Vgl. Umlauff, Ernst: Der Wiederaufbau des Buchhandels. Beiträge zur Geschichte des Büchermarktes in Westdeutschland nach 1945. Frankfurt 1978, Spalte 919.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

untersuchte Müller zeitgenössische Zulassungsverfahren von Schulbüchern und stützte sich dabei darauf, dass ihm »in zahlreichen schriftlichen und mündlichen Kontakten mit Verlagsvertretern und Ministerialbeamten […] Informationen und Indizien«926 zugetragen wurden. Außerdem erhielt er Einblick in »vertrauliche Materialien«927, die er in seiner Arbeit anonymisiert verwendete. In seiner Beurteilung der beiden untersuchten zeitgenössischen Prüfungsverfahren legte Müller den Schwerpunkt seiner kritischen Analyse auf die Frage, ob die Schulbuchzulassung als Zensurinstrument der Politik verstanden werden könnte. In seiner Beurteilung resümierte er, dass das Zulassungsverfahren »als Vorwand für die Durchsetzung parteipolitischer Interessen und weltanschaulich-tendenziöser Ziele dient.«928 Außerdem beschneide das Kriterium der Lehrplankonformität »die pädagogisch-didaktische Qualitätsprüfung«929. Als dritten Kritikpunkt führte Müller an, dass »Personen an den Schulbuchprüfungsverfahren beteiligt waren und noch immer beteiligt sind, deren Unbefangenheit zweifelhaft erscheinen muss.«930 Müllers Analyse beschreibt zweifelsohne die politischen Mechanismen der Schulbuchzulassung, die für den Betrachtungszeitraum dieser Arbeit relevant sind, doch lässt sich seine Kritik an der ministeriellen Verwaltungstätigkeit, die in beiden Fällen auf gesellschaftlichen und politischen Druck mit der Revision ihrer Zulassungsentscheidung reagierte, in einen forschungshistorischen Kontext einbetten, in dem die Schulbuchforschung selbst politisierte und Positionen zum bildungspolitischen Geschehen äußerte. Bei aller Distanz zu Müllers Arbeit ist sie für diese Analyse hinsichtlich der Aussagekraft von Gutachtern wertvoll: Müller zufolge lässt sich durch »Detailhinweise in den Gutachten ablesen, welche Erwartungen die Gutachter an die Gesamtkonzeption stellen und welches pädagogisch-didaktische Vorverständnis diesen Erwartungen zugrunde liegt.«931 Die Formulierungen und Monita der Gutachter lassen demnach Rückschlüsse auf ihre Vorstellungen von Geschichtsbüchern zu, die auch für die gutachterliche Beurteilung von Zukunftsnarrationen von Bedeutung sein werden. Einen weiteren wichtigen Hinweis in Bezug auf die Akteursgruppe der Gutachter bietet eine empirisch fundierte Arbeit von Naumann aus dem Jahr 1974. Er beschäftigte sich mit 926 Müller, Walter : Schulbuchzulassung. Zur Geschichte und Problematik staatlicher Bevormundung von Unterricht und Erziehung, Kastellaun 1977, S. 200. Er untersuchte die Zulassungsverfahren sowie die politischen Umstände und Debatten, die ab 1970 um die Ablehnung des Sexualkunde-Atlasses des Leske Verlags in Bayern geführt wurden sowie 1972 um die vom »Wahlkampf geprägte Diskussion in Rheinland-Pfalz und Hessen um das Sozialkundebuch »sehen beurteilen handeln«. 927 Ebd. 928 Ebd., S. 246. 929 Ebd. 930 Ebd. 931 Ebd., S. 248.

Die Produktion von Schulbüchern

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Gutachtern und erstellte eine quantitative Analyse hinsichtlich der Auswahl der Gutachter. Es handle sich überwiegend um »besonders erfahrene und qualifizierte Lehrer«,932 deren Kreis sei jedoch »relativ klein: Zwischen 100 und 200 Lehrer pro Land sind jährlich als Prüfer tätig, wobei zwischen 10 und 50 Prozent mehrmals jährlich, zwischen 5 und 10 häufiger als fünfmal Gutachten erstellen.«933 Aus dieser quantitativen Betrachtung lässt sich zum einen folgern, dass die Kultusministerien Wert darauf legten, dass die Gutachter über Unterrichtspraxis verfügten und auch das Buch daraufhin prüfen konnten, selbst wenn die unterrichtspraktische Verwendung kein explizit benanntes Kriterium war. Zum anderen handelt es sich um nur wenige Gutachter, die dafür umso häufiger Beurteilungen erstellten. Beide Aspekte werden in der vorliegenden Analyse Beachtung finden.

2.2

Die Entwicklung des föderalen Zulassungssystems für Geschichtsbücher nach dem Zweiten Weltkrieg

In einem kurzen historischen Überblick zur Schulbuchproduktion nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges soll schlaglichtartig die Entwicklung hin zum föderalen Zulassungsverfahren aufgezeigt werden.934 Zugleich wird mit dieser Darstellung begründet, warum diese Arbeit erst Geschichtsbücher ab 1950 in das Quellenkorpus aufnimmt. Bereits im Sommer 1944 begannen britische und amerikanische »Erziehungsfachleute […] mit der Überprüfung und Auswahl von deutschen Schulbüchern aus der Zeit vor 1933«935. Durch ein umfassendes Erziehungsprogramm sollte »der nationalsozialistische Geist überwunden und die Bekehrung der Deutschen zu den Werten, Einrichtungen und Spielregeln der Demokratie er932 Naumann, Jens: Medien-Märkte und Curriculumrevision in der BRD: Eine bildungsökonomische Studie zu den Entstehungsbedingungen und Verbreitungsmechanismen von Lernmitteln und Unterrichtstechnologien. Berlin 1974, S. 44. Leider werden für diese Zahlen keine Quellen angegeben, da er allerdings für die Bundesländer Hessen, Bayern und Baden-Württemberg angab, dass jährlich zwischen 120 und 260 Büchern zur Prüfung eingereicht wurden, stammen die Zahlen der Gutachter wahrscheinlich auch aus diesen Ländern. 933 Ebd. 934 Vgl. Reuter, Lutz R.: Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen, in: Christoph Führ u. a. (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte 6. Von 1945 bis zur Gegenwart. Teilband 1: Bundesrepublik Deutschland. München 1998, S. 35–42; Geißler 2011, S. 639– 698. Auch Teistler berührt in ihrer detail- und kenntnisreichen Darstellung die Entwicklung der bildungspolitischen Strukturen in den alliierten Kontrollzonen (vgl. Teistler 2017). 935 Halbritter, Maria: Schulreformpolitik in der britischen Zone von 1945–1949. Weinheim/ Basel 1979, S. 15.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

reicht werden.«936 Nach dem Verbot und der Konfiszierung der nationalsozialistischen Schulbücher galt es, die Schulen mit Schulbüchern zu versorgen und die Schulbuchrevision anzustreben.937 Aus pragmatischen Gründen, da man 1945 keine neu verfassten Schulbücher in den Schulen verteilen konnte, zog man die Geschichtsbücher der Weimarer Republik heran und prüfte sie auf die Möglichkeit der Verwendung. Neben dem pragmatischen Nutzen kann dies auch als »Rückgriff auf tradierte Werte und Gedanken der abendländischen Geistesund Kulturgeschichte«938 verstanden werden. Zusätzlich zum Rückgriff auf die Bücher der Weimarer Zeit hatten die amerikanischen Alliierten 1944 ein »Schulbuchnotprogramm«939 begonnen. Aus Schulbüchern der Weimarer Zeit, die in der Schulbuchsammlung des Teacher Colleges der Columbia Universität waren, wurden aus 250 deutschen Schulbüchern »brauchbare Passagen« ausgewählt und damit »acht Lesebücher, fünf Rechenbücher, drei Geschichtsbücher und 4 Naturkundebücher kompiliert«940. So konnten 1945 »insgesamt 5,5 Millionen dieser Notschulbücher«941 gedruckt und an die Schulen verteilt werden. Die Produktion neuer Unterrichtsmaterialien sei 1945 noch »Zukunftsmusik«942 gewesen, so Müller und es galt, »bei der Wiederaufnahme des Unterrichts zu improvisieren.«943 Seien keine der kompilierten Bücher verfügbar gewesen, hätten die Lehrer den Unterricht ohne Bücher erteilt oder mit geschwärzten Passagen in den vorhandenen Büchern unterrichtet. In der amerikanischen Zone begann die Militärregierung mit der Schulbuchrevision. Sie hatte einen Fragebogen entwickelt, die »textbook evaluation sheets«944, nach dem jedes Schulbuch geprüft wurde. Die Bögen unterschieden dabei drei Kategorien: die Gruppe der »approved texts«, die der »rejected texts« und die der »texts approved conditionally«945. Ziel war es, »nach einer ebenso raschen wie gründlichen Entnazifizierung des Lehrpersonals und der Lehrbücher möglichst schnell

936 Graml, Hermann: Grundzüge der Besatzungspolitik bis 1955, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Deutschland unter alliierter Besatzung 1945–1949/55. Berlin 1999, S. 26. 937 Vgl. Rupieper, Hermann-J.: Amerikanische Besatzungspolitik, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Deutschland unter alliierter Besatzung 1945–1949/55. Berlin 1999, S. 36. 938 Bennack, Jürgen: Schule als Weltflucht. Untersuchung zur Lebensnähe gymnasialer Lehrbücher nach 1945, in: Kirk, Sabine u. a. (Hrsg.), Schule und Geschichte. Funktionen der Schule in Vergangenheit und Gegenwart. Festschrift für Rudolf W. Keck zum 65. Geburtstag. Bad Heilbrunn/Obb 2000, S. 249. 939 Müller, Winfried: Schulpolitik in Bayern im Spannungsfeld von Kultusbürokratie und Besatzungsmacht, 1945–1949. München 1995, S. 250. 940 Ebd., S. 251. 941 Ebd. 942 Ebd., S. 249. 943 Ebd. 944 Ebd., S. 251. 945 Vgl. ebd.

Die Produktion von Schulbüchern

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zu einem wenigstens einigermaßen geregelten Schulbetrieb zurückzukehren.«946 Durch das im Frühjahr 1947 für die amerikanische Zone verabschiedete »Memorandum on the Printing and Approval of Textbooks in the Circumstances of the Transference of Powers in Respect of Education to the Länder«947 wurde es den Bundesländern ermöglicht, »selbst über den Druck von Schulbuchmanuskripten und die Freigabe für den Schulgebrauch zu entscheiden.«948 Ähnliche Verordnungen wurden 1947 auch in der britischen949 und der französischen Zone erlassen.950 Die Militärverwaltungen behielten sich jedoch vor, gegebenenfalls Einspruch gegen den die Verwendung eines Schulbuches zu erheben. In der Arbeitspraxis der kultusministeriellen Verwaltungen bedeutete dies, dass die kultusministeriellen Verwaltungen parallel zu den Militärregierungen arbeiteten. So mussten die Schulbuchverlage in Rheinland-Pfalz zunächst die Zulassungsgenehmigung der Pducation Publique in Baden-Baden einholen, bevor das Kultusministerium in Mainz ein Prüfverfahren einleitete.951 Neben der Schulbuchrevision und dem Aufbau der föderalen bildungspolitischen Verwaltungsstrukturen bemühten sich die Alliierten jedoch auch um die Produktion von neuen Lehrmitteln. Geschichtsbücher gehörten – neben Schulbüchern für die Unterrichtsfächer Geographie und Sozialkunde – zu den wichtigsten Büchern, deren möglichst schnelle Wiedereinführung die Alliierten planten. Es gab keine gemeinsame Bildungspolitik der Alliierten, da diese Aufgabe den jeweiligen Militärregierungen übertragen wurde.952 Länderübergreifende Kooperationen fanden in dem zonalen Lehrbuchausschuss statt, der gegründet worden war, um sich mit dem Verfassen neuer Geschichtsbücher zu beschäftigen.953 Es wurden Bemühungen angestellt, in Berlin eine Kommission von Geschichtslehrern unter fachwissenschaftlicher Aufsicht Bücher schreiben zu lassen. Man engagierte sich, deutsche Autoren für Schulbücher zu finden, die dann von der Militärregierung geprüft und genehmigt werden sollten. Dazu wollten die Alliierten eine eigene Arbeitsgemeinschaft in Berlin schaffen, die

946 Ebd., S. 89. Vgl. dazu auch Mayer, Ulrich: Neue Wege im Geschichtsunterricht? Studien zur Entwicklung der Geschichtsdidaktik und des Geschichtsunterrichts in den westlichen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1953. Köln u. a. 1986, S. 284– 292. 947 Zitiert nach Halbritter 1979, S. 51. 948 Ebd. 949 Mayer 1986, S. 183–200. 950 Vgl. Füssl, Karl-Heinz: Bildung und Erziehung, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Deutschland unter alliierter Besatzung 1945–1949/55. Berlin 1999, S. 99–105. 951 Vgl. Brief der Landesregierung Rheinland-Pfalz an die Verlagsbuchhandlung Metzler, 7. 9. 1949, LHA RP 910/1461. 952 Vgl. Jürgensen, Kurt: Britische Besatzungspolitik, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Deutschland unter alliierter Besatzung 1945–1949/55. Berlin 1999, S. 56. 953 Halbritter 1979, S. 30.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Geschichtsbücher erarbeiten sollte.954 Mayer hat herausgearbeitet, dass es »vielerorts kleine Gruppen bestünden«955, die an Geschichtsbüchern arbeiteten. Eine dieser Gruppen war die »Arbeitsgemeinschaft Berliner Geschichtslehrer«956, die unter der Leitung von Fritz Wuessing und der Mitarbeit von Georg Eckert Geschichtsbücher erarbeiten sollte.957 Doch dieses Vorhaben, in kurzer Zeit Geschichtsbücher zu produzieren, blieb erfolglos. Die Autoren setzten ihre Arbeit an den Geschichtsbüchern allerdings fort und veröffentlichten sie ab 1949 in der Reihe »Wege der Völker« im Verlag Berthold Schulz. Bei den Bändchen dieser Reihe handelte es sich um »das erste vollständige Geschichtsbuch«958, das nach 1945 erschienen war. Dass der Verlag damit eine große Nachfrage und ein Bedürfnis der Geschichtslehrer erfüllte, zeigt sich an den Angaben zur Auflage. In dem vierten Band »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, der 1950 erschien, wurde als Angabe der Auflage »11.–20 Tausend«959 vermerkt. Mit diesem Geschichtsbuch beginnt der chronologische Aufbau des Quellenkorpus dieser Arbeit, da es zu den ersten gehörte, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von Grund auf neu verfasst wurden. Außerdem durchlief es 1950 in Rheinland-Pfalz das ministerielle Zulassungsverfahren und zählte damit zu den ersten Geschichtsbüchern, die in den Schulen verwendet werden konnten. Anknüpfungspunkte an die Schulbuchproduktion wurden auch in der Überarbeitung des Teubnerschen Geschichtsbuches »Grundriss der Geschichte« von 1924 deutlich, von dem ab 1951 mehrere Bände im Klett Verlag erschienen. Bis 1957 wurden neue Bände oder überarbeitete Auflagen in dieser Reihe veröffentlicht. Zusammen mit den Büchern wechselten auch die Autoren Bonwetsch, Schnabel, Pinnow, Wilmans und Xania zu dem

Eine ausführlichere Darstellung dieser politischen Bemühungen in Mayer 1986, S. 207–212. Ebd., S. 207f. Ebd., S. 208. Vgl. Bethge 2017, S. 42–45. Becker, Jörg: Schulbuch und politisches System in der Bundesrepublik Deutschland, in: Schallenberger, Ernst Horst/Stein, Gerd (Hrsg.): Das Schulbuch, zwischen staatlichem Zugriff und gesellschaftlichen Forderungen. Kastellaun 1978, S. 26. Zur Herausgeber- und Autorentätigkeit von Georg Eckert in den frühen, neu konzipierten und verfassten Lehrmitteln vgl. Barricelli, Michele: Didaktische Räusche und die Verständigung der Einzelwesen. Georg Eckerts Beitrag zur Erneuerung des Geschichtsunterrichts nach 1945, in: Seidenfuß/Hasberg: Modernisierung im Umbruch. Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht nach 1945. Berlin/Münster 2008, S. 277; Riemenscheider, Rainer : Georg Eckert und das internationale Schulbuchinstitut in Braunschweig, in: Pfeil, Ulrich (Hrsg.): Die Rückkehr der deutschen Geschichtswissenschaft in die »Ökumene der Historiker«. Ein wissenschaftsgeschichtlicher Ansatz. München 2008, S. 122 sowie ausführlicher die jüngst erschienene Biografie von Mätzing (vgl. Mätzing, Heike Christina: Georg Eckert 1912–1974. Von Anpassung, Widerstand und Völkerverständigung. Bonn 2018, S. 407–425). 959 »Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart«, 1950.

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Der Produktionsprozess westdeutscher Geschichtsbücher

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Verlag.960 Aus der Reihe »Wege der Völker« ging im Klett Verlag die Reihe »Kletts geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen« hervor, von der bis Mitte der 1980er-Jahre Bände veröffentlicht wurden.

3.

Die Analyse des Produktionsprozesses von Geschichtsbüchern

In diesem Kapitel wird der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern beleuchtet, um zu zeigen, auf welche Weise die inhaltlich wie erzählerisch auffälligen Zukunftsnarrationen entstanden. Dazu wird der komplexe Prozess der Schulbuchproduktion in seine einzelnen Bestandteile untergliedert. Beginnend bei der Konzeptionierung eines neuen Geschichtsbuches, wird anschließend nach der Arbeit der Autoren und Herausgeber gefragt, um abschließend die ministeriellen Zulassungsverfahren und die Gutachten zu den Geschichtsbüchern zu untersuchen. Die praxeologische Analyse des Produktionsprozesses beleuchtet im Folgenden die einzelnen Abschnitte in chronologischer Abfolge. Aus zwei Gründen werden nicht einzelne Bücher in Unterkapiteln beleuchtet, sondern die Analyse in Produktionsschritte untergliedert: Erstens ist es aufgrund der äußerst heterogenen Quellengrundlage kaum möglich, den Entstehungsprozess eines einzelnen Buches nachzuzeichnen. Das Spektrum der dazu benötigten Quellen reicht von den Autorenmanuskripten, über Konzeptionen der Herausgeber bis hin zu Korrekturfahnen der Schulbuchverlage und den Gutachten; hinzu kommen der Schriftwechsel zwischen den Akteuren sowie die Akten der Kultusministerien. Für kein Buch dieser Untersuchung konnte diese Quellengrundlage vollständig gesichert werden. So liegen bis Beginn der 1970erJahre zwar Akten der Kultusministerien, Gutachten und Schriftwechsel vor, doch nur wenige Quellen zu Autoren, Herausgebern und Vorgängen in Schulbuchverlagen. Für die nach 1970 veröffentlichten Geschichtsbücher sind letztere Informationen zwar vorhanden, doch im Gegenzug aufgrund der archivalischen Sperrfristen keine ministeriellen Akten und Gutachten. Aus diesem Grund arbeitet das Projekt mit einer Vielzahl von Quellen, die von einem hohen Grad an Diversität geprägt sind. Die Quellengrundlage stellen Archivakten der Kultusministerien in Bayern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aus den Jah960 Vgl. Heinemann, Jürgen: Schulgeschichtsbücher und Geschichtsbuchkritik in der BRD 1949–1970, in: Gesellschaft und Schule 13 (1972) 1/2, S. 84–85. Blaschke hat in seiner Untersuchung zur Gründung der Zeitschrift »Geschichte in Wissenschaft und Unterricht« betont, dass die Akteure über die Zusammenarbeit bei Teubner hinaus auch auf der persönlichen Ebene verbunden blieben, sodass ihr gemeinsamer Wechsel auch aus dieser Perspektive nachvollziehbar erscheint (vgl. Blaschke, Rezeptheft für Studienräte, 2010, S. 556).

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

ren 1950–1970 dar, die den Schriftverkehr zwischen den Akteuren sowie die Vorgänge innerhalb der Ministerien beinhalteten. Außerdem kommen die von den Ministerien beauftragten Gutachten für die zur Prüfung eingereichten Geschichtsbücher sowie die Korrespondenz im Zuge von Überarbeitungen hinzu. Der Analyse liegen 175 Gutachten aus Bayern und Rheinland-Pfalz und die dazugehörigen Akten der Kultusministerien zugrunde. Der Quellenbestand aus Nordrhein-Westfalen begrenzt sich auf einige Aktenordner, da die Akten zur Landesschulbuchkommission für Politische Bildung noch nicht archivalisch aufbereitet wurden. Vom Westermann Verlag, vom C.C. Buchners Verlag, vom Bayerischen Schulbuchverlag und vom DDR-Staatsverlag Volk und Wissen liegen Archivakten vor, die die Produktion der Bücher von Verlagsseite beleuchteten. Zudem wurden 16 leitfadengestützte Interviews mit Autoren, Herausgebern und Verlagsredakteuren geführt, deren Transkripte verwendet werden. Aus den Privatbeständen der interviewten Akteure wurde der Verfasserin zusätzliches Aktenmaterial zugänglich gemacht. Auch Aufsätze der beteiligten Akteure in geschichtsdidaktischen Fachzeitschriften, in denen sie sich zu den Produktionsabläufen oder zum Zulassungsverfahren äußerten und unter Einbezug der zuständigen Ministerialbeamten Debatten geführt wurden, dienen der Arbeit als Quellen; genauso publizierte didaktische Konzeptionen von Herausgebern, in denen sie Bezug auf die eigenen Geschichtsbücher nahmen. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der interviewten Autoren, Herausgeber und Verlagsredakteure wurden sie anonymisiert, auch wenn die Mehrheit der Nennung des Klarnamens zugestimmt hatte. Die Arbeit hat jedoch den Weg der einheitlichen Anonymisierung gewählt, da von der großen Zahl beteiligter Gutachter und Ministerialreferenten sowie von Verlagsmitarbeitern die Zustimmung zur namentlichen Nennung nicht eingeholt werden konnte. Ausnahmen von dieser Anonymisierung werden im Text begründet. Aus forschungspragmatischen Gründen liegt der Schwerpunkt dieser Analyse auf dem Produktionsprozess von Geschichtsbüchern der 1970er- und 1980erJahre. Insbesondere die Quellen zu den Praktiken der Autoren, Herausgeber und Verlagsredakteure beziehen sich auf deren Tätigkeit in diesen Jahrzehnten. Fehlende Quellen zur Schulbuchproduktion der 1950er- und 60er-Jahre verhindern eine ähnlich ausführliche Analyse dieser Jahre. Einige Produktionspraktiken dieser Jahre können analysiert werden, wie beispielsweise die der Ministerialreferenten oder das gutachterliche Prüfverfahren. Auch vereinzelte Quellen hinsichtlich der Manuskriptproduktion aus den 1960er-Jahren zeigen, dass sich die Abschlussphase der Manuskriptüberarbeitung in den 60er-Jahren ähnlich arbeits- und kommunikationsintensiv gestaltete wie in den 1970erJahren. Die Veränderungen der Rahmenbedingungen, dass beispielsweise in den 1970er-Jahren die Zahl der von Einzelautoren verfassten Geschichtsbücher zurückging und spätestens seit den 1980er-Jahren Autorenteams die Bücher er-

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arbeiteten, können zwar beschrieben werden, doch können diese Aussagen nicht in Vergleich zu früheren Jahrzehnten gesetzt werden. Eine weitere methodische Vorbemerkung bezieht sich auf die große Zahl an Quellen der ›oral history‹, auf denen die Darstellung der Praktiken der Autoren, Herausgeber und Verlagsredakteure zum Großteil basiert. Eine Verifizierung der Aussagen der interviewten Akteure, wie sie methodisch beispielsweise von Niethammer961 gefordert wird, ist aufgrund fehlender Quellen nicht möglich, da sie von den privatwirtschaftlichen Verlagsarchiven nicht zur wissenschaftlichen Bearbeitung zur Verfügung gestellt werden. Eine Plausibilisierung kann daher lediglich über die Quantifizierung der Antworten geschehen. Zweifelsohne können durch diesen Schwerpunkt der Quellen einige Passagen normativ erscheinen, doch wird versucht, dieser Gefahr reflexiv zu begegnen. Umso wichtiger erschienen die Interviews, da sie Einblicke in den Produktionsprozess gewährten, die bisher nicht möglich waren. Die Analyse gliedert sich in zwei Teile: Im ersten werden zunächst die Akteursgruppen Autoren, Herausgeber, Verlagsredakteure, Ministerialreferenten und Gutachter unter Berücksichtigung der Forschungsarbeiten beleuchtet. Der zweite Teil nimmt die einzelnen Abschnitte des Produktionsverfahrens in den Blick: Diese werden im chronologischen Ablauf betrachtet, beginnend bei der Zusammenstellung der Autorenteams, über die Arbeit am Geschichtsbuch und das Einreichen beim Kultusministerium bis hin zu den Gutachten und den Reaktionen darauf. Dabei geht es nicht nur um eine allgemeine Beschreibung der Praktiken, sondern aufbauend auf dem ersten Teil um die Frage, wie die Zukunftsnarrationen Eingang in die Autorentexte fanden. Um diese Abschnitte der Darstellungstexte besonders zu betrachten, ist es notwendig, sich mit dem Produktionsprozess zu beschäftigen. Der Mehrwert dieser Analyse der einzelnen Produktionsabschnitte im Vergleich zu einer summarischen unverbundenen Darstellung der Entstehung einzelner Schulbücher liegt darin, dass durch die synchrone Betrachtungsweise strukturelle Aussagen getroffen werden können. Potentielle Unterschiede und Gemeinsamkeiten, aber auch diachrone Veränderungen, werden damit besser deutlich als in der Einzelbetrachtung. Diese Arbeit beschäftigt sich sowohl mit dem gutachter- wie auch mit dem kommissionsbasierten Zulassungsverfahren, sodass nach den Analysen der Zulassungspraktiken in Bayern und Rheinland-Pfalz auch die Arbeit der Landesschulbuchkommission für Politische Bildung in Nordrhein-Westfalen betrachtet werden wird.

961 Niethammer, Lutz: Einleitung, in: Ders. (Hrsg.): Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der »Oral history«. Frankfurt a.M. 1985, S. 26.

196 3.1

Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Die Gruppe der Autoren und Herausgeber

Für die Akteursgruppe der Schulbuchautoren liegen vereinzelte Forschungsarbeiten vor. Die Beweggründe, aus denen Autoren die Arbeit an einem Schulbuch begannen, wurden 1987 in Österreich für Berufsschulbücher in Fragebögen erhoben.962 Für diese Arbeit von Interesse ist dabei die Frage, wer die Autoren ansprach, am Schulbuch mitzuarbeiten: 43 % gaben an, dass Verlage sie zur Autorschaft bewegen konnten und »nicht […] Personen aus dem Schulbereich«963. Adick befragte Autoren von Pädagogikbüchern nach ihren Meinungen zur Schulbuchproduktion. 22 der befragten 73 Autoren stimmten dabei der Aussage zu, dass ein fachkompetenter Lektor die Grundlage der Zusammenarbeit mit dem Schulbuchverlag sei.964 Die meisten Autoren seien vom Verlag angesprochen worden, woraus Adick schloss, dass »viele Schulbuchverlage also durchaus eine aktive Suche nach geeigneten Autoren«965 betrieben, wobei die »Modalitäten und Kriterien dieser Verlagssondierungen«966 nicht näher bestimmt werden konnten. Ein weiteres »potentielles Kontaktmuster ist das zwischen Verlag, Herausgeber und (potentiellen) Autoren. Der Herausgeber einer Reihe sucht nach potentiellen Schulbuchautoren und empfiehlt diese seinem Verlag.«967 Für das Verfassen der Autorentexte konstatierte Adick, dass Schulbuchautoren »ein Schulbuchmanuskript […] einfach gleichsam an einem Stück am Schreibtisch herunterschreiben.«968 Johnsen betont die Vielzahl der beteiligten Akteure und schreibt ihnen unterschiedliche Motive in der Gestaltung der Bücher zu. Die dabei entstehenden Korrelationen seien bisher unzureichend beachtet worden.969 Weiterhin merkt Johnsen an, dass über die biographischen Hintergründe, die Handlungsmotive 962 Vgl. 963 Eckstein, Walter u. a.: Gestaltung von Schulbüchern: Untersuchungen, Analysen u. Vorschläge zum Schulbuch an Berufsschulen im Rahmen d. berufspädagog. Tatsachenforschung. Wien 1987, S. 14. Eine neuere Arbeit liegt dazu von Christine Ottner und Alexander Preisinger vor, die die Lehrplangrundlagen für die Produktion von Schulbüchern für Handelsakademien untersuchten (vgl. Ottner, Christine / Preisinger, Alexander : Spielregeln der Schulbucherstellung nach dem Lehrplan für die Handelakademien, in: Bramann, Christoph u. a. (Hg.): Historisches Denken lernen mit Schulbüchern. Schwalbach /Ts. 2018, S. 63–81). 964 Vgl. Adick, Christel: Die berufliche Situation der Schulbuchautoren und ihre Meinungen zur Schulbuchproduktion, in: Pädagogikunterricht. Die Fachzeitschrift für die pädagogische Fächergruppe 15 (1995) H. 4, S. 30. 965 Adick, Christel: Zur Entstehung der einzelnen Schulbücher, in: Pädagogikunterricht. Die Fachzeitschrift für die pädagogische Fächergruppe 15 (1995) H. 2, S. 36. 966 Ebd. 967 Ebd. 968 Ebd., S. 43. 969 Johnsen, Egil Børre: In the Kaleidoscope: A critical survey of literature and research on educational texts, Oslo 1993, S. 22.

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sowie die politische Sozialisation der Autoren, Herausgeber, aber auch der Verlagsredakteure und Gutachter zu wenig bekannt sei.970 Wain ergänzt, dass diese Kontexte sowie die Rolle der jeweiligen Akteure verschiedene Interessen und Zielsetzungen während der Produktion bedingen.971 Folgt man diesen Annahmen und versucht, die Frage nach der Produktion der Schulbücher zu beantworten, würde die Antwort weiterhin auf der Ebene von akteurszentrierten und kausalen Zuschreibungen verbleiben. Diese Forschungen gehen davon aus, dass der Schulbuchtext – als Produkt des Autors – dessen Haltungen und Meinungen zu historischen Sachverhalten widerspiegele. Von dieser Annahme kann und wird diese Arbeit in Anbetracht der Komplexität des Produktionsprozesses und der Vielzahl der beteiligten und einflussnehmenden Akteure jedoch nicht länger ausgehen. Einblicke in den Produktionsprozess von Geschichtsbüchern bieten ebenfalls die Selbstbeschreibungen von Autoren, die von Klagen über den Umgang mit Autoren972 bis hin zu politischen Auseinandersetzungen zwischen Schulbuchautoren und Mitarbeitern des Kultusministeriums reichten.973 Diese Ausführungen werden in dieser Arbeit als Quellen verstanden, da die beteiligten Akteure Erfahrungen im Kontakt mit anderen Akteuren darlegten und keine wissenschaftliche Betrachtung des Produktionsprozesses leisten. Eine quantitative Betrachtung des Quellenkorpus dieser Arbeit gibt die Antwort auf die Frage nach der Zusammensetzung der Autorenteams.974 In den 1950er-Jahren wurden von den 39 untersuchten Geschichtsbüchern 17 von einem einzelnen Autor verfasst, 14 von zwei Autoren und acht von einem Team mit mehr als zwei Autoren. In den 1960er-Jahren blieben diese Zahlen weitgehend konstant: Von 36 untersuchten Geschichtsbüchern stammen 17 von einem Einzelautor, 10 von zwei Autoren und 10 von mehr als zwei Autoren. Eine deutlichere Veränderung zeigt sich in den 1970er-Jahren, in denen nur noch sieben der 33 untersuchten Bücher von einem Autoren verfasst wurden, während zehn von zwei Autoren und 17 von mehr als zwei Autoren produziert wurden.975

970 Ebd., S. 244–245. 971 Wain, Kenneth: Evaluating history and social studies textbooks. Whose criteria really does matter? in: Fritzsche, Karl Peter (Hrsg.): Schulbücher auf dem Prüfstand. Perspektiven der Schulbuchforschung und Schulbuchbeurteilung in Europa. Frankfurt a.M. 1992, S. 23. 972 Vgl. Klemenz 1997, S. 60–61. 973 Dazu ausführlicher, siehe Anmerkung 9. 974 Die Aussagefähigkeit beschränkt sich aufgrund der Forschungsfrage dieser Arbeit auf die 223 Geschichtsbücher, die für die letzte Jahrgangsstufe der Sekundarstufe I im Zeitraum von 1950 bis 1998 verfasst wurden. 975 Diese Beobachtung deckt sich mit dem Befund Furrers, der die Autoren Schweizer Geschichtsbücher untersuchte. Auch in der kantonal organisierten Schulbuchproduktion wurden die Schulbücher in den 1950er- und 60er-Jahren von einzelnen Autoren verfasst, während seit den 70er-Jahren Autorenteams auftraten (vgl. Furrer, Markus: Die Nation im Schulbuch. Zwischen Überhöhung und Verdrängung; Leitbilder der Schweizer National-

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Die Zahl der Autorenteams erhöhte sich in den 1980er-Jahren weiter : 42 der 48 untersuchten Büchern entstanden in Teams mit mindestens drei Autoren. Sechs Bücher wurden von zwei Autoren geschrieben und kein Buch von nur einem Autor. Diese Entwicklung hielt auch in den 1990er-Jahren an, in denen 55 von 65 untersuchten Büchern von einem Autorenteam stammten und zehn von zwei Autoren. Geschichtsbücher von einem Autor gab es in den 1980er- und 1990erJahren unter den westdeutschen Geschichtsbüchern keine mehr. Bei diesen statistischen Angaben wurden alle 223 Geschichtsbücher des Quellenkorpus beachtet und ausgewertet. Dies ist für die nachfolgende Analyse der Produktionspraktiken aus forschungspragmatischen nicht möglich. Die Analyse beschränkt sich daher auf die Bücher, die von Herausgebern und Autoren gänzlich neu konzipiert und verfasst wurden. Überarbeitete oder aktualisierte Neuauflagen finden keine Beachtung, wobei anzunehmen ist, dass auch die Abläufe in der Überarbeitung eines Geschichtsbuches auf der strukturellen Ebene den im Folgenden skizzierten ähnelten.

3.2

Die Auswahl der Autoren

Die Forschung hat die Auswahl der Autoren mit dem »Stichwort Produkt-Politik«976 verbunden und damit die ökonomischen Interessen als zentralen Faktor benannt. Auch die »Kontakte der Verlage«977 seien entscheidend für die Zusammensetzung der Autorenteams. Über diese allgemeinen Beschreibungen ging die wissenschaftliche Betrachtung bisher nicht hinaus und konnte nur Fragen stellen, »wie Autoren […] genau rekrutiert werden, welchen Hintergrund sie haben, welche Motive, Interessen, welche geschichtsdidaktischen Ansätze sie leiten«978. Macgilchrist hat 2011 drei Kriterien zur Auswahl von Autoren beschrieben: Danach bestimmten politische und ökonomische Überlegungen sowie individuelles Engagement, wer als Schulbuchautor engagiert werde.979 Baets ergänzte diese Fragen zu den Autoren um den Aspekt der gesellschaftlichen Einbindung der Autoren und führte als Auswahlkriterium an, »wie tief die Autoren in der Gesellschaft verwurzelt«980 seien. Eine zeitgenössische Ein-

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geschichte in Schweizer Geschichtslehrmitteln der Nachkriegszeit und Gegenwart. Hannover 2004, S. 61). Hessenauer 2006, S. 277. Ebd. Ebd. Johnsen hat diese Fragen bereits 1993 formuliert (vgl. Johnsen 1993, S. 244–245). Macgilchrist, Felicitas: Schulbuchverlage als Organisationen der Diskursproduktion: Eine ethnographische Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation 31 (2011) H. 3, S. 252. Baets, Antoon de: Haben Geschichtslehrbücher Einfluß auf die öffentliche Meinung?

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schätzung von 1978 beschäftigte sich mit den Berufen der Autoren: »Waren noch vor 30 Jahren die meisten Schulbuchautoren Hochschulprofessoren, so rekrutiert sich der größte Anteil der Schulbuchautoren heute aus der Reihe der Lehrer«981. Auch Schmid, der 1985 noch von einem singulären Schulbuchautor ausging, schrieb, dass jener »meist ein praktizierender Lehrer sei«982. Becker hat 1978 konstatiert, dass sich in den 1970er-Jahren ein Wandel feststellen lasse: So würden Lehrer und nicht mehr »prominente Hochschulprofessoren«983 den größten Anteil der Schulbuchautoren ausmachen. Gleichzeitig beobachtete Becker einen immer größer werdenden »Trend zur Teamarbeit«984, der sich mit den erhobenen Zahlen dieser Arbeit deckt. Dieser Beobachtung des Übergangs zum Autorenteam schloss sich auch die Beobachtung von Biener an, der »ab den 70er-Jahren eine Zunahme von Teamarbeit und ein Wachstum der Teams«985 beobachtete. 1989 konstatierte Reich erneut »eine immer stärker werdende Tendenz, […] Autorenteams mit der Erarbeitung einer Konzeption und der von Texten zu beauftragen.«986 Die Zusammensetzung der Teams beschrieb er allerdings als »inhaltliche Zusammenarbeit von Wissenschaftlern (Hochschulprofessoren) und Praktikern (Lehrern, Seminardirektoren)«987. Damit verbunden sei eine erhebliche Verkürzung der Herstellungszeit. Auch Jacobmeyer untersuchte die Autoren der Geschichtsbücher, allerdings für Geschichtsbücher des 18. und 19. Jahrhunderts. Er stellte fest, dass die Zahl der Universitätsprofessoren sich immer weiter reduzierte.988 In dieser Arbeit stehen die Biographien der Akteure nicht im Mittelpunkt, da Bezüge zwischen ihrem Beruf und der Gestaltung der Texte nur eine untergeordnete Rolle spielen. Soweit es möglich ist, wird an den entsprechenden Stellen gezeigt werden, ob es sich bei den Autoren um Lehrer, Professoren oder andere Berufsgruppen handelte. Während Becker in seiner Forschung Lehrer als Schulbuchautoren eher negativ bewertete, da die Inhalte der von ihnen verfassten Schulbücher »gemessen

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Meinungsbildung über nicht-westliche Kulturen in Flandern 1945–1984, in: Internationale Schulbuchforschung 12 (1990), S. 85. Becker 1978, S. 17. Schmid, Heinz Dieter: Was ein Schulbuchautor von wissenschaftlicher Schulbuchkritik erwartet, in: Schissler, Hanna (Hrsg.): Schulbuchverbesserung durch internationale Schulbuchforschung? Probleme der Vermittlung zwischen Schulbuchkritik und Geschichtsbuch am Beispiel englischer Geschichte. Braunschweig 1985, S. 13. Becker 1978, S. 17. Ebd. Biener, Hansjörg: Die Kreuzzüge in Lehrplan und Schulbuch: Eine fachwissenschaftliche, fachdidaktische und politische Analyse bayerischer Geschichtslehrpläne und -bücher des 20. und 21. Jahrhunderts. Bad Heilbrunn 2011, S. 395. Reich 1989, S. 108. Ebd. Vgl. Jacobmeyer 1998, S. 26.

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am Stand der Theorie an den Universitäten hoffnungslos veraltet«989 seien, wurden schulpraktische Erfahrungen von den Verlagen eher als Vorteile verstanden. Dies hatte zwei Gründe: Zum einen konnten Lehrer in den Autorenteams einschätzen, ob die entworfenen Schulbuchinhalte und die zusammengestellten Materialien in der Unterrichtsstunde ›funktionierten‹. Zum anderen kannten die Lehrer die föderal divergierenden Lehrpläne und konnten das Geschichtsbuch dementsprechend passender gestalten, was sich auf die Zulassung eines Buches auswirkte.990 Sollte eine neue Länderausgabe eines Buches produziert werden, nutzten die Verlage ihre Kontakte in das jeweilige Bundesland, um Autorenteams zusammenzustellen.991 Für die Landesausgabe des vierten Bandes des Schulbuches »Geschichtsbuch« des Cornelsen Verlags wurde ein Herausgeber aus Bayern in das Team aufgenommen, da er Kenntnis über die Lehrpläne sowie die Anforderungen an den bayerischen Geschichtsunterricht hatte.992 Die Wege der befragten Akteure zu ihrer Tätigkeit als Schulbuchautoren waren sehr vielfältig. Sie weisen jedoch auch verbindende Elemente auf struktureller Ebene auf. Allen befragten Autoren ist gemein, dass sie von anderen bereits schulbuchproduzierenden Akteuren angesprochen wurden, ob sie sich eine Mitarbeit an einem Geschichtsbuch vorstellen könnten. Diese fragenden Akteure waren vornehmlich die Verlagsredakteure oder Verlagsmitarbeiter anderer Bereiche, die für die Zusammenstellung des Autorenteams verantwortlich waren und auf Empfehlung von Autoren oder Herausgebern hin ›neue‹ Autoren ansprachen. Als Beispiel konnte die Benennung W. H.s als Autor für das Geschichtsbuch »Menschen in ihrer Zeit« gelten: H. konnte nicht mehr mit Sicherheit angeben, ob er vom zuständigen Redakteur T. oder vom Herausgeber der Zeitschrift »Geschichte in Wissenschaft und Unterricht« Messerschmidt gefragt worden war. T. kannte H. aus der gemeinsamen Zeit am Lehrstuhl von Franz Schnabel und Messerschmidt war er aufgrund einer Publikation von 1959 in der Zeitschrift bekannt.993 Für beide Wege, Teil eines Autorenteams zu werden, gibt es noch weitere Beispiele: 1978 konnte der Bayerische Schulbuchverlag K.H. Z. als Autoren und später auch als Redakteur gewinnen. Der Kontakt entstand 989 Becker 1978, S. 18. 990 Vgl. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 5. 991 Vgl. Aktennotizen des Mitarbeiters Z. zu Besprechungen mit Mitgliedern der Lehrplankommission NRW in Soest, 24. 10. 1988 und 26. 10. 1988, BayHStA Bayerischer Schulbuchverlag 403. 992 vgl. Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 01. 2015, S. 4. 993 Vgl. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 1. Die Jahreszahlen basieren auf den Angaben der Autoren. Wenn sie im weiteren Verlauf nicht angegeben sind, lassen sich die verschiedenen Geschichtsbücher und Akteure jedoch aufgrund des Erscheinungsjahres des Geschichtsbuches unterscheiden. So können auch Aussagen über strukturelle Ähnlichkeiten oder Veränderungen der Prozesse getroffen werden.

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über die Person des Lehrstuhlinhabers, der für den Verlag ein Gutachten verfasst hatte und für den Z. an der Ludwig-Maximilians-Universität in München arbeitete.994 Bei G.H. entstand der Kontakt zum Klett-Verlag durch seine Tätigkeit für das Fernsehformat »Telekolleg« und auf der persönlichen Ebene zum Verlagsmitarbeiter H.U., mit dem er gemeinsam am Tübinger Lehrstuhl für Zeitgeschichte gearbeitet hatte.995 Im Falle des Schulbuchautoren und späteren Herausgeber R. E. waren es seine Beiträge für die Zeitschrift »Praxis Geschichte«, durch deren Qualität der Verlagsredakteur des Westermann Verlag verlagsintern auf den späteren Schulbuchautoren und mittlerweile Herausgeber des Geschichtsbuches »Anno« aufmerksam wurde.996 Doch nicht nur Verlagsredakteure, sondern auch beteiligte Autoren oder Herausgeber sprachen selbst potentielle weitere Autoren für ein neues Buch an. So wurde N. Z. von J. M., dem Herausgeber des ersten Bandes des »Geschichtsbuches« im Cornelsen Verlag gefragt, ob er und seine Frau als Autoren mitarbeiten wollten. Im Laufe der Autorentätigkeit wurde Z. vom Verlagsredakteur S. angesprochen, ob er sich vorstellen könne, die Herausgebertätigkeit für den vierten Band zu übernehmen, nachdem B.M. als Herausgeber aufgehört hatte.997 Im Fall des Geschichtsbuches »Fragen an die Geschichte« fragte der Herausgeber seine Kollegin M.D. und den vom ihm ausgebildeten Referendar E. W., ob man zu dritt nach S. Konzeption das Geschichtsbuch ausarbeiten wolle. Wesentlich sei für diese Arbeit gewesen, so W., dass es keine schriftliche Konzeption gegeben habe.998 S. erörterte im Gespräch mit den Autoren die grundsätzliche Ausrichtung des Buches und es sei die Aufgabe der Autoren gewesen, S. Vorstellung in ihren Texten zu folgen. Er habe sich die Mitautoren bewusst aufgrund ihres didaktischen Verständnisses ausgesucht, damit man »aus einem Guss«999 am Schulbuch arbeiten könne. Den Lehrern unter den Schulbuchautoren ist gemein, dass sie alle über ihre grundsätzliche Lehrertätigkeit hinaus engagiert waren: als Schulleiter, Fachleiter oder Vorsitzende von Staatsexamenskommissionen. Aufgrund dieser Tätigkeiten ergaben sich persönliche Kontakte zu anderen Akteuren, die als Verlagsredakteur oder bereits als Schulbuchautoren tätig waren.1000 Auch bei den universitären Autoren spielten die persönlichen Kontakte und Empfehlungen die entscheidende Rolle. Man kannte sich beispielsweise aus gemeinsamen Zeiten als Mitarbeiter eines Lehrstuhls oder eines Instituts.1001 Im Falle des 994 995 996 997 998 999 1000 1001

Vgl. Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 1. Vgl. Interviewtranskript G. H., 26. 1. 2015, S. 3. Vgl. Interviewtranskript R.E., 24. 9. 2014, S. 1. Vgl. Interviewtranskript N. Z., 27. 10. 2014, S. 1 Vgl. Interviewtranskript E. W., 13. 1. 2015, S. 11. Ebd. Ebd. Vgl. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 1.

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Buches »Geschichtsbuch, Band 4« des Cornelsen Verlags saßen der Herausgeber B.M. und der spätere Autor C. K. an der Universität Bielefeld »sozusagen schräg gegenüber auf dem gleichen Flur und da lag das nahe«,1002 beschrieb K. den Beginn seiner Arbeit als Autor für die Schulbuchkapitel zur Nachkriegsgeschichte. Der Herausgeber wählte den Autoren in diesem Fall aufgrund dessen fachwissenschaftlicher Expertise und der räumlichen Nähe, was Rückschlüsse auf ein gutes persönliches Verhältnis zwischen den beiden erlaubt. Wurden Autoren durch (ehemalige) Kollegen angesprochen, an einem Schulbuch mitzuarbeiten, wiederholten sie bei der eigenen Suche nach Schulbuchautoren dieses Verfahren und suchten im Kreis der persönlichen Bekannten, ob sich jemand zur Mitarbeit eigne.1003 Die Auswahl basierte auf den Erfahrungen in der Zusammenarbeit und dem Eindruck der Eignung für die Tätigkeit als Schulbuchautor, die aus verschiedenen Gründen vorhanden waren: Da man lange zusammengearbeitet hatte, bereits Texte von jemandem kannte oder ihn selbst als Referendar ausgebildet hatte.1004 Die Auswahl der Autoren ist ein zufälliges Verfahren und basiert auf persönlichen Kontakten, »weil man den oder den kannte«1005. In den meisten Fällen erhielten die Verlagsredakteure die mündliche Empfehlung und kontaktieren dann die potentiellen Autoren. Sie sprachen auch Mitglieder der Lehrplankommissionen der Bundesländer an, um an den Geschichtsbüchern mitzuarbeiten, die zu den Lehrplänen passen sollten. Obwohl die Kommissionsmitglieder eigentlich nur dem Ministerium bekannt waren, gelang es den Verlagen, Kontakte herzustellen und Informationen zu erhalten. Später seien die Ministerien auch »offener« geworden und »haben die Namen der Lehrplankommission bekannt gemacht und jeder Verlag hat sich drauf gestürzt«1006. Für Verlage sei es von großer Bedeutung gewesen, »wenigstens ein Mitglied« als Autor des Buches zu gewinnen. Auf diese Weise habe man seitens des Verlages den Vorteil gehabt, »dass die Bücher dann besser den Anforderungen gerecht werden«1007 konnten, so der Redakteur U.A. vom CornelsenVerlag. Auch die Lehrerverbände waren Institutionen, die Redakteure nutzten, um Autoren zu akquirieren. Die Verlage wurden eingeladen, an Veranstaltungen teilzunehmen, woraus sich mögliche Kontakte und Bekanntschaften ergaben: J.R., zu dieser Zeit Fachleiter am Studienseminar in Oldenburg, wurde auf diesem Weg Teil des Autorenteams des Klett-Verlages für das Geschichtsbuch »erinnern und urteilen«1008. Die Mitarbeit eines Verbandsmitgliedes war für den 1002 1003 1004 1005 1006 1007 1008

Interviewtranskript C. K., 9. 4. 2015, S. 1. Vgl. Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 8. Vgl. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 4. Ebd. Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 3. Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 2. Vgl. Interviewtranskript J. R., 10. 11. 2014, S. 1.

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Verlag außerdem von ökonomischem Nutzen, denn es stellte »ein Argument für den Lehrer«1009 dar, sich für das Geschichtsbuch zu entscheiden. Ein weiteres Verkaufsargument, das Einfluss auf die Zusammensetzung nahm, war die fortschrittliche didaktische Ausrichtung des neuen Buches, um sich von der Konkurrenz absetzen zu können. Man habe dementsprechend Autoren gesucht, »von denen wir annehmen, dass sie diese moderne Richtung vertreten«,1010 so der Redakteur Z.. Ein drittes Verkaufsargument waren Mitglieder des Autorenteams, die aus dem Bundesland stammten und dort arbeiteten, für das ein Geschichtsbuch produziert werden sollte. Spätestens mit dem Aufkommen diverser Länderausgaben in den 1980er-Jahren wurde diesem Aspekt verstärkt Bedeutung beigemessen. Auch durch das Angebot, ein neues Buch zu entwickeln, konnten Verlage Autoren für ihre Tätigkeit gewinnen, wie der Wechsel W. H.s in den späten 1970er-Jahren vom Klett zum Diesterweg Verlag zeigt. Die neue Konzeption eines Geschichtsbuches erschien dem Verlag von Bedeutung, da das vorhandene Buch »Spiegel der Zeiten« nicht jene erfolgreiche Positionierung auf dem Schulbuchmarkt geschafft hatte, die erhofft worden war. Mit dem Buch »Geschichtliche Weltkunde« wollte sich der Verlag mit einem Arbeitsbuch am Markt präsentieren und verortete sich dabei zwischen beiden Büchern »Fragen an die Geschichte«, die als Materialsammlung galt, die die didaktische Aufbereitung dem Lehrer überließ und »Die Reise in die Vergangenheit«, das einen stark leitfadenartigen Charakter besaß.1011 Das Autorenteam von »Geschichtliche Weltkunde« setzte sich aus Autoren des Vorgänger-Buches »Spiegel der Zeiten« sowie aus Autoren des Geschichtsbuches »Grundriss der Geschichte« zusammen, das ebenfalls im Diesterweg Verlag erschien.1012 Die Verlagsmitarbeiter Ba. und B. übernahmen dabei die Zusammenstellung des Autorenteams. Die Verlage konkurrierten auch miteinander um Autoren und Herausgeber. So kontaktierten Mitarbeiter des Diesterweg Verlags den beim Klett-Verlag tätigen Autoren H. und boten ihm an, bei Diesterweg ein gänzlich neues Geschichtsbuch zu konzipieren und zu entwickeln. Als Grund für seine Zustimmung zu diesem Angebot gab H. an, dass seine Freiburger Kollegen beim Verlag um ihn geworben hätten und ihm nahegelegt hatten, sich für den Wechsel zu entscheiden. Dieser sei aufgrund eines wenig herzlichen Klimas unter Herausgeber L. nicht allzu schwergefallen.1013 Im Zusammenhang mit der nachfolgenden Schilderung der guten Arbeitsatmosphäre und der Zusammenarbeit mit

1009 1010 1011 1012 1013

Ebd., S. 6. Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 3. Vgl. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 7. Vgl. ebd., S. 2. Vgl. ebd.

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Autoren bei Diesterweg, die H. als »Glücksfall«1014 beschrieb, muss die Beurteilung der Arbeit im Klett-Verlag distanziert betrachtet werden. Nicht zuletzt bot der Diesterweg Verlag H. die Konzeption eines neuen Geschichtsbuches an, was im Vergleich zu einer Autorentätigkeit sicherlich attraktiver erschien. Die Schilderung der Arbeit an »Geschichtliche Weltkunde« hob sich im Interview auch sprachlich deutlich von der Arbeit im Klett-Verlag ab. Neben dieser Beurteilung beschrieben andere Akteure ebenfalls, während ihrer Autorentätigkeit von anderen Verlagen kontaktiert worden zu sein. So berichtete Z. von Kontaktaufnahmen des Klett-Verlages, Autoren aus dem Team »Geschichtsbuch« beim Cornelsen Verlag ›abwerben‹ zu wollen.1015 So vielfältig wie die Akquise von Autoren für die Schulbücher war, so variantenreich waren auch die Zusammensetzungen der Autorenteams. Zusammen mit der Konzeption äußerten die Herausgeber meist auch Tendenzen, wie das Autorenteam aus den Akteursgruppen Lehrer, Fachdidaktiker und Fachwissenschaftler zusammengesetzt sein sollte. Wurde großen Wert auf schulpraktische Erfahrungen gelegt, sprachen die Verlagsmitarbeiter gezielter empfohlene Lehrpersonen oder Fachleiter an; suchten sie hingegen fachwissenschaftliche oder fachdidaktische Autoren, orientierten sie sich im universitären Bereich. Nach der Empfehlung und der Ansprache durch den Verlag fertigten die Autoren in einigen Fällen Probekapitel an, die den Herausgebern vorgelegt wurden.1016 Bei diesen Probekapiteln sei es im Wesentlichen darum gegangen, zu beurteilen, wie der Autor die »konzeptionellen Vorgaben des Verlages«1017 umsetzte. Bei diesen Arbeitsproben zeigte sich auch, ob der potentielle Schulbuchautor in der Lage war, den entsprechenden sprachlichen Stil und die notwendige Form der didaktischen Aufbereitung der Inhalte im Autorentext zu finden. Da es sich beim Autorentext nicht um eine fachwissenschaftliche Darstellung handelte, sondern auf begrenztem Raum historische Ereignisse didaktisch aufbereitet präsentiert werden mussten, war das Verfassen der Texte eine Herausforderung. Diese haben nicht alle empfohlenen potentiellen Autoren auch bewältigen können, erinnerte sich Herausgeber R. Er schätzte, dass bei rund »1/3 oder 1/4«1018 nach der Vorlage der Probekapitel die Zusammenarbeit nicht zustande kam, da sie den Anforderungen in sprachlicher und inhaltlicher Gestaltung nicht entsprachen. Während sich R. auch einige Fachwissenschaftler zu den Autoren zählte, denen man trotz ihrer wissenschaftlichen Reputation die Fähigkeit absprach, für das Geschichtsbuch zu schreiben, betonte G.H., dass man von Seiten des Verlags 1014 Ebd. 1015 Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 4. 1016 Vgl. Interviewtranskript J. G., 13. 10. 2014, S. 6, Interviewtranskript J. R. 11. 10. 2014, S. 2 sowie Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 1. 1017 Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 1. 1018 Interviewtranskript J. R., 11. 10. 2014, S. 3.

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in den 70er- und 80er-Jahren der Ansicht gewesen sei, dass Lehrer für das Buch nicht schreiben könnten. Diese Divergenz in den Aussagen der interviewten Akteure zeigt an dieser Stelle deutlich, die notwendige Reflexion der Antworten. Im Hinblick auf die Eignung potentieller Autoren für die Mitarbeit am Geschichtsbuch lässt sich daher sicher sagen, dass Autorentexte besondere didaktische Ansprüche an ihre Verfasser stellten. Von zentraler Bedeutung war die Fähigkeit, einen Autorentext mit seinen vielfältigen Anforderungen verfassen zu können, also Inhalte didaktisch und sprachlich dem Medium Geschichtsbuch entsprechend aufzubereiten. Potentielle Autoren wurden in anderen Fällen »Konzeptionskonferenzen«1019 eingeladen, an der alle Autoren, die Herausgeber und der Verlagsredakteur teilnahmen. Der vom Verlagsredakteur benannte Autor wurde dem Herausgeber »neu präsentiert als Kandidat vom Verleger«1020 und »richtig inspiziert«1021, erinnerte sich H. an sein erstes Treffen mit F.L. in den 1960er-Jahren, dem Herausgeber der Reihe »Menschen in ihrer Zeit«. Jener habe in ihrem ersten Gespräch auch auf den Autor J.G. »abschreckend«1022 gewirkt, doch nachdem er seine didaktische Konzeption für das Lehrwerk ausgeführt hatte, habe G. bemerkt: »Das ist ein genialer Kerl«1023, mit dem er gerne und konstruktiv zusammengearbeitet habe. Die Kriterien zur Zusammenstellung der Autorenteams sind vielfältig und unterschieden sich je nach Anlage des Geschichtsbuches. Eine personelle Analyse der Biographien der Schulbuchautoren kann aus forschungspragmatischen Gründen nicht geleistet werden, doch stichpunktartige Beobachtungen machen deutlich, dass Autorenteams, auch wenn sie nur aus zwei Autoren bestanden, immer aus einer Mischung aus Lehrern / Fachleitern, Fachwissenschaftlern und Fachdidaktikern bestanden. Der Bezug zur didaktischen Praxis ist allen Autoren dabei gemeinsam: Ob dies in Form von eigener schulpraktischer Erfahrung als Lehrer geschah oder Fachwissenschaftler durch andere didaktische Formate (wie z. B. das Telekolleg) bereits Erfahrungen in der Geschichtsvermittlung gesammelt hatten, variierte. Gänzlich ohne fachdidaktischen Bezug blieb kein Autorenteam. Dabei lässt sich eine grundsätzliche Unterscheidung vornehmen: Einige Autoren stammten aus dem universitären Umfeld und waren an Lehrstühlen als Assistenten tätig, während andere Autoren als Lehrer arbeiteten. Dies lässt sich quantitativ nicht abbilden, sondern variierte von Geschichtsbuch zu Geschichtsbuch und war maßgeblich von der didaktischen Konzeption abhängig. Einige Autorenteams wie das von »Geschichtsbuch 4« des Cornelsen Verlags 1019 1020 1021 1022 1023

Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 1. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 1. Ebd. Interviewtranskript J. G., 13. 10. 2014, S. 6. Ebd.

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bestanden aus Fachdidaktikern und Fachwissenschaftlern. Wieder andere, wie das Team von »erinnern und urteilen« und später »Geschichte und Geschehen« setzte sich aus Lehrern und Fachdidaktikern zusammen. Ihre Tätigkeit als Schulbuchautor übten die Akteure neben einer Haupttätigkeit aus. In den meisten Fällen handelte es sich um Lehrer, die in Kontakt mit einem Schulbuchverlag oder einem Herausgeber standen und so die Arbeit an einem Schulbuch begannen. In einem Fall war die Autorin zugleich Mitarbeiterin im bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und in einem Referat tätig, das sich mit der Zulassung von Geschichtsbüchern beschäftigt.1024 Sie nahm unter anderem Prüfungen von Schulbüchern vor und beurteilte sie in der internen Korrespondenz des Ministeriums. Als Herausgeberin arbeitete sie an der Reihe »Die Welt im Spiegel der Geschichte« mit, die in Bayern ebenfalls zur Prüfung vorgelegt wurde. An diesem Verfahren war sie allerdings nicht beteiligt. In zwei anderen Fällen waren Schulbuchautoren auch als Gutachter beauftragt worden. So fungierte H.B., der seit den 1970er-Jahren im Buchners Verlag als Herausgeber und Autor von Geschichtsbüchern arbeitete, in den 1960er-Jahren als Gutachter für das Ministerium.1025 Auch W. K. wurde als Gutachter beauftragt, obwohl er im Verlag Lurz als Autor tätig war.1026 Eine Kombination zwischen politischer Tätigkeit und Herausgeberschaft gab es auch in den 1990er-Jahren beim Bayerischen Schulbuchverlag in der Person des Ministerialbeauftragten H.. Jener war sowohl im Kultusministerium für Fragen der Schulaufsicht verantwortlich und zugleich Herausgeber eines Geschichtsbuches. Dass die Personalunion von Schulbuchautor und Ministerialbeamten für politische Diskussionen sorgte, zeigte auch die Frage eines Abgeordneten an den nordrhein-westfälischen Kultusminister.1027 Girgensohn schloss aus, dass »solche Mitarbeiter beim Genehmigungsverfahren mitwirken«1028. Den Akteuren im Kultusministerium war also bekannt, dass durchaus auch Ministerialbeamte als Schulbuchautoren tätig waren. Es sei dabei aber als selbstverständlich vorausgesetzt worden, dass jene sich nicht an Zulassungsentscheidungen in Bezug auf die eigenen Bücher beteiligten.1029 Von administrativer Seite sei somit »die Gefahr einer direkten oder indirekten Beeinflussung der Entscheidung durch fi-

1024 Vgl. Aktennotizen B., 4.4 und 5. 4. 1950, BayHStA MK 63818, Bezug auf ihre Änderungsvorschläge auch in Brief des Bayerischen Schulbuchverlags an das Ministerium, 28. 7. 1964, BayHStA MK 64520. 1025 Vgl. Gutachten B. zu »Die Welt im Spiegel der Geschichte«, 30. 9. 1965, BayHStA MK 64263. 1026 Vgl. handschriftliche Benennung der Gutachter auf Brief des C.C. Buchners Verlags, 5. 10. 1964, BayHStA MK 63826. 1027 Vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen: Plenarprotokoll der Landtagssitzung vom 18. 12. 1974. NR 7/119, S. 4936, zitiert nach Müller, 1977, S. 211. 1028 Ebd. 1029 Vgl. ebd.

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nanzielle Einzelinteressen«1030 vermieden worden, urteilte Müller in seiner Analyse.1031 Die Aufgabe des Herausgebers war es, eine didaktische Konzeption des Geschichtsbuches zu entwickeln und auf dieser Grundlage ein Schulbuch entstehen zu lassen. Nach der Benennung von Autoren fanden Autorentreffen/-konferenzen statt, die für die Arbeit am Schulbuchtext von großer Bedeutung waren, sich aber ähnlich variantenreich gestalteten wie die Auswahl der Autoren. Die Rolle des Herausgebers und seine Aufgaben waren damit klar umrissen, doch in praxi waren individuelle und persönliche Faktoren auf Seiten der Akteure von großer Bedeutung dafür, wie sie den Aufgaben nachkamen. Das Gegenteil zu der bereits skizzierten stark herausgeberzentrierten Arbeit von F.L. in »Menschen in ihrer Zeit« in den 1960er-und 1970er-Jahren stellte die kooperative Arbeitsform des Autorenteams von »erinnern und urteilen« in Band 4 dar, der 1981 erschien. Zwar wurden im Buch Herausgeber genannt, die jedoch für die anderen Bände zuständig waren. Die Autoren des vierten Bandes konzipierten den Band ohne Herausgeber. Es habe dabei kein hierarchisches Denken gegeben, sondern man habe sehr kooperativ zusammengearbeitet, berichtete U. M..1032 Auch auf der zwischenmenschlichen Ebene habe in diesem Team eine sehr angenehme Atmosphäre geherrscht, bestätigten J.R. und G.H..1033 Die Grundlage der guten und reibungslosen Autorentätigkeit stellten eine gemeinsame didaktische Linie sowie ein möglichst ähnliches Geschichtsbild dar. Über die Funktion der Beschäftigung mit Geschichte und ihrer entsprechenden Darstellung im Schulbuch waren sich die Autoren und Herausgeber im Wesentlichen einig. Fast allen Geschichtsbüchern lag eine didaktische und me1030 Ebd. 1031 Seit den späten 1960er-Jahren mussten die bayerischen Schulbuchgutachter dem Staatsministerium gegenüber schriftlich versichern, dass sie nicht an der Produktion eines Schulbuches mitarbeiteten, um solche Überschneidungen zu vermeiden. Darüber, dass als Gutachter nicht tätig werden könne, »wer auf dem betreffenden Fachgebiet an der Herausgabe eines Lernmittels beteiligt ist«, informierte das Staatsministerium für Unterricht und Kultus in einem Brief von 16. 11. 1967 die bayerischen Bezirksregierungen (Brief des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Bezirksregierungen, 16. 11. 1967, BayHStA MK 62120). Ein Reisebericht in den Akten des Bayerischen Schulbuchverlags zeigt allerdings, dass die Personalunion von Mitglied der Lehrplankommission und Schulbuchautor 1988 bewusst hergestellt wurde. Der Verlagsmitarbeiter K.-H. Z. reiste 1988 nach Nordrhein-Westfalen, um dort für das Projekt »Geschichte Hauptschule NRW« ein Autorenteam zusammenzustellen. Aus ökonomischer Perspektive handelt es sich dabei um eine vortreffliche Verbindung, da sich die Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung von Lehrplan und Schulbuch immens erhöhte (vgl. Aktennotiz zu »Projekt Geschichte Hauptschule NRW«, 27. 10. 1988, S. 3, BayHStA Bayerischer Schulbuchverlag Nr. 403). 1032 Vgl. Interviewtranskript U. M., 9. 12. 2014, S. 11. 1033 Vgl. Interviewtranskript J. R., 11. 10. 2014, S. 4; vgl. Interviewtranskript G. H., 26. 1. 2015, S. 4.

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thodische Konzeption des Herausgebers zugrunde, in der diese Faktoren schriftlich festgehalten waren, in anderen Fällen handelte es sich um stillschweigende Vereinbarungen. Es war außerdem von nicht zu unterschätzender Bedeutung in der Zusammenarbeit der Autoren und Herausgeber, dass man sich auch zwischenmenschlich gut verstand. Das »persönliche Klima«1034 war auch im Falle W.H.s ein Grund, die Zusammenarbeit mit dem Klett-Verlag zu beenden und als Autor und Herausgeber zum Diesterweg Verlag zu wechseln. Er erinnerte sich »an keinen einzigen Fall, wo er [F.L., Herausgeber von »Menschen in ihrer Zeit«, Anmerk. der Verfasserin] mal ein persönliches Wort mit mir gewechselt hat, wie es mir geht oder was ich so mache»1035. Das Arbeitsklima spielte auch eine wesentliche Rolle, damit die Autorenteams dauerhaft miteinander arbeiten konnten. B.M. zufolge habe man als Herausgeber sowohl aus der Fachwissenschaft wie aus der Fachdidaktik nur mit Autoren zusammengearbeitet, »die als kooperationsbereit bekannt waren.«1036 Der Autor J.R. beschrieb für die Geschichtsbücher »erinnern und urteilen« sowie »Geschichte und Geschehen« aus den 1980er Jahren, dass man »also schon über viele Jahre hinweg eigentlich immer wieder ein ähnliches Team gewesen ist«1037 und dass neue Autoren nur vereinzelt hinzukamen. Durch diese langfristige Zusammenarbeit des Verlages mit Autoren und Herausgebern entstehe »eine Routine, das Material dementsprechend aufzubereiten«1038, so die Perspektive des Redakteurs A., der mit einem erfahrenen Autorenteam auch eine kürzere Produktionszeit eines Geschichtsbuches verband. Eine außerordentlich lange Autorentätigkeit ist die J. C.s, der bereits 1979 als Student von einem Professor als Autor empfohlen wurde, der wiederum eine Anfrage vom Bayerischen Schulbuchverlag hatte und bis dato an rund 40 Schulbüchern als Autor und Herausgeber mitarbeitete.1039 Häufig arbeiteten Autoren und Herausgeber lange zusammen, sodass sich ein fester »Stamm«1040 bildete, der für die Ausgaben verschiedener Schulformen und Bundesländer um einige ›neue‹ Autoren ergänzt wurde. Hatten die Autoren unterschiedliche Auffassungen von Geschichte und Geschichtsdidaktik, wurde mitunter heftig und kontrovers über Autorentexte debattiert. Man habe mitunter auch »ganz hart diskutiert, so hart, dass einer 1034 1035 1036 1037 1038

Vgl. Interviewtranskript W.H., 16. 2. 2015, S. 1. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 1. Interviewtranskript B. M., 10. 11. 2014, S. 1. Vgl. Interviewtranskripte J. R., 10. 11. 2014, S. 2 und G. H., 26. 01. 2015, S. 4. Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 3. Diese Beschreibung der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren ähnelt durchaus dem Verhältnis von wissenschaftlichen oder literarischen Autoren und ihren Verlegern (vgl. dazu jüngst Nolte, Paul: Lebens Werk. Thomas Nipperdeys ›Deutsche Geschichte‹. München 2018). 1039 Vgl. Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 1. 1040 Interviewtranskript F. B., 17. 10. 2014, S. 1.

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aufgestanden ist und verärgert heimgefahren ist«1041, berichtete N.Z. über kontroverse Autorenrunden. Vermittelnd zwischen den Positionen stand der Herausgeber, der entschied, wenn kein Kompromiss zu finden war.1042 Die Mehrzahl der Autoren berichtete allerdings über intensive und konstruktive Besprechungen, die bei der Arbeit am Text sehr hilfreich gewesen seien. Grundsätzlich habe man in den Autorentreffen versucht, einen Kompromiss für die Gestaltung der Autorentexte zu finden, der sich zwischen der Beachtung der Position des Autors und den verlagsseitigen Anforderungen an den Text befand. R. E. bezeichnete das Schulbuch als »Kompromissprodukt«1043 der beteiligten Akteure und »irgendwo in dieser Suppenküche entsteht dann manchmal etwas als Minimalkonsens und manchmal auch etwas, von dem alle überzeugt sind.«1044 N.Z. führte auch die räumliche Nähe der Autoren zueinander als Vorteil an, da so zeitnah und unkompliziert direkt miteinander kommuniziert werden konnte. Andere Akteure sahen in der Distanz jedoch keinen Nachteil, da umso intensiver während der Autorentreffen diskutiert wurde. In Bezug auf diese Treffen wurde deutlich, dass die Häufigkeit von Geschichtsbuch zu Geschichtsbuch variierte. Es gab Autorenteams, die »unendlich viele Sitzungen« hatten, wie sich Autor C. K. an die Arbeit zu »Geschichtsbuch, Band 4« in den 1980er-Jahren erinnerte, in denen »sehr gründlich alles diskutiert«1045 und Skizzen für die Gestaltung der Kapitel angefertigt wurden. Doch nicht nur zur konzeptionellen Arbeit, auch zur gemeinsamen Redaktion der Texte habe man sich getroffen und einander kritisiert, sodass eine lange andauernde, aber auch »sehr produktive, intensive Debatte«1046 zwischen den Autoren stattfand. Auch der Schöningh Verlag beraumte in der Produktion des Geschichtsbuches »Rückspiegel« regelmäßige Treffen ein, die anfangs zur Konzeption dienten, aber auch den Schreibprozess der Autoren begleiteten und in denen die Manuskripte in ihren verschiedenen Stadien diskutiert wurden.1047 In Bezug auf die Autorentreffen zeigen sich zwei Arbeitsmodelle: Zum einen dasjenige, bei dem sich Autoren und Herausgeber den gesamten Produktionsprozess über trafen und die gemeinsam über ihre Texte sprechen. Zum anderen die nachfolgend skizzierte Form der Zusammenarbeit, bei der nach einem Autorentreffen zu Beginn der Arbeit am Buch die Gruppe von Akteuren nur noch sporadisch oder gar nicht mehr zusammenkommt, sondern einzelne Akteure direkt miteinander kommunizieren. Im Klett-Verlag sei die gesamte Au1041 1042 1043 1044 1045 1046 1047

Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 5. Vgl. Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 5. Interviewtranskript R. E., 24. 9. 2014, S. 11. Ebd. Interviewtranskript C. K., 9. 4. 2015, S. 1. Ebd. Vgl. Interviewtranskript F. B., 17. 10. 2014, S. 2.

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torengruppe von »Menschen in ihrer Zeit« zu Beginn der Schulbucharbeit »zu einer mindestens zweitätigen Sitzung im Verlag mit dem Lektor Geschichte und unter der Leitung von Herrn L.«1048 zusammengekommen, so W.H., der als Autor in den 60er- und 70er-Jahren an dem Buch mitwirkte. Man habe »die Themen fixiert, Aufgaben verteilt, Grundsätze erörtert«1049. Die Korrekturarbeit sei dann allerdings zwischen Herausgeber L. und den Autoren einzeln und nicht im Rahmen einer gemeinsamen Tagung erfolgt.1050 Dieses Vorgehen übernahm G. dann ebenso in seine eigene Tätigkeit als Herausgeber von »erinnern und urteilen«, in der er »kein einziges Autorengespräch geführt«1051, sondern mit den Autoren »gelegentlich Briefe gewechselt«1052 habe. Dieses Modell der Zusammenarbeit von Autoren und Herausgeber charakterisieren also (mehr oder weniger) regelmäßige Autorentreffen, die den Produktionsprozess begleiteten. Zu Beginn der Arbeit am Geschichtsbuch trafen sich die Herausgeber, Autoren und Redakteure, um über die didaktische Konzeption und die Gestaltung der Autorentexte zu sprechen. Auch wenn noch Autoren für Kapitel fehlten und die Akquise durch den Redakteur noch nicht abgeschlossen war, besprachen Autoren und Herausgeber in Autorentreffen die Konzeption des geplanten Geschichtsbuches.1053 War das Autorenteam vollzählig und die Aufteilung der Kapitel anhand der Fachgebiete der Autoren erfolgt, trafen sich die Teams zu Autorentreffen, um über den Arbeitsprozess und die Autorentexte zu diskutieren. Vom Cornelsen Verlag sei bei »Bandkonferenzen«1054 des Autorenteams von »Geschichtsbuch, Band 4« auch der Vorgesetzte des Redakteurs anwesend gewesen und habe die wirtschaftliche Bedeutung angemahnt. Die Zahl der Autorentreffen variierte von Verlag zu Verlag, sogar von Herausgeber zu Herausgeber. Während Treffen zu Beginn der Arbeit von allen durchgeführt wurden, trafen sich einige Teams in regelmäßigen Abständen, andere wurden nach Bedarf von Herausgebern oder Redakteuren zusammengerufen und wieder andere trafen sich während der Schreibphase nicht mehr, sondern erst nach Veröffentlichung des produzierten Buches. Für das Buch »Geschichte und Geschehen« aus den 1980er-Jahren erinnerte Autor R. »nur eine etwas umfassendere Konferenz«1055, während die übrige Kommunikation zwischen dem Autor und dem Redakteur verlief. Im Vergleich zu Geschichtsbü1048 1049 1050 1051 1052 1053

Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 1. Ebd. vgl. Interviewtranskript J. G., 13. 10. 2014, S. 7. Ebd., S. 8. Ebd. Vgl. Protokoll der Konferenz zu Band 4 des geplanten CVK-Geschichtsbuches, 15. 1. 1983, S. 1, Privatbestand B.M. 1054 Interviewtranskript B. M., 10. 11. 2014, S. 9. 1055 Interviewtranskript J. R., 10. 11. 2014, S. 2.

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chern mit einer großen Anzahl von Autorentreffen, berichteten Akteure auch, sich nur »ganz selten«1056 getroffen zu haben, wie die Autoren des Buches »Geschichtliche Weltkunde« im Diesterweg Verlag. In diesem Fall arbeiteten die Autoren an ihren Manuskripten und sandten sie an den Herausgeber H., der zusammen mit dem Verlagsredakteur B. korrigierte. H. kommunizierte jeweils mit den einzelnen Autoren, aber die Autoren untereinander kaum. Für »erinnern und urteilen« beschrieb der Autor H., dass Autorentreffen erst nach Einzelgesprächen mit dem Verlagsredakteur H. H. stattgefunden hätten. In persönlichen Treffen hab H. gezielt über die Konzeption des Geschichtsbuches und die jeweiligen Kapitel der Autoren gesprochen.1057 Die Konzeption, an der auch W.H. mitgearbeitet hatte, beinhaltete »Grundsätze […] über Geschichte und Geschichtsunterricht und Zeitverständnis und Zukunft«1058. Auch »Gefahren und Probleme«1059 seien explizit Teil des Konzepts gewesen. Im persönlichen Gespräch habe der Verlagsredakteur H. ihn gefragt »Können Sie was damit anfangen und wie können Sie das füllen?«1060, so H.. Diese Konzeption sei die Grundlage seiner Autorenarbeit gewesen. Regelmäßige Konferenzen habe es in der Schreibphase der Texte von »erinnern und urteilen« und »Geschichte und Geschehen« nicht gegeben, bestätigte auch M.. Die Kommunikation bestand vornehmlich aus Einzelgesprächen zwischen den Autoren und der Redaktion, sodass die Autoren die Texte der anderen erst am Ende, als das Buch fertig war, lasen.1061 Die Mehrzahl der Autoren von »erinnern und urteilen« arbeiteten auch an »Geschichte und Geschehen IV« mit, das 1988 erstmals und 1992 in einer Neubearbeitung erschien. Die einzelnen Manuskripte der Autoren gingen beim Verlag ein und wurden von Redakteur B. an die anderen Autoren »in den Rundversand zur schriftlichen Kommentierung«1062 geschickt. Dieses Verfahren zeigt die besondere Form der Zusammenarbeit der Autoren bei den Büchern, die beide keinen Herausgeber hatten, sondern auf die gemeinsame Arbeit der Autoren und der Verlagsredaktion bauten. Die gute Zusammenarbeit auf der fachlichen wie auch auf der zwischenmenschlichen Ebene zwischen den Autoren, Herausgebern und den Verlagsredakteuren zeigte sich auch darin, dass die Autoren Festschriften zu Jubiläen der Verlagsredakteure anfertigten. So verfasste die Autorenteams von »erinnern und urteilen« und »Grundriß der Geschichte« eine Festschrift für den Redakteur 1056 1057 1058 1059 1060 1061 1062

Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 4. Vgl. Interviewtranskript G. H., 26. 1. 2015, S. 2. Ebd. Ebd., S. 1. Ebd., S. 2. Vgl. Interviewtranskript U. M., 9. 12. 2014, S. 1. Brief des Klett-Verlags an die Autoren von Geschichte und Geschehen IV, 9. 6. 1993, S. 1, Privatbestand G.H.

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H.H..1063 Darin beschrieb M. die langjährige Teamarbeit zwischen H. und ihm, die er »nie bereut, sondern lebenslang davon profitiert«1064 habe. Auch D. H., der Verleger und Inhaber des Diesterweg Verlags, mit dem W.H. als Autor und Herausgeber zusammenarbeitete, wurde zu seinem 60. Geburtstag mit einer Festschrift geehrt.1065 Mit der zunehmenden Verbreitung der elektronischen Medien reduzierte sich die Häufigkeit der Autorentreffen und die Kommunikation zwischen dem Herausgeber und den Autoren geschah per Fax. So wurden die Texte von den Autoren an Herausgeber und Verlagsredakteur geschickt und deren Korrekturen ebenso zurückgesendet.1066 Gegenwärtig finde ein Großteil der Kommunikation innerhalb der Autorenteams per E-Mail statt.1067

3.3

Die Schreibpraktiken der Autoren und die Zukunftsnarrationen

Nachdem den Autoren in Autorentreffen oder durch einzelnen Kontakt mit dem Herausgeber die Gliederung des Geschichtsbuches und die didaktische Konzeption präsentiert wurden, begann die Arbeit an den Kapiteln. Über die Einteilung, welcher Autor welche Kapitel verfasste, kann nur dahingehend vermutet werden, dass die Aufteilung den fachlichen Schwerpunkten der Autoren folgte. Die wissenschaftliche Kompetenz und das Renommee in einem Themenbereich waren auch ein Auswahlkriterium für Autoren. Aus diesem Grund wurden C.K. von B.M. als möglicher Verfasser des Kapitels zur deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte angesprochen und – als zweites Beispiel für diese Auswahlpraxis – G.H., der als Sozialwissenschaftler tätig war und sich mit gesellschaftspolitischen Themen beschäftigte, als Autor der gegenwartsnahen Kapitel zur Zeitgeschichte angefragt. Die Frage, inwiefern neben Fachkompetenz auch individuelle Faktoren, wie z. B. Interesse am Thema, eine Rolle spielten, kann nicht zuverlässig beantwortet werden. Die Forschung hat den Schreibprozess sowie Schreib- und Korrekturpraktiken als Teil der Produktion eines Schulbuches bisher kaum beachtet. Lediglich Becker beschrieb 1978, dass ein »immer größerer Trend zur Teamarbeit bei der 1063 Das Bändchen mit dem Titel »Ein Mensch in seiner Zeit. Zum Abschied von Helmut Heuß« erschien 1993 in einer kleinen Auflage ausschließlich für den Kreis von Autoren und Herausgebern und war nicht im Handel erhältlich. 1064 Mayer, Ulrich: Vorschläge, Annahme, Auswirkungen. In: Redaktion Geschichte / Politische Bildung des Ernst Klett Verlages: Ein Mensch in seiner Zeit. Stuttgart 1993, S. 18. 1065 Vgl. Autorengemeinschaft: Gemeinsame Zeiten. Dietrich Herbst zum 60. Frankfurt a.M. 1988. 1066 Vgl. Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 7. 1067 Vgl. Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 7.

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Herausgabe eines Schulbuches«1068 deutlich werde und Keiderling vertrat 2002 die These, dass Schulbuchautoren nicht mehr autark handelten und ihr Autorentext nicht »still im Kämmerlein«1069, sondern im Austausch mit anderen Akteuren entstünde. Blaschke hat in seiner Untersuchung zum Verhältnis von fachwissenschaftlichen Autoren und den Verlegern verschiedene Typen ausgemacht, die von der Rolle als »Mittler und Vermittler«1070 bis hin zum »Aktivverlegen«1071 reichen. Letztere seien durch »Ansprechen, Anregen und selber Ausführen«1072 an der Entstehung des Buches beteiligt gewesen. Blaschke zufolge waren Verleger »geschäftlich interessiert, nahmen eine wichtige Mittlerposition ein, selektierten und kreierten Literatur«1073. Diese Ergebnisse der Forschung sollen bei der Analyse der Produktionspraktiken Beachtung finden und mögliche Entsprechungen in den analysierten Beispielen aufgezeigt werden. Die Schreibpraktiken der einzelnen Autoren für die jeweiligen Zukunftsnarrationen sind analytisch schwer zu fassen und können daher nur ansatzweise dargestellt werden. Deutlich wurde in den geführten Interviews allerdings, dass die einzelnen Autorenmanuskripte vom jeweiligen Autor allein verfasst wurden. Im nächsten Schritt wurden die Texte entweder auf einem Autorentreffen von den Autoren diskutiert oder der Autor legte sie dem Herausgeber vor, sodass die Überarbeitung nicht in der Runde aller Autoren, sondern zwischen Autor und Herausgeber stattfand. Während der Schreibphase standen Autor und Herausgeber in engem Kontakt oder es wurden Autorentreffen zum Zwischenstand der Arbeit einberufen. Der Herausgeber Z. berichtete auch davon, dass bei Schwierigkeiten der Autoren mit ihrer Arbeit Treffen im kleineren Kreis von drei bis vier Personen einberufen wurden. Man habe sich mit dem Verlagsredakteur S. und dem Autor zusammengesetzt und

1068 Ebd. Diese Entwicklung benannte auch Reich 1989, die eine »inhaltliche Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern« beschreibt (Reich, Brigitte: Erziehung zur Völkerverständigung und zum Frieden. Ein internationaler Vergleich zur Umsetzung der UNESCO-Empfehlung in Geschichts- und Sozialkundebüchern der Sekundarstufe II. Frankfurt a.M., New York 1989, S. 108). Kahlert dehnt den Produktionsprozess sogar bis zur Verwendung des Buches in der Schule aus und spricht von einer »Verantwortungsgemeinschaft zwischen Lehrwerkautoren und den Lehrerinnen und Lehrern, die Lehrwerke nutzen« (Kahlert, Joachim: Das Schulbuch - Stiefkind der Erziehungswissenschaft, in: Fuchs, Eckhart u. a. (Hg.): Schulbuch konkret. Kontexte – Produktion – Unterricht. Bad Heilbrunn 2010, S. 52). Dieser Annahme wird in dieser Arbeit nicht gefolgt, sondern die Untersuchung mit der Veröffentlichung des Geschichtsbuches abgeschlossen. 1069 Keiderling 2002, S. 87. Keiderling versteht in seiner Darstellung den Schulbuchhandel als System, in dem vorrangig die Ressource ›Geld‹ dessen Verlauf bestimmt. 1070 Blaschke, Verleger machen Geschichte, 2010, S. 374. 1071 Ebd., S. 379. 1072 Ebd. 1073 Ebd., S. 405.

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»überlegt, wie man das formulieren kann.«1074 Kooperativ »hat einer mal angefangen und die anderen sind eingestiegen«1075, sodass der Herausgeber zum Schluss gar nicht mehr sagen konnte, wer genau den Text verfasst hatte. Einige Textteile entstanden demnach gemeinschaftlich, andere Teile am Schreibtisch der einzelnen Autoren. Auch gute persönliche Beziehungen zwischen den Autoren waren ein Grund, dass Texte gemeinsam entstanden. So bestand beispielsweise »eine ganz enge Kooperation«1076 zwischen U. M. und K.B. im Schreibprozess ihrer Kapitel: »Da hat er die Schwerpunkte, die er sah, übernommen und ich habe dann andere Kapitel übernommen und die sind dann ineinander gestrickt worden«1077, berichtete M.. Diese Zusammenarbeit war allerdings nicht vom Verlag initiiert, sondern gründete in der Freundschaft zwischen den Autoren, dass man voneinander wusste, was der andere schreiben würde.1078 Von der Forschung sind die Anforderungen an den Autorentext im Geschichtsbuch ausführlich thematisiert worden. Es sei die Aufgabe des Schulbuchautors, fachwissenschaftliche und fachdidaktische, pädagogische und politische Aspekte zu reduzieren und zu formulieren.1079 Als Besonderheit für Geschichtsbücher hat Schönemann herausgearbeitet, dass bestimmte »gattungsspezifische Determinanten […] Zwänge zu Selektion, Strukturierung und Elementarisierung«1080 darstellen, die die Gefahr bargen, dass im Geschichtsbuch zu wenig differenziert werde. Dies ziehe häufig fachwissenschaftliche Kritik an Schulbüchern auf sich.1081 Die mitunter vielfältigen Quellen der Autorentexte werden in der Regel nicht zitiert, sodass nicht ersichtlich ist, woher bestimmte Einflüsse stammen.1082 Baets betont »gesellschaftliche Hintergründe«1083, vor denen die Autorentexte entstünden. Schulbuchautoren verfügten als »belesene Verfasser […] über einen gewissen Spielraum hinsichtlich des ge-

1074 1075 1076 1077 1078 1079 1080 1081

Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 7. Ebd. Interviewtranskript U. M., 9. 12. 2014, S. 11. Ebd. Vgl. ebd., S. 12. Vgl. Wain 1992, S. 24. Schönemann 1982, S. 93. Vgl. Schmid 1985, S. 13. Schmid äußert sich in diesem Beitrag in seiner Rolle als Herausgeber des Geschichtsbuches »Fragen an die Geschichte« und reagiert damit auf ›Schulbuchschelte‹, die den Geschichtsbüchern vorwarf, fachwissenschaftliche Erkenntnis zu sehr zu reduzieren bzw. sachlich falsche Inhalte zu vermitteln. 1082 Vgl. Johnsen 1993, S. 15. So auch Biener 2011, der zwar einen Überblick über die »bis zur letzten untersuchten Schulbuchgeneration zugängliche einschlägige Literatur« (S. 21) auflistet, doch natürlich nicht belegen kann, inwiefern sie Einfluss auf die Schulbuchautoren nahm, da er nicht das Rezeptionsverhalten von Schulbuchautoren untersuchte. 1083 Baets 1990, S. 85.

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sellschaftlichen Geschehens«1084, sodass sie durch ihre Texte »in einem bescheidenen Maße auf das Meinungsklima Einfluß ausüben können«1085. Ninnes hat australische und kanadische Schulbuchautoren befragt, um zu erforschen, welche Faktoren Einfluss auf die Gestaltung der Autorentexte nahmen. Einige Autoren antworteten, dass auch »their own personal educational values and philosophies«1086 dazuzählten. Einige gaben an, fachwissenschaftliche Recherche betrieben sowie auf »material in the public domain«1087 zurückgegriffen zu haben. Auch die notwendige räumliche Begrenztheit des Textes spielte eine Rolle, da der Autorentext nicht zu lang sein durfte, um nicht mehr als den vorgesehenen Platz im Schulbuch einzunehmen.1088 Die Interviews mit den Autoren sowie ihre persönlichen Unterlagen zu den jeweiligen Abschnitten des Autorentextes zeigen ein ähnliches Vorgehen. Die Akten von G. H., der an »erinnern und urteilen« und »Geschichte und Geschehen« mitarbeitete sowie den Oberstufenband »Grundzüge der Geschichte« herausgab, zeigen, dass er sich intensiv in die Forschungsliteratur zu seinem Thema einarbeitete, um die Zukunftsbezüge auf der Grundlage der Friedensforschung, der ökologischen Forschung und der »politisch-wissenschaftlichen-philosophischen und auch alltäglichen Diskurse«1089 gestalten zu können. U.M. schilderte im Gespräch ebenfalls, dass er sich wissenschaftlich in das Thema »Nahostkonflikt« eingearbeitet habe, bevor er das Kapitel für »erinnern und urteilen« verfasste.1090 Von Bedeutung sei dabei – neben aller wissenschaftlichen Information– auch gewesen, dass man »selbst auch ein politisch denkender Mensch«1091 sei. Der geltender oder vom Schulbuchverlag auf verschiedene Wege antizipierte neu einzuführende Lehrplan stellte den inhaltlichen Rahmen für die Gestaltung der Autorentexte dar. Die Lehrbuchtexte hatten den curricularen Vorgaben sowohl inhaltlich wie auch in ihrer didaktischen Aufbereitung zu entsprechen, damit das Buch in dem jeweiligen Bundesland zugelassen werden konnte. Durch jahrzehntelange Erfahrung habe man »einen relativ scharfen Blick drauf, für welches Bundesland wir […] gerade arbeiten und welche Kriterien in dem 1084 Ebd., S. 86. 1085 Ebd. 1086 Ninnes, Peter : Writing multicultural science textbooks: Perspectives, problems, possibilities and power, in: Australien science teachers journal 47 (2001) 4, S. 21. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte 1994 De Beats in seiner Befragung von 33 niederländischen und flämischen Geschichtslehrern (vgl. Baets, Antoon de: Profile of the History Textbook Author as a Mediator between Historiography and Society, in: Internationale Schulbuchforschung 16 (1994), S. 515–534.). 1087 Ninnes 2001, S. 24. 1088 Vgl. ebd., S. 21. 1089 Interviewtranskript G. H., 26. 1. 2015, S. 4. 1090 Vgl. Interviewtranskript U. M., 9. 12. 2014, S. 5. 1091 Ebd.

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Bundesland gerade angelegt werden«1092, erklärte der Verlagsredakteur A.. Er habe dieses Erfahrungswissen entsprechend an die Autoren der Bücher weitergegeben. Dieses Wissen zeigte sich exemplarisch an einem Autorentreffen, bei dem das Autorenteam über die Gestaltung der Kapitel im Hinblick auf die »Verwendung zentraler Begriffe im Gesamtwerk«1093 sprach. Im Protokoll wurde vermerkt, dass die Bedeutung der Begriffe »gerade im Hinblick auf die Genehmigungskommission«1094 in Nordrhein-Westfalen betont worden sei. Die Grundlage der Beurteilung, ob ein Buch zugelassen wurde oder nicht, waren die Lehrpläne. Damit stellten sie sowohl die thematische wie auch die didaktische Basis und die Rahmenbedingungen für die Geschichtsbücher dar. Die Herausgeber H. und Z. berichteten, dass insbesondere der Lehrplan in NordrheinWestfalen Berücksichtigung finden musste.1095 Für die Zulassung von »Geschichtliche Weltkunde« habe man neben Nordrhein-Westfalen auch auf einen Stadtstaat geachtet, so H., wobei Hamburg »eine feste Adresse«1096 gewesen sei, da er mit dem zuständigen Referenten im Ministerium »gut bekannt aus meiner UNESCO-Zeit«1097 gewesen sei.1098 Diese politischen Vorgaben waren den Autoren im Schreibprozess »immer«1099 präsent und bildeten zusammen mit der didaktischen Konzeption des Buches ein »Gitter«1100 als Grundlage des Textes. Der Verlag war aus wirtschaftlichen Gründen ebenfalls an einer möglichst langen inhaltlichen Gültigkeit des Buches interessiert, was besonders in Bezug auf die Zukunftsnarrationen beinahe paradox und ein Spiel mit der vergehenden Zeit war. So habe Verlagsredakteur S. die Autoren von »Geschichtsbuch Band 4« angewiesen, nicht so zu formulieren, »dass man es in zwei Jahren schon wieder ändern muss.«1101 Die Bücher sollten rund fünf Jahre lang verwendet werden, bis eine Überarbeitung notwendig sein sollte. Der Aspekt der Verwendung eines Geschichtsbuches und damit der längerfristigen Gültigkeit einer Zukunftsnarration blieb bis in die Gegenwart bestehen. So sei der vierte Band des Buches

1092 Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 10. 1093 Protokoll der Konferenz zu Band 4 des geplanten CVK-Geschichtsbuches, 15. 1. 1983, S. 1, Privatbestand B.M. 1094 Ebd. 1095 Vgl. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 4 und Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 4. 1096 Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 4. 1097 Ebd. 1098 W. H. war von 1960 bis 1962 als pädagogischer Referent der UNESCO-Kommission in Köln tätig (vgl. Sandkühler, Thomas: Historisches Lernen denken: Gespräche mit Geschichtsdidaktikern der Jahrgänge 1928–1947. Mit einer Dokumentation zum Historikertag 1976. Göttingen 2014, S. 94). 1099 Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 6. 1100 Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 4. 1101 Ebd., S. 4.

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»Mosaik« »konzipiert vor zehn Jahren und rausgekommen vor vier«1102. Für die Zukunftsnarrationen bedeutet dieser zeitliche Rahmen, dass sie im Spannungsfeld zwischen jeweils gegenwärtiger Aktualität und zugleich dem Anspruch längerfristiger Gültigkeit entstanden. Im Unterschied zu den übrigen Teilen des Autorentextes zeigten sich in diesen Abschnitten des Autorentextes »politische Einstellungen«1103, so Herausgeber Z.. Man habe in diesen Abschnitten »viel mit Fragezeichen gemacht und viel pragmatisch«1104, da in vielen Bereichen keine konkreten Aussagen getroffen werden konnten, um die Gültigkeit der Aussagen zu gewährleisten. Dennoch seien die Themen der Zukunftsbezüge bereits »ganz am Anfang«1105 ausgewählt worden, indem für »Geschichtsbuch Band 4« feststand, »wir wollen raus aus der Überbetonung der deutschen Geschichte«1106 und fachwissenschaftliche Argumente dafür sprachen, dass der »Raum Asien […] zukunftsträchtig«1107 sei. Die Entscheidung für die Thematisierung Asiens und nicht Afrikas sei aufgrund fachwissenschaftlich gestützter Plädoyers erfolgt, so Z.. Er habe immer dafür plädiert: »›Wir müssen Afrika bringen‹, aber das wurde abgeblockt«1108. Fachliche Argumente hätten ihm bei der Argumentation helfen können, sich in den Herausgebersitzungen durchzusetzen, doch dort hätten Experten in ostasiatischer Geschichte gesessen und argumentiert, sodass dieses Thema Teil der Zukunftsnarration geworden sei. Der Autor des Kapitels zur Zeitgeschichte H. beschrieb die Funktion seiner Zukunftsbezüge als »Lernen aus der Geschichte«1109, da er nicht gewollt habe, »dass man nichts lernen kann«1110. In der Diskussion der Erzählstruktur und der Darstellungsformen in den Autorentexten wurde in Autorentreffen zu Band 4 des »Geschichtsbuches« auch die Frage der Zukunftsbezüge erörtert. Die Autorin G.-A. verfasste das Schlusskapitel des Buches, das ihrem Vorschlag zufolge den Titel »Bedroht unsere Vergangenheit unsere Zukunft«1111 tragen solle. In einem erläuternden Essay hatte die Autorin dargelegt, dass es darauf ankomme »wegen des reißerischen Titels […] die Chancen und Gefährdungen sorgsam gegeneinander abzuwägen und – es handelt sich schließlich um ein Geschichtsbuch! – deutlich zu machen, daß Menschen nicht zum ersten Male vor

1102 1103 1104 1105 1106 1107 1108 1109 1110 1111

Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 14. Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 4. Ebd. Ebd., S. 5. Ebd. Ebd. Ebd. Interviewtranskript G. H., 26. 1. 2015, S. 6. Ebd. Protokoll der Konferenz zu Band 4 des geplanten CVK-Geschichtsbuches, 15. 1. 1983, S. 4, Privatbestand B.M.

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umfassenden und neuartigen Problemen stehen.«1112 Es dürften nicht nur historische Bezüge zu den Problemen hergestellt werden, »sondern auch die aus historischer Erfahrung stammenden oder an historischer Erfahrung zu prüfenden Lösungsstrategien.«1113 Die vorgeschlagene Kapitelüberschrift hat es zwar nicht in das gedruckte Geschichtsbuch geschafft, doch wird an diesen konzeptionellen Ausführungen das Verständnis der Autorin von der Funktion der Darstellung der Geschichte deutlich. Sie schließt die Darstellung der Gegenwart ein und möchte daraus für die Zukunft Orientierungsmöglichkeiten bieten, indem historische Entscheidungssituationen Teil ihres Autorentextes werden. Der Geschichte wird die Aufgabe zugeschrieben, an und aus den vergangenen Ereignissen Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft abzuleiten. Der Bezug zur Geschichte ist unabdingbar, wie die Betonung zeigt, dass es sich schließlich um ein Geschichtsbuch handle. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass Lösungsmöglichkeiten zukünftiger Probleme im Text dargelegt werden, sondern vor dem Hintergrund der historischen Orientierung von Schülerinnen und Schülern selbst gefunden werden sollen. Die Autoren berichteten, dass es ihnen eine Hilfe gewesen sei, sich beim Schreiben des Textes mit den Rezipienten zu beschäftigen und sich deren Umgang mit dem Text vorzustellen. Dies waren den Aussagen der interviewten Akteure zufolge sowohl die Schüler wie auch die Lehrer, deren Anforderungen an ein Geschichtsbuch es zu berücksichtigen galt. Aus ökonomischer Perspektive formulierte der Redakteur U.A., dass »die Wünsche und Ansprüche der Kunden«1114 in der Planung der Texte berücksichtigt wurden. Bei den Kunden handelte es sich um die Lehrer, da sie in Fachkonferenzen über die Einführung eines Buches an der einzelnen Schule entschieden. Daher war es aus verlegerischer Sicht von großer Bedeutung, den Anforderungen der Lehrer gerecht zu werden. Vor allem in den 1980er- und 90er-Jahren sei das die zentrale Funktion des Geschichtsbuches als unterrichtsgestaltendes Medium gewesen: Der Lehrer arbeitete mit der Klasse »auf der Doppelseite und dann blättert man und geht zur nächsten Doppelseite«1115, so der Redakteur. Die Einteilung des Stoffes und die Gestaltung des Textes folgten damit auch den formalen Determinanten des Buches. Neben den Kriterien der fachlichen Korrektheit hatte es also vor allem »›konkret unterrichtspraktisch‹«1116 zu sein. Das Kriterium »unterrichtsrelevant«1117 bzw. »unterrichtspraktisch« spielte eine Rolle in der Aufbereitung der 1112 1113 1114 1115

Ebd. Ebd. Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 6. Ebd. Diese große Bedeutung der Doppelseiten beschrieb auch Herausgeber und Autor J. C. (vgl. Interviewtranskript J.C., 23. 9. 2014, S. 4). 1116 Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2014, S. 4. 1117 Interviewtranskript F. B., 17. 10. 2014, S. 7.

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Darstellungstexte. Die Autoren imaginierten den Umgang mit ihren Texten in den konkreten Unterrichtssituationen, um die sprachliche und didaktische Gestaltung, aber auch die Stoffauswahl zu hinterfragen.1118 Dabei gingen sie vom Lehrer aus, der auf der Grundlage des Textes seinen Unterricht gestaltete und im Schulbuch ein gutes Hilfsmittel haben sollte.1119 Die Lehrer als wichtigste Entscheidungsträger in Bezug auf die Frage, ob ein neues Geschichtsbuch eingeführt würde und wenn ja, welches, seien für dessen Gestaltung von großer Bedeutung. Dabei spiele auch der Wiedererkennungswert eine wichtige Rolle, denn »wenn ich Bücher mache, die inhaltlich und/ oder didaktisch völlig neu sind und die Fachkolleginnen und -kollegen verwirren, wird das Buch nicht gekauft«1120, beschrieb der Herausgeber C. die Herausforderung, die Haltung der Lehrer bei der Gestaltung eines Buches zu antizipieren. Er nahm dabei Bezug auf ein Geschichtsbuch, das der Westermann Verlag 1982 auf den Markt brachte und das trotz innovativer didaktischer Konzepte kein wirtschaftlicher Erfolg, sondern eingestellt wurde. »Zeitaufnahme« sei ein Beispiel dafür, dass es »innerhalb der Rezipientenschaft ein sehr großes Wahrungsvermögen«1121 in Bezug auf bekannte und tradierte Lehrbuchformate gebe, so C.. Die Orientierung am Markt, an der zentralen Klientel, den Lehrern, stehe im Mittelpunkt der Schulbuchproduktion, so der Herausgeber H.-J. L., der Mitte der 90er-Jahre mit seiner Tätigkeit im Schulbuchverlag begann. Das Schulbuch sei ein »Marktprodukt«1122, das vornehmlich die Erwartungen seiner Kunden erfüllen müsse. Neben der Bedeutung dieser Erwartungen in Bezug auf die Gestaltung des Buches gehe es auch um den richtigen Zeitpunkt der Präsentation des Buches am Markt. Der Verlag müsse in Erfahrung bringen, wann die Schulen über die Einführung neuer Bücher berieten und dementsprechend Probeexemplare unter den Lehrern verteilen. Diese Zeiträume würden immer enger, sodass Verlage aufpassen müssten, den jeweils ›richtigen Zeitpunkt‹ nicht zu verpassen. Die Werbung und der Vertrieb neuer Bücher geschahen vornehmlich über die Außendienstmitarbeiter, die in den Bundesländern in Kontakt mit den Schulen standen.1123 Neben der Verwendung des Buches in der unterrichtspraktischen Situation und der Beachtung der Anforderungen der Lehrer war es im Entstehungsprozess von ebenso zentraler Bedeutung, die Fähigkeiten der Schüler zu beachten. Die Autoren gingen dabei von der Frage aus, »was Schüler verkraften können an Text, wie linear und einfach man Texte für Schüler schreiben 1118 1119 1120 1121 1122 1123

Vgl. ebd. Vgl. Interviewtranskript G. H., 26. 1. 2015, S. 3. Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 3. Ebd. Interviewtranskript H.-J. L., 13. 11. 2014, S. 4. Vgl. ebd., S. 6.

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muss«1124. Sprachlich und inhaltlich mussten die Texte an die jeweilige Altersstufe angepasst werden. Diese »Altersgerechtheit«1125 des Darstellungstextes sei von grundlegender Bedeutung für die Gestaltung der Texte gewesen. Die didaktische Aufbereitung folge dabei der Maßgabe »Schau drauf, dass das die Schüler angeht, dass sie da etwas davon verwenden oder anwenden können.«1126 Es sei die pädagogische Funktion des Autorentextes, auch »bei einem 12-jährigen etwas in Gang zu setzen.«1127 Die richtige Einschätzung der Fähigkeiten des Adressatenkreises war ebenfalls »ein ganz wesentlicher Faktor«1128 im Schreibprozess des Autors, so J.R. auf die Frage, ob und welchen Schüler man sich als Autor im Schreibprozess als Leser vorstellte. Waren Autoren in Bezug auf die Umsetzung dieser Anforderung an ihre Texte unsicher, gaben sie sie ihren eigenen Kindern, um die Verständlichkeit zu prüfen, berichteten drei Autoren unabhängig voneinander.1129 Auch hinsichtlich der Zukunftsnarration sei es wichtig gewesen, die Schüler nicht zu unterschätzen und »immerhin 15-jährige nicht mehr [zu, S.S.–Z.] verkindlichen.«1130 Die Zukunftsnarrationen in »Geschichtliche Weltkunde« beschrieb W.H. als »Experiment, das aber nie gescheitert ist«1131. Es sei ein Novum in der Konzeption gewesen, denn »es gab bisher nie ein internationales Kapitel, es gab eigentlich nie eines, das China und Afrika«1132 einbezogen hätte. In ihrer inhaltlichen Gestaltung seien die Zukunftsbezüge von den Lehrplänen abgeleitet worden, aber auch durch seine Tätigkeit in der UNESCO-Kommission für das Thema ›Dritte Welt‹ und ›internationale Beziehungen‹ beeinflusst worden, so H..1133 Für das Thema ›Nahost‹ sei einer der Autoren der »Geschichtliche Weltkunde« ein fachlicher Experte gewesen, der es didaktisch gut aufbereitet habe und dafür »große Hochachtung«1134 des Herausgebers H. erhielt. Auseinandersetzungen über die Zukunftserzählungen seien innerhalb des Kreises der Autoren oder mit dem Verlagsredakteur nicht geführt worden. Man sei sich einig gewesen, den Schüler »nicht in Richtung auf Hindrängen auf eine Überzeugung, sondern auf ein rationales Urteil«1135 bringen zu wollen. Auch die politischen Entwicklungen hätten es notwendig gemacht, die Darstellungstexte mit Bezügen 1124 1125 1126 1127 1128 1129 1130 1131 1132 1133 1134 1135

Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 1. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 2. Ebd. Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 7. Interviewtranskript J. R., 10. 11. 2014, S. 3. Interviewtranskript C. K., 9. 4. 2015, S. 2. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 7. Ebd., S. 2. Ebd. Vgl. ebd. Ebd., S. 6. Ebd.

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zur Gegenwart und Zukunft zu überarbeiten: Es »musste natürlich das DDRKapitel ergänzt werden und die weitere Zeit sowieso«1136, so H.. Darüber, dass der Autorentext die Wiedervereinigung auch kritisch und die Folgen als schwierig beurteilte, habe man sich im Autorenkreis »ausdrücklich […] verständigt«1137. Auch in der Konzeption des Geschichtsbuchs »bsv Geschichte 4«, das 1997 erschien, habe man sich mit der Thematisierung der Zukunft beschäftigt. Besondere Auseinandersetzungen, ob und wie diese Abschnitte gestaltet werden sollten, habe es im Kreise der Autoren nicht gegeben, erinnerte sich der Redakteur K.-H. Z.. Man beachtete einerseits den jeweiligen Arbeitsschwerpunkt der Autoren und nahm das, was »damals eben aktuell«1138 war. Mit dem letzten Kapitel des Buches hatte man versucht, ein offenes Kapitel zu schaffen und »überzuleiten in die Diskussionsphase.«1139 Aktuelle weltpolitische Konflikte sollten in ihren historischen Bedingungen dargestellt werden. Dazu gehörte unter anderem auch der Jugoslawienkonflikt, anhand dessen zum Thema ›Friedenssicherung‹ gezeigt werden sollte: »Das ist nicht nur ein Problem in Afrika, sondern es passiert auch bei uns«1140. Den Schülern sollte deutlich werden, dass Historiker »kein abschließendes Urteil fällen«1141, aber für gegenwärtige Probleme gezeigt werden konnte »welche historischen Wurzeln es hat«1142 und auch seine »Bedeutung für uns – wie geht es weiter?«1143 Diesen Konsens hätten die Autoren geteilt, sodass »die letzten Kapitel nie so besonders groß zu diskutieren«1144 waren. Wenn die Zukunft auch konzeptuell im Geschichtsbuch angelegt sei, dann sei dies »ganz subkutan«1145 geschehen, beschrieb Herausgeber und Autor C. seit den 70er-Jahren den Umgang mit diesen Textelementen, um die auch in seiner Erinnerung keine intensiven Auseinandersetzungen, weder innerhalb des Autorenteams noch in den Gutachten, geführt wurden. Anders der Autor R.E. in seinem Kapitel zur Geschichte Chinas im Geschichtsbuch »Anno«: Den Satz »Die Zukunft Chinas wird entscheidend von der Lösung dieses Problems [der Bevölkerungsexplosion, Anm. d. Verf.] abhängen«1146 habe er selbst noch »dazugeschrieben«1147. Der Verweis sei in diesem Kapitel von besonderer Bedeutung, da es »viel stärker als andere eine Zu1136 1137 1138 1139 1140 1141 1142 1143 1144 1145 1146 1147

Ebd. Ebd. Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 5. Ebd., S. 6. Ebd., S. 7. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 15. »Anno 4«, 1997, S. 239. Interviewtranskript R. E., 24. 9. 2014, S. 9.

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kunftsbedeutung«1148 habe. Im Unterschied zur Darstellung von »weitgehend in sich abgeschlossenen«1149 historischen Ereignissen wie der Französischen Revolution seien die Zukunftsfragen »je mehr ein Schulbuchband an das Ende der Sekundarstufe I oder II rückt […], natürlich relevant«1150. R. leitete die Zukunftsbezüge in »erinnern und urteilen« sowie »Geschichte und Geschehen« aus dem vorherrschenden Verständnis von Zeitgeschichte ab. Jener sei es »irgendwie auf die Stirn geschrieben«1151, dass sie auch eine Zeitperspektive habe. Die Frage »wie geht das nun weiter?« sei für die Darstellung der Themen ›Friedenssicherung und Kalter Krieg‹ und ›Entwicklungsländer‹ ein wichtiger Denkanstoß gewesen.1152 Man könne der Darstellung der Zeitgeschichte kein Ende setzen, sodass die Zukunftsbezüge nicht auf Hinweis der Verlage oder durch die Lehrpläne kamen, sondern »in der Natur der Sache«1153 lagen. Auch U. M., der wie J.R. in den 1980er-Jahren Teil des Autorenteams von »erinnern und urteilen« und »Geschichte und Geschehen« war, beschrieb, sei es immer ganz klar gewesen, »dass die Fortsetzung des Gegenwartszustandes in Tendenzen, die in der Gegenwart aus der Geschichte erkennbar sind«1154, einbezogen würden. Der Ausgang dafür seien die »wichtigen zeitgeschichtlichen Probleme«1155 gewesen und um nicht nur zu sagen, »es könnte in Zukunft mal irgendwas passieren«1156, habe M. als Autor einer Zukunftsnarration zum Thema Nahostkonflikt zu Fragen angeregt, »um eine Orientierung zu geben«1157. E.W., seit den 70er-Jahren Autor und später auch Mitherausgeber von »Fragen an die Geschichte«, beschrieb die Zukunftsbezüge als »eventuelle Lösungsmöglichkeiten«1158, die man nach der Darstellung von gegenwärtigen Konflikten aufzeigen müsse. Einen ähnlichen Ausgangspunkt beschrieb der Autor B. für seine Arbeit am Geschichtsbuch »Rückspiegel« des Schöningh Verlags in den 80erJahren. Von der Gegenwart aus habe man versucht, durch »systemische Zugriffe«1159 auf politische Konflikte die Zukunft einzubeziehen, denn »auch wenn sich Fakten nicht wiederholen, so können sich doch Strukturen wiederholen«1160. Um gegenwärtige Kontroversen und Entwicklungen darzustellen, habe 1148 1149 1150 1151 1152 1153 1154 1155 1156 1157 1158 1159 1160

Ebd. Ebd. Ebd., S. 10. Interviewtranskript J. R., 11. 10. 2014, S. 5. Vgl. ebd. Ebd. Interviewtranskript U. M., 9. 12. 2014, S. 3. Ebd., S. 5. Ebd., S. 6. Ebd. Interviewtranskript E. W., 13. 1. 2015, S. 3. Interviewtranskript F. B., 17. 10. 2014, S. 6. Ebd., S. 8.

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man auch »Spiegel-Artikel, Zeit-Artikel oder auch Kommentare aus Gegenwartsautoren«1161 in das Schulbuch miteinbezogen. Der Autor B. betonte dabei, dass es dem Geschichtsbuch nicht darum ging, den Schülern Ereignisse vorauszusagen, sondern die Offenheit der Zukunft darzustellen.1162 Die Rolle und daher auch die Thematisierung der Zukunft wurden im Lehrerbegleitheft zu »erinnern und urteilen« hervorgehoben. Neben der Darstellung der Vergangenheit wollte man konzeptionell auch die Gegenwart und die Möglichkeiten der Zukunft darstellen, so der Mitherausgeber G..1163 Dieses Verständnis von Geschichte zog sich wie ein roter Faden durch die Bände und »entsprach dem Zeitgeist«1164. Dem Verlagsredakteur A. zufolge wurden ebenfalls »plakative Beispiele, die in der politischen Diskussion der Zeit so diskutiert wurden«1165, aufgegriffen. Grundsätzlich habe er bei seiner Arbeit an »Ansichten« und »Entdecken und verstehen« dafür plädiert, »dass der Ausblick sozusagen offen bleibt, dass wir nicht eine Perspektive wählen, die das verengt auf ein bestimmtes Szenario«1166. Ebenso agierte Autor und Herausgeber C., der sich an keine »richtig bewusste Zukunftsnarration«1167 erinnerte, sondern den Schülern eher zeigte, »der offene Horizont könnte da und da, in die Richtung gehen.«1168 Im Widerspruch dazu stand hingegen, dass »bei Themen […], die wir schon hatten, wie Problemnetz der Erde, Klimafragen, Migrationsfragen, da kommt schon mal eine Zukunftsnarration mit rein.«1169 Diesem Verständnis folgten auch die Bezüge zur Zukunft in »Geschichtsbuch, Band 4«. Der Herausgeber B.M. begründete die Perspektive auf die Dritte und Vierte Welt damit, da diese Länder »in der globalisierten Welt wichtig sind.«1170 In einer Diskussion mit dem Mitherausgeber P. H. habe jener die Forderung nach einem Schwerpunkt auf dieser Region unter Einbezug gegenwärtiger Entwicklungen noch betont und gesagt, »der pazifische Raum und China müssen stärker werden.«1171 Konzeptionell beschrieb M., die Darstellung der Zukunft müsse offenbleiben. Man könne den Schülern »reinen Historismus […] nicht zumuten«1172. Stattdessen

1161 1162 1163 1164 1165 1166 1167 1168 1169 1170 1171 1172

Ebd. Vgl. ebd., S. 9. Vgl. Interviewtranskript J. G., 13. 10. 2014, S. 2. Ebd. Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 8. Ebd. Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 11. Ebd. Ebd. Interviewtranskript B. M., 10. 11. 2014, S. 13. Ebd., S. 14. Ebd., S. 15.

224

Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

sollen sich die Geschichtsdarstellung und ihre Deutung »zwischen Futurologie und Propaganda«1173 bewegen.

3.4

Konzeptionieren, Koordinieren und Korrigieren – Herausgeber und Verlagsredakteure im Produktionsprozess

In diesem Kapitel treten die Unterschiede im zeitlichen Verlauf der Analyse am deutlichsten zutage. Die Antwort auf die Frage, aus welchen Gründen neue Geschichtsbücher entstanden, variiert in historischer Perspektive. Während Akteure, die in den späten 1960er-Jahren, den 1970er- und frühen 1980er-Jahren an der Entstehung von Geschichtsbüchern beteiligt waren, die innovative didaktische Neuausrichtung eines Buches noch als Impuls für dessen Produktion beschrieben, lässt sich seit Mitte der 1980er-Jahre dahingehend ein Wandel beschreiben, dass die Einführung neuer Lehrpläne als alleinige Ursache für die Erarbeitung entsprechender Geschichtsbücher zu sehen ist. Es ist keinesfalls überraschend, dass diese Periodisierung mit der Entwicklung von zwei neuen Schulbuchtypen einhergeht. Zwischen 1974 und 1978 erschien das vierbändige Geschichtsbuch »Fragen an die Geschichte«, das als reines Arbeitsbuch die Quellenarbeit in den Mittelpunkt rückte und auf die bis dahin übliche leitfadenartige Geschichtsdarstellung des Autorentextes gänzlich verzichtete.1174 Beinahe zeitgleich wurden andere geschichtsdidaktische Konzeptionen in Schulbüchern operationalisiert. Mit »Menschen in ihrer Zeit« und »Geschichtliche Weltkunde« erschienen ab 1966 und ab 1970 Lehrbücher, die den »klassischen Leitfaden«1175 ablösten. Beide Bücher – und auch das »Geschichtsbuch« (1986, Cornelsen Verlag) sowie »erinnern und urteilen« (1981, Klett-Verlag) – gelten als Vertreter des »kombinierten Lern- und Arbeitsbuches«1176. Ihre didaktischen Konzeptionen gelten unbestritten als innovativ und prägen bis heute die Gestaltung von Geschichtsbüchern. Damit einhergehend verändern sich seit den späten 1970er-Jahren auch die Lehrpläne, da neben dem Wissen um historische Vorgänge nun auch methodische Fähigkeiten und Kompetenzen in den Mittelpunkt rücken. Diese Ausdifferenzierung von Lehrplänen schlägt sich wiederum in komplexeren Anforderungen an die Schulbuchgestaltung nieder. Anhand verschiedener Beispiele wird das Kapitel die skizzierten Entwicklungen nun näher beleuchten und beginnt bei didaktischen Konzeptionen als Ausgangspunkt für die Produktion neuer Geschichtsbücher. Die Herausgeber 1173 1174 1175 1176

Ebd. Vgl. Schönemann/Thünemann 2010, S. 62. Ebd., S. 55. Ebd., S. 69.

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der Geschichtsbücher arbeiteten im Vorfeld eine didaktische Konzeption aus, wie die Akten von B.M. zeigten und auch E.W. für die Entstehung von »Fragen an die Geschichte« bestätigte. Ende der 1960er-Jahre habe der Herausgebe mit der Konzeption eines völlig neuen Lehrwerkes begonnen, das sich deutlich von den bis dato verwendeten Geschichtsbüchern unterschied, indem es für einen hauptsächlich an Quellen orientierten Unterricht – anstelle des dominierenden Frontalunterrichts unter Einsatz der noch stark an Leitfäden erinnernden Lehrwerke – konzipiert wurde. Den Geschichtsbüchern »Menschen in ihrer Zeit« und »Geschichtliche Weltkunde« lag ebenfalls eine didaktische und inhaltliche Planung der Herausgeber zugrunde, wenn auch nicht zwangsläufig in schriftlicher Form. Es genügte als konzeptionelle Grundlage bereits, dass die Autoren und der Herausgeber ähnliche Vorstellungen und Erfahrungen im Hinblick auf die didaktische Gestaltung des Buches hatten und diese entsprechend umsetzten. Sie war für die Herausgeber das maßgebliche Kriterium einerseits zur Gliederung und Aufbereitung der Inhalte des Buches und andererseits bestimmte sie die Auswahl der Autoren mit. Auch bei den Geschichtsbüchern »Ansichten« und »Entdecken und verstehen«, die in den 1990er-Jahren im Cornelsen Verlag erschienen, hatte der Herausgeber die Konzeption entwickelt und sie während der Autorentreffen diskutiert.1177 Gemeinsam berieten die Akteure dort über die praktische Umsetzung der Konzeption in den Autorentexten. So sei für den Text in »Menschen in ihrer Zeit« wichtig gewesen, »von den Quellen her zu arbeiten und die Sache eben mit Gegenwartsbezügen zu strukturieren.«1178 Grundsätzlich waren die didaktischen Lehrbuchkonzepte interne Dokumente, die den Herausgebern, Redakteuren und Autoren als Arbeitsgrundlage dienten.1179 Für die vier Bände vom »Geschichtsbuch« veröffentlichte der Cornelsen-Verlag die didaktische Konzeption der Herausgeber mitsamt den Inhaltsübersichten nach Veröffentlichung des Buches als Broschüre.1180 Aus den konzeptionellen Grundlagen der Schulbucharbeit wurde also Werbematerial zur Einführung des Buches. In der Darstellung der »didaktischen Struktur des ›Geschichtsbuches‹«1181 begründeten die Herausgeber und die Verlagsredaktion unter anderem die Stoffauswahl in den Autorentexten. Jene habe drei Kriterien genügen müssen, von denen eins die »Relevanz 1177 Vgl. Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 4. 1178 Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 1. 1179 Mitunter diente das Geschichtsbuch, an dem ein Autor arbeitete, als Beispiel für dessen didaktische Ausführungen. So erläuterte M. seine Konzeption zu Schulbuchtexten an einem Beispiel aus »Geschichte und Geschehen, Band 4« (vgl. Mayer, Ulrich: Geschichte erzählen zwischen Imagination und historischer Authentizität, in: Internationale Schulbuchforschung 18 (1996) H. 4, S. 545–564). 1180 Vgl. Redaktion und Herausgeber von ›Geschichtsbuch‹: Konzeption und Gestaltung des Lehrwerks. Berlin 1987. 1181 Ebd., S 4.

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für die Gegenwart und Zukunft der Schüler«1182 war. Der Bezug zur Zukunft werde über »Leitthemen«1183 hergestellt. Sie reduzierten »die Stofffülle unter Relevanzkriterien, schlagen Brücken zur Gegenwart und verweisen auf Probleme der Zukunft.«1184 Die Darstellung möglicher Probleme bis in die Zukunft hinein wurde in der didaktischen Anlage des Buches begründet. Konflikte und Herausforderungen, die sich aus der Vergangenheit und der Gegenwart ableiten ließen, sollten den Schülerinnen und Schülern als Teil des Geschichtsbuches vermittelt werden. Neben der Darstellung der geschichtsdidaktischen Konzeption des Lehrbuches in Form von Informationsbroschüren zur Vermarktung des Buches verfassten die Herausgeber auch Beiträge in wissenschaftlichen Zeitschriften oder in Sammelbänden, in denen sie am Beispiel des von ihnen herausgegeben Geschichtsbuches ihr didaktisches Konzept erörterten. B.M. erläuterte in einem Beitrag das grundsätzliche Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik und beschrieb letzte als »Dimension der Geschichtswissenschaft«1185. Als Beispiel für die praktische Umsetzung dieses Konzepts beschrieb er den Aufbau des vierten Bandes des »Geschichtsbuches« und nahm Bezug auf die darin enthaltenen zeittheoretischen Fragen. Man folge »der politisch-pädagogischen Idee einer ›historischen Gegenwartskunde‹«1186, so M., die die »unmittelbaren Vorgaben, Determinanten, Handlungsspielräume für die politische Orientierung und Handlungsoptionen der Schülerinnen und Schüler in ihrer aktuellen und künftigen Gegenwart«1187 umschreibe. Damit führe sie »direkt an die Gegenwart als das vorläufige Ende der Geschichte und den Beginn der Zukunft heran«1188. Die Berührungspunkte mit der Zukunft beschränkten sich dabei nicht darauf, den Schülern Handlungsoptionen aufzuzeigen, sondern »ungelöste Probleme im Weltmaßstab […] im Schlußkapitel als Zukunftsaufgabe«1189 wiederaufzunehmen. Für das Geschichtsbuch »Geschichtliche Weltkunde« beschrieb der Herausgeber W.H. die inhaltsbezogenen didaktischen Entscheidungen in der Produk-

1182 1183 1184 1185

1186 1187 1188 1189

Ebd. Ebd., S. 6. Ebd. Günther-Arndt, Hilke: Ein Schulbuch machen und Schulbuchempfehlungen: Didaktische Überlegungen bei der Konzeption des »Geschichtsbuches«, in: Gemeinsame deutschpolnische Schulbuchkommission (Hrsg.): Zum pädagogischen Ertrag der deutsch-polnischen Schulbuchkonferenzen der Historiker 1972–1987. Braunschweig 1989, S. 137–147; Mütter, Geschichtsdidaktik als Dimension der Geschichtswissenschaft. Ein Beispiel aus der Lehrbucharbeit (Geschichtsbuch 4), in: Internationale Schulbuchforschung 14 (1992), S. 262. Ebd., S. 265. Ebd., S. 266. Ebd. Ebd.

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tion eines Geschichtsbuches als »dreifaches Dilemma«1190. Die Auswahl auf der inhaltlichen Ebene und die Darstellungsform der historischen Ereignisse dürfe nicht zu einer bloßen »Erwähnungshistorie«1191 und »Zerstückelung des historischen Horizontes«1192 werden. Das Ziel der Aufbereitung des Stoffes im Geschichtsbuch sei die »Orientierung der Schüler auf eine postnationale Epoche der Geschichte, in die sie vermutlich hineinwachsen«1193. H. hob dabei besonders den Schwerpunkt der Darstellung der internationalen Geschichte hervor, der der Gestaltung der Autorentexte zugrunde lag. Er reflektierte in seiner didaktischen Konzeption aber auch, dass die »historischen Prozesse im Blick auf eine solche Zukunftsperspektive willkürlich umgedeutet«1194 werden könnten. Die Zukunft sei demnach nicht Gegenstand des Darstellungstextes, sondern Ausgangspunkt der Themenauswahl und –aufbereitung. Die »Gegenwarts- und Zukunftsinteressen«1195 bestimmten die Perspektive auf die Geschichtsdarstellung. Bei diesen Beispielen stellte eine innovative didaktische Konzeption den Ausgangspunkt für die Arbeit an der Konzeption eines neuen Lehrwerkes dar. Diese geschichtsdidaktische Neuorientierung stand bei S. Geschichtsbuch »Fragen an die Geschichte« sicherlich am deutlichsten im Mittelpunkt, da die Beschäftigung mit der Vergangenheit auf der alleinigen Grundlage von Quellen Ende der 1960er-Jahre und noch bei Erscheinen der ersten Bände des Buches ein völliges Novum darstellte. Die Produktion dieses Buches basierte allein auf S. geschichtsdidaktischer Konzeption, Schülerinnen und Schüler fast ausschließlich mit Quellen arbeiten zu lassen und nicht auf geplanten Lehrplaneinführungen. Es spielte – aus der Perspektive der Verlage – also zunächst eine untergeordnete Rolle, ob sich am Schulbuchmarkt zu diesem Zeitpunkt ein Nachfragepotential aufgrund neuer Lehrpläne entwickeln würde. Von größerem Gewicht war die Entstehung eines innovativen Produkts in Form eines Lehrmittels, das eine didaktische Neuorientierung darstellte. Sein Markterfolg würde das ökonomische Investitionsrisiko kompensieren, wie das Geschichtsbuch »Fragen an die Geschichte« bestätigt. Es wurde seit den Erstausgaben aus den Jahren 1974 bis 1978 noch bis 2011 herausgegeben und behielt die didaktische Grundidee Schmids bei. Auch am Beispiel des Diesterweg Verlags, der W.H. Mitte der 1970er-Jahre die Konzeption und Herausgeberschaft eines neuen Geschichtsbuches anbot, zeigt sich, dass zu dieser Zeit die Produktion von 1190 Hug, Wolfgang: Zur Analyse der »Geschichtlichen Weltkunde«, in: Jeismann, Karl-Ernst/ Quandt, Siegfried (Hg.): Geschichtsdarstellung. Determinanten und Prinzipien. Göttingen 1982, S. 99. 1191 Ebd. 1192 Ebd. 1193 Ebd., S. 100. 1194 Ebd. 1195 Ebd.

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Geschichtsbüchern nicht zwangsläufig an die Einführung neuer Lehrpläne in den Bundesländern geknüpft war. Seit Mitte der 1980er-Jahre waren neue Lehrpläne das zentrale Kriterium, um Geschichtsbücher zu produzieren. Eine innovative didaktische Ausrichtung sei nicht mehr der Ausgangspunkt der Entscheidung eines Schulbuchverlages, ein neues Buch auf dem Markt zu platzieren.1196 »Schulbücher werden nur gemacht, wenn es neue Curricula gibt«1197, fasste der Herausgeber und Autor J. C. die Haltung der Verlage im Interview zusammen. Durch informelle Kontakte zu den Kultusministerien und Gespräche mit Mitgliedern der Lehrplankommissionen versuchten die Verlage die Neuerungen zu antizipieren, um Konzeption des Geschichtsbuches möglichst eng daran auszurichten. Dabei gehe es vor allem um die Inhalte, deren Auswahl und Anordnung dem Lehrplan entsprechen musste, aber auch um deren didaktische Aufbereitung. Der Abstand zwischen der Veröffentlichung von Lehrplan und Lehrbuch war ein wichtiges ökonomisches Argument, sodass sich die Verlage bemühten, bereits vor der offiziellen Veröffentlichung der Lehrpläne so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Auf der Grundlage dieses Wissens wurden die Geschichtsbücher entwickelt oder überarbeitet. Das Ziel war, das ssie zum Schuljahresbeginn im Geschichtsunterricht eingesetzt werden konnten. Hinsichtlich der Gestaltung der Autorentexte waren die Verlagsmitarbeiter besonders daran interessiert, dass das Geschichtsbuch den Lehrplanvorgaben des jeweiligen Bundeslandes so genau wie möglich entsprach, um die Wahrscheinlichkeit der Zulassung im ersten Prüfungsgang zu erhöhen und die wirtschaftlichen ›Schäden‹ für den Verlag so gering wie möglich zu halten. Nachfolgend stehen daher die Kommunikationspraktiken der Verlage zu den Kultusministerien im Mittelpunkt. Sie zeigen, dass die Arbeit an einem neuen Geschichtsbuch allerdings nicht erst mit der Konzeption des Herausgebers begann bzw. dass die neuartige Konzeption nicht der ausschlaggebende Punkt zur Produktion eines Geschichtsbuches war. Die Außendienstmitarbeiter der Verlage waren dabei die zentrale Akteursgruppe, die von der Forschung bisher noch nicht in dieser Funktion beachtet wurde. Die Verlage unterhielten bundesweit Büros mit Mitarbeitern, die in ständigem Kontakt mit einem oder mehreren Kultusministerien und dem Verlagsredakteur standen, um Informationen über die Planung und Einführung neuer Lehrpläne zu erhalten. Der Verlag habe durch die Außendienstmitarbeiter »immer das Gras wachsen hören, was in den Ministerien sich Neues ergibt und haben da versucht, das [Lehrbuch, Anm. d. Verf.] diesem neuen Trend anzupassen«1198, beschrieb G. die Verlagstätigkeit, über die er als Herausgeber stets informiert worden sei. Das 1196 Interviewtranskript J. C., 23. 9. 2014, S. 2. 1197 Ebd. 1198 Interviewtranskript J. G., 13. 10. 2014, S. 1.

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Verhältnis der Außendienstmitarbeiter zu den zuständigen Referenten im Ministerium war durch lange und persönliche Beziehungen geprägt.1199 Es habe sich um »herzliche Beziehungen«1200 gehandelt, die der Verlagsvertreter des Diesterweg Verlags in den 1970er-Jahren in Baden-Württemberg sowohl zum Referenten des Ministeriums wie auch zum Herausgeber hatte. Auch mit einzelnen Mitarbeitern der Kultusministerien in Niedersachsen und Hamburg sei der Verlagsmitarbeiter »lange befreundet«1201 gewesen. Der Klett-Verlag habe ebenfalls »eine sehr starke Besetzung im Düsseldorfer Büro«1202 gehabt und Kontakte zum Ministerialreferenten Herbert Knepper gepflegt. Dass die Bedeutung der persönlichen Verbindungen zu den Schulbuchverlagen auch den politischen Akteuren bekannt war, zeigt der Umgang mit einer Einladung des Cornelsen Verlags zur Feier dessen Verlagsjubiläums. Der Verlag hatte den nordrhein-westfälischen Kultusminister Schwier 1985 zur »Jubiläumsfeier der Verlagsgesellschaft Cornelsen-Velhagen & Klasing«1203 eingeladen, der jedoch aus terminlichen Gründen die Einladung nicht wahrnehmen konnte und stattdessen das Referat Kneppers beauftragte, »den Kultusminister zu vertreten«1204. Diese Information wurde auch an den Verlag geschickt, sodass die Teilnahme eines Vertreters des Ministeriums feststand. Jene »Vertretung des Hauses sollte […] ranghoch angesiedelt werden«1205, so die Anweisung, da der Verlag »einer der größten Schulbuchverlage der Bundesrepublik«1206 sei. Außerdem sei eine Vertretung des Hauses beim Verlagsjubiläum des Dürr’schen Verlagshauses gewesen. Es liege damit ein »Präzedenzfall«1207 vor, der »in Verlagskreisen ohne Zweifel bekannt«1208 sei, so die Begründung für die Teilnahme weiter. Neben den Außendienstmitarbeitern reisten mitunter auch die Verlagsredakteure in die Bundesländer, um im Gespräch mit den Ministerien zu bleiben oder mit potentiellen Lehrbuchautoren zu sprechen. Es war die Aufgabe der Verlagsredakteure, über die bildungspolitischen Entwicklungen in den Bundesländern informiert zu sein, damit die Verlage angesichts der geplanten Einführung neuer Lehrpläne für das Fach Geschichte mit der Arbeit an einem neuen Schulbuch beginnen konnten. 1988 begann der Bayerische Schulbuchverlag mit eben solchen Planungen einer Geschichtsbuch-Reihe für Hauptschulen in Nordrhein-Westfa1199 1200 1201 1202 1203 1204 1205 1206 1207 1208

Vgl. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 4. Ebd., S. 5. Ebd. Interviewtranskript G. H., 26. 1. 2015, S. 5. Brief des Referenten des Kultusministers an Hilfereferentin B., 28. 8. 1985, LAV NW 842, Nr. 925. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

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len. Der damalige Verlagsredakteur Z. reiste nach Nordrhein-Westfalen und machte unter dem Titel »Projekt Geschichte Hauptschule NRW«1209 Notizen zu Treffen mit nordrhein-westfälischen Lehrern sowie Mitgliedern der Lehrplankommission. In den Gesprächen wurden inhaltliche Vorarbeiten zu Geschichtsbüchern für die Hauptschule in Nordrhein-Westfalen geführt, die auf dem neuen Lehrplan basieren sollten. Dieser war jedoch zum Zeitpunkt der Gespräche noch nicht erschienen, befand sich aber in den entsprechenden Kommissionen im Kultusministerium in Vorbereitung. In Gesprächen mit Kommissionsmitgliedern versuchte der Verlagsmitarbeiter, Informationen über den entstehenden Lehrplan zu erhalten, um dementsprechend die Entwicklung der Geschichtsbücher planen zu können. Ein »präsentabler Lehrplanentwurf liegt immer noch nicht vor«1210, notierte der Mitarbeiter nach einem Gespräch, denn der Vorsitzende der Kommission habe »die Angelegenheit stärker an sich gezogen«1211. Neben Kommissionsmitgliedern sprach K.-H. Z. auch mit Lehrern und Autoren anderer Geschichtsbücher. Seine Gesprächspartner seien einverstanden, »nicht länger abzuwarten, bis die Kommission einmal zu einem konkretisierbaren Ergebnis«1212 komme. Gemeinsam wollte man stattdessen einen anderen Weg wählen: »Eine Arbeitsgruppe wird eine Liste mit Themenbereichen aufstellen, zunächst für das 5. und 6. Schuljahr.«1213 Auf der Grundlage von allgemeinen Kriterien sollten sowohl Unterrichtseinheiten wie auch das spätere Schulbuchmanuskript erarbeitet werden, die nach Erscheinen des Lehrplans dann überprüft und entsprechend angepasst wurden. Zugleich wurden in den Gesprächen weitere mögliche Mitarbeiter an den Schulbüchern benannt, die in Verbindung mit den beiden Gesprächspartnern standen. Der Kontakt zwischen den Schulbuchverlagen und den Ministerien bestand also »routinemäßig«1214. Hatte der Verlagsredakteur die Information über neue Lehrpläne erhalten, suchte er das Gespräch mit dem Referenten und informierte darüber, dass der Verlag ein Buch vorlegen wolle. Im Falle des Bayerischen Schulbuchverlags habe man im Kultusministerium in Nordrhein-Westfalen geantwortet, »was wollen Sie, Sie sind ein bayerischer Verlag, Sie können doch gar kein Buch für NRW schreiben«,1215 erinnerte sich der damalige Verlagsmitarbeiter Z.. Als »Werbeargument«1216 habe Z. dann angeführt, dass das Auto1209 Aktennotiz zu »Projekt Geschichte Hauptschule NRW«, 27. 10. 1988, BayHStA Bayerischer Schulbuchverlag Nr. 403. 1210 Ebd. 1211 Ebd. 1212 Ebd. 1213 Ebd. 1214 Interviewtranskript J. G., 13. 10. 2014, S. 1. 1215 Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 3. 1216 Ebd.

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renteam von »bsv Geschichte 4« auch aus nordrhein-westfälischen Autoren bestehe. Seit den späten 1980er-Jahren wurden die Ministerien »offener«1217, was die Inhalte der neuen Lehrpläne anging und es war möglich, Kontakte zu den Mitgliedern der Lehrplankommissionen herzustellen. So führte der Verlagsmitarbeiter des Bayerischen Schulbuchverlags ein Gespräch mit einem Mitglied der nordrhein-westfälischen Richtlinienkommission über die Frage, wie ein Geschichtsbuch aussehen solle, damit es den Richtlinien entspreche.1218 Die Informationen aus den Ministerien gaben die Redakteure an die Herausgeber und Autorenteams weiter. Sie informierten über das Erscheinen der neuen Lehrpläne sowie Schwerpunkte und erstellten für die Autorenteams »inoffizielle Kriterienkataloge«1219. In Bayern war in den 1970er- und 1980er-Jahren beispielsweise von großer Bedeutung, dass die bayerische Geschichte im Schulbuch ausreichend beachtet wurde. Ein eigenes Ostkunde-Referat überprüfte diese Anforderung und konnte die Zulassung, die daraufhin auch abgelehnt werden konnte.1220 Durch die Verlagsmitarbeiter und ihre Kontakte zu den Kultusministerien erhielten die Verlage Kenntnis, dass nach der Wiedervereinigung u.a in Nordrhein-Westfalen neue Lehrpläne eingeführt werden sollten und gaben den Impuls an die Autorenteams weiter. Bisher habe man »die Zeit nach 1945 als eine ›in die Zukunft offene‹ Zeit bei im Grundsatz gleichbleibender Grundkonstellation behandelt«1221, so Redakteur G.S. in seinem Vorschlag zur Überarbeitung des vierten Bandes des »Geschichtsbuches« des Cornelsen Verlags. Die Perspektive auf die Behandlung der Zeit von 1945 bis 1990 müsse nun »eine andere sein«1222, so S.. Aus Gesprächen mit Lehrern beider Länder sei deutlich geworden, dass eine Erweiterung des Buchumfangs sowie eine Überarbeitung der Kapitel zur jüngsten Vergangenheit notwendig würden. Von Verlagsseite wurde angestrebt, »möglichst aktuell zu sein und in der im Laufe des kommenden Jahres zu erwartenden Diskussion um Lehrinhalte schon konkrete Ergebnisse vorzeigen zu können«1223, sodass die Arbeiten am Text im Frühjahr 1991 abgeschlossen sein müssten. Zugleich hoffte der Verlag, dass das überarbeitete Buch nicht »das langwierige Prüfungsverfahren in NRW durchlaufen muss«1224, sondern eine

1217 Ebd. 1218 Vgl. Aktennotiz zu »Projekt Geschichte Hauptschule NRW«, 27. 10. 1988, S. 3, BayHStA Bayerischer Schulbuchverlag Nr. 403. 1219 Interviewtranskript J. R., 10. 11. 2014. S. 8. 1220 Vgl. ebd., S. 7 und Interviewtranskript K.H. Z., 27. 10. 2014, S. 2. 1221 G.S., Cornelsen Verlag: Überarbeitung aufgrund der neuen politischen Entwicklungen, September 1990, S. 1, Privatbestand B.M. 1222 Ebd. 1223 Ebd. S. 5. 1224 Ebd.

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»Kurzprüfung«1225 möglich sei. In diesem Beispiel fand lediglich eine Überarbeitung der letzten Kapitel des zweiten Bandes statt, sodass nicht das gesamte Autorenteam einbezogen wurde, sondern nur der Redakteur, der Herausgeber und der Autor des ursprünglichen Textes zusammenarbeiteten. Auch der KlettVerlag erhielt Kenntnis über die neuen Lehrpläne in Nordrhein-Westfalen und versuchte, auf ihrer Grundlage ein gänzlich neues Geschichtsbuch zu entwickeln. Angesichts der Information, dass ein neuer Lehrplan für NordrheinWestfalen erscheine, doch noch keine konkreten Inhalte bekannt waren, wollte der Verlag im Juni 1992 von seinem Geschichtsbuch »Geschichte und Geschehen« einen »Grundbaustein des neuen Lehrwerks erarbeiten, von dem wir hoffen, daß er im wesentlichen unverändert in möglichst vielen Ländern eingereicht werden kann.«1226 Der Verlag wusste, dass die Lehrplanarbeit »überall […] noch in vollem Gange«1227 war und wollte die Geschichtsbücher entsprechend vorbereitend überarbeiten, da nach Erscheinen der Lehrpläne »eine schnelle Reaktion unsererseits erforderlich sein wird«1228, um das Geschichtsbuch als erster Verlag am Markt platzieren zu können. Die Planung bezog auch ein konkretes Datum mit ein: Zum 31. Mai 1994 wollte der Verlag die neubearbeitete Version des Buches in Nordrhein-Westfalen einreichen, sodass bis zum September 1993 die Manuskripte zu Band 4 vorliegen sollten, »um sie noch ausführlich besprechen und überarbeiten zu können.«1229 Auf einer Autorenkonferenz im Oktober 1992 wussten die Verlagsmitarbeiter zu berichten, dass der Entwurf der neuen NRW-Richtlinien »bereits weitgehend endgültigen Charakter«1230 habe. Wie diese Beispiele zeigen, nahmen Verlagsredakteure im Produktionsprozess eine zentrale Rolle ein, denn sie planten und koordinierten die Entstehung eines Geschichtsbuches. Nachdem feststand, für welche Jahrgangsstufe und welches Bundesland ein Buch produziert werden sollte, begann die Arbeit an der Konzeption und die Zusammenstellung des Autorenteams. Die Verlagsredakteure stellten ein Team zusammen, indem man nach Fachdidaktikern und Lehrern suchte. Um als Verkaufsargument für das Buch dessen fortschrittliche didaktische Ausrichtung anführen zu können und sich von vorhandenen Büchern abzusetzen, suchte man nach Autoren, »von denen wir annehmen, dass sie

1225 Ebd. 1226 Protokoll der Konferenz vom 12./13. 6. 1992 zu »Geschichte und Geschehen« (Neubearbeitung), S. 1, Privatbestand G.H. 1227 Ebd. 1228 Ebd. 1229 Ebd. 1230 Protokoll der Konferenz vom 16./17. 10. 1992 zu »Geschichte und Geschehen« (Neubearbeitung), S. 1, Privatbestand G.H.

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diese moderne Richtung vertreten, auch in der Didaktik«1231, so der Redakteur Z.. Die Tätigkeit der Verlagsredakteure kann mit der der Verleger verglichen werden, deren Wirken Blaschke untersucht hat.1232 Auch die Verlagsredakteure gestalteten das Geschichtsbuch und waren »an dessen Personalpolitik und Reputationsausschüttung […] bis hin zur Autorenakquisition und Redaktionsarbeit«1233 beteiligt. Sie nahmen im Produktionsverfahren verschiedene Rollen ein: »als Kaufleute, Mittler und zuvörderst Nicht-Mittler, Selektierer und Sortierer, als gatekeeper des Wissens und Wissensproduzenten«1234 waren sie in den gesamten Prozess involviert. Während der Schreibphase der Autorentexte beriefen die Verlagsredakteure in Absprache mit den Herausgebern Autorentreffen ein, bei denen über den Stand der Arbeit gesprochen wurde. Neben den Autorenkonferenzen kommunizierten die Redakteure mit den einzelnen Autoren über gestalterische Fragen zu den Texten, wie die Auswahl von Karten oder Bildern. Ein Teil der koordinierenden Arbeit der Verlagsredakteure im Schreibprozess der Autoren bestand auch darin, die Autoren an die Abgabe der Manuskripte zu erinnern. Der KlettVerlag plante, zum 31. 5. 1994 die Neubearbeitung von »Geschichte und Geschehen IV« beim nordrhein-westfälischen Kultusministerium einzureichen, damit das Buch 1995 erscheinen könnte. Dazu wurde bei einem Autorentreffen festgelegt, die Manuskripte bis zum 30. 4. 1993 einzureichen, um genügend Zeit zur Überarbeitung zu haben. Anfang Juni 1993 erinnerte der Redakteur J. B. die Autoren an ihre Manuskripte.1235 Er bat um baldige Zusendung der Manuskripte, da es wichtig sei, »alle Manuskripte ausführlich besprechen zu können, denn es deutet sich an, daß wir mit starker Konkurrenz aus verschiedenen Verlagen (z. B. starten Diesterweg und Schöningh mit vollständig neuen Lehrwerken) zu rechnen haben.«1236 Die Aufgaben in der Produktion des Geschichtsbuches waren zwischen dem Herausgeber und dem Verlagsredakteur aufgeteilt. Der Herausgeber betreute das Buch in Bezug auf die inhaltliche Arbeit an der Konzeption und in der Zusammenarbeit mit den Autoren; der Verlagsredakteur koordinierte die operativen Angelegenheiten rund um die Entstehung des Schulbuches.1237 Die Herausgeber standen in ständigem Kontakt und Austausch mit den Autoren und 1231 1232 1233 1234

Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 3. Vgl. Blaschke, Olaf: Verleger machen Geschichte, 2010, S. 578. Ebd., S. 579. Blaschke, Olaf: Die »Hand am Puls der Forschung«. Konjunkturen der Zeitgeschichtsschreibung und ihre Verleger seit 1945, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 57 (2009) H. 1, S. 100. 1235 Vgl. Brief des Klett-Verlages, 9. 6. 1993, S. 1, Privatbestand G.H. 1236 Ebd. 1237 Vgl. Interviewtranskript H.-J. L., 27. 11. 2014, S. 3.

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dem Verlagsredakteur. Während der Schreibphase der Autoren waren die Herausgeber Ansprechpartner bei Fragen oder Unklarheiten in Bezug auf die Gestaltung des Textes. Nach der Vorlage der Autorenmanuskripte arbeiteten Herausgeber und Verlagsredakteur zur Korrektur der Texte eng zusammen. N.Z. berichtete davon, dass an Feiertagen und in den Ferien Treffen mit dem Verlagsredakteur G.S. stattfanden oder dass S. »auch zu uns nach Freiburg kam […] und wir gesagt haben, ›Komm, übernachte bei uns, dann können wir abends länger arbeiten‹.«1238 Neben den persönlichen Treffen mit dem Verlagsredakteur berichtete Z. über zahlreiche Telefonate, die die beiden miteinander geführt hatten. Herausgeber und Verlagsredakteur korrigierten die Texte der Autoren und standen bei dieser Arbeit in engem Austausch. W.H. beschrieb ausführliche Telefonate, in denen er mit dem Redakteur F.B. die Korrekturen besprochen habe. Für diese Korrekturpraktiken waren zwei unterschiedliche Faktoren maßgeblich: Einerseits die didaktische Aufbereitung des vorgelegten Autorentextes, die der Herausgeber vor dem Hintergrund seiner Konzeption prüfte und andererseits gestalterische Gründe, die das Layout betrafen. H. beschrieb, dass er »eine Routine im Abschätzen: wo wird’s zuviel, wo wird’s zu abstrakt, wo zu grundsätzlich, wo fehlt was Handfestes, wo auch mal was Emotionales«1239 gehabt habe. Diese Erfahrung im Umgang mit Texten und den Anforderungen an einen Schulbuchtext führte H. auch auf seine Kontakte mit Lehrern zurück, da er wusste, »was ankommt und was nicht«1240. Andererseits sei auch die gestalterische Aufbereitung des Textes von großer Bedeutung gewesen: »Wenn ein Satz über zwei Zeilen geht, dann geht das nicht«1241, so H.. Die Teilung des Satzes sei dann nicht nur eine stilistische Frage, »sondern eine Frage des Erkenntnisgangs«1242 gewesen, sodass in Zusammenarbeit mit dem Redakteur in einigen Fällen Formulierungen überarbeitet wurden. Für die Korrekturen an den Texten hätten die Autoren ihm »volle Vollmacht gegeben«1243, beschrieb W.H. die Zusammenarbeit mit den Autoren an »Geschichtliche Weltkunde« seit den 70erJahren. Sie schickten ihm ihre Manuskripte, die zunächst er und dann der Verlagsredakteur korrigierten. Die Begrenzung des Umfangs des Schulbuches habe bei der Erstellung und Überarbeitung der Autorentexte nur eine geringe Rolle gespielt, da die Verlage großzügig waren, wenn die vorgegebene Seitenzahl überschritten wurde.1244 Ob und inwiefern der Verlagsredakteur die Berichti1238 1239 1240 1241 1242 1243 1244

Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 2. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 4. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Davon berichteten Z. und H. unabhängig voneinander (Vgl. Interviewtranskript W. H. 16. 2. 2015, S. 5 und Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 3).

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gungen zusammen mit dem Herausgeber vornahm, beschrieben die befragten Akteure sehr unterschiedlich. Die Herausgeber des »Geschichtsbuchs« M. und Z. sprachen von einer Zusammenarbeit mit dem Verlagsredakteur G.S. auch hinsichtlich der inhaltlichen Korrekturen. Z. sah den Redakteur S. als »letzte Instanz«1245, der »an seinem Schreibtisch den Text […] manövrierte«1246. Der Redakteur U.A. beschrieb seine Tätigkeit in den 1980er-Jahren in der Korrektur von Autorenmanuskripten als wesentlich zurückhaltender. Er habe vornehmlich auf der sprachlichen Ebene Verbesserungen vorgenommen und sei bei inhaltlichen Verbesserungen zurückhaltend gewesen. Seine Arbeit wurde quasi durch ein ausführliches letztes Autorentreffen ersetzt: »Irgendwie kam aus dieser letzten Besprechung dann ein Manuskript in die Redaktion, das der Autor erarbeitet hat.«1247 In Bezug auf die Deutung der Geschichte und ihrer narrativen Fortführung in die Zukunft war es für den Redakteur zentral, »einen Konsens im Sinne von politischer Angemessenheit herzustellen.«1248 Die durchgeführten Korrekturen wurden in einigen Fällen nicht an die Autoren kommuniziert. Die Reaktionen darauf seien unterschiedlich gewesen, berichteten die Herausgeber. Einige Autoren vertrauten der Überarbeitung des Herausgebers und nahmen diese Praxis hin, andere reagierten auf die Verbesserungen mit Verärgerung und beendeten die Zusammenarbeit mit dem Verlag.1249 Die Herausgeber rechtfertigten diese Korrekturpraktiken ohne Einbezug der Autoren mit der Praktikabilität und dem Zeitdruck, die Texte in einem engen zeitlichen Rahmen fertigzustellen. Mitunter waren auch die Reaktion von Autoren und die Auseinandersetzung mit Autoren von Seiten der Verleger nicht gewünscht, besonders dann, wenn nur noch wenig Zeit bis zur Fertigstellung des Manuskripts verblieb oder wenn Korrekturen Diskussionen nach sich gezogen hätten. In einem Fall berichtete ein Herausgeber davon, die Korrekturen dem Autor so spät mitgeteilt zu haben, dass »er gar nichts mehr hat machen können und nicht nein sagen kann.«1250 Ein weiteres Beispiel für mangelnde Kommunikation zwischen Herausgebern und Autoren im Korrekturprozess sorgte seitens des Autors C.K. für große Empörung. In einer Neuauflage des »Geschichtsbuchs« im Cornelsen Verlag habe man in seiner Darstellung der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte den Autorentext mitsamt dem ausgewählten Quellenmaterial »rausgeschmissen«1251, ohne den Autor darüber zu informieren. Das von Herausgeber und Verlagsredakteur stattdessen eingefügte 1245 1246 1247 1248 1249 1250 1251

Ebd., S. 5. Ebd. Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 5. Ebd., S. 6. Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 3. Ebd., S. 2. Interviewtranskript C. K., 9. 4. 2015, S. 4.

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Quellendokument habe die intendierte Aussage und den Schwerpunkt des ursprünglichen Darstellungstextes gänzlich verändert. Aufgrund der fachlichen Expertise des Autoren K. veränderte die Korrektur seine Interpretation der DDR-Geschichte im Geschichtsbuch und rückte sie in einen Gegensatz zu seinen wissenschaftlichen Arbeiten. K. habe erst mit dem Erhalt seines Belegexemplars davon erfahren und war so erbost über diese Korrekturen, dass er die übrigen Autoren informierte und die weitere Arbeit an dem Kapitel ablehnte.1252 Auch rechtliche Konsequenzen habe er in Betracht gezogen, blieb jedoch für die Geschichte der Bundesrepublik am Geschichtsbuch beteiligt. Der Verlagsredakteur entschuldigte sich für das »Missverständnis« und führte nicht angekommene Post als Grund an.1253 Neben inhaltlichen Korrekturen setzten die Verlage die Autoren auch über Kürzungen aus gestalterischen und graphischen Gründen in Kenntnis. So wurden Autor H. 1962 die »Überzüge zu Band I, II und III«1254 zugesandt, damit er mögliche Änderungswünsche äußern konnte. Änderungen des Autorentextes waren zu diesem Termin kurz vor der endgültigen Drucklegung des Buches noch möglich, aber »möglichst so, daß der Umbruch nicht zerstört wird«1255. Redakteur B. äußerte mit der Bitte »wir sollten hier umformulieren«1256 Kritik an H.s Darstellungstext. Zusammen mit diesem Hinweis teilte er mit, das bestehende Layout der Buchseite durch eine Korrektur nicht mehr zu verändern. Nach seinen allerletzten Berichtigungen sandte der Redakteur B. H. die druckreifen Korrekturexemplare »zur kurzen Einsichtnahme«1257 zu, da sie sonst »in meinem Schreibtisch […] herumliegen.«1258 Da zu diesem Zeitpunkt keine ausführlichen Korrekturen mehr durchgeführt werden konnten, ist diese erneute Vorlage der Korrekturfahnen eine Freundlichkeit des Verlages gegenüber dem Autor, zur Erhaltung eines produktiven und wohlgesonnenen Arbeitsumfeldes. Dass der Herausgeber vom Verlag auch über die wirtschaftlichen Aspekte und die Verhältnisse auf dem Schulbuchmarkt informiert wurde, zeigen die Ausführungen und Einschätzungen H.s zu »Unsere Geschichte«, das bei Diesterweg erschien, nachdem 1988 der Cornelsen Verlag den vierten Band »Geschichtsbuch« veröffentlicht hatte. Ihm sei klar gewesen, »jetzt haben wir’s verspielt.«1259 Die Beachtung der wirtschaftlichen Aspekte der Schulbuchproduktion war die 1252 1253 1254 1255 1256 1257 1258 1259

Vgl. ebd. Brief von Redakteur G. S. an Autor C.K., 4. 4. 1995, Privatbestand C. K. Brief B. an C. H., 18. 1. 1962, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Ebd. Ebd. Brief B. an C. H., 6. 3. 1963, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Ebd. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 7.

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Aufgabe des Redakteurs. Er wusste durch die Informationen der Außendienstmitarbeiter des Verlages oder durch eigene Kontakte zu den entsprechenden Ministerialreferenten, wann in welchem Bundesland neue Lehrpläne geplant wurden. Dementsprechend wurden die Herausgeber informiert und darüber beraten, ob gänzlich neue Schulbücher konzipiert werden oder bereits zugelassene überarbeitet werden sollten. Vor Beginn der Arbeit an einem Schulbuch war es die zentrale Aufgabe des Verlagsredakteurs, den Schulbuchmarkt des Bundeslandes zu studieren und einzuschätzen, ob der Verlag Chancen auf eine Platzierung haben würde. Mit der Vorbereitung eines Buches waren hohe Vorlaufkosten verbunden und »die sind in den Sand gesetzt, wenn Sie es nicht schaffen, sich ein Bundesland zu suchen, in dem man ankommt.«1260 Die Verlagsredakteure suchten eine Position auf dem jeweiligen Schulbuchmarkt und schauten sich zugelassene Bücher an, um sich davon abzugrenzen. So stand für das Geschichtsbuch »bsv Geschichte 4« fest, dass es sich als Arbeitsbuch auch von »Geschichtliche Weltkunde« absetzen wollte.1261 Diese strategische Entscheidung wirkte sich auch auf die Diskussionen mit dem Autorenteam aus, da mit ihr bestimmte Gestaltungselemente verbunden waren. Gab es Autoren im Team, »die ihre Leitfadengeschichte machen wollen, in Bayern waren das schon einige, dann haben wir solange diskutiert, bis sie freiwillig raus sind.«1262 Systematisch und ausführlich hatten sich die Herausgeber des »Geschichtsbuches« des Cornelsen Verlags seit 1982 mit den zugelassenen und weit verbreiteten Geschichtsbüchern beschäftigt, um aus der »Konkurrenzlage«1263 Maßgaben zur Gestaltung des eigenen Buches abzuleiten.1264 Die Konzeption überließ der Verlag den anwesenden Autoren. Der Arbeitsschwerpunkt lag in den Rahmenbedingungen, die die Suche nach weiteren Autoren und den Zeitplan der Produktion betrafen. Es sei »wichtig, noch stärker Autoren süd(west)-deutscher Provenienz«1265 zu gewinnen, »da das Werk ja – wenn auch wohl in einer Regionalausgabe – u. a. in BW und RHPF ›ankommen‹ soll.«1266 Bis zur nachfolgenden Konferenz im Juni 1982 sollten weitere potentielle Autoren angesprochen werden.1267 Der vom Verlag vorbereitete Zeitplan sah vor, dass noch 1982 mit der Erarbeitung der Konzeption begonnen werden sollte, sodass 1983 an Manuskripten gearbeitet werden könne, damit das Buch 1984 zur »Einrei-

1260 1261 1262 1263 1264 1265 1266 1267

Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 8. Vgl. ebd., S. 7. Ebd. Protokoll der Konferenz am 6. 3. 1982, S. 1, Privatbestand B.M. Vgl. ebd., S. 4. Ebd., S. 5. Ebd. Vgl. ebd., S. 6.

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chung«1268 fertiggestellt sei und 1985 erscheinen könne. Dieser Plan von Verlagsseite wurde von den Herausgebern für »zu optimistisch«1269 gehalten, da die Beteiligten noch bis zum Ende des Jahres 1982 »stark belastet«1270 seien. Daher wurden die Termine zur Einreichung und zur Veröffentlichung um ein Jahr verschoben.1271 Hier zeigen sich zum einen das Erschließen von Handlungsspielräumen zwischen Herausgebern und Verlagsredakteuren und zum anderen die zu eröffnenden Einflussmöglichkeiten des Herausgebers auf die terminlichen und technischen Rahmenbedingungen der Produktion. Die Verlage wussten um die unterschiedlichen Schwerpunkte der Bundesländer in den jeweiligen Lehrplänen und produzierten Länderausgaben für einzelne Bundesländer. Dabei entschieden die Größe des Bundeslandes und damit verbunden die Schülerzahl, also die Menge potentieller Käufer eines Buches über die Frage, auf welches Land man die Regionalausgabe zuschnitt. Grundsätzlich galt es, dass ein Geschichtsbuch in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg erfolgreich sein sollte. Später habe auch Niedersachsen hinzugezählt.1272 In Bezug auf Bayern zeigte sich für Geschichtsbücher der 1980er-und der 1990er-Jahre, dass man zunächst keine spezielle Landesausgabe für Bayern produzierte, sondern das Buch einreichte und abwartete, welcher Überarbeitungsaufwand notwendig wäre, damit das Buch zugelassen werden könnte.1273 Die befragten Akteure teilten die Ansicht, dass die Chancen auf eine Zulassung gering seien, da Geschichtsbücher des Bayerischen Schulbuchverlags vorrangig behandelt würden. Der dort tätige Redakteur Z. beschrieb für die 1990er-Jahre hingegen, dass der bsv »mehr als 1/3 seines Umsatzes in Nordrhein-Westfalen«1274 erwirtschaftet habe und nur ein weiteres Drittel in Bayern. Inwiefern diese Einschätzung des bayerischen Schulbuchmarktes auf Erfahrungen des Verlagsredakteurs oder des Herausgebers basierte, ist nicht nachvollziehbar, doch macht sie ministerielle Entscheidungskriterien sichtbar. Die politische Einschätzung nahm insofern Einfluss auf die Produktion, als sie Bestandteil des ökonomischen Kalküls des Verlages wurde, eine Länderausgabe zu produzieren oder nicht. Erst 1985/86 habe der Diesterweg Verlag mit der Produktion einer Bayern-Ausgabe begonnen und erst ab 1993/94 weitere Länderausgaben produziert.1275 Bis dahin habe eine Gesamtausgabe von »Geschichtliche Weltkunde« mit einigen veränderten Doppelseiten, die das Thema des Ka1268 1269 1270 1271 1272 1273 1274 1275

Ebd. Ebd., S. 5. Ebd., S. 6. Vgl. ebd. Vgl. Interviewtranskript F. B., 17. 10. 2014, S. 5. Vgl. ebd. sowie Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 4. Vgl. Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 4. Vgl. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 4.

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pitels auf die Geschichte des jeweiligen Bundeslandes anwandten, genügt. Auch der Schöningh Verlag begann in den 1990er-Jahren, Länderausgaben von »Zeiten und Menschen« zu produzieren. Das Autorenteam wurde dabei um »Landeskinder«1276 ergänzt, so der langjährige Herausgeber H.-J. L.. Die übrigen Bundesländer »nahm man dann eben mit, aber wir haben da speziell […] nichts mehr gemacht«1277, antwortete der Autor F.B. zur Frage nach weiteren speziellen Länderausgaben. Länder wie Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt seien zu klein gewesen, um den wirtschaftlichen Aufwand einer eigenen Länderausgabe zu betreiben. Für sie genügten meist einige spezielle Doppelseiten, die einen Bezug zur regionalen Geschichte herstellten.1278 Die bisherige Darstellung beschrieb den Ablauf des Produktionsverfahrens für Geschichtsbücher, die seit Ende der 1970er-Jahre bis in die 1990er-Jahre entstanden und aufgrund der Mehrzahl von Akteuren eine komplexere Kommunikation aufwiesen. Das Beispiel des verlagsseitigen Entstehungsprozesses des dreibändigen Geschichtsbuches »Geschichte unserer Welt« von C. H. im Westermann Verlag macht jedoch deutlich, dass sich Ähnlichkeiten der Mechanismen und der Praktiken in diachroner Perspektive aufzeigen lassen. In den Fällen, in denen ein Geschichtsbuch nur von einem oder zwei Autoren verfasst wurde, war der Kontakt zwischen dem Verlag und dem Autor enger und der Austausch intensiver. Am Beispiel der Korrespondenz zwischen der Mitarbeiterin des Westermann Verlags und dem Autor des dreibändigen Geschichtsbuches »Geschichte unserer Welt« von 1960/61 werden einige Aspekte der Zusammenarbeit verdeutlicht. Die Redakteurin W. und der Autor H. tauschten in sehr arbeitsreichen Zeiten mehrere Briefe pro Woche aus. Die Wochen vor der Abgabefrist eines Schulbuchmanuskripts an ein Kultusministerium gehörten zu solchen kommunikationsintensiven Zeiten. Am 13. Juni teilte der Verlagsmitarbeiter S.-F. H. mit, dass die Frist vom 30. Juni zum Einreichen des Manuskripts beim Hessischen Kultusministerium nicht verlängert wurde. Man könne »notfalls zum 30.6. noch nicht das ganze Manuskript«1279 einreichen »und die noch ausstehenden Teile spätestens zum 10.8.«1280 nachreichen, so S.-F.. Für die praktische Arbeit bedeute dies, »daß wir Ihre fertiggestellten Kapitel so rechtzeitig hier haben müssen, daß sie noch abgeschrieben werden können und pünktlich am 28.6.zum Versand kommen.«1281 Neben dieser kurzfristigen Planung gab der Redakteur auch vor, dass H. »ohne Aufenthalt den Juli über wei-

1276 1277 1278 1279 1280 1281

Interviewtranskript H.-J. L., 27. 11. 2014, S. 4. Interviewtranskript F. B., 17. 10. 2014, S. 5. Vgl. ebd. sowie Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 2. Brief S.-F. an C. H., 13. 6. 1960, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Ebd. Ebd.

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terarbeiten«1282 müsse, damit das restliche Manuskript zum 1. August dem hessischen Kultusministerium vorgelegt werden könne. Zeitdruck löste im Schulbuchverlag nicht nur die Abgabefrist zur Prüfung des Buches in den Kultusministerien aus, sondern auch die gestalterischen Arbeiten für das Buch im Verlag selbst: »Hier wird doch alles parallel gemacht – Umbruch-Textverteilung, dazugehörig Bildund Kartenformate, Stand u. Klischierung, dazugehörig Bildunterschriften! Ohne Ihre Textkorrekturen komme ich hier keinen Schritt weiter – ohne Ihre Bildunterschriften (wenigstens im Groben siehe meine übersandte Liste, damit klar ist, wieviel Zeilen auszusparen sind) desgleichen nicht!«1283

schrieb die Redakteurin W. an H.. Die Dringlichkeit ihrer Bitte wurde neben der Interpunktion auch durch den ersten Satz des Briefes deutlich. Anstelle der üblichen freundlichen Bekundungen nach dem Befinden oder Rückfragen nach Urlauben lautete der Satz: »Bitte schicken Sie Ihre Korrekturen schnellstens!!«1284 Der Brief wurde weder datiert noch auf dem verlagseigenen Briefpapier getippt, was neben dem Inhalt für ein hastiges Verfassen seitens der Redakteurin spricht. Sie bat den Autor: »Vieles dürfen wir jetzt nicht mehr umwerfen, sonst wird’s überhaupt nichts.«1285 Zum Schluss des Briefes formulierte sie »Ihre wichtigste Hilfe jetzt um weiterzukommen: Korrekturen u. Bildunterschriftenangaben! Ich habe solche Angst, dass Sie noch viel umschreiben, Sie sind erschöpft und auch noch krank, hier im Rückstand usw usw«.1286 In diesen letzten Zeilen werden die verschiedenen Anforderungen deutlich, denen die Mitarbeiter in den Schulbuchverlagen gerecht werden mussten. Die Termine und Fristen, die innerhalb des Verlages eingehalten werden mussten, um das Layout der Seiten zu gestalten, wofür die Texte der Autoren notwendigerweise vorliegen mussten. Den Autoren wiederum waren andere Aspekte des Buches wichtiger als die Angabe der Länge von Bildunterschriften, sodass die Redakteure darauf hinweisen und auf die Abgabe der Informationen drängen mussten. Zugleich bedeuteten mögliche Änderungen seitens der Autoren, die die Redakteurin W. fürchtete, dass geplante Fristen und Termine durch Umgestaltungen der Seiten nicht eingehalten werden konnten, was weitere Verschiebungen mit sich bringen würde, sodass das Buch möglicherweise nicht mehr rechtzeitig zur geplanten Veröffentlichung fertiggestellt werden könnte. Der dadurch entstehende Druck bei den Verlagsredakteuren äußert sich in W.s Worten, dass sie sogar »Angst« vor Änderungen durch den Autor H. habe. Er wird auch in ihrer Sorge um H.s Belastbarkeit deutlich, da er als 1282 1283 1284 1285 1286

Ebd. Brief W. an C. H., undatiert, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Ebd. Ebd. Ebd.

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Autor noch einige kleinere Ergänzungen zu seinem Autorentext anzugeben hatte. Ein Ausfall des Autors durch Krankheit würde Verzug im Produktionsprozess bedeuten und in der Konsequenz großen wirtschaftlichen Schaden für den Verlag. Der ökonomische Aspekt dominierte die Bemühungen, das Geschichtsbuch einerseits rechtzeitig zur Prüfung bei den Kultusministerien vorzulegen, um andererseits nach erteilter Zulassung die Korrekturen einzuarbeiten und die Veröffentlichung auf dem Schulbuchmarkt rechtzeitig zum Schuljahresbeginn zu schaffen. Das Wissen um die Bedeutung der Einhaltung von Fristen explizierte sich in den Kommunikationspraktiken der Redakteure, wie das Beispiel zeigte. Auch an anderer Stelle des Produktionsprozesses äußerten die Akteure den Zeitdruck. Nachdem das Buch vom Berliner Senator für Volksbildung im Januar geprüft worden war, sollten die Korrekturen eingearbeitet werden, damit es in Berlin zugelassen und planmäßig Ostern 1963 veröffentlicht werden konnte. Im Januar schrieb der Verlagsredakteur B. dem Autor H.: »Obwohl die Zeit im Moment noch nicht drängt, werden wir – wie ich die Entwicklung sehe – schon recht bald in Zeitdruck kommen.«1287 Der Zeitdruck waren die Fristen, bis zu denen die Geschichtsbücher bei den Kultusministerien einzureichen waren, denn von diesem Termin hing ab, ob das Buch für das darauffolgende Schuljahr am Markt platziert werden konnte. Es musste seitens des Verlags also genügend Zeit für das Prüfungsverfahren und eventuelle Überarbeitungen einkalkuliert werden, aber gleichzeitig aufgepasst werden, dass das Buch rechtzeitig am Schulbuchmarkt erschien, damit es von Schulen angeschafft und von Lehrer es zur Vorbereitung auf das Schuljahr verwendet werden konnte. Trotz aller termingerechten Vorarbeiten und enger inhaltlicher und methodischer Ausrichtung der Bücher am Lehrplan blieben für Autoren, Herausgeber und Verlagsredakteure die Monita der Gutachter unvorhersehbar. Das nachfolgende Beispiel zeigt eine Maßnahme zur Reduktion der Ungewissheit durch die ministeriellen Gutachten: Um so wenige Überarbeitungen wie möglich durchführen zu müssen und mögliche gutachterliche Monita bereits vorab korrigieren zu können, beauftragte der C.C. Buchners Verlag 1971 einige Lehrer mit der Begutachtung des neuen Unterrichtswerkes, bevor er es dem Kultusministerium zur Prüfung vorlegte. Die drei Bände des Geschichtsbuches »Geschichtliches Werden« wurden zusammen mit einem Beurteilungsbogen an die Lehrer geschickt. Zehn Bögen befinden sich in den Akten1288, in denen das Buch anhand folgender Gesichtspunkte vorab beurteilt werden sollte: Allgemeines Urteil, besondere Vorzüge, Korrekturvorschläge, Unterrichtserfahrungen.1289 Auf zwei Arten versuchte der Verlag, die gutachterliche 1287 Brief B. an C. H., 25. 1. 1963, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. 1288 Vgl. Beurteilungsbögen zu »Geschichtliches Werden, Band 1–3« von G. (20. 1. 1971), S. (23. 9. 1970), L. (30. 9. 1970), F. (19. 4. 1970), S. (10. 2. 1970), P. (15. 1. 1970), R. (7. 11. 1969), D. (3. 10. 1969), BWA F 28/671. 1289 Vgl. Beurteilungsbogen C.C.Buchners Verlag, BWA F 28/668.

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Kritik zu antizipieren und die zügige Zulassung des Buches zu begünstigen: Zum einen durch die Prüfkriterien, die der Verlag aus vorausgehenden Gutachten und Zulassungsverfahren kannte und zum anderen durch die Auswahl von Lehrern, da auch Gutachter zumeist als Lehrer tätig waren und man auf diese Weise ein Urteil aus schulpraktischer Perspektive erhalten wollte.

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Das Zulassungsverfahren in Bayern und Rheinland-Pfalz 1950–1972

Wie in Kapitel 2.2. bereits dargestellt, beginnt die Analyse des Produktionsprozesses 1950, da in diesem Jahr der Band »Demokratie im Werden« der Reihe »Wege der Völker« in Rheinland-Pfalz zur Prüfung eingereicht wurde. Außerdem wurde das Prüfungsverfahren seitdem ohne zusätzliche Genehmigungen durch die französische Militärregierung durchgeführt, sodass es mit anderen späteren Zulassungsprozessen vergleichbar ist. Der Endpunkt der Analyse um das Jahr 1972 ist damit zu begründen, dass in den Archiven in München und Koblenz lediglich die Akten der Schulbuchzulassung bis zu diesem Zeitpunkt verfügbar waren. Die Auswahl der Bundesländer ist ebenfalls durch die Situation der archivalischen Überlieferung begründet, da die übrigen Länder entweder über weniger oder über keine Akten zur Zulassung mehr verfügten. Im chronologischen Verlauf des ministeriellen Zulassungsverfahrens werden im Folgenden verschiedene Praktiken dargestellt und Schwerpunkte gebildet, die sich im diachronen Vergleich der beiden Bundesländer zeigten. Es handelt sich um Einteilungen, die aus der Analyse der Quellen hervorgehen und von der Forschung als Teil des Zulassungsverfahrens bisher nicht beleuchtet wurden. Einige Praktiken sind dabei lediglich den Mitarbeitern in den jeweiligen Referaten des Ministeriums zuzuordnen, es wurden jedoch auch Praktikenkomplexe in der Interaktion mehrerer Akteure deutlich. Folgende drei Aspekte untergliedern den Ablauf des Produktionsverfahrens: der erste Schwerpunkt beschäftigt sich mit den Praktiken zur Benennung der Gutachter. Der zweite Aspekt zeigt, dass die Prüfung der Geschichtsbücher nicht nur durch die Gutachter, sondern auch durch die Mitarbeiter der Referate in den Ministerien geschah. Abschließend soll drittens die Dauer des Prüfungsverfahrens beleuchtet werden. Die Zuständigkeit der Schulbuchzulassung lag (und liegt) bei den Bundesländern, d. h. für jedes der Bundesländer bedurfte es einer separaten Genehmigung, um ein Geschichtsbuch an Schulen verwenden zu können. Die Verlage sandten die Bücher zusammen mit einem formlosen Antrag auf Zulassung an die jeweiligen Referate des Kultusministeriums, die das Verfahren administrierten. Für die verschiedenen Schulformen gab es verschiedene Referate, die für die Schulbuchzulassung zuständig waren. Ein formales Kriterium, überhaupt ein Prüfungsverfahren einzuleiten, war die ausreichende Anzahl an Prüfexempla-

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ren. Hatten die Verlage dies nicht berücksichtigt, wurden sie schriftlich darauf hingewiesen. Der C.C. Buchners Verlag hatte dem Ministerium 1951 zur Prüfung von vier verschiedenen Schulbüchern jeweils nur vier statt der erforderlichen fünf Exemplare vorgelegt, sodass das Ministerium den Verlag kontaktierte. Die Begutachtung könne »nur vorgenommen werden, wenn jedes Buch in 5 Exemplaren vorliegt«1290, so das Ministerium. Die folgende Untersuchung der ministeriellen Seite des Zulassungsverfahren untergliedert sich in drei Aspekte. Der erste Schwerpunkt liegt auf den Praktiken zur Benennung der Gutachter. Der zweite Aspekt zeigt, dass die Geschichtsbücher nicht nur durch die beauftragten Gutachter, sondern auch die mit Mitarbeiter der Referate in den Ministerien geprüft wurden. Abschließend soll drittens die Dauer der Prüfverfahren beleuchtet werden.

3.5.1 Die Auswahl der Gutachter Nach Eingang der Prüfexemplare beauftragte das Ministerium Gutachter mit der Beurteilung der Geschichtsbücher hinsichtlich der Frage, ob das Buch in den Schulen des Bundeslandes verwendet werden könne. In den Gutachten wurde diese Formulierung dahingehend konkretisiert, ob das Buch dem gültigen Lehrplan entspreche und eine Bereicherung für den Unterricht sei. Die Benennung der Gutachter geschah in Bayern und Rheinland-Pfalz zu Beginn des Verfahrens in den 1950er-Jahren in ähnlicher Form und vollzog sich in zwei Schritten: Ein Mitarbeiter des zuständigen Referats im Ministerium schlug die Gutachter vor (meist handschriftlich auf dem Anschreiben der Verlage) und ein anderer – wahrscheinlich ihm vorgesetzter- Akteur bestätigte oder korrigierte diese Angaben. So wurden am 15. 3. 1972 zur Prüfung des Geschichtsbuchs »Neueste Zeit (1890–1972)« der Reihe »Geschichtswerk für Realschulen« die Studienräte G.H. und W.G. beauftragt. Datiert auf den 12.4. wurde der Name H. durchgestrichen und das Institut für Zeitgeschichte als zweiter Gutachter vorgeschlagen.1291 Ein ähnliches Vorgehen ließ sich im Fall der Zulassung der drei Bände des Geschichtsbuchs »Unsere Geschichte – Unsere Welt« beobachten: Auf der Briefvorlage wurden zwei Gutachter benannt, von denen einer durchgestrichen und durch einen anderen Namen ersetzt wurde.1292 Über die Gründe dieser Änderung kann nur spekuliert werden. Auf der strukturellen Ebene zeigen diese Praktiken allerdings, dass die ministeriellen Akteure um die Auswahl der Gutachter Aushandlungen betrieben. Eine andere Beobachtung kann 1290 Briefentwurf des Ministeriums, 23. 5. 1951, LHA RP 910/1461. 1291 Brief des Oldenbourg Verlags mit Notizen des Referats, 14. 3. 1972 sowie handschriftlicher Vermerk auf Beiblatt (ohne Überschrift), 12. 4. 1972, BayHStA MK 64268. 1292 Vgl. Briefvorlage des Ministeriums vom 14. 7. 1959, BayHStA MK 63835.

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ebenfalls nicht abschließend begründet werden: die Unterschiede in der Anzahl der beauftragten Gutachter. So bleibt es bei der quantitativen Feststellung, dass die Zahl der Gutachter von einem einzelnen Gutachter,1293 der über die Eignung eines Buches entschied, bis hin zu drei Gutachtern variierte, wie das Beispiel des Geschichtsbuches »Werden und Wirken« zeigt, von dem zwei Bände in Rheinland-Pfalz zugelassen werden sollten. Neben der Eingangsbestätigung und der Mitteilung der Höhe der Prüfungsgebühren an den Verlag beauftragte das Ministerium drei Gutachter.1294 Diese wurden auf dem Briefentwurf vorgeschlagen und von einem anderen Akteur im Ministerium durch handschriftliches Abhaken der drei Namen bestätigt.1295 Genauso wurde 1957 im Zulassungsverfahren der Geschichtsbücher »Geschichte der Neuzeit: 1500–1815« und »Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950« aus dem Buchners Verlag vorgegangen. Der Verlag bat um Prüfung der Zulassung, woraufhin das Ministerium die Prüfungsgebühr von 45 DM festlegte und zwei Schuldirektoren mit der Prüfung der beiden Geschichtsbücher beauftragte.1296 Die Anschreiben an die Gutachter wurden an die Dienststellen, also die Schulen, gerichtet und um »baldige Erledigung«1297 gebeten. Als interne Frist zur Wiedervorlage der Gutachten im Ministerium wurde der 15. 12. 1957 vermerkt.1298 Auch im Falle des Geschichtsbuches »Wege der Völker D 5 Geschichte und Gegenwart« wurden die Gutachter vom Ministerium selbst benannt und bereits auf dem Brief des Verlags handschriftlich notiert.1299 Die Wahl von drei Gutachtern bot den Vorteil, eine mehrheitliche Entscheidung für oder gegen die Zulassung eines Buches zu erhalten. In Fällen, in denen nur zwei Gutachter beauftragt wurden, einer von ihnen das Buch befürwortete und der andere eine Ablehnung aussprach, wurde ein drittes Gutachten eingeholt.1300 Es bestand bei der Benennung der Gutachter jedoch 1293 Vgl. Zulassungsverfahren der Bücher »Deutschlands Wiedereintritt in die Gemeinschaft der Völker« und »Die politischen Parteien in der Vergangenheit und Gegenwart«, die beide von Dr. F. begutachtet wurden (LHA RP 910/1471). Vgl. auch das Zulassungsverfahren der vierten Auflage des vierten Bandes »Geschichte der Neuesten Zeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart«, in dem V. mit dem Gutachten beauftragt wurde (Briefentwurf des Ministeriums, 5. 7. 1954, LHA RP 910/1545). Auch bei der Prüfung des Buches »Neueste Zeit von 1978 bis heute« wurde nur ein Gutachter, der Landesverband Rheinland-Pfalz des Gesamtverbands deutscher Mittel- und Realschullehrer, um eine gutachterliche Stellungnahme gebeten (vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 27. 3. 1956, LHA RP 910/15015). 1294 Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 29. 3. 1952, S. 2, LHA RP 910/1542. 1295 Ebd. 1296 Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 11. 11. 1957, LHA RP 910/1547. 1297 Ebd., S. 2. 1298 Vgl. ebd. 1299 Vgl. handschriftliche Notiz auf Brief des Diesterweg Verlags, 13. 6. 1953, LHA RP 910/ 15015. 1300 Vgl. handschriftliche Notiz auf Brief E., 17. 12. 1973, BayHStA MK 64521.

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auch die Möglichkeit, dass das zuständige Referat den »Gesamtverband Deutscher Real- und Mittelschullehrer« in Koblenz mit einem Gutachten beauftragte, der wiederum einen konkreten Gutachter aussuchte.1301 Innerhalb des Referats wurde entschieden, wie viele Gutachten eingeholt werden sollten. Am Beispiel des fünften Bandes »Von 1850 bis zur Gegenwart« der Reihe »Lebendige Vergangenheit« aus dem Klett Verlag genügte dem korrigierenden Referenten die Beauftragung eines Gutachters, obwohl auf der Vorlage ein weiterer eingetragen war. Bei beiden Vorschlägen handelte es sich um Lehrerverbände; einmal um den o.g. Gesamtverband Deutscher Real- und Mittelschullehrer sowie um die Landeslehrervertretung in Rheinland-Pfalz. Deutlich wird an diesem Beispiel die Intention, Lehrer mit der Prüfung des Geschichtsbuches zu beauftragen, gleichzeitig jedoch seitens des Ministeriums keinen Akteur konkret zu benennen. Auch die Entscheidung über die Anzahl der einzuholenden Gutachten blieb bis in die 70er-Jahre den Referenten des Ministeriums vorbehalten, wie die Beispiele zeigten. Während in Bayern die Gutachter vom zuständigen Referat des Ministeriums beauftragt wurden, lässt sich für Rheinland-Pfalz in den 1960er-Jahren ein wesentlicher Unterschied bei der Auswahl der Gutachter feststellen. Wurden sie in den 1950er-Jahren noch vom Ministerium benannt und kontaktiert, beauftragte man in den 60er-Jahren die Bezirksregierungen des Landes mit der Einholung von Gutachten. Der Verlauf des Verfahrens veränderte sich dadurch auch: So wurden nicht mehr Namen von Gutachtern notiert und durch Abhaken überprüft, sondern drei Bezirksregierungen ausgewählt. Das Ministerium beauftragte sie, das Geschichtsbuch »durch einen geeigneten Lehrer baldmöglichst prüfen zu lassen, ob es für den Unterrichtsgebrauch an Realschulen zugelassen werden kann.«1302 Zusammen mit dieser Aufforderung wurden die Prüfexemplare des Buches an die Bezirksregierungen weitergeleitet. Die Auswahl der Gutachter delegierte das Ministerium und bestimmte eine Frist, bis zu der die angeforderten Gutachten im Ministerium in Koblenz vorzuliegen hatten. Damit gab es in Rheinland-Pfalz mit den Bezirksregierungen eine zweite politische Instanz, die in die Zulassung von Schulbüchern involviert war. Sie war der Ansprechpartner der Gutachter, die ihre Gutachten nicht direkt an das Ministerium in Mainz sandten, sondern an die jeweilige Bezirksregierung. Jene leitete das Gutachten dann an das Ministerium weiter.1303 Die Bezirksregierungen und nicht das zuständige Referat des Kultusministeriums wählten die Gutachter für die Schulbücher aus, sodass diese administrative Praxis in Rheinland-Pfalz 1301 Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 30. 11. 1953, LHA RP 910/15015. 1302 Briefentwurf 3. 12. 1962, S.2, LHA RP 910/15015. 1303 Vgl. ebd. und Brief der Bezirksregierung Koblenz, 12. 2. 1963 sowie Gutachten E.W., 4. 2. 1963, LHA RP 910/ 15015.

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dezentral organisiert wurde und das Ministerium auf die Wahl der Gutachter keinen Einfluss nehmen konnte. Das Ministerium beauftragte in der Regel drei Bezirksregierungen, die jeweils einen Gutachter benannten und um ein Gutachten baten. Dieses Verfahren wurde unabhängig von der Schulform angewendet. Sie spielte erst im Auswahlverfahren der Gutachter seitens der Bezirksregierungen eine Rolle. Dementsprechend wurden Realschulbücher von Realschullehrern, Gymnasialbücher von Gymnasiallehrern geprüft, doch auch Leiter Pädagogischer Hochschulen oder Mitarbeiter wissenschaftlicher Institutionen zählten zu den Gutachtern. Über zwei Aspekte dieses besonderen Auswahlprozesses der Gutachter geben die Akten keinen Aufschluss. Es wird nicht deutlich, nach welchem Verfahren das Ministerium die drei jeweiligen Bezirksregierungen auswählte. Auch über das Auswahlverfahren der Bezirksregierungen liegen keine Informationen vor, sodass nur eingeschränkt gezeigt werden kann, inwiefern einige Gutachter häufiger tätig wurden als andere – wie es in Bayern der Fall war. Den Akten war nicht zu entnehmen, nach welchen Grundsätzen die Bezirksregierungen die Auswahl trafen. Unklar muss daher bleiben, ob bestimmte Bezirksregierungen und bestimmte Gutachter quantitativ häufiger ausgewählt wurden als andere, denn diese Frage kann die vorliegende Analyse nicht beantworten. Die Gründe für die Wahl bestimmter Lehrer als Gutachter können nicht benannt werden, doch es lässt sich beobachten, dass manche Gutachter häufiger um ihre Mitarbeit in Prüfungsverfahren gebeten wurden als andere. 1951 bat das Ministerium den Direktor des Gymnasiums am kurfürstlichen Schloss in Mainz, eine dort tätige Lehrkraft mit einem Gutachten zu beauftragen, woraufhin Studienrat S. innerhalb von drei Monaten ein drei Seiten umfassendes Gutachten vorlegte.1304 In weiteren Prüfungsverfahren, sowohl bei der Neuauflage des 1950 begutachteten Geschichtsbuches »Wege der Völker«1305 wie auch in anderen Fällen, wurde S. mit Gutachten beauftragt.1306 Andere Gutachter, wie beispielsweise Studienrat H.-G. F.,1307 wurden ebenfalls mehrfach kontaktiert und begutachteten regelmäßig Geschichtsbücher. Auch die Gutachter E. W., P. N. und H. wurden von den Bezirksregierungen mehrfach mit Gutachten beauftragt.1308 Durch die Zwischeninstanz Bezirksregierung wurden die Möglichkeiten der direkten Ein1304 1305 1306 1307

Vgl. Gutachten S., 25. 11. 1950, LHA RP 910/1542. Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 25. 1. 1952, LHA RP 910/1542. Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 1. 9. 1952, LHA RP 910/1543. Vgl. für F. Gutachtertätigkeit Gutachten zu Ploetz »Hauptdaten der Weltgeschichte« vom 28. 8. 1950, LHA RP 910/1471. 1308 Vgl. Brief der Bezirksregierung Koblenz, 4. 1. 1965 sowie Gutachten E.W., 7. 12. 1964, LHA RP 910/15015 und Gutachten E.W., 6. 7. 1964, LHA RP 910/15015; vgl. Brief der Bezirksregierung Trier, 10. 12. 1971, Brief der Bezirksregierung Koblenz, 3. 11. 1971, LHA RP 910/ 15014 sowie 14. 1. 1972, LHA RP 910/15014.

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flussnahme auf die Gutachter durch andere beteiligte Akteure, wie beispielsweise Vertreter der Schulbuchverlage oder Mitarbeiter der Ministerien, reduziert. Diese Form des gutachtergestützten Zulassungsverfahrens ermöglichte eine größere Anonymität der Gutachter als in den Bundesländern, in denen das Ministerium die Gutachter selbst benannte und die Akteure dort also namentlich bekannt waren. Die Namen und Anschriften des Gutachters wurden dem Ministerium erst bei der Vorlage des Gutachtens mitgeteilt.1309 Trotz der zusätzlichen Verwaltungsebene vergrößerte sich die Anzahl der Akteure nur unwesentlich, da auch die von den Bezirksregierungen beauftragten Gutachter mehrere Bücher begutachteten. Von dem Prozedere, die Bezirksregierungen mit der Wahl der Gutachter zu beauftragen, wurde in einigen Fällen abgewichen. Im ersten Beispiel wurde das Verfahren der direkten Benennung der Gutachter mit der Beauftragung durch die Bezirksregierungen verbunden, indem neben zwei Bezirksregierungen auch H. D., der Direktor der Pädagogischen Hochschule in Worms, vom Ministerium selbst benannt wurde. Die Form der Nennung, dass zunächst D. Name genannt wurde und nicht die Institution ›Leitung der Hochschule‹ lassen den Schluss zu, dass es sich um eine direkte Benennung und explizite Auswahl der Gutachter seitens des Ministeriums handelte. Im zweiten Beispiel für eine Varianz des Verfahrens wurden die Gutachter P. und F. 1961 um Prüfung der Neuauflage des Geschichtsbuches »Um Volksstaat und Völkergemeinschaft« gebeten.1310 Dabei war P. 1956 schon eine Gutachterin für dieses Geschichtsbuch,1311 sodass ihre erneute Benennung vor diesem Hintergrund nachvollziehbar erscheint. Die Wahl der gleichen Gutachter für eine neue bzw. veränderte Ausgabe eines bereits begutachteten Geschichtsbuches zeigte sich auch am Beispiel des Buches »Die Reise in die Vergangenheit«, das im Westermann Verlag erschien. Handschriftlich wurde auf dem Brief des Verlags notiert, dass »möglichst gleiche Prüfer wie für die Bände I bis III in Einzelausgaben«1312 zu beauftragen seien. Dieses Verfahren war allerdings lediglich bei der vorgelegten Ausgabe von 1963 der Fall, denn als der Verlag 1967 um die Zulassung der überarbeiteten Neuauflage bat, wurden keine expliziten Hinweise zur Gutachterwahl erteilt.1313 Auch in Bayern zeigte sich eine Kontinuität in der Auswahl der Gutachter : Sowohl in 1309 Vgl. beispielsweise Brief der Bezirksregierung Koblenz, 5. 10. 1962; Brief der Bezirksregierung Montabaur, 31. 8. 1962; vgl. Brief der Bezirksregierung der Pfalz, 1. 8. 1962; alle LHA RP 910/14869. 1310 Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 16. 5. 1961, LHA RP 910/1547. 1311 Briefentwurf des Ministeriums 5. 12. 1956, S. 2, LHA RP 910/1546. 1312 Handschriftliche Notiz auf Brief des Westermann Verlags, 6. 8. 1963, LHA RP 910/14870. 1313 Vgl. Brief des Westermann Verlags, 30. 1. 1967, LHA RP 910/14872. Bei der überarbeiteten Ausgabe des Buches von 1970 wurden ebenfalls keine Vorgaben hinsichtlich der Gutachter gemacht (vgl. Brief des Westermann Verlags, 31. 8. 1970, LHA RP 910/14872).

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den 50er wie auch in den 60er-Jahren wurde Oberstudienrat D. als Gutachter in verschiedenen Zulassungsverfahren benannt: 1955 für den vierten Band der Reihe »Geschichtliches Werden«1314, 1956 zur Beurteilung von »Bayern in Geschichte und Gegenwart«1315, 1959 bei der Prüfung des vierten und 1960 bei der Überprüfung des dritten Bandes der Reihe »Geschichtliches Unterrichtswerk« des Blutenberg Verlags. Auch 1963 wurde D. als Gutachter beauftragt.1316 Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus ersuchte zur Benennung von Gutachtern um Hilfe bei den Bezirksregierungen des Bundeslandes. In einem Brief vom 14. 11. 1961 wurde die Regierungen aufgefordert, zu einem »Verzeichnis von Sachverständigen«1317 beizutragen. Jene sollten »aufgrund ihrer theoretischen Studien bzw. ihrer schulpraktischen Erfahrungen als Sachverständige erachtet werden können«1318 und »geeignet sein, als Gutachter für besondere Fragen, zur Beurteilung von Lehrbüchern, Lern- und Arbeitsmaterialien«1319 tätig zu sein. Innerhalb einer Frist von rund drei Monaten solle ein Verzeichnis dem Ministerium vorgelegt werden. Die Regierungen erstellten entsprechende Auflistungen, aus denen die jeweiligen Referate dann Gutachter auswählten.1320 1968 ließ das Ministerium diese Liste aktualisieren, da die vorliegende veraltet sei. Zudem sei eine größere Anzahl von Gutachtern notwendig, da die Zahl der Anträge stetig ansteige und je größer die Möglichkeit der Auswahl sei, desto schneller könnten die Anträge der Schulbuchverlage bearbeitet werden.1321 Als Gutachter infrage kämen »Schulaufsichtsbeamte, Seminarleiter, Schulleiter, Lehrer und Lehrerinnen, die auf einem dieser Gebiete besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrung besitzen und zu kritischer Stellungnahme berufen sind, außerdem Professoren, Dozenten und Lehrbeauftragte an Pädagogischen Hochschulen in ihrem speziellen didaktischen Gebiet.«1322 Von der Gutachtertätigkeit ausgenommen waren diejenigen, die im gleichen Unterrichtsfach an der Herausgabe eines Lehrmittels beteiligt waren. 1314 Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 4. 2. 1955, BayHStA MK 63825. 1315 Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 12. 1. 1956, BayHStA MK 63838; Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 12. 1. 1956, BayHStA MK 63838. 1316 Vgl. handschriftliche Notiz auf dem Brief des C.C Buchners Verlags, 6. 11. 1963, BayHStA MK 63825. 1317 Brief des Ministeriums, 14. 11. 1965, BayHStA MK 62120. 1318 Ebd. 1319 Ebd. 1320 An dieser Stelle können nicht alle Gutachterbenennungen mit den Listen abgeglichen werden, doch wird aufgrund der analysierten Gutachten in diesem Kapitel deutlich, dass einige benannte Gutachter tatsächlich für das Ministerium tätig wurden und damit die Benennung durch die Bezirksregierungen ein erfolgreicher Weg war, Gutachter zu generieren (Vgl. Beurteilungen der Gutachterinnen H. und B. sowie der Gutachter A., B., D., A., V., H., S.). 1321 Vgl. Brief des Ministeriums an die Bezirksregierungen, 16. 11. 1967, BayHStA MK 62120. 1322 Ebd.

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Die Benennung von O. S. zeigt, dass diesem Kriterium nicht immer konsequent entsprochen wurde. S. war Autor des mehrbändigen Unterrichtswerkes »Bilder aus deutscher Geschichte«, für das auch in Bayern die Prüfung der Zulassung durch den Verlag M. Lurz beantragt wurde und zugleich wurde er vom Stadtschulamt München als geeignete Lehrkraft für Buchprüfungen benannt. Neben den pädagogischen Gutachtern prüften in Bayern zwei weitere Institutionen Geschichtsbücher : die beiden christlichen Kirchen sowie das Ostkundereferat des Ministeriums. Damit erweiterte sich der Kreis der Gutachter von zwei pädagogischen Gutachtern um zwei kirchliche und das Gutachten des Ostkundereferats.1323 Die Ministerien entlohnten die Gutachter für ihre Prüfungstätigkeit, was sie wiederum als Prüfgebühren für das Zulassungsverfahren von den Schulbuchverlagen einforderten. Ein Hinweis zur Höhe der Entlohnung für die Tätigkeit als Gutachter wird in einem Zulassungsverfahren durch die Angabe der benötigten Zeitstunden gegeben. Für das 16 Seiten umfassende Gutachten des Geschichtsbuches »Spiegel der Zeiten« betrug »mein Zeitaufwand für die Anfertigung […] 22 Arbeitsstunden«1324, wie der Gutachter dem Anschreiben an das Referat hinzufügte. Diesem Hinweis folgte das zuständige Referat III des Kultusministeriums nicht, sondern entlohnte beide Gutachter mit 200 bzw. 270 DM für Gutachten mit einer Länge von zehn bzw. 16 maschinengetippten Seiten. Für ein Gutachten von 15 Seiten erhielt ein Gutachter in einem anderen Verfahren 250 DM, ein anderer für 29 Seiten 300 DM.1325 Diese Unterschiede zeigen, dass es scheinbar kein einheitliches Vorgehen und auch keine Richtlinien für die Bemessung der Honorare gab. Außerdem verdeutlicht ein Beispiel, dass über die Höhe der gutachterlichen Entschädigungen Auseinandersetzungen geführt wurden: Das Institut für Zeitgeschichte beschwerte sich 1973 über die Entschädigung von 140 DM für ein 15 Seiten umfassendes Gutachten, für das der Gutachter K. eigenen Angaben zufolge 29 Stunden benötigt habe.1326 Dieser Betrag stehe »nicht in einem annähernden Verhältnis zu der aufgewandten Arbeit«1327, sodass man davon ausgehe, dass der Gutachter »selbstverständlich […] kaum mehr bereit sein«1328 werde, Gutachteraufträge zu übernehmen. Dies verschließe auch dem Institut die Möglichkeit, »weiterhin qualifizierte Mitar1323 Vgl. beispielsweise Akten zu den Zulassungsverfahren »Die Vergangenheit lebt, Band II«, 3. 8. 1966; »Bilder aus deutscher Geschichte, Band 2«, 12. 8. 1964; »50 Jahre Zeitgeschichte«, 4. 2. 1970 (alle BayHStA MK 64520) sowie »Wir erleben die Geschichte«, 26. 2. 1971, BayHStA MK 64521. 1324 Brief W.J. an das Ministerium, 12. 6. 1972, BayHStA MK 64261. 1325 Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 10. 3. 1971, BayHStA MK 64272. 1326 Vgl. Brief des Instituts für Zeitgeschichte, 12. 4. 1973, BayHStA MK 64268. 1327 Ebd. 1328 Ebd.

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beiter für solche Arbeiten zu gewinnen.«1329 Das Referat reagierte auf die Aufforderung, diese Angelegenheit nochmals zu überprüfen, mit einer Erhöhung der Zahlung auf 200 DM. Dabei werden die vorgelegten Gutachten zueinander in Relation gesetzt, da der Betrag von 200 DM für K. angesichts des 33 Seiten langen Gutachten von Gutachter S., das mit 300 DM entlohnt wurde, nicht überschritten werden sollte. Auch S. monierte die Höhe seines Gutachterhonorars, da sein »umfassendes, alle didaktischen und methodischen Aspekte aufgreifendes, in seiner Konzeption eigenständiges und bis in Detailformulierungen konstruktiv angelegtes Gutachten«1330 genauso entlohnt werde »wie ein 12 Seiten langes ›Zeilengutachten‹«1331. Das Verfahren zur Entlohnung der Gutachter werde »weder Qualitäten noch Quantitäten«1332 gerecht. S. befürchtete eine »Qualitätsminderung der Gutachtertätigkeit und damit auch der Schulbücher«1333 und forderte die Einführung eines gerechteren Honorierungssystems. Das Referat erklärte daraufhin, dass man mit »dem relativ hohen Honorar für das 12seitige Gutachten […] einen Ausgleich für das relativ niedrig bemessene Honorar für das 33seitige Gutachten des gleichen Gutachters«1334 schaffen wollte. Man habe den Gutachter diesbezüglich »bereits vor mehreren Monaten anläßlich eines Ferngesprächs in diesem Sinne informiert.«1335 Aus der Notiz geht ebenfalls hervor, dass 300 DM als »Höchstgrenze für ein Honorar«1336 angesehen wurden. Der Vorgang zeigt, dass die Höhe der Gutachterhonorare von der Anzahl der vorgelegten Seiten abhing und die Seitenzahl der Indikator für den Zeitaufwand war, den es zu entschädigen galt. Es wird außerdem deutlich, dass es bei der Festlegung der Honorare Möglichkeiten gab, diese in der Höhe anzupassen, wenn Gutachter diese beanstandeten. Eine einmalig beobachtete Variante des Verfahrens zur Beauftragung von Gutachtern war es, dass die beauftragten Gutachter selbst weitere mögliche Gutachter benannten. Das bayerische Staatsministerium hatte den Schulrat B. 1957 mit der Überprüfung des Buches »Die Reise in die Vergangenheit« beauftragt.1337 B. antwortete an das Referat 14: »Wie ich Dir gestern schon mitteilte, bin ich zur Zeit mit Lehrplanarbeiten und anderen Aufgaben so überlastet, daß ich keine Buchbesprechungen übernehmen kann.«1338 Als Ersatz habe er mit Regierungsrat G. gesprochen, »der bis vor kurzem noch als Rektor in Ober1329 1330 1331 1332 1333 1334 1335 1336 1337 1338

Ebd. Brief S., 1. 12. 1973, BayHStA MK 64268. Ebd. Ebd. Ebd. Aktennotiz des Referat III, 20. 3. 1973, BayHStA MK 64268. Ebd. Ebd. Vgl. Brief des Ministeriums, 15. 7. 1957, BayHStA MK 64519. Brief Barth, 16. 7. 1957, BayHStA MK 64519.

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hausen tätig war und für Geschichte und Volkskunde besonderes Interesse zeigt. Er wäre bereit, die Besprechung von ›Wege in die Vergangenheit‹ zu übernehmen«1339, so B.. Es wird nicht nur durch die Anrede und die informellen Formulierungen deutlich, dass zwischen dem Mitarbeiter des Referats und dem beauftragten Gutachter ein persönliches Verhältnis bestand. Schulrat B. nutzte diese Beziehung, um den Prozess zur Beauftragung von Gutachtern abzuwandeln und gibt seinen Auftrag an einen Gutachter weiter, den Barth und nicht das Referat des Ministeriums benannte. Damit wurde im informellen Miteinander zwischen Ministerium und Gutachter das formal geregelte Verfahren verändert: Die Empfehlung eines weiteren Gutachters sowie dessen Handlungen zeigen, wie Akteure im Zulassungsverfahren ihre Handlungsspielräume ausnutzten. Der zuständige Mitarbeiter des Referats zeigte sich mit diesem Verfahren einverstanden und notierte sein Einverständnis zur Benennung G.s handschriftlich auf dem Brief B.s.1340 Eine zweite Unterschrift unter dieser Notiz zeigt, dass nicht nur der bearbeitende Referent, sondern auch ein weiterer Mitarbeiter mit dieser Abweichung vom Standardprozedere einverstanden war.1341 3.5.2 Schulbuchprüfung durch Referenten in den Kultusministerien Neben der Begutachtung von Geschichtsbüchern durch die beauftragten Gutachter zeigt dieses Unterkapitel, dass auch die Mitarbeiter der Referate in den Ministerien Geschichtsbücher prüften. Die Akten geben Aufschluss über Zulassungsverfahren wie das des Buches »Geschichte der neuesten Zeit 1848–1950« von Theodor Traber. Im Referat wurde ein Gutachten erstellt, das mit der Feststellung begann, dass das Buch »vom unterfertigten Referat geprüft«1342 wurde, doch wurde dieses Verfahren nicht weiter begründet. Am Schluss des Gutachtens wurde auf die übrigen Bände des geschichtlichen Unterrichtswerkes des Verlags verwiesen und festgestellt, dass eine »ins Einzelne gehende Prüfung der übrigen Bände«1343 nicht stattgefunden habe, »da neben den bereits zugelassenen Geschichtswerken kein weiterer Bedarf mehr besteht.«1344 Das Geschichtsbuch von Traber wurde in Bayern also weder aus inhaltlichen und noch methodischen Gründen nicht zugelassen, sondern aus marktpolitischen, über die der Referent entschied. Zusammen mit der Ablehnung wurde beschlossen, dass auch die anderen Bände der Reihe keine Zulassung erhalten sollten. Dieser Entscheidung ging kein Prüfverfahren voraus, sondern lediglich die Feststel1339 1340 1341 1342 1343 1344

Ebd. Vgl. handschriftliche Notiz auf Brief B., 16. 7. 1957, BayHStA MK 64519. Vgl. Unterschrift vom 24. 7. 1957 auf Brief B.s, 16. 7. 1957, BayHStA MK 64519. Gutachten der Abteilung II, 9. 8. 1952, BayHStA 63820. Ebd. Ebd.

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lung, dass aufgrund der Anzahl der bereits zugelassenen Bücher kein weiterer Bedarf mehr bestand. Mit dieser Entscheidung mischte sich das Ministerium regulativ in den Schulbuchmarkt ein und legte Höchstgrenzen für die Anzahl zugelassener Schulbücher fest. Auch in einem weiteren Beispiel trat das Referat als entscheidender Akteur hervor. Am 22. 11. 1950 legte der Bayerische Schulbuchverlag dem Referat 15 des Ministeriums für Unterricht und Kultus Arbeitshefte aus der Reihe »Die Welt im Spiegel der Geschichte« zur Prüfung vor und bat um »Weiterleitung und Prüfung«1345. Zugleich teilte der Verlag mit, dass die »Prüfungsgebühr von 7 DM«1346 entrichtet worden sei. Innerhalb des Ministeriums wurde die Anfrage am 1.3. vom Referat 15 an das Referat 7a weitergeleitet, da dort geprüft werden solle, »ob die Herausgabe des Bändchens […] gewünscht wird.«1347 Das Referat 7a antwortete auf der Aktennotiz, dass eine Ankündigung im Amtsblatt genüge, da die Arbeitshefte nicht lernmittelfrei seien. Darauf reagierte am 7.3. erneut der Referent aus Referat 15, dass das Manuskript zurückgestellt werden müsse. Im Zulassungsverfahren dieses Geschichtsbuches wurde demnach kein gutachterliches Verfahren eingeleitet, sondern die Ablehnung von den Referaten des Ministeriums entschieden. Auch im Falle des sechsten Bandes »Der Neuzeit entgegen« der Reihe »Wege der Völker«, die im Berthold Schulz Verlag erschien, wurden 1951 keine Gutachter mit der Prüfung des Buches beauftragt. Der Referent Senninger aus dem Referat 4 urteilte, dass das Buch »trotz der Umarbeitung […] und Berichtigung beanstandeter inhaltlicher und darstellerischer Mängel«1348 aus zwei Gründen nicht zugelassen werden könne: Erstens stelle es »zu sehr eine Geschichte der einzelner europäischer Völker« dar, »in deren Reihe (aber nicht Mittelpunkt!) auch Deutschl. gelegentlich betrachtet wird«1349 und zweitens sei es »immer noch zu teuer […] für seine Form.«1350 Aufgrund dieser inhaltlichen und wirtschaftlichen Argumentation könne das Buch für Lehrerbüchereien, aber nicht für die Hand des Schülers empfohlen werden. Innerhalb des Ministeriums ist diese Begründung ausreichend, um dem Verlag die Ablehnung der Zulassung mitzuteilen. Man könne sie jedoch »uneingeschränkt unter ›Buchhinweise‹«1351 empfehlen. Das Geschichtsbuch »Deutsche Geschichte« aus dem Westermann Verlag wurde im Referat 14 ebenfalls ohne Hinzuziehung von Gutachtern geprüft und 1345 Brief des Bayerischen Schulbuchverlags an da Bayerische Staatsministerium für Unterrichts und Kultus, 22. 11. 1950, BayHStA MK 63818. 1346 Ebd. 1347 Aktennotiz 1. 3. 1950, BayHStA MK 63818. 1348 Aktennotiz 27. 3. 1951, BayHStA Mk 63818. 1349 Ebd. 1350 Ebd. 1351 Aktennotiz 28. 7. 1951, BayHStA MK 63818.

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seine lernmittelfreie Zulassung an Schulen abgelehnt. Auf einer halben maschinengetippten Seite beurteilt der Sachbearbeiter S. das Schulbuch. Es befasse sich nicht mit der bayerischen Geschichte und stelle Geschichte auch nicht »in Beziehung zur Heimatgeschichte«1352, wie es der Geschichtsunterricht der Volksschule jedoch solle.1353 Zudem thematisiere das Buch »in gleichmäßiger, fast eintöniger Darstellung den Geschichtsstoff in nahezu lückenloser Folge«1354, was für die Volksschule nicht notwendig sei, doch gleichzeitig umfasste die Darstellung des Buches nur einen Teil des vorgesehenen Stoffes und damit zu wenig für die bayerische Volksschule. Ein weiteres Argument S. war, dass »das andere Geschichtsbuch des Westermann-Verlages ›Der Mensch im Wandel der Zeiten‹ […] den Bedürfnissen eines Volksschulgeschichtsbuches wesentlich näher«1355 komme. Man habe bereits »mehrere bayerische Geschichtsbücher, denen diesem Buch gegenüber der Vorzug gegeben werden müßte«1356, schließt daher das Gutachten. Das Beispiel zeigt ebenfalls, dass das Kultusministerium durch seine Zulassungsentscheidungen oder eben die Verwehrung der Zulassung den Schulbuchmarkt mitgestaltete. Auch die mehrbändige Fassung des Geschichtsbuches »Deutsche Geschichte« wurde 1953 von Sachbearbeiter S. aus drei Gründen abgelehnt. Erstens habe man zwei Geschichtsbücher für die Volksschulen infolge »langwieriger Verhandlungen zwischen Verfasser, Verlag u. Ministerium«1357 zugelassen, die zudem »den Bedürfnissen aller 3 Schularten (katholischer Bekenntnisschule, evang. Bekenntnisschule und Gemeinschaftsschule«1358 entsprächen und die Belange »der heimatverbundenen bayerischen Volksschule«1359 erfüllten. Der zweite Grund sei der Preis für alle neun Einzelhefte von 18 DM, der weitaus teurer sei als der der bereits zugelassenen Bücher. Drittens überprüfe das Ministerium derzeit die Zulassung des Buches »Der Mensch im Wandel der Zeiten«, das ebenfalls im Westermann Verlag erschien und für das die Aussicht bestünde, in Bayern zugelassen zu werden. 1352 Aktennotiz 13. 10. 1952, BayHStA MK 64518. 1353 Die bedeutende Rolle der Heimatbezüge im Geschichtsunterricht kann in dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen werden (vgl. dazu ausführlich: Fenn, Monika: Zwischen Gesinnungs- und Sachbildung. Die Relevanz der Kategorie Heimat in Volksschulunterricht und Lehrerbildung in Bayern seit 1945. Idstein 2008). Die »Heimatorientierung« (Fenn, Monika: ›Demokratisierung und Heimatorientierung im Geschichtsunterricht der bayerischen Volksschule‹, in: Hasberg, Wolfgang/ Seidenfuß, Manfred: Modernisierung im Umbruch. Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht nach 1945. Berlin 2008, S. 130) hat in der Lehrbuchprüfung eine zentrale Rolle gespielt und gehört zu den Kriterien, die Geschichtsbücher zur Zulassung in Bayern erfüllen mussten. 1354 Aktennotiz 13. 10. 1952, BayHStA MK 64518. 1355 Ebd. 1356 Ebd. 1357 Aktennotiz 12. 9. 1953, BayHStA MK 64518. 1358 Ebd. 1359 Ebd.

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Am Beispiel des Arbeitsheftes, das begleitend zum Geschichtsbuch »Zeitgeschichte 1917–1970, Das Gesicht unserer Zeit« erscheinen sollte, können diese Mechanismen verdeutlicht werden. Das Referat V bat das Referat III auf einer internen Vorlage um »Gutachtervorschläge«1360, handschriftlich wurde »oder Entscheid.«1361 hinzugefügt. Im Referat III wurde das Arbeitsheft durch die Mitarbeiter und ohne Einbezug von Gutachtern geprüft und festgestellt, dass das Arbeitsheft »nicht als schulbuchzugehörig«1362 und auch nicht als »schulbuchersetzend im Sinne des Gesetzes zur Lernmittelfreiheit«1363 gelten könne, da es »Aufgaben und Funktion eines Schulbuches nicht voll erfüllen«1364 könne. Bei diesem Prüfverfahren entschieden Mitarbeiter des Referats über die Frage, ob die eingereichten Lehrmaterialien den Anforderungen an ein Schulbuch entsprachen. Auf welcher Grundlage diese Entscheidung getroffen wird, ob es sich um formale oder inhaltliche Kriterien handelte, geht aus den Akten zwar nicht explizit hervor. Bei den Akteuren schien allerdings ein Wissen darüber vorhanden zu sein, was sowohl formal als auch inhaltlich ein Schulbuch ausmachte und welche Elemente es aufweisen solle, um den Prüfungsprozess einzuleiten. Auch in Rheinland-Pfalz stellte das jeweils zuständige Referat des Kultusministeriums eine eigene Entscheidungsinstanz dar, wenn es um die Frage ging, ob für ein Geschichtsbuch überhaupt ein Zulassungsverfahren eröffnet werden sollte. Der Bayerische Schulbuchverlag reichte die Neuerscheinung des Geschichtsbuches »Geschichte des Altertums« zur Prüfung ein. Handschriftlich wurde auf dem Brief vermerkt, dass es in Rheinland-Pfalz sechs Klassen umfassende Realschulen gäbe, sodass »Lehrwerke für vierklassige Realschulen […] nicht zugelassen werden, da sie den Lehrplänen 6-klassiger Schulen nicht entsprechen.«1365 Ohne eine inhaltliche Prüfung der Bücher wurde ein Zulassungsverfahren aus formalen Gründen abgelehnt und der zuständige Referent entschied über dieses Vorgehen. Genauso wurden die Bände »Geschichte des Mittelalters« und »Geschichte der Neuzeit« behandelt, die der Bayerische Schulbuchverlag dem Ministerium vorlegte. »Da die Realschulen im Lande Rheinland-Pfalz einen sechsklassigen (5.–10. Schuljahr) Aufbau haben, nehmen wir von einer Begutachtung […] Abstand«1366, teilte das Ministerium dem Verlag mit und sandte die Prüfexemplare zurück. Aus diesem Grund lehnte das Referat 1974 auch die Prüfung des ersten Bandes »Von der frühen Zeit des Menschen bis 1360 1361 1362 1363 1364 1365

Interne Briefvorlage 29. 8. 1972, BayHStA MK 64521. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Handschriftliche Notiz auf Brief des Bayerischen Schulbuchverlags, 17. 11. 1959, LHA RP 910/15015. 1366 Briefentwurf des Ministeriums, 20. 10. 1960, LHA RP 910/15015.

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zum Beginn der Neuzeit« der Reihe »Geschichtliche Weltkunde« ab, der für den Geschichtsunterricht im fünften und sechsten Schuljahr geeignet sei.1367 Auf dem Anschreiben des Diesterweg Verlags notierte ein Mitarbeiter handschriftlich, dass der Verlag darauf hingewiesen wurde, »daß in Kl. 5 + 6 es keinen Geschichtsunterricht mehr gibt. Wünscht trotzdem Prüfung«1368. Auch für das Buch »Der Stufenbau der Weltgeschichte« aus dem Pädagogischen Verlag Berthold Schulz eröffnete das zuständige Referat im Kultusministerium 1951 kein Prüfungsverfahren. Die Assistentin des Referenten S. schlug vor, dass »wohl nur eine Empfehlung im Amtsblatt in Betracht / keine Zulassung als Lehrbuch«1369 infrage käme. Diesem Vorschlag stimmten zwei andere Akteure mit dem Vermerk »Ja!«1370 zu, darunter vermutlich auch der Referent als Vorgesetzter. In der Ankündigung für das Amtsblatt wurde das Buch als »eine Empfehlung an die Lehrkräfte«1371 veröffentlicht. Der Ursprung dieser Rubrik war das Ergebnis der Begutachtung des Geschichtsbuches »Hauptdaten der Weltgeschichte«, das für Schüler unverständlich sei, denn »Wichtiges und Nebensächliches wird nicht unterschieden«1372, so der Gutachter F.. Damit eigne sich das Buch nicht für den Geschichtsunterricht, sei jedoch »für den Geschichtslehrer ein sehr brauchbares Hilfsmittel«.1373 Handschriftlich wurde unter dem Gutachten vermerkt, »unter einer Sonderrubrik ›Bücher f. d. Lehrer‹ solche Werke kurz z. bespr. od. anzuzeigen«1374. In den dargestellten Fällen handelte es sich um kurze Überprüfungen der Bücher und Bewertungen auf der Grundlage formaler Kriterien. Ein Beispiel zeigte allerdings, dass ein Mitarbeiter des Kultusministeriums als dritter Gutachter neben zwei Lehrern beauftragt wurde. So wurde zur Prüfung des Geschichtsbuches »Um Volksstaat und Völkergemeinschaft« aus der Reihe »Kletts Geschichtliches Unterrichtswerk für die Mittelklassen« 1956 nicht nur die Lehrer P. und V., sondern auch »Studienrat Keller im Haus«1375 benannt und bei Vorlage des Gutachtens um Nennung der Bankverbindung zur Entlohnung gebeten. Die Entscheidung über Ablehnung oder Zulassung eines Geschichtsbuches wurde auch dann bereits gefällt, wenn noch nicht alle Gutachten vorlagen. Das Schulbuch »Europa und die Welt« sollten »bitte auch die früheren Gutachter prüfen«1376, wie handschriftlich auf dem Brief zur Vorlage der Bücher festge1367 1368 1369 1370 1371 1372 1373 1374 1375 1376

Vgl. Brief des Diesterweg Verlags, 4. 2. 1974, LHA RP 910/14871. Handschriftliche Notiz auf Brief des Diesterweg Verlags, 11. 4. 1974, LHA RP 910/14871. Handschriftliche Aktennotiz, 15. 6. 1951, LHA RP 910/1542. Ebd. Briefentwurf des Ministeriums, 26. 6. 1951, LHA RP 910/1542. Gutachten F., 28. 8. 1950, LHA RP 910/1471. Ebd. Handschriftliche Notiz auf Gutachten F., 4. 9. 1950, LHA RP 910/1471. Briefentwurf des Ministeriums 5. 12. 1956, S.2, LHA RP 910/1546. Brief des Schöningh Verlags, 23. 5. 1953, LHA RP 910/1544.

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halten wurde. Nachdem dem Verlag die Gutachten von G. und V. vorlagen, wurde in der Akte vermerkt »2 Gutachten günstig (1 steht noch aus) -zulassen«1377, woraufhin ein weiterer Akteur »Einverstanden«1378 vermerkte und dem Verlag die Zustimmung mitgeteilt wurde. Gemäß diesem Mehrheitsprinzip wurde auch in Fällen entschieden, in denen dem Ministerium zwei positive und ein ablehnendes Gutachten vorlagen. Unter dem Gutachten von Studienrätin B. zum Geschichtsbuch »Der Mensch im Wandel der Zeiten« wurde der Stand des Verfahrens notiert: »mit 3 Gutachten vorgelegt: a) ist negativ, b+c) sind positiv) Kann das Werk zugelassen werden? Zu Niedersachsen ist es genehmigt /am 6.8.52«1379 Nach der Zustimmung des Referenten wurde dem Verlag auf schriftlichem Wege der Bescheid mitgeteilt.1380 Neben der Prüfung der Geschichtsbücher bewerteten die Referenten auch die eingeholten Gutachten, wie beispielsweise der Mitarbeiter des Referats die ablehnende Beurteilung des Gutachters L. am Rand handschriftlich kommentierte und unter dem Gutachten resümierte, dass das Buch »trotz des wenig zustimmenden Urteils m. E. für Gemeinschaftskunde sehr brauchbar«1381 sei. Ausführlicher wurde die Zustimmung des Mitarbeiters zu dem Geschichtsbuch in einer Aktennotiz geäußert. Das Buch sei »für den Lehrer«1382 sehr brauchbar und bringe »knappe Übersichten, Entwicklungsläufe, sog. Querschnitte«1383. Es wäre »im zusammenfassenden Geschichtsunterricht«1384 und in Gemeinschaftskunde zu verwenden. Von den zwei angeforderten Gutachten lag bis zum März 1954 nur das von L. vor, sodass der Referent die Entscheidung traf, dass auf das zweite Gutachten nicht länger gewartet werden könne, »da dem Verlag nicht zugemutet werden kann, länger auf eine Entscheidung zu warten.«1385 In die Mitteilung an den Verlag wurden neben dem Gutachten auch die Monita des Ministeriums einbezogen und die Entscheidung getroffen, dass das Buch zugelassen werden könne, wenn bei einer Neuauflage »unsere Wünsche berücksichtigt«1386 würden. Die Kürze und die oberflächliche Betrachtung eines Schulbuches in einem Gutachten wurden in einem anderen Fall vom Ministerium kritisiert. Gutachter H. prüfte 1952 auf einer halben Seite das Schulbuch »Geschichte des Altertums« und kam zu dem Schluss, dass das Buch sehr geeignet sei, während der zweite 1377 Aktennotiz auf Brief des staatlichen Gymnasiums Betzdorf / Sieg, 30. 6. 1953, LHA RP 910/ 1544. 1378 Ebd., Aktennotiz 1. 7. 1953. 1379 Handschriftliche Notiz auf Gutachten B., 27. 9. 1952, LHA RP 910/1543. 1380 Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 7. 10. 1952, LHA RP 910/ 1543. 1381 Handschriftliche Notiz auf Gutachten L., S. 2, LHA RP 910/15015. 1382 Aktennotiz 23. 2. 1953, LHA RP 910/15015. 1383 Ebd. 1384 Ebd. 1385 Briefentwurf des Ministeriums, 11. 3. 1954, LHA RP 910/15015. 1386 Ebd.

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Gutachter in diesem Verfahren die Zulassung des Buches ablehnte.1387 Ein Aktenvermerk lässt Rückschlüsse zu, wie das kurze Gutachten innerhalb des Ministeriums bewertet wurde. Die Mitarbeiterin B. aus dem Referat 19 schrieb an das Referat 21, dass das Gutachten von H. »in keiner Weise den Anforderungen gerecht werde, die an ein derartiges Gutachten zu stellen sind. Man hat den Eindruck, daß ihm kaum mehr als ein flüchtiges Lesen der vorgelegten Arbeit zugrunde liegt«1388. Sie selbst habe das Buch durchgearbeitet und komme zu dem Schluss, dass es »eine brauchbare Unterlage für ein Lehrbuch an Mittelschulen«1389 sei, obwohl es »noch einmal einer sorgfältigen Überarbeitung«1390 bedürfe. Zu diesem Schluss kam neben der Mitarbeiterin B. auch das andere Gutachten. Sie schlug vor, dem Verlag mitzuteilen, dass eine Überarbeitung des Manuskripts erforderlich sei, »sodaß die lernmittelfreie Genehmigung noch nicht in Aussicht gestellt werden kann.«1391 Zugleich solle ein weiteres Gutachten angefordert werden. Die Beauftragung eines zweiten Gutachters, um auf der Grundlage eines zweiten aussagekräftigen Gutachtens die Entscheidung über die Zulassung fällen zu können, erscheint nachvollziehbar. Ungewöhnlich ist jedoch, den Verlag im Lauf des Prüfverfahrens zu kontaktieren und als Zwischeninformation bekannt zu geben, dass das Buch überarbeitet werden müsse. Üblich war es, solche Informationen erst nach Vorlage aller Gutachten zu kommunizieren und die Monita als Grundlage der Überarbeitung an den Verlag weiterzugeben. Dass die Mitarbeiterin noch vor der Entscheidung über die Zulassung den Kontakt zum Verlag sucht, ist außergewöhnlich und kann als indirekte Zusicherung der Zulassung verstanden werden. Mit dieser Information folgt B. der Empfehlung des ersten Gutachtens und ihrem eigenen Eindruck, die das Buch beide als brauchbar einstuften. Damit war die Entscheidung über die Zulassung des Geschichtsbuches bereits gefällt worden und zwar auf der Grundlage des Urteils der Mitarbeiterin des Ministeriums. Das zweite Gutachten, das in den Akten nicht aufzufinden war, hatte demnach keinen Einfluss auf die Entscheidung im Prüfverfahren, sondern diente der verfahrenstechnischen Korrektheit. Die Qualität und den Wert der eingeholten Gutachten beurteilte das Referat auch im nachfolgenden Beispiel. Im Falle der Neubearbeitung des bereits zugelassenen Buches »Geschichtliches Unterrichtswerk« des Blutenberg Verlags leitete das bayerische Ministerium für Unterricht und Kultus ein Prüfverfahren ein. Mit dem Vermerk »Eilt« beauftragte das Referat am 22. 6. 1959 zwei Gut-

1387 Vgl. Gutachten H., 15. 9. 1952 und Gutachten des Direktorats der staatlichen RealschuleLandau-Isar (ohne Unterschrift), 29. 4. 1952, BayHStA MK 63820. 1388 Aktennotiz B. an das Referat 21, 1. 12. 1952, BayHStA MK 63820. 1389 Ebd. 1390 Ebd. 1391 Ebd.

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achter und legte als Frist zur Vorlage der Gutachten den 1.8. fest.1392 Dem Referat wurden zwei Gutachten sehr unterschiedlicher Länge vorgelegt: Während sich der Gutachter D. auf 1 14 Seiten mit dem Buch beschäftigt, arbeitete Gutachter K. auf 11 12 Seiten seine Monita aus. Dieser Unterschied wirkt sich auch auf die Bedeutung der Gutachten für den Zulassungsprozess aus, denn der Mitarbeiter des Referats notierte in der Akte, dass das kürzere Gutachten »weniger zu berücksichtigen«1393 sei. Durch die Referenten wurden auch Anmerkungen in den Gutachten vorgenommen, womit sie gewichteten, welche Kritikpunkte an den Verlag weitergegeben werden sollen. In seinem Gutachten zu den beiden Bänden des Geschichtsbuchs monierte der Gutachter H., dass er die »pfälzische Perspektive«1394, den Bezug zur Heimatgeschichte vermisse. Dieses Urteil wurde vom Referenten markiert und »Darum geht es hier nicht«1395 notiert. H.s Kritik spielte damit auch in der Mitteilung der Überarbeitungsauflagen an den Verlag keine Rolle mehr. Auch im zuständigen bayerischen Referat wurden die Gutachten kommentiert und damit selektiert, welche Kritikpunkte zu Auflagen wurden, die der Verlag in der Überarbeitung des Buches zu beachten hatte. Der Gutachter M. urteilte, dass zu überlegen sei, ob man Quellen in »im vollen Wortlaut oder nur in Auszügen bieten soll.«1396 Handschriftlich wurde neben dieser Formulierung »wichtig! für« vermerkt. In einem anderen Gutachten wurden einige Monita des Gutachters M. mit zwei vertikalen Strichen markiert.1397 Dass es sich bei diesen Anstreichungen um verbindliche Vorgaben zur Zulassung handelt, wird dem Verlag zusammen mit der Übersendung der Manuskripte und der Gutachten mitgeteilt: »Die Anregungen des Gutachters wollen berücksichtigt werden, vor allem hinsichtlich der vorgeschlagenen Kürzungen.«1398 Auch die handschriftlichen Markierungen in einem anderen Gutachten machen den Entscheidungsprozess im Kultusministerium sichtbar. Durch vertikale Anstreichungen in der Zusammenfassung der Bewertung des Buches zeigt der Mitarbeiter, dass er sich den Forderungen des Gutachters anschließt, sodass die entsprechende Überarbeitung unter Beachtung der Verbesserungsvorschläge zur Bedingung der Zulassung wird.

1392 1393 1394 1395 1396 1397 1398

Brief des Blutenberg Verlags, 18. 6. 1959, BayHStA MK 63836. Handschriftliche Notiz auf Gutachten K., 10. 9. 1959, MK 63836. Gutachten H., 4. 10. 1963, S. 2, LHA RP 910/14870. Ebd. Gutachten Dr. M., 1. 3. 1950, S. 2. Vgl. Gutachten Dr. M., 10. 4. 1950. Brief des Ministeriums an den Bayerischen Schulbuch-Verlag, 11. 4. 1950.

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3.5.3 Der zeitliche Rahmen der Schulbuchprüfung Der dritte Aspekt beschreibt die zeitliche Ausdehnung des Zulassungsverfahrens. Während die Verlage an zügig durchgeführten Verfahren interessiert waren, spielte die Dauer eines Zulassungsverfahrens für die Ministerien nur eine untergeordnete Rolle. Vorgaben für die Gutachter, dass die Prüfung eines Buches eile oder Nachfragen, wann mit dem Gutachten zu rechnen sei, wurden in den Quellen erst auf Nachfragen des Verlags hin ersichtlich. Es war daher stark von den Gutachtern abhängig, wie schnell ein Zulassungsverfahren abgeschlossen werden konnte. Einen einheitlicher Zeitrahmen oder ministerielle Vorgaben hinsichtlich der Dauer des Verfahrens gab es in den 1950er-Jahren nicht. Die nachfolgenden Beispiele demonstrieren dies anschaulich. Am 5. 9. 1950 legte der Diesterweg Verlag den zweiten, dritten und vierten Band der Reihe »Grundzüge der Geschichte« vor und bat das rheinland-pfälzische Ministerium um die Prüfung der Zulassung.1399 Handschriftlich wurde auf dem Brief »An Dr. F. zur Begutachtung«1400 vermerkt, woraufhin dem Gutachter mit der Bitte um »baldige Erledigung«1401 der Begutachtung die Prüfexemplare zugesandt wurden. F. antwortete am 21. 11. 1950 auf das Schreiben mit der Bitte, die Frist zur Vorlage der Gutachten »auf die Weihnachtsferien verschieben zu dürfen.«1402 Ausführlich erläuterte er seine zeitliche Belastung durch Unterricht, Teilnahme an Geschichtslehrertagungen und die Begutachtung »verschiedener Bücher«1403. Er betonte dabei, dass er nicht aufgrund »mangelnden Diensteifers«1404 um einen Aufschub bat, sondern aufgrund seiner zahlreichen Verpflichtungen. F.’ Ausführungen zu seinen verschiedenen Tätigkeiten lag eine Bestätigung des Direktors der Dienststelle bei, der bestätigt, dass Dr. F. durch Korrekturen und die Neuordnung der Bibliothek derzeit mit Arbeit überhäuft sei. An den Rand des Briefes des Gutachters wurde handschriftlich »ja!«1405 vermerkt und darunter die Information, »dass Dr. F. in Zukunft weniger durch Begutachtungen belastet«1406 werden sollte. Der Aufschub der Frist zur Vorlage der Gutachten wurde seitens des Ministeriums schriftlich bestätigt.1407 Am 2. 1. 1951 beauftragte das Ministerium den Direktor des städtischen Görres-Gymnasiums mit der Begutachtung

1399 1400 1401 1402 1403 1404 1405 1406 1407

Vgl. Brief des Diesterweg Verlags, 5. 9. 1950, LHA RP 910/1542. Handschriftliche Notiz, 11. 9. 1950, LHA RP 910/1542. Ebd. Brief F., 21. 11. 1950, LHA RP 910/1542. Ebd. Bereits im August 1950 hatte F. ein Gutachten für das Ministerium erstellt (vgl. Gutachten F., 28. 8. 1950, LHA RP 910/1471). Ebd. Handschriftliche Notiz auf Brief F., 27. 11. 1950, LHA RP 910/1542. Ebd. Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 28. 11. 1950, LHA RP 910/1542.

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der drei Bände der Reihe »Grundzüge« der Geschichte1408 und am 30. 1. 1951 den Studienrat Dr. T. der Frauenlobschule in Mainz.1409 F. legte sein Gutachten am 14. 1. 1951 vor und damit gleichzeitig »einen Brief an den Diesterweg Verlag […], in dem ich die zu bemängelnden Einzelheiten zusammengestellt habe.«1410 Am 12.3. sowie am 8.5. trafen die beiden anderen angeforderten Gutachten ein, sodass der Verlag am 21. 5. 1951 über die Zulassung des Buches und »entsprechende Bekanntgabe im Amtsblatt des Ministeriums«1411 informiert wurde. Schneller gestaltete sich das Zulassungsverfahren der Bände 5, 6 und 7 der Reihe »Grundzüge der Geschichte«. Der Diesterweg Verlag legte dem rheinlandpfälzischen Kultusministerium am 20. 9. 1951 die Bände vor1412 und erhielt bereits am 22. 2. 1952 die Bewilligung der Zulassung.1413 Ausschlaggebend für die Dauer des Verfahrens war die Zeit, die die Gutachter zur Erstellung der Gutachten benötigten. Während sich das Verfahren für die Bände 2, 3 und 4 über einen längeren Zeitraum erstreckte, da einer der Gutachter für seine Beurteilung rund vier Monate benötigte, konnten die Bände 5, 6 und 7 bereits in kürzerer Zeit überprüft werden, da die Gutachter nach Beauftragung am 21. 12. 1951 ihre Gutachten am 24.1.1414 und am 9.2.1415 vorlegten. Zur zügigen Genehmigung des Buches zum Unterrichtsgebrauch trug auch bei, dass nach Vorlage von zweien der drei angeforderten Gutachten in einer Aktennotiz vermerkt wurde »2 (+) Gutachten liegen vor. Zulassung?«1416. Ein weiterer Mitarbeiter empfahl aufgrund der vorliegenden Gutachten »schon jetzt«1417 die Zulassung und der Referent M. entschied unter dieser Notiz am 21.2. »Zulassen!«1418, sodass der Verlag einen Tag später informiert werden konnte. In einem weiteren Prüfungsverfahren, in dem der Gutachter F. beauftragt worden war, dauerte die Prüfung des Geschichtsbuches aufgrund seiner Arbeitsbelastung ebenfalls länger an. Am 10. 8. 1956 legte der Schöningh Verlag dem Ministerium das Geschichtsbuch »Die neueste Zeit vom Ursprung der USA bis heute vor« und bat um Prüfung der Zulassung, woraufhin am 20. 8. 1956 die Gutachter F. und F. beauftragt wurden.1419 Bereits vier Tage später legte Studienrat F. sein Gutachten vor, während F. am 17.9. an sein Gutachten erinnert 1408 1409 1410 1411 1412 1413 1414 1415 1416 1417 1418 1419

Briefentwurf, 2. 1. 1951, LHA RP 910/1542. Vgl. Briefentwurf, 30. 1. 1951, LHA RP 910/1542. Brief F., 14. 1. 1951, LHA RP 910/1542. Briefentwurf des Ministeriums, 21. 5. 1951, LHA RP 910/1542. Vgl. Brief des Diesterweg Verlags, 20. 9. 1951, LHA RP 910/1542. Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 22. 2. 1952, LHA RP 910/1542. Vgl. Brief A., 24. 1. 1952, LHA RP 910/1542. Vgl. Brief B., 9. 2. 1952, LHA RP 910/1542. Aktennotiz 20. 2. 1952, LHA RP 910/1542. Ebd. Ebd. Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 20. 8. 1956, S. 2, LHA RP 910/1546.

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wurde.1420 Er reagierte darauf mit der Bitte um eine Fristverlängerung bis nach den Weihnachtsferien, »da ich wegen des Neubau der Frauenlob-Schule und anderer Dienstgeschäfte sehr beansprucht bin.«1421 Handschriftlich wurde unter dem Brief der Anfrage mit »Ja!«1422 zugestimmt und veranlasst, dem Verlag Bescheid zu geben, dass »die Begutachtung sich durch starke dienstliche Inanspruchnahme des Gutachters leider verzögert und mit einem Bescheid erst gegen Ende ds. Jrs. gerechnet werden kann.«1423 Der Verlag werde gebeten, sich zu gedulden. Gutachter F. wurde am 18. 12. 1956 erneut an das Gutachten erinnert, das er dem Ministerium am 7. 1. 1957 vorlegte. Aus der Akte geht nicht hervor, warum dem Verlag erst weitere drei Monate später, am 16. 4. 1957, die Zulassung des Buches mitgeteilt wurde.1424 In den 1960er-Jahren versuchte das Ministerium, die Dauer des Zulassungsverfahrens durch zeitliche Vorgaben zu steuern. Den Bezirksregierungen wurde bei dem Auftrag für ein Gutachten zu einem Schulbuch mitgeteilt, »durch einen geeigneten Lehrer innerhalb der nächsten 2 Monate begutachten zu lassen, ob es für den Unterrichtsgebrauch an Volksschulen genehmigt werden kann.«1425 Lag kein Gutachten nach Ablauf dieser Frist vor, wurden die säumigen Bezirksregierungen schriftlich erinnert.1426 Dabei schien das zuständige Referat die Fristen großzügig einzuräumen, wenn man den zeitlichen Verlauf des Zulassungsverfahrens der drei Bände des Geschichtsbuches »Unser Weg durch die Geschichte« betrachtet. Am 30. 8. 1961 legte der Verlag die Bücher dem Ministerium zur Prüfung vor, das am 27. 9. 1961 die Bezirksregierungen beauftragte und Ende Januar 1962 ein Gutachten anmahnte. Die interne Wiedervorlage wurde auf dem 18. 4. 1962 datiert. Zu diesem Zeitpunkt lag noch kein Gutachten der Bezirksregierung Trier vor, sodass die Frist auf den 15. 5. 1962 verlängert wurde. Sieben Monate nach Beauftragung des Gutachtens ging es am 30.4. im Ministerium ein.1427 Der Hirschgraben Verlag erkundigte sich am 16.5. nach dem Stand des Verfahrens, denn man erhalte »in der Woche einige Male Anfragen von Schulen aus Rheinland-Pfalz, die nach der Genehmigungsnummer sich erkundigen.«1428 Außerdem wolle man »Ihnen bekanntgeben, daß das Geschichtsbuch uneingeschränkt in folgenden Ländern genehmigt ist«1429, woraufhin eine Auf1420 1421 1422 1423 1424 1425 1426 1427

Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 17. 9. 1956, LHA RP 910/1546. Brief F., 22. 9. 1956, LHA RP 910/1546. Handschriftliche Notiz auf Brief F., 27. 9. 1956, LHA RP 910/1546. Briefentwurf des Ministeriums, 27. 9. 1956, LHA RP 910/1546. Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 16. 4. 1957, LHA RP 910/1546. Briefentwurf des Ministeriums, 25. 09. 1961; LHA RP 910/14869. Vgl. Briefentwurf des Ministeriums, 30. 1. 1962; LHA RP 910/14869. Vgl. Handschriftliche Notizen auf Briefvorlage des Ministeriums, 30. 1. 1962, LHA RP 910/ 14869. 1428 Brief des Hirschgraben Verlags, 16. 5. 1962, LHA RP 910/14869. 1429 Ebd.

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listung aller westdeutschen Bundesländer folgt, in der nur Rheinland-Pfalz fehlte. Der Brief schloss mit der Bitte um »einen baldigen Bescheid«1430. Eine Woche nach Eingang des Briefes des Schulbuchverlages und rund acht Monate nach Eröffnung des Zulassungsverfahrens wurde der Bescheid über die Zulassung verschickt. Dass ein Schulbuchverlag Erinnerungen an ausstehende Gutachten initiierte und damit für den Fortgang des Zulassungsverfahrens sorgte, zeigt das Beispiel der Prüfung des Buches »Mensch und Gemeinschaft in Geschichte und Gegenwart«, das der Hirschgraben Verlag am 21. 5. 1964 zur Prüfung vorlegte, woraufhin die Bezirksregierungen der Pfalz, in Montabaur und in Trier »baldmöglichst«1431 um die Vorlage je eines Gutachtens gebeten wurden. Zwei Gutachten wurden am 30.7. und 3.8. eingereicht und das zuständige Referat wartete weiter auf den Eingang des noch ausstehenden. Erst die schriftliche Erinnerung des Verlags mit der Bitte, »uns möglichst bald Ihren Beschluss mitzuteilen«1432, brachte Bewegung in das Verfahren. Handschriftlich wurde auf dem Brief des Hirschgraben Verlags »bitte Montabaur sofort erinnern«1433 vermerkt, woraufhin die Bezirksregierung Montabaur vier Wochen später, am 6. 11. 1964, das Gutachten vorlegte.1434 Am 22. 3. 1965 wurde der Verlag über die Zulassung in Rheinland-Pfalz und die entsprechende Ankündigung im Amtsblatt informiert. Die Akte gibt keinen Aufschluss über den Grund des Zeitraums von vier Monaten, der zwischen Eingang des Gutachtens und dem Bescheid an den Verlag lag. Die wirtschaftliche Bedeutung der Dauer des Zulassungsverfahrens wurde von den Schulbuchverlagen betont. So hob der Schöningh Verlag hervor, die Prüfung des im November 1968 vorgelegten Geschichtsbuches zu beschleunigen, denn »wir müssen diesen Band unbedingt zum Schulbeginn im Herbst 1969 fertig vorlegen können«.1435 Wirtschaftliche Argumente führte 1963 auch der Kösel Verlag an und bat in seinem Anschreiben um »eine rasche Prüfung«1436. Man wollte das Prüfverfahren seitens des Verlages beschleunigen und weitere Prüfexemplare vorlegen. Der Grund für diese Bemühungen war, dass der Verlag »bis zum Beginn des Schuljahres«1437 das Buch vorlegen wolle. Dieser ökonomische Grund wurde im Verlauf des Prüfgangs kaum mehr berücksichtigt: Da sich die beiden Gutachten widersprachen, wurde ein drittes in Auftrag gegeben, 1430 1431 1432 1433 1434 1435 1436 1437

Ebd. Briefentwurf des Ministeriums, 26. 6. 1964, LHA RP 910/14870. Brief des Hirschgraben Verlags, 6,10,1964; LHA RP 910/ 14870. Handschriftliche Notiz auf Brief des Hirschgraben Verlags, 12.10, LHA RP 910/14870. Vgl. Brief der Bezirksregierung Montabaur, 6. 11. 1964, LHA RP 910/14870. Brief des Schöningh Verlags, 25. 11. 1968, BayHStA MK 64265. Brief des Kösel Verlags, 14. 3. 1963, BayHstA MK 64272. Ebd.

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das Anfang Juli 1963 dem Referat vorlag. Am 2. 8. 1963 teilte das Referat dem Kösel Verlag die Entscheidung mit, dass das Buch zugelassen werden könne. Unklar bleibt, ob das Geschichtsbuch für das beginnende Schuljahr noch auf dem Markt präsentiert werden konnte. Deutlich wurde hingegen, dass die Verlage ihre wirtschaftlichen Interessen im Verlauf des ministeriellen Zulassungsverfahrens artikulierten und die Referate aus ökomischen Gründen zu zügigen Verfahren aufforderten. Jene reagierten auf unterschiedliche Weise darauf, sodass sich neben sehr schnellen Verfahren auch zeitlich sehr ausgedehnte Zeiträume für die Gutachtertätigkeit in den Akten zeigten.

3.6

Reagieren und Verhandeln – die Suche nach dem Kompromiss

Auf die Kommunikation zwischen den Ministerien und den Schulbuchverlagen soll in der Beschreibung des Zulassungsverfahrens ebenfalls eingegangen werden. Die Mitarbeiter der Referate agierten in einem Spannungsfeld zwischen den politischen und pädagogischen Anforderungen an das Geschichtsbuch einerseits und den wirtschaftlichen Interessen der Verlage andererseits. Die Autoren und Herausgeber beschrieben die Zusammenarbeit mit den Referenten als Suchen und Finden eines Kompromisses, für den sich beide Parteien aufeinander zu bewegten. Diese Bewegung war notwendig, nachdem Gutachter ihre Überprüfung des Geschichtsbuches vorlegten und eine Zulassung ablehnten. Das Referat im Kultusministerium fasste die Gutachten in einer Stellungnahme zusammen, die dem Verlag zugeschickt wurde. Dabei selektierte man die Kritikpunkte der Gutachter, denn die Analyse der Bearbeitung und Kommentierung der Gutachten im Ministerium zeigte, dass die Referenten nicht in allen Fällen die Kritik der Gutachter unterstützten. Die zuständigen Referenten waren demnach wichtige Akteure im Zulassungsverfahren, da die Entscheidung über Zulassung oder Ablehnung zwar auf den eingeholten Gutachten basierte, diese jedoch rechtlich nicht bindend waren. Das Referat war die kommunikative Schnittstelle zwischen den Gutachtern und den Schulbuchverlagen und zugleich die zentrale Entscheidungsinstanz im Zulassungsverfahren. Es filterte die Gutachten und leitete diese anonym an den jeweiligen Verlag weiter. Wenn auch nicht um die Zukunftsnarrationen, so wurden um andere Bestandteile der Autorentexte und die Kritik der Gutachter daran Auseinandersetzungen geführt, um zwischen den Interessen der Akteure zu vermitteln. Die Suche nach einem Kompromiss zwischen den Kritikpunkten der Gutachter, der Konzeption und Darstellung der Erzählung im Geschichtsbuch und den wirtschaftlichen Interessen der Gutachter zeigt sich bereits in den Quellen der 1960er-Jahre und setzte sich bis in die 1980er-Jahre fort, wie die Akteure in den Interviews berichteten.

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Die Akten belegen zwei Fälle aus dem Jahr 1954, als das rheinland-pfälzische Ministerium zum direkten Kontakt zwischen den Akteuren aufforderte. Nach Vorlage des Gutachtens zum Geschichtsbuch »Geschichte der Neuesten Zeit« informierte man den Gutachter V., dass man seine wertvollen Anregungen an den Verlag weitergeben wolle und erkundigte sich, »ob Sie es vorziehen, sich in dieser Angelegenheit unmittelbar mit dem Verlag in Verbindung zu setzen, oder ob Sie damit einverstanden sind, daß wir diese Anregungen – wie sonst üblich, anonym zur Stellungnahme unterbreiten.«1438 Aus welchem Grund das Ministerium den unmittelbaren Kontakt zwischen dem Gutachter und dem Verlag vorschlug, kann nicht nachvollzogen werden. Gutachter V. war grundsätzlich mit der Weitergabe seiner Korrekturen und auch mit der Aufhebung der Anonymität einverstanden, wenn sie als »Sichdrückenwollen vor der Verantwortung gesehen werden könnte.«1439 In diesem Fall würde er sich auch selbst mit dem Verleger in Verbindung setzen.1440 Ein weiteres Beispiel zeigt, dass das Ministerium zwischen den Schulbuchverlagen und den Gutachtern Kontakt herstellte. Im Falle des Geschichtsbuches »Aus deutscher Vergangenheit«, das 1954 im Verlag Ludwig Auer erschien, monierte der Gutachter, der von der Landeslehrervertretung Rheinland-Pfalz benannt worden war, dass die »geschichtlichen Ereignisse in Rheinland-Pfalz mehr berücksichtigt werden«1441 müssten, um das Buch im Geschichtsunterricht zu verwenden. Diese Auflage zur Überarbeitung gab das Ministerium an den Verlag weiter und stellte »anheim, sich betreffs einer Überarbeitung in dem angedachten Sinne an die Landeslehrervertretung […] zu wenden«1442, da der Vorsitzende entsprechend informiert worden sei. Bis auf diese Ausnahmen wurden die Gutachten den Verlagen anonymisiert zugeschickt, denn die Gutachter wurden von den Ministerien gebeten, ein unterschriebenes und ein nicht unterschriebenes Gutachten vorzulegen. Letztere wurden den Verlagen zusammen mit der Entscheidung, ob das Buch zugelassen, abgelehnt oder nach einer Korrektur erneut vorgelegt werden sollte, zugesandt. Für den gesamten Untersuchungszeitraum zeigte sich, dass die Verlage im Falle einer Ablehnung der Zulassung auf verschiedene Weisen auf die Gutachten reagierten: Manche ließen von Autoren oder Herausgebern Stellungnahmen anfertigen, andere holten Gegengutachten ein und wieder andere suchten das persönliche Gespräch mit den Referenten oder den Gutachtern. Die Zulassung der vier Bände der Reihe »Geschichtliches Werden« zeigt, wie gegen die Entscheidung des Kultusministeriums vom Herausgeber des Geschichtsbuches Protest eingelegt wurde. Nach Zusendung der eingeholten Gutachten und der 1438 1439 1440 1441 1442

Briefentwurf des Ministeriums, 4. 11. 1954, LHA RP 910/1545. Brief V., 30. 11. 1954, LHA RP 910/1545. Vgl. ebd. Anonymes Gutachten, undatiert, LHA RP 910/4602. Briefentwurf des Ministeriums, 20. 3. 1954, LHA RP 910/ 4602.

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Auflage, die Korrekturen der Gutachter einzuarbeiten, um eine Zulassung zu erzielen, antwortete J.H. auf die Monita. In seiner Stellungnahme attestierte er einem Gutachten »völlig unsachliche Beanstandungen und persönliche Verdächtigungen«1443. Auf die Kritik an den Geschichtsbüchern reagierte der Herausgeber H. mit einer Art Gegengutachten von Prof. F. S., der dem ministeriellen beauftragen Gutachter des Instituts für Zeitgeschichte absprach, »von oben herab in die Schule hineinschwätzen«1444 zu dürfen. S. bemerkte außerdem, dass der Autor des Gutachtens »keinen Begriff von der Würde der Wissenschaft und der pädagogischen Arbeit«1445 habe. Auf die Zulassung nahm S.s fachliche Stellungnahme keinen Einfluss, da das Buch erst nach Überarbeitungen in Bayern zugelassen wurde. Es zeigt allerdings deutlich, dass die verlagsseitigen Akteure bereits in den 1950er-Jahren die besondere pädagogische Aufbereitung hervorhoben und als Argument verwendeten. Der Johannes Borgmeyer Verlag legte dem Mainzer Kultusministerium 1952 nach der Ablehnung der Zulassung eine Stellungnahme des Schulbuchautors T. zum Schulbuch »Geschichte der neuesten Zeit« vor. Darin ging der Autor auf die Monita der ministeriellen Gutachten ein und setzte sich mit den Forderungen auseinander. Während »die Beanstandungen der äusseren Form […] bei der nächsten Auflage leicht zu beheben«1446 seien, könne der Vorwurf des Gutachters, dass sich der Autorentext »›im wesentlichen in einer Aneinanderreihung von z. T. überflüssigen Fakten‹ ›erschöpfe‹ (Gutachten 1)«1447 vom Autor nicht nachvollzogen werden. Das Gutachten ergehe sich »allzusehr in Allgemeinheiten«1448, so T. und führte die intendierte Gliederung seines Textes und die damit verbundene didaktische Wirkung aus. Außerdem zitierte T. Gutachten des niedersächsischen und badischen Kultusministeriums, die das Buch lobten und die Zulassung empfahlen. Er habe den Eindruck, »dass die Begutachter von Rheinland / Pfalz den Wert des Buches zu sehr nach dem Umfang – beim Vergleich mit dem Klettbuch – und weniger nach dem Inhalt bemassen.«1449 Der Autor sei »gerne bereit, Mängel abzustellen«1450 betonte T. zum Schluss seiner Stellungnahme erneut. Das Referat entschied nicht, wie nun weiter vorgegangen werde, sondern legte den Gutachtern F. und G. die Gegendarstellung des Autors vor und bat »um Überprüfung und um Stellungnahme«1451. In diesem Fall 1443 1444 1445 1446 1447 1448 1449 1450 1451

Brief H., 15. 5. 1959, BayHStA MK 64256. Gutachten S., 8. 4. 1959, BayHStA MK 64256. Ebd. Stellungnahme Borgmeyer Verlag, 23. 9. 1952, S.1, LHA RP 910/1543. Ebd. Ebd. Ebd., S. 2. Ebd. Briefentwurf des Ministeriums, 17. 10. 1952, LHA RP 910/1543.

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kontaktierte das Ministerium die Gutachter direkt, deren Adressen ihm durch die Bezirksregierungen bei der ersten Vorlage der Gutachten mitgeteilt worden waren. Der Gutachter F. attestierte dem Buch nun, dass es »im Unterricht mit Erfolg verwendet werden«1452 könne und setzte sich ausführlich mit T.s Anmerkungen auseinander. Er gelangte zu dem Standpunkt, dass eine eingehende Lektüre von in Rheinland-Pfalz zugelassenen Geschichtsbüchern […] Traber »die Mängel seines Buches besser erkennen lassen [könne] als ein ausführliches Gutachten«1453 und empfahl zur Lektüre den Mittelstufenband des Klett Verlages. Einige der von T. angeführten Gutachten seien F. zufolge für den Oberstufenband des Geschichtsbuches angefertigt worden und ließen sich nicht auf den Mittelstufenband beziehen. F. kommt im zweiten Teil seiner Stellungnahme T. Forderung nach konkreten Beispielen nach und gibt »einige Beispiele für Einzelballast«1454. Er schließt seine Betrachtung mit dem Vermerk ab, dass eine Beseitigung der »Mängel«1455 des Buches möglich sei, »ohne dass eine grundlegende Umarbeitung des Werkes erfolgen muss.«1456 Einen Kommentar zum Verhalten des Verlages angesichts der Korrekturen bleibt in F. Stellungnahme nicht aus: Es sei bedauerlich, »dass der Verlag und seine Autoren […] nur dann auf Kritik reagieren, wenn die Zulassung eines Bandes verweigert worden ist.«1457 Ebenso wenig wie der Gutachter F. revidierte auch die Gutachterin Gö. ihre Haltung zum Geschichtsbuch aufgrund der vorliegenden Stellungnahme des Autors nicht. Weiterhin sei »die Masse des Stoffes einfach erdrückend«1458 und »die sprachliche Fassung häufig trocken und ermüdend«.1459 Sie merkte außerdem an, dass auch andere Geschichtsbücher den Zweiten Weltkrieg thematisieren würden und dies somit kein Alleinstellungsmerkmal sei. Handschriftlich wurde auf Gö. Gutachten der Stand des Verfahrens zusammengefasst. So bliebe »uns wohl nichts anderes übrig, als die Stellungnahme Dr. F., Dr. G. an den Verlag zu schicken.«1460 Dieser Wortlaut wurde wörtlich in den Brief an den Johannes Borgmeyer Verlag übernommen und Abschriften der Gutachten zur Kenntnisnahme beigefügt. Das Ministerium teilte dem Verlag mit, dass zwei weitere Prüfexemplare vorzulegen seien, »falls eine nochmalige Ueberprüfung des Werkes erfolgen«1461 solle. Ebenso verfuhr das bayerische Ministerium mit den Einwänden der Autorin E., die 1960 Unverständnis und Unmut über die 1452 1453 1454 1455 1456 1457 1458 1459 1460 1461

Brief F., 25. 10. 1952, LHA RP 910/1543. Stellungnahme F., 15. 11. 1963, LHA RP 910/1543. Ebd., S. 2. Ebd., S. 3. Ebd. Ebd., S. 2. Gutachten G., 30. 1. 1953, LHA RP 910/1543. Ebd. Handschriftliche Notiz auf Gutachten G., 24. 2. 1953, LHA RP 910/1543. Briefentwurf des Ministeriums, 25. 2. 1953, LHA RP 910/1543.

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vorgeschlagenen Kürzungen und Überarbeitungen äußerte. Auch sie nahm Stellung zu den Gutachten und kritisierte, dass ihr gewisse Forderungen widersprüchlich erschienen. Das Referat antwortete auf den Brief, ging jedoch auf die Äußerungen E.s nicht ein, sondern äußerte »nochmals einige Wünsche«1462 zur Verbesserung des Manuskripts, das »nach Überprüfung«1463 erneut vorgelegt werden sollte. Seit den 1960er-Jahren lässt sich dahingehend eine Veränderung in den Auseinandersetzungen erkennen, dass nicht mehr die Autoren Stellungnahmen zu den Gutachten verfassten, sondern die Verlagsredakteure diese Aufgabe übernahmen. 1962 legte der Schulbuchlektor Gu. des Oldenbourg Verlags für das Schulbuch »Geschichte unseres Volkes, Teil IV« einen sechsseitigen Brief vor, in dem er sich mit den gutachterlichen Überarbeitungsvorgaben auseinandersetze.1464 In einer Auflistung wurde Seite für Seite dargelegt, ob die »Beanstandungen des Gutachters«1465 geändert wurden, ob wie gefordert Karten oder Abbildungen hinzugefügt oder manche Formulierungen aus dem Text gestrichen wurden. Doch nicht alle Vorschläge wurden berücksichtigt; einige wenige blieben bestehen, da manche Wünsche der Gutachter »im Verlag nicht verständlich«1466 waren. Dass die Referate sich dieser Stellungnahmen annahmen und ihre Entscheidungen auch revidieren konnten, zeigt das Beispiel der Reaktion des bayerischen Ministeriums auf die »Stellungnahme der Fachredaktion Geschichte«1467 zu den beiden Gutachten, die 1972 den vierten Band der Reihe »Spiegel der Zeiten« beurteilten und die Zulassung ablehnten. Eine Woche nach Erhalt der Gutachten lag dem Referat die Stellungnahme des Verlags vor. Bereits im Anschreiben entgegnete der Verlag, dass »die schwerwiegenden Bedenken des Gutachters gegen den Einleitungsteil gegenstandslos sind, nachdem der Lehrplan gerade dieses Thema am Beginn der 10. Klasse fordert«1468. Die Auflistung der Änderungswünsche des Gutachters wurden von der Verlagsredaktion übernommen und bearbeitet, sodass aus Sicht des Verlags »keine weiteren begründeten Einwände«1469 mehr bestünden und um Erteilung der Genehmigung gebeten wurde. Das Referat des Ministeriums kommentierte die Liste der Überarbeitungen durch einen Abgleich mit dem korrigierten Manuskript. Handschriftlich wurden »ja«, »nein« oder »?« neben der Auflistung notiert. Der Abgleich und die Anmerkungen endeten jedoch nach dreieinhalb der insgesamt 1462 1463 1464 1465 1466 1467 1468 1469

Brief des Referats an H. E., 19. 10. 1960, BayHStA MK 63836. Ebd, S. 2. Brief des Oldenbourg Verlags, 7. 8. 1962, BayHStA MK 64526. Ebd. Ebd., S. 2, 4. Brief des Diesterweg Verlags, 30. 6. 1972, BayHStA MK 64261. Ebd. Ebd.

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sieben Seiten, wofür aus der Akte keine Begründung hervorging. Die Überarbeitung des Buches sowie die Verteidigung der Darstellung gegenüber dem Gutachten unter Hinweis auf die Lehrplankonformität hatten zur Folge, dass eine Zulassung des Geschichtsbuches erteilt wurde. In einer zweiseitigen Zusammenfassung des Vorgangs merkte der Mitarbeiter des Referats an, dass »die Forderung des Gutachters 2 […] nicht durchführbar«1470 sei, »da der Lehrplan diesen Einleitungsteil ausdrücklich fordert.«1471 Mit dieser Formulierung folgt das Referat den Ausführungen des Verlags und revidiert die vorherigen Aussagen, die sich auf die Beurteilung des Gutachters gestützt hatten. Die Quellenlage ermöglicht es, die Bearbeitung der Zulassungsbescheide, den Umgang mit den Gutachtern und die Erstellung der Reaktion auf Verlagsseite zu beleuchten. In Bezug auf Korrekturen der Zukunftsnarrationen in den Lehrbüchern der Klassen 9 und 10 konnte sich keiner der befragten Schulbuchautoren, -herausgeber oder Verlagsredakteure an Kritik daran erinnern. Die Gutachter monierten Sachfehler und Interpretationen historischer Ereignisse, was der Autor R. als »Aufbrummen einer bestimmten politischen Grundhaltung«1472 kritisierte. Eine Auseinandersetzung um einen impliziten politischen Zukunftsbezug zeigte sich an der ministeriellen Kritik am Geschichtsbuch »erinnern und urteilen, Band II«, der für das 8. Schuljahr in Baden-Württemberg zugelassen werden sollte.1473 Das Buch beinhaltete in der Darstellung der englischen und amerikanischen Revolution einen Bezug zur Bundesrepublik, indem der Text beschrieb, dass es keine fertigen Antworten auf die Fragen der Vergangenheit und Gegenwart gebe, »damals nicht und heute nicht. Wir sind noch immer ›auf dem Weg zum demokratischen Verfassungsstaat.‹«1474 Das badenwürttembergische Kultusministerium erteilte dem Klett-Verlag die Zulassung, »wenn der Text auf Seite 11–1 abgeändert wird. Die bisherige Formulierung geht deutlich von einem Gegensatz zwischen ›Staat‹ und ›Bürger‹ aus. Es ist die Frage, ob dies dem Verständnis des Grundgesetzes entspricht.«1475 Der Verlag legte dem Ministerium eine Überarbeitung vor, mit der es ebenfalls nicht einverstanden war.1476 Die Aussage des letzten Satzes habe sich nicht geändert und der zuständige Ministerialdirektor S. regte an, den Absatz weiter zu präzisieren »oder 1470 1471 1472 1473

Vorbemerkung des Referats 3, 10. 7. 1972, BayHStA MK 64261. Ebd. Interviewtranskript R., 10. 11. 2014, S. 6. Das Buch gehört nicht zum Quellenkorpus dieser Arbeit, doch befand sich der Schriftwechsel im Privatbestand des Herausgebers des Bandes, den G. hinsichtlich der Frage nach Zukunftsnarrationen freundlicherweise zur Verfügung stellte. 1474 Furth, G. et.al., 1978, S. 149. 1475 Brief des baden-württembergischen Kultusministeriums an den Klett-Verlag, 29. 12. 1981, Privatbestand J.G. 1476 Vgl. Brief des baden-württembergischen Kultusministeriums an den Klett-Verlag, 29. 06. 1982, Privatbestand J.G.

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wegzulassen«1477. J.G., zu der Zeit Bildungssenator in Hamburg, verstand die ministeriale Kritik als »erneut vorgetragene Zweifel an meinem Verfassungsverständnis«1478 und wandte sich daher selbst an seinen baden-württembergischen Amtskollegen. Im Vordergrund seiner Äußerung habe nicht gestanden, »ob es bei der Zulassung des Buches an den Schulen Baden-Württembergs bleibt oder nicht«1479, so G.. Ihm sei wichtig, dass die Formulierung des Textes als Versuch verstanden werde, »unsere Jugend für die Demokratie zu gewinnen«1480. Dies könne nicht gelingen, »wenn ihr der Verfassungsstaat als Fertigprodukt präsentiert wird, das einer Weiterentwicklung nicht mehr bedarf.«1481 M.-V. reagierte auf G.s Brief und zeigte sich überrascht über G.s Ausführungen, dass an seinem Verfassungsverständnis gezweifelt werde.1482 Er erläuterte die Kritik des Referenten, dass »bei Problemstellungen, die lediglich mit Fragen beantwortet würden, […] oft eine Überforderung«1483 vorliege, die man vermeiden wolle. Man hätte sich statt einer Frage eine Aussage gewünscht, doch seien die beiden Bescheide »als Anregungen gedacht« gewesen, »wobei es im Ermessen des Verlages steht, ob und inwieweit er ihnen folgen will.«1484 G. wandte sich daraufhin an den Verlag, dass er die Sache als erledigt betrachte, »auch wenn ein schlechter Nachgeschmack bleibt.«1485 Um die Vorzüge des Buches und insbesondere zu betonen, dass sie geltenden Lehrplänen entsprächen, stellten der Verlagsredakteur und der Autor H. zur Einreichung des Buches »Geschichte unserer Welt« »Stichworte«1486 zusammen. Diese wurden zusammen mit dem Lehrwerk dem Hessischen Ministerium für Erziehung und Volksbildung vorgelegt. Im Hinblick auf die Funktion des Buches äußerten sie, dass der Schüler »angesichts der ungelösten Fragen der Vergangenheit […] verantwortlich denken und handeln«1487 lerne. Der »aktuelle Bezug wird aber auch in jedem der neun Kapitel dieser Bände durchgehalten, […], sondern in der Akzentuierung jener Phänomene, die uns heute beschäftigen.«1488 Der Aktualität des dritten Bandes trug H. insofern Rechnung, als er Ende Dezember 1962 sein überarbeitetes Korrekturexemplar an den Verlag schickte und 1477 Ebd. 1478 Brief G.s an den baden-württembergischen Kultusminister M.-V., 7. 2. 1983, S. 2, Privatbestand J.G. 1479 Ebd. 1480 Ebd. 1481 Ebd. 1482 Brief M.-V. an G., 24. 3. 1983, S. 1, Privatbestand J.G. 1483 Ebd. 1484 Ebd., S. 2. 1485 Brief G.s an Klett Verlag, 30. 3. 1983, Privatbestand J.G. 1486 Stichworte für das Schreiben an das Hessische Ministerium für Erziehung und Volksbildung, 26. 6. 1962, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. 1487 Ebd. 1488 Ebd.

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es inhaltlich noch um die Kuba-Krise ergänzt hatte, was ihm »unerläßlich«1489 erschien, denn »die Lehrer würden sie in diesem Buch, das Ostern 1963 ausgeliefert wird, vermissen«1490. Nach Eingang der Gutachten und der Entscheidung des Ministeriums informierte der Redakteur den Autoren H. über das Ergebnis des Prüfungsverfahrens.1491 Die beigefügten ministeriellen Gutachten filterten die Verlagsredakteure, bevor sie sie an die Autoren weiterleiteten. Diese Auswahl vollzog der Verlagsredakteur B. nach dem Kriterium, ob es ihm »berechtigt erscheinende«1492 Monita waren. Weiterhin hat der Verlagsredakteur auch »sofort zu beseitigende Monita rot angekreuzt«1493. Seine Korrekturen verstand er als verbindlich, wie er dem Autor H. gegenüber kommunizierte, denn die beiden Berichtigungen sollten in die »jetzt in Angriff zu nehmende Neuauflage«1494 aufgenommen werden und würden H. telefonisch kommuniziert. Auch aus Bayern erreichten den Verlag Gutachten zu dem Buch. Bei der Beurteilung des Prüfungsergebnisses aus Bayern wurde das implizite Erfahrungswissen der beteiligten Akteure deutlich. Der Zulassungsbescheid lautete »erwartungsgemäß negativ«1495, so B. H. gegenüber. Die Gutachten habe er beigefügt, denn »es ist nämlich sehr interessant zu lesen, wie gut […] die Bücher von den Prüfern in Bayern aufgenommen worden sind.«1496 Ob es sich um rhetorische Floskeln zu Beruhigung handelte oder die Erwartungen an die bayerischen Gutachten noch schlechter waren, bleibt der Spekulation überlassen. Aus dem Brief geht in Bezug auf das implizite Wissen der Akteure hervor, dass bekannt war, dass die Zulassung eines Geschichtsbuches in Bayern eine große Hürde darstellte, die die Verlage nicht ohne eine erneute Überarbeitung meistern würden. Vor dem Hintergrund dieses Wissens erscheint die positive Bewertung der Ablehnung als logische Folge. Die Verlagsredakteure hatten langjährige Erfahrung im Zulassungsverfahren und wussten Gutachten und ministeriale Entscheidungen einzuschätzen. Ihr Wissen gaben sie auch an die Autoren und Herausgeber weiter. Der Redaktionsleiter Grüner, der Vorgesetzte von Redakteur S. im Cornelsen Verlag, informierte die Herausgeber und Autoren des vierten Bandes des »Geschichtsbuches« 1988 über die Ergebnisse der Zulassungsverfahren und das geplante weitere Vorgehen.1497 In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sei das Buch nach Nachbesserungen zugelassen worden. Auch in Nieder1489 1490 1491 1492 1493 1494 1495 1496 1497

Brief H. an Westermann Verlag, 30. 12. 1963, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Ebd. Vgl. Brief B. an C. H., 15. 2. 1963, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Brief B. an C. H., 25. 1. 1963, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Ebd. Ebd. Brief B. an C. H., 22. 3. 1963, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Ebd. Vgl. Brief des Cornelsen Verlags, 26. 4. 1988, S. 1, Privatbestand B.M.

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sachsen werde das Buch genehmigt, wie das Kultusministerium bereits vorab bestätigt habe. Es sei zugleich ein »Unfall« zu vermelden, da das Buch in Hessen abgelehnt worden war, da »die Einreichsfassung [sic!] zu viele Fehler (grammatisch, orthographische, Zahlen)«1498 enthalten habe. Man sei jedoch optimistisch, »bei Vorlage des ausgedruckten Werks in diesem Jahr die Genehmigung zu erhalten.«1499 Im Verlag denke man daran, »das Geschichtsbuch in einer Bayern-Version anzubieten«1500. Dies geschehe nicht ohne Grund, da der Verlag erfahren habe, dass es »in Bayern […] nämlich ca. 1992 neue Lehrpläne«1501 geben werde. Durch die Außendienstmitarbeiter habe man auch erfahren, dass die »Referate über das Geschichtsbuch […] sehr gut ›angekommen‹ sind und etwas bewirkt haben«1502. Es sei außerdem wichtig, die entsprechenden Lehrerhandbücher zu dem Geschichtsbuch »noch in diesem Jahr herauszubringen«1503, womit an die termingerechte Abgabe der Manuskripte erinnert wurde. Die Redakteure bearbeiteten die Gutachten und legten fest, welche Korrekturen von den Herausgebern und Autoren durchzuführen waren, aber sie filterten die Monita auch. So wurden von zwei unterschiedlichen Akteuren in Gutachten zu »Unser Weg in die Gegenwart« Anmerkungen verschiedener Art gemacht. Von Abhaken, wenn beispielsweise Tippfehler korrigiert werden sollten, über Notizen wie »erl.«1504 wurden auch Anmerkungen zu den Beurteilungen geäußert: In einem Gutachten zum Buch »Geschichte für Realschule Band 3, Neuzeit« notierte der Verlagsmitarbeiter des C.C. Buchners Verlags neben »wird umgesetzt«1505 an einigen Monita »wer hat nun Recht?«1506, »gleichgültig«1507 oder »Quatsch«1508. Nach dieser verlagsinternen Beurteilung der Gutachten wurden Überarbeitungen im Autorentext vorgenommen sowie eine Stellungnahme an das Ministerium formuliert, wie das Schulbuch durch die Gutachten verändert werden solle. Redakteur Z. beschrieb die Überarbeitung der Geschichtsbücher auf Grundlage der bayerischen Gutachten, indem »man

1498 1499 1500 1501 1502 1503 1504 1505 1506 1507 1508

Ebd. Ebd. Ebd., S. 2. Ebd. Ebd. Ebd. Gutachten zu »Unser Weg in die Gegenwart, Band 4, Neueste Zeit« und Brief des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, 11. 3. 1971, BWA F 28 Ordner Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 1970/1971). Gutachten zu »Geschichte für Realschulen, Band 3, Neuzeit« und Brief des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, 19. 5. 1983, BWA F 28 Ordner Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 1983, 1). Ebd., S. 6. Ebd., S. 7. Ebd., S. 6.

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nach Strichliste vorgehen«1509 konnte, was für den Verlag »ganz bequem«1510 war. Außerdem habe man mit den Mitarbeitern des Ministeriums über die Umsetzung der Korrekturen verhandeln können, sodass man nicht alle Monita umsetzen musste. Dies war möglich, da die Außendienstmitarbeiter der Verlage »ständig im Kultusministerium«1511 gewesen seien und man »seine Referenten«1512 gekannt habe, so Z.. Auch der Verlagsredakteur des Cornelsen Verlags entwarf eine Stellungnahme für das baden-württembergische Kultusministerium und ging auf die inhaltlichen Monita am »Geschichtsbuch« ein. Eines der Gutachten aus Baden-Württemberg übte Kritik an den Zukunftsnarrationen des vierten Bandes »Geschichtsbuch«. Der Autorentext betrachte China »durch die rosarote Brille«, so das Gutachten, denn die Autoren seien »auch hier […] vom Begriff der ›gesellschaftlichen Gleichheit‹ fixiert, als ob es sowas gäbe!«1513 Bei der Darstellung der ›Dritten Welt‹ hätten »die Autoren sorgfältig die Komplexität der Probleme aufgezeigt, sich jedoch einer letztlich moralisierenden Betrachtungsweise nicht entziehen wollen.«1514 Bei dieser Einschätzung gelangte der Autorentext zu einem zu negativen Urteil, »obwohl heute wieder optimistischere Positionen gehandelt werden«1515, führte das Gutachten aus. Beide Monita, die auch die Bezüge zur Zukunft umfassten, kritisierten selbige nicht, sondern die inhaltliche Gestaltung, die auch andere Schwerpunkte setzen könne. Der Verlagsredakteur S. informierte die Herausgeber M. und H. über das weitere Vorgehen. Er habe bereits eine Stellungnahme erarbeitet und werde diese zusammen mit Änderungsvorschlägen beim Kultusministerium einreichen, damit »wir noch in die Liste der zugelassenen Bücher kommen«.1516 S. hatte mit der Arbeit an den Änderungsvorschlägen bereits begonnen und eine Gegenüberstellung von Gutachterkritik und Verbesserungsvorschlag angefertigt, die jedoch noch zahlreiche Leerstellen enthielt. Die Reaktion der Verlage auf die Kritik der Gutachten geschah in Zusammenarbeit der Verlagsredakteure und Herausgeber, da Herausgeber M. die Arbeiten des Redakteurs S. ergänzte. M. hatte hinter der nummerierten Liste der Monita bereits handschriftlich erste Notizen angefertigt, die sich mit dem Gutachten auseinandersetzen. Aus SchleswigHolstein erhielten die Zukunftsnarrationen ein Lob des Gutachters, der das Buch aus anderen Gründen nicht zur Zulassung und Verwendung empfahl. Unter dem 1509 1510 1511 1512 1513

Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 2. Ebd. Ebd. Ebd. Undatiertes anonymes Gutachten aus Baden-Württemberg als Anlage an Brief des badenwürttembergischen Kultusministeriums, 7. 1. 1988, S. 10, Privatbestand B.M. 1514 Ebd., S. 11. 1515 Ebd. 1516 Brief des Cornelsen Verlags an H. und M., 7. 1. 1988, Privatbestand B.M.

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Aspekt »besondere inhaltliche Gesichtspunkte«1517 wurde hingegen als »übergreifendes Thema des ganzen Bandes«1518 das »Thema Frieden / Krieg«1519 ausgemacht. Es werde »am Ende (Aus der Geschichte lernen?) auch im Hinblick auf die Frage nach der Bewahrung der Umwelt noch einmal zusammenfassend aufgenommen«1520, so das Gutachten. Der thematische Zukunftsbezug wurde als »sachgerecht, m. E. sprachlich und inhaltlich nicht durchweg altersangemessen«1521 beurteilt. Das Gutachten machte deutlich, dass ein grundsätzliches Einvernehmen mit dem Zukunftsbezug bestehe und auch die Funktion dieses Abschnittes den Prüfvorgaben des Landes entspreche. Der Verlagsredakteur G. vom C.C. Buchners Verlag formulierte ebenfalls eine Stellungnahme, in diesem Beispiel für ein Gutachten des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus.1522 Drei Gutachten lagen dem Verlag vor, von denen ein Gutachten die Zulassung des Buches »Geschichte Band 4, Neueste Zeit« befürwortete (nachdem eine Liste von Monita beachtet und eingearbeitet wurde) und zwei die Verwendung ablehnten. Redakteur G. führte auf 13 Seiten die didaktischen Hintergründe aus und begründete damit die Gestaltung des Autorentextes, die der Gutachter kritisiert hatte. Neben Korrekturen des Autorentextes, die in das Manuskript eingearbeitet wurden und Tippfehlern, die bei der Abschrift entstanden waren, blieben auch einige Formulierungen des Autorentextes unverändert. Dafür nannte G. verschiedene Gründe: Eine geforderte ergänzende Erläuterung sei überflüssig, da das Thema im Sozialkundeunterricht behandelt werde1523 und bei der gutachterlichen Forderung nach der Einführung eines Begriffs antwortete Gründe: »Wir haben bewußt darauf verzichtet, den Begriff ›Nationalchina‹ einzuführen.«1524 Einige Monita blieben dem Verlagsredakteur unverständlich und wurden in einer Auflistung mit »?« markiert.1525 Auf eine Korrektur reagierte G. mit der Gegenfrage »Warum soll die These nicht haltbar sein?«1526 Im Falle des Diesterweg Verlags arbeiteten der Herausgeber H. und der Redakteur B. ohne Einbezug der Autoren an den Monita der Gutachter. H. war »dann für einen Tag oder zwei in Frankfurt«1527 beim Verlag, um über die Einarbeitung der Gutachten zu beraten. Zusammen mit dem Redakteur und dem Herstellungsleiter habe man »ausprobiert, wie es 1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523 1524 1525 1526 1527

Undatiertes, anonymes Gutachten Schleswig-Holstein, S. 2, Privatbestand B.M. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. Brief des C.C. Buchners Verlags, Mai 1984, BWA F 28. Vgl. ebd., S. 8. Ebd. Vgl. Ebd., S. 11. Ebd., S. 12. Interviewtranskript W. H., 16. 02. 2015, S. 3.

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zu schaffen ist, dass gleich wieder für das kommende Jahr die Neuauflage stimmt.«1528 Aus dieser Aussage wird zum einen deutlich, dass die Einarbeitung der Korrekturen und Anmerkungen durch den Herausgeber, ohne Einbezug der Autoren, in Zusammenarbeit mit dem Redakteur erfolgte. Zum anderen vollzog sich diese Arbeit unter der wirtschaftlichen Perspektive, die Monita möglichst schnell einzuarbeiten, um das Buch rechtzeitig am Markt platzieren zu können. Der Herausgeber habe die Autoren über die Korrekturen verständigt, »aber wir haben ganz selten einen ganzen Rundlauf gemacht.«1529 In dieser herausgeberzentrierten Arbeit – anstelle von Autorentreffen zur Überarbeitung – sah H. den Vorteil, rechtzeitig die Fristen zur Einreichung bei den Ministerien oder zur Drucklegung im Verlag eingehalten zu haben. H. beurteilte die Gutachten als sehr lehrreich, da man als Autor oder Herausgeber von ihnen immer profitieren konnte.1530 Bei den Sachkorrekturen »waren wir sehr glücklich, dass das angemerkt wurde«1531, während die inhaltlichen Korrekturen etwas aufwändiger in der Bearbeitung waren. Diesem Urteil über die fachlichen Korrekturen der Gutachter schlossen sich auch die anderen Akteure an und nahmen die Anmerkungen gerne auf. Man habe bei diesen Überarbeitungen des Layouts der Bücher »knobeln«1532 müssen, »nimmt man eine Aufgabe raus oder nimmt man mehr Text oder umgekehrt«,1533 so H.. Bei den inhaltlichen Anmerkungen habe es hingegen Debatten gegeben, wie im weiteren Verlauf der Untersuchung gezeigt wird. An den bisherigen Beispielen wurde deutlich, dass in Gesprächen der Akteure über die Geschichtsbücher die gutachterlichen Monita erläutert, manchmal sogar reduziert oder abgeschwächt werden konnten. Diese persönliche Ebene, die sich in den Quellen schwerer fassen lässt als schriftlich fixierte Verwaltungspraktiken, trug jedoch entscheidend dazu bei, einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Anforderungen zu finden. Die persönlichen Kontakte zwischen den Verlagen und den Ministerien wurden auf verschiedene Weisen deutlich. Eine Möglichkeit war, dass die Mitarbeiter der Verlagsniederlassungen in den Bundesländern die Prüfungsunterlagen im Ministerium abholten. Die Unterlagen des bayerischen Ministeriums wurden dem Mitarbeiter des Bayerischen Schulbuchverlags »persönlich übergeben«1534, sodass davon 1528 1529 1530 1531

Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 3. Ebd. Vgl. ebd., S. 5. Ebd., S. 3. Mit beinahe identischem Wortlaut beschrieb der Redakteur U. A. die Korrektur der »objektiven Fehler« (Interviewtranskript U. A., 6. 5. 2014, S. 10), für die er den Gutachtern dankte. 1532 Ebd. 1533 Ebd. 1534 Handschriftliche Notiz auf dem Briefentwurf vom 11. 4. 1950, BayHStA MK 63818.

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ausgegangen werden kann, dass zwischen den beiden Akteuren auch eine persönliche Verbindung existierte. Auch Mitarbeiter der anderen Schulbuchverlage kamen ins Ministerium und führten Gespräche, wie beispielsweise der Mitarbeiter R. der Münchner Filiale des Westermann Verlags im Referat 14. Er bat um einen Gesprächstermin, um über die Gutachten zum Geschichtsbuch »Der Mensch im Wandel der Zeiten« zu sprechen, das der Verlag dem Ministerium 1952 zugesandt hatte. Aktennotizen über das Gespräch geben Aufschluss darüber, dass R. seitens des Ministeriums darüber aufgeklärt wurde, dass das Buch »seiner Anlage nach den Bedürfnissen der Volksschule im Aufbau, in der Anlage und in der Gestaltung entspreche, daß es aber auf bayerische Verhältnisse umgearbeitet werden müßte.«1535 Man wies R. außerdem darauf hin, dass »die grundlegende Frage, ob in der Volksschule überhaupt ein Geschichtsbuch zugelassen wird, noch nicht entschieden«1536 sei und dass zudem beim Ministerium bereits zwei Bücher für die Volksschule eingereicht wurden. Trotz dieser Konkurrenzsituation glaube R., dass der Westermann Verlag »eine Bearbeitung des Buches für bayerische Volksschulen in Angriff nehmen werde«1537, so die Gesprächsnotiz. Seitens des Referats wurden »einige Schulfachleute der Volksschule benannt, die bei der Umarbeitung in Frage kommen könnten.«1538 Über den persönlichen Kontakt zwischen den Mitarbeitern der Referate und der Schulbuchverlage hinausgehend wurden auch Empfehlungen für mögliche Schulbuchautoren weitergereicht. Diese Folge des Kontakts wurde in den anderen Fällen jedoch nicht erneut beobachtet. Auch in Rheinland-Pfalz sprach der Westermann-Verlag persönlich vor, indem der Verlagsdirektor S.-F. des Westermann-Verlags am 10. 2. 1950 persönlich im Ministerium um die Überprüfung des Schulbuches »Der Mensch im Wandel der Zeiten«, Band 1 bat.1539 Wie sich bereits in den 50er-Jahren zeigte, so wurden auch in den 60er-Jahren auf unterschiedliche Weise persönliche Kontakte zwischen der ministeriellen Verwaltung und den Schulbuchverlagen gepflegt. Der Autor E.S. holte die Manuskripte sowie Zweitschriften der Gutachten persönlich im Ministerium ab.1540 Auch im Zulassungsverfahren des vierten Bandes »Neueste Zeit« in der Reihe »Geschichtliches Unterrichtswerk« bestand persönlicher Kontakt zwischen dem Referat und einem Mitarbeiter des Verlags. Diesem wurden die Gutachten und ein Manuskript »persönlich ausgehändigt«1541. Dass aber eine persönliche Vorsprache auch keinen positiven Einfluss auf die Zulassung nehmen konnte, wurde 1535 1536 1537 1538 1539 1540 1541

Aktennotiz 29. 9. 1952, BayHStA MK 64518. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. handschriftliche Aktennotiz, 10. 2. 1950, LHA RP 910/1461. Vgl. Aktennotiz, 16. 4. 1968, BayHStA MK 64263. Vgl. Aktennotiz, 30. 4. 1968, BayHStA MK 64263.

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am Beispiel des Geschichtsbuches »Unser Weg durch die Geschichte« des Hirschgraben Verlags deutlich. Das zuständige Referat blieb trotz der persönlichen Vorsprache bei seiner Haltung, dass »wenn dem Verlag nicht hervorragende bayerische Verfasser zur Verfügung stehen, […] von der Inangriffnahme einer solchen Bearbeitung dringend abgeraten«1542 werde. Es seien bereits »mehrere Geschichtswerke für den Volksschulunterricht zugelassen«, sodass das Ministerium »bei der Überfülle des Angebots an Schulbüchern […] bei der Prüfung strenge Maßstäbe anlegen«1543 müsse. Das persönliche Gespräch zwischen dem Vertreter des Verlags und einem Mitarbeiter des Referats sollte demnach vor Beginn der Arbeit an einer Ausgabe des Buches für die bayerischen Volksschulen Klarheit darüber bringen, welche Perspektiven sich für ein solches Buch böten. Unter Berufung auf den Ausgang eines Prüfungsverfahrens wurden die Chancen für eine erfolgreiche Zulassung reduziert. Das persönliche Gespräch zwischen den Akteuren reduzierte die Komplexität einer schriftlichen Kommunikation zwischen den Miniterien und den Schulbuchverlagen. So setzte das zuständige Referat im rheinland-pfälzischen Kultusministerium den Vertreter des Klett Verlags 1960 auf persönlchem Wege über den Prüfmodus für überarbeitete Schulbücher in Kenntnis. Im Unterschied zur Prüfung eines neu erscheinenden Buches genügte es bei der Einreichung einer Neuauflage eines bereits genehmigten Buches, lediglich zwei Prüfstücke einzureichen. Diese Entscheidung wurde »dem Vertreter von Klett«1544 mitgeteilt, mit dem der Referent »kurz gesprochen« habe. Die Liste der durchgeführten Änderungen legte der Verlag dem Anschreiben bei. Das Prüfungsverfahren durch den Gutachter B., den der Landesverband Rheinland-Pfalz des Gesamtverbands deutscher Mittel- und Realschullehrer benannt hatte, ergab, dass das Buch zur Verwendung zugelassen werden konnte.1545 Die persönlichen Kontakte und der Austausch zwischen den Akteuren wurde vom Ministerium in Teilen erwartet und im Kontext eines erfolgreichen Zulassungsverfahrens sogar eingefordert. In einer schriftlichen Erinnerung an die Zahlung der Prüfungsgebühr wurde darauf hingewiesen, dass der Betrag zu entrichten sei, »damit das Prüfungsverfahren abgeschlossen werden«1546 könne. Am 30.7. wurde der Eingang der Zahlung vermerkt, bevor der zuständige Referent W. dem Buchners Verlag am 27. 12. 1974 mitteilte, dass die vier Bände nicht zugelassen werden könnten. Der Grund für diese Entscheidung sei, »daß das Werk nicht voll der didaktischen Konzeption des in Vorbereitung befindlichen neuen Lehrplans für den Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe I 1542 1543 1544 1545 1546

Brief des Ministeriums, 21. 12. 1967, BayHStA MK 64520. Ebd. Handschriftliche Notiz auf Brief des Klett Verlags, 15. 9. 1960, LHA RP 910/15015. Vgl. Gutachten B., 23. 2. 1961, LHA RP 910/15015. Briefentwurf des Ministeriums, 16. 7. 1974, LHA RP 910/15014.

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entspricht.«1547 Die Geschichtsbücher erfüllten demnach die Grundvoraussetzung der curricularen Bezüge nicht. Zugleich suggerierte das Ministerium dem Verlag mit dieser Antwort allerdings, dass die Kenntnis des künftigen Lehrplans die Bedingung für die Zulassung sei. Gleichzeitig impliziert dieser Vorgang, dass das Wissen um die Veröffentlichung des neuen Lehrplans und um seine Inhalte hätte zugänglich gewesen sein können, wenn der Verlag entsprechende Bemühungen angestellt hätte. Diese Formulierung macht deutlich, dass Schulbuchverlage also sowohl von der Planung eines neuen Lehrplans, als auch von dessen konkreter inhaltlicher Gestaltung hätten wissen können, um dementsprechende Schulbücher verfassen zu lassen und zur Prüfung vorzulegen. Dieses Verfahren macht Kontakte zwischen dem Ministerium und dem Schulbuchverlag notwendig, um überhaupt Kenntnis über einen neuen Lehrplan zu erlangen und über Inhalte informiert zu werden. Es erschien damit quasi notwendig für die Verlage, über die bildungspolitischen Entwicklungen der Länder informiert zu sein und dementsprechende Geschichtsbücher zur Prüfung vorzulegen. Die Ministerien setzten dieses Engagement und die Kontakte indirekt voraus und öffneten sich für diese Formen der Kommunikation. In den 1970er-Jahren waren die Außendienstmitarbeiter in den regionalen Niederlassungen der Verlage von großer Bedeutung für die Kontakte zu den Ministerien. Gutachten zu S.s »Geschichte der Neuesten Zeit« wurden vom Mitarbeiter des Oldenbourg Verlags, aber auch vom Verleger und vom Autoren S. selbst im Ministerium abgeholt.1548 Dass diese Kontakte jedoch auch eine Grenze überschreiten konnten, wenn es um die Anonymität und die Unabhängigkeit der Gutachter ging, zeigt S.s Verhalten im Zulassungsverfahren des Buches »Geschichte der Neuesten Zeit«. Das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hatte das Institut für Zeitgeschichte mit der Prüfung des Geschichtsbuches beauftragt und erhielt die Antwort, dass sich das Institut nicht in der Lage sehe, die Begutachtung zu übernehmen, denn S. »setzte sich mit dem Referenten mehrmals in Verbindung, um auf eine Beschleunigung der Begutachtung hinzuwirken.«1549 In dem Brief wurde betont, dass es dabei keineswegs um eine inhaltliche Beeinflussung gehe, sondern darauf ankomme, »das Manuskript so schnell als möglich in den Druck«1550 zu geben. Im Ministerium wurde nach Eingang des Briefes eine »fernmündliche[r] Rücksprache«1551 mit dem Institut gehalten, das sich danach doch bereit erklärte, das Manuskript zu begutachten. Im weiteren Verlauf des Zulassungsverfahrens kontaktierte der 1547 Briefentwurf des Ministeriums, 27. 12. 1974, LHA RP 910/15014. 1548 Vgl. Aktennotiz 22. 6. 1972, BayHStA MK 64261, Aktennotiz 29. 5. 1972, Empfangsbestätigung, 30. 1. 1973, BayHStA MK 64268 und 9. 11. 1973, BayHStA MK 64268. 1549 Brief des Instituts für Zeitgeschichte, 9. 6. 1972, BayHStA MK 64268. 1550 Ebd. 1551 Aktennotiz des Referats III, 30. 6. 1972, BayHStA MK 64268.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

Autor S. das Institut für Zeitgeschichte erneut und legte eine Übersicht über die Korrekturen vor, die er aufgrund des Gutachtens für die überarbeitete Version des Buches aus dem Jahr 1968 angefertigt hatte. S. informierte auch das Ministerium über diesen Kontakt. Am 25. Juli forderte das Ministerium das Institut für Zeitgeschichte erneut auf, ein Gutachten einzureichen und terminierte die Wiedervorlage für diesen Vorgang dreimal um: vom 1.9. auf den 26.9., vom 26.9. auf den 1.11. und dann nochmals auf dem 30.11., bis am 2.11. das Gutachten vorgelegt wurde.1552 Das Institut wiederum hatte den Gymnasialprofessor H.K. mit dem Gutachten für das Geschichtsbuch beauftragt. Nach der inhaltlichen Auswertung der beiden Gutachten kam das Referat zu dem Schluss, dass die Urteile der beiden Gutachter stark voneinander abwichen, sodass ein dritter Gutachter beauftragt wurde, dessen Identität (wie im Verfahren üblich) anonym blieb und dem Verlag nicht mitgeteilt wurde.1553 Dieses Beispiel zeigt, dass das persönliche Engagement des Autors nicht von Vorteil war, sondern von einem Gutachter durchaus als störend empfunden wurde.

3.7

Prüfen, Monieren und Loben – Zukunftsbezüge in den Lehrplänen und den Gutachten

In diesem Abschnitt geht es um die Frage, wie die Gutachter mit den Zukunftsnarrationen der Autorentexte umgingen. In der deskriptiv-hermeneutischen Analyse der Gutachten zeigten sich drei unterschiedliche Modi der Beschäftigung mit den Zukunftsnarrationen. Das Spektrum beginnt mit einer Vielzahl von Gutachten, die sich mit den Beschreibungen der Zukunft in den Geschichtsbüchern überhaupt nicht beschäftigten. Sie gingen über die Zukunftsbezüge in den Autorentexten hinweg und erwähnten lediglich die Gegenwartsbeschreibungen in ihren Beurteilungen. Die zweite Möglichkeit war Kritik an den Zukunftsnarrationen, deren Gründe ausgeführt werden sollen. Als Drittes lobten einige Gutachten die Bezüge zur Zukunft und auch ihre Ausführungen sollen im Folgenden systematisch betrachtet werden. Das Kapitel untergliedert sich damit in drei Teile, in denen jeweils einer der genannten Aspekte betrachtet wird. Grundlage dieser Analyse sind 175 Gutachten, die in der Zeit von 1950 bis 1974 von den Ministerien in Auftrag gegeben wurden.1554 Von diesen 175 Gutachten lobten 24 die Zukunftsnarrationen, neun Gutachten 1552 Vgl. Brief des Ministeriums, 25. 7. 1972, BayHStA MK 64268. 1553 Vgl. Aktennotiz, 13. 11. 1972, BayHStA MK 64268. 1554 Aus forschungspragmatischen Gründen geht es in dieser Arbeit weder um biographische Fragen zu den Gutachtern noch darum, die Spezifika von Schulbuchgutachten zu beleuchten. Um beiden (lohnenswerten!) Aspekten gerecht zu werden, bedürfte es einer separaten Betrachtung.

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forderten sie ein oder gaben Anregungen zur inhaltlichen Überarbeitung, 13 Gutachten kritisierten sie und zwei wiesen ein ambivalentes Urteil auf. Insgesamt 48 von 175 Gutachten benannten die Zukunft also explizit. Weitere 41 Gutachten beschrieben die Gegenwartsbezüge und 86 Gutachten erwähnten weder Gegenwarts- noch Zukunftsbezüge. Rund ein Viertel der Gutachten befasste sich demnach mit den Zukunftsnarrationen, ein weiteres Viertel summierte Zukunft unter dem Begriff der »Gegenwart« und die Hälfte der Gutachten beschäftigte sich nicht explizit mit diesen Textabschnitten. Die Gutachter verstanden es als ihre Aufgabe, in der Bewertung der Geschichtsbücher auf Fehler hinzuweisen. Neben Tipp- bzw. Druckfehlern waren dies auch inhaltliche Korrekturen in den Autorentexten, die von Berichtigungen von Jahreszahlen über Kürzungsvorschläge bis hin zu grundsätzlichen Fragen der Deutung bestimmter historischer Ereignisse reichten. Der Betrachtungszeitraum dieser Arbeit bedingt, dass besonders häufig die Thematisierung der Zeit des Nationalsozialismus sowie des Zweiten Weltkrieges im Mittelpunkt stand. Die Gutachter hoben diese Darstellungstexte häufig lobend hervor und waren dankbar für deren wissenschaftlich korrekte und wertneutrale Ausführungen. Die inhaltlichen Vorgaben entnahmen sie dem jeweils geltenden Lehrplan für Schulform und Jahrgangsstufe. Diese Orientierung an politisch legitimierten Rahmenvorgaben funktionierte zweifelsohne für diejenigen Teile des Autorentextes, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen. Inhaltliche Vorgaben für die Darstellung der Gegenwart oder der Zukunft hingegen sind in den Lehrplänen nicht zu finden. Die Stellen, an denen Berührungen mit diesen Zeitebenen entstehen, betreffen strukturelle Aspekte zur Funktion des Geschichtsunterrichts, wie ein kurzer Querschnitt zeigen soll.1555 1955 beschrieb der Lehrplan für bayerische Volksschulen, dass der Schüler im Geschichtsunterricht die Erkenntnis erarbeite, »daß das Gegenwärtige sich aus der Vergangenheit entwickelt hat und das Geschehen in die Zukunft weiterwirkt.«1556 Der »Wachhaltung des Willens zur Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit ist auf allen Stufen Rechnung zu tragen«1557, so der rheinland-pfälzische Lehrplan für Volksschulen von 1957. In den Lehrplänen für die »höheren Schulen in Rheinland-

1555 Exemplarisch sollen für die Bundesländer Bayern und Rheinland-Pfalz Lehrpläne des Betrachtungszeitraums von 1950 bis 1972 untersucht werden. Aus forschungspragmatischen Gründen kann keine vollständige Analyse aller Lehrpläne aller Schulformen des Betrachtungszeitraums durchgeführt werden. Es soll hauptsächlich deutlich werden, vor welchem politischen Hintergrund die Gutachten entstanden und welche Funktion der Zeitebene ›Zukunft‹ in den Lehrplänen zugeschrieben wurde. 1556 Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus: Lehrplan Volksschulen. München 1955, S. 461. 1557 Ministerium für Unterricht und Kultus Rheinland-Pfalz: Richtlinien für Volksschulen in Rheinland-Pfalz, Grünstadt 1957.

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Pfalz«1558 von 1960 wurde es als Aufgabe des Geschichtsunterrichts beschrieben, »zur Bildung des Bewußtseins politischer Verantwortung jedes einzelnen und zur Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft einzusetzen«1559 beizutragen. Ähnlich implizit blieben die Zukunftsbezüge auch in der thematischen Beschreibung der Inhalte der Jahrgangsstufe 10. Die Themen »der Aufstieg der USA zur Weltmacht«1560 und die »Versuche einer Neuordnung Europas und der Welt«1561 sollten Bestandteil des Geschichtsunterrichts sein. 1969 formulierte der bayerische Lehrplan für Realschulen folgendes Ziel des Geschichtsunterrichts: Er biete den Schülern »Voraussetzungen zur Beurteilung gegenwärtiger Probleme, rüstet sie mit Hilfe gewonnener Erkenntnisse für die Bewältigung der Zukunft, läßt sie ihre späteren Aufgaben als Mensch und Glied der Gemeinschaft erkennen und weckt ihr Verantwortungsgefühl.«1562 In der Stoffverteilung ist für die 10. Klasse vorgesehen, die freie Welt, die kommunistische Welt und die Auflösung der Kolonialreiche zu thematisieren.1563 Die Themen werden im Lehrplan nicht miteinander in Verbindung gebracht, sodass die politische Frontstellung zwischen den USA und der Sowjetunion lediglich in der Themenbeschreibung »die freie Welt«1564 durchscheint. 1971 veröffentlichte das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus einen Lehrplan für den Geschichtsunterricht der Hauptschule. In den Vorbemerkungen wurden Zukunftsbezüge hergestellt, die – wie in den anderen Lehrplänen auch – vor allem auf die politische Funktion abzielten. So seien Leben und Handeln des Menschen »von der Vergangenheit mitbestimmt und wirken in die Zukunft«1565. Der Geschichtsunterricht solle »einen Beitrag zur politischen Bildung leisten und den Schüler dazu anregen, nach besseren Wegen der Daseinsbewältigung in der Zukunft zu suchen.«1566 In der Darstellung der jeweiligen Unterrichtsinhalte benennt der Lehrplan für die 9. Jahrgangsstufe, dass »offene Fragen der Gegenwart«1567 thematisiert werden sollten. Dazu zählten das »Deutschlandproblem«1568, die europäische Integration, die »politische, wirt-

1558 Ministerium für Unterricht und Kultus Rheinland-Pfalz: Lehrpläne für höhere Schulen in Rheinland-Pfalz. Grünstadt 1960. 1559 Ebd., S. 95. 1560 Ebd., S. 101. 1561 Ebd. 1562 Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus: Lehrplan Geschichte, Realschule. München 1969, S. 159. 1563 Vgl. ebd., S. 170. 1564 Ebd. 1565 Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus: Bekanntmachung über den Lehrplan für Geschichte an den Hauptschulen vom 1. April 1971 NR. III A2–4/42 109, in: Amtsblatt des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, 1971, S. 470. 1566 Ebd. 1567 Ebd., S. 478. 1568 Ebd.

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schaftliche und geistige Auseinandersetzung der Gesellschaftssysteme«1569, die Beschäftigung mit Aspekten der modernen Technik, wozu der Lehrplan die Atomenergie, die Automation und die Weltraumraketen zählte. Der Blick richtete sich auch auf die internationale Ebene, denn auch die »Bevölkerungsexplosion«1570, die »Spannungsgebiete der Welt«1571 und der »Weltfrieden als Aufgabe und Hoffnung«1572 sollten im Geschichtsunterricht thematisiert werden. Mit diesen konkreten Unterrichtsinhalten legt der Lehrplan von 1971 zugleich Deutungen der Gegenwart fest, die sich auf die Zukunft ausdehnen ließen. Neben impliziten Bewertungen wie in den Formulierungen »Deutschlandproblem« und »Ernährungsproblem« enthalten, gibt der Lehrplan vor, den technischen Fortschritt als Ambivalenz zu bewerten. Eine Aufgabe für die Zukunft wird ebenso deutlich benannt, nämlich die des Weltfriedens, den es angesichts der politischen Spannungen zu befördern gelte. Erst ab den 1970er-Jahren wurden die Lehrpläne konkreter, indem sie aus den Gegenwartsdiskursen Zielsetzungen für die Zukunft ableiteten. Die Lehrpläne der 50er- und 60er-Jahre beschäftigen sich nicht mit den Themen der Zukunft, sondern stellen auf der strukturellen Ebene Verbindungen zu dieser Zeitebene her, in der sich der bildungspolitische Erfolg einstellen solle. Angesichts dieser Vorgaben konnten die Gutachter die Zukunftsnarrationen nicht anhand der Kategorien »wird thematisiert/wird nicht thematisiert« oder »richtig/falsch« beurteilen, wie es für andere Unterrichtsinhalte möglich war. Die Lehrpläne forderten die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf ihr zukünftiges Handeln, doch die Beschäftigung mit Inhalten der Zukunft gaben sie nicht vor. Demnach fragt die nachfolgende Analyse der 175 Gutachten aus Rheinland-Pfalz und Bayern aus dem Zeitraum von 1950 bis 1972, auf welches Wissen, also auf welches Verständnis von Geschichte und ihrer Funktion, die Gutachter zurückgriffen, wenn sie sich mit den Zukunftsnarrationen in den Autorentexten beschäftigen. Methodisch wurde dieses Wissen in Begründungen der Kritik oder Ausführungen des gutachterlichen Verständnisses von der Funktion von Geschichte oder dem zu vermittelnden Geschichtsstoff sichtbar. An einigen Stellen werden nach der Darstellung der Gutachten die Zukunftsnarrationen in den Autorentexten herangezogen, um den Bezug zwischen Gutachten und Autorentext hervorzuheben. Es dient ausdrücklich nicht dazu, die Gutachten zu bewerten oder die Beurteilungen zu hinterfragen, sondern soll verdeutlichen, wie die Zukunftsbezüge beurteilt wurden. 24 der 175 Gutachten lobten die Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern und beschäftigten sich mit den Inhalten und der Funktion dieser Ab1569 1570 1571 1572

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

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schnitte der Autorentexte. In seinem Gutachten zum Geschichtsbuch »Neueste Zeit von 1917 bis heute« lobte 1964 der Gutachter P., der Autorentext reiche bis an die unmittelbare Gegenwart heran.1573 P. sprach die Zukunftsnarrationen des Autorentextes explizit an und hob ihre besondere Gestaltung hervor: »Die letzten Abschnitte der Ereignisse und Entwicklungen schneiden Zusammenhänge und Probleme an, die noch ungeklärt und im Fluß sind.«1574 Um dabei »subjektive Entscheidungen«1575 zu vermeiden, verzichte der Text auf Fragen und Aufgaben zur weiteren Bearbeitung, so der Gutachter abschließend. Zustimmung zu den Zukunftsnarrationen des Geschichtsbuches »Die Reise in die Vergangenheit« äußerte der bayerische Gutachter W. in seinem ausführlichen zehnseitigen Gutachten. In seiner Beurteilung wurde deutlich, dass W. grundsätzlich mit dem Autorentext übereinstimmte, Entwicklungen und Gefahren für die Zukunft aufzuzeigen. Er forderte hinsichtlich einiger Themen, dies noch ausführlicher zu tun. In Bezug auf das Thema ›Atomkraft‹ führte er an, dass »die für den Bestand der Welt, vor allem der nördlichen Erdhälfte gegebene Gefahr durch die Weiterentwicklung der Bombe […] erwähnt sein«1576 müsste. Hinsichtlich des Themas ›Kalter Krieg‹ monierte W., dass die Bedrohung durch die UdSSR zwar erwähnt sei, »das ist aber auch alles. Der Zusammenhang zwischen ideologischem und imperialistischem Streben dieses Staates müßte auch im Buch erscheinen.«1577 An späterer Stelle lobte der Gutachter den Autorentext, dafür das er »auf die riesigen Gefahren«1578 des Ost-West-Konflikts hingewiesen habe. Eine frühere Ausgabe des Geschichtsbuches »Die Reise in die Vergangenheit« wurde auch im Zulassungsverfahren in Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Gegenwarts- und Zukunftsbezüge gelobt. Der Gutachter G. konstruierte sprachlich eine Gemeinschaft zwischen sich, dem Autorentext und den Schülerinnen und Schülern, er bezog sich also in die Erzählgemeinschaft des Autorentextes von Ebeling / Birkenfeld ein: Das Geschichtsbuch beschreibe »unser deutsches Schicksal […], unser zweigeteiltes Deutschland zwischen den großen Weltfronten.«1579 Zudem werde »in klarer Zusammenfassung das Geschichtsbild der Gegenwart« vermittelt, so G. weiter. Der Autorentext sei »getragen von der Ehrfurcht vor dem Leben«1580 und führe »zum Bewußtsein einer staatlichen Verantwortung und einer Schicksalsgemeinschaft des deutschen

1573 1574 1575 1576 1577 1578 1579 1580

Gutachten P., 30. 9. 1964, S. 3, LHA RP 910/15015. Ebd. Ebd. Gutachten W., 15. 6. 1969, S. 6, BayHStA MK 64520. Ebd., S. 7. Ebd., S. 8. Gutachten G., 21. 9. 1961, S. 7, LHA RP 910/14869. Ebd., S. 8.

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Volkes.«1581 Auch der Gutachter N. schloss sich 1966 sprachlich in die Erzählgemeinschaft des Autorentextes ein. Er lobte den Anhang »Damals-heutemorgen« im Geschichtsbuch »Menschen in ihrer Zeit – in unserer Zeit« wie folgt: »Ein Anhang […] hebt noch einmal die wichtigsten Probleme der jüngsten Geschichte hervor, deren Lösung uns aufgetragen ist.«1582 Durch die Verwendung des Pronomens ›uns‹ zählte sich der Gutachter zu den Akteuren, die als Adressaten der Zukunftsnarration verstanden werden sollten und sah auch sich selbst in der Verantwortung, die Zukunft zu gestalten. Die Gutachterin P. lobte die Zukunftsnarrationen in gleich zwei Geschichtsbüchern (und entsprechend zwei Zulassungsverfahren). Zustimmung zu der Zukunftsnarration des Geschichtsbuches »Werden und Wirken Neueste Zeit 1815–1945« äußerte sie 1952, denn der Autorentext leiste damit »einen wichtigen Beitrag […] zur Erhellung der gegenwärtigen Situation«.1583 Auch Deutschland dürfe »an seine Zukunft glauben, denn der Nationalsozialismus war kein zwangsläufiges Ergebnis der deutschen Geschichte, sondern eine Einengung deutschen Geistes und Gemütes, eine Nachahmung fremder Vorbilder.«1584 Die 1581 1582 1583 1584

Ebd. Gutachten N, 30. 3. 1966, LHA RP 910/15014. Gutachten P., 6. 5. 1952, S. 8, LHA RP 9410/1542. Ebd. Die Gutachterin P. leitet eine positive Zukunftsperspektive aus einer Deutung der Vergangenheit ab, die in Ansätzen an das Narrativ ›Die tapferen Deutschen‹ (s. Kap. 2.5.1, S. 130) erinnert. Zur Bewältigung der Vergangenheit bedient sie sich einer Kontextualisierung, die die nationalsozialistischen Verbrechen als Folgen einer »Nachahmung« relativiert. Diese Vergangenheitsdeutung vereinfacht die Bewältigung der Ereignisse und Verbrechen, indem sie das Ausmaß von Schuld reduziert und damit die Verarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte einer zukunftsträchtigen Perspektive unterordnet. Die Forschung hat herausgearbeitet, dass diese Deutung der Diktatur Hitlers bereits in zeitgenössischen Diskursen der frühen 1930er-Jahre zu finden ist (vgl. Schieder, Wolfgang: Adolf Hitler – Politischer Zauberlehrling Mussolinis. München 2017). Deutlich wird an diesem Zitat auch, inwiefern die Zukunft als Fluchtpunkt zur (Um-)Deutung der Vergangenheit dient und dass Akteure Geschichtsbücher als Medien verstanden, diese prospektive Geschichtsdeutung an die nachfolgende Generation weiterzugeben (vgl. in Auswahl Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2011; Assmann, Aleida; Frevert, Ute: Geschichtsvergessenheit – Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945. Stuttgart 1999; Jähner, Harald: Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945–1955. Berlin 2019; Kershaw, Ian: Achterbahn. München 2018; Reichel, Peter u. a.: Der Nationalsozialismus – die zweite Geschichte. Überwindung, Deutung, Erinnerung. München 2009). Erschreckend –und zugleich ein möglicher Erklärungsansatz– ist angesichts der Geschichtsdeutung der Gutachterin, dass sie 1939 an der Universität zu Köln mit einer Arbeit über Preußen und England in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts promovierte. Aus forschungspragmatischen und methodischen Gründen kann diese Arbeit nicht für alle beauftragten Gutachter beleuchten, inwiefern ihr Geschichtsbild mit ihrer akademischen (und politischen) Sozialisation verbunden ist. Dieses Beispiel macht jedoch deutlich, welchen aussagekräftigen Quellenbestand die Akten der Kultusministerien darstellen und dass auch sie Spiegel zeitgenössischer Diskurse und Geschichtsdeutungen sind. Die

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Forderung nach einer Zukunftsperspektive verknüpfte das Gutachten mit einer Distanzierung von der jüngsten Vergangenheit. Vor den Erfahrungen der Vergangenheit wurde die Zukunft den Schülern als ein Ort voller Möglichkeiten beschrieben, den sie gestalten und mitbestimmen können, sodass er sich deutlich von den Erfahrungen der Vergangenheit ablöste. Orientierung für diese Gestaltungsmöglichkeiten bot dabei auch das Thema ›Europa‹, so P. in ihrem Gutachten, da auch Westdeutschland durch den Zusammenschluss der europäischen Staaten wieder »in die Gemeinschaft der Völker europäischer Kultur«1585 integriert werden solle. Mit ihrer Beschreibung führte die Gutachterin die Zukunftserzählung des Autorentextes fort, indem sie den Fortgang der Integration Westdeutschlands in die Europäische Union erzählte. 1961 prüfte P. erneut ein Geschichtsbuch, den Band »Um Volksstaat und Völkergemeinschaft«, wobei ihre Ausführungen zur Zukunft etwas reduzierter ausfielen. Sie erwähnte in ihrer Beurteilung, dass das Buch mit der Mahnung schließe, »den Entwicklungsländern nicht nur materiell, sondern vor allem durch Errichtung von Schulen etc. zu helfen.«1586 Weiter kommentierte sie jenen Abschnitt des Autorentextes nicht, sodass ihre Erwähnung jener Passage in ihrem Gutachten als lobende Zustimmung verstanden werden kann. Die Gutachterin stimmte mit dem Autorentext überein, die Aufgaben im Bereich der Entwicklungshilfe zu benennen und den Schülern aufzuzeigen. Der Gutachter S. prüfte 1952 im Auftrag des Mainzer Kultusministeriums das Geschichtsbuch »Geschichte der neuesten Zeit« und widmete sich in seiner Beurteilung ausführlich den Beschreibungen künftiger Entwicklungen. »Eingehend« zeige der Autorentext »die Einstellung der europäischen und außereuropäischen Mächte zu brennenden Problemen, wie bei dem sich immer mehr steigernden Wettkampf die Zahl der wirklichen Weltmächte sich immer mehr vermindert und schließlich die Auseinanderansetzung zwischen Ost und West heute das Kernproblem darstellt.«1587 S. fasste die Darstellung des Textes zusammen und lobte diese. Nach der Schilderung dieses sich künftig weiter zuspitzenden Konflikts beschrieb S. auch, welche Möglichkeit der Autorentext aufzeige, um eine friedliche Zukunft zu bewahren. Durch die Lektüre des Textes gelange man zu der Überzeugung, »daß unsere abendländische Kultur nur gerettet werden kann, wenn die europäischen Völker endlich alle früheren Gegensätze begraben, sich zu der Erkenntnis durchringen, daß der an und für sich verständliche, aber letzten Endes nicht ausschlaggebende Zwist Erforschung der Bildungsministerien und ihrer personellen Strukturen stellt noch ein großes Forschungsdesiderat dar, denn bisher liegt noch keine Untersuchung der personellen Strukturen der Kultusministerien nach 1945 vor. 1585 Ebd. 1586 Gutachten P., 17. 7. 1961, S. 6, LHA RP 910/1547. 1587 Gutachten S., 20. 8. 1952, LHA RP 910/1544.

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der einzelnen europäischen Nationen untereinander überwunden werden und durch Zusammenschluß verhindert werden muß, daß Europa im Kampf zwischen Ost und West zerrieben wird, daß wir aber auch nur zusammen mit dem uns wesensverwandten Westen dem Osten ein energisches »Halt!« zurufen können.«1588

Auch S. schloss sich durch Verwendung des Pronomens ›uns‹ in die Erzählgemeinschaft ein und teilte das Narrativ des Autorentextes: Europa solle sich als dritte Kraft zusammenschließen und die Bedrohung durch den Kommunismus abwehren. Der Gutachter griff in seiner Beurteilung die Themen und die Erzählstruktur des Autorentextes auf und bekräftigte sie durch seine Ausführungen sowohl inhaltlich als auch strukturell. Die beiden Texte, Darstellungstext im Schulbuch und ministerielles Gutachten, stimmten sowohl darin überein, dass den Schülern die Zukunft erzählt wird und sie waren sich zum anderen auch über die Inhalte dieser Erzählungen einig. Die Autoren beider Texte explizierten ihr implizites Wissen über das Leistungsvermögen eines Geschichtsbuches und die Zukunft. Sie extrapolierten den zeitgenössischen Diskurs einer Bedrohung durch den kommunistischen Osten Europas von der Gegenwart in die Zukunft und verknüpften damit narrativ den Zusammenschluss der europäischen Staaten als notwendiges Gegengewicht, um den Frieden in Europa zu bewahren. Der Gutachter erfüllte mit seinen Ausführungen, die zwei Drittel seines Gutachtens einnahmen, die Anforderung, das Buch auf die Verwendung im Unterricht zu überprüfen, nur begrenzt. Zwar beschäftigte er sich im weiteren Verlauf seiner Betrachtung noch mit der Frage, ob es dem Buch gelinge, die Notwendigkeit einer internationalen Perspektive deutlich zu machen, doch begründete S. sein Urteil nicht mit der methodischen Anlage des Textes oder inhaltlichen Aspekten, sondern mit einer Formulierung aus dem Vorwort des Buches. Damit war das Gutachten eher eine Ausführung der Notwendigkeit von Zukunftsnarrationen in Autorentexten denn eine valide Überprüfung eines Unterrichtsmediums. Für die Analyse dieser Arbeit ist es hingegen ein eindrückliches Beispiel dafür, inwieweit die Akteure darin übereinstimmten, die Zukunft für Schülerinnen und Schüler zu entwerfen. Kürzer als S. lobte auch der Gutachter M. die Zukunftsnarrationen, indem er die Narrative des Autorentextes in seinem Gutachten zu »Unser Weg durch die Geschichte« aufgriff. Es stelle einen lobenswerten Unterschied dar, dass nicht Deutschland und seine Zeitgeschichte im Mittelpunkt stünden, sondern »die Zweiteilung der Welt in zwei große ideologische und politische Blöcke mit neuen totalen Möglichkeiten auf dem Gebiete der Technik, die Gefahr oder Chance bedeuten können.«1589 Der Gutachter schloss sein Urteil mit der Zusammen-

1588 Ebd. 1589 Gutachten M., 10. 3. 1972, S. 2, LHA RP 910/14872.

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fassung der Darstellungsweise ab: Durch seine »objektive Haltung«1590 werde das Buch »zur Gesittung und Verantwortungsbereitschaft«1591 beim Schüler führen. Auch der bayerische Gutachter G. griff 1958 das Narrativ ›Bedrohung durch den Kommunismus‹ auf, als er das Geschichtsbuch »Europa und die Welt« prüfte. Die Erklärung »des Materialismus und seiner Gefahren für den Menschen der Gegenwart«1592 sei eine »sehr ansprechende Leistung«1593, so der Gutachter. Explizit beschrieb und lobte 1963 die Gutachterin O. die Verknüpfung der drei Zeitebenen im Autorentext in »Geschichte unserer Welt, Band 3«. Die Zeitebenen Vergangenheit und Gegenwart seien »so lebendig miteinander verbunden«1594, dass »dadurch Aufgabe und Herausforderung der Gegenwart für die Zukunft beleuchtet«1595 würden. Auch der zweite Gutachter F. aus RheinlandPfalz, der mit der Prüfung des Buches beauftragt wurde, stellte diesen Aspekt heraus. F. lobte, dass »von der Vergangenheit zur Gegenwart […] bei jeder sich bietenden Gelegenheit Brücken geschlagen«1596 würden, was die Funktion erfülle, dass der Schüler erkenne, »daß die Vergangenheit in die Gegenwart und diese in die Zukunft fortwirkt, daß von unseren Taten, unserem Verantwortungsgefühl das Wohlergehen kommender Geschlechter abhängt, wenn auch der einzelne nur ein kleines Teilchen des Ganzen verkörpert.«1597 An diesem Kommentar zum didaktischen Konzept des Autorentextes und der Funktion der Zukunftsnarrationen wurde ein Aspekt deutlich, der sich (besonders in Bezug auf historische Themen, weniger allerdings auf didaktische Konzepte) in zahlreichen anderen Gutachten finden lässt: die Ausführungen des Gutachters, die seine eigene fachliche oder methodische Kompetenz zeigen. Neben dem Lob für die Gestaltung des Autorentextes verstand es der Gutachter als seine Aufgabe, die vermeintlichen fachwissenschaftlichen oder fachdidaktischen Hintergründe und Konzepte aufzuzeigen und auszuführen. Ein ähnlich lineares Geschichtsverständnis, das die drei Zeitebenen strukturell miteinander verband, zeigte sich auch 1964 in der Überprüfung des rheinland-pfälzischen Gutachters A. des Geschichtsbuches »Mensch und Gemeinschaft in Geschichte und Gegenwart«. Die Verbindung der drei Zeitebenen wurde ähnlich explizit hervorgehoben, als der Gutachter den erzieherischen Mehrwert und den Zusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wie folgt summierte: »Nur wer unsere Verhältnisse erkennt, wie sie geworden 1590 1591 1592 1593 1594 1595 1596 1597

Ebd. Ebd. Gutachten G., 31. 1. 1958, S. 3, BayHStA MK 63836. Ebd. Gutachten O., 11. 3. 1963, S. 1, LHA RP 910/14870. Ebd. Gutachten F., 21. 4. 1963, S. 1, LHA RP 910/14870. Ebd.

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sind, der wird positiv an ihnen weitergestalten können, um Fehler der Vergangenheit in der Zukunft zu vermeiden.«1598 Damit äußerte sich der Gutachter unabhängig vom Autorentext und legte sein Verständnis von der Aufgabe des Geschichtsunterrichts dar. Vor der Erfahrung der Vergangenheit solle die Zukunft besser werden – die Schülerinnen und Schüler sollten aus der Vergangenheit lernen. Gutachter H. betonte 1952 diesen Verlauf von der Vergangenheit in die Zukunft, insofern als die »Einsicht in unser Schicksal […] für Gegenwart und Zukunft verpflichtet.«1599 Dieses Verständnis der Funktion des Geschichtsunterrichts teilten Gutachter der 50er-und der 60er-Jahre. Bereits im einleitenden Satz legte der Gutachter G. in der Beurteilung des Buches »Unser Weg durch die Geschichte« die wesentliche Aufgabe des Geschichtsunterrichts fest, der demnach auch die Gestaltung der Unterrichtsmedien zu folgen habe: »Die Vergegenwärtigung und Verlebendigung des Geschichtsstoffes, seine Aktivierung zum geschichtlichen Denken und Handeln des Schülers«1600. Den Bezug zur Gegenwart stellten zu Beginn der Schulbuchkapitel entsprechende »Fragen über gegenwärtige Verhältnisse«1601 her, sodass die Vergangenheit zur Alteritätsfolie der Gegenwart wurde. Auch die abschließenden Fragen am Ende der Kapitel »zu den schwierigen Problemen der Gegenwart«1602 lobte Gutachter A. und urteilte abschließend, dass das Buch dem Schüler »beim Austritt aus der Schule weiterhin auf seinem Weg in die Gemeinschaften des Lebens beste Dienste«1603 leisten könne. Zur Vorbereitung auf diese zukünftige Aufgabe leiste auch das Geschichtsbuch »Geschichte für Mittel- und Realschulen« einen Beitrag, so der Gutachter W. in seinen Ausführungen. Der Autorentext des Buches trage dazu bei, »jungen Menschen des Jahres 1965 den Zugang zur Geschichte und damit zu ihrem eigenen Selbstverständnis aus Gewordenem im Blick auf die Zukunft zu vermitteln.«1604 Zum gleichen Geschichtsbuch legte der Gutachter W. seine Beurteilung vor und er nahm ebenfalls Bezug auf die Zukunftsnarrationen des Buches: Es entspreche »der Notwendigkeit einer intensiven Beschäftigung mit den neuesten Ereignissen der neuesten Zeit, um die heranwachsende Generation zum Verstehen und Begreifen der Gegenwart heranzuführen, ohne das ein sinnvolles Handeln in die Zukunft hinein nicht möglich ist.«1605 Auch der dritte Gutachter in diesem Zulassungsverfahren lobte das Geschichtsbuch für seine Gegenwarts- und Zukunftsbezüge: es leiste »die dringend erforderliche 1598 1599 1600 1601 1602 1603 1604 1605

Gutachten A., 3. 8. 1964, S. 1, LHA RP 910/14870. Gutachten H., 27. 10. 1952, LHA RP 910/4602. Gutachten G., 29. 11. 1951, LHA RP 910/14869. Ebd., S. 2. Ebd. Ebd. Gutachten W., 8. 12. 1964, S. 1, LHA RP 910/15015. Gutachten W., 7. 12. 1964, S. 1, LHA RP 910/15015.

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Erziehung zu einem verantwortungsbereiten geschichtlichen Bewußtsein«.1606 Das Handeln der Schülergeneration zu evozieren beschrieb 1968 auch die Gutachterin N. als Aufgabe des Geschichtsunterrichts und des Geschichtsbuches. Für das Geschichtsbuch »Geschichte der neuesten Zeit« sollte das Institut für Zeitgeschichte ein Gutachten anfertigen, was an die Mitarbeiterin des Instituts S.N. übertragen wurde. Sie urteilte, dass das Buch »neben der ausführlichen Darstellung der neuesten deutschen Geschichte auch die wichtigsten neueren historischen Entwicklungen in der ganzen Welt berücksichtigt.«1607 Die Gutachterin lobte den Autorentext, der eine Perspektive auf die Zukunft entwickele, die von »Erzittern in Angst vor einem dritten Weltkrieg«1608 geprägt ist, da gegenwärtig die Welt »von Angst und Schrecken«1609 erfüllt sei. In Bezug auf die Funktion des Geschichtsbuches stimmte das Gutachten dem Autorentext zu, in den jungen Menschen »eine fest demokratische Grundhaltung zu wecken, die mitentscheidend […] für die Zukunft«1610 sein solle. Ein Bezug zur Zukunft wurde demnach zweifach hergestellt: Zum einen in der Funktionalität des Unterrichtsmediums Geschichtsbuch, zum anderen in der inhaltlichen Gestaltung des Autorentextes, der Aussagen über die künftige Entwicklung trifft. Der zweite Gutachter in diesem Verfahren K. stellte diese didaktische Funktion des Buches am Ende seines Gutachtens in Frage, indem er erörterte, ob »am Schluß eines Geschichtsbuches ein Aufruf an die deutsche Jugend am Platz«1611 sei. Über diese Anmerkung ging K.s Kritik in diesem Punkt nicht hinaus, doch es wurde deutlich, dass ihm diese appellativen Elemente des Textes auffielen und er reflektierte, inwiefern sie Teil eines Schulbuches sein sollten. Sicherer im Urteil über die Funktion des Schlusses des Autorentextes waren die Gutachter in den folgenden Beispielen. Der bayerische Gutachter B. stellte 1958 in der Beschäftigung mit dem Buch »Geschichtliches Werden« fest, dass »abschließende Hinweise auf Männer des Friedens bzw. Helfer der Menschheit«1612 zu den allgemeinen erzieherischen Möglichkeiten des Geschichtsunterrichts beitragen könnten und daher auch Teil des Geschichtsbuches sein sollten, so der Gutachter. Damit referierte er auf die Zukunft der Schüler und die lebenspraktische Verwendung von Geschichte, der auch das Geschichtsbuch dienen müsse. Auch für den Schluss des Geschichtsbuchs »Geschichte für Mittelschulen, Band 4, Neueste Zeit« »erhofft man einige ermunternde und richtungsweisende Aus-

1606 1607 1608 1609 1610 1611 1612

Gutachten H., 24. 1. 1965, S. 1, LHA RP 910/15015. Gutachten N., 20. 3. 1968, BayHStA MK 64263. Geschichte der Neuesten Zeit, 1962, S. 5. Ebd., S. 139. Ebd., S. 6. Gutachten K., 28. 3. 1968, S. 10, BayHStA MK 64263. Gutachten B., 26. 2. 1958, S. 5, BayHStA MK 64256.

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blicke«1613, so die Forderung des Gutachters H. nach einer Überarbeitung. Dem Schlussteil des Autorentextes maßen die Gutachter eine besondere Funktion bei, nämlich die Schüler auf die Zukunft vorzubereiten. Dies solle durch Handlungsanweisungen oder Warnungen geschehen, bei denen das künftige Handeln der Schüler im Mittelpunkt stehe und die zugleich die Funktion der Geschichte dafür reflektiert werde. Den Mehrwert, zur »eigentätigen Gewinnung von Erkenntnissen und Einsichten für Gegenwart und Zukunft«1614 beizutragen, betonte auch der rheinland-pfälzische Gutachter H. in seinem Gutachten für das Geschichtsbuch »Wir erleben die Geschichte«. Aussagen des Autorentextes, die eine inhaltliche Deutung der Zukunft vorgeben, wurden im Gutachten als Möglichkeiten zur Schaffung von Orientierung bezeichnet. So beschrieb das Buch, dass kein Zweifel bestehe, dass die UdSSR »weitere Länder – vor allem Deutschland – in ihre Gewalt […] bringen«1615 wolle. Auch in Bezug auf das Thema ›Atomkraft‹ skizzierte der Autorentext eine Bedrohungssituation, indem sich die Menschheit künftig »für den Aufbau oder die Zerstörung entscheiden«1616 müsse, wenn mit Atomkraft umgegangen werde. Die »Kräfte des Wissens und der Verantwortung«1617 seien angesichts des technischen Fortschritts von großer Bedeutung für die Zukunft. In H.s Gutachten wurden diese Passagen des Autorentextes als orientierungsstiftende Element verstanden und gelobt. Dass sie gleichsam eine Deutung der Zukunft und eine gewisse narrative Struktur aufwiesen, wodurch eine Orientierung ohne vorgegebenen Deutungsrahmen nicht möglich ist, reflektierte der Gutachter nicht. Zusammenfassend bezog sich das Lob der Gutachter für die Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern auf zwei Aspekte: Sie stimmten zum einen der inhaltlichen Gestaltung der Texte zu, indem die dort verwendeten Narrative in den Gutachten wieder aufgegriffen wurden. Darüber hinaus bezogen sich die Gutachter in die Erzählgemeinschaft der Geschichtsbücher mit ein, indem sie entsprechend fokalisierte Formulierungen verwendeten. Zum anderen verstanden sie die Zukunftsnarrationen als Umsetzung der Aufgabe der Schule und im Besonderen des Geschichtsunterrichts, »im Hinblick auf die staatspolitische Erziehung«1618 der Schülerinnen und Schüler einen wichtigen Betrag zu leisteten. Als eine Form des Lobes der Zukunftsnarrationen sollen auch diejenigen Gutachten verstanden werden, in denen Zukunftsbezüge von den Gutachtern eingefordert wurden, wie dies bei neun Gutachten der Fall war. Diesem Verständnis nach sei es im Geschichtsbuch wichtig, inhaltliche und funktionale 1613 1614 1615 1616 1617 1618

Gutachten H., 2. 5. 1963, S. 3, BayHStA MK 64272. Gutachten H., 18. 1. 1967, S. 1, LHA RP 910/14872. »Wir erleben die Geschichte«, 1968, S. 242. Ebd., S. 249. Gutachten H., 18. 1. 1967, S. 1, LHA RP 910/14872. »Wir erleben die Geschichte«, 1968, S. 249.

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Bezüge zur Zukunft herzustellen. Seine Verbesserungsvorschläge für das Geschichtsbuch »Unsere Geschichte – unsere Welt« beruhten dem Gutachter E. zufolge darauf, dass er als Gutachter »für den Fall, daß das Buch erscheint, eine gewisse Mitverantwortung«1619 übernehmen müsse. Seine Vorschläge betrafen sowohl Kürzungen wie auch die Forderung, daß »das diplomatische Vordringen der Sowjetunion (Eintritt in den Völkerbund) und die Annäherung der USA an die UdSSR erwähnt und weltpolitisch erklärt werden müßte.«1620 Der Beurteilung der gegenwärtigen internationalen Position müsse ein Platz eingeräumt werden und im Gegenzug dazu könnte man dafür »die innerdeutsche Entwicklung etwas kürzer fassen.«1621 Die Forderung nach der ausführlicheren Darstellung der Ereignisse, deren Entwicklungsprozesse bis in die Gegenwart anhielten und sich in die Zukunft fortsetzten, fand sich auch 1968 in K. Gutachten zu »Geschichte der neuesten Zeit«. In Bezug auf die drei Themenkomplexe: Die »Bedeutung der farbigen Völker«1622, die Geschichte Chinas und Indiens sowie die Entstehung der »Spannungen innerhalb der kommunistischen Welt«1623 sollten die Entwicklungen ausführlicher dargestellt werden, so der Gutachter. Das gänzliche Fehlen von Zukunftsbezügen monierten die Gutachter ebenfalls. Der rheinland-pfälzische Gutachter H. kritisierte 1974, dass am Ende der Kapitel des Geschichtsbuches »Geschichte – Neueste Zeit« »Denkanstöße oder Unterrichtseinheiten«1624 fehlten, »die den Schülern eine Verbindung der geschichtlichen Fakten und Zusammenhänge mit den Entscheidungsfragen der Gegenwart und Zukunft aufzeigen könnten.«1625 Diese Verbindung könne nicht nur das Interesse der Schüler am Geschichtsunterricht fördern, sondern sei auch »die Notwendigkeit eines neuzeitlichen Geschichtsunterrichts«1626, so der Gutachter weiter. Die Vorbild- und Orientierungsfunktion des Geschichtsunterrichts verbanden einige Gutachter mit der Darstellung von Biographien historischer Akteure, die sich für den Frieden oder Völkerverständigung einsetzten, wie z.B: Gandhi oder Albert Schweitzer. 1964 forderte der Gutachter R. als Teil des Darstellungstextes des Schulbuches »Geschichte der neuesten Zeit von 1850 bis zur Gegenwart« »eine größere positive Leistung oder eine politische Persönlichkeit,

1619 1620 1621 1622 1623 1624 1625 1626

Gutachten E., 7. 9. 1959, S. 4, BayHStA MK 63835. Ebd. Ebd. Gutachten K., 28. 3. 1968, S. 7, BayHStA MK 64263. Ebd. Gutachten H., 6. 9. 1974, S: 2, LHA RP 910/15014. Ebd. Ebd.

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zu der man Ja sagen könnte«1627 hinzuzufügen. Der Autorentext des Buches lasse nämlich diese optimistischen Ausblicke auf die Zukunft vermissen: »Bei aller berechtigten Kritik gegenüber unserer Geschichte der letzten 100 Jahre scheint es aber nicht vertretbar, die jungen Menschen mit einem derartigen Pessimismus in die Geschichte der Zukunft zu entlassen«1628, so der Gutachter. Von zentraler pädagogischer Bedeutung schien es den Gutachtern also, dass der Autorentext die Schülerinnen und Schüler Vorbilder für ihr zukünftiges Handeln liefere. Neben solchen Ausführungen auf der strukturellen Ebene der Zukunftsnarrationen äußerten einige Gutachter auch Kritik, dass jene Abschnitte inhaltlich nicht vollständig seien oder ergänzt werden müssten. Die Erläuterungen dieser Monita verdeutlichen, welche Erwartungen die Gutachter an die Geschichtsbücher stellten. Inhaltliche Korrekturen zu den Abschnitten zur jüngsten Vergangenheit nahm ein Gutachten zum Geschichtsbuch »Geschichtliches Werden« vor. Der Gutachter B. kritisierte, dass ein Geschichtsbuch sich »zum Kulturleben der Gegenwart«1629 äußern und »kennzeichnende Einzeltatsachen auf dem technisch-physikalischen Sektor«1630 darstellen solle. Er forderte auch die Einbeziehung der Ereignisse der jüngsten Vergangenheit, besonders der Ereignisse des Jahres 1956 sowie einiger abschließender Hinweise »auf Männer des Friedens bzw. Helfer der Menschheit«1631. In einer gesonderten Auflistung führte B. konkrete Formulierungen an, die überarbeitet werden sollten. Er benannte sprachliche und inhaltliche Alternativen, wie beispielsweise die Korrektur der Formulierung »Umsiedlung…von 12 Millionen volksdeutsche Flüchtlinge«1632 für die er als Abänderung »Eingliederung von 12 Millionen Heimatvertriebener aus dem ostdeutschen Raum und aus Osteuropa«1633 vorschlug. Auf der sprachlichen Ebene verdeutlichte dieser Formulierungsvorschlag die gewünschte prospektive Orientierung. Sprachlich wurde zugleich durch das Substantiv ›Eingliederung‹ zugleich die Zukunft als gestaltbarer Zeitraum dargestellt und die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler beschrieben. Auch der bayerische Gutachter S. kritisierte in seiner Beurteilung die Zukunftsdeutung in »Geschichte für Realschulen, Band 4«. Im Autorentext müsse in Bezug auf das Verhältnis von Industrie- und Entwicklungsländern das »euphorische und illusionäre Bild vom ›verstärkten‹ Handel […] eliminiert und der 1627 1628 1629 1630 1631 1632 1633

Gutachten R., 1. 4. 1964, S. 3, BayHStA MK 63825. Ebd. Gutachten B., 26. 2. 1958, S. 5, BayHStA MK 64256. Ebd. Ebd. Ebd., S. 9. Ebd.

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Realität angepaßt werden, die in einer ständig zunehmenden Vergrößerung der Schere zwischen armen und reichen Ländern besteht.«1634 Die Korrektur veränderte die Zukunftsperspektive und wandte sie von der Möglichkeit der Annäherung der Lebensstandards durch wirtschaftliche Zusammenarbeit hin zu einem dauerhaften krisenhaften Zustand und einer Verschärfung der Unterschiede. Als Quelle für seine Korrektur gibt Gutachter S. die »Realität« an, was er auf allgemeiner Ebene ausführt. So herrsche in der EG ein Nahrungsmittelüberschuss, während »die strukturelle Hungersituation […] ein wesentliches Charakteristikum der Entwicklungsländer und ein großes moralisches und politisches Problem unserer Welt«1635 sei. Mit dieser Begründung für seine Korrektur dachte der Gutachter die gegenwärtige Situation ohne jede Möglichkeit zur Veränderung in die Zukunft weiter und nahm statt einer potentiellen Verbesserung eher nur die Verschlechterung der Situation an. Seinen zweiten Kommentar begründete der Gutachter nicht. S. kritisierte die Formulierung im Geschichtsbuch, dass die Ost-West-Spannung angesichts des Nord-Süd-Konflikts verblasse, als »recht gewagte These, die den Machtfaktor in der politischen Auseinandersetzung zumindest unterschätzt.«1636 Anders als bei seinem ersten Einwand wurde an dieser Stelle kein Verbesserungsvorschlag unterbreitet, sondern lediglich ohne Angabe von Argumenten der Autorentext kritisiert. Für das Geschichtsbuch »Vom Imperialismus bis zur Gegenwart« schlug der Gutachter J., der das Buch für das Institut für Zeitgeschichte in München prüfte, eine alternative Formulierung der Zukunftsnarration vor. Die Bewertung des Fortgangs des Konflikts zwischen Israel und Palästina könne lauten, dass »aber ein Ausgleich zwischen Juden und Arabern […] angesichts der verhärteten Fronten vorerst nicht zu erwarten«1637 sei. Hinter dieser Formulierung notierte der Gutachter »(Vorschlag)«1638, wodurch sich diese letzte Anmerkung von allen anderen unterscheidet. Auf den übrigen 14 Seiten seiner Auflistung von Sätzen oder Wörtern, für die er alternative Vorschläge unterbreitet, war seine Kritik verbindlich. Lediglich in Bezug auf die Zukunftsnarration des Konflikts im Nahen Osten räumte der Gutachter ein, seine Korrektur als Möglichkeit zur Umformulierung und nicht als Bedingung zu verstehen. Dieser Umgang mit diesem besonderen Abschnitt des Autorentextes zeigt, dass die Akteure nicht vor einem wissenschaftlich begründeten oder politisch durch Lehrpläne vorgegebenem Rahmen korrigierten, sondern in ihren Forderungen und Urteilen selbstständig agierten. Daher bieten diese Abschnitte einen (Aus-) Handlungsspielraum von Deutungen, die einander als Vorschläge präsentiert wurden, die 1634 1635 1636 1637 1638

Gutachten S., 22. 1. 1973, S. 27, BayHStA MK 64268. Ebd. Ebd. Gutachten J. / Institut für Zeitgeschichte, 10. 6. 1972, S. 16, BayHStA MK 64261. Ebd.

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angenommen wurden oder nicht. Dass diese Formulierung nicht zu den verbindlichen Auflagen zur Überarbeitung des Geschichtsbuches zählte, nach der es erst zugelassen werden konnte, zeigt der Autorentext im gedruckten Buch. Die Zukunftsperspektive des israelisch-palästinensischen Konflikts lautet: »Aber Ende der 60er Jahre war ein Ausgleich noch nicht in Sicht. Noch immer behinderten die Verteidigungsaufwendungen der beteiligten Länder erheblich deren innere Entwicklung.«1639 Es ist aufgrund fehlender Quellen nicht möglich, zu rekonstruieren, ob die Formulierung »aber ein Ausgleich« vom Verlag aus dem Gutachten übernommen wurde. Deutlich wird nur, dass sich der Autorentext von dem Formulierungsvorschlag des Gutachters unterscheidet, woraus geschlossen werden kann, dass im Aushandlungsprozess um die Gestaltung des Autorentextes der gutachterliche Vorschlag vom Verlag nicht umgesetzt wurde. Das zweite Gutachten zu »Vom Imperialismus bis zur Gegenwart« lobte den Autorentext aus fachlicher Perspektive als »einwandfrei«1640. Es kann also angenommen werden, dass das Referat im Ministerium diesem Lob folgte und den Abschnitt als nicht korrekturbedürftig einstufte und daher nicht an den Verlag kommunizierte. Nach diesem grundsätzlichen Lob folgten einige Sätze mit Anmerkungen zur Stofffülle und der Beachtung der Heimatgeschichte, wie der bayerische Lehrplan es vorgab. Noch auf der ersten Seite der zehnseitigen Beurteilung beschäftigte sich der Gutachter K. mit den Zukunftsnarrationen. Er forderte, dass »einige Kapitel über gegenwärtige und zukünftige Probleme am Schluß des Buches zu ergänzen bzw. anzufügen«1641 wären. Einer stärkeren Ausrichtung des Buches auf die Zukunft entsprach auch die Anmerkung zur didaktischen Aufbereitung des Stoffes. So solle »das Wissen der Vergangenheit noch mehr untersucht und dargestellt werden im Hinblick auf Fragen, die für uns heute und in voraussehbarer Zukunft von Bedeutung sind.«1642 Diese Formulierung des Gutachters zeigte, dass auch er die Fokalisierung wechselt und narrativ eine Gemeinschaft derjenigen konstruiert, die in der Gegenwart handeln und auch in der Zukunft Verantwortung tragen werden. Daraus leitete er den Anspruch an das Geschichtsbuch ab, Fragen zu benennen und Herausforderungen zu beschreiben. Als Zeitrahmen für diese Prognosen wurde die »voraussehbare« Zukunft benannt. Dieses Verständnis implizierte, dass bestimmte gegenwärtige Entwicklungen sich sicher bis in Zukunft fortsetzten und daher benannt werden mussten. Es zeigte aber auch, dass der Gutachter eine Unterscheidung zwischen voraussehbaren und nicht-voraussehbaren zukünftigen Ereignissen traf. Erfahrungsbasierte Aussagen über sichere Entwicklungen 1639 »Spiegel der Zeiten. Band 4: Von der Russischen Revolution bis zur Gegenwart«, 1972, S. 207. 1640 Gutachten K., 14. 6. 1972, S. 1, BayHStA MK 64261. 1641 Ebd. 1642 Ebd., S. 2.

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sollten demnach die Kontingenz reduzieren. In seiner detaillierten und seitenbezogenen Auflistung mit Korrekturen und Ergänzungen unterbreitete der Gutachter K. auch Vorschläge für die Zukunftsnarrationen. In Form einer Liste führte er für das Kapitel »weltpolitische Probleme der Gegenwart«, auf welche »Ergänzungen erwünscht und notwendig über : Raumfahrt[,] RüstungswettlaufRüstungsbeschränkung – SALT![,] Bevölkerungsexplosion[,] Probleme der Städte – Umweltprobleme[,]Futurologie«1643 seien. Auch der rheinland-pfälzische Gutachter F. forderte für den Autorentext in »Mit eigener Kraft, Band 4« Ergänzungen im Hinblick auf die Beschreibungen der Zukunft. Der Autorentext erfülle die Forderungen des Lehrplans nicht im vollen Umfang, so der Gutachter : neben anderen Gesichtspunkten fehle auch »die Erhaltung und Pflege des Willens zur Wiedervereinigung«.1644 Mit dieser Forderung äußerte der Gutachter, dass das Thema ›Wiedervereinigung‹ im Autorentext fehle und es als Zukunftsziel benannt werden solle. Neben Lob und Zustimmung erfuhren die Zukunftsnarrationen allerdings in 13 Gutachten auch Kritik. Dabei muss unterschieden werden, dass lediglich zwei Gutachten grundsätzlich ablehnten, dass überhaupt Zukunftsszenarien in Geschichtsbüchern vorkamen. Der bayerische Gutachter H. positionierte sich in seiner Beurteilung des Buches »Geschichte für Realschulen, Neueste Zeit, Band 4« eindeutig gegen Zukunftsnarrationen in Autorentexten. »Vorläufige Pläne […] und vage Zukunftsprognosen […] haben in einem wissenschaftlichen Werk wenig verloren«1645, so H. und bezog seine Entscheidung auf zwei Beispiele aus dem Autorentext. Durch sein Gutachten wird H.s Verständnis der Funktion und der Aufgabe des Geschichtsbuches deutlich: Es solle dem Schüler wissenschaftlich korrekte Informationen über die Vergangenheit liefern und keine Prognosen über den weiteren Verlauf der Ereignisse beinhalten. Grundsätzliche Kritik an den Zukunftsnarrationen äußerte 1974 auch der rheinland-pfälzische Gutachter S.: In diesen Teilen des Autorentextes des Buches »Die Reise in die Vergangenheit« werde »teilweise kein fundiertes historisches Material geboten, das Denkanstöße auslösen könnte, hier treten z. T. Behauptungen an die Stelle von Informationen«1646. Außerdem lasse der letzte Teil des Geschichtsbuches mitsamt den Zukunftsnarrationen »die dem Historiker gebotene Zurückhaltung etwas vermissen«1647. Damit benannte S., dass sich für die Beschreibungen von Gegenwart und Zukunft in den Geschichtsbüchern keine Vorgaben in den Lehrplänen finden lassen. Einen pädagogischen Sinn zwischen der Beschäftigung mit der Vergangenheit und Verbindungen zur Gegenwart und Zukunft 1643 1644 1645 1646 1647

Ebd., S. 9. Gutachten F., 12. 5. 1961, S. 1, LHA RP 910/14869. Gutachten H., 28. 5. 1972, S. 4, BayHStA MK 64256. Ebd. Ebd., S. 1.

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konnte der Gutachter dem Geschichtsbuch nicht entnehmen. In seiner Argumentation wird ein Geschichtsverständnis deutlich, dass die Wissensvermittlung über Ereignisse der Vergangenheit in den Mittelpunkt rückt und weniger Gegenwartsbezüge herstellt. Die übrigen Gutachten kritisierten die inhaltliche Gestaltung der Zukunftsbeschreibungen und schlugen Korrekturen vor. Der vom bayerischen Kultusministerium beauftragte Gutachter L. monierte den abschließenden Autorentext in »Fragen an die Geschichte«, der fragt, ob der lateinamerikanische Revolutionär Che Guevara ein Vorbild für politisches Engagement und das Eintreten von Interessen sein könne: »Glauben die Autoren im Ernst, die Schüler kämen durch diesen Text zu einer Entmythologisierung, Entidolizierung? Was aber wollen die Autoren dann mit diesem Text? Den freiheitlichen Rechtsstaat der parlamentarischen Demokratie? Verweist der letzte Text des Buches auf die Zukunft – die Revolution? Die Entscheidung für ein Geschichtsbuch ist auch ein politischer Akt«1648,

schloss L. seine ausführliche Beurteilung des Schlussteils des Buches, bevor er zum Gesamturteil übergeht. Damit kritisierte der Gutachter sowohl die Aussage des Textes aufgrund seiner Position am Ende des Buches wie auch die inhaltliche Gestaltung. Den Ausführungen des Gutachters ist eindeutig zu entnehmen, dass er mit einer Revolution als möglichem Zukunftsentwurf nicht einverstanden war. Dass die Zukunft aber überhaupt zum Thema des Geschichtsbuches wurde, kritisierte der Gutachter nicht. Der Autorentext in »Wurzeln der Gegenwart« gab dem rheinland-pfälzischen Gutachter M. 1962 Anlass zur Kritik. So stelle der Verfasser des Geschichtsbuches über den Staat Israel »eine völlig unbewiesene Behauptung auf, die in ihrer Auswirkung – sollte sie bekannt werden – unangenehme Folgen haben könnte«.1649 M. zitierte den Autorentext, in dem geschildert wurde, dass immer mehr Juden nach Israel zögen, sodass das Land irgendwann zu klein werde und Israel nach territorialer Ausdehnung strebe. Gutachter M. monierte dieses Zukunftsszenario und seine möglichen politischen Folgen, sollte es in einem deutschen Geschichtsbuch erscheinen, und schlug seine ersatzlose Streichung vor. Die Vergangenheitserfahrungen mit Expansionsbestrebungen sowie das besondere politische Verhältnis zu Israel veranlassten den Gutachter vermutlich, ein solch spekulatives Zukunftsszenario zu streichen. Der bayerische Gutachter K. urteilte 1964 über »Bilder aus deutscher Geschichte, Neuzeit und Gegenwart«, dass die »Gegenwartskapitel […] in einer gewissen Lückenlosigkeit f.d. Volksschule zu weit«1650 gingen und »hier […] 1648 Gutachten L., 14. 11. 1973, S. 11–12, BayHStA MK 63831. 1649 Gutachten M., 31. 8. 1962, S. 4, LHA RP 910/14869. 1650 Gutachten K., 21. 6. 1964, S. 4, BayHstA MK 64520.

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doch stark gekürzt werden«1651 dürfe. Als Begründung führte er zwei knappe Sätze an, die begründen, warum er für die Voraussagen keinen Platz im Geschichtsbuch sah: »Wir bewegen uns auch auf einem unsicheren Boden. Widerruf ist hier täglich möglich.«1652 Mit dieser Begründung empfahl der Gutachter die Streichung der Aussagen über den Fortgang in die Zukunft hinein. In seinem abschließenden Urteil hob K. hervor, dass »die Zeitgeschichte und die politische Gegenwart […] stark ausgebaut dargestellt worden«1653 seien. Nimmt man die beiden Formulierungen zusammen, wird deutlich, dass der Gutachter die Aussagen des Autorentextes zu den drei Zeitebenen differenziert beurteilte. Ihm waren die Unterschiede und Trennlinien bewusst, die eine Beschreibung der Gegenwart von einer Prognose für die Zukunft unterscheiden. Gleichzeitig reflektierte er die Unsicherheit der Aussagen über die Zukunft angesichts der möglichen Veränderungen. Auch der rheinland-pfälzische Gutachter V. monierte 1954 in seinem Gutachten zu »Geschichtliches Unterrichtswerk, Band IV«, es sei »untunlich, die Geschichte bis in die allerjüngste Gegenwart zu verfolgen.«1654 Dieser Kritik schloss sich auch der Gutachter G. an, der Aussagen über die Zukunft als »falschverstandene Aktualität«1655 bewertete. Jene Unterrichtseinheiten des Autorentextes in »Geschichtswerk für Realschulen, Band 4« waren seiner Auffassung nach, oder wie er es im Gutachten beschrieb, »vom Standpunkt des Historikers« aus, nicht haltbar. Zeitgeschichtliche Betrachtungen sollten nicht »bis in die unmittelbaren Tagesereignisse reichen«1656, sodass er 1972 vorschlug, im Geschichtsunterricht mit der Behandlung des Jahres 1968 zu enden. Auch diesem Gutachter waren die Teile des Autorentextes aufgefallen, die sich mit der Zukunft beschäftigten und Voraussagen umfassten. Neben dieser grundsätzlichen Kritik am Erscheinen dieser Narrationen schlug er Umbenennungen für die betreffenden Kapitel vor. So solle die Überschritt »statt ›Weltprobleme…‹ ›Krisenmöglichkeiten der Gegenwart‹«1657 heißen. Eine inhaltliche Korrektur betraf eine weitere Unterrichtseinheit, in der die Raumfahrt ausgeklammert werden und dafür »Atomzeitalter und Abrüstung«1658 in den Mittelpunkt rücken sollte. Auch der rheinland-pfälzische Gutachter N. kritisierte 1974 in Bezug auf den Autorentext in »Geschichte für Realschulen, Band 4«, dass die Versuche, die Gegenwart im Schulbuch darstellen zu wollen, »schnell […] überholt sein können, wie […] beispielsweise auf S. 259/260, wo die Energie1651 1652 1653 1654 1655 1656 1657 1658

Ebd. Ebd. Ebd., S. 11. Gutachten V., 10. 10. 1954, S. 3, LHA RP 910/1545. Gutachten G., 27. 4. 1972, S. 3, BayHStA MK 64268. Ebd. Ebd., S. 4. Ebd.

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probleme unserer Welt (Erdöl – Kohle) angesprochen werden.«1659 N. betonte die Ambivalenz von Aussagen über die Gegenwart und wies darauf hin, dass diese Beschreibungen kein Urteil beinhalten sollten, um ein Überholen durch den Zeitgeist zu verhindern. Neben dieser Mahnung lobte er den Gegenwartsbezug und dass die Autoren bemüht seien, »die Auswirkungen der Ereignisse unseres Jahrhunderts für die Gegenwart anzudeuten.«1660 Der Gutachter Nu. war 1971 bereits von der Bezirksregierung Trier auch mit der Prüfung des Buches »Spiegel der Zeiten, Band 4« beauftragt worden und monierte da auch eine ähnliche strukturelle Schwäche des Autorentextes wie 1974: Es möge »nützlich«1661 sein, die Schüler »bis hin zur Gegenwart zu führen«1662, doch es werde damit auch deutlich, »wie schnell es überlebt sein mag.«1663 Am Beispiel der Ost-Verträge skizzierte er, dass gegenwärtig unklar sei, wie in etwa drei Jahren darüber geurteilt werde und würden »nicht dann für uns Punkte von Wichtigkeit sein, die jetzt als unwesentlich ausgelassen wurden?«1664 Der Gutachter N. aus RheinlandPfalz bemerkte 1971, dass die »Behandlung der aktuellen Politik […] zu unerlaubtem Vereinfachen«1665 führe. An Beispielen belegte er sein Urteil: Eine Aussage des Textes über die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft markierte N. durch eine Unterstreichung und äußerte so, dass er dem Autorentext nicht zustimmt: »Die deutliche Verbesserung der Lage des Landes und jedes einzelnen verdeckte vorerst die ungleichmäßige Vermögensverteilung und die Belastungen, die sich daraus für die zukünftige demokratische Entwicklung ergeben mußten [Hervorhebung im Original].«1666 Einen anderen Kritikpunkt benannte Gutachter M. im Zusammenhang mit seiner Beurteilung des Geschichtsbuches »Das Gesicht unserer Zeit«. So bedürften »die Gegenüberstellung unseres Wirtschaftssystemes [sic!] mit der Planwirtschaft und vor allem das Problem der Zukunft der Entwicklungsländer […] durch den Lehrer einer ergänzenden, erweiterten Behandlung.«1667 Er übte also nicht Kritik an den Zukunftsnarrationen, dass sie Teil des Geschichtsbuches seien, sondern daran, dass sie inhaltlich für die Schüler zu anspruchsvoll seien und der Erläuterung durch den Lehrer bedürfen. Ein anderes Gutachten, das das Kultusministerium in Mainz zu diesem Buch in Auftrag gegeben hatte, hob die Zukunftsnarrationen nicht hervor. Gutachter E. summierte die Teile des Textes 1659 1660 1661 1662 1663 1664 1665 1666 1667

Gutachten N., 11. 3. 1974, S. 3, LHA RP 910/15014. Ebd. Gutachten N., 26. 11. 1971, S. 2, LHA RP 910/15014. Ebd. Ebd. Ebd. Gutachten N., 12. 11. 1971, S. 1, LHA RP 910/15014. Ebd. Gutachten M., 15. 5. 1970, S. 1, LHA RP 910/14872.

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unter der Betrachtung der allgemeinen Situation der Bundesrepublik und den »geschichtlichen Weichenstellungen«1668. In seinem Gutachten beschränkte er sich darauf, das »Werden der Gegenwart«1669 zu beurteilen und äußerte kein Urteil über die Zukunftsbezüge. Die Ambivalenz, über das Zeitgeschehen in einem Geschichtsbuch Aussagen zu treffen und die Zukunft zu beschreiben, zeigte sich in einem Gutachten, in dem die Zukunftsbezüge sowohl gelobt wie auch kritisiert wurden: Dass »Ereignisse, die noch im Fluss sind, (wie die Nachkriegsgeschichte) Gegenstand eines Lehrbuches werden«1670, gehe zu weit, monierte 1951 der rheinland-pfälzische Gutachter Z. bei der Überprüfung des Geschichtsbuches »Europa weitet sich zur Welt, Europa in der Krise«. Gleichzeitig sei jedoch zu begrüßen, dass der Autorentext »der Entwicklung der Großmächte bis auf den heutigen Tag«1671 Beachtung geschenkt habe. An dieser Stelle soll auf die Kritikpunkte der Gutachter nicht näher eingegangen werden, sondern näher beleuchtet werden, wie mit den Monita im weiteren Verlauf des Zulassungsverfahrens umgegangen wurde. Der Analyse der Zukunftsnarrationen im ersten Kapitel dieser Arbeit lagen die gedruckten Ausgaben der Geschichtsbücher zugrunde, wie sie auch im Geschichtsunterricht verwendet wurden. Sie sind die Produkte des Zulassungsverfahrens, also nach Vorlage der Gutachten entstanden. Wie bereits dargestellt, selektierten und bewerteten die Mitarbeiter der Referate in den Ministerien die Gutachten. Sie stellten Übersichten zusammen, welche Monita der Gutachter in der Überarbeitung des Geschichtsbuches notwendigerweise Beachtung finden mussten, damit das Buch zugelassen werden konnte. Alle 13 Geschichtsbücher, auf die die Gutachter in ihrer Kritik hinwiesen, enthielten auch bei ihrer Veröffentlichung eine Zukunftsnarration. Daraus lässt sich schließen, dass in der Auswahl der Auflagen zur Überarbeitung der Geschichtsbücher die Monita an den dargestellten Prognosen für die weitere Entwicklung keine zentrale Rolle spielten. Dem Verständnis der Kultusministerien zufolge gehörten also jene Teile der Autorentexte nicht zu den notwendigen Überarbeitungen, um eine Verwendung in Schulen zu erlauben. Neben Lob und Kritik für die Zukunftsnarrationen wurden sie in 86 der 175 Gutachten überhaupt nicht angesprochen, weder lobend noch monierend oder möglicherweise unter dem Begriff ›Gegenwart‹ subsummiert. Damit standen die Zukunftsnarrationen allerdings nicht allein, da in den Gutachten meistens nur wenige Aspekte des Autorentextes explizit benannt wurden: Dies geschah ent1668 1669 1670 1671

Gutachten E., 28. 4. 1970, S. 1, LHA RP 910/14872. Ebd. Gutachten Z., 5. 11. 1951, LHA RP 910/1543. Ebd.

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weder bei einer besonders gelungenen Darstellung in Form eines Lobs oder in Form von Kritik, wenn der Autorentext oder andere Elemente des geprüften Buches nicht den inhaltlichen Anforderungen der Lehrpläne und den didaktischen des Unterrichts entsprachen. Insofern thematisierten die Gutachter nur diejenigen Abschnitte der Bücher, die sich an den Enden der Skala von ›besonders lobenswert‹ bis ›Grund für Ablehnung‹ befanden. Alle dazwischenliegenden Formulierungen und Elemente in den Schulbüchern wurden in den Gutachten nicht behandelt, was zweierlei bedeuten kann: Der Darstellung in den Textabschnitten wurde zugestimmt oder sie wurden nicht als so bedeutsam erachtet, dass sie eine Ablehnung rechtfertigten. Es zeigt sich also eine Schwelle, die Autorentexte überwinden mussten, um im positiven wie im negativen Sinne im Gutachten explizit erwähnt zu werden. Alle übrigen Textpassagen erfuhren de facto die Zustimmung des Gutachters. Zugleich wurde deutlich, dass die Kultusministerien auch in diesem Punkt eine Auswahlinstanz darstellten und über die administrativen Aufgaben hinaus Einfluss auf die Gestaltung des Autorentextes nahmen.

3.8

Werben und Präsentieren – Schulbuchautoren stellen die Geschichtsbücher vor

Nach der erfolgreichen Zulassung der Geschichtsbücher lässt sich seit den 1960er-Jahren beobachten, dass die Autoren das Buch in Vorträgen oder auf Fortbildungen präsentierten, um für ihr Buch zu werben. Die Hinweise auf mögliche Veranstaltungen kamen von den Außendienstmitarbeitern der Verlage. So habe der Mitarbeiter des Westermann-Verlags in Schleswig-Holstein 1964 erfahren, dass »die Frage der Einführung eines Geschichtsbuches in Lübeck in diesem Jahr akut werden«1672 würde, wie der Verlagsredakteur B. dem Autoren H. mitteilte. Auch H.s Geschichtsbuch liege dabei »gut im Rennen«1673, weshalb B. es für »außerordentlich wichtig«1674 halte, wenn H. in Lübeck über sein Buch spreche. Bei seiner Formulierung handelt es sich weder um eine Bitte noch um eine Frage, sondern sie ähnelt einer dienstlichen Anweisung. Es wäre demnach denkbar, dass solche Reisen zur Präsentation des Buches Teil der Arbeit der Autoren waren und dementsprechend vereinbart wurden. Sie basieren jedenfalls auf dem Wissen um die Bedeutung solcher Veranstaltungen für den wirtschaftlichen Erfolg des Buches. H. reagierte auf den Brief mit der Information, 1672 Brief B. an H., 11. 5. 1964, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. 1673 Ebd. 1674 Ebd.

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dass er zwei Termine für einen Vortrag in Lübeck zur Auswahl anbiete.1675 Auch Herausgeber und Autoren des Cornelsen Verlags stellten in den 80er-Jahren das »Geschichtsbuch« auf Fortbildungsveranstaltungen»1676 des Verlages vor und erläuterten interessierten Teilnehmern den möglichen Umgang mit dem Buch im Unterricht. H. berichtete aufgrund seiner intensiven Schulkontakte während seiner Tätigkeit an einer Pädagogischen Hochschule, »ab und zu mal eine Unterrichtsstunde […] mit dem Buch«1677 gehalten zu haben. Im Rahmen der Vorträge und Fortbildungen reisten die Herausgeber umher und gelangten mit zahlreichen Lehrern in Kontakt, die ihnen Rückmeldungen zu dem Buch gaben und ihre Erfahrungen mitteilten. Einige Lehrer hätten das internationale Kapitel in »Geschichtliche Weltkunde« unter Bezug auf die Lehrpläne für »überflüssig«1678 gehalten, berichtete H. und kommentierte dieses Urteil als »reaktionär«.1679 Den wirtschaftlichen Aspekt dieser Veranstaltungen betonte N.Z., der das »Geschichtsbuch, Band 4« vor Lehrerkollegen oder Fachseminaren vorstellte und die Arbeit mit dem Buch erklärte. Nach solchen Veranstaltungen seien die Verkaufszahlen gestiegen, so Z..1680 Die Außendienstmitarbeiter begleiteten die Autoren bei den Veranstaltungen und stellten die Kontakte zu den Lehrern her. Über diese verfügten sie, da sie in den Schulen mit den Lehrern über die Bücher sprachen. Dabei bekamen sie »ungeschminkt gesagt, was bei den Lehrern ankommt und was nicht.«1681 Diese Informationen gaben sie an die Redakteure weiter, die wiederum versuchten, bei Überarbeitungen der Bücher darauf Rücksicht zu nehmen und die unterrichtspraktischen Erfahrungen einzubinden. Sowohl die Erfahrungen der Außendienstmitarbeiter wie auch Veranstaltungen seien für die Verlage und die Autorenteams zur Überarbeitung der Bücher sehr wichtig und wertvoll gewesen.1682

3.9

Schulbuchzulassung in Nordrhein-Westfalen: Die Landesschulbuchkommission für Politische Bildung

Die Schulbuchzulassung in Nordrhein-Westfalen war unter den Autoren, Herausgebern und Verlagsredakteuren ›berühmt-berüchtigt‹. Als einziges Bun1675 1676 1677 1678 1679 1680 1681 1682

Brief H. an S., 16. 5. 1964, Verlagsarchiv Westermann WUA 5/30. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 3. Ebd. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 2. Ebd. Vgl. Interviewtranskript K.-H. Z., 12. 1. 2015, S. 5. Interviewtranskript U. M., 9. 12. 2014, S. 11. Vgl. ebd.

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desland führte Nordrhein-Westfalen seit 1972 ein kommissionsbasiertes Zulassungsverfahren durch.1683 Die Zusammensetzung der Kommission, ihre Arbeitsweise und auch ihre Entscheidungen schienen den Autoren und Redakteuren besonders undurchsichtig und ihre Urteile im Hinblick auf Geschichtsbücher außerordentlich streng. Die Zulassung in Nordrhein-Westfalen war aufgrund der Größe des Bundeslandes von zentraler Bedeutung, doch zugleich stellte die Schulbuchkommission aus Verlagssicht eine große Hürde dar. In den 1980er-Jahren wurde die Kommission in den wortreichen Auseinandersetzungen zwischen den Akteuren als besondere Herausforderung beschrieben und ihre Gutachten kritisiert. Eine fundierte wissenschaftliche Betrachtung der Gründung und Arbeit der Schulbuchkommission liegt bis dato nicht vor, sodass diese Arbeit erste Versuche unternimmt, diese bildungspolitische Institution zu beleuchten.1684 Zunächst nimmt dieses Kapitel also die gutachterbasierten Zulassungsverfahren der Geschichtsbücher für die Zeit von 1945 bis 1972 in den Blick, soweit dies anhand der Quellengrundlage möglich ist.1685 Im Anschluss daran geht es um die Tätigkeit der Landesschulbuchkommission für Politische Bildung, wobei deren Sektion Geschichte im Mittelpunkt stehen wird. Die Untersuchung untergliedert sich dazu in verschiedene Aspekte: Von der Gründung ausgehend wird zunächst die Frage gestellt, wer auf welche Weise Mitglied der Kommission wurde, bevor deren Gutachtertätigkeit an einigen Beispielen er1683 Eine vergleichbare Institution existiert in Österreich, die die Zulassung von Geschichtsbüchern prüft (vgl. Sitte, Christian: Die Approbationskommission – Entwicklung und Funktion eines amtlichen Filters für die Schulbücher(produktion), in: Erziehung und Unterricht 141 (1991) H. 10, S. 823–832; Vandersitt, Sigrid: Ein Schulbuch ist ein Schulbuch – Ein Essay aus der Praxis über die Produktion eines österreichischen Unterrichtsmittels, in: Kühberger, Christopher/Mittnik, Philipp (Hg.): Empirische Geschichtsschulbuchforschung in Österreich, Innsbruck 2015, S. 177–187). Ein Vergleich zur Tätigkeit unterbleibt an dieser Stelle allerdings aus forschungspragmatischen Gründen. 1684 Die Landesschulbuchkommission wurde zwar in den Auseinandersetzungen der Akteure erwähnt, doch nicht im Sinne einer wissenschaftlichen Betrachtung. Auch die Erwähnung der Kommission in den Ausführungen von Gemein (Gemein, Gisbert: Genehmigung von Schulbüchern als Instrument von Qualitätssicherung, in: Spenlen, Klaus/Susanne Kröhnert-Othman, Susanne (Hg.): Integrationsmedium Schulbuch. Anforderungen an islamischen Religionsunterricht und seine Bildungsmaterialien. Göttingen 2012, S. 61– 62), der ihre Gründung beschrieb und ein ähnliches Vorgehen für die Prüfung von Schulbüchern für den Islamunterricht forderte, stellt keine ausführliche Betrachtung dar. Gemein war zudem Mitglied der Kommission und berichtet eher von seinen Erfahrungen, als sich mit ihr wissenschaftlich auseinanderzusetzen. 1685 Die Akten zur Landesschulbuchkommission Politische Bildung befanden sich zur Zeit der Entstehung dieser Arbeit noch in der Registratur im nordrhein-westfälischen Kultusministerium und waren dem Landesarchiv weder zugänglich noch archivalisch erschlossen. Die Quellengrundlage dieser Analyse ist ein Aktenordner, der noch keine Archivsignaur erhalten hatte, sondern als Zufallsfund im Bestand des Landesarchivs gelten kann. Die übrigen Quellen entstammen aus den Archivbeständen NW 226 und NW 842.

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Der Produktionsprozess von Zukunftserzählungen in Schulgeschichtsbüchern

läutert wird. Abschließend soll es – wie für Bayern und Rheinland-Pfalz auch – um die Zusammenarbeit von Autoren, Herausgebern und Verlagsredakteuren mit den Gutachtern gehen. Bis 1972 erfolgte die Zulassung von Schulbüchern in Nordrhein-Westfalen durch ein gutachtergestütztes Verfahren, das wie in Bayern und Rheinland-Pfalz ebenfalls unter alliierter Verwaltung 1945 begründet wurde. Leider sind zu den Prüfungsvorgängen für Schulbücher keine Archivakten vorhanden, sodass über die Auswahl der Gutachter und die administrativen Verfahren keine Aussage getroffen werden kann. Es liegen aus diesem Grund auch keine Gutachten vor, die zur Analyse herangezogen werden könnten. Lediglich einige Akten geben über die Kommunikation mit Schulbuchverlagen Auskunft, die im Folgenden dargestellt werden. Die Grundlage für die Überprüfung von Geschichtsbüchern in Nordrhein-Westfalen war ein Gesetz zur Lernmittelfreiheit vom 23. 6. 1965. Mit Beginn des Schuljahres 1966/67 sollte die Einführung der Lernmittelfreiheit gewährleistet werden.1686 Neben administrativen Regelungen, die das Prozedere der Einführung von Schulbüchern in den Schulamtsbezirken betrafen, wurde auch das Verfahren der Zulassung von Schulbüchern thematisiert. In einer Besprechung einigten sich die zuständigen Fachreferenten darauf, dass das Verfahren »neu geordnet«1687 werden soll und dazu Richtlinien erarbeitet werden müssten. Jene »Hinweise für die Prüfung von Lehrbüchern im Auftrag des Kultusministeriums« legten fest, dass der Gutachter das Buch auf die »allgemein politische Unbedenklichkeit und den Wert für die Aufgabe der politischen Bildung«1688 sowie auf die pädagogische und methodische Brauchbarkeit»1689 hin prüfen sollte. Neben diesen allgemeinpädagogischen Hinweisen gäben die Richtlinien die Stoffauswahl und -anordnung vor. Darüber hinaus »sollen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden.«1690 Besonders seien die eingereichten Prüfexemplare der Bücher auf sprachliche Korrektheit und die Verwendung eines »einwandfreien guten Deutsch«1691 zu prüfen, »vor allem Deutsch-, Geschichts-, und Erdkundebücher«1692, so die Hinweise weiter. Die »etwa 2 bis 3 Seiten umfassende«1693 Stellungnahme solle mit einem zusammenfassenden und klaren Urteil enden und die Frage beantworten, »ob sich 1686 Vgl. Briefentwurf des Kultusministeriums an die Regierungspräsidenten und die Oberbergämter, 7. 7. 1965, S. 1, LAV NRW NW 226, Nr. 166. 1687 Ergebnisprotokoll über die Besprechung betr. Fragen der Lernmittelfreiheit und der Schulbuchgenehmigungen, 19. 10. 1965, S. 2, LAV NRW NW 226, Nr. 166. 1688 Hinweise für die Prüfung von Lehrbüchern im Auftrag des Kultusministeriums, S. 1, LAV NRW NW 226, Nr. 166. 1689 Ebd. 1690 Ebd. 1691 Ebd. 1692 Ebd. 1693 Ebd., S. 2.

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das Lehrbuch als Pflichtbuch eignet«1694. Neben diesen grundsätzlichen Hinweisen zur Prüfung der Bücher mussten Gutachter eine Erklärung unterschreiben, dass sie »nicht Verfasser, Herausgeber oder Mitarbeiter eines Lehrbuches für das jeweilige Fachgebiet«1695 seien. Geschichtsbüchern wird in den Hinweisen ein eigener Unterpunkt gewidmet. Ihre Prüfung »verlangt vom Gutachter ein besonderes Maß an Verständnis von politischen Zusammenhängen und ein feines Taktgefühl«1696, denn »Formulierungen und Darstellungen, die in religiöser Hinsicht verletzen könnten, sind unbedingt zu vermeiden. Toleranz und Achtung vor dem Andersdenkenden sollten den Grundton […] ausmachen.«1697 Auch für die Schulbuchverlage wurde eine Zusammenstellung von Hinweisen zur Prüfung von Schulbüchern erstellt, die vornehmlich operative und organisatorische Rahmenbedingungen betrafen. Diese Auflistung aus dem Jahr 1966 stellt im Vergleich zu den anderen Bundesländern eine Besonderheit dar, da eine solche weder in Bayern noch Rheinland-Pfalz existierte. Aus den Hinweisen geht hervor, dass jeweils zwei Gutachter die neuerscheinenden Bücher prüfen würden.1698 Bei »nicht oder nur wenig veränderten Neuauflagen«1699 genüge es, in dem Antrag auf Zulassung zu skizzieren, »welcher Art die Veränderungen sind.«1700 Das Ministerium entscheide dann, ob zusätzliche Informationen oder ein neues Prüfverfahren notwendig seien. Auch über die Dauer des Zulassungsverfahrens gibt die Aufstellung Aufschluss. Grundsätzlich mache das Ministerium keine Zusage über die Prüfungsdauer, doch müssten Bücher, »die zu Ostern eingeführt werden sollen, […] dem Kultusministerium spätestens bis zum 30. August des Vorjahres vorzulegen.«1701 In der Kommunikation zwischen dem Ministerium und dem Verlag Friedrich Vieweg und Söhne fragte der Verlag nach dem zeitlichen Rahmen des Zulassungsverfahrens, das »erfahrungsgemäß […] ein halbes Jahr in Anspruch«1702 nehme, so der Verlag. Das Ministerium antwortete, daß »der 30. Juli […] der äußerste Termin«1703 sei. Es gebe zudem »keine Gewähr mehr dafür, daß das Prüfungsverfahren rechtzeitig abgeschlossen werden kann.«1704 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704

Ebd. Ebd., S. 3. Ebd. Ebd. Vgl. Hinweise für die Prüfung von Lehrbüchern für Schulen des Landes NRW, S. 1, LAV NRW Nr. 226, Nr. 166. Ebd., S. 2. Ebd. Ebd., S. 3. Brief des Friedrich Vieweg und Söhne Verlags, 11. 7. 1966, LAV NRW Nr. 226, Nr. 166. Ebd. Ebd.

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Die Prüfung der Schulbücher aller übrigen Fächer geschah weiterhin durch das Verfahren, in dem einzelne Gutachter benannt wurden und ihre Gutachten vorlegten, auf deren Grundlage das zuständige Referat im Ministerium seine Entscheidung über Zulassung oder Ablehnung der Verwendung eines Buches traf.1705 Die Auswahl der Gutachter wurde innerhalb der Referate des Ministeriums getroffen. Im Anschreiben an den Gutachter wurde jener darüber informiert, dass eine »sorgfältige Auswahl der Schulbücher«1706 sichergestellt und auch die »Schulbuchentwicklung im Sinne einer Qualitätsverbesserung«1707 beeinflusst werden solle. Dies sei jedoch »ohne tatkräftige Mitwirkung qualifizierter Fachleute«1708 nicht möglich, sodass er um ein Gutachten gebeten werde. Dieses habe innerhalb einer Frist von fünf Wochen dem Ministerium vorzuliegen. Eine pünktliche Rücksendung des Gutachtens wurde betont, da es Teil eines »genau aufeinander abgestimmten Gesamtarbeitsplanes sei«1709. Der Gutachter erhalte für seine Tätigkeit eine Entschädigung von 350 DM, wenn das Gutachten eine »durchdachte und beweiskräftige«1710 Qualität habe. Diesem Standardanschreiben, in das die jeweiligen Informationen für das entsprechende Zulassungsverfahren eingetragen wurden, wurde ein Merkblatt beigefügt, das weitere Informationen über die Gestaltung des Gutachtens und die Prüfanforderungen enthielt. Zusätzlich zu den Hinweisen hatten die Gutachter eine Erklärung zu unterzeichnen, dass sie nicht an der Herausgabe oder Bearbeitung eines Schulbuches beteiligt, nicht in einem Schulbuchverlag als Mitarbeiter tätig oder durch anderweitige Beziehungen befangen seien. 1972 wurde die Gründung der Landesschulbuchkommission für Politische Bildung initiiert. Die Schulbücher der Fächer Deutsch, Geschichte, Erdkunde und Politik sollten fortan in entsprechenden Fachsektionen geprüft und von einer Kommission, die sich aus den Mitgliedern aller Sektionen zusammensetzte, genehmigt werden. Der zuständige Ministerialrat Dr. Herbert Knepper1711 1705 Vgl. handschriftliche Notiz »m.d.B. um Prüferbenennung« vom 10. 9. 1984 auf dem Brief des Schroedel Verlags vom 30. 8. 1984, in dem um die »Prüfung und Genehmigung eines Schulbuchs ›Physik für Gymnasien‹« gebeten wurde (ebd., LAV NRW NW 842 Nr. 891). 1706 Brief des Ministeriums, 20. 9. 1984, LAV NRW NW 842, Nr. 891. 1707 Ebd. 1708 Ebd. 1709 Ebd. 1710 Ebd. 1711 Im Unterschied zu allen anderen Akteuren, die zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte nur anonymisiert zitiert werden, wird Ministerialrat Dr. Herbert Knepper namentlich genannt, da Knepper seine Verantwortlichkeit für die Landesschulbuchkommission selbst in einem Aufsatz und einem biographischen Interview erwähnte (vgl. Knepper 1998, S. 175; Interviewtranskript Dr. Herbert Knepper, 17. 2. 2010, in: Eisenhart, Walter: Historische und politische Bildung. Geschichts- und Politikunterricht als Gegenstand der Bildungspolitik in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Ein empirischer Vergleich. Schwalbach/ Ts. 2014, Anhang I, S. 1.

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stellte einen Antrag zur Gründung der Kommission beim Kultusminister Girgensohn. Darin führte Knepper die Gründe für die Berufung einer Kommission aus, die künftig die Schulbücher prüfen solle: Im bisherigen Verfahren, in dem Schulbücher durch Einzelgutachter geprüft worden waren, seien »unterschiedliche Kriterien angewandt«1712 worden, die die »rasche Entwicklung der Wissenschaft, Didaktik und Methodik nur unvollkommen«1713 berücksichtigten. Durch dieses Verfahren sei die Liste der genehmigten Schulbücher zwar ständig erweitert, doch »nur ungenügende Qualitätsverbesserungen erzielt«1714 worden, da »mit Einzelgutachten nicht ein genügend strenger Prüfungsmaßstab entwickelt und durchgehalten werden kann«1715. Die Gutachtertätigkeit solle durch die Arbeit einer Kommission professionalisiert und damit auch die Qualität der Schulbücher verbessert werden, wie die Argumentation zeigte. Besonders vordringlich sei dabei die Gründung einer Prüfungskommission für »die Politische Bildung«1716, so Knepper weiter. Neben der Prüfung der neu vorgelegten Bücher sei auch die Revision der zugelassenen Unterrichtswerke die Aufgabe der Kommission. Seinem Antrag auf Gründung der Kommission fügte Knepper zugleich eine Aufstellung von möglichen Mitgliedern bei. Es handelte sich um Fachleiter an Studienseminaren und Lehrer verschiedener Schulformen. Nach welchen Prinzipien die Liste zusammengestellt wurde, lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. In den Akten befinden sich keine Listen mit Kandidatenvorschlägen oder andere Hinweise auf Wahlen, sondern Notizen, in denen potentielle Mitglieder benannt wurden. Dies geschah unter anderem durch Mitarbeiter anderer Referate des Kultusministeriums. So erhielt Knepper eine Aktennotiz, in der ein Studiendirektor vorgeschlagen wurde, der »wirklich ein ausgezeichneter Mann«1717 sei. Durch »Fühlungnahme«1718 innerhalb des Ministeriums wurden weitere Mitglieder in die Kommission berufen. Neben Lehrern gehörten auch Wissenschaftler der Kommission an. Wenn auch nur nominell wurde Georg Eckert in die Kommission berufen; er ließ sich aufgrund anderer Verpflichtungen jedoch dauerhaft vertreten, was einem Ausscheiden aus der Kommission gleichkam. Für Eckert wurde sein dauerhafter Vertreter K. als Mitglied in die Schulbuchkommission aufgenommen.1719 Ein weiteres ›promi1712 Brief des Ministerialrates Knepper an den Kultusminister, 27. 4. 1972, Aktenzeichen IC 5.81–5/0 Nr. 1431/72, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1713 Ebd. 1714 Ebd. 1715 Ebd. 1716 Ebd. 1717 Aktennotiz, 27. 5. 1973, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1718 Aktenvermerk, 20. 11. 1973, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1719 Vgl. Aktenvermerk, undatiert, S. 1, Aktenzeichen I A 4. 81–5/0 Nr. 240/74, LAV NRW Ordner LSBK Gründung.

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nentes Mitglied‹ der Kommission war Jörn Rüsen, der 1979 in die Kommission berufen wurde.1720 Die Mehrzahl der Kommissionsmitglieder waren Lehrer und (Fach-) Seminarleiter, die neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit auch Schulbücher prüften.1721 Innerhalb der Schulbuchkommission sollten alle Schulformen durch entsprechende Vertreter repräsentiert werden. Daher war die Schulform, an der ein Mitglied tätig war, ein Kriterium bei der Besetzung der Kommission, wie ein Brief des Ministerialrates Knepper an den Kultusminister zeigt. Damit die Vertreter der Hauptschule nicht unterrepräsentiert blieben, sei die »Benennung eines zweiten Hauptschulvertreters erforderlich«1722, so Knepper. Außerdem wurden nach dem Ausscheiden von Mitgliedern Nachfolger ernannt. Diese »Ersatzberufungen« waren notwendig, »um die Arbeitsfähigkeit der Landesschulbuchkommission«1723 zu erhalten. Nachträglich wurde auch ein Sonderschullehrer in die Kommission berufen, um alle Schulformen zu repräsentieren.1724 Ein zweites Kriterium für die Besetzung von Mitgliedern war die Tätigkeit als erfahrener Fachlehrer, »da neben den fachlichen die unterrichtspraktischen + pädagogischen Aspekte von großem Gewicht sind.«1725 Neben der Schulform und der Lehrerfahrung wurde ab 1974 auch ein Mitglied des Realschullehrerverbandes in die Kommission berufen.1726 Auch Fachleiter gehörten 1720 Bereits 1977 beschrieb Knepper, dass auch »Wissenschaftler aus dem Hochschuldient« in die Kommission berufen werden sollten (Brief Kneppers an den Kultusminister, 21. 9. 1977, Aktenzeichen IA 6.61–5/0 Nr. 1960/77, LAV NRW Ordner LSBK Gründung), was dann 1979 mit der Benennung Rüsens umgesetzt wurde (vgl. Brief von Knepper an den Kultusminister, 2. 10. 1979, LAV NRW Ordner LSBK Gründung). Da Rüsen seine Mitgliedschaft in der LSBK selbst in einem Aufsatz erwähnte, wird auch er namentlich genannt (Vgl. Rüsen, Jörn: Das ideale Schulbuch. Überlegungen zum Leitmedium des Geschichtsunterrichts, in: Internationale Schulbuchforschung 14 (1992), S. 237). 1721 Die Mitglieder übten ihre Aufgabe in der Schulbuchkommission zusätzlich zu ihrer hauptamtlichen Tätigkeit als Lehrer, Seminarleiter oder Hochschulprofessor aus. Neben der Begutachtung und Prüfung der Lehrbücher gehörte auch die Teilnahme an den Plenumssitzungen der Kommission zu den Aufgaben. Die Mitglieder erhielten ein Sitzungsgeld von 60 DM sowie Reisekosten, die als Lehrer tätigen Mitglieder konnten eine Anrechnung der Tätigkeit auf ihre Pflichtstundenzahl in Anspruch nehmen. Die Höhe des Honorars für die Anfertigung eines schriftlichen Gutachtens betrug für den Umfang von vier Seiten 200 DM. (vgl. dazu Berufungsschreiben des Ministeriums zur Berufung R.H. an den Regierungspräsidenten Detmold, 3. 7. 1985, LAV NRW NW 842, Nr. 815 sowie Brief des Ministerialrates Knepper an den Kultusminister, 27. 4. 1972, Aktenzeichen IC 5.81–5/0 Nr. 1431/72, LAV NRW Ordner LSBK Gründung). 1722 Brief des Ministerialrates Knepper an den Kultusminister, 3. 7. 1985, LAV NRW NW 842, Nr. 815. 1723 Ebd. 1724 Vgl. Brief an den Kultusminister, 4. 6. 1975, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1725 Handschriftliche Notiz, 17.9., auf Brief an das Kultusministerium, 1. 9. 1985, LAV NRW NW 842, Nr. 815. 1726 Vgl. Aktenvermerk, undatiert, S. 1, Aktenzeichen I A 4. 81–5/0 Nr. 240/74, LAV NRW Ordner LSBK Gründung.

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der Sektion an.1727 Ein Argument im Benennungsverfahren für Mitglieder war, dass sie dem Ministerium in einem anderen Kontext bereits ein Gutachten vorgelegt hatten oder der empfehlende Akteur die Qualität der schriftlichen Stellungnahmen kannte, um die Empfehlung auszusprechen. Auch die politische Parteizugehörigkeit wurde im Auswahlprozess als Argument angeführt, wenn die Parteimitgliedschaft der Akteure bekannt war : Die Benennung eines Mitglieds wurde mit dem Versuch begründet, »die politische Ausgewogenheit der Kommission zu pflegen«1728. Auf Anweisung des Kultusministers wurden auch Elternvertreter in die Kommission berufen. Die Wahl einer Kandidatin geschah durch ihr Engagement in der Landeselternschaft als »ausgleichend und überzeugt argumentierende Elternvertreterin«1729. Auch andere Referate des Kultusministeriums arbeiteten Knepper bei der Mitgliedersuche zu. So benannte ihm die Gruppe III A einen Lehrer, der mit der Beschreibung als »fähiger Historiker und Didaktiker, der den Aufgaben in der SBK gerecht werden kann«1730, empfohlen wird. In einigen Fällen hatten die Referate schon Kontakt zu den benannten Kandidaten aufgenommen. Dies machte ein handschriftlicher Vermerk neben dem Namen einer Kandidatin deutlich, in dem Knepper informiert wurde, dass die Kandidatin bereit sei, die Aufgabe zu übernehmen.1731 Auch Informationen über die wissenschaftliche ›Zugehörigkeit‹ dienten zur Beschreibung von Akteuren und als Argumente für ihre Benennung.1732 Die Benennung der Kommissionsmitglieder erfolgte zum Teil auch auf informellem Weg. In den Archivakten befindet sich eine handschriftliche Notiz von I., über deren weitere Identität keine Informationen vorliegen, an den zuständigen Ministerialrat Knepper.1733 An drei formalen Aspekten dieser Notiz wird ein persönliches Verhältnis zwischen den beiden Akteuren deutlich: Erstens wurde der Brief lediglich mit dem Vornamen »I.« unterschrieben, zweitens redete sie Knepper mit »Lieber Herbert«1734 an und drittens ließ sie Grüße an seine Ehefrau ausrichten und fragte, ob es bei einem gemeinsamen Treffen bleibe. Neben diesen privaten Informationen enthielt der 1727 Vgl. ebd. zur Benennung des Fachleiters L. aus Düsseldorf, Brief von Knepper vom 20. 11. 1973 zur Berufung des Fachleiters W. aus Dortmund und Brief vom 4. 6. 1975 zur Benennung des Fachleiters W. aus Münster ; LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1728 Brief von Knepper an den Kultusminister, 4. 6. 1975, S.2, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1729 Ebd., S. 3. 1730 Brief der Gruppe IIIA an Knepper, 12. 11. 1979, Aktenzeichen III A 2.36–20/0 Nr. 2385/79, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1731 Brief von Knepper an den Kultusminister, 2. 10. 1979, S. 5, Aktenzeichen I A 6.81–5/0 Nr. 4692/79, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1732 So beispielsweise die Beschreibung »Promovend bei Prof. Dr. Jeismann« (maschinengetippter Aktenvermerk, undatiert, LAV NRW Ordner LSBK Gründung). 1733 Vgl. Aktennotiz an Herbert Knepper, 18. 2. 1958, LAV NRW NW 842, Nr. 815. 1734 Ebd.

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kurze Brief jedoch auch Informationen zu einem neuen Kommissionsmitglied der Landesschulbuchkommission. »Unser Mann«, beschrieb I. das neue Mitglied, sei interessiert »und bestätigte am Telefon den Eindruck, den ich schon durch seinen Reisebericht gewann.«1735 Das potentielle neue Kommissionsmitglied habe allerdings Sorge, bei seinen Kollegen »Neid, Ärger usw.«1736 zu erregen, »weil es keine offizielle ›Bewerbung‹ beispielsweise über Schulamt«1737 gewesen sei. Abschießend bat I. Knepper in dem Brief, dem Kandidaten H. »darüber etwas mitzuteilen, wie auch über andere Einzelheiten der Aufgaben«1738. Es wurde deutlich, dass das Verfahren zur Benennung der Mitglieder der Schulbuchkommission nicht ausschließlich durch Dienststellen geschah, sondern auch durch private Verbindungen zwischen Akteuren. Vor der offiziellen Ernennung wurde eine Reihe informeller Gespräche geführt, um Mitglieder zu finden. Dabei spielten persönliche Verbindungen des Mitarbeiters Knepper eine Rolle, wodurch ihm Kandidaten benannt und Interessensbekundungen weitergeleitet wurden. Das Ministerium zeigte sich bemüht, Namen und Kontaktdaten möglicher neuer Mitglieder ›auf Vorrat‹ zu halten, sollte ein Kommissionsmitglied die Tätigkeit niederlegen. Eine handschriftliche Aktennotiz gibt über diese Praxis Aufschluss. Neben dem Namen einer Lehrerin sowie ihre Anschrift wurden auf einem Blatt notiert, dass diese seit 1974 im Schuldienst sei und die Fächer Deutsch und Geschichte unterrichte.1739 ›Geschichte‹ wurde dabei mehrfach unterstrichen und wiefolgt kommentiert: »Fr. Br., bitte auf Vorrat nehmen für die Sektion Geschichte, wenn der nächst Hauptschulplatz [Unterstreichung im Original] besetzt werden muß!«1740 Die Nachberufung der Kandidatin erfolgte, als ein Mitglied der Kommission seine Tätigkeit »aus Gesundheitsgründen«1741 niederlegte. Knepper vermerkte in dem Brief an den Kultusminister, dass der Vorschlag der Mitgliedschaft der Kandidatin S. »mit der Fachgruppe abgestimmt«1742 sei. Die Auswahl der Kandidaten und das Führen von (informellen) Vorgesprächen erfolgte durch den Ministerialrat Knepper. Von Beginn an koordinierte und begleitete der Ministerialrat die Arbeit der Kommission bis zu seiner Pensionierung 1997.1743 Zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen Br. und B. betreute er die Mitglieder der Landesschulbuchkommission, koordinierte die Arbeit der Sektionen sowie die Plenarsitzungen. 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. handschriftliche Aktennotiz, undatiert, LAV NRW NW 842, Nr. 815. Ebd. Brief des Ministerialrates Knepper an den Kultusminister, 27. 10. 1985, LAV NRW NW 842, Nr. 815. 1742 Ebd. 1743 Vgl. Eisenhart 2014, Anhang I S. 1.

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Hierarchisch unterstellt war Knepper dem Kultusminister, sodass er seine Entscheidung in Briefform an den jeweiligen Minister formulierte und dieser beispielsweise Berufungen von Mitgliedern bestätigte. Im Folgenden wird die Tätigkeit der Schulbuchkommission im Mittelpunkt stehen und dabei auch vorliegende Gutachten der Sektion Geschichte in den Blick nehmen. Das grundsätzliche Prüfungsverfahren von Geschichtsbüchern in Nordrhein-Westfalen bestand aus der Zusammenarbeit zwischen dem Referat des Kultusministeriums und der Sektion Geschichte der Landesschulbuchkommission. Die administrativen Aufgaben übernahm das Ministerium, das die Kommission mit der Prüfung der von den Verlagen vorgelegten Schulbücher beauftragte. Dazu legten die vier Fachsektionen Deutsch, Erdkunde, Geschichte und Politik ihre Gutachten zu den Geschichtsbüchern der monatlich tagenden Plenarsitzung der Kommission vor, in der die Gutachten diskutiert und anschließend an das Referat im Ministerium weitergeleitet wurden. Die Schulbuchkommission bestand aus den Mitgliedern der vier Sektionen für die Fächer Deutsch, Geschichte, Erdkunde und Politik. Der Auftrag, ein Schulbuch zu prüfen, wurde vom Ministerium an den Vorsitzenden der Kommission weitergeleitet, der wiederum die jeweilige zuständige Fachsektion beauftragte. Innerhalb der Sektion Geschichte wurden die Geschichtsbücher unterteilt und die zu begutachtenden Abschnitte verteilt. So prüften drei Gutachter das 265 Seiten starke Geschichtsbuch »Weltgeschichte im Aufriß – Deutschland im Spannungsfeld der Siegermächte (1945–1949)«1744 vom Diesterweg Verlag. Es wurde in fünf Teile untergliedert, die auf drei Gutachter verteilt wurden, sodass auf jeden der drei rund 80 Seiten des Schulbuches entfielen. Die Mitglieder in der Sektion Geschichte der Landesschulbuchkommission erarbeiteten ihre Gutachten also einzeln, was der Praxis der Einzelbegutachtung in Bayern oder Rheinland-Pfalz sehr nahe kam. Auf der Grundlage von schriftlich formulierten Anforderungen und Qualitätskriterien für ein Geschichtsbuch prüften die Sektionsmitglieder die ihnen zugewiesenen Kapitel in den Geschichtsbüchern. Ein Beispiel dafür ist die überarbeitete Version des Geschichtsbuchs »Zeitaufnahme 3/4« aus dem Jahr 1983, das von vier Gutachtern geprüft wurde. Alle Gutachter arbeiteten auf der gleichen Prüfungsgrundlage. Dieser Kriterienkatalog von 1972 wurde von der Sektion Geschichte im Prozess der Gutachtertätigkeit stetig weiterentwickelt. 1983 prüften die Gutachter die Geschichtsbücher hinsichtlich zweier Großbereiche, nämlich der Kriterien »der historischen Interpretation und Darstellung in Schulgeschichtsbüchern«1745 sowie der »Kriterien der Unterrichtsmethodik«1746. Beide Analy1744 Vgl. Endgutachten der LSBK zu G 204/82, Dezember 1982, S. 1, LAV NRW NW 842, Nr. 901. 1745 Vgl. Einzelgutachten zu »Zeitaufnahme Band 3/4«, März 1983, LAV NRW NW 842 Nr. 904.

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sebereiche untergliedern die Vorgaben in konkrete Kategorien. Zu den »Kriterien der historischen Interpretation und Darstellung in Schulgeschichtsbüchern«1747 gehörten folgende Gesichtspunkte: Geschichte als Prozeß, übergreifende Perspektiven, Mehrdimensionalität, Multiperspektivität, Erklärung geschichtlicher Veränderungen, Beurteilung geschichtlicher Veränderungen, Gegenwartsbezug, Schülerbezug, methodische Verfahren, Reflexion methodologischer und wissenschaftstheoretischer Probleme, fachliche Standards.1748 Unter den »Kriterien der Unterrichtsmethodik«1749 wurden gefasst: Formales, Autorentext, Textmaterial, Bildmaterial, Karten, Statistiken, graphische Darstellungen, Arbeitsaufträge und Apparat. Die Gutachter arbeiteten die Aspekte in ihren Beurteilungen ab.1750 Das Deckblatt der jeweiligen Teilgutachten bestand aus einer Zusammenfassung, die neben den formalen Angaben auch den »Prüfungsumfang«, also den Teil des Geschichtsbuches angab, der geprüft worden war sowie das Ergebnis der Begutachtung, das aus drei Möglichkeiten auszuwählen war : Die Verwendung des Buches im Geschichtsunterricht konnte entweder empfohlen werden, sie konnte abgelehnt werden oder es konnte eine befristete Zulassung ausgesprochen werden. Die in Einzelarbeit erstellten Teilgutachten wurden zu einem Gesamtgutachten der Sektion zusammengefügt. Jenes wurde der Kommission vorgelegt wurde, sodass alle Mitglieder in der Plenarsitzung der Kommission die Gutachten der jeweiligen Sektionen kannten. Leider lässt sich aufgrund fehlender Quellen die Zusammenstellung der Gutachten und der damit verbundene Selektionsprozess nicht näher beleuchten. Wie das einzige vorliegende Gutachten und die dazugehörigen Teilgutachten zeigen, wurden die vier Teilgutachten mit insgesamt 47 Seiten auf ein Gesamtgutachten von 34 eingekürzt. Wer die Zusammenstellung der Gutachten nach welchen Kriterien durchführte, wird nicht deutlich, doch aufgrund Kneppers Zuständigkeit im operativen Bereich erscheint es wahrscheinlich, dass seinem Referat diese Aufgabe oblag. In den Plenumssitzungen wurde über die Zulassung per Mehrheitsprinzip abgestimmt. Zugleich konnten mögliche Änderungen in die Gutachten eingearbeitet werden.1751 Wurde ein Gutachten in der Kommission verabschiedet, wurde die Plenumsvorlage des Gutachtens zum »Endgutachten«, das dem Ministerium zuging. Die Zahl der Gutachter für ein Geschichtsbuch variierte zwischen drei und fünf. So wurden für das Geschichtsbuch »Geschichte und Gegenwart 1746 1747 1748 1749 1750 1751

Ebd. Ebd. Vgl. ebd. Ebd. Vgl. Einzelgutachten zu »Zeitaufnahme Band 3/4«, März 1983, LAV NRW NW 842 Nr. 904. Leider sind weder Protokolle der Plenumssitzungen noch Überarbeitungswünsche der Gutachten archivalisch überliefert.

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Band 1« fünf Gutachter mit jeweils einem Teil des Buches beauftragt.1752 Im Falle dieses Buches kamen vier Gutachter zu dem Urteil, das Buch zuzulassen, nur ein Gutachten lehnte die Zulassung ab. Die Grundlage der Entscheidung für oder gegen eine Zulassung traf das Plenum der Kommission, sodass dem einzelnen ablehnenden Urteil eines Gutachters weniger Gewicht beigemessen wurde. Zur Entscheidung über das angeführte Beispiel waren leider keine Protokolle der entsprechenden Plenarsitzung verfügbar. Die Bezüge des Gutachtens zu den Zukunftsnarrationen wurden aus dem Teilgutachten ohne Kürzung in das Gesamtgutachten übernommen. Die Kommission beriet jeweils über die Gesamtgutachten und kam per Abstimmung zu einem Entschluss, ob das Buch zugelassen werden sollte oder nicht. In den Akten des Ministerialrates Knepper finden sich einige Notizen zu Abstimmungsergebnissen der Kommission. Nach dem Mehrheitsprinzip wurde entschieden, ob dem Urteil der Sektionen zu den Schulbüchern gefolgt wurde. So notierte Knepper auf dem Endgutachten der Sektion zum Geschichtsbuch G 220/821753 : »verabsch. 12. 1. 1983 (28) 3 Enth.«1754 Protokolle anderer Plenarsitzungen der Schulbuchkommission berichteten über die Abstimmungen und beinhalten das Abstimmungsergebnis. Änderungen, die das Plenum vorschlug, wurden ebenfalls verzeichnet. Sie umfassten Vorschläge zur Streichung von Passagen, wie »der Relativsatz des letzten Tragenden Grundes auf S.1 wird gestrichen«1755 oder die Bemerkung, dass das Gutachten »nach redaktioneller Korrektur auf S.8 […] einstimmig verabschiedet«1756 wurde. Andere redaktionelle Änderungen lauteten »Streichung von »m. E.«; S. 6. 1. Absatz: anstelle »diskutiert« wird »erörtert« gesetzt; 2. Absatz Korrektur von »die« in »dies« – einstimmig»1757. Ausführliche Beratungen zu den Gutachten und den Geschichtsbüchern in den Plenarsitzungen lassen sich nicht rekonstruieren. Dies liegt zum einen daran, dass nur wenige solcher Diskussionen in den Protokollen vermerkt werden und wenn dann überhaupt ein Eintrag vorhanden ist, wurden im Ergebnisprotokoll keine Kritikpunkte vermerkt, sondern notiert: »Nach jeweils eingehenden Detail- und verschiedenen Grundsatzdiskussionen wurden folgenden GA mit redaktionellen Änderungen verabschiedet:

1752 Vgl. handschriftliche Aktennotiz auf Brief des Schöningh Verlags, 15. 6. 1981, LAV NRW NW 842 Nr. 902. 1753 Die unvollständige Aktenlage verhindert Rückschlüsse auf den Titel des Buches. In dem Gutachten wurde der Buchtitel nicht erwähnt. 1754 Handschriftliche Notiz auf Endgutachten zu G 204/82, Dezember 1982, LAV NRW NW 842 Nr. 901. 1755 Protokoll der Plenarsitzung der Landesschulbuchkommission Politische Bildung, 10. 2. 1993, LAV NRW Ordner Gründung LSBK. 1756 Ebd. 1757 Protokoll der Sitzung der Landesschulbuchkommission, 17. 3. 1993, LAV NRW Ordner Gründung LSBK.

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G 77/93/93 17 Ja, 2 Enthaltungen, G 74/93/94 16 Ja, 3 Enthaltungen«1758. Auch das Protokoll einer ganztätigen Plenumssitzung gibt nicht ausführlicher Auskunft über Diskussionen. Sie wurden als »redaktionelle Änderungen« zusammengefasst und vor dem Abstimmungsergebnis notiert. So wurden in einer Plenarsitzung acht Gutachten verabschiedet.1759 Eine ausführliche Auseinandersetzung im Plenum erscheint daher unwahrscheinlich, sodass Besprechungen der Gutachten wahrscheinlich in den Sitzungen der Sektion Geschichte stattfanden, deren Protokolle aufgrund der archivalischen Situation allerdings nicht zugänglich sind. Eine handschriftliche Notiz vor einem Gutachten verweist auf die Möglichkeit, Einspruch gegen die Entscheidung einzulegen. Lag dieser Einspruch bis acht Wochen nach der Erstellung des Gutachtens nicht vor, »gilt dieses Gutachten G 220/82 als vom Plenum verabschiedet«1760, so die Notiz. Unabhängig von der Frage, wie die Entscheidung der Landesschulbuchkommission herbeigeführt wurde, ist sie aus der rechtlichen Perspektive nicht bindend, sondern diente dem Kultusministerium als Empfehlung, die angenommen werden konnte oder nicht. Die Entscheidung über Zulassung oder Ablehnung der Verwendung eines Schulbuches traf weiterhin das zuständige Referat im Kultusministerium. Damit wird deutlich, dass die geschaffene Institution der Landesschulbuchkommission für Politische Bildung kein politischer Entscheidungsträger war, sondern ihr eine beratende und Empfehlungen aussprechende Rolle zukam. Anstelle von Einzelgutachten wurde dem Referenten Knepper ein Kommissionsgutachten vorgelegt, auf dessen Grundlage er über die Zulassung eines Geschichtsbuches entschied. Mit der Gründung der Kommission sollte das Verfahren zur Schulbuchprüfung routinisiert und damit verbunden die Qualität der Gutachten erhöht werden. Die Gegenwartserfahrungen von unzureichenden oder oberflächlichen Schulbuchprüfungen hatten in Nordrhein-Westfalen zu einer solchen langfristigen Neuorientierung der Schulbuchzulassung geführt. Bildungspolitisch wurde mit der Schulbuchkommission eine Einrichtung geschaffen, die das Prüfverfahren auf struktureller Ebene organisierte und Regelmäßigkeiten in den Prüfprozess bringen sollte. Die Auwahl und Benennung von Gutachtern stellte für das Referat des Kultusministeriums keinen organisatorischen Aufwand mehr dar. Bei der großen Anzahl der zu prüfenden Lehrmittel erleichterte eine Kommission die Begutachtung auf der operativen Ebene, da sich mit ihrer Arbeitsweise Routinen einstellen sollten. Die Kommission sorgte für eine dauerhaft möglich Schulbuchprüfung, die politische wie gesell1758 Ergebnisprotokoll der Sitzung am 2. 3. 1994, LAV NRW Ordner Gründung LSBK. 1759 Vgl. Protokoll der ganztägigen Plenarsitzung am 16. 3. 1994, LAV NRW Ordner Gründung LSBK. 1760 Handschriftliche Notiz auf Gutachten zu G 220/82, April 1983, LAV NRW NW 842 Nr. 904.

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schaftliche Perspektive auf Schulbildung berücksichtigte, wenn neben Lehrern und Geschichtsdidaktikern auch Elternvertreter zur Schulbuchkommission gehörten. Diese personale Zusammensetzung aus Vertretern möglichst aller Gruppen, die am schulischen Leben beteiligt waren, sollte ein umfassendes und valides Urteil über die Schulbücher sicherstellen. Gleichzeitig sollte durch die Kommission sichergestellt werden, dass die Qualität der Gutachten die gewünschte Aussagekraft enthielt. Debatten um widersprüchliche Einschätzungen wurden innerhalb der Kommission geführt und dem Ministerialreferenten eine Entscheidung vorgelegt. Die Begutachtung von Schulbüchern sollte durch die Schulbuchkommission professionalisiert und dauerhaft gewährleistet werden. Dass die Arbeit der Sektionen nicht nur die Vorteile der kollegialen Prüfung mit sich brachte, sondern auch nichtintendierte Nebenfolgen haben konnte, zeigen Auseinandersetzungen um die didaktische und methodische Ausrichtung der Sektion Geschichte im Jahr 1979. In einer Stellungnahme an den Kultusminister fasste Knepper die Ereignisse zusammen. Gleichzeitig schlug er eine Lösung der Schwierigkeiten vor, um die Arbeit der Kommission wieder dauerhaft sicherzustellen. Jene werde durch »heftige Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern«1761 beeinträchtigt, die vom Vorsitzenden der Sektion Dr. G.G. und dem Sektionsmitglied A.B. ausgingen. Bei beiden zeige sich ein »Umschwenken von einer gemäßigten Linie mit Schwerpunkt auf fachwissenschaftlichen Qualitätsanforderungen an die Geschichtsbücher auf eine militante Linie, die sich vor allem gegen neue geschichtstheoretische und geschichtsdidaktische Ansätze«1762 richte. G. und B. versuchten, die Sektion »nicht nur didaktisch, sondern mehr und mehr auch bildungspolitisch auf einen bestimmten Kurs zu bringen.«1763 Die beiden Kommissionsmitglieder seien aus der GEW ausgeschieden und hätten die »Alternative« gegründet, so Knepper. Diese Neuausrichtung führe in der Schulbuchkommission »immer wieder zu Auseinandersetzungen, die von Herrn Dr. G. und B. oft sehr polemisch geführt«1764 würden. Drei Kommissionsmitglieder hatten versucht, »hier gegen-zu-steuern [sic!] und didaktisch und politische Einseitigkeiten bei den Entscheidungen der Sektion zu verhindern«1765, doch habe das zu einem so hohen Vorbereitungsaufwand geführt, dass die drei angesichts dieser zusätzlichen Arbeitsbelastung ihre Tätigkeit niederlegen wollten. Die »Einseitigkeit der Wortführer«1766 sei besonders bei der Prüfung des Geschichtsbuches »erinnern und urteilen« 1761 Brief von Knepper an Kultusminister Girgensohn, 2. 10. 1979, Aktenzeichen I A6.81–5/0 Nr. 4692/79, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1762 Ebd. 1763 Ebd. 1764 Ebd. 1765 Ebd., S. 3. 1766 Ebd.

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deutlich geworden. Der Versuch des Autorenteams, neue didaktische Methoden und Ansätze zu verwirklichen, sei im Gutachten negativ bewertet worden. In einem Gespräch mit dem Autorenteam, von dem auch die Autoren H. und M. berichteten, mit den Gutachtern und drei anderen Mitarbeitern des Kultusministeriums sei deutlich geworden, »daß die meisten Bedenken der Sektion unbegründet waren«1767. Knepper habe das Geschichtsbuch dann entgegen dem Urteil der Sektion Geschichte genehmigt. Bei einigen anderen Gutachten der Sektion sei ebenfalls aufgefallen, dass »keine klaren Kriterien« der Prüfung mehr zu erkennen seien. Außerdem würden sich die Mitglieder G. und B. in der Öffentlichkeit polemisch über zugelassene Schulbücher äußern.1768 Knepper befürchtete, weitere Urteile der Kommission »unter Gesichtsverlust nach außen revidieren zu müssen«1769 und schlug dem Minister daher »eine umfangreiche Neuberufung«1770 an Mitgliedern vor. Außerdem wechselte im März 1980 der Vorsitz der Kommission. In diesem Zusammenhang wurden unter anderem Jörn Rüsen, Susanne Thurn und Dietrich Scholle in die Kommission berufen.1771 Neben der Besetzung der Kommission mit Geschichtsdidaktikern wurde an den Auseinandersetzungen deutlich, dass die Mitglieder der Sektion Geschichte durchaus verschiedene didaktische Positionen vertreten konnten und keineswegs politische Vorgaben die Arbeit dominierten. Die Wahrnehmung von Schulbuchautoren, es habe sich um eine einheitliche und geschlossene Haltung gehandelt, die die Kommission gemeinsam vertrat, traf möglicherweise dann zu, wenn die Sektion ihr Urteil Externen gegenüber begründete. Intern schien es durchaus unterschiedliche Positionen gegeben zu haben. Doch auch der politische Druck auf die Kommission wurde an diesem Beispiel deutlich. Unterschiedliche Meinungen zu didaktischen Konzeptionen sowie deren öffentliche Äußerung schienen die Sorge hervorzurufen, die Existenz der Kommission und die Qualität ihrer Urteile hinterfragen zu müssen. Die Sonderstellung dieser Form des Zulassungsverfahrens in Nordrhein-Westfalen setzte die Kommission 1767 Ebd. 1768 In der Zeitschrift »bildung real« erschien 1979 ein Aufsatz der beiden, in dem sie Politikbücher angriffen, deren Verwendung sie als Kommissionsmitglieder zugestimmt hatten. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte wird auf die bibliographsiche Angabe verzichtet. 1769 Ebd., S. 4. 1770 Ebd. 1771 Vgl. ebd. Die Klarnamen der drei Kommissionsmitglieder werden an dieser Stelle genannt, da Rüsen Scholles Mitgliedschaft in einem Aufsatz erwähnte (vgl. Rüsen, Jörn: Das ideale Schulbuch. Überlegungen zum Leitmedium des Geschichtsunterrichts, in: Internationale Schulbuchforschung 14 (1992), S. 237). Im Rahmen einer Presseerklärung zu ihrer Emeritierung wird Susanne Thurns Tätigkeit als Mitglied der Landesschulbuchkommission erwähnt (vgl. Universität Bielefeld: Professorin Dr, Susanne Thurn geht nach 23 Jahren. 5.7. 2013, verfügbar unter: www.ekvv.uni-bielefeld.de/blog/uniaktuell/entry/schulministerin_l% C3%B6hrmann_verabschiedet_laborschulleiterin [28. 12. 2018].

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einer gewissen Öffentlichkeit aus. Wurden in Bayern oder Rheinland-Pfalz dem Kultusministerium widersprüchliche Gutachten vorgelegt, konnte ein drittes angefordert werden, um intern eine Entscheidung zu fällen, ohne dass daraus öffentliche Diskussionen entstanden. Auch konträre didaktische Positionen von Einzelgutachtern gelangten nicht über den Schreibtisch des Kultusbeamten hinaus. Weitere Berührungen mit der Öffentlichkeit zeigen sich in einer Auseinandersetzung zwischen dem Autor und Herausgeber J.R., der das Zulassungsverfahren in Nordrhein-Westfalen in den 1980er-Jahren mehrfach kritisierte, worauf neben Knepper auch Ministerialreferenten anderer Bundesländer reagierten. In den 1990er-Jahren veröffentlichten die Kommissionsmitglieder Rüsen und Scholle Anforderungen der Kommission an ›gute Geschichtsbücher‹ in Form von Kriterienkatalogen.1772 Die Grundlage der Arbeit der Landesschulbuchkommission war der jeweils gültige Lehrplan. Dessen Aussagen zur Gestaltung und Rolle der Zukunft im Geschichtsunterricht sollen an dieser Stelle zusammenfassend dargestellt werden, bevor es danach um die Analyse einiger Gutachten der Sektion Geschichte der Landesschulbuchkommission gehen wird. In den »Richtlinien für die Höhere Schule« von 1963 wurde ein thematischer Zukunftsbezug anhand der Charta der UN mittels der »und die Hoffnung auf einen dauerhaften Weltfrieden«1773 hergestellt. Eine Deutung der Zukunft wird in der Formulierung des Themas »Die Teilung Deutschlands und das Problem der deutschen Wiedervereinigung«1774 deutlich, da das Nebeneinander zweier deutscher Staaten als problematisch und eine Wiedervereinigung damit nicht als allzu wahrscheinliche Entwicklung verstanden wurde. In den Lehrplänen von 1978 wurde die gesellschaftliche Funktion des Geschichtsunterrichts breiter ausgeführt. Die Lernziele des Geschichtsunterrichts müsse »auch aus dem Bezug auf die Lebenssituationen – gegenwärtige wie zukünftige –, denen sich der Schüler gegenübersieht, abgeleitet werden.«1775 Das Fach Geschichte leiste einen Beitrag »zur rationalen Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Wirklichkeit«1776, so die Richtlinien weiter. Dieser curricular verankerte Gegenwarts- und Zukunftsbezug beschränkt sich nicht nur auf Themen und Inhalte des Geschichtsunterrichts. Die Schüler sollten der Zukunft je1772 Rüsen, Jörn: Das ideale Schulbuch. Überlegungen zum Leitmedium des Geschichtsunterrichts, in: Internationale Schulbuchforschung 14 (1992), S. 237–250; Scholle, Dietrich, Schulbuchanalyse, in: Bergmann, Klaus u. a. (Hg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik. Seelze-Velbert 1997, S. 369–375. 1773 Der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Richtlinien für den Unterricht in der Höheren Schule. Teil f: Geschichte und Gemeinschaftskunde. Ratingen 1963, S. 19. 1774 Ebd. 1775 Der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Vorläufige Richtlinien und Lehrpläne für das Gymnasium, Geschichte, Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen. Köln 1978, S. 8. 1776 Ebd.

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doch nicht nur passiv erwartend, sondern auch handelnd gegenübertreten können, wie der Schlusssatz der Darstellung der allgemeinen Ziele verdeutlicht: Im Geschichtsunterricht würden sie »Kenntnisse und Einsichten erwerben, die zu kritisch reflektierter Identitätsfindung beitragen und sie befähigen, an der Gestaltung gegenwärtiger und zukünftiger Wirklichkeit mitzuwirken.«1777 In der Konkretisierung des Stoffplans wurden die Zukunftsbezüge als »Stellungnahme zu offenen politischen Problemen«1778 beschrieben, in die die Zeitgeschichte übergehe. Thematisch sollten »China als dritte Weltmacht«1779, »Die Verstrickung des Nahostkonflikts in die globale Auseinandersetzung der Weltmächte USA und UdSSR«1780 sowie »Die Bundesrepublik Deutschland zwischen Israel und den Arabern«1781 Beachtung finden. Im Gegensatz zu diesen konkreten Formulierungen von Unterrichtsthemen blieb die Bestimmung der Behandlung der »Entwicklungsländer« sehr offen: Der Nord-Süd-Konflikt sei auch zu thematisieren, so der Stoffplan.1782 In den Richtlinien für die Realschule von 1980 wurde die Gestaltung der Zukunft insofern als Aufgabe des Geschichtsunterrichts beschrieben, dass der Schüler dazu befähigt werden sollte, »die vorgefundene Umwelt mitzugestalten«1783 und »seine Aufgaben in Gegenwart und Zukunft«1784 wahrzunehmen. In der thematischen Umsetzung dieser allgemeinen Ziele solle der Schüler in Bezug auf das Thema »Nord-Süd-Gegensatz«1785 erkennen, dass die Entwicklungsländer »auf Gleichberechtigung in der Weltwirtschaft zielen«1786. Hinsichtlich des Konflikts im Nahen Osten sei im Unterricht auf die Erkenntnis hinzuarbeiten, dass der Konflikt »bis heute nicht beigelegt werden konnte«1787. In Bezug auf das Verhältnis der beiden deutschen Staaten gab der Lehrplan vor, dass die Staaten »hinsichtlich der Staatsauffassung, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung miteinander konkurrieren«1788. Unter dem Thema ›Weltinnenpolitik‹ wurden gegenwärtige Probleme wie »Ernährung, Energieversorgung, Umweltschutz, Durchsetzung von Menschenrechten und Friedenssicherung«1789 subsumiert, die nur gemeinsam gelöst werden könnten. Mit diesen thematischen und pädagogischen Zielen legte der nordrhein-westfälische Lehrplan für das Fach Geschichte 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789

Ebd., S. 9. Ebd., S. 37. Ebd., S. 38. Ebd., S. 39. Ebd. Vgl. ebd., S. 40. Der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Richtlinien und Lehrpläne für die Realschule in Nordrhein-Westfalen, Geschichte. Köln 1980, S. 10. Ebd., S. 13. Ebd., S. 43. Ebd. Ebd., S. 44. Ebd., S. 45. Ebd., S. 46.

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zum einen fest, dass Gegenwarts- und Zukunftsthemen Bestandteil des schulischen Unterrichts und der entsprechenden Lehrmittel sein sollten. Zum anderen wurden die Inhalte dieser Lerneinheiten aus außen- und innenpolitischen sowie gesellschaftlichen Gegenwartsdiskursen abgeleitet. Dass Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern zu finden sind, war demnach notwendig und wurde curricular eingefordert um als Lehrmittel zugelassen zu werden. Ausgehend von den Lehrplänen erstellte die Kommission Anforderungskataloge für ihre Prüfarbeit, die jedoch nur intern verwendet wurden und den Verlagen nicht zugänglich waren. Bereits mit der Gründung der Kommission 1972 schlug Knepper »Prüfakzente«1790 für die Schulbuchgutachten vor: Dazu zählten – in Bezug auf die Zukunft – die »Darstellung der geschichtlichen und gegenwärtigen Beziehungen zum Ausland, insbesondere zu Nachbarvölkern«1791 und über die »Dritte Welt«. Am 26. 9. 1984 stellte die Sektion Geschichte in einer Plenarsitzung der Landesschulbuchkommission für Politische Bildung ein Kriterienpapier vor, das fortan die Grundlage für die Prüfung der Schulbücher bilden sollte. In Bezug auf die Darstellung und die Funktion der Thematisierung der Zukunft in Geschichtsbüchern wurden darin allerdings keine Aussagen getroffen. Der Gegenwartsbezug wurde darin »als Mittel der historischen Perspektivierung« beschrieben, das dabei helfen solle, dass »allgemein bedeutsame Probleme der Gegenwart im Lichte der historischen Erfahrung verstanden werden können und zugleich die geschichtliche Eigenart vergangener Sachverhalte sichtbar wird.«1792 Außerdem sollten die Darstellungen im Schulgeschichtsbuch das Kriterium »gegenwartsgenetisch«1793 erfüllen und damit »unterschiedliche didaktische Verfahren im Unterricht ermöglicht«1794 ermöglichen. Aufgrund der archivalischen Überlieferungssituation liegen dieser Arbeit neben dem Schriftverkehr des Ministerialrates Knepper nur vier Gutachten der Fachsektion Geschichte vor.1795 Alle anderen Quellen zur Arbeitsweise der Kommission oder zu inhaltlichen Auseinandersetzungen um die Autorentexte der Geschichtsbücher sind nicht erhalten bzw. haben die Registratur des nordrhein-westfälischen Kultusministeriums bisher noch nicht verlassen. Die 1790 Brief Kneppers an den Kultusminister, 27. 4. 1972, S. 2, IC 5. 81–5/0 Nr. 1431/72, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1791 Ebd. 1792 Kriterien für die Beurteilung von Schulgeschichtsbüchern im Fach Geschichte, 29. 9. 1984, S. 2, LAV NRW NW 842, Nr. 813. 1793 Ebd., S. 3. 1794 Ebd. 1795 Die Gutachten gehören zu folgenden Geschichtsbüchern: »Unsere Geschichte, Band 3: Von der Zeit des Imperialismus bis zur Gegenwart« (Aktenzeichen G 271/86, Februar 1987); »Geschichte und Gegenwart, Band 4« (Aktenzeichen G 285/86, Februar 1987); »Zeitaufnahme 3/4« (Aktenzeichen G 220/82, April 1983); »Geschichte für morgen« (Aktenzeichen G 444/81).

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Gutachten prüfen Geschichtsbücher, die zum Quellenkorpus dieser Arbeit gehören und sollen daher wie die bayerischen und rheinland-pfälzischen Gutachten auf die Frage hin untersucht werden, wie die Zukunftsnarrationen beurteilt wurden. Das Gutachten für das Geschichtsbuch »Unsere Geschichte. Von der Zeit des Imperialismus bis zur Gegenwart« aus dem Diesterweg Verlag wurde im Februar 1987 von der Landesschulbuchkommission erstellt. Darin empfahl sie, »das Buch für die Schuljahre 1987–1991 in das Verzeichnis aufzunehmen«1796. Auf der ersten Seite des Gutachtens stehen »Tragende Gründe«1797 für die Entscheidung der Kommission. Sie sind eine Art Zusammenfassung der nachfolgenden ausführlichen Beurteilung des Geschichtsbuches und lassen schnell erkennen, ob und aus welchen Gründen ein Buch zugelassen werden soll oder nicht. Das Gutachten lobte das Geschichtsbuch, da es den »Kriterien der historischen Interpretation und Darstellung […] in hohem Maße gerecht«1798 werde. Neben den zahlreichen Vorzügen wurden auch die Monita benannt. In Bezug auf den Umgang mit den Zukunftsnarrationen wird unter dem Aspekt »Geschichte als Prozeß« festgestellt, dass das Buch die »Ursachen und langfristigen Konsequenzen«1799 einer Epoche beleuchte. Es sei gelungen, »europäische und weltgeschichtliche Zusammenhänge«1800 hinreichend zu betrachten und auch die Geschichte der Dritten Welt »ausführlich«1801 zu behandeln. Das Gutachten monierte, dass »kulturelle Aspekte der deutschen Geschichte nach 1945 […] in Kap. 8 und 9 kaum beachtet«1802 würden, »und bei der Behandlung des Nord-Süd-Gegensatzes in Kap. 1 wird das Problem der ›kulturellen Überfremdung‹ (S. 321) nicht so differenziert dargestellt, dass es den Schülerinnen und Schülern als ein zentrales Problem der Länder der ›Dritten Welt‹ einsichtig werden kann.«1803

Bezüge zur Gegenwart würden über einen »vordergründigen Vergleich damalsheute«1804 nicht hinausgehen, sodass das Gutachten an dieser Stelle Bedarf zur Nachbesserung sah. Dass und auf welche Weise auch die Zukunft im Autorentext des Geschichtsbuches angesprochen wurde, thematisierte das Gutachten nicht. Das zweite Gutachten beschäftigte sich mit dem vierten Band »Von 1850 bis zum 1796 Gutachten der Landesschulbuchkommission zu »Unsere Geschichte, Band 3«, Aktenzeichen G 271/86, Februar 1987, S. 1, LAV NRW Ordner Gründung LSBK. 1797 Ebd. 1798 Ebd. 1799 Ebd., S. 3. 1800 Ebd. 1801 Ebd. 1802 Ebd. 1803 Ebd. 1804 Ebd., S. 10.

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Ende des Zweiten Weltkriegs« des Geschichtsbuchs »Geschichte und Gegenwart« aus dem Schönigh Verlag, das 1987 zur Prüfung eingereicht wurde. Auch diese Beurteilung fiel positiv aus, sodass die Schulbuchkommission dem Kultusministerium empfahl, das Buch für zwei Schuljahre in das Verzeichnis der genehmigten Lehrmittel aufzunehmen.1805 Der Zukunft wurde in diesem Gutachten ebenfalls keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt – Bezüge und Beschreibungen im Autorentext werden nicht thematisiert. Lobend äußerte sich das Gutachten jedoch über die Gegenwartsbezüge des Buches: »Wie in keinem vergleichbaren Buch bemühen sich die Autoren über die bestehende konzeptionelle Rubrik ›Geschichte und Gegenwart‹ hinaus, zu jedem Problemkreis Gegenwartsbezüge zu formulieren«1806, sodass das Gutachten zu dem Schluss kam, dass die Gegenwartsbezüge in den Kapiteln »durchweg gelungen«1807 seien. Das dritte Gutachten entschied über die Zulassung des Geschichtsbuches »Zeitaufnahme« aus dem Westermann Verlag. Die Landesschulbuchkommission empfahl, das Buch für die Schuljahre 1983/84 und 1984/85 als Lehrmittel zu genehmigen.1808 Die gutachterliche Prüfung widmete sich nicht den Ausblicken des Autorentextes in die Zukunft, sondern beschrieb den Text als Darstellung der europäischen Weltgeschichte, der »Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart.«1809 Die Zustimmung zum Autorentext wurde in Bezug auf den Nord-Süd-Konflikt sogar expliziert. Im Gutachten wurde die überarbeitete Version des Autorentextes gelobt, denn nun werde »die Bedeutung des Konflikts und die Notwendigkeit seiner Lösung hervorgehoben.«1810 In der kurzen Thematisierung des Gegenwartsbezugs im Gutachten wurde deutlich, dass dieser auf zwei Arten verstanden wurde: Einerseits als Ausgangspunkt für historische Fragen, sodass Schülerinnen und Schüler danach fragen könnten, wie bestimmte historische Ereignisse »in unserer Stadt«1811 erlebt wurden. Andererseits wurde unter diesem Stichwort die Darstellung der »Entwicklungen bis in die Gegenwart hinein«1812 verstanden. Dies machte die Forderung des Gutachtens deutlich, dass »seine Angleichung an den aktuellen Stand in manchen Kapiteln wünschenswert wäre«1813. Die Fortsetzung des Darstellungstextes bis in die unmittelbare Gegenwart wurde also regelrecht eingefordert. Die Fachsektion 1805 Vgl. Gutachten der Landesschulbuchkommission zu »Geschichte und Gegenwart, Band 4«, Aktenzeichen G 285/86, Februar 1987, S. 1, LAV NRW Ordner LSBK Gründung. 1806 Ebd., S. 11. 1807 Ebd., S. 12. 1808 Vgl. Gutachten der Landesschulbuchkommission zu »Zeitaufnahme 3/4«, Aktenzeichen G 220/83, April 1983, LAV NRW NW 842 Nr. 904. 1809 Ebd., S. 11. 1810 Ebd., S. 19. 1811 Ebd., S. 24. 1812 Ebd. 1813 Ebd.

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Geschichte prüfte auch den vierten Band des Geschichtsbuches »Geschichte und Geschehen«, das 1988 im Klett Verlag erschien. Der Autorentext stellte an einigen Stellen deutliche Verbindungen zur Zukunft her und traf inhaltliche Aussagen über die weitere Entwicklung in Bezug auf die Themen ›Kalter Krieg‹, ›Atomkraft‹, ›Dekolonialisierung‹ und ›Umwelt‹. Diese Elemente des Textes wurden in den Gutachten der Sektion erwähnt, doch nicht beurteilt. Bereits auf der ersten Seite stellte das Gutachten fest, ob das Buch den Richtlinien und Erlassen des Landes Nordrhein-Westfalen entspreche, fest, dass das letzte Kapitel des Buches Themen anbiete, »die über die durch die Richtlinien vorgeschlagenen Themen hinausgehen.«1814 Auch das Kapitel unter der Überschrift »Geschichte für die Zukunft: erinnern und urteilen« wurde im Gutachten in Bezug auf das Kriterium »Geschichte als Prozeß«1815 geprüft, doch nicht auf enthaltene Deutungen und Aussagen über die Zukunft. Unter dem Prüfkriterium »Gegenwartsbezug« beschäftigte sich das Gutachten mit den Zukunftsbezügen. So ermögliche der Rückgriff »auf zeitgeschichtliche Ereignisse […] die Möglichkeit, für Gegenwart und Zukunft Kategorien für ein vernunftgeleitetes Handeln zu entwickeln.«1816 Das Gutachten urteilte weiterhin, dass »die Schlußkapitel […] dem Orientierungsbedürfnis von Schülerinnen und Schülern Rechnung«1817 trügen. Die vier verfügbaren Gutachten der Sektion Geschichte der LSBK empfehlen allesamt die Zulassung und Verwendung des jeweiligen Geschichtsbuches. Als Ergebnis der Prüfung loben die Gutachten Schulbuchdarstellungen sowie Gegenwarts- und Zukunftsbezüge. Diese Entscheidungen der Sektion und des Plenums der Landesschulbuchkommission stehen in deutlichem Gegensatz zu den Äußerungen der interviewten Akteure, die mit den Urteilen der Kommission eher negative Erfahrungen verknüpften. Jene Gutachten, in denen die Schulbuchkommission die Geschichtsbücher scharf kritisierte, wie die Autoren und Redakteure in den Interviews berichteten, konnten nicht auf ihre Beurteilung der Zukunftsbezüge hin untersucht werden. Zugleich muss die Beschreibung der Kommission als ›berühmt-berüchtigt‹ relativiert werden, wie G.H. betonte. Aus seiner Perspektive als Autor könne die Prüfung durch die Landesschulbuchkommission als »wichtigsten qualitative und ökonomische Hürde«1818 gelten, die nicht willkürlich entschieden habe. In seiner Erinnerung habe man zwar intensiv mit der Kommission diskutiert und sei auf Überar1814 Gutachten der Landesschulbuchkommission zu »Geschichte und Geschehen«, März 1988, S. 1, Privatbestand G.H. 1815 Ebd., S. 3. 1816 Ebd., S. 9. 1817 Ebd., S. 10. 1818 Handschriftlicher Kommentar G.H. im Korrekturexemplar, Februar 2019, S. 272, Bestand der Autorin.

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beitungswünsche eingegangen, doch besonders die Gespräche mit Knepper seien ihm in angenehmer Erinnerung geblieben. »Bammel«1819 vor der Entscheidung der Kommission habe man vielmehr im Verlag gehabt, da Überarbeitungen zeitaufwändig waren. Lehnte die Kommission ein Geschichtsbuch ab, was nach Aussage der Akteure im ersten Prüfgang meist der Fall war, wurden dem Verlag Auszüge aus dem Gutachten als verbindliche Hinweise zur Überarbeitung zugesandt. Im Falle des Gutachtens über die ersten beiden Bände des Buches »Geschichte für morgen« der Landesschulbuchkommission in Nordrhein-Westfalen leitete der Redakteur des Cornelsen Verlags die Monita an die Herausgeber weiter, um die Bücher entsprechend zu überarbeiten, da daran die Zulassung gebunden war. Auf zwei Seiten wurden die Ergebnisse der Überarbeitung aufgelistet, die der Verlag als »erhebliche Fragenkomplexe«1820 beschreibt. Auf vier Seiten setzten sie sich ausführlich mit den Einwänden der Schulbuchkommission auseinander. Auf den Inhalt der Ausführungen sei an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, da es sich um die Bände 1 und 2 des dreibändigen Geschichtsbuches handelt, sodass die Inhalte der Zukunftsnarrationen des dritten Bandes nicht thematisiert wurden. Nach Ansicht der Herausgeber und des Verlagsmitarbeiters warf die Umsetzung der Monita also neue Fragen auf, woraufhin sie um einen gemeinsamen Gesprächstermin mit der Kommission und dem Ministerialreferenten baten. In Vorbereitung zu diesem Treffen beauftragte Ministerialrat Knepper die Sektion Geschichte der Landesschulbuchkommission mit einer Stellungnahme. Weniger auf der inhaltlichen, sondern vielmehr auf der operativen Ebene antwortete der Vorsitzende der Sektion Geschichte, dass sich die Sektion einem Gespräch »nicht verschließe«1821, doch dass die Antwort der Autoren auf die Monita keine geeignete Gesprächsgrundlage sei. Der Verlag versuche in dem Schreiben, »die Sektion in die Überarbeitung bzw. Neukonzipierung eines von ihr begutachteten Unterrichtswerkes zu involvieren«1822, womit gegen die »Geschäftsgrundlage für Verlagsgespräche«1823 verstoßen werde. Weniger auf der inhaltlichen, doch vielmehr auf der operativen Ebene wird an diesem Briefwechsel deutlich, dass es möglich war, mit der Schulbuchkommission Gespräche über die Gutachten zu führen und sich in der Frage nach den inhaltlichen Kritikpunkten am Geschichtsbuch auszutauschen. Dass der Sektionsleiter auf Regeln für diese Gespräche verweist, zeigt wiederum, dass Gesprächsrunden zwischen der Kom1819 Ebd. 1820 Brief des Hirschgraben Verlags an das Kultusministerium, 31. 1. 1983, S. 1, LAV NRW NW 842 Nr. 912. 1821 Brief des Vorsitzenden der Sektion Geschichte an Knepper, 21. 4. 1983, LAV NRW NW 842 Nr. 912. 1822 Ebd. 1823 Ebd.

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mission, den Autoren und Redakteuren scheinbar so regelmäßig stattfanden, dass dafür Gesprächsregeln festgelegt wurden, um deren Einhaltung die Gutachter baten. Ein Bestandteil dieser Regeln war demnach, dass die Kommission sich nicht an der Überarbeitung beteiligte, sondern sich auf Hinweise und Kritik beschränkte. Dies erlaubt den Rückschluss, dass die Mitglieder der Sektion die Erfahrung gemacht hatten, von den Schulbuchautoren in die Überarbeitung des Geschichtsbuches und die Einarbeitung der Monita eingebunden zu werden. Die Autoren versuchten demnach, sich durch inhaltliche Fragen den Kritikpunkten der Gutachter anzunähern. Gleichzeitig erhofften sie sich auf diese Weise Unterstützung der Gutachter und Hilfestellungen für die anstehende Überarbeitung des Schulbuches. In einem Gedächtnisprotokoll über das Gespräch vermerkt der Autor E. M.., dass nach der Besprechung der verschiedenen Monita für die Autoren auch von Bedeutung gewesen sei, »die Anonymität der Gutachter zu durchbrechen, um zu wissen, mit wem man es zu tun habe.«1824 Die Schulbuchautoren wollten »die Kommission zu möglichst konkreten Auskünften […] bewegen, um bei der Abfassung von Schulbuchwerken größtmögliche Sicherheit und damit optimale Arbeitsergebnisse zu erzielen.«1825 Der ökonomische Aspekt der Schulbuchproduktion schimmert an dieser Stelle hinter den Ausführungen des Autors durch. Die Verlage und die Autoren als »Mitarbeiter« des Verlages waren an einem zügigen Prüfungsverfahren interessiert, um das Geschichtsbuch möglichst schnell und rechtzeitigt zum Schuljahresbeginn auf den Markt zu bringen. Ein verlängertes Zulassungsverfahren entstand durch eine Überarbeitung des vorgelegten Geschichtsbuches in Form der Umsetzung und Einarbeitung der Monita der Gutachter ; zudem musste das überarbeitete Buch dann erneut der Kommission vorgelegt werden. Diese zeitliche Ausdehnung des Prüfungsprozesses konnte mitunter bedeuten, dass sich die Zulassung eines Buches um ein Schuljahr verschob oder dass die Umarbeitungen so umfassend waren, dass der Antrag auf Zulassung zurückgezogen wurde. Der Verlagsmitarbeiter K.-H. Z. erläuterte, dass die zu prüfenden Geschichtsbücher jeweils bis zum 1. November eines Jahres dem Ministerium vorgelegt werden mussten, um ihre Zulassung für das nächste Schuljahr zu prüfen.1826 Die Prüfung durch die Kommission in Nordrhein-Westfalen habe rund ein Jahr gedauert und die Zulassung des Lehrmittels meistens zunächst abgelehnt. Der Verlag hat dann durch Treffen der Autoren versucht, die Monita zu korrigieren und die Überarbeitung des Buches möglichst zeitnah zu veröffentlichen, »damit wir zum Schuljahres-

1824 Gedächtnisprotokoll E.M. zum Gespräch mit Vertretern der Sektion Geschichte der Landesschulbuchkommission Politische Bildung vom 15. 6. 1983, S. 7, LAV NRW NR 842 Nr. 912. 1825 Ebd. 1826 Vgl. Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 7.

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beginn da sind«,1827 so Z.. »Wenn Sie mit einem Buch erst im Februar kommen, ist das Schuljahr schon weg«,1828 beschrieb er die Funktionsweise des Schulbuchmarktes. Für die Verlage galt es also, den Kompromiss zwischen oftmals diametralen Positionen zu suchen: Die ökonomische Determinante forderte eine mögliche schnelle Zulassung, damit das Buch konkurrenzfähig den anderen Lehrwerken gegenüber am Markt erscheinen konnte. Um das zu erreichen, folgte man idealerweise den Monita der Kommission und arbeitete das Buch entsprechend um. Das konnte allerdings mitunter einen Konflikt mit der didaktischen Konzeption und der Gestaltung des Lehrbuches durch die Herausgeber und Autoren bedeuten: G.H. erinnerte sich an drei Kritikpunkte der nordrhein-westfälischen Landesschulbuchkommission, die den Autoren mitgeteilt worden waren und die Grundlage der Überarbeitung des Autorentextes von »Grundriß der Geschichte« waren. Sie sollten »Autorentext und Quellen eng verzahnen, indem die Fragen zur jeweiligen Quelle aus der Darstellung abgeleitet und dem Quellentext vorangestellt werden sollten, um so eine stringente Unterrichtsführung zu gewährleisten.«1829 In der Einarbeitung der gutachterlichen Forderungen in die Bücher galt es, einen Konsens zu finden zwischen dem ursprünglichen reflexiven Duktus der Darstellung und der Kritik der Gutachter. Das Autorenteam habe in einem Gespräch mit den Kommissionsmitgliedern »mit der Massivität unserer Eloquenz und Rhetorik«1830 das Buch verteidigt, so H.. Als Ergebnis des Gesprächs habe man eine befristete Zulassung des Buches erwirken können, was für die Autoren ein Erfolg, für den Verlag »eine Katastrophe«1831 gewesen sei. Dieser Kompromiss sei auch deshalb entstanden, weil das Buch dem zuständigen Ministerialreferenten Knepper gut gefallen habe. Der Autor H. erinnerte sich, dass Knepper informell am Rande gesagt habe, er wollte »Grundriß der Geschichte« gerne zulassen, da es das beste Buch auf dem Markt sei, doch die Traditionalisten in der Kommission hätten Einwände gehabt.1832 Dieses Beispiel zeigt erneut die bedeutende Rolle der Referenten im Zulassungsverfahren, für die die Entscheidungen der Gutachter nicht bindend waren. Auch Herausgeber H. bestätigte für die Zulassung der »Geschichtlichen Weltkunde«, dass die Gespräche mit den Ministerialreferenten immer dann wichtig gewesen seien, wenn die Kritik der Gutachter unverständlich oder mit dem didaktischen Konzept nicht vereinbar gewesen sei. Auf diese Weise sei man 1827 Ebd., S. 8. 1828 Ebd. 1829 Handschriftlicher Kommentar G.H. im Korrekturexemplar, Februar 2019, S. 274, Bestand der Autorin. 1830 Interviewtranskript G. H., 26. 1. 2015, S. 5. 1831 Ebd., S. 6. 1832 Vgl. ebd., S. 1.

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selbst mit den umfassenden Forderungen der Landesschulbuchkommission für Politische Bildung in Nordrhein-Westfalen »irgendwie ins Geschäft«1833 gekommen, indem man sich z. B. auf Verbesserungen in der zweiten Auflage des Buches einigte.1834 Die Kommission habe verlangt, den Autorentext anzupassen und neben der männlichen Form bei Substantiven auch die weibliche aufzunehmen, doch »hinterher haben wir es dann nicht gemacht«1835, so W.H.. Dass man mit den Referenten des jeweiligen Kultusministeriums nach einem Kompromiss suchte, um die Zulassung für ein Geschichtsbuch zu erhalten, sei auch aus ökonomischer Perspektive von Bedeutung gewesen, da die Kompromissbereitschaft des Verlages und die Gespräche mit den Referenten dafür sorgten, eine (wenn auch befristete) Zulassung zu erhalten.1836 In Nordrhein-Westfalen sei die Situation solcher Gespräche eine besondere gewesen, da die Kommission die Geschichtsbücher sehr akribisch geprüft und in Gesprächen auf ihrer Position beharrt habe. So seien Gespräche zwischen Autorenteams und den Mitgliedern der Kommission mitunter ausgegangen wie das »Hornberger Schießen«1837, berichtete Verlagsredakteur A..1838 Die Ursache dafür lag jedoch nicht nur im beharrlichen Urteil der Kommission, das auch andere Akteure beschrieben, sondern auch an den Herausgebern, da jene »auch manchmal ein bisschen rechthaberisch seien«1839. Im persönlichen Gespräch mit dem Ministerialreferenten Knepper, der fast allen interviewten Akteuren »immer noch in Erinnerung«1840 war und auch als »Zulassungspapst in Düsseldorf«1841 beschrieben wurde, seien die Spielräume größer gewesen. Nachdem der Verlag ein überarbeitetes Manuskript vorgelegt hatte und die Kommission urteilte, dass man das Buch noch immer nicht zulassen könnte, habe Knepper entschieden und sich mitunter aus pragmatischen Gründen über das Urteil der Kommission hinweggesetzt: Er stimmte der Kommission zwar zu, doch wurden als Folge aktualisierter Lehrpläne auch neue Geschichtsbücher in den Schulen benötigt.1842 Auch zeitlich begrenzte Zulassungen seien eine solche Form des Kompromisses gewesen, die die Produktion und den Verkauf der Schulbücher ermöglichten. Dieser unterrichtspraktische Aspekt spielte also im Zulassungsverfahren – insbesondere nach der Einführung neuer Lehrpläne eine nicht unwesentliche Rolle. Auch R. berichtete aus seiner Arbeit als Autor des Klett1833 1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840 1841 1842

Interviewtranskript F. B., 17. 10. 2014, S. 5. Ebd. Interviewtranskript W. H., 16. 2. 2015, S. 5. Vgl. Interviewtranskript K.-H. Z., 27. 10. 2014, S. 6. Interviewtranskript U. A., 6. 8. 2014, S. 11. Vgl. ebd. Ebd., S. 12. Ebd., S. 11. Ebd. Vgl. ebd.

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Verlages in den 1980er-Jahren, dass sich der Verlag den Ministerien gegenüber »taktisch verhalten musste«1843. Man habe häufig nur zeitlich begrenzte Zulassungen erhalten, was jedoch »ein bisschen butterweich war«1844, da man sich zwischen Verlag, Autoren und Ministerien verständigt habe, »›hier und dort machen wir gewisse Zugeständnisse‹«1845, die jedoch »mehr kosmetischer Art«1846 waren. Nach der Mitteilung dieser Überarbeitungen, die die grundsätzliche Darstellung und Interpretation des Geschichtsbuches nicht betrafen, wartete der Verlag eine weitere Reaktion ab, die jedoch meist ausblieb. Ähnlich verhielt sich der Klett-Verlag 1981 im Umgang mit der gutachterlichen Kritik an »erinnern und urteilen«. Das Ministerium in Stuttgart hatte das Buch »faktisch bereits genehmigt«1847, sodass der Verlag die geforderte Umformulierung des Satzes und Wiedervorlage des Buches nicht vornahmen und »einfach im Sande verlaufen«1848 ließ.

4.

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In diesem Kapitel stand der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern im Mittelpunkt. Die Analyse wollte eine Antwort auf die Frage finden, wie Zukunftsnarrationen in Geschichtsbüchern entstanden. Dabei wurde deutlich, dass es sich bei der Schulbuchproduktion um ein komplexes Zusammenwirken von Akteuren mit teils völlig verschiedenen Interessen handelt. Bevor die Ergebnisse zusammenfassen betrachtet und gedeutet werden, müssen vorab einige methodische Zugeständnisse gemacht werden: Angesichts der Komplexität der Mechanismen im Produktionsprozess, der Heterogenität der Quellen und der Tatsache, dass sich diese Arbeit eines vielfältigen Methoden-Sets bedient, für dessen Anwendung in praxi es in der Geschichtsdidaktik sowie der Schulbuchforschung nur wenige Anknüpfungspunkte gibt, offenbaren sich durchaus Schwächen der Darstellung. Zu jenen zählt, dem Quellenmangel mit biographischen Interviews zu begegnen. Trotz aller methodischen Reflexion schimmern immer wieder subjektive und normative Tendenzen angesichts des fehlenden Korrektivs durch Archivquellen in der Beschreibung der Zusammenarbeit der Akteure durch. Zudem bedingen die Interviews, dass sich der Schwerpunkt der Darstellung auf die 1970er- und 1980er-Jahre verschob und vor allem Geschichtsbücher untersucht wurden, die von Autorenteams produziert 1843 1844 1845 1846 1847 1848

Interviewtranskript J. R., 10. 11. 2014, S. 7. Ebd. Ebd. Ebd. Interviewtranskript J. G., 13. 10. 2014, S. 4. Ebd.

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wurden. Auf die Entstehung der erfolgreichen Bücher der 1950er- und 1960erJahre, die fast ausschließlich von einem oder zwei Autoren verfasst wurden, können die Ergebnisse der Analyse nur bedingt übertragen werden. Lediglich die ministerielle Perspektive auf die Autorentexte ist möglich, da die Gutachten von 1950 bis 1972 durchgängig vorlagen. In Ansätzen konnte auch die Zusammenarbeit zwischen Schulbuchautoren und Verlagsredakteuren beleuchtet werden. Um der Aufgabe des Historikers gerecht zu werden, sollten aus den Äußerungen der Akteure ihre Praktiken herausgearbeitet werden. In Kombination mit dem idealtypischen theoretischen Gerüst, das die Forschung zur Beschreibung des Produktionsprozesses bereithält, ist deutlich geworden, dass bis dato einige Aspekte und zentrale Akteursgruppen von der Forschung völlig unbeachtet blieben: die Herausgeber, Verlagsredakteure, die Außendienstmitarbeiter der Schulbuchverlage und die Ministerialreferenten. Die Analyse hat gezeigt, dass den Autorentexten didaktische Konzepte zugrunde liegen, die dem Stand der geschichtsdidaktischen Forschung entsprachen und den Autoren Leitlinien vorgaben, ihre Texte zu gestalten. Die Verlagsredakteure agierten teilweise über ihre eigentlich koordinierende Aufgabe hinaus und schrieben am Text mit oder korrigierten ihn eigenmächtig oder zusammen mit dem Herausgeber. Der Autorentext ist also keinesfalls nur das Produkt des Autors, sondern entsteht, indem Akteure ihn schreiben, korrigieren oder prüfen. Auch die Ministerialreferenten spielten bisher in den theoretischen Betrachtungen keine oder nur eine administrative Rolle, dabei oblag es ihnen –nicht den Gutachtern – über die Zulassung zu entscheiden. Diesen Handlungsspielraum nutzten sie, wie nachfolgend noch verdeutlicht werden soll. Zudem wurde in der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure deutlich, wie wichtig der persönliche Kontakt war und dass statt statischer Entscheidungen, wie sie bisher nur beschrieben werden konnten, vor allem die Suche nach dem Kompromiss dominierte. Bei der Frage, wie Akteure zu Schulbuchautoren wurden, verwies die Mehrzahl auf persönliche Verbindungen zu anderen Autoren oder Herausgebern. Damit einher ging, dass die Akteure sich nicht nur hinsichtlich ihrer didaktischen Position einig waren, sondern auch zwischenmenschlich gut miteinander auskamen, was für die Zusammenarbeit von großer Bedeutung war. Wie die Einzelautoren der 1960er-Jahre zu ihrer Aufgabe gelangten, ist angesichts fehlender biographischer Informationen nur schwer zu rekonstruieren. Fest steht bei einzelnen, wie Caesar Hagener, Hans Ebeling oder Wolfgang Birkenfeld, dass sie als Studienrat und Hochschulprofessor beruflich mit der Vermittlung von Geschichte beschäftigt waren, doch wie ihr Kontakt zum Westermann Verlag entstand, muss im Rahmen dieser Arbeit aufgrund fehlender Quellen offen bleiben. Da die Analyse des Produktionsprozesses schwerpunktmäßig auf den qua-

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litativen Interviews lag, beschränkt sich die Aussagefähigkeit dieser Arbeit auf den Zeitraum der 1970er- und 1980er-Jahre. Die Autoren arbeiteten zwar als Team an der Entstehung des Geschichtsbuches, doch die konkrete Textarbeit geschah in den meisten Fällen am Schreibtisch des jeweiligen Autors. Bei einigen Beispielen wurden die entstandenen Arbeiten dann in der Autorenrunde diskutiert, bei der Mehrzahl übernahmen der Herausgeber und/oder der Verlagsredakteur die Korrekturen am Text. Ausschnitthaft zeigten auch Quellen aus den 1960er-Jahren, dass beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen dem Autor und dem Verlagsredakteur Ähnlichkeiten dazu aufwies. In der Abschlussphase des Autorenmanuskripts angesichts des sich nähernden Termins zur Drucklegung des Buches ähnelten sich die Produktionsverfahren alle: In intensivem Austausch zwischen dem Verlag und den Autoren wurden letzte Überarbeitungen vorgenommen und Korrekturen durchgeführt. Die Kommunikation zwischen dem Einzelautor und dem Redakteur war dabei natürlich weniger komplex als innerhalb eines Autorenteams. Als bisher kaum beachtete – aber für die Zulassungsentscheidung maßgebliche – Gruppe von Akteuren konnten die Mitarbeiter der zuständigen Referate in den Kultusministerien ausgemacht werden. Sie fällten die rechtsbindende Entscheidung über Zulassung oder Ablehnung eines Buches. Mitunter prüften sie die Bücher auch selbst und kommentierten Gutachten. Ihr Urteil über das Geschichtsbuch war demnach für die Verlag von großer Bedeutung, die dementsprechend versuchten, durch persönliche Kontakte der Außendienstmitarbeiter gute Verbindungen zu den Referaten zu pflegen. Das Wissen um die eigene Rolle im Produktionsprozess kann als Grund für dieses ministerielle Verhalten angeführt werden. Verwendet man Bourdieus Begriff des Feldes1849, lassen sich die Interaktionen der Akteure systematisch betrachten: Genau wie die Autoren, Herausgeber, Redakteure und Gutachter kannten die Ministerialreferenten die Spielregeln. Diese umfassen einerseits die Abläufe des Zulassungsverfahrens und das Wissen um die hierarchische Struktur und andererseits die inhaltlichen Anforderungen an ein Geschichtsbuch zur Erfüllung dessen politischer Funktion. Stimmten sie nun mit dem Urteil der Gutachter überein, war es nicht notwendig, selbst als Akteur auf dem Feld tätig zu werden – stimmten sie jedoch nicht überein oder gewichteten Aspekte anders, agierten sie auf dem Feld Schulbuchproduktion. Bedingt durch ihre hierarchische Position konnten sie Entscheidungen fällen, was an dem Beispiel deutlich wurde, in dem der Referent die Zulassung verweigerte, da bereits genügend Bücher auf dem Schulbuchmarkt vorhanden seien. Aus Verlagssicht mag diese Entscheidung willkürlich erscheinen, doch begründet sie sich in der administrativen Aufgabe des Ministeriums. Am exponierten Beispiel des Ministerialrates Herbert Knepper wird 1849 Vgl. zum Begriff des Feldes: Bourdieu 1993, S. 107–111.

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diese Kompetenzbündelung besonders deutlich, da er die zentrale administrative Figur hinter der Schulbuchkommission in Nordrhein-Westfalen war. Er begleitete die Arbeit der Kommission über 25 Jahre und sorgte für den reibungslosen Ablauf der Prüftätigkeit. Gleichzeitig kannte auch er die Spielregeln und damit verbunden die Möglichkeit, sich aufgrund seiner Kompetenzen über die Entscheidungen der Kommission hinwegsetzen zu können. Durch die Schulbuchkommission wurde das Zulassungsverfahren in Nordrhein-Westfalen seit 1972 zeitlich ausgedehnt und die Gutachtertätigkeit auf eine Gruppe von Gutachtern, die Sektion Geschichte, ausgeweitet. Statt einzeln benannter Gutachter prüften die Mitglieder der Sektion Geschichte und die gesamte Kommission beschloss das Sektionsgutachten. Mit dem kommissionsbasierten Prüfverfahren unterscheidet sich zwar die Form der Gutachterpraxis in formaler Hinsicht von der Tätigkeit der Einzelgutachter, doch bei genauerer Betrachtung gleichsam nicht. Die Gutachten der Landesschulbuchkommission Politische Bildung setzten sich aus einzelnen Gutachten zusammen, sodass die gutachterliche Prüfpraxis durchaus miteinander zu vergleichen ist. Auch die Aushandlungen zwischen den Gutachtern, Autoren, Verlagsredakteuren und Ministerialreferenten gleichen sich auf struktureller Ebene. In der Interaktion von Autoren und Redakteuren mit dem zuständigen Referenten zeigen sich ähnliche Mechanismen. Im persönlichen Gespräch über die Gutachten zeigte sich, dass die Akteure sich auf einen Kompromiss einigten, der die Gutachten nicht überflüssig machte, aber ihrem Urteil nicht in allen Punkten folgte. Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, wie denn nun die inhaltlich und sprachlich auffälligen Zukunftsnarrationen Teil der Schulbücher wurden, ist zunächst festzustellen, dass sie in den wenigsten Auseinandersetzungen um Geschichtsbücher die Zukunftsdeutungen die Ursache für Konflikte zwischen den beteiligetn Akteuren waren. Die Inhalte und die sprachliche Gestaltung dieser Schulbuchabschnitte stießen bei einigen Gutachtern auf Kritik, die Verweise auf die Zukunft im Geschichtsbuch als unwissenschaftlich charakterisierten. Ihre Monita resultierten allerdings nicht aus den Inhalten, sondern aus strukturellen Bedingungen, dass Zukunftsverweise angesichts der Verwendungsdauer von Schulbüchern schnell veraltet seien sowie aus professionellen Gründen, dass die Beschäftigung mit der Zukunft nicht zur wissenschaftlichen Arbeit des Historikers gehöre, die sich auch im Geschichtsbuch widerspiegeln solle. Konträre Vorstellungen unter den Autoren und Gutachtern zeigten sich also im Hinblick auf unterschiedliche Anforderungen an ein Geschichtsbuch und Vorstellungen hinsichtlich der Funktion von Geschichte im Allgemeinen. Die dominierende Meinung zur Aufgabe des Geschichtsunterrichts, wie sie sich auch diachron in den Lehrplänen zeigte, war die, dass für Schülerinnen und Schüler deutlich werden solle, wie sich die Gegenwart entwickelt hatte und wie jene sich auch in die Zukunft weiterentwickeln werde. Diesem Verständnis von

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historischer Bildung entsprechen Forderungen, dass die Beschäftigung mit Geschichte eine lebenspraktische Verwendung für die Schüler haben müsse, dass sie aus der Darstellung für die Zukunft lernen könnten und sie daher der Zukunft mit einem verantwortungsbereiten geschichtlichen Bewußtsein begegnen würden. Damit folgen sie den Forderungen der Lehrpläne insofern, als curricular die zukünftige Handlungsfähigkeit in Form politischer und gesellschaftlicher Teilhabe vorgegeben wurde. Auch die didaktischen Konzeptionen der Herausgeber beschreiben eine geschichtstheoretisch reflektierte Funktion der Beschäftigung mit Geschichte: Sie solle Orientierung stiften, damit Schülerinnen und Schüler ihrer Aufgabe der Gestaltung der Zukunft nachkommen könnten. Dass Geschichtsbücher den Lehrplänen entsprechen, ist keine Überraschung, sondern ein notwendiges Kriterium, um zur Verwendung im Schulunterricht zugelassen zu werden. Die Frage nach der Entstehung von Zukunftsnarrationen führt über diesen Befund hinaus. Jene Abschnitte in den Autorentexten entstanden aus den curricularen Vorgaben. Sie wurden in den Autorenkonferenzen und im Kontakt zwischen Autoren, Herausgebern und Redakteuren nicht als strittig empfunden. Dass sie nur in Ausnahmefällen Anlass zu Kritik der Gutachter waren und die Mehrzahl der Zukunftsbezüge schweigende Zustimmung erfuhr, zeigt, dass auch die politischen Prüfmechanismen Beschreibungen möglicher zukünftiger Entwicklungen als Bestandteil eines Geschichtsbuches akzeptierten. Zukunftsnarrationen entstehen also aus einem impliziten Konsenswissen unter den am Produktionsprozess beteiligten Akteuren darüber, Schülerinnen und Schülern mögliche zukünftige Entwicklungsszenarien gegenwärtiger Herausforderungen zu erzählen.

IV

Der Inhalt und die Entstehung von Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR 1945–1989

In diesem Kapitel stehen die Zukunftsnarrationen der DDR-Geschichtsbücher und ihre Entstehungsprozesse im Mittelpunkt. Der erste Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Inhaltsanalyse der Zukunftsnarrationen und geht der Frage nach, wie die Zukunft in den Geschichtsbüchern erzählt wurde. Die Analyse bedient sich dabei der gleichen Methode wie die der westdeutschen Bücher : Sie untersucht Geschichtsbücher auf die Themen und narrativen Strukturen zur Beschreibung der Zukunft. Im Anschluss daran geht es um die Produktion der Autorentexte: Im zweiten Teil des Kapitels werden die Entstehungsprozesse der Geschichtsbücher – und der Zukunftsnarrationen im Besonderen – beleuchtet. Die Forschung zu DDR-Geschichtsbüchern hat sich bisher vornehmlich auf deren politische Funktion konzentriert.1850 Nur wenige Arbeiten beschäftigten 1850 Vgl. beispielsweise Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen: Das Schulbuch in der Sowjetzone. Bonn/Berlin 1966, S. 8–82; Dengel, Sabine: Untertan, Volksgenosse, sozialistische Persönlichkeit: Politische Erziehung im Deutschen Kaiserreich, dem NS-Staat und der DDR. Frankfurt a.M./New York 2005; Deutz-Schroeder, Monika/Schroeder, Klaus: Soziales Paradies oder Stasi Staat? Das DDR-Bild von Schülern – ein Ost-West-Vergleich. München 2008; Fischer, Jens: Geschichte im Dienste der Politik: Die Darstellung des Zeitraums von 1933 bis 1945 in den Geschichtslehrplänen und -schulbüchern der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule in der DDR von 1959 bis 1989. Frankfurt a.M. u. a. 2004; Geißler 2011, S. 755–820; Geißler, Gert/Wiegmann, Ulrich: Schule und Erziehung in der DDR. Neuwied 1995; Kim, Sang Mu: Transformation und Lerninhalte. Eine vergleichende Analyse der DDR-Darstellung in den Lehrplänen und Schulbüchern in Ostdeutschland vor und nach der Vereinigung. Heidelberg 2003; Knopke, Lars: Schulbücher als Herrschaftssicherungsinstrumente der SED. Wiesbaden 2011; Overesch, Manfred: Der Zeitraum von 1945 bis 1955 im deutschsprachigen Schulbuch (Österreich, Schweiz, Bundesrepublik Deutschland und DDR), in: Hantsche, Irmgard/ Schallenberger, Horst (Hg.): Das Schulbuch. Analyse, Kritik, Konstruktion. Ausgewählte Analysen und Beurteilungen von Geschichtsbüchern. Kastellaun/Hunsrück 1978; Protzner, Wolfgang/Neubauer, Alexandra/Schuster, Christel: Der Geschichtsunterricht in der DDR als Instrument der SED-Politik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 43 (1993) B29–30, S. 42–51; Schmid, Heinz Dieter : Geschichtsunterricht in der DDR. Eine Einführung. Stuttgart 1979.

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

sich auf der inhaltsanalytischen Ebene mit den Büchern und setzen die Geschichtsbücher der beiden deutschen Staaten in direkten Vergleich.1851 Die umfassendste Arbeit stammt dabei von Jeismann und Kosthorst aus dem Jahr 1986, die west- und ostdeutsche Geschichtsbücher auf die Darstellung der Deutschen Frage hin untersuchten.1852 Ihre Analyse reduzierten sie in der Zusammenfassung auf eine lineare und kausale Verknüpfung von Schulbuchgestaltung und Herrschaftssicherung. So zeigten Schulbücher und Lehrpläne »die politische Bildungsintention des Staates und der Partei«1853 und besonders der Geschichtsunterricht »die Essenz des offiziellen Selbstbewußtseins in einer scharfen Plakatierung«1854. Auch Meyers betonte in seiner Analyse zu Friedrich II. von Preußen in DDR-Geschichtsbüchern, dass jene »dem übergeordneten Ziel des Ausbaus und der Sicherung der Herrschaft der SED und des sozialistischen Systems«1855 dienten, sodass die Analyse der Inhalte der Geschichtsbücher »stets das gleiche Ergebnis«1856 erzielte. Das Beispiel zeigt, dass es also für die Inhaltsanalyse notwendig ist, die Ergebnisse zunächst ohne Bezug auf ihre politische Funktion zu interpretieren. Aus diesem Grund rückt in die vorliegende Untersuchung jenes Universalargument der politischen Funktionalisierung der Lehrmittel, das die Gefahr eines vorschnellen Zirkelschlusses birgt, in den Hintergrund, um eine differenzierte Analyse zu ermöglichen. Jeismann und Kosthorst verwiesen jedoch auch auf die Verknüpfung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Bezüge zur Vergangenheit seien dabei von entscheidender Bedeutung, da die Staatsführung zur ideologischen Legitimierung »der 1851 Vgl. Friemel, Michael: Die Darstellung der deutschen Nachkriegsgeschichte von 1945 bis zur Gründung von BRD und DDR in Geschichts- und Gemeinschaftskundebüchern der Bundesrepublik, in: Hoffacker, Helmut/Hildebrandt, Klaus (Hrsg.): Bestandsaufnahme Geschichtsunterricht. Programmatik, Materialien, Perspektiven. Stuttgart 1973, S. 141– 163; Fröchling 1978, S. 83–110; Meyers, Peter : Friedrich II. von Preußen im Geschichtsbild der SBZ/DDR. Ein Beitrag zur Geschichte der Geschichtswissenschaft und des Geschichtsunterrichts in der SBZ/DDR. Mit einer Methodik zur Analyse von Schulgeschichtsbüchern. Göttingen 1983; Siebert, Otto: Der andere Teil Deutschlands in Schulbüchern der DDR und der BRD. Hamburg 1970. Mit der Geschichte von DDR-Verlagen beschäftigte sich Seemann 2017, wobei der Schulbuchverlag Volk und Wissen-Verlag allerdings keine Beachtung fand (vgl. Seemann, Anna-Maria: Parallelverlage im geteilten Deutschland. Entstehung, Beziehungen und Strategien am Beispiel ausgewählter Wissenschaftsverlage. Berlin 2017). 1852 Vgl. Jeismann, Karl-Ernst/Kosthorst, Erich: Deutschlandbild und Deutsche Fragen in den Geschichtlichen Unterrichtswerken der Deutschen Demokratischen Republik, in: Jacobmeyer, Wolfgang (Hrsg.): Deutschlandbild und Deutsche Frage in den historischen, geographischen und sozialwissenschaftlichen Unterrichtswerken der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Braunschweig 1986, S. 119– 243. 1853 Ebd., S. 122. 1854 Ebd. 1855 Meyer 1983, S. 158. 1856 Ebd.

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gesamten deutschen Geschichte«1857 bedürfe. Aussagen über diese Bedeutung im Hinblick auf die Zukunft trafen sie (leider) nicht. Eine weitere Analyse hat die Produktion von Mathematiklehrbüchern in der DDR untersucht, was auch strukturell nur bedingt mit der Entstehung von Geschichtsbüchern vergleichbar ist, da letztere eine größere Zahl von Akteuren involvierte.1858 Zwei Forschungsarbeiten beschäftigen sich am Rande auch mit der Produktion von Geschichtsbüchern in der DDR: Mätzing betrachtete 1999 die Umsetzung des historischen Materialismus im Geschichtsunterricht und thematisierte dabei auch die Lehrplan- und Schulbuchkonzipierung. Ihre Arbeit trifft Aussagen über die 1980er-Jahre und beschreibt das allgemeine Verfahren zur Lehrbuchproduktion.1859 Demantowskys Untersuchung der DDR-Geschichtsmethodik erwähnte die Produktion der Geschichtsbücher insofern, als die Methodiker die Manuskripte der Bücher ebenfalls bearbeiteten. Den Entstehungsprozess der Bücher beleuchtete er nicht.1860 Beide Arbeiten legten den Grundstein für die Analyse von Produktionspraktiken, da sie die Institutionen und das geschichtsmethodische Akteursfeld aufzeigten, das auch für die Produktion von Geschichtsbüchern relevant ist. Der Schwerpunkt zur Erforschung der Rolle des Bildungswesens und der Lehrmittel der DDR lag und liegt auf deren politischer und ideologischer Funktionalisierung. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der vorliegenden Analyse um eine Pionierarbeit, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Angesichts der fehlenden Orientierung an bestehenden Forschungsarbeiten eröffnen sich Möglichkeiten, beispielsweise bestimmte Einteilungen vorzunehmen, wie an der Gliederung des Produktionsprozesses deutlich wird. In der Verbindung mit der glücklichen Situation, dass sich im Bundesarchiv das Verlagsarchiv des Volk und WissenVerlags befindet, wird diese fehlende Anlehnung an bestehende Arbeiten zu einer Herausforderung. Der komplexe Produktionsprozess mit seiner Vielzahl von Akteuren bedarf einer methodischen Präzision, um deren Zusammenwirken aufzubereiten, ohne in Redundanzen zu verfallen. Die Ausführlichkeit der Darstellung soll die komplexen Praktiken verdeutlichen, aus denen sich der Produktionsprozess zusammensetzt. In großer Zahl liegen neben Akten zur Herstellung der Geschichtsbücher auch die Lehrpläne sowie deren ideologische 1857 Ebd. 1858 Vgl. Borneleit, Peter : Lehrplan und Lehrplanerarbeitung, Schulbuchentwicklung und -verwendung in der DDR, in: Zentralblatt für Didaktik der Mathematik 35 (2003) 4, S. 134–145. 1859 Vgl. Mätzing, Heike Christina: Geschichte im Zeichen des historischen Materialismus. Untersuchungen zu Geschichtswissenschaft und Geschichtsunterricht in der DDR. Hannover 1999. 1860 Demantowsky, Marko: Die Geschichtsmethodik in der SBZ und DDR. Ihre konzeptuelle, institutionelle und personelle Konstituierung als akademische Disziplin 1945–1970. Idstein 2003, S. 253.

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Begründungen vor. Bei ihrer Betrachtung bemüht sich die Arbeit um zusammenfassende Ausführungen, möglichst ohne dabei eine normative Perspektive einzunehmen. Im Unterschied zur getrennten Darstellung der westdeutschen Bücher werden die Analysen zu den Inhalten den Zukunftsnarrationen und zu den Produktionsprozessen der DDR-Geschichtsbücher in einem Kapitel zusammengefasst. Dies ist aufgrund der relativ geringen Anzahl von Geschichtsbüchern möglich, da im Zeitraum von 1960 bis 1989 in der DDR nur acht Geschichtsbücher produziert wurden. Die Inhaltsanalyse untergliedert sich daher nicht in Themen und Narrative, sondern beschäftigt sich im chronologischen Verlauf mit den Zukunftserzählungen. Ähnlich geht die Untersuchung der Produktionspraktiken vor: Die umfassende Quellenlage ermöglicht es, die einzelnen Entstehungs- und Überarbeitungsprozesse in den Blick zu nehmen und von der Planung bis zur Drucklegung die Interaktionen der Akteure um die Zukunftsbezüge in den Darstellungstexten zu beobachten. Um die Analyse der Geschichtsbücher auf eine fundierte Grundlage zu stellen und zu vermeiden, deren Gestaltung kausal auf die politische Ideologie zu beziehen, werden beiden Analysen einige theoretische Erläuterungen vorangestellt, die die spezifischen Rahmenbedingungen in der DDR hervorheben. Darin geht es um die politische Funktionalisierung der Lehrmittel sowie das Geschichtsbild, das Schülerinnen und Schülern vermittelt werden sollte. Diese prädisponierten Faktoren gilt es auch zu berücksichtigen, wenn die Analyseergebnisse mit denen der Bundesrepublik zusammengeführt werden. Die abschließende Betrachtung des Kapitels möchte nicht die grundverschiedenen Rahmenbedingungen für die Entstehung in den Mittelpunkt stellen oder daraus zwangsläufig resultierende Auswirkungen betonen. Vielmehr wird in vergleichender Perspektive gefragt, welche Ähnlichkeiten oder Unterschiede sich auf der narratologischen und der inhaltlichen Ebene sowie in Bezug auf die Produktionspraktiken ausmachen lassen. Damit versucht diese Arbeit eine Antwort auf die Frage zu geben, inwiefern Zukunftsnarrationen Anknüpfungspunkte liefern, die deutsch-deutsche Geschichte auf »Faktoren der Abgrenzung«1861 und »Formen der asymmetrischen Verflechtung«1862 hin zu untersuchen.

1861 Kleßmann, Christoph: Spaltung und Verflechtung. Ein Konzept zur integrierten Nachkriegsgeschichte 1945 bis 1990, in: Kleßmann, Christoph/Lautzas, Peter (Hrsg.): Teilung und Integration. Die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte. Bonn 2005, S. 30. 1862 Ebd.

Zur politischen Funktion der Geschichtsbücher

1.

335

Zur politischen Funktion der Geschichtsbücher und dem ideologisch determinierten Zukunftskonzept

Der Geschichtsunterricht und die dazugehörigen Geschichtsbücher sowie die Zeitebene ›Zukunft‹ wurden in der DDR ideologisch und politisch funktionalisiert. Im Folgenden sollen die ideologischen Grundlagen skizziert werden, um die Verbindung von Lehrmitteln und der Aufgabe der Zukunftsgestaltung zu verdeutlichen. Die Schulbücher der DDR seien »unentbehrliche Mittel für die kommunistische Erziehung der Jugend, für die Vorbereitung auf das Leben und die schöpferische Arbeit zur weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft«1863, so ein Autorenkollektiv 1984 zu deren grundlegender politischer Funktion. Das Ziel der schulischen Ausbildung sei es, dass sie alle Schüler »mit einer soliden Allgemeinbildung ausstattet, sie im Geist des Friedens, der Völkerverständigung, der Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte erzieht, die geistigen Kräfte der Kinder und Jugendlichen systematisch entwickelt, die Kinder und Jugendlichen auf ihr aktives Wirken in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft vorbereitet.«1864

Die Aufgabe der Schüler zur Mitgestaltung »des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im weiteren Leben«1865 müsse im Lehrbuch deutlich werden. Dies geschehe im konkreten Unterrichtsprozess durch »seinen Beitrag zur Herausbildung von Grundlagen des sozialistischen Bewußtseins«1866, das wiederum die Basis für das künftige Handeln darstelle. Neben dieser grundlegenden Funktion wurde den Geschichtsbüchern – und besonders dem der Klasse 10 – eine besondere Bedeutung beigemessen: Nur die Lehrbücher der Klassen 9 und 10 prüften der jeweilige Minister für Volksbildung und der Leiter des Zentralkomitees der SED persönlich, bevor eine Druckgenehmigung erteilt wurde. Den Geschichtsbüchern der DDR lag ein »vollentwickeltes Geschichtsbild«1867 zugrunde, das die Pädagogik zu vermitteln hatte. Ganz wesentlich gehörten zu diesem Geschichtsbild Aussagen über die Zukunft, die von der SED formuliert wurden und die propagandistisch die Stabilität und Dauerhaftigkeit des Staates darlegten. Die Kurzformel, dass in der DDR das »Gesicht der Zukunft Deutsch1863 1864 1865 1866 1867

Autorenkollektiv der DDR: Schulbuchgestaltung in der DDR. Berlin 1984, S. 9. Ebd., S. 10. Ebd., S. 36. Ebd. Schallenberger, Ernst Horst: Gedient ist der Menschheit ebensowenig… Zur Auseinandersetzung um das Geschichtsbild, in: Schrey, Helmut (Hrsg.): Impulse für morgen. Berichte, Hinweise, Perspektiven zu den Themenbereichen Bildungspolitik / Politische Bildung. Ratingen 1975, S. 90.

336

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

lands«1868 geformt werde, machte dies anschaulich. Es gebe »keine Kraft der Welt, die imstande wäre, die fest im sozialistischen Lager stehende Deutsche Demokratische Republik aus den Angeln zu heben«1869. Die Zukunft gehöre in der ganzen Welt »dem Frieden und dem Sozialismus«1870. Der Text beschreibt auch das Verhältnis von Vergangenheit und Zukunft und zeigt die alternativlose ideologische Zukunftsbezogenheit. Eine Vermischung von Sozialismus und Kapitalismus sei genauso unwahrscheinlich und undenkbar »wie ein Sieg der Vergangenheit über die Zukunft«1871. Die Zukunft wird als utopischer Ort eines »vereinigten, friedlichen und demokratischen Deutschland«1872 beschrieben, dessen Erreichen schwer und langwierig sein werde, doch es gebe »keinen leichteren und keinen anderen Weg im Kampf um den Frieden und die Rettung der Nation.«1873 Einzig die sozialistische Entwicklung entspreche »den Lebensinteressen des deutschen Volkes« und »verheißt […] Frieden und eine glückliche Zukunft.«1874 Das Versprechen einer ›glücklichen Zukunft‹ gab auch das Parteiprogramm von 1976.1875 Dadurch wird deutlich, dass dieser Zukunftsentwurf einer ›besseren Zukunft‹ diachron verwendet wurde und zu den ideologischen Konstanten gehörte. Die dahinterstehende Erzähllogik ist die einer »Romanze«1876, die mit einem Fortschrittsgedanken verknüpft wurde: So werde in Zukunft nicht nur alles gut, sondern sogar noch besser als in der Gegenwart. Diese Beschreibungen weisen verschiedene Zeittiefen im ideologischen Zukunftsbild auf. In weiter Entfernung liegen die vollendete sozialistische Gesellschaft und der Sieg des Sozialismus als Endpunkte der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Weitaus näher an der Gegenwart und im Bereich des Gestaltbaren werden die Maßnahmen zum Erreichen der beiden Ziele verortet. Die entfernteren Zukunftsziele bestimmen daher alles gegenwärtige Handeln. Die Zukunft ist der ideologische Anker des sozialistischen Geschichtsbildes. Die Gegenwart spielt darin nur eine untergeordnete Rolle, da sich die Darstellungen auf die Vorbereitung und die programmatischen Grundlagen in der Vergangenheit sowie die Verwirklichung der ideologisch-utopischen Szenarien in der Zukunft konzentrieren. Das Adverb »immer« 1868 SED: Die geschichtliche Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik und die Zukunft Deutschlands, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 4, (1962), S. 758–786, zitiert nach Riklin, Alois, Westen, Klaus: Selbstzeugnisse des SED-Regimes. Köln 1963, S. 18. 1869 Ebd., S. 27. 1870 Ebd., S. 28. 1871 Ebd. 1872 Ebd. 1873 Ebd. 1874 Programm der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, 1962, zitiert nach: Riklin, Alois/Westen, Klaus (Hrsg.): Selbstzeugnisse des SED-Regimes. Das nationale Dokument, das erste Programm der SED, das vierte Statut der SED. Köln 1963, S. 84. 1875 Vgl. ebd., S. 48. 1876 White 2008, S. 179.

Zur politischen Funktion der Geschichtsbücher

337

löst die sprachliche Unterscheidung der Zeitebenen ideologisch auf, denn der Sozialismus biete den Werktätigen Sicherheit »nicht nur für heute und morgen, sondern für immer«1877. Das grundsätzliche Ziel des Bildungswesens sei es, auf der Grundlage des marxistisch-leninistischen Gesellschafts- und Menschenbildes »sozialistische Persönlichkeiten«1878 zu formen. Diese allgemeine Funktion wird in verschiedenen Kontexten zu Maßnahmen und Programmen konkretisiert, damit als Folge »eines gleichförmigen Sozialisationsprozesses […] die Menschen mittels einer strikt normativen Erziehung kollektiv geformt und ideologisch gestählt werden«1879 sollten. Die Parteiführung schrieb der Schule dabei die Aufgabe zu, »das sozialistische Nationalbewußtsein der Jugend zu entwickeln, die Jugend zur Liebe zur Deutschen Demokratischen Republik, zu bewußten Erbauern des Sozialismus im Geiste der sozialistischen Moral, des proletarischen Internationalismus und zur festen Freundschaft zur Sowjetunion zu erziehen.«1880 Die »Liebe zur Arbeit«1881 sei dabei das »Kernstück der sozialistischen Erziehung«, so das Parteiprogramm von 1962. Historische Kenntnisse reichten dabei allerdings nicht aus, sondern es müsse zur Bereitschaft erzogen werden, »sowohl körperliche als auch geistige Arbeit zu leisten und sich im gesellschaftlichen Leben aktiv zu betätigen.«1882 Das Programm von 1976 führt diese grundlegende Aufgabe ebenfalls aus und ergänzte die »Erziehung und Ausbildung allseitig entwickelter Persönlichkeiten«1883 in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Die Schule müsse helfen, »daß kommunistische Überzeugungen und Verhaltensweisen entwickelt werden und den jungen Menschen geholfen wird, Antworten auf ihre Fragen über unsere Zeit und über den Sinn des Lebens zu finden.«1884 Der Stellenwert von Erziehung und Bildung sei »außerordentlich hoch«1885, sodass auch die Schulbücher »zur Verwirklichung des normativ entwickelten sozialistischen Persönlichkeitsideals«1886 beitrugen. Die große Bedeutung des Erziehungswesens wird im überarbeiteten Parteiprogramm nach der 10. ZK-Tagung 1965 deutlich. Darin heißt es: »An der Spitze der Aufgaben 1877 Ebd., S. 39. 1878 Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. 2. 1965, §1, zitiert nach: Schroeder, Klaus: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR. Köln u. a. 2013, S. 743. 1879 Ebd., S. 740. 1880 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands: Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 1962, zitiert nach: Riklin, Westen 1963, S. 143. 1881 Ebd. 1882 Ebd. 1883 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands: Programm und Statut der Sozialisten Einheitspartei Deutschlands vom 22. 5. 1976. Köln 1976, S. 83. 1884 Ebd., S. 84. 1885 Dengel 2005, S. 82. 1886 Ebd.

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

des sozialistischen Staates steht eine wirtschaftlich-organisatorische und kulturell-erzieherischen Funktion, die Leitung der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.«1887 Schmid hat in seiner Analyse der Lehrpläne hervorgehoben, dass neben diesem politischen Argument auch »industriegesellschaftliche (Meisterung der wissenschaftlich-technischen Revolution, ständiges Weiterlernen) und sogar Kosten-Nutzen-Überlegungen (Erhöhung der Arbeitsproduktivität)«1888 eine Rolle spielten. Alle Unterrichtsfächer sollten die Funktion der Ausbildung der sozialistischen Persönlichkeiten erfüllen.1889 Besonders ragte dabei jedoch neben der Gegenwarts- bzw. Staatsbürgerkunde der Geschichtsunterricht als wichtiges Element der ideologischen Erziehung der Schüler heraus. Er sollte im Besonderen der Ort sein, an dem den Schülerinnen und Schülern ein »konkretes, wissenschaftlich exaktes Geschichtsbild«1890 vermittelt wurde, in dem die Geschichte der Arbeiterbewegung und des Sozialismus im Mittelpunkt standen. Die verwendeten Schulbücher dienten als »Herrschaftssicherungsinstrumente«1891, wie die Forschung herausgestellt hat. Ihnen kam eine grundlegend zukunftsweisende Funktion zu: die »Reproduktion und Innovation der Strukturen von Gesellschaft und Kultur«1892. Es sei mit ihnen möglich, so Knopke, »zukünftige Erwachsene in Richtung bestimmter Sicht- und Denkweisen zu manipulieren.«1893 Dies sei unter anderem auch durch die Konstruktion und das Wiederaufgreifen politischer Mythen geschehen, wie Zimmering herausgearbeitet hat.1894 Im Geschichtsunterricht der Klasse 10 hätten vor allem die Mythen »Die Aktionseinheit der Arbeiterklasse«1895 und »Die DDR als der Staat der Antifaschisten«1896 Verwendung gefunden. Inwiefern sich diese Erzählungen 1887 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands: Programm der SED nach der 10. ZK-Tagung, 1962, zitiert nach: Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen: Die SED. Bonn 1967, S. 36. 1888 Schmid 1979, S. 79. 1889 Vgl. Bunke, Florian: »Wir lernen und lehren im Geiste Lenins …«. Ziele, Methoden und Wirksamkeit der politisch-ideologischen Erziehung in den Schulen der DDR. Oldenburg 2005, S. 59. Budke beschrieb für den Geographieunterricht, wie die »Ideologisierung der Bildung« in diesem Fach verlief (Budke, Alexandra: Und der Zukunft abgewandt. Ideologische Erziehung im Geographieunterricht der DDR. Göttingen 2010, S. 49). Protzner, Neubauer, Schuster beschrieben den Geschichtsunterricht als »Instrument der SED-Politik« (Protzner u. a. 1993, S. 42). 1890 Vgl. Mätzing 1999, S. 264. 1891 Knopke 2011, S. 19. 1892 Ebd. 1893 Ebd. 1894 Vgl. Zimmering, Raina: Mythen in der Politik der DDR: Ein Beitrag zur Erforschung politischer Mythen. Opladen 2000, S. 55. 1895 Ebd., S. 53. 1896 Ebd. Die Themen, die Zimmering als Teil der Mythen ausmachte, sollen in dieser Arbeit im Rahmen der Inhaltsanalyse untersucht werden.

Die Inhaltsanalyse

339

auch in den Zukunftsnarrationen finden lassen, soll die Inhaltsanalyse der Geschichtsbücher zeigen. Der Geschichtsunterricht sei die historische Fundierung »der Grundüberzeugungen der sozialistischen Persönlichkeit durch die Vermittlung eines marxistisch-leninistischen Geschichtsbildes«1897, durch das »sozialistisches Geschichtsbewußtsein«1898 erzeugt werden sollte. Diese allgemeinen Ziele waren die Grundlage für die Lehrpläne und die Inhalte der jeweiligen Klassenstufen. Einen deutlichen Schwerpunkt nahm dabei die Geschichte der neuesten Zeit von der Oktoberrevolution 1917 bis zur Gegenwart ein. In den Klassen 8 bis 10 beschäftigten sich die Schüler in unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen mit dieser Epoche. Die Inhalte des Geschichtsunterrichts wurden zum einen von der Geschichtswissenschaft, zum anderen aber wesentlicher durch die Geschichtsdeutung des historischen Materialismus bestimmt. Damit verbunden waren nicht nur eine Auswahl und Interpretation der historischen Ereignisse, sondern eine Strukturierung des Stoffes durch »ein vorgegebenes Periodisierungsschema, durch die postulierten Entwicklungsgesetze und die daraus [zu] ziehenden Lehren aus der Geschichte.«1899 Bereits diese kurzen Ausführungen zum ideologischen Fundament des Bildungssystems und der Gestaltung der Lehrmittel machen deutlich, dass pädagogisches Handeln und die Deutung von Geschichte im Schulunterricht auf die Verwendbarkeit in der Zukunft ausgerichtet waren. Es galt, die Zukunft als Entwicklungsstufe zu beschreiben, um deren Verwirklichung sich Schülerinnen und Schüler bemühen sollten. Das Zukunftshandeln der Schülerinnen und Schüler sollte im Geschichtsunterricht begründet werden, so die ideologische Grundlage.

2.

Die Inhaltsanalyse

Methodisch bedient sich dieses Kapitel der Inhaltsanalyse, um der Frage nachzugehen, wie die Zukunft in den Geschichtsbüchern der DDR erzählt wurde. Die Analyse geschieht dabei anhand der induktiv generierten Themen, die sich in den Büchern zeigen. Die mit der Darstellung der Themen verbundenen Erzählstrukturen werden dabei ebenfalls berücksichtigt. An dieser Stelle soll betont werden, dass es nicht das Ziel dieser Arbeit ist, an den Zukunftsnarrationen ideologische Elemente zu belegen oder Parteiprogramme mit Geschichtsbüchern abzugleichen. Sie untersucht stattdessen, welche Zukunftskonzeptionen die Schulbücher enthielten und wie sie narrativ gestaltet wurden. 1897 Schmid 1979, S. 84. 1898 Ebd. 1899 Ebd., S. 81.

340

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

Das Quellenkorpus dieses Kapitels ist wesentlich kleiner als das des ersten Kapitels, was sich mit der geringeren Menge von Geschichtsbüchern erklären lässt, die in der DDR aufgrund der staatlichen Planung produziert wurden. So entstanden zwischen 1953 und 1989 acht Geschichtsbücher für die Jahrgangsstufe 10 und das Kompendium »Geschichte in Übersichten« von 1982. Letztere gehörten zum Quellenkorpus der bundesrepublikanischen Geschichtsbücher nicht dazu, doch aus zwei Gründen wird »Geschichte in Übersichten« ebenfalls analysiert: Zum einen enthält der »Wissensspeicher« nicht nur eine Darstellung historischer Ereignisse, sondern deutet auch die Zukunft. Zum anderen lassen sich aufgrund der umfangreichen Aktenbestände im Produktionsprozess des Lehrmittels umfangreiche Korrekturpraktiken und Aushandlungen aufzeigen, die einen Mehrwert dieser Arbeit ausmachen.

2.1

Das »Lehrbuch für den Geschichtsunterricht 10. Schuljahr« von 1953

Der Volk und Wissen-Verlag veröffentlichte 1953 ein Geschichtsbuch für das 10. Schuljahr, das in 29. Kapiteln auf 419 Seiten historische Ereignisse vom 9. Jahrhundert bis zu zum »Unabhängigkeitskampf der nordamerikanischen Kolonien«1900 darstellt. Die Geschichtserzählung in diesem Lehrmittel endet mit der Beschreibung der amerikanischen Verfassung aus dem Jahr 1787. Der Autorentext beinhaltet keine Elemente, die sich mit Ereignissen der jüngsten Vergangenheit oder der Gegenwart beschäftigen und die Zukunft thematisieren – nicht einmal in Form eines Vorwortes, das sich mit der Funktion der Beschäftigung mit Geschichte beschäftigt. Damit gehört das DDR-Geschichtsbuch aus dem Jahr 1953 nicht zum Quellenkorpus dieser Arbeit. Es beinhaltet der Definition dieser Analyse zufolge keine Zukunftsnarrationen, die von der Produktionsgegenwart ausgehend die »echte Zukunft«1901 beschreiben.

2.2

Das Lehrbuch »Geschichte 10« von 1960 und dessen überarbeitete Version von 1961

1961 erschien eine überarbeitete Ausgabe des Geschichtsbuches von 1960, zu der einige Textpassagen hinzugefügt wurden, während sich der Großteil der Autorentexte gleicht. Die nachfolgende Analyse fasst die beiden Bücher zusammen und wird die Unterschiede entsprechend hervorheben. Ein Bezug zur Zukunft wird in diesem Autorentext durch die Darstellung der 1900 »Lehrbuch für den Geschichtsunterricht 10 Schuljahr«, 1953, S. 394. 1901 Bloch 1973, S. 335.

Die Inhaltsanalyse

341

Erfolge des technischen Fortschritts hergestellt. Die Mitglieder der Bewegung »Brigade der kommunistischen Arbeit« leisteten durch ihre Bemühungen um Forschung und Verbreitung des technischen Wissens einen Beitrag »zur Erziehung des neuen Menschen der kommunistischen Epoche.«1902 Auch für die Zukunft der Industrieproduktion benennt der Autorentext Zukunftsziele. So solle die sowjetische Produktion »bis 1965 im Vergleich zu 1958 um etwa 80 Prozent gesteigert werden«1903. In der überarbeiteten Ausgabe von 1961 wird dieser Zukunftsprognose durch die Benennung weiterer ökonomischer Maßnahmen zusätzlich Plausibilität verliehen. So seien die »Schaffung einer dritten metallurgischen Basis in Sibirien und Kasachstan«1904 sowie »Riesenkraftwerke an der Angara und am Jenissei«1905 geplant. Weitere ökonomische Maßnahmen seien, dass ab 1964 die 35-Stunden-Woche eingeführt und keine Steuern mehr erhoben würden. Der Siebenjahrplan »wird zum großen Triumph des Sozialismus-Kommunismus über den Kapitalismus« werden und die »kapitalistischen Staaten in der Produktion materieller Güter rascher […] überholen«1906, so der Text weiter. In der Ausgabe von 1961 wurde der Satz eingefügt, dass somit die Überlegenheit des Sozialismus vor der ganzen Welt bewiesen und »die Gefahr eines neuen Weltkriegs«1907 gebannt sei. Beide Texte stimmen in der Darstellung dann wieder überein, dass der Sozialismus damit einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung des Friedens leiste. Auch der Bezug der sowjetischen Wirtschaftserfolge zur DDR wird in beiden Texten deutlich, wenn der Autorentext auf der sprachlichen Ebene die Fokalisierung wechselt: Der XXI. Parteitag der KPdSU habe gezeigt, »daß alle Staaten der sozialistischen Völkerfamilie mehr oder minder gleichzeitig den Übergang zum Kommunismus vollziehen werden. Das leuchtende Ziel des Sowjetvolks ist somit auch für uns in greifbare Nähe gerückt.«1908 Ein dauerhaftes Spannungsverhältnis und die Gefahr von Kriegen existiere, »solange der Imperialismus besteht«1909, konstatiert der Autorentext und beschreibt damit eine dauerhafte weltpolitische Krisen-Konstellation vor ideologischem Hintergrund. Die »drohende Kriegsgefahr zu bannen und die internationale Spannung zu mindern«1910 sei die »gegenwärtige Grundfrage«1911 der sozialistischen Völker. Der Sozialismus verhindere »die Entfesselung eines 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911

»Lehrbuch Geschichte« 10, 1960, S. 185. Ebd. »Geschichte 10«, 1961, S. 189. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 191. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1960, S. 197. Ebd. Ebd.

342

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

neuen furchtbaren Weltkrieges«1912, womit über die Gegenwart hinaus die Zukunft mit dem Thema ›Kalter Krieg‹ verbunden wird. Der Text impliziert, dass die weltpolitische Situation zwischen drohendem Imperialismus und friedenssicherndem Sozialismus dauerhaft bestehen bleibe. Anhand des Themas ›Dekolonialisierung‹ wirft der Autorentext eine Perspektive auf eine künftige Entwicklung. In der Ausgabe von 1960 schließt das Kapitel der Darstellung der Ereignisse in Afrika mit einer Zukunftsperspektive, die die Hilfeleistungen der DDR für die afrikanischen Länder in den Mittelpunkt rückte. Demnach sei die DDR in Guinea »eine große Hilfe bei der planmäßigen Entwicklung der eigenen Wirtschaft und der Überwindung der kulturellen Rückständigkeit«1913. In der überarbeiteten Version des Autorentextes von 1961 wird daraus unter Einbezug der politischen Ereignisse im Kongo eine Zukunftsnarration, die die afrikanische Situation auf die politische Grundkonstellation des Kampfes gegen den Imperialismus bezog. Über dem Kongo schwebe eine Gefahr, die »gleichzeitig eine Gefahr für die Unabhängigkeit anderer afrikanischer Staaten«1914 sei. Die jungen afrikanischen Staaten müssten »ihre Anstrengungen im Kampf gegen den ausländischen Imperialismus verdoppeln, damit es nicht gelingt, das von der Menschheit verurteilte Kolonialregime zu restaurieren.«1915 Die Zukunft ist in dieser Darstellung geprägt von der Abwehr der Bedrohung durch den Imperialismus. »Seite an Seite«1916 werde man künftig mit den afrikanischen Völkern stehen, um »den Schutz der nationalen Unabhängigkeit der afrikanischen Völker«1917 zu fordern, denn »die vereinten Anstrengungen der fortschrittlichen Kräfte in der Welt sind die beste Garantie dafür, daß die kolonialen Bestrebungen der Imperialisten in Afrika scheitern werden.«1918 Dass es sich bei dem »Kampf der Arbeiterklasse und des schaffenden Volkes«1919 gegen die »kapitalistische Klasse«1920 um ein internationales Phänomen handle, verdeutlichen beide Ausgaben des Autorentextes, indem sie für die USA skizzieren, dass sich auch dort die Kommunistische Partei zu einer starken politischen Kraft entwickeln werde.1921 Die Partei setze »alles ein, damit die

1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919

Ebd. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1960, S. 249. Ebd., S. 251. Ebd. Ebd. Ebd., S. 252. Ebd. Vgl. Politisches Programm der SED (Parteitag am 21./22. 4. 1946 in Berlin), in: Treue, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Parteiprogramme seit 1861. Göttingen 1968, S. 182. 1920 Ebd., S. 181. 1921 Vgl. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1960, S. 269 und »Lehrbuch Geschichte 10«, 1961, S. 276.

Die Inhaltsanalyse

343

Arbeiterklasse der USA eine selbstständige politische Kraft«1922 werde. In diesem Zukunftsszenario würden sich dann »die Massen des Volkes vom Einfluß der beiden bürgerlichen Parteien lösen, deren Betrug durschauen und sich zu einer eigenen Partei der Arbeiter, Farmer und Neger zusammenschließen, einer Massenpartei, mit der das Volk die aggressiven Kräfte bändigen und seine Ziele selbst verwirklichen kann.«1923 Mit dem Thema ›Wiedervereinigung‹ beschreibt der Autorentext eine mögliche zukünftige Entwicklung, die allerdings nur nach dem »Plan einer deutschen Konföderation«1924 verlaufen könne. Jener beschreibe eine »allmähliche, schrittweise Wiedervereinigung«1925 und sei »heute die einzig mögliche Form, die beiden deutschen Staaten auf friedliche Weise wieder zu vereinigen.«1926 Die DDR verfolge dieses Zukunftsziel, um einen »friedliebenden, demokratischen Staat auf dem Wege der deutschen Konföderation«1927 zu gründen, da dies »die einzig mögliche Lösung der deutschen Frage«1928 sei. Beide Ausgaben des Geschichtsbuches folgen auch bei der Darstellung dieses Themas dem Narrativ vom bedrohlichen Imperialismus und dem friedenssichernden Sozialismus: So bemühe sich die DDR um Pläne zur friedlichen Wiedervereinigung, während die Bundesrepublik die Eroberung der DDR vorbereite.1929 In einer möglichen Auseinandersetzung zwischen dem Imperialismus und dem Sozialismus erscheinen dem Autorentext auch kriegerische Eskalationen möglich. Dabei stünden »die vereinten Kräfte der sozialistischen Länder […] zum Schutz vor Anschlägen der Imperialisten bereit.«1930 Implizit wird das Thema ›Kalter Krieg‹ angedeutet, dem die sozialistischen Staaten mit militärischen Mitteln begegnen würden. Sie reagierten dabei jedoch nur auf die westliche Aggression, »einen neuen dritten Weltkrieg zu entfachen«1931, denn sie selbst bringen alle Kräfte auf, »um den Menschen ein friedliches Leben zu sichern«1932. Zur Zukunft der DDR stellt der Autorentext fest, dass sie ein »wichtiger Faktor im Kampf um die Sicherung des Friedens in Europa«1933 sei und greift damit implizit die gegenwärtige ideologische Konstellation auf, um sie narrativ zu 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933

Ebd. Ebd. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1960, S. 335 und »Lehrbuch Geschichte 10«, 1961, S. 342. Ebd. Ebd. Ebd., S. 344 (1961) und S. 336 (1960). Ebd. Vgl. S. 337 (1960) und S. 344 (1961). Ebd., S. 374. Ebd. Ebd. Ebd., S. 351 (1960) und S. 360 (1961).

344

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

einer dauerhaften Struktur zu machen. Die internationale Arbeiterbewegung habe sich für »die Erhaltung des Friedens, für die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die Errichtung der kommunistischen Gesellschaftsordnung«1934 eingesetzt. Aus diesen Leistungen leitet das Geschichtsbuch eine Zukunftsperspektive ab, in der »dieser Traum der besten Vertreter der Menschheit Wirklichkeit zu werden«1935 beginnt, denn »mit historischer Gesetzmäßigkeit wird die sozialistische Gesellschaftsordnung den Kapitalismus ablösen.«1936 Der Autorentext endet mit dem Aufruf »Dem Sozialismus-Kommunismus gehört die Zukunft!«1937.

2.3

Das Lehrbuch »Geschichte 10«, Teil 2 von 1964

Im Zuge neuer Lehrpläne erschien 1964 ein neues Lehrbuch »Geschichte 10«. Im vierten Kapitel des Buches steht die Geschichte der Sowjetunion im Mittelpunkt. Der Darstellungstext stellt Bezüge zur Gegenwart und zur Zukunft her. So sei die Sicherung des Friedens der »Hauptinhalt der nationalen Frage«1938. Der Autorentext stellt die Maßnahmen dar, die auf dem XXII. Parteitag der KPdSU beschlossen wurden und beschreibt die Schritte, die zum Erreichen des Kommunismus eingeleitet würden. Im ersten Schritt gelte es, die »materiell-technische Grundlage des Kommunismus«1939 zu errichten. Mit diesem Ziel verbindet der Autorentext konkrete Etappen und Erfolge. Zunächst überhole die Sowjetunion »von 1961 bis 1970 […] das mächtigste und reichste Land des Kapitalismus, die USA, in der Produktion je Kopf der Bevölkerung«1940. Dazu werde die Industrieproduktion »auf etwa das Zweieinhalbfache des Standes von 1960 ansteigen, die Arbeitsproduktivität in der Industrie um mehr als das Doppelte wachsen«1941 und zugleich das »Land mit dem kürzesten Arbeitstag«1942 sein. Für die Zeit von 1971 bis 1980 beschreibt der Autorentext die zweite Etappe: Man sichere »für die gesamte Bevölkerung einen Überfluß an materiellen und kulturellen Gütern«1943 und übertreffe den Stand der Industrieproduktion um »mindestens das Sechsfache«1944. Das »Prinzip der Verteilung nach den Bedürfnissen«1945 könne so in 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

Ebd., S. 363 (1960) und S. 375 (1961). Ebd. Ebd. Ebd. »Lehrbuch Geschichte 10«, Teil 2, 1964, S. 145. Ebd., S. 159. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 160. Ebd.

Die Inhaltsanalyse

345

der Sowjetunion verwirklicht werden. Diese Prognosen basieren auf den Erfahrungen mit den Maßnahmen des Programms, das seit 1961 existiere und in den ersten Etappen bereits Erfolge gezeigt habe.1946 Auf der Grundlage statistischer Berechnungen wurde die Entwicklung der Gegenwart rechnerisch in die Zukunft extrapoliert, um so valide Aussagen zu treffen und den Erfolg der sowjetischen Entwicklung zu plausibilisieren. Auch für die DDR entwickelt der Text eine Zukunftsperspektive und legt fest, dass als Folge der wissenschaftlich-technischen Revolution »die Lebensweise der Menschen der sozialistischen Gesellschaft grundlegend«1947 beeinflusst werde: Vom »Charakter der Arbeit«, über »das Verhältnis von körperlicher und geistiger Tätigkeit« bis hin zur »Gestaltung der Freizeit werden […] große Veränderungen hervorgerufen.«1948 Der Autorentext nimmt Bezug auf das Programm des VI. Parteitags, in dem die »Aufgaben des umfassenden Sozialismus [Hervorhebung im Original]«1949 festgelegt wurden. Ein Zukunftsziel sei dabei »die Wiederherstellung der nationalen Einheit«1950, deren Hauptvoraussetzung die »Arbeiter und alle friedliebenden Kräfte in Westdeutschland selbst schaffen [müssen], indem sie die Imperialisten und Militaristen isolieren und ihnen die Macht nehmen.«1951 Die Politik der DDR sei bereits auf »die Sicherung des Friedens, die Anbahnung sachlicher und normaler Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten, die Verwirklichung der friedlichen Koexistenz in Deutschland gerichtet.«1952 Bei der DDR-Bevölkerung hätten diese Beschlüsse Begeisterung ausgelöst »und beflügelten sie zu neuen Arbeitstaten«1953.

2.4

Das Lehrbuch »Geschichte 10«, Teil 2 von 1975

Der Autorentext dieses Geschichtsbuches stellt im Kapitel zu der »Zusammenarbeit der sozialistischen Staatengemeinschaft fest (1960 bis 1971)«1954 dar, dass der erreichte Entwicklungsstand fortgesetzt werden müsse, denn »nur auf diesem Wege wird es möglich sein, die Effektivität der gesellschaftlichen Produktion maximal zu erhöhen, die Probleme der wissenschaftlich-technischen Re1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954

Ebd. Vgl. ebd., S. 162. Ebd., S. 165. Ebd. Ebd., S. 196 Ebd., S. 197. Ebd., S. 197–198. Ebd., S. 198. Ebd., S. 199. »Lehrbuch Geschichte 10«, Teil 2, 1975.

346

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

volution zu meistern und die kulturellen und materiellen Bedürfnisse der sozialistischen Völkerfamilie zu befriedigen.«1955

Dem RGW falle dabei die Aufgabe der »Plankoordinierung«1956 zu, dessen wichtige Funktion es sei, den Bedarf an »Roh- und Brennstoffen höchstmöglich zu decken, neue Plaste zu entwickeln und Aufgaben des Umweltschutzes gemeinsam zu lösen.«1957 Auch der XXIV. Parteitag der KPdSU habe das Zukunftsziel formuliert, »die Struktur der nationalen Volkswirtschaften zu vervollkommnen«1958, wodurch sich das »materielle und kulturelle Lebensniveau unserer Völker weiter erhöhen«1959 werde. Als Zeitrahmen zur »Verwirklichung des Komplexprogramms«1960 benennt das Geschichtsbuch 15 bis 20 Jahre. Der Darstellungstext räumt zugleich ein, dass im Prozess dieser Verwirklichung »ständig neue Probleme«1961 aufträten, zu deren Lösung »das schöpferische Handeln«1962 der Arbeiterparteien notwendig sei. Unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Fünfjahrplanes des VIII. Parteitages formuliert der Autorentext ökonomische Zukunftsziele für die DDR. So gelte es, die »wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse des werktätigen Volkes immer besser zu befriedigen.«1963 Dies solle durch eine stärkere Entwicklung der Produktion in der Konsumgüterindustrie erreicht werden, wozu auch eine »Intensivierung der gesellschaftlichen Produktion«1964 beitragen werde. Indirekt geht aus dieser Formulierung von Zukunftszielen hervor, dass zukünftig Mängel der Gegenwart überwunden werden sollten. Zum Abschluss des Autorentextes wird die gegenwärtige Situation explizit thematisiert: »Trotz mancher Schwierigkeiten und zeitweiliger Rückschläge«1965 würden die sozialistischen Kräfte voranschreiten und weiter »gegen den Imperialismus, für Frieden, Demokratie und Sozialismus kämpfen«1966. Außenpolitisch wird der Vertrag mit der Sowjetunion über »Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit«1967 von 1964 als »Grundfaktor des Friedens und der Sicherheit in Europa«1968 interpretiert, womit implizit auch 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968

Ebd., S. 20. Ebd. Ebd. Ebd., S. 21. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 41. Ebd., S. 42. Ebd., S. 78. Ebd. Ebd., S. 44. Ebd.

Die Inhaltsanalyse

347

eine Zukunftsperspektive enthalten ist. Der Vertragsschluss trage »sehr wesentlich zur Beruhigung und Stabilisierung der Lage in Europa und zur Festigung des internationalen Ansehens der DDR bei.«1969 Von Bedeutung für die Zukunft sei außenpolitisch, dass den afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Völkern die »zunehmende Stärke der sozialistischen Staaten und ihre wachsende Überlegenheit über den Imperialismus«1970 klar werde. Damit sei für die Zukunft verbunden, dass »die Sache des Imperialismus scheitern und die Sache der Freiheit und Unabhängigkeit der Völker siegen«1971 werde. In Verbindung mit dem Thema ›Wiedervereinigung‹ beschreibt der Autorentext, dass seitens der DDR mehrfach versucht worden sei, sich um vertragliche Einigungen mit der BRD zu bemühen. Jene sei jedoch nicht bereit, »ihre Störenfriedrolle in Europa aufzugeben«1972. Gegenwärtig ständen sich Bourgeoisie und Proletariat, Kapitalismus und Sozialismus […] unversöhnlich gegenüber»1973, sodass es keine Annäherung zwischen den Gesellschafts- und Staatsordnungen geben könne. Diese Beschreibung der Gegenwart impliziert eine Dauerhaftigkeit, die sich aufgrund der grundsätzlichen Differenz auch in die Zukunft hinein verstetigen werde. In der abschließenden Betrachtung der Ergebnisse des XXIV. Parteitages der KPdSU nimmt der Autorentext einige Elemente des Programms auf und skizziert den weiteren »Kampf aller Friedenskräfte«1974 zur »aktiven Verteidigung des Friedens und der Festigung der internationalen Sicherheit«1975. Als konkrete Zukunftsziele benennt der Darstellungstext dabei die Bemühungen im »Kampf um die internationale Abrüstung, für die Liquidierung ausländischer Militärbasen in allen Teilen der Erde sowie um eine vertragliche Abmachung vor allem zwischen großen Staaten über die Reduzierung der Militärausgaben.«1976 Auch die »Liquidierung der noch verbleibenden Kolonialregimes«1977 zähle zu den Aufgaben, die die Bemühungen des Sozialismus um den Frieden belegen sollten. Als innenpolitische Ziele formuliert das Geschichtsbuch die Aufgabe, sich mit »dem Schutz der Umwelt, der Erschließung energiewirtschaftlicher und anderer Ressourcen, der Entwicklung des Transport- und Nachrichtenwesens«1978 zu beschäftigen und Erfolge zu erzielen.

1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978

Ebd. Ebd., S. 62. Ebd. Ebd., S. 47. Ebd. Ebd., S. 89. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

348 2.5

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

Das Lehrbuch »Geschichte 10« von 1977

Im Unterkapitel 6.1.1 »Die Entwicklung der UdSSR und der anderen sozialistischen Staaten seit Beginn der siebziger Jahre« werden dauerhafte ideologische Konstellationen beschrieben, wenn der Autorentext konstatiert: »Das sozialistische Weltsystem stellt in diesem antiimperialistischen Kampf die entscheidende Kraft dar.«1979 Von Bedeutung für die Zukunft sei dabei »für die Vereinigung aller imperialistischen Kräfte«1980, dass »die Einheit der kommunistischen Bewegung fester geschmiedet wird.«1981 Die Verwendung des Präsens hebt diese beiden Sätze von der Darstellung des restlichen Kapitels ab, in dem die Moskauer Beratungen sowie Vorgänge in der UdSSR und anderen sozialistischen Ländern im Imperfekt dargestellt werden. Eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft wird am Schluss des Unterkapitels insofern hergestellt, dass für die »zweite Hälfte der siebziger Jahre«1982 Beschlüsse gefaßt worden seien, die »mit der Hauptaufgabe der UdSSR […] übereinstimmen.«1983 Die sozialistischen Länder »werden […] auch in Zukunft geschlossen und zielstrebig auf dem Weg des Aufbaus der neuen Gesellschaft voranschreiten«1984, so der Text abschließend. Das nachfolgende Unterkapitel beschäftigt sich mit dem Friedensprogramm der KPdSU aus März/April 1971 und den Zielen, die auch die Zukunft einschließen. Von Bedeutung sei dabei, dass sich nach der »Normalisierung der politischen Beziehungen […] auch die wirtschaftlichen Beziehungen beträchtlich«1985 erweitern, so der Autorentext. »Ungefähr 700 langfristige Vereinbarungen über Handel und industrielle Zusammenarbeit zwischen sozialistischen und kapitalistischen Staaten«1986 würden künftig in Kraft treten. Diese »langfristig geplanten Beziehungen«1987 interpretiert der Darstellungstext als Erfolge, die »von der qualitativ neuen Rolle des Sozialismus in der Weltpolitik«1988 zeugten. Die Bedeutung dieser Wandlungen im internationalen Bereich gehe »weit über die Gegenwart hinaus«1989, so der Autorentext. Zugleich beschreibt er »die wichtigste Kampfaufgabe der sozialistischen Staaten und aller Friedenskräfte«1990, die darin bestehe, die »im harten Ringen mit den 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990

»Lehrbuch Geschichte 10«, 1977, S. 200. Ebd. Ebd. Ebd., S. 206. Ebd. Ebd. Ebd., S. 210. Ebd., S. 211. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

Die Inhaltsanalyse

349

imperialistischen Kräften […] erreichten positiven Ergebnisse auszubauen und unumkehrbar zu machen.«1991 Inhaltlich seien dabei das Ende des Wettrüstens und Abrüstungsbemühungen von großer Bedeutung. Die Darstellung der politischen Zielvorgaben verknüpft die Vergangenheit, in der die politischen Beratungen ihren Anfang fanden, mit der Zukunft, in der sich die Planungen und Vereinbarungen erfüllen werden. Die Gegenwart dient in dieser temporalen Konstruktion lediglich als Zeitpunkt zur Information und zum Aufruf für die Bemühungen, die Zukunft zu gestalten. Um welche konkreten Aufgaben es dabei gehe, zeigt das Schulbuch durch eine rotumrandete Auflistung. Das »Programm des weiteren Kampfes für Frieden und internationalen Zusammenarbeit«1992 konkretisiert die allgemeinen ideologischen Grundsätze und fordert ein »Abkommen zwischen der UdSSR und den USA über die Begrenzung und Einschränkung der strategischen Rüstungen, […] den Abschluß internationaler Verträge über allgemeine und vollständige Einstellung der Kernwaffenversuche, über das Verbot und die Vernichtung der chemischen Waffen, über das Verbot der Entwicklung neuer Arten und Systeme von Massenvernichtungswaffen sowie der Einwirkung auf die Umwelt zu militärischen oder sonstigen feindlichen Zwecken.«1993

Die Themen ›Kalter Krieg‹ und ›Atomkraft‹ spielen demnach auch in den Geschichtsbüchern der DDR eine Rolle sowie die Forderung nach Frieden und Abrüstung. Die Darstellung des Themas ›Umwelt‹ wird ebenfalls mit Zukunftsbezügen versehen. Allerdings gleicht die narrative Struktur der Darstellung weniger der Beschreibung von Szenarien und möglichen weiteren Entwicklungen, sondern der Formulierung von Aufgaben, die in Zukunft bewältigt werden müssen. In dieser Aufgabenliste wird auch das Thema ›Nahostkonflikt‹ aufgeführt und mit der Forderung verbunden, eine »gerechte und dauerhafte Regelung«1994 zu finden, um »die Beseitigung der noch vorhandenen Kriegsherde«1995 zu erreichen. Das Thema ›Wiedervereinigung‹ wird ebenfalls berührt, wenn der Autorentext fordert, »die Beziehungen einer langfristigen gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit in verschiedenen Sphären – in der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur mit […] der BRD […] konsequent weiterzuentwickeln.«1996

Zum Thema ›Dekolonialisierung‹ führt der Text aus, »die völlige Beseitigung aller Überreste des Systems der kolonialen Unterdrückung« erreichen zu wollen. In Ergänzung zu diesen Formulierungen von themenspezifischen Aufgaben 1991 1992 1993 1994 1995 1996

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 212.

350

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

formuliert der Darstellungstext die ideologischen Zukunftsziele in Anlehnung an die »Konferenz kommunistischer und Arbeiterparteien Europas«1997, die forderten, »den Einfluß des Imperialismus auf die Weltpolitik weiter zurückzudrängen und neue Erfolge bei der Durchsetzung der Politik des Friedens, der Demokratie und des sozialen Fortschritts zu erringen.«1998 Auch für einzelne Länder entwirft das Geschichtsbuch eine Zukunft. Für Portugal stellt es fest, dass »noch viele komplizierte Probleme zu lösen«1999 seien, da »der Druck und die Einmischung der internationalen Reaktion«2000 die Entwicklungsschwierigkeiten vergrößerten. Der Imperialismus und die »enormen materiellen Aufwendungen für Rüstung und Militarisierung«2001 seien die »gefährlichste Konsequenz einer durch die Geschichte längst gerichteten ›Politik der Stärke‹«2002, urteilt der Autorentext. Durch den Tempuswechsel wird in dem Unterkapitel die dauerhafte ideologische Gegenüberstellung der beiden Systeme und die daraus resultierende Bedrohung, die sich auch in der Zukunft fortsetzen wird, deutlich: »Die USA planen bis zum Jahre 1990 die Entwicklung und Produktion von 42 neuen Waffensystemen mit einem Aufwand von rund 148 Milliarden Dollar«2003, so der Autorentext. Die Entwicklung dieser Waffensysteme und der Rüstungsmaßnahmen ermögliche »die erträumte Rückgewinnung der militärischen Überlegenheit des Imperialismus«2004, lautet das Zukunftsszenario im Autorentext, das im weiteren Verlauf des Textes präzisiert und plausibilisiert wird. »Besonders gefährlich und menschenfeindlich sind die Versuche des amerikanischen Imperialismus, neueste wissenschaftlich-technische Errungenschaften militärisch zu mißbrauchen«2005, führt der Text weiter aus und nennt als Beispiel den Vietnamkrieg. Die Bedrohung durch die USA beschreibt der Autorentext auch in Kombination mit dem Thema ›Umwelt‹, da »die Auslösung künstlicher Erdbeben und extreme Klimaveränderungen durch Veränderung der Strahlendurchlässigkeit der Lufthülle«2006 ebenfalls zu den Auswirkungen gehörten und sich erst in der Zukunft zeigen würden. Der »erbitterte Widerstand der aggressivsten Kräfte des Imperialismus gegen eine Vertiefung des Entspannungsprozesses«2007 werde sich auch weiterhin in eine »qualitative

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Ebd. Ebd. Ebd., S. 215. Ebd. Ebd., S. 224. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

Die Inhaltsanalyse

351

Zuspitzung der Krise«2008 fortsetzen. Damit verbunden sei jedoch nicht der Zusammenbruch des Kapitalismus, der über beträchtliche Reserven verfüge. Es »wird noch eines langen, zähen Kampfes der Arbeiterklasse und aller fortschrittlichen Menschen bedürfen, um diese letzte, aber stärkste Ausbeuterordnung zu beseitigen.«2009 In der Zusammenfassung des Unterkapitels wird die »historische Perspektivlosigkeit des Kapitalismus«2010 erneut angeführt und eine Entwicklung aufgezeigt: So sehe sich der Imperialismus gezwungen, sich »der vom Weltsozialismus herbeigeführten Wende in der internationalen Lage anzupassen«2011. Neben der grundsätzlichen ideologischen Differenz bietet der Autorentext auch eine Lösung des Konflikts an. In der Darstellung wird jedoch deutlich, dass es sich bei diesem Szenario um eine Entwicklung handelt, die sich erst in einer entfernten Zukunft einstellen werde. Mittelbarer setze sich auch in die Zukunft fort, dass »die aggressivsten Kräfte des Imperialismus die weitere Vertiefung des Entspannungsprozesses zu verhindern suchen.«2012 Der Autorentext differenziert zwischen dem grundsätzlichen ideologisch bestimmten Zukunftsziel, dem Übergang zum Weltkommunismus, und einer sich enger an die Gegenwart anschließenden Zukunft. In dieser weniger ›weit‹ von der Gegenwart entfernten Zukunft werden sich die in der Vergangenheit beschlossenen politischen Maßnahmen realisieren. Damit werden narrativ vor dem Hintergrund der weiter entfernten Kommunismus-Zukunft die Entwicklungen und möglichen Fortgänge skizziert, die sich unmittelbarer Nähe der Gegenwart ereignen könnten. Dazu zählen auch die Beschreibungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, die der Autorentext in einem Unterkapitel ausführt.2013 Das daraus resultierende sozialpolitische Programm und seine Maßnahmen sollten dazu dienen, »die Bedingungen für die soziale Sicherheit der Werktätigen in der DDR weiter zu vervollkommnen.«2014 In den beiden letzten Kapiteln des Geschichtsbuches wird der IX. Parteitag der SED behandelt, womit die Darstellung von Zukunftszielen verbunden ist, die jedoch auf der ideologischen Ebene verbleiben. In den vier Punkten der »strategischen Orientierung«2015 wurde betont, dass die DDR »jetzt und auch künftig die Kräfte auf den weiteren Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft«2016 konzentrieren wolle. Damit werde die Verbindung dieses Aufbaus »mit der kom2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Ebd. Ebd. Ebd., S. 226. Ebd. Ebd. Vgl. ebd., S. 227. Ebd., S. 228. Ebd., S. 238. Ebd.

352

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

munistischen Zukunft«2017 immer enger, sodass die Planungen der nächsten Fünfjahrpläne Voraussetzungen »für den allmählichen Übergang zum Kommunismus«2018 seien.

2.6

Das Lehrwerk »Geschichte in Übersichten« von 1982

1982 veröffentlichte der Volk und Wissen-Verlag mit diesem Geschichtsbuch einen »Wissensspeicher für den Unterricht«2019, der auf 584 Seiten eine kompendienähnliche Darstellung vom Beginn der Menschheitsgeschichte bis zur Gegenwart enthielt. In »knapper, stichwortartiger Form«2020 umfasst das Buch den »Lehrstoff des Geschichtsunterrichts der Klassen 5 bis 10«.2021 Für die Beschreibung der zukünftigen Entwicklung der Sowjetunion greift der Autorentext auf das Programm des XXVI. Parteitages der KPdSU zurück, in dem Zukunftsziele bis zum Jahr 1990 entwickelt wurden. Die Zukunft sei geprägt von der »Ausgestaltung der Sowjetgesellschaft in der Periode des entwickelten Sozialismus«2022 und den fortschreitenden Bemühungen um »Frieden, Sicherheit und Wohlstand«2023. Durch die Erfüllung des Fünfjahrplans werde das Produktionspotential »vollständiger und effektiver zu nutzen«2024 sein, die Wirtschaft werde »auf den Höchststand von Wissenschaft und Technik«2025 geführt und die Versorgung der Bevölkerung »mit Nahrungsgütern und industriellen Konsumgütern«2026 verbessere sich. Zum Zukunftsziel der »Festigung des Friedens«2027 werden ebenfalls Maßnahmen beschrieben: Außenpolitisch verfolge man das Ziel der »Ausdehnung der vertrauensfördernden Maßnahmen auf militärischem Gebiet«2028, die »Erörterung der Sicherheit im Raum des Persischen Golfes«2029, die Fortsetzung der Rüstungsverhandlungen mit den USA und ein »Moratorium für die Stationierung neuer Raketenwaffen mittlerer Reichweite in den NATO-Ländern und der UdSSR«2030. Thematisch stellt der Autorentext Bezüge zum Thema ›Kalter Krieg‹ her, das die Zukunft mit verschiede2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030

Ebd. Ebd. »Geschichte in Übersichten«, 1982. Ebd., S. 3. Ebd. Ebd., S. 506. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

Die Inhaltsanalyse

353

nen Narrativen beschreibt: die Fortsetzung der friedlichen Koexistenz durch Abrüstungsgespräche und den Nahostkonflikt als Stellvertreterkrieg. Durch die Erwähnung der geplanten weiteren territorialen Ausdehnung greift der Text das Narrativ ›Bedrohung durch den Bolschewismus‹ auf, denn den Aufgaben der Zukunft werde mit einer »wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit«2031 der RGW-Länder begegnet. Als Beleg der Plausibilität dieser Prognose führt der Text Maßnahmen an, die von 1971 bis 1975 durchgeführt worden waren. Auch für die DDR beschreibt der Darstellungstext die weitere Entwicklung in der Zukunft. Der X. Parteitag der SED habe die zentralen Aufgaben benannt: die »Sicherung des Friedens als Hauptanliegen«2032, den »Ausbau des Bruderbundes mit der Sowjetunion und den anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft«2033, die weitere »Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft«2034 sowie die »Weiterführung des bewährten Kurses, das materielle und kulturelle Lebensniveau des Volkes auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität [..] zu erhöhen«2035. Es gelte, weiterhin die »Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik«2036 zu befördern. Als konkrete Maßnahmen zu diesen grundsätzlichen Zielen nennt der Autorentext die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität, die »Verringerung des Produktionsverbrauchs von Energieträgern und Hauptrohstoffen«2037, die Nutzung der »fortgeschrittensten Errungenschaften von Wissenschaft und Technik«2038 sowie den Bau von 950.000 Wohnungen.2039 Außerdem würden die »Vervollkommnung des Netzes der Volksbildungseinrichtungen«2040 sowie die weitere Verbesserung der »Qualität und Wirksamkeit der medizinischen und sozialen Betreuung«2041 angestrebt. Im Gegensatz zu dieser positiven Entwicklung der sozialistischen Staaten beschäftigt sich der Autorentext auch mit Zukunftsperspektiven für das »imperialistische Staatensystem«2042. Dem Narrativ folgend, für die Sowjetunion und die DDR eine Erfolgsgeschichte zu erzählen, beschreibt das Geschichtsbuch für die Zukunft der imperialistischen Staaten negative Entwicklungen. Demnach 2031 2032 2033 2034 2035 2036 2037 2038 2039 2040 2041 2042

Ebd., S. 507. Ebd., S. 521. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 530.

354

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

zeichnen sich »weitere zyklische kapitalistische Weltwirtschaftskrisen«2043 ab, die »alle Bereiche der kapitalistischen Gesellschaft erfaßten.«2044 Dabei handle es sich um Währungskrisen, eine Inflation, eine »Energie- und Rohstoffkrise, Umweltkrise, Krise der Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, Krise der Moral, Kultur und des Lebensniveaus«2045. Als konkrete Folgen all dieser krisenhaften Erscheinungen benennt der Text die steigende Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit. In der Bundesrepublik werde der »Abbau der Demokratie«2046 voranschreiten und zusammen mit dem »außenpolitischen Konfrontationskurs«2047 auch die »Hochrüstung«2048 verstärkt. Im Gegensatz zu dieser Beschreibung der sich zukünftig verschärfenden Krisensituation endet der Autorentext mit der Darstellung des »Aufschwungs der Arbeiterbewegung«2049. Damit wird eine positive Perspektive für die Zukunft entworfen, in der die »Arbeiterklasse […] erfolgreichen Widerstand«2050 durch eine ständig größer werdende Streikbewegung leiste.

2.7

Das Lehrbuch »Geschichte 10« von 1989

In der Darstellung der Karl-Marx-Konferenz im Jahr 1983 verweist der Autorentext des Geschichtsbuches auf die Zukunft, wenn er die friedenssichernde Aufgabe der sozialistischen Staaten betont. Angesichts der »real existierenden Gefahr eines Kernwaffenkrieges«2051 sei deutlich geworden, »daß verschiedenartigste Kräfte und Bewegungen, die das Streben verbindet, die Menschen für immer von der Kriegsgefahr zu befreien, in der Lage sind, die im Kampf um den Frieden gestellten Aufgaben zu erfüllen.«2052 Das Narrativ ›Bedrohung durch Atomkrieg‹ wird an dieser Stelle des Textes verwendet, um den Zusammenhalt und die gemeinsame Basis der Konferenzteilnehmer darzustellen, die den Erfolg der Konferenz belegten. Der Text betont dabei besonders, dass Kommunisten und Sozialdemokraten teilnahmen, die zwar »grundsätzliche Differenzen in wesentlichen Fragen haben«2053, es aber dennoch gelang, »daß sie miteinander reden können, um im Ergebnis zu gemeinsamem Handeln im Interesse des 2043 2044 2045 2046 2047 2048 2049 2050 2051 2052 2053

Ebd. Ebd., S. 531. Ebd. Ebd., S. 532. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 532. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1989, S. 271. Ebd. Ebd.

Die Inhaltsanalyse

355

Friedens zu kommen.«2054 Die Wahrung des Friedens ist aus der Perspektive des Autorentextes Aufgabe der sozialistischen Kräfte, die daher auch Gespräche mit der Bundesrepublik führten. Bei der Beschreibung der Maßnahmen der Wohnungsbauprogramme als Erfolge der staatlichen Planungspolitik zur Steigerung des Wohlstandes wechselt der Autorentext auf der sprachlichen Ebene die Fokalisierung, wenn die weitere Entwicklung des Programms beschrieben wird. So haben die Renovierungen in zahlreichen Stadtzentren dazu beigetragen, »unsere Städte attraktiver und anziehender zu gestalten«2055, erklärt der Autorentext. Auch weiterhin werde dem Anliegen »immer mehr Rechnung getragen«2056, wie die Gestaltung Berlins zeigen solle. Mit dem gemeinschaftsstiftenden Element ›unsere Städte‹ suggeriert der Autorentext eine gewisse Schülernähe, um die Maßnahmen in der Lebenswelt der Schüler aufzuzeigen. Dies dient dazu, sie zur Teilhabe an der Gestaltung der Zukunft zu motivieren, da ihr politisches Engagement keinen Beitrag zu einem abstrakten Gemeinwohl leiste, sondern im eigenen Alltag erfahrbar werde. Einen konkreten Endpunkt in der Zukunft benennt der Text für die Entwicklung im wirtschaftlichen Bereich. So sei »auf der Grundlage der Intensivierung der Produktion sowie der Erhöhung ihrer Effektivität und Qualität […] geplant, das Nationaleinkommen bis zum Jahre 2000 zu verdoppeln.«2057 Bei dieser Zielsetzung handelt es sich um eine Fortsetzung der »bisher erreichten Erfolge«2058 dar und beseitige Schwierigkeiten der Vergangenheit. Beim Thema ›Atomkraft‹ stellt der Autorentext einen expliziten Bezug zur Gegenwart her. Er beschreibt die militärische Stärke der sozialistischen Staaten, die gegenwärtig in der Lage seien, »den Krieg aus dem Leben der Menschheit zu verbannen.«2059 Aus diesem Gegenwartszustand leitet der Text eine Zukunft ab, in der der Imperialismus »zum Frieden, zur friedlichen Koexistenz gezwungen werden«2060 könne, wenn es gelänge, »den Einfluß der aggressivsten Teile des Monopolkapitals zurückzudrängen.«2061 Dafür sei ein einheitliches Handeln der sozialistischen Gemeinschaft nötig, den gemeinsamen Mittelpunkt der internationalen Politik ausmache. Die gegenwärtige Entwicklung wird auch beim Thema ›Wiedervereinigung‹ betont, da die Beziehungen zwischen den beiden Staaten »von großer Bedeutung

2054 2055 2056 2057 2058 2059 2060 2061

Ebd., S. 272. Ebd., S. 289. Ebd. Ebd., S. 294. Ebd. Ebd., S. 296. Ebd., S. 297. Ebd.

356

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

für das politische Klima in Europa waren und sind«2062. Auch das Thema ›Kalter Krieg‹ führt der Autorentext bis in die Gegenwart fort und suggeriert damit einen Fortgang der Entwicklung in die Zukunft. Bei einem Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Reagan sei deutlich geworden, »daß Frieden nicht mehr gegeneinander, sondern nur noch miteinander gesichert werden kann«2063, so der Autorentext. Die ideologischen Gegensätze der Vergangenheit werden von gegenwärtigen realpolitischen Erfahrungen abgelöst und zu einer Perspektive für die Zukunft, die von einem friedlichen Miteinander geprägt ist. Dieser veränderten Interpretation folgt auch die Darstellung des Treffens der beiden Staatschefs in Reykjavik, das der Autorentext wie folgt beurteilt: »Aber das Treffen in Reykljavik [sic!] zeigte: Ein Ende des Wettrüstens und die Abrüstung sind möglich!«2064 Die zukünftigen Friedensbemühungen, sowohl international als auch zwischen der DDR und der BRD, habe auch die SED auf ihrem Parteitag bestätigt.2065 In der Zusammenfassung des Kapitels wird die Sicherung des Friedens als die Frage beschrieben, die »im Brennpunkt des gewaltigen Ringens steht«2066 und »über Gegenwart und Zukunft der Menschheit entscheidet«2067, der sich aber lediglich die DDR annehme. Trotz der Annäherungen in den Gesprächen der Vergangenheit wirkten immer noch reaktionäre Kräfte, die die Entspannung untergraben, das Wettrüsten beschleunigen und eine Politik der Bedrohung und des Boykotts betreiben würden, warnt der Darstellungstext.2068 Für die Zukunft leitet er daraus ab, dass »die Verteidigungsfähigkeit des Sozialismus […] stets dem Grad der Aggressionsfähigkeit des Imperialismus entsprechen«2069 müsse. Die Konstruktion einer narrativen Struktur der zukünftigen Bedrohung bleibt auch angesichts der Friedenserfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart bestehen. Der Autorentext selbst beurteilt die Beschlüsse des XI. Parteitages, der sich mit Planungen sowohl bis 1990 wie auch bis zum Jahr 2000, beschäftigte als »gegenwartsbezogen und zukunftsorientiert zugleich«2070. Denn von der »Welt des Sozialismus, der Freiheit, des Fortschritts, der Menschenwürde, von ihrem Zuwachs an Kraft, Macht und Autorität geht weiterhin der entscheidende Einfluß auf die grundlegenden Veränderungen im Leben der Menschheit aus.«2071

2062 2063 2064 2065 2066 2067 2068 2069 2070 2071

Ebd. Ebd., S. 304. Ebd., S. 307. Vgl. ebd., S. 310. Ebd., S. 313. Ebd. Vgl. ebd. Ebd. Ebd., S. 311. Ebd., S. 313.

Die Inhaltsanalyse

357

Der Wechsel der Fokalisierung am Ende des Autorentextes betont an dieser Stelle die gemeinschaftliche Aufgabe der Gestaltung der Zukunft, die auch inhaltlich bestimmt wird. So »vollziehen wir den Übergang aus dem Reich der blinden Notwendigkeit in das Reich der Freiheit«2072. Durch »kluge, gute und schöpferische Arbeit […] wird auch an der Wende zum nächsten Jahrtausend unser sozialistisches Land ein unerschütterlicher, stabiler Staat im Herzen Europas, ein in der Welt hoch geachteter und geschätzter moderner Industriestaat sein.«2073 Die DDR leiste damit ihren Beitrag »zur Erhöhung der internationalen Kraft und Autorität des Sozialismus, für den gesellschaftlichen Fortschritt in der Welt«2074, wie der Schlusssatz des Buches feststellt. Neben der ideologisch bedingten Argumentationsstruktur wird deutlich, dass die gegenwärtigen politischen Erfahrungen Einfluss auf die Zukunftsszenarien nehmen. Im Bereich der internationalen Beziehungen und der Abrüstungsbemühungen zeigt sich eine Annäherung an die USA, die auch in die Zukunft fortgeführt wird, wenngleich der Autorentext auf das Narrativ ›Abwehr des Imperialismus‹ nicht verzichten kann.

2.8

Die Zusammenfassung der Inhaltsanalyse

In der Analyse der Zukunftsnarrationen der DDR-Geschichtsbücher wird deutlich, dass sie die gleichen Themen beinhalten wie die Geschichtsbücher der Bundesrepublik. Mit den Themen ›Kalter Krieg‹, ›Atomkraft‹, ›Umwelt‹, ›Dekolonialisierung‹ und an wenigen Stellen auch des Themas ›Wiedervereinigung‹ sind Zukunftsszenarien verbunden, die sich in ihrer narrativen Gestaltung allerdings deutlich von den westdeutschen Erzählmustern unterscheiden. Die grundlegende Erzählstruktur ist bei der narrativen Gestaltung der verschiedenen Themen die, dass der Sozialismus durch die aggressiven imperialistischen Kräfte bedroht werde. Der Frieden und die Sicherheit müssten durch die sozialistischen Staaten vor den imperialistischen Einflüssen verteidigt werden. Der Sozialismus stehe für die dauerhafte Sicherung des Friedens, während der Imperialismus das friedliche Miteinander gefährde, zu dessen Schutzmacht sich der Sozialismus erklärte. Der Autorentext des Geschichtsbuches von 1960 beschreibt es als »Kriegsgefahr«2075, die gebannt werden müsse. Während sich die DDR zur Förderung des Friedens einsetze, plane die Bundesrepublik die Eroberung des Nachbarstaats, so der Autorentext weiter.2076 Sprachlich wird die 2072 2073 2074 2075 2076

Ebd., S. 314. Ebd. Ebd. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1960, S. 197. Ebd.

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

Dauerhaftigkeit dieser Konstellation durch die Verwendung des Präsens und des Futurs deutlich: Die Beschreibungen des grundlegenden ideologischen Konflikt stehen im Präsens, womit die Texte betonten, dass er in der Gegenwart bereits existierte und sich linear in die Zukunft fortsetzen würde. Das Futur dient hingegen zur Beschreibung der notwendigen Bemühungen seitens der sozialistischen Kräfte. So werde es »eines langen, zähen Kampfes der Arbeiterklasse bedürfen«2077, um sich erfolgreich gegen den Imperialismus zur Wehr zu setzen. Die Zukunft wird in den Darstellungstexten explizit als die Zeitebene angesprochen, in der sich die geschilderten Entwicklungen vollziehen und verwirklichen würden. Diese Erzählstruktur wenden die Darstellungstexte auf verschiedene Themen an. Sehr naheliegend ist dabei die Verbindung der Themen ›Kalter Krieg‹ und ›Atomkraft‹ zu dem Narrativ ›Bedrohung durch Atomwaffen und Aufrüstung‹. Im Autorentext von 1961 erscheint auch der Begriff eines möglichen ›Dritten Weltkriegs‹, den die sozialistischen Kräfte zu verhindern versuchten. In den 1970er-Jahren verändert sich die narrative Gestaltung und der Dritte Weltkrieg findet keine Erwähnung mehr. Stattdessen steht die Verbindung der beiden Themen in Verbindung mit der Forderung nach Frieden und Abrüstung, die der Sozialismus ebenfalls befördern würde. Durch die »aggressivsten Kräfte des Imperialismus« würden Annäherungsversuche und Entspannungsbemühungen jedoch verhindert. Den gesamten Betrachtungszeitraum über prognostizieren die Geschichtsbücher, dass sich die Krise des Imperialismus immer weiter zuspitzen werde und die Bedrohung fortlaufend zunähme. Der Fortschrittsgedanke wird ins Negative extrapoliert und eine Gefahr beschrieben, die abgewehrt werden müsse. Um die Plausibilität dieser Prognose zu erhöhen, beschreibt der Darstellungstext von 1982 die Lebensbereiche, in denen sich die Krisen bereits zeigten. Im Kontrast dazu wird der »Aufschwung der Arbeiterbewegung«2078 behauptet, um ein positive innenpolitische Zukunftsperspektive entgegenzusetzen. Die wahrgenommene Bedrohung durch die USA verknüpfen die Geschichtsbücher auch mit dem Thema ›Umwelt‹. Der Autorentext von 1977 prognostiziert als Folge der Rüstungsvorhaben der USA künstliche Erdbeben und Umweltschäden durch die Anwendung nuklearer Waffen. Das Thema ›Wiedervereinigung‹ wird ebenfalls als Bemühung der DDR erzählt, die eine Konföderation und ein friedliches Nebeneinander der Staaten zum Ziel habe. Die Darstellung von 1989 konstatiert, dass der Frieden »nur noch miteinander« und durch ein friedliches Nebeneinander erhalten werden könnte. Die fehlenden Formulierungen in Bezug auf die Aggressionspolitik zeigen, dass sich die poli2077 »Lehrbuch Geschichte 10«, 1977, S. 224. 2078 »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 532.

Die Inhaltsanalyse

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tische Annäherung der Großmächte im Geschichtsbuch niederschlug. Ebenso zeigt sich in den 1960er-Jahren mit der Formulierung des ›Dritten Weltkrieges‹, dass das Geschichtsbuch auch die sich politisch verhärteten Fronten darstellt. In Verbindung mit dem Thema ›Dekolonialisierung‹ stellt der Autorentext von 1960 fest, dass die jungen Staaten durch den Imperialismus bedroht würden, womit das Narrativ ›Bedrohung‹ umgekehrt wird: Fürchte der Westen die Bedrohung durch den Kommunismus, fühlte jener sich durch den Imperialismus bedroht. Hinter beiden Formulierungen steckt das Wissen um die kontingente Entwicklung in Asien und Afrika, die sich durch die Großmächte nur bedingt steuern ließ. 1977 fordert der Darstellungstext, dass sich die kommunistischen Staaten zur Verteidigung zusammenschließen müssten. An dieser Stelle wird die grundlegende Erzählstruktur der Bedrohung verwendet und die Frontstellung mit einer optimistischen Zukunftsperspektive verknüpft. Sprachlich verzichten die Autorentexte in den 1960er- und 70er-Jahren gänzlich auf die Schaffung von Erzählgemeinschaften und explizite Appelle. Stattdessen nehmen sie Erfolge im innenpolitischen Bereich an und der endgültige Sieg des Sozialismus über den Imperialismus werde sich als Folge der Bemühungen der Arbeiter und Werktätigen als lineare Entwicklung in der Zukunft einstellen. Nicht nur auf der internationalen, sondern auch auf der nationalen Ebene sorge der Sozialismus für »große Veränderungen«, wie der Autorentext 1964 behauptet. Diese beträfen vornehmlich den ökonomischen Wohlstand der Bevölkerung, der als Folge der gesteigerten Industrieproduktion eintreten werde. Die Bevölkerung profitiere vom wissenschaftlich-technischen Fortschritt, indem ihr ein Überfluss an Gütern präsentiert werde und die DDR die positiven Auswirkungen des umfassenden Sozialismus bemerke. Auf diese Weise skizzieren die Darstellungstexte die erfahrbaren Folgen der ideologischen Verwirklichung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in den 1960er-Jahren sowie den Übergang zur kommunistischen Gesellschaft in den 1970er-Jahren. Mit diesen Zukunftszielen verbunden sind die geplante Erhöhung des Lebensstandards und die Steigerung des Wohlstandes, sodass es sich nicht nur um konstruierte ideologische Elemente, sondern für die Schülerinnen und Schüler nachvollziehbare und konkrete Zielsetzungen handle. Mit der »Sowjetgesellschaft«2079 würden der Höchststand von Wissenschaft und Technik, die verbesserte Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Konsumgütern und die Festigung des Friedens einher gehen. Dies zeige sich auch in Wohnungsbaumaßnahmen, wie sie die Autorentexte von 1982 und 1989 skizzieren. Die Referenz für die Zukunftsprognosen waren die Fünfjahrpläne, die von den Parteitagen der SED beschlossen wurden. Diesen Planungen entsprechend werden Zeiträume und Jahre benannt, bis zu denen die Entwicklungen vollzogen 2079 Ebd., S. 506.

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worden sein sollten. Mit dieser Angabe sollte den Prognosen Plausibilität verliehen werden. Das dominierende Erzählmuster für die Zukunft ist das der Romanze, da der Sozialismus und der Kommunismus zum utopischen Idealzustand erklärt werden. Voraussetzung dafür sind die Bemühungen der Arbeiterklasse und die erfolgreiche Abwehr der imperialistischen Bedrohung. Die Forschung beschreibt dieses Erzählschema als »Freund-Feind«2080 und hat herausgearbeitet, dass es seinen Ursprung in der Beschaffenheit der Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit hat. Die »Erziehung zur Liebe zum sozialistischen Vaterland und zum sozialistischen Internationalismus«2081 schließe die bewusste Ausbildung des Freund-Feind-Bildes als eine wesentliche Komponente ein, die zur Orientierung in allen Lebensbereichen von Bedeutung diene. Es sei »Voraussetzung, Bedingung und ein Ausdruck ihres festen Klassenstandpunktes«2082, dass die sozialistische Persönlichkeit »ein klares ideologisches Freund-Feind-Bild«2083 besitze. Auch der »Hass auf den Klassenfeind«2084 gehöre zu den Erziehungszielen der Schule. Als Erweiterung dieser ideologiebasierten und damit Kausalität suggerierenden Interpretation soll die Perspektive ›Zeit‹ hinzugefügt werden. Damit geht die Analyse über die bisherige ideologiekritische Ebene hinaus und beschäftigt sich mit der Funktionalität der Schulbuchtexte. Die Zukunft nimmt in Autorentexten der DDR-Geschichtsbücher eine bedeutende Rolle ein. In dieser Zeitebene werden sich die positiven Auswirkungen von Entwicklungen zeigen, die in der Vergangenheit initiiert wurden, so die zeittheoretische Struktur der Zukunftsnarrationen. Der Fluchtpunkt der Beschreibungen ist die Zukunft in Form von Soll-Beschreibungen, die Kontinuität herstellen. Die Zeitebene Gegenwart wird dabei verschmälert, da sich das Ergebnis der vergangenen Bemühungen in sehr naher Zukunft einstellen werde und die Gegenwart dabei narrativ keine Rolle zugewiesen bekommt. Durch diese erzähltechnische Verschmälerung der Gegenwart rücken die Zeitebenen Vergangenheit und Zukunft enger aneinander. Narrativ wird eine kontinuierliche Linie aus den Erfahrungen und Planungen in der Vergangenheit in die Zukunft hinein konstruiert, die zum ›Erfüllungsraum‹ der Vergangenheit wird. Die Gegenwart spielt dabei keine Rolle mehr, sie schrumpft2085. Dass die Geschichts2080 Schroeder 2013, S. 753. Jenes Freund-Feind-Schema, das der politischen und ideologischen Frontstellung des Kalten Krieges entspreche, beschreibt auch Fischer (vgl. Fischer 2004, S. 361). 2081 Ebd. 2082 Ebd. 2083 Ebd. 2084 Ebd. 2085 Das Verb ›schrumpfen‹ wird an dieser Stelle in seiner wörtlichen Bedeutung verwendet und beschreibt die Verkürzung der Gegenwart und die Reduzierung ihrer Bedeutung für den Entwurf von Zukunftsszenarien. Es wird nicht auf die »Gegenwartsschrumpfung« im

Die Inhaltsanalyse

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bücher der DDR die Zukunft beschreiben, erscheint angesichts der großen ideologischen Bedeutung dieser Zeitebene wenig verwunderlich. Sabrow beschreibt es als »politische Aufladung einer streng linear […] gedachten und räumlich […] klar verortbaren Zeit, die ihren Sinn von der Zukunft empfängt.«2086 Im Unterschied zur Historizität zeige sich eine »Futurität«2087 in der Geschichtsdarstellung. Scheinbar »selbstverständlich«2088 mache »die Zukunft sich Gegenwart und Vergangenheit untertan«2089, so Sabrow weiter. Damit verbunden sei ein »Fortschrittsglaube«2090, der als »diskursive Leitkategorie schlechthin inthronisiert«2091 wurde und von der Gründung bis zum Ende der DDR Bestand hatte. Diese »Zukunftspflicht«2092 findet sich auch in den Zukunftsnarrationen der Geschichtsbücher. Die Zukunft ist der Fluchtpunkt der Geschichtsdarstellung. Zusammen mit der Erzählstruktur der Texte wird sie zu der Zeitebene, deren baldiges Eintreten es zu befördern gilt. Die Darstellungstexte enden mit den Beschreibungen der Ereignisse der jüngsten Vergangenheit und beschreiben davon ausgehend die Zukunft, in der sich die geplanten Maßnahmen verwirklichen werden. Die Gegenwart verliert in dieser narrativen Zeitkonstruktion an Bedeutung. Die mit der Darstellung als Romanze verknüpfte Zukunft ist dabei nicht die Zeitebene, die als ›nahe Zukunft‹ beschrieben werden könnte. Die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft oder des Kommunismus beziehen sich auf eine entfernte Zukunft, die zum Idealbild wird. Diese narrative Gestaltung der Zeit geschieht demnach in Anlehnung an das Stufenmodell zur Entwicklung des Kommunismus. Die im Darstellungstext beschriebene Zukunft referiert auf den Endpunkt der Entwicklung, auf die Vollendung des Kommunismus. Sie beschäftigt sich nicht mit den Zwischenschritten, da mitunter Rückschläge und Schwierigkeiten erzählt werden müssten, die nicht zu dem kontinuierlichen Verlauf passen. Damit unterteilt sich die

2086 2087

2088 2089 2090 2091 2092

Sinne des Konzepts von Hermann Lübbe rekurriert, der mit der »Gegenwartsschrumpfung« einen Prozess bezeichnet hat, in dem sich angesichts der immer schneller voranschreitenden Entwicklungen in Richtung Zukunft die Gegenwart verkürzt, also »zusammenschrumpft« (vgl. Lübbe, Hermann: Gegenwartsschrumpfung und zivilisatorische Selbsthistorisierung, in: Hager, Frithjof/Schenkel, Werner (Hg.): Schrumpfungen. Berlin 2000, S. 11). Sabrow, Martin: Zukunftspathos als Legitimationsressource. Zu Charakter und Wandel des Fortschrittsparadigmas in der DDR, in: Haupt, Heinz-Gerhardt u. a. (Hg.): Die 1960er Jahre zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. Weilerswist 2004, S. 165. Sabrow, Martin: Auf der Suche nach dem materialistischen Meisterton. Bauformen einer nationalen Gegenerzählung in der DDR, in: Jarausch, Konrad/ Ders. (Hg.): Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte nach 1945. Göttingen 2002, S. 69. Sabrow 2004, S. 165. Ebd. Ebd. Ebd., S. 167. Ebd., S. 170.

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Zukunft in eine nahe an die Gegenwart reichende, in der die Auseinandersetzungen mit dem Imperialismus stattfinden werden und eine entfernter liegende Zukunft, in der sich der politische und gesellschaftliche Idealzustand einstellen werde. Unterschiede in dieser Verbindung von Erzählstruktur und Zeit werden im Darstellungstext des Geschichtsbuches von 1989 deutlich. Die Gegenwart nimmt darin angesichts der Veränderungen seit den Reformen Gorbatschows 1985 einen breiten Raum ein. Bezugspunkt der Darstellung ist damit nicht die entfernte Zukunft, sondern eine nahe und erreichbare Zeitebene, auf die die Gegenwart Einfluss nehmen kann. Dies ist angesichts des initiierten politischen Wandels, der von den langfristigen Planungen der Parteitage der KPdSU und der SED Abstand nahm, zu erklären. Im Vordergrund standen kurzfristige Reformen, mit denen unmittelbare Veränderungen verknüpft waren. Dementsprechend bleiben die Bewertungen und Erzählschemata im Geschichtsbuch zwar sehr ähnlich zu früheren Büchern, doch verändert sich das Ziel des damit verbundenen Zukunftshandelns: Es handelt sich nicht mehr um die entfernte Zukunft, in der sich der ideologische Endpunkt verwirklichen werde, sondern in näherer Zukunft würden die Auswirkungen gegenwärtigen Handelns erfahrbar. Die in den westdeutschen Geschichtsbüchern der 1980er-Jahre narrativ konstruierte Erzählgemeinschaft ist auch in den Darstellungstexten der DDR zu finden. Die Autorentexte beschreiben, dass die Verwirklichung des Kommunismus durch die Anstrengungen der Arbeiter und Werktätigen zu erreichen sei. Diese Beschreibung schließt sowohl die Schüler als auch die am Produktionsprozess beteiligten Akteure ein und macht die Gestaltung der Zukunft zu ihrer gemeinsamen Aufgabe. Expliziert wurde dies im Geschichtsbuch von 1989, als der Darstellungstext die Fokalisierung wechselt und das Possessivpronomen »unser« verwendet. Damit werden nicht nur die Schüler im Geschichtsbuch der DDR als »Mitgestalter der modernen Epoche«2093, wie Overesch ausführt, sondern auch die übrigen beteiligten pädagogischen Akteure mit der Aufgabe zur Zukunftsgestaltung beauftragt. Abschließend soll die Frage erörtert werden, in welches Verhältnis die Zukunftsnarrationen die beiden deutschen Staaten zueinander rücken. In Anlehnung an Kleßmanns Vorschlag einer Verflechtungsgeschichte2094, die Thünemann2095 auf die Darstellung der doppelten Staatsgründung in Geschichtsbüchern angewendet hat, ist konkret danach zu fragen, auf welche Weise sich die beiden Staaten wechselseitig in den Autorentexten beschreiben und welche 2093 Overesch 1978, S. 47. 2094 Vgl. Kleßmann 2005, S. 30. 2095 Vgl. Thünemann, Holger : Die doppelte Staatsgründung in Schulgeschichtsbüchern der DDR und der alten Bundesrepublik – ein deutsch-deutscher Vergleich, in: Geschichte für heute 2 (2009) H. 4, S. 5–14.

Die Inhaltsanalyse

363

narrative Funktion mit diesen Darstellungsformen verbunden ist. In den Zukunftsnarrationen der Bundesrepublik wird die DDR mit dem Thema ›Wiedervereinigung‹ in Verbindung gebracht. Das Narrativ ›Gemeinsame Vergangenheit, gemeinsame Kultur, gemeinsame Zukunft‹ beschreibt die Wiedervereinigung der beiden Staaten in der Zukunft als Endpunkt einer kausalen Entwicklung, die in der Vergangenheit begründet liegt. Die Autorentexte differenzieren sprachlich nicht zwischen der westdeutschen und der ostdeutschen Bevölkerung, sondern bedienen sich des Kollektivsingulars des einen deutschen Volkes, das sich notwendigerweise wiedervereinigen werde. Die Argumente der Darstellungstexte für eine Wiedervereinigung beruhen auf gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren und werden auf die politische Ebene übertragen. Die Verflechtung der beiden deutschen Staaten gründet den westdeutschen Geschichtsbüchern zufolge in der Vergangenheit und hat über die gegenwärtige Erfahrung der Zweistaatlichkeit bis in die Zukunft hinein Bestand. Das Zukunftsziel der Wiedervereinigung bestimmt die narratologische Gestaltung der Darstellungstexte: Die geschilderten Gründe für eine Wiedervereinigung, die aus der Vergangenheit abgeleitet wurden, klammern die Gegenwart aus, um eine idealisierte Zukunft zu skizzieren. Daher benennen die Texte auch keine konkreten Maßnahmen, sondern beschränken sich auf die Betonung des Gemeinschaftsgefühls. Gegenwärtige politische Diskurse aufgrund des ideologischen Gegensatzes und des politischen Verhältnisses der beiden Staaten sowie wirtschaftliche Ungleichheiten werden nicht ausgeführt. Die Zukunftsnarrationen beschreiben aufgrund der spezifischen narratologischen Logik ihrer Beschaffenheit keine »asymmetrische Verflechtung«2096, sondern konstruieren eine historisch fundierte Verbundenheit. Die Zukunftsperspektive der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten bedingt also eine gewisse narrative Tiefenstruktur der Zukunftserzählungen. Durch das Narrativ ›Wiedervereinigung‹ schaffen westdeutsche Geschichtsbücher eine Geschichtserzählung als Verflechtungsgeschichte. Die Zukunftsnarrationen unterscheiden sich damit deutlich von anderen Teilen der Darstellungstexte, die hinsichtlich des deutschdeutschen Verhältnisses »durch die Delegitimierung des anderen Teilstaats die Legitimation des eigenen politischen Systems«2097 intendierten und damit kaum mehr als »Repräsentationen des ›Gegenwärtigen‹«2098 gelten können. Dieser Befund erlaubt, die Darstellungstexte der Geschichtsbücher deutlich von historiographischen Arbeiten und zeitgenössischen politischen Diskussionen über das deutsch-deutsche Verhältnis zu unterscheiden.2099 Anhand einer wissen2096 2097 2098 2099

Ebd., S. 30. Thünemann 2009. S. 11. Lässig 2012, S. 46. Vgl. Kleßmann 2005, S. 31.

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

schaftlichen Analyse der sprachlichen Mittel wird dieser Kontrast umso deutlicher : 1967 legte das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen eine Untersuchung der ideologischen Grundlagen und des Programms der SED vor. Darin wurden die inhaltlichen Schwerpunkte ausgearbeitet und ihre sprachliche Repräsentation erläutert worden, die sich auch in den Lehrplänen finden.2100 Die Beschreibung der Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung als »zwangsläufiger Endsieg des Sozialismus/ Kommunismus über den Kapitalismus«2101 seien für die SED notwendig gewesen, um die »Richtigkeit ihrer Sowjetisierungspolitik […] zu verteidigen.«2102 Eine weitere Formulierung, die sich in den Lehrplänen und Geschichtsbüchern finden lässt, sei das »kommunistische ›Weltfriedenslager‹«2103, dem die imperialistischen Aggressoren gegenübergestellt wurden. Die kommunistische Propaganda habe das Wort ›Frieden‹ »mit Beschlag belegt«2104, so der Bericht: »Alles, was im kommunistischen Interesse liegt, dient dem Frieden, alles Entgegenstehende ist ›revanchistisch, entspannungsfeindlich und aggressiv‹«2105. Auch Formulierungen wie »Kampf« oder »Abwehr« wurden im Sinne einer Militärpropaganda verwendet, die »ziemlich skrupellos eine Kriegsgefahr an die Wand gemalt«2106 habe, so die Analyse. Die DDR verstehe sich als Sieger über »die kriegslüsternen Revanchisten Westdeutschlands«2107. Die ablehnenden Formulierungen zu den Vorwürfen westdeutscher Kriegsbefürwortung zeigen deutlich die kritische und ablehnende Position der Autoren gegenüber der propagandistischen Rhetorik der SED. Die Analyse aus den 1960er-Jahren zeigte jene Narrative zur Darstellung einer »asymmetrische Verflechtung«2108, derzufolge die DDR die Bundesrepublik als ideologischen Konterpart benötigte, um sich selbst zu legitimieren. Diese Formulierungen finden sich diachron in den verschiedenen Parteiprogrammen, aber auch in den Lehrplänen und Geschichtsbüchern, wie die Inhaltsanalyse gezeigt hat. Auch die Zukunftsnarrationen der DDR stellen Bezüge zur Bundesrepublik her, die in diachroner Betrachtung sowohl Formen der Abgrenzung wie auch Verflechtungen zeigen. Die grundlegende ideologische Konstellation zwischen dem bedrohlichen Imperialismus und dem friedenssichernden Sozialismus wird in den Zukunftsszenarien auf die USA und die Sowjetunion bezogen, an deren Seite 2100 2101 2102 2103 2104 2105 2106 2107 2108

Vgl. Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen 1967, S. 45. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 47. Ebd. Kleßmann 2005, S. 30.

Die Inhaltsanalyse

365

sich die DDR selbst verortet. Parallel zu dieser ideologischen Verortung, auf deren Grundlage der Bundesrepublik Pläne zur Eroberung der DDR zugeschrieben werden2109, werden jedoch auch Aspekte einer möglichen zukünftigen Verbindung der beiden Staaten deutlich. Der Darstellungstext von 1960 beschreibt einen »Plan einer deutschen Konföderation«2110, als dessen Folge die Wiedervereinigung möglich sei. Trotz gegenwärtiger ideologischer Abgrenzungen skizzieren die DDR-Geschichtsbücher Möglichkeiten der zukünftigen Annäherungen. Im Autorentext von 1964 wird das Zukunftsszenario ebenfalls aufgegriffen und mit konkreten Maßnahmen verknüpft, um die sich die westdeutschen »Arbeiter und alle friedliebenden Kräfte«2111 bemühen müssten, damit eine Wiedervereinigung erreicht werden könne. Im DDR-Zukunftsszenario eines wiedervereinigten Deutschlands zeigt sich eine andere narratologische Form als in der Bundesrepublik: Während die westdeutschen Zukunftsnarrationen die Wiedervereinigung narrativ in der Vergangenheit verankern und daraus eine Zukunft ableiten, verzichten die DDR-Lehrbücher auf übergreifende Verbindungen und leiten aus gegenwärtigen Erfahrungen zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten ab. Den Autorentexten beider Staaten gemein ist, dass sie eine symmetrische Verflechtung skizzieren. Für die Zukunftserzählungen werden demnach keine Formen der Abgrenzung oder asymmetrischer Verflechtungen hergestellt, sondern narratologische Idealzustände beschrieben. Auch die Autorentexte aus den Jahren 1977 und 1989 entwerfen eine gesamtdeutsche Verflechtungsgeschichte der Zukunft, indem sie aus gegenwärtigen politischen Bemühungen eine Wiedervereinigung ableiten. Der den Szenarien inhärente Widerspruch dieser Entwicklung zur politischen und ideologischen Grundkonstellation der Gegenwart steht – wie in der Bundesrepublik – hinter der Erzählstruktur der Zukunftsnarrationen zurück. Die einzige Ausnahme zu diesen Formen der Geschichtserzählung im Schulbuch stellt der Autorentext von 1975 dar. Seine Zukunftsszenarien stehen in deutlichem Unterschied zu diesen Möglichkeiten der Wiedervereinigung. Sie betonen, dass die Bundesrepublik ihre »Störenfriedrolle in Europa«2112 nicht aufgeben wolle und das Verhältnis »unversöhnlich«2113 sei. Diese Einschätzung dient der DDR dazu, sich von der Bundesrepublik abzugrenzen und das eigene politische Handeln zu legitimieren. Der Autorentext folgt dem ideologischen Fundament und skizziert darauf aufbauend eine mögliche zukünftige Entwicklung, wodurch die Selbstlegitimierung der DDR verstärkt und auf Dauer gestellt wird. Diese Form der Zukunfts-Geschichtsschreibung ist bisherigen Forschung zur Darstellung der Bundesrepublik und der DDR in Schulbüchern 2109 2110 2111 2112 2113

Vgl. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1960, S. 337. Ebd., S. 335. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1964, S. 197. »Lehrbuch Geschichte 10«, Teil 2, 1975, S. 47. Ebd.

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

zufolge die naheliegende und erwartbare. Überraschend, aufgrund der narrativen Gestaltung der Zukunftsnarrationen jedoch nachvollziehbar, erscheint der Befund, dass sich sowohl in den westdeutschen als auch den Autorentexten der DDR das Narrativ der Wiedervereinigung als Form einer Verflechtung der beiden Staaten zeigt.

3.

Der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern in der DDR

Die Betrachtung beginnt – wie die der Entstehung von Geschichtsbüchern in der Bundesrepublik Deutschland auch – im Jahr 1945 und endet mit dem letzten in der DDR produzierten Lehrwerk für den Geschichtsunterricht der 10. Klasse »Geschichte 10« im Jahr 1989. Für die Analyse der Entstehung der Zukunftsnarrationen in den DDR-Geschichtsbüchern wird aus methodischen Gründen der gesamte Produktionsprozess in den Blick genommen. Im chronologischen Verlauf wird in diesem Kapitel für sieben Geschichtsbücher und ein Kompendium untersucht, wie die Zukunftserzählungen Eingang in die Lehrwerke fanden, welche Akteure beteiligt waren und inwiefern Aushandlungen um diese Schulbuchabschnitte geführt wurden. Der Betrachtungszeitraum von 1945 bis 1989 wird in drei Abschnitte unterteilt: Die erste Phase von 1945 bis 1953, die zweite von 1953 bis 1964 und die dritte von 1964 bis 1989. Im ersten der drei Unterkapitel wird zunächst die Produktion von Geschichtsbüchern im Zeitraum von 1945 bis 1953 betrachtet, die von provisorischen Maßnahmen zur Versorgung der Schulen mit Schulbüchern geprägt war. Den zweiten Abschnitt bildet die Schulbuchproduktion der Zeit von 1953 bis 1964. 1953 erschien das erste in der DDR produzierte Geschichtsbuch, das »in Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Methodikern der Geschichtsabteilung des volkseigenen Verlages Volk und Wissen unter Verwendung sowjetischer Lehrbücher«2114 entstand und in den nachfolgenden Jahren überarbeitet wurde. Die zweite Phase kann insofern als Übergangsphase gelten, da wie in der unmittelbaren Nachkriegszeit sowjetische Lehrbücher im Geschichtsunterricht der DDR verwendet wurden. Zugleich arbeiteten Mitarbeiter des Volk und Wissen-Verlags an der Gestaltung des Buches mit, sodass die Phase der sich routinisierenden Schulbuchproduktion begann.2115 1960 erschien ein Lehrwerk »Geschichte 10«, das von einem Autorenkollektiv erarbeitet wurde. Für dieses Geschichtsbuch sowie für seine Überarbeitung 1961 sind nur in ge2114 »Lehrbuch Geschichte 10«, 1954, S. 2. 2115 Vgl. Fischer 2004, S. 66–67. Übersicht über Geschichtsbücher bei Mätzing 1999, S. 273. Für andere Klassenstufen und Schulformen erschienen früher Geschichtsbücher, beispielsweise für die Grundschulen bereits 1950/51 (vgl. Fischer 2004, S. 33).

Der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern in der DDR

367

ringem Umfang Archivakten vorhanden, sodass die Produktionspraktiken nur bruchstückhaft beleuchtet werden können. Ein wesentlicher Unterschied zum Buch von 1953 ist jedoch, dass es von einem Autorenkollektiv mit drei Kollektivleitern und 26 Autoren verfasst wurde. Das zweite Unterkapitel beleuchtet daher auf der Grundlage des vorhandenen Archivmaterials, welche politischen Planungen um die Entstehung des Buches und Maßnahmen zur Begutachtung der Autorenmanuskripte getroffen wurden. Das letzte Unterkapitel beschäftigt sich mit der dritten Phase der Schulbuchproduktion in der DDR von 1964 bis 1989. Da die verlagsseitigen Akten für die Entstehung des Geschichtsbuches von 1953 und 1960 nur in geringem Umfang vorhanden sind, konnte der Produktionsprozess nur entsprechend knapp dargestellt werden. Die Analyse der Arbeit am 1964 veröffentlichten Lehrbuch steht demgegenüber auf einer breiteren Aktenbasis. Ähnlich umfangreich ist der Aktenbestand für die Produktion der Lehrbücher aus den 1970er- und 80er-Jahren, sodass sich beobachten lässt, wie sich seitdem die Produktionspraktiken routinisierten. Aufgrund der sich verdichtenden Aktenlage in den 60er-Jahren ist es zudem möglich, die verschiedenen beteiligten Akteure sichtbar zu machen. 1964, 1969, 1977 und 1989 erschienen gänzlich ›neue‹ Geschichtsbücher und 1982 mit »Geschichte in Übersichten« ein Kompendium, deren Entstehung in chronologischer Abfolge analysiert werden soll. Der Schwerpunkt liegt bei der Untersuchung der Manuskripte und Korrespondenzen auf der Frage, welche Rolle die Zukunftsnarrationen spielten und welche Aushandlungen um diese Texte zutage treten. Zusätzlich zur Produktion neuer Geschichtsbücher wurden jährlich überarbeitete Neuauflagen veröffentlicht.2116 Dazu wurden die Autoren kontaktiert und um Korrektur bzw. Ergänzung ihrer Autorentexte gebeten. Damit wurde insbesondere die Darstellung der jüngsten Vergangenheit jährlich aktualisiert. Die Archivmaterialien erlauben es auch, die Überarbeitungsprozesse zu untersuchen. Die Vorteile einer praxeologischen Analyse werden am Beispiel der DDR gut sichtbar : In zahlreichen Beratungen wurde der Verlauf der Entstehung der Manuskripte geplant und Vorgaben gemacht, wie die Autorenkollektive vorzugehen hatten. So sollten die Manuskripte beispielsweise in Diskussionsrunden mit Arbeitern und Bauern diskutiert werden.2117 Bliebe die Analyse auf der deskriptiv-hermeneutischen Ebene, würden diese Planungen als Teil des Produktionsprozesses verstanden. Aus praxeologischer Perspektive wird dagegen zunächst festgestellt, dass es zahlreiche planerische Praktiken gab, was die große Bedeutung der Lehrbücher in der DDR bestätigt. Außerdem zeigt sich durch 2116 Vgl. Mätzing 1999, S. 273. 2117 Vgl. Beratung zwischen der Abteilung Geschichte und der Verlagsleitung des Volk und Wissen-Verlag, 5. 8. 1958, S. 3, BArch DR/200/505.

368

Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

diese Praktiken, dass die sozialistische Ideologie im Bereich der Schulbuchentstehung umgesetzt werden sollte und geplant wurde, nicht nur Historiker und Geschichtsmethodiker das Buch arbeiten zu lassen, sondern auch Bauern einzubinden. Ob jene Diskussionsrunden staatfanden oder nicht, lässt sich aus den Akten nicht rekonstruieren. Es fehlen darin jedoch Hinweise und Anhaltspunkte wie Einladungen oder Protokolle, die die Vorbereitung und Durchführung belegen könnten. In der praxeologischen Interpretation geht es allerdings bei diesem Befund weniger um die Frage, inwiefern Planungen realisiert wurden, sondern vielmehr um die Praktiken des Planens: Dass und auf welche Weise neben akademischen Akteuren auch Bauern in die Entstehung eines Buches eingebunden werden sollten, ist unschwer auf das Ideal einer sozialistischen Politik- und Gesellschaftsordnung zurückzuführen. Nichtsdestoweniger belegen diese Planungen die ideologische Durchdringung und die Veräußerung dieses impliziten ideologischen Wissens in den bildungspolitischen Bereich. Im chronologischen Fortgang wird nun zunächst die Schulbuchsituation von 1945 bis 1953 erläutert, bevor sich ein Unterkapitel mit den Lehrplänen beschäftigt, die seit 1951 existierten und die Grundlage der Geschichtsbücher bildeten. Im Mittelpunkt der Betrachtung der Lehrpläne steht ebenfalls die Frage, wie die Zukunft in den Lehrplänen thematisiert wurde und welche Vorgaben daraus für die Geschichtsbücher resultierten. Im Anschluss an die Darstellung der Lehrpläne folgen die beiden Abschnitte zur Produktion von Geschichtsbüchern 1953 bis 1964 sowie 1964 bis 1989. Für die frühe Phase der Schulbuchentstehung sind vor allem Gutachten archivalisch überliefert und damit der Umgang mit der gutachterlichen Kritik beobachtbar. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt daher auf der Frage, wie die Gutachter die Zukunftsnarrationen bewerteten. In der späteren Phase ist neben den Gutachten auch die Korrespondenz des Verlagsredakteurs mit den Autoren und Gutachten vorhanden. Außerdem liegen für die Geschichtsbücher von 1971 und 1982 zwei Manuskriptversionen vor, an denen verschiedene Korrekturpraktiken gezeigt werden.

3.1

Die Produktion von Geschichtsbüchern in der DDR 1945–1953

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war auch in der sowjetisch besetzten Zone die Notwendigkeit der Einführung neuer Schulbücher evident. Bis zur Schaffung der Verwaltungsstrukturen der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung (DZfV) lag auch die Verantwortung für das Bildungswesen bei der Sowjetischen Militäradministration (SMAD). In Zusammenarbeit der beiden Organe wurde früh mit der Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien begonnen, da möglichst schnell für jede Klassenstufe ein Geschichtsbuch vorliegen sollte.

Der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern in der DDR

369

Zugleich beschäftigte sich die Verwaltung mit der unmittelbaren Versorgung der Schulen mit Lehrmitteln. Parallel zu der Arbeit, Geschichtsbücher zu produzieren, mussten die Schulen und Lehrer jedoch mit Materialien für ihren Unterricht versorgt werden. Notwendig war also eine Gleichzeitigkeit in der Bildungsverwaltung, um den Geschichtsunterricht kurzfristig inhaltlich zu gestalten, aber auch langfristig die Produktion von Schulbüchern aufzubauen und sicherzustellen. Die nachfolgende Darstellung versucht, diesen zeitlich parallel verlaufenden Maßnahmen Rechnung zu tragen. Im August 1945 wurde für die Volks- und Oberschulen ein »Notprogramm« formuliert, das den Unterrichtsstoff für die nächsten 125 Tage, »vom 1. Oktober 1945 bis 1. April 46«2118, formulierte. Handschriftlich wurde »Notlehrplan« oberhalb der maschinengetippten Überschrift ergänzt, was die inhaltlichen Vorgaben zur Gestaltung des Unterrichts stärker in den Mittelpunkt rückt. In Bezug auf den Geschichtsunterricht verwies dieser Notlehrplan für den Lehrer auf die »schon vor 1933 versuchte Aufgabe, den deutschen Jugendlichen zu weltgeschichtlichem, wirtschaftsgeographisch und geopolitisch fundiertem Denken zu erziehen«2119. Dies sei »am besten und auch heute noch bedingt brauchbar in dem Teubner’schen Grundriss unter der geistigen Führung von Franz Schnabel gelungen«2120. Eine »wichtige Fundgrube«2121 sei das dazu erschienene Lehrbuch »Grundriss der Geschichte für die Oberstufe« mit seinen »methodischen Anleitungen, Unterrichtsbeispielen, Quer- und Längsschnitten und seinen wissenschaftlich kritisch gerichteten Literaturangaben«2122. Bis eigene Geschichtsbücher produziert wurden, sollten »ausschließlich sowjetische Lehrbuchübersetzungen«2123 verwendet werden. Deren Anfertigung dauerte jedoch auch eine gewisse Zeit, sodass der Rückgriff auf bereits vorhandene Geschichtsbücher der Weimarer Republik die Versorgung mit Lehrmitteln schneller und kurzfristiger sicherstellte. Dass das Teubner’sche Geschichtsbuch auch unter sowjetischer Verwaltung eingesetzt werden sollte, zeigt, dass der Pragmatismus zur Überwindung des Schulbuchmangels gegenüber der Abgrenzung und Betonung ideologischer Gegensätze überwog. Um die Produktion von Lehrmitteln sicherzustellen, wurde schon frühzeitig der staatseigene Volk und Wissen-Verlag zur Produktion von Schulbüchern gegründet. Die Forschung ist hinsichtlich des genauen Zeitpunkts uneins: Links nennt als Zeitraum »Juli/August 1945«, da die ersten drei Lizenzen zur Ver2118 2119 2120 2121 2122 2123

Notprogramm Fortsetzung, 13. 8. 1945, BArch 2/443. Ebd., S. 2. Ebd. Ebd. Ebd. Geißler, Gert: Geschichte des Schulwesens in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik 1945 bis 1962. Frankfurt a.M./New York 2000, S. 158.

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lagsgründung nach Berlin gegangen seien, »an den KPD-Verlag […], den Aufbau-Verlag […] und an den Volk und Wissen (für Schulbücher)«2124. Demantowsky und Teistler nehmen hingegen den Befehl Nr. 70 der Sowjetischen Militäradministration vom 25. September 1945 als Ausgangspunkt für die Verlagsgründung.2125 Unabhängig von einem konkreten Datum zeigt die Gründung eines staatseigenen Verlags die große Bedeutung von Schulbüchern und ihrer Verwendung im Unterricht. Die Verlagsgründung folgte dem Bestreben der SMAD, schnellstmöglich Geschichtsbücher zu produzieren. Zur inhaltlichen Gestaltung von Unterrichtsmaterialien wurde 1946 vom »Leiter der Kommission für die Erneuerung des Geschichtsunterrichts« H. eine Fachkommission Geschichte gegründet. Ihr gehörten neben einigen wenigen Mitgliedern der Sowjetischen Militäradministration und Angestellten des Volk und Wissen-Verlags überwiegend Lehrer an. Sie sollten mit ihrer praktischen Erfahrung an der Erarbeitung der Unterrichtsmaterialien und der methodischen Handreichungen für die Lehrer beteiligt werden sowie weitere mögliche Mitarbeiter benennen. Der große Bedarf an Schulbüchern wird auch aus dem Protokoll der Sitzung der »Fachkommission Geschichte« ersichtlich, die im August 1946 tagte.2126 Das »Vordringlichste«2127 sei »die Beschaffung von Lehrbüchern für die Hand des Schülers«2128, doch es sei nicht gelungen, bis zum Schuljahresbeginn neue Lehrbücher zu produzieren, »da es dazu an Zeit und an Fachkräften fehlte und da das neue Geschichtsbild noch nicht genügend geklärt«2129 sei. Im Protokoll der Sitzung wurde außerdem vermerkt, dass man sich »zunächst damit begnügt, Lehr- und Arbeitshefte herauszugeben«2130. Von Schulbüchern war in diesem Zusammenhang noch nicht die Rede. Um die Abgabe druckfertiger Manuskripte dieser Lehr- und Arbeitshefte hatte die Sowjetische Zentralverwaltung für Volksbildung die Länder- und Provinzialregierungen bereits im Februar 1946 gebeten, damit im Juni 1946 der Druck hätte begonnen werden können. Dass mehr als ein Jahr später im Rahmen der Fachkommission erneut jene Lehr- und Arbeitshefte geplant wurden, macht die Schwierigkeiten deutlich, die in der Produktion existierten. Es wurde nachdrücklich betont, dass der Kommission dieser Mangel bewusst sei und im Protokoll wurden zwei Maßnahmen vermerkt:

2124 Links, Christoph: Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen. Berlin 2009, S. 19. 2125 Vgl. Demantowsky 2003, S. 48 und Teistler 2017, S. 647. 2126 Vgl. Protokoll der Fachkommission Geschichte, 17. 8. 1946, BArch DR/2/651. 2127 Ebd. 2128 Ebd. 2129 Ebd., S. 12. 2130 Protokoll der Fachkommission Geschichte, 17. 8. 1946, S. 12, BArch DR/2/651. Auch Schmid beschreibt den Mangel an Geschichtsbüchern, den man mit der Produktion von Lehr- und Arbeitsheften kompensieren wollte (vgl. Schmid, 1979, S. 32).

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Erstens sollten »Zentralbüchereien für den Geschichtsunterricht«2131 geschaffen und zweitens Fachkommissionen bei den Landes- und Provinzialverwaltungen eingerichtet werden, deren Hauptaufgabe die »Werbung von Autoren zur Ausarbeitung von Lehr- und Arbeitsheften«2132 sei. Die regionalen Fachkommissionen sollten die Manuskripte vorprüfen und dann an die Zentralverwaltung weiterleiten. Sie waren außerdem für die Herausgabe von Geschichtserzählungen und »Auswahlheften aus bedeutenden Werken der Geschichtsschreibung«2133 sowie die »Sammlung und Einsendung von Aufsätzen über die Methode des Geschichtsunterrichts«2134 zuständig. Die Veröffentlichung »entsprechender Aufsätze und Dokumente«2135 sollte den vorherrschenden Mangel an Schulbüchern kompensieren. Auch diese Maßnahme hatte nur geringen sowie kurzfristigen Erfolg, denn erst 1948 erschien der erste Jahrgang der Zeitschrift »Geschichte in der Schule«, die Lehrer anstelle eines Schulbuches mit Quellen sowie methodischen Handreichungen unterstützen sollte.2136 Neben den kurzfristigen Maßnahmen sollte in den Ländern und Provinzen um Schulbuchautoren geworben werden.2137 Man wollte die entsprechenden Verwaltungen bitten, die Autoren für ihre Tätigkeit zeitweise zu beurlauben und gleichzeitig eine »Fachkommission bei den Landes- und Provinzialverwaltungen« zu gründen, die die Texte der Autoren prüfe, bevor sie an den Volk und Wissen-Verlag gesandt würden.2138 Im Juli 1947 sandte die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone einen Brief an die Volksbildungsministerien in Schwerin, Dresden, Weimar, Halle und Potsdam, in dem erneut die »dringende Erfordernis […] zur Schaffung systematischer Lehrbücher«2139 betont wurde. Bis dato lagen jedoch nur aus Sachsen, Sachsen/Anhalt und Brandenburg Namen für mögliche Autoren dieser Bücher vor, sodass erneut um die Nennung von Namen innerhalb von sechs Wochen gebeten wurde. Am 1. September 1947 berichtete die DZfV an die SMAD, dass man sich um die Suche nach Autoren bemüht habe, doch lediglich sechs Namen

2131 2132 2133 2134 2135 2136 2137 2138

Ebd., S. 16. Ebd., S. 17. Ebd. Ebd. Mätzing 1999, S. 271. Vgl. ebd. Ebd. Ein entsprechendes Schreiben wurde am 26. 8. 1946 an die Verwaltungen der Länder Mecklenburg, Sachsen, Thüringen und an die der Provinzen Mark Brandenburg und Sachsen geschickt (vgl. Brief der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone, 26. 8. 1946, BArch DR/2/650. 2139 Brief der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone, 17. 7. 1947, BArch DR/2/650.

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gemeldet worden seien.2140 Zwar habe man in jeder Sitzung an die Benennung von Autoren erinnert, doch noch immer keine Autoren finden können. Das liege daran, dass es entweder keine Autoren gebe (wie im Land Thüringen), dass noch keine Rückmeldung erfolgt sei (wie im Land Mecklenburg) oder dass ein Land »ein Lehrbuch für seinen eigenen Bedarf schreiben lasse«2141, wie das Land Brandenburg. Lediglich aus Sachsen und Sachsen-Anhalt seien Autoren benannt worden. Der Volk und Wissen-Verlag sei informiert und beauftragt worden, mit den benannten Autoren »Verhandlungen aufzunehmen und die Arbeit am Geschichtslehrbuch durch den Verlag zu organisieren.«2142 Die Rückmeldungen aus den Ländern zeigen, dass es der Verwaltung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelungen war, eine einheitliche Versorgung mit Lehrmitteln zu gewährleiten. In Eigeninitiative versuchte sich das Land Brandenburg an der Produktion eines Geschichtsbuches, was deutlich macht, dass die bildungspolitische Führung durch die Sowjetische Militäradministration nicht anerkannt wurde und ein Land sich eigenmächtig um die Versorgung mit Geschichtsbüchern kümmerte. Über den Fortgang dieser Initiative oder andere ähnliche Projekte ist nichts bekannt, allerdings zeigte sich nach Eingang dieser Information auch keine Reaktion seitens der Verwaltung. Angesichts der Tatsache, dass noch keine Lehrbücher zur Verwendung vorhanden waren, wurde also seitens der Politik geduldet, dass Brandenburg sich selbst mit einem Geschichtsbuch versorgen wollte. Losgelöst von der staatlichen Kontrolle eröffnete und nutzte das Land seinen Handlungsspielraum, was auf zweierlei Weisen gedeutet werden kann: Es ist erstens möglich, dass die führende bildungspolitische Rolle der Zentralverwaltung nicht anerkannt wurde und die politische Kontrolle noch ermöglichte, dass Länder ohne Genehmigung zentralstaatliche Aufgaben selbst und ohne vorherige Genehmigung übernahmen. Zweitens ist es denkbar, dass das Land Brandenburg die Entwicklung eines Lehrbuches selbst vorantrieb, um möglichst schnell ein neues Lehrbuch im Geschichtsunterricht verwenden zu können. Die Archivakten und Bibliothekskataloge geben keine Auskunft über ein brandenburgisches Geschichtsbuch, sodass weder die systemkritische noch die ehrgeizige Deutungsrichtung überprüft werden konnten. Nicht nur die Kommission der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung, sondern auch der Volk und Wissen-Verlag bemühte sich um die Suche nach Autoren. Seit Beginn des Jahres 1946 hatte der Verlag 182 Autoren zur Mitarbeit an Geschichtsbüchern aufgefordert, von denen sich 72 zur Mitarbeit 2140 Vgl. Brief der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone an die Sowjetische Militäradministration, 1. 9. 1947, S. 2, BArch DR/2/650. 2141 Briefentwurf der Deutschen Zentralverwaltung an die Sowjetische Militäradministration, 1. 9. 1947, S. 1, BArch DR/2/650. 2142 Briefentwurf der Zentralverwaltung an den Volk und Wissen-Verlag, 1. 9. 1947, BArch DR/ 2/650.

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bereit erklärt und bereits 88 Manuskripte eingereicht hatten.2143 Aus dieser Menge wurden 38 Autoren mit der Abfassung entsprechender Bücher »fest beauftragt«2144, so der Verlag. Dieser Notiz an die Zentralverwaltung war eine Auflistung über die Themen der »Lehr- und Arbeitshefte«2145 beigefügt, die die Geschichte beginnend bei den Hethitern und endend mit dem Jahre 1890 darstellen. Die Autoren der jeweiligen Hefte hatten dem Ministerium für Volksbildung rund zehnseitige Probemanuskripte vorgelegt, auf deren Grundlage entschieden wurde, ob das Heft grundsätzlich abgelehnt werde oder es nach einer Überarbeitung infrage käme. In einer »Sitzung betr. Ausarbeitung von Lehrbüchern für den Geschichtsunterricht« waren Vertreter der Verwaltung für Volksbildung, des Volk und Wissen-Verlags, der Lehrergewerkschaft sowie Dozenten, Regierungsräte und Lehrer aus den einzelnen Ländern anwesend. Ziel sei es, ein »Hilfsbuch«2146 für den Geschichtsunterricht zu schaffen, so das Protokoll, in dem bereits der Umfang des Buches festgelegt wurde. Festgelegt wurden auch die Autoren für die einzelnen Bände – nämlich die anwesenden Vertreter der Länder, die auf die unterschiedlichen Jahrgänge verteilt wurden. Das Protokoll umfasst auch eine Liste, welche »Hilfsmittel für die Ausarbeitung«2147 in Betracht kämen. Dazu zählen »deutsche Geschichtsbücher, die vor 1933 erschienen sind«2148, zu denen Teubners »Geschichtliches Unterrichtswerk für höhere Schulen« sowie das »Geschichtliche Unterrichtswerk« aus dem Diesterweg Verlag gehörten. Auch zeitgenössische Geschichtsbücher »der westlichen Zonen«2149 wie das Geschichtswerk aus dem Suhrkamp Verlag und das »Geschichtswerk für die französische Zone« aus dem Lehrmittelverlag listete das Protokoll auf. An dieser Auflistung wird nochmals deutlich, dass der Einbezug von westdeutschen Geschichtsbüchern helfen sollte, eigene Lehrmittel zu produzieren. Der ideologische Gegensatz, der stets betont und aufrechtgehalten wurde, rückt in den Hintergrund, um pragmatische Lösungen zu finden. Die Orientierung an diesen Büchern sollte ermöglichen, möglichst schnell Geschichtsbücher zu verfassen, die den entsprechenden ideologischen Vorgaben entsprachen. Zu den möglichen Arbeitsgrundlagen für die Schulbuchautoren zählten neben westdeutschen auch sowjetische Geschichtsbücher sowie wissenschaftliche Werke. Den Auto2143 Vgl. Volk und Wissen-Verlag: Aktennotiz Lehrbücher für den Geschichtsunterricht, 21. 11. 1946, BArch DR/2/650. 2144 Ebd. 2145 Ebd. 2146 Protokoll der Sitzung betr. Ausarbeitung von Lehrbüchern für den Geschichtsunterricht, 18. 11. 1947, 22. 11. 1947, S. 3, BArch DR/2/4364. 2147 Ebd. 2148 Ebd. 2149 Ebd.

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ren wurden Termine und Fristen genannt, die verdeutlichen, dass man um eine zeitnahe Produktion von Geschichtsbüchern bemüht war : Innerhalb von vier Wochen hatten die Autoren »eine Disposition und einige Seiten Probetext«2150 dem Volk und Wissen-Verlag vorzulegen, der dies an den Redaktionsausschuss weiterleitete. Jener würde die Texte prüfen und Autoren für das Schulbuch vorschlagen, die wiederum von der Verwaltung für Volksbildung beauftragt würden. Bis Anfang Mai 1948 sollten alle Manuskripte vorliegen. Die große Bedeutung, die der Produktion der Geschichtsbücher beigemessen wurde, wird auch daran deutlich, dass die Autoren bis Anfang Mai gänzlich von ihren Dienstverpflichtungen befreit wurden, um an dem Schulbuch zu arbeiten.2151 Außerdem stufte die Verwaltung die Autoren in der Versorgung mit Lebensmitteln eine Stufe höher ein und sie erhielten höhere Zuwendungen für Heizung und Strom.2152 Um während des Planungs- und Produktionsprozesses die Versorgung der Schulen mit Geschichtsbüchern zu gewährleisten, ließ die Abteilung Geschichtsunterricht der DZfV seit 1948 Übersetzungen sowjetischer Geschichtsbücher anfertigen und »für die Hand des Lehrers«2153 herausgeben. Trotz dieser präzisen Maßnahmen und der Verpflichtung von Autoren lagen der Zentralverwaltung im Schuljahr 1947/48 »auch für Geschichte keine brauchbaren Manuskripte«2154 vor. Die Ursache dafür sah der Abteilungsleiter Geschichte der DZfV in der »Einstellung [des Volk und Wissen-Verlags, Anm. d.Verf.], dass Anregungen und Material von unserer Verwaltung zu liefern seien bzw. von den Fachkommissionen«2155. Die Unklarheiten über die Aufgaben der verschiedenen beteiligten Institutionen seien jedoch beseitigt worden. Trotz allem bleibe es eine Herausforderung, »geeignete Mitarbeiter als Verfasser und Lektoren zu finden, die einerseits den wissenschaftlichen und methodischen Anforderungen genügen, andererseits voll überzeugte Anhänger unserer demokratischen Schulreform sind«2156, berichtete Abteilungsleiter M. weiter. Aus den Archivakten wird hinsichtlich der Struktur der Bildungsverwaltung deutlich, dass der DZfV Listen mit Namen der Geschichtslehrer der Länder und Provinzen vorlagen.2157 Als weiterer politischer Akteur kam 1949 das Deutsche Pädagogische Zentralinstitut hinzu, das ebenfalls in die Lehrmittelproduktion eingebunden

2150 2151 2152 2153 2154 2155 2156 2157

Ebd., S. 3. Ebd., S. 4. Ebd. Bericht der Abteilung Geschichtsunterricht über ihre Ziele, ihre bisherige Arbeit und ihre wichtigsten Vorhaben, 31. 12. 1948, S. 3, BArch DR/2/687–688. Brief Marquardts an Präsident Wandel, 14. 1. 1948, S. 2, BArch DR/2/1083. Ebd., S. 3. Ebd., S. 4. Vgl. Listen der Geschichtslehrer in BArch DR/2/4366, Mai 1951, fortlaufende Nummerierung der Akte S. 121–135.

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wurde.2158 Mit dem Aufbau einer komplexen Verwaltungsstruktur war jedoch nicht automatisch eine funktionierende Schulbuchproduktion verknüpft, da zunächst die Zuständigkeiten und Kompetenzen zwischen den Institutionen zugeordnet werden mussten. Nach der Übergabe der Regierungsgeschäfte begann das Ministerium für Volksbildung (MfV) mit der zentral gesteuerten Produktion von Lehrbüchern. Für den Zeitraum von 1951 bis 1961 hat die Forschung Maßnahmen des MfVals »›Leistungssteigerungs‹-Kampagne« beschrieben.2159 So wollte man nicht »auf die langwierige Ausbildung neuer Lehrergenerationen warten«2160, sondern durch neue Lehrpläne und Lehrbücher »eine hohe Steuerungseffizienz«2161 erreichen. Um den damit verbundenen Arbeitsaufwand bewältigen zu können, »rekrutierte man einen ausreichenden Mitarbeiterstab im Verlag.«2162 Im Dezember 1951 wurde in einer vertraulichen Besprechung über die Umgestaltung des Geschichtsunterrichts beraten. Gelöst sei die Aufgabe »des Kampfes gegen Chauvinismus und nationale Überheblichkeit durch Lehren der Weltgeschichte«2163, sodass der Fokus auf die Vermittlung der Geschichte der DDR gelegt werde. Dabei stand das Zukunftsziel »des Kampfes um die Einheit Deutschlands«2164 im Mittelpunkt, zu dem der Geschichtsunterricht durch »Erziehung zum demokratischen Patriotismus«2165 beizutragen habe. Ab 1952 solle in den 5. Klassen deutsche Geschichte gelehrt werden. Die Lehrpläne sowie die Geschichtsbücher für die übrigen Klassen würden »stückweise«2166 nachfolgen. In einer weiteren Besprechung zwischen dem Minister sowie Mitarbeitern der Abteilungen Grundschulen und Oberschulen wurden die Schritte des Produktionsprozesses der neuen Bücher festgelegt: Die Mitarbeiter H. vom DPZI und B. vom Volk und Wissen-Verlag sollten Konzeptionen für die neuen Bücher entwickeln, die das Ministerium für Volksbildung prüfe. Der Austausch der Bücher solle »laufend«2167 erfolgen. Der Minister für Volksbildung prüfe die Wissen2158 Vgl. Geißler 2011, S. 755. Ausführungen zur Geschichte und politischen Funktion des DPZI bei Dematowsky 2003, S. 161 und ausführlich bei Zabel, Nicole: Zur Geschichte des Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts der DDR. Eine institutionsgeschichtliche Studie. Chemnitz 2009. In der vorliegenden Arbeit wird lediglich seine Rolle im Produktionsprozess der Geschichtsbücher beleuchtet. 2159 Demantowsky 2003, S. 253. 2160 Vgl. ebd. 2161 Ministerium für Volksbildung: Stellungnahme an Volk und Wissen-Verlag, 3. 9. 1951, S. 117, BArch DR/2/4366, zitiert nach: Demantowsky 2003, S. 253. 2162 Ebd. 2163 Aktennotiz zur Besprechung am 7. 12. 1951, S. 1, BArch DR/2/3011. 2164 Ebd. 2165 Ebd. 2166 Ebd. 2167 Ministerium für Volksbildung: Bericht der Besprechung am 5. 1. 1952, S. 1, BArch DR/2/ 3011.

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schaftlichkeit der Bücher und auch die Einarbeitung seiner Kritik erfolge unter der Kontrolle des Ministeriums. Die Überprüfung konzentriere sich dabei hauptsächliche auf »eine sprachliche Überarbeitung«2168. Die Aufgabe des Verlagsmitarbeiters B. sei es, einen »Vorschlag über pädagogisch-methodische Veränderungen«2169 vorzulegen. Das DPZI unterstützte den Verlag bei der Arbeit an den Büchern der Klassen 6 bis 8. In einer Besprechung im November 1950 planten die Akteure, dass Geschichtsbücher für das sechste bis achte Schuljahr im Schuljahre 1951/52 vorliegen sollten.2170 Um den Produktionsprozess zu beschleunigen und die Anzahl der einzuholenden Entscheidungen zu reduzieren, wurden pro geplantem Geschichtsbuch Kommissionen gebildet, in denen Mitglieder aller pädagogischen Organe der DDR vertreten waren, d. h. neben dem Autor jeweils ein Mitarbeiter des Ministeriums für Volksbildung, der Kommission des Zentralkomitees, des DPZI und auch des Volk und WissenVerlags. Diese Kommissionen konnten »so verantwortlich entscheiden, daß das Ergebnis keiner weiteren Bestätigung außer der durch Herrn Minister Wandel bedarf.«2171 Zugleich wurde festgelegt, dass die Kommissionen sich in einem zweiwöchigen Rhythmus treffen sollten. Der erste Teil des Geschichtsbuches sollte im Mai 1952 erscheinen, der zweite Teil im August nachfolgen.2172 Für die Ausarbeitung des Schulbuches der Klasse 10 wurden in dem Protokoll keine Angaben gemacht

3.2

Die Lehrpläne

Die Grundlage für die Produktion der Autorentexte bildete auch in der DDR der jeweils gültige Lehrplan, denn Lehrplan und Lehrbuch sollten miteinander übereinstimmen, wie in den grundlegenden theoretischen bildungspolitischen Ausführungen zur Gestaltung der Unterrichtsmittel stets betont wurde. Neben der inhaltlichen Entsprechung glichen sich daher die Überschriften der Schulbuchkapitel und die Überschriften der Lehrplanabschnitte. Die Impulse zur Überarbeitung der Lehrpläne gaben Parteitage der KPdSU und der SED sowie deren programmatische Entscheidungen für die Arbeit der Partei. Schon im Lehrplan von 1951 wurde neben dem zu vermittelnden Geschichtsbild auch die grundsätzliche Funktion des Geschichtsunterrichts bestimmt. Schmid fasste die 2168 Ebd. 2169 Ebd. 2170 Vgl. Protokoll der Besprechung über die Herausgabe der neuen Geschichtsbücher, 21. 11. 1950, BArch DR/2/2913. 2171 Ebd. 2172 Vgl. Aktennotiz vom 4. 2. 1952 zur Besprechung über Fragen des Unterrichts am 1. 2. 1952, BArch DR/2/6011.

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drei Bestandteile der »Erziehung zum demokratischen Patriotismus«2173 zusammen als »Liebe zum eigene Volk und Stolz auf dessen fortschrittliche Leistungen, Verachtung und Haß gegen alle Feinde des Fortschritts und Freundschaft mit allen ›friedliebenden Völkern, vor allem mit den Völkern der Sowjetunion‹«2174. Der Lehrplan von 1951 enthielt auch einen expliziten Bezug zur Zukunft, da er in einer Stoffeinheit beschrieb, dass »Lehren aus der Geschichte im Sinne des historischen Materialismus« zu ziehen seien und diese »unmittelbar auf Gegenwart und Zukunft anzuwenden.«2175 Im Lehrplan Geschichte für die Klassen 5 bis 10 von 1956 wurde festgelegt, dass die geschichtliche Entwicklung von den Anfängen der menschlichen Gesellschaft bis zur Gegenwart dargestellt werden solle.2176 Ziel des Geschichtsunterrichts sei es, in »einer konkret-anschaulichen und mitreißenden Darstellung der entsprechenden Ereignisse und Erscheinungen […] in den Schülern das Gefühl der Freundschaft und Kampfverbundenheit mit den Völkern des sozialistischen Weltsystems sowie das Gefühl der Solidarität mit den um ihre nationale Befreiung und Unabhängigkeit kämpfenden Völkern«2177 zu wecken. Die politische Haltung und die zukunftsgerichteten Positionen wurden eindeutig formuliert: So diene die historische Darstellung von Ereignissen dem Zweck, den Erfolg der sozialistischen Ideologie zu betonen. Neben der historisch fundierten Freundschaft zwischen sozialistischen Staaten sei in der Vergangenheit auch der fortwährende Kampf verankert, der sich bis in die Gegenwart und Zukunft fortsetzt.2178 Die Beschäftigung mit der Geschichte zeigte die Ursachen und die Notwendigkeit der auch zukünftig andauernden kämpferischen Auseinandersetzung mit dem Imperialismus. Für die Zukunftsszenarien erhöhten sich durch diese Verbindung mit der Vergangenheit sowohl ihre Plausibilität wie auch ihre Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Zukunft war insofern eine lineare Fortsetzung der Vergangenheit, als die politische Grundkonstellation historisch verankert und als dauerhafte Frontstellung erzählt wurde. Die sozialistische Geschichtserzählung diente politischen Argument und die Gestaltung der Zukunft vor diesem Hintergrund wurde umso bedeutsamer, denn zukünftig sollte durch den »Sieg des Sozialismus«2179 das Ziel allen politischen Agierens erreicht werden – so die ideologische Logik hinter der Konstruktion 2173 2174 2175 2176

Schmid 1979, S. 34. Ebd. Lehrplan Geschichte, 1951, S. 114, zitiert nach Schmid 1979, S. 36. Vgl. Ministerium für Volksbildung: Lehrplan Geschichte Klasse 5 bis 10, 1956, BArch DR/ 2/4356. 2177 Ebd., S. 1. 2178 Vgl. Politisches Programm der SED (Parteitag am 21./22. 4. 1946 in Berlin), in: Treue 1968, S. 182. 2179 Ebd.

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des Zusammenhangs zwischen den Zeitebenen. Das Zukunftsziel wurde demnach nicht aus der Vergangenheit hergeleitet, sondern stand fest und wurde durch vergangene Entwicklungen in puncto Plausibilität und Kausalität untermauert. Die Lehrpläne formulierten präzise Vorgaben für die Ziele der historischen Darstellung: »Die Schüler sollen die imperialistische Ausbeutung und die imperialistische Unterdrückung und Versklavung verabscheuen und die Imperialisten und Militaristen hassen lernen.«2180 Weiterhin solle ihnen deutlich werden, »daß der Sozialismus dem Kapitalismus auf allen Gebieten überlegen ist und daß ihm gesetzmäßig die Zukunft gehört«2181 und nur so »die Kulturgüter der Menschheit gepflegt und weiterentwickelt werden«2182 können. Auch die Einigung Gesamtdeutschlands wurde als Zukunftsziel benannt, denn den Schülern soll »ihre große Verantwortung für die Verwaltung des Friedens und für die demokratische Wiedervereinigung Deutschlands bewußt werden.«2183 Die Ausführungen zu den Inhalten der 10. Klasse behaupteten, dass bereits gegenwärtig »der Imperialismus versucht, dieser Entwicklung durch die Militarisierung des gesamten Lebens, die Politik des ›Kalten Krieges‹ und die Einführung faschistischer Herrschaftsmethoden entgegenzuwirken.«2184 Eine Entwicklung sei dahingehend bereits gegenwärtig ersichtlich und werde sich in Zukunft fortsetzen, da »der Kapitalismus im wirtschaftlichen Wettstreit mit dem Sozialismus immer mehr unterliegt und die sozialistischen Länder heute bereits auf vielen Gebieten an der Spitze des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts stehen.«2185 Thematisch würden die fünf Großthemen der 9. Klasse in der 10. Klasse »bis in die jüngste Vergangenheit (1955) fortgesetzt«2186, so der Lehrplan von 1956. Für die Zeit nach 1945 waren dies die Themen »Das Lager des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus; sein Kampf für Frieden und Fortschritt (1945– 1955)«2187 sowie »Die Deutsche Demokratische Republik – die Basis für ein einheitliches, friedliebendes, demokratisches Deutschland«2188. Aus den Ausführungen zu den Themen ging hervor, dass sie nicht nur die jüngste Vergangenheit und die Gegenwart beschrieben, sondern auch die Zukunft ausdeuteten. Bei der Bearbeitung der Themen sollte den Schülern deutlich gemacht werden, »daß heute die reale Möglichkeit besteht, die Kriegspläne imperialistischer 2180 2181 2182 2183 2184 2185 2186 2187 2188

Ebd., S. 2. Ebd. Ebd. Ebd. Lehrplan Geschichte, S. 32, DR/2/4356. Ebd. Lehrplan für Mittelschulen, Fach Geschichte, 10. Klasse, Frühjahr 1956, BArch DR/2/2384. Ebd. Ebd.

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Brandstifter zunichte zu machen und einen neuen, bei der Entwicklung der Atomwaffen noch furchtbareren Krieg zu verhindern.«2189 Ziel sei die Überzeugung der Schüler, »daß es zur Erhaltung des Friedens nicht genügt, den Krieg zu verabscheuen, sondern daß es notwendig ist, sich aktiv am Friedenskampf zu beteiligen.«2190 In einer Besprechung wurde der Themenkomplex um den Aspekt der »friedliche[n] Anwendung der Atomenergie«2191 ergänzt. Neben der inhaltlichen Beschreibung beinhaltete die Zukunft auch die Aufforderung, dass Schüler sie durch ihr Handeln gestalten sollen. Diese aktive und gestaltende Tätigkeit benannte der Lehrplan als Ziel der Beschäftigung mit Geschichte, denn die Schüler sollen dabei »zu der Überzeugung gelangen, daß die Festigung unserer Republik und die Bereitschaft, unsere Republik und die Errungenschaften der Werktätigen bis zum Äußersten zu verteidigen.«2192 Aus dieser Verbindung der Zeitebenen Vergangenheit und Zukunft ging hervor, dass der Lehrplan der DDR vom Zukunftsziel ausgehend retrospektiv die Geschichte thematisiert. Sie wurde ohne unmittelbaren inhaltlichen Bezug zum Argument, wie Formulierungen im Lehrplan zeigen: »In dieser Unterrichtseinheit sind die vielfältigen Möglichkeiten unmittelbaren Erlebens […] auszunutzen, damit sich die Schüler selbst von den Errungenschaften unserer Werktätigen überzeugen können und bereit sind, aktiv an der Gestaltung der Zukunft mitzuarbeiten und die Errungenschaften unserer Werktätigen vor jedem räuberischen Zugriff zu schützen.«2193

Die inhaltliche Gestaltung der Zukunft durch die ideologischen Vorgaben stand demnach im Mittelpunkt des Geschichtsunterrichts. Die Darstellung der vergangenen Ereignisse stellte eine Kontinuität her, nach der die Entwicklung von der Vergangenheit bis in die Zukunft verlief und mit dem ›Sieg des Sozialismus‹ enden musste. In einer Beratung über die Lehrpläne wurde 1956 festgehalten, dass der gesamte Stoff im Geschichtsunterricht der 10. Klasse unter dem Thema »›Dem Sozialismus gehört die Zukunft‹«2194 stehen solle. Neben dieser grundsätzlichen thematischen Ausrichtung wurde im Lehrplan bereits das Narrativ ›Kampf des Sozialismus gegen den Imperialismus‹ angelegt. Sprachlich zeigte sich dies durch Formulierungen wie den »räuberischen Zugriff«, den Begriff »Friedenskampf« oder die Beschreibung, dass auch in Zukunft die Staatsform 2189 Ebd., S. 12. 2190 Ebd. 2191 Aktennotiz über eine Besprechung zwischen Kollegen K., M. und zwei Kollegen aus dem DPZI, 3. 4. 1957, S. 2, BArch DR/2/2537. 2192 DPZI: Lehrplan für Mittelschulen, Fach Geschichte, 10. Klasse, Frühjahr 1956, S. 14, BArch DR/2/2384. 2193 Ebd. 2194 Ministerium für Volksbildung: Bericht über die Tagung vom 5. 3. 1956, 9. 3. 1956, S. 3, BArch DR/2/2494.

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der DDR »bis zum Äußersten verteidigt« werden müsse. Dabei wurde die DDR narrativ auf der friedenswahrenden Seite positioniert, die sich gegen feindliche Angriffe wappnen müsse. Jede Auseinandersetzung mit den USA oder der Bundesrepublik wurde mit dem Narrativ ›Kampf‹ in Verbindung gebracht, auch ohne dass es dafür in der Vergangenheit Anhaltspunkte gegeben hätte. Bereits die friedliche Auseinandersetzung zwischen den unterschiedlichen Ideologien und Staatsformen wurde als ›Kampf‹ beschrieben. Die zentrale pädagogische Aufgabe war es dabei, den Schülern zu verdeutlichen, »welch große Verpflichtung der deutschen Jugend, die die Zukunft unseres Volkes ist, zukommt.«2195 Nachfolgende Praxis zeigt, dass die politischen Akteure auch in der Lehrplanentwicklung zusammenarbeiteten, Formulierungen miteinander aushandelten und Entscheidungen in Form von Streichungen oder Ergänzungen fällten.2196 In den weiteren Ausführungen zum Lehrplan aus dem Jahr 1956 wurde eine Streichung zu den Zukunftszielen des Unterrichts vorgenommen: Der letzte Absatz des Lehrplans, in dem von der »DDR als dem Deutschland der Zukunft«2197 die Rede war, das »das große Ziel unserer gesamten Unterrichtsarbeit«2198 sei, wurde ersatzlos gestrichen. Dadurch endeten die Vorgaben für den Geschichtsunterricht mit der Aufforderung zur kritischen Betrachtung der »Scheinblüte und Wirtschaftskrise im Kapitalismus«2199. Aus narratologischer Perspektive verstärkte sich durch diese Korrektur der Aspekt des Kampfes des Sozialismus gegen die imperialistische Bedrohung, der in der Vergangenheit verankert und in die Zukunft fortgeführt wurde. Auch der Lehrplan enthielt damit überwiegend appellative Elemente zur Gestaltung der Zukunft, wie die Korrektur am Schluss zeigt: So endete die curriculare Gestaltung des Geschichtsunterrichts nicht mit einer Beschreibung des Idealzustands, sondern mit einer Aufforderung zur Beschäftigung mit der politischen Situation und der Krisenhaftigkeit des Systemgegners. Die Entwicklung neuer Lehrpläne und Lehrmittel geschah in enger Anbindung an Parteitage der SED und KPdSU sowie Tagungen des ZKs der SED. Nach

2195 DPZI: Lehrplan für Mittelschulen, Fach Geschichte, 10. Klasse, Frühjahr 1956, S. 34, BArch DR/2/2384a. 2196 Auf die Entwicklung der Lehrpläne kann an dieser Stelle aus forschungspragmatischen Gründen nicht näher eingegangen werden. Das Beispiel zeigt allerdings, dass es in der Gestaltung der Lehrpläne Aushandlungen zwischen den Akteuren gab und es eine lohnenswerte Untersuchung wäre, die verschiedenen Positionen näher zu beleuchten. Der Kollektivakteur »die Politik« lässt sich angesichts des Quellenfundes aufgrund der Vielzahl der beteiligten politischen Akteure präziser ausdifferenzieren. 2197 DPZI: Lehrplan für Mittelschulen, Fach Geschichte, 10. Klasse, Frühjahr 1956, S. 35, BArch DR/2/2384a. 2198 Ebd. 2199 Ebd.

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der 11. ZK-Tagung 1965 rückte daher »die politisch-ideologische Erziehung«2200 in den Vordergrund, die aus »Wehrpolitik, Wehrpropaganda und Diskriminierung der Bundesrepublik«2201 bestehen sollte. Als Folge des XXIII. Parteitags der KPdSU im April 1966 und in Vorbereitung des VII. Parteitags der SED für April 1967 lag der Schwerpunkt auf der »Intensivierung des Prozesses der Reideologisierung«2202, zu der auch die »klassenmäßige Erziehung der Jugend und die klassenmäßige, politische Schulung des Bürgers«2203 beitragen müsse. Auch der Lehrplan Geschichte der 9. Klasse, über den 1969 beraten wurde, verwendete diese sprachlichen Mittel und Formulierungen.2204 Stärker als zuvor wurde als Zukunftsziel hervorgehoben, dass der Wille der Schüler dahingehend geformt werden solle, »sich für die allseitige Stärkung der DDR und die Festigung der Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Sowjetunion einzusetzen und sich zielstrebig auf diese Aufgabe vorzubereiten.«2205 Die marxistisch-leninistische Lehre diene ihnen »als Kompaß für ihr ganzes Leben«2206. Auch dem Narrativ der kämpferischen Auseinandersetzung mit dem Imperialismus wurden zwei Unterrichtsziele zugeordnet. Die Schüler sollten »von leidenschaftlichem Haß gegen die heute in Westdeutschland herrschenden Kräfte des Imperialismus und deren Politik erfüllt werden und sich bewußt in die breite Kampffront gegen Imperialismus und Kriegspolitik einreihen.«2207 Der zweite Aspekt beschrieb ebenfalls das Verhalten der Schüler in der Zukunft, da sie lernen müssten, sich »mit Theorien und Ideologien des Imperialismus und mit dem Opportunismus und Revisionismus offensiv auseinandersetzen«2208. Auch im Lehrplan für die 10. Klasse fanden sich die Formulierungen, die bereits 13 Jahre zuvor verwendet wurden: Neben der Kenntnis historischer Ereignisse und Prozesse wurde der zukünftige »Sieg des Friedens und des Sozialismus in Deutschland und in der Welt«2209 als Aufgabe der Zukunft beschrieben. Der Geschichtsunterricht solle die Kontinuität dieser Entwicklung aufzeigen und bei den Schülern die Bereitschaft entwickeln, »alles für die allseitige Stärkung und den Schutz des ersten sozialistischen Staates deutscher Nation zu tun und sie […] überzeugen, daß es nur einen Weg zur Lösung der

2200 Programm der SED nach der 10. ZK-Tagung, 1962, zitiert nach: Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen: Die SED, 1967, S. 23. 2201 Ebd. 2202 Ebd., S. 25. 2203 Ebd. 2204 Vgl. DPZI: Lehrplan für das Fach Geschichte Klasse 9, März 1969, S. 4, BArch DR/2/7972. 2205 Ebd. 2206 Ebd. 2207 Ebd. 2208 Ebd. 2209 DPZI: Lehrplan für das Fach Geschichte Klasse 10, März 1969, S. 4, BArch DR/2/7972.

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Deutschen Frage gibt.«2210 Es gelte, die Schüler zu überzeugen, sich »in die breite Front der antiimperialistischen Kräfte für den Kampf um Frieden, Demokratie und Fortschritt einzureihen.«2211 Die nächste Generation der aktiven sozialistischen Staatsbürger sei »das Unterpfand für eine friedliche, sozialistische und glückliche Zukunft des ganzen deutschen Volkes«2212. Die Formulierungen der Zielsetzungen des Geschichtsunterrichts der 10. Klasse glichen denen der 9. fast wörtlich; lediglich die Stoffpläne unterscheiden sich voneinander. Auch die beiden Narrative zur Beschreibung der Zukunft – die Abwehr des Imperialismus und die Sicherung des Friedens durch den Sozialismus – stellten im Lehrplan der 1960er-Jahre die Darstellungsmodi der historischen Erzählung dar. Diese narratologische Struktur zeigte sich unabhängig von der inhaltlichen Gestaltung der Texte und befand sich sowohl in der Stoffeinheit, die sich mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges beschäftigte, als auch in den Beschreibungen der Dekolonialisierungsbestrebungen. Verbindungen zwischen den Aufgaben für die Zukunft und dem Wissen um die Vergangenheit wurden dahingehend hergestellt, dass man »mit der Ausrottung des Imperialismus und Militarismus und dem Aufbau des Sozialismus die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen«2213 habe. Aus der ideologisch determinierten Interpretation der Vergangenheit als Klassenkämpfe resultierte ein Zukunftskonzept, das in Anlehnung an die Kategorien von White als Romanze erzählt wird, denn mit dem Sieg des Sozialismus werden dauerhafter Frieden und Wohlstand verbunden. Es sei auch Aufgabe der Schüler, zum Erreichen des Ideals beizutragen. Die Vergangenheit diente auch als Antwort auf die Frage nach Alternativen zu diesem Zukunftskonzept, indem Konflikte auf den Gegensatz ›imperialistisch-sozialistisch‹ reduziert werden. Die Funktion der Darstellung der Geschichte folgte in diesem Kontext der ideologischen Selbstlegitimation des Staates im Bildungswesen dem Prinzip des »Lernens aus der Geschichte«. Ex negativo konstruierte die Ideologie des Sozialismus, dass bisher keine Staatsform die geforderten Ziele erreicht habe und daraus für die Zukunft gelernt werden solle. Aufgabe der Politik sei es, die entsprechenden Zukunftsziele der Schülerinnen und Schüler zu formulieren und das romantische, utopische sozialistische Ideal zu beschreiben. Die Rückgriffe in die Vergangenheit zur historischen Herleitung der sozialistischen Zukunftsziele reichten bis zur Oktoberrevolution. Sie war der Ursprung »der gewaltigen Veränderungen«2214, die über die Gegenwart hinaus erst in der Zukunft ihren Abschluss finden würde. Mit der Behandlung der Ereignisse des 7. und 2210 2211 2212 2213 2214

Ebd. Ebd., S. 5. Ebd. Ebd., S. 41. Volk und Wissen Verlag: Grundsätze für die Gestaltung von Schulbüchern und Jugendschriften, undatiert, S. 1, BArch /DR/2/1049.

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8. November 1917 veränderte sich die Gestaltung des Geschichtsunterrichts. Der Aufbau des Sozialismus und die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft wurden als kontinuierliche Linie erzählt, die die Schüler in der Gegenwart erfahren und in die Zukunft hinein fortsetzen sollten. Die »historische Überlegenheit«2215 wurde also zu einer »gesicherten Zukunftsvision«2216. Im März und April 1989 berieten Arbeitsgruppen in der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften2217 über die »Weiterentwicklung des Geschichtsunterrichts in den Klassen 5 bis 10«2218. Die siebte Stoffeinheit im Unterricht der 10. Klasse hatte »das Ringen der DDR und der anderen sozialistischen Staaten um die Stärkung von Sozialismus und Weltfrieden gegen den imperialistischen Konfrontationskurs seit Beginn der 80er Jahre«2219 zum Thema. In vier Unterrichtsstunden sollten die KSZE und der NATO-Beschluss, die sozialpolitischen Maßnahmen nach dem VIII. Parteitag und die »diplomatischen Aktivitäten der DDR und der anderen sozialistischen Staaten zur Verhinderung eines nuklearen Krieges«2220 unterrichtet werden. Nach dieser Stoffeinheit folgte noch ein »Systematisierungskurs« von 28 Unterrichtsstunden, in dem die jüngste Zeitgeschichte in das Geschichtsbild integriert werde, »so daß die Geschichte jeweils zur Gegenwart geführt wird«2221. Dieser Kurs runde »von den konkreten Tatsachen und vom interessanten Problem her«2222 den Geschichtsunterricht ab und verfestige das vermittelte sozialistische Geschichtsbild. Die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften (APW) legte der Ministerin für Volksbildung Margot Honecker diesen Vorschlag vor, den sie mit Korrekturen versah, die jedoch nicht die Berührungspunkte mit der Zukunft betrafen. Sie kritisierte die vorgeschlagenen Stundenanzahlen und mahnte, Überschneidungen zur Staatsbürgerkunde zu vermeiden. Das Element »Beitrag der DDR zum Kampf für den Frieden, gegen die Existenz der Menschheit bedrohende Politik des USA-Imperialismus«2223 stieß als einer der wenigen Abschnitte auf Honeckers Zustimmung. Diese äußerte sie auch in den Ausfüh2215 Muth, Ingrid: Die DDR-Außenpolitik 1949–1972. Berlin 2001, S. 19. 2216 Ebd. 2217 Im September 1970 ging die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften aus dem DPZI hervor (vgl. Mätzing 1999, S. 288; Malycha, Andreas: Die Akademie der Pädagogischen Wissenschaft der DDR 1970–1990. Zur Geschichte einer Wissenschaftsinstitution im Kontext statlicher Bildungspolitik. Leipzig 2009, S. 51–52). 2218 Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Standpunkt der Führungsgruppe für die Arbeiten zur Weiterentwicklung des Geschichtsunterrichts zu den Ergebnissen bzw. Materialien der eingesetzten Arbeitsgruppen, 19. 1. 1984, Archiv BBF APW 104541. 2219 Ebd., S. 11. 2220 Ebd. 2221 Ebd. 2222 Ebd., S. 13. 2223 APW: Stoffübersicht für die Klasse 10 mit Anmerkungen Margot Honeckers, darin, Stoffeinheit 4, S. 5, 5. 11. 1984, Archiv BBF APW 104541.

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rungen zur Stoffeinheit 8, in der die »Weiterführung des Kampfes um die Wiedervereinigung unter den veränderten Bedingungen der Eingliederung der BRD in die NATO«2224 behandelt werden sollten: Honecker notierte neben der Zeile mit dem Begriff »Weiterführung des Kampfes« handschriftlich ein »!«2225. Diese Ausführungen der APW waren die Grundlage für die weitere Arbeit an den Lehrplänen, mit der nach dem XI. Parteitag der SED begonnen werden sollte, wie ein entsprechender »Maßnahmeplan [sic!]«2226 erläuterte. Vor Beginn der Erarbeitung der Lehrpläne legte eine Arbeitsgruppe der APW dem Leiter des ZK und der Ministerin für Volksbildung ein »Inhaltskonzept«2227 vor. Die Institutionen zur Ausarbeitung der Lehrpläne wurden in dem Plan bereits festgelegt: Während die Pläne der Klassen 5 bis 8 von Geschichtsmethodikern verschiedener Universitäten angefertigt werden sollten, erstellte eine »IG der APW«2228 die Pläne der Klassen 9 und 10. Zeitgleich mit den Arbeiten am neuen Lehrplan sollten auch die Arbeiten an den entsprechenden neuen Geschichtsbüchern beginnen, wofür der Maßnahmeplan ebenfalls Übersichten und Terminvorschläge enthielt. Der lange Vorlauf der Planung sollte sicherstellen, dass zum geplanten Zeitpunkt der Einführung im September 1989 die Produktion der Bücher abgeschlossen sein werde.2229

3.3

Die Schulbuchproduktion von 1953 bis 1964

Das erste in der DDR produzierte Geschichtsbuch für das 10. Schuljahr war das »Lehrbuch für den Geschichtsunterricht der 10. Klasse«, das 1953 erschien und in den Folgejahren immer wieder überarbeitet wurde. Weder für die Produktion des Geschichtsbuches noch dessen Überarbeitungen liegen der Analyse Akten des Volk und Wissen-Verlags vor, sodass sie sich auf Akten des Ministerium für Volksbildung stützt. In einer Besprechung, die im Februar 1952 zwischen den Mitarbeitern H. vom DPZI, B. vom Volk und Wissen-Verlag sowie H. vom Ministerium für Volksbildung stattfand, wurde über die Aufgaben des Verlags im Rahmen der »Umstellung des Unterrichts auf deutsche Geschichte bis zum Jahre 1955«2230 ge2224 Ebd., S. 11–12. 2225 Vgl. ebd., S. 12. 2226 Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Maßnahmeplan für die Weiterführung der Arbeiten zum Geschichtsunterricht bis zum XI. Parteitag der SED, 22. 1. 1985, S. 1, Archiv BBF APW 104541. 2227 Ebd., S. 2. 2228 Ebd. 2229 Vgl. ebd., S. 7. 2230 Volk und Wissen-Verlag: Protokoll der Besprechung zu Übergangsregelung des Unterrichts für deutsche Geschichte, 4. 2. 1952, S. 1, BArch DR/2/3011.

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sprochen. Zum 1. Mai 1952 sollte der erste Teil des Lehrbuches für die 10. Klasse zum Satz fertiggestellt sein. Als Autor wurde »H., Leipzig«2231 angegeben. Der zweite Teil sollte bis zum 1. August »zum Satz« vorgelegt werden und wurde von »S., Bernburg«2232 verfasst. Zur Prüfung der Lehrbücher plante der Verlag eine Konferenz »von führenden Historikern«2233, die voraussichtlich Ende August stattfinden sollte, »nach Auswertung der Ergebnisse der Fachlehrertagung«2234. Aus diesem Protokoll geht hervor, dass zwei Autoren den Darstellungstext des Geschichtsbuches verfassten und er durch Historiker sowie Geschichtslehrer geprüft werden sollte. Im gedruckten Geschichtsbuch wurden keine Autoren namentlich genannt. Anstelle der Nennung der beteiligten Autoren findet sich in dem Schulbuch der Vermerk, dass das Buch »in Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Methodikern und der Geschichtsabteilung des volkseigenen Verlages Volk und Wissen unter Verwendung sowjetischer Lehrbücher«2235 entstanden sei. Neben den Autoren, die die Manuskripte erstellt hatten und den Fachwissenschaftlern, die auch im Protokoll erwähnt wurden, arbeiteten demzufolge auch die Verlagsmitarbeiter am Schulbuch mit. Der Verweis auf sowjetische Lehrbücher, die man verwendet habe, gibt keinen Aufschluss darüber, wie diese Verwendung aussah. Denkbar ist, dass sich an der Gliederung orientiert wurde, doch dass auch Textpassagen übernommen wurden, ist möglich. Beide Varianten erklären die zentrale Aufgabe des Verlagsredakteurs, der aus den Autorenmanuskripten und den sowjetischen Büchern ein Geschichtsbuch erstellte. In den nachfolgenden Jahren erschienen jährlich Überarbeitungen dieses Buches. Auch hinsichtlich dieser Überarbeitungsverfahren geben die Akten des Ministeriums für Volksbildung nur bedingt Auskunft. Die Quellen belegen, dass neben dem kompilierten Geschichtsbuch die Veröffentlichung eines neuen Buches geplant wurde. Im August 1956 begann der Volk und Wissen-Verlag mit Vorarbeiten für ein Geschichtsbuch, das 1958 veröffentlicht werden sollte. Zur Vorbereitung fand im Oktober 1956 eine Konferenz »von Geschichtslehrern, Fachhistorikern und Hochschulmethodikern über die Lehrplan- und Lehrbuchsituation«2236 statt. Man habe über die Frage nach neuen Geschichtsbüchern beraten und empfehle dem Ministerium für Volksbildung, 2231 2232 2233 2234

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Eine solche Tagung von »100 bis 150 der besten Geschichtslehrer« (Ebd., S. 3, die das Ministerium nach »der im Februar durchzuführenden Überprüfung des Geschichtsunterrichts« (Ebd.) aussuchte, wurde für Sommer 1953 geplant. Ob für 1955 eine weitere Tagung geplant war und inwieweit die Akteure an dem Schulbuchmanuskript mitarbeiteten, geht aus den Akten nicht hervor. 2235 Lehrbuch für den Geschichtsunterricht 10. Schuljahr, 1954, S. 2. 2236 Aktennotiz der Abteilung Geschichtsunterricht des Ministeriums für Volksbildung, 4. 10. 1956, S. 1, BArch DR/2/2494.

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»die gegenwärtig gültigen Direktiven für den Geschichtsunterricht […] trotz der zu beanstandenden Mängel in der Stoffauswahl nicht vor dem Jahre 1960 zu ändern«2237, so der Beschluss der Konferenz. Stattdessen sollten »gestützt auf die Erfahrungen der Unterrichtspraxis und unter Berücksichtigung der Diskussion um die allgemeinen Bildungs- und Erziehungsaufgaben«2238 ein neuer Lehrplan und neue Geschichtsbücher erarbeitet werden. 1958 und 1959 würden »durchgesehene Nachdrucke«2239 des Geschichtsbuches von 1953 produziert. Durch diese Überarbeitungspraxis wurden jedes Jahr Geschichtsbücher veröffentlicht und bis zum Erscheinen des neu konzipierten Buches die Versorgung mit Lehrmitteln sichergestellt. Hinsichtlich der Aktualität der Bücher gibt die Überarbeitung des Lehrbuches von 193 Auskunft: Der Redaktionsschluss für das überarbeitete Geschichtsbuch, das 1956 erscheinen solle, war der 15. 1. 1954. Die Produktionszeit betrug also rund 18 Monate, wenn davon ausgegangen wird, dass das Buch jeweils zum 1. September den Schülern vorliegen sollte. Die Zeitpläne zur Produktion eines Geschichtsbuches wurden jedoch nicht immer eingehalten. 1959 gab das MfVeine Überprüfung des noch immer gültigen Lehrbuches von 1953 in Auftrag. Das Pädagogische Kabinett in Dresden beschäftigte sich mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß das Geschichtsbuch überarbeitet und an den gültigen Lehrplan angepasst werden sollte. Die Prüfkommission stellte fest, dass in dem Lehrbuch für Klasse 10 »etwa 15 %«2240 des Lehrplanes fehlten. Sie konstatierte außerdem, dass anstelle des Gesamtwerkes im Geschichtsunterricht auch drei verschiedene Bücher in Kombination verwendet würden: »Geschichte und Gegenwartskunde«, »Lehrmaterialien für den Unterricht in der 10. Klasse« oder das Geschichtsbuch für das 8. Schuljahr bildeten die Grundlage des Geschichtsunterrichts, je nach behandeltem Thema.2241 Auf der Grundlage dieser Prüfung wurde dem Ministerium ein »Schulbuchprogramm«2242 unterbreitet, das auch die Planung der Überarbeitung der Geschichtsbücher umfasste. Die Lehrbücher für das 9. und 10. Schuljahr wurden als »stark bearbeiteter Nachdruck«2243 eingestuft, in dem 23 Seiten überarbeitet werden müssten, damit es dem Lehrplan entspräche.2244 Auch die Arbeitsgrundlage für die neuen Bücher wurde festgelegt: Neben den alten Lehrbüchern waren dies die »Lehrbuchmaterialien f.d. Geschichtsunterricht, Teil

2237 2238 2239 2240 2241 2242

Ebd. Ebd. Ebd. Analyse der Lehrbücher für den Geschichtsunterricht, 15. 9. 1959, S. 1, BArch DR/2/3833. Vgl. ebd. Vorbemerkung zur Vorlage eines Schulbuchprogramms, 14. 8. 1959, S. 1., BArch DR/2/ 3830. 2243 Ebd., S. 4. 2244 Vgl. Plan zur Überarbeitung der Schulbücher, Fach Geschichte, undatiert, S. 2, BArch DR/ 2/3830.

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I–III« des Ministeriums für Volksbildung.2245 Der skizzierte Ablauf des Produktionsprozesses sah vor, das Manuskript bis Mitte bzw. Ende Februar (10. Klasse) dem Wissenschaftlichen Rat und dem Verlagsausschuss vorzulegen. Am 1. 9. 1960 sollten beide Bücher erscheinen, womit in der DDR nach vierjähriger Planungsphase ein zweites Geschichtsbuch für die Klasse 10 erscheinen würde. Für die Produktion dieses Buches liegen keine Archivakten vor, die Aufschluss über die Produktion des Textes und Korrekturen geben könnten, doch allgemeine operative Praktiken lassen sich anhand der vorhandenen Quellen beobachten: So war der Volk und Wissen-Verlag hauptverantwortlich für die Produktion des Autorentextes. Im Unterschied zum Lehrbuch von 1953 erarbeiteten verschiedene Autoren die Teile des Darstellungstextes, sodass es von großer Bedeutung war, zum einen zuverlässig arbeitende Autoren zu finden und zum anderen die einzelnen Texte in die Gesamtkonzeption des Buches einzupassen. Über die Suche der Autoren geben die Akten keine Auskunft. Im gedruckten Geschichtsbuch findet sich eine Auflistung der beteiligten Autoren: Prof. Dr. S.Do. vom Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED in Berlin, H.R. und W.S. vom Institut für Pädagogik der Universität Rostock waren die Kollektivleiter und 26 weitere Autoren verfassten den Darstellungstext.2246 Welchen Umfang die einzelnen Autorentexte hatten, geht aus der Auflistung nicht hervor. Die Größe des Autorenkollektivs ist sehr auffällig, denn insgesamt 29 Autoren arbeiteten am Geschichtsbuch, was einen immensen organisatorischen Aufwand bedeutet haben muss. Im Unterschied zum Geschichtsbuch von 1953 zeigt sich also, dass nicht nur Mitarbeiter des Volk und Wissen-Verlags zu den Autoren gehörten, sondern dass in den Organisationen der Partei und an den Universitäten Wissenschaftler zur Autorentätigkeit gewonnen werden konnten. Die zentrale Aufgabe des Volk und Wissen-Verlags bestand in der »Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Redaktionen«2247 und der »Einweisung der Autorenkollektive«2248, wofür Termine festgelegt wurden. Dem Pädagogischen Leiter des Verlags oblag die »ständige Kontrolle der Manuskriptsituation«2249 und die Verlagsleitung hatte sich um eine »Beschleunigung und Sicherung des Arbeitsablaufs«2250 zu kümmern. Trotz dieser Planung verzögerte sich die Herstellung des Buches, was 1959 reflektiert wurde. Unter dem Titel »Fragen der 2245 Vgl. ebd. 2246 Vgl. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1960, S. 2. 2247 Volk und Wissen-Verlag: Maßnahmen und Grundsätze zur Sicherung der Schulbuchversorgung, undatiert (ca. Ende 1959, da eine Konferenz im Dezember 1959 erwähnt wird), S. 1, BArch DR/2/3830. 2248 Ebd. 2249 Ebd. 2250 Ebd.

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Schulbuchentwicklung« fassten die verschiedenen beteiligten Akteure den bisherigen Produktionsprozess zusammen und leiteten daraus Verbesserungsmaßnahmen für die Zukunft ab.2251 Künftig sei »besonderer Wert […] auf die gründliche Diskussion der Grundkonzeption«2252 zu legen und erst nach Vorlage einer solchen »festen Grundkonzeption«2253 solle mit der Arbeit der Autoren begonnen werden. Für die Arbeit der Autoren hätten sich Autorenkollektive bewährt, so der Bericht weiter, deren Leitung »fest in der Hand eines der Autoren liegt.«2254 Das Wissen über bewährte Prozesse in der Schulbuchproduktion wurde von anderen Schulbüchern abgeleitet und auf das Geschichtsbuch für die 10. Klasse übertragen, da es das erste Buch war, das in diesem Fach und für diese Jahrgangsstufe neu konzipiert und produziert wurde. Wichtig sei auch, so die Zusammenfassung der Besprechung aus dem Jahr 1959, dass die Autoren während der Abfassung des Manuskripts »eng mit einem Kreis von Praktikern zusammenarbeiten.«2255 Inwiefern dies auf die Autoren des Geschichtsbuches von 1960 zutrifft, lässt sich nur schwer beantworten, da hinter den Autorennamen nur Ortsnamen und keine Institutionen notiert wurden, die auf eine berufliche Tätigkeit schließen lassen könnten. Zwei Akteure traten allerdings im Verlauf der Betrachtung erneut als Gutachter in Erscheinung, was auf eine Tätigkeit im pädagogischen Bereich schließen lässt.2256 Die Fachredaktion Geschichte im Volk und Wissen-Verlag ließ die Manuskripte durch einen Kreis von Lehrern der Pädagogischen Kreiskabinette prüfen. Neben der pädagogisch ausgerichteten Prüfung der Lehrbuchmanuskripte wurden sie auch fachlich geprüft. So wurden im ersten Quartal des Jahres 1960 »zu 52 Manuskripten 111 Gutachten des wissenschaftlichen Rates eingeholt, davon 70 Gutachten von Professoren und anderen Mitarbeitern von Universitäten«2257. Übereinstimmend kamen die Gutachter zu dem Urteil, dass die

2251 Vgl. Volk und Wissen-Verlag: Maßnahmen und Grundsätze zur Sicherung der Schulbuchversorgung, undatiert (ca. Ende 1959), S. 4, BArch DR/2/3830. Im April 1965 legte der Volk und Wissen-Verlag zu einer Sitzung des Ministeriums für Volksbildung einen Perspektivplan vor, der die Schulbuchproduktion bis 1970 darlegte. Der darin beschriebene Produktionsprozess gleicht dem von 1959 ohne nennenswerte Unterschiede (vgl. Volk und Wissen-Verlag: Erläuterungen zum Planteil redaktioneller Bereich, 19. 4. 1965, S. 3, BArch DR/2/20209). 2252 Ebd., S. 6. 2253 Ebd., S. 7. 2254 Ebd. 2255 Volk und Wissen-Verlag: Maßnahmen und Grundsätze zur Sicherung der Schulbuchversorgung, undatiert (ca. Ende 1959), S. 4, BArch DR/2/3830. 2256 Die Autorin G.L. ist 1976 als Gutachterin an der Prüfung des Lehrbuches »Geschichte 10« beteiligt, der Autor J.Z. verfasst zum Lehrbuch von 1964 ein Gutachten (s. S. 398 sowie 414). 2257 Volk und Wissen-Verlag: Ergebnis der Analyse der von Mitgliedernd es Wissenschaftli-

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fachwissenschaftliche Qualität der Lehrbücher nicht ausreiche. Kritik wurde auch an der sprachlichen Qualität der Bücher geäußert; eine »Sprachschluderei«2258 müsse unbedingt vermieden werden, kommentierte der Verlag. Neben Mängeln in der methodischen Gestaltung monierten sie auch die zu Stofffülle der Bücher. Die große Zahl an Gutachten überrascht und ist auch nur für die Produktion dieses Geschichtsbuches zu beobachten. In Kombination der genannten Zahlen relativiert sich die Menge jedoch: Wenn das Geschichtsbuch mit 372 Seiten in 52 Autorenmanuskripte unterteilt wurde, bestand ein Manuskript aus drei bis vier maschinengetippten Seiten. Diese Rechnung schließt grafische Darstellungen und Bilder nicht ein, sodass sich der Aufwand für die Gutachter in einem überschaubaren Rahmen gehalten haben dürfte. Rechnerisch wurden zu jedem Manuskript zwei Gutachten eingeholt. Diese doppelte Prüfung weist erneut auf Mechanismen der gegenseitigen Kontrolle zur Schaffung politisch legitimierter Schulbücher hin. Dennoch überrascht es, dass der Verlag eine große Menge an Gutachtern gewinnen konnte, wo die Suche nach Schulbuchautoren doch so große Schwierigkeiten bereitete. Die Tatsache, dass es sich überwiegend um Hochschullehrer handelte, lässt die These zu, dass diese aus politischen Verpflichtungen heraus die Prüfung der Autorenmanuskripte übernahmen bzw. übernehmen mussten. Damit griff der Verlag auf ein bildungspolitisches Netzwerk zurück und machte es sich zunutze. Dass die Akquise von Autoren im Gegensatz zu der von Gutachtern schwieriger war, belegen Beratungen über die Anforderungen an Autoren. Es müsse sich um qualifizierte Fachleute handeln, die neben Interesse an Fragen der Lehrbucharbeit die grundsätzliche »politische Zielsetzung des Lehrbuches bejahen und kollektiv arbeiten können.«2259 In der Zusammensetzung der Kollektive sollten gemeinsam mit neuen immer auch erprobte und erfahrene Autoren arbeiten. Die Gewinnung neuer Autoren müsse »systematischer werden als […] bisher«2260, wozu »die Mitarbeit der Kreise und Bezirke, besonders die der Schulkommission der SED«2261 angestrebt werde. Darüber hinaus müsse die Entwicklung eines Lehrbuches »zur Sache weiterer Kreise gemacht werden«2262, was bedeutete, dass die »Mitarbeit interessierter Arbeiter und Genossenschaftsbauern, Angehöriger der Intelligenz und selbstverständlich vieler Lehrer erreicht werden«2263 müsse. Auch »die Erörterung des Manuskripts vor breiten Kreisen von Lehrern, Arbeitern und Genossen-

2258 2259 2260 2261 2262 2263

chen Rates abgefaßten Gutachten zu Lehrbuch-Manuskripten für die allgemeinbildende polytechnische Oberschule, 2. 4. 1960, S. 1., BArch DR/2/3830. Ebd., S. 6. Grundsätze neuer Arbeitsmethoden bei der Lehrbuchentwicklung, 8. 9. 1958, S. 5, BArch DR /200/505. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

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schaftsbauern«2264 gehöre zum Entstehungsprozess dazu.2265 Noch während der Entwicklung des Manuskripts sollen »Fachleute«2266 Teile lektorieren, bevor das fertige Manuskript zur Begutachtung an »Neuererschulen, Fachkommissionen der Pädagogischen Kreiskabinette etc.«2267 gegeben werde. Nach Einarbeitung dieser Anmerkungen sei das Manuskript dem Verlagsausschuss vorzulegen. Auch die Aufgabe der Redaktionen wurde hervorgehoben, denn es sei wichtig, den Leiter des Autorenkollektivs durch den Redakteur anzuleiten. Diese Anleitung bestehe aus »a) einer klaren Arbeitsrichtlinie für Inhalt und Form des Manuskripts, b) einer engen systematischen Zusammenarbeit, möglichst durch Besuch des Redakteurs am Arbeitsort des Kollektivs.«2268 Parallel zu Planungen neuer Geschichtsbücher wurde erneut die Überarbeitung bereits verwendeter Geschichtsbücher thematisiert. Die Arbeitsgruppe »Analyse der Lehrbücher und Entwicklung eines Programms zur Herausgabe neuer Lehrbücher«2269 sollte sich mit vorhandenen Büchern beschäftigen und darauf aufbauend Hinweise zur Gestaltung neuer Lehrbücher erarbeiten. Die inhaltliche Grundlage der Analysen bildeten die »Thesen des 4. Plenums des ZK der SED und der inzwischen erarbeiteten Lehrpläne«2270 sowie die Frage nach der »Übereinstimmung der Bücher mit dem neuen Lehrplanwerk in ideologischpolitischer, stofflicher und methodischer Hinsicht.«2271 Die Pädagogischen Bezirkskabinette der DDR sowie erfahrene Lehrer sollten die Analysen der Bücher durchführen, »die im Schuljahr 1959/60 in den Schulen benutzt wurden.«2272 Die Lehrbuchanalysen seien von großer Bedeutung, da von ihnen »eine bessere didaktisch-methodische Gestaltung des Unterrichts abhängig«2273 sei, so das Ministerium weiter. Während die Akteure im Planen und Beschließen zukünftiger Maßnahmen 2264 Zusammenfassung der Beratung zwischen der Abteilung Geschichte und der Verlagsleitung, 5. 8. 1958, S. 3, BArch DR/200/505. 2265 Sabrow hat ähnliche Pläne im Produktionsprozess des »Lehrbuches für deutsche Geschichte« als »utopische Idee, den Gegensatz zwischen Leser und Autor des Lehrbuches so weit wie möglich einzuebnen und das neue Werk zum Produkt der DDR-Gesellschaft selbst zu machen«, beschrieben (Sabrow, Martin: Das Diktat des Konsenses: Geschichtswissenschaft in der DDR 1949–1969. München 2001, S. 193). 2266 Grundsätze neuer Arbeitsmethoden bei der Lehrbuchentwicklung, 8. 9. 1958, S. 5, BArch DR /200/505. 2267 Ebd. 2268 Zusammenfassung der Beratung zwischen der Abteilung Geschichte und der Verlagsleitung, 5. 8. 1958, S. 3, BArch DR/200/505. 2269 Brief an Sektor Gesellschaftswissenschaft im Ministerium für Volksbildung, 16. 3. 1959, S, 1, BArch DR/2/3833. 2270 Ebd., S. 2. 2271 Ebd. 2272 Ebd. 2273 Ebd.

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sehr produktiv waren, stockte jedoch der Produktionsprozess des Geschichtsbuches. Ein Zwischenbericht vom 17. 3. 1960 konstatierte, dass es Verzögerungen gebe. Zum einen seien die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates »nicht immer in der Lage […], die Manuskripte so kurzfristig, wie es verlangt wurde, zu begutachten«2274 und in einigen Fällen sei die Prüfung sogar abgelehnt worden. Zum anderen wurde »eine Anzahl von Manuskripten in den Abteilungen des Ministeriums für Volksbildung durch die Fachreferenten nicht rechtzeitig bearbeitet, sodass auch dadurch Terminverzögerungen auftraten.«2275 Insbesondere sei dies »in der Abteilung Allgemeinbildung bei den Manuskripten der Geschichtslehrbücher«2276 der Fall gewesen. Die Prüfung der Manuskripte innerhalb des Ministeriums und der Organe der Partei nahm demnach mehr Zeit in Anspruch als in den Planungen vorgesehen. Ein Grund dafür war die Vielzahl der an der Überprüfung beteiligten Akteure in den staatlichen und parteizugehörigen Institutionen. So war in die Entwicklung eines Lehrbuches neben dem zuständigen Referat im Ministerium für Volksbildung und dem Volk und Wissen-Verlag auch das DPZI eingebunden. Dessen pädagogischer Direktor wandte sich an die Verlagsleitung und erteilte jener »Hinweise für die Lehrbuchentwicklung – und erprobung in Zusammenarbeit mit den DPZI«2277. In sechs Hinweisen wurde der Ablauf der Produktion eines Schulbuches bestimmt: Noch bevor Autoren für die Mitarbeit festgelegt wurden, sollte die Erprobung des Lehrbuches geplant werden. Nach Vorlage einer »Erprobungskonzeption«2278 sollten in »Aussprachen mit Kreisschulrat und Kreisleitung der Partei«2279 die Autoren benannt werden und eine »namentliche Festlegung«2280 erreicht werden. Grundlage der Arbeit der Autoren sei ein pädagogischer Plan für das Lehrbuch, in dem sowohl der Stoff wie auch ein »Beispiel für die methodische Lösung eines Abschnittes«2281 zu nennen seien. Diese »Versuchslehrbücher«2282 seien dem DPZI, dem Pädagogischen Direktor des Verlags, dem Sektionsleiter und Leiter des Verlagsausschusses vorzulegen. Nach ihrer Bestätigung würde der Hauptabteilungsleiter im Ministerium für Volksbildung den Druck genehmigen. Mit einer Frist von fünf Wochen müssten die Autoren benannt werden, um ihre

2274 Volk und Wissen-Verlag: Informatorischer Zwischenbericht über den Stand der Erfüllung des Schulbuchprogramms 1960, 17. 3. 1960, S. 3, BArch DR/2/3830. 2275 Ebd. 2276 Ebd. 2277 Pädagogischer Direktor des DPZI an Verlagsleitung des Volk und Wissen-Verlags, 28. 6. 1963, S. 1, BArch DR 200/701. 2278 Ebd. 2279 Ebd. 2280 Ebd. 2281 Ebd. 2282 Ebd., S. 2.

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Freistellung zur Autorentätigkeit zu gewährleisten, so der pädagogische Direktor abschließend. Seit Beginn der 1950er-Jahre oblag die regelmäßige Überprüfung der Lehrbücher einer »Lehrmittelprüfungskommission«2283 für das jeweilige Schulfach, die sich aus Vertretern des Ministeriums für Volksbildung, dem DPZI, einem Vertreter aus dem Zentralrat der FDJ sowie verschiedenen Akteuren des Volk und WissenVerlags zusammensetzte.2284 Diese Kommission wurde in den 1970er-Jahren durch den Verlagsausschuss ersetzt, der die Schulbücher durch Gutachter prüfen ließ und die Druckgenehmigungen aussprach. Auch Lehrer und Mitarbeiter der (Partei-) Hochschulen wurden zu den Sitzungen eingeladen. Über die Sitzungstätigkeit der Kommission für Geschichte, die auch als Kommission für »Geschichte und Erdkunde«2285 fungierte, geben die Archivakten nur unzureichend Aufschluss: Sie tagte scheinbar nicht regelmäßig, wie die Protokolle zeigen, 1953 jedoch zweimal in Folge. Die Kommission prüfte, ob das jeweilige Buch »eindeutig als ein Lehrbuch der sozialistischen Schule in der DDR«2286 fungieren könne. Um diesen Aspekt weitergehend zu untersuchen, sollte geprüft werden, ob die »Entwicklung und Perspektiven unserer Republik und des sozialistischen Lagers« deutlich zum Ausdruck kommen. Neben der inhaltlichen Korrektheit und der methodischen Vielfalt fragten die Prüfer, ob das Lehrbuch »zur patriotischen Erziehung und zur Erziehung zum proletarischen Internationalismus«2287 beitrage. In einer »zusammenfassenden Einschätzung«2288 nahm das Gutachten Stellung, ob das Lehrbuch »in politisch-ideologischer, in fachlich-wissenschaftlicher und didaktisch-methodischer Hinsicht«2289 den Anforderungen an die sozialistische Schule gerecht werde. In Vorbereitung der Arbeit der Kommission wurden Lehrbuchanalysen angefertigt, die auf einem siebenseitigen Kriterienkatalog basierten.2290 Die Analysen der Schulbücher untersuchte folgende Aspekte: Den Beitrag, den das Buch »für die Erfüllung der schulpolitischen Aufgaben«2291 leiste, eine Einschätzung der »ideologischen, fachlichen und methodischen Qualität«2292 des Lehrbuchs

2283 Protokoll und Teilnehmerliste der Sitzung der Lehrmittelprüfungskommission, 1. 9. 1952, BArch DR/2/2513. 2284 Vgl. ebd. 2285 Vgl. Protokoll der Sitzung der Lehrmittel-Prüfungskommission für Geschichte und Erdkunde, 11. 1. 121953, BArch DR /2/2513. 2286 Hinweise zur Analyse der Lehrbücher, 19. 8. 1959, S. 5, BArch DR/200/438. 2287 Ebd. 2288 Ebd., S. 7. 2289 Ebd. 2290 Ebd., S. 1. 2291 Ebd. 2292 Ebd.

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liefern, die »Bewährung des Lehrbuchs in der Praxis«2293 prüfen und die Zusammenstellung des Lehrbuchs im Hinblick auf seine Funktion beurteilen. Darüber hinaus sollen »Schlußfolgerungen aus der Einschätzung eines einzelnen Lehrbuchs für die weitere Lehrbuchentwicklung«2294 gezogen werden, Anregungen, Hinweise und Informationen zur Verbesserung des Buches geäußert und die Lehrplananalyse unterstützt werden.2295 Erhebungen und Maßnahmen, um die Verständlichkeit der Texte zu prüfen, sollten angestrebt werden.2296 Auch Erprobungen der Lehrbücher im Unterricht wurden geplant, an dem die jeweilige Schulbuchredaktion in Form von Hospitationen teilnehmen wolle. Die beteiligten Akteure waren sich im Klaren darüber, dass die Mitarbeiter des Ministeriums, des Verlags und des DZPI nebeneinander an der Entstehung der Lehrbücher arbeiteten und dass eine komplexe Koordination zu leisten war, damit sich die Institutionen nicht gegenseitig blockierten. Das Beispiel der Lehrbuchentwicklung zeigt, dass die Zusammenarbeit nicht zu einem Schulbuch führte, sondern sich die Produktion des Geschichtsbuches fortlaufend verzögerte. Anstelle eines bloßen Informationsaustausches solle die »sozialistische Gemeinschaftsarbeit der Fachkollektive«2297 rücken. Aus der Beschreibung des Verfahrens geht jedoch hervor, dass diese Gemeinschaftsarbeit von DPZI und vom MfV koordiniert werden sollten: So sollten die Produktion der Schulbücher und die gutachterliche Kritik an den Manuskripten »vorbehaltlos […] in einem Zusammenwirken mit dem Fachreferenten des DPZI geplant, durchgeführt und ausgewertet werden. (Das gleiche gilt sinngemäß für die Zusammenarbeit mit dem MfV.)«2298 Die Kommunikation zwischen den Akteuren wurde demnach nicht vereinfacht, sondern blieb komplex und zeitaufwändig, um stets die entsprechenden Informationen zu liefern. Diese Komplexität führte in der konkreten und praktischen Arbeit an den Manuskripten zu Verzögerungen. Die politische Führung ergriff Maßnahmen, um die Ursachen der Verzögerungen herauszufinden und den geplanten Veröffentlichungstermin des Buches einzuhalten. Das Ministerium für Volksbildung beauftragte im Rahmen der Rechenschaftslegung den Volk und Wissen-Verlag daher 1963 erneut mit einer »Analyse über die verspäteten bzw. nicht abgegebenen Manuskripte«2299. Darin konstatierte der Verlag, dass in 29 von 99 Fällen die Einhaltung der Ma2293 2294 2295 2296

Ebd. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. dazu die Diskussionsgrundlage des Volk und Wissen Verlags zu den Grundsätzen für die Gestaltung von Schulbüchern und Jugendschriften, September 1969, BArch DR/2/ 1049. 2297 Ebd. 2298 Ebd., S. 3. 2299 Stellungnahme Volk und Wissen-Verlag, 18. 10. 1963, BArch DR/200/694.

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nuskripttermine nicht möglich war, da die Autoren ihre Manuskripte nicht rechtzeitig vorgelegt hatten. Die Gründe dafür könne der Verlag nicht beeinflussen, so die Stellungnahme, doch man wolle »unter Berücksichtigung aller Besonderheiten in den Redaktionen […] mit den Autoren vor und während der Erarbeitung des Manuskripts gründlicher als in der Vergangenheit […] arbeiten«2300. Konkret würden dazu fortan »Termine für die Anleitung und Kontrolle der Autoren«2301 in den Arbeitsplänen festgelegt. Außerdem müsse man ein größeres Zeitfenster zwischen dem Manuskriptabgabetermin und dem Satztermin einplanen. Die Schulbuchproduktion in der DDR war geprägt von einer Vielzahl von beteiligten Akteuren, die in die administrativen Praktiken rund um die Entstehung des Geschichtsbuches involviert waren. In einer Vielzahl von Besprechungen wurde vorgeschlagen, beschlossen, konzipiert und verwaltet. In der frühen Phase der DDR-eigenen Schulbuchproduktion wurde die Produktion des Geschichtsbuches für die 10. Klasse einem ständigen Reflexions- und Optimierungsprozess unterzogen, um Hindernisse und Verzögerungen zu vermeiden. Die Umsetzung der administrativen Vorgaben war in der Praxis offenbar schwieriger als geplant, sodass weitere Reflexionen und Beratungen erforderlich wurden. Die Reaktion der Staatsführung auf die Verzögerungen zeigt, dass man durch aufwändigere Planungs- und Kontrollpraktiken die Versorgung mit Lehrmitteln sicherstellen wollte. Zugleich erhöhten diese politischen Praktiken jedoch den Arbeitsaufwand der am Produktionsprozess beteiligten Akteure, insbesondere der Mitarbeiter im Volk und Wissen-Verlag. Damit sorgte die zusätzliche Kontrolle kurzfristig für mehr Arbeitsaufwand, doch nicht für eine reibungslosere und schnellere Schulbuchproduktion.

3.4

Die Schulbuchproduktion von 1964 bis 1989

Die Gliederung dieses Unterkapitels ist an die einzelnen Entstehungsprozesse von fünf DDR-Geschichtsbüchern angelehnt. Daher werden in Unterkapiteln die Produktionspraktiken untersucht, die den 1964, 1969, 1971 und 1989 veröffentlichten Lehrmitteln »Geschichte 10« und 1982 dem Buch »Geschichte in Übersichten« vorausgingen. Diese Arbeit nimmt an, dass sich in den 1960erJahren die Produktion der Geschichtsbücher routinisierte. Damit würden die politischen Kontrollmechanismen der 1950er-Jahre zur Verbesserung der Zusammenarbeit der beteiligten Akteure ihre Wirkung zeigen. Ein erstes Indiz für die Routinisierung ist die Verwaltungspraktik, die Bücher ab 1964 einheitlich 2300 Ebd., S. 2. 2301 Ebd.

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mit Schulbuchnummern zu systematisieren: Das Geschichtslehrbuch von 1964 trug die Schulbuchnummer »11 10 01–1«, das Buch von 1969 »11 10 02« und das Geschichtsbuch aus dem Jahr 1989 die Nummer »11 10 12«. Die Ziffer hinter dem Spiegelstrich gab an, um welche überarbeitete Version es sich handelt, 1964 also um die erste Ausgabe des Buches. Die ersten beiden der drei Ziffern blieben bei allen Geschichtsbüchern gleich, sodass angenommen werden kann, dass es sich um verlagsinterne Beschreibungen des Lehrbuches Geschichte für die 10. Klasse handelt. Die Ziffer vor dem Spiegelstrich stellt eine verlagsinterne Nummerierung der Geschichtsbücher dar, das Buch von 1964 ist demnach das erste in der Zählung. Die Schulbuchnummern wurden neben den Titel auch in der Korrespondenz zwischen den Akteuren verwendet, um einen präzisen Bezug zum jeweiligen Lehrwerk herzustellen. Der Volk und Wissen-Verlag war die zentrale Einrichtung in der Herstellung der Geschichtsbücher. Die zuständigen Verlagsredakteure koordinierten die Zusammenstellung der Autorenkollektive, die Treffen der Autoren sowie die Erstellung der Manuskripte. Die Redaktion Geschichte des Verlags beauftragte auch die redaktionellen Gutachter und nahm selbst Prüfungen der Autorenmanuskripte vor. Außerdem kommunizierten die Redakteure mit den beteiligten politischen Institutionen und hielten fortwährend Kontakt zum Ministerium für Volksbildung, zum Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut (und ab 1970 der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften), zum Zentralkomitee der SED und zum Institut für Marxismus-Leninismus. Die Arbeit der Verlagsredaktion Geschichte bestand dabei aus der Koordinierung der zahlreichen Arbeitsschritte mit und zwischen den Akteuren, aber sie beschränkte sich nicht nur darauf, wie die Forschung bisher darstellte.2302 Neben der operativen Tätigkeit, vor allem das MfV, das ZK und das DPZI / die APW über den jeweiligen aktuellen Stand der Produktion zu informieren und die Arbeit der Autoren prüfen zu lassen, korrigierten die Redakteure auch die Manuskripte der Autoren und sind damit als weitere Prüfinstanz neben den parteilichen und staatlichen Organen zu verstehen. Den Korrekturen der Verlagsmitarbeiter ist zwar hierarchisch bedingt weniger Bedeutung beizumessen als denen der politischen Akteure, doch soll ihnen in der Analyse des Produktionsprozesses ebenfalls Beachtung geschenkt werden. In einem leitfadengestützten Interview mit F.O., der als Professor für Geschichtsmethodik an der HU Berlin tätig war, konnten Einblicke in die methodische Gestaltung der Geschichtsbücher gewonnen werden, die aus den Akten nicht hervorgehen. Zwar werden neben den Kollektivleitern auch methodische Leiter benannt, doch sind deren Korrekturen und Anmerkungen zur methodischen Aufbereitung nicht in den Archivakten enthalten. O. arbeitete als me2302 Vgl. Fischer 2004, S. 263–265.

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thodischer Leiter an dem 1989 veröffentlichten »Lehrbuch Geschichte 8« mit und konnte Angaben über den Verlauf des Produktionsprozesses und den Zeitpunkt der didaktischen Einflussnahme auf den Autorentext machen. Den Methodikern habe man die Manuskripte nicht zur methodischen Überarbeitung gegeben, sondern die fertig redigierten Texte vorgelegt und »dann hatten wir die Möglichkeit, didaktisch was draus zu machen«2303, so O.. Diskussionen mit dem Autorenkollektiv über die methodische Gestaltung des Autorentextes oder seine Korrekturen hätten nicht stattgefunden. Es wurde demnach zuerst die Arbeit am Autorentext abgeschlossen, bevor dessen methodische Aufbereitung begann. Die Autoren und die Geschichtsmethodiker arbeiteten nicht gemeinsam am Text, sodass auch keine gemeinsamen Diskussionen über die Inhalte oder die methodische Gestaltung stattfanden. O. habe lediglich mit dem Volk und Wissen-Verlag in Kontakt gestanden, von dem er den Autorentext erhielt und dem er seine methodischen und didaktischen Anregungen übergab. Aufgrund der räumlichen Nähe, da O. an der Humboldt-Universität in Berlin arbeitete und da er auch an Unterrichtshilfen für den Geschichtsunterricht mitwirkte, sei er regelmäßig im Verlagshaus anwesend gewesen und konnte seine Arbeit dort persönlich abgeben.2304 Bei der Zusammenarbeit mit der Redaktion Geschichte des Verlags habe »ein vernünftiges kollegiales Klima«2305 geherrscht und er habe daher gerne mit dem Verlag zusammengearbeitet. Anfang der 1980er Jahre sei der Verlag durch das Ministerium für Volksbildung »auf Linie gebracht«2306 worden, indem rund 10 Mitarbeiter aus dem Ministerium in den Verlag wechselten. Darunter befand sich E.S., die E.B. als Leiterin der Redaktion Geschichte ablöste und auch ab Mitte der 1980er Jahre die Produktion des Geschichtsbuches »Geschichte 10« betreute. O. beurteilt diesen Personalwechsel als »ideologische Zementspritze«2307. Bis zum Personalwechsel sei es eine sehr kollegiale und gute Zusammenarbeit gewesen, da die Akteure einander lange kannten, denn E.B. hatte bei O. studiert.2308 Nach der personellen Veränderung habe sich das Arbeitsumfeld im Volk und Wissen-Verlag verändert. Dies lag auch daran, dass das persönliche Verhältnis zwischen O. und S. »kein gutes«2309 gewesen sei, »doch in der konkreten Arbeit, da wurde sie auch realistisch und öffnete sich auch etwas«2310. 2303 Interviewtranskript O., 26. 10. 2015, S. 3. Auch wenn O. selbst die Formulierung »didaktisch« wählt, ist »methodisch« die korrekte Bezeichnung der pädagogischen Bearbeitung der Geschichtsbücher (vgl. Demantowsky 2003). 2304 Vgl. ebd., S. 2. 2305 Ebd., S. 3. 2306 Ebd. 2307 Ebd. 2308 Vgl. ebd. 2309 Ebd. 2310 Ebd.

Der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern in der DDR

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3.4.1 Die Produktion des »Geschichtsbuchs 10« von 1963/64 Der Impuls für die Arbeit an einem Geschichtsbuch für die Klasse 10 war die geplante Einführung eines neuen Lehrplans im Schuljahr 1963/64. Die Literatur beschreibt, dass »als Perspektivmaßnahmen […] die Überprüfung von Lehrplan und Lehrbuch […] sowie die dementsprechende Entwicklung neuer Lehrpläne und Lehrbücher vorgesehen«2311 seien und »zur Umsetzung dieser Maßnahmen eine Leitgruppe im Ministeriums für Volksbildung«2312 eingerichtet werden sollte, die der stellvertretene Minister leitete. Die Akten zeigen jedoch keine Ergebnisse dieser Überprüfung oder der Arbeit dieser Gruppe. Dieser Befund schließt an eine Beobachtung an, die den Mehrwert einer praxeologischen Betrachtung betont: Angesichts fehlender Quellen kann über die Arbeit der Leitgruppe keine Aussage getroffen werden. Die Planung einer solchen Zusammenarbeit erlaubt allerdings einen Blick auf Verwaltungspraktiken, die wiederum als Indikator für Verzögerungen in der Produktion neuer Lehrbücher interpretiert werden können, die man durch wiederholte Planungs- und Kontrollpraktiken verhindern wollte. Der Volk und Wissen-Verlag wurde über die Einführung neuer Lehrpläne informiert, sodass im November 1962 im Verlag die Arbeiten mit einer ersten Expos8beratung zum Geschichtsbuch begannen. Die Autoren des Bandes waren R.D. (Kapitel IV, Abschnitt A und D), H. M. (Kapitel IV, Abschnitt B), H. H. (Kapitel IV, Abschnitt C) H. G. Mü. (Kapitel Vund Kapitel VII) und H.B. (Kapitel VI).2313 D., M. und H. waren als Historiker an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam tätig, Mü. und B. arbeiteten am Deutschen Institut für Zeitgeschichte, wie auch S. Do., der die »wissenschaftliche Betreuung«2314 und die Prüfung der zweiten Manuskriptfassung durchführte. Bereits das Expos8 war von zwei Mitgliedern des Wissenschaftlichen Rates, den Geschichtsmethodikern S. und M., sowie durch K. vom Verlagsausschuss geprüft worden. Unter Bezug auf diese Ergebnisse erfolgte von Mai 1963 bis Januar 1964 die Erarbeitung der ersten Manuskriptfassung in ständiger Zusammenarbeit mit dem DPZI, damit Lehrbuch und Lehrplan einander optimal entsprachen. Im Januar 1964 prüften 13 vom Verlag beauftragte Gutachter die erste Manuskriptfassung sowie vier Mitarbeiter D.s am Deutschen Institut für Zeitgeschichte. Ihre Gutachten sind nur in der Zusammenfassung vorhanden, die der Verlag für den Verlagsausschuss erstellte, sodass mögliche Kürzungen und Zusammenfassungen durch den Verlagsredakteur J. nicht mehr nachvollzogen werden konnten. Der Vorteil dieser Zusammenfassung besteht darin, dass 2311 Fischer 2004, S. 85–86. 2312 Ebd. 2313 Vgl. Volk und Wissen-Verlag: Information für den Verlagsausschuss, 11. 5. 1964, S. 3, BArch DR/200/1180. 2314 Ebd.

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die Stellungnahmen der Verlagsredaktion als eingerückte Elemente in den Gutachten vorhanden sind, sodass Auseinandersetzungen um Manuskriptteile sichtbar werden. Einige Gutachter prüften sowohl die erste als auch die zweite Manuskriptfassung, wie aus ihren Formulierungen hervorging. Sie zogen Vergleiche zwischen den Versionen und wiesen auf Verbesserungen in der zweiten Manuskriptfassung hin.2315 Der Gutachter Z. betonte, dem Schüler müsse »das Wesen der modernen Epoche völlig geläufig werden, denn nur dann ist er in der Lage, die komplizierten Erscheinungen der Zeitgeschichte zu erklären und sich in gegenwärtigen und kommenden Auseinandersetzungen zurechtzufinden.«2316 Der Gutachter D. merkte an, Autorentexte sollen »den Schülern auch klarmachen, daß die Entwicklung nicht so glatt und reibungslos vor sich geht, wie es beim Lesen dieses Abschnitts erscheint.«2317 Außerdem solle das Geschichtsbuch »Schülern Argumente zur Auseinandersetzung mit gegnerischen Auffassungen«2318 liefern, da sich der »ideologische Klassenkampf«2319 verschärfe. Um dies einzuüben, schlug D. vor, »imperialistische Thesen«2320 aufzunehmen, die dann widerlegt werden sollten. Diesem Vorschlag widersprach der Kommentar der Redaktion mit dem Hinweis, dass der Abschnitt sowieso gänzlich überarbeitet worden sei. Gutachter D. schien demnach nicht beide, sondern nur die erste der beiden Manuskriptfassungen gekannt zu haben, da ihm diese Änderung sonst hätte geläufig sein müssen. In der Auseinandersetzung mit dem Imperialismus sei es die Hauptaufgabe der jungen Staaten im Prozess der Dekolonialisierung, »die Festigung der politischen und die Erringung der ökonomischen Unabhängigkeit, die Überwindung der wirtschaftlichen Rückständigkeit usw.«2321 zu erreichen. Auf diesen Hinweis erwiderte der Redakteur, dass es dem Geschichtsbuch nicht anstehe, »eine schematische Darstellung […] oder ein ›Rezept‹ anzubieten«2322. Der Gutachter Z. monierte, es scheine »für die sozialistischen Länder keine Schwierigkeiten, geschweige denn Rückschläge zu geben, die mit großen Anstrengungen beseitigt werden müssen. Schöngefärbte Berichte führen aber bei den Jugendlichen leicht zu ideologischen Konflikten, wenn sie bald darauf auf effektive Schwierigkeiten stoßen. Mitunter geht dann auch vieles Richtige und Gute an ihrem Weltbild zu Bruch.«2323 2315 Vgl. Stellungnahme Z. zu Kapitel IV, Teil A, undatiert in Verlagszusammenfassung, BArch DR/200/1180. 2316 Ebd. 2317 Gutachten D., Seite IV/2/B, undatiert in Verlagszusammenfassung BArch DR/200/1180. 2318 Ebd. 2319 Ebd. 2320 Ebd. 2321 Ebd. 2322 Ebd., S. IV/3/B. 2323 Gutachten Z., S. VII/4, undatiert in Verlagszusammenfassung, BArch DR/200/1160.

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Z. übte an dieser Stelle starke grundsätzliche Kritik an der Darstellungsweise des Autorentextes, der die behaupteten vergangenen Erfolge in die Zukunft fortschrieb und eine kontinuierliche Linie zeichnete. Er führte die eigenen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler an, die zu diesem Geschichtsbild nicht passen würden und warnte vor Brucherfahrungen, die die politische Position infrage stellen könnten. Weiter forderte Z., auch »komplizierte Schwierigkeiten und Widersprüche«2324 darzustellen. Der Redakteur reagierte auf diese Forderung damit, dass man versucht habe, »Schönfärberei zu entgehen«2325, doch angesichts des geringen Umfanges erwarte der Gutachter zu viel von einem Geschichtsbuch, das nicht nur Schwierigkeiten nennen könnte, sondern dann auch detaillierte Erklärungen liefern müsse. In der Auseinandersetzung um die Zukunftsnarrationen zwischen dem Gutachter und dem Redakteur werden verschiedene Argumente ins Feld geführt. Der Gutachter kritisierte die kontinuierliche Erfolgsdarstellung der sozialistischen Entwicklung und forderte, auch Unwägbarkeiten oder sogar Widersprüche einzubeziehen. Dieser Anmerkung begegnete der Verlagsredakteur mit der räumlichen Begrenztheit des Buches, die eine Reduktion erfordere. J. argumentiert an dieser Stelle nicht auf der inhaltlichen Ebene des Autorentextes, was eine weitere Diskussion über die Gestaltung des Verfassertextes ergeben hätte, sondern führt die Textlänge als Argument an, worauf keine Erwiderung möglich schien. Abgesehen von dieser Schräglage zeigt das Beispiel jedoch, dass bereits in den 1960er-Jahren die Zukunftsnarration im Schulbuch der DDR nicht als Konsens zwischen den beteiligten Akteuren entstand, sondern der Autorentext auf Kritik stieß. 3.4.2 Die Produktion des Lehrbuches »Geschichte 10«, Teil 2 von 1969 Bei diesem Geschichtsbuch handelt es sich um eine »Broschüre […] für die letzten 10 Stunden des Geschichtsunterrichts in der 10. Klasse«2326, die im April 1968 erscheinen sollte. Es beschäftigt sich mit der Darstellung der Geschichte der Jahre 1960/61–67, da im ersten Teil des Buches die Zeit von 1945–1960 behandelt wurde. Durch diese Teilung des Geschichtsbuches sei es dem Verlag schneller und einfacher möglich, eine aktualisierte und überarbeitete Neuauflage des zweiten Bandes zu produzieren. Die Entscheidung, das Buch in zwei Bänden zu produzieren, hatte demnach wirtschaftliche Gründe, da ein kurzer zweiter Band unkomplizierter zu überarbeiten sei als ein Gesamtband. Außerdem konnten der

2324 Ebd. 2325 Ebd. 2326 Information der Redaktion Geschichte zum Manuskript des Geschichtslehrbuches der 10. Klasse, 31. 7. 1967, S. 1, BArch DR/200/1196.

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Verlag und die Schulen »Teil 1 länger in die Wiederverwendung«2327 beim Schüler einplanen. Die Arbeit am Manuskript begann im Mai 1967, »die 1. Fassung lag Mitte Juni vor, die Einarbeitung der Gutachten erfolgte von Mitte Juli bis zum 27. Juli«2328, so Redakteur J. in den Informationen für den Verlagsausschuss. Das Autorenkollektiv des ersten Bandes erarbeitete auch das Manuskript des zweiten: neben den Mitarbeitern D., Li., Lö., Ma., Mü. und R.-H. des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte in Berlin wurden auch inhaltliche Hinweise des Mitarbeiters H. berücksichtigt, der im DPZI arbeitete und Mitautor des Lehrplans war, der dem Buch zugrunde lag.2329 Als Mitglied des Autorenkollektivs wurde H. jedoch nicht ausgewiesen, da dies mit seiner Tätigkeit in einer schulbuchprüfenden Institution nicht in Einklang gebracht werden konnte. Nach Fertigstellung der Manuskriptversion hatte der Verlag fünf Gutachten eingeholt. Während Gutachter Hei. die Zukunftsbezüge des Lehrbuches nicht thematisierte, schlugen zwei weitere Gutachter noch stärkere Akzentuierungen der weiteren Entwicklung vor. Hä. forderte in seiner Begutachtung, dass die geplanten wirtschaftlichen Maßnahmen im Rahmen der RWG im Autorentext erwähnt werden sollten. Jene Aussagen müssten »vor allem unter dem Gesichtspunkt präzisiert werden, daß die neuen Methoden der Zusammenarbeit, die in den letzten Jahren praktiziert werden, sichtbar werden.«2330 Es müsse sowohl die Abstimmung zwischen dem Perspektivplan 1965–1970 und den Vorbereitungen für den nachfolgenden Plan betont werden als auch die Koordinierung »der wichtigsten wissenschaftlichtechnischen Forschungen bis 1970«2331. Für die Zukunftsnarration zur Dekolonialisierung konstatierte der Gutachter, dass »die Positionen und die Politik der imperialistischen Staaten gegenüber den jungen Staaten Asiens und Afrikas nicht die erforderliche konzeptionelle Beachtung«2332 erfahre. Daher müsse der Autorentext Einschätzungen abgeben, »welchen Platz der Kampf gegen die progressive Entwicklung der jungen Staaten Asiens und Afrikas im Rahmen der imperialistischen Globalstrategie einnimmt«2333 und darlegen, dass »der imperialistische Neokolonialismus als weitere Hauptgefahr für die Staaten Asiens und Afrikas«2334 gelte. Im Gegenzug zu der Darstellung der Gefahr, die von den imperialistischen Bemühungen im Prozess der Dekolonialisierung ausgehe, 2327 Ebd. 2328 Ebd. 2329 Vgl. Information der Redaktion Geschichte zum Manuskript des Geschichtslehrbuches der 10. Klasse, 31. 7. 1967, S. 2, BArch DR/200/1196. 2330 Gutachten H., 13. 7. 1967, S. 4, BArch DR/200/1196. 2331 Ebd. 2332 Ebd., S. 7. 2333 Ebd., S. 8. 2334 Ebd.

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solle auch »der enge Zusammenhang zwischen dem Vormarsch des Weltsozialismus und der nationalen Befreiungsbewegung«2335 betont werden, da beide Kräfte gegen den gemeinsamen Feind seien und »im weltweiten revolutionären Prozeß immer enger miteinander verschmelzen.«2336 Eine ›ideologische Nachschärfung‹ des Textes forderte der Text auch hinsichtlich der Bewertung der jüngsten westdeutschen Vergangenheit, aus der er allgemeingültige Aussagen für die Zukunft ableitete. So verwende die Bundesrepublik die »Taktik zur Expansion (Die Aussage auf S. 51 vorletzter Absatz reicht dazu nicht aus)«2337 und innenpolitisch zeige sich »die krisenhafte wirtschaftliche, politische und ökonomische Entwicklung«2338, auch angesichts der »Gefahren der Entwicklung des Neonazismus«2339. In einer abschließenden Bewertung solle der Autorentext hervorheben, »daß der Imperialismus nicht stärker aber aggressiver geworden«2340 sei, womit eine Perspektive auf die Zukunft entstand, in der sich die Gegensätze zwischen den beiden deutschen Staaten manifestieren würden. Die stärkere Betonung dieser Unterschiede forderte auch der Gutachter H., der einerseits »den Zusammenhang zwischen den Bemühungen um kollektive Sicherheit und dem Abschluß von Freundschafts- und Beistandspakten«2341 hervorheben wollte und andererseits als »größte Gefahr für den Weltfrieden […] auch auf die israelische Aggression«2342 eingegangen werden sollte. Auch die Sektion Gesellschaftswissenschaften und Sprachen im Ministerium für Volksbildung wurde vom Verlag um ein Gutachten gebeten. Dies könne nicht bis zur Manuskriptvorlage beim Verlagsausschuss erstellt werden, so die zuständige Sekretärin, da sich »Genosse G. bis zum 25. 7. 1967 in Urlaub befindet und […] Kollege W. ist erkrankt«2343. Für das Autorenkollektiv setzte sich der Kollektivleiter D. mit den Gutachten auseinander. Neben Zustimmung und Stellungnahmen, aus welchen zeitlichen oder technischen Gründen der Text bestimmte kritisierte Aspekte nicht behandelte, lehnte D. einige Monita auch aus inhaltlichen Gründen ab. So wolle er von der von Gutachter H. geforderten »Darstellung der Aggression Israel gegen die arabischen Staaten […] zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch absehen«2344. Die Gutachten, die der Verlagsausschuss einholte, wurden an die Verlagsre2335 2336 2337 2338 2339 2340 2341 2342 2343

Ebd. Ebd. Ebd., S. 11. Ebd. Ebd. Ebd., S. 12. Gutachten H., 12. 7. 1967, S. 5, BArch DR/200/1196. Ebd. Brief des Sektors Gesellschaftswissenschaften und Sprachen des Ministeriums für Volksbildung, 9. 8. 1967, BArch DR/200/1196. 2344 Gutachtern Do., 25. 7. 1967, S. 2, BArch DR/200/1196.

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daktion für die Dauer von einer Woche zur Kenntnisnahme weitergeleitet, damit eine entsprechende Stellungnahme verfasst werden konnte. Diese sollte auf die Monita eingehen und begründen, welche Veränderungen im Text vorgenommen würden. Auf dieser Grundlage prüfte der Verlag, ob eine Druckgenehmigung des Buches empfohlen werden konnte. Der Gutachter G. monierte: »Die große Gefährlichkeit und Aggressivität des Imperialismus wird […] überhaupt nicht klar, wenn wir den Schülern immer wieder erzählen, wie sich dort die Widersprüche und Schwierigkeiten verschärfen. Das wird schon so sein, aber wichtiger ist doch, die wachsende Aggressivität, die steigende Gefährlichkeit, die Notwendigkeit erhöhter Solidarität und Verteidigungsbereitschaft.«2345

Die Betonung möglicher Handlungen aufgrund dieser wachsenden Bedrohung sei notwendig, da bei den Schülern sonst der Eindruck erweckt werde, »der Imperial. [sic!] käme vor lauter Widersprüchen zu nichts mehr.«2346 Die auch in Zukunft bestehende und wachsende Gefahr gehe weniger von ideologischen Unterschieden aus, sondern von (kriegerischen) Handlungen, die auf dieser Differenz basierten. Der zweite vom Verlagsausschuss beauftragte Gutachter M. lehnte die Druckgenehmigung aufgrund der Stofffülle ab, an der inhaltlichen Gestaltung, insbesondere der Zukunftsnarrationen übte er keine Kritik.2347 Das DPZI beauftragte den Mitarbeiter H., der auch schon im Auftrag des Volk und Wissen Verlags das Buch geprüft hatte, mit einem Gutachten, der jedoch ebenfalls keine Kritik an den Zukunftsbezügen äußerte. Auch Gutachter H. fand weder Lob noch Kritik für diese Abschnitte in seinen Ausführungen zum Geschichtsbuch.2348 3.4.3 Die Produktion des Lehrbuches »Geschichte 10« von 1971 Der »Einführungsturnus«2349 für Schulbücher sah für das Schuljahr 1971/72 einen neuen zweiten Teil des Geschichtsbuchs für die Klasse 10 vor, denn mit der Einführung eines neuen Lehrplanes wurde eine Überarbeitung des Lehrbuches notwendig. Für die Arbeit am neuen Buch sei das Geschichtsbuch von 1967 »eine didaktisch-methodisch wertvolle und brauchbare Materialgrundlage«2350, so der Verlag. Der Leiter des Autorenkollektivs und sein Stellvertreter, S.D. und R.G., sandten Gliederungsentwürfe an den Verlag.2351 Die Autoren der einzelnen Ab2345 2346 2347 2348 2349

Gutachten G. / W., 5. 8. 1967, S. 3–4, BArch DR/200/1196. Ebd. Vgl. Gutachten M., 18. 8. 1967, BArch DR/200/1196. Vgl. Gutachten H., 16. 8. 1967 und Gutachten H., 23. 8. 1967, BArch DR/200/1196. Volk und Wissen-Verlag: Expos8 zum Geschichtsbuch der 10. Klasse, undatiert, BArch DR/200/4896. 2350 Ebd. 2351 Vgl. Brief G. an Volk und Wissen-Verlag, 5. 3. 1970, BArch DR/200/4895.

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schnitte D.L. (für die Abschnitte 5.1.2 und 5.1.3), E.R. (für die Abschnitte 5.4.1 und 5.4.2), G. L. (für die Abschnitte 5.3.1 und 5.3.2), K.H. (für den Abschnitt 5.4.3), H.G.M. (für Kapitel 5.2.), A.M. (für Kapitel 5.5) und G.V. (für den Abschnitt 1.1.1) waren wie die Leiter G. und D. am Deutschen Institut für Zeitgeschichte in Berlin beschäftigt. Bei der Aufteilung der Abschnitte zeigt sich, dass die Kapitel 2 bis 4 sowohl in der Auflistung wie auch in den Manuskripten in den Akten fehlen. Es wird daher angenommen, dass sie nur geringe Überarbeitungen erfuhren und aus vorausgehenden Auflagen des vorherigen Geschichtsbuches übernommen wurden. Lediglich die Abschnitte zur jüngsten Vergangenheit wurden neu verfasst. Im Juli 1971 räumte der Verlag schriftlich eine Abweichung vom ursprünglichen Zeitplan ein. Sowohl die erneute Prüfung des Manuskripts, der Termin zur Einreichung beim Ministerium für Volksbildung als auch der Termin zum Beginn der Produktion des Buches verschoben sich um rund vier Wochen.2352 Als Begründung führte der Abteilungsleiter und zugleich verantwortliche Verlagsredakteur J. an, dass der Verlagsausschuss das Manuskript zur Wiedervorlage bestimmt habe und »50 % des Manuskripts müssen stark bearbeitet werden, davon die Hälfte neu geschrieben.«2353 Die Ergebnisse des VIII. Parteitages »machten tiefgehendere Korrekturen des Manuskripts notwendig, als zunächst angenommen«2354, so J. weiter. Der Verlag hatte Gutachter beauftragt, die das Manuskript prüfen sollten, bevor es dem Verlagsausschuss vorgelegt wurde. R.B., R.D., R.K., H.S. und W.G. hatten Gutachten verfasst, wofür ihnen der Verlagsmitarbeiter J. dankte.2355 In seinem Gutachten führte B. aus, dass es ein Ungleichgewicht in der Behandlung von Imperialismus und Sozialismus gäbe, da ersterer wesentlich ausführlicher dargestellt werde als letzterer. B. monierte auch, dass »die Behandlung der wissenschaftlich-technischen Revolution […] überzogen«2356 sei. Es sei »nötig zum Ausdruck zu bringen, daß wir uns dabei doch gerade erst in den Anfängen befinden.«2357 In einer dreiseitigen Auflistung korrigierte der Gutachter einzelne Aspekte zur Wortwahl in den Abschnitten, die jedoch die Zukunftsnarrationen nicht betrafen. Inwiefern seine inhaltlichen Aussagen Abschnitte zur Beschreibung der Zukunft berührten, ist schwierig zu rekonstruieren, da er keine konkreten Angaben oder Verbesserungsvorschläge zu Formulierungen machte, sondern das Kapitel im Allgemeinen beurteilte. Der Gutachter K. lobte, dass »in 2352 Volk und Wissen-Verlag: Vordruck Planabweichung zum Produktionsplan, 12. 7. 1971, BArch DR/200/4895. 2353 Ebd. 2354 Ebd. 2355 Vgl. Brief J. an die Gutachter, 11. 2. 1971, BArch DR/200/4895. 2356 Gutachten B., 16. 3. 1971, S. 1., BArch DR/200/4895. 2357 Ebd., S. 2.

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Gliederung, Schwerpunktbildung und grober Linienführung […] weitgehende Übereinstimmung mit dem Lehrplan angestrebt und zumeist auch erreicht«2358 wurde. Lediglich die Fülle des Materials, das schülergerecht ausgewählt und aufbereitet sei, überschreite »an manchen Stellen das mögliche Maß«2359. Zur Verbesserung schlug K. vor, das Geschichtsbuch enger mit dem Staatsbürgerkunde- und Geographiebuch abzugleichen, um »vermeidbare Wiederholungen wirklich zu vermeiden.«2360 Wie der Gutachter K. schlug auch Gutachter G. vor, in den Texten Überschneidungen zu verhindern und eher »das spezifisch Historische«2361 als viel Allgemeines darzustellen, damit die »Sicherung einer exakten historischen Linienführung«2362 im Geschichtsbuch erreicht werde. S. Gutachten lobt die fachwissenschaftliche Qualität des Autorentextes, kritisiert jedoch auch die Fülle des Textes, da im Kapitel 5 »ca. 100 Druckseiten für 14 Unterrichtsstunden«2363 vorlägen. Nach der erneuten Überarbeitung des Manuskripts aufgrund der Hinweise der redaktionellen Gutachter, die die Inhalte der Zukunftsnarrationen und die Ausdehnung gegenwärtiger Entwicklungen auf die Zukunft nicht kritisierten, wurde das Manuskript dem Verlagsausschuss vorgelegt. Am 2. 6. 1971 legte der Verlag das Manuskript erstmals dem Verlagsausschuss vor. In dem beiliegenden Anschreiben teilten der Abteilungsleiter M. und der Redakteur J. dem Verlagsausschuss mit, dass die Arbeit am Manuskript redaktionell noch nicht abgeschlossen sei, »weil die Abschnitte und Aussagen des VIII. Parteitages von den Autoren noch nicht erfaßt werden konnten.«2364 Außerdem habe der Kollektivleiter D. die Manuskriptfassung für den Verlagsausschuss nicht mehr Korrektur lesen können. Er betreute zwar »die generelle Anleitung des Autorenkollektivs zur Auswertung der Gutachten, das Resultat dieser Bearbeitung durch die Autoren kannte er jedoch bis zum 2.6.71 noch nicht.«2365 Die Grundlage der Beratung im Ausschuss stellten Gutachten dar, die die Wissenschaftler Prof. G. und Dr. M. anfertigten sowie schriftliche Stellungnahmen der Hauptabteilung Unterricht I des Ministeriums für Volksbildung und der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften. Einen sprachlich deutlicheren Bezug zur Zukunft forderte das Gutachten der Hauptabteilung Unterricht I, das ihr Abteilungsleiter J. verfasste. Vorgeschlagen wurde, dass in der Darstellung der 2358 2359 2360 2361 2362 2363 2364

Gutachten Kr., S. 1, 10. 3. 1971, BArch DR/200/4895. Ebd. Ebd. Gutachten G., 11. 3. 1971, S. 2, BArch DR/200/4895. Ebd. Gutachten S., 4. 4. 1971, S. 1, BArch DR/200/4895. Brief Volk und Wissen-Verlag: Redaktionelle Informationen, 2. 6. 1971, S. 2, BArch DR/ 200/4895. 2365 Ebd.

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Ergebnisse der beiden Parteitage »auch von den Formulierungen her gegenwärtige Probleme nicht als abgeschlossen darzustellen«2366 seien. Der Gutachter bemerkte, dass durch Formulierungen deutlicher werden solle, inwiefern die Beschlüsse auch in die Zukunft hineinreichten und damit Zukunftsbezüge sprachlich deutlicher markiert würden. Im Protokoll der Sitzung des Verlagsausschusses werden die Monita der Gutachten zusammengefasst. Zugleich wird konstatiert, dass das Manuskript noch einer gründlichen Bearbeitung bedürfe.2367 Es bestehe »ein großer Widerspruch zwischen historischen Tatsachen und historischen Zusammenhängen«2368 und es dominierten »allgemeine Aussagen, die unverständlich bleiben müssen, wenn konkretes Faktenmaterial fehlt.«2369 Für die Schlussbearbeitung gab der Ausschuss vor, dass das Manuskript hinsichtlich des VIII. Parteitags der SED und des XXIV. Parteitags der KPdSU überarbeitet werden und inhaltliche Mängel behoben werden müssten. Auch in diesem Prüfverfahren finden sich keine Anmerkungen, weder in Form von Lob oder Kritik, die sich mit den Zukunftsbeschreibungen des Autorentextes beschäftigen. Damit wurden in der Zusammenfassung die Forderungen des Gutachters J. nicht aufgenommen, im Text die Fortdauer der Entwicklungen in die Zukunft hinein stärker zu betonen. Die Verlagsredaktion und das Autorenkollektiv nahmen die Gutachten und Korrekturvorgaben als Grundlage der Überarbeitung des Autorentextes. Es muss sich um eine sehr arbeitsintensive Phase gehandelt haben, da die zweite Manuskriptfassung schon drei Monate später in der Sitzung des Verlagsausschusses am 8. 9. 1971 besprochen wurde und dementsprechend früher eingereicht werden musste. Der erneuten Vorlage des Manuskripts lag eine redaktionelle Stellungnahme bei, in der berichtet wurde, welche Aspekte des Buches überarbeitet wurden und wie die Anmerkungen des Verlagsausschusses darin Eingang gefunden hatten. Auf der Grundlage der »Hinweise der VA-Mitglieder und […] Gutachten des MfVo und der APW«2370 sowie der überarbeiteten Fassungen der Redaktion hätten die Autoren das Manuskript überarbeitet, wobei »die Abschnitte über die Sowjetunion und die DDR […] dabei weitgehend neu zu verfassen«2371 waren. Auch die Kollektivleiter hätten das Manuskript korrigiert, sodass dem Verlagsausschuss eine »vom Autorenkollektiv abgeschlossene

2366 Gutachten Hauptabteilung Unterricht I, 30. 6. 1971, S. 3, BArch DR/200/4895. 2367 Verlagsausschuss: Auszug aus dem Protokoll der 19. Sitzung des Verlagsausschusses, 2. 7. 1971, BArch DR/200/4895. 2368 Ebd. 2369 Ebd. 2370 Volk und Wissen-Verlag: Redaktionelle Stellungnahme zu WV des Titel 11 10 07–1, 17. 8. 1971, BArch DR 200/4688. 2371 Ebd.

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Manuskriptfassung«2372 zuging. Der Verlagsausschuss urteilte: »Praktisch liegt ein neues Manuskript vor.«2373 Die inhaltliche Überarbeitung sei den Autoren gelungen, da die »im VA verabredeten Maßnahmen offenkundig berücksichtigt worden«2374 seien, doch in methodischer Hinsicht liege noch kein »voll ausgereiftes Lehrbuch vor.«2375 Mit dem Verweis auf das Gutachten von Maier legte der Verlagsausschuss fest, dass unter Beachtung dieser Hinweise die Druckgenehmigung befürwortet werde. In den Akten des Volk und Wissen-Verlags sind zwei Manuskriptversionen des Kapitels mit den für diese Arbeit relevanten Inhalten überliefert. Auch wenn die Manuskripte keine Datierung aufweisen, sondern sich als lose Folge von Seiten in den Akten befinden, wird davon ausgegangen, dass sie zu zwei unterschiedlichen Zeiten entstanden und ein Manuskript die überarbeitete Version des früheren Manuskripts war. Für diesen Befund sprechen erstens die beiden Deckblätter : Das des ersten trug den handschriftlichen Vermerk »Original-Ms.«, das zweite »Redaktionsexemplar (1. Fassung zw. Korr. der Red.)«2376. Während das frühere Manuskript (M1) auf »8.2.71« datiert wurde, blieb das zweite Manuskript (M2) undatiert. Dass es sich jedoch um das zeitlich später angefertigte Exemplar handelte, zeigen einige Streichungen, die im ersten Manuskript vorgenommen worden waren und dass eben diese Sätze in M2 nicht mehr vorhanden waren. Über die Autorschaft des zweiten Manuskripts kann keine Aussage getroffen werden. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Autoren die Kapitel überarbeiteten, nachdem ein Akteur, dessen Identität nicht geklärt werden kann, in der ersten Manuskriptfassung Korrekturen und Streichungen vorgenommen hatte. M2 ist die vom jeweiligen Autor erneut vorgelegte, überarbeitete Manuskriptversion, in die die Korrekturen eingearbeitet worden waren. Es gab im Manuskript allerdings keine eindeutigen Hinweise, ob der Kollektiver oder der Verlagsredakteur die Version M1 korrigiert hatte. Für eine Überarbeitung durch die Autoren selbst spricht außerdem, dass die einzelnen Textteile des zweiten Manuskripts weder einheitlich noch durchgehend paginiert wurden: Sie unterscheiden sich im Schriftbild (einige Kapitel wurden handschriftlich paginiert, andere maschinell, andere durch einen Stempel) und in der Nummerierung, denn die Kapitel eines Autors begannen immer wieder von Neuem mit »1«, sodass keine fortlaufende Nummerierung vorliegt. In M2 befanden sich eben2372 Ebd. 2373 Auszug aus dem Protokoll der 24. Sitzung des Verlagsausschusses am 8. 9. 1971, BArch DR/ 200/4895. 2374 Ebd. 2375 Ebd. 2376 Der Übersichtlichkeit und Einfachheit halber werden die Manuskripte im Folgenden mit M1 und M2 abgekürzt. M1 ist das Manuskript mit dem Vermerk »Original-Ms.«, M2 entsprechend das mit dem Vermerk »Redaktionsexemplar«.

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falls handschriftliche Korrekturen, deren Verfasser jedoch nicht näher bestimmt werden kann, da neben dem Verlagsredakteur oder dem Leiter des Autorenkollektivs auch andere politische Funktionäre infrage kamen. Im Hinblick auf die Zukunftsnarrationen werden die beiden Manuskripte nun im ersten Schritt miteinander verglichen und es wird untersucht, ob und welche Korrekturen daran vorgenommen wurden. Im zweiten Schritt werden M2 und der Autorentext des Geschichtsbuches gegenübergestellt, um weitere Überarbeitungen der Zukunftsnarrationen aufzuzeigen. Das Kapitel 5.1.1 »Der Übergang zum Aufbau der kommunistischen Gesellschaft« wurde von Dr. G.V. verfasst und beschäftigt sich bereits zu Beginn der Darstellung mit den Erfolgen und Planungen der weiteren Entwicklung der Atomenergie. Der Autorentext beschrieb, dass vorgesehen sei, bis 1975 neue Elektrizitätswerke zu errichten und »die Atomenergie wird dabei eine immer größere Rolle spielen.«2377 Der nachfolgende Satz führte die Entwicklung weiter und berichtet, dass Wissenschaftler errechnet hätten, »daß im Jahr 2000 die atomar erzeugte Energie etwa 25 % des Weltenergiehaushalts ausmachen kann.«2378 Dieser Satz wurde handschriftlich durchgestrichen und nicht in M2 übernommen. In M2 wurde neben dem Satz zur zukünftigen Rolle der Atomenergie vermerkt: »1971= Ende des Buches«2379. Die Beschreibung, dass »das Bild Westsibiriens […] in der näheren Zukunft nicht mehr von Sümpfen und endloser Taiga, sondern von Eisenbahnlinien, Elektrizitätsleitungen, Autobahnen und Pipelines bestimmt sein«2380 werde, sorgte in M2 für Kritik in Form eines »?« am Rand des Textes. Beide Versionen stimmten in der Feststellung überein, dass die »unermäßlichen Bodenschätze zwischen Bug und Amur […] eine wesentliche Grundlage für die rasche Ausdehnung der sowjetischen Volkswirtschaft«2381 seien und helfen würden, die Rohstoffbilanz auszugleichen. In M2 wurde neben dieser Prognose für die Entwicklung »Probleme?« vermerkt, damit die als positiv und fortschrittlich skizzierte Zukunftsperspektive um problematische Aspekte ergänzt werden sollte. M1 enthält die Beschreibung zur Zielsetzung des Fünfjahrplanperiode 1966– 1970, dass es möglich sei, durch Investitionen das »Zurückbleiben der Viehzucht und der Getreideerzeugung sowie die damit verbundenen Versorgungsschwierigkeiten energisch zu bekämpfen.«2382 Der Satz wurde handschriftlich korri2377 Volk und Wissen-Verlag: Lehrbuch Geschichte 10/2, Original-Ms., 8. 2. 1971, Kapitel 5.1.1., S. 4, BArch DR/200/4682 (im Folgenden als M1 abgekürzt). 2378 Ebd. 2379 Volk und Wissen-Verlag: Lehrbuch Geschichte 10/2, Redaktionsexemplar (1. Fassung zw. Korr. der Red.), undatiert, S. 4, BArch DR/200/4682 (im Folgenden als M2 abgekürzt). 2380 M2, S. 5. 2381 Ebd. 2382 M1, S. 6.

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giert und die Erwähnung möglicher Schwierigkeiten gestrichen. Stattdessen wurde formuliert, dass sich durch Investitionen die Möglichkeit biete, »das Zurückbleiben der Viehzucht und der Getreideerzeugung energisch zu bekämpfen sowie Voraussetzungen für eine verbesserte Versorgung der Bevölkerung zu schaffen.«2383 Diese Korrektur machte aus der Zukunft als der Zeitebene, in der Schwierigkeiten überwunden werden, eine Zeitebene, in der sich der Lebensstandard der Bevölkerung (noch) weiter verbessern würde. Die inhaltliche Aussage blieb ähnlich, doch sprachlich war die Beschreibung weniger defizitär ausgerichtet. Der korrigierende Akteur betrachtete die Zukunftsszenarien der Steigerung der Menge des Schlachtfleisches sowie die Verdoppelung des Elektroverbrauchs skeptisch. In M2 wurde der gesamte Abschnitt des Autorentextes mit einem langen senkrechten Strich markiert und »voraus?«2384 daneben notiert. Auch die nachfolgende Textpassage, die konstatiert, dass die von der KPdSU in den vergangenen Jahren eingeleiteten Maßnahmen […] alle Seiten des Lebens in Stadt und Land positiv beeinflussen»2385 werden, markierte der Akteur mit einem Strich und »?«2386. Innerhalb des Satzes wurde das Verb »werden« mit einem »?« versehen, sodass die Sicherheit der Eintrittswahrscheinlichkeit, die die Formulierung suggeriert, infrage gestellt wurde. Auch der vom Verlag beauftragte Gutachter D. monierte die Formulierung dieses Satzes und schlug folgende Korrektur vor : Er strich »durch größere Investitionen das Zurückbleiben«2387 und fügte in blauer Tinte handschriftlich »einen erheblichen Aufschwung in«2388 hinzu; weiterhin strich er in diesem Satz »energisch zu bekämpfen sowie«2389 und ersetze es durch »zu erzielen und dadurch«2390. Der Autorentext räumte im nächsten Satz ein, dass es sich bei der Zukunftsperspektive um schwere und langwierige Aufgaben handle, die an alle Kolchosebauern und die Beschäftigen der Sowchosen hohe Anforderungen stellten. Auch neben dieser Formulierung wurde ein »?« notiert, womit zwar Kritik zum Ausdruck gebracht wurde, jedoch keine Verbesserungsvorschläge gemacht wurden. Ebenfalls mit einem »?« wurde die Passage markiert, in der der Darstellungstext beschrieb, dass es in den nächsten Etappen des kommunistischen Aufbaus möglich sein werde, »die durch Rohstoffknappheit, Mangel an

Ebd., handschriftliche Korrektur über dem Text und M 2, S. 7. M2, S. 8. Ebd. Ebd. Volk und Wissen-Verlag: Fahnenkorrekturen Do. zu Lehrbuch Geschichte 10, 2. 11. 1971, S. 8, BArch DR/200/4690. 2388 Ebd. 2389 Ebd. 2390 Ebd.

2383 2384 2385 2386 2387

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Energetik und durch die natürlich physische-psychische Leistungsfähigkeit gegenebene ›Einengung‹ des Menschen zu überwinden.«2391 Auch in den Zukunftsnarrationen des Kapitels 5.2.2 »Der Übergang zur Gestaltung des gesellschaftlichen Systems des Sozialismus« von Dr. M. wurden Bezüge zur Zukunft hergestellt. In diesem Kapitel zeigte sich, dass auch in der Originalfassung des Manuskripts bereits Streichungen vorgenommen wurden. Neben einem Abschnitt von acht Zeilen Umfang befanden sich drei geschlängelte senkrechte Linien, zudem wurde dieser Abschnitt komplett durchgestrichen und befand sich auch nicht mehr in der Version M2. Inhaltlich beschrieb die Textpassage, »daß alle Grundfragen des sozialistischen Aufbaus nicht aus der Sicht der Überwindung, der Aufhebung der Wesensmerkmale dieser Gesellschaftsordnung, sondern ihrer Entfaltung in Angriff genommen werden müssen.«2392 Der »Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus wird allmählich in dem Maße erfolgen, wie die Voraussetzungen und die Keime einer / höheren Gesellschaftsordnung, vor allem das Niveau der Produktivkräfte reifen.«2393 Diese prosaische Beschreibung der Entwicklung des Sozialismus zum Kommunismus in der Zukunft stieß auf Kritik bei den Gutachtern und wurde daher gestrichen. In Kapitel 5.2.4 des gleichen Autors wurde in M1 eine Ergänzung des Autorentextes vorgenommen, durch die die Verbindung der drei Zeitebenen in einem Satz hergestellt wurde. Der Satz lautete: »Möglich und notwendig blieb die Herstellung völkerrechtlicher Beziehungen zwischen der DDR und der BRD wie sie zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung im Interesse der Erhaltung des Friedens notwendig sind.«2394 Hinter »BRD« ergänzte der korrigierende Akteur »auf der Grundlage der Prinzipien der friedlichen Koexistenz«2395. Im Unterschied zu diesem sehr allgemein formulierten Zukunftsziel wurde eine präzise Prognose aus dem Manuskript M1 gestrichen. Der Satz »Auch Gespräche zeigten, daß die Regierung der BRD noch Zeit braucht, um ihre Haltung zu überdenken und zu einem realistischen Standpunkt zu gelangen«2396 befand sich nicht in Manuskript M2, womit die negative Perspektive auf eine baldige Einigung mit der Bundesrepublik fehlte. Im Kapitel 5.5. »Der Kampf um die Festigung der Einheit und Geschlossenheit der kommunistischen und Arbeiterbewegung und um den Zusammenschluß aller antiimperialistischer Kräfte« fanden sich kaum inhaltliche Korrekturen, wenn der Autorentext Aussagen über die Zukunft traf. Die Moskauer Beratung 1969 war dem Text zufolge »der wichtigste Faktor für die Vereinigung 2391 2392 2393 2394 2395 2396

M2, S. 13. M1, Kapitel 5.2.2, S. 6. Ebd. M1, Kapitel 5.2.4, S. 7. Ebd. Ebd., S. 8.

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aller antiimperialistischen Kräfte.«2397 Der Kampf gegen den Imperialismus war dabei die zentrale Aufgabe für die Zukunft. Im »antiimperialistischen Kampf«2398 gehe es auch um das »Ringen um die Sicherung des Weltfriedens«2399, so das Manuskript. Zusammen mit den Ausführungen des Textes über die Weichenstellungen und Grundlagen für diesen Kampf wurde die Zukunft narrativ zu dem Ort, an und in dem eine ›Entscheidung‹ in dieser ideologischen Auseinandersetzung getroffen werden wird. Das behauptete Erstarken der sozialistischen Kräfte in der Vergangenheit war der narrative Grundstein für eine erfolgreiche zukünftige Entwicklung des Sozialismus in Form der sich entwickelnden sozialistischen Gesellschaft. Damit skizzierte der Autorentext eine kontinuierliche Entwicklung aus der Vergangenheit in die Zukunft hinein, in der der Gegenwart weniger Bedeutung beigemessen wurde. 3.4.4 Die Produktion des Lehrbuches »Geschichte 10« von 1977 Das 1977 veröffentlichte Geschichtsbuch wurde von einem Autorenkollektiv entwickelt, dem R.D. als fachwissenschaftlicher und H.D. als methodischer Leiter des Kollektivs vorstanden. Die weiteren Autoren Gü.F., Ge.F., U.S., M.S. und F.S. waren wie D. an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam tätig und von ihm als Autoren für das Buch benannt worden. Das Lehrbuch wurde als »stark bearbeiteter Nachdruck«2400 geplant, der zum 1. 9. 1977 zur Verfügung stehen musste. Die Überarbeitung solle »in enger Verbindung mit der Lehrplanüberarbeit erfolgen«2401, sodass »die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit des Autorenkollektivs mit den für die Lehrplanüberarbeitung Verantwortlichen«2402 vorgesehen war. Als Autoren sollten »bewährte Fachwissenschaftler gewonnen werden«2403. Auch einen Zeitplan hatte der Verlag entworfen: Demnach sollten im September 1975 die Konzeption erarbeitet und das Autorenkollektiv verpflichtet werden, um bis März 1976 die »Überarbeitung des Manuskripts nach der Vorbestätigung des Entwurfs des überarbeiteten Lehrplans«2404 durchzuführen. Bis Oktober sollte die »Endfassung nach dem IX.

2397 2398 2399 2400 2401 2402 2403 2404

M2, Kapitel 5.5, S. 152, BArch DR/200/4683. Ebd., S. 154. Ebd. Volk und Wissen-Verlag: Konzeption für die Überarbeitung des Lehrplanes Geschichte Klasse 10 sowie das Vorgehen im Hinblick auf die Nachfolgematerialien, 12. 5. 1979, S. 20, BArch DR/200/4479. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

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Parteitag der SED«2405 erstellt und dem Verlagsausschuss vorgelegt werden, bevor im Januar 1977 mit der Produktion begonnen werden könne. Mit der Planung des Produktionsprozesses und der Wahl von Autoren begann die Redaktion des Volk und Wissen-Verlags 1975. Die Entwicklung eines neuen Lehrplans stellte die Notwendigkeit dar, ein neues Lehrbuch zu verfassen und war zugleich seine inhaltliche Grundlage. Die Arbeiten am ›neuen‹ Lehrplan mussten daher ein fortgeschrittenes Stadium erreicht haben, um mit der Konzeption des Lehrbuches zu beginnen. Dabei war es ein wichtiger Schritt, neben der curricularen Arbeitsgrundlage einen Leiter für das Autorenkollektiv zu finden. Dies geschah als einer der ersten Schritte im Produktionsprozess, da der Leiter die übrigen Mitglieder des Autorenkollektivs benannte. In einer Besprechung mit insgesamt vier Teilnehmern im November 1975 legten der Verlagsredakteur J., der Abteilungsleiter G. und die Abteilungsleiterin Geschichte, B., mit dem Leiter des Autorenkollektivs D. den Ablauf der Produktion fest. D. schlug Autoren für das Buch vor und gab zugleich an, welche Teile des Autorentextes sie verfassen könnten: »Gen. Dr. Gü. F. und Gen. Dr. U.S., PHP (Imperialismus, Nationalstaaten); Gen. Doz Ge.F. und (evtl.) Gen. Dr. M.S. Geschichte der DDR); Gen Prof. Dr. D. und Dr. S. (Soz. Staatengemeinschaft)«2406. Bis Anfang Dezember 1975 wollte D. mit den Autoren über ihre Mitarbeit gesprochen und den Verlag entsprechend darüber informiert haben. Als Vorbereitung auf seine Tätigkeit als Autor wurde D. der 62 Seiten umfassende Lehrplan-Entwurf übergeben sowie über die Anforderungen an ein Lehrbuch gesprochen. Zugleich sollten die Lehrbuchautoren den Lehrplanentwurf und die Unterrichtshilfen für die Klasse 10 begutachten, denn zum Abschluss des Gesprächs erfolgte »eine erste Verständigung über die Aufgaben, die die Lehrbuchautoren […] zu erfüllen hatten«2407. Einige Briefwechsel des stellvertretenden Abteilungsleiters und zuständigen Redakteurs J. geben Aufschluss über das persönliche Verhältnis zu den Autoren sowie die Bearbeitung des Manuskripts. J. informierte Di. im Dezember 1975 über Veränderungen im Zeitplan sowie die Zusammensetzung des Autorenkollektivs. Sechs Autoren der Pädagogischen Hochschule in Potsdam gehörten zum Autorenkollektiv, das bis zum 15. Mai 1976 eine erste Manuskriptfassung vorzulegen hatte, bevor am 10. Juli die zweite Bearbeitungsphase beginnen würde.2408 Zudem standen im Dezember bereits die Gliederung des Buches und die Aufteilung der Abschnitte unter den Autoren fest. Hinter den Namen war notiert, welcher Autor welche Kapitel und Unterkapitel verfassen sollte: Gü.F. 2405 2406 2407 2408

Ebd. Volk und Wissen-Verlag: Aktennotiz zum Gespräch am 14. 11. 1975, BArch DR/200/4478. Ebd. Vgl. Brief J. an Di., 15. 12. 1975, DR/200/4480.

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(Abschnitte 1.3, 5.3, und z. T. 6.2), Ge.F. (Abschnitte 4.2, 4.3, 5.2 und z. T. 6.2), U.S. (Abschnitte 3.2, 3.3 und 3.4), M.S. (Abschnitte 2.1, 2.2, 2.3 und 4.1) und F.S. (Abschnitte 3.1, 5.1 und 6.1).2409 Diese Einteilung zeigt zum einen, dass bereits kurz nach der Gründung des Autorenkollektivs die inhaltliche Arbeit aufgeteilt worden war, was für eine schnelle und konfliktarme Zusammenarbeit der Autoren spricht. Zum anderen wird deutlich, dass auch die Arbeit am Lehrplan vorangeschritten war, da die Gliederung des Lehrbuches der des Lehrplans entsprechen musste. Neben den formalen Informationen rund um das Geschichtsbuch informierte J. Di. auch über die Honorierung der Tätigkeit. So waren »für den Kollektivleiter und Dich […] ein Pauschalhonorar von je 2.800,– Mark innerhalb des gesamten Objekthonorars von 22.500,– Mark vorgesehen.«2410 Von großer Bedeutung in der Vorbereitungsphase der Lehrbuchentwicklung war es, Gutachter zu finden, die verschiedene Manuskriptversionen prüfen sollten. Im April 1976 legte Verlagsredakteur J. eine »Vorschlagsliste für die Gutachtertätigkeit«2411 vor, die auf 98 Seiten Fachwissenschaftler, ihre Arbeitsschwerpunkte und ihre bereits erbrachten Tätigkeiten für den Verlag auflistete. Die Liste umfasste außerdem neun Gutachter zur Prüfung der Methode und 21 Lehrer, die ebenfalls infrage kämen.2412 Auch J. und Di. korrespondierten über die Namen potentieller Gutachter, die der Verlag zur Prüfung des Buches beauftragte, bevor das Manuskript an die anderen Institutionen zur Prüfung abgegeben wurde.2413 Die prüfenden Lehrer wurden demnach von den Autoren benannt und vom Verlag beauftragt. Es galt, zwei Manuskriptfassungen zu beurteilen. Für die erste Fassung benötigt die Verlagsredaktion »möglichst kritische, konstruktive, veränderungsfreudige Gutachter«2414. Neben den Gutachtern prüften auch die Verlagsmitarbeiter die Texte, sodass die Autoren aus den Gutachten und Anmerkungen eine zweite Manuskriptfassung erstellten. Für diese Fassung wurden ebenfalls Gutachter benötigt, allerdings im Unterschied zur ersten Fassung »mehr allgemein-beurteilende, einschätzende«2415. Der 2409 Vgl. Volk und Wissen-Verlag: Impressum im Manuskript des Lehrbuchs für Klasse 10, 1977, BArch DR/200/4596. D., F., F., S. und S. waren Dozenten an er Pädagogischen Hochschule »Karl Liebknecht« in Potsdam. Sie arbeiteten neben dem Lehrbuch auch an Handreichungen für den Lehrer und einer Materialsammlung in Ergänzung zum Lehrbuch sowie an den Unterrichtshilfen für Klasse 10 mit (vgl. Aktennotiz auf Konzeption der Materialsammlung, ca. Juni 1977, BArch DR/200/4135). 2410 Vgl. Brief J. an Di., 15. 12. 1975, DR/200/4480. 2411 Volk und Wissen-Verlag: Vorschlagsliste für die Gutachtertätigkeit, 5. 4. 1976, BArch DR/ 200/4478. 2412 Vgl. ebd. 2413 Vgl. Brief J. an Di., 9. 4. 1976, DR/200/4480. 2414 Volk und Wissen-Verlag: Vorschlagsliste für die Gutachtertätigkeit, 5. 4. 1976, BArch DR/ 200/4478. 2415 Ebd.

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Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Funktion der Gutachten im Zulassungsverfahren: Während die Gutachten für die erste Manuskriptfassung »nur für die Lb-Autoren bestimmt«2416 waren und bei der Verbesserung der Ms. helfen»2417 sollten, wurden die Gutachten »zur 2. Ms.-Fassung […] dem Verlagsausschuß zusammen mit dem aufkorrigierten [sic!] Ms. eingereicht.«2418 Nach Möglichkeit sollten einige Gutachter beide Manuskriptfassungen prüfen, bevor sie dem Verlagsausschuss vorgelegt wurden. Jener holte dann eigene Gutachten ein, deren Monita eingearbeitet werden mussten, bevor die Genehmigung zur Produktion des Buches erteilt wurde. »Für jeden Gutachtergang könnten etwa 2 fachwiss., 1 meth. und 1 Lehrer-Gutachten angefordert werden«2419, so J.. Die erste Überprüfung des Autorenmanuskripts erfolgte bis Ende Juli 1976. Insgesamt 17 Gutachter nahmen entweder nur zu einzelnen Kapiteln2420 oder zum gesamten Buch Stellung2421. Sieben Gutachten beschäftigten sich auch mit den Zukunftsbezügen des Autorentextes. Gutachter K. vom Institut für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED monierte, dass die Umsetzung der Fünfjahrpläne »in der Wirklichkeit doch anders«2422 gewesen sei und der Text anstelle der Zukunftsziele des Planes besser »die Plankoordinierung als Aufgabe nennen«2423 solle und »dafür den Gedanken der langfristigen Handelsabkommen mit aufnehmen«2424 solle. Mit dieser Kritik korrigierte der Gutachter das Manuskript insofern, als er den idealtypischen Beschreibungen im Darstellungstext die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit entgegenstellte. Er betonte, dass sich die theoretischen Planungen und Zielsetzungen der Pläne deutlich von der Umsetzung unterschieden und leitete daraus ab, weniger die inhaltlichen Aspekte der Fünfjahrpläne und konkrete Entwicklungen zu beschreiben, sondern allgemeine politische Ziele und organisatorische Bemühungen in den Mittelpunkt zu stellen. Dies hatte den Vorteil, dass eine mögliche Differenz zwischen der Beschreibung im Schulbuch und den politischen sowie gesellschaftlichen Entwicklungen verhindert wurde. Auch der Gutachter Do. forderte eine Reduzierung der ideologisch bedingten inhaltlichen Aussagen über die Zukunft. Er monierte, 2416 2417 2418 2419 2420 2421 2422 2423 2424

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. die Gutachten T., 26. 7. 1976; H., 11. 7. 1976; L., undatiert; L., 4. 7. 1976; S., 18. 7. 1976; P., 13. 7. 1976; B., 26. 6. 1976; Kern, 15. 7. 1976; G., 16. 7. 1976; N., undatiert; S., 14. 7. 1976, Li., 8. 7. 1976; alle in BArch DR/200/4480. Vgl. die Gutachten von Do., 20. 7. 1976; B., Juli 1976; W., 14. 7. 1976; S., 10. 7. 1976; K., 20. 7. 1976; alle in BArch DR/200/4480. Gutachten K., 20. 7. 1976, S. 4, BArch DR/200/4480. Ebd. Ebd.

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dass die »Krisenerscheinungen im Kapitalismus […] etwas ausgewogener dargestellt werden«2425 sollten, um »nicht den Eindruck [zu] erwecken, daß er unmittelbar vor dem Zusammenbruch steht und eine Überwindung leicht sei.«2426 Im Gegensatz zu einer Reduzierung der inhaltlichen Aussage in den Zukunftsnarrationen bemerkte die Gutachterin L., dass die Beschreibung des Manuskripts zu »problem- und konfliktlos«2427 sei. Ihr zufolge gelte es vielmehr, »die Schwierigkeiten nicht zu bagatellisieren, die gegenwärtig die Weiterentwicklung des antiimperialistischen Bündnisses zwischen den sozialistischen Staaten und den Entwicklungsländern erschweren.«2428 Jene Schwierigkeiten der Gegenwart würden auch in die Zukunft hinein fortbestehen, »zumal sich die soziale Polarisierung im Entwicklungsländerbereich weiter fortsetzt, die die Bündnisbeziehungen zu den sozialistischen Staaten beeinflußt.«2429 Sie plädierte also dafür, auch die möglichen gegenwärtigen Hindernisse zu erwähnen und zu skizzieren, dass sie sich möglicherweise in die Zukunft fortsetzen könnten. Auch Gutachter Do. monierte die Zukunftserzählung als »zu statisch«2430, denn die »Dynamik und Angespanntheit des Klassenkampfes« komme nicht deutlich genug zum Ausdruck. Die Darstellung der weiteren Entwicklung erscheine als »Automatismus, die Entwicklung bleibt daher zu konfliktlos«2431, so Do. weiter. Am Ende des Geschichtsbuches solle »nochmals der Zusammenhang Erfüllung der Hauptaufgabe – Aufgaben des Friedensprogrammes der KPdSU deutlich gemacht werden«2432, merkte der Gutachter B. an. Damit forderte er ebenfalls, dass der Autorentext die weitere Entwicklung in der DDR und den anderen sozialistischen Staaten aufgreifen müsse. Neben dieser allgemeinen Forderung formulierte B. auch einen Satz, der am Ende des Buches stehen könnte: »Der Imp. muß und wird gezwungen werden zur friedl. Koexistenz, sein Einfluß wird in dem Maße zurückgehen, wie die ökon. Polit., milit. Stärke der soz. Staaten wächst.«2433 Diese zahlreichen Gutachten waren die Grundlage für die Überarbeitung der ersten Fassung des Autorenmanuskripts, die im Oktober 1976 vier Gutachtern vorgelegt wurde: M. und Do., dessen Gutachten erst im Januar 1977 einging und daher für die Überarbeitung der zweiten Fassung keine Relevanz hat, prüften nach der ersten nun auch die zweite Fassung des Manuskripts. Gutachter M. hob 2425 2426 2427 2428 2429 2430 2431 2432 2433

Gutachtern Do., 20. 7. 1976, S. 6, BArch DR/200/4480. Ebd. Gutachten Li., 8. 7. 1976, S. 9, BArch DR/200/4480. Ebd. Ebd. Gutachten Do., 20. 7. 1976, S. 1, BArch DR/200/4480. Ebd. Gutachten B., 26. 6. 1976, S. 7–8, BArch DR/200/4480. Ebd., S. 9.

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erneut hervor, dass die Geschichte des Sozialismus »auf keinen Fall […] als glatter, problemloser Prozeß erscheinen«2434 dürfe, womit er auch die Fortführung der Darstellung in die Zukunft meinte. Auch Konflikte und Schwierigkeiten sollten Erwähnung finden, denn die Schüler »verfügen über genügend eigene Erfahrungen, […] aus denen sie entnehmen können, daß die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ganz und gar nicht ohne Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen vor sich geht.«2435 Explizit bezog M. diese Anmerkung auf die Zukunft, da er auch eine »differenziertere Darstellung der Entwicklungsprozesse im Sozialismus«2436 forderte, »die Probleme aufzeigt und auf ein aktives Engagement zu ihrer Lösung orientiert.«2437 Die Gutachter O. und W. nahmen in ihren Ausführungen keinen Bezug zu den Zukunftsnarrationen, sondern lobten beide, dass dem Buch »eine umfassende Darstellung der Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart gelungen«2438 sei. Auch wenn Do.s Gutachten in der Überarbeitung der zweiten Manuskriptfassung keine Beachtung mehr finden konnte, da es erst im Januar 1977 eintraf, während die Manuskriptfassung Mitte Dezember 1976 dem Verlagsausschuss vorgelegt werden musste, soll ihm Beachtung geschenkt werden. Zur Umsetzung seiner Kritik an der ersten Fassung nahm Do. nicht Stellung. In Bezug auf die Darstellung der Zukunft forderte er, die Entstehungsgeschichte des Warschauer Vertrags angesichts der unmittelbaren Gefahr eines atomaren Weltkriegs konkreter darzulegen. Nur so werde »der Nachweis begründet […], daß in den letzten Jahren eine tiefgreifende, für die Zukunft der Menschheit höchst bedeutsame Wende in den internationalen Beziehungen erreicht wurde.«2439 Die drei Gutachten sowie die Korrekturen durch den Redakteur J. und die Autoren selbst waren die Grundlage für ein Treffen des Autorenkollektivs mit J. Ende November 1976. So hatte J. mit dem Kollektivleiter D. vereinbart, »daß er und seine Truppe am 30.11.76 ab 8.00 Uhr, zur Endredaktion zur Verfügung stehen, desgleichen am nächsten Tag, dem 1.12.76. Ich hoffe, daß es an diesen beiden Tagen zu schaffen ist, sonst kommen wir mit dem Abschreiben und dem Vervielfältigen nicht zurecht. Es wäre natürlich sehr vorteilhaft, wenn Du auch an diesen Tagen (30.11. und 1.12.) in Potsdam dabei sein könntest.«2440

2434 2435 2436 2437 2438

Gutachten M., 11. 10. 1976, S. 3, BArch DR/200/4480. Ebd., S. 4. Ebd. Ebd. Gutachten Oe., 10. 10. 1976, S. 1 und Gutachten W., 8. 10. 1976, beide in BArch DR/200/ 4480. 2439 Gutachtern Do., 10. 1. 1977, S. 4, BArch DR/200/4480. 2440 Brief J. an Di., 12. 11. 1976, BArch DR/200/4480.

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Außerdem wolle J. sich mit Di. bereits am 22.11. treffen, »damit das Manuskript der 10. Klasse abgerundet werden kann.«2441 Zur Bearbeitung des Manuskriptes aus pädagogischer Sicht wurde demnach ein separater Termin anberaumt, an dem nur Di. und J. teilnahmen, bevor sie sich eine Woche später mit dem Autorenkollektiv zu einer zweitätigen Beratung treffen wollten. Nach dieser Sitzung und der erneuten Überarbeitung des Manuskripts fertigte der Kollektivleiter D. eine Stellungnahme an, in der er ausführte, welche Korrekturvorschläge übernommen worden waren und welche Bestandteile des Manuskripts nicht mehr verändert wurden.2442 Der Verlagsausschuss beschäftigte sich dreimal mit dem Geschichtsbuch. In der Sitzung am 18. 12. 1976 wurde zum ersten Mal über das Buch beraten. Zu diesem Zweck waren Gutachten eingeholt worden, auf deren Grundlage der Ausschuss Überarbeitungsvorgaben formulierte. Im Januar stand das Buch an zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen auf der Tagesordnung.2443 Am 14. 1. 1977 wurde im Verlagsausschuss in Anwesenheit der Mitarbeiter G. (Sektionsleiter), B. (Abteilungsleiterin Geschichte) und J. (Redakteur Geschichte) des Volk und Wissen-Verlags sowie der Gutachterin des Ministeriums für Volksbildung S. über das Geschichtsbuch beraten. Die Beratungsgrundlage stellten vier Gutachten dar, die vom Verlagsausschuss in Auftrag gegeben worden waren: Die Mitglieder des Verlagsausschusses M. und P. trugen mündlich ihre Beurteilungen vor, während von Gutachter L. und Gutachterin S. auch schriftliche Ausführungen vorlagen und dem Verlag zum Verbleib übergeben wurden.2444 L. hatte bereits die erste Manuskriptversion geprüft, die dem Verlagsausschuss vorgelegt worden war und lobte im Vergleich dazu die überarbeitete zweite Fassung. Im Unterschied zur Gutachterin S. übte L. in Bezug auf die Zukunftsnarrationen keine Kritik am Autorentext. S. hingegen forderte, dass »der Ausgangspunkt zunehmender Aggressivität des Imperialismus«2445 deutlicher werden müsse und »auch die antikommunistische Manipulierung der Bevölkerung sowie das Streben der BRD nach Atomwaffen«2446 eingeordnet werden müssten. Beide Forderungen schlossen einen Bezug zur Zukunft ein, da diese Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit nicht in der Gegenwart endeten, sondern sich als Konstanten auch in die Zukunft fortsetzen würden. Auch die zukünftige 2441 Ebd. 2442 Vgl. Stellungnahme D., 5. 12. 1976, BArch DR/200/4480. 2443 Vgl. Verlagsausschuss der APW: Arbeitsplan für das I. Quartal (einschließlich Vorlag April 1977), 28. 12. 1976, Archiv für BBF, APW 72532. 2444 Vgl. Verlagsausschuss der APW: Protokoll der 2. Sitzung des Verlagsausschusses, 14. 1. 1977, S. 2, Archiv für BBF, APW 10145. Die Gutachten sind daher im Verlagsarchiv des Volk und Wissen-Verlags zu finden, vgl. BArch DR/200/4480. 2445 Gutachten S., 13. 1. 1977, S. 8, BArch DR/200/4480. 2446 Ebd.

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Entwicklung der DDR solle stärkere Beachtung im Autorentext finden, monierte die Gutachterin. Im letzten Kapitel des Buches »sollte der Kampf um die Verwirklichung der Beschlüsse noch klarer am Beispiel verdeutlicht werden«2447, wie beispielsweise die Intensivierung der Produktion. Im Protokoll der Sitzung des Verlagsausschusses wurden die Monita der Gutachter in sechs Punkten zusammengefasst, die Zukunftsbezüge waren allerdings nicht Bestandteil dieser Kritik. Nach der Sitzung am 14.1. machte sich das Autorenkollektiv an die Einarbeitung der Monita, da dies die Bedingung dafür war, dass der Ausschuss die Drucklegung des Buches empfahl. Der Redaktionsschluss für die Überarbeitungen am Autorenmanuskript auf der Grundlage der Anmerkungen des Verlags war der 26. Januar 1977. Die abschließenden Überarbeitungen sind in den Akten nicht dokumentiert, doch es soll durch einen Vergleich von Manuskript und Schulbuch versucht werden, die Korrekturen der Zukunftsbezüge herauszuarbeiten. Die Grundlage des nachfolgenden Vergleichs stellt ein Manuskript des Geschichtsbuches in den Akten des Volk und Wissen-Verlags dar, in das die Monita des Verlagsausschusses bereits eingearbeitet wurden, wie der handschriftlichen Aufschrift auf dem Deckblatt zu entnehmen ist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Manuskript sich kurz vor der Drucklegung befand. Für diese Annahme sprechen drei weitere Indizien: Erstens befinden sich gestalterische Hinweise auf den Seiten, wie beispielsweise zur Schriftgröße oder zu unterstrichenen oder fettgedruckten Textteilen.2448 Diese technischen Anmerkungen waren der letzte Schritt im Produktionsprozess, bevor im Verlag der Umbruch sowie die Druckfahnen erstellt wurden. Zweitens befindet sich auf jeder der Seiten am unteren rechten Rand eine Unterschrift, mit der die Überprüfung des Manuskripts dokumentiert wurde, bevor die Drucklegung begann.2449 Nachdem der Leiter des Zentralkomitees oder der Staatsminister für Volksbildung das Manuskript genehmigt hatten, wurden keine inhaltlichen Änderungen mehr vorgenommen, sodass davon ausgegangen werden kann, in diesem Manuskript alle Korrekturen aufzufinden, die im Lauf des Produktionsprozesses angeführt wurden. Drittens gleichen sich der Wortlaut des Manuskripts und der des

2447 Ebd., S. 9. 2448 Vgl. Manuskript zu Geschichtsbuch 11 10 09–1, undatiert, BArch DR/200/4597. 2449 Die Unterschrift lässt sich eindeutig keinem der beteiligten Akteure zuordnen. Sie könnte von Kurt Hager, Margot Honecker, aber auch von Verlagsredakteur J. stammen. Im Verlauf der Seiten wandelte sich die Paraphe von einem Buchstaben zu einer Schlangenlinie. Im sechsten und letzten Kapitel könnte sie »Mi« heißen, was jedoch mit keinem anderen aktenkundigen Akteur übereinstimmt. Spekulationen, dass möglicherweise der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, das Buch prüfte, sollen an dieser Stelle ausbleiben. Von Bedeutung ist vielmehr die abschließende Prüfung durch einen ranghohen Akteur aus der Partei- oder Staatsführung.

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Schulbuches und die gestrichenen Passagen im Manuskript wurden auch nicht ins Schulbuch übernommen. Bei der Betrachtung des Manuskripts wird deutlich, dass es nicht nur die Anmerkungen des Verlagsausschusses und gestalterische Hinweise beinhaltete, sondern auch Streichungen und handschriftliche Korrekturen in blasserer oder einer anderen Handschrift. Diese Spuren sprechen dafür, dass neben den Korrekturen des Verlagsausschusses auch andere Akteure am Manuskript arbeiteten und Überarbeitungen durchführten. Ein zweiter Grund für diese Annahme ist die Tatsache, dass die Anzahl der existierenden Gesamtmanuskripte, die wie in diesem Fall 529 Seiten umfassten, aus Kostengründen insgesamt recht gering war. Das Erscheinungsbild einiger Seiten weist ebenfalls zahlreiche Bearbeitungen auf. So wurden Seiten zerschnitten und die Abschnitte neu zusammengefügt bzw. Papierstreifen über Textstellen geklebt.2450 Bereits die Überschrift des fünften Kapitels, das sich mit den jüngsten Ereignissen, die bis zur Gegenwart reichten, beschäftigte, wurde korrigiert. Der Untertitel lautete ursprünglich »Der Übergang der DDR zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft«2451 und wurde zu »Der weitere Aufbau des Sozialismus in der DDR«2452 korrigiert. Diese Korrektur suggerierte in Bezug auf die Zukunft, dass die weitere Entwicklung als Fortsetzung auf dem Weg zum Erreichen des Ziels der entwickelten sozialistischen Gesellschaft interpretiert wurde. Im Unterschied zur Formulierung eines Übergangs suggeriert die Beschreibung des Aufbaus den Fortgang einer begonnenen Entwicklung, während ein Übergang mögliche Unsicherheiten implizierte und zudem weniger appellativen Charakter hatte. Zu dieser Korrektur passt auch eine Verbesserung eines Satzes im Kapitel 5.2.3. Der ursprüngliche Text des Autorenmanuskripts lautete: »Entsprechend der geschichtlichen Aufgabe, in der DDR die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten […]«2453. Der Abschnitt »die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten«2454 wurde gestrichen und handschriftlich darüber »den Sozialismus weiter aufzubauen«2455 notiert. Neben dem semantischen Unterschied wie bei der o.g. Korrektur könnte dies auch eine ideologische begründete Korrektur sein. Die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft war zwar das grundlegende ideologische Ziel, dessen Erreichen jedoch länger dauerte als in den Planungen der Funktionäre vorgesehen und das zu Beginn der 1960er-Jahre nicht abgeschlossen war, anders als im Manuskript dargelegt. Es war zudem aus didaktischer Perspektive fraglich, die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft als abgeschlossen darzustellen, wenn auch die 2450 2451 2452 2453 2454 2455

Vgl. ebd., S. 361. Ebd., S. 338, BArch DR/200/4595. Ebd. Ebd., S. 373, BArch DR/200/4597. Ebd. Ebd.

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Schülergeneration sich daran beteiligen und ihren Beitrag leisten sollte. Ein Absatz, der sich mit der Rolle des Bildungswesens zur Gestaltung der Zukunft beschäftigte, wurde ersatzlos gestrichen. Weder im Manuskript noch in den Gutachten wurden Gründe dafür genannt. In dem Abschnitt wurde dargelegt, dass mit der Einführung des Bildungswesens die Voraussetzungen geschaffen wurden, »daß die Arbeiterklasse auch künftig ihre wachsende Führungsrolle in der sozialistischen Gesellschaft umfassend verwirklichen«2456 könne und dass damit eine neue »Etappe der sozialistischen Kulturrevolution«2457 begonnen habe. Weiter wurde aus einem Satz mit Gegenwartsbezug durch die Korrektur eine Beschreibung der Vergangenheit: So beschrieb der ursprüngliche Satz des Autorenmanuskripts im Präsens: »Es ist bezeichnend, daß die maoistische Führung der Volksrepublik China zu den eifrigsten Befürwortern einer militärisch gestärkten NATO und einer politisch-militärischen Blockbildung der EWG-Staaten gehört.«2458 Handschriftlich wurden die Verbformen vom Präsens zum Präteritum korrigiert, sodass aus einer Einschätzung der gegenwärtigen politischen Situation und der impliziten Abwertung dieses Wandels eine Beschreibung der Vergangenheit wird. Die weiteren zahlreichen Zukunftsbezüge des Autorentextes sind von den Gutachtern nicht kritisiert worden.

3.4.5 Die Überarbeitung des Lehrbuches »Geschichte 10« von 1981 bis 1985 Im Oktober 1981 stellte die Abteilung Geschichte des Volk und Wissen-Verlags einen Zeitplan zur Produktion für die »bearbeitete Neuauflage des Lehrbuches«2459 auf. Bis zum Februar 1982 sollte das Manuskript vorliegen, das dann bis Ende Juni vom Ministerium für Volksbildung bestätigt und im Oktober an die Herstellung weitergeleitet werden sollte, um die Auslieferung im April 1983 zu erreichen. Im Schuljahr 1983/84 sollten die Schüler die Neuauflage bereits verwenden.2460 Der Ausgangspunkt für eine Neubearbeitung war eine »Bewährungsanalyse«2461, die von Mitarbeitern der Martin-Luther-Universität in Halle angefertigt worden war und festgestellt hatte, dass das Buch eine zu »›glatte‹ Darstellung (Ringen der Werktätigen unserer Republik um die Erfüllung der Aufgaben wird oft nicht genügend deutlich)«2462 böte. Außerdem würden an das Lehrbuch der 2456 2457 2458 2459

Ebd., S. 370, BArch DR/200/4595. Ebd. Ebd., S. 462, BArch DR/200/4597. Volk und Wissen-Verlag: Überarbeitungsrichtlinie für das Lehrbuch und die Unterrichtshilfen Geschichte Klasse 10, Oktober 1981, S. 1, BArch DR/200/4181. 2460 Vgl. ebd., S. 5. 2461 Ebd., S. 1. 2462 Ebd., S. 2.

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Klasse 10 höhere Anforderungen an die Qualität der Unterrichtsarbeit und damit auch an das entsprechende Schulbuch gestellt, denn »die Qualität dieses Buches bestimmt in besonderem Maße mit, inwieweit es gelingt, den Schülern ein lebendiges Bild über unsere jüngste Vergangenheit, unsere Erfolge und Klassenkämpfe zu vermitteln.«2463 Der Autorentext sei außerdem daraufhin zu überprüfen und zu überarbeiten, dass die »vom X. Parteitag der SED und vom XXVI. Parteitag der KPdSU gesetzten ideologischen Akzente«2464 verdeutlicht würden und dass aus dieser Sicht auch die Analysen und historischen Wertungen vorgenommen würden. Für die Bearbeitung wurden die Professoren R.D. und Gü.F. von der Pädagogischen Hochschule »Karl Liebknecht« in Potsdam benannt. Eine Einbeziehung weiterer Autoren sei nicht vorgesehen, so der Verlag.2465 Im Januar 1983 nahm die Abteilung Geschichte des Volk und Wissen-Verlags Stellung zu aufgetretenen Problemen im Produktionsverfahren. Die Verlagsredaktion habe »die Größe der Aufgabenstellung […] unterschätzt, sowohl was den Inhalt der Arbeit als auch den Aufwand betrifft.«2466 Es sei »außerordentlich kompliziert, den zusätzlichen Stoff aufzunehmen, die historisch-konkrete Sicht zu verstärken, ohne den Umfang des Lehrbuches zu erweitern, was uns aus schulpolitischen und ökonomischen Gründen nicht ratsam schien«2467, so der Verlag. Alle weiteren beteiligten Akteure habe man nicht informiert, da das Manuskript »inhaltlich den Lehrplan und Vorgaben der Überarbeitungsdirektive erfüllte«2468 und der Verlag somit »den Auftrag insgesamt als erfüllt«2469 ansah. Ohne Rücksprache habe man dem Manuskript zugestimmt und den Autoren »eine erhebliche Kürzung […] auch in Auswertung des Gutachtens der APW vom Juni 1982«2470 empfohlen. Neben dem Kürzungsvorschlag attestierte das genannte Gutachten der APW, dass sie »insbesondere der Stoffeinheit 6.2 zustimmte und dem Manuskript gerade hier beachtliche Qualität bescheinigte.«2471 Zusammenfassend resümierte die Verlagsmitarbeiterin B. in der Stellungnahme, dass die Arbeit von der Redaktion unterschätzt worden sei und zudem habe man »die erkannten Probleme als nicht so grawierend [sic!] an-

2463 2464 2465 2466 2467 2468 2469 2470 2471

Ebd. Ebd. Vgl. ebd., S. 5. Volk und Wissen-Verlag: Stellungnahme zu den bei den Titeln 11 10 11–1 […] entstandenen Problemen, S. 1, 31. 1. 1983, BArch DR/200/4081. Ebd., S. 2. Ebd., S. 3. Ebd. Ebd. Ebd.

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gesehen, daß eine Information bzw. eine Verständigung mit den Partnern MfV/ APW oder auch der Verlagsleitung als notwendig erachtet wurde.«2472 In den nachfolgenden Jahren wurden insgesamt sechs überarbeitete Auflagen des Geschichtsbuches veröffentlicht. Jeweils im Vorjahr kontaktierte die Verlagsredakteurin B. die Autoren und informierte sie über die »Nachauflage« für das kommende Schuljahr. Sie bat um Korrektur des jeweiligen Teils des Schulbuches und Zusendung der Korrekturen. 1987 sollte die fünfte2473, 1988 die sechste und zugleich letzte Überarbeitung des Buches erscheinen. Die Redakteurin teilte dies den Autoren mit und bat, »Ihre Korrekturvorschläge, die Sie für notwendig halten, in das beiliegende Exemplar einzutragen.«2474 Da es sich um eine Nachauflage handle, sei zu beachten, dass »nur unbedingt notwendige Korrekturen vorgenommen werden können.«2475 Handschriftlich wurden auf dieser Vorlage die Namen der Autoren und die Frist zur Vorlage der Korrekturen vermerkt. Den Autoren wurde außerdem mitgeteilt, dass der Titel voraussichtlich auslaufe, »da zum Schuljahr 1988/89 ein neuer Lehrplan in Kraft treten soll, der dann auch ein neues Lehrbuch erfordert. Wir danken Ihnen schon jetzt sehr für Ihre Autorentätigkeit und hoffen, daß Sie uns gegebenenfalls auch weiterhin unterstützen werden.«2476 Dieser Brief zeigt, dass der Verlag für das anstehende Schuljahr noch eine überarbeitete Auflage des Schulbuches veröffentlichen würde, gleichzeitig jedoch die Vorbereitungen an einem neuen Lehrbuch stattfanden. Auch die Erhaltung des Kontakts zu den Autoren und die Bitte um eine mögliche erneute Zusammenarbeit zeigen, dass die mehrjährige Zusammenarbeit über das Fachliche hinaus wertgeschätzt wurde. Die Pflege ›guter Kontakte‹ zu sowohl im fachlichen wie auch im organisatorischen Bereich zuverlässig arbeitenden Gutachtern und Autoren war für den Verlag von zentraler Bedeutung. Das persönliche Verhältnis zwischen der Redakteurin B. und dem Leiter des Autorenkollektivs D. zeigt sich in seinem Brief, dem er seine Korrekturen am Lehrbuch beifügte. D. duzte B. und neben der Anrede »Liebe E.« schloss er seinen Brief »mit herzlichen Grüßen, und, wenn noch angebracht, besten Urlaubswünschen«2477. Darin bestätigte D. auch die Notwendigkeit der Überarbeitung des Buches, da sich »in 10 Jahren […] nicht nur manches im Faktischen, sondern auch in unseren Ansichten geändert«2478 habe, sodass die übrigen Autoren »ihre Teile gründlicher als sonst durchsehen«2479 sollten. 2472 2473 2474 2475 2476 2477 2478 2479

Ebd., S. 4. Vgl. Korrekturen S. am Lehrbuch, 12. 10. 1986, BArch DR/200/4184. Briefvorlage Volk und Wissen-Verlag, undatiert (ca. Frühjahr 1987), BArch DR/200/4182. Ebd. Ebd. Brief D., 23. 7. 1986, BArch DR/200/4182. Ebd. Ebd.

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Die vorgelegten Überarbeitungen der Autoren wurden von der Verlagsredaktion eingearbeitet – oder auch nicht. Auf den Korrekturen des Autors S. für die bearbeitete Auflage des Jahres 1985 wurde von zwei verschiedenen Handschriften Notizen gemacht. Während in der einen Handschrift »ja?« notiert wurde, stand darunter »nein« und in der gleichen Handschrift Kommentare wie »kein Platz«2480. Eine der Handschriften lässt sich der Redakteurin B. zuordnen. Die Schrift desjenigen Akteurs, der die Entscheidung über Aufnahme oder Ablehnung der Korrekturen traf, ist möglicherweise die ihres Vorgesetzten in der Abteilung Geschichte im Verlag. Ein ähnliches Vorgehen zeigte sich bei Anmerkungen B. in den Korrekturen des Autors S. für die fünfte überarbeitete Auflage des Buches. B. kommentierte S.s Korrekturen in Bezug auf die Frage, ob sie in die Überarbeitung aufgenommen werden sollten. S. hatte an mehreren Stellen den XI. Parteitag der SED in den Autorentext eingearbeitet, was von B. mehrfach mit »soweit gehen wir nicht«2481 oder »nur bis 1981«2482 kommentiert wurde. Diese Einschränkung war dem Autor entweder nicht mitgeteilt worden oder er hatte sich in seiner Überarbeitung darüber hinweggesetzt, da die letzten drei überarbeiteten Seiten allesamt aus diesem Grund abgelehnt wurden, indem sie »nein«2483 am Rand notierte. Auch diese Korrekturen wurden einem weiteren Akteur vorgelegt, da sich neben B. Anmerkungen handschriftliche Häkchen befinden.2484 Eine Aushandlung um eine Zukunftsnarration zeigte sich angesichts einer Korrektur, die der Autor S. einarbeiten wollte. Er resümierte, dass die sozialistische Gemeinschaft »der imperialistischen Konfrontations- und Hochrüstungspolitik […] ein komplexes Friedensprogramm zur Verhinderung eines nuklearen Infernos, für Abrüstung und Entspannung« entgegensetze, »so daß der Zukunft mit Zuversicht und Entschlossenheit entgegengesehen werden kann.«2485 B. notierte »wäre dafür«2486, was durchgestrichen und mit »nein« kommentiert wurde.2487 Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei dem zweiten Akteur um ihre Vorgesetzte S. handelte, die verlagsintern die Korrekturen mitprüfte. Für einen verlagsinternen Akteur sprechen die fehlenden Korrespondenzen in der Akte, die hätten angefertigt werden müssen, wenn andere Akteure im Ministerium für Volksbildung oder dem DPZI die Korrekturen hätten prüfen sollen. Die Streichung der letzten Korrektur verdeutlicht die Aushandlung um die Bezüge zur Zukunft. Während die Redakteurin sie guthieß 2480 2481 2482 2483 2484 2485 2486 2487

Vgl. handschriftliche Notizen auf den Korrekturen S., 10. 11. 1984, BArch DR/200/4182. Korrekturen S., 12. 10. 1986, S. 3, BArch DR/200/4184. Ebd. Ebd., S. 4. Vgl. Ebd., S. 5, 7. Ebd. Ebd., S. 8. Vgl. ebd., S. 8.

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und als Prognose im Text behalten wollte, wurde der Zukunftsbezug an dieser Stelle von einem B. vorgesetzten Akteur gestrichen. 3.4.6 Die Produktion des Schulbuches »Geschichte in Übersichten – Wissensspeicher für den Geschichtsunterricht« von 1982 1980 erschien in Form eines Kompendiums das Geschichtsbuch »Geschichte in Übersichten«, das die Darstellung historischer Ereignisse von der Steinzeit bis in die Gegenwart umfasste. Über den Produktionsprozess des Geschichtsbuches »Geschichte in Übersichten« geben die Archivakten insofern Auskunft, als dass sie zwei Fassungen unterschiedlicher Bearbeitungs- und Korrekturstände der Autorenmanuskripte beinhalten. Der Leiter des Autorenkollektivs war Prof. H. Di., der auch selbst Teile des Buches verfasste. Neben ihm waren Dr. J. B., Dr. J. G., Prof. H. H., Prof. K. J., Dr. W. und E.J. als Autoren tätig.2488 Ein Inhaltsverzeichnis, in dem Kapitelüberschriften korrigiert und handschriftlich ergänzt wurden, wurde auf März 1978 datiert, das Buch erschien 1980.2489 Die Arbeit am Autorenmanuskript begann demnach rund zwei Jahre vor Veröffentlichung des Buches. In den Archivakten des Volk und Wissen-Verlags befinden sich zwei Fassungen der Autorenmanuskripte, sodass der Schwerpunkt der Analyse auf den Korrekturpraktiken der Zukunftsnarrationen liegt. Im Findbuch war zu einem Manuskript der Zusatz »1. Ms.-Fassung« angegeben und bruchstückhaft befand sich in einer anderen Akte eine zweite Manuskriptfassung, da in diese die Anmerkungen der ersten Fassung eingearbeitet wurden.2490 Die Korrekturen in der ersten Fassung waren lediglich formaler, jedoch nicht inhaltlicher Art. Nach einer Darstellung der Manuskriptteile mit Zukunftsnarrationen wird der Autorentext mit dem Schulbuchtext verglichen, um weitere Korrekturen an den Zukunftsnarrationen zu untersuchen. Ein Bezug zur Zukunft wurde auf der sprachlichen Ebene durch die Wahl des Präsens hergestellt. So urteilte der Autorentext in der Darstellung der Moskauer Weltberatung von 1960: »Das sozialistische Weltsystem wird zum ausschlaggebenden Faktor der Entwicklung der Menschheit – der Kapitalismus dagegen tritt in die dritte Etappe seiner allgemeinen Krise.«2491 Das Verhältnis zwischen den beiden politischen Systemen wurde durch den Tempuswechsel an dieser Stelle als dauerhaft charakterisiert und berührte damit auch die Zukunft, denn die übrige Darstellung des Kapitels erfolgte im Präteritum. Im Geschichtsbuch wurde aus der Präsensformulierung wieder eine Beschreibung im Präteritum, 2488 Vgl. handschriftliche Auflistung, undatiert, BArch DR/200/4235. 2489 Vgl. Inhaltsverzeichnis zu »Geschichte in Übersichten«, März 1978, BArch DR/200/4235. 2490 Vgl. Akte BArch DR/200/4546 mit der ›älteren‹ ersten Manuskriptfassung und BArch DR/ 200/4235 mit der ›jüngeren‹ Version. Beide sind leider undatiert. 2491 Autorenmanuskript »Geschichte in Übersichten«, undatiert, S. 871, BArch DR/200/4539.

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sodass der Zukunftsbezug verschwand und die Entwicklung als historisches Phänomen erschien.2492 Eine Streichung von Beschreibungen der Zukunft erfolgte im Autorentext im Kapitel zum XXV. Parteitag der KPdSU 1976. Der ursprüngliche Text beinhaltete ein Zitat aus den Beschlüssen, das »die Hebung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes durch die dynamische und proportionale Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion, die Erhöhung der Effektivität, die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die größtmögliche Verbesserung der Qualität der Arbeit in allen Bereichen der Volkswirtschaft«2493

als Zukunftsziel benannte. Ab »die Erhöhung der Effektivität« wurde der Abschnitt durchgestrichen und der Satz durch handschriftliche Ergänzungen zu Folgendem korrigiert: »Deshalb ist Hauptaufgabe auch des 10. Fünfjahrplans: Die Hebung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes durch die dynamische und proportionale Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion.«2494 Die Streichung entfernte Aspekte, die neben den gesellschaftlichen und sozialen Zukunftszielen auch die erwünschten Fortschritte in Wirtschaft und Wissenschaft beschrieben. Korrigiert wurde auch, dass es sich um ein wörtliches Zitat handelte, sodass es nun als Formulierung des Autorentextes erschien. Inhaltlich erhöhten diese Korrekturen den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der die Entwicklungen eintreten würden und betonten die notwendige Aktivität und Beteiligung der Schüler. Im weiteren Verlauf des Produktionsprozesses wurde dieser Satz dahingehend verändert, dass im gedruckten Buch der Satz lautete: »Die weitere Hebung des Lebensniveaus des Sowjetvolkes war das Ziel auch des zehnten Fünfjahresplans.«2495 Sowohl durch die Streichung des Begriffes ›Hauptaufgabe‹ wie auch durch den Wechsel ins Präteritum suggerierte der Autorentext im Unterschied zum Manuskript eine Abgeschlossenheit der Entwicklungen ohne Bezug zur Zukunft. Dieser wurde durch die Wahl des Präsens bei der Darstellung des elften Fünfjahrplans (1981–1985) hergestellt, denn die Formulierung im Geschichtsbuch lautete: »Der Fünfjahrplan sieht u. a. die Steigerung des Nationaleinkommens […] vor.«2496 Mit dieser Formulierung wurde die Steigerung der Wirtschaftskraft in verschiedenen Bereichen um einige Prozentpunkte indirekt als Aufgabe vorgegeben, die aufgrund des zeitlichen Rahmens des Planes auch die Zukunft miteinschloss. Auch ein Ergebnis des VIII. Parteitages charakterisierte das Manuskript als 2492 2493 2494 2495 2496

Vgl. »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 481. Autorenmanuskript »Geschichte in Übersichten«, S. 909. Ebd. »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 503. Ebd., S. 506.

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»Hauptaufgabe«2497, womit ein Bezug zur Zukunft hergestellt wurde. Zur Erläuterung dieser Aufgabe führte das Manuskript ein wörtliches Zitat aus dem Parteibeschluss an. Ebenso verfuhr das Geschichtsbuch mit der Darstellung des X. Parteitages der SED. »Wichtige Aufgaben für die achtziger Jahre im Bericht des Zentralkomitees der SED«2498 werden in einer Liste aufgeführt und geben damit inhaltlich Ziele vor, die es zu erreichen galt. Den Blick auf die Zukunft richtete das Manuskript des Autorentextes auch in der Darstellung des XXIV. Parteitags der KPdSU. So werde mit dem beschlossenen Friedensprogramm »eine neue, kraftvolle Friedenoffensive«2499 eröffnet. Neben der Wahrung des Friedens wurden weitere Ziele formuliert, die in Zukunft erreicht werden sollten: »1. Liquidierung der Kriegsherde in SO-Asien und im Nahen Osten; vertraglicher Verzicht auf Gewaltanwendung, 2. Endgültige Anerkennung der […] territorialen Veränderungen in Europa […], 3. Kernwaffenabrüstung, 4. Einstellung des Wettrüstens […], 5. Liquidierung der Überreste des Kolonialregimes und des Rassismus, 6. Bereitschaft, der UdSSR […] eine gegenseitige vorteilhafte Zusammenarbeit herzustellen.«2500

Wie inhaltlich evidente Zukunftsbezüge auf der sprachlichen Ebene weniger eindeutig zukunftsbezogen dargestellt wurden, zeigte sich am Beispiel der Darstellung des Grundlagenvertrags zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Vertraglich wurden Ziele und damit verbundene Handlungen vereinbart. Diese zukunftsgerichtete Vereinbarung beschrieb der Autorentext mit einer Formulierung im Präteritum: »Der Grundlagenvertrag legte fest«2501. Im Schulbuch finden sich zwar die Wortlaute des Manuskripts wieder, doch sorgte die Darstellung im Präteritum dafür, dass die Auswirkungen der Beschlüsse die Zukunft sprachlich nicht mehr berühren. Für den XXV. Parteitag der KPdSU, der näher am Redaktionsschluss des Buches lag als das untersuchte Manuskript, wurden die Beschlüsse in tabellarischer Form aufgelistet, sodass sprachlich keine Bezüge zur Zukunft hergestellt werden.2502 Inhaltlich benannte der Autorentext konkrete Ziele und formulierte zudem die Aufgabe, die auch als didaktischer Appell an die Schüler zu verstehen ist, »den Weg der Entspannung fortzusetzen und den Entspannungsprozeß unumkehrbar zu machen.«2503 2497 Autorenmanuskript, S. 55 (Die Angabe bezieht sich auf die Paginierung des Manuskripts, das nicht fortlaufend nummeriert wurde), BArch DR/200/4545. 2498 »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 520. 2499 Autorenmanuskript, S. 923, BArch DR/200/4545. 2500 Ebd., S. 923. 2501 Ebd., S. 926. 2502 Vgl. »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 505. 2503 Ebd., S. 504.

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Damit entsprach das Geschichtsbuch strukturell dem Manuskript, dass die Parteitage die Zukunft inhaltlich bestimmten. Dass sich vergangene Ereignisse in der Zukunft wiederholen könnten, suggerierte die Darstellung der Ursachen des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges. Der Krieg sei »eine gewaltige Anklage gegen das gesamte imperialistische System«2504 und seine »inneren Gesetzmäßigkeiten führen immer wieder zu Kriegen und damit zu unermeßlichem Elend für die Volksmassen, wenn es diesen nicht gelingt, die aggressiven imperialistischen Pläne zu durchkreuzen.«2505 Zwei eng miteinander verbundene zukunftsbezogene Aspekte wurden in dieser Darstellung deutlich: Zum einen werde immer wieder Krieg ausbrechen und die Zukunft bleibe geprägt von dieser latenten Gefahr, wie sie der Autorentext explizit formulierte. Zum anderen sei es die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler, sich gegen den Imperialismus einzusetzen, damit diese Gefahr gebannt werden könne, so die implizite Aussage des Autorentextes. Im weiteren Verlauf des Textes wurde »eine der wichtigsten Lehren aus dem Krieg«2506 beschrieben, wodurch per se eine zukunftsgerichtete Perspektive eröffnete: »Der deutsche Imperialismus und Militarismus kann nur dann an seiner volksfeindlichen Aggressionspolitik gehindert werden, wenn die Arbeiterklasse einig ist und alle demokratischen Kräfte des Volkes im Kampf um die Erfüllung seiner Interessen führt.«2507 Diese dauerhafte weltpolitische ideologisch determinierte Beschreibung schloss sowohl die Gegenwart ein, als auch die Zukunft, in der der Kampf geführt werden könne. Keine dieser Formulierungen wurde in das Geschichtsbuch übernommen. Das Kapitel 36.5 »Ergebnisse und Lehren des zweiten Weltkrieges«2508 stellte in einer tabellarischen Auflistung die »Ursachen des Sieges der Völker und Staaten der Antihitlerkoalition im zweiten Weltkrieg«2509 dar und beschrieb in der direkt darauffolgenden Übersicht die »Ursachen der Niederlage des deutschen Imperialismus«2510, doch Verweise auf eine mögliche Wiederholung oder eine latente Gefahr finden sich im gedruckten Geschichtsbuch nicht. In der Bewertung des Warschauer Vertrages wurde die Zukunft sowohl als Orientierungspunkt der Handlungen der Vergangenheit als auch zum Ausgangspunkt für künftiges Handeln der Schülerinnen und Schüler dargestellt. Der Autorentext des Manuskripts konstatierte, dass das Vertragswerk »einen entscheidenden Schritt bei der Herausbildung der sozialistischen Staatenge2504 2505 2506 2507 2508 2509 2510

Autorenmanuskript, S. 38 (Kapitel 38.5), BArch DR/200/4545. Ebd. Ebd., S. 48. (Kapitel 38.6). Ebd. »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 419. Ebd. Ebd.

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meinschaft«2511 darstellte. Es trage »wesentlich zur Erhaltung des Friedens und der Entwicklung gutnachbarlicher Beziehungen in Europa bei.«2512 Mit dieser Beschreibung wurde das Vertragswerk als dauerhafte Grundlage der staatlichen Beziehungen auch für die Zukunft relevant. Die Formulierung wurde wörtlich in das Geschichtsbuch übernommen, womit die Dauerhaftigkeit des friedlichen Miteinanders betont wird, die auch in die Zukunft hineinreichen sollte.2513 Wie beim Warschauer Vertrag stellte das Manuskript auch die Ergebnisse der Moskauer Beratungen im Hinblick auf ihre Bedeutungen für die Zukunft dar. Sprachlich kennzeichneten sich diese »Einschätzungen der Beratung«2514 durch die Verwendung des Präsens im Unterschied zu den sonstigen Beschreibungen im Präteritum. Innerhalb des Bündnissystems »stellt das sozialistische Weltsystem die entscheidende, weltverändernde Kraft dar«2515. Weiterhin sei der Imperialismus immer aggressiver geworden, so der Autorentext, »so daß neue Klassenschlachten bevorstehen, die zu grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen führen können.«2516 Auf der Basis des ideologischen Gegensatzes und der Interpretation der politischen Ziele skizzierte der Autorentext eine Entwicklung der Verhältnisse, die die Zukunft zu einer Zeitebene von Auseinandersetzungen machen, auf die die Schülerinnen und Schüler gegenwärtig vorbereitet werden müssten. Im gedruckten Schulbuch fanden sich diese Zukunftsszenarien nicht. Im Geschichtsbuch beschrieb die Auflistung »Antiimperialistisches Aktionsprogramm der Moskauer Beratung von 1969«2517 allgemeine Ziele, die sich auch auf die Zukunft ausdehnen, wie beispielswese »Kampf um den Frieden und gegen die Kriegsgefahr, für die Durchsetzung der Politik der friedlichen Koexistenz«2518. Das vorletzte Kapitel im Manuskript widmete sich dem Vergleich der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik und der DDR. Der Imperialismus habe in den 70er-Jahren eine »neue Entwicklungsstufe der allgemeinen Krise des Kapitalismus«2519 erreicht, so das Manuskript. Die Folgen der »grundlegenden Siege, die der Sozialismus in der Auseinandersetzung mit dem Imperialismus […] errang, zeigten daß sich das Kräfteverhältnis weiter zugunsten des Sozialismus entwickelt und er allein imstande ist, die Lebensfragen der Völker in ihrem Interesse zu lösen«2520, so der Autorentext. Das als 2511 2512 2513 2514 2515 2516 2517 2518 2519 2520

Autorenmanuskript, S. 193, BArch DR/200/4546. Ebd. Vgl. »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 456. Autorenmanuskript., S. 146 (Kapitel 49). Ebd. Ebd. »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 482. Ebd. Autorenmanuskript, S. 181, BArch DR/200/4545. Ebd.

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sicher beschriebene Zukunftsszenario wurde auch in diesem Abschnitt weniger aus Gegenwartsdiskursen denn aus ideologischen Grundsätzen abgeleitet und charakterisierte daher die Weiterentwicklung des Sozialismus als alternativlos. Im Gegenzug zu dieser utopischen Entwicklung stand die Katastrophe, zu der sich der Imperialismus aufgrund der »Verschärfung aller inneren und äußeren Widersprüche«2521 entwickeln werde. Die unterschiedlichen Verknüpfungsformen der Zeitebenen treten an diesem Beispiel eindrucksvoll zutage: Während die Zukunft der DDR aus Programmen und Weichenstellungen der Vergangenheit hergeleitet wurde und die Zukunft die lineare Fortsetzung der Vergangenheit war, liege der Ursprung der Krise der Bundesrepublik in der Gegenwart und zeige sich bereits in gegenwärtigen Auseinandersetzungen. Diese fehlten in der Geschichtsbetrachtung der DDR gänzlich, wie eine Gegenwartsbeschreibung insgesamt. In das Geschichtsbuch wurden diese Abschnitte des Manuskripts nicht übernommen, da die Kapitel des Buches anders aufgebaut waren. Es behandelte die Geschichte der DDR und des imperialistischen Staatensystems getrennt voneinander ohne den direkten Vergleich, den das Manuskript vorsah. Neben dem vorletzten verfasste Autor J.G. auch das Schlusskapitel des Buches, in dem die Zukunftsbezüge evident und explizit waren, doch auch zahlreiche Streichungen erfuhren. Die Bewertung der Inflation und der Währungskrise als »tiefe Krise der gesamten ökonomischen Basis des gegenwärtigen Imperialismus«2522 wurde von Verlagsredakteur J.2523 im Manuskript gestrichen. Der Absatz mit der ausführlichen Darstellung der »Energie- und Rohstoffkrise«2524, der »Krisen in den Beziehungen zwischen den imperialistischen Industriestaaten«2525, der Umweltkrise und der moralisch-politischen Krise wurde ebenfalls handschriftlich durchgestrichen. In einer weiteren Überarbeitung bis zur Veröffentlichung im gedruckten Buch wurden diese inhaltlichen Aspekte zwar nicht als Text, sondern in Form einer Aufzählung unter der Überschrift »längerfristige Krisenerscheinungen«2526 wiederaufgenommen. Diese beiden Korrekturen zeigen, dass es zur Darstellung der Dauerhaftigkeit und der umfassenden Auswirkungen der Krise des imperialistischen Systems jene Aspekte doch brauchte, die J. zunächst durchstrich. In der hierarchischen Aushandlung der Gestaltungsweise des Autorentextes hatte sich der Verlagsredakteur zu fügen, sodass seine inhaltliche Korrektur revidiert wurde. Dass neben J. noch ein weiterer Akteur Überarbeitungen im Manuskript 2521 Ebd. 2522 Autorenmanuskript Kapitel 41.6.2, S. 940, BArch DR/200/4235. 2523 J.s Zuständigkeit für diese Korrekturen lässt sich durch Abgleiche der Handschrift belegen. 2524 Ebd. 2525 Ebd. 2526 »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 531.

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vornahm, zeigen die Korrekturen im Kapitel 41.1.6 »Zwei Tendenzen der imperialistischen Gegenwartspolitik«2527. Sie wurden mit der Schreibmaschine in Form von »x« über den Text getippt. Der korrigierte Abschnitt erläuterte die innenpolitischen Reaktionen auf den »vom Weltimperialismus aufgezwungenen Anpassungsprozeß«2528, in dem sich »partiell realistische und offen aggressive Elemente«2529 verbanden. In zwei Sätzen beschrieb der Autorentext in seiner ursprünglichen Form ausschließlich imperialistische Entwicklungen, ohne den Sozialismus oder einen sozialistischen Staat zu erwähnen. Möglicherweise war die Ausführlichkeit die Ursache der Korrektur, da ein Satz mit aneinandergereihten »x« durchgestrichen wurde. Die Korrektur – in Form eines maschinengeschriebenen Satzes oberhalb des durchgestrichenen Satzes – summierte, dass die Staaten unterschiedlich auf das zugunsten des Sozialismus veränderte Kräfteverhältnis reagiert hätten. Durch diese Verbesserung wurde der Sozialismus zum handelnden Akteur, auf den der Imperialismus lediglich reagierte statt selbst zu agieren. Die gestaltende Wirkung wurde in diesem Satz positiv bewertet, bevor sie im nächsten Satz quasi als notwendige Reaktion auf die imperialistischen Maßnahmen galt. So müsse man mit der »Verschärfung des ideologischen Kampfes«2530 auf eine »langfristige, vornehmlich mit ideologischen Methoden vollziehende Systemauseinandersetzung«2531 reagieren. Der Begriff »Systemauseinandersetzung« wurde handschriftlich von J. im Manuskript notiert und ersetzt die Formulierung »[…] zu vollziehenden Prozeß der Zersetzung der sozialistischen Gesellschaftsordnung«2532. Durch seine Korrekturpraktik entfernte J. die Formulierung, die die Möglichkeit suggerierte, dass es in langfristiger Perspektive dem Imperialismus gelingen könnte, dem Sozialismus ideologisch überlegen zu sein und die ›Zersetzung‹ zu beginnen. Damit diese Idee keinen Platz im Geschichtsbuch fand, strich er sie und kürzte den Halbsatz durch den Begriff »Systemauseinandersetzung« ab, der ohne semantische und hypothetische Implikationen die Zukunft beschrieb. Auch in der Beschreibung der zweiten Tendenz wurden »x« über den Text getippt, sodass dieser nicht mehr zu erkennen ist. Offensichtlich ist als Folge der Korrektur jedoch, dass der Text, der das imperialistische Wettrüsten als »Widerstand […] gegen die Vertiefung des Entspannungsprozesses«2533 beschrieb, deutlich gekürzt wurde. Der letzte Satz des Abschnitts, in dem der Autorentext konstatierte, dass die »qualitative Zuspitzung der Allgemeinen Krisen […] keinen ›automa2527 2528 2529 2530 2531 2532 2533

Autorenmanuskript, Kap. 41.6.6, S. 944, BArch DR/200/4235. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

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tischen Zusammenbruch‹ des Kapitalismus«2534 bedeute, wurde ersatzlos gestrichen. Diese Textstelle, die einen möglichen Fortbestand des Imperialismus suggerierte, wurde ebenfalls gestrichen, um diese Eventualität, unabhängig von der Eintrittswahrscheinlichkeit, nicht im Schulbuch zu erwähnen. Das gesamte Kapitel zur imperialitischen Gegenwartspolitik wurde nicht in das Geschichtsbuch übernommen. Auch dafür ließen sich keine Gründe ausmachen, doch beschrieb das Buch im Großkapitel zur Entwicklung der imperialistischen Staaten mit dem Kapitel »Aufschwung der Arbeiterbewegung«2535 und der Feststellung, dass die Anzahl der Streikenden »1980 250 Millionen« erreicht hatte. Somit endete das Buch mit der Darstellung der erstarkenden Arbeiterbewegung und eröffnete eine positive Zukunftsperspektive, derzufolge sich die Kräfte der Arbeiter auch im Imperialismus behaupten könnten, wenn sie nur weiter erstarkten. 3.4.7 Die Produktion des Lehrbuches »Geschichte 10« von 1989 1989 sollte ein neues Geschichtslehrbuch für die Klasse 10 erscheinen, da »erstmals nach fast zwanzig Jahren neue Vorgaben ausgearbeitet wurden«2536. Die erste Fassung des Autorenmanuskripts wurde im April 1987 vom Autorenkollektiv fertiggestellt und ist archivalisch überliefert. Das Kollektiv bestand aus Mitarbeitern des Lehrstuhls Geschichte an der Parteihochschule des Zentralkomitees der SED »Karl Marx« in Berlin und war von Hager in seiner Zusammensetzung genehmigt worden.2537 S.V. war der Leiter des Autorenkollektivs und W.B., H.B., G.D., G. Dit., L.K., C.M., R.S. und H.W. waren die Autoren. Die methodische Begutachtung erfolgte durch S.K. und R.K.; H. Di. war der methodische Gutachter der gesamten Unterrichtsreihe.2538 Bereits 1984 erstellte die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften einen Zeitplan zur Produktion des Lehrbuches.2539 Die genannten Termine seien als »Ecktermine«2540 zu verstehen und sollten gewährleisten, dass in einer Staffelung von etwa 8 Wochen»2541 alle Jahrgangsstufen mit neuen Geschichtsbüchern versorgt werden konnten. Als Arbeitsgrundlage für die Autoren sollte die 2534 2535 2536 2537 2538 2539 2540 2541

Ebd. »Geschichte in Übersichten«, 1982, S. 532. Mätzing 1999, S. 295. Vgl. Maßnahmeplan des Ministeriums für Volksbildung, 22. 1. 1985, zitiert nach: Fischer 2004, S. 168. Vgl. handschriftliches Impressum, April 1987, BArch DR/200/3970. Vgl. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Vorschläge für die Zusammensetzung der zentralen Führungsgruppe, von Arbeitsgruppen sowie von Autorenkollektiven, 8. 1. 1984, S. 13, Archiv für BBF, APW 104541. Ebd. Ebd.

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»Vorbestätigung des Lehrplans«2542 im April 1986 abgeschlossen sein, die »Endbestätigung«2543 im April 1987 erfolgen. Die Autoren hatten bis Oktober 1986 ihre Manuskripte an den Verlag zu senden, sodass ein Jahr später, im Oktober 1987 die Druckgenehmigung durch den Verlagsausschuss erteilt werden könne. Als Beginn der Arbeiten am Layout wurde Januar 1988 angesetzt. Dieser detaillierte Zeitplan bedeutete im Einzelnen, dass der Lehrplan parallel zur Produktion des Autorenmanuskripts noch bearbeitet wurde, sodass sich mögliche Änderungen auch auf die Autoren auswirkten. Zugleich benannte die APW 1984 bereits die gewünschte personale Besetzung des Autorenkollektivs: B. von der Karl-Marx-Universität sollte Kollektivleiter werden und mit F. und K. sollten zwei weitere Autoren der Universität am Buch mitarbeiten. Weitere mögliche Autoren waren B. und C. von der Akademie der Wissenschaften.2544 Im März 1984 wurde diese Planung in einer weiteren Besprechung ergänzt und festgehalten, dass statt K. nun Ku. mitarbeiten solle. In Bezug auf die Leitung des Autorenkollektivs wolle »Gen. Bu. klären, ob die vorgesehene Mitarbeit von Prof. Dr. B. (KMU Leipzig) möglich ist oder stattdessen Prof. Dr. Dit. einbezogen werden soll.«2545 Außerdem sollten weitere mögliche Autoren berücksichtigt werden: N. (HU Berlin) sowie S., K. und M., die ebenfalls an der Karl-MarxUniversität Leipzig tätig waren.2546 Damit gab die APW dem Volk und WissenVerlag sowohl den zeitlichen Ablauf zur Produktion des Geschichtsbuches, als auch die personelle Besetzung des Autorenkollektivs vor. Wie in keinem anderen Produktionsprozess zuvor handelte der Verlag nun ausschließlich auf Anweisung durch andere Institutionen. Nach der doppelten Kontrolle der Manuskriptkorrekturen innerhalb des Verlages, die die Kompetenz des Redakteurs bereits reduzierte, wurde sie durch nun noch engere und detaillierte Vorgaben weiter eingeschränkt. So mussten bei der APW vom Verlag Probekapitel eingereicht werden, die die APW wiederum dem Verlagsausschuss zur Prüfung vorlegte. Anders als bisher prüften nicht Gutachter das Buch und sprachen dem Ausschuss ihre Empfehlung aus, sondern in der Sitzung des Verlagsausschusses prüften die Mitglieder des Verlagsausschusses das Buch gemeinsam. Diese Verfahrensänderung betont die Bedeutung des Geschichtsbuches in seiner Entstehungszeit und die mit ihm verbundenen Erwartungen an die Funktion des Lehrmittels stark. Gleichzeitig deutet sie auf intensivierte Kontrollmechanismen durch die APW hin. Auch die Akteure reflektierten diese veränderten Produktionsbedingungen für »Geschichte 10«: Die Arbeit daran werde »sicher am 2542 2543 2544 2545

Ebd. Ebd. Vgl. ebd., S. 9. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Aktennotiz nach Gespräch am 21. 3. 1984, S. 2, Archiv für BBF, APW 104541. 2546 Vgl. ebd., S. 3.

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schwierigsten«2547, sodass man entsprechende Probekapitel »für die zweite Augusthälfte zur Diskussion stellen«2548 wolle. Im Oktober 1986 berieten politische Akteure über die zu entwickelnden Lehrpläne und Lehrbücher für den Geschichtsunterricht. An der Besprechung nahmen der Präsident der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, N. und dessen Vizepräsident K., der Vorsitzende des Rates für Geschichtswissenschaft D., der stellvertretende Minister für Volksbildung P., der Direktor des Instituts Gesellschaftswissenschaften in der APW, R., sowie der wissenschaftliche Sekretär des Rates für Geschichtswissenschaft, H. teil. Grundlage des Treffens war die Zustimmung Margot Honeckers und Kurt Hagers zu den »weiterentwickelten Lehrplänen«2549. Für die »straffe Führung der Erarbeitung«2550 der Lehrbücher sollte ein »Operativstab«2551 gegründet werden, in dem die Sitzungsteilnehmer D. und H. mitarbeiten sollten. In Bezug auf die Mitglieder des Autorenkollektivs informiert P. »über die Arbeiten am Lehrbuch […] und schlug eine nochmalige Prüfung der Autoren vor.«2552 Die Sitzungsteilnehmer ›erörterten‹ die politische Eignung der Autoren mit dem Ergebnis, »daß Gen. Prof. Dr. G. Dit. (KMU Leipzig) für die Leitung des Autorenkollektivs für geeignet gehalten wird.«2553 Außerdem benannten sie Autoren für die einzelnen Kapitel: So sollte die Geschichte der 50er-und 60er-Jahre »von Kräften seines [Anmerk. d. Verfasserin: D.s] Wissenschaftsbereiches«2554 verfasst werden, während »Gen. Dr. U. S. […] weiterhin zum internationalen Geschehen schreiben«2555 sollte. Die »weitere Mitarbeit von Genossen der Parteihochschule ist zu prüfen«2556, endete die Beratung hinsichtlich der Autoren. An der Beratung über die erste Fassung des Autorenmanuskripts wollten D. und H. ebenfalls teilnehmen. Die erste Fassung des Manuskripts, die auch in den Akten des Volk und Wissen-Verlags überliefert wurde, legte das Autorenkollektiv im Frühjahr 1987 der Verlagsredaktion vor.2557 Jene holte 13 Gutachten dazu ein, die bis Mitte Juli der Redaktion vorgelegt wurden.2558 Der methodische Gutachter H. lobte, dass 2547 APW: Zum Stand der Arbeiten an Lehrbüchern und Unterrichtshilfen im Fach Geschichte, 2. 9. 1986, S. 7, Archiv für BBF APW 11034/1. 2548 Ebd. 2549 APW: Protokoll der Beratung beim Präsidenten, 10. 10. 1986, S. 1, Archiv BBF APW 11034/ 1. 2550 Ebd., S. 3. 2551 Ebd., S. 3. 2552 Ebd. 2553 Ebd. 2554 Ebd. 2555 Ebd., S. 4. 2556 Ebd. 2557 Vgl. Redaktionelle Informationen für Verlagsausschuss, 13. 4. 1988, BArch DR/200/4020. 2558 Vgl. Übersicht über Gutachter, Datum der Vorlage des Gutachtens sowie die Höhe der Vergütung, undatiert, BArch DR/200/3973.

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der Autorentext die Einsicht vermittle, »daß sich Fortschritt nicht geradlinig und problemlos, sondern nur tendenziell und in hartem Kampf durchsetzt, daß große Siege nicht im ersten Ansturm errungen werden.«2559 Gutachter K. von der APW kritisierte, dass die Darstellung der Ereignisse »zu glatt«2560 sei und »alles […] seinen geregelten sozialistischen Gang«2561 gehe. Die Kapitel 3 und 4 folgten »zu sehr der Logik der Beschlüsse von Parteitagen der SED und des Kampfes um ihre Verwirklichung.«2562 Parteitage würden zu »Eckpunkten historischer Entwicklung und eigentliche Zäsuren des revolutionären Prozesses treten in den Hintergrund.«2563 K. monierte weiter, dass das Buch »mit der Chronologie zu stark nach vorn und zurück«2564 gehe, was sich nicht gänzlich vermeiden lasse, aber nur begrenzt vorkommen solle. Die Gutachterin K. stellte in ihrer Überprüfung fest, dass »über die Aktivitäten zur Sicherung des Friedens im Umfang kaum über die Angaben des Lehrplanes«2565 hinausgegangen wurde. Im Umkehrschluss bedeutete diese Kritik, dass sie sich ausführlichere und an konkrete Maßnahmen geknüpfte Beschreibungen der Zukunft wünschte. J. fasste die Gutachten zusammen und notierte die Gesichtspunkte, nach denen der Autorentext überarbeitet werden müsse. Nach einer Beratung mit dem Autorenkollektiv habe man sich geeinigt, die erste Manuskriptfassung nicht zu verbessern, »sondern eine neue Konzeption zu erarbeiten, die gleichzeitig Korrekturen für den damals noch in der Entwicklung befindlichen Lehrplan nach sich ziehen sollte.«2566 Diese »Feindispositionen«2567 legte das Autorenkollektiv im September 1987 vor. Angesichts der Vorgaben in Bezug auf die Zusammensetzung des Autorenkollektivs und die Maßnahmen zur engmaschigen Überprüfung des Manuskripts, schienen diese Maßnahmen auf einen zügigen Produktionsprozess nur geringfügige Auswirkungen gehabt zu haben, wenn in diesem frühen Stadium schon umfassende Änderungen notwendig wurden. Neben den Skizzen der überarbeiteten Kapitelinhalte wurden auch die Umfänge der Kapitel festgelegt, die sich wiederum am Lehrplan und den Unterrichtshilfen orientierten. Bevor es um die Konzeption der einzelnen Kapitel ging, wurde die Zielsetzung des Buches formuliert – das intendierte Zukunftshandeln 2559 Gutachten H., 9. 7. 1987, S. 2, BArch DR/200/3973. 2560 Gutachten K., 9. 6. 1987, S. 2, BArch DR/200/3973. Die Gutachterin S. kam zu dem gleichen Urteil und wählte den Vergleich mit einer »glatten Landstraße« (Gutachten S., 17. 6. 1987, S. 2). 2561 Ebd. 2562 Ebd. 2563 Ebd. 2564 Ebd., S. 9. 2565 Gutachten K., 19. 6. 1987, S. 2, BArch DR/200/3973. 2566 Redaktionelle Informationen für Verlagsausschuss, 13. 4. 1988, BArch DR/200/4020. 2567 Autorenkollektiv : Feindispositionen des Geschichtslehrbuches für die 10. Klasse, September 1987, BArch DR7200/3969.

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der Schüler : »Dem Schüler soll die Erkenntnis vermittelt werden, daß er auch durch persönliche Taten zur Stärkung des Sozialismus und zur Sicherung des Friedens direkt den Verlauf der Geschichte beeinflußt und mitgestaltet.«2568 Die politische Funktion des Geschichtsbuches in der DDR war die Vorbereitung des Schülers auf die Gestaltung der Zukunft. Die Darstellung der Geschichte diente in diesem Zusammenhang dazu, den Schülern die Anfänge der Prozesse aufzuzeigen, die sie in Zukunft vollenden sollten. Der stellvertretende Staatsminister für Volksbildung P. habe diese Konzeption (»Feindisposition«) im September genehmigt, sodass die Autoren die Arbeit an der zweiten Manuskriptfassung auf dieser Grundlage fortsetzen konnten. Im November 1987 lag dem Verlag die zweite Manuskriptfassung vor. Diese wurde in zwei Treffen mit Mitarbeitern des Ministeriums beraten und die »Hinweise des STM, der Führungsgruppe und des Verlages wurden den Autoren danach zur Verfügung gestellt.«2569 Die abschließende Bearbeitung erfolgte bis März 1988 und auch »Hinweise des Gen. T. und des Gen. Hager«2570 konnten berücksichtigt werden. Hagers häufigstes Monitum waren fehlende Quellenzitate im Autorentext, wenn nur die jeweilige Literaturangabe genannt, das Zitat jedoch nicht aufgeführt wurde.2571 Hager schien mit den Zukunftsbezügen des Manuskriptes einverstanden zu sein, denn er sah keine Notwendigkeit, sie zu korrigieren oder zu kommentieren. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden, bei dem Hager den Satz nach einer Aussage über die Zukunft korrigierte. Der Abschnitt mit den beiden Sätzen lautete: »Die Tatsache, daß sozialdemokratische und sozialistische Parteien der Einladung folgten, machte auch deren Einsicht deutlich, daß man im Atomzeitalter nur noch gemeinsam überleben oder gemeinsam untergehen kann. Diese Erkenntnis ließ auch Vertreter der SPD die Möglichkeit nutzen, um erstmals seit Jahrzehnten mit Kommunisten auf einem Weltforum zu Grundfragen der Zeit den Dialog zu führen.«2572

Hager markierte diese beiden Stellen mit zwei senkrechten Strichen und legte einen Papierstreifen zwischen die Manuskriptseiten, auf dem »SPD war nur anwesend«2573 stand. Die Abteilungsleiterin S. beschrieb dem Verlagsausschuss gegenüber den Ablauf des Produktions- und Überarbeitungsprozesses sehr detailreich, um einerseits die Intensität der Arbeit hervorzuheben, um andererseits aber auch Verzögerungen im Ablauf zu erklären. Außerdem sorgte die Nennung der 2568 2569 2570 2571

Ebd., S. 2. Ebd. Ebd. Vgl. Hagers Korrekturen im Manuskript zu Kapitel 4, undatiert (ca. Januar/Februar 1988), BArch DR/200/3977. 2572 Vgl. Ebd., S. 28. 2573 Ebd.

Der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern in der DDR

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Namen der beteiligten Gutachter dafür, dass dem Verlagsausschuss deutlich wurde, welche politischen Akteure bereits ihre Zustimmung zu dem Geschichtsbuch geäußert hatten. Ihre Autorität diente als Argument für ein wohlwollendes Urteil des Ausschusses. Der Verlagsredakteur J. war der kommunikative Knotenpunkt im Produktionsprozess. Er stand in Kontakt mit den Autoren, den Gutachtern sowie den politischen und pädagogischen Institutionen und koordinierte auch in der Abschlussphase der Überarbeitungen den Eingang und die Einarbeitung der Korrekturen. J. hielt die verschiedenen Autoren stets auf dem aktuellen Kenntnisstand des Fortgangs des Prüfungsverfahrens und informierte sie auch über die anstehenden Schritte und Aufgaben. So schrieb er an den Autor Dit., dass die Endredaktion der ersten beiden Kapitel durch die Autoren D. und N. stattgefunden habe.2574 Auch der Autor S. richtete seine Korrekturen im Manuskript an J., der sie wiederum weiterleitete.2575 Nach Eingang der Korrekturen der Autoren und der Gutachter, die nach der ersten auch die zweite Fassung begutachteten, informierte J. das Autorenkollektiv, dass ihre Vorschläge »bis auf wenige Stellen, die natürlich nicht ohne Bedeutung sind«2576, übernommen wurden. Dabei musste aber das »von der Parteiführung aufkorrigierte Manuskript unangetastet gelassen werden.«2577 Zu 80 % seien die Hinweise des Verlags und der Autoren übernommen worden, sodass das Manuskript nun »von allen vertreten werden kann«2578, so J.. Neben der politischenideologischen Korrektheit prüften Lehrer die »Praxiswirksamkeit«2579 des Buches. Gutachter O. berichtete, dass das Buch »von den Schülern keine negative Bewertung«2580 erfahre. Er schätzte die Ergebnisse des methodischen Vorgehens als »z. T. sehr positiv«2581 ein. Auch J. selbst fügte dem Text ebenfalls zahlreiche Korrekturen hinzu, wie sich in den Akten anhand seiner Handschrift erkennen lässt. Diese waren sowohl technischer Natur und betrafen Fragen wie die Art des Drucks oder der Schriftgröße, aber er arbeitete auch inhaltlich am Manuskript mit.2582 Nachdem alle Korrekturen eingearbeitet waren, legte der Verlag im April 1988 dem Verlagsausschuss die zweite Version des Autorenmanuskripts vor. Im Folgenden soll es um die Frage gehen, welche Zukunftsnarrationen aus dem Autorenmanuskript in das gedruckte Buch übernommen und welche ge2574 2575 2576 2577 2578 2579 2580 2581 2582

Vgl. Brief J. an Dit., 17. 10. 1988, BArch DR/200/4020. Vgl. Brief von S., 14. 10. 1988, BArch DR/200/3978. Ebd. Ebd. Ebd. Brief O. an Volk und Wissen-Verlag, 20. 11. 1989, S. 2, BArch DR/200/4020. Ebd. Ebd. Vgl. J. Korrekturen im Manuskript von Kapitel 1, BArch DR/200/3980. Die zweite Manuskriptfassung mit J. Korrekturen der Kapitel 3 und 4 sind leider nicht in den Akten zu finden.

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strichen wurden. Im Manuskript des Autorentextes wurden in der Darstellung ideologischer Grundlagen von den 1960er-Jahren ausgehend Bezüge zur Zukunft hergestellt. Während die »Herstellung der […] Übereinstimmung der Grundinteressen«2583 als »ausschlagebende[n] Triebkraft«2584 noch im Präteritum beschrieben wurde, erfolgte die Beschreibung des Prozesses im Präsens: Die Identifizierung dieser Grundinteressen »ist nur […] in fortwährender Auseinandersetzung um die optimalen Lösungen zu bewirken.«2585 Sie »verlangt revolutionäre Denk- und Verhaltensweisen, Parteilichkeit, Kämpfertum, Entscheidungsfreude, kritische und selbstkritische Haltungen von den Staatsbürgern und in erster Linie von den Kommunisten. Es ist ein Grunderfordernis bewußten Gestaltens der entwickelten sozialistischen Gesellschaft.«2586 Die Wahl der Präsensform ging indirekt aus der Formulierung des letzten Satzes hervor, denn die gesellschaftlichen Bemühungen um die Gestaltung der Gesellschaft endeten nicht, sondern mussten dauerhaft erfolgen. Aus diesem Grund wurde an dieser Stelle des Autorentextes ein Bezug zur zukünftigen Aufgabe der Schülerinnen und Schüler hergestellt. Der Autorentext füllte damit ihre Zukunft nicht nur inhaltlich mit der Erfüllung einer Aufgabe, sondern implizierte auch die grundsätzliche Verantwortung, die Arbeit der vorherigen Generationen in Zukunft fortzusetzen. Diese Aufgabe wurde im Manuskript auch in der Beurteilung des VIII. Parteitages der SED im Jahr 1971 bestätigt. Nach dem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus »folgt in unserer Zeit objektiv notwendig eine längere Etappe, in der es darum geht, alle Seiten und Bereiche des gesellschaftlichen Lebens planmäßig auf hohem Niveau zu entwickeln und eine moderne sozialistische Gesellschaft zu gestalten.«2587 Nur durch die Bemühungen werde »in einem längeren Zeitraum der Sozialismus vollendet«2588, so der Autorentext weiter. Die Bezüge zur Zukunft waren evident: Für die Gegenwart erwartete der Text nicht, dass der Sozialismus vollendet werden könne, sondern er verschiebt dieses Ziel in eine Zukunft, die nicht genauer beschrieben wird. Der Darstellungstext ließ offen, in welchem Zeitrahmen der Übergang zum Kommunismus vorbereitet würde, sondern betonte die steten Bemühungen, dieses Zukunftsziel zu erreichen. Im dritten Kapitel des gedruckten Geschichtsbuches wurden diese zukunftsbezogenen Passagen sprachlich alle im Präteritum dargestellt. Der VIII. Parteitag wurde damit zu einem Ereignis der Vergangenheit, dessen Verbindung zur Gegenwart oder zur Zukunft nicht mehr auf der Wahl der sprachlichen Mittel basierte. Stattdessen wurde in diesem 2583 2584 2585 2586 2587 2588

Autorenmanuskript, S. 2/14, BArch DR/200/3971. Ebd. Ebd. Ebd. Autorenmanuskript Kapitel 3, S. 8, BArch DR/200/3972. Ebd.

Der Produktionsprozess von Geschichtsbüchern in der DDR

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Kapitel auf die Rede Honeckers von 19702589 verwiesen, in der er sich mit den Zukunftszielen für das Jahr 2000 beschäftigte.2590 Mit diesem Verweis schaffte der Autorentext eine Verbindung von der historischen Darstellung der 1970erJahre zum XI. Parteitag der SED. Die Vergangenheit der DDR wurde mit einer zukunftsgerichteten Perspektive verknüpft. Als Folge des VIII. Parteitages wurde das Wohnungsbauprogramm intensiviert, woraus der Autorentext konkrete Planungen für die Zukunft ableitete: »Bis 1990 soll die Wohnungsfrage als soziales Problem gelöst werden und damit ein altes Ziel der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung verwirklicht werden. Jeder Familie und jedem Werktätigen mit eigenem Haushalt soll eine Wohnung in angemessener Größe und Qualität zur Verfügung stehen.«2591

Die erfolgreiche Umsetzung eines Ziels, das der Parteitag 1971 festgelegt hatte, sollte demnach in naher Zukunft abgeschlossen werden. Die Darstellung lässt keinen Zweifel, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Planung hoch ist, was durch die Ausführung der bisherigen Maßnahmen unterstrichen wird. In das Geschichtsbuch hingegen wurden diese 1971 geplanten Wohnungsbaumaßnahmen, die bis 1990 hätten realisiert werden sollen, nicht aufgenommen. Das Schulbuchkapitel zur Darstellung des VIII. Parteitages beschäftigte sich mit den ideologischen Ausführungen und der Beschreibung der »Generallinie«2592, die man gefestigt habe, doch Bilanz zog der Autorentext angesichts der sich nähernden Frist zur Erfüllung der vergangenen Zukunftsziele nicht. Dass der Darstellungstext im Geschichtsbuch den Abschnitt zu den Wohnungsbaumaßnahmen nicht enthält, wird durch einen Vergleich dieses Zukunftsziel mit übrigen Planungen nachvollziehbar. In zweierlei Hinsicht unterscheidet sich die Darstellung des sozialpolitischen Programms von den übrigen Zukunftsnarrationen: Zum einen werden ein konkretes Ziel politischen Handelns sowie die damit verbundenen sozialen wie gesellschaftlichen Auswirkungen benannt, was an der Wahl der sprachlichen Mittel deutlich wird. Durch die Wahl des Präsens, des Indikativs und Formulierungen wie »gelöst werden« suggeriert der Autorentext im Manuskript eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit. Der Bau von Wohnungen ist zudem ein konkret mess- und überprüfbares Zukunftsziel und steht in deutlichem Gegensatz zu den sonstigen Zukunftszielen. Üblicherweise formulierten die Beschlüsse der Parteitage allgemeine Ziele im ideologischen Sinne, die keine konkreten innen- und sozialpolitischen Planungen enthielten. 2589 Honecker, Erich: Mit dem Blick auf das Jahr 2000 die Aufgaben von heute lösen. Berlin 1970; Trümpler, Erich: Von Ulbricht zu Honecker. 1970 – ein Krisenjahr der DDR. Berlin 1990. 2590 Vgl. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1989, S. 163. 2591 Autorenmanuskript, S. 69. 2592 Vgl. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1989, S. 165–171.

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Zum anderen skizzierte das Zukunftsszenario eine Entwicklung, die schon in sehr naher Zukunft hätte eintreten sollen, da »bis 1990« als Zeitraum benannt wurde, während das Geschichtsbuch 1989 erscheinen sollte. Dieser gegenwartsnahe Zeitpunkt unterscheidet sich deutlich von sonstigen Zukunftsbeschreibungen, die auf eine weiter entfernt liegende Zukunft rekurrieren, in der der Sozialismus den Frieden sichern würde. Mit dem Zukunftsszenario der Steigerung der Wohnungsbaumaßnahmen wäre für die Staatsführung also eine politische Verbindlichkeit in naher Zukunft entstanden. Es bleibt zu spekulieren, aus welchen Gründen der Abschnitt des Manuskripts nicht in den Autorentext des Lehrbuches aufgenommen wurde. Doch angesichts der hohen Verbindlichkeit und der kurzen Zeitspanne bis zur Erfüllung des Zukunftsziels sowie des gesellschaftlichen Klimas zunehmender Unzufriedenheit in der DDR erscheint die Korrekturpraktik in einem besonderen Licht, wenn man zusätzlich bedenkt, dass der Ministerin für Volksbildung und dem Leiter des Zentralkomitees der SED die letzte Prüfung der Geschichtsbücher für die 10. Klasse oblag. Der Darstellungstext im Manuskript stellt weiterhin fest, dass die Entwicklung der (nuklearen) Waffen zur »Erringung des ungefähren militärstrategischen Gleichgewichts«2593 geführt habe und dass »die militärische Überlegenheit des Imperialismus über den Sozialismus gebrochen war«2594. Für die Gegenwart bedeutet dies, dass die USA »für die Waffen der Sowjetunion nicht mehr unerreichbar ist, die Vereinigten Staaten somit zum ersten Mal in ihrer Geschichte nicht mehr unverwundbar sind.«2595 Die Zukunft wurde mit dieser Beschreibung implizit thematisiert, da ein Gleichgewicht im Waffenbesitz und die Möglichkeit einer ›Verwundung‹ der USA auch einen Krieg zwischen den beiden Großmächten denkbar werden ließe, durch den die Sowjetunion zur führenden Weltmacht aufstiege. Durch eine solche militärische Maßnahme wäre der feindliche Imperialismus (zumindest zeitweilig) besiegt, was den ideologischen Ausführungen und grundsätzlichen Zielsetzungen entspreche. Zukunftsgerichtet waren auch die Ergebnisse der Konferenz, die in Berlin 1983 zum 100. Todestag von Karl Marx veranstaltet wurde und die sich mit dem Fortgang der außenpolitischen Beziehungen beschäftigte. »Realismus und Vernunft«2596 müssten in der Politik durchgesetzt werden, um »dem Streben der Völker nach Frieden zu entsprechen«2597. Eine »Politik der friedlichen Koexistenz« sei demnach der einzig mögliche Weg, »um den Fortbestand und die Weiterentwicklung der menschlichen Zivilisation zu gewährleisten.«2598 Diese 2593 2594 2595 2596 2597 2598

Autorenmanuskript, S. 75. Ebd. Ebd. Ebd., S. 166. Ebd. Ebd.

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Politik betrieb die DDR, um damit das eigene vergangene Handeln als Vorbild und Maßgabe für die Zukunft darzustellen. Sie wird damit zu einer linearen Fortsetzung der Vergangenheit, bei deren Verbindung die Gegenwart nur eine untergeordnete Rolle spielte. Der Autorentext des gedruckten Buches griff diese Deutung und den Ausblick auf die Zukunft ebenfalls auf. Sprachlich wurde zur Beschreibung im Unterschied zum ersten Autorenmanuskript jedoch das Präteritum verwendet. So war das »Gebot der Stunde […], alle am Frieden interessierten Kräfte – unabhängig von ihrer politischen und sozialen Herkunft – in einer weltweiten Koalition der Vernunft und des Realismus gegen den Hochrüstungs- und Konfrontationskurs der USA und der NATO zusammenzuschließen. Nur so werde es möglich sein, die drohende Gefahr eines nuklearen Infernos von der Menschheit abzuwenden.«2599

Ein Tempuswechsel zeigt sich in der Bewertung des begonnenen Dialogs zwischen der SED und der SPD. Das Buch beschreibt, dass es »neu war […], daß sie miteinander reden können, um im Ergebnis zu gemeinsamem Handeln im Interesse des Friedens zu kommen.«2600 Deutlicher werden die politischen Bemühungen in der Gegenwart zur Sicherung einer friedlichen Zukunft am Beispiel von Gesprächen zwischen Honecker und westdeutschen Politikern wie Graf Lambsdorff, Strauß, Zeyer und Lafontaine, die im März 1984 stattfanden. Das Manuskript betonte, dass die Gesprächspartner die »Nützlichkeit eines ernsthaften Ost-West-Dialogs«2601 unterstrichen hätten und außerdem übereinstimmten, »daß die weitere Entwicklung guter Beziehungen zwischen der DDR und der BRD ein bedeutsamer Beitrag zur Friedenssicherung und zur Verhinderung eines atomaren Infernos«2602 sei. Der Autorentext entwarf mit dieser Beurteilung ein Zukunftsszenario, vor dessen Hintergrund der drohenden Zerstörung die gegenwärtigen Bemühungen um ein friedliches Miteinander an Bedeutung gewannen. Es dürfen »von deutschem Boden […] nie wieder Krieg, sondern immer nur Frieden ausgehen«2603 lautete die gemeinsame Zielsetzung für das zukünftige Miteinander der beiden deutschen Staaten, die als einzige und auch wörtlich aus dem Manuskript in den Autorentext des Geschichtsbuches übernommen wurde.2604 Ausführlich beschäftigte sich das Autorenmanuskript mit den Gesprächen und Vereinbarungen zwischen der UdSSR und den USA über die nukleare Abrüstung. Es habe sich »ein neuer grundlegender Widerspruch gebildet […] 2599 2600 2601 2602 2603 2604

»Lehrbuch Geschichte 10«, 1989, S. 271. Ebd., S. 272. Autorenmanuskript, S. 183. Ebd. Ebd., S. 184. Vgl. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1989, S. 298–299.

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zwischen der Mehrheit der Menschheit und den aggressivsten Krisen des Imperialismus, die mit ihrer Politik die Existenz der Menschheit in Frage stellen.«2605 So könne »die denkbar breiteste Friedensfront«2606 entstehen, die sich dafür einsetze, »den Frieden und damit das Menschengeschlecht zu erhalten«2607. Eine internationale Zusammenarbeit sei demnach möglich, um den Frieden dauerhaft und über die Gegenwart hinaus zu sichern. Inhaltlich ist dieser Aspekt auch im gedruckten Geschichtsbuch zu finden. Die »Bewegung der Nichtpaktgebundenen«2608 vertrete rund »zwei Drittel der UNO-Mitgliedsländer und die Hälfte der Weltbevölkerung«2609. Damit tauchte im Schulbuch zwar die Formulierung der breiten Friedensfront nicht auf, doch der Inhalt wurde übernommen. Der Text im Geschichtsbuch suggerierte auch, dass zukünftig eine Annäherung an diese Gemeinschaft der Staaten denkbar sei, denn »sie nimmt in der Existenzfrage der Menschheit zunehmend gleiche Haltungen ein wie die sozialistischen Staaten und unterstützt nachdrücklich die großen Abrüstungsinitiativen der Sowjetunion.«2610 Das Manuskript griff den Beschluss des XI. Parteitages der SED auf, der ein »Parteitag hoher Kontinuität«2611 gewesen sei und der beschlossen habe, dass die politische Gestaltung der Zukunft auch »im vierten Jahrfünft konsequent fortgesetzt werde.«2612 Zugleich wurden »die Aufgaben bis 1990 und die Orientierungen bis zum Jahr 2000«2613 festgeschrieben, die »tiefe und umfassende Wandlungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens«2614 bedeuten würden. Die Zukunft wird in diesen Ausführungen zu einer Zeitebene, in der ein idealer Zustand erreicht werden sollte, woraus sich für die Gegenwart ableitete, die Bemühungen zu konzentrieren und zu intensivieren. Im gedruckten Schulbuch wurden die Ziele der Baukonferenz von 1975 ebenfalls thematisiert: »Bis 1990, so lautete die Aufgabenstellung, sollte die Wohnungsfrage als soziales Problem gelöst werden.«2615 Konkret bedeutete dies, »bis 1990 […] jeden Bürger mit angemessenem Wohnraum zu versorgen und in den Wohngebieten die erforderlichen gesellschaftlichen Einrichtungen zu schaffen, damit

2605 2606 2607 2608 2609 2610 2611 2612 2613 2614 2615

Autorenmanuskript, S. 211. Ebd. Ebd., S. 212. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1989, S. 299. Ebd. Ebd. Autorenmanuskript., S. 222. Ebd. Ebd., S. 223. Ebd. »Lehrbuch Geschichte 10«, 1989, S. 210.

Zusammenfassung

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die grundlegenden sozialen Bedürfnisse der Bürger befriedigt werden und sie sich nicht nur in ihrer Wohnung, sondern auch in ihrem Wohngebiet wohl fühlen.«2616

Eine Beurteilung dieses Ziels in Bezug auf die Umsetzung dieser Planungen oder Informationen über den Stand der Baumaßnahmen erfolgten an dieser Stelle nicht. Das Zukunftsziel von 1975 wurde kurz vor dem Zeitpunkt des Erreichens dieses Ziel nicht weiter thematisiert. Stattdessen wurden ein neues Zukunftsszenario und ein neuer Zeitpunkt benannt. So tauchte das Jahr 2000 als Fixpunkt auch im Geschichtsbuch mit der Erwähnung der »Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der DDR und der UdSSR auf dem Gebiet der Wissenschaft, Technik und Produktion bis zum Jahr 2000«2617 wieder auf. Im Unterschied zum Manuskript ging der Autorentext über die bloße Nennung dieses Programms nicht hinaus. Die inhaltlichen Aspekte und Planungen von Maßnahmen waren im Autorentext des gedruckten Buches nicht mehr vorhanden. Dessen Darstellungstext konzentrierte sich auf die innenpolitischen Entwicklungen der UdSSR, die bis zum Jahr 2000 erreicht werden sollten.2618 Daraus leitete er auch Zukunftsziele für die DDR ab: »Es geht darum, die Vorzüge des Sozialismus mit den Errungenschaften der wissenschaftlich-technischen Revolution konsequent zu verbinden.«2619 Auch an dieser Stelle zeigen sich Korrekturpraktiken, die die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zukunftsszenarios auf der Grundlage politischer Erfahrungen der Umsetzbarkeit beurteilen. So erklärt sich, dass allgemeine Formulierungen, die keine konkreten Maßnahmen für die Zukunft beschreiben, in das Geschichtsbuch aufgenommen wurden, während Beschreibungen zur Steigerung der Förderung des Wohnungsbaus, der Wissenschaft und Technik gestrichen wurden. Die nahe Zukunft, in der politische Programme Früchte tragen sollten, wird im Darstellungstext des Schulbuches nicht beschrieben, wohingegen die entfernt liegende Zukunft weiterhin beschrieben wird, in der sich die »Vorzüge des Sozialismus« zeigen würden.

4.

Zusammenfassung

Die Analyse des komplexen Produktionsprozesses von Geschichtsbüchern in der DDR erfolgt im Hinblick auf die Forschungsfrage dieser Arbeit, wie Zukunftsnarrationen entstanden. Zweifelsohne handelt es sich sowohl bei den Geschichtsbüchern als auch bei den Lehrplänen um Produkte politischen Handelns, deren Aufgabe es war, im totalitären Staat dessen ideologische 2616 2617 2618 2619

Ebd., S. 210f. Ebd., S. 294. Vgl. ebd. Ebd.

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

Grundlagen zu vermitteln und damit dauerhaft zu sichern. Aus diesem Grund sind die Geschichtsdarstellungen und damit verbunden auch die Zukunftsnarrationen – in beinahe logischer Konsequenz– inhaltlich determiniert. Doch bereits die Anfänge der Schulbuchproduktion der DDR wurden von Schwierigkeiten und Hindernissen begleitet, sodass bis 1953 der Geschichtsunterricht auf der Grundlage von provisorischen Materialien durchgeführt wurde. Auch im weiteren Verlauf der Analyse zeigen sich immer wieder Unwägbarkeiten, denen die Akteure begegneten: Zentral dabei waren Kontroll- und Prüfmechanismen, die bereits 1959 im Produktionsprozess des zweiten Geschichtsbuches für die Klasse 10 angestoßen wurden. Während der Tätigkeit der Autoren sollten die Redakteure des Volk und Wissen-Verlags sie insofern kontrollieren, dass sich die Veröffentlichung nicht verschiebe. Neben die bisherigen inhaltlichen Korrekturen an den Texten traten auch strukturelle und operative Kontrollpraktiken. Die verstärkten Kontrollen des Verlaufs des Produktionsprozesses endeten in den 1960er-Jahren, als der Verlag schreiberfahrene Autoren gefunden hatte. Im Produktionsprozess des Geschichtsbuches von 1964 standen Autoren und Verlagsredakteur zwar in direktem Kontakt, doch zeigen sich in den Akten keine Formen der Kontrolle der Schreibtätigkeit mehr, wie sie noch 1959 gefordert worden waren. Auch innerhalb des Verlags agierten die Redakteure zunächst eigenverantwortlich in der Organisation der Schulbuchproduktion. Dies änderte sich in den 1980er-Jahren wieder, als das Ministerium für Volksbildung durch personelle Veränderungen im Verlag, die auch die Redaktion Geschichte betrafen, die staatliche Kontrolle über die Lehrmittelproduktion intensivierte. In den Produktionspraktiken wird dies deutlich, da die Korrekturen der Verlagsredakteurin B. im Autorenmanuskript von einem anderen Akteur des Volk-undWissen-Verlags gegengezeichnet wurden. Nahm der Grad der wechselseitigen Kontrolle in den 1960er-Jahren ab, stieg er in den 1980er-Jahren wieder an. Trotz aller politischen und ideologischen Vorgaben agierten die Autoren – natürlich unter Beachtung der politischen Vorgaben durch die Lehrpläne – eigenständig in der Gestaltung ihrer Texte. Die Kontrollpraktiken begannen nach Fertigstellung des Manuskripts und wurden von den bildungspolitischen Institutionen einzeln durchgeführt. Gemeinsame Beratungen von Autoren, Mitarbeitern des DZPI oder des MfV zur Arbeit am Manuskript fanden nicht statt. Die Prüfungen der Manuskripte geschahen unabhängig voneinander und stellten aufgrund der Vielzahl der beteiligten Akteure und Institutionen einen aufwändigen Prozess dar : Für mindestens zwei Manuskriptversionen musste der Verlag Gutachter finden, die das Manuskript prüften. Die Gutachten wurden den Autoren vorgelegt, damit sie Manuskripte überarbeiten konnten, bevor sie den Gutachtern ein zweites Mal vorgelegt werden konnten. Diese Prüfpraktiken geschahen alle durch die Initiative des Verlags, bevor die Lehrbücher dem Verlagsausschuss vorgelegt wurden, der über die Druckgenehmigung entschied.

Zusammenfassung

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Der Verlagsausschuss holte weitere Gutachten ein und beriet in den Sitzungen über die Qualität des Buches. Die formulierten Monita bildeten die Grundlage einer verbindlichen Überarbeitung durch die Autoren und den Verlag. Nachdem die Kritik des Verlagsausschusses umgesetzt worden war, musste der Ausschuss das Buch erneut prüfen. Als letzte Kontrollinstanz fungierten der Minister für Volksbildung und der Vorsitzende des Zentralkomitees. Dieses aufwändige und komplexe Kontrollverfahren verdeutlicht zweierlei: Erstens die große Bedeutung, die besonders den Geschichtsbüchern der Klasse 10 beigemessen wurde, da nur die Bücher der 9. und 10. Klasse von der Staats- und Parteiführung abschließend geprüft wurden. Diese beiden zusätzlichen Prüfinstanzen zeigen, welche großen politischen und pädagogischen Erwartungen mit den Schulbüchern verknüpft waren. Neben der Geschichtsdarstellung waren es vor allem die Zukunftsbeschreibungen, die den Schülerinnen und Schülern ihre Aufgaben, aber auch die zukünftigen Herausforderungen aufzeigen sollten. Die große Bedeutung der Zukunft wurde in der Inhaltsanalyse deutlich, sodass ihre narrative Umsetzung im Geschichtsbuch auch im Produktionsprozess große Beachtung erfuhr. Um diesen Aspekt zu vertiefen, sollen die Kritikpunkte an den Zukunftsnarrationen nachfolgend noch weiterführend in den Blick genommen werden. Zweitens zeigt die Analyse der Prüfpraktiken, dass sich die Akteure angesichts der bedeutsamen Aufgabe der Geschichtsbuchproduktion gegenseitig kontrollierten, damit ein qualitativ hochwertiges Buch entstehe, das seiner intendierten Funktion auch entsprechend nachkäme. Die eingeholten Gutachten des Verlages genügten der APW nicht, die zur Prüfung von Schulbüchern einen eigenen Ausschuss unterhielt, der wiederum Gutachten einholte. Angesichts der Schwierigkeiten der 1950er-Jahre, geeignete Autoren für das Geschichtsbuch zu finden und der hohen personellen Kontinuität eines kleinen Kreises von Autoren in den Kollektiven, schien es für den Verlag schwierig zu sein, weitere Akteure zu gewinnen. Die große Anzahl der benötigten Gutachter lässt angesichts der geschilderten Schwierigkeiten und ihrer Überwindung im Verlauf des Produktionsprozesses den Schluss zu, dass die Tätigkeit als Lehrbuchgutachter für Lehrer und Hochschulangehörige innerhalb der staatlich kontrollierten Struktur des Bildungswesens der DDR verbindliche Bestandteil ihrer Aufgaben war, dem sie sich nicht mehr widersetzen konnten– wie es noch in den 1950er-Jahren möglich gewesen war. Doch auch die geschilderten mehrfachen und voneinander unabhängigen Prüfungen des Geschichtsbuches wurden dessen bildungspolitischer Bedeutung scheinbar nicht gerecht, sodass der Minister und ZK-Chef persönlich die Druckfahnen korrigierten und gegenzeichneten. Die Schulbuchautoren arbeiteten alle langjährig an den Geschichtsbüchern mit, da sie neben der Entwicklung des Buches auch an den jährlichen Überarbeitungen beteiligt wurden, bis aufgrund der Einführung neuer Lehrpläne ein entsprechendes Geschichtsbuch neu erarbeitet wurde. So lässt sich auch die

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

Feststellung Mätzings, dass »Mitte der 80er-Jahre«2620 die Autoren der KMU Leipzig durch Wissenschaftler der Parteihochschule ersetzt worden seien, nicht nachvollziehen. Aus den Akten des Volk und Wissen-Verlags geht hervor, dass zur Produktion des Geschichtsbuches, das 1989 erschien, andere Autoren ausgewählt wurden als für das Buch aus dem Jahr 1977. Dabei handelt es sich jedoch um eine übliche Praxis, da sich kaum Kontinuitäten in den Personen der Schulbuchautoren zeigen. Die einzige Ausnahme bildet Prof. Dr. S. Do., der seit Beginn der 1960er-Jahre bis zum Schulbuch von 1971 als Autor und Kollektivleiter mitwirkte. Die Mehrheit der Autoren arbeitete an einem Buch mit; anders als bei den Geschichtsmethodikern, bei denen diese längerfristige Mitarbeit – wie bei H. Di. 1977 am Schulbuch »Geschichte 10« und 1982 am Kompendium »Geschichte in Übersichten« – ebenfalls vorkam. Aus den Akten geht hervor, dass für die Überarbeitung des Buches von 1981 bis 1985 die Autoren D. und F. von der Parteihochschule beauftragt worden waren. Sie waren jedoch auch an der Arbeit am Schulbuch von 1977 als Autoren beteiligt, sodass ihre weitere Tätigkeit der üblichen Funktionsweise der Schulbuchproduktion in der DDR folgte. Für die Neufassung des Buches ab 1988 waren von Beginn an Wissenschaftler der Parteihochschule beauftragt und ein Autorenkollektiv zusammengestellt worden, sodass für das Lehrbuch »Geschichte 10« zu keinem Zeitpunkt der Autorentätigkeit ein Mitglied des Autorenkollektivs ersetzt wurde. Festzustellen ist auf der Grundlage der Aktem jedoch – und möglicherweise ist dies mit »ersetzen« gemeint –, dass seit 1984 nach Autoren für das Geschichtsbuch gesucht worden war und mehrfach über die Auswahl der Autoren in der APW beraten worden war (s. dazu auch S. 431). Seitens der APW habe man die Autoren geprüft, ob sie für die Leitung des Autorenkollektivs oder die Mitarbeit darin geeignet gewesen seien. Eine komplexe Koordinationsaufgabe kam den Redakteuren im Volk und Wissen-Verlag zu. Redakteur J. begleitete die Mehrzahl der Geschichtsbücher und pflegte ein persönliches Verhältnis zu den Autoren. Man arbeitete gemeinsam an dem Erfolg des Geschichtsbuches, der sich zum einen darin zeigte, dass der zeitliche Produktionsplan des Verlags möglichst eingehalten wurde. Zum anderen waren die Gutachten des Verlagsausschusses von Bedeutung, denn eine Vielzahl von Überarbeitungen oder sogar die Neufassung von Kapiteln kostete Zeit und gefährdete den Veröffentlichungstermin. Sprechen die Quellen zwar von einer »Gemeinschaftsarbeit« der beteiligten Institutionen und Akteure, zeigte sich in den einzelnen Entstehungsverfahren ein anderes Bild: Die Korrekturen und Gutachten, besonders die des Verlagsausschusses sowie die vom Ministerium für Volksbildung, wurden nicht von Anregungen und Hilfestellungen zur Verbesserung begleitet. Sie lehnten Geschichtsbücher ab und 2620 Mätzing 1999, S. 317.

Zusammenfassung

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übertrugen die Aufgabe zur Neugestaltung dem Autorenkollektiv und dem Verlagsredakteur. Nach diesen allgemeinen Ausführungen und Beobachtungen zum Produktionsprozess soll es im Folgenden um die Entstehung und Prüfung der Zukunftsnarrationen gehen. Mätzing hat in ihrer Untersuchung festgestellt, dass »die Grundannahme von dem einen DDR-Geschichtsbild«2621 zu relativieren sei. Es habe ein »Konsens über Verlauf, Ziel, Wesen und Deutung der Geschichte«2622 bestanden, doch habe sie Unterschiede »hinsichtlich der Inhalte und Schwerpunktsetzungen und damit auch der Wertungen«2623 ausmachen können. Hinsichtlich der Zukunftsnarrationen und dem damit verbundenen Umgang mit der Kategorie Zeit soll diese Feststellung beleuchtet werden. Anders als bei den westdeutschen Gutachtern soll im Folgenden keine quantitative Analyse erfolgen, wie viele Gutachten die Zukunftsnarrationen monierten und wie viele nicht. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie mit ihnen umgegangen wurde und welche Aspekte kritisiert wurden. Ein mehrfach und diachron angebrachter Kritikpunkt der Gutachter war, dass die Darstellung der Ereignisse im Geschichtsbuch »zu glatt« sei. Sowohl der Autorentext des Geschichtsbuches von 1964 wie auch die der Bücher von 1975 und 1981 musste diese Kritik hinnehmen. Den Schülern sollte klar werden, dass der Geschichtsprozess keineswegs »so glatt und reibungslos«2624 vor sich ging und gehe, wie es der Autorentext suggerierte. Der Sozialismus setze sich außerdem zu konfliktlos durch. Es gelte »Schönfärberei«2625 zu vermeiden, so der Redakteur und reagierte damit mit einer Notiz auf das Gutachten, das vor »Brucherfahrungen«2626 warnte, die sich ergäben, wenn Schülerinnen und Schüler ihre realpolitischen Erfahrungen nicht mit dem vermittelten Geschichtsbild ein Einklang bringen könnten. Bereits diese Auseinandersetzung zeigt, dass die schulbuchproduzierenden Akteure reflexiv mit der Funktion ihrer Geschichts-Aufbereitung in den Autorentexten umgingen, indem sie das richtige Maß zwischen ideologisch notwendiger Kontinuität und tolerierbarer Kontingenzdarstellung suchten. Die Darstellung der Erfolge der sozialistischen Politik sollte nicht zu glatt, also zu unrealistisch und zu idealisiert erscheinen, wie die Gutachter in verschiedenen Jahrzehnten anmerkten. Es zeigt sich darin ein vorherrschender Konsens, die Zukunft im Geschichtsbuch zwar zu erzählen, sie allerdings nicht nur als Zeitraum zur Erfüllung von Planungen der Vergangenheit zu beschreiben, sondern auch Gegenwartserfahrungen einfließen zu lassen, 2621 2622 2623 2624 2625 2626

Ebd., S. 486. Ebd. Ebd. Gutachten D., S. IV/2/B, undatiert in Verlagszusammenfassung, BArch DR/200/1180. Gutachten Z., S. VII/4, undatiert in Verlagszusammenfassung, BArch DR/200/1160. Ebd.

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

die diese Idealvorstellungen möglicherweise konterkarierten. Solche Auseinandersetzungen in Bezug auf die Zukunftsdeutung zeigten sich auch an gutachterlichen Vorschlägen, die Redakteur J. kommentierte. So schlug 1964 ein Gutachter vor, den Staaten im Prozess der Dekolonialisierung Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, was J. ablehnte. Diesen Korrekturen zufolge entsprach auch in diesem Fall eine zu schematische und eine zu konfliktfreie Darstellung der Zukunft nicht den Anforderungen an ein Geschichtsbuch. In einem anderen Fall schlug ein Gutachter vor, im Autorentext Aussagen über den Fortgang des Nahostkonflikts zu treffen, was der Autor in seiner Stellungnahme jedoch ablehnte. Die Kriterien, nach denen über Annahme oder Ablehnung der Monita entschieden wurde, betrafen die Plausibilität und die Eintrittswahrscheinlichkeit der konstruierten Zukunftsszenarien. Auch die Begrenzung des Stoffes und des Betrachtungszeitraums waren Gründe, warum Korrekturen abgelehnt wurden: Der Autor S. fügte 1985 in seiner Überarbeitung für die Neuauflage des Geschichtsbuches Ereignisse hinzu, die sich auf den XI. Parteitag bezogen, der jedoch nicht Bestandteil des Lehrbuches war. Die Redakteurin B. korrigierte S. Ergänzungen oder lehnte sie ab. Einige Gutachten forderten eine stärkere Betonung der Zukunft. Dies solle auf zweierlei Weisen geschehen, so ein Gutachten zur Manuskriptversion des Geschichtsbuches von 1968: Einerseits durch die stärkere Betonung der Erfolge auf wissenschaftlich-technischem Gebiet sowie durch die Verbesserung der Zusammenarbeit des RWG. Andererseits sollte die vom Imperialismus und Neokolonialismus ausgehende Gefahr stärker betont werden, wodurch die Bemühungen der DDR um Frieden und Sicherheit noch deutlicher hervorträten.2627 Ex negativo würde mit der sozialistischen Außenpolitik eine positive Zukunftsperspektive verbunden, die sich ideologisch bis in einen Staatenbund mit den jungen Staaten weiterdenken ließ. Auch Kritik in die umgekehrte Richtung zeigte sich, wenn einige Gutachter Zukunftsdeutungen der Autorentexte kritisierten. An der Manuskriptfassung zum Geschichtsbuch aus dem Jahr 1976 kritisierte der Gutachter Do., der später Kollektivleiter eines Geschichtsbuches wurde, dass der Autorentext den Kapitalismus nicht ausgewogen genug darstelle und nicht der Eindruck vermittelt werden solle, dass der Zusammenbruch unmittelbar bevorstehe. Do. forderte die zeitlichere Ausdehnung der Krisenhaftigkeit, wodurch die positive Zukunftsperspektive des Sozialismus hervorgehoben wurde. Neben der Kritik an der zu konfliktlosen und zu kontinuierlichen Geschichtsdarstellung betonte die Mehrzahl der Gutachten die positive Zukunftsentwicklung des Sozialismus. Dies geschah, wie bereits gezeigt, durch die Abwertung des Imperialismus, aber auch durch die Korrektur von Formulierungen. So wurde im Manuskript aus dem Jahr 1977 eine Überschrift korrigiert, 2627 Vgl. Gutachten H., 13. 7. 1967, S. 4, BArch DR/200/1196.

Zusammenfassung

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die »Der Übergang der DDR zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft«2628 lautete. Der Korrekturvorschlag, der auch ins Geschichtsbuch übernommen wurde, lautete »Der weitere Aufbau des Sozialismus in der DDR«2629. Mit der Formulierung des ›Aufbaus‹ wurde scheinbar eine positivere zukünftige Entwicklung verknüpft, die auch die Bemühungen und deren Gelingen stärker betonte, als Beschreibungen eines ›Übergangs‹. In einer weiteren Korrektur wurde ebenfalls das Verb ›aufbauen‹ vorgezogen: So ersetzte »die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten«2630 die Formulierung »den Sozialismus weiter aufzubauen«2631. Bei diesen Korrekturpraktiken handelte es sich um sichtbare Aushandlungen zwischen den Akteuren. Dabei ging es um die Erzählmuster der Zukunftsnarrationen und die Frage nach Graduierungen der Explizitheit der Textabschnitte. Durch Interaktionen auf dem Feld ›Schulbuchproduktion‹ erschlossen sie Deutungs- und Handlungsspielräume für Zukunftsnarrationen, die sich in der sprachlichen Umsetzung politisch-ideologischer Vorgaben in den Autorentexten zeigten. Auch die Gutachten, die den Umfang oder die Inhalte der Zukunftserzählungen reduzieren oder noch stärker betonen wollten, obwohl jene den Vorgaben einer utopisch-idealistischen Zukunft bereits entsprachen, suchten und nutzten in ihren Korrekturpraktiken ebensolche Spielräume. Jene eröffneten sich in den Autorentexten und Gutachten: Autoren, Verlagsredakteure und Gutachter handelten die Zukunftsnarrationen und -deutungen miteinander aus, was den Rückschluss zulässt, dass trotz aller politischen und ideologischen Vorgaben für die DDR-Geschichtsbücher auch Gestaltungsräume für die Akteure vorhanden waren. Dies war ihnen bekannt, denn sie nutzten sie entsprechend, wie die Kommentare der Autoren oder Redakteure an den Gutachten der Manuskriptversionen zeigten. Diese Aushandlungen waren jedoch nur zwischen dem Redakteur, den Autoren und den vom Verlag beauftragten Gutachtern möglich. Neben dem beschriebenen Ausloten ließen sich auch bei allen untersuchten Beispielen von Produktionspraktiken die hierarchisch bedingten Grenzen dieser Praxis beobachteten: Entscheidungen des Verlagsausschusses, des Vorsitzenden des ZKs oder der Ministerin für Volksbildung mussten akzeptiert werden. Auch hier zeigt sich die Wirkweise des Feldes ›Schulbuchproduktion‹, denn die hierarchische Position eines Akteurs im Feld bestimmt die Form der Interaktion mit anderen, wodurch Handlungsräume erschlossen werden konnten oder untersagt blieben. Zugleich zeigen diese Struktur des Feldes und die umfassenden Veränderungen, die im letzten Schritt 2628 2629 2630 2631

Vgl. Autorenmanuskript zu Geschichtsbuch 11 10 09–1, 1977, S. 338, BArch DR/200/4595. Ebd. Ebd. Ebd.

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Zukunftsnarrationen in den Geschichtsbüchern der DDR

vor der Drucklegung beispielsweise im Manuskript für das Geschichtsbuch von 1989 vorgenommen wurden, die große Bedeutung, die den Lehrbüchern dieser Jahrgangsstufe beigemessen wurde.

V

Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

Im letzten Kapitel sollen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit gebündelt und in ihrer Zusammenführung gedeutet werden. Zwischen den Forschungsfragen, wie die Zukunft in Geschichtsbüchern erzählt wurde und wie diese Abschnitte Eingang in die Schulbücher finden konnten, besteht ein Zusammenhang, der über die Trennung einer inhaltlichen und einer prozeduralen Perspektive hinausgeht. Mit dieser Verbindung geht die Deutung einher, woraus wiederum begriffliche Präzisierungen und theoretische Erweiterungen abgeleitet werden. Dazu beschäftigt sich der erste Teil dieses Kapitels mit den Inhalten der Zukunftsnarrationen und setzt die erzählte Zukunft ins Verhältnis zur Produktions-Gegenwart der Geschichtsbücher. Es gilt zu untersuchen, inwiefern sich Gegenwartsdiskurse in den Zukunftsnarrationen wiederfinden. Diese Form der Schulbuchgestaltung wird zudem auf der funktionalen Ebene beleuchtet. Insbesondere der Zusammenhang zwischen der politischen und pädagogischen Aufgabe des Geschichtsbuches sowie dessen narrativer Gestaltung wird dabei im Mittelpunkt stehen. Der zweite Teil dieses Kapitels beschäftigt sich auf der strukturellen Ebene mit den Ergebnissen der Analyse des Produktionsprozesses von Geschichtsbüchern. Der Mehrwert der analytischen Prämisse des Praktikenkomplexes diverser Akteure auf dem Feld ›Schulbuchproduktion‹ soll deutlich gemacht werden, da sich auf diese Weise ein methodischer Zugang auf Schulbücher eröffnet, der sie nicht länger nur als Produkte versteht. Die Auswirkungen dieser theoretischen Annahme auf die Zukunftsnarrationen werden ebenso beleuchtet wie sich daraus ergebende Erweiterungen der bisherigen theoretischen Annahmen zur Medialität von Schulbüchern.

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1.

Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft

Ein Ergebnis der quantitativen Analyse der Inhalte der Zukunftsnarrationen ist das nachfolgend abgebildete Blasendiagramm. Das erste Kapitel hat bereits gezeigt, dass es Gegenwartsdiskurse sind, aus denen in den Autorentexten thematisch eine Zukunftsperspektive entwickelt wurde. Von Interesse ist dabei die Frage, welche thematischen Konjunkturen sich dabei im Betrachtungszeitraum ausmachen lassen und welche Verbindungen zwischen Themen sichtbar werden, um die Zukunft zu beschreiben. Dazu können quantitative Aussagen getroffen werden, wobei die Visualisierung in einem Blasendiagramm hilfreich erscheint. Die quantitative Häufigkeit eines Themas bestimmt die Größe der Blase. In das Diagramm wurden die Erscheinungsdaten der westdeutschen Geschichtsbücher sowie alle im ersten Kapitel herausgearbeiteten Themen der Zukunftsnarrationen eingetragen. Die visuelle Aufbereitung thematischer Verläufe in den ostdeutschen Zukunftserzählungen ist kaum aussagekräftig, da aufgrund der geringen Anzahl von acht Geschichtsbüchern keine Themenschwerpunkte sichtbar werden im diachronen Verlauf sichtbar wurden. Durch die Kontextualisierung der Zukunftsnarrationen mit dem Erscheinungsjahr des Geschichtsbuches soll deutlich werden, inwiefern zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte Themen oder auch Kombinationen von Themen häufiger oder seltener in den Zukunftsnarrationen vorzufinden waren. Das Blasendiagramm liefert für diese Analyse quantitative Angaben über Verläufe von Verwendungen von Themen in Zukunftsnarrationen. So kann sichtbar werden, welche Themen möglicherweise den gesamten Betrachtungszeitraum über in die Zukunft hinein erzählt wurden oder ob sich möglicherweise Konjunkturen ablesen lassen. Eine direkte zeitliche und kausale Verbindung zwischen einem Ereignis und der Darstellung im Geschichtsbuch ist allerdings nur bedingt möglich, da die Produktionszeit von Geschichtsbüchern verhinderte, dass sich die Diskurse unmittelbar und zeitnah niederschlugen.2632 Diese »Trägheit des Mediums Schulbuch«2633 muss daher bei der Analyse unbedingt beachtet werden. Exem2632 Die Forschung hat dabei an mehreren Beispielen herausgearbeitet, dass fachwissenschaftliche Erkenntnisse mitunter nicht in Geschichtsbücher eingehen, sondern jene auch durchaus fachlich falsche Informationen beinhalten (vgl. zu Bernhard, Roland 2013; Bernhardt, Markus: Die Lehnspyramide – ein Wiedergänger des Geschichtsunterrichts, in: Public History Weekly 2 (2014) 23, https://public-history-weekly.degruyter.com/2– 2014–23/die-lehnspyramide-ein-wiedergaenger-des-geschichtsunterrichts [10. 12. 2018]. Bernhard hat am Beispiel von Mythen über Kolumbus beschrieben, dass fachwissenschaftliche Forschungsergebnisse nur langsam oder gar keinen Eingang in Geschichtsbücher finden. Von größerer Bedeutung als die fachliche Richtigkeit ist demnach vielmehr die mögliche Visualisierung, wie Bernhardt am Beispiel der Lehnspyramide betonte. 2633 Bernhard 2013, S. 208.

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Atomkraft

Kriegsfolgen in Deutschland

Kalter Krieg

Europa

Nahostkonflikt

Wiedervereinigung

Zukunft als Aufgabe

Dekolonialisierung

Umwelt

1950

1955

1960

1965

1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft

Abb. 1: Blasendiagramm zur Visualisierung der Themen in Zukunftsnarrationen (eigene Darstellung)

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

plarisch und kursorisch soll für einige Themen aufgezeigt werden, inwiefern die Diskurse Einfluss auf die Produktionspraktiken nahmen. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass keine kausale Verbindung zwischen einem Diskurs und dem Erscheinen des Geschichtsbuches hergestellt wird, da letzteres durch neu erscheinende Lehrpläne bestimmt wurde. Geschichtsbücher wurden als Reaktion auf neue Lehrpläne produziert, doch geben diese keine oder lediglich sehr allgemeine Vorgaben zur Gestaltung der Zukunftsnarrationen. Um jedoch die Inhalte der Zukunftsnarrationen zu kontextualisieren, sollen exemplarisch zeitgenössisiche Diskurse beleuchtet werden. In Anlehnung an Höhnes Konzept des Schulbuches als »Diskursarena«2634 sind Gegenwartsdiskurse möglicherweise inhaltlicher Ausgangspunkt für Zukunftserzählungen. In der Betrachtung der Verläufe der Themenblasen wird deutlich, dass das Thema ›Kalter Krieg‹ den gesamten Betrachtungszeitraum hindurch Bestandteil der Zukunftserzählungen war. Auch die Themen ›Europa‹, ›Wiedervereinigung‹ und ›Atomkraft‹ lassen sich von 1950 bis 1997 als zukunftsbedeutend ausmachen. Bei näherer Betrachtung zeigen sich sogar Parallelen in den Verläufen der Diagramme: Die Blasen der Themen ›Europa‹, ›Wiedervereinigung‹ und ›Kalter Krieg‹ sind von 1952 bis 1955 gleich groß und weisen alle im Jahr 1957 den gleichen Anstieg auf. Von 1958 bis 1982 verläuft das Diagramm zum Thema ›Europa‹ regelmäßig; 1983, 1988 und 1989 zeigen sich Anstiege. Einen ähnlich regelmäßigen Verlauf zeigt das Diagramm zum Thema ›Wiedervereinigung‹, denn von 1958 bis 1990 weist es nur drei Leerstellen auf und bleibt ansonsten konstant. Ganz anders die Verläufe der Diagramme zu den Themen ›Atomkraft‹ und ›Kalter Krieg‹. Sie verlaufen beide wellenförmig, aber parallel zueinander. Anstiege zeigen sich für die Jahre 1962 und 1963, 1965, 1972 und 1973, 1982 und 1988. Mit dem Thema ›Dekolonialisierung‹ wird seit 1961 die Zukunft erzählt. Quantitative Anstiege zeigen sich 1963, 1965 und 1966, 1973, 1982 sowie 1988. Das Thema tritt damit sehr ähnlich auf wie die Themen ›Kalter Krieg‹ und ›Atomkraft‹, was aus den Analysen der Verknüpfungen im ersten Kapitel bereits deutlich geworden ist: Eines der Narrative beschreibt die Konflikte als Stellvertreterkriege oder als Verlagerung des Ost-West- hin zu einem Nord-SüdKonflikt. Auch zum Thema ›Nahostkonflikt‹ wird im Verlauf des Blasendiagramms diese Parallelität deutlich. Zum einen ist der Konflikt auch als Resultat von Dekolonialisierungsbestrebungen erzählbar und zum anderen waren die Großmächte Partner der involvierten Konfliktparteien Israel und Palästina. Die beschriebenen Anstiege in der Verwendung der Themen zeigen sich auch beim Thema ›Umwelt‹. 1988 sowie von 1992 bis 1994 wurde das Thema häufiger zur Beschreibung der Zukunft verwendet, während der übrige Verlauf des Diagramms eine quantitative Kontinuität aufweist. 2634 Höhne 2003, S. 61.

Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft

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Der deutliche Anstieg in der Häufigkeit der Verwendung der Themen im Jahr 1988 lässt sich aufgrund der großen Zahl produzierter Geschichtsbücher erklären, da 13 Bücher des Korpus aus diesem Jahr stammen. Damit stellt dieses Jahr jedoch den einzigen Anstieg dar, der sich methodisch erklären lässt. In allen anderen Jahren mit den oben beschriebenen quantitativen Zunahmen bewegte sich die Zahl der erschienenen Bücher zwischen vier und sieben. Eine Erklärungsmöglichkeit für den gleichmäßigen quantitativen Anstieg in den Jahren 1963 und 1964 könnte die Einführung neuer Lehrpläne in NordrheinWestfalen zum Schuljahr 1963/64 sein, auf die die Verlage mit neuen Lehrmitteln reagierten. Die neu veröffentlichten Geschichtsbücher berücksichtigten dem Diagramm zufolge die zeitgenössischen Diskurse, die geprägt waren von den Unabhängigkeitsbestrebungen und der Dekolonialisierung sowie den Erfahrungen der Kuba-Krise 1962, wie die Anstiege der Themen ›Dekolonialisierung‹ und ›Kalter Krieg‹ zeigen. Obwohl sich in der Folge das Verhältnis zwischen den USA und der Sowjetunion durch die telefonische Direktverbindung und verschiedene Abkommen zu Waffenbesitz entspannte, dominierte im Schulbuch die Zukunftsnarration zu diesem Thema das Narrativ der Bedrohung weiterhin.2635 Unabhängig von realpolitischen Diskursen blieb das Zukunftsnarrativ im Geschichtsbuch also bestehen und nahm Veränderungen auf der internationalen politischen Ebene nicht auf. Der Schwerpunkt lag in den Autorentexten demnach nicht auf der Betonung des friedlichen Gleichgewichts, sondern auf der andauernden Gefahr durch den Besitz und die mögliche Verwendung von Atomwaffen. Jene sorgten auch dafür, dass die Bedrohung nach 1990 im Geschichtsbuch narrativ aufrechterhalten wurde. Die Bedrohung ging den Verfassertexten zufolge zwar nicht mehr vom Gegensatz zwischen den USA und der Sowjetunion aus, sondern von möglichen Auseinandersetzungen der Nachfolgestaaten, sodass das Bedrohungsszenario bestehen blieb. Mögliche Konflikte wurden in die Zukunft potenziert, die mit der politischen Konstellation des Kalten Krieges aus der Vergangenheit nichts mehr gemein hatten, doch in dessen Zusammenhang verortet wurden.2636 Durch die Verbindung der Themen wird deutlich, dass der politische Diskurs um die Auseinandersetzung zwischen den USA und der Sowjetunion für die Geschichtsbücher zwar in der Darstellung der historischen Ereignisse maßgeblich war, doch nicht in der Konstruktion einer Zukunft. Der Ausgang des Konflikts wurde zwar als zukünftig bedeutsam bezeichnet, doch inhaltlich ist der Diskurs für die narrative Aufbereitung nebensächlich, denn sie verfolgt das Ziel, die zukünftige Sicherung des Friedens zu befördern. Atomwaffen stellten dafür natürlich eine Gefahr dar und ihr poten2635 Vgl. Loth, Wilfried: Die Rettung der Welt. Entspannungspolitik im Kalten Krieg 1950– 1991. Frankfurt 2016, S. 124–133. 2636 Vgl. dazu die Analyse in Kapitel 2.1.1, Der ›Dritte Weltkrieg‹, S. 74.

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

tieller Einsatz im Kalten Krieg bzw. die Eskalation eines Atomkrieges verstärkten diese Gefahr. Dass die Diskurse für diese narrative Grundstruktur der zu vermeidenden Apokalypse austauschbar waren, zeigt sich an den Zukunftsszenarien, die nach 1990 verfasst wurden: Auch sie beschreiben mögliche kriegerische Eskalationen in entstehenden Konflikten oder fürchten die Folgeschäden der Abrüstung. Neben der Konstruktion einer Bedrohung der apokalyptischen Zerstörung lässt sich als zweite narrative Grundstruktur der Zukunftsnarrationen die Wahrung des Friedens und der freiheitlich demokratischen Grundrechte ausmachen. Zwei Narrative zeigen, durch welche Entwicklungen sie gefährdet werden könnten. Zum einen ging, so die Auffassung, eine Bedrohung von der Existenz des Kommunismus aus. Das Narrativ argumentierte von den 1950erJahren bis in die 1970er-Jahre, dass die Verbreitung des Kommunismus eine Gefahr für die westlichen und freiheitlichen Demokratien darstelle. Die Autorentexte bedienen sich damit eines Narrativs, das schon in der Weimarer Republik aufgrund der Erfahrungen der Novemberrevolution 1917 existierte und den Bolschewismus zur Bedrohung machte.2637 Die Gegenwartsdiskurse rücken auch bei dieser Erzählstruktur in den Hintergrund, da das Narrativ auch in Zeiten der Annäherung der beiden deutschen Staaten fortbestand. Die jeweiligen Gegenwartserfahrungen mit der Politik der DDR oder der Sowjetunion nahmen keinen Einfluss auf Veränderungen der narrativen Struktur. Neben der Bedrohung durch den Kommunismus sei die Welt zum anderen auch durch mögliche Unabhängigkeitsbestrebungen afrikanischer Nationalbewegungen gefährdet. Ein Autorentext aus dem Jahr 1968 formulierte zum Thema ›Dekolonialisierung‹ ein Zukunftsszenario, das sich strukturell an westdeutsche Diskurse der 1960er-Jahre anbinden lässt. Ihren Protest in Bezug auf die gesellschaftlichen und sozialen Folgen der Entwicklungspolitik würden die afrikanischen Staaten möglicherweise in Form nationalistischer Aufstände äußern, schilderte der Text. Die Zukunftsnarration des Autorentextes aus dem Jahr 1968 bediente sich der sich in Westdeutschland etablierenden Protestkultur gegen zu starke staatliche Regulierungen. Der Diskurs der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit politischem Handeln und die daraus resultierende Möglichkeit von Protesten wurde auf die afrikanischen Völker projiziert. Die Entwicklungshilfe könnte diesem Verständnis zufolge als Unterdrückung der sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Eigenständigkeit verstanden werden, worauf die Staaten mit Protest reagierten. Damit griff der Autorentext zeitgenössische 2637 Vgl. Doering-Manteuffel, Anselm: Der Antikommunismus in seiner Epoche, in: Frei, Norbert/Rigoll, Dominik (Hg.): Der Antikommunismus in seiner Epoche. Weltanschauung und Politik in Deutschland, Europa und den USA. Göttingen 2017, S. 11–32; Niess, Wolfgang: Die Revolution von 1918/19 in der deutschen Geschichtsschreibung. Deutungen von der Weimarer Republik bis ins 21. Jahrhundert. Berlin/Boston 2013, S. 82–90.

Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft

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Debatten auf, die einen Wandel der Hilfeleistungen weg von der monetären Ebene hin zur »Hilfe zur Selbsthilfe« forderten. Narrativ gestaltete auch der Autorentext in diesem Beispiel sein Zukunftsszenario als Bedrohung des internationalen Friedens. In Verbindung mit dem Thema ›Dekolonialisierung‹ wurde jedoch auch deutlich, dass sich in den Geschichtsbüchern Hinweise auf Rasse-Diskurse des 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts befinden. Die Darstellung der fleißigen Chinesen und der dadurch möglichen Besiedlung Sibiriens zeigte sich bereits 1952 in »Europa weitet sich zur Welt – Europa in der Krise«. Auch die Bewertung der »farbigen Welt« und die westliche Vorstellung, Vorbild und Initiator für Reformen zu sein, verweisen auf Diskurse des 19. Jahrhunderts.2638 Damit wurde die Zukunft in Verbindung mit der Vergangenheit gebracht, um durch Analogien Sicherheit zu schaffen. Die zukünftige Entwicklung und die Dekolonialisierung erschienen demnach nicht als Unsicherheiten, sondern als strukturelle Wiederholungen der Vergangenheit. Anhand des Umweltdiskurses, der sich aus der 68er-Bewegung entwickelte und mit der Publikation des Club of Rome 1972 für politische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen sorgte, soll an einem zweiten Beispiel skizziert werden, wann und in welcher Form Gegenwartsdiskurse Einfluss auf Geschichtsbücher nahmen. Seit 1972 zeigt er sich in gleichmäßiger Häufigkeit in den Zukunftsnarrationen, doch seine narrative Gestaltung kann als Stufenfolge der ›Apokalyptik‹ bezeichnet werden. Wie im ersten Kapitel in der Untersuchung des Themas gezeigt wurde, beschrieb das Geschichtsbuch »Geschichte unserer Zeit« aus dem Jahr 1972 bereits die landschaftlichen Veränderungen durch den Menschen und die Industrieproduktion. Der Autorentext, der um 1970 entstand, griff den gesellschaftlichen Diskurs auf und forderte als erstes Geschichtsbuch, die Landschaft nicht weiter durch menschliche Eingriffe zu verändern. Der Mensch müsse sich um die Auswirkungen und Folgen der industriellen Produktion auf die Natur kümmern und ihre Zerstörung verhindern.2639 Der Diskurs um den Umweltschutz und die Aufgabe, die weitere Zerstörung von Natur und Umwelt zu verhindern, fand zusammen mit einer bestimmten narrativen Gestaltung der Zukunftserzählungen Eingang in die Darstellungstexte. Dass er sich nur langsam in den Geschichtsbüchern niederschlug, zeigen die Zahlen: In den 1970er-Jahren waren es sieben von 33 Büchern, 2638 Vgl. dazu in Auswahl: Auch, Eva-Maria (Hrsg.): »Barbaren« und »weiße Teufel«: Kulturkonflikte und Imperialismus in Asien vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn 1997; Eckert, Andreas: Kolonialismus. Frankfurt a.M. 2006; Becker, Frank (Hrsg.): Rassenmischehen – Mischlinge – Rassentrennung: Zur Politik der Rasse im deutschen Kolonialreich. Stuttgart 2014; Reinhard, Wolfgang: Kleine Geschichte des Kolonialismus. Stuttgart 2008; Maetzky, Franziska (Hrsg.): Gemachte Differenz. Kontinuitäten biologischer »Rasse«-Konzepte. Münster 2003. 2639 »Geschichte unserer Zeit«, 1962, S. 215.

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

in den 80er-Jahren neun von 48 und in den 1990er-Jahren dann rund ein Drittel der Geschichtsbücher, die mit dem Thema die Zukunft beschrieben. Die inhaltliche Ausgestaltung veränderte sich im Laufe der Zeit insofern, als auch die gesellschaftlichen und politischen Debatten in Westdeutschland um den Umweltschutz größeren Raum einnahmen. Während die Beschreibungen der Autorentexte in den 1970er-Jahren noch auf einer beinahe philosophischen Ebene die Verbindung von Mensch und Natur und an die daraus resultierende Verantwortung appellierten, formulierten es die Geschichtsbücher der 1980er-Jahre drastischer. Sie benannten auch die Ursache für die Schäden und die weiterhin bestehende Gefahr für die Natur : das menschliche Handeln. Damit griffen die Autorentexte die Debatten und auch die Schuldzuschreibungen um das Waldsterben und die schwindende Ozonschicht auf, denn beide waren Auswirkungen des menschlichen Verhaltens.2640 Angesichts dieser fortschreitenden Schäden und der drohenden Zerstörung griffen auch die Autorentexte zur narrativen Form der »Rettung in der Gefahr«2641. Mit der Darstellung des Bedrohungsszenarios war auch der Appell zu dessen Vermeidung verbunden, sodass es Schülerinnen und Schülern gelingen könnte, durch eigenes zukünftiges Handeln für eine bessere Zukunft zu sorgen. Der normative Charakter dieser Handlungsaufforderungen negiert jegliche Wahlmöglichkeit, sodass es weniger Aufforderungen, sondern eher Handlungsanweisungen waren, die die Darstellungstexte beinhalteten. In den 1990er-Jahren wurde dieser im Narrativ implizit enthaltene Appell expliziert, dass man sich gemeinsam um den Planeten kümmern müsse, um die Katastrophe abzuwenden. Das Verb ›müssen‹ verdeutlicht die Notwendigkeit des Handelns und die Verpflichtung der Schüler, sich für die Gestaltung der Zukunft einzusetzen. Die Anweisungen für die Zukunft resultierten aus den Erfahrungen der am Produktionsprozess beteiligten Akteure, sodass sie aufgrund ihrer Erfahrungen Handlungsanweisungen formulierten. Die Erfahrungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 bestärkten diese Appelle, die mit Radkau als Teil des Diskurses um die »Umweltkonjunktur von Tschernobyl bis Rio«2642 bezeichnet werden können. Wie in der quantitativen Analyse des Blasendiagramms dargelegt, nahmen die Themen ›Wiedervereinigung‹ und ›Kriegsfolgen in Deutschland‹ bis zum Jahr 1957 einen sehr ähnlichen Verlauf und wiesen beide Häufungen im Jahr 1953 auf. Die Erklärung dafür liegt in der narrativen Struktur des Themas ›Kriegsfolgen in Deutschland‹. In den Darstellungstexten wird unter Verwendung dieses Themas eine Entwicklung gezeichnet, die das Fortschrittsnarrativ mit der Romanze kombiniert, deren Ende feststeht. Aus eigener Kraft schafften 2640 Vgl. Radkau, Joachim: Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte. München 2011, S. 229. 2641 Rohbeck 2013, S. 39. 2642 Ebd., S. 488.

Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft

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es die ›tapferen Deutschen‹, so das Narrativ hinter dieser Struktur, die Kriegsfolgen zu bewältigen und den Weg in eine bessere Zukunft zu ebnen.2643 Jene besteht aus der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, wie sie das Grundgesetz der Bundesrepublik von 1949 beschrieb. Damit wird für dieses Zukunftsszenario eine politisch legitimierte Plausibilität suggeriert. Zugleich stellt es den Endpunkt einer Entwicklung dar, deren Gelingen das Überwinden von Schwierigkeiten bedurfte, doch aus ›eigenen‹ Kräften gelingen könnte. Spannend ist die Veränderung der narrativen Struktur des Themas, als die Wiedervereinigung aufgrund der sowjetischen Politik seit 1985 nicht mehr nur das utopische Zukunftsziel, sondern eine realpolitische Möglichkeit wurde. Im Hinblick auf die Zukunft wurde es in den Autorentexten der 1990er-Jahre als Aufgabe formuliert, die Folgen der Wiedervereinigung zu meistern. Ausgangspunkt waren dabei Gegenwartserfahrungen, die zu Zukunftsaufgaben wurden: Einige Autorentexte benannten die Angleichung der Lebensverhältnisse als Zukunftsziel, das in der Verantwortung der Schülerinnen und Schüler liege. Angesichts dieser gegenwärtigen Kontingenzerfahrung wurden in den Geschichtsbüchern Zukunftsszenarien entworfen und Aufgaben benannt. Es handelte sich um Herausforderungen, die sich in der Produktionsgegenwart abzeichneten und die der Bewältigung bedurften, um eine gesellschaftliche Spaltung zu verhindern, was der Darstellung der Wiedervereinigung als logische Konsequenz der gemeinsamen Kultur und Geschichte widersprochen hätte. Die narrative Gestaltung der Wiedervereinigung als Endpunkt der Entwicklung, die Autorentexte seit den 1950er-Jahren als Zukunftsperspektive voraussagten, genügte scheinbar nicht. Sie wurde abgelöst von Zukunftsnarrationen, die die Folgen als Aufgaben beschrieben, die zukünftig erfüllt werden müssten. Die Verwendung des Diskurses in den Zukunftsnarrationen am Beispiel des Themas ›Wiedervereinigung‹ verdeutlicht, dass die narrative Struktur einer Kombination von Erfolgsgeschichte und Romanze diachron bestehen blieb, als sich die realpolitische Situation durch Verträge und Beschlüsse zu einem Nebeneinander der beiden deutschen Staaten stabilisierte. Die zeitgenössischen Diskurse wurden nur insofern aufgegriffen, als sie sich in die narrative Struktur einbinden ließen. Diesem Prinzip folgend wandelten sich 1990 die Darstellungstexte dahingehend, dass sie die Zukunft auch weiterhin als Zeitraum beschrieben, der eine zu bewältigende Herausforderung darstellte. Die Erzählstruktur und das Thema änderten sich zwar, doch das ›romantische‹ Bild einer ferneren Zukunft, 2643 Vgl. zur Gestalt und Funktion dieser gesellschaftlichen Deutungsmuster Thießen, Malte: Gemeinsame Erinnerungen im geteilten Deutschland. Der Luftkrieg im ›kommunalen Gedächtnis‹ der Bundesrepublik und der DDR, in: Deutschland Archiv 41, (2008) H.2, S. 226–232; Treber, Leonie: Mythos Trümmerfrauen. Von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes. Essen 2014.

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

in der die beiden deutschen Staaten wiedervereinigt und in Wohlstand existieren würden, blieb als idealtypische Folie hinter den Narrationen bestehen. Bei jener Folie handelt es sich um die Beschreibung eines Zustands in einer Zukunft, die in größerer zeitlicher Entfernung zur Gegenwart liegt als eine zweite Zeitebene ›Zukunft‹, die durch gegenwärtiges Handeln gestaltet werden kann. Mit der Annahme verschiedener Zeittiefen lässt sich diese ideale, utopische Zukunft von Sicherheit, Frieden und Demokratie von der Zukunft abgrenzen, die durch Handeln gestaltbar ist. Verbunden sind die Zeitebenen insofern, dass die Gegenwart den verbesserungsbedürftigen Ausgangspunkt darstellt und sich die zu ergreifenden Maßnahmen in einer gegenwartsnahen Zukunft befinden, um den entfernteren zukünftigen Idealzustand zu erreichen. Am Beispiel des Themas ›Dekolonialisierung‹ ist das Verhältnis im ersten Kapitel bereits angedeutet worden. Die Mehrzahl der Autorentexte beschrieb die Entwicklungspolitik als Hilfeleistung zur dauerhaften Friedenssicherung. Das Konzept der Zeittiefen wird an diesem Beispiel deutlich: Aufgrund der Maßnahmen sollten sich in einer näheren Zukunft die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern, damit jene ihre Forderungen nicht in Aufständen oder Kriege artikulierten. Dadurch soll in der zeitlich längerfristigen Perspektive die Sicherung des Friedens erreicht werden. Die Verknüpfung der Zukunft mit der Vergangenheit und der Gegenwart geschieht auf zwei unterschiedliche Weisen. Inhaltlich werden die Zeitebenen Gegenwart und Zukunft auf prospektive Weise miteinander verbunden, indem die Autorentexte Gegenwartsdiskurse auf die Zukunft ausdehnen. Schülerinnen und Schüler seien demnach nicht nur mit den Folgen der Handlungen der Gegenwart konfrontiert, sondern agieren selbst als zukünftige politische und gesellschaftliche Akteure. Dazu werden ihnen in Zukunftsszenarien mögliche künftige Entwicklungen aufgezeigt, die es zu befördern oder zu verhindern gilt. Durch die Verbindungen von Gegenwart und Zukunft rückt die Bedeutung der Vergangenheit in den Hintergrund. Sie bietet zwar Erklärungen für die Entwicklungen, die sich in der Gegenwart zeigen, doch sie nimmt nur noch indirekt Einfluss auf die Zukunft. Die Vergangenheit wurde von der Gegenwart abgekoppelt und wurde zu einem Anschauungsobjekt, das bei Bedarf in einen Ursachenzusammenhang zur Gegenwart gesetzt werden konnte.2644 Dieser Umgang mit Zeit macht die Vergangenheit zu jener Zeitebene, in der gegenwärtige Konflikte zwar wurzelten, doch es sollte eher die Lösung der Probleme als deren Geschichte betrachtet werden. Damit ist die Zukunft im Geschichtsbuch kein inhaltlich ›offener‹ Zeitraum mehr, sondern erfährt eine besondere narrative Gestaltung. Mit definiten Aussagen über den Fortgang der Ereignisse wird die 2644 Vgl. Assmann, Aleida: Ist die Zeit aus den Fugen? Aufstieg und Fall des Zeitregimes der Moderne. München 2013, S. 80.

Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft

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Kontingenz aller möglichen Ereignisse ›wegerzählt‹. Sie verschwindet in einer zeitlichen wie inhaltlichen Ausdehnung der Gegenwart, sodass die Zukunft zu deren linearer und kontinuierlicher Fortsetzung, also eine verlängerte Gegenwart und eine unechte Zukunft im Sinne Blochs, wird.2645 Die Zukunftsnarrationen beschreiben nicht die Pluralität möglicher künftiger Entwicklungen, sondern für jedes Gegenwartsthema jeweils ›die eine‹ Zukunft. Dies geschieht in deutlichem Gegensatz zu den geschichtstheoretischen und -didaktischen Annahmen einer offenen Zukunft, in der sich Schülerinnen und Schüler aufgrund von Kenntnissen über die Vergangenheit orientieren sollten. In den Lehrplänen und didaktischen Konzeptionen wurde diese Aufgabe theoretisch reflektiert, doch als Resultat des Produktionsprozesses entstehen konkrete Zukunftsszenarien und -beschreibungen. Aus der offenen kontingenten Zukunft wurde in den Schulbuchtexten ein geschlossener Raum. Im Zuge der Schreib-, Korrigierund Prüfpraktiken der Akteure wurden die theoretischen Anforderungen im Schulbuchtext umgesetzt und aus der offenen Zukunft die verlängerte Gegenwart.2646 Mit diesem Ergebnis ist keine Kritik von einem normativen Standpunkt aus verbunden. Es geht vielmehr darum, nach den funktional bedingten Ursachen dieser Kontingenzreduzierung zu fragen. Die zweite Form der narrativen Zeitpraktiken verknüpfte die Vergangenheit mit der Zukunft. Diese Bezugsform zeigte sich insbesondere in den Darstellungstexten der DDR-Geschichtsbücher. In den Zukunftsnarrationen wurde die erfolgreiche Weiterentwicklung des Sozialismus beschrieben, deren Ursprung in Planungen und programmatischen Maßnahmen der Vergangenheit lag. Mit der Zukunft wurde eine qualitative Verbesserung verknüpft, die kausal mit der Vergangenheit verbunden wurde. Sprachlich zeigte sich diese »Gegenwarts-

2645 Vgl. Bloch 1973, S. 228. 2646 Mit dem Terminus der ›verlängerten Gegenwart‹ bezieht sich diese Arbeit ausdrücklich nicht auf Gumbrecht und seine Ausführungen zur »breiten Gegenwart«. Sie dehnt sich aufgrund von »Beschleunigung und Komplexifizierung« (S. 141) so sehr aus und verursache einen individuellen Pessimismus, dass dadurch die Zukunft blockiert werde (Gumbrecht, Hans Ulrich: Unsere breite Gegenwart. Berlin 2015 S. 132–143). Eben diese Blockade der Zukunft findet in Geschichtsbüchern nicht statt, da die Zukunft in den Autorentexten explizit angesprochen und beschrieben wird. Die Zukunft wird weder negiert noch in ihrer Bedeutung geschmälert, sondern aus pädagogischer Sicht ist besonders für den Geschichtsunterricht das Gegenteil der Fall. Durch die spezifische Form einer didaktischen Aufbereitung wird die Zeitebene Zukunft aufgewertet. Ein Anknüpfungspunkt für die Verbindung der beiden Zeitebenen könnte der von Lucas beschriebene »Präsentismus« sein. Er beschrieb die Orientierung der Geschichtsdarstellung an der politischen Bildung als Spannungsverhältnis, in dem die Offenheit der Zukunft die »Tendenz zur Anpassung« an die Gegenwart erfahre (Lucas, Friedrich J.: Der Beitrag des Geschichtsunterrichts zur politischen Bildung, in: Gesellschaft, Staat, Erziehung 11 (1966), S. 381–395).

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

schrumpfung«2647 durch Formulierungen, dass sich die Versorgung durch den zukünftigen technischen Fortschritt verbessern werde.2648 Vor der Negativfolie der Gegenwart wurde narrativ eine bessere Zukunft entwickelt und mit der Vergangenheit verbunden. Durch diese Verknüpfung wurde auch die Vergangenheit semantisch positiv besetzt, wodurch die Überwindung der Gegenwart möglich wurde. Die Gegenwartserfahrung von Mangel und Missständen verschwindet in der Zukunftsperspektive, die zugleich als Idealvorstellung erscheint. Folgt man der Bestimmung historischer Wissensformen von Ryle in »knowing that, knowing how and knowing why«2649, handelt es sich bei diesen Zukunftsnarrationen nun um vermeintlich deklaratives (Fakten)- Wissen, denn die Gestaltung dieser Schulbuchabschnitte hob sich weder gestalterisch noch inhaltlich vom restlichen Geschichtsbuch ab. Schülerinnen und Schülern sollten zukünftige Entwicklungen in den Autorentexten ähnlich wie Fachbegriffe oder Konzepte vermittelt werden. Mit dieser Feststellung und der Verortung im Bereich des deklarativen Wissens stellt der Umgang mit der Zukunft einen deutlichen Unterschied zu dem didaktisch und politisch intendierten dar : Zur Vermittlung prozeduralen Wissens sollte die Beschäftigung mit Geschichte den Schülerinnen und Schülern zur Orientierung in ihrer Gegenwart und Zukunft verhelfen. Diese politische Forderung zur Funktion und Aufgabe des Geschichtsunterrichts verknüpft insofern deklaratives und prozedurales Wissen miteinander, als deklaratives Wissen die Grundlage bildete, um prozedurales zu erwerben. Die Begriffe ›erwerben‹ oder ›erlernen‹ erscheinen in diesem Zusammenhang nur bedingt passend, da es sich um eine Kompetenz handelt, die auf individueller Ebene im kognitiven Bereich verortet ist.2650 Die intendierte Fähigkeit, dass Schülerinnen und Schüler sich angesichts von eigenen Erfahrungen in der Zukunft orientieren können, lässt sich kaum explizit als solche auf Schulbuchseiten darstellen oder als Lernziel in einem Schuljahr angeben. Die Formung des Geschichtsbewusstseins geschieht vielmehr langfristig durch die wiederholte systematische Beschäftigung mit Geschichte und durch Gegenwartsbezüge, durch »Sinnbildungsangebote«, die der Geschichtsunterricht schaffen kann.2651 Alle Lehrpläne, die im Zuge dieser Untersuchung hinsichtlich der Frage nach der Gestaltung der Zukunft analysiert wurden, formulierten es als Ziel und Funktion der Beschäftigung mit Geschichte, sich in Gegenwart und Zukunft erfolgreich orientieren zu können. Anregungen zur Operationalisierung gaben sie dabei allerdings nicht, doch ohne Zweifel mussten die Ge2647 2648 2649 2650 2651

Lübbe 2000, S. 11. Vgl. »Geschichte in Übersichten«, 1982. Ryle, zitiert nach Bernhardt, Gautschi, Mayer 2012, S. 105. Vgl. Rüsen 2008, S. 14. Vgl. Furrer 2004, S. 57.

Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft

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schichtsbücher auch diese Forderung erfüllen, um vom Kultusministerium zugelassen zu werden und den ökonomischen Anforderungen gerecht zu werden. Wie gezeigt wurde, schlossen sich auch die didaktischen Konzeptionen dieser Forderung an und zeichneten die Zukunft als deutungsoffenen und zu gestaltenden Raum. In den Autorentexten der Bücher bedurfte es angesichts der didaktischen Vermittlungsaufgabe einer Konkretisierung und Operationalisierung dieser theoretischen Forderung.2652 Es erscheint beinahe paradox, die Vorstellung einer offenen und kontingenten Zukunft zu verbalisieren und zum Gegenstand eines Schulbuches zu machen. Neben dieser inhaltlichen Aufgabe kam auch dem Zeitpunkt, an dem es um die Zukunft ging, eine besondere Bedeutung zu. Die Zukunftsnarrationen am Abschluss des Geschichtsunterrichts der Sekundarstufe I waren der letztmögliche Zeitpunkt, um im Geschichtsbuch und -unterricht die politisch und didaktisch geforderte Fähigkeit zur Orientierung zu vermitteln. Die am Produktionsprozess beteiligten Akteure standen demnach vor der Aufgabe, die Tätigkeit des Geschichtsbewusstseins zu unterstützen und diese Hilfe auf Schulbuchseiten zu operationalisieren. Wie konnte im Geschichtsbuch die Begegnung der Schüler mit der Kontingenz der Zukunft ermöglicht werden? Welche Darstellungsmöglichkeiten blieben, um alle möglichen, denkbaren und undenkbaren Entwicklungen aufzuzeigen, angesichts der Tatsache, dass sich die Anforderungen der Darstellung und das Wesen des darzustellenden Gegenstands qua definitionem ausschlossen? Die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler auf die ungewisse Zukunft vorzubereiten und sie damit zu befähigen, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden, um diese im Idealfall aktiv zu gestalten, beschreibt die grundlegende pädagogische Funktion des Bildungssystems sowohl in der Bundesrepublik wie auch in der DDR. In der geschichtsdidaktischen Forschung wurde die Aufgabe des Geschichtsunterrichts vielfach beschrieben. Zuletzt hat Hellmuth2653 in einer kulturhistorischen Analyse die Wurzeln der beiden Annahmen untersucht, dass die schulische Beschäftigung mit Geschichte zum einen identitätsstiftende Funktion habe und zum anderen »zur Herausbildung ›mündiger‹ Bürger und Bürgerinnen beitragen«2654 solle, die sich aktiv an der Gestaltung der Demokratie 2652 De Baets hat diese Differenz zwischen Konzeption und Gestaltung des Autorentextes als stillschweigenden Widerspruch beschrieben und ignoriert dabei mögliche Determinanten im Prozess der didaktischen Aufbereitung, die die Differenz begründen könnten. (vgl. de Baets, Antoon: Der ›Hauptstrom‹ der Geschichte. Determinanten eines Darstellungsprinzips in Geschichtslehrbüchern, in: Internationale Schulbuchforschung 14 (1992) H. 4, S. 345). 2653 Hellmuth, Thomas: Historisch-politische Sinnbildung. Geschichte, Geschichtsdidaktik, politische Bildung. Schwalbach / Ts. 2014, S. 17. 2654 Ebd.

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

beteiligten. Diesen Bestimmungen ist eine Zukufntsperspektive inhärent, die auch explizit benannt wurde. So beschrieb es Weniger 1926 als Ziel des Staates, »sich durch die Erziehung seine gegenwärtige Existenz und seine Dauern zu sichern«2655. Der Geschichtsunterricht erfülle dazu eine besondere Aufgabe, denn jener diene »in erster Linie und viel mehr als etwa die Deutsch- und Heimatkundebewegungen zugeben möchten, der Betrachtung der Vergangenheit unter dem Gesichtspunkte der Volksaufgabe, der Gestaltung der Zukunft, der persönlichen Verantwortung des handelnden Menschen.«2656 Es bestehe die politische »Verpflichtung […], die heranwachsende Generation zu einem Umgang mit der Geschichte zu befähigen, der auch in einer ungewissen Zukunft die Mittel einer verläßlichen Orientierung bereitstellt«2657, so Jeismann zur politischen Aufgabe und den pädagogischen Anforderungen des Geschichtsunterrichts. Dessen Zukunftsgerichtetheit hat auch Pandel vor einigen Jahren erneut hervorgehoben, indem er forderte, dass das Prinzip der »Gegenwarts- und Zukunftsorientierung aller Lernprozesse«2658 in den Lehrplänen eine größere Rolle spielen müsste. Explizit wurde diese Aufgabe mit dem Geschichtsunterricht verbunden, sodass es galt, diese Aufgabe auch in Geschichtsbüchern zu operationalisieren. Petersmann hat es als »Erziehung zum Frieden«2659 beschrieben, zu der Autorentexte einen Beitrag leisten müssten. Als politische »Herrschaftsinstrumente«2660 folgten Lehrmittel dieser Aufgabe und fast alle Geschichtsbücher fanden für diese komplexe Herausforderung eine ähnliche Lösung: Sie erzählten die Zukunft. Die Darstellungstexte entwarfen Zukunftsszenarien und prognostizierten, wie sich gegenwärtige Konflikte weiterentwickeln könnten. Sprachlich verwandten sie dabei allerdings keine KonjunktivFormen oder eröffneten variantenreiche Panoramen, sondern legten sich thematisch auf ein Szenario fest. Die Kontingenz der Zukunft wurde narrativ durch Kontinuität ersetzt, da zur Darstellung einer kontingenten Zukunft offenbar kein Erzählmodus zur Verfügung steht. Der Aufgabe, Orientierung für die Zukunft zu schaffen, wurde in den Autorentexten demnach durch die Schaffung einer inhaltlich ›entwicklungssicheren‹ Zeitebene entsprochen. Indem die Gegenwart mit der Zukunft verbunden wurde, reduzierte sich deren Unsicherheit und es 2655 Weniger, Erich: Die Grundlagen des Geschichtsunterrichts. Untersuchungen zur geisteswissenschaftlichen Didaktik. Berlin 1926, S. 35f. 2656 Ebd., S. 80. 2657 Jeismann/Schönemann 1989, S. 22. 2658 Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsunterricht nach PISA: Kompetenzen, Bildungsstandards und Kerncurricula. Schwalbach /Ts. 2009, S. 103. 2659 Petersmann, Dietrich: Erziehung zum Frieden. Eine Analyse deutscher Schulgeschichtsbücher, in: Kirchhoff, Hans Georg (Hrsg.): Weiterführender Geschichtsunterricht. Ratingen u. a. 1971, S. 135. 2660 Stein, Gerd: Schulbücher und der Umgang mit ihnen – sozialwissenschaftlich betrachtet, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 37 (1987) B 39, S. 32.

Die thematische Ausdehnung von Gegenwartsdiskursen in die Schulbuch-Zukunft

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entstand eine semantisch sichere, da den Schülern aus der Gegenwart bekannte, Zukunft.2661 Damit ersetzten die Geschichtsbücher die Arbeit des Geschichtsbewusstseins, individuelle Orientierung und Sicherheit durch die Konfrontation mit Kontingenz und deren narrativer Strukturierung zu befördern. Bei den Zukunftsszenarien handelt es sich wie bei allen anderen Teilen des Darstellungstextes um didaktisch funktionalisierte Textabschnitte. Ihnen zugrunde liegt die Aufgabe, auf die Zukunft vorzubereiten. Dieser wurde insofern entsprochen, als Szenarien entworfen wurden, deren inhaltlicher Ursprung die Gegenwart war. Plausibilitätsabwägungen der Akteure sorgten für Beschreibungen, wie sich Gegenwartsdiskurse weiterentwickeln könnten und skizzierten Entwicklungen. Sie schufen kontinuierliche Verläufe von Konflikten über die Gegenwart hinaus in die Zukunft hinein. Damit wurde angesichts der zu bewältigenden ›echten Zukunft‹ narrativ eine Schulbuch-Zukunft geschaffen, die die Zukunft inhaltlich determinierte und Kontingenz narrativ eliminierte. Bei der Konstruktion einer Schulbuch-Zukunft handelt es sich um narrative Kontingenzbewältigung. Sowohl inhaltlich als auch strukturell stellen die Zukunftsnarrationen einen besonderen Teil innerhalb des Autorentextes dar. Außerdem funktionalisierten sie die Zeitebene ›Zukunft‹ mit der allgemeinpädagogischen Aufgabe der Schule, sodass diese Besonderheit mit dem Terminus der Schulbuch-Zukunft hervorgehoben werden soll. Hinsichtlich der narrativen Struktur der Texte unterschieden sich die Darstellungen der Schulbuch-Zukunft vom übrigen Autorentext: Es dominierte das Erzählmuster der Bedrohung durch die Apokalypse, die eintreten werde, wenn sich seitens der Schülerinnen und Schüler keine Bemühungen um die Gestaltung der Zukunft und der Wahrung des Friedens zeigten. Dass durch die inhaltlich definitiven Zukunftsbeschreibungen wiederum neue Kontingenz erzeugt wurde, reflektieren die Autorentexte nicht, sondern wähnen sich der beschriebenen thematischen Entwicklungen in der SchulbuchZukunft sicher. Sprachliche Elemente der pädagogisch funktionalisierten Zeitebene Zukunft im Schulbuch sind appellative Verbformen und Satzzeichen sowie Formulierungen mit den Pronomen »ich«, »wir« oder »unser«, die eine Erzähl- und Handlungsgemeinschaft zwischen den Produzenten und Rezipienten schufen.

2661 Conze hat die Schaffung von Sicherheit als Handlungsmotiv des 20. Jahrhunderts beschrieben. Aus didaktischer Perspektive kann Sicherheit als Ziel der Orientierungsleistung des Geschichtsbewusstseins verstanden werden (vgl. Conze, Eckart: Die Suche nach Sicherheit: Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von der Gegenwart bis zu den Anfängen. München 2009, S. 17).

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2.

Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

Die Gattungslogik und ihr Einfluss auf die Produktion des Geschichtsbuches

Während der erste Abschnitt dieses Kapitels die Frage erläuterte, wie die Schulbuch-Zukunft inhaltlich und strukturell in den Darstellungstexten gestaltet wurde, beschäftigt sich dieses Kapitel mit der Frage, wie diese besonderen Abschnitte des Autorentextes Eingang in die Geschichtsbücher finden konnten. Die Vielzahl der untersuchten Quellen erlaubt einen ausführlichen und weitreichenden Blick in die Produktionsabläufe eines Geschichtsbuches. Es wurde deutlich, dass mehrere Akteure Einfluss auf die Entstehung eines Geschichtsbuches nahmen. Damit ist die bisherige Annahme der Forschung hinfällig, dass sich das Geschichtsbild ›des Autors‹ im Darstellungstext niederschlage – die Zukunftsnarrationen gelangen nicht aufgrund volitionaler Entscheidungen in die Geschichtsbücher.2662 Autorentexte sind keinesfalls Ausdruck von Haltungen oder Urteilen des sie verfassenden Autors, sondern sind ein Produkt vieler am Produktionsprozess beteiligter Akteure. Neben der notwendigen Erweiterung des Personenkreises, der an den Texten arbeitet, bevor sie im gedruckten Schulbuch zu finden sind, führt der direkte kausale Zusammenhang zwischen der Autorschaft des Textes und Meinungen des Autoren im Falle der Zukunftsnarrationen in eine beinahe absurde Sackgasse. Die Anwendung dieser Annahme würde im Falle der Zukunftsnarrationen mit ihren mitunter apokalyptischen Erzählstrukturen – überspitzt formuliert – bedeuten, dass Autoren, Herausgeber und Gutachter von nahenden Katastrophen überzeugt gewesen seien – eine These, die sich sicherlich nicht halten lässt. Doch aus welchem Grund sind Zukunftsnarrationen ein fester Bestandteil des Autorentextes? Und um die Eingangsfrage erneut aufzunehmen: Wie werden sie Teil des Geschichtsbuches? Die Analyse von 223 Geschichtsbüchern der Bundesrepublik und acht DDRGeschichtsbüchern hat gezeigt, dass alle Autorentexte über die Gegenwart hinausgehend auf unterschiedliche Weise Bezüge zur Zukunft herstellten. Lassen jene sich auch inhaltlich und strukturell unterscheiden, ob sie nun implizit oder explizit und narrativ als Bedrohung oder Beschreibung eines Idealzustands gestaltet wurden – allen gemein war, dass die Zeitebene Zukunft einerseits berührt, andererseits inhaltlich ›gefüllt‹ wurde. Mit dieser grundsätzlichen Feststellung wurde in den Geschichtsbüchern nach dem Ende der Darstellung der 2662 Schöner postulierte, dass sich aufgrund der Wortwahl in Autorentexten »vergangenheitsbezogene Deutungen und gegenwarts- bzw. zukunftsbezogene Sinnbildungen des Verfassers« (Schöner, Alexander: Die Eichstätter Schulbuchanalysen. Zur Methode kategorialer Inhalts- und Strukturanalysen, in: Schöner, Alexander u.a (Hg.): Analyse von Schulbüchern als Grundlage empirischer Geschichtsdidaktik. Stuttgart 2013, S. 83) bestimmen ließen.

Die Gattungslogik und ihr Einfluss auf die Produktion des Geschichtsbuches

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historischen Ereignisse eine Art Ausblick auf die Zukunft gegeben, der nicht von den Lehrplänen gefordert wurde und der auch nicht Bestandteil der didaktischen Konzepte der Herausgeber war. Es ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die alle beteiligten Akteure jene Abschnitte in den Autorentexten kannten. Im Produktionsprozess waren diese Textelemente Teil des Schreibprozesses der Autoren und sie wurden von den Herausgebern und Verlagsredakteuren gelesen und korrigiert. Auch der Großteil der Gutachter monierte die Beschreibungen der weiteren Entwicklung in die Zukunft hinein nicht – im Gegenteil: Fehlten Bezüge zur Zukunft, wurden diese eingefordert, um der Orientierung von Schülerinnen und Schülern dienlich zu sein. Weniger als ein Zehntel der Gutachten (15 von 175) kritisierte die Zukunftsnarrationen und führte an, dass es sich bei diesen Textabschnitten um prognostische und fiktionale Elemente handele, die nicht Bestandteil eines Geschichtsbuches sein sollten. Mit diesem Urteil bezogen sie sich auch auf die Inhalte und monierten die Semantik der Schulbuch-Zukunft, nicht jedoch ihr strukturelles Vorhandensein. Die Tatsache, dass die Geschichtsbücher auch die Zukunft in ihre Darstellung einbezogen, war nicht Gegenstand der gutachterlichen und bildungspolitischen Kritik. Auch in der Kommunikation zwischen den Herausgebern und den Autoren sowie zwischen den Redakteuren und Herausgebern bzw. Autoren wurde die Frage nach der grundsätzlichen Bedeutung von Zukunftsnarrationen und ihrer Gestaltung kaum bzw. nur in wenigen Ausnahmefällen theoretisch reflektiert. Ihrem Vorhandensein und ihren Inhalten wurde im überwiegenden Teil des Produktionsprozesses keine besondere Bedeutung beigemessen. Die Beschäftigung mit der Zukunft gehörte als Ergebnis der Beschäftigung mit Geschichte eben dazu. Aus dieser Argumentation heraus wurde die Zeitebene Zukunft in den westdeutschen Geschichtsbüchern häufig eng mit der Gegenwart verknüpft. Es entstand mit der Schulbuch-Zukunft eine didaktisch funktionalisierte Zeitebene, um den pädagogischen und politischen Anforderungen gerecht zu werden. Um eine Antwort auf die Frage zu geben, auf welche Weise und aus welchem Grund die Schulbuch-Zukunft Eingang in die Geschichtsbücher fand, muss der Produktionsprozess analytisch betrachtet werden. Wie im zweiten Kapitel bereits ausgeführt, bedient sich diese Arbeit dazu der Feldtheorie Bourdieus. Auf dem Feld ›Schulbuchproduktion‹ interagierten Autoren, Herausgeber, Redakteure, Referenten des Kultusministeriums und Gutachter. Die Praktiken der Akteure gestalteten das Produkt ›Geschichtsbuch‹ und die enthaltenen Zukunftsnarrationen, indem sie die verschiedenen Anforderungen bündelten, Inhalte didaktisch aufbereiteten und versprachlichten. Dabei traten sie in Aushandlungsprozesse, die sowohl auf mittelbare wie auf unmittelbare Weise geführt wurden: Mittelbar wurden Gutachten erstellt oder schriftliche Korrekturen in den Manuskripten vorgenommen. Unmittelbar traten die Akteure in

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

Gesprächen in Austausch und berieten über die Gestaltung der Autorentexte. Aus der Analyse der Produktionsverfahren geht hervor, dass die Zukunftsnarrationen im Vergleich zu anderen Teilen der Autorentexte quantitativ seltener Gegenstand der Aushandlungsprozesse zwischen den Akteuren waren. In Anlehnung an die Feldtheorie handelt es sich bei der Gestaltung der Geschichtsbücher also um Praktiken auf dem Feld um und mit dem Artefakt ›Geschichtsbuch‹. Die beteiligten Akteure kennen die ›Spielregeln‹ des Feldes, die sich differenzieren lassen in einerseits prozedurales Wissen über Verlauf und Mechanismen des Produktionsprozesses sowie andererseits in deklaratives Wissen über die Anforderungen hinsichtlich der Funktion und Gestaltung des Buches, zu der die fachwissenschaftliche Korrektheit der Texte und die Determinanten der didaktischen Aufbereitung gehören. Beide Wissensformen weisen eine Spezifik auf: Sie werden kaum explizit thematisiert oder beschrieben, sondern sind Spielregeln des Feldes, die allen Akteuren bekannt waren. Praxeologisch formuliert handelt es sich um implizites Wissen der Akteure, das nicht-intentional Einfluss auf die Form und Gestaltung der Praktiken nimmt.2663 Diese theoretische Annahme des impliziten Wissens, das nicht-intentional die Praktiken beeinflusst, gibt Aufschluss darüber, aus welchem Grund die Schulbuch-Zukunft in diachroner Perspektive Element des Geschichtsbuches war. Woher stammt das implizite Wissen der Akteure? In routinierten didaktischen Praktiken unter Beachtung der konzeptionellen Vorgaben des Buches und der politischen Vorgaben des Lehrplanes verfassten Autoren die Texte, korrigierten Herausgeber und Redakteure Manuskripte und prüften Gutachter die Bücher. Sie alle teilten als Spielregel des Feldes ›Schulbuchproduktion‹ implizite Wissensbestände um die Funktion und die daraus resultierende notwendige Beschaffenheit des Autorentextes. Neben den prozeduralen Strukturen und den curricularen Vorgaben der Inhalte, gehört auch die Funktion des Geschichtsbuches und damit verbunden eine spezifische Gestaltung der Autorentexte zum impliziten Wissen dazu. Die Besonderheit dieser Textgattung schimmerte in den Gesprächen mit den Autoren und Herausgebern in ihren Antworten durch, wenn es um die Fähigkeit von Schulbuchautoren ging, für ein Geschichtsbuch schreiben zu können. Das didaktische Lehrmittel erfordert eine spezifische adressatenorientierte Sprache und Aufbereitung der Inhalte, wie die Forschung als Spezifikum des Mediums Schulbuch herausgearbeitet hat. In Bezug auf die Zukunftsnarrationen bedeutet diese theoretische Annahme, dass auch die didaktische Aufgabe des Geschichtsbuches, die Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft vorzubereiten, zum impliziten Wissen gehört. Es bestimmt nicht nur, dass eine Schulbuch-Zukunft erzählt werden sollte, sondern auch wie und ex2663 Vgl. zum Verhältnis von Praktiken und impliziten inkorporierten Wissen Reckwitz 2010, S. 185–187, 193.

Die Gattungslogik und ihr Einfluss auf die Produktion des Geschichtsbuches

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pliziert sich im Produkt der Praktiken, dem Autorentext und dessen Aushandlungen. In der Schulbuch-Zukunft wird sowohl semantisch wie auch strukturell deutlich, dass es die Akteure als ihre didaktische Aufgabe verstanden, zukünftige Entwicklungen zu beschreiben und Schülerinnen und Schüler zur Gestaltung der Zukunft aufzufordern. Die Bedrohungsszenarien und deren besondere narrative Struktur sind ebenfalls Ausdruck dieses didaktischen Verständnisses. Die Akteure bedienen sich der Inhalte von Gegenwartsdiskursen und Erzählstrukturen, um ihrer didaktischen Aufgabe gerecht zu werden und eine Schulbuch-Zukunft zu entwerfen. Zeitlich entfernter von jener Schulbuch-Zukunft liegt das Ziel der demokratie- und friedenspädagogischen Erziehung einer sicheren, also von Frieden, Freiheit und Demokratie geprägten Zukunft, deren Erreichen es zu befördern gilt. Dieses grundlegende Ziel pädagogischen Handelns ist sowohl den Geschichtsbüchern der Bundesrepublik wie auch denen der DDR als implizites Wissen inhärent, wird im Falle der DDR jedoch mit einer ideologischen Deutung verknüpft. Mit dieser temporalen Struktur der Schulbuch-Zukunft vor dem Hintergrund einer von Frieden und individueller (politischer) Freiheit sind narrative Darstellungsformen verknüpft: Den Narrativen ›Apokalypse‹ und ›Tragödie‹ ist ein Aufforderungscharakter inhärent, die Katastrophe durch aktives Handeln abzuwehren, so die Logik der Plot-Struktur. Jene entspricht der didaktischen Aufgabe des Geschichtsunterrichts, die sich in der Gestaltung der Unterrichtsmedien niederschlägt. Die Akteure kennen diese Aufgabe und beschreiben daher eine Zukunft, um der Anforderung gerecht zu werden. Das Wissen um die Funktion des Buches bestimmt also seine Gestaltung mit, indem es als Teil des impliziten Wissens der Akteure Einfluss auf die Produktionspraktiken nimmt. Im Unterschied zur bisherigen kausal-personalen Interpretation der Autorentexte ermöglicht es der praxeologische Zugang, Wissensbestände hinter den Produktionspraktiken sichtbar zu machen. In Form von »Know-how-Wissen«2664 lässt es sich als Basis der Praktiken beschreiben. Die impliziten Wissensordnungen sind in den Körpern wie den Artefakten material verankert, so die praxeoloigsche Theorie.2665 Durch die »Exteriorisierung der Interiorität«2666 des Wissens in den Praktiken werden Autorentexte als Produkte dieser Veräußerung verstanden. Bis zu diesem Punkt wäre es noch möglich, die Gestaltung der Autorentexte auf das implizite Wissen der Akteure zurückzuführen und damit die personale Interpretation fortzuführen. Doch durch die praxeologische Perspektive erweitert sich die Interpretation und bezieht auch das Artefakt, das Geschichtsbuch und seinen Autorentext, in die Deutung ein: Artefakte »haben 2664 Vgl. ebd., S. 185. 2665 Vgl. ebd., S. 189. 2666 Bourdieu 2009, S. 147.

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

(wie Körper) Wirkungen […] und damit eine Eigenmächtigkeit, die sich auf die Möglichkeit von Praktiken […] auswirkt«2667. Zudem haben sie einen »Doppelstatus innerhalb sozialer Praktiken: sie werden gehandhabt und […] sind Gegenstand der Verwendung und Benutzung und zugleich beeinflussen sie die Form, die soziale Praktiken überhaupt haben können.«2668 Auch Röhl betonte in seiner materialitätstheoretischen Arbeit zur Rolle der Dinge, dass materielle Objekte und menschliche Akteure aufeinander wirkten und »transform each other in socio-material practice«2669. Das Schulbuch beeinflusst die Produktionspraktiken, so die praxeologische Interpretation des Zusammenwirkens auf dem Feld. Das Artefakt Geschichtsbuch wirkt sich auf das Wissen der schulbuchproduzierenden Akteure aus. Diese ›Wirk‹-Praktiken zeigen sich in erster Linie im impliziten Wissen der Akteure, dass sie ein Schulbuch produzieren: Es handelt sich um das Wissen über die didaktischen Gestaltungsdeterminanten des Mediums Schulbuch, die den Produktionspraktiken der Akteure inhärent sind. Damit haben die Schulbuchproduzenten nicht nur Wissen über, sondern Wissen durch die Produktion des Schulbuchtextes. Was bis dato als »Konsens zwischen Schulbuchautoren, Zulassungskommissionen«2670 und als »Glauben an eine entsprechende Wirkung von Schulbuchinhalten«2671 beschrieben wurde, kann durch die praxeologische Betrachtung konkretisiert werden. Die vagen Beschreibungen und Kausalitäten zwischen Schulbuchinhalten und Autorintentionen sind Produkte ideologiekritischer Interpretationen, die aufgrund der begrenzten Aussagenfähigkeit dieser Methoden zu keinem anderen Schluss kommen konnten. Wird man der Komplexität des Produktionsprozesses und dem Medium Geschichtsbuch mit einem entsprechenden methodischen Werkzeugkasten gerecht, eröffnet sich eine neue Sichtweise auf die Entstehung von Schulbüchern. Sie sind nicht nur Ergebnis, sondern als Artefakte auch Mitgestalter ihres Produktionsprozesses. Artefakte nehmen – praxeologischer Interpretation zufolge – Einfluss auf den 2667 Ebd., S. 193. 2668 Ebd. 2669 Röhl 2012, S. 110. So auch Wiesemann und Lange, die den Begriff der »Interaktionspartner« verwendeten (Wiesemann, Jutta/Lange, Jochen: Wissen schaffen durch die Dinge? Ergebnisse aus einer ethnographischen Studie zur Materialität im Sachunterricht, in: Zeitschrift für Grundschulforschung 7 (2014) H. 2, S. 47), sich dabei weniger auf Schulbücher, sondern auf Gegenstände im Sachkunde- oder naturwissenschaftlichen Unterricht bezogen. Nohl beschrieb auf einer materialitätstheoretischen Ebene die »Pädagogik der Dinge«, die jedoch eher das alltägliche Lernen und weniger den schulischen Umgang mit Büchern betrachtete (Vgl. Nohl, Arnd-Michael: Pädagogik der Dinge. Bad Heilbrunn 2011; vgl. Nohl, Michael/Wulf, Christoph: Die Materialität pädagogischer Prozesse zwischen Mensch und Ding, in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft Sonderheft 25 (2013), S. 1–13). 2670 Jürgensen 1999, S. 21. 2671 Ebd.

Die Gattungslogik und ihr Einfluss auf die Produktion des Geschichtsbuches

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Umgang mit ihnen.2672 Sie sind damit zwar keine eigenständigen Akteure im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie nach Latour2673, aber auch nicht bloß Produkte des Akteurshandelns. Ihr Einfluss vollzieht sich in Gestalt des Wissens der Akteure über das Artefakt ›Geschichtsbuch‹ und seine Funktion, welches in den Produktionspraktiken a priori vorhanden ist. Im Umgang mit dem Artefakt beeinflusst es die Praktiken : »Indem der Mensch die Dinge handelnd und deutung erfaßt und einsetzt, wirken diese auf ihn ein«2674, indem die Dinge »in das praktische Wissen«2675 eingehen. Diese materialitätstheoretische Annahme uniformiert und determiniert die Akteure jedoch nicht, da es nicht um Inhalte oder Deutungen von historischen Ereignissen geht, sondern um das prozedurale Wissen an einem Schulbuch, einem didaktischen Medium, zu arbeiten. Es stellt zusammen mit den akteursspezifischen impliziten Wissensbeständen eine Grundlage der gemeinsamen Arbeit am Schulbuch dar, die nicht von außen hergestellt wird, sondern implizit vorhanden ist. Es explizierte sich in den Praktiken des Schreibens, Korrigierens und Begutachtens der Texte, indem eine Schulbuch-Zukunft verfasst und zugelassen wurde. Die Analyse des Produktionsprozesses hat gezeigt, dass um diese besonderen Textabschnitte kaum Auseinandersetzungen geführt wurden, was aufgrund der Funktionsweise von Gutachten und den Monita als Zustimmung interpretiert werden kann. Wie im zweiten Kapitel herausgestellt hat, beschäftigten sich Gutachter und Referenten des Kultusministeriums ausführlich mit Geschichtsbüchern und den Darstellungstexten. Zwei Akteursgruppen beschäftigen sich mit der Frage der Eignung der Zukunftsnarrationen und prüften die Darstellungen der Schulbuch-Zukunft. Nur wenige Gutachten lehnten diese Textpassagen ab, doch trotz ihrer Monita befanden sie sich in den gedruckten Büchern, sodass die Referenten die Kritik nicht teilten und die Zukunftsnarrationen in den Büchern beließen. Auch die interviewten Akteure erinnerten sich nicht an Diskussionen über diese Textpassagen, im Gegenteil: Sie beschrieben eine gewisse Selbstverständlichkeit, dass das Geschichtsbuch für die Jahrgangsstufe 10 auch Ausblicke auf die Zukunft liefere. Die Schriftwechsel und Druckfahnen, die in den Verlagsakten enthalten waren, bestätigten dieses konsensuale implizite Wissen darüber, dass und wie eine Schulbuch-Zukunft zu beschreiben sei. Hinweise auf Aushandlungsprozesse fanden sich darüber in der Entstehung der westdeutschen Geschichtsbüchern nicht. Auch in der DDR war der Produktionsprozess zwischen Autoren, Verlagsredakteuren und Gutachtern von diesem impliziten Konsens geprägt. 2672 Vgl. Hörning 2001; Wieser 2004, S. 92–107. 2673 Vgl. Latour, Bruno: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Berlin 2014, S. 244– 273. 2674 Hörning 2001, S. 68. 2675 Ebd.

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

Wenn auch die Geschichtsdarstellung als zu kontinuierlich kritisiert wurde, stieß die Fortführung der Entwicklung in die Zukunft nicht auf Kritik der beteiligten Akteure. Lediglich Ende der 1980er-Jahre wurden die Zukunftsbezüge in der abschließenden Prüfphase, die kurz vor der Drucklegung vermutlich durch den Sekretär des Zentralkomitees der SED Hager und die Ministerin für Volksbildung Honecker durchgeführt wurden, aus dem Autorentext gestrichen, ohne dass Gründe oder Diskussionen darüber in den Quellen ersichtlich sind. Im Unterschied zu anderen Teilen des Autorentextes, um die die Akteure Aushandlungen führten, wurden die Zukunftsbezüge nur in wenigen Fällen thematisiert. Dabei stand auch nicht zur Diskussion, ob das Geschichtsbuch Zukunftsnarrationen enthalten solle, sondern welche. Die Bezüge zur Zukunft wurden auch in den Gesprächen mit den beteiligten Autoren, Herausgebern und Verlagsredakteuren nicht reflektiert, sondern zu selbstverständlich enthaltenen Elementen des Buches erklärt. In den Gesprächen wie den Konzeptionen betonten die Akteure, die Zukunft müsse narrativ offen gestaltet werden, doch in ihren Texten zeigt sich das genaue Gegenteil: Die Zukunft war nicht von Erwartungen geprägt, sondern wurde aus Vergangenheits- und Gegenwartserfahrungen abgeleitet. Diese Feststellung versteht sich nicht als Vorwurf im Sinne einer Schulbuch-Schelte, sondern erklärt sich aus der dargestellten praxeologischen Funktionslogik des Produktionsprozesses. Das Wissen über die politische und pädagogische Aufgabe des Geschichtsbuches initiiert den Arbeitsprozess, die theoretisch offene und kontingente Zukunft in der Praxis als Szenarien möglicher Entwicklungen der Gegenwartsdiskurse zu erzählen. Die Schilderung multipler Möglichkeitshorizonte, die notwendig wäre, um den konzeptionellen und geschichtstheoretischen Anforderungen Rechnung zu tragen und der Tatsache, dass der Zukunft von der Gegenwart aus nur erwartend gegenübergetreten werden könnte, würde den Anforderungen nach Schaffung von Orientierung nicht gerecht. Der Grund dafür lässt sich praxeologisch in der Beschaffenheit des impliziten Wissens finden, das sich in den Praktiken, dem Verfassen, Prüfen und Zustimmen zu Zukunftsszenarien, äußerte. Sie reflektierten im Schreib- und Korrekturprozess nicht, dass sie inhaltliche Aussagen über die Zukunft trafen, sondern gingen davon aus, von ihrem gegenwärtigen Standpunkt her deutungsoffene Perspektiven aufzuzeigen, in dem Wissen, dass sie damit der Orientierungsfunktion von Geschichtsunterricht und dem Unterrichtsmedium Geschichtsbuch nachkamen. Die inhaltliche Determinierung der Zukunft und das narrative Schließen des Möglichkeitshorizontes hin zu einer linearen Entwicklung vollzogen sich nicht-intentional und nicht-reflexiv. Aus diesem Grund beschrieben die interviewten Autoren, Herausgeber und Verlagsredakteure die Funktion der Zukunftserzählungen mit den bekannten Theoriekonzepten und verstanden ihre Texte als deren angemessene Umset-

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zungen. Dies liegt nicht an mangelnder Reflexionsfähigkeit, sondern dem auch retrospektiv dominierenden Verständnis von der Funktion und der entsprechenden Gestaltung des Geschichtsbuches. Die Inhalte von Geschichtsbüchern können somit nur noch zum Teil verstanden werden als »Deutungen, Wissen und Interpretationen […], die von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren ausgehandelt worden sind und sich im Schulbuchwissen verdichten«2676. Es waren nur bedingt inhaltliche Diskurse über die Zukunft, die in einer »Diskursarena«2677 zwischen den beteiligten Akteuren und Institutionen ausgehandelt wurden. In Bezug auf die Zukunftsnarrationen ließen sich nur sehr begrenzt Aushandlungsprozesse feststellen und wenn sie sich, wie im Falle der DDR zeigen, sind sie hierarchisch determiniert. Eine Arena, in der Aushandlungen um Diskurse geführt wurden, zeigte sich für die Deutungen der Zukunft nicht. Die Produktion des Buches geschah durch Praktiken, die sogar teilweise kooperativ zwischen den Akteuren stattfanden, etwa wenn Autoren gemeinsam an Texten arbeiteten. Aushandlungsprozesse verschiedener Deutungen zeigten sich in der Analyse an einigen Stellen, wenn es um die Frage ging, welche Diskurse zu Zukunftsnarrationen werden sollten und wie diese sprachlich aufbereitet wurden. Die grundlegende Konstellation der Auseinandersetzungen waren die gutachterlichen Monita, die zwischen dem Referenten des Kultusministeriums und dem Redakteur des Verlages durch einen Kompromiss gelöst wurden. Grundsätzliche Debatten um die Frage, ob Zukunftsnarrationen überhaupt ein Bestandteil des Geschichtsbuches sein sollten, zeigten sich jedoch nicht. Auch die ›gesellschaftlichen Akteure‹, die die Forschung häufig beschrieb, konnten in den analysierten Prozessen nicht ausgemacht werden, da die Zusammensetzung der Autorenteams aus Geschichtslehrern, Fachwissenschaftlern und -didaktikern kaum als variantenreiches gesellschaftliches Panorama bezeichnet werden kann.2678 Historiker, Geschichtsdidaktiker und Fachlehrer 2676 Höhne 2003, S. 45. Damit tritt Höhne in der Schulbuchforschung in die prominenten Fußstapfen von Schallenberger, der diese gesellschaftliche und reflektierende Funktion bereits 1964 beschrieb (vgl. Schallenberger 1964). Schallenberger verwendete seine Schulbuchanalysen, um daraus Rückschlüsse auf das Geschichtsbild »der Wilhelminischen Ära und der Weimarer Republik« abzuleiten. Höhne baut auf dieser historischen Fragestellung von der Gebundenheit des Buches an die gesellschaftliche Struktur seiner Entstehungszeit auf, um die medientheoretische Funktion des Schulbuches zu beschreiben. 2677 Ebd., S. 61. 2678 Ein Zugeständnis soll an dieser Stelle gemacht werden, da an der Prüfung von Geschichtsbüchern für die unteren Klassen der Volksschulen in einigen Fällen in Bayern und Rheinland-Pfalz auch die Landeskirchen beteiligt und um Gutachten gebeten wurden. Eine spezifisch ›religiöse Dimension‹ auf die Autorentexte ließ sich dabei allerdings nicht feststellen. Sie monierten – wie die pädagogischen Gutachter auch – verknappte Darstellungen und sachliche Mängel. Dass sich die kirchliche Kritik dabei vor allem auf

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– und bis auf eine Handvoll Ausnahmen weiblicher Akteure trifft das Maskulinum die Gruppe der Akteure – verfassten Geschichtsbücher. Durch die Ministerien wurden Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer mit der Prüfung der Bücher beauftragt. Die Landesschulbuchkommission in Nordrhein-Westfalen berücksichtigte zwar, dass Akteure verschiedener gesellschaftlicher Gruppen vertreten waren, doch wurden die Gutachten zu den Geschichtsbüchern in den einzelnen fachlichen Sektionen erstellt, die wiederum mit Geschichtslehrern und Fachdidaktikern besetzt waren. In den Plenarsitzungen mit der gesamten Kommission wurden die Gutachten verabschiedet und Entschlüsse gefasst. Aus den Protokollen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, waren keine Debatten unter Beteiligung der beschriebenen ›gesellschaftlichen Akteure‹ ersichtlich. Innerhalb der Landesschulbuchkommission entstanden Konflikte aufgrund unterschiedlicher didaktischer Anforderungen der Mitglieder, die sich allerdings nicht an Deutungen der Zukunft entzündeten. In Bezug auf die Frage nach Auseinandersetzungen der Akteure auf dem Feld ›Schulbuchproduktion‹ lässt sich für die DDR eine hierarchisch bedingte Korrekturpraxis der Zukunftsnarrationen beschreiben. Im Verlauf des Schreib- und Korrekturprozesses zeichnete sich zwischen den Akteuren der verschiedenen Institutionen ein Einverständnis hinsichtlich der entworfenen Schulbuch-Zukunft in den Lehrbüchern der DDR ab. In den Korrekturen der Autorenmanuskripte und den Gutachten zeigte sich ein Konsens über die Darstellung der Zukunft. Wie das dritte Kapitel darstellte, wurden Kürzungen der Zukunftsnarrationen in einem letzten Korrekturverfahren vor der Drucklegung des Buches vollzogen. Ausführliche und präzise Beschreibungen der Schulbuch-Zukunft wurden vor der Drucklegung des Manuskripts korrigiert und reduziert, was die hierarchische Struktur des Feldes für die Produktion in der DDR verdeutlicht. Es war den Führungen von Partei und Staat vorbehalten, an den Geschichtsbüchern der Klasse 10 abschließende Korrekturen durchzuführen. Diese bedurften auch keiner Aushandlung, sondern konnten hierarchiebedingt von Hager und Honecker durchgesetzt werden. Für die DDR zeigte sich demnach im Feld ›Schulbuchproduktion‹ ebenfalls, dass die Autoren, Gutachter und Verlagsredakteure häufig konsensual in Bezug auf die Schulbuch-Zukunft agierten. Das Medium Geschichtsbuch und die Akteure interagierten also in zweierlei Hinsicht auf dem Feld: Erstens auf der inhaltlichen Ebene, da Geschichtsbücher einer Schulbuch-Zukunft mit einer spezifischen inhaltlichen wie strukturellen kirchengeschichtliche Geschichtspunkte bezog, kann noch nicht als spezifisch ›religiöse Dimension‹ bezeichnet werden. Ausführlich dazu: Schmitz-Zerres, Sabrina: Zur Bedeutung der religiösen Dimension des historischen Lernens. Zulassungsverfahren von Geschichtsbüchern für die Volksschule in Rheinland-Pfalz in der ersten Hälfte der 1950erJahre in: Stimac, Zrinka (Hg.): Schulbuch und religiöse Vielfalt. Interdisziplinäre Perspektiven. Göttingen 2017, S. 201–219.

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Gestaltung bedurften. Zweitens in Bezug auf die Tatsache, dass Zukunftsbezüge überhaupt einen Platz im Geschichtsbuch fanden. Diesem Befund wird sich aus theoretischer Perspektvive im Folgenden zunächst durch die Frage nach der didaktisch begründeten »Eigenlogik des Mediums«2679 Schulbuch genähert, um daraus abzuleiten, inwiefern Zukunftsnarrationen als geschichtsdidaktisches Spezifikum Teil des Geschichtsbuches sind. Thünemann beschreibt die Tatsache, dass Schulbücher »in erster Linie eine didaktische Funktion erfüllen sollen«2680, woraus sich eine mediale Eigenlogik ergebe, »die sich von der Logik anderer geschichtskultureller Medien grundlegend unterscheidet«2681. Vertieft man diese Überlegung, stellt sich die Frage, welche konkreten Auswirkung diese Annahme auf das Schulbuch hat: Eine besondere sprachliche Gestaltung und Adressatengerichtetheit der Texte, aber auch spezielle Kriterien zur Auswahl fachlicher Inhalte sind demnach Spezifika des Schulbuches. Mit dem »Schulbuchwissen«2682 ist im Unterschied zu anderen Medien, eine besondere »didaktische Strukturierung«2683 verbunden. Damit verknüpft ist auch ein intergenerationaler Bezug, da die Schulbuchinhalte »ausgewählt und an kommende Generationen weitergegeben«2684 werden. Teil dieser Eigenlogik ist auch die politische Funktion der Unterrichtsmedien, wie sie von Stein in der Beschreibung des Schulbuches als »Politikum« und »pädagogisches Hilfsmittel«2685 benannt wurde. Neben der pädagogischen Funktion wird damit auch der politische und instrumentelle Charakter der Schulbücher betont.2686 Zur Konkretisierung des Begriffs der Eigenlogik, der das gesamte Medium einschließt, schlägt diese Arbeit den Terminus Gattungslogik vor. In Anlehnung an den literaturwissenschaftlichen Begriff der »Textgattungen«2687 soll die bisherige Formulierung einer »Eigenlogik des Mediums«2688 hin zum Begriff der Gattungslogik des Autorentextes konkretisiert werden. Eine Textgattung erfordert bestimmte invariante Merkmale, nach der sie klassifiziert und differenziert werden kann. Für die Textgattung »Autorentext« gehören zu diesen Invarianten die fachliche Korrektheit des Textes, eine für Schüler angemessene sprachliche 2679 Schönemann/Thünemann 2010, S. 7. 2680 Thünemann, Holger : Zeitgeschichte im Schulbuch. Normative Überlegungen, empirische Befunde und pragmatische Konsequenzen, in: Alavi, Bettina u. a. (Hg.): Zeitgeschichte. Medien, Historische Bildung. Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik, Band 2. Göttingen 2010, S. 118. 2681 Ebd. 2682 Höhne 2003, S. 80. 2683 Ebd. 2684 Lässig 2012, S. 47. 2685 Stein, S. 7. 2686 Ebd., S. 8. 2687 Allkemper, Alo/Eke, Norbert Otto: Literaturwissenschaft, 5. Aufl. Paderborn 2016, S. 95. 2688 Schönemann/Thünemann 2010, S. 7.

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Gestaltung sowie bestimmte Erzählstrukturen, die der politischen und pädagogischen Funktion des Schulbuches Rechnung tragen. Die Gattungslogik des Autorentextes im Geschichtsbuch umfasst gleichsam die grundsätzliche pädagogische und politische Funktion sowie deren per se zukunftsorientierten Charakter. Auch ohne dass Lehrpläne oder didaktische Konzeptionen es explizit hervorheben, ist es in Geschichtsbüchern fundamental verankert, Schülerinnen und Schülern durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit ihre gestalterische Verantwortung für die Zukunft zu vermitteln. Diese normative Vorgabe basiert auf der grundsätzlichen pädagogischen Funktion von Schule. Das bildungspolitische Ziel wird in den Lehrplänen sowohl auf der allgemeinen Ebene ausgeführt wie auch auf der fachspezifischen Ebene mit Inhalten verknüpft. Von der administrativen Grundlage ausgehend und den Bildungsauftrag operationalisierend nimmt die Gattungslogik des Autorentextes Einfluss auf dessen narrative Gestaltung im Geschichtsbuch. In Bezug auf die Zukunftsnarrationen bestimmt sie die Auswahl der Inhalte der Textabschnitte sowie deren narrative Struktur, zu der auch das Vorhandensein expliziter oder impliziter appellativer Elemente im Text zählt. Wie Rohbeck herausgearbeitet hat, ist die didaktisierte Zukunft mit besonderen Plot-Strukturen verbunden, denn auch die Gestalt der Zukunftsszenarien evoziert das intendierte Schülerhandeln.2689 Dabei wurde in der Analyse des ersten Kapitels bereits deutlich, dass zwei Erzählstrukturen die Zukunftsnarrationen dominierten: Erstens die drohende Tragödie bzw. Apokalypse, die es zu verhindern und zweitens die Romanze, die es zu befördern gelte. Zur Vergangenheit knüpfen die Zukunftserzählungen ebenfalls besondere Bögen, die sich von den übrigen Darstellungstexten unterscheiden. Mit der Gattungslogik ist also eine spezielle Erzählform des Darstellungstextes verbunden. Rüsen differenzierte vier Typen des Erzählens: das traditionale, das exemplarische, das genetische und das kritische Erzählen.2690 Der Bezug dieser Formen des Erzählens und damit der historischen Sinnbildung auf die Gestaltung der Zukunftsnarrationen hilft, den Begriff der Gattungslogik zu konkretisieren und zu zeigen, dass mit der Darstellungsform des Autorentextes bestimmte erzählerische Formen verknüpft sind, um die didaktische Funktionalität des Geschichtsbuches zu erfüllen. Dabei geht es insbesondere um die Konstruktion der Verbindungen zwischen den drei Zeitebenen. Die erste Rüsensche Erzählform ist die traditionale Erzählung, die die beiden Dimensionen damals und jetzt »in die Stetigkeit einer Sinnkontinuität«2691 zusammenschließt. Die dominierende Zeitvorstellung dieser Narrationen sei die »der Dauer im

2689 Vgl. Rohbeck 2013, S. 38–43. 2690 Rüsen 2013, S. 210–213. 2691 Ebd., S. 210.

Die Gattungslogik und ihr Einfluss auf die Produktion des Geschichtsbuches

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Wandel.«2692 Die Fülle der Veränderungen wird durch diese Erzählform »in der Dauer eines normativ-paradigmatischen Geschehen stillgestellt.«2693 Rüsens zweite Kategorie ist die »exemplarische Sinnbildung«2694, die aus den einzelnen historischen Ereignissen »allgemeine Handlungsregeln mit überzeitlicher Geltung«2695 destilliert. Im Sinne Ciceros »historia magistra vitae«2696 lehre die Geschichte »aus einzelnen Fällen allgemeine Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Lebensordnung zu generieren«2697. Der traditionalen Erzählweise stellt Rüsen die genetische Form gegenüber, die die Vergangenheit unter dem Aspekt der Alterität betrachtet und ihren Schwerpunkt auf die Entwicklung und Veränderung der Lebensformen legte. Der genetischen Erzählform wird ein deutlicher Zukunftsbezug zugeschrieben, da Geschichte so erzählt werde, dass sich das menschliche Handeln »auf Zukunftsentwürfe hin orientieren«2698 würde. Im Gegensatz zur traditionalen Erzählung fehle der genetischen »die Fundierung ihrer Identität auf festen Grundlagen normativer Art«2699. Sie stelle dem menschlichen Subjekt »vor Zwänge selbstverantworteter Gestaltung«2700. An der Erläuterung der drei Erzählweisen wird deutlich, dass die Zukunftsnarrationen eine Mischform darstellen. Durch die thematische Ausdehnung gegenwärtiger Konflikte in die Zukunft schaffen sie Kontinuität und betonen die Dauerhaftigkeit der Schwierigkeiten. Damit entsprechen sie teils dem traditionalen Erzähltypus, doch kennzeichnen sie auch Elemente der exemplarischen Erzählform: Als Folge der Darstellung historischer Ereignisse sollen für die Zukunft Handlungsregeln abgeleitet werden. Die Geschichte ist die Lehrmeisterin für die Zukunft, da deren Kontingenz durch traditionales Erzählen narrativ in Kontinuität verwandelt wird. Die genetische Erzählform ist zwar die, die die Akteure in ihren Konzeptionen intendierten, doch in den Zukunftsnarrationen wurde weniger die Entwicklung betont, als die Dauerhaftigkeit der gegenwärtigen Situation. Die Darstellung der Vergangenheit erfüllte im Hinblick auf die Zukunftsnarrationen die Funktion der Lehrmeisterin. Aus der Geschichte und den Erfahrungen der Gegenwart wurden Zukunftsszenarien abgeleitet, um für Schülerinnen und Schüler Orientierung zu schaffen, entweder in Form von Kontinuität oder von Alterität. Die Wahl dieses Geschichtsbildes geschieht nicht aufgrund der Neigung der 2692 2693 2694 2695 2696 2697 2698 2699 2700

Ebd., S. 211. Ebd. Ebd. Ebd. Cicero, De oratore II, 36 (nach Merklin, Harald: Cicero. De oratore. Stuttgart 2003). Rüsen 2013, S. 211. Ebd., S. 213. Ebd. Ebd.

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Die Funktion der Zukunftsnarrationen – ein Resümee

am Produktionsprozess beteiligten Akteure zu einer didaktischen oder geschichtswissenschaftlichen Denkschule, sondern aufgrund der Gattungslogik des Autorentextes. Er glaubt seine politische und pädagogische Funktion, zur Ausbildung der aktiven und mündigen Bürger von morgen beizutragen, nur dann erfüllen zu können, wenn den Schülerinnen und Schülern die Herausforderungen der Zukunft aufgezeigt und ihnen zugleich Handlungsanweisungen vermittelt werden. Geschähe dies nicht – welche zukunftsweisende Funktion bliebe dem Geschichtsbuch dann noch? Wie kann die Kontingenz möglicher Ereignisse vermittelt werden? – so die Herausforderung für die Schulbuchproduzenten. Sie alle wussten um die orientierungsstiftende Funktion des Geschichtsunterrichts und gestalteten die Geschichtsbücher didaktisch innovativ. Doch angesichts der Aufgabe, aus dem deklarativen Wissen der Geschichtsdarstellung den kognitiven Prozess zur Produktion prozeduralen Wissens anzustoßen, damit die Orientierungsleistung der Schülerinnen und Schüler für die Zukunft angeregt werde, erschufen die Akteure Zukunftsbeschreibungen, die als deklaratives Wissen verstanden werden können. Diese bedienten sich –beinahe schon notwendigerweise– der Ereignisse der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart, um die Zukunft zu beschreiben. Damit dominiert nicht der Historismus die Geschichtsbücher, wie Schmidt-Sinns konstatierte2701, sondern die pädagogische Funktion, wie sie vielfach beschrieben wurde, die dem Medium als Teil der Eigenlogik inhärent ist: Klafki beschrieb es als Aufgabe, sich mit der »sich abzeichnenden Zukunft«2702 zu beschäftigen und »Schlüsselprobleme«2703 zu benennen. Für den Geschichtsunterricht beschrieb Rohlfes die Möglichkeit, auch die »nächste Zukunft«2704 in die Betrachtung einzuschließen. Welche andere Möglichkeit gäbe es auch, wenn eine kontingente Zukunft beschrieben werden sollte und die Erfahrungen der Vergangenheit nicht mehr zu den Erwartungen passten? Welche Aufgabe bliebe dem Geschichtsunterricht und der Schule allgemein, wenn die Schülerinnen und Schüler nicht mehr auf ihr künftiges Handeln vorbereitet werden könnten? Bergmann hat anstelle des Topos vom »Lernen aus der Geschichte« das »Lernen an der Geschichte«2705 in die Diskussion eingebracht, indem die historische Dimension um »Sinnzusammenhänge, die zwischen Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit hergestellt werden können und den Reichtum der Geschichte erschließen« erweitert würde. Auf diese Weise würde keine inhaltliche Kontinuität gestiftet, sondern nach 2701 Vgl. Schmidt-Sinns, Dieter : Der Krieg im Geschichtsbuch und die Erziehung zum Frieden, in: Gesellschaft, Staat, Erziehung 18 (1971), S. 169. 2702 Klafki 2007, S. 53. 2703 Ebd. 2704 Rohlfes 2005, S. 214. 2705 Bergmann 1981, S. 55 und vgl. dazu auch Dreßler, Jens: Vom Sinn des Lernens an der Geschichte. Historische Bildung in schultheoretischer Sicht. Stuttgart 2012.

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strukturellen Ähnlichkeiten gefragt. Der orientierungsstiftende Funktion könnten der Geschichtsunterricht und die dazugehörigen Lehrwerke auch nachkommen, indem sie die Kontingenz der Zukunft in den Mittelpunkt rückten. Dies kann in historisierender Perspektive gesehen, indem gefragt wird, an welchen Stellen Kontingenz in der Vergangenheit zutage tritt und welche Umgangsformen Menschen mit Ungewissheit wählten. Die Kontingenz der Zukunft kann auch in prospektiver Weise auf metahistorischer Ebene reflektiert werden, wenn Geschichtsunterricht fragt, welche Beschäftigungsformen es braucht, um Schülerinnen und Schüler auf die unbekannte Zukunft vorzubereiten.2706 Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, welchen Weg die Geschichtsbücher der Bundesrepublik und der DDR von 1950 bis 1995 wählten. Aus der politischen und pädagogischen Funktion von Schule allgemein und dem Geschichtsunterricht im Besonderen wurde die Schaffung einer Schulbuch-Zukunft mit bestimmten Themen und Narrativen abgeleitet. Auch wenn die Akteure in ihren geschichtsdidaktischen Ausführungen andere pädagogische Konzepte formulierten, in ihren didaktischen Praktiken stellten sie einen inhaltlich linearen Zusammenhang zwischen der Gegenwart und der Zukunft her. Die Schulbuch-Zukunft wurde als Element des Geschichtsbuchs verstanden und gelobt, wenn nicht sogar eingefordert. Diese Form der didaktischen Operationalisierung einer der kontingenten Zukunft steckt als implizites Wissen in den Produktionspraktiken der Akteure. Die Gattungslogik des Autorentextes stellt damit einen wesentlichen performativen Faktor in der Schulbuchproduktion dar und bestimmt auf diese Weise die spezifische semantische wie narrative Gestaltung der Schulbuch-Zukunft mit.

2706 Vgl. Bernhardt, Markus: Historia magistra vitae? Zum Gegenwarts- und Zukunftsbezug des Geschichtsunterrichts, in: Bernhardt, Markus u. a. (Hg.): Geschichtsunterricht im 21. Jahrhundert. Eine geschichtsdidaktische Standortbestimmung. Göttingen 2018, S. 131–143.

VI

Abkürzungsverzeichnis

APW BArch BayHStA BBF BWA DPZI DZfV LAV NRW LHA RP LSBK SED SMAD VA ZK

Akademie der Pädagogischen Wissenschaften Bundesarchiv Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung Bayerisches Wirtschaftsarchiv Deutsches Pädagogisches Zentralinstitut Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Landeshauptarchiv Rheinland-Pfalz Landesschulbuchkommission Politische Bildung Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sowjetische Militäradministration Verlagsausschuss Zentralkomitee

VII

Quellen

1.

Nicht gedruckte Quellen

1.1

Archiv der Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung

Bestand APW APW 10145:

Verlagsausschuss der APW: Protokoll der 2. Sitzung des Verlagsausschusses, 14. 1. 1977. APW 11034/1: Protokoll der Beratung beim Präsidenten, 10. 10. 1986. Zum Stand der Arbeiten an Lehrbüchern und Unterrichtshilfen im Fach Geschichte, 2. 9. 1986. APW 72532: Verlagsausschuss der APW: Arbeitsplan für das I. Quartal (einschließlich Vorlage April 1977), 28. 12. 1976. APW 104541: Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Aktennotiz nach Gespräch am 21. 3. 1984. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Maßnahmenplan für die Weiterführung der Arbeiten zum Geschichtsunterricht bis zum XI. Parteitag der SED, 22. 1. 1985. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Standpunkt der Führungsgruppe für die Arbeiten zur Weiterentwicklung des Geschichtsunterrichts zu den Ergebnissen bzw. Materialien der eingesetzten Arbeitsgruppen, 19. 1. 1984. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Stoffübersicht für die Klasse 10 mit Anmerkungen Margot Honeckers, darin, Stoffeinheit 4, S. 5, 5. 11. 1984. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften: Vorschläge für die Zusammensetzung der zentralen Führungsgruppe, von Arbeitsgruppen sowie von Autorenkollektiven, 8. 1. 1984.

482 1.2

Quellen

Bundesarchiv

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DR/200/3969: DR/200/3970: DR/200/3971: DR/200/3972: DR/200/3973:

DR/200/3977: DR/200/3978: DR/200/3980: DR/200/4020:

DR/200/4081: DR/200/4135: DR/200/4181: DR/200/4182:

DR/200/4184: DR/200/4235:

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Nicht gedruckte Quellen

485

DR/200/4480: Brief J. an D., 12. 11. 1976. Brief J. an D., 15. 12. 1975. Brief J. an D., 9. 4. 1976. Gutachten B., 26. 6. 1976. Gutachten B., Juli 1976. Gutachten Do., 20. 7. 1976. Gutachten Do., 10. 1. 1977. Gutachten G., 16. 7. 1976. Gutachten H., 11. 7. 1976. Gutachten K., 15. 7. 1976. Gutachten L., 8. 7. 1976. Gutachten L., undatiert. Gutachten L., 4. 7. 1976. Gutachten N., undatiert. Gutachten P., 13. 7. 1976. Gutachten S, 18. 7. 1976. Gutachten S.,14. 7. 1976. Gutachten S., 10. 7. 1976. Gutachten T., 26. 7. 1976. Gutachten W., 14. 7. 1976. Stellungnahme D., 5. 12. 1976. Verlagsausschuss der APW: Protokoll der 2. Sitzung des Verlagsausschusses, 14. 1. 1977. DR/200/4539: Autorenmanuskript »Geschichte in Übersichten«, undatiert. DR/200/4545: Autorenmanuskript »Geschichte in Übersichten«, Kapitel 38.5. DR/200/4546: Akte mit der ›älteren‹ ersten Manuskriptfassung, undatiert. DR/200/4595: Autorenmanuskript zu »Geschichtsbuch 11 10 09–1«, undatiert. DR/200/4596: Impressum und Autorenmanuskript des »Lehrbuchs für Klasse 10«, 1977. DR/200/4597: Autorenmanuskript zu »Geschichtsbuch 11 10 09–1«, undatiert. DR/200/4682: Autorenmanuskript »Lehrbuch Geschichte 10/2«, Kapitel 5.1.1, 8. 2. 1971. Redaktionsexemplar »Lehrbuch Geschichte 10/2« undatiert. DR/200/4683: Autorenmanuskript »Lehrbuch Geschichte 10/2« Kapitel 5.5, undatiert. DR/200/4688: Redaktionelle Stellungnahme des Lehrbuches »Geschichte 11 10 07–1«, 17. 8. 1971. DR/200/4690: Fahnenkorrekturen Do. zu »Lehrbuch Geschichte 10«, 2. 11. 1971. DR/200/4895: Auszug aus dem Protokoll der 24. Sitzung des Verlagsausschusses am 8. 9. 1971. Brief G. an Volk und Wissen-Verlag, 5. 3. 1970. Brief J. an die Gutachter, 11. 2. 1971. Brief Volk und Wissen-Verlag an die Autoren, 2. 6. 1971. Gutachten B., 16. 3. 1971. Gutachten G., 11. 3. 1971. Gutachten Hauptabteilung Unterricht I, 30. 6. 1971. Gutachten K., 10. 3. 1971. Gutachten S., 4. 4. 1971. Verlagsausschuss: Auszug aus dem Protokoll der 19. Sitzung des Ver-

486

Quellen

lagsausschusses, 2. 7. 1971. Volk und Wissen-Verlag: Vordruck Planabweichung zum Produktionsplan, 12. 7. 1971. DR/200/4896: Volk und Wissen-Verlag: Expos8 zum Geschichtsbuch der 10. Klasse, undatiert.

1.3

Bayerisches Hauptstaatsarchiv

Bestand Bayerischer Schulbuchverlag Nr. 403: Aktennotiz zu »Projekt Geschichte Hauptschule NRW«, 27. 10. 1988. Aktennotizen des Mitarbeiters Z. zu Besprechungen mit Mitgliedern der Lehrplankommission NRW in Soest, 24. 10. 1988 und 26. 10. 1988.

Bestand MK MK 62120: Brief des Ministeriums an die Bezirksregierungen, 16. 11. 1967. Brief des Ministeriums, 14. 11. 1965. Brief des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an die Bezirksregierungen, 16. 11. 1967. MK 63818: Aktennotiz 1. 3. 1950. Aktennotiz 27. 3. 1951. Aktennotiz 28. 7. 1951. Aktennotizen B., 4.4 und 5. 4. 1950. Brief des Bayerischen Schulbuchverlags an das Bayerische Staatsministerium für Unterrichts und Kultus, 22. 11. 1950. MK 63820: Aktennotiz B. an das Referat 21, 1. 12. 1952. Gutachten der Abteilung II, 9. 8. 1952. Gutachten H., 29. 4. 1952. MK 63825: Briefentwurf des Ministeriums, 4. 2. 1955. Gutachten R., 1. 4. 1964. handschriftliche Notiz auf dem Brief des C.C. Buchners Verlags, 6. 11. 1963. MK 63826: handschriftliche Benennung der Gutachter auf Brief des C.C. Buchners Verlags, 5. 10. 1964. MK 63831: Gutachten L., 14. 11. 1973. MK 63835: Briefvorlage des Ministeriums vom 14. 7. 1959. Gutachten E., 7. 9. 1959. MK 63836: Brief des Blutenberg Verlags, 18. 6. 1959. Brief des Referats an H. E., 19. 10. 1960. Gutachten G., 31. 1. 1958. Handschriftliche Notiz auf Gutachten K., 10. 9. 1959. MK 63838: Briefentwurf des Ministeriums, 12. 1. 1956. MK 64256: Brief H., 15. 5. 1959. Gutachten B., 26. 2. 1958.

Nicht gedruckte Quellen

MK 64261:

MK 64263:

MK 64265: MK 64268:

MK 64272:

MK 64518:

MK 64519: MK 64520:

MK 64521: MK 64526:

487

Gutachten., 28. 5. 1972. Gutachten., 8. 4. 1959. Aktennotiz 22. 6. 1972. Brief des Diesterweg Verlags, 30. 6. 1972. Brief W. J. an das Ministerium, 12. 6. 1972. Gutachten J. / Institut für Zeitgeschichte, 10. 6. 1972. Gutachten K., 14. 6. 1972. Vormerkung des Referats 3, 10. 7. 1972. Aktennotiz, 16. 4. 1968. Aktennotiz, 30. 4. 1968. Gutachten B., 30. 9. 1965. Gutachten K., 28. 3. 1968. Gutachten N., 20. 3. 1968. Brief des Schöningh Verlags, 25. 11. 1968. Aktennotiz 29. 5. 1972, Empfangsbestätigung, 30. 1. 1973. Aktennotiz 9. 11. 1973. Aktennotiz des Referat III, 20. 3. 1973. Aktennotiz des Referats III, 30. 6. 1972. Aktennotiz, 13. 11. 1972. Brief des Instituts für Zeitgeschichte, 12. 4. 1973. Brief des Instituts für Zeitgeschichte, 9. 6. 1972. Brief des Ministeriums, 25. 7. 1972. Brief des Oldenbourg Verlags mit Notizen des Referats, 14. 3. 1972 sowie handschriftlicher Vermerk auf Beiblatt (ohne Überschrift), 12. 4. 1972. Brief S., 1. 12. 1973. Gutachten G., 27. 4. 1972. Gutachten S., 22. 1. 1973. Brief des Kösel Verlags, 14. 3. 1963. Briefentwurf des Ministeriums, 10. 3. 1971. Gutachten H., 2. 5. 1963. Aktennotiz 12. 9. 1953. Aktennotiz 13. 10. 1952. Aktennotiz 29. 9. 1952. Brief B., 16. 7. 1957. Brief des Ministeriums, 15. 7. 1957. Brief des Bayerischen Schulbuchverlags an das Ministerium, 28. 7. 1964. Brief des Ministeriums, 21. 12. 1967. Gutachten K., 21. 6. 1964. Gutachten W., 15. 6. 1969. Brief E., 17. 12. 1973 Interne Briefvorlage 29. 8. 1972 Brief des Oldenbourg Verlags, 7. 8. 1962

488 1.4

Quellen

Bayerisches Wirtschaftsarchiv

Bestand F 28 F 28: Brief des C.C.Buchners Verlags, Mai 1984 Ordner »Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 1970/1971 Gutachten zu »Unser Weg in die Gegenwart, Band 4, Neueste Zeit« und Brief des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, 11. 3. 1971 Ordner »Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 1983, 1: Gutachten zu »Geschichte für Realschulen, Band 3, Neuzeit« und Brief des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, 19. 5. 1983 668: Beurteilungsbogen C.C.Buchners Verlag 671: Vgl. Beurteilungsbögen zu »Geschichtliches Werden, Band 1–3« von D. (3. 10. 1969); F. (19. 4. 1970); G. (20. 1. 1971); L. (30. 9. 1970); P. (15. 1. 1970), R. (7. 11. 1969); S. (23. 9. 1970); S. (10. 2. 1970).

1.5

Landesarchiv Nordrhein-Westfalen

Bestand NW NW 226 Nr. 166:

NW 842: NW 842 Nr. 813: NW 842 Nr. 815:

Brief des Friedrich Vieweg und Söhne Verlags, 11. 7. 1966. Briefentwurf des Kultusministeriums an die Regierungspräsidenten und die Oberbergämter, 7. 7. 1965. Über die Besprechung betr. Fragen der Lernmittelfreiheit und der Schulbuchgenehmigungen, 19. 10. 1965. Hinweise für die Prüfung von Lehrbüchern für Schulen des Landes NRW. Brief des Referenten des Kultusministers an Hilfsreferentin B., 28. 8. 1985. Kriterien für die Beurteilung von Schulgeschichtsbüchern im Fach Geschichte, 29. 9. 1984. Aktennotiz an Herbert Knepper, 18. 2. 1958. Berufungsschreiben des Ministeriums zur Berufung R.H. an den Regierungspräsidenten Detmold, 3. 7. 1985. Brief des Ministerialrates Knepper an den Kultusminister, 27. 10. 1985. Brief des Ministerialrates Knepper an den Kultusminister, 3. 7. 1985. Handschriftliche Aktennotiz, undatiert. Handschriftliche Notiz, 17.9., auf Brief an das Kultusministerium, 1. 9. 1985.

Nicht gedruckte Quellen

NW 842 Nr. 891:

489

Brief des Ministeriums, 20. 9. 1984. Handschriftliche Notiz »m.d.B. um Prüferbenennung« vom 10. 9. 1984 auf dem Brief des Schroedel Verlags vom 30. 8. 1984. NW 842 Nr. 901: Endgutachten der LSBK zu G 204/82, Dezember 1982. Handschriftliche Notiz auf Endgutachten zu G 204/82, Dezember 1982. NW 842 Nr. 902: handschriftliche Aktennotiz auf Brief des Schöningh Verlags, 15. 6. 1981. NW 842 Nr. 904: Einzelgutachten zu »Zeitaufnahme Band 34«, März 1983. Gutachten der Landesschulbuchkommission, April 1983. Handschriftliche Notiz auf Gutachten zu G 220/82, April 1983. NW 842 Nr. 912: Brief des Hirschgraben Verlags an das Kultusministerium, 31. 1. 1983. Brief des Vorsitzenden der Sektion Geschichte an Knepper, 21. 4. 1983. Gedächtnisprotokoll E.M. zum Gespräch mit Vertretern der Sektion Geschichte der Landesschulbuchkommission Politische Bildung vom 15. 6. 1983. Ordner Gründung LSBK: Aktennotiz, 27. 5. 1973. Aktenvermerk, 20. 11. 1973. Benennung des Fachleiters L. aus Düsseldorf, Brief von Knepper vom 20. 11. 1973 zur Berufung des Fachleiters W. aus Dortmund und Brief vom 4. 6. 1975 zur Benennung des Fachleiters W. aus Münster. Brief an den Kultusminister, 4. 6. 1975. Brief der Gruppe IIIA an Knepper, 12. 11. 1979. Brief des Ministerialrates Knepper an den Kultusminister, 27. 4. 1972. Brief Kneppers an den Kultusminister, 21. 9. 1977. Brief Kneppers an den Kultusminister, 27. 4. 1972. Brief von Knepper an den Kultusminister, 2. 10. 1979. Brief von Knepper an den Kultusminister, 4. 6. 1975. Ergebnisprotokoll der Sitzung am 2. 3. 1994. Gutachten der Landesschulbuchkommission G 271/86, Februar 1987. Gutachten der Landesschulbuchkommission G 285/86, Februar 1987. Protokoll der Plenarsitzung am 16. 3. 1994. Protokoll der Plenarsitzung der Landesschulbuchkommission Politische Bildung, 10. 2. 1993. Protokoll der Sitzung der Landesschulbuchkommission, 17. 3. 1993.

490 1.6

Quellen

Landeshauptarchiv Rheinland-Pfalz

Bestand Nr. 910 910/1461: Brief der Landesregierung Rheinland-Pfalz an die Verlagsbuchhandlung Metzler, 7. 9. 1949. Briefentwurf des Ministeriums, 23. 5. 1951. handschriftliche Aktennotiz, 10. 2. 1950. 910/1471: Gutachten F., 28. 8. 1950. Gutachten zu Ploetz »Hauptdaten der Weltgeschichte« vom 28. 8. 1950. Gutachten F., 4. 9. 1950. 910/1542: Aktennotiz 20. 2. 1952. Brief A., 24. 1. 1952. Brief B., 9. 2. 1952. Brief des Diesterweg Verlags, 20. 9. 1951. Brief des Diesterweg Verlags, 5. 9. 1950. Brief F., 14. 1. 1951. Brief F., 21. 11. 1950. Briefentwurf des Ministeriums, 21. 5. 1951. Briefentwurf des Ministeriums, 22. 2. 1952. Briefentwurf des Ministeriums, 25. 1. 1952. Briefentwurf des Ministeriums, 26. 6. 1951. Briefentwurf des Ministeriums, 28. 11. 1950. Briefentwurf des Ministeriums, 29. 3. 1952. Briefentwurf, 2. 1. 1951. Briefentwurf, 30. 1. 1951. Gutachten P., 6. 5. 1952. Gutachten S., 25. 11. 1950. Handschriftliche Notiz auf Brief F., 27. 11. 1950. 910/1543: Brief F., 25. 10. 1952. Briefentwurf des Ministeriums, 1. 9. 1952. Briefentwurf des Ministeriums, 17. 10. 1952. Briefentwurf des Ministeriums, 25. 2. 1953. Briefentwurf des Ministeriums, 7. 10. 1952. Gutachten G., 30. 1. 1953. Gutachten Z., 5. 11. 1951. Handschriftliche Notiz auf Gutachten B., 27. 9. 1952. Handschriftliche Notiz auf Gutachten G., 24. 2. 1953. Stellungnahme Borgmeyer Verlag, 23. 9. 1952. Stellungnahme F., 15. 11. 1963. 910/1544: Aktennotiz auf Brief des staatlichen Gymnasiums Betzdorf / Sieg, 30. 6. 1953. Brief des Schöningh Verlags, 23. 5. 1953. Gutachten S., 20. 8. 1952. 910/1545: Brief V., 30. 11. 1954. Briefentwurf des Ministeriums, 4. 11. 1954.

Nicht gedruckte Quellen

910/1546:

910/1547:

910/4602:

910/4869: 910/14869:

910/14870:

910/14871:

910/14872:

910/15014:

Briefentwurf des Ministeriums, 5. 7. 1954. Gutachten V., 10. 10. 1954. Brief F., 22. 9. 1956. Briefentwurf des Ministeriums 5. 12. 1956. Briefentwurf des Ministeriums, 16. 4. 1957. Briefentwurf des Ministeriums, 17. 9. 1956. Briefentwurf des Ministeriums, 20. 8. 1956. Briefentwurf des Ministeriums, 27. 9. 1956. Handschriftliche Notiz auf Brief F., 27. 9. 1956. Briefentwurf des Ministeriums, 11. 11. 1957. Briefentwurf des Ministeriums, 16. 5. 1961. Gutachten P., 17. 7. 1961. Anonymes Gutachten, undatiert. Briefentwurf des Ministeriums, 20. 3. 1954. Gutachten H., 27. 10. 1952. Gutachten G., 29. 11. 1951. Brief der Bezirksregierung Koblenz, 5. 10. 1962. Brief der Bezirksregierung Montabaur, 31. 8. 1962. Brief der Bezirksregierung der Pfalz, 1. 8. 1962. Brief des Hirschgraben Verlags, 16. 5. 1962. Briefentwurf des Ministeriums, 25. 09. 1961. Briefentwurf des Ministeriums, 30. 1. 1962. Gutachten F., 12. 5. 1961. Gutachten G., 21. 9. 1961. Gutachten M., 31. 8. 1962. Handschriftliche Notizen auf Briefvorlage des Ministeriums, 30. 1. 1962. Brief der Bezirksregierung Montabaur, 6. 11. 1964. Brief des Hirschgraben Verlags, 6. 10. 1964. Briefentwurf des Ministeriums, 26. 6. 1964. Gutachten A., 3. 8. 1964. Gutachten F., 21. 4. 1963. Gutachten H., 4. 10. 1963. Gutachten O., 11. 3. 1963. Handschriftliche Notiz auf Brief des Hirschgraben Verlags, 12. 10. 1963. Handschriftliche Notiz auf Brief des Westermann Verlags, 6. 8. 1963. Brief des Diesterweg Verlags, 4. 2. 1974. Gutachten P., 13. 3. 1974. Handschriftliche Notiz auf Brief des Diesterweg Verlags, 11. 4. 1974. Brief des Westermann Verlags, 31. 8. 1970. Gutachten E., 28. 4. 1970. Gutachten H., 18. 1. 1967. Gutachten M., 10. 3. 1972. Gutachten M., 15. 5. 1970. Brief 14. 1. 1972. Brief der Bezirksregierung Koblenz, 3. 11. 1971. Briefentwurf des Ministeriums, 16. 7. 1974.

491

492

Quellen

Briefentwurf des Ministeriums, 27. 12. 1974. Brief der Bezirksregierung Trier, 10. 12. 1971. Gutachten H., 6. 9. 1974. Gutachten N., 11. 3. 1974. Gutachten N., 26. 11. 1971. Gutachten N., 12. 11. 1971. Gutachten N., 30. 3. 1966. 910/15015: Aktennotiz 23. 2. 1953. Briefentwurf des Ministeriums, 27. 3. 1956. Brief der Bezirksregierung Koblenz, 4. 1. 1965. Brief der Bezirksregierung Koblenz, 4. 2. 1963. Briefentwurf, 3. 12. 1962. Briefentwurf des Ministeriums, 11. 3. 1954. Briefentwurf des Ministeriums, 20. 10. 1960. Briefentwurf des Ministeriums, 30. 11. 1953. Gutachten B., 23. 2. 1961. Gutachten H., 24. 1. 1965. Gutachten P., 30. 9. 1964. Gutachten W., 6. 7. 1964. Gutachten W., 7. 12. 1964. Gutachten W., 8. 12. 1964. Handschriftliche Notiz auf Brief des Bayerischen Schulbuchverlags, 17. 11. 1959. handschriftliche Notiz auf Brief des Diesterweg Verlags, 13. 6. 1953. Handschriftliche Notiz auf Brief des Klett Verlags, 15. 9. 1960. Handschriftliche Notiz auf Gutachten L., undatiert.

1.7

Privatbestand J.G.

Brief des baden-württembergischen Kultusministeriums an den Klett-Verlag, 29. 12. 1981. Brief des baden-württembergischen Kultusministeriums an den Klett-Verlag, 29. 06. 1982. Brief G. an den baden-württembergischen Kultusminister M.-V., 7. 2. 1983. Brief M.-V. an G., 24. 3. 1983. Brief G. an Klett Verlag, 30. 3. 1983.

1.8

Privatbestand G.H.

Gutachten der Landesschulbuchkommission zu »Geschichte und Geschehen«, März 1988. Protokoll der Konferenz vom 12./13. 6. 1992 zu »Geschichte und Geschehen« (Neubearbeitung). Protokoll der Konferenz vom 16./17. 10. 1992 zu »Geschichte und Geschehen« Brief des Klett-Verlages, 9. 6. 1993.

Nicht gedruckte Quellen

1.9

493

Privatbestand B.M.

Protokoll der Konferenz am 6. 3. 1982. Protokoll der Konferenz zu Band 4 des geplanten CVK-Geschichtsbuches, 15. 1. 1983. Brief des Cornelsen Verlags an H. und M., 7. 1. 1988. Gegenüberstellung der gutachterlichen Stellungnahme und des Korrekturvorschlags des Verlags als Anlage an den Brief an H. und M. vom 7. 1. 1988. Undatiertes anonymes Gutachten aus Baden-Württemberg als Anlage an Brief des badenwürttembergischen Kultusministeriums, 7. 1. 1988. Brief des Cornelsen Verlags, 26. 4. 1988. Undatiertes, anonymes Gutachten Schleswig-Holstein zu »Geschichtsbuch 4« (ca. 1988). G.S., Cornelsen Verlag: Überarbeitung aufgrund der neuen politischen Entwicklungen, September 1990.

1.10

Verlagsarchiv Westermann

Bestand WUA 5/30: Stichworte für das Schreiben an das Hessische Ministerium für Erziehung und Volksbildung, 26. 6. 1962. Brief B. an H., 25. 1. 1963. Brief B. an H., 15. 2. 1963. Brief B. an H., 22. 3. 1963. Brief B. an H.,11. 5. 1964. Brief H. an S., 16. 5. 1964. Brief H. an Westermann Verlag, 30. 12. 1963.

1.11

Transkripte der Interviews

Transkript zum Interview mit U. A., 6. 8. 2014. Transkript zum Interview mit F. B., 17. 10. 2014. Transkript zum Interview mit J. C., 23. 09. 2014. Transkript zum Interview mit R. E., 24. 09. 2014. Transkript zum Interview mit J. G., 13. 10. 2014. Transkript zum Interview mit W. H., 16. 2. 2015. Transkript zum Interview mit G. H., 26. 1. 2015. Transkript zum Interview mit C. K., 09. 04. 2015. Transkript zum Interview mit H.-J. L., 27. 11. 2014 Transkript zum Interview mit U. M., 9. 12. 2014. Transkript zum Interview mit B. M., 10. 11. 2014. Transkript zum Interview mit F. O., 26. 10. 2015. Transkript zum Interview mit J. R., 10. 11. 2014. Transkript zum Interview mit E. W., 13. 01. 2015.

494

Quellen

Transkript zum Interview mit N. Z., 12. 1. 2015. Transkript zum Interview mit K.-H. Z., 27. 10. 2014.

2.

Gedruckte Quellen

2.1 Geschichtsbücher der Bundesrepublik 2.1.1 Bibliographie der1950er-Jahre Bauer, Ida Maria/Müller, Otto Heinrich: Der Mensch im Wandel der Zeiten. Geschichtsbuch für die deutsche Schule, allgemeine Ausgabe. Hannover 1952. Becker, H. M./Voelske, Arnold: Neueste Zeit .1918 bis heute und Längs- und Querschnitte durch die Geschichte. Geschichtliches Unterrichtswerk für mittlere Schulen. Braunschweig 1956. Beckhaus, K./Furth, Peter/Laege, W.: Lebendige Vergangenheit 6. Erbe und Auftrag. Geschichtliche Betrachtungen in Längs- und Querschnitten. Braunschweig 1957. Boeck, Otto: Mit eigener Kraft. Geschichte 4. Braunschweig 1954. Boeck, Otto: Mit eigener Kraft. Geschichte 4, 7. Auflage. Braunschweig 1959. Brückner, Rudolf/Hoffmann, Waldemar/Müller, Georg: Einst und jetzt. Geschichtsdarstellung vom Altertum bis zur Gegenwart. Hannover 1959. Clemens, Alfons/Paulus, Fritz/Stephan, Bruno: Damals und heute. Offenburg 1956. Deißler, Hans Herbert/Fernis, Hans-Georg: Grundzüge der Geschichte. Vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart. Berlin 1953. Deißler, Hans/Göttling, H./Lehmann, J.: Grundzüge der Geschichte Band 4. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart. Berlin 1958. Deißler Hans Herbert/Mütze, Wilhelm/Sundermann, Karl-Heinrich: Geschichte Band 4. Von 1789 bis zur Gegenwart. 2. Halbband Von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart (Geschichte für Mittel- und Realschulen). Berlin 1955. Ebeling, Hans: Weltgeschichte der Neuesten Zeit II. Das Zeitalter der Weltkriege. Braunschweig 1955. Frank, Gerhard/Frank, Theo/Hess, Adolf/Höfft, Walter/Kaier, Eugen/Wulf, Walter (Arbeitskreis von Geschichtslehrern): Grundzüge der Geschichte. Von der Frühgeschichte Europas bis zur Weltpolitik der Gegenwart. Berlin 1958. Fürnrohr, Walter/Keßel, Willi: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart. Geschichtswerk für höhere Lehranstalten, Mittelstufe. Braunschweig 1957. Habisreutinger, Josef/Krick, Walter : Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950. Berlin 1955. Habisreutinger, Josef/Krick, Walter : Geschichte der neuesten Zeit 1815–1950. Berlin 1959. Herzfeld, Hans: Die moderne Welt, Band 4. Zweiter Halbband: Weltstaatensystem und Massendemokratie. Stuttgart 1951. Hoffmann, Waldemar/Puhlmann, Wilhelm/Schulze, Gertrud/Schwarz, Martha/Seelig, Fritz: Demokratie im Werden. Geschichte der neuesten Zeit von 1849 bis in die Gegenwart. Wege der Völker Band 4. Hannover 1950. Nett, Benedikt: Aus deutscher Vergangenheit. Schülerarbeitsbuch Teil 2 (Ausgabe C Nordwest, Teil 2, 7./8. Schuljahr). Hannover 1954.

Gedruckte Quellen

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2.1.2 Bibliographie der 1960er-Jahre Apfelstedt, Hartmut/Hirschböck, August/Mayer, Simon/Rost, Arthur : Geschichte unseres Volkes 4. Von 1815 bis heute. München 1964. Baitsch, Otto: Unsere Vergangenheit. Geschichtsbuch für die Deutsche Schule. Berlin 1962. Bauer, Ida Maria/Müller, Otto Heinrich: Der Mensch im Wandel der Zeiten. Braunschweig 1961. Becker, H. M./Deermann, B./Voelske, A.: Neueste Zeit von 1917 bis heute. Mit Längs- und Querschnitten durch die Geschichte und mit Quellenanhang. Hannover, Paderborn 1968.

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Gedruckte Quellen

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Gedruckte Quellen

2.2

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Lehrpläne der Bundesrepublik

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2.3

Geschichtsbücher der DDR

Bunde, Werner/Doernberg, Stefan/Erdmann, Horst/Hesselbarth, Horst/Lehfeld, Horst/ Liebscher, Gertraud/Merchel, Walter/Rackow, Gerd/Rath, Werner/Rüting, Herbert/ Zelt, Johannes: Lehrbuch Geschichte 10, Berlin, 1961. Bertsch, Herbert/Dau, Rudolf/Doernberg, Stefan/Henseke, Hans/Liebscher, Gertraud/ Maretzki, Hans/Müller, Hans-Gerhard/Ruppel, Edith: Lehrbuch Geschichte 10, Teil 2, Berlin 1964. Below, Lothar/Doernberg, Stefan/Liebscher, Gertrud/Lötzsch, Diemut/Ruppel, Edith/ Scherner, Helga: Lehrbuch Geschichte 10 Teil 2, Berlin 1969. Doernberg, Stefan/Graf, Rudolf/Hoeft, Klaus/Liebscher, Gertrud/Lötzsch, Diemut/Müller, Hans Gerd/Martin, Alexander/Ruppel, Edith/Voigt, Gerd: Lehrbuch Geschichte 10, Berlin 1971. Dau, Rudolf/Diere, Horst/Fuchs, Günther/Fuhrmann, Gerhard/Schmelz, Ullrich/Stars, Manfred/Svatosch, Franz: Geschichte 10. Berlin 1977. Borschke, Joseph/Diere, Horst/Glasneck, Johannes/Hübner, Hans/Jackstel, Karlheinz/ Jander, Eckhard: Geschichte in Übersichten. Wissensspeicher für den Unterricht. Berlin 1982. Beyer, Heinz/Dieckmann, Götz/Dittrich, Gottfried/Funkner, Jutta/Heidel, Uta/Kriese, Verena/Meseck, Christian/Neef, Helmut/Roth, Heidi/Schmelz, Ullrich/Vietzke, Siegfried/Voigt, Klaus: Geschichte Lehrbuch für Klasse 10. Berlin 1989.

VIII Literatur

Adick, Christel: Die berufliche Situation der Schulbuchautoren und ihre Meinungen zur Schulbuchproduktion, in: Pädagogikunterricht. Die Fachzeitschrift für die pädagogische Fächergruppe 15 (1995) H. 4, S. 24–36. Adick, Christel: Zur Entstehung der einzelnen Schulbücher, in: Pädagogikunterricht. Die Fachzeitschrift für die pädagogische Fächergruppe 15 (1995) H. 2, S. 27–48. Allkemper, Alo/Eke, Norbert Otto: Literaturwissenschaft, 5. Aufl. Paderborn 2016. Altmann, Peter : Zum Mechanismus heutiger Schulbuchproduktion, in: Deutsche Kommunistische Partei (Hrsg.): Kampf der Verdummung. Materialien der Schulbuchkonferenz der DKP Hessen am 6. Juni 1971 in Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 1971, S. 33–43. Arbeitsgemeinschaft Schulbuchproduktion: Schulbuch – Produktion und Profit. Eine polemische Bestandsaufnahme, in: PÄD extra (1973) H. 3/4, S. 9–16. Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2011. Assmann, Aleida: Ist die Zeit aus den Fugen? Aufstieg und Fall des Zeitregimes der Moderne. München 2013. Assmann, Aleida/ Frevert, Ute (Hg): Geschichtsvergessenheit – Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945. Stuttgart 1999. Aubel, Siegfried u. a.: DDR im Schulbuch. Eine Analyse der neuen Schulbuchgeneration. Köln 1983. Auch, Eva-Maria (Hrsg.): »Barbaren« und »weiße Teufel«: Kulturkonflikte und Imperialismus in Asien vom 18. Bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn 1997. Baer, Andreas: Der Schulbuchmarkt, in: Fuchs, Eckhart u. a. (Hg.): Schulbuch konkret. Kontexte – Produktion – Unterricht. Bad Heilbrunn 2010, S. 68–83. Baets, Antoon de: Der ›Hauptstrom‹ der Geschichte. Determinanten eines Darstellungsprinzips in Geschichtslehrbüchern, in: Internationale Schulbuchforschung 14 (1992) H. 4, S. 345–371. Baets, Antoon de: Haben Geschichtslehrbücher Einfluß auf die öffentliche Meinung? Meinungsbildung über nicht-westliche Kulturen in Flandern 1945–1984, in: Internationale Schulbuchforschung 12 (1990), S. 81–89. Baets, Antoon de: Profile of the History Textbook Author as a Mediator between Historiography and Society, in: Internationale Schulbuchforschung 16 (1994), S. 515–534.

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Literatur

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Literatur

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Literatur

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