Die zehnte Rede des Lysias: Einleitung, Text und Kommentar mit einem Anhang über die Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern [Reprint 2012 ed.] 3110115565, 9783110115567

In der 1968 gegründeten Reihe erscheinen Monographien aus den Gebieten der Griechischen und Lateinischen Philologie sowi

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German Pages 146 [144] Year 1988

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Die zehnte Rede des Lysias: Einleitung, Text und Kommentar mit einem Anhang über die Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern [Reprint 2012 ed.]
 3110115565, 9783110115567

Table of contents :
Vorwort
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Die Vorgeschichte des Prozesses
II. Die Ahndung der Verbalinjurie im attischen Recht
III. Die Rede vor dem Hintergrund des ihr zugrunde liegenden Rechtsfalls
1. Zur Interpretation attischer Gerichtsreden
2. Die Argumentation des Sprechers und ihre Problematik
3. Der Rechtsfall und die Taktik des Lysias
Text
Kommentar
Anhang: Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern
Register

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Michael Hillgruber Die zehnte Rede des Lysias

w DE

G

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte

Herausgegeben von Winfried Bühler, Peter Herrmann und Otto Zwierlein

Band 29

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1988

Die zehnte Rede des Lysias Einleitung, Text und Kommentar mit einem Anhang über die Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern

von Michael Hillgruber

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1988

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig — pH 7, neutral) CIP-Titelaufnähme

der Deutschen

Bibliothek

Hillgtuber, Michael: Die zehnte Rede des Lysias : Einl., Text u. Kommentar mit e. Anh. über d. Gesetzesinterpretationen bei d. att. Rednern / von Michael Hillgruber. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1988 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte ; Bd. 29) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1986/87 ISBN 3-11-011556-5 NE: Lysias: Die zehnte Rede; GT

© 1988 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin 61

Meinen Eltern

Vorwort Die zehnte Rede des Lysias hat zwar nie so im Blickpunkt der Forschung gestanden wie etwa die erste, zwölfte oder vierundzwanzigste Rede dieses attischen Logographen, aber sie hat doch immer wieder Interesse auf sich zu ziehen vermocht. Dabei sind die Forscher, die sich mit ihr beschäftigt haben, zu den unterschiedlichsten Urteilen über ihren Wert gelangt. C. M. Francken zählte die Rede in seinen „Commentationes Lysiacae" von 1865 zu den besten des Lysias überhaupt und stellte sie der zwölften Rede an die Seite 1 . Ähnlich äußerte sich H. J . Polak in seinen „Paralipomena Lysiaca": „Theomnesteam Lysiae eripere nefas duxerim, adeo nihil inest neque in verbis ñeque in rebus summo oratore indignum" 2 . F. Blaß bewunderte in der „Attischen Beredsamkeit" trotz gewisser Zweifel an der Echtheit 3 die Kunst der Ethopoiie, die in der Rede zum Ausdruck komme 4 , und H. Frohberger bezeichnete sie in der Einleitung zu seinem Kommentar als „unverfälscht lysianisch" 5 . Auf der anderen Seite haben sich mehrere Forscher durch Harpokration, der einige Wörter aus der Rede mit dem Zusatz εί γνήσιος ό λόγος zitiert, dazu bewegen lassen, die Rede als unecht zu verwerfen. K . Herrmann hat in seiner 1878 erschienenen Arbeit „Zur Echtheitsfrage von Lysias' X . Rede" anhand von sprachlichen Untersuchungen den Nachweis zu führen versucht, bei der zehnten Rede handele es sich in Wirklichkeit um ein „Machwerk der Rhetorenschule" 6 . I. Bruns hat die Rede in seinem „Literarischen Porträt der Griechen" von 1896 ebenfalls als unecht verdächtigt, da sie auffällige Abweichungen von den Gewohnheiten aufweise, denen die Sprecher lysianischer Gerichtsreden sonst zu folgen pflegten 7 , und H. Knips hat in seiner Dissertation „De orationibus κατά Θεομνήστου, quae decima et undecima inter Lysiacas feruntur" von 1931 zwar die These von Herrmann widerlegt und deutlich gemacht, daß die zehnte Rede eine tatsächlich gehaltene Gerichtsrede aus

1

2 3 4 5 6 7

Francken 72 („Oratio prior in Theomnestum ad óptimas Lysiae referenda") und 73 („habetque colorem eundem saepe atque duodecima"). Polak 171. Vgl. den Kommentar zu § 28 (xi γαρ äv τούτου άνιαρότερον ...). Blaß 6 0 5 - 6 0 8 . Frohberger 58. K . Herrmann 12. Bruns 4 5 9 - 4 6 1 .

Vili

Vorwort

dem Jahre 384 ν. Chr. ist, zugleich aber so starke Abweichungen von Sprache und Stil des Lysias zu erkennen geglaubt, daß auch er sie dem Lysias absprach 8 . Erst nach der ausführlichen Rezension des Buches von Knips durch J. Sykutris im Gnomon 9 (1933) setzte sich die Erkenntnis durch, daß sprachstatistische Untersuchungen die Echtheitsfrage nicht lösen können und vor allem für die Entscheidung über Wert oder Unwert der Rede keinerlei Anhaltspunkte liefern. Um hier zu einem begründeten Urteil zu gelangen, müssen vielmehr Inhalt und Aufbau der Rede näher untersucht werden. In diesem Punkt hat nun Sykutris die Rede gegen die Angriffe von Bruns mit guten Argumenten verteidigt, zugleich aber auf ein Problem aufmerksam gemacht, das von vielen, die sich mit der Rede beschäftigt haben, entweder völlig übersehen oder jedenfalls zu wenig beachtet worden ist: Die eigentümliche Disposition der Rede, die stark von den Vorschriften der rhetorischen Theorie abweicht, verlangt eine Erklärung. Sykutris selbst griff einen älteren Erklärungsversuch E. Szantos auf, den er leicht modifizierte. Aber weder die Erklärung von Szanto noch die von Sykutris noch die Lösungsvorschläge anderer Gelehrter sind wirklich überzeugend, so daß das Problem hier erneut erörtert werden soll. In der Einleitung wird der Versuch unternommen, nach einigen Überlegungen zur Vorgeschichte des Prozesses und zur Ahndung der Verbalinjurie im attischen Recht unter Zuhilfenahme der von H. J. Wolff und W. Stroh entwickelten Methoden zur Interpretation antiker Gerichtsreden über eine Rekonstruktion des der Rede zugrunde liegenden Rechtsfalls ein tieferes Verständnis der Rede selbst zu ermöglichen. Diesem einleitenden Kapitel folgt ein selbständig erarbeiteter Text der Rede mit knappem kritischem Apparat. Diesem schließt sich ein Kommentar an, der alle wichtigen Textkritik, Grammatik, Rhetorik und Realien betreffenden Probleme zur Sprache bringt. Hier war mehr zu tun, als man vielleicht annehmen könnte, da der Kommentar von Frohberger trotz der Überarbeitung durch Th. Thalheim (1892) besonders auf dem Gebiet der Sacherklärung völlig veraltet ist, der italienische Kommentar von G. Bartolini (1970) modernen wissenschaftlichen Ansprüchen nur mit starken Einschränkungen genügen kann und der neueste Kommentar von M. Edwards und S. Usher (1985) sich in wenigen, meist sehr knapp gehaltenen Anmerkungen erschöpft. Den Abschluß bildet schließlich ein Aufsatz, der, von der zehnten Rede des Lysias ausgehend, die Gesetzesinterpretationen der attischen Redner insgesamt untersucht. Er soll vor allem zur Erweiterung des Blickfeldes beitragen und aufzeigen, wie sich unsere Rede unter dem

8

Knips 79 („satis perspicuum mihi videtur esse orationem a Lysia abiudicandam esse").

Vorwort

IX

Gesichtspunkt der Geset2esauslegung zu anderen attischen Gerichtsreden verhält. Meine Arbeit hat im Wintersemester 1986/87 der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen (Tag der mündlichen Prüfung: 20.12.1986). Angeregt hat sie mein verehrter Lehrer, Herr Professor Dr. Rudolf Kassel, dem ich an dieser Stelle für seine vielfaltigen Anregungen und seine großzügige Hilfsbereitschaft, mit der er ihr Entstehen von den ersten Anfangen bis zur Drucklegung gefördert hat, herzlich danken möchte. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Professor Dr. Hermann Wankel, der mir seit dem Beginn meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Münster sein reiches Wissen über die attischen Redner bereitwillig hat zukommen lassen. Für die Übernahme des Korreferats danke ich aufrichtig Herrn Professor Dr. Gustav Adolf Lehmann, für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte" den Herausgebern, insbesondere Herrn Professor Dr. Winfried Bühler, der mir einige wertvolle Anregungen gegeben hat. Münster im Februar 1988

Michael Hillgruber

Inhaltsverzeichnis Vorwort Literatur- und Abkürzungsverzeichnis Einleitung I. Die Vorgeschichte des Prozesses II. Die Ahndung der Verbalinjurie im attischen Recht

VII XIII 1 1 4

III. Die Rede vor dem Hintergrund des ihr zugrunde liegenden Rechtsfalls 1. Zur Interpretation attischer Gerichtsreden 2. Die Argumentation des Sprechers und ihre Problematik . . 3. Der Rechtsfall und die Taktik des Lysias

8 8 11 17

Text

23

Kommentar

29

Anhang: Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern

105

Register

121

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis Der erste Teil dieses Verzeichnisses enthält alle berücksichtigten Textausgaben und Kommentare zur zehnten Rede des Lysias in der Reihenfolge ihres Erscheinens, der zweite Teil eine Auswahl aus der übrigen von mir verarbeiteten Literatur in alphabetischer Ordnung. In beiden Teilen ist dem vollständigen Titel ein Kürzel gegenübergestellt, das im folgenden beim Zitieren verwendet wird. Alle nicht in das Verzeichnis aufgenommenen, nur bei Wege genannten Bücher und Aufsätze habe ich an Ort und Stelle vollständig zitiert. Lediglich verschiedene Textausgaben sowie allgemein bekannte Fragmentsammlungen und Kommentare, auf die in dieser Arbeit nur gelegentlich Bezug genommen wird, sind, obwohl hier nicht aufgenommen, allein mit dem Namen des Editors oder Kommentators kenntlich gemacht (z. B. Aeschyl. F 166 Radt; Dover zu Ar. nub. 353).

I. Textausgaben und Kommentare Bekker Dobson

Baiter/Sauppe Westermann Cobet Scheibe Frohberger Frohberger/Thalheim

Hude Thalheim Gernet/Bizos

I. Bekker, Oratores Attici, Bd. I, Berlin 1823 G. S. Dobson, Oratores Attici, Bd. II, London 1828 (mit Abdruck der textkritischen Anmerkungen von Stephanus, Schott, Scaliger, Contius, Taylor, Markland, Reiske, Auger und anderen) J. G. Baiter/H. Sauppe, Oratores Attici, Bd. I, Zürich 1839-43 A. Westermann, Lysiae orationes, Leipzig 1854 C. G. Cobet, Lysiae orationes, Amsterdam 1863 C. Scheibe, Lysiae orationes, Leipzig 21865 H. Frohberger, Ausgewählte Reden des Lysias, für den Schulgebrauch erklärt, Bd. II, Leipzig 1868 H. Frohberger, Ausgewählte Reden des Lysias, für den Schulgebrauch erklärt, Bd. II, 2. Aufl. bearbeitet von Th. Thalheim, Leipzig 1892 C. Hude, Lysiae orationes, Oxford 1912 Th. Thalheim, Lysiae orationes, Ed. maior, Leipzig 2 1913 L. Gernet/M. Bizos, Lysias. Discours, Bd. I, Paris 1924 (mit einer Einleitung zur zehnten und elften Rede von L. Gernet, 1 3 9 - 1 4 3 )

XIV

Knips Albini Bartolini Edwards/Usher

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

H. Knips, De orationibus κατά Θεομνήστου, quae decima et undecima inter Lysiacas feruntur, Diss. Münster, Leipzig 1931 U. Albini, Lisia. I Discorsi, Florenz 1955 G. Bartolini, Lisia, Contro Teomnesto (Bibliotheke 8), Florenz 1970 M. Edwards/S. Usher, Greek Orators, Bd. I (Antiphon and Lysias), Warminster/Chicago 1985

II. Übrige Anastassiou/Irmer Bateman Behrend, άνάδικος δίκη

Berneker Berneker, Rez. Ruschenbusch Berneker, Versuch Bianchetti Blaß Boblenz Bonner Bonner/Smith

Bruns Busolt/Swoboda

Literatur

A. Anastassiou/D. Irmer (Hrsg.), Kleinere Attische Redner (WdF Bd. 127), Darmstadt 1977 J. J. Bateman, Lysias and the Law, TAPhA 89 (1958), 276-285 D. Behrend, Die άνάδικος δίκη und das Scholion zu Plato Nomoi 937d, Symposion 1971, Akten d. Ges. für griech. u. hellenist. Rechtsgeschichte, hrsg. v. H. J. Wolff, Bd. I, Köln/Wien 1975, 131-156 E. Berneker (Hrsg.), Zur griechischen Rechtsgeschichte (WdF Bd. 45), Darmstadt 1968 E. Berneker, Rez. E. Ruschenbusch, Untersuchungen zur Geschichte des athenischen Strafrechts, ZRG 87 (1970), 4 6 9 - 4 7 4 E. Berneker, Der Versuch im griechischen Recht, Festschrift für E. Rabel, Bd. II, Tübingen 1954, 3 3 - 7 7 S. Bianchetti, La normativa ateniese relativa al κακώς λέγειν, Studi e Ric. dell' 1st. di Storia Firenze 1 (1981), 65-87 F. Blaß, Die attische Beredsamkeit, Bd. I, Leipzig 21887 H. Boblenz, Kritische Anmerkungen zu Lysias Reden gegen Theomnestos, Eratosthenes, Agoratos, Progr. Jever 1881 R. J. Bonner, Aspects of Athenian Democracy, New York 1933, 6 7 - 8 5 (Chapter IV: „Freedom of Speech") R. J. Bonner/G. Smith, The Administration of Justice from Homer to Aristotle I: Chicago 1930 II: Chicago 1938 I. Bruns, Das literarische Porträt der Griechen im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr., Berlin 1896 G. Busolt/H. Swoboda, Griechische Staatskunde, 2. Hälfte: Darstellung einzelner Staaten und der zwischenstaatlichen Beziehungen, 3. Aufl. besorgt von H. Swoboda (Hdb. d. Altertumsw. IV 1, 1, 2), München 1926

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Cohen, Theft

XV

D. Cohen, Theft in Athenian Law (Münchner Beitr. zur Papyrusforsch, u. ant. Rechtsgesch. 74), München 1983 Denniston J. D. Denniston, The Greek Particles, Oxford 21954 P. P. Dobree, Adversaria, Bd. I, ed. G. Wagner, Berlin Dobree 1874 Dover, Lysias K. Dover, Lysias and the Corpus Lysiacum (Sather Classical Lectures 39), Berkeley and Los Angeles 1968 Dover, Popular Morality K. Dover, Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle, Oxford 1974 Feraboli S. Feraboli, Lisia avvocato (Proagones 19), Padua 1980 Ed. Fraenkel, Noch einmal Kolon und Satz (Sitzungsber. Fraenkel d. Bayer. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 1965, Nr. 2), München 1965 Francken C. M. Francken, Commentationes Lysiacae, Utrecht 1865 Frisk H. Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch, 3 Bde., Heidelberg 1960-1972 H. Frohberger, Ausgewählte Reden des Lysias, für den Schulgebrauch erklärt, Bd. I, 2. Aufl. bearbeitet von G. Gebauer, Anh. zu Lysias Gebauer, Leipzig 1880; darin der Anhang von Gebauer, 198-508 G. Gebauer, De hypotacticis et paratacticis argumenti ex contrario formis quae reperiuntur apud oratores Gebauer, arg. ex contr. Atticos. Accedunt adnotationes locupletissimae ad varios rhetoricae grammaticaeque locos pertinentes, Zwickau 1877 Glotz G. Glotz, Kakegorias Dike, Dictionnaire des Antiquités Grecques et Romaines, ed. Ch. Daremberg et E. Saglio, Bd. III (1899), 7 8 8 - 7 9 1 Hansen, Apagoge M. H. Hansen, Apagoge, Endeixis and Ephegesis against Kakourgoi, Atimoi and Pheugontes, Odense 1976 Hansen, Atimia M. H. Hansen, Atimia in Consequence of Private Debts?, Symposion 1977, Akten d. Ges. für griech. u. hellenist. Rechtsgeschichte, hrsg. v. J. Modrzejewski und D. Liebs, Bd. III, Köln/Wien 1982, 1 1 3 - 1 2 0 Harrison A. R. W. Harrison, The Law of Athens I: The Family and Property, Oxford 1968 II: Procedure, Oxford 1971 (posthum hrsg. v. D. M. MacDowell) Heitsch, Recht und Taktik E. Heitsch, Recht und Taktik in der 7. Rede des Lysias, MH 18 (1961), 2 0 4 - 2 1 9 (bei Anastassiou/Irmer 194-217) J. Herrmann J. Herrmann, Attische Redefreiheit, Synteleia V. Arangio-Ruiz, Bd. II, Neapel 1964, 1142-1148

XVI

K. Herrmann

Hitzig

Kühner/Blaß

Kühner/Gerth

Lämmli

Leisi Liddell/Scott

Lipsius, AR

MacDowell MacDowell, Homicide MacDowell, Law Martina Meinecke

Meisterhans/Schwyzer Meyer-Laurin

Polak

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

K. Herrmann, Zur Echtheitsfrage von Lysias' X. Rede und über das Verhältnis zwischen Rede X und XI, Progr. Hannover 1878 H. F. Hitzig, Injuria. Beiträge zur Geschichte der Injuria im griechischen und römischen Recht, München 1899 R. Kühner, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, 1. Teil: Elementar- und Formenlehre, neu bearbeitet von F. Blaß I: Hannover/Leipzig 1890 II: Hannover/Leipzig 1892 R. Kühner, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, 2. Teil: Satzlehre, 3. Auflage neu bearbeitet von B. Gerth I: Hannover/Leipzig 1898 II: Hannover/Leipzig 1904 F. Lämmli, Das attische Prozeßverfahren in seiner Wirkung auf die Gerichtsrede, Diss. Basel, Paderborn 1938 (Rhet. Stud. 20) E. Leisi, Der Zeuge im attischen Recht, Diss. Zürich, Frauenfeld 1908 H. G. Liddell/R. Scott, A Greek-English Lexicon, 9th ed., revised by Sir H. Stuart Jones, Oxford 1940 (with a Supplement 1968) J. H. Lipsius, Das attische Recht und Rechts verfahren, mit Benutzung des „Attischen Prozesses" von M. H. E. Meier und G. F. Schömann, Leipzig 1905 — 1915 D. M. MacDowell, Andokides, On the Mysteries, Oxford 1962 D. M. MacDowell, Athenian Homicide Law, Manchester 1963 D. M. MacDowell, The Law in Classical Athens, London 1978 A. Martina, Solone. Testimonianze sulla vita e 1' opera, Rom 1968 J. Meinecke, Gesetzesinterpretation und Gesetzesanwendung im attischen Zivilprozeß (Jurist. Diss. Freiburg 1970/71), Rev. Intern, des Droits de Γ Antiqu. 18 (1971), 2 7 5 - 3 6 0 K. Meisterhans, Grammatik der attischen Inschriften, 3. Auflage besorgt von E. Schwyzer, Berlin 1900 H. Meyer-Laurin, Gesetz und Billigkeit im attischen Prozeß (Gräzist. Abh. I), Jurist. Diss. Freiburg, Weimar 1965 H. J. Polak, Paralipomena Lysiaca, Mnemosyne Ν. S. 31 (1903), 1 5 7 - 1 8 4

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Radin

XVII

M. Radin, Freedom of Speech in Ancient Athens, AJPh 48 (1927), 2 1 5 - 2 3 0 Rehdan tz C. Rehdantz, Lykurgos' Rede gegen Leokrates, Leipzig 1876 Rehdantz, Index I/II C. Rehdantz, Demosthenes' neun philippische Reden, für den Schulgebrauch erklärt, Zweites Heft, II. Abt.: Indices, 4. verbesserte Aufl. besorgt von F. Blaß, Leipzig 1886 I: Rhetorischer und stilisi. Index II: Grammatischer und lexikalischer Index Rhodes P. J. Rhodes, A Commentary on the Aristotelian Athenaion Politela, Oxford 1981 Ruschenbusch, E. Ruschenbusch, Σόλωνος νόμοι. Die Fragmente des Σόλωνος νόμοι solonischen Gesetzeswerkes mit einer Text- und Überlieferungsgeschichte (Historia-Einzelschriften 9), Wiesbaden 1966 Ruschenbusch, Strafrecht E. Ruschenbusch, Untersuchungen zur Geschichte des athenischen Strafrechts (Gräzist. Abh. IV), Köln/Graz 1968 Sauppe J. G. Baiter/H. Sauppe, Oratores Attici, Bd. II, Zürich 1850; darin die von Sauppe edierten Fragmenta Oratorum Atticorum, 127 — 355 Schindel U. Schindel (Hrsg.), Demosthenes (WdF Bd. 350), Darmstadt 1987 Schodorf K. Schodorf, Beiträge zur genaueren Kenntnis der attischen Gerichtssprache aus den zehn Rednern und den Lexicographen (Beitr. zur hist. Syntax d. griech. Sprache 17), Würzburg 1904 E. Schwyzer, Griechische Grammatik Schwyzer I: Allgemeiner Teil. Lautlehre. Wortbildung. Flexion (Hdb. d. Altertumsw. II 1,1), München 1934 II: Syntax und syntaktische Stilistik, vervollständigt und hrsg. von A. Debrunner (Hdb. d. Altertumsw. II 1, 2), München 1950 Stahl J. M. Stahl, Kritisch-historische Syntax des griechischen Verbums, Heidelberg 1907 W. Stroh, Taxis und Taktik. Die advokatische DisposiStroh tionskunst in Ciceros Gerichtsreden, Stuttgart 1975 W. Süß, Ethos. Studien zur älteren griechischen RhetoSüß, Ethos rik, Leipzig/Berlin 1910 Sykutris J. Sykutris, Rez. Knips, De orationibus κατά Θεομνήστου ..., Gnomon 9 (1933), 7 9 - 8 8 E. Szanto, Die Verbalinjurie im attischen Prozeß, WS Szanto 13 (1891), 1 5 9 - 1 6 3 ( = Ausgewählte Abhandlungen, hrsg. von H. Swoboda, Tübingen 1906, 103-108) Th. Thalheim, κακηγορίας δίκη, R E Χ 2 (1919), 1524 f. Thalheim, κακηγορία

XVIII

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Threatte Voegelin Wankel

Wankel, Korruption

Wilamowitz

Wolff, Grundfragen

Wolff, Normenkontrolle

Wyse

L. Threatte, The Grammar of Attic Inscriptions, Bd. I, Berlin/New York 1980 W. Voegelin, Die Diabole bei Lysias, Diss. Basel 1943 H. Wankel, Demosthenes. Rede für Ktesiphon über den Kranz, 2 Halbbde., Heidelberg 1976 H. Wankel, Die Korruption in der rednerischen Topik und in der Realität des klassischen Athen, in: Korruption im Altertum, hrsg. von W. Schuller (Konstanzer Symposion 1979), München/Wien 1982, 2 9 - 5 3 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Die erste Rede des Antiphon, Hermes 22 (1887), 194-210 ( = Kleine Schriften III, Berlin 1969, 101 — 116; bei Anastassiou/ Irmer 9 - 2 6 ) H. J. Wolff, Methodische Grundfragen der rechtsgeschichtlichen Verwendung attischer Gerichtsreden, Atti del Secondo Congresso Internazionale della Società Italiana di Storia del Diritto, Florenz 1969, 1 — 13 ( = Opuscula dispersa, Amsterdam 1974, 27—39) H. J. Wolff, Normenkontrolle und Gesetzesbegriff in der attischen Demokratie. Untersuchungen zur γραφή παρανόμων (Sitzungsber. d. Heidelberger Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 1970, Nr. 2), Heidelberg 1970 W. Wyse, The Speeches of Isaeus, Cambridge 1904

Einleitung I. Die Vorgeschichte des Prozesses Die zehnte Rede des Lysias gehört in einen Rechtsstreit, der nur ein Glied in einer langen Kette von Prozessen ist. Der δίκη κακηγορίας des Sprechers gegen Theomnestos sind nämlich mindestens drei Prozesse vorausgegangen. In § 1 unserer Rede erfahren wir, daß ein gewisser Lysitheos gegen Theomnestos einen Dokimasieprozeß angestrengt hatte 1 . Er warf ihm vor, im Kriege die Waffen weggeworfen zu haben, und versuchte deshalb mittels einer έπαγγελία δοκιμασίας zu verhindern, daß Theomnestos als Redner in der Volksversammlung auftrat. Aus § 12 unserer Rede ergibt sich, daß Theomnestos gegen einen gewissen Theon, der ihm dasselbe Wehrvergehen vorgeworfen hatte, einen Prozeß wegen Schmähung geführt hat 2 , und aus § 22, § 24 und § 25 läßt sich entnehmen, daß Theomnestos gegen Dionysios mittels einer δίκη ψευδομαρτυριών gerichtlich vorgegangen ist, weil dieser — ebenso wie der Sprecher unserer Rede — im Dokimasieprozeß für Lysitheos als Zeuge ausgesagt hatte 3 . Was nun den Ausgang dieser Prozesse angeht, so steht fest, daß Theomnestos die δίκη ψευδομαρτυριών gegen Dionysios gewonnen hat. Dionysios wurde zum άτιμος 4 . Die Art und Weise, in der der Sprecher unserer Rede in § 12 und § 13 von der δίκη κακηγορίας gegen Theon spricht, läßt nur den Schluß zu, daß Theomnestos auch diesen Prozeß gewonnen hat. Doch wie ist der Dokimasieprozeß ausgegangen? Nach der einhelligen Meinung aller, die sich mit der Rede beschäftigt haben, ist Theomnestos freigesprochen worden 5 . Dabei wird vor allem auf § 14 (ού δέδωκας δίκην), § 22 (ούτος ύφ' ύμών ήλεήθη) und § 30 (τοις άποβαλοΰσι συγγνώμην εχετε) verwiesen, und diese Stellen beweisen in der Tat, daß Theomnestos letzten Endes ungestraft davongekommen ist. Sie sind allerdings kein sicherer Beweis dafür, daß Theomnestos im ersten Prozeß

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3 4 5

Das Verbum είσαγγέλλειν ist hier nicht im technischen Sinne gebraucht, sondern bezeichnet eine έπαγγελία δοκιμασίας, vgl. den Kommentar zur Stelle. Die überlieferte Namensform Θέωνι sollte nicht mit Frohberger in Λυσιθέω geändert werden, vgl. den Kommentar zur Stelle. Vgl. § 30. Vgl. § 22 (tòv μαρτυρήσαντα ήτίμωσεν). Vgl. ζ. Β. Frohberger/Thalheim 149; Blaß 602; Sykutris 81.

2

Einleitung

wirklich freigesprochen wurde. Es ist nämlich auch möglich, daß er im Dokimasieprozeß verurteilt worden ist, durch seinen Sieg in der δίκη ψευδομαρτυριών aber erreichen konnte, daß das Urteil des Dokimasieprozesses aufgehoben wurde. D. Behrend hat kürzlich nachweisen können, daß ein Sieg in einer δίκη ψευδομαρτυριών in bestimmten Fällen zu einer Annullierung des Urteils des Ursprungsprozesses führen konnte, unter anderem dann, wenn dem Beklagten des Ursprungsprozesses Atimie drohte 6 . Es gibt nun einige Gründe dafür, in der Vorgeschichte unseres Prozesses einen solchen Fall zu vermuten. Denn wäre Theomnestos im Dokimasieprozeß freigesprochen worden, wäre allein schon die Vielzahl der Prozesse, in denen es immer wieder um die Frage ging, ob Theomnestos die Waffen weggeworfen hatte oder nicht, schwer zu erklären. Nehmen wir etwa die δίκη κακηγορίας gegen Theon. Sie war wahrscheinlich der letzte der drei Prozesse. Denn die δίκη ψευδομαρτυριών dürfte unmittelbar auf den Dokimasieprozeß gefolgt sein, sie mußte nämlich noch vor der Abstimmung im Dokimasieprozeß durch έπίσκηψις beantragt werden 7 , und daß die δίκη κακηγορίας noch vor dem Dokimasieprozeß stattgefunden hätte, ist undenkbar; Lysitheos hätte bestimmt keine επαγγελία gegen Theomnestos eingebracht, wenn dieser den gegen ihn erhobenen Verdacht bereits in einem Privatprozeß erfolgreich abgewehrt hätte. Wenn also Theomnestos schon aus zwei Prozessen als Sieger hervorgegangen war, warum ließ es Theon noch auf einen dritten Prozeß ankommen? Warum hielt sich das Gerücht, Theomnestos habe die Waffen weggeworfen, überhaupt so hartnäckig, daß der Sprecher ihm diesen Vorwurf in unserer Rede immer noch machte? 8 Vor allem aber, warum sagte der Sprecher zweimal gegen Theomnestos als Zeuge aus?9 Damit hätte er sich doch geradezu mutwillig einer Klage wegen falschen Zeugnisses ausgesetzt, wenn Theomnestos im ersten Prozeß freigesprochen worden wäre. Denn er wiederholte genau die Zeugenaussage, derentwegen Dionysios vor Gericht stand. Auch wäre zu fragen, warum Theomnestos nicht gegen den Sprecher vorging, der immerhin zweimal behauptet hatte, Theomnestos habe die Waffen weggeworfen, da er doch auch gegenüber Dionysios und Theon keine Gnade kannte. Schließlich wäre auch nicht zu verstehen, warum der Sprecher in der δίκη κακηγορίας gegen Theon nicht ein drittes Mal ausgesagt hatte. Sehr interessant ist nun die Begründung, die der Sprecher selbst für seine zweimalige Zeugenaussage anführt. In § 30 sagt er: ού γάρ πω ήδη, 6

7 8 9

Vgl. Behrend, άνάδικος δίκη 154: „Die Dokimasie der Redner war eine reine Apodokimasie und führte zur Atimie. Hier reichte eine erfolgreiche δ.ψ. zur Folgenbeseitigung aus." Vgl. Arist. Ath. pol. 68,4. Vgl. §§ 9. 14. 22. 28. 30. Vgl. § 30 (έγώ δέ δίς ήδη περί τούτου μεμαρτύρηκα).

Die Vorgeschichte des Prozesses

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οτι ύμεΐς τούς μέν ίδόντας τιμωρεΐσθε, τοις δέ άποβαλοΰσι συγγνώμην εχετε. Diese Bemerkung des Sprechers läßt sich nur dann mit der Annahme, Theomnestos sei im Dokimasieprozeß freigesprochen worden, vereinbaren, wenn man vermutet, daß der Sprecher damit ausdrücken will, daß er von der „doppelten Ungerechtigkeit" der Richter vor der zweiten Zeugenaussage nichts wußte. Wenn man aber bedenkt, welche Gefahr eine zweite Zeugenaussage für den Sprecher unter der Voraussetzung, daß Theomnestos freigesprochen worden war, bedeutete, so scheint der Satz gerade zu beweisen, daß der Sprecher wirklich nicht wußte, daß die Richter den Dionysios, der den „Feigling" Theomnestos beobachtet hatte, verurteilen, den „Feigling" Theomnestos selbst aber mit diesem Urteil begnadigen würden. Da Theomnestos im Dokimasieprozeß verurteilt worden war, erwartete der Sprecher einen Freispruch für Dionysios. Diese Interpretation des Satzes wird durch eine Stelle in § 24 unserer Rede bestätigt. Dort heißt es: άναμνήσθητε δέ, οτι μεγάλην και καλήν έκείνην δωρειάν αύτφ δεδώκατε· έν ή τίς ούκ αν έλεήσειε Διονύσιον, τοιαύτη μέν συμφορά περιπεπτωκότα κτλ. Da ist von einem „großen und schönen Geschenk" die Rede, bei dem wohl alle den Dionysios bedauert haben. Dies kann schwerlich die Verurteilung des Dionysios in der δίκη ψευδομαρτυριών allein sein 10 , die doch nach einem bereits erfolgten Freispruch für Theomnestos nur noch von untergeordneter Bedeutung sein konnte 11 , dieses „Geschenk" kann nur die Begnadigung für Theomnestos sein, bzw. die Annullierung des zuerst ergangenen Urteils, die durch die Verurteilung des Dionysios in der δίκη ψευδομαρτυριών bewirkt wurde. Für diese Interpretation spricht auch noch eine andere Überlegung, die einen Freispruch für Theomnestos im Dokimasieprozeß so gut wie ausschließt: Für falsche Zeugenaussage wurde man im Athen des 4. Jhs. mit einer Geldstrafe belegt, die durch Schätzung der Parteien festgelegt wurde 12 . Mit Atimie aber wurde man nur nach dreimaliger falscher Zeugenaussage bestraft, oder dann, wenn man die Geldbuße nicht bezahlen konnte 13 . Da sich nun aber die Höhe der Geldstrafe nach der Bedeutung der Zeugenaussage richtete, wäre nicht zu verstehen, warum Dionysios zum άτιμος wurde, wenn Theomnestos im Dokimasieprozeß freigesprochen worden wäre. Denn dann hätte seine Zeugenaussage keinen Einfluß auf den Ausgang des Prozesses gehabt, so daß die Geldbuße nicht sehr

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So erklärt von Frohberger/Thalheim 164 und Bartolini 54. Auch den Erfolg eines Klägers mit dem Wort δωρειά zu bezeichnen, erscheint ungewöhnlich; Frohberger/Thalheim 164 verweisen auf Dem. 23, 185, dort aber geht es um den Freispruch eines Angeklagten. 12 Vgl. ζ. B. Lipsius, AR 782 f. » Vgl. Lipsius, AR 783, und Hansen, Atimia 1 1 3 - 1 1 5 und 118f. 11

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Einleitung

hoch hätte ausfallen können. Man müßte erwarten, daß Dionysios in der Lage gewesen wäre, sie zu bezahlen 14 . Nach all dem Gesagten müssen wir uns den Gang der Dinge also folgendermaßen vorstellen: Als der Sprecher unserer Rede im Dokimasieprozeß dieselbe Zeugenaussage machte wie Dionysios (§ 30), wurde Theomnestos nervös. Er war sich nicht mehr so sicher, freigesprochen zu werden, ließ sich dazu hinreißen, dem Sprecher unserer Rede vorzuwerfen, den eigenen Vater getötet zu haben, und beantragte vorsichtshalber gegen Dionysios mittels einer έπίσκηψις eine δίκη ψευδομαρτυριών, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, im Falle einer Verurteilung über einen Sieg in der δίκη ψευδομαρτυριών eine Annullierung des Urteils zu erreichen 15 . Tatsächlich wurde er verurteilt, und in der folgenden δίκη ψευδομαρτυριών ging es noch einmal darum, ob Theomnestos άτιμος wurde oder nicht. In diesem Prozeß sagte der Sprecher, durch den Ausgang des ersten Prozesses beflügelt, ein zweites Mal aus. Aber das Gericht verurteilte Dionysios zu einer Geldstrafe, die er nicht bezahlen konnte, und Theomnestos kam ungestraft davon. In der Stadt aber verstummten die Gerüchte, Theomnestos übe unerlaubterweise das Rederecht aus, nicht. Theon warf ihm erneut vor, den Schild weggeworfen zu haben. Daraufhin strengte Theomnestos eine δίκη κακηγορίας gegen ihn an und gewann auch diesen Prozeß. Der Sprecher unserer Rede sagte in diesem Prozeß nicht mehr als Zeuge aus (und natürlich auch der inzwischen zum άτιμος gewordene Dionysios nicht), aber er besann sich jetzt auf die Beschuldigung, die Theomnestos im ersten Prozeß gegen ihn erhoben hatte, und klagte seinerseits gegen ihn wegen κακηγορία. Daß er in diesem Prozeß die Verurteilung des Theomnestos verschweigt, ist leicht verständlich. Ihm kommt es in seiner Rede darauf an, herauszustellen, daß Theomnestos zu Unrecht straflos davongekommen ist, nicht aber darauf, daß er einmal verurteilt worden war.

II. Die Ahndung der Verbalinjurie im attischen Recht Die zehnte Rede des Lysias ist in einem Prozeß wegen Schmähung gehalten; die δίκη, die der Redner betreibt, steht fest. Da jedoch sonst keine Rede erhalten ist, die in eine δίκη κακηγορίας gehört 1 , sind wir 14

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Vgl. Bonner/Smith II 261—264, die die Vermutung äußerten, daß jemand, der falscher Zeugenaussage überführt wurde, immer dann mit Atimie bestraft wurde, wenn im Ursprungsprozeß Atimie auf dem Spiele stand; vgl. aber Hansen, Atimia 114 Anm. 7, und den Kommentar zu § 22 (ού μόνον ύφ' ύμών ήλεήθη). Möglicherweise richtete sich diese Klage aus dem Grunde nur gegen Dionysios, weil dieser der Hauptzeuge im Dokimasieprozeß gewesen war, vgl. den Kommenar zu § 30 (έμοΰ μαρτυρήσαντος). Vgl. Lipsius, AR 647.

Die Ahndung der Verbalinjurie im attischen Recht

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ge2wungen, uns vor allem aus der Rede selbst sowie einigen wenigen anderen Quellen ein Bild davon zu machen, wie die Verbalinjurie im attischen Recht geahndet wurde. In § 2 der Rede weist der Sprecher auf die gesetzliche Grundlage seiner Klage hin. Es ist ein Gesetz, das den Gebrauch ganz bestimmter Schmähwörter, sogenannter απόρρητα, unter Strafe stellte. Unserer Rede läßt sich entnehmen, daß dazu im 4. Jh. die Ausdrücke άνδροφόνος (§ 6), πατραλοίας (§ 8), μητραλοίας (§ 8) und der Vorwurf άποβεβληκέναι τήν άσπίδα (§§ 9. 12) gehörten. Wer ein solches άπόρρητον gebrauchte, ohne die Wahrheit des darin liegenden Vorwurfs beweisen zu können, mußte 500 Drachmen Strafe zahlen 2 . Davon gingen wohl 300 Drachmen an den Beleidigten und 200 Drachmen an den Staat 3 . Über den Ursprung dieses Gesetzes herrscht in der Forschung keine Einigkeit. Vor allem sein Verhältnis zu dem von Solon erlassenen Gesetz über die Schmähung Lebender an gehegten Stätten, d. h. in Tempeln, Gerichtshöfen, Behörden und bei Festspielen (vgl. Plut. Sol. 21,1), ist umstritten. Während Lipsius nur zu vermuten wagte, das άπόρρητα-Gesetz müsse „von späterer Entstehung" gewesen sein als das solonische 4 , glaubte Radin, es mit dem 415 erlassenen, die Spottfreiheit der Komödie einschränkenden Syrakosios-Dekret identifizieren zu können 5 . Während Ruschenbusch meinte, das άπόρρητα-Gesetz müsse mit dem solonischen Gesetz zusammengenommen werden 6 , äußerten Bonner und MacDowell die Vermutung, es habe das solonische Gesetz ersetzt 7 . Zuletzt hat Bianchetti jede Beziehung zwischen beiden Gesetzen geleugnet und die Hypothese aufgestellt, das άπόρρητα-Gesetz sei im 4. Jh. zusammen mit dem Gesetz über die έπαγγελία δοκιμασίας erlassen worden 8 . Die meiste Wahrscheinlichkeit kann wohl die These von Ruschenbusch für sich in Anspruch nehmen. Denn das in dem άπόρρητα-Gesetz sichtbar werdende Bemühen, einzelne uralte Fluchwörter wie άνδροφόνος zu verbieten, deren Gebrauch an gehegten Stätten dem Vorwurf des Bannbruchs gleichkommt 9 , wirkt ausgesprochen archaisch. Auch darf aus der Tatsache, daß bei Lysias das άπόρρητα-Gesetz getrennt von den παλαιοί νόμοι

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Vgl. § 12 unserer Rede und Isoc. 20,3; zur Möglichkeit des Wahrheitsbeweises vgl. § 30. Diese Aufteilung kann nur aufgrund eines Analogieschlusses vermutet werden, vgl. Lipsius, AR 651. Lipsius, AR 648. Radin 223 — 230. Zum Syrakosios-Dekret vgl. zuletzt Α. H. Sommerstein, The Decree of Syrakosios, C1Q 80 (1986), 1 0 1 - 1 0 8 . Ruschenbusch, Strafrecht 24—27, bes. 26 Anm. 78; auch in seine Sammlung der solon. Gesetzesfragmente hat er das άπόρρητα-Gesetz aufgenommen (F 32b), ebenso Martina unter F 479. Bonner 7 0 - 7 3 ; MacDowell, Law 127. Bianchetti 82 - 87. Vgl. Ruschenbusch, Strafrecht 26, und Berneker, Rez. Ruschenbusch 471.

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Einleitung

verlesen wird 10 , nicht geschlossen werden, es sei kein archaisches Gesetz 11 . Vielmehr muß umgekehrt vermutet werden, daß gerade das hohe Alter dieses Gesetzes Lysias veranlaßt hat, auf das Problem der Interpretation veralteter Gesetze einzugehen. So hat es viel für sich, mit Ruschenbusch das solonische Gesetz über die Schmähung Lebender an gehegten Stätten mit dem άπόρρητα-Gesetz zu identifizieren, auch wenn Plutarch a. O. nichts von den άπόρρητα sagt, da ein gleichzeitiges Nebeneinander beider Gesetze schwer denkbar ist. Allerdings muß man dann annehmen, daß dieses Gesetz in der Zeit von Solon bis ins 4. Jh. eine ganze Reihe von Veränderungen erfahren hat. Während man zu Solons Zeiten 5 Drachmen Strafe zahlen mußte 12 , betrug die Strafsumme im 4. Jh. 500 Drachmen 13 . Während bei Solon der Gebrauch von άπόρρητα nur an gehegten Stätten verboten war, bestand diese Klausel zur Zeit der Redner nicht mehr. Das ergibt sich aus Dem. 21,79 — 81. Dort berichtet Demosthenes, daß er gegen Meidias mittels einer δίκη κακηγορίας vorgegangen ist, weil dieser ihn in seinem eigenen Hause beleidigt hatte: είτα της άδελφής, ετ' ένδον οΰσης τότε καν πανδός οϋσης κόρης, εναντίον έφθέγγοντ' αίσχρά και τοιαϋθ' οΓ αν άνθρωποι τοιούτοι φθέγξαιντο ... και τήν μητέρα κάμέ καί πάντας ημάς βητά και αρρητα κάκ' έξεΐπον (§ 79) 14 . Ferner dürfte die Zahl der άπόρρητα allmählich erweitert worden sein 15 . Während άνδροφόνος, πατραλοίας und μητραλοίας sicher von Anfang an άπόρρητα waren, muß der Vorwurf άποβεβληκέναι τήν άσπίδα als späterer Zusatz angesehen werden. Schon die andersartige sprachliche Form, in der das άπόρρητον im Gesetz festgehalten ist (nicht das Schimpfwort ρίψασπις, sondern die in Infinitivform festgehaltene Anschuldigung άποβεβληκέναι τήν άσπίδα ist in § 9 und § 12 ausdrücklich als Gesetzestext ausgewiesen), legt diese Vermutung nahe 16 . Außerdem hat Radin meines Erachtens zu Recht betont, daß Komödienstellen wie Ar. nub. 353, Ar. vesp. 19 und 592 sowie Ar. pax 677 f., wo Kleonymos ganz offen und wahrscheinlich zu Unrecht 17 das Wegwerfen 10 11 12 13

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§ 14 und § 16 —§ 19. So Radin 224. Vgl. Plut. a. O. Der Geldwertverfall in Athen hatte auch bei anderen Delikten eine gewaltige Erhöhung des gesetzlich festgelegten Strafsatzes oder die Einführung des Schätzungsprinzips nötig gemacht, vgl. E. Ruschenbusch, ZRG 82 (1965), 305 mit Anm. 21 und 309 Anm. 37. Mit βητά καί άρρητα sind natürlich άπόρρητα gemeint, vgl. Wankel II 658 (zu Dem. 18,122).

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Vgl. schon Glotz 790. Vgl. auch Szanto 162 f. ( = Ausgewählte Abhandlungen 108). And. 1,27 bezeugt Kleonymos jedenfalls noch für das Jahr 415 als Urheber eines Psephismas. Bis zu diesem Zeitpunkt kann er also nicht wegen δειλία verurteilt worden sein, vgl. auch Wankel, Korruption 34: „Dahinter steht bestenfalls ..., daß Kleonymos an einer verlorenen Schlacht teilnahm; Delion (424) käme in Frage."

Die Ahndung der Verbalinjurie im attischen Recht

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des Schildes vorgeworfen wird, die gleichzeitige Existenz eines Gesetzes, das genau diesen Vorwurf ausdrücklich untersagt, mit ziemlicher Sicherheit ausschließen. Radin hat daraus zu weitgehende Schlüsse gezogen 18 , aber die Annahme, daß der Vorwurf άποβεβληκέναι τήν άσπίδα frühestens gegen Ende des 5. Jhs. in die Zahl der άπόρρητα aufgenommen worden ist, gewinnt durch diese Überlegung an Wahrscheinlichkeit. Ob es noch weitere Zusätze gegeben hat, wissen wir nicht 19 . Allzu groß kann die Zahl der άπόρρητα aber nicht gewesen sein. Die Redefreiheit, auf die die Athener immer sehr stolz waren, hat durch das άπόρρητα-Gesetz keine einschneidende Beschränkung erfahren 20 . Wer wegen κακηγορία klagte, mußte sich an die Vierzigmänner wenden, deren Zuständigkeit Lipsius sicher richtig erschlossen hat.21 Nach der Einreichung der Klageschrift und der Abfassung der Gegenklageschrift durch den Beklagten sowie der Vereidigung der beiden Parteien überwiesen die Beamten den Fall an einen öffentlichen Schiedsrichter, der durch Los aus der Zahl der gerade im 60. Lebensjahr stehenden Bürger bestimmt wurde. Dieser versuchte zunächst einen Vergleich zustande zu bringen, und nahm dann, wenn dies mißlang, die άνάκρισις vor. Nach Prüfung aller Beweismittel und Argumente fällte er seine Entscheidung, mit der sich die Parteien allerdings nicht zufriedengeben mußten. Es stand ihnen frei, den Fall vor ein Geschworenengericht zu bringen 22 . Wenn eine der beiden Parteien diesen Weg beschritt, wurde der Prozeß dort unter dem Vorsitz der Vierzigmänner fortgesetzt. Zu beachten ist dabei jedoch, daß vor dem Gerichtshof neue Beweise vorzubringen nicht erlaubt war. Das Beweismaterial, das die streitenden Parteien dem Schiedsrichter vorgelegt hatten und das dann, in Kapseln gelegt und versiegelt, denjenigen vier unter den Vierzigmännern, die in der Phyle des Angeklagten amtierten, übergeben wurde, war allein maßgebend 23 . Diese Regelung hatte zur Folge, daß beide Seiten bereits dem Schiedsrichter alles, was ihnen zu Gebote stand, vorlegten und jeder im voraus wußte, was ihn vor Gericht erwartete und wie der Gegner argumentieren würde. Die in den öffentlichen Prozessen so oft angewendete Taktik, bei der Voruntersuchung möglichst wenige Trümpfe preiszugeben, um den Gegner dann bei der

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Vgl. Bianchetti 84 f. und Sommerstein a. O. (Anm. 5). O b der bei Dem. 57,30 als strafbare κακηγορία bezeichnete Vorwurf des Markthandels als άπόρρητον gelten kann (so Glotz 790 und MacDowell, Law 128) ist fraglich, da die exceptio veritatis nicht zu gelten scheint. Vgl. J. Herrmann 1145 f. Lipsius, AR 636. 646 f. Zu dieser sogenannten εφεσις εις τό δικαστήριον vgl. den Kommentar zu § 6 (έρεΐ δέ προς ύμάς). Dieses wichtige Faktum und alle anderen gerade beschriebenen Einzelheiten des Verfahrens sind uns aus Arist. Ath. pol. 53 bekannt.

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Einleitung

Prozeßverhandlung mit neuen Argumenten zu überraschen, war ausgeschlossen24. Das ist für die Interpretation unserer Rede von größter Wichtigkeit. Bedeutet es doch, daß die Voraussetzungen, den ihr zugrunde liegenden Rechtsfall zu rekonstruieren, besonders günstig sind. Wir können damit rechnen, daß in unserer Rede die Argumente der Gegenseite bereits in gebührender Weise mitberücksichtigt sind, und haben es daher leichter, uns ein Bild davon zu machen, was im Mittelpunkt der Auseinandersetzung gestanden hat. III. Die Rede vor dem Hintergrund des ihr zugrunde liegenden

Rechtsfalls

1. Zur Interpretation attischer Gerichtsreden „Die erste Rede des Antiphon hat die verschiedenste Beurteilung erfahren, natürlich auch die Verurteilung. Ich beabsichtige nicht, mich mit dieser modernen Literatur einzulassen, da sie sich von selbst erledigt, sobald die Grundlage gewonnen ist, auf welcher das Urteil allein aufgebaut werden kann, die Einsicht in den Rechtshandel, für den die Rede verfaßt ist." 1 Diese Worte, mit denen Wilamowitz vor rund hundert Jahren seine Interpretation der ersten Antiphonrede eingeleitet hat, machen das Ziel, das der Interpret attischer Gerichtsreden anzustreben hat, und die Problematik, der er dabei in der Regel ausgesetzt ist, gleichermaßen deutlich. Ziel muß es sein, den konkreten Rechtsfall, der der Rede zugrunde liegt, zu rekonstruieren, um dann von dort aus zu einem Urteil über die Rede zu gelangen. Denn allein dieser Weg ermöglicht eine gerechte Würdigung der Leistung des Logographen. Dagegen müßte eine Beurteilung, die nur die Vorschriften der rhetorischen Theorie zum Maßstab nähme, notgedrungen an der Oberfläche bleiben. Denn der Wert einer Gerichtsrede bestimmt sich durch das Maß an Geschicklichkeit, das in ihr aufgeboten ist, um demjenigen, der sie vor Gericht vorträgt, zum Siege zu verhelfen, d. h. die Richter zu überreden. Dies gelingt jedoch durch eine sklavische Befolgung der von der Theorie aufgestellten Regeln gerade nicht. Denn sie sind nur das Ergebnis allgemeiner Erfahrungen, und der gute Redenschreiber wird sie deswegen nicht in jedem Fall bedenkenlos übernehmen, sondern von Fall zu Fall abändern, je nachdem, wie es die Sache erfordert 2 . 24 1 2

Vgl. dazu Heitsch, Recht und Taktik 215 f. (bei Anastassiou/Irmer 211 f.). Wilamowitz 194 ( = Kleine Schriften III 101; bei Anastassiou/Irmer 9). Diese für die Interpretation antiker Gerichtsreden grundlegende Erkenntnis ist ausführlich dargelegt bei Ch. Neumeister, Grundsätze der forensischen Rhetorik, gezeigt an Gerichtsreden Ciceros, Diss. Heidelberg, München 1964; schon lange zuvor hatte sie sich der Jesuit Fox für die Interpretation der Kranzrede des Demosthenes zunutze gemacht, vgl. Wankel I 87 f.

Die Rede vor dem Hintergrund des ihr zugrunde liegenden Rechtsfalls

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„Die Einsicht in den Rechtshandel, für den die Rede verfaßt ist", ist also tatsächlich die unabdingbare Voraussetzung für eine erschöpfende Interpretation attischer Gerichtsreden. Dieser Umstand stellt den Interpreten jedoch meist auch vor große Probleme. Denn für die Rekonstruktion des Rechtsfalls steht ihm gewöhnlich nur die Rede selbst zur Verfügung. Die Gegenseite zu hören ist ihm meist nicht vergönnt, Gegenrede und Ausgang des Prozesses sind fast immer unbekannt. Das macht es außerordentlich schwierig, ja oft unmöglich, das tatsächliche Geschehen wiederzugewinnen, zumal wenn man bedenkt, welche Auswirkungen die Besonderheiten des attischen Prozeßwesens auf die Ausgestaltung der Reden hatten3. „Nicht auf objektive Klarlegung der Rechtslage angelegt, sondern weitgehend auf die Erzielung eines psychologischen Effekts gerichtet, von Männern verfaßt, die weder juristische Bildung besaßen noch von juristischem Verantwortungsgefühl beseelt waren, bieten die forensischen Reden ein manchmal schwer zu entwirrendes Durcheinander prozessual relevanter und irrelevanter Ausführungen. Absichtliche und auch unabsichtliche Unklarheiten, bewußte Verschleierung des Sachverhalts, böswillige Rechtsverdrehung, gelegentlich wohl auch einfacher Ignoranz entspringende juristische Irrtümer, emotionale, zuweilen ethische oder auch nur pseudoethische statt sachlichjuristischer Argumente — das ist ihr typischer Inhalt". 4 Wen wundert es da, daß man die Rekonstruktion des Rechtsfalls oft als aussichtsloses Unterfangen aufgegeben hat, etwa in der von Wilamowitz so heftig kritisierten Literatur 5 , oder aber, wie auch Wilamowitz selbst, bei dem Bemühen, die Hintergründe aufzuhellen, oft genug gescheitert ist? 6 Mittel und Wege, mit diesen oft unüberwindlichen Schwierigkeiten besser fertig zu werden, sind in jüngerer Zeit gefunden worden. Hilfreich, auch für den Philologen, sind hier vor allem die „Methodischen Grundfragen der rechtsgeschichtlichen Verwendung attischer Gerichtsreden" von H. J . Wolff. Denn der Weg, den der Jurist gehen muß, um die Reden als 3

Zur athenischen Prozeßpraxis vgl. Heitsch, Recht und Taktik 205—209 (bei Anastassiou/ Irmer 197 — 201); H. J . Wolff, Demosthenes als Advokat (Schriftenreihe der Jurist. Ges. Berlin 30), Berlin 1968 (bei Schindel 3 7 6 - 4 0 2 ) ; G . Thür, Komplexe Prozeßführung, dargestellt am Beispiel des Trapezitikos, Symposion 1971, Akten d. Ges. für griech. u. hellenist. Rechtsgeschichte, hrsg. v. H. J . Wolff, Bd. I, Köln/Wien 1975, 1 5 8 - 1 6 3 ; Wankel, Korruption 30—34; E . Heitsch, Antiphon aus Rhamnus (Abh. d. Akad. d. Wiss. u. d. Lit. Mainz, Geistes- u. sozialwiss. Kl. 1984, Nr. 3), Wiesbaden 1984, 5 — 10.

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Wolff, Grundfragen 2 (== O p . disp. 28). Seine Polemik 209 f. ( = Kleine Schriften III 116; bei Anastassiou/Irmer 26) richtet sich vor allem gegen die Behandlung der attischen Reden durch BIaß in der „Attischen Beredsamkeit".

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Z u der Interpretation von Wilamowitz vgl. J . H. Thiel, D e Antiphontis oratione prima, Mnemosyne Ν. S. 55 (1927), 3 2 1 - 3 3 4 , und Mnemosyne Ν. S. 56 (1928), 8 1 - 9 2 , sowie Stroh 1 3 - 1 5 .

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Einleitung

rechtshistorische Quellen auszuschöpfen, ist über weite Strecken derselbe, den auch der Philologe zu beschreiten hat. Beiden muß es darum zu tun sein, herauszufinden, welche Prozeßtaktik in der Rede verfolgt wird. Dazu ist es keineswegs nötig, bereits den Rechtsfall in allen Einzelheiten zu kennen. Man muß nur wissen, „welcher gesetzlich normierte Tatbestand und welches demgemäß typisierte Begehren der Auseinandersetzung die Richtung wies; attisch ausgedrückt: welche dike der Redner betrieb oder bekämpfte". 7 Daraus ergeben sich dann ganz bestimmte Erwartungen an den Inhalt der Rede, besonders hinsichtlich dessen, was bewiesen werden muß, und aus den Diskrepanzen zwischen diesen Erwartungen und dem Bild, das die Rede tatsächlich bietet, läßt sich die Stoßrichtung der Rede, die Taktik des Redners ablesen. Außerdem sollte man sich vor Augen halten, wie der Aufbau einer attischen Gerichtsrede nach den allgemein anerkannten Forderungen einer bereits verfestigten oder sich erst verfestigenden Theorie aussehen sollte, um dann aus Abweichungen von den vorgeschriebenen Regeln seine Schlüsse zu ziehen. Zu welchen interessanten Ergebnissen man auf diesem Wege kommen kann, hat W. Stroh in seinem Buch „Taxis und Taktik" an einigen Gerichtsreden Ciceros eindrucksvoll gezeigt 8 . Wenn man nun die Taktik des Redners verstanden hat, ist schon viel gewonnen. Dann ist erkennbar, worauf es dem Redner besonders ankommt, was er in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung rückt. Der Jurist kann von dort aus versuchen, zu den Rechtsprinzipien vorzustoßen, auf denen der Redner seine Argumentation aufbaut, der Philologe kann sich bemühen, gerade auch aus dem, was der Redner in den Hintergrund schiebt oder unbewiesen läßt, Rückschlüsse auf das tatsächliche Geschehen zu ziehen. Wenn ihm das gelingt, ist er am Ziel seiner Wünsche, denn dann kann er nicht nur beurteilen, mit welchen Mitteln der Logograph seine Taktik in der Rede umgesetzt hat, sondern auch erkennen, inwieweit die Taktik dem Ziel angemessen ist, für den Sprecher das Bestmögliche zu erreichen, d. h., dann ist es möglich, zu einem wohlbegründeten Urteil über die Gesamtleistung des Logographen zu kommen. Daß dieses Ziel auch unter Anwendung des hier skizzierten Verfahrens nur in Ausnahmefällen erreichbar ist, versteht sich von selbst. In der Regel wird man sich mit weniger bescheiden müssen, und natürlich bleibt bei manchen Reden der Hintergrund auch völlig undurchschaubar, vor allem dann, wenn das Prozeßverfahren, in das die Rede gehört, nicht sicher zu bestimmen ist. Auch die Möglichkeit einer späteren Redaktion der Rede zum Zweck der Veröffentlichung muß in Rechnung gestellt werden. Oft überarbeiten die Logographen ihre Reden mit dem Ziel, Argumente der 7 8

Wolff, Grundfragen 5 f. ( = Op. disp. 32 f.). Zur Methodik vgl. besonders Stroh 7 — 24.

Die Rede vor dem Hintergrund des ihr zugrunde liegenden Rechtsfalls

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Gegenseite, die vor Beginn des Prozesses nicht vorausgeahnt werden konnten und daher auch nicht berücksichtigt worden waren, nachträglich in die Reden aufzunehmen und zu widerlegen. Für die Aufdeckung des Rechtsfalls muß das durchaus nicht hinderlich sein, aber die Notwendigkeit, für eine gerechte Beurteilung der Leistung, die der Logograph vor Prozeßbeginn erbracht hat, diejenige Fassung der Rede zu rekonstruieren, die vor Gericht gehalten wurde, bereitet natürlich zusätzliche Schwierigkeiten. Doch trotz alledem führt das hier beschriebene, die Gedanken von Wolff und Stroh verwertende Verfahren zweifellos in vielen Fällen zu einem besseren Verständnis der Reden, als man es bisher erreicht hat. Auch zu dem Zweck, für die ungewöhnliche Disposition der zehnten Rede des Lysias eine Erklärung zu finden, scheint es durchaus geeignet. Bei dieser Rede sind die nötigen Vorbedingungen gegeben, ja die Voraussetzungen sind sogar besonders günstig, um unter Anwendung dieser Interpretationsmethode zu neuen Ergebnissen zu gelangen.

2. Die Argumentation des Sprechers und ihre Problematik Grundsätzlich, so läßt sich denken, muß der Kläger in einer δίκη κακηγορίας zunächst beweisen, daß der Beklagte den betreffenden Ausdruck überhaupt gebraucht oder den betreffenden Vorwurf überhaupt erhoben hat, jedenfalls dann, wenn der Beklagte dies bestreitet. Ferner muß er den Beweis dafür erbringen, daß der Vorwurf unwahr ist. Dem Beklagten stand ja der Wahrheitsbeweis offen. Erst danach mag man die Behandlung möglicher Ausflüchte erwarten. In unserer Rede nun findet sich kein Beweis dafür, daß Theomnestos tatsächlich behauptet hatte, der Sprecher habe seinen eigenen Vater getötet. Der Sprecher bezeichnet zwar in § 1 der Rede die Richter als Zeugen, aber das dient nur dazu, bei den Richtern Aufmerksamkeit zu erregen, es hat nicht den Zweck, einem Versuch des Theomnestos, seine Aussage zu leugnen, vorzubeugen 1 . Wir können daraus schließen, daß sich Theomnestos zu seiner Behauptung bekannte, und vermuten, daß der Sprecher eben deshalb glaubte, auf einen Beweis dafür verzichten zu können. Unbedingt aber müssen wir von dem Sprecher erwarten, daß er ausreichende Beweise dafür erbringt, daß er seinen Vater nicht getötet hat. Wir erwarten von ihm eine ausführliche Schilderung, die in allen Einzelheiten aufzeigt, unter welchen Umständen der Vater ums Leben kam. Eine solche Erzählung, die durch Zeugenaussagen und andere Beweismittel die Unschuld des Sprechers beweist, müßte den größten Teil der Rede ausmachen. Ausreden

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Vgl. den Kommentar zu § 1 (δτε Λυσίθεος Θεόμνηστον είσήγγελλε).

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Einleitung

und Ausflüchte des Theomnestos könnten dann mit wenigen Worten abgehandelt werden. Diesen Erwartungen entspricht unsere Rede aber überraschenderweise gar nicht. Nur in § 4 und § 5 geht der Sprecher kurz auf den Vorwurf des Theomnestos ein, dagegen wird im weitaus längsten Teil der Rede ein ganz anderes Thema behandelt. In § 6 berichtet der Sprecher, Theomnestos habe vor dem Schiedsrichter behauptet und werde wahrscheinlich auch vor dem Geschworenengericht wieder behaupten, er habe den im Gesetz verbotenen Ausdruck nicht gebraucht, er habe nicht άνδροφόνος gesagt, sondern nur von άποκτείνειν gesprochen, und das sei nicht strafbar. Der Entkräftung dieses Arguments widmet der Sprecher im folgenden die lange Partie bis § 20 einschließlich. Um dieses Argument ad absurdum zu führen, setzt er alle Mittel ein, kein Vergleich ist ihm zu abwegig, kein Angriff auf den Gegner zu scharf. Alles andere tritt dahinter völlig zurück. Wie ist diese unseren Erwartungen gänzlich widersprechende Stoßrichtung der Rede zu erklären? Es scheint nur eine Möglichkeit zu geben: Die Argumentation des Theomnestos muß für den Sprecher gefahrlich gewesen sein. Aus seinem Schweigen über die Entscheidung des Schiedsrichters ist zu schließen, daß Theomnestos bei ihm Zustimmung gefunden hatte, und nun mußte unter allen Umständen verhindert werden, daß ihm dies auch vor dem Geschworenengericht gelang. Dem Sprecher blieb offensichtlich gar nichts anderes übrig, als auf die Argumentation des Theomnestos ausführlich einzugehen. Aber war dessen Argumentation denn wirklich so überzeugend? Theomnestos habe zu behaupten gewagt, so läßt uns der Sprecher wissen, das Gesetz verbiete nicht zu sagen, jemand habe seinen Vater getötet, sondern verbiete nur, άνδροφόνος zu sagen. Dagegen wendet der Sprecher entrüstet ein, man dürfe doch nicht um Worte streiten, auf den Sinn komme es an. Es wisse doch jeder, daß alle, die getötet haben, άνδροφόνοι sind, und alle, die άνδροφόνοι sind, getötet haben. Der Gesetzgeber hätte ja viel zu tun, wenn er alle Wörter, die dieselbe Bedeutung haben, aufschreiben wollte. Bestimmt würde doch auch Theomnestos nicht fordern, einer, der ihn einen πατραλοίας oder μητραλοίας genannt habe, müsse bestraft werden, einer, der ihm vorgeworfen habe, er hätte seinen Vater oder seine Mutter geschlagen, müsse dagegen straflos bleiben. Der Sprecher zählt im folgenden ein Beispiel dieser Art nach dem anderen auf, und seine Ausführungen wirken vollkommen überzeugend. Mit solch einem kindischen Argument, er habe nicht άνδροφόνος gesagt, sondern nur von άποκτείνειν gesprochen, soll Theomnestos den Schiedsrichter überzeugt haben? Und doch, die Art, wie der Sprecher von dem Vorverfahren vor dem Schiedsrichter berichtet, läßt keinen anderen Schluß zu. Wie ist das zu erklären? Wir stehen hier vor dem Kernproblem der zehnten Rede des

Die Rede vor dem Hintergrund des ihr zugrunde liegenden Rechtsfalls

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Lysias, vor einem Rätsel, das überzeugend zu lösen bisher noch nicht gelungen ist. Die einfachste Erklärung wäre natürlich die, daß die Athener keine Gesetzesauslegung kannten und tatsächlich immer ganz streng auf den Wortlaut der Gesetze achteten. Diese These haben die beiden Juristen H. Meyer-Laurin und J. Meinecke vertreten. Beide behaupten, die zehnte Rede des Lysias sei ein eindeutiger Beweis dafür, „daß die Gerichte für den zu stimmen pflegten, der sich am genauesten auf die Gesetze berufen konnte" 2 . Die weitschweifigen Ausführungen des Sprechers zeigten seine Befürchtung, „daß auch die Heliasten sich dem formalistischen Rechtsstandpunkt anschließen und die Klage als unbegründet abweisen würden, weil Theomnestos nicht einen der vom Gesetz verbotenen Ausdrücke verwendet hatte" 3 . Diese auf den ersten Blick überzeugend wirkende Theorie hält einer genaueren Untersuchung der Rede jedoch nicht stand. Denn wenn die Athener wirklich einem solchen Gesetzespositivismus gehuldigt hätten, dann hätten all die Absurditäten, die der Sprecher als Folgen dieses extremen Buchstabengehorsams gegenüber den Gesetzen aufzählt, im athenischen Rechtsleben tatsächlich vorkommen können. Das aber war mit Sicherheit nicht der Fall. Denn die langen Ausführungen des Sprechers sind doch nur dann sinnvoll, wenn zu erwarten war, daß die Richter ihnen zustimmen würden. Wenn sie mit der gängigen Rechtsprechungspraxis nicht in Einklang gestanden hätten, hätte der Sprecher ja gegen Wände angeredet, Lysias hätte eine miserable Rede verfaßt, die niemals ihren Zweck hätte erfüllen können, die Richter zu überreden. Außerdem beweisen auch die Ausführungen in § 12 und § 13, daß die Athener nicht in einer so formalistischen Weise am Wortlaut der Gesetze festgehalten haben. Um deutlich zu machen, daß Theomnestos selbst nicht immer den Standpunkt eingenommen habe, den er jetzt zur Grundlage seiner Argumentation mache, weist der Sprecher darauf hin, Theomnestos habe Klage wegen κακηγορία gegen Theon erhoben, weil dieser ihm vorgeworfen habe, έρριφέναι τήν άσπίδα. Im Gesetz stehe aber nur, derjenige mache sich einer κακηγορία schuldig, der einem anderen ohne Grund vorwerfe, άποβεβληκέναι τήν άσπίδα. Dennoch hatte Theomnestos den Prozeß gewonnen. Es spielte keine Rolle, ob Theon genau den im Gesetz stehenden Ausdruck gebraucht hatte oder nicht, und Theon kam auch nicht auf die Idee, sich damit zu verteidigen, daß er έρριφέναι τήν άσπίδα gesagt hatte, während doch im Gesetz άποβεβληκέναι τήν άσπίδα als άπόρρητον festgehalten ist. Der Unterschied zwischen έρριφέναι τήν άσπίδα und άποβεβληκέναι τήν άσπίδα liegt zwar nicht ganz auf derselben Ebene wie der zwischen άνδροφόνον είναι und άποκτείνειν, aber dennoch

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Meyer-Laurin 36. Meinecke 347.

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erweist sich die Theorie von Meyer-Laurin und Meinecke schon aufgrund dessen, was wir über den Prozeß gegen Theon erfahren, als falsch 4 . Eine andere Lösung des Problems ist schon lange Zeit vorher von E. Szanto vorgeschlagen worden. Er glaubte, aus der zehnten Rede des Lysias ergebe sich, daß im attischen Recht ganz streng zwischen Beschimpfung durch den Gebrauch eines bestimmten Schimpfwortes und falscher Beschuldigung unterschieden worden sei. Nur ersteres sei durch das Gesetz über die άπόρρητα unter Strafe gestellt worden, und deshalb habe sich Theomnestos tatsächlich nicht strafbar gemacht, der Sprecher aber trete in unserer Rede dafür ein, auch die falsche Beschuldigung zu bestrafen. Diese Theorie, der Gernet, Sykutris und Bartolini trotz erheblicher Abstriche mit Wohlwollen gegenüberstanden 5 , ist bei anderen auf entschiedene Ablehnung gestoßen 6 , und dies durchaus mit Recht. Denn die Aufnahme des Vorwurfs άποβεβληκέναι τήν άσπίδα unter die άπόρρητα steht der These von Szanto entgegen. Szanto selbst sprach von einem späteren Zusatz zu dem Gesetz, mit dem zwar das Prinzip, nur die Beschimpfung zu bestrafen, durchbrochen worden sei, dem aber weiter keine Bedeutung zukomme 7 . In Wirklichkeit aber zeigt sich hier, daß die moderne Unterscheidung zwischen Beschimpfung und falscher Beschuldigung dem attischen Recht fremd war. Möglicherweise sollten zu Solons Zeiten wirklich nur einzelne Schimpfwörter durch das άπόρρητα-Gesetz verboten werden, später aber wird man bestrebt gewesen sein, auch in anderer Form geäußerte falsche Beschuldigungen, die den Schmähwörtern inhaltlich gleichkamen, durch dasselbe Gesetz zu bestrafen. Man behielt den alten Wortlaut des Gesetzes bei und behalf sich mit Interpretation 8 . Nur bei neu hinzutretenden Ergänzungen wählte man die Infinitivform, um den betreffenden Vorwurf im Gesetz festzuhalten. Bei dem Vorwurf άποβεβληκέναι τήν άσπίδα dürfte es sich um einen solchen Zusatz handeln, denn es ist kaum glaublich, daß ein Gesetz, das eine so uneinheitliche sprachliche Gestaltung aufweist, von einer Hand stammt, aber dieser Zusatz bringt eben die Theorie von Szanto zu Fall. Sie wird auch nicht durch das Argument von Sykutris gestützt, „die ängstliche Vorsicht, mit der der Sprecher in der ganzen Rede es vermeidet, dem Theomnestos direkt den Ausdruck άποβεβληκέναι bzw. έρριφέναι τήν άσπίδα zuzurufen, obwohl er ihm wieder-

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Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den Thesen Meyer-Laurins und Meineckes, die sich übrigens auch nicht mit dem in Einklang bringen lassen, was Wolff, Normenkontrolle 64, über die γραφή παρανόμων sagt, erfolgt im Anhang „Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern". Gernet 141 f.; Sykutris 82f.; Bartolini 5 f. Vgl. Hitzig 28 f.; Lipsius, AR 649 Anm. 49; Thalheim, κακηγορία 1524 f. Szanto 162 f. ( = Ausgewählte Abhandlungen 108). Vgl. den Anhang zu dem ähnlichen Fall von Rechtsentwicklung durch Gesetzesinterpretation bei der Klage τραύμα έκ προνοίας.

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holt dies getan zu haben vorwirft", beweise, „daß die Strafbarkeit wirklich an bestimmten Ausdrücken haftete". 9 Dieser Umstand beweist nur, daß der Sprecher Angst vor einer δίκη κακηγορίας des Theomnestos für den Fall hatte, daß er ihm diesen Vorwurf offen machte. Daß eine solche Klage nicht möglich war, wenn der Sprecher sich einer vagen Umschreibung mit ποιεΐν bediente, wie in §9 und §22, ist, obwohl das der Sache nach Gemeinte natürlich auch dann nicht verkannt werden konnte, selbstverständlich. Zuletzt hat Feraboli die These Szantos dahingehend abgewandelt, daß es im attischen Recht neben einer sich auf die άπόρρητα stützenden δίκη κακηγορίας noch eine „einfache" Klage wegen Schmähung gegeben habe, bei der es allein auf die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung angekommen sei. Dadurch nun, daß der Sprecher unserer Rede sich nicht mit einer einfachen δίκη κακηγορίας zufriedengegeben habe, sondern versucht habe, die beleidigende Äußerung des Theomnestos unter das άπόρρητα-Gesetz zu subsumieren, sei vor Gericht die Frage, ob der Vorwurf τον πατέρα άπεκτονέναι ein άπόρρητον sei oder nicht, in den Mittelpunkt gerückt 10 . Für eine Scheidung zweier δίκαι κακηγορίας gibt es jedoch in den Quellen keine Stützen. Bei Dem. 23,50 ist zwar von der exceptio veritatis beim κακώς λέγειν die Rede, ohne daß die άπόρρητα erwähnt werden, aber alles spricht dafür, daß das άπόρρητα-Gesetz gemeint ist, da durch §30 unserer Rede für dieses die exceptio veritatis gesichert ist. Einen dritten Versuch, unser Problem zu lösen, haben H. Frohberger und J. J. Bateman gemacht, indem sie versucht haben, die Gleichsetzung von άνδροφόνον είναι und άποκτείνειν in § 7 als falsch zu erweisen. Frohberger wies auf die 23. Rede des Demosthenes hin, aus der sich ergebe, daß άνδροφόνος „als Mörder verurteilt" heißt 11 . Dies ist jedoch nicht richtig. Demosthenes gewinnt diese Bedeutung für άνδροφόνος in dem Abschnitt §29 —§36 der Rede gegen Aristokrates durch eine Überinterpretation der attischen Blutgesetze, die nur möglich ist, weil diese in einer verkürzten Ausdrucksweise abgefaßt sind. In dem Gesetz, das die Zuständigkeit des Areopags festlegt, findet sich der Nebensatz εάν τις άποκτείνη, der streng genommen mit den Worten wiedergegeben werden muß: „wenn einer angeklagt wird, getötet zu haben", und in dem Gesetz, das die Anwendung der Apagoge gegen verurteilte Mörder zuläßt, die unerlaubterweise in die Heimat zurückkehren, ist einfach von den άνδροφόνοι die Rede. Daraus konstruiert Demosthenes für das Wort άνδροφόνος die Bedeutung „als Mörder verurteilt", aus Gründen, die mit der Absicht seiner Rede zusammenhängen, das von ihm bekämpfte 9 10 11

Sykutris 83. Feraboli 76 f. Frohberger 63.

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Psephisma des Aristokrates als gesetzwidrig hinzustellen. Keinesfalls darf aber aus der Demosthenesstelle geschlossen werden, daß άνδροφόνος „als Mörder verurteilt" heißt 12 . Auch die andere Annahme Frohbergers, άνδροφόνος könne nur der genannt werden, der einen φόνος έκούσιος begangen hat, ist haltlos 13 . Durch Dem. 23,44 f. wird bewiesen, daß das Wort auch den bezeichnen kann, der sich eines φόνος άκούσιος schuldig gemacht hat, und damit ist auch der Erklärungsversuch von Bateman hinfallig, der άνδροφόνος als „murderer" übersetzt und dann darauf hinweist, daß die Behauptung des Sprechers unserer Rede, „that whoever are killers are also murderers" falsch sei14. In Wirklichkeit bezeichnet άνδροφόνος denjenigen, der eine strafbare Tötungshandlung begangen hat, sei es ein φόνος έκούσιος oder ein φόνος άκούσιος, also einen Straftäter, so ζ. B. bei Aesch. 1,91 in Zusammenhang mit λωποδύται, κλέπται und μοιχοί, bei Dem. 24,119 in Zusammenhang mit κλέπται, ιερόσυλοι, πατραλοιαι, άστράτευτοι und λιπόντες τάς τάξεις, bei Lys. 13,56.88 und Dem. 23,80 in Zusammenhang mit der Apagoge, und der Unterschied zwischen άνδροφόνον είναι und άποκτείνειν besteht allein darin, daß der zweite Begriff, anders als der erste, auch den sogenannten φόνος δίκαιος mitumfaßt. Insofern ist die Behauptung unseres Sprechers, „alle, die getötet haben, sind άνδροφόνοι", tatsächlich nicht richtig. Aber in Zusammenhang mit einer κακηγορία hat die Aussage doch ihre volle Berechtigung. Denn wenn man jemandem vorwirft, getötet zu haben, dann wirft man ihm damit niemals einen φόνος δίκαιος vor, jedenfalls kann der, dem so etwas vorgeworfen würde, sich aufgrund dieses Vorwurfs nicht beleidigt fühlen. Ein solcher Vorwurf kann keine Schmähung sein. Es bleibt also festzuhalten, daß die Argumentation des Sprechers zwar eine kleine Ungenauigkeit enthält, aber seine Behauptung, „alle, die getötet haben, sind άνδροφόνοι", im Zusammenhang nicht mißverstanden werden konnte. Eine kritische Untersuchung der bisher zur Lösung unseres Problems gemachten Vorschläge hat somit ergeben, daß eine wirklich überzeugende Erklärung für den Inhalt und den Aufbau der zehnten Rede des Lysias noch nicht gefunden ist. Alle bisher vorgetragenen Erklärungsversuche hatten zum Ziel, die Ausführungen des Sprechers als in irgendeiner Weise mit dem attischen Recht nicht in Einklang stehend zu erweisen. Es muß aber nachdrücklich betont werden, daß die athenischen Richter, als sie das hörten, was wir in dem Abschnitt von § 6 bis § 20 lesen, nur zu der Überzeugung gelangen konnten, daß der Sprecher im Recht war. Warum der Schiedsrichter zugunsten von Theomnestos entschieden hatte und

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Vgl. auch Lipsius, AR 325 Anm. 30 u. 943 Anm. 4. Frohberger 63. Bateman 278.

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warum der Sprecher so ausführlich auf die Argumentation seines Gegners einging, muß auf andere Weise erklärt werden. Eine Lösung des Problems ist nur über eine Rekonstruktion des Rechtsfalls möglich.

3. Der Rechtsfall und die Taktik des Lysias In § 4 und § 5 geht der Sprecher kurz auf den Inhalt des von Theomnestos erhobenen Vorwurfs ein. Da weist er zuerst darauf hin, daß er erst 13 Jahre alt war, als sein Vater von den Dreißig getötet wurde. Ein seltsamer Satz in einem Abschnitt, der doch, wie wir vermuten, beweisen soll, daß der Sprecher seinen Vater nicht getötet hat. Der Sprecher hebt hervor, wie jung er beim Tode seines Vaters war, und läßt in einem Nebensatz die Bemerkung fallen, daß der Vater von den Dreißig umgebracht wurde, statt eben dies in den Vordergrund zu stellen und durch Beweise zu belegen. Aber damit noch nicht genug, es geht noch merkwürdiger weiter. Im nächsten Satz führt der Sprecher sein jugendliches Alter als Entschuldigungsgrund dafür an, daß er seinem Vater, als der Unrecht erlitt, nicht helfen konnte. Wieder wird die Tatsache, daß der Vater von anderen getötet wurde — denn nichts anderes ist ja mit dem Verbum άδικεϊσθαι gemeint —, als ganz unstrittig hingestellt, aber der Sprecher räumt gleichzeitig ein, daß er seinem Vater keine Hilfe gewährt habe. Schließlich führt er etwas an, was beweisen soll, daß ihm am Tode seines Vaters nicht gelegen sein konnte: sein älterer Bruder Pantaleon habe damals die Vormundschaft übernommen und ihm das vom Vater ererbte Vermögen geraubt. Dies beweist allerdings, selbst wenn es wahr ist, gar nichts. Denn daß Pantaleon den Sprecher um seinen Vermögensanteil bringen würde, konnte er ja nicht vorher wissen, es konnte ihn also auch von dem Vorhaben, den Vater zu töten, nicht abbringen, gesetzt den Fall, er hätte diesen Plan gehabt. Dann läßt der Sprecher sich durch Zeugen bestätigen, daß Pantaleon während der Vormundschaft Unregelmäßigkeiten begangen habe, und schließt damit dieses Kapitel ab. Der Sprecher beweist also nicht einmal in dem kurzen Abschnitt, in dem vom Tode des Vaters die Rede ist, die Unwahrheit des gegen ihn erhobenen Vorwurfs. Er gesteht vielmehr ein gewisses Fehlverhalten ein (οϋτε έκείνω άδικουμένω έδυνάμην βοηθήσαν), das er mit seinem Alter zu entschuldigen versucht, und bedient sich eines Scheinarguments, um zu beweisen, daß er den Tod seines Vaters nicht gewollt hat. Gleichzeitig läßt er beiläufig einfließen, daß sein Vater von den Dreißig umgebracht worden ist. Wie soll man das verstehen? Ist die Schuldzuweisung an die Dreißig eine leere Behauptung? Gewiß nicht! In § 27 und § 28 sagt der Sprecher nochmals, daß die dreißig Tyrannen seinen Vater getötet haben, und in § 31 behauptet er sogar, er selbst sei, sobald er volljährig geworden sei,

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vor dem Areopag gegen die Dreißig, die Mörder seines Vaters, vorgegangen. Aus der Altersangabe in § 4 ergibt sich, daß das lange nach der Amnestie von 403 v. Chr. gewesen sein muß, ein ungewöhnlicher Vorgang, der in der ganzen Stadt Aufsehen erregt haben muß und vom Sprecher nicht einfach erfunden worden sein kann. Auf jeden Fall kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Vater von den Oligarchen umgebracht worden ist. Angesichts dessen nehmen sich allerdings die Ausführungen in § 4 und § 5 noch seltsamer aus. Es hätte dem Sprecher doch ein leichtes sein müssen zu beweisen, daß der Vater ein Opfer der Dreißig geworden ist. Statt dessen flüchtet er sich in Argumente, die ihn in wenig gutem Licht erscheinen lassen. Da gibt es nur noch eine Erklärung: Theomnestos hatte gar nicht in Zweifel gezogen, daß die Dreißig den Vater des Sprechers umgebracht hatten. Er hatte dem Sprecher mit dem Vorwurf, er habe seinen Vater getötet, gar keinen handgreiflichen Mord zur Last gelegt. Er wußte genausogut wie alle anderen, daß die Dreißig den Vater hatten umbringen lassen, aber er wußte auch, daß der Sprecher beim Tode seines Vaters nicht frei von Schuld geblieben war. Der Sprecher sagt selbst, er habe dem Vater nicht geholfen. Diese Formulierung läßt der Phantasie viel Raum, aber es ist wohl nicht zu weit hergeholt, wenn man vermutet, daß der Sprecher damals, wahrscheinlich unwillentlich, durch ungeschicktes Verhalten den Mördern seines Vaters die Tat erleichtert hat 1 . Er wird, ohne es zu wollen, die Rolle eines Helfershelfers der Dreißig gespielt haben, er wird sich vielleicht feige verhalten haben, und Theomnestos, selbst wegen Feigheit angeklagt und durch die Zeugenaussage des Sprechers in Rage gebracht 2 , wird das zum Anlaß genommen haben, dem Sprecher vorzuwerfen, τον πατέρα άπεκτονέναι. Was der Sprecher selbst mit den Worten ούκ έδυνάμην βοηθήσαι umschreibt, das hatte Theomnestos in die drastischen Worte gefaßt: τον πατέρα άπέκτεινας. 3 Wenn man den Vorwurf des Theomnestos in diesem Sinne versteht, als eine Übertreibung, in der ein Körnchen Wahrheit steckt, nicht aber als eine völlig aus der Luft gegriffene Behauptung, werden all die „Ungereimtheiten" der Rede mit einem Schlage verständlich. Es läßt sich erklären, warum der Sprecher die Ermordung seines Vaters durch die Dreißig als unumstrittenes Faktum behandelt: Theomnestos hatte es eben gar nicht bestritten. Es wird auch klar, warum die Umstände, die zum Tode des

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Vgl. die anschauliche Erzählung bei Lys. 12,8 — 16 von der Verhaftung des Polemarch und der Flucht des Lysias. Leicht kann man sich in einer solchen Situation die unbedachte Handlung eines Dreizehnjährigen vorstellen, die zum Tode eines anderen führt. Vgl. § 30 der Rede. Vgl. Polak 173: „Quasi vero qui per aetatem vel ob quamcumque tandem causam patrem tyrannorum manibus non valet eripere, is cum aliqua probabilitate sive iure sive iniuria argui possit patrem interemisse."

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Vaters geführt hatten, in der Rede so knapp behandelt werden: es war dem Sprecher unangenehm, über dieses dunkle Kapitel zu reden. Es wird auch deutlich, warum vor dem Schiedsrichter und vor Gericht die Auseinandersetzung um eine ganz andere Frage in den Mittelpunkt rückte: Theomnestos war sich, nachdem sich sein Zorn gelegt hatte, darüber im klaren, daß er zu weit gegangen war, und legte deshalb das Schwergewicht seiner Argumentation nicht gerade darauf, zu beweisen, daß sein Vorwurf, so wie er ihn formuliert hatte, zu Recht bestand. Er mußte die Klage auf andere Weise als unberechtigt zurückweisen, und wie er argumentiert hat, das können wir jetzt, nachdem wir einen neuen Zugang zu unserer Rede gewonnen haben, versuchen nachzuvollziehen. Theomnestos wird sich vor allem auf Billigkeitsargumente gestützt haben. Er wird darauf verwiesen haben, daß er damals im Zorn gesprochen hatte. Der Sprecher sieht sich denn auch in § 30 veranlaßt, eigens zu betonen, daß Theomnestos sich nicht damit verteidigen dürfe, ώς όργισθείς ειρηκεν. Außerdem wird Theomnestos versucht haben, deutlich zu machen, daß der Sprecher seine Worte in ungebührlicher Weise aus dem Zusammenhang gerissen habe und als einen Vorwurf erscheinen lasse, den er gar nicht erhebe. Er behaupte nämlich gar nicht, daß der Sprecher seinen Vater im eigentlichen Sinne des Wortes ermordet habe. Die άνδροφόνοι seien natürlich die Dreißig und deren Leute, die die Ermordung des Vaters geplant und ausgeführt haben. Er habe mit seinen Worten nur sagen wollen, daß der Sprecher am Tode seines Vaters schuldig oder zumindest mitschuldig gewesen sei. Das sei durch das άπόρρητα-Gesetz nicht verboten und entspreche überdies der Wahrheit. Das wird, jedenfalls dem Sinne nach, die Argumentation gewesen sein, mit der Theomnestos beim Schiedsrichter Zustimmung gefunden hatte und mit der er auch vor dem Geschworenengericht zu bestehen hoffte, und seine Argumente hatten auch durchaus ihre Berechtigung. Theomnestos hatte dem Sprecher den Vorwurf, der sich hinter dem Wort άνδροφόνος verbirgt, eben wirklich nicht machen wollen, der Sinn seiner Worte war ein anderer gewesen. Allerdings stellten seine Worte τόν πατέρα άπέκτεινας doch eine unzulässige Übertreibung dar, wenn man sie isoliert betrachtete und den Zusammenhang, in dem sie gefallen waren, nicht beachtete. Dann waren sie nämlich gleichbedeutend mit dem Vorwurf, ein άνδροφόνος zu sein, und ein solcher war der Sprecher natürlich nicht. Letztlich kam es bei der Entscheidung dieses Rechtsfalls darauf an, ob mehr Geltung haben sollte, was Theomnestos gesagt oder was er gemeint hatte. Der Schiedsrichter war offenbar zu der Überzeugung gelangt, daß der Sinn seiner Worte größeres Gewicht habe und er nicht bestraft werden solle, weil der Vorwurf, den er dem Sprecher habe machen wollen, durchaus berechtigt sei. Für den Sprecher aber kam alles darauf an, zu verhindern, daß das Geschworenengericht ähnlich entschied. Er vertraute sich dem erfahrenen Logographen Lysias an, und

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dieser verfaßte für ihn eine Rede, die in der Tat bestens geeignet war, dieses Ziel zu erreichen. Lysias verzichtete auf eine Narratio, in der er die näheren Umstände, unter denen Theomnestos seinen Vorwurf erhoben hatte, genauer hätte darstellen müssen, und teilte statt dessen im Prooemium in aller Kürze mit, Theomnestos habe dem Sprecher vorgeworfen, τον πατέρα άπεκτονέναι, so daß die Richter glauben mußten, es handele sich um einen üblen Mordvorwurf. In § 4 und § 5 ging er dann geschickt über den eigentlichen Inhalt des von Theomnestos erhobenen Vorwurfs hinweg, ehe er in § 6 die Argumentation des Theomnestos so wiedergab, daß es den Anschein hatte, als klammere dieser sich in geradezu lächerlicher Form an den Wortlaut des Gesetzes4. Nachdem die Richter so weit in die Irre geführt worden waren, brachte er im folgenden einfach ein Beispiel nach dem anderen, das bewies, daß man in Gesetzestexten synonyme Wörter austauschen kann, beschrieb eine lächerliche und absurde Situation nach der anderen, die die Folge solcher Wortklaubereien, wie sie Theomnestos angeblich betrieb, sein würden, und argumentierte so immer wieder haarscharf an der Argumentation des Theomnestos vorbei. Den Richtern mußte Theomnestos als ein Dummkopf ersten Ranges erscheinen, der noch nicht einmal wußte, daß es nicht auf den Wortlaut, sondern auf den Sinn eines Gesetzes ankommt. Daß es aber in Wahrheit der Sprecher war, der seine Klage auf dem Wortlaut der Äußerung des Theomnestos aufbaute und den Sinn seiner Worte absichtlich unbeachtet ließ, blieb den Richtern ebenso verborgen wie die Tatsache, daß Theomnestos sich nicht etwa damit verteidigte, daß er ein gleichbedeutendes, aber eben anderes Wort verwendet hatte, sondern damit, daß sein Vorwurf in einem anderen Sinne gemeint war als der im Gesetz verbotene Vorwurf άνδροφόνον είναι. Lysias gab den Theomnestos einfach der Lächerlichkeit preis5 und sorgte dafür, daß er auf das geschickteste „gegen sich selbst ausgespielt" wurde 6 . In § 9 und § 12 ließt er den Sprecher auf die δίκη κακηγορίας des Theomnestos gegen Theon hinweisen und scheinheilig fragen, wieso er eigentlich damals Klage gegen ihn erhoben habe, da man ihm doch nur vorgeworfen habe, έρριφέναι τήν άσπίδα, nicht aber den im Gesetz verbotenen Ausdruck άποβεβληκέναι τήν άσπίδα. Er lege die Gesetze offenbar immer so aus, wie es ihm gerade passe. Lysias ließ den Sprecher sogar noch alte solonische

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Schon Hitzig 30 vermutete, Lysias könnte die Argumentation des Theomnestos nicht richtig wiedergegeben haben. „Theomnestos hatte vielleicht gar nicht allgemein verneint, daß λέγειν άπεκτονέναι und άνδροφόνον λέγειν gleichbedeutend seien, sondern nur für den konkreten Fall behauptet, daß in s e i n e r Aussage der Vorwurf des Mordes nicht gefunden werden könne." Hitzig dachte dabei allerdings zu Unrecht an den Vorwurf eines φόνος δίκαιος. Auch Lämmli 9 Anm. 2 vermutete, daß in § 6 „die gegnerische Aufstellung verdreht wiedergegeben wurde", ohne aber näher darauf einzugehen. Vgl. schon Blaß 606, der aber die Motive nicht erkannt hat. Voegelin 34.

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Gesetze durchgehen, in denen inzwischen veraltete Ausdrücke verwendet waren, und ging so weit, „dem Theomnestos wie einem dummen Jungen Unterricht in der Gesetzesinterpretation zu geben" 7 . Natürlich hatte Theomnestos die Möglichkeit, den falschen Eindruck, den die Richter von seiner Argumentation erhalten hatten, zurechtzurücken, nachdem der Sprecher seine Rede vorgetragen hatte, aber er dürfte einen schweren Stand gehabt haben. Wenn er sich jetzt noch damit verteidigen wollte, daß er nicht άνδροφόνος gesagt hatte, dann hörten die Richter ihm wahrscheinlich gar nicht mehr zu, sondern lachten ihn schon nach den ersten Sätzen nur noch aus. Der Sprecher hatte allen Grund, zuversichtlich zu sein. In der für ihn verfaßten Rede waren alle Mittel eingesetzt, die nur irgendwie geeignet sein konnten, ihm zum Siege zu verhelfen. Die zehnte Rede muß als ein Meisterwerk des Lysias gelten. Das Urteil, das schon Francken und Polak über ihren Wert gefallt haben 8 , wird durch eine Rekonstruktion des ihr zugrunde liegenden Rechtsfalls bestätigt. 7 8

Blaß 606. Vgl. S. VII.

Text Seit Sauppes kritischer Epistel an Gottfried Hermann aus dem Jahre 1841 darf als gesichert gelten, daß alle uns erhaltenen Handschriften, die den Text der Lysiasreden 3 — 31 enthalten, vom Codex Palatinus Heidelbergensis 88 (X) aus dem 12. Jh. abhängen. Allein für die zehnte Rede besitzen wir ein Stück Sonderüberlieferung: die elfte Rede im Corpus Lysiacum ist, wie bereits Scaliger erkannt hat, eine epitomierte Fassung der zehnten Rede. Die Auswertung dieser Epitome für die Textkritik ist allerdings schwierig, da man nie genau weiß, wieviel der Epitomator von sich aus geändert hat. Unter den vom Palatinus abhängigen Codices sticht der Laurentianus 57,4 (C) aus dem 15. Jh. durch einige evidente Verbesserungen besonders hervor. P. Oxy. 2537 enthält eine Inhaltsangabe der zehnten und elften Rede.

P. Oxy. 2537 recto 6 - 1 5 ed. J. Rea (1966) κακηγορίας δ'· κατά Θεομνήστου α' β' Θεόμνηστος έν δικ[α]στηρίφ εΙπε[ν τόν κατηγοροΰντα έαυτοΰ τόν πατ[έ]ρα άπεκτονέ[ναι φησί δ' ό κατηγορών τρισκαιδεκ[έτης ών τήν ήλικίαν προ εικοσαετίας δτε ό πατήρ [ύπό των τριάκοντα άπέθανεν. τα μέντοι των έ[τών το]ΰ [υίοϋ και του πατρός αύτοΰ ού [σ]υμφωνεΐ έν άμ[φοτέροις λόγοις· έ{α}ν μέν γαρ τούτω ό νεανίας τρι[σκαίδεκα έτών έστίν, ό δέ πατήρ αύτοΰ έξήκοντα [έπτά, έν δέ τω έξης ό μέν [έτών] δ[ε]καδύο, ό δέ έβδομή[κοντα. sequuntur argumenta orationum υπέρ του στρατιώτου (or. 9) et προς τούς συνουσιαστάς (or. 8). ΚΑΤΑ ΘΕΟΜΝΗΣΤΟΥ Μαρτύρων μέν ουκ άπορίαν μοι έσεσθαι δοκώ, ώ άνδρες δικασταί - ι πολλούς γαρ ύμών όρώ δικάζοντας τών τότε παρόντων, δτε Λυσίθεος Θεόμνηστον εισήγγελλε τά όπλα άποβεβληκότα, ουκ έξόν αύτω, 5 δημηγορεΐν - έν έκείνω γαρ τω άγώνι τόν πατέρα μ' εφασκεν άπεκτον-

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Text

έναι τον έμαυτοϋ. εγώ δ', εί μεν τον έαυτοΰ με άπεκτονέναι ήτιάτο, συγγνώμην αν είχον αύτω των είρημένων (φαΰλον γάρ αυτόν καί ούδενός άξιον ήγούμην)· ούδ' εϊ τι άλλο των άπορρήτων ήκουσα, ούκ αν έπεξήλθον αύτω (άνελευθέρων γάρ καί λίαν φιλοδίκων είναι νομίζω κακηγορίας δικάζεσθαι)· νυνί δέ αίσχρόν μοι είναι δοκεΐ περί του πατρός, οδτω πολλού αξίου γεγενημένου καί ύμΐν καί τη πόλει, μή τιμωρήσασθαι τον ταϋτ' ειρηκότα, καί παρ' υμών εΐδέναι βούλομαι πότερον δώσει δίκην, ή τούτω μόνω 'Αθηναίων έξαίρετόν έστι καί ποιεΐν καί λέγειν παρά τούς νόμους ö τι αν βούληται. Έμοί γάρ, ώ άνδρες δικασταί, ετη έστί ύμεΐς κατεληλύθατε) und, was die Richterauslosungen angeht, zu § 1 (δτε Λυσίθεος Θεόμνηστον είσήγγελλε).

Kommentar § 23

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έγώ δέ έορακώς μεν έκεΐνο τούτον ποιήσαντα δ και ύμεΐς ΐστε, αυτός δέ σώσας την άσπΐδα: Die von Cobet hergestellte Form έορακώς, nicht das überlieferte έωρακώς, ist die korrekte attische Form, an vielen Komödienstellen durch das Metrum gesichert; vgl. Kassel/Austin zu Eup. F 193,3. Dem Sprecher gelingt hier wieder eine besonders geschickte Umschreibung des Vorwurfs, Theomnestos habe den Schild weggeworfen, vgl. bereits zu § 9 (περί τούτο γάρ δεινός εΐ). άκηκοώς δέ οϋτως άνόσιον και δεινόν πράγμα: Das Adjektiv άνόσιος ist eine Konjektur von Hertlein, Jb. f. Phil. u. Päd. 109 (1874), 175, überliefert ist ανομον, das Frohberger, Gernet/Bizos und Knips im Text belassen haben. Aber ανομον ist in unserem Fall zu blaß. Vatermord ist ein άνόσιον και δεινόν πράγμα, vgl. ελεξαν (seil, oí κατήγοροι) γάρ ώς ... γενοίμην μηνυτής κατά του πατρός του έμαυτοΰ, λόγον οΐμαι πάντων δεινότατόν τε και άνοσιώτατον λέγοντες And. 1,19; dieselbe Verbindung auch Dem. 23,76; 24,152. μεγίστης δέ ούσης μοι της συμφοράς, εΐ άποφεύξεται, τούτω δέ ούδενός άξίας, εί κακηγορίας άλώσεται: Nachdem der Sprecher zuletzt mit dem Gegensatz „Schildwegwerfer" — „Vatermörder" argumentiert hatte, kehrt er jetzt wieder zu dem gegenwärtigen Prozeß zurück und stellt das ihm im Falle eines Freispruchs für Theomnestos drohende Unglück, nämlich im Rufe zu stehen, ein Vatermörder zu sein, der Strafe gegenüber, die Theomnestos im Falle einer Verurteilung wegen κακηγορία zu erwarten hat. Zu άποφεύγειν und άλίσκεσθαι vgl. zu § 2 (ούδέ ... ουκ αν έπεξήλθον αύτφ) sowie Schodorf 14 f. und 17 f. ούκ άρα δίκη ν παρ' αύτοΰ λήψομαι: Die Partikel αρα wird auch sonst gerne in rhetorischen Fragen gebraucht, besonders wenn diese im Futur stehen, vgl. ζ. B. Lys, 12,36; F i l ; [Dem.] 17,9; weitere Beispiele bei Denniston 37.

§23 τίνος δντος έμοί προς ύμάς έγκλήματος: „Was habt ihr mir denn vorzuwerfen?" Ein έγκλημα πρός τινα ist der Vorwurf eines Unrechts, das man an jmdm. begangen hat, vgl. ώστε μηδέποτέ μοι μηδέ προς ενα μηδέν έγκλημα γενέσθαι Lys. 16,10; οϋτ' εγκλημά μοι προς ούδένα τών πολιτών γέγονεν Hyp. 2,16; έπειδή δ' έκ τών προς αύτούς έγκλημάτων μισοΰσι Dem. 1,7; μέγα γάρ έγκλημα προς αύτούς ... έγεγόνει PI. leg. III 685c. Diese Parallelen verbieten es, den Vorschlag Franckens 76 f. anzunehmen, προς υμών anstelle von προς υμάς zu lesen, vgl. auch Liddell/Scott s. ν. έγκλημα und s. ν. πρός C I 6 b.

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Kommentar § 23

πότερον δτι δικαίως άκήκοα; άλλ' ούδ' αν αυτοί φήσαιτε: Zu άκήκοα muß in Gedanken οϋτως άνόσιον καί δεινόν πράγμα ergänzt werden, der von Herwerden, Analecta critica ad Thucydidem, Lysiam, Aristophanem et Comicorum Graecorum fragmenta, Utrecht 1868, 58, und Knips 36 erwogene Einschub eines κακώς vor άκήκοα ist unnötig. Der Sprecher beginnt nun, nachdem er bereits zwei rhetorische Fragen gestellt hat, damit, sich mögliche Vorwürfe von seiten der Richter als Fragen vorzulegen, um sie gleich darauf als unberechtigt zurückzuweisen. Er diskutiert mit sich selbst und wendet damit das rhetorische Stilmittel der Hypophora an. Ebenso mit πότερον ... άλλά und in den folgenden Frage- und Antwortsätzen mit άλλα ... άλλά Lys. 24,24f.; 30,26f.; 31,24f.; Isae. 5,45 f.; 11,25; Hyp. 4,10; 6,30; Isoc. 15,223.224 f.; 17,47. Weitere, zum Teil formal etwas anders gebaute Beispiele bei Albini zu And. 3,13; Denniston 10 f.; Wankel I 239 (zu Dem. 18,24). άλλ' δτι βελτίων καί έκ βελτιόνων ó φεύγων έμοϋ; άλλ' ούδ' δν αύτός άξιώσειεν: „Daß man besser (βελτίων καί έκ βελτιόνων) sei als der Prozeßgegner, ist vor einem athenischen Gericht, vor dem die έπιεικής δόξα eine so große Rolle spielte, ein naheliegender Anspruch" (Wankel I 157 zu Dem. 18,10), vgl. auch Lys. 24,3: δήλός έστι φθόνων, οτι... τούτου βελτίων ειμί πολίτης. Das Polyptoton βελτίων καί έκ βελτιόνων findet sich bei den Rednern auch bei Dem. 18,10; 22,63.68, vgl. ferner δούλος καί έκ δούλων Lys. 13,18; Dem. 22,61.68; άγαθοί καί έξ άγαθών οντες And. 1,109. Weiteres zu diesen Formeln bei B. Gygli-Wyss, Das nominale Polyptoton im älteren Griechisch (Ergänzungshefte zur Ztschr. f. vergleich. Sprachforschung 18), Göttingen 1966, 92 f., und (mit weiteren Literaturhinweisen) Wankel a. O. Zusätzlich könnte man noch verweisen auf Dziatzko/Hauler zu Ter. Phorm. 115 (mit Beispielen aus dem Lateinischen). Der Sprecher erhebt den Anspruch, besser als sein Gegner zu sein, hier indirekt, indem er dem Theomnestos die Berechtigung dazu abspricht: „Das würde er selbst nicht für sich in Anspruch nehmen". Damit ist natürlich auch die Zurückweisung des nächsten Vorwurfs vorbereitet. Auf ein Zugeständnis des Gegners berufen sich die Redner gerne, vgl. ebenfalls in einer Hypophora: άλλ' ούδ' αν αυτός φήσειεν Lys. 24,24; ferner ζ. Β. ó Σόλων, ώ άνδρες δικασταί, φ ούδ' αν αύτός Τιμοκράτης φήσειεν όμοιος νομοθέτης είναι Dem. 24,113; ώς ού τάληθή μεμαρτυρήκασιν, ούδ' άν αύτόν οϊμαι Λεωχάρην ειπείν Isae. 5,3. άλλ' δτι άποβεβληκώς τά δπλα δικάζομαι κακηγορίας τω σώσαντι: Die möglichen Vorwürfe, die der Sprecher den Richtern in den Mund legt, werden immer absurder. Mit Absicht wählt der Sprecher solche Einwände, die er überzeugend zurückweisen kann. Hier ergreift er überdies wieder die Gelegenheit, dem Theomnestos indirekt das Wegwerfen des Schildes vorzuhalten.

Kommentar § 24

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άλλ'ούχ ούτος ό λόγος έν τη πόλει κατεσκέδασται: Das Verbum κατεσκέδασται hat schon Brulart zu Recht aus dem überlieferten κατεσκεύασται hergestellt. Besonders die Version der Epitome άλλ' ούχ ούτος ό λόγος διέσπαρται κατά τήν πόλιν spricht für diese Konjektur. Der Epitomator muß κατεσκέδασται gelesen haben. Unser Satz zeigt, daß Theomnestos nach seinem Auftritt vor der Volksversammlung und der έπαγγελία δοκιμασίας des Lysitheos in der ganzen Stadt im Gerede gewesen sein muß, zumindest läßt es der Sprecher so erscheinen. Die Serie von Prozessen, in die Theomnestos verwickelt war, dürfte so viel Aufsehen erregt haben, daß den Richtern des laufenden Prozesses die Personen, die an diesen Prozessen beteiligt waren, nicht mehr vorgestellt werden mußten, vgl. zu § 22 (ού μόνον ύφ' υμών ήλεήθη).

§24 άναμνήσθητε δέ δτι μεγάλην καί καλήν έκείνην δωρειάν αύτω δεδώκατε: Das überlieferte δώρον ist offensichtlich korrupt, gegenüber der Form δωρεάν ist in einer Rede aus dem Jahre 384 wohl der Schreibung δωρειάν der Vorzug zu geben, vgl. Meisterhans/Schwyzer 40 mit Anm. 219 und Threatte 311. Francken 77 f. dachte daran, έκείνην in νίκην zu verwandeln und δώρον zu streichen („Pulcram scilicet victoriam ei dederant iudices in certamine cum Dionysio" Francken 78), aber mit δωρειάν kommt man aus, wenn man an di'e Rückwirkung des Urteils in der δίκη ψευδομαρτυριών auf das Urteil im Ursprungsprozeß denkt, vgl. die Einleitung, S. 3. Bei dem Wort δωρειάν fehlt der Artikel, da μεγάλην καί καλήν δωρειάν als prädikative Ergänzung zu έκείνην zu verstehen ist: „Ihr habt ihm damit ein schönes Geschenk gemacht" (Frohberger 74). Hat das prädikative Substantiv ein Attribut bei sich, pflegt das Demonstrativpronomen dazwischenzutreten, vgl. Kühner/Gerth I 628 f. Durch die Verbform δεδώκατε werden die Richter des laufenden Prozesses wieder mit den Richtern der δίκη ψευδομαρτυριών gleichgesetzt, vgl. zu § 22 (ού μόνον ύφ' ύμών ήλεήθη). έν ή τίς ουκ δν έλεήσειε Διονύσιον τοιαύτη μεν συμφορςί περιπεπτωκότα: Francken 78 und Frohberger 162 wollten ή statt έν ή schreiben, aber έν ή nach δωρειά bietet keinen Anstoß, vgl. τήν γάρ του δήμου δωρειάν, έν ή πολίτης γέγονεν, κυρίαν αύτφ δίκαιον έστιν εϊναι Dem. 23,23. Auch Westermanns Änderung έφ' ή ist unnötig. Der Übergang vom Relativsatz zum direkten Fragesatz kommt bei den Rednern nur bei Demosthenes (ζ. Β. 18,93; 19,201; 20,44; 21,135) und bei Isokrates (ζ. B. 4,88.125.167; 6,95; 14,61) häufiger vor. Im Corpus Lysiacum ist 2,34 zu vergleichen.

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Kommentar § 25

Zu der unvermittelten Namensnennung vgl. zu § 22 (ου μόνον ύφ' υμών ήλεήθη). Das Wort συμφορά bezeichnet an unserer Stelle die Atimie, wie bei Dem. 21,96 (τηνικαΰτα τηλικαύτη καί τοιαύτη συμφορςί περιπέπτωκεν ύπό τούτου), wo von dem Schiedsrichter Straton die Rede ist, der durch Meidias zum άτιμος wurde. In beiden Fällen wird den Richtern ein unschuldiges Opfer der Machenschaften des Gegners präsentiert, das Mitleid erregen und den Richtern ein Urteil nahelegen soll, das für „ausgleichende Gerechtigkeit" sorgt. Dabei steht wieder der Eranosgedanke im Hintergrund, vgl. zu § 14 (ώστε ουκ έξ ών εδ πεποίηκας τήν πόλιν). άνδρα δ'άριστον έν τοις κινδύνοις γεγενημένον: Durch diesen Zusatz soll die Tapferkeit des Dionysios im Kriege hervorgehoben und er dem βίψασπις Theomnestos gegenübergestellt werden. Dionysios wird als wackerer Held gezeichnet, der zu Unrecht erniedrigt wurde, vgl. zum Folgenden.

§25 άπιόντα δέ άπό του δικαστηρίου [καί] λέγοντα δτι δυστυχεστάτην έκείνην εΐημεν στρατείαν ¿στρατευμένοι: Die Partikel καί hat Reiske zu Recht getilgt; das Partizip λέγοντα ist dem Partizip άπιόντα untergeordnet, ein verbindendes καί daher unpassend, vgl. Kühner/Gerth II 104. Zu δυστυχεστάτην έκείνην στρατείαν vgl. zu § 24 (μεγάλην καί καλήν έκείνην δωρειάν). Frohberger, Thalheim (nur in der Textausgabe), Albini und Bartolini haben ohne Grund ein τήν vor στρατείαν eingefügt. Die überlieferte Verbform ε'ίημεν hat Hude kaum zu Recht in είμεν verwandelt, vgl. Kühner/Blaß II 70 f. Auch Lys. 18,10 und [Lys.] 20,23 ist ε'ίημεν überliefert. Zur figura etymologica στρατείαν στρατεύεσθαι vgl. zu § 11 (όταν τάς του φόνου δίκας δικάζονται). Gemeint ist wahrscheinlich die Schlacht von Korinth, vgl. zu § 1 (τά όπλα άποβεβληκότα). έν ή πολλοί μεν ήμών άπέθανον, οί δέ σώσαντες τά δπλα ύπό τών άποβαλόντων ψευδομαρτυριών έαλώκασι: Der erste Teil des Relativsatzes kann die Annahme stützen, bei unserem Feldzug handele es sich um die Schlacht von Korinth, vgl. Xen. Hell. IV 2,21: αύτοί δέ oí Λακεδαιμόνιοι ... πολλούς άπέκτειναν αυτών (seil, τών Αθηναίων). Der zweite Teil enthält nicht nur erneut den Vorwurf, Theomnestos habe den Schild weggeworfen, sondern drückt auch in seiner unzulässig generalisierenden Form (οί δέ σώσαντες τά δπλα ύπό τών άποβαλόντων) sehr schön die Enttäuschung und Verbitterung des Dionysios aus. Der „Haudegen" empfindet „seinen Mißerfolg bei Gericht als eine kränkende

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Schlappe" (Süß, Ethos 243, der unsere Stelle als Beispiel für die von Lysias so meisterhaft beherrschte Kunst der Ethopoiie zitiert). Der Genitiv Plural ψευδομαρτυριών ist so zu akzentuieren, denn die klassische Form des Wortes ist το ψευδομαρτύριον, nicht ή ψευδομαρτυρία, vgl. Wyse 288 f. (zu Isae. 3,4) und Rhodes 668 (zu Arist. Ath. pol. 59,6). Zur δίκη ψευδομαρτυριών, bei der noch manche Einzelfragen ungeklärt sind, vgl. Leisi 120 — 139; Lipsius, AR 778—783; G. M. Calhoun, Έπίσκηψις and the δίκη ψευδομαρτυριών, ClPh 11 (1916), 365 — 394; Bonner/ Smith II 261—264; Lämmli 129 — 145; E. Berneker, ψευδομαρτυριών δίκη, R E X X I I I 2 (1959), 1 3 6 4 - 1 3 8 5 ; Harrison II 1 2 7 - 1 3 1 u. 1 9 2 - 1 9 7 ; Κ. Goppel, Kannte das attische Recht Mischklagen? — Untersuchungen zu Klagzielen attischer Klagen, Jurist. Diss. München 1970,12—74; Behrend, άνάδικος δίκη; G. Thür, Der Streit über den Status des Werkstättenleiters Milyas, Rev. Intern, des Droits de 1' Antiqu. 19 (1972), 1 5 4 - 1 6 0 (bei Schindel 406—412 mit einem Nachtrag auf S. 429); MacDowell, Law 244; Hansen, Atimia. Zu έαλώκασι vgl. zu § 22 (ει κακηγορίας άλώσεται). κρεΐττον δέ ήν αύτω τότε άποθανεΐν ή οΐκαδ ' έλθόντι τοιούτη τύχη χρήσθαι: Die Worte κρεΐττον δέ ήν αυτφ sind noch abhängig von λέγοντα δτι. Z u m Ind. Impf, ήν (dt.: „gewesen wäre") vgl. zu § 7 (πολύ γάρ έργον ήν). Der in seiner Ehre verletzte Dionysios bringt hier eine griechischem Denken sehr geläufige Anschauung zum Ausdruck: ein ehrenvoller Tod ist besser als ein schmachvolles Leben, vgl. ζ. Β. κρεΐσσον γάρ είσάπαξ θανεΐν/ή τάς άπάσας ήμέρας πάσχειν κακώς Aeschyl. Prom. 750 f.; αίσχρόν γάρ ανδρα του μακρού χρήζειν βίου/κακοΐσιν δστις μηδέν έξαλλάσσεται Soph. Aj. 473 f.; τοϋ ζην δέ λυπρώς κρεΐσσόν έστι κατθανεΐν Eur. Tro. 637; weitere Beispiele bei Pearson zu Soph. F 952 und Groeneboom zu Aeschyl. Prom. 750. Bei den Rednern findet sich derselbe Gedanke, aus der Sphäre des Tragischen natürlich längst herausgehoben, z. B. auch Lys. 2,62; Isoc. 2,36; 4,77.95; 6,89. Vgl. auch Wankel II 951 f. (zu Dem. 18,205).

§26 μή τοίνυν f άκούσαντα Θεόμνηστον κακώς τα προσήκοντα έλεεΐτε f καί ύβρίζοντι καί λέγοντι παρά τούς νόμους συγγνώμην εχετε: Die vielbehandelte Stelle ist noch nicht überzeugend geheilt. Dem Sinn entspricht am besten der Vorschlag von Bekker, der hinter άκούσαντα ein τε einschieben wollte (so auch Hude, Thalheim, Gernet/Bizos und Albini): „Verfahrt nicht so, daß ihr den Theomnestos, nachdem er das gehört hat, was ihm zukommt, bemitleidet und ihm dann auch noch, wenn er sich überhebt und in gesetzwidriger Weise schmäht, Verzeihung gewährt". Die Schwierigkeit bei dieser Konjektur besteht aber darin, daß es für einen Satz, in dem

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zwei durch τε ... καί verbundene Prädikate durch eine vorangestellte Negation verneint werden, kein Beispiel gibt. Scheibe, Knips 39 und andere wollten nach der Epitome (11,9) καί in μηδέ verwandeln, aber dagegen bemerkte schon Frohberger 162 zu Recht: „Der Gedanke μή ... έλεεΐτε an s i c h ist fehlerhaft (denn das Gegenteil der Forderung ist schon erfolgt), wenn er nicht als Antithese zu einer zweiten Forderung gefaßt wird, der er im Deutschen als Tatsache gegenübergestellt wird". Frohberger vermutete deshalb hier denselben Satztypus wie in § 8 (ού γαρ δήπου äv ...) und wollte hinter άκούσαντα ein μέν einsetzen, καί vor ύβρίζοντι tilgen sowie hinter ύβρίζοντι ein δέ einfügen (so auch Gebauer, arg. ex contr. 86; Rehdantz 145 zu Lyc. 65). Gegen diese Konjektur spricht jedoch, abgesehen von ihrer Umständlichkeit, die Tatsache, daß die beiden Prädikate έλεεΐτε und συγγνώμην εχετε keinen Gegensatz, sondern eine Steigerung bilden, wie Thalheim zu Recht betont (Frohberger/Thalheim 221). Sykutris 80 wollte έλεοΰντες anstelle von έλεεΐτε schreiben und ansonsten bei der Überlieferung bleiben, doch bei dieser Konjektur, die Bartolini in den Text setzte, wird zwar ohne Einfügung von Partikeln die Verneinung des ganzen Satzes erreicht, unangemessen ist aber das Part. Präs., denn die Richter haben mit Theomnestos ja bereits Mitleid gehabt. Einen weiteren Anstoß bietet die Uberlieferung überdies in der Verbindung des Partizips άκούσαντα mit dem Adverb κακώς und dem Akkusativobjekt τα προσήκοντα zugleich. Thalheim (bei Frohberger/Thalheim 164) und Knips 38 verwiesen auf Dem. 21,134 (δικαίως κακώς άκήκοα), aber das ist nur dem Sinne nach, nicht sprachlich gesehen eine Parallele, und bei Dem. 18,123 (ούχ ίνα ... [κακώς] τάπόρρητα λέγωμεν άλλήλους) ist κακώς zu tilgen, vgl. Wankel II 662 f. So wollten denn auch an unserer Stelle Frohberger 75 und van Herwerden, a. O. (S. 86 zu § 23) 58, das Adverb κακώς streichen. Rauchenstein, Jb. f. Phil. u. Päd. 109 (1874), 270, schlug vor, es nur an einen anderen Ort zu rücken und zu λέγοντι zu stellen, aber da nicht auszuschließen ist, daß an unserer Stelle eine schwerere Verderbnis vorliegt, ist es wohl besser, das ganze Textstück zwischen μή τοίνυν und καί ύβρίζοντι in cruces zu setzen. Das Verbum ύβρίζειν ist hier nicht im juristischen Sinne zu verstehen, wie z. B. Dem. 21,32 (αν μέν τοίνυν ίδιώτην δντα τινά αύτών ύβρίση τις ή καί κακώς εί'πη, γραφή ν ύβρεως καί δίκη ν κακηγορίας Ιδίαν φεύξεται), sondern in dem allgemeinen Sinne von „sich überheben", wie z. B. auch Lys. 24,15 — 18. Lysias bezeichnet das Vergehen des Prozeßgegners überhaupt gerne als ϋβρις, vgl. z. B. in der 1. Rede §§ 2.4.16.25, in der 3. Rede §§ 5.7.17.23.26.34.40, in der 14. Rede §§26.29. Die Bedeutung von ϋβρις und ύβρίζειν, besonders in Zusammenhang mit der γραφή ϋβρεως, ist untersucht bei D. M. MacDowell, Hybris in Athens, Greece and Rome 23 (1976), 14—31; vgl. ferner die allgemeinere Untersuchung von N. R.

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E. Fisher, Hybris and Dishonour, Greece and Rome 23 (1976), 177 — 193, und Greece and Rome 26 (1979), 3 2 - 4 7 . τίς γαρ äv έμοί μείζων ταύτης γένοιτο συμφορά: Wir haben hier eine doppelte Sperrung vor uns, die drei Glieder gleichmäßig hervortreten läßt: τίς ... μείζων ταύτης ... συμφορά. Ähnlich ist z. Β. επειτα δέ και ο ύ δ ε μ ί α ν ήγούμην π ρ ό ν ο ι α ν είναι τ ρ α ύ μ α τ ο ς Lys. 3,41; καίτοι τ ί ν α χρή έ λ π ί δ α εχειν σ ω τ η ρ ί α ς Lys. 27,3; mehr zu den Möglichkeiten der Sperrung bei Wortgruppen mit mehr als zwei Gliedern bei J. de Vries, Untersuchungen über die Sperrung von Substantiv und Attribut in der Sprache der attischen Redner, Diss. Freiburg, Göttingen 1938, 65 — 73 (S. 71 wird unsere Stelle behandelt). Das Demonstrativpronomen ταύτης wird durch die folgende Partizipialkonstruktion erläutert; ähnlich ταύτην ύμΐν οϊονται διδόναι πίστιν της αύτών εύνοιας, έτέρους κακώς ποιοϋντες Lys. 18,19; weitere Beispiele bei Gebauer, arg. ex contr. 298. περί τοιούτου πατρός οϋτως αισχρός αιτίας άκηκοότι: Den Vorschlag von Reiske, den überlieferten Plural αίσχράς αίτιας in den Singular zu verwandeln, haben Hude und Knips aufgegriffen und αίσχράν αιτίαν in den Text gesetzt. „De uno crimine parricidii agitur", schrieb Knips 39 zur Begründung. Das ist richtig, aber zum Zweck der Auxesis gebraucht Lysias gar nicht so selten auch dort den Plural, wo eigentlich der Singular stehen müßte, vgl. zu § 13 (ούτως τούς νόμους ώσπερ έγώ νυν λαμβάνεις). Mit dem betont vorangestellten περί τοιούτου πατρός beginnt nun ein kurzes Enkomion auf den Vater, nachdem es schon im Prooemium geheißen hatte: περί του πατρός οδτω πολλού άξίου γεγενημένου καί ύμΐν και τη πόλει (§ 3). Ein Lobpreis des Vaters lag in unserem Fall, bei dem — zumindest nach Meinung des Sprechers — auch der Vater von der κακηγορία des Gegners betroffen war (vgl. § 28), besonders nahe. Aber auch dann, wenn kein Bezug zu dem betreffenden Fall hergestellt werden kann, kommen die Sprecher attischer Gerichtsreden häufig auf die Verdienste ihrer Vorfahren, speziell des Vaters, zu sprechen. Es ist ein typischer Bestandteil der argumentatio extra causam, vgl. allein bei Lysias die kurzen Hinweise auf die Leistungen der Vorfahren in 3,47 und 16,20, die ausführliche Verteidigung des Vaters in 19,56 — 63 und die Würdigung des Onkels, des Vaters und des Neffen in 18,2 — 7. Diese Aufzählungen der Verdienste der eigenen Vorfahren konnten die Urteile der Richter beeinflussen (vgl. Lys. 14,24; 30,1), so daß sich die Sprecher von Anklagereden gelegentlich veranlaßt sehen, der Gegenseite diesen Weg im voraus abzuschneiden, so z. B. Lys. 26,3; 30,27. Diese Stellen stehen bereits dem Gegenstück zu diesen Lobpreisungen der eigenen Verwandten sehr nahe, der offenen Diffamierung der Vorfahren des Prozeßgegners. Auch sie findet sich bei den Rednern oft genug, vgl. im Corpus Lysiacum 14,30 — 40;

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30,2, und auch gegen sie versuchen sich die Sprecher von Anklagereden im voraus zu verteidigen, vgl. Lys. 26,21 f. Zu dem gesamten Themenkomplex vgl. Süß, Ethos 244; K. Jost, Das Beispiel und Vorbild der Vorfahren bei den attischen Rednern und Geschichtsschreibern bis Demosthenes (Rhet. Stud. 19), Diss. Basel, Paderborn 1936, 109 f.; Wankel I 159 (zu Dem. 18,10) u. II 690 (zu Dem. 18,129).

§27 δς πολλάκις μεν έστρατήγησε, πολλούς δέ και άλλους κινδύνους μεθ'ύμών έκινδύνευσε: Die Ausübung des Strategenamtes rechnen die Redner sich und ihren Verwandten oft als Verdienst an, vgl. ζ. B. Lys. 18,3.4; 19,14; And. 1,147; Isae. 5,42. Gleiches gilt für das erfolgreiche Bestehen von Gefahren, vgl. Lys. 3,47; 16,17; 21,3.11; 24,25; dem Gegner wird dieser Anspruch bestritten Lys. 28,12; 31,7; [Lys.] 6,40. Zur figura etymologica κινδύνους κινδυνεύει ν vgl. zu § 11 (οταν τάς του φόνου δίκας δικάζωνται). Durch άλλος wird hier „nur Erweiterung ..., nicht Gleichartigkeit mit dem Vorhergehenden angedeutet" (Frohberger zu Lys. 7,25); dt.: „und auch sonst viele Gefahren" (Frohberger/Thalheim 165), vgl. auch Kühner/ Gerth I 275 Anm. 1 F. A. Müller, a. O. (S. 29 zu §1) 18, führt noch folgende Beispiele bei Lysias an: 7,25.30.32; 15,1; 24,3.5; 26,9.12; 31,8. Eine Änderung in μεγάλους (Markland) oder καλούς (Dobree 208) ist unnötig. καί ουτε τοις πολεμίοις το έκείνου σώμα ύποχείριον έγένετο, ούτε τοις πολίταις ούδεμίαν πώποτε ώφλεν ευθυναν: Hier haben wir einen der Fälle, wo „der relative Satz in den demonstrativen übergeht und das Aussehen eines Hauptsatzes b e k o m m t " (Kühner/Gerth II 432), da das folgende Verbum eine andere Rektion hat als das vorausgehende. An unserer Stelle wird das Relativpronomen durch έκεννος ersetzt (so auch [Dem.] 12,12), gewöhnlicher ist αύτός oder ούτος, vgl. Frohberger zu Lys. 25,11; F. A. Müller a. O. 23 f.; Rehdantz, Ind. I s. v. „Parataxis" und s. v. „Übergang"; Kühner/Gerth a. O.; Wankel I 463 f. (zu Dem. 18,82). In die Hand der Feinde zu geraten, galt als besonders schimpflich, vgl. Xen. An. III 2,3: όμως δέ δ ε ι . . . πειρασθαι, όπως, ήν μέν δυνώμεθα, καλώς νικώντες σφζώμεθα· ει δέ μή, άλλα καλώς γε άποθνήσκωμεν, ύποχείριοι δέ μηδεπώποτε γενώμεθα ζώντες τοις πολεμίοις. Die Form ευθυναν hat an unserer Stelle zuerst Scheibe, Jb. f. Phil. u. Päd. Suppl. I (1856), 313, konjiziert. Überliefert ist εύθύνην (aber ευθυναν in 11,9), doch das ist unklassisch, vgl. Theognostos, Kanones, ed. Cramer, Anecdota Graeca II 101,6 (Herodian I p. 257,37 Lentz); die Form ευθυναν ist auch im Papyrus der aristotelischen 'Αθηναίων Πολιτεία 48,5 überliefert.

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Zu dem Ausdruck εϋθυναν όφλισκάνειν („in einem Rechenschaftsprozeß verurteilt werden", wie Lipsius, AR 294 Anm. 32, übersetzt) vgl. zu § 8 (ήξίους αν αυτόν όφλεΐν σοι δίκην). Zur Sache vgl. zu § 16 (ει ούν ό δεθείς έξελθών έν ταΐς εύθύναις). In pointierter Form (man beachte die Alliteration οϋτε τοις πολεμίοις — ουτε τοις πολίταις) zeichnet unser Satz das Ideal des ehrenwerten Bürgers, der sowohl den Feinden als auch den Mitbürgern gegenüber ein untadeliges Verhalten an den Tag gelegt hat. ετη δέ γεγονώς επτά καί έξήκοντα έν όλιγαρχίφ δι* εΰνοιαν του υμετέρου πλήθους άπέθανεν: Besonders die Sprecher lysianischer Gerichtsreden heben ihre demokratische Gesinnung oder die ihrer Verwandten oft hervor und versuchen einen solchen Anspruch des Gegners als unberechtigt zurückzuweisen, vgl. Lys. 12,49; 13,93; 14,10; 16,3; 18,3.4.6.8; 22,11.13; 26,15; 28,12; 30,9.15; 31,18; [Lys.] 20, passim (in dieser Rede soll die εύνοια τοϋ πλήθους des Angeklagten bewiesen werden). Zu Beginn des 4. Jhs. war der Gegensatz zwischen dem Lager der „Dreitausend" der ehemaligen Oligarchie und den Demokraten in der politischen Auseinandersetzung noch ganz zentral. Den größten Beweis für seine εύνοια της πόλεως hatte natürlich der erbracht, der unter oligarchischer Herrschaft für das Volk gestorben war. Hatte jemand einen solchen Verwandten, so mußte er die Richter einfach auf seiner Seite haben, vgl. Lys. 18,23: καί τοιούτων ήμϊν υπαρχόντων εις τίνας αν έβουλήθημεν δικαστάς καταφυγεΐν; ουκ είς τούς οϋτω πολιτευομένους, ύπέρ ής πολιτείας καί ó πατήρ καί οι προσήκοντες ήμϊν άπέθανον; Wenn dieser Gedanke ins Spiel gebracht wurde, war die Gleichsetzung von Richtern und Volk das Entscheidende, vgl. zu § 4 (έξ ότου ö σύ λέγεις, και δτι συμφέρει αύτοΐς οδτω λέγειν τόν νόμον. Im übrigen vgl. Sext. Emp. adv. Math. II 36: ότέ μέν γαρ παραινοΰσι (seil. ol Ρήτορες) τφ βητφ καί ταΐς φωναΐς του νομοθέτου προσέχειν ώς σαφέσι και μηδεμιάς έξηγήσεως δεομέναις, ότέ δέ άναστρέψαντες μήτε τφ (>ητφ μήτε ταίς φωναΐς άλλα τή διανοίςι κατακολουθεΐν. Hier verdient der terminus technicus έξήγησις besondere Bedeutung.

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Anhang: Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern

vernachlässigt hat, einen Kranz verleiht, und das Gesetz nur deshalb so formuliert, damit das Volk nicht einmal in die Gefahr gerate, überredet und getäuscht zu werden: ού γάρ φετο δεΐν ό τιθείς τόν νόμον έπί τή των λεγόντων δυνάμει το πράγμα καταστήσω., άλλ' ο δίκαιον ήν εύρεΐν άμα καί συμφέρον τω δήμω, νόμφ τετάχθαι (§ 11). In ähnlicher Weise entfernt sich auch der Sprecher der dritten Rede des Lysias unter Hinweis auf die γνώμη του νομοθέτου vom Wortlaut eines Gesetzes. Der Sprecher steht wegen τραύμα έκ προνοίας vor Gericht, denn der Kläger behauptet, er sei von ihm durch Schläge übel zugerichtet worden 18 , außerdem sei der Sprecher mit einigen Leuten, die einen irdenen Topf bei sich hatten, zu ihm gekommen und habe gedroht, ihn zu töten. 19 Damit sei der Tatbestand der πρόνοια erfüllt. 20 Der Sprecher streitet dies alles ab, gesteht nur die Beteiligung an einer Massenschlägerei ein 21 , und bestreitet deshalb die Berechtigung der Klage: επειτα δε καί οόδεμίαν ήγούμην πρόνοιαν είναι τραύματος, όστις μή άποκτεΐναι βουλόμενος ετρωσε (§41). Damit befindet er sich durchaus im Einklang mit dem Kläger, der ja die πρόνοια ebenfalls als Tötungsabsicht versteht 22 , dennoch hält er es für erforderlich, für diese Auffassung des Gesetzes eine Erklärung zu liefern, denn eine „Interpretation des Gesetzes κατά τό γράμμα kann πρόνοια nur mit τραύμα verbinden" 23 . Der Sprecher bestreitet zunächst — sicher zu Unrecht — die Möglichkeit der vorsätzlichen Verwundung und bringt dann mit Blick auf die gesetzlich vorgeschriebene Strafe die γνώμη του νομοθέτου ins Spiel: άλλά δήλον οτι καί oí τούς νόμους ένθάδε θέντες, ούκ εϊ τίνες μαχεσάμενοι ετυχον άλλήλων κατάξαντες τάς κεφαλάς, έπί τούτοις ήξίωσαν τής πατρίδος φυγήν ποιήσασθαν ή πολλούς γ' αν έξήλασαν (§42). Die γνώμη του νομοθέτου benutzten die attischen Redner nun aber nicht nur dazu, vom Wortlaut einzelner Gesetze abzurücken, die auf einen bestimmten Fall nicht genau paßten; auf sie beriefen sie sich auch dann, wenn für irgendein Begehren gar kein Gesetz vorhanden war und nur aus anderen Gesetzen erschlossen werden konnte, was der Gesetzgeber wohl angeordnet hätte, wenn er an ein solches Gesetz gedacht hätte. 24 Zur Illustration dieser dritten Form der Gesetzesinterpretation, mit der die Ausfüllung von Gesetzeslücken angestrebt wurde, sei zuerst auf das Ende der 44. pseudo-demosthenischen Rede verwiesen (Rede gegen 18 19

20 21 22 23 24

Vgl. § 27: φησί δ' ... ύπ' έμοϋ δεινώς διατεθήναι τυπτόμενος. Vgl. § 28: λέγει δ' ώς ήμεΐς ήλθομεν έπί τήν οΐκίαν την τούτου δστρακον εχοντες, και ώς ήπείλουν αύτω έγώ άποκτενεΐν. τοΰτό έστι ή πρόνοια (§ 28). Vgl. § 18. Vgl. § 28. Berneker, Versuch 54. Dies sollte später der Status συλλογισμός werden.

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Leochares). Der Sprecher will beweisen, daß Adoptivsöhne nicht ihrerseits adoptieren dürfen, um den gesetzlichen Erben die Erbschaft vorzuenthalten (§ 63). Ein derartiges Gesetz aber existierte im attischen Recht nicht, so daß der Sprecher gezwungen ist, ein solches Verbot auf Umwegen als vom Gesetzgeber gewollt zu erweisen. Er stellt zunächst heraus, daß es ohne ein solches Verbot den wirklichen Familienangehörigen niemals möglich wäre, an eine Erbschaft zu gelangen (§ 63), und fügt dann hinzu, genau diese Überlegung habe den Gesetzgeber veranlaßt, die Adoption durch einen Adoptierten zu verbieten: α και προνοηθείς ό νομοθέτης άπεΐπεν τφ ποιητφ αύτφ οντι ποιητόν υίόν μή ποιεΐσθαι (§ 64). Zum Beweis führt er eine Gesetzesbestimmung an, die es Adoptivsöhnen nur dann erlaubt, in ihren eigenen Familienverband zurückzukehren, wenn sie einen echtbürtigen Sohn im Hause ihres Adoptivvaters zurücklassen. Damit sei klar, daß ein Adoptierter nicht adoptieren dürfe: όταν ε'ίπη (seil, ό νομοθέτης) ' υίόν γνήσιον έγκαταλιπόντα έπανιέναι ', δηλοΐ δήπου φανερώς, ότι oô δει ποιεΐσθαι (§ 64). Dieses durch argumentum e contrario (ποιητόν υίόν — υίόν γνήσιον) gewonnene Ergebnis versucht der Sprecher im folgenden durch die Anführung eines zweiten Gesetzes noch weiter zu stützen. Die Möglichkeit, daß die echten Familienangehörigen ihre Erbschaft antreten, habe der Gesetzgeber auch durch sein Testamentsgesetz schützen wollen: τό δέ πάντων μέγιστον καί γνωριμώτατον υμίν ό γαρ του Σόλωνος νόμος ούδέ διαθέσθαι τον ποιητόν εφ τα εν τω ο'ίκφ, οϊ αν ποιηθή (§ 67). So versucht der Sprecher über den aus anderen Gesetzen erschlossenen Willen des Gesetzgebers eine Gesetzeslücke zu schließen. 25 Ein ähnlicher Fall liegt in der Rede des Hypereides gegen Athenogenes vor. Epikrates, der Sprecher, hatte einen Parfümerieladen gekauft, ohne zu wissen, daß dieser stark überschuldet war. Als er dies bemerkte, versuchte er den Kauf rückgängig zu machen. In Athen aber gab es offenbar kein Gesetz, das durch arglistige Täuschung zustande gekommene Verträge für ungültig erklärte. Deshalb mußte sich Epikrates bemühen, aus anderen Gesetzen zu erweisen, daß es der Wille des Gesetzgebers war, solche Verträge als null und nichtig zu betrachten. In dem Abschnitt von § 14—§ 17 geht er eine ganze Liste von Gesetzen durch. Zuerst führt er ein Gesetz an, ος κελεύει άψευδειν έν τη άγορα (§ 14), dann ein Gesetz, das anordnet, οταν τις πωλή άνδράποδον, προλέγειν, εάν τι εχη άρρώστημα, andernfalls aber erlaubt, den Sklaven zurückzugeben 26 . Als drittes nennt er ein Gesetz, das bestimmt: ήν αν έγγυήση τις έπί δικαίοις δάμαρτα, εκ ταύτης είναι παΐδας γνησίους. Erläuternd fügt Epikrates hinzu: καί ούκέάν τις ψευσάμενος ώς θυγατέρα έγγυήση άλλη ν τινά. άλλα τάς μέν δικαίας 25

26

Vgl. auch Ε. Ruschenbusch, Δικαστήριον πάντων κύριον, Historia 6 (1957), 270 (bei Berneker 368 f.); Meinecke 2 9 6 - 3 0 6 . εί δέ μή, άναγωγή τούτου έστίν (§ 15).

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έγγύας κυρίας, τάς δέ μή δικαίας άκύρους καθίστησιν (seil, ό νομοθέτης). 27 Schließlich bringt er auch noch das Testamentsgesetz vor, das Testamente für ungültig erklärt, die einer errichtet η γήρως ενεκεν ή νόσου η μανιών ή γυναικί πειθόμενος ή υπό άνάγκης καταληφθείς (§ 17). In all diesen Fällen ist es der Wille des Gesetzgebers, daß Rechtshandlungen, die in irgendeiner Weise unkorrekt ausgeführt werden, ungültig sind. Somit ist nach Ansicht des Epikrates auch der Einwand des Athenogenes, ώς ό νόμος λέγει, δσα αν ετερος έτέρω όμολογήση, κύρια είναι (§ 13), nicht stichhaltig. Schon vor der Interpretation der genannten Gesetze hatte er einschränkend hinzugefügt: τά γε δίκαια, ώ βέλτιστε - τά δέ μή τουναντίον απαγορεύει μή κύρια είναι (§ 13). Betrachtet man die ganze Argumentation des Epikrates in dem behandelten Abschnitt, so kann man sicherlich nicht mit Meinecke 352 behaupten, daß vor athenischen Gerichten „die Gesetze nicht interpretiert wurden". Es ist zwar richtig, daß Hypereides auch vor einer offenkundigen SachVerhaltsentstellung nicht zurückgeschreckt ist, indem er in § 14 die Täuschung des Epikrates durch Athenogenes auf den Marktplatz verlegt hat 28 , aber in erster Linie ist er bemüht, durch die Auslegung der zitierten Gesetze eine bestimmte gesetzgeberische Absicht herauszuarbeiten. Ob darin „ein bedeutender wissenschaftlicher Versuch" erblickt werden kann 29 , ist allerdings fraglich. Die Gesetzesinterpretationen des Hypereides fügen sich nahtlos in die Gesetzesauslegungen der anderen Redner ein, die alle nicht die Lösung juristischer Probleme zum Ziel haben, sondern die Überredung der Richter. Dies zeigt sich besonders deutlich darin, daß die Redner auch dann gelegentlich den Nachweis zu führen versuchen, das Verhalten des Gegners widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, wenn Gesetze da sind, die auf den betreffenden Fall genau passen. So sieht sich etwa Aischines in der Rede gegen Timarchos veranlaßt, in aller Breite darzulegen, όση ν πρόνοιαν περί σωφροσύνης έποιήσατο ό Σόλων εκείνος, ό παλαιός νομοθέτης (§ 6). In § 8 kündigt er an: πρώτον μέν γαρ διέξειμι προς ύμάς τούς νόμους, οι κείνται περί της εύκοσμίας των παίδων τών ύμετέρων, έπειτα δεύτερον τούς περί τών μειρακίων, τρίτον δ' έφεξής τούς περί τών άλλων ηλικιών, ού μόνον περί τών ιδιωτών, άλλα καί περί τών ρητόρων. Zur gesetzlichen Absicherung der Klage wäre allein der letzte Punkt zu behandeln gewesen. Denn Aischines hatte gegen Timarchos eine επαγγελία δοκιμασίας eingebracht, weil dieser als Redner aufgetreten war, obwohl er sich der έταιρεία schuldig gemacht hatte. Aber dem Redner geht es darum, den „verabscheuungswürdigen" Timarchos 27 28 29

§16. σύ δέ ψευσάμενος έν μέση τή άγορφ συνθήκας κατ' έμοΰ εθου. So G . S. Simonetos, Die Willensmängel in den Rechtsgeschäften nach altgriechischem Recht, bei Berneker 478; vgl. Meinecke 351.

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dem vorbildlichen Gesetzgeber Solon gegenüberzustellen: σκέψασθε δή, ώ άνδρες δικασταί, οσον διαφέρει ô Σόλων Τιμάρχου (§ 26). Zu diesem

Zweck muß die γνώμη herausgearbeitet werden, die Solon bei der Abfassung aller auf die εύκοσμία bezüglichen Gesetze leitete. Auch in der 23. Rede des Demosthenes werden über lange Partien hinweg (§ 22—§ 63; § 82 —§ 87) Gesetze interpretiert, ohne daß damit ein juristisches Problem gelöst werden soll. Demosthenes greift ein Psephisma des Aristokrates an, demzufolge derjenige, der den Söldnerführer Charidemos tötete, der Apagoge ausgesetzt sein sollte, wo immer man ihn antraf. 30 Um nun dieses Psephisma als παράνομον zu erweisen, hätte es genügt, „auf das Verbot privilegierender Gesetzgebung" zu verweisen. 31 Demosthenes geht auch darauf ein, in § 86 beruft er sich auf das Verbot eines νόμος έπ' άνδρί und macht deutlich, daß der Gesetzgeber damit auch ein ψήφισμα έπ' άνδρί verbieten wollte, aber dieses Gesetz interpretiert er eher beiläufig, der weitaus größte Teil seiner auf den Nachweis der Paranomie des Psephismas bezüglichen Ausführungen besteht aus Interpretationen attischer Blutgesetze. Demosthenes kommt es darauf an, aufzuzeigen, daß die Gesetzesvorlage des Aristokrates so gut wie allen Mordgesetzen der Stadt zuwiderläuft. Davon verspricht er sich im Hinblick auf eine erfolgreiche Überredung der Richter mehr als von dem Herausgreifen des einen im vorliegenden Fall wirklich relevanten Gesetzes. Zu diesem Zweck hebt er hervor, daß die völlige Unbestimmtheit des zur Debatte stehenden Psephismas im Gegensatz zu der in den einzelnen Blutgesetzen deutlich werdenden γνώμη του νομοθέτου stehe, in jedem Fall die Art des Delikts und die Form der Bestrafung genau abzugrenzen. 32 Die Aufzählung und Erläuterung eines Gesetzes nach dem anderen, das mit dem Psephisma in Widerspruch zu stehen scheint, macht großen Eindruck, ist aber eben auch allein darauf ausgerichtet. Typisch für den Charakter der Gesetzesauslegungen der attischen Redner ist auch die Tatsache, daß ein echter Wille, die tatsächliche γνώμη του νομοθέτου zu eruieren, fehlt. Die Absicht des Gesetzgebers ist das, was der Redner mit einiger Wahrscheinlichkeit als diese ausgeben kann. 33 Gelegentlich sind die bei der Interpretation erzielten Ergebnisse denn auch einander genau gegensätzlich. 34 30 31 32 33

34

Vgl. ζ. B. § 34: έάν τις άποκτείνη Χαρίδημον, άγώγιμος εστω πανταχόθεν. Wolff, Normenkontrolle 51 f. Vgl. besonders die Zusammenfassung in § 63. Vgl. Bateman 279. Worauf es dagegen bei einer ernsthaften Erforschung des Willens des Gesetzgebers ankommt, besonders wenn die Gesetze veraltet sind, sagt Arist. Ath. pol. 9,2: ού γαρ δίκαιον έκ των νυν γιγνομένων άλλ' έκ της άλλης πολιτείας θεωρείν τήν έκείνου βούλησιν. Vgl. auch Pl. leg. I 634e—635a: όρθότατά γε, ώ ξένε, λέγεις, και καθάπερ μάντις, άπών της τότε διανοίας του τιθέντος αύτά, νυν έπιεικώς μοι δοκεΐς έστοχάσθαι και σφόδρα άληθή λέγειν. Auch über die Notwendigkeit einer vom Wortlaut des Gesetzes sich lösenden Gesetzesinterpretation lassen sich die Redner sehr unterschiedlich vernehmen. Genau die Gegenposi-

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So stellt etwa Lysias in der Rede für Euphilet das Moment der Verführung beim Ehebruch als besonders gravierend heraus. Den Umstand, daß man nach dem Gesetz auch denjenigen straflos töten durfte, den man έπί ταΐς παλλακαΐς überraschte, erklärt er damit, daß der Gesetzgeber eben für den Fall, daß jemand den Verführer seiner Ehefrau auf frischer Tat ertappte, keine schlimmere Strafe mehr finden konnte: και οϋτω σφόδρα ó νομοθέτης επί ταΐς γαμεταΐς γυναιξί δίκαια ταΰτα ήγήσατο είναι, ώστε και έπί ταΐς παλλακαΐς ταΐς έλάττονος άξίαις την αυτήν δίκην έπέθηκε. και δήλον οτι, ε'ί τινα είχε ταύτης μείζω τιμωρίαν έπί ταΐς γαμεταΐς, έποίησεν αν. νϋν δέ ούχ οΐός τε ών ταύτης ίσχυροτέραν έπ' έκείνοις έξευρεΐν, τήν αύτη ν καί έπί ταΐς παλλακαΐς ήξίωσε γίγνεσθαι (§31). Im folgenden zieht Lysias dann das Gesetz über Vergewaltigung zur Argumentation heran. Dieses bestimmte, daß der Täter doppelten Schadensersatz zu leisten hatte. Ohne nun zu berücksichtigen, daß das Gesetz, das die straflose Tötung erlaubte, gar nicht nur von dem handelte, der eine Ehefrau oder παλλακή verführte, sondern auch dann gültig war, wenn jemand bei einem Vergewaltigungsversuch einer Ehefrau oder παλλακή überrascht wurde 35 , stellt er dieses Gesetz dem über die Vergewaltigung gegenüber und folgert aus den unterschiedlichen Strafen, der Gesetzgeber habe die Verführung schlimmer bestraft als die Gewalttat: οϋτως, d> άνδρες, τούς βιαζομένους έλάττονος ζημίας άξιους ήγήσατο είναι ή πείθοντας· των μεν γαρ θάνατον κατέγνω, τοις δέ διπλήν έποίησε τήν βλάβην, ήγούμενος τούς μεν διαπραττομένους βία ύπό των βιασθέντων μισεΐσθαι, τούς δέ πείσαντας οΰτως αυτών τάς ψυχάς διαφθείρειν, ώστ' οίκειοτέρας αύτοΐς ποιεΐν τάς άλλοτρίας γυναίκας ή τοις άνδράσι, καί πασαν έπ' έκείνοις τήν οίκίαν γεγονέναι, καί τούς παΐδας άδήλους είναι, όποτέρων τυγχάνουσιν οντες, τών ανδρών ή των μοιχών, άνθ' ών ό τον νόμον τιθείς θάνατον αύτοΐς έποίησε τήν ζημίαν (§§ 32 f.). Zum entgegengesetzten Ergebnis gelangt Demosthenes in der Rede gegen Meidias (or. 21), § 42 —§ 45. Er will beweisen, daß derjenige, der sich εκουσίως καί δι' υβριν vergangen hat, nach dem Willen des Gesetzgebers besonders hart bestraft werden soll. Nachdem er dies an den Gesetzen über βλάβη und φόνος illustriert hat (§ 43), findet Demosthenes einen Beweis für seine These auch in dem Gesetz über die έξούλη, das für den Fall, daß jemand eine Geldstrafe nicht bezahlt, eine zusätzliche an den Staat zu entrichtende Geldbuße vorsieht, und fahrt dann fort: καί πάλιν

35

tion zu dem, was Lysias in § 7 unserer Rede sagt, vertritt Aeschines in § 16 der Rede gegen Ktesiphon: χρή γάρ, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, τό αύτό φθέγγεσθαι τον Ρήτορα καί τόν ν ό μ ο ν όταν δέ έτέραν μέν φωνήν àcptfj ό νόμος, έτέραν δέ ό βήτωρ, τφ του νόμου δικαίω χρή διδόναι τήν ψήφον, ού τή του λέγοντος άναισχυντία. Zur Argumentation des Lysias vgl. Lipsius, AR 432 Anm. 49, und jetzt sehr ausführlich D . Cohen, The Athenian Law of Adultery, Rev. Intern, des Droits de Γ Antiqu. 31 (1984), 1 4 7 - 1 6 5 .

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τί δή ποτ', αν μεν έκών παρ' έκόντος τις λάβη τάλαντον εν ή δύ' ή δέκα και ταΰτ' άποστερήση, ουδέν αύτφ προς την πόλιν εστίν, αν δέ μικρού πάνυ τιμήματος άξιον τις λάβη, βία δέ τοΰτ' άφέληται, τό ϊσον τφ δημοσίφ προστιμαν οί νόμοι κελεύουσιν δσον περ δή τφ ιδιώτη; οτι πάνθ' οσα τις βιαζόμενος πράττει κοίν' άδικήματα και κατά των εξω του πράγματος δντων ήγεΐθ' ó νομοθέτης· την μεν γάρ ίσχύν όλίγων, τούς δέ νόμους απάντων είναι, καί τόν μέν πεισθέντ' ιδίας, τον δέ βιασθέντα δημοσίας δεισθαι βοηθείας (§§44 f.). Ein Vergleich dieser Gesetzesinterpretation mit der in der ersten Rede des Lysias zeigt besonders gut, daß die Gesetzesauslegungen der Redner rein sophistischer Natur sind. Sie sind das Produkt einer geistigen Bewegung, die die Wörter zu Waffen im Kampf mit den Mitmenschen gemacht hat, und das bedeutet eben vor Gericht, den Wortlaut der Gesetze. Schon in den Wolken des Aristophanes wird der Umgang der Sophisten mit den Gesetzen in einer Form parodiert, die von der tatsächlichen Praxis der Redner im 4. Jh. nicht weit entfernt ist. In den Versen 1178 —1200 versucht der gerade aus dem φροντιστήριον entlassene Pheidippides seinem Vater Strepsiades die Angst vor dem letzten Tag des Monats (ενη καί νέα) zu nehmen, an dem er seine Schulden bezahlen muß. Zuerst treibt er seine Späße mit der Bezeichnung ενη καί νέα: Φε. Στ. Φε. Στ. Φε.

ένη γάρ έστι καί νέα τις ή μέρα; είς ην γε θήσειν τά πρυτανειά φασί μοι. άπολοΰσ' αρ' αυθ' οί θέντες. ού γάρ έσθ' δπως μί' ήμέρα γένοιτ' αν ήμέραι δύο. ούκ αν γένοιτο; πώς γάρ, εί μή περ γ' αμα αύτη γένοιτ' αν γραΰς τε καί νέα γυνή. (1179 — 1184)

Von diesem sophistischen Umgang des Pheidippides mit dem Wortlaut des Gesetzes führt eine gerade Linie zu den stillschweigend vorgenommenen, absichtlich falschen Auslegungen einzelner Gesetzestermini durch die Redner. Doch damit noch nicht genug, das Gespräch zwischen Pheidippides und Strepsiades geht folgendermaßen weiter: Στ. Φε.

καί μήν νενόμισταί γ'. ού γάρ οίμαι τον νόμον ϊσασιν όρθώς ότι νοεί.

Στ. Φε. Στ.

νοεί δέ τί; ό Σόλων ό παλαιός ήν φιλόδημος την φύσιν. τουτί μέν ουδέν πω προς ενην τε καί νέαν. (1185 — 88).

Auf diesen Einwurf des Strepsiades reagiert Pheidippides dann mit einer aberwitzigen Deutung der gesetzgeberischen Absicht Solons. Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der den Rednern so geläufigen

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Berufung auf den Willen des Gesetzgebers, um ein Abrücken vom Wortlaut des Gesetzes zu begründen. Unsere Aristophanesstelle zeigt ganz deutlich: Die Gesetzesinterpretationen der Redner haben ihren Ursprung in der Sophistik, sie sind ein Teil der sophistischen Bemühungen, τον ήττω λόγον κρείττω ποιεΐν. Welche Auswirkungen hatten nun die bei den attischen Rednern üblichen Gesetzesinterpretationen auf die Entscheidungspraxis der Richter? Zunächst spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Urteile der athenischen Richter nicht immer am genauen Wortlaut der Gesetze orientiert waren. Gerade wenn man untersucht, „welche Gesetzesanwendung die Rhetoren den Richtern suggerieren wollten, um daraus einen Rückschluß auf die Art der Gesetzesanwendung durch die Dikasten zu gewinnen" 36 , muß man zu diesem Ergebnis gelangen. Da die Richter Laien waren, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß sie sich von den Gesetzesauslegungen der Redner beeinflussen ließen und nicht an einem sturen Gesetzesprinzip festhielten. Die Heliasten waren zwar an ihren Eid gebunden, κατά τούς νόμους ψηφιεΐσθαι, aber sie verstanden diesen Eid nicht als Aufforderung zu einem extremen Buchstabengehorsam gegenüber den Gesetzen, sondern als Auftrag, τά δίκαια ψηφίζεσθαν. Das ergibt sich aus der Art und Weise, in der die Redner die Richter an ihren Eid erinnern, mit hinreichender Sicherheit. Besonders bezeichnend sind Stellen wie καί ύμας άναμιμνήσκω τά γεγενημένα, οϊτινες όρκους μεγάλους όμόσαντες οϊσετε την ψήφον περί έμοΰ, ... ή μήν ψηφιεΐσθαι περί έμοϋ τά δίκαια (And. 1,31); ένθυμεϊσθαι χρή δτι όμωμόκατε τά δίκαια γνώσεσθαι (Lys. 15,8); άλλ' α δίκαι' έγνώκατε, ταύτα φυλάξετε καί μνημονεύετε, εως αν ψηφίσησθε, ϊν' ευορκον θήσθε την ψήφον κτλ. (Dem. 20,167); ού γαρ αν καταγνοίην ύμών ούδενός ... ώς ... ψηφιεΐταί τις ύμών όμωμοκώς άλλο τι πλήν ö τι αν δίκαιον ήγήται (Dem. 21,4); ϊν' ύμεΐς μέν έφ' οίς είσήλθετ' όμωμοκότες δικαίως ψηφίσησθε (Dem. 21,212); ούδένα γαρ αν νομίζω τοσαΰτ' άγαθά ποιήσαι, δι' ον ύμΐν προσήκειν έπιορκήσαι καί παρ' δ φαίνεται δίκαια την ψήφον θέσθαι (Dem. 23,194); ουκουν δει δοκεΐν ... τότε των όμωμοσμένων δρκων άμελήσαντας ύμΐν αύτοΐς χαρίσασθαι παρά το δίκαιον (Dem. 24,175); καλόν γάρ ... χωρίς κρίνειν τούς τ' εύ καί σαφώς καί τούς τά δίκαια λέγοντας· περί γάρ τούτου τήν ψήφον όμωμόκατ' ο'ΐσειν ([Dem.] 58,61). An diesen Stellen versuchen die Redner nicht immer, die Richter zu überreden, gegen den Wortlaut eines Gesetzes zu entscheiden, aber man sieht, daß der Heliasteneid Richterurteile, die auf Gesetzesinterpretationen beruhten, nicht ausschloß. Denn τό δίκαιον kann alles und nichts bedeuten und ist mit dem νόμιμον keineswegs immer identisch 37 . Vor diesem Hintergrund verliert auch die umstrittene Frage nach Sinn und Anwendungsbereich der im Richtereid 36 37

Meinecke 279. Vgl. den Kommentar zu ξ 21.

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enthaltenen Bestimmung, περί ών αν νόμοι μή ώσι, γνώμη τη δικαιότατη κρινεΐν (Dem. 20,118), ihre Bedeutung. Die Redner mußten, um Entscheidungen herbeizuführen, die auf Billigkeitsüberlegungen beruhten, auf diese Eidesformel gar nicht zurückgreifen. Die wenigen Erwähnungen der γνώμη δικαιότατη bei den Rednern (Dem. 20,118; 23,96; 39,40; 57,63) lassen allerdings keinen Zweifel daran bestehen, daß selbst wenn mit der Aufnahme dieser Bestimmung in den Richtereid der Zweck verfolgt wurde, den Heliasten „nur ein subsidiäres Mittel der Rechtsfindung" an die Hand zu geben, „auf das man zurückgreifen dürfte, wenn gesetzliche Bestimmungen fehlten" 38 , die Redner diese Eidesformel ganz anders auslegten. Demosthenes fordert in § 118 der Rede gegen Leptines (or. 20) die Richter im Anschluß an die oben zitierte Stelle auf: το τοίνυν της γνώμης προς άπαντ' άνενέγκατε τον νόμον, und in § 96 der Aristocratea verweist er auf die γνώμη δικαιοτάτη, um darzulegen, daß die Richter auch dann nicht gegen ihren Eid verstoßen haben, wenn sie gegen ihren Willen eine ungerechte Entscheidung gefällt haben: γνώμη τή δικαιοτάτη δικάσειν όμωμόκασιν, ή δέ της γνώμης δόξα άφ' ών αν άκούσωσιν, παρίσταται. Die Redner verstanden sich eben genausogut wie auf die falsche Auslegung von Gesetzen auf eine Fehlinterpretation des Heliasteneides. 39 Kamen die Richter nun zu einem Urteil, das auf Gesetzesinterpretation beruhte, konnte dieses unter Umständen auf ähnliche Fälle weiterwirken und zur Folge haben, daß ein Gesetz immer wieder in einer bestimmten Weise ausgelegt wurde. In solchen Fällen wurden die Richter, wie die Redner übertreibend sagen, in die Rolle von Gesetzgebern gedrängt. So sagt Lysias in der schon besprochenen 14. Rede in § 4, wohl wissend, daß er den Richtern mit der Anwendung des Gesetzes über άστρατεία, λιποτάξιον und δειλία auf den Fall des Alkibiades eine sinnwidrige Interpretation dieses Gesetzes abverlangte: εικός τοίνυν έστίν, ώ άνδρες δικασταί, έξ οδ τήν είρήνην έποιησάμεθα, πρώτον περί τούτων νυνί δικάζοντας μή μόνον δικαστάς άλλα και νομοθέτας αύτούς γενέσθαι, εδ είδότας, οτι, δπως αν ύμεΐς νυνί περί αυτών γνώτε, οϋτω και τόν άλλον χρόνον ή πόλις αύτοΐς χρήσεται. δοκεΐ δέ μοι καί πολίτου χρηστού και δικαστού δικαίου έργον είναι ταύτη τούς νόμους διαλαμβάνειν, δπη είς τόν λοιπόν χρόνον μέλλει συνοίσειν τή πόλει. Ähnliches hören wir aus dem Munde Lykurgs in der Rede gegen Leokrates. Der Athener Leokrates war nach der Schlacht bei Chaironeia nach Rhodos gegangen, offenbar noch bevor ein Psephisma erlassen wor-

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H. J. Wolff, Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht in der griechischen Rechtsauffassung, bei Berneker 119. Vgl. auch Arist. Rh. I 14. 1375a27-1375a31 sowie I 15. 1 3 7 5 b l 6 - 1 3 7 5 b l 8 , wo Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die Redner die γνώμη άριστη als Argument für und gegen ein starres Festhalten am Wortlaut des Gesetzes einsetzen können.

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den war, das ausdrücklich festlegte, daß alle, die Athen in dieser Situation verließen, sich der προδοσία schuldig machten. Denn Lykurg beruft sich in seiner Argumentation nicht auf diesen Volksbeschluß, sondern versucht in anderer Weise die Flucht des Leokrates als strafwürdig zu erweisen. In § 8 stellt er das Verhalten des Leokrates als λιποτάξιον, άσέβεια und κάκωσις γονέων hin und fordert die Todesstrafe: τί γαρ χρή παθεΐν; ... τό μέν γαρ μέγιστον και εσχατον των τιμημάτων, θάνατος, άναγκαΐον μέν εκ των νόμων έπιτίμιον, ελαττον δέ των Λεωκράτους άδικημάτων καθέστηκε. Doch trotz aller Auxesis kann nicht verborgen bleiben, daß es in Wirklichkeit kein Gesetz gab, das auf den Fall des Leokrates paßte, und Lykurg gesteht dies denn auch ein und begründet das Fehlen eines solchen Gesetzes mit folgendem Argument: παρείσθαι δέ την υπέρ των τοιούτων τιμωρίαν συμβέβηκεν, ώ άνδρες, ού δια ραθυμίαν των τότε νομοθετούντων, άλλα διά τό μήτ5 έν τοις πρότερον χρόνοις γεγενήσθαι τοιούτον μηδέν, μηδ' έν τοις μέλλουσιν έπίδοξον είναι γενήσεσθαι (§ 9). 40 So ist es nun an den Richtern, diese Gesetzeslücke zu schließen: διό και μάλιστα, ώ άνδρες, δει υμάς γενέσθαι μη μόνον του νυν άδικήματος δικαστάς, άλλα και νομοθέτας. οσα μέν γαρ των άδικημάτων νόμος διώρικεν, ρςιδιον τούτφ κανόνι χρωμένους κολάζειν τούς παρανομούντος, δσα δέ μή σφόδρα περιείληφεν ένί όνόματι προσαγορεύσας, μείζω δέ τούτων τις ήδίκηκεν, απασι δέ ομοίως ενοχός έστιν, άναγκαϊον την ύμετέραν κρίσιν καταλείπεσθαι παράδειγμα τοις έπιγιγνομένοις. Zur Begründung beruft sich Lykurg, ähnlich wie Lysias an der angegebenen Stelle in Rede 14, auf das συμφέρον. Ein solches Urteil würde auch die anderen Bürger zur Rechtschaffenheit anhalten: εΰ δ' ϊστε, ότι ού μόνον τούτον νυν κολάσετε κατεψηφισμένοι, άλλα καί τούς νεωτέρους άπαντας έπ' άρετήν προστρέψεσθε (§ 10). Daß einige Richterentscheidungen tatsächlich die Bedeutung von Präzedenzentscheidungen erlangt haben, wahrscheinlich einfach dadurch, daß sie sich in der Stadt herumsprachen, zeigt die ebenfalls bereits kurz behandelte dritte Rede des Lysias. In § 43 stützt der Sprecher seine Auslegung des Gesetzes über τραύμα έκ προνοίας mit den Worten: και ταύτα ήδη καί πρότερον πολλάκις ύμεΐς οϋτω διέγνωτε περί της προνοίας. Diese Stelle beweist, daß die Urteile der athenischen Richter durchaus eine gewisse Konstanz aufweisen konnten. Im Falle des Delikts τραύμα έκ προνοίας haben immer wiederkehrende Gesetzesinterpretationen sogar bei der Abfassung eines neuen Gesetzes ihren Niederschlag gefunden, wie E. Berneker aufgezeigt hat. 41 In der sechsten Rede des Corpus Lysiacum, in § 15, wird das materielle Gesetz 40

41

Vgl. dazu Cie. pro Sext. Rose. Am. 70: Is (seil. Solo) cum interrogaretur, cur nullum supplicium constituisset in eum, qui parentem necasset, respondit se id neminem facturum putasse. Berneker, Versuch 4 4 - 5 8 .

Anhang: Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern

119

über Verwundung erwähnt: έάν μέν τις άνδρός σώμα τρώση, κεφαλήν ή πρόσωπον ή χείρας η πόδας, ούτος μέν κατά τους νόμους τούς 'Αρείου πάγου φεύξεται τήν του άδικη θέντος πόλιν, καί έάν κατίη, ένδειχθείς θανάτω ζημιωθήσεται. Dieses Gesetz — „es handelt sich offensichtlich um ein sehr altes Gesetz, wie sich aus der umständlichen Aufzählung der einzelnen Körperglieder ... ergibt" 4 2 — erwähnt die πρόνοια nicht, macht also zwischen vorsätzlicher und unvorsätzlicher Verwundung keinen Unterschied. Doch „als zwischen vorsätzlichem (έκούσιον) und unvorsätzlichem (άκούσιον) Tun auch bei anderen Tatbeständen als nur der vollendeten gewaltsamen Tötung unterschieden wurde" 43 , begann man damit, die Verwundung, von der in diesem Gesetz die Rede ist, als vorsätzliche Verwundung zu verstehen, und als dann, wahrscheinlich erst zu diesem Zeitpunkt, die vorsätzliche Verwundung den Tötungsdelikten angereiht und dem Areopag zugeordnet wurde, 44 hat man in das Zuständigkeitsgesetz des Areopags den Zusatz έκ προνοίας aufgenommen. 45 So hat hier ein verändertes Rechtsdenken dazu geführt, daß ein bereits bestehendes Gesetz in einer bestimmten Weise ausgelegt wurde und ein neues Gesetz daraufhin in veränderter Form fixiert wurde. 46 Ähnliches hatten wir ja auch bei dem άπόρρητα-Gesetz vermutet. 47 Nachdem man bei den άπόρρητα nicht mehr nur auf die sprachliche Form, sondern verstärkt auch auf den Inhalt der Vorwürfe zu achten begann, wurden die bereits im Gesetz verankerten άπόρρητα entsprechend ausgelegt, bei Ergänzungen wählte man in Anpassung an dieses neue Verständnis des Gesetzes die Infinitivform (z. Β. άποβεβληκέναι τήν άσπίδα). Die Athener sind offensichtlich bei der Lösung juristischer Probleme sehr flexibel gewesen, da sie sich an kein juristisches Prinzip gebunden fühlten, weder an ein P r i n z i p der Billigkeit — insofern ist die Hauptthese von Meyer-Laurin zutreffend — noch an ein starres Gesetzesprinzip. Ein solches mag in früherer Zeit herrschend gewesen sein, aber als sich die Rhetorik der Rechtsprechung zu bemächtigen begann, blieb davon nicht mehr übrig als das Bemühen der streitenden Parteien, das eigene Begehren in Einklang mit den Gesetzen zu bringen. Dies aber geschah nicht nur, indem man den Rechtsfall so verzerrt darstellte, daß er auf die Gesetze genau paßte 48 , sondern auch, indem man die Gesetze so auslegte, daß sie 42 43 44

45 46

47 48

Berneker, Versuch 46. Berneker, Versuch 55. [Lys.] 6,15 trägt dieser Veränderung mit den Worten κατά τούς νόμους τούς 'Αρείου πάγου bereits Rechnung. Vgl. Dem. 23,22.24; Arist. Ath. pol. 57,3. Ein Gesetz übrigens, das dann erneut weiterinterpretiert wurde, wie die dritte Rede des Lysias zeigt. Vgl. die Einleitung, S . 6 f . und 14. Dies hat Meinecke viel zu einseitig betont.

120

Anhang: Gesetzesinterpretationen bei den attischen Rednern

auf den Rechtsfall genau anwendbar zu sein schienen. Beides wurde von den Logographen eifrig praktiziert, und zwar in jedem einzelnen Fall von den Anwälten beider Parteien. Das führte dann dazu, daß den Richtern die Problematik des Einzelfalls meistens doch recht deutlich vor Augen trat. Die These Meineckes, die Dikasten hätten zwar im Einklang mit den Gesetzen, aber in völliger Unkenntnis des wahren Sachverhalts abgestimmt 49 , trifft jedenfalls nicht zu. Die Logographen dürften sich bei ihren Sachverhaltsentstellungen und Rechtsverdrehungen zum Teil gegenseitig neutralisiert haben. Dies hatte dann auch zur Folge, daß die Rechtsprechungspraxis der Athener im 4. Jh. nicht, wie zuletzt von Ruschenbusch angenommen 50 , von reiner Willkür beherrscht wurde. Vielmehr dürfte man der Wahrheit wohl am nächsten kommen, wenn man annimmt, daß, zumindest dann, wenn die Politik aus dem Spiel blieb, die meisten Alltagsprobleme der Rechtsprechung in befriedigender Weise gelöst wurden. Ein nur historisch erklärbares Nebeneinander uralter Grundprinzipien (etwa, daß jeder seine Sache selbst vertreten mußte, was schließlich zur Entstehung der Logographie führte) 51 , demokratischer Einrichtungen (Geschworenengerichte) und neuer Denkweisen (Sophistik) ermöglichte dies, auch ohne daß es zu einer wirklich juristischen Durchdringung der grundlegenden Rechtsfragen kam.

45 50 51

Meinecke 280. E. Ruschenbusch, a.O. (S. 1 1 1 A n m . 2 5 ) , 2 5 7 - 2 7 4 (bei Berneker 3 5 0 - 3 7 3 ) . Zu Herkunft und Folgen dieses Prinzips vgl. Heitsch, Recht und Taktik 2 0 6 — 2 0 8 (bei Anastassiou/Irmer 198—200).

Register Deutsch Adoption, Adoptivsöhnen verboten: 111 agonales Prinzip, im Prozeßwesen: 33 f. Altersangaben, nicht überprüfbar: 42 Altersberechnung, inklusive: 40 Apagoge, gegen Diebe: 72 — gegen κακούργοι: 54 f. — = Klageschrift: 55 Areopag, auf dem Areshügel: 57 — unter den Dreißig: 103 — Zuständigkeit: 57 arglistige Täuschung, bei Verträgen: 111 argumentatio extra causam: 91 f. argumentum ex contrario: 61 Atimie, wegen nicht bezahlter Geldbuße: 3. 84 Auxesis: 37. 56. 84. 91 Bedingungssätze, irreale: 34 Beschimpfung, von Beschuldigung unterschieden: 14 Beweismittel, vor dem Schiedsrichter und vor Gericht: 7 Billigkeit: 19. 119 demokratische Gesinnung, von den Rednern hervorgehoben: 93 Diabole, bezogen auf Geld: 44 — bezogen auf Militärdienst: 32 f. Dokimasie, der Epheben: 101 — der Redner: 30 f. Ehebruch: 114 Ehrenkränkung des Vaters: 38. 94 ehrenvoller Tod: 89 Elfmänner: 54 f. Ephebie, Verbot der Prozeßführung: 101 Ephegesis, bei Diebstahl: 73 f. Epidiorthose: 45 Epiphonem: 96 f. Eranosgedanke: 63. 88 Eratosthenes, des Mordes angeklagt von Lysias in or. 12: 103

— vom Sprecher der 10. Rede (?): 102 Ethopoiie: 89 exceptio veritatis: siehe Wahrheitsbeweis Fesselung in den Block: 67 figura etymologica: 57 f. 88. 92. 99 Folgesätze: 62 Geldwertverfall: 6 Anm. 13 Gen. part., als prädikativer Zusatz: 30 Gesetzescode von 403, von Archaismen nicht befreit: 80 — Zitate daraus in §§ 16 — 19: 65 f. Gesetzesinterpretationen der attischen Redner: 13. 48. 50. 1 0 5 - 1 2 0 Gesetzeskenntnis, von den Rednern zurückhaltend angewendet: 64 Gesetzeslücken: 110—112 Gesetzgeber, Herausarbeitung seiner Absicht: 49. 99. 1 1 2 - 1 1 5 Gestellungsbürgen: 71 f. Glosseninterpretation: 69 f. „Gnade vor Recht": 35 Heliaia, zur Zeit Solons: 67 f. Heliasteneid: 104. 116 f. Humor, vor Gericht: 51 Hypophora: 86 Imperativ Präsens, aspektlos: 70. 79 Imperfectum de conatu, ohne 6v: 49. 89 Infinitiv, als Imperativ: 52 f. — substantiviert: 60 Interpretation attischer Gerichtsreden: 8 — 11 Invektive: 36 Isonomie: 36 Kleonymos: 6 mit Anm. 17. 33 Korinth, Schlacht von 394: 33. 88 Kuppelei: 77 Leon: 41 f. Logographen: 8 — 11

122

Register

Lysias, or. 12, Mordklage gegen Eratosthenes 401/400: 103 Metroon, athenisches Staatsarchiv: 63 mildernde Umstände, Jugend: 42 — Zorn: 98 Militärstrafgesetz: 32 Mordprozesse: 57 Negationenhäufung: 36. 56

.

Palladion, bei Ermordung von Metöken zuständig: 103 — bei φόνος άκούσιος zuständig: 57 Parenthese: 35. 37 Partizip Präsens, drückt Vorzeitigkeit aus: 30. 41 Pheidon, vom Sprecher der 10. Rede des Mordes angeklagt (?): 102 Pleonexie: 63 polare Ausdrucksweise: 81 Polyptoton: 86 Potentialis, mit Irrealis vermischt: 50 Präposition, nach άλλά nicht wiederholt: 48 Präzedenzentscheidung: 118 Prokatalepsis: 46. 98 Prozeß, als άγών: 33 f. — als Lehre für die Zukunft: 65 Prozeßpraxis, in Athen: 9 Anm. 3. 119 f. Prozeßsucht: 38 Relativsatz, Ubergang zum Aussagesatz: 92 — Ubergang zum Fragesatz: 87 Richter, Anrede: 29 f. — Auslosung: 31 f. — Berufung auf ihr Wissen: 29. 45

— als Gesetzgeber: 117 — Identifikation mit den Richtern früherer Prozesse: 84. 87 — Identifikation mit dem Volk: 39. 40 f. — als Zeugen: 29. 32 Schiedsrichter, öffentliche: 7. 46 f. Schildwegwerfen: 32 Sentenzen, in lysianischen Proömien: 37 Solon, als idealer Staatsmann: 66. 113 „solonische" Gesetze, in §§ 16 —19: 65 f. solonischer Zinssatz: 75 f. solonisches Testamentsgesetz: 108 Sophistik, Bedeutung für Entstehung von Gesetzesinterpretationen: 115 f. Sperrung: 61. 91 Sprachwandel: 69 f. 81 „Summum ius — summum iniuria": 48 f. Syrakosiosdekret: 5 'Übergangsformel: 100 Vatermord, als Vorwurf: 34 Verallgemeinerung: 61. 88. 91. 99 Vierzigmänner: 7 Vokativ, Stellung: 29. 40. 45. 46. 64 Vorfahren, Behandlung ihrer Verdienste extra causam: 91 f. Vormundschaft: 44 Waffen, als Weihgeschenke: 95 f. Wahrheitsbeweis, bei der δίκη κακηγορίας: 5. 11. 15. 99 Zeugenaussagen, mündlich oder schriftlich: 45 f. Zusatzstrafe: 67

Griechisch άγών, als Bezeichnung für den Prozeß: 33. 100 άκούειν, mit Akk. der Sache: 36 άλίσκεσθαι, als Verbum der Gerichtssprache: 36 f. 85 άλλά, in der Hypophora: 86 — reihend: 54 άλλά νυν γε: 65 άλλος, zur Verbindung von Ungleichartigem: 92 äv, fehlt beim Irrealis: 49 - Stellung: 43 f. 50

άνδραποδιστής: 54. 56 άνδροφόνος: 5. 6. 12. 15 f. 19. 20. 47 άνελεύθερος: 37 άπείλλειν: 73 άποβεβληκέναι τήνάσπίδα: 5. 6 f. 13 f. 20. 52. 54. 60 f. 119 άποθνήσκειν, Passiv zu άποκτείνειν: 41 άποινάν: 69. 80 άποκλήειν: 74 άπόρρητα: 5 - 7 . 14f. 36. 119 άποφεύγειν, als Verbum der Gerichtssprache: 85

Register δρα, in rhetor. Fragen: 85 άρα, = άρ' ού: 93 άστρατεία: 32. 107 δτεχνοι πίστεις: 63 αύτός, Stellung: 35 ώ βέλτιστε, ironisch: 76 βήμα, als Bezeichnung für den Sitz des Angeklagten: 65. 82 γνώμη δικαιοτάτη: 106 Anm. 4. 117 γραφή κακώσεως γονέων: 50 γραφή παρανόμων: 14 Anm. 4. 109 δάμαρ: 80 δεινός: 61 f. δέχεσθαι, mit komparativem ή ohne μάλλον: 83 διάνοια: 48 δίκαιον: 82. 116 δίκη έπιτροπής: 44 δίκη κακηγορίας: 4—8. 11. 15. 38. 60 δίκη κλοπής: 67. 76 δίκη ψευδομαρτυριών: 2. 3. 84. 87. 89 διώκειν, als Verbum der Gerichtssprache: 36 f. 58. 101 διωμοσία: 58 δοκιμάζεσθαι: 101 δρασκάζειν: 73 ó δράσας: 59 εί μέν ... νυνί δέ: 34 f. 38 είσαγγέλλειν, untechnisch gebraucht: 1 Anm. 1. 30 f. είτα, zur Einleitung einer empörten Frage: 62 ένοχος τή ahiç: 83 f. έξαίρετον: 39 έπαγγελία δοκιμασίας: 1 mit Anm. 1. 30 f. έπεγγυαν: 71 έπεξέρχεσθαι, als Verbum der Gerichtssprache: 36 f. 101 f. έπί, mit Dativ zur Angabe des Zinssatzes: 75 έπιεικής δόξα: 86 έπιορκεϊν: 72 έπίσκηψις: 2 έτι, vor Vokal: 76 ετι τοίνυν: 57 εΟθυνα: 70. 92 εϋνοια του πλήθους: 93 εφεσις εις τό δικαστή ριον: 7 Anm. 22. 47 ζυγόν: 76

123

ήγείσθαι, in Übergängen: 64 ήδέως αν πυθοίμην: 52 ηλίθιος: 70 ίμάτιον: 55 καί, Inversion: 46 και μέν δή: 43 καί μοι: 63. 65 κακηγορία: siehe δίκη κακηγορίας κακούργοι: 54 f. κατέρχεσθαι, prägnant gebraucht: 41 κτείνειν, in der Eidesformel: 58 λαμβάνειν, im Sinne von „auffassen": 61 ληξιαρχικόν γραμματεϊον: 101 λιποτάξιον: 32. 107 λωποδύτης: 54. 55 f. μελετάν: 52 μέν, fehlt in Gegensatzpaaren: 100 — solitarium: 29. 64 — wiederholt: 60 μητραλοίας: 5. 6. 50 μόνος, hyperbolisch gebraucht: 39 νόμος, personifiziert: 47 νόμος έπ' άνδρί: 113 ξύλον, als Bezeichnung für ein Strafwerkzeug: 67. 68 f. όβολοστάτης: 75 οίκεύς: 79 f. όνόματα τίθεσθαι: 56 όργή, der Richter: 94 ού γαρ δήπου: 50 ούκ ούν: 58 ούτως, in Sperrung: 61 όφλισκάνειν: 51. 93 παλλακή: 114 παρρησία: 99 f. πατραλοίας: 5. 6. 50 πατρώα: 44 πεζή στρατιά: 107 πεφασμένως: 79. 80 ποδοκάκκη: 68 ποιεΐν καί λέγειν: 39 ποιεϊσθαι: 108 πρόνοια: 110. 118 f. πωλεϊσθαι: 77 f. 79 Ραθυμία: 57 £>ητόν καί διάνοια: 48. 109 Anm. 17

124

Register ύβρίζειν: 90 f.

Ρήτορες: 31 ^ίπτειν: 54

φεύγειν, als Verbum der Gerichtssprache: 36 f. 58. 101 φιλόδικος/φιλοδικία: 37. 38

σιδηρούς: 80 σκαιός: 64 στάσιμος: 74 f. σύμφυτος: 96 συνωνεϊσθαι: 108

χάρις, der Richter: 63 χιτωνίσκος: 55

τε, ohne korrespondierende Partikel: 72 τοίνυν, nach Unterbrechungen: 46 τραύμα έκ προνοίας: 110. 118 f.

Interpretierte Aesch. 1,6.8.26: 112 f. Ar. nub. 1179-1188: 115 Dem. 2 1 , 4 2 - 4 5 : 114f. Dem. 2 2 , 8 - 1 1 : 109 f. Dem. 2 3 , 2 2 - 6 3 . 8 2 - 8 7 : 113 Dem. 2 3 , 2 9 - 3 6 : 15 f. [Dem.] 4 4 , 6 3 - 6 7 : 110 f. [Dem.] 4 6 , 1 2 - 1 5 : 107 f. Hyp. 5 , 1 4 - 1 7 : l l l f .

ψευδομαρτύριον: 89 ώς, beim Partizip: 94

Textstellen Lyc. 8 - 1 0 : 117f. Lys. 1 , 3 1 - 3 3 : 114 Lys. 3,41 f.: 110 Lys. 3,43: 118 Lys. 14,4: 117 Lys. 1 4 , 5 - 7 : 107 Lys. 2 2 , 5 - 9 : 108 [Lys.] 6,15: 118f.

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