Die Wunder der Apostel 9783641310820

Nach den Wundern Jesu werden nun im zweiten Band des »Kompendiums der frühchristlichen Wundererzählungen« Auslegungen de

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Die Wunder der Apostel
 9783641310820

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Wundererzählungen in den Akten der Apostel – eine Hinführung
Apostelgeschichten und antiker Roman
Mehr als nur ein paar Spuren: Humor in Wundererzählungen
Wunder versus Magie und Zauberei
Niedergestreckt und zerstört: Strafwunder und ihre pädagogische Funktion
Tiere und Monster in apokryphen Apostelwundern
Einblicke in die bildliche Darstellung der Wunder der Apostel in der Kunst
I. Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte
Hinführung zu den Wundererzählungen in der Apostelgeschichte
Tabelle: Wunder in der Apostelgeschichte
Entsetzen an der Schönen Pforte (Die Heilung des Gelähmten im Tempel) – Apg 3,1-10
Ein plötzlicher Tod als Warnung (Der Betrug des Hananias und der Sapphira) – Apg 5,1-11
Zur Lehre befreit! (Die Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis) – Apg 5,17-26
Konfrontation von Wunder und Magie (Philippus in Samaria – Simon der Zauberer) – Apg 8,6-8.13.39f
Blind werden, um in Wahrheit zu sehen! (Die Heilung des Paulus) – Apg 9,1-19 (22,1-21; 26,9-23)
Kam, sah, heilte (Petrus in Lydda) – Apg 9,32-35
Stütze der Gemeinde erwacht zu neuem Leben (Die Auferweckung der Tabita) – Apg 9,36-43
(Wie) Hilft Beten? (Die Befreiung des Petrus) – Apg 12,1-11
Der besiegte Magier (Die Blendung des Barjesus Elymas) – Apg 13,6-12
Einfach nur göttlich (Die Heilung des Gelähmten in Lystra) – Apg 14,8-13
Geschäftsschädigende Intervention (Die Heilung der wahrsagenden Sklavin) – Apg 16,16-22
Die Tür zur Rettung steht offen (Paulus und Silas im Gefängnis) – Apg 16,19-40
Die unbeholfenen Zauberlehrlinge in Ephesus (Die Söhne des Skevas) – Apg 19,11-17
Ein tröstlicher Zwischenfall (Eutychus in Troas) – Apg 20,7-12
Schlange, Schuld und Schutz (Das Schlangenwunder auf Melite) – Apg 28,1-6
Der jüdische Häftling und der edle Römer (Die Heilungen im Hause des Publius auf Malta) – Apg 28,7-10
II. Die Wundererzählungen in den Johannesakten
Hinführung zu den Wundererzählungen in den Johannesakten
Tabelle: Wunder in den Johannesakten
Die ersten Machttaten Gottes in Ephesus (Die Heilung der Kleopatra und die Auferweckung des Lykomedes) – ActJoh 19-24
»Girls Day« (Die Heilung der alten Frauen in Ephesus) – ActJoh 30-36
Lebens-entscheidender Wettstreit der Götter (Heilung vieler Krankheiten in Ephesus; Prodigium vor Artemisstatue) – ActJoh 37-45
Bekehrung praktisch: Verwandtschaft mit Jesus (Totenauferweckung des Artemispriesters) – ActJoh 46f
Die fatalen Folgen eines Ehebruchs (Totenauferweckung des ermordeten Vaters) – ActJoh 48-54
Bargeld nicht akzeptiert (Die Heilung der Söhne des Antipatros) – ActJoh 56f
Der Herr der Wanzen (Die gehorsamen Wanzen) – ActJoh 60f
»Stirb, damit du lebst!« (Die Totenauferweckungen des Kallimachos, der Drusiana und des Fortunatus) – ActJoh 63-86, bes. 74-84
III. Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla
Hinführung zu den Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla
Tabelle: Wunder in den Akten des Paulus und der Thekla
Die Feuertaufe der Thekla (Erstes Martyrium der Thekla) – ActThecl 1-25
Thekla – die Herrin der Tiere (Zweites Martyrium der Thekla) – ActThecl 28-37
Bestialische Menschen und ein frommes Tier (Löwentaufe und Löwenkampf) – ActPl 9,1-15.22-26
First Lady trifft Paulus (Die Taufe der Artemilla als Mysterieninitiation) – ActPl 9,16-21.27f
Milch statt Blut (Tod des Paulus und Erscheinungen des Paulus) – MartPl 5-7
IV. Die Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla
Hinführung zu den Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla
Tabelle: Wunder in Leben und Wunder der Heilligen Thekla
Zum Schweigen gebracht (Vertreibung des Apollon Sarpedonios aus seinem Heiligtum) – MirThecl 1
In Stein gemeißelt (Wunderbare Bewahrung einer Inschrift) – MirThecl 10
Die wandernde Geschwulst (Heilung des Aurelios von einem Halstumor) – MirThecl 11
Thekla setzt die Segel (Rettung von zwei Jünglingen aus Seenot) – MirThecl 15
Ein kräftiger Tritt von der Märtyrerin (Heilung des zertrümmerten Beins des Steinmetzes Leontius) – MirThecl 17
Tod nach Tempelraub (Strafwunder an Dieben aus Laistrygonia) – MirThecl 28
V. Die Wundererzählungen in den Petrusakten
Hinführung zu den Wundererzählungen in den Petrusakten
Tabelle: Wunder in den Petrusakten
Vom Nutzen der Krankheit (Heilung vieler Kranker und Verweigerung der Heilung der Tochter des Petrus) – BG/Kopt. Pap. Berlin 8502,4 (p. 128-132.135-141)
Oder wollt ihr, dass es euch geht wie Rufina? (Paulus in Rom, Strafwunder an Rufina beim Abendmahl) – ActPetr 1-3
»Die Stadt ist zu klein für uns beide!« (Wunder des Petrus und Zauberei Simons) – ActPetr 4-15
Die Matrone Eubola und der Perlenraub: reich – gerettet – diakonisch (Der Sieg des Petrus über Simon in Judäa) – ActPetr 16-18
Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen (Wunder im Hause des Marcellus) – ActPetr 19-22
Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? (Eine dreifache Totenerweckung auf dem Forum Iulium; Wunder während des Kampfes mit Simon) – ActPetr 25-29
Missglückte Himmelfahrt (Letzte Auseinandersetzung mit Simon) – ActPetr 30-32
VI. Die Wundererzählungen in den Thomasakten
Hinführung zu den Wundererzählungen in den Thomasakten
Tabelle: Wunder in den Thomasakten
Die kommende Welt schlägt zurück (Strafe des Mundschenks) – ActThom 6-9
Geplatzt vor Bosheit! (Himmlischer Bräutigam besiegt altbösen Feind) – ActThom 31-33
Thomas und der dämonische Lüstling (Dämonenvertreibung) – ActThom 42-50
Beziehungsstress, Mord – und ein Happy End (Die Auferweckung eines ermordeten jungen Mädchens) – ActThom 53f
»Du wirst große Wunder sehen!« (Wildesel, Exorzismus und Erweckung) – ActThom 68-81
Das Siegel öffnet für das Heil (Das Türöffnungswunder mit Mygdonias Taufe) – ActThom 119-122
Ausbruch aus den Kerkern – Fluchthelfer ungesehen wieder verschwunden (Der unsichtbare Jüngling) – ActThom 154
Knochen und Staub: die Kraft der heiligen Reliquien (Heilung des Sohnes) – ActThom 170
VII. Die Wundererzählungen in den Andreasakten
Hinführung zu den Wundererzählungen in den Andreasakten
Tabelle: Wunder in den Andreasakten
VII.1 Die Wundererzählungen in Gregorius von Tours
Geh weg von dem Diener Gottes! (Dämonenaustreibung und die Heilung einer ganzen Familie) – ActAndr(Greg) 5.
»Unser Sohn ist Magier geworden!« (Wunderbare Brandlöschung in Philippi) ActAndr(Greg) 12
Eine verhängnisvolle Affäre (Bestrafung und Auferweckung der Frau des Lesbius) – ActAndr(Greg) 23.
Totenerweckungen als Mittel zum Zweck (Die Auferweckung von 1 + 39 Toten) – ActAndr(Greg) 24
Geburtswunder der Mätresse des Mörders (Abtreibung des vom Mörder empfangenen Fötus) – ActAndr(Greg) 25
Die Austreibung der Dämonen aus dem Haushalt des Antiphanes (Dämonenaustreibung in Megara) – ActAndr(Greg) 29
VII.2 Die Wundererzählungen im Martyrium des Andreas
Stärker als Herkules! (Heilung des besessenen Sklaven des Stratokles) – MartAndr 2-5.
VII.3 Die Wundererzählungen in den Akten des Andreas und Matthias
Käpt’n Jesus, das Kind (Jesus erscheint in vielen Gestalten) – ActAndrMatt 18.
Versteinerte Hände und nutzlose Schwerter: Wenn Empathie Unmenschlichkeit entwaffnet (Strafwunder an den Menschenfressern) – ActAndrMatt 22f
Ein apostolischer Streich mit dem Sintflutwasser (Strafwunder durch Flut aus Statue und Auferweckung der Toten) – ActAndrMatt 29-32
VII.4 Die Wundererzählungen in den Akten des Petrus und des Andreas
»Selbstwachsende Saat« vorgeführt (Gesätes Korn wächst und reift in wenigen Stunden) – ActPetrAndr 3-5
Showdown im »Zirkus Petrus« (Kamel geht durch Nadelöhr) – ActPetrAndr 13-21
VIII. Die Wundererzählungen in den Philippusakten
Hinführung zu den Wundererzählungen in den Philippusakten
Tabelle: Wunder in den Philippusakten
Kreuzförmiger Adler und leuchtendes Siegel (Sturmstillung und sprechender Adler) – ActPhil 3,5-19
Sieg durch Wunder (Totenerweckung in Nikatera) – ActPhil 6,16-22
Ein veganes Evangelium für Tiere (Bekehrung des Leoparden und der jungen Ziege) – ActPhil 8,16-21.
Heilkräftige Schmiere (Wunder in Opheorymos. Die Heilung des blinden Stachys mit Mariamnes Speichel) – ActPhil 14,1-7
IX. Die Wundererzählungen in den Barnabasakten
Hinführung zu den Wundererzählungen in den Barnabasakten
Tabelle: Wunder in den Barnabasakten
Streetworker im Auftrag des Herrn (Barnabas heilt durch Handauflegung und mit einer Kopie des Matthäusevangeliums) – ActBarn 15
Gottloser Wettlauf in die Zerstörung (Barnabas lässt ein Stadion einstürzen) – ActBarn 19
X. Die Wundererzählung in der Abgarlegende
Eine Wunderheilung, per Eilpost bei Jesus bestellt (Die Abgarlegende) – Eus. h.e. 1,13,6-18
Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen
Die Autorinnen und Autoren
Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur
Abkürzungsverzeichnis
Stellenregister
Sachregister
Abbildungsnachweis

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KOMPENDIUM der frühchristlichen Wundererzählungen Band 2 Die Wunder der Apostel Herausgegeben von Ruben Zimmermann in Zusammenarbeit mit István Czachesz Bernd Kollmann Susanne Luther Annette Merz Tobias Nicklas

Gütersloher Verlagshaus

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KOMPENDIUM der frühchristlichen Wundererzählungen Herausgegeben von Ruben Zimmermann in Zusammenarbeit mit István Czachesz Detlev Dormeyer Judith Hartenstein Bernd Kollmann Susanne Luther Annette Merz Christian Münch Tobias Nicklas Enno Edzard Popkes Uta Poplutz

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1. Auflage Copyright © 2017 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber an den aufgeführten Zitaten ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall nicht gelungen sein, bitten wir um Nachricht durch den Rechteinhaber. ISBN 978-3-641-31082-0 www.gtvh.de

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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Wundererzählungen in den Akten der Apostel – eine Hinführung. . . . . 3 Ruben Zimmermann 1. Die Apostel als Wundertäter: Von Jesuswundern zu Apostelwundern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.1 Der Wunderauftrag Jesu. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Die »Apostel« als Wundertäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2.1 Zum Begriff »Apostel«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5



1.2.2 Die Apostel im Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen. . . . 8



1.3 Wundertaten – »im Namen Jesu«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.4 Der Wundertäter Paulus als Testfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2. Die Wundererzählungen im Horizont der Apostelakten. . . . . . . . . 14

2.1 Die Apostelakten – Expeditionen in weitgehend unbekanntes Terrain. . . . . . . 14 2.2 Die Auswahl der Apostelakten in diesem Kompendium. . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.3 Die Suche nach den Ursprungsakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3. Wundererzählungen in den Apostelakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3.1 Vom ›Wundermotiv‹ zur Gattung ›Wundererzählung‹. . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.2 Ein gattungsorientierter Zugang: Kriterien der Wundererzählungen. . . . . 23 3.2.1 Die Kriterien der Gattung Wundererzählung – revisited. . . . . . . . . . . . . . 24



3.2.2 Phantastische Tatsachenberichte: Mehr Phantastik als Tatsachen. . . . . . . 32

4. Anlage und Auslegungsstruktur in Band 2 des »Kompendiums der frühchristlichen Wundererzählungen«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4.1 Weichenstellungen: Die Vorentscheidungen und Begrenzungen. . . . . . . . . . 35 4.2 Vielfalt der »Sehepunkte«: Das Auslegungsraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

5. Literatur zu frühchristlichen Wundererzählungen in Apostelakten. 38 5.1 Monographien/Sammelbände/Themenhefte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.2 Auswahl an Aufsätzen/Lexikonartikel (insb. zum Thema Wunder in Acta) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Apostelgeschichten und antiker Roman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Detlev Dormeyer 1. Der antike Roman. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Wunder in den Romanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Apostelgeschichten und die antike Romanliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

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Inhalt

Mehr als nur ein paar Spuren: Humor in Wundererzählungen. . . . . . . 54 Richard I. Pervo 1. 2. 3. 4.

Formen und Funktionen von Humor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neutestamentliche Beispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele aus den neutestamentlichen Apokryphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 57 62 64

Wunder versus Magie und Zauberei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Tobias Nicklas 1. 2. 3.

Antike »Definitionen« von Magie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Magie und Wunder – unterschiedliche Verhältnisbestimmungen in unterschiedlichen Texten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Niedergestreckt und zerstört: Strafwunder und ihre pädagogische Funktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Meghan Henning 1. 2. 3. 4. 5.

Zur Gattung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafwunder im Alten Testament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafwunder im Neuen Testament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pädagogische Strafhandlungen in den apokryphen Apostelakten. . . . . . . . . . . . . Tendenzen: Pädagogische Strafmaßnahmen und ihre jeweilige Funktion. . . . . .

76 76 78 80 81

Tiere und Monster in apokryphen Apostelwundern. . . . . . . . . . . . . . . 82 Livia Neureiter/Janet E. Spittler 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Antiker und spätantiker Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wundersame Tiere in den apokryphen Apostelakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestialische Tiere in den Andreasakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kluge Tiere in den Johannesakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfreiche Tiere in den Petrusakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tiere als Angreifer und Verteidiger in den Paulus- und Theklaakten sowie in den Paulustraditionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außergewöhnliche Tiere in den Thomasakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82 84 85 86 87 88 89 90

Einblicke in die bildliche Darstellung der Wunder der Apostel in der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Susanne Luther 1. Bildliche Darstellung in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten. . . . . . . . . . 92 2. Die bildliche Darstellung der Apostel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 VI

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Inhalt

3. Die Wunder der Apostel in Einzelszenen und Apostelzyklen. . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Darstellungen auf Artefakten mit wundersamer bzw. magischer Wirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5. Die Nutzung der Apostelwunder: Erinnerung und kreative Fortschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

I. Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte Hinführung zu den Wundererzählungen in der Apostelgeschichte . . 115 Bernd Kollmann Tabelle: Wunder in der Apostelgeschichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Entsetzen an der Schönen Pforte (Die Heilung des Gelähmten im Tempel) – Apg 3,1-10. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Friedrich Wilhelm Horn Ein plötzlicher Tod als Warnung (Der Betrug des Hananias und der Sapphira) – Apg 5,1-11. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Detlev Dormeyer Zur Lehre befreit! (Die Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis) – Apg 5,17-26. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Christian Schramm Konfrontation von Wunder und Magie (Philippus in Samaria – Simon der Zauberer) – Apg 8,6-8.13.39f.. . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Wolfgang von Ungern-Sternberg Blind werden, um in Wahrheit zu sehen! (Die Heilung des Paulus) – Apg 9,1-19 (22,1-21; 26,9-23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Andrzej Najda Kam, sah, heilte (Petrus in Lydda) – Apg 9,32-35. . . . . . . . . . . . . . . 189 Martin G. Ruf Stütze der Gemeinde erwacht zu neuem Leben (Die Auferweckung der Tabita) – Apg 9,36-43. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Bernd Kollmann (Wie) Hilft Beten? (Die Befreiung des Petrus) – Apg 12,1-11 . . . . . . 204 Hanna Roose

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Inhalt

Der besiegte Magier (Die Blendung des Barjesus Elymas) – Apg 13,6-12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Niclas Förster Einfach nur göttlich (Die Heilung des Gelähmten in Lystra) – Apg 14,8-13. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Bernd Kollmann Geschäftsschädigende Intervention (Die Heilung der wahrsagenden Sklavin) – Apg 16,16-22. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Eva Ebel Die Tür zur Rettung steht offen (Paulus und Silas im Gefängnis) – Apg 16,19-40. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Heike Omerzu Die unbeholfenen Zauberlehrlinge in Ephesus (Die Söhne des Skevas) – Apg 19,11-17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 István Czachesz Ein tröstlicher Zwischenfall (Eutychus in Troas) – Apg 20,7-12 . . . . . 268 Martin Bauspiess Schlange, Schuld und Schutz (Das Schlangenwunder auf Melite) – Apg 28,1-6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Dirk Wördemann Der jüdische Häftling und der edle Römer (Die Heilungen im Hause des Publius auf Malta) – Apg 28,7-10 . . . . . . . . . . . . . . . 288 Lukas Bormann

II. Die Wundererzählungen in den Johannesakten Hinführung zu den Wundererzählungen in den Johannesakten . . . . 299 Tobias Nicklas Tabelle: Wunder in den Johannesakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Die ersten Machttaten Gottes in Ephesus (Die Heilung der Kleo patra und die Auferweckung des Lykomedes) – ActJoh 19-24. . . 307 Jörg Frey/Veronika Niederhofer

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Inhalt

»Girls Day« (Die Heilung der alten Frauen in Ephesus) – ActJoh 30-36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Paul Metzger Lebens-entscheidender Wettstreit der Götter (Heilung vieler Krank heiten in Ephesus; Prodigium vor Artemisstatue) – ActJoh 37-45. 335 Heike Hötzinger Bekehrung praktisch: Verwandtschaft mit Jesus (Totenaufer weckung des Artemispriesters) – ActJoh 46f.. . . . . . . . . . . . . . . . 351 Almuth Peiper Die fatalen Folgen eines Ehebruchs (Totenauferweckung des ermordeten Vaters) – ActJoh 48-54 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Kurt Erlemann Bargeld nicht akzeptiert (Die Heilung der Söhne des Antipatros) – ActJoh 56f.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Janet E. Spittler Der Herr der Wanzen (Die gehorsamen Wanzen) – ActJoh 60f. . . . . 376 Detlev Dormeyer »Stirb, damit du lebst!« (Die Totenauferweckungen des Kallimachos, der Drusiana und des Fortunatus) – ActJoh 63-86, bes. 74-84 . . 385 Michael Theobald

III. Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus

und der Thekla

Hinführung zu den Wundererzählungen in den Akten des Paulus und den Akten der Thekla. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Annette Merz Tabelle: Wunder in den Akten des Paulus und der Thekla. . . . . . . . . 422 Die Feuertaufe der Thekla (Erstes Martyrium der Thekla) – ActThecl 1-25. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Claudia Losekam Thekla – die Herrin der Tiere (Zweites Martyrium der Thekla) – ActThecl 28-37. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Elisabeth Esch-Wermeling IX

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Bestialische Menschen und ein frommes Tier (Löwentaufe und Löwenkampf) – ActPl 9,1-15.22-26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Annette Merz First Lady trifft Paulus (Die Taufe der Artemilla als Mysterien initiation) – ActPl 9,16-21.27f. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 Annette Merz Milch statt Blut (Tod des Paulus und Erscheinungen des Paulus) – MartPl 5-7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Tobias Nicklas

IV. Die Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla Hinführung zu den Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 Bernd Kollmann Tabelle: Wunder in Leben und Wunder der Heilligen Thekla. . . . . . . 521 Zum Schweigen gebracht (Vertreibung des Apollon Sarpedonios aus seinem Heiligtum) – MirThecl 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 Eva Ebel In Stein gemeißelt (Wunderbare Bewahrung einer Inschrift) – MirThecl 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 Markus Lau Die wandernde Geschwulst (Heilung des Aurelios von einem Halstumor) – MirThecl 11. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 Pieter W. van der Horst Thekla setzt die Segel (Rettung von zwei Jünglingen aus Seenot) – MirThecl 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 Andreas Müller Ein kräftiger Tritt von der Märtyrerin (Heilung des zertrümmerten Beins des Steinmetzes Leontius) – MirThecl 17 . . . . . . . . . . . . . . 553 Pieter W. van der Horst Tod nach Tempelraub (Strafwunder an Dieben aus Laistrygonia) – MirThecl 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Andreas Müller X

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V. Die Wundererzählungen in den Petrusakten Hinführung zu den Wundererzählungen in den Petrusakten. . . . . . . 569 Susanne Luther Tabelle: Wunder in den Petrusakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 Vom Nutzen der Krankheit (Heilung vieler Kranker und Verweigerung der Heilung der Tochter des Petrus) – BG/Kopt. Pap. Berlin 8502,4 (p. 128-132.135-141) . . . . . . . . . . 583 Uwe-Karsten Plisch Oder wollt ihr, dass es euch geht wie Rufina? (Paulus in Rom, Strafwunder an Rufina beim Abendmahl) – ActPetr 1-3 . . . . . . . 593 Martin G. Ruf »Die Stadt ist zu klein für uns beide!« (Wunder des Petrus und Zauberei Simons) – ActPetr 4-15. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Matthias Hoffmann Die Matrone Eubola und der Perlenraub: reich – gerettet – diako nisch (Der Sieg des Petrus über Simon in Judäa) – ActPetr 16-18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 Marietheres Döhler/Livia Neureiter Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen (Wunder im Hause des Marcellus) – ActPetr 19-22. . . . . . . . . . . 639 Magda Misset-van de Weg Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? (Eine dreifache Totenerweckung auf dem Forum Iulium; Wunder während des Kampfes mit Simon) – ActPetr 25-29 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 Marietheres Döhler/Livia Neureiter Missglückte Himmelfahrt (Letzte Auseinandersetzung mit Simon) – ActPetr 30-32. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 Martin G. Ruf

VI. Die Wundererzählungen in den Thomasakten Hinführung zu den Wundererzählungen in den Thomasakten . . . . . 685 Tobias Nicklas Tabelle: Wunder in den Thomasakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691

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Die kommende Welt schlägt zurück (Strafe des Mundschenks) – ActThom 6-9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 Karl Weyer-Menkhoff Geplatzt vor Bosheit! (Himmlischer Bräutigam besiegt altbösen Feind) – ActThom 31-33. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700 Georg Gäbel Thomas und der dämonische Lüstling (Dämonenvertreibung) – ActThom 42-50 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713 Enno Edzard Popkes Beziehungsstress, Mord – und ein Happy End (Die Auferweckung eines ermordeten jungen Mädchens) – ActThom 53f.. . . . . . . . . 723 Tobias Nicklas »Du wirst große Wunder sehen!« (Wildesel, Exorzismus und Erweckung) – ActThom 68-81 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 Janet E. Spittler Das Siegel öffnet für das Heil (Das Türöffnungswunder mit Mygdonias Taufe) – ActThom 119-122. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 Ruben Zimmermann Ausbruch aus den Kerkern – Fluchthelfer ungesehen wieder verschwunden (Der unsichtbare Jüngling) – ActThom 154 . . . . . 758 Charlotte Dötzkirchner Knochen und Staub: die Kraft der heiligen Reliquien (Heilung des Sohnes) – ActThom 170. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 Janet E. Spittler

VII. Die Wundererzählungen in den Andreasakten Hinführung zu den Wundererzählungen in den Andreasakten . . . . . 773 István Czachesz Tabelle: Wunder in den Andreasakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782 VII.1 Die Wundererzählungen in Gregorius von Tours Liber de miraculis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 Geh weg von dem Diener Gottes! (Dämonenaustreibung und die Heilung einer ganzen Familie) – ActAndr(Greg) 5 . . . . . . . . . . . . 789 Soham Al-Suadi

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»Unser Sohn ist Magier geworden!« (Wunderbare Brandlöschung in Philippi) – ActAndr(Greg) 12. . . . . . . . . . . . . . 801 István Czachesz Eine verhängnisvolle Affäre (Bestrafung und Auferweckung der Frau des Lesbius) – ActAndr(Greg) 23. . . . . . . . . . . . . . . . . . 807 Michael Sommer Totenerweckungen als Mittel zum Zweck (Die Auferweckung von 1 + 39 Toten) – ActAndr(Greg) 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 Hanna Roose Geburtswunder der Mätresse des Mörders (Abtreibung des vom Mörder empfangenen Fötus) – ActAndr(Greg) 25. . . . . . . . . . . . 824 Anders Klostergaard Petersen Die Austreibung der Dämonen aus dem Haushalt des Antiphanes (Dämonenaustreibung in Megara) – ActAndr(Greg) 29. . . . . . . . 831 Anders Klostergaard Petersen VII.2 Die Wundererzählungen im Martyrium des Andreas. . . . . . . . 843 Stärker als Herkules! (Heilung des besessenen Sklaven des Stratokles) – MartAndr 2-5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 845 Dennis R. MacDonald »… leere Worte« (Andreas’ Rede vom Kreuz) – MartAndr 59. . . . . . 855 Michael Sommer VII.3 Die Wundererzählungen in den Akten des Andreas und Matthias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861 Käpt’n Jesus, das Kind (Jesus erscheint in vielen Gestalten) – ActAndrMatt 18. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863 Karl Weyer-Menkhoff Versteinerte Hände und nutzlose Schwerter: Wenn Empathie Unmenschlichkeit entwaffnet (Strafwunder an den Menschen fressern) – ActAndrMatt 22f. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 Friederike Oertelt Ein apostolischer Streich mit dem Sintflutwasser (Strafwunder durch Flut aus Statue und Auferweckung der Toten) – ActAndrMatt 29-32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881 Anders Klostergaard Petersen XIII

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VII.4 Die Wundererzählungen in den Akten des Petrus und des Andreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 893 »Selbstwachsende Saat« vorgeführt (Gesätes Korn wächst und reift in wenigen Stunden) – ActPetrAndr 3-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 István Czachesz Showdown im »Zirkus Petrus« (Kamel geht durch Nadelöhr) – ActPetrAndr 13-21. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 902 Eckart D. Schmidt

VIII. Die Wundererzählungen in den Philippusakten Hinführung zu den Wundererzählungen in den Philippusakten. . . . . 919 István Czachesz Tabelle: Wunder in den Philippusakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925 Kreuzförmiger Adler und leuchtendes Siegel (Sturmstillung und sprechender Adler) – ActPhil 3,5-19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 927 Christopher Matthews Sieg durch Wunder (Totenerweckung in Nikatera) – ActPhil 6,16-22. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935 Julia A. Snyder Ein veganes Evangelium für Tiere (Bekehrung des Leoparden und der jungen Ziege) – ActPhil 8,16-21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953 Christopher Matthews Heilkräftige Schmiere (Wunder in Opheorymos. Die Heilung des blinden Stachys mit Mariamnes Speichel) – ActPhil 14,1-7 . . . . . 959 Christopher Matthews

IX. Die Wundererzählungen in den Barnabasakten Hinführung zu den Wundererzählungen in den Barnabasakten. . . . . 969 Bernd Kollmann Tabelle: Wunder in den Barnabasakten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975

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Streetworker im Auftrag des Herrn (Barnabas heilt durch Handauflegung und mit einer Kopie des Matthäusevangeliums) – ActBarn 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976 Kristina Dronsch Gottloser Wettlauf in die Zerstörung (Barnabas lässt ein Stadion einstürzen) – ActBarn 19. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 Uta Poplutz

X. Die Wundererzählung in der Abgarlegende Eine Wunderheilung, per Eilpost bei Jesus bestellt (Die Abgar legende) – Eus. h.e. 1,13,6-18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 995 Andrea Ackermann Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen . . . . . . . . . . 1007 Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1023 Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . 1027 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1107 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1148 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1157

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Vorwort Das vorliegende Buch ist Band 2 des zweibändigen Werks »Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen«. In Band 1 (Die Wunder Jesu, Gütersloh 2013) wurden in einer ausführlichen Hinführung viele Aspekte zur Forschungsgeschichte, Gattung, Geschichtlichkeit, Hermeneutik und Theologie reflektiert, die hier zum Verständnis der Anlage und Konzeption des Buches vorausgesetzt werden, ohne sie noch einmal ausführlich wiederzugeben. Während sich Band 1 (Die Wunder Jesu) zu ca. vier Fünfteln mit kanonischen Schriften befasst hat, kehrt sich nun das Verhältnis um. In dem vorliegenden Band 2 (Die Wunder der Apostel) nimmt die kanonische Apostelgeschichte (Apg) nur einen relativ kleinen Raum ein, während ca. vier Fünftel des Buches nicht-kanonische Texte des frühen Christentums zum Gegenstand haben, die von Wundern der Apostel berichten. Bei aller gebotenen Vorsicht hinsichtlich der Datierung dieser Schriften kann man doch sagen, dass hierbei ein Bogen vom 1. Jh. n. Chr. (Apg) bis Ende des 5. Jh. n. Chr. (MirThecl, ActBarn) gespannt wird. Entsprechend vielfältig sind auch die Makrotexte und ihre Gattungen, die in diesem Band vereint werden. Diese Verschiebung hat zugleich Rückwirkungen auf die Grundfrage nach den Verstehensmöglichkeiten dieser Texte. Der Wunderdiskurs, insbesondere zu den Wundern Jesu, wurde in der Forschung lange Zeit durch die Frage nach der historischen Plausibilität der in diesen Texten erzählten Ereignisse dominiert, die dann sowohl apologetisch vertreten als auch kritisch bestritten wurde. Textinterpretation gleitet damit aber auf die Ebene von Glaubensbekenntnissen ab. Denn ist schon die »Faktizität« von vergangenen Ereignissen grundsätzlich geschichtstheoretisch fragwürdig geworden, so ist die Überprüfung der historischen Wahrheitsansprüche dieser Texte gänzlich unmöglich. Besonders die hier im Band dargebotenen Geschichten öffnen in ihrer Überzeichnung, aber auch durch ihren Humor, den Blick für die Grenzen dieser Fragestellungen. So wird zwar die Historizitätsfrage noch bei der kanonischen Apostelgeschichte des »Lukas« im Zusammenhang mit der Frage nach »Lukas« als Geschichtsschreiber oder Paulus als Wundertäter diskutiert. Für das Wirken der anderen Apostel in den jüngeren Akten, z.B. von Andreas und Matthias in der Stadt der Menschenfresser (vgl. ActAndrMatt) oder des Thaddäus in Edessa (vgl. Abgarlegende), findet sich hingegen niemand mehr, der hier Berichte von historischen Ereignissen vermutet. Ob es eine historische Gestalt Thekla überhaupt gegeben hat, lässt sich aus den Quellen nicht erheben. Wohl aber können wir sagen, dass die Thekla-Akten und die Erzählungen über ihre Wunder sich über längere Zeit der Kirchengeschichte großer Beliebtheit erfreuten. Es geht deshalb in diesem Band vor allem um die Erzählungen von Wundern, um Wundergeschichten, die als literarische Produkte jenseits ihrer historischen Referenzialität oder kirchlichen Rezeptionsgeschichte (z.B. als »apokryph« oder gar »häretisch«) wahrgenommen werden sollen. Dies macht aber weder die historische Fragestellung noch die Glaubwürdigkeits- und Wahrheitsfrage dieser Texte per se obsolet. Historisch kann sehr wohl 1

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Vorwort

nach Entstehungskontexten, historischer Semantik verwendeter Begriffe und Motive oder Lokaltraditionen von Schriften (z.B. in Bezug auf Lokalheiligtümer wie der Thekla in Seleukia/Isaurien) gefragt werden. Der Ereignisanspruch kann ferner auf der Ebene der Erzählung selbst als »faktuale Erzählweise« beschrieben werden. Warum behaupten diese Texte mit ihrer Erzählweise einen geschichtlichen Anspruch und präsentieren sich nicht gleich als phantastische Literatur oder Märchen? Ist die durch Erzählmodus und Inhalt erzeugte Spannung möglicherweise sogar gattungskonstitutiv für diese Texte, die dann mit Recht als »phantastische Tatsachenberichte« beschrieben werden können? Durch welche literarischen Mittel erzeugen sie ihre Wirkung? Was ist ihre Funktion? Wird »Unmögliches« erzählerisch als »Möglichkeit«, ja sogar historische Wirklichkeit präsentiert, um eingrenzende Normsysteme zu durchbrechen und neu für die Frage nach Gottes Wirklichkeit und Wahrheit zu öffnen? Wird »Unglaubliches« vielleicht deshalb erzählt, um für die Glaubensfrage zu sensibilisieren? Diese pragmatisch-hermeneutischen Fragen gehen über die historische und literarische Deskription hinaus und stellen Sinnfragen, die letztlich bei religiösen Texten immer auch in theologische Grundfragen münden. Die hier geleisteten Auslegungen wollen gerade auch solche Deutungshorizonte der Texte eröffnen und begnügen sich nicht – wie häufig bei den nicht-kanonischen Akten – mit der Rekonstruktion der Textgeschichte. Begleitend zum Gesamtprojekt ist inzwischen auch ein Aufsatzband erschienen, der die hier angesprochenen unterschiedlichen Herangehensweisen und Interpretationsmethoden zu Wundergeschichten im internationalen Kontext diskutiert (vgl. B. Kollmann/R. Zimmermann [Hg.], Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014). Darin sind u.a. auch Beiträge von Mitherausgebenden abgedruckt, die auf den drei Mainzer Tagungen während der Arbeit an diesem Projekt vorgetragen wurden und auf je eigene Weise Weichenstellungen des Gesamtprojekts vertiefend reflektieren. Viele der hier besprochenen Texte sind in der kirchlichen und auch wissenschaftlichen Diskussion weitgehend unbekannt, einige werden zum ersten Mal in deutscher Übersetzung dargeboten. So hoffen wir in mancher Hinsicht, Neuland zu erschließen und freuen uns, wenn wir einen Diskussionsanstoß sowohl für die frühchristliche Literatur- und Theologiegeschichte als auch für den Wunderdiskurs geben können. Aber vor allem wünschen wir beim Lesen dieser Texte und ihrer Auslegungen vielfältige Resonanzen, die die Spannung aus Kopfschütteln und Tiefensinn in produktives Nachdenken überführen lassen und hier und da auch das Schmunzeln ermöglichen. Mainz, im September 2017

Ruben Zimmermann für die Herausgebenden

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Wundererzählungen in den Akten der Apostel – eine Hinführung 1. Die Apostel als Wundertäter: Von Jesuswundern zu Apostelwundern 1.1 Der Wunderauftrag Jesu

Jesus wird als Wundertäter erinnert. Auch die neueste Phase historischer Jesusforschung lässt trotz mancher Unterschiede in Umfang und Art kaum einen Zweifel daran, dass Jesus Taten vollbracht hat, die man als ›Wunder‹ verstanden und weitererzählt hat (vgl. Meier 1994, 509-1038; Twelftree 2011; Merz 2013). Nach der neutestamentlichen Überlieferung wird seine Wundertätigkeit geradezu zum Erkennungszeichen seiner Messianität, wie es die Antwort auf die Täuferfrage festhält (vgl. Q/ Lk 7,20-23/Mt 11,3-5). Auch im vergleichenden Gegenüber zum Täufer zeichnet sich Jesus offenbar besonders durch seine Wundertätigkeit aus (Joh 10,41). Aber schließt deshalb der Ruf in die Nachfolge schon ein, dass auch die Jünger Jesu ihrerseits Wunder vollbringen konnten? Ist es das, was »der Kleinste im Reich Gottes« dem Täufer Johannes voraus hat (Q/Lk 7,28; Mt 11,11)? Jesus verheißt die Fähigkeit, »Maulbeerfeigenbäume« (Lk 17,6) oder gar »Berge zu versetzen« (Mt 17,20), wenn man nur Glauben so groß wie ein Senfkorn hat. Das sind zweifellos wunderbare, unvorstellbare Begebenheiten. Dem Glaubenden sind »alle Dinge möglich« (Mk 9,23) und Jesu Zusage von Gebetserhörungen wird ohne Einschränkung formuliert (Q/Lk 11,9; Mt 7,7: »Bittet, so wird euch gegeben«). Hierbei handelt es sich aber doch zunächst um Vertrauensbekundungen und rhetorisch hyperbolische Bekräftigungen, zumindest dem Sprechakt nach um Zusagen und noch keine Ereignisberichte. Aber es wird auch von vollzogenen Wundertaten der Jünger erzählt, bereits zu Lebzeiten Jesu. Nach einhelliger Forschungsmeinung gab es eine vorösterliche Aussendung der Jünger Jesu (vgl. Meier 2001, 125; Popkes 2014, 17). Trotz Abweichungen im Detail (vgl. die Synopse bei Popkes 2014, 20f.) sind sich die Quellen darin einig, dass Jesus seine Nachfolger hierbei nicht nur zum Predigen in die Dörfer Galiläas schickte, sondern explizit auch mit einem Handlungsauftrag. Nach der sogenannten Missionsinstruktion in der Logienquelle Q/Lk 10,9 wird dieser explizit als Heilungsauftrag konkretisiert (»heilt die Kranken, die in ihr [der Stadt] sind«, vgl. dazu Fleddermann 2005, 426f.). Bereits bei der ersten Einsetzung der Zwölf nach dem Markusevangelium (Mk 3,15) und dann wiederum nach Mk 6,7-13 gab Jesus den Zwölfen die »Macht über die unreinen Geister« (V. 7), die dann von den Jüngern auch erfolgreich angewandt wird (V. 13: »sie trieben viele böse Geister aus«). Ferner heilten die Jünger die Kranken, verbunden mit einer Ölsalbung (V. 13: »und salbten viele Kranke mit Öl und machten sie gesund«, ἐθεράπευον etherapeuon). Im Lukasevangelium finden sich dann sogar zwei Aussendungsreden, eine an den Zwölferkreis gerichtet (Lk 9,1-6), die andere an die 72 Jünger (Lk 10,1-9), die 3

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Wundererzählungen in den Akten der Apostel – eine Hinführung

vermutlich auch je unterschiedliche Quellen (Mk und Q) verarbeiten. Während in dem an Mk 6,7 orientierten Einleitungsvers Lk 9,1 wiederum von der Beauftragung zu Exorzismen und Heilungen die Rede ist, wird im nachfolgenden Erfahrungsbericht (abweichend von Mk 6,13) jedoch nur von der vollzogenen Tätigkeit als Heiler erzählt (Lk 9,6: »sie heilten an allen Orten«). Bei der Aussendung der 72 wird auch nur noch der Krankenheilungsauftrag gegeben (Lk 10,9: »Heilt die Kranken«, vgl. zur lukanischen Redaktion Popkes 2014, 86-93). Bevor man hier aber vorschnell ein Desinteresse des Lukas an Exorzismen von Jüngern postuliert, muss auch der zweite Teil seines Doppelwerks im Blick behalten werden. In Apg 5,16; 16,16-18 und 19,12 wird sowohl summarisch als auch in einer Einzelerzählung von der exorzistischen Tätigkeit der Apostel berichtet. Die umfassendste Beauftragung finden wir im Matthäusevangelium. Hier ist von einem vierfachen Handlungsauftrag die Rede: Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus! (Mt 10,8).

Von einer Umsetzung und Rückkehr der Jünger erfahren wir hier nichts. Nach Mt 11,2 ist nur von den »Werken Christi« (τὰ ἔργα τοῦ Χριστοῦ ta erga tou Christou) die Rede, die dann im Anschluss der Täuferfrage konkret als Heilungen (Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören) und Totenerweckungen (Mt 11,5) beschrieben werden. Im Johannesevangelium fehlt eine Aussendungsrede im Sinne der Synoptiker. Die explizit formulierte Sendung der Jünger (Joh 20,21: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch«) bleibt ohne konkreten Handlungsauftrag. Allerdings wird in der ersten Abschiedsrede die Fähigkeit von Werken zugesprochen, die sogar die Taten Jesu übertreffen (Joh 14,12: »Amen, Amen ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun.«). Da die Werke (ἔργα erga) bei Joh im Verbund mit den Zeichen (σημεῖα sēmeia) explizit für die Wundertaten stehen (vgl. dazu Poplutz 2013, 664), wird hier zumindest als Verheißung auch die Wundertätigkeit der Jünger angesprochen (zur Wiederaufnahme dieses Motivs der größeren Werke in den ActPl 13,11 vgl. Merz, Hinführung ActPl in diesem Band). Schließlich wird im Thomasevangelium (EvThom 14,4f.) dann nochmal ein Heilungsauftrag bezeugt, was innerhalb dieses Spruchevangeliums durchaus auffällig ist (»Die Kranken unter ihnen heilt«, vgl. dazu Popkes 2014, 111). Zusammenfassend kann man festhalten, dass Jesus gemäß der Erinnerung der Logienquelle, der synoptischen Evangelien sowie des Thomasevangeliums seine Jünger beauftragt hat zu heilen. Bei allen Synoptikern ist ferner vom Auftrag der Dämonenaustreibung die Rede (Mk 3,15/Mt 10,1/Lk 9,1). Bei Matthäus werden zusätzlich die Heilung von Aussatz sowie die Totenerweckung als mögliche Taten im Handlungsspektrum der Jünger benannt. Man kann deshalb übergreifend nicht nur von einem Heilungsauftrag, sondern regelrecht von einem »Wunderauftrag« Jesu an 4

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Die Apostel als Wundertäter

seine Jünger sprechen. Bei Mk und Lk ist ferner in Form eines berichtenden Summariums von der Umsetzung dieses Auftrags die Rede. Das Neue Testament weiß umgekehrt aber auch einiges vom Kleinglauben der Jünger zu berichten, der u.a. in ihrer Unfähigkeit, Kranke zu heilen (Mk 9,18) oder Hungernde zu speisen (Mk 6,37), sichtbar wird. Dass gleichwohl die Wundertätigkeit der Jünger zum Erkennungszeichen des wahren Glaubens avancierte, zeigt schließlich der sekundäre Markusschluss (dazu Kelhoffer 2000): Als Zeichen (σημεῖα sēmeia) aber werden den Glaubenden diese folgen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, in neuen Zungen werden sie reden, Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird’s ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird’s gut mit ihnen werden (Mk 16,17f.).

Zusätzlich zur Dämonenaustreibung und Krankenheilung, wie es aus den Aussendungsreden bekannt ist, werden die Glossolalie, Schlangenbeschwörung und Immunität gegen tödlichen Gifttrank genannt. Besonders der Umgang mit Schlangen hat noch bis ins 20. Jh. eine durchaus ambivalente Nachwirkung erzielt, wie die amerikanischen »Snake-Handler-Churches« zeigen (vgl. Burton 1993; Kimbrough 2002). Die Argumentationsrichtung hat sich hierbei umgekehrt. Die gesandten Jünger haben nicht mehr nur das Potenzial, Wunder zu tun, sondern die Wundertätigkeit gilt als Zeichen, ja sogar notwendiges Kriterium, um wahre Jüngerschaft und Glaubensnachfolge zu demonstrieren.

1.2 Die »Apostel« als Wundertäter

Der vorliegende Band trägt den Untertitel »Die Wunder der Apostel«. So stellt sich die Frage, von wem hier überhaupt die Rede ist. Geht es um die Wundertätigkeit von Jüngern Jesu allgemein oder speziell des Zwölferkreises? Ist mit dem Apostelbegriff ein bestimmtes urchristliches Amt oder eine besondere Beauftragung verbunden? Daran schließen sich sowohl traditions- bzw. literargeschichtliche als auch hermeneutische Fragen. Wer wird zum Wundertäter beauftragt, wie exklusiv oder integrativ ist dieser Auftrag? Gilt die Beauftragung für eine bestimmte Personengruppe und geschichtlich begrenzte Periode oder für Christen allgemein an jedem Ort und zu jeder Zeit? 1.2.1 Zum Begriff »Apostel«

Die Beauftragung zur Wundertätigkeit der Jünger erfolgte im Rahmen von Aussendungen, wie sie uns die Synoptiker überliefert haben (s.o.). Aussenden heißt im Griechischen ἀποστέλλω apostellō, das Nomen ὁ ἀπόστολος ho apostolos, »der Apostel«, kann man entsprechend mit »der Ausgesandte« übersetzen. Konkret ist 5

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hier bei Mk 6,7-13par. an den Zwölferkreis gedacht, dessen Mitglieder nicht nur »gesandt« (Mk 6,7: »er begann, sie auszusenden«), sondern auch explizit »Apostel« genannt werden (vgl. Mk 3,14; Mt 10,2; Lk 6,13: »er erwählte zwölf von ihnen, die er auch Apostel nannte [ἀποστόλους ὠνόμασεν apostolous ōnomasen]«). Solche Formulierungen sowie die Differenz zu den 72 Jüngern, die zwar auch ausgesandt (Lk 10,1: ἀπέστειλεν apesteilen), aber nicht ausdrücklich mit dem »Apostel«-Namen belegt werden, ließen die Vermutung aufkommen, dass sich im frühen Christentum schon früh eine Art »Apostelbegriff« oder »Apostelamt« ausgebildet hatte (dazu allg. Bienert 1997; Frey 2016). Hatte die frühere Forschung eine Vorprägung der frühchristlichen Apostolatsvorstellung im jüdischen schaliach-Botenrecht angenommen (vgl. Rengstorf 1933; Hahn 1974, 69), so plädiert man heute für eine größere Offenheit bzw. Eigenheit des urchristlichen Begriffs (Haacker 2005; Frey 2016, 730-732). Nach Gerber hat sich der Begriff gerade aufgrund seiner »semantischen Unscheinbarkeit« (Gerber 2012, 38) im Gegenüber zum »Angelos« (Engel), d.h. dem »himmlischen Boten« der jüdischen Tradition, für das frühe Christentum als brauchbar erwiesen. Bereits die Paulusbriefe zeigen zweifellos eine erste Begriffsbildung, die gleichwohl inhaltlich und funktional eine beträchtliche Flexibilität behält (vgl. Frey 2016, 713-721). So werden nahe am Wortsinn Gemeindemissionare »Apostel« genannt (1 Kor 9,5; 12,28; 2 Kor 11,5), dann aber auch speziell Erstverkündiger des Evangeliums an die Nicht-Juden (Röm 11,13: Apostel der Völker, vgl. Röm 1,5; Gal 2,7f.). Daneben können Auferstehungszeugen »Apostel« genannt werden (1 Kor 15,8-10), oder es kann Epaphroditus auch nur als »Abgesandter« der Gemeinde von Philippi (Phil 2,25) gelten. Eine Begrenzung des Begriffs auf den Zwölferkreis – so offenbar das Konzept des Lukas (dazu Frey 2016, 721-723) – kann man hierbei nicht feststellen. Zwar kennt Paulus den Titel für Petrus (1 Kor 9,5; Gal 2,8) und die Jerusalemer (Gal 1,17), namentlich hierbei den Herrenbruder Jakobus (Gal 1,19), aber er stellt sich selbst, der er ja definitiv nicht zum Zwölferkreis gehört hat, im Präskript von vier Briefen als »Apostel« vor (Röm 1,1; 1 Kor 1,1; 2 Kor 1,1; Gal 1,1). Ferner werden noch Andronikus und Junia als berühmt »unter den Aposteln« (ἐν τοῖς ἀποστόλοις en tois apostolois, Röm 16,7) erwähnt, so dass auch Frauen den Namen tragen konnten. Der literarisch älteste neutestamentliche Beleg spricht vom »Gewicht der Apostel Christi« (1 Thess 2,7), so dass hier – wie auch in 1 Kor 15,9 – bereits ein Würdebzw. Autoritätsanspruch mit dem Titel verbunden wird (anders Gerber 2005, 274294, die hier einen Verzicht auf die Last des Unterhalts annimmt). Auffällig ist schon, dass bei Paulus der Apostelbegriff häufig im Zusammenhang mit Unterhaltsfragen diskutiert wird (so 1 Kor 9; 2 Kor 11). Offenbar war es möglich und üblich, dass der Apostel von der Gemeinde Unterhalt empfing, was Paulus aber in der Gemeinde von Korinth nicht in Anspruch nahm, ganz im Gegensatz zu anderen Missionaren, die nach der Abwesenheit des Paulus in der Gemeinde auftraten, wie der 2. Korintherbrief thematisiert. Apostel sind hierbei offenbar nicht nur die Gründer der Gemeinde, sondern auch (wandernde) Prediger, die eine Zeit lang in der Gemeinde 6

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arbeiteten. Signifikant ist hier in unserem Zusammenhang die Beschreibung, dass selbst diese fremden Missionare – wie vermutlich Paulus selbst davor – die »Zeichen der Apostel« getan haben: Die Zeichen des Apostels wurden gewirkt bei euch in aller Geduld, durch Zeichen und Wunder sowie Krafttaten (σημείοις τε καὶ τέρασιν καὶ δυνάμεσιν sēmeiois te kai terasin kai dynamesin; 2 Kor 12,12).

Hier wird offenbar ein enger Zusammenhang von Wundertätigkeit und Apostolat vorausgesetzt, indem sowohl die alttestamentlich geprägte Formulierung »Zeichen und Wunder« (vgl. Dtn 4,34; Ps 78,43; sowie Joh 4,48; Apg 2,43; 4,30 etc., dazu Weiß 1995) als auch der terminus technicus für Wunder, »Krafttaten« (δυνάμεις dynameis, vgl. zu den Wundertermini im NT Zimmermann 2013a, 18-22), als »Zeichen des Apostels« angesehen werden (mit Haacker 2005, 1665). Die Wundertätigkeit allein reicht aber für Paulus nicht als Kriterium für eine gute Erfüllung des mit dem Apostolat verbundenen Auftrags. Entsprechend kann er die fremden Missionare in Korinth abwertend als »Lügenapostel« (2  Kor 11,13) oder »Superapostel« (2  Kor 11,5.11) bezeichnen. Fazit: Der durchaus disparate Gebrauch des Apostelnamens in den neutestamentlichen Quellen spricht dafür, dass es eine einhellige Konzeptbildung oder gar ein institutionelles Amt bei Paulus oder der ersten Generationen von Christen noch nicht gegeben hat (mit Gerber 2012, 51; Frey 2016, 702f.). Dennoch leuchtet bereits hinter den ältesten Quellen hervor, dass der Apostel-Begriff ein Würdename war, der aufgrund von Sendung, Beauftragung und Tätigkeiten im Bereich der Mission bzw. Evangeliumsverkündigung geführt wurde. Als eine apostolische Handlung wird die Wundertätigkeit genannt, obgleich dies weder ein hinreichendes noch notwendiges Kriterium des Apostolats ist. Die Christusnachfolger der ersten Generation, prototypisch Petrus und Paulus, wurden später als Norm des ›Apostolischen‹ bzw. der »guten/rechten Apostel« (ἀγαθοὶ ἀπόστολοι agathoi apostoloi, 1 Clem 5,3) betrachtet (vgl. Jud 17; 2 Petr 1,1; 3,2; 1 Clem 5,1-7; IgnEph 12,2; IgnTrall 1,1: hier erstmals das Adjektiv ἀποστολικός – »apostolisch«, dazu Frey 2016, 684-692.763-768). Das »Apostolische« wurde auf diese Weise zum Ausdruck von Authentizität und Wahrheit der Botschaft. Spätere Christen oder Schriften konnten durch »apostolische Tradition bzw. Sukzession« (vgl. erste Hinweise in 1 Clem 42; 44,1-3) daran partizipieren. »Apostolizität«, nach dem Nicaeno-Constantinopolitanischen Glaubensbekenntnis eines der Kennzeichen der Kirche (notae ecclesiae), wurde somit später zu einem Kriterium der Rechtgläubigkeit z.B. bei der Bewertung von Schriften als »kanonisch« bzw. »rechtgläubig« (z.B. die Sammlung der ›apostolischen Väter‹; vgl. Bienert 1997, 26-28: Das Apostolische als Norm der Orthodoxie) oder »apokryph« (dazu Markschies 2012b, 65; Tuckett 2015). Nach den Zeugnissen einiger Kirchenväter waren auch Wunder Ausdruck der Apostolizität bzw. der apostolischen Zeit, die freilich aktuell vergegen7

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wärtigt werden konnte (vgl. Or. Cels. 7,8; Ambr. ep. 77; Aug. civ. 22,8,22; vgl. Den Boeft 2004, 61f.). 1.2.2 Die Apostel im Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen

In diesem Kompendium werden Texte besprochen, die einen Apostel bzw. eine Apostelin im engeren, späteren Begriffsgebrauch als Wundertäter(in) aufweisen. Dies gilt für Apostel, die entsprechend dem Zeugnis der vier kanonischen Evangelien explizit aus dem Zwölferkreis der Jünger Jesu stammen (vgl. Mk 3,18), wie Petrus (Apg, ActPetr, ActPetrAndr) und sein Bruder Andreas (ActAndr), Johannes (als Sohn des Zebedäus) (ActJoh) und Philippus (ActPhil) sowie Thomas (ActThom), der im Johannesevangelium eigens hervorgehoben wird (Joh 11; 20). Auch Thaddäus wird in Mk 3,18 genannt, der nach der Abgar-Legende in Edessa Wunder wirkte. Obgleich dieser Text in Überlieferung und Gattung einen Sonderfall darstellt, wird doch Thaddäus explizit »Apostel« genannt (Eus. h.e. 1,13,11 V. 3 bzw. 1,13,14 V. 2f., Zählung Ackermann in diesem Band) und seine Sendung durch Jesus bzw. Thomas zum Toparchen Abgar mehrfach thematisiert. Bei »Matthias« (ActAndrMatt) handelt es sich um den nach Apg 1,23-26 an Stelle von Judas Iskariot in den Zwölferkreis nachgewählten Jünger, der hierbei auch explizit »den elf Aposteln« zugeordnet wird. Hinzu kommen Personen, die nicht direkt aus dem Jüngerkreis stammen, ja Jesus persönlich nicht gekannt haben, aber dennoch im Neuen Testament bzw. frühchristlichen Schrifttum als Apostel(in) bezeichnet werden, konkret Paulus (Apg; ActPlThecl) und Barnabas (ActBarn, vgl. Apg 14,14; 1  Kor 9,6). Einen Sonderfall stellt Thekla (ActThecl; MirThecl) dar, denn sie wird weder im Neuen Testament erwähnt, noch wird von einer direkten Beauftragung durch Christus berichtet. Gleichwohl wurde ihr in der Tradition der (Ost-)Kirche der Name »Apostelin« verliehen (vgl. Jensen 1995; Wesseling 1996; Hylen 2015, 111). Eine Chrysostomos zugeschriebene Homilie trägt etwa den Titel »Loblied auf die Heilige Protomärtyrerin und Apostelin Thekla« (dazu MacDonald/Scrimgeour 1986, 151-159), so dass Thekla mit gutem Recht in diesem Band aufgenommen wurde (dazu Merz, Hinführung zu ActPlThecl und Kollmann, Hinführung zu MirThecl in diesem Band).

1.3 Wundertaten – »im Namen Jesu« …

Wenn Apostel als Gesandte und Beauftragte handeln, wird damit zugleich ein Wesensmerkmal der Wundertaten der Apostel sichtbar: Jesus handelt mit eigener Macht und Autorität (ἐξουσία exousia, die von Anfang an betont wird, vgl. Mk 1,27; Lk 4,36; 5,24), während die Apostel im Auftrag und in Rückbindung an Jesus wirken. Ihre Tätigkeit steht in einem Verweiszusammenhang zu der des Meisters und bleibt ihr somit untergeordnet. So wird es im Blick auf die Sendungsmetaphorik in Joh explizit formuliert: »Der Gesandte (ἀπόστολος apostolos) ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat« (Joh 13,16, vgl. aber auch Joh 14,12). 8

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Entsprechend besteht auch hinsichtlich der Wundertätigkeit der Apostel ein klares Gefälle. Die Jünger können aus eigener Macht nichts tun (vgl. Mk 9,18.28), sondern nur in der Nachfolge und Rückbindung an Jesus (bzw. Gott) Wunder wirken (so Apg 3,6). Immer wieder wird diese Unterordnung auch innerhalb der Apostelakten selbst thematisiert. Schon nach dem ersten Wunder der lukanischen Apg sagt Petrus: Als Petrus das sah, sprach er zu dem Volk: Ihr Männer von Israel, was wundert ihr euch darüber, oder was seht ihr auf uns, als hätten wir durch eigene Kraft oder Frömmigkeit bewirkt, dass dieser gehen kann? (Apg 3,12).

Diese Abhängigkeit und Unterordnung bleiben ein konstitutives Element auch in den späteren Erzählungen über die Wundertätigkeit der Christen und auch der Apostel im Besonderen. Der christliche Wundertäter handelt nicht eigenmächtig, sondern im Auftrag, weshalb Czachesz mit Recht von »commission narratives« spricht (Czachesz 2007b, 10-18). Sein wundersames Tun steht in unmittelbarer Abhängigkeit von Jesus bzw. durch ihn von Gott. Ein spezifischer Ausdruck dieser Verweisstruktur findet sich in der immer wiederkehrenden Wendung »im/auf den Namen Jesu«, mit der die Wundertat verbal begleitet wird. Bereits die rückkehrenden 72 Ausgesandten berichten, dass die Dämonen »dem Namen Jesu« untertan sind (Lk 10,17). Im unechten Markusschluss sind Exorzismen von bösen Geistern »im Namen Jesu« Erkennungszeichen der Glaubenden (Mk 16,17, s.o.) und auch am Beginn apostolischer Wundertätigkeit in der Apg wird sogleich unterstrichen, dass die Jünger hier nicht eigenmächtig handeln (so Apg 3,6 und 4,10: Gelähmtenheilung des Petrus und Johannes »im Namen Jesu«, dazu F. W. Horn in diesem Band; ferner Apg 16,18). Nach Apg 19,11 ist es Gott, der durch die Hände des Apostels (hier Paulus) handelt. Obgleich die Namensnennung häufiger im Zusammenhang mit Exorzismen auftritt, wird an Apg 3 erkennbar, dass sich die Namensnennung doch auch nicht darauf beschränken lässt und hier explizit eine Heilung einschließt. Der Handelnde stellt sich durch die Namensanrufung bewusst in eine Beziehung zum Namensträger und ordnet sein Tun ein und unter. Die Macht und Kraft des Namensträgers wird bei einem Handeln im Namen aufgerufen und vergegenwärtigt (so Kollmann 1996, 350f.; sowie Ruck-Schröder 1999, 182-191). Möglicherweise gab es im religionsgeschichtlichen Umfeld sogar spezifisch exorzistische Techniken mit Namensnennung (so Twelftree 2007, 126f. mit Blick auf Mk 9,38f.). Nach Mt 7,22 wird prophetische Rede, Exorzismus und allgemein »Wunder tun« im Namen Jesu genannt (»Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: […] Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan?«). Allerdings macht gerade diese Stelle auch deutlich, dass die Namensnennung nicht als Technik oder Automatismus funktioniert. Denn obwohl hier vermeintlich »im Namen Jesu« gehandelt wird, wird die Tätigkeit von Jesus verurteilt, weil die Beziehungsebene gestört ist (»Ich kenne euch nicht«). Erfolgt in Mt 7,22 nur ein fiktiver Bericht, so erzählt Apg 19,11-17 tatsächlich von Exorzisten, den sieben Söhnen des Skevas, die im Namen Jesu Dämonen austreiben 9

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wollen, dabei aber schmählich scheitern (dazu Czachesz in diesem Band). Nicht die bloße Namensnennung, sondern die Urheberschaft ist wesentlich. Entsprechend lautet die direktere Formulierung (ohne Namensdeklaration) nach Apg 9,34: »Jesus Christus heilt dich, Äneas.« Auch in den späteren Apostelakten bleibt diese Abhängigkeit sichtbar, selbst wenn der Apostel immer stärker heroische Züge annimmt oder wie im Falle der zwillingshaften Überlagerung zwischen Thomas und Jesus bis zur Ununterscheidbarkeit mit Jesus verschmilzt (z.B. ActThom 6f. Jesus-Thomas im Brautgemach, zum Zwillingsmotiv vgl. Frenschkowski 2013). Dazu einige Beispiele: ActJoh 22fin: »Stehe auf im Namen Jesu Christi« (Erweckung der Kleopatra durch Johannes). ActJoh 25: Lykomedes zu Johannes: »Ich beschwöre dich bei dem Gott, in dessen Namen du uns erweckt hast.« ActJoh 83: »Stehe auf, Fortunatus, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn.« ActPetr 11: Der Dämon des jungen Mannes wird »im Namen Jesu« ausgetrieben und zerstört danach die Kaiserstatue. ActPetr 13: Wiederbelebung eines Räucherfisches. »In deinem Namen, Jesus Christus, … werde vor allen lebendig und schwimme …« ActPetr 15: »Jesus Christus lässt dir sagen: Verstumme unter dem Zwang meines Namens und verlasse Rom bis zum kommenden Sabbat.« ActThom 119 (syr. Fass.): »Mein Herr Jesus, der Messias, ist mächtiger als alle Mächte, Könige und Herrschenden. Er öffnete die Türen und hüllte die Wächter in Schlaf.« ActAndr(Greg) 23,10: Trophime wird zur Prostitution gezwungen. Ein aufdringlicher Freier fällt tot um. »Bald darauf erweckte sie den Mann im Namen Jesu Christi …« ActPhil 6,20: »Philippus fuhr fort und betete ein zweites Mal, dann sagte er dem Kind: ›Im Namen Jesu Christi, sprich, stehe auf und lauf!‹ Sofort rief Theophilos: ›Der eine Gott ist der des Philippus, Christus Jesus, der mir das Leben (zurück)gab!‹«

Die Urheberschaft Jesu bzw. Gottes wird auf diese Weise ausdrücklich benannt, zugleich aber auch die Mitwirkung des Apostels betont. Nach ActPhil 6 spricht Jesus dem Apostel explizit Mut zur Wundertat zu (vgl. ActPhil 6,18: »Philippus blickte auf und sah Jesus rechts von ihm stehen und sagen: ›Hab keine Angst. Durch mich wird der Tote auferstehen‹.«). Die ›Synergie‹ zwischen Jesus und dem Apostel findet etwa in der Erweckungsbitte des Petrus einen typischen Ausdruck: »Und nun, Herr, erwecke vor aller Augen den von Simons Berührung Getöteten durch meine Stimme und deine Kraft!« (ActPetr 26, Übers. Lang 2015, 61). Die Rückbindung der Wunderkraft an Jesus (bzw. Gott) ermöglicht es ferner, dass die Wundertätigkeit nicht exklusiv an den Apostel (seinen Status oder gar sein Amt) gebunden ist, sondern auch weitergegeben werden kann. Der Apostel behauptet kein Privileg der Wunderkraft, wie es explizit in einer Rede des Petrus formuliert wird:

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Männer von Rom! Ich bin einer von euch, von menschlichem Fleisch und Sünder, doch ich habe Gottes Erbarmen erlangt. Daher richtet euer Augenmerk nicht auf mich, denn Wunder wirke ich nicht aus eigener Kraft, sondern aus der Kraft meines Herrn Jesus Christus, der Richter ist über Lebende und Tote. Im Vertrauen auf ihn und von ihm gesandt, wage ich es, ihn zu bitten, er möge Tote erwecken (ActPetr 28; Übers. Lang 2015, 62).

Entsprechend kann der Apostel auch andere beauftragen und ermächtigen, ähnliche Wundertaten wie er auszuführen. Die zentrale Rückbindung an Jesus (bzw. Gott) hat somit eine zentrifugale Wirkung im Blick auf die späteren Wundertäter. So ruft z.B. Kleopatra auf Anweisung des Apostels ihren Mann Lykomedes ins Leben zurück (ActJoh 24), wobei gerade in der Deutung die enge Verknüpfung zwischen »Kleopatra – Apostel Johannes – Christus – Gott« gewahrt bleibt, so dass letztlich doch im Namen Jesu Christi in der Macht Gottes gehandelt wird. Nach ActPetr 11 ist es Marcellus, der selbst die zertrümmerte Kaiserstatue in Ordnung bringt, nach ActPetr 26 erweckt der Präfekt Agrippa den Jüngling, indem er ihm auf Anweisung des Apostels die rechte Hand hält. Die Frau des Virinus ruft ein totes Kind ins Leben zurück (ActAndr[Greg] 19). Nach ActPhil 6 beauftragt Philippus Ireus mit der Heilung des Aristarchus, der sie mit einem Kreuzzeichen ausführt. Drusiana erweckt sogar ihren »schlimmsten Feind«, Fortunatus, der sie zuvor noch schänden wollte (ActJoh 83). Und nach ActThom 53f. muss der Jüngling seine zuvor von ihm selbst getötete Geliebte im Auftrag des Apostels wiedererwecken (ActThom 54: »Geh, nimm ihre Hand und sprich zu ihr: ›Ich habe dich mit meinen Händen durch Eisen getötet und mit meinen Händen erwecke ich dich wegen des Glaubens an Jesus.‹«). Die letzten beiden Beispiele zeigen, dass die Wundertätigkeit offenbar auch für die Wundertäter eine rehabilitierende Funktion besitzt. Die Wunderkraft ist folglich zwar an Christus gebunden, bleibt aber nicht auf den Apostel begrenzt, sondern kann auf andere Wundertäter übergehen. Diese zentrifugale Dimension der Wundertätigkeit deutet sich bereits in der Beauftragung der 72 Ausgesandten im Lukasevangelium und mehr noch am Beispiel des »unbekannten Wundertäters« an: Johannes sprach zu ihm: Lehrer, wir sahen einen, der in deinem Namen Dämonen austrieb, und wir hinderten ihn daran, weil er uns nicht nachfolgte. 39 Jesus aber sprach: Hindert ihn nicht! Denn keiner, der ein Wunder in meinem Namen (δύναμιν ἐπὶ τῷ ὀνόματί μου dynamin epi tō onomati mou) tut, wird fähig sein, mich im nächsten Moment zu beschimpfen; 40 denn wer nicht gegen uns ist, ist für uns (Mk 9,38-40).

Es handelt sich hier um einen Exorzisten, der zwar »im Namen Jesu« handelt, aber doch nicht in die Nachfolge eintritt, also kein Jünger im Sinne der sonstigen Überlieferung ist. Vielmehr wird auch hier die Vielfalt der Wundertätigkeit der frühen Christen vorausgesetzt, die weder an ein Amt, noch Titel oder bestimmte gemeindliche Ordnungen gebunden ist (vgl. dazu Kelhoffer 1999). Möglicherweise mag hier ein Grund dafür liegen, dass es im Laufe der Zeit zu einer wahren Flut von Wundern kommt, zumindest zu einem inflationsartigen Anwachsen der Wundererzählungen. 11

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1.4 Der Wundertäter Paulus als Testfall

Richten wir den Blick noch einmal speziell auf Paulus. Er nennt sich selbst »Apostel« mit direkter Beauftragung durch Christus (Gal 1,1) und sieht sein Wirken in enger Bezogenheit auf den Herrn, ja sieht sich als einen »Nachahmer [μιμητής mimētēs] Christi« (1 Kor 11,1). Die Frage liegt deshalb nahe, ob Paulus entsprechend auch ein Nachfolger Jesu im Blick auf seine Wundertätigkeit war. War Paulus ein Wundertäter? Lange Zeit wurde die Frage, ob und in welchem Maße Paulus selbst Wunder vollbracht hat, in der Paulusforschung nur am Rande bearbeitet (vgl. den Überblick bei Twelftree 2013, 7-17). Dies lag zu einem guten Teil daran, dass die Quellenlage einen äußert inhomogenen Befund liefert. Während die narrative Pauluserinnerung (Apg, ActPl) voller Wundererzählungen ist, kommt das Thema »Wunder« in den authentischen Paulusbriefen nur am Rande vor. Im Kontext der Narrenrede erwähnt Paulus Wundertaten als Zeichen des Apostels (2 Kor 12,11-13, s.o.), auch im Ausblick auf die geplante Spanienmission und Rückblick auf seine bisherige Missionstätigkeit nennt er »Zeichen und Wunder« in der Kraft des Geistes als Beglaubigungszeichen des Evangeliums (Röm 15,18f.; ähnlich 1 Thess 1,5; 1 Kor 2,4; Gal 3,5). In 1 Kor 12,28 (vgl. 1 Kor 12,9.30) wird das Charisma der Heilung und Kraft- bzw. Wundertaten (ἔπειτα δυνάμεις, ἔπειτα χαρίσματα ἰαμάτων epeita dynameis, epeita charismata iamatōn) in einer Liste spezieller Beauftragungen und Gaben genannt. In all diesen Erwähnungen werden Wundertaten relativierend bei- und untergeordnet oder gar kritisch bewertet (zu 2 Kor 12 und mit der paradoxen Theologie der Schwäche kontrastiert, vgl. 2 Kor 12,9). Hinzu kommen noch ein paar Belege, in denen Ereignisse von Rettung und Heilung (z.B. 2 Kor 1,8-11; Phil 2,25-30) in den Briefen erzählt werden, ohne dass hier aber die klassischen Wundertermini zur Deutung herangezogen werden (vgl. die Diskussion der Stellen bei Twelftree 2013, 153-225). Angesichts dieses Befunds kann man sich dem Schluss kaum entziehen, dass für »Paulus Wunder überhaupt nicht wichtig waren« (Schreiber 1996, 282). Auch für Twelftree war Paulus kein Wundertäter und hat auch nicht den Anspruch erhoben, die Gaben des Heilens oder der Dämonenaustreibung zu besitzen (Twelftree 2013, 318: »Paul clearly did not see himself as a miracle worker«). Gleichwohl möchte er im Anschluss an Gal 3,3-5 und Röm 15,18 daran festhalten, dass das Evangelium in »Wort und Tat« gekommen ist. »The Gospel was also realized in the miraculous through the work of the Spirit« (Twelftree 2013, 319 sowie 225). Wundertaten sind also nicht zentraler Inhalt der Botschaft des Heils, sondern stellen bestenfalls »Begleiterscheinungen dar. Die Wunder sind der Verkündigung nachgeordnet, da erst im Wort der Glaube entstehen muss, der die Wunder als Zeichen der Geistesgegenwart erkennen kann« (Schreiber 1996, 272; ähnlich Kollmann 2000a, 82f.). Wie ist nun aber dieses Ergebnis mit der narrativen Pauluserinnerung zu vereinbaren, die die Wundertaten auf Schritt und Tritt zum Grundgerüst der Paulusmission erhebt? Schon in Apg werden neun Einzelwundertaten neben weiteren 12

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Summarien genannt. Für den Herausgeber der wiederentdeckten Handschriften der Paulusakten (P.Heid., P.Hamb.) ist die Wundermacht des Apostels »zum Leitmotiv für das ganze Werk geworden« (Schmidt 1905, 215). Wird in den Erzählungen alles »in den Nebel der Dichtung eingehüllt« (Schmidt, ebd., zum vollen Zitat siehe Merz, Hinführung zu ActPl) und der Legendenbildung freien Lauf gelassen? Einige Forscher haben nun versucht, diesen disparaten Befund auf je eigene Weise zu verknüpfen oder gar zu harmonisieren. Erst in neuerer Zeit hat man Lukas als Historiographen wiederentdeckt (Marguerat 2011; Keener 2012, Bd. 1, 90-115; Moessner 2016) und ihn nicht zuletzt sogar wegen seiner Wundererzählungen der tragisch-pathetischen Geschichtsschreibung zugeordnet (vgl. Plümacher 2004d; Dormeyer 2009b; dazu Zimmermann 2014c, 480-483). Könnte deshalb der historische Quellenwert nicht nur einzelner Perikopen wie z.B. die Heilung des Gelähmten (Apg 14,8-10) oder der Exorzismus an einer jungen Sklavin (Apg 16,16-19, so z.B. Schreiber 1996, 287, zurückhaltend Twelftree 2013, 319: »could be reliable«), sondern sogar aller Wundererzählungen in Apg (so Keener 2012, Bd. 1, 166-220; 320381) hinsichtlich ihrer historischen Zuverlässigkeit neu gewürdigt werden? Ferner hat besonders die fortdauernde Jesus-Paulus-Debatte für die Gattungsdifferenzen zwischen Briefen und Erzählung sensibilisiert. So wurde das Defizit an erzählender Jesustradition bei Paulus nicht durch Desinteresse, sondern durch die Rahmengattung begründet (vgl. Zimmermann/Zimmermann 1996; Jacobi 2015), ähnlich wie z.B. die Johannesbriefe keinen Erzählstoff präsentieren, obwohl man allgemein von einem einzigen Autor von Evangelium und Briefen ausgeht. Entsprechend könnte dieser Befund auch auf Paulus selbst angewandt werden. S. Alkier hat hingegen noch grundlegender bereits die Fragestellung auf semantischer und erkenntnistheoretischer Ebene problematisiert. Die Suche nach einzelnen Wundertaten anhand von Begriffen und Formen in den Paulusbriefen sei verfehlt, weil das Wunderphänomen grundlegender und umfassender diskutiert werden müsse, als es in Teilen der Forschung der Fall war. Die Ausweitung seiner Fragestellung ermöglichte dann auch eine neue Wahrnehmung der paulinischen Briefe im Horizont eines entsprechenden antiken wie gegenwärtigen Weltwissens, eines – wie er selbst es nennt – semiotisch beschreibbaren »Diskursuniversums« (Alkier 2001; ders. 2013). Nach C. A. Evans kann das Bild der Apostelgeschichte, das Paulus als Heiler und Exorzist zeichnet, uns helfen »(to) understand better what Paul means when, for example, he reminds his readers that he performed ›the signs of the apostle‹ while with them« (Evans 2006, 379). Für B. J. Lietaert Peerbolte besteht zumindest noch eine Strukturanalogie zwischen den Paulusbriefen und der späteren narrativen Paulusdarstellung dahingehend, dass die Wundertätigkeit hier wie dort nie als Ausdruck der Kraft und Macht des Apostels, sondern immer der von Jesus Christus betrachtet wird (»through the power of Jesus Christ«, Peerbolte 2006, 199). Es soll hier die Frage nicht selbst bearbeitet werden. Der Blick auf Paulus schärft jedoch noch einmal den Blick für die Fragestellung und Herangehensweise an das Wunderphänomen in diesem Buch. Im Kompendium steht die Narration 13

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über Wunder klar im Vordergrund. Es geht nicht um Wunderphänomene, Wunderereignisse oder Wunderwirklichkeit, sondern um die Wundererzählung. Entsprechend findet sich auch keine Kommentierung der Briefstellen, die sich thematisch mit Wunder im weitesten Sinn befassen. Die Debatte um Paulus als Wundertäter hat gezeigt, wie schwierig bis unmöglich es ist, aus der narrativ-literarischen Darbietung von Wundern, aus den Wundererzählungen also, Ableitungen bezüglich ihrer historischen Plausibilität zu machen. Und das, obwohl für Paulus die Quellenlage gemessen an geschichtswissenschaftlichen Standards hinsichtlich zeitlicher Nähe und Vielfalt des Materials eigentlich exzellent ist. Die historische Frage, ob nun Paulus oder schon gar ein anderer Apostel die Wunder tatsächlich vollbracht haben, oder welche Wundertaten eine höhere oder geringere historische Plausibilität haben könnten, spielt im vorliegenden Kompendium eine ganz untergeordnete bzw. gar keine Rolle. Damit wird die Frage nach der Wirklichkeit der Wunder nicht verabschiedet, wohl aber die methodisch kontrollierbare Prüfbarkeit der narrativ behaupteten Referentialität. Diese wird gleichwohl in narratologischer Hinsicht sehr ernst genommen. Die Wundererzählungen präsentieren sich grundsätzlich als Wirklichkeitserzählungen mit historischem Referenzanspruch (dazu Zimmermann 2013a, 36-40), nicht als Märchen oder Mythen (dazu vgl. Gattungsdefinition). Inwiefern dieser Anspruch der faktualen Erzählweise als Gattungsmerkmal (dazu Zimmermann 2014b, 322-324) auch bei den späteren Apostelakten noch aufrechterhalten wird, muss je im Einzelfall geprüft werden.

2. Die Wundererzählungen im Horizont der Apostelakten 2.1 Die Apostelakten – Expeditionen in weitgehend unbekanntes Terrain

Die Apostelgeschichten erfreuen sich seit einigen Jahren neuer Beliebtheit, dies gilt für die kanonische Apostelgeschichte des Lukas (vgl. Frey/Rothschild/Schröter 2009; Moessner 2016), aber fast noch mehr für die sogenannten »apokryphen«, d.h. nicht-kanonischen, Apostelakten (vgl. Bovon/Brock/Matthews 1999; Pervo 2015b). Besonders im ersten Drittel des 20. Jh. waren die nicht-kanonischen Apostelakten schon einmal im Blickpunkt der Aufmerksamkeit. Im Kontext der religions- und formgeschichtlichen Schule war der Vergleich dieser Texte mit Umfeldtexten (z.B. dem hellenistischen Roman) beliebt, sei es im Blick auf die Makrogattung (Dobschütz 1902; Schmidt 1905; Reitzenstein 1906), sei es im Blick auf einzelne Motive (Söder 1932 = 1969; Blumenthal 1933; vgl. den Überblick über die ältere Forschung bei Del Cerro 1993). Das Interesse flaute allerdings zwischenzeitlich ab, und zwar aus mehreren Gründen: Die theologische Forschung des 20. Jh. war stark von einem historischen Ursprungs- bzw. Authentizitätsdogma bestimmt, nach dem die späteren Apostelakten wenig Aussichten auf verlässliche Erkenntnisse boten. Als historische Quellen für den erzählten Inhalt schieden sie schon aufgrund des großen Abstands zwischen ih14

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rer Entstehung (frühestens Mitte 2. Jh.) und der erzählten Zeit (ca. 100 Jahre früher) aus. Andererseits hatte die Forschung bis ca. Mitte des Jahrhunderts viel Fleiß in die Beantwortung der Frage verwandt, in welcher Nähe und Distanz auch die Apostelakten zur Gnosis (als der großen Herausforderung der Alten Kirche und deren ›Rechtgläubigkeit‹) standen (vgl. Lipsius 1887; Bornkamm 1933; zur Diskussion Schneemelcher/Schäferdiek 1997, 79-81). Eine veränderte Sicht auf die Gnosis (nicht zuletzt durch die Funde von Nag Hammadi, 1945) hat entsprechend diese Frage in den Hintergrund treten lassen oder zumindest deutlich variiert (vgl. Lalleman zu ActJoh). Schließlich haben sicher auch die Wertungsprädikate der früheren Forschung zu einer späteren Missachtung der Texte beigetragen, die sowohl theologisch als auch literarisch als minderwertig eingestuft wurden (vgl. dazu Klauck 2005, 261-269). Inzwischen haben einerseits einige spektakuläre Textfunde mit bislang unbekanntem Material bzw. ihre Editionen die Diskussion neu entfacht: so etwa Papyrus Bodmer 41 zur Ephesus-Episode der ActPl (bekannt seit 1956, ed. Kasser/Luisier 2004), die Handschrift Xenophontos 32 zu den Philippusakten (von Bovon in einem Athoskloster im Jahr 1974 entdeckt, dazu Bovon/Bouvier/Amsler 1999; Snyder 2014, Kap. 4) oder die Neuedition von Codex Vaticanus Graecus 808 zu den ActAndr (vgl. Roig Lanzillotta 2007; ders. 2011). Andererseits wurde auch der Eigenwert der nicht-kanonischen Apostelgeschichten neu gewürdigt, und zwar auf unterschiedlichen Ebenen: −

in religionsgeschichtlicher Verortung im Kontext antiker Religion und Kultur (z.B. MacDonald 1990a; ders. 1994a; Bremmer 1996-2001c);



in form- bzw. gattungsgeschichtlicher Hinsicht im Lichte neuerer Gattungstheorien (vgl. Pervo 1987; ders. 2015b; Cooper 1996; vgl. dazu den Themenartikel von Dormeyer in diesem Band);



in sozialgeschichtlicher Hinsicht, z.B. im Blick auf die darin möglicherweise gespiegelten sozialen Rollen z.B. von Frauen (Davies 1980; Burrus 1987; Del Cerro Calderón 2003; Hylen 2015);



in historiographischer Hinsicht vor dem Hintergrund eines differenzierteren Bildes antiker Historiographie (Plümacher 2004d; Schröter 2007; Frey/Rothschild/Schröter 2009; Moessner 2016);



in theologie- und missionsgeschichtlicher Hinsicht, z.B. zum Glaubensbegriff (Nicklas/Niederhofer 2017); als Spiegel für die Öffnung des Christentums für Gebildete mit paganem Hintergrund; oder als Quellen für die Entwicklung frühchristlicher Erinnerungslandschaften (Nicklas 2016);



in liturgiegeschichtlicher Hinsicht im Blick auf Taufe, Abendmahl, Ölsalbung etc. (z.B. ActThom für das syrische Initiationsritual; Messner 2009; Buchinger 2015);



in narratologischer Hinsicht als einer spezifischen Erzählgattung bzw. unter Benutzung spezifischer Motive und Symbole (wie z.B. Tiere, dazu Spittler 2008) oder im Kontext kognitiver Identitätstheorien (Czachesz 2007b; Snyder 2014).

Gleichwohl zeigt das neu erwachte Interesse an diesen Texten, dass die Forschung in vielerlei Hinsicht noch ganz am Anfang steht, ohne bereits konsensfähige Ergebnis15

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se vorweisen zu können. Dies gilt sogar bis hinein in die Grundfrage, welche Texte man überhaupt zu den Apostelakten rechnen soll.

2.2 Die Auswahl der Apostelakten in diesem Kompendium

Ausgangspunkt ist zunächst der zweite Teil des lukanischen Doppelwerks, die sogenannte Apostelgeschichte des Lukas (Apg), die im Kanon des Neuen Testaments die später hinzugefügte Überschrift Πράξεις Ἀποστόλων (Praxeis Apostolōn, lateinisch: Acta Apostolorum) trägt, die man im Wortsinn mit »Taten der Apostel« wiedergeben kann. Diese Klassifikation ist nicht unberechtigt. Denn obgleich inhaltlich auch Predigten bzw. Reden oder Gerichtsprozesse zum konstitutiven Bestandteil der erzählten Geschichten gehören, wird doch den Handlungen eine größere Aufmerksamkeit gewidmet. Neben der Reisetätigkeit und sakramentalen Handlungen (insb. Taufen) ragen hierbei Wunderhandlungen heraus (vgl. Del Cerro 1993, 215-221). Inhaltlich geht es in Apg konkret um die Aktivitäten der zentralen Handlungsfiguren Petrus und Paulus, die der Ausbreitung des Evangeliums in Wort und Tat in fremde Städte, Länder und sogar Kontinente dienen (z.B. die Missionsreisen des Paulus). Von kurzen Begegnungen abgesehen, werden in paralleler Anordnung die Handlungen von Petrus und Paulus nacheinander erzählt (dazu Kollmann, Hinführung Apg in diesem Band). Dieses Setting ist auch in den späteren Akten immer wieder anzutreffen, wobei meist nur noch ein Apostel bzw. eine Apostelin als Hauptcharakter im Zentrum der Handlung steht, was sich auch im Titel niederschlägt (z.B. Petrusakten, Thomasakten), teilweise reisen und wirken auch mal zwei Figuren einzeln (z.B. Thekla und Paulus in ActPlThecl) oder gemeinsam (z.B. Andreas und Petrus in ActAndrPetr; oder Andreas und Matthias in ActAndrMatt). Hinzu kommt in den späteren Apostelakten regelmäßig der Bericht über den gewaltsamen Tod des Apostels, also das Martyrium (was die Gattung der Acta eng mit Märtyrergeschichten verbindet, vgl. Moss 2013; Seeliger/Wischmeyer 2015). Das gewaltsame Ende des Protagonisten/der Protagonistin grenzt die Acta vom antiken Roman ab und bringt sie in größere Nähe zur Evangeliengattung. Dass der Apostel nicht nur in seinem Wunderhandeln, sondern auch in seinem Leiden und Sterben seinen Herrn Jesus Christus imitiert, wird etwa in den Acta Pauli besonders deutlich (vgl. Brock 1994; Pervo 2014, 64-66), was MacDonald dazu veranlasst hat, sogar das Diktum Kählers über das Markusevangelium (Passionsbericht mit ausführlicher Einleitung) auf die Apostelakten zu übertragen (vgl. MacDonald 1990b, 55: »A Pauline passion narrative with a long introduction«). Ein weiteres wesentliches Abgrenzungskriterium zum antiken Roman liegt in der asketisch-enkratitischen Tendenz der nicht-kanonischen Acta, in denen sexuelle Enthaltsamkeit (sogar in der Ehe) aufs engste mit der Christusnachfolge verbunden wird (vgl. Zimmermann 2001b, 530-561; Burrus 2004; Tissot 2015). 16

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Mit diesen rudimentären Grundstrukturen enden auch schon bald die Gemeinsamkeiten der unter dem Label »Apostelakten« gewöhnlich vereinten Texte. Die einzelnen Akten sind literarisch und theologisch so unterschiedlich (mit Schneemelcher/Schäferdiek 1997, 74), dass man ernstlich fragen muss, ob sie zu einer gemeinsamen Literaturgattung bzw. -tradition zu rechnen sind (s.u.). Entsprechend vielfältig sind auch die Akten, die in diesem Kompendium vereint sind. Der Band wird eröffnet durch die kanonische Apostelgeschichte des Lukas (s.o.). Von den sogenannten »apokryphen Apostelgeschichten« werden die fünf sogenannten großen oder »alten Apostelakten« des 2./3. Jh. (Klauck 2005, 10; Pervo 2015b, 68: »major apocryphal acts«) aufgenommen. Nach dem Zeugnis des byzantinischen Patriarchen Photius (9. Jh.) wurden diese in der mittelalterlichen Überlieferung zu einem Buch mit dem Titel »Wanderungen der Apostel« zusammengefasst und unter dem Namen des Leukius Charinus herausgegeben. Ich habe ein Buch gelesen mit den sogenannten ›Wanderungen der Apostel‹. Darunter befinden sich die Akten des Petrus, des Johannes, des Andreas, des Thomas, des Paulus (Phot. bibl. 114).

Das Zeugnis des Photius ist kein Einzelfall. Bovon listet eine ganze Menge von Verweisbelegen der ›alten Acta‹ in unterschiedlichen Gattungen (Hagiographie, Liturgie, Geschichtsschreibung, Homiletik) der byzantinischen Zeit auf (vgl. Bovon 1999a). Auch das Auftreten von Apostelgestalten in jüngeren Akten (so z.B. ActPhil 3: Petrus, Johannes, Andreas, Thomas und Matthäus) oder intertextuelle Berührungen (so z.B. ActPhil 5-6 auf ActPetr 21.29) können als Hinweis auf die Kenntnis der älteren Apostelakten gewertet werden. Nach Klauck kann man auch aus den Angaben eines Psalms aus dem manichäischen Psalmenbuch (4. Jh. n. Chr.) auf die Kenntnis dieser fünf Akten schließen, so dass sie zu diesem Zeitpunkt schon bekannt gewesen sein mussten (Klauck 2005, 11). Vor allem gelten die fünf großen bzw. alten Akten auch innerhalb der neueren Forschung nach wie vor als eine abgrenzbare Größe (vgl. Schneemelcher/Schäferdiek 1997; Bremmer 2001c; Pervo 2015b, 67-87; sowie die ganze Reihe »Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles«, 1996-2001). Von den zahlreichen sogenannten jüngeren Akten werden exemplarisch die Philippusakten (4. Jh.) sowie die Barnabasakten (Ende 5. Jh.) integriert, da sie eine vergleichsweise gute Textüberlieferung aufweisen und auch inhaltlich einiges Interessante zur Wunderthematik beitragen können. Hinzu kommen zwei Texte, die traditionell nicht im strengen Sinn zu den Apostelgeschichten, sondern eher den Heiligenlegenden gerechnet werden (dazu allgemein von der Nahmer 1994; Pratsch 2005; vgl. zur Gattung auch Becht-Jördens 2008). Dies ist zum einen das Buch »Wunder der Heiligen Thecla« (MirThecl), das zwischen 468475 n. Chr. im Umfeld eines Lokalheiligtums entstanden sein dürfte und von Wundern berichtet, die posthum, also nach dem Tod der Thekla, stattgefunden haben (dazu Kollmann, Hinführung zu MirThecl in diesem Band). Dies ist zum anderen die 17

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sogenannte Abgar-Legende, die nur sekundär über den Kirchenhistoriker Eusebius (Eus. h.e. 1,13,6-18, terminus ante quem 325 n. Chr.) überliefert ist und einen Briefwechsel zwischen dem edessinischen Herrscher Abgar und Jesus einschließt, der die kurze Erzählung über Wundertaten des Apostels Thaddäus in Edessa begründet. Nicht berücksichtigt wurden hingegen die sogenannten »Pseudo-Klementinen«, obwohl die darin thematisierte Auseinandersetzung zwischen dem Apostel Petrus und dem Magier Simon durchaus viel Material zum Thema Wunder birgt. Die hierbei als literarische Basis postulierte »Petrus-Simon-Novelle«, die vermutlich im 3. Jh. entstanden ist und die Acta Petri voraussetzt (Wehnert 2010, 32f.), ist aber nicht eigenständig überliefert, sondern nur in doppelter Verarbeitung erahnbar: zum einen durch die in Ich-Form stilisierte Geschichte des römischen Adeligen Klemens, die aber ebenfalls nicht erhalten ist (vgl. zum rekonstruierbaren Plot Klauck 2005, 233f.; Pervo 2010, 177-184; ders. 2015b, 82-84); zum anderen durch die beiden erhaltenen sogenannten Rezensionen der Klemenserzählung, der griechischen »Homilien« (H) und der lateinischen »Rekognitionen« (R). Bisher liegen weder eine synoptische Edition hierzu noch ein Rekonstruktionsversuch der Klemenserzählung oder der Petrus-Simon-Novelle vor. Obgleich in den beiden erhaltenen Werken erzählerische Elemente vorkommen, handelt es sich doch jeweils nicht um Texte der Makrogattung Erzählung (wie die Acta), so dass wir aufgrund der Überlieferungslage und Gattung diese Texte nicht im Einzelnen kommentiert haben. Bei aller Vorsicht, die hinsichtlich der Datierungen der Schriften nach wie vor geboten ist, kann man doch so viel sagen, dass im Kompendium Texte aus einem Zeitraum von vier Jahrhunderten (Ende 1. Jh. bis Ende 5. Jh.) dargeboten werden. Graphisch kann man folglich die Textbereiche folgenden vier Blöcken zuordnen: Neues Testament

Alte Apostelakten (Datierung nach Klauck 2005, 10)

Jüngere Apostelakten

Heiligenlegenden

Apostelgeschichte des Lukas (Apg) (ca. 90 n. Chr.)

1. Johannesakten (ActJoh) (ca. 150 n. Chr.)

1. Philippusakten (ActPhil) (4. Jh. n. Chr.)

1. Wunder der Heiligen Thekla (MirThecl) (Ende 5. Jh. n. Chr.)

2. Paulus-Thekla-Akten (ActPlThecl) (ca. 170 n. Chr.)

2. Barnabasakten (ActBarn) (Ende 5. Jh. n. Chr.)

2. Abgar-Legende (AL) (Anfang 4. Jh. n. Chr.)

3. Petrusakten (ActPetr) (ca. 190 n. Chr.) 4. Andreasakten (ActAndr) (ca. 200 n. Chr.) 5. Thomasakten (ActThom) (ca. 220 n. Chr.)

Tab. 1: Texte des Kompendiums nach klassischen Textgruppen

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Die Anordnung im Kompendium folgt allerdings nur lose diesem Schema nach Entstehungszeit bzw. Textgruppen. Wir beginnen mit der kanonischen Apostelgeschichte und schließen mit der Abgar-Legende. Aus inhaltlichen Gründen wird die Erzählung von den Wundern der Heiligen Thekla aber unmittelbar an die PaulusThekla-Akten angefügt. Ferner wurde die übliche Reihenfolge zwischen Andreasund Thomasakten vertauscht, weil mit den ActThom eine recht homogene Schrift vorliegt, während bei ActAndr mehrere Überlieferungsstränge nebeneinander präsentiert werden, von denen einige (z.B. ActAndrPetr) nicht vor dem 4.-5. Jh. zu datieren sind (vgl. Klauck 2005, 147).

2.3 Die Suche nach den Ursprungsakten

Die Inhomogenität der Texte zeigt sich aber sogar innerhalb einzelner Apostelgeschichten. Hierzu nur skizzenhaft einige Beispiele: Intensiv diskutiert wird die Einheitlichkeit der Paulus-Thekla-Akten (vgl. Merz, Hinführung ActPlThecl in diesem Band), und zwar sowohl aufgrund der speziellen Überlieferungssituation als auch im Blick auf eine gewisse literarische Eigenständigkeit der einzelnen Teile. Der 3. Korintherbrief fällt schon gattungsmäßig aus dem Rahmen der Erzählung und wird auch durch einen frühen Papyrus (P.Bod. 10, 3. Jh.; ed. Testuz 1959) eigenständig, ohne narrativen Rahmen bezeugt (vgl. dazu Snyder 2013, 148-188; Pervo 2014, 253255). In ähnlicher Weise zeigen der Thekla-Abschnitt (ActThecl) und das Martyrium (MartPl) eine je eigene Überlieferungsgeschichte ohne die restlichen Teile der Acta Pauli. Im griechischen Papyrus Hamburg (P.Hamb., ca. 300 n. Chr.; ed. Schmidt 1936) fehlt hingegen die Thekla-Episode, während der koptische Papyrus Bodmer 41 (P.Bod. 41, 4. Jh.; ed. Kasser/Luisier 2004) nur die Ephesus-Phase bezeugt. Einen recht umfassenden Erzählrahmen von der Damaskusbekehrung bis zum Martyrium in Rom setzt hingegen der jüngere Papyrus Heidelberg (P.Heid., 6. Jh.; ed. Schmidt 1905) voraus, allerdings fehlt hier das Ephesus-Material und der Papyrus ist insgesamt stark fragmentarisch. Doch wie ist nun dieser Befund zu beurteilen? Sollte man aufgrund des materialen Quellenbestands von je eigenen Texten z.B. des 3. Korintherbriefs (so Pervo 2010, 99-102; Twelftree 2013, 298) oder der Ephesus-Episode (so Snyder 2013, 66-99) ausgehen? Kann man aufgrund der Überlieferungslage der Thekla-Akten (mit ca. 50 Handschriften, ActPl mit drei fragmentarischen Handschriften) sowie inhaltlicher Erwägungen (z.B. die weitgehende Abwesenheit des Paulus; die Rolle der Frau) auf eine ursprünglich separate Entstehung dieser Texte schließen, die z.B. durch gender-sensible Literarkritik rekonstruiert werden kann (so etwa Esch/ Leinhäupl-Wilke 2005 sowie Esch-Wermeling 2008b; vorsichtiger Ebner/Lau 2005, 1-5)? Wer in dieser Weise weiterdenkt, gibt den Gedanken einer ursprünglichen Urschrift der Paulus-(Thekla-)Akten auf und sieht primär Einzelteile, die erst in späterer Überlieferung z.B. in Erweiterung des Martyriums zu einer übergreifenden Schrift zusammengewachsen sind (so Snyder 2013, 190-216). Die Mehrzahl der 19

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Forscher/innen hält aber hinsichtlich der ActPlThecl mit durchaus überzeugenden Gründen an einer ursprünglichen Schrift Ende des 2. Jh. fest, aus der dann einzelne Teile sekundär ausgegliedert und separat überliefert wurden (vgl. Merz, Hinführung ActPlThecl in diesem Band; ähnlich auch Pervo 2014, 61). Als zweites Beispiel soll kurz die Problematik der Andreasakten angesprochen werden. Obgleich auch hier eine alte Apostelgeschichte angenommen wird (Pervo 2015b, 68f.), zeichnet die Überlieferungssituation doch ein sehr unübersichtliches Bild: Einen Grundbestand des Textes verdanken wir einem Exzerpt in lateinischer Sprache, der sogenannten »Epitome« des Gregor von Tours aus dem 6. Jh., eine Technik, die in dieser Zeit durchaus üblich war (so gibt es z.B. auch einen Auszug der Thomasakten von Nicetas von Thessaloniki, vgl. BHG 1832; dazu Bovon 1999a, 89). Dann gibt es zahlreiche unterschiedliche griech. Fassungen des Martyriums, die so disparat sind, dass Lipsius und Bonnet die vielleicht weise Entscheidung getroffen haben, sie nicht zu kompilieren, sondern stattdessen in ihrer Textedition drei verschiedene Fassungen nebeneinander zu drucken (vgl. Lipsius/Bonnet 1959, 2/1, »Passio Andreae« [1-37], Martyrium Andreae prius [46-57]; Martyrium Andreae alterum [58-64]). Eine offenbar in sich geschlossene Episode erzählt weiter von den Taten des Andreas, nun gemeinsam mit Matthias im Land der Kannibalen. Allein zu dieser Episode gibt es wiederum fünf abweichende (jeweils lat.) Fassungen (zum Vergleich Roig Lanzillotta 2006). Unter weiteren griechischen und koptischen Handschriften mit unterschiedlichen Inhalten ragt der Codex Vaticanus Graecus 808 (Vat. gr. 808) heraus. Es erfordert schon beträchtlichen Mut, aus dieser disparaten Quellenlage eine einheitliche Geschichte unter Einbeziehung möglichst aller Fragmente zu (re)konstruieren, wie es D. MacDonald in seiner Ausgabe getan hat, in der er z.B. die Episode in der Stadt der Kannibalen als genuinen Textteil integriert (vgl. MacDonald 1990a; anders Prieur 1989; Hilhorst/Lalleman 2000; Näheres dazu Czachesz, Hinführung zu ActAndr in diesem Band). Den umgekehrten, nämlich minimalistischen, Weg geht hingegen Roig Lanzillotta, indem er sich einzig auf den Codex Vaticanus Graecus 808 konzentriert und in ihm die alten Andreasakten am klarsten bewahrt sieht (vgl. Roig Lanzillotta 2007; ders. 2011). Zuletzt sei noch auf die Philippusakten (ActPhil) verwiesen. Lagen lange Zeit nur Fragmente dieser Akten vor, wie z.B. der Codex Vaticanus Graecus 824, so fand François Bovon im Jahr 1974 in der Klosterbibliothek von Xenophontos auf der griechischen Halbinsel Athos mit dem sogenannten »Codex Xenophontos 32« längere Fassungen schon bekannter und zusätzlich bisher unbekannter Teile dieser Akten (Bovon 1999b; ders. 2012). Die Xenophontos-Fassung besteht aus 15 Akten und einem Martyrium (= 16 Akten). Die Vaticanus-Fassung besteht aus 9 Akten und einem Martyrium (= 10 Akten). Akte 2 war offensichtlich manchmal allein im Umlauf. Für Bovon und ihm folgende Forscher war man damit auf eine frühere und vollständigere Fassung der ActPhil gestoßen, während andere Forscher darin lediglich eine andere »Überarbeitung« bzw. »Variante« der ActPhil gesehen haben (so Snyder 2014), die nicht eo ipso als »ursprünglicher« gesehen werden müsse. Allein 20

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die Beobachtung, dass diese Sammlungen aus mehreren vorher unabhängigen Teilen bestehen, lässt Zweifel aufkommen, ob man an dem Gedanken einer ursprünglichen Apostelgeschichte des Philippus, den frühen ActPhil oder überhaupt an der Vorstellung eines »Buches« festhalten sollte. Es versteht sich von selbst, dass wir im Fokus dieses Bandes derart gravierende überlieferungsgeschichtliche Probleme nicht lösen können und wollen. Es scheint mir jedoch ein methodisch-hermeneutisches Grundproblem darin zu bestehen, dass man oft a priori von der Annahme einer Ursprungsfassung bzw. einer Urerzählung ausgeht, von der alle anderen Versionen abhängig sind – ein Postulat, das nicht nur hinsichtlich der Literarkritik der Synoptiker (z.B. bei der Rekonstruktion von Q), sondern auch hinsichtlich der Textkritik von Handschriften brüchig geworden ist. Im Sinne methodischer Vorsicht scheint es uns deshalb vernünftiger, etwa im Fall der Andreasakten, die verschiedenen Quellen nur im losen Verbund nebeneinander stehen zu lassen. Da es im vorliegenden Kompendium letztlich um die Interpretation einzelner Wunderepisoden geht, muss der Ort innerhalb einer Makro- oder gar Gesamterzählung dafür nicht abschließend bestimmt werden.

3. Wundererzählungen in den Apostelakten 3.1 Vom ›Wundermotiv‹ zur Gattung ›Wundererzählung‹

Auch wenn man die »Taten der Apostel« nicht pauschal als »Wundertaten« auffassen kann (s.o.), so ist es kaum übertrieben festzustellen, dass auf den Reisen der Apostel ständig Ereignisse geschehen, die man klassischerweise im exegetischen Diskurs den Wundern zurechnete. So werden fortwährend Menschen geheilt, vom Tode erweckt oder böse Geister ausgetrieben, und es passiert vieles mehr, was die Menschen staunen lässt und bekannte Realitätssysteme durchbricht. Auch in den zahlreichen Handlungssummarien (Apg 2,22; 2,43; 4,30; 5,12.15f. etc.) und metareflexiven Kurzformeln wie »Zeichen und Wunder« (σημεῖα καὶ τέρατα sēmeia kai terata, vgl. Apg 4,30; 14,3; 15,12 etc.; ActPetr 26, vgl. dazu Zimmermann 2013a, 18-22) oder »Unmögliches und Unglaubliches« (ἀδύνατα καὶ ἄπιστα adynata kai apista, ActJoh 31) wird das Wunderelement eigens hervorgehoben. Die Wunderthematik ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil dieser Texte, auch wenn man im Blick auf die Makrogattung die Differenz zu den sogenannten »Paradoxographien« (einer listenartigen Sammlung wunderbarer Ereignisse, vgl. dazu Ziegler 1949; Giannini 1965; Brodersen 2002; ders. 2014) festhalten kann. Die Annäherungen an die Wunderthematik in den Apostelakten sind vielfältig. Nur im Blick auf die kanonische Apostelgeschichte wurde und wird die Frage nach der Referenzialität auf historische Ereignisse ernsthaft diskutiert (vgl. z.B. Keener 2012, Bd. 1, 320-382). Während bis in die neueste Auslegung der lukanischen Apostelgeschichte die Wunderthematik historisch abqualifiziert oder gar ignoriert 21

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wird (so z.B. Koch 2014 mit keiner einzigen Erwähnung), weist Keener mit Recht auf die hermeneutischen Vorurteile dieser Position hin (Keener 2012, Bd. 1, 382: »The a priori modernist assumption that genuine miracles are impossible is a historically and culturally conditioned premise […]«). Die Wundererzählungen müssen und dürfen nicht von vornherein in das Reich der Legenden verwiesen werden. Dies gilt besonders auch im Blick auf die antike Historiographie. Es war innerhalb der neueren Forschung besonders das Verdienst von Plümacher, auf die Bedeutung von Wundern (konkret: τερατεία terateia) innerhalb der antiken Geschichtsschreibung hingewiesen zu haben (vgl. Plümacher 2004d, 45f.59-66). Verfechter der pragmatischen Geschichtsschreibung, vornehmlich Polybius (z.B. Polyb. Hist. 3 und 16) sowie Plutarch (z.B. Cor. 37f.), polemisierten gegen das Erzählen von »krassen« Wundertaten bei Geschichtsschreibern, jedoch nicht generell gegen das Erzählen von Wundertaten. Aber selbst mit ihrer Kritik bestätigen sie, dass das Erzählen von Wundertaten Bestandteil eines Großteils der antiken Geschichtswerke war. Im Blick auf die Wundererzählungen der Acta heißt das, dass z.B. Lukas sich durch das Erzählen von mehr oder weniger krassen Wundertaten gerade nicht aus dem Kreis der antiken Historiographen hinauskatapultiert, sondern ganz im Gegenteil gerade durch seine Wundererzählung sich als solcher erweist (vgl. dazu Zimmermann 2014c, 480-483; dazu auch unten). Vergleicht man auf diese Weise die Acta hinsichtlich ihrer Wunderthematik mit anderen antiken Texten, so folgt man dem Pfad religionsgeschichtlichen Vergleichens bzw. der alten Formgeschichte. Entsprechend wurde in den Dissertationen aus den 1930er Jahren von R. Söder (1929; vgl. dies. 1969) und M. Blumenthal (1931; vgl. ders. 1933) das »Wundermotiv« als ein zentrales Form-Element der Apostelakten betrachtet. Söder hat dabei zusätzlich zwischen einem »aretalogischen« und einem »teratologischen Element« differenziert (vgl. dazu den Themenartikel von Dormeyer in diesem Band). »Aretalogien nennt man deshalb die Erzählungen von Wundertaten der mit besonderer Kraft begabten Menschen und Götter« (Söder 1969, 51). Insbesondere in den apokryphen Akten dienten nach Söder die Wundertaten der Vergöttlichung der Apostel selbst. […] Hier finden sich überall Massenwunder und ganze Wunderreihen, eben um das Volk anzulocken; das gleiche Wunder wird zwei- oder dreimal wiederholt, wenn die wundersüchtige Menge danach verlangt. Oft brüsten sich die Apostel mit ihrem ›Können‹, sie stehen noch über ihrem Herrn und Meister, sind nicht mehr seine Diener, sondern die Hauptpersonen, wie im gleichzeitigen griechischen Roman (Söder 1969, 51).

Bei dem »teratologischen Element« verselbstständigte sich nun das Wundermotiv und vermengte sich mit dem fiktiv Fabulösen, wie Söder am Motiv der Menschenfresser, Fabelländer, Tiere und Wunderpflanzen erläuterte. »So sind wir denn mitten in eine richtige Wunderwelt hineingeraten. Fabelländer und Fabelwesen, wunderbare Naturerscheinungen, überhaupt mannigfaches teratologisches Gut findet sich überall in den AGG [= apokryphen Apostelgeschichten, R.Z.]« (Söder 1969, 111). 22

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Blumenthal unterschied in seiner Untersuchung kategorisch zwischen Formen und Motiven, wobei »Wunder« sowohl bei den »Formen der Einzelstücke« (Blumenthal 1933, 88-96.102-105) als auch bei den »Einzelmotiven« (a.a.O., 144-152) vorkommen. Bei »Formen der Einzelstücke« sah Blumenthal Formen neutestamentlicher Herkunft wie die Erweckungserzählungen, Heilungswunder, Befreiungen aus Gefängnissen ebenso wie Naturwunder (z.B. Sturmstillung) und »übernatürliche Erscheinungen« (a.a.O., 88-96). Bei »außerneutestamentlichen Formen« sei eine enge Anlehnung an die Wunderdarstellung griechischer (nicht-jüdisch-/ christlicher) Texte bei Aretalogien, Straf- bzw. Doppelwundern sowie den Wunderketten erkennbar (a.a.O., 102-104). Bei der Untersuchung von Einzelmotiven z.B. bei Dämonenaustreibungen, Heilungs- und Naturwundern dominiert die Referenz auf neutestamentliche Texte (z.B. Blumenthal 1933, 146: »Schluß auf nt Herkunft zwingend« (sowie a.a.O., 153), einzig die Tierwunder weisen hier in einen anderen kulturellen und literarischen Bereich (z.B. Volkssage, Märchen). Die alten Untersuchungen sind zwar im Blick auf die Makrogattung formgeschichtlich ausgerichtet. Dabei war besonders die Frage der Nähe oder Distanz zum antiken Roman leitend. Auf der Ebene der Untersuchung von Einzelelementen wurde jedoch die Wunderthematik vor allem als inhaltlich bestimmtes »Motiv« betrachtet, das seinerseits nicht als gattungskonstitutiv für eine Mikrogattung (z.B. wie bei einer Rede oder einem Hymnus) betrachtet wurde. Wir haben im Kompendium demgegenüber eine literaturwissenschaftlich orientierte Herangehensweise an die Wundererzählung als literarischer Gattung sui generis bevorzugt, die im Folgenden nochmal in Erinnerung zu rufen und zu vertiefen ist.

3.2 Ein gattungsorientierter Zugang: Kriterien der Wundererzählungen

Im Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen wird ein gattungsorientierter Zugang zum Wunderphänomen vertreten. Das heißt, es geht primär weder um das wunderhafte Ereignis der Vergangenheit, noch um die Frage nach intertextuellen literarischen Bezügen von Wundermotiven. Textliche Elemente lassen sich vielmehr zu einem Merkmalsbündel zusammenfassen, das einen Textabschnitt als »Wundererzählung« erkennbar werden lässt. Damit ist nicht ein Modell der alten Formgeschichte präjudiziert, dass solchen Textabschnitten auch Perikopen entsprechen, die auf literarkritisch ablösbare Traditionsstücke zurückzuführen sind, die möglicherweise in vorausliegenden Quellen (wie der Semeia-Quelle bei Joh) oder in mündlichen Überlieferungsverfahren isoliert tradiert wurden. Die neuere dynamische Gattungstheorie muss die Identifizierung von Mikro-Gattungen nicht mit der Vorstellung von frei umlaufenden Einzeltexten verknüpfen. So hat die jüngere Forschung zu Hymnen gezeigt, dass man sehr wohl hymnische Abschnitte z.B. als gehobenen Stil bzw. epideiktische Passagen (Brucker 1997; ders. 2013) bzw. rhythmisierte Prosa (Gordley 2007) innerhalb eines Makrotextes identifizieren kann, ohne die Vorstellung von Bekenntnisformeln z.B. 23

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aus der Taufliturgie teilen zu müssen. Hymnen können einerseits aufgrund von gattungsspezifischen Textmerkmalen identifiziert werden (vgl. Leonhard/Löhr 2014), andererseits aber genuiner Bestandteil eines Makrotextes bleiben. Die lukanischen Hymnen der Kindheitserzählungen wie das Magnifikat (Lk 1,46-55) oder das Benedictus (Lk 1,68-79) sind als Lieder beschreibbar, können aber sehr wohl integraler Bestandteil des Evangeliums sein und vom Autor selbst stammen. Entsprechend können wir Abschnitte als »Wundererzählung« beschreiben, ohne damit ein bestimmtes Modell der Texttradierung bzw. Patchwork-Traditionsliteratur annehmen zu müssen. Während für das lukanische Doppelwerk und besonders auch für die Apg zutreffen mag, dass hier unterschiedliche Quellen verarbeitet sind (wie der Prolog ja selbst hervorhebt, vgl. Lk 1,1-4), kann man bei manchen der späteren Acta annehmen, dass hier in den jeweils vorliegenden Fassungen eine schriftstellerische Leistung aus einem Guss vorliegt. In Band 1 des Kompendiums der frühchristlichen Wundererzählungen wurden sowohl grundlegende Überlegungen zur Möglichkeit der Gattungsdefinition im Licht neuerer Gattungstheorien als auch zwei Definitionen der (Mikro-)Gattung »Wundererzählung« gegeben (Zimmermann 2013a, 29-32.36-40). An anderer Stelle wurden diese ausführlich reflektiert und weiter expliziert (Zimmermann 2014b und ders. 2014c). Diese Vorarbeit muss hier vorausgesetzt und kann nicht wiederholt werden. Um dem hier vorliegenden Band dennoch eine gewisse Eigenständigkeit zu geben, sollen die Definitionen gleichwohl noch einmal abgedruckt und vor dem Hintergrund der hier besprochenen Textgrundlage der Wundergeschichten der Apostelakten an einigen Punkten vertieft werden.

3.2.1 Die Kriterien der Gattung Wundererzählung – revisited

Die erste Definition versteht sich als eine konstruktiv-analytische Nominaldefinition im Sinne neuerer dynamischer Gattungstheorien (vgl. Fricke 2010; Zymner 2010). Gattungen sind hierbei Konstruktionen der Meta-Kommunikation, was sowohl für die wissenschaftliche Deskription als auch für die kommunikative Praxis mit Texten gilt. Sie existieren nicht an und für sich, können aber im Vollziehen und Beschreiben von Kommunikationsakten äußerst hilfreich sein. Wenn hierbei von Kriterien die Rede ist, dann sind diese nicht als fixe Parameter zu verstehen, sondern vielmehr als Merkmale, die eine Gruppe von Texten aufweist und damit Kommunikationsteilnehmern (bzw. den Autoren oder Rezipienten dieser Texte) ermöglicht, den Einzeltext einem Texttyp zuzuordnen. Gattungen zeichnen sich durch Merkmalsbündel von Texten aus. Da Einzeltexte stets an Kriterien unterschiedlicher Texttypen partizipieren (also immer in gewisser Weise einer Mischgattung angehören), werden in der Regel nie alle Kriterien von einem Text erfüllt. Es hat sich deshalb als sinnvoll erwiesen, im Sinne der Wittgensteinschen Idee der Familienähnlichkeit zwischen »notwendigen« (und) und »fakultativen« (und/oder) Kriterien zu unterscheiden. 24

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Die folgende Definition bezieht sich auf frühchristliche Texte, hat somit ein relativ enges Textcorpus als Ausgangspunkt (kursive Teile), ist aber anschlussfähig für weitere Gattungsdefinitionen in ähnlichen Feldern (z.B. Wundererzählungen in der Antike allgemein oder gar in der Literaturgeschichte; vgl. dazu Zimmermann 2013a, 30-32): »Wundererzählung« – Definition 1: Eine frühchristliche Wundergeschichte ist eine faktuale mehrgliedrige Erzählung (1) von der Handlung eines Wundertätigen (Jesus, Apostel, Christusgläubiger) an Menschen, Sachen oder Natur (2), die eine sinnlich wahrnehmbare, aber zunächst unerklärbare Veränderung auslöst (3), textimmanent (4a) und/oder kontextuell (4b) auf das Einwirken göttlicher Kraft zurückgeführt wird und die Absicht verfolgt, den Rezipienten/die Rezipientin in Staunen und Irritation zu versetzen (5a), um ihn/sie damit zu einer Erkenntnis über Gottes Wirklichkeit zu führen (5b) (allgemein: Erkenntnis zu führen) und/oder zum Glauben bzw. zu einer Verhaltensänderung zu bewegen (5c) (allgemein: an eine nachfolgende Handlung zu appellieren).

Die Definition versucht bewusst, die beiden in der Erzähltheorie differenzierten Aspekte des »Wie« (Form/Darstellungsweise) als auch des »Was« (Handlung/ Gegenstand) der Erzählung aufzunehmen. Das erste Kriterium bezieht sich primär auf die Form, während die Bereiche 2-4 inhaltlich bestimmt sind und 1 bzw. 5 die Darstellungsweise bzw. den Erzählakt betreffen. Die Definition verbindet zugleich harte, gattungskonstitutive Kriterien mit weichen, möglichen Kriterien bzw. lässt offen, ob z.B. die Erklärung des Unerklärlichen durch das Einwirken göttlicher Kraft bereits textimmanent oder lediglich kontextuell, d.h. durch die Einbettung in die Makroerzählung, vollzogen wird. Mit anderen Worten, es sind fünf Elemente miteinander verknüpft (vgl. dazu Zimmermann 2014b, 322-343 mit Erläuterungen): 1. Narration: Eine Wundergeschichte ist eine mehrgliedrige Erzählung, die in faktualer Erzählweise präsentiert wird. 2. Handlungsfigur und Handlung: Ein Wundertäter vollzieht eine konkrete Handlung an Menschen, Sachen, Natur. 3. Handlungsfolgen: Die Handlung löst eine sinnlich wahrnehmbare Statusveränderung aus, die aber unerklärbar ist und die übliche Ordnung bzw. Norm durchbricht. 4. Urheber – Deutung: Das Einwirken Gottes bzw. göttlicher Kraft wird direkt oder indirekt als Grund der Veränderung benannt; die Unerklärbarkeit wird damit mit einem spezifischen Deutungsangebot verbunden. 5. Wirkungsästhetik: Die Erzählung hat eine spezifische Wirkung auf den Rezipienten bzw. die Rezipientin, sie wirkt irritierend, kognitiv erschließend, pistisch motivierend und ethisch appellativ.

Im Blick auf die Wundererzählungen innerhalb der Apostelakten besteht hinsichtlich Narration (1) ein wesentlicher Unterschied zwischen Wundererzählungen der kanonischen Wunder Jesu bzw. der Apostel und der späteren Wundertradition 25

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in der Verschränkung der Einzelerzählung mit dem Kontext der Makroschrift. Während sich Wundererzählungen in kanonischen Texten (vermutlich aufgrund der Genese und Überlieferung dieser Texte als Traditionsliteratur) oft als in sich relativ geschlossene Miniaturerzählungen leicht gegenüber dem Kontext der Makro-Gattung abgrenzen lassen, sind die Wundergeschichten in den späteren Akten (vermutlich eher Autorenliteratur) so eng mit den Gesamterzählungen verwoben, dass oft eine Perikopen bezogene Betrachtung schwer bis unmöglich wird. Dies führt auch in der Darstellung der Übersetzungstexte im Kompendium dazu, dass der längere MakroKontext durch Paraphrasen eingeholt werden muss. Man erkennt hier zugleich eine Gattungsdifferenz zu den byzantinischen Sammlungen von Wundergeschichten (z.B. die Wunder des Artemios, vgl. dazu Nesbitt 1997), bei denen die Makro-Story zugunsten einzelner Episoden ganz in den Hintergrund tritt. Gleichwohl können auch in den Apostelakten einzelne Abschnitte als MikroWundererzählung identifiziert werden, die auch eine Mehrgliedrigkeit unterschiedlicher Elemente aufweisen. Die sechs Grundelemente lassen sich recht konstant wiederfinden (vgl. die Tabelle in Zimmermann 2014b, 328, die Ziffern »U 2« etc. beziehen sich auf die dort erläuterte Terminologie): 1. Auftreten des Wundertäters und anderer Figuren (U 2) 2. Charakterisierung der Not (des Mangels, des Problems) (U 3) 3. Begegnung mit dem Wundertäter (U 4) 4. Wunderhandlung (im engeren Sinn) (U 7) 5. Konstatierung einer Veränderung (U 8) 6. Reaktionen der Figuren (U 9)

Darüber hinaus gibt es dann noch eine ganze Reihe von Erzähldetails, die optional und in unterschiedlichen Kombinationen hinzutreten können. Die faktuale Erzählweise (dazu Zimmermann 2014b, 324f.) gilt grundsätzlich auch in den Apostelakten ungeachtet ihrer Nähe zum Roman, der ja fiktional erzählt wird (vgl. dazu den Themenartikel von Dormeyer in diesem Band). Bezüglich der Handlungsfigur und Handlung (2) wurde ausführlich im ersten Abschnitt dieser Hinführung erörtert, dass der Wundertäter prinzipiell der Apostel bzw. die Apostelin ist, die aber ihrerseits auch weitere Menschen für die Tat beauftragen können. Der Apostel ist im figurenanalytischen Sinne der Handlungsträger, gleichwohl wird seine Handlung direkt (z.B. mit Namensnennung) oder indirekt (z.B. mit Kreuzeszeichen, oder im Kontext) auf Jesus oder Gott als den eigentlichen Urheber der Handlung zurückgebunden. Die Übertragung der Heilkraft kann nicht nur durch Menschen, sondern sogar durch Sachen erfolgen. Dieser früher als ›magisch‹ abqualifizierte Zug findet sich bereits im Kanon: Bei Jesus wird die Heilung der blutflüssigen Frau etwa ohne sein direktes intentionales Handeln durch die Berührung seines Gewands ausgelöst (vgl. Mk 5,27-30; dazu Kahl 2013; vgl. summarisch auch Lk 6,19). In Apg 19,11-12 sind es nicht nur die Hände des Apostels, sondern auch die Kleidungsstücke, durch die medial die Wunderkraft Gottes wirken kann: 26

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Und Gott wirkte außergewöhnliche Wundertaten (δυνάμεις τε οὐ τὰς τυχούσας dynameis te ou tas tychousas) durch die Hände des Paulus, so dass auch die Schweißtücher und andere Tücher seiner Haut zu den Kranken getragen wurden, und die Krankheiten wichen von ihnen, und die bösen Geister fuhren aus (Apg 19,11-12).

Diese medial durch Gegenstände vermittelte Wunderkraft der Apostel findet sich auch in den Wundererzählungen der nicht-kanonischen Apostelgeschichten (vgl. ActThom 170; ActTit 11; ActBarn 15). Dass auch die Knochen des Apostels, die Grabstätte oder Kleidungsstücke gewirkt haben, ist die Voraussetzung für den späteren Reliquien- und Wallfahrtskult (vgl. zu Sekundärreliquien Pfister 1912, 532f.; Fascia 2013, 825). Das behutsam formulierte Summarium in Apg 19 hält das Bewusstsein dafür wach, dass nicht die Gegenstände per se wunderwirksam sind, was in der späteren Wirkungsgeschichte teilweise aus dem Blick geraten ist. Einen Sonderfall stellen die Wundererzählungen dar, in denen Tiere selbst zu Handlungssubjekten werden, wie z.B. die Schlange, die nach ActJoh 30-38 eine Totenerweckung vollzieht, wenn auch im Auftrag des Apostels (vgl. dazu den Themenartikel von Neureiter/ Spittler in diesem Band). Besonders das Spektrum der Handlungen »an Menschen, Sachen, Natur« wird in den Apostelakten gegenüber den Evangelien beträchtlich ausgeweitet (vgl. Bovon 2003, 255: »all sorts of miracles and fantastic occurences«; im Unterschied auch zum engen Spektrum der Wunderhandlungen in Märtyrergeschichten, vgl. dazu Moss 2013, 286f.). Was in der Forschung vielfach und unpräzise als »Untergattung« bezeichnet wurde, kann hier auf der Ebene unterschiedlicher Handlungsfelder differenziert werden: So finden sich alle auch aus dem Kanon bekannten Bereiche wie Krankenheilung, Exorzismen und Totenerweckungen, darüber hinaus aber auch noch weitere Handlungsfelder wie Handlungen an und mit Tieren, Strafwunder etc. Um für das Spektrum der Heilungen ein spätes Beispiel zu nennen, sei auf die Schrift »Leben und Wunder der Thecla« verwiesen. Dort lesen wir von der Heilung von Halswirbelverrenkung (MirThecl 7), gebrochenen Beinen (MirThecl 8; 17f.), eines Tumors am Hals (MirThecl 11), von Milzbrand (MirThecl 12), Augenentzündungen oder Blindheit (MirThecl 23-25; 37), Nierenbeschwerden (MirThecl 40), vereiterten Ohren (MirThecl 41) und einer Gesichtsentstellung (MirThecl 42). Die Präzision der Auflistung dieser Krankheitsbilder hängt hier gewiss auch damit zusammen, dass das Thekla-Heiligtum vermutlich auf ein im Zuge der konstantinischen Wende ›christianisiertes‹ Apollon-Sarpedonios-Heiligtum aufbauen konnte (Einzelheiten dazu Kollmann, Hinführung; sowie allgemein Pratsch 2013, 71-73). Während die kanonische Apg hinsichtlich der Exorzismen auffallend zurückhaltend ist (sie fehlen in Summarien; es findet sich kein Exorzismus mit Petrus als Wundertäter; zu Paulus nur Apg 16,16-18; misslungener Exorzismus der Söhne des Skevas in Apg 19,13-17), finden sich Dämonenaustreibungen regelmäßig in späteren Akten, wie z.B. der Exorzismus des Paulus in Tyrus (ActPl 7), des Petrus im Haus des Marcellus (ActPetr 11), des Andreas (ActAndr[Greg] 5; 6; 17; 27; 29) oder des Thomas (ActThom 42-50; 75-77; 170). Im Vergleich zu anderen Wundertaten (z.B. Heilungen) treten die Exorzismen aber deutlich in den Hintergrund. In einigen Acta (wie ActJoh, ActBarn) fehlen Exorzismen an Menschen vollständig. Kommen Totenerweckungen im Kanon doch nur selten vor (bei Jesus die Tochter des Jairus [Mk 5] und Lazarus [Joh 11]; bei den Aposteln Tabita [Apg 9] und Eutychus [Apg 20]), so sind sie in den apokryphen Apostelakten an der Tagesordnung. Innerhalb der insgesamt nur

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acht Wundererzählungen der Johannesakten wird beispielsweise von vier Totenerweckungen an sieben Personen berichtet: ActJoh 19-24 (Lykomedes), ActJoh 46f. (Artemispriester); ActJoh 48-54 (Vater); ActJoh 63-86 (Kallimachos, Drusiana, Fortunatus). Dramaturgisch wie ein großes Finale werden in der Grabkammer der Druisiana gleich drei Tote wieder ins Leben gerufen, wobei der mutwillige Leichenschänder Fortunatus das neue Leben verwirft (ActJoh 83: »Ich wollte, ich wäre nicht auferweckt worden, sondern weiterhin tot, damit ich sie nicht sehen muss.«) und in Folge seines ›unheilbaren‹ Liebeswahns kurz darauf erneut stirbt. Eine ähnlich spektakuläre Dreifacherweckung lesen wir in den Petrusakten auf dem Forum Iulium (ActPetr 25-29). Aber auch in den anderen Akten zeichnet sich ein ähnliches Bild mit vielen Erweckungen (vgl. ActPl 2; 5 [P.Heid. p. 30]; 11; ActPetr nach Ps.-Tit.; ActAndr[Greg] 7; 14; 18; 23; 24; 29-32; ActThom 21f.; 54; ActPhil 1; 6). Auch Sach- und Naturwunder finden sich in den Acta zahlreich. So lesen wir von der Macht über Naturgewalten wie Wind und Wasser: Analog zu Jesu Sturmstillung (vgl. Mk 4,35-41) bewirken Andreas oder Thekla eine Sturmstillung (ActAndr[Greg] 8; MirThecl 15), wie umgekehrt nach der Taufe des Steuermanns Theon durch die Hilfe von Petrus die Windstille überwunden wird und ein kräftiger Wind das Schiff bis ans Ziel bringt (ActPetr 5). Ein bereits in Apg variationsreich verwendetes Erzählmuster ist die Befreiung aus dem Gefängnis, indem Türen sich öffnen und Ketten abfallen (Apg 5,19; 12,6-11; 16,26f.). Derartige Türöffnungswundererzählungen sind besonders in ActThom häufig (vgl. ActThom 119-122; 151-154 und 162, vgl. auch ActAndrMatt 19-21). Daneben wird von der Wiederbeschaffung von Diebesgut erzählt (der durch Simon gestohlene Besitz des Eubola nach ActPetr 17f.; Thecla offenbart den Betroffenen im Schlaf die Identität des Diebes und den Aufbewahrungsort der gestohlenen Gegenstände, vgl. MirThecl 21f.; 43), Gegenstände werden vor Zerstörung bewahrt (MirThecl 10: Inschrift) bzw. nach Zerstörung wieder hergestellt (z.B. die zertrümmerte Kaiserstatue durch Wasserbesprengung, ActPetr 11). Eher seltener kommen Speisungswunder (Brot, ActPl 12) oder Weinwunder (ActPhil 15,4f.) vor. In einigen Handlungskreisen gehen die Apostelwunder deutlich über das Spektrum der kanonischen Wundererzählungen hinaus: Das betrifft die Schauwunder, die Strafwunder sowie die Tierwunder und Befähigungswunder. Sowohl bei den Erzählungen zu den Jesuswundern als auch in Apg finden wir eine kritische Distanz zu sogenannten Schau- bzw. Massenwundern. Nicht so in den apokryphen Apostelakten. In dem leider nur fragmentarisch erhaltenen Wundertext ActJoh 30-36 wird die Heilung an »alten Frauen über sechzig aus ganz Ephesus« effektvoll im Theater der Stadt vor den Augen der ganzen Stadt inszeniert. Ein missglücktes Schauwunder ist das Schweben des Magiers Simon, dem aber Petrus ein abruptes Ende setzt (ActPetr 30-32). Andreas lässt coram publico ein Kamel tatsächlich durch ein Nadelöhr gehen (ActPetrAndr 13-21). Ähnliche Beispiele finden sich auch in den anderen Acta (z.B. ActPetr 25; 31; ActThom 59; ActAndr[Greg] 12; 24; ActBarn 19). Auch zu wunderbaren Strafhandlungen (vgl. dazu auch Themenartikel von Henning in diesem Band) gibt es mit der Verfluchung des Feigenbaums (Mk 11) und dem plötzlichen Tod der unehrlichen Spender (Apg 5) sowie der Blendung des Barjesus Elymas (Apg 13) kanonische Vorbilder. Dieser für moderne Ohren gewöhnungsbedürftige Bereich ›schwarzer Pädagogik‹ wird jedoch in den Apostelakten gravierend ausgeweitet. Dabei kann man drei Bereiche differenzieren: Menschen werden (oft mit dem Tod) bestraft aufgrund von moralischen Vergehen wie z.B. Tempelraub (MirThecl 28), versuchter Vergewaltigung (MirThecl 34), sexuellen Praktiken und Begierden (ActJoh 74-84; ActThom 53f.) oder brutaler Gewaltausübung (ActAndrMatt 22-23). Hier gibt es auch keine Gnade für höher gestellte Persönlichkeiten wie den Ratsherr Pappos aus Eirenoupolis, der Kinder um ihr Erbe prellen will (MirThecl 35). Ein eigener Topos ist das Aufdecken der Vergehen beim Empfang der Eucharistie wie in ActPetr 2 (Rufina wird halbseitig gelähmt) oder ActThom 53 (dem jungen Mann verdorrt die Hand am Kelch). Andererseits werden Personen betraft, die die Ausbreitung des Evangeliums bzw. die Apostel behindern. So wird z.B. der ältere Sohn des Hermokrates,

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Hermippus, der Paulus mit einer Schar bewaffneter Männer nachstellt und töten will, mit Blindheit geschlagen (ActPl 5, P.Heid. p. 28-35). Oder der Mundschenk, der Thomas schlägt, wird von Hunden aufgefressen (ActThom 6). Gegenspieler (exemplarisch Simon Magus, vgl. ActPetr 9; 30-32) oder auch Scharlatane (Apg 19,11-19) müssen ebenso für ihr frevelhaftes Tun büßen. Selbst Amtsträger, die die Ausbreitung des Evangeliums und spezifisch auch des Thekla-Kults verhindern wollen, werden bestraft. So stirbt der Bischof Marianos, weil er den Gläubigen die Teilnahme am Theklafest in Seleukia untersagt hatte (MirThecl 29). Eng damit verbunden ist ein dritter Bereich, denn häufig werden auch nicht-christliche Tempel und Heiligtümer zerstört. So wird der Artemistempels von Johannes (ActJoh 42) oder der Apollotempel von Sidon auf das Gebet des Paulus hin zerstört (ActPl 6, P.Heid. p. 35-39 fragmentarisch). Nach ActBarn 19 lässt Barnabas ein Stadion einstürzen. Nach MirThecl 3-5 werden Athene, Aphrodite und Zeus aus Seleukia vertrieben. Ein faszinierendes Kuriosum der Apostelakten stellen die sogenannten Tierwunder dar, d.h. hier werden Handlungen erzählt, bei denen Tiere in einer Weise agieren, die jede Norm der Erfahrung im Umgang mit diesen Geschöpfen durchbricht (vgl. dazu den Themenartikel von Neureiter/Spittler in diesem Band). Eine genaue Auflistung der ca. 30 genannten Tierarten würde den Überblick hier sprengen (dazu Spittler 2008, 6). Die Tiere können nicht nur denken und sprechen (z.B. der Löwe in ActPl 9 oder der Hund in ActPetr 10-12), sondern repräsentieren bald das ganze Spektrum sonstiger (menschlicher) Handlungsfiguren. Entsprechend können sie dem Apostel nützlich sein (die kluge Schlange verhindert die Schändung der Drusiana, vgl. ActJoh 71; dämonenkundige Wildesel nach ActThom 74-79; die Schlangen-Dämonen helfen beim Kirchenbau nach ActPhil 11) oder ganz im Gegenteil eine feindlich-dämonische Macht repräsentieren (die liebestolle Schlange nach ActThom 30-38). Besondere Aufmerksamkeit haben in der Forschung die »gehorsamen Bettwanzen« (ActJoh 60-61) oder der »getaufte Löwe« (ActPl 9) sowie der »reanimierte Räucherfisch« (ActPetr 13) auf sich gezogen. Zuletzt gibt es eine Reihe von wunderbaren Bewahrungen oder Befähigungen, besonders in der Thekla-Legende. Thecla erweist sich nicht nur als Schutzheilige für die Regionen Seleukia, Ikonion und Dalisandos (MirThecl 5f.; 26), sie verhilft z.B. auch dem General Satornilos zum Erringen militärischer Siege (MirThecl 13) oder rettet Seleukia vor dem Angriff der Hagarener (MirThecl 5). Sie bewahrt den Verfasser auch vor Exkommunikation (MirThecl 12) oder verhindert die Einrichtung von Grabstätten in der Theklakirche (MirThecl 30). Die Heilige befähigt die Analphabetin Xenarchis zum Lesen (MirThecl 45).

Anders als bei Epiphanien oder Visionen kommt es bei einer Wundererzählung auf die sinnliche Wahrnehmbarkeit einer Handlungsveränderung an. Auf der Ebene der erzählten Welt muss gesagt werden, ob und was sich ändert, konkret, ob ein Kranker gesund oder ein Toter wieder lebendig geworden ist. Die Konstatierung der Handlungsfolgen (3) kann durch den auktorialen Erzähler erfolgen oder innerhalb der Figurenwelt eine Stimme finden. So fragt z.B. Mygdonia, wie der Apostel aus dem Gefängnis gekommen sei, oder die Wächter fragen, wie es sein kann, dass die Türen offen und die Insassen dennoch da sind (ActThom 119122). Oder die Jünger des Johannes wundern sich, als sie die Wanzen am Türrahmen sitzen sehen (ActJoh 60). Häufig wird gerade durch die erzählte Reaktion von Zuschauern oder Betroffenen selbst die Normdurchbrechung zum Ausdruck gebracht (z.B. ActPhil 6,20). Das, was sich hier ereignet hat, ist nicht ›normal‹. Es irritiert und verstört. Oder erweckt so viel Aufsehen, dass z.B. der lebendig gewordene Räucherfisch zu einer Attraktion wird, der von Schaulustigen bestaunt werden muss (ActPetr 13). 29

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Nahezu idealtypisch wird Statusveränderung und Reaktion beim ersten Wunder der Apostelgeschichte, bei der Heilung des Gelähmten durch Petrus (und Johannes), beschrieben: Und er fasste ihn an der rechten Hand und richtete ihn auf; auf der Stelle aber wurden seine Füße und Knöchel gefestigt, 8 und er sprang auf und stellte sich hin und lief umher und ging hinein mit ihnen ins Heiligtum, (dort) lief er umher, sprang und lobte Gott. 9 Und es sah ihn das ganze Volk (εἶδεν πᾶς ὁ λαὸς αὐτόν eiden pas ho laos auton), wie er umherlief und Gott lobte. Sie erkannten ihn aber, dass er es war, der beim Schönen Tor des Heiligtums gesessen und gebettelt hatte, und sie wurden mit Staunen und Entsetzen (θάμβους καὶ ἐκστάσεως thambous kai ekstaseōs) über das ihm Widerfahrene erfüllt. Als er sich aber zu Petrus und Johannes hielt, lief alles Volk zu ihnen in der sogenannten Halle Salomos zusammen, und sie staunten sehr (ἔκθαμβοι ekthamboi) (Apg 3,7-11).

Hier wird kein Geschehen beschrieben, das im Innenraum der Psyche oder nur als Beziehungsgeschehen zwischen Heiler und Geheiltem abläuft. Das Wunder wird vielmehr »gesehen« und sogar »vor allem Volk« (V. 9.11; wieder Apg 3,16: »vor allen«), was hier passiert, ist im wahrsten Sinne des Wortes »offensichtlich«. Dass die Statusveränderung genau wahrgenommen wird, erfährt der Leser durch die Erinnerung der Zeugen, die den früheren Zustand des Gelähmten noch gut im Gedächtnis haben. Staunen, Wundern und sogar Entsetzen werden explizit als Reaktionen genannt. Das hier Geschehene ist gerade nicht alltäglich oder erwartbar, es durchbricht die Normen der üblichen Erfahrung und löst entsprechend Irritationen aus. Obgleich die Wundererzählung das Element des Staunens und Sich-Wunderns explizit hervorhebt, werden doch auch direkt oder indirekt Grund und Ursache (4) des irritierenden Geschehens genannt. Es ist das Einwirken Gottes bzw. göttlicher Kraft, das das Wunder bewirkt. Die Unerklärbarkeit wird somit mit einem spezifischen Deutungsangebot verbunden. Wählen wir noch einmal die Heilung des Gelähmten als Beispiel. Petrus greift das Staunen der Menge explizit auf und verweist auf die Ursache der Normdurchbrechung: Als Petrus das sah, sprach er zu dem Volk: Ihr Männer von Israel, was wundert ihr euch über dies (τί θαυμάζετε ἐπὶ τούτῳ ti thaumazete epi toutō), oder was seht ihr auf uns, als hätten wir durch eigene Kraft oder Frömmigkeit bewirkt, dass dieser gehen kann? Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unsrer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, […] Und aufgrund des Glaubens an seinen Namen festigte sein Name diesen, den ihr seht und kennt. Der Glaube, der durch ihn gewirkt wird, gab ihm volle Gesundheit vor euch allen (Apg 3,12-16).

Nicht die Kraft des apostolischen Wundertäters, sondern die Kraft Gottes bzw. der Name Jesu (s.o.) sind Grund des Wunders. Zugleich wird die Kategorie des Glaubens eingeführt, der einen spezifischen Anteil am Geschehen trägt und vor allem bereits auf die Wirkung der Erzählung beim Leser bzw. der Leserin zielt (Wirkungsästhetik 5). Der Rezipient bzw. die Rezipientin soll aus dem intendierten Prozess des Staunens zu einer Einsicht (kognitiv erschließend), zum Glauben (pistisch mo30

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tivierend) und schließlich zum Handeln (ethisch appellativ) befähigt und ermutigt werden. Nach Bovon sind diese Texte »invitations, addressed to readers for the purpose of earnestly accessing this spiritual realm (i.e. a divine world behind our world)« (Bovon 2003, 253). Die intendierte Wirkung der Wundererzählung wird in den Apostelakten oft bereits narrativ durch die Reaktion der Handlungsfiguren vorgeführt. Sie gelangen zur Einsicht, kommen zum Glauben oder ändern ihr Leben. Auch die Leser(innen) können den narrativ vorgeführten Erzählfiguren folgen und die Wundererzählungen als Zeichen von Leben, Gemeinschaft und Rettung lesen. Die Konversion ist folglich eine der wesentlichen Funktionen dieser Texte (vgl. zur Vielfalt der Funktionen von Wundererzählungen Bovon 2003, 256-258; sowie Zimmermann 2013a, 45-49). Im Folgenden möchte ich den Aspekt der Glaubensdimension etwas vertiefen. Der enge Zusammenhang zwischen Glaube und Wunder ist bereits in den kanonischen Wundererzählungen angelegt, wobei häufig eine dialektische Beziehung beschrieben wird. Der Glaube ist zugleich Voraussetzung und Folge des Wundergeschehens (vgl. »dein Glaube hat dich gerettet«, Lk 7,50; 8,48; 17,19 etc.). Ein simpler Kausalzusammenhang, als ob das Wundergeschehen unmittelbar in Glauben münde, wird in den kanonischen Evangelien kritisch reflektiert (z.B. die Ablehnung von Schauwundern; Zeichenforderung, vgl. Mk 15,32; Joh 6,30). Besonders Johannes hat vor einer naiven Zuordnung gewarnt (Joh 4,48) und spricht auch vom Unglauben trotz des Sehens von Zeichen und Wundern (Joh 12,37). In Apg finden sich Formulierungen, die diese differenzierte Sicht zu untergraben scheinen. So wird z.B. erzählt, dass gerade die Erweckung der Tabita zum Glauben führte (Apg 9,42). Ferner wird berichtet, dass der Statthalter Sergius Paulus das Strafwunder an dem Magier Barjesus Elymas sah und gläubig wurde: »Als der Statthalter sah, was geschehen war, wurde er gläubig und verwunderte sich über die Lehre des Herrn« (Apg 13,12). Das Geschehen wird hier zwar als Anlass des Glaubens beschrieben, der Statthalter staunt aber, wie der Nachsatz betont, nicht über die Wunderhandlung, sondern über die »Lehre des Herrn«, womit eine Formulierung aufgenommen wird, wie sie bereits aus dem Evangelium bekannt ist (Lk 4,32 ebenfalls mit ἐκπλήσσω ekplēssō). Glaube ist mehr noch als an die Tat (Apg 19,18) an das (gepredigte) Wort gebunden (vgl. Apg 4,4; 8,12; 14,1; 18,8) und bleibt gerade auch bei den Wundertaten Teil eines Beziehungsgeschehens (Böttrich 2017, 409-414). Glaube zielt auf eine radikale Lebensänderung der Glaubenden, wie es bei spontan Geheilten besonders eindrücklich vor Augen geführt wird (Schließer 2017, 30f.). Entsprechend wird man Marguerat zustimmen können, dass auch der Autor der Apostelgeschichte eine eigene Hermeneutik der Wunder entwickelt hat, bei der Glaube und Heilung, ebenso wie Zeugenamt und Christologie zu einem theologisch anspruchsvollen Geflecht verbunden werden (so Marguerat 2003a, 101). In den späteren Apostelakten wird diese differenzierte Zuordnung teilweise stark simplifiziert, so dass man den Eindruck gewinnt, als propagiere der Autor einen direkten Kausalzusammenhang zwischen Wunder und Glauben: Wegen 31

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der Wunder glauben die Menschen (z.B. ActJoh 42: die Epheser an den Gott des Johannes; ActPhil 6,21: die Nikateraner an den Gott des Philippus). Ein eindrückliches Beispiel ist die Belebung des Räucherfisches (ActPetr 13), die nur als Beweis für den Glauben durchgeführt wird. Petrus fragt: »Wenn ihr den Fisch wieder schwimmen seht, werdet ihr dann an den glauben können, den ich predige?« Die Menge bejaht, und die Reaktion bleibt nicht aus: »Als sie das sahen, folgten ihm sehr viele und glaubten an den Herrn« (ActPetr 13). Der Fisch war sogar eine Attraktion, die »von allen Seiten Scharen herbeilockte«, um ihn als echten Fisch zu bestaunen und sogar mit Brot zu füttern. Umgekehrt kann die Initiative auch vom Volk ausgehen: »Zeige uns ein anderes Wunder (signum), damit wir glauben, dass du der Diener des lebendigen Gottes bist« (ActPetr 12). Während Jesus die Zeichenforderung ablehnt, scheinen die Apostel bereitwillig auf jeden Wunsch nach Beglaubigungswundern einzugehen. Nach ActPetr 25 möchte der Apostel, dass noch mehr Publikum herbeigeholt werde, damit die Auferweckung des Jünglings auch entsprechend wirksam sei: »damit diese, wenn sie es sehen, glauben können, dass er durch Gottes Kraft auferstanden ist« (ActPetr 25). »Als aber die Volksmasse das sah, riefen sie alle: ›Es gibt nur einen Gott, nur den einen Gott des Petrus!‹« (ActPetr 25). Ist für Marguerat das deutende Wort notwendig, um einem Missverständnis der Wundertätigkeit in Apg zu vermeiden (vgl. Marguerat 2003a, 101.123), so liest sich ActPhil 6 nahezu als Umkehrung: Hier bedarf es der Auferweckung des Jünglings, um zum Glauben zu führen, das Wort bzw. hier der Schriftverweis allein reicht offenbar nicht. An dieser Stelle darf kritisch zurückgefragt werden, ob die Zuordnung von Wunder und Glaube hierbei nicht eine Unterkomplexität erreicht, die problematisch ist. Das Wunderkonzept der Acta könnte dabei den Gefahren einer theologia gloriae der Wunder erlegen sein, wie sie in Band 1 beschrieben wurden (Zimmermann 2013a, 44f.). Gleichwohl besteht gegenüber einem voreiligen und pauschalen Urteil die Notwendigkeit, den Glaubensbegriff der einzelnen Acta genauer je für sich zu analysieren (so z.B. für ActPlThecl Nicklas/Niederhofer 2017). Hierbei dürfte deutlich werden, dass es durchaus differenzierte Reflexionen über die Frage gibt, wie z.B. in Auseinandersetzung mit den Wundern des Simon in PsClem H 2,33-34 (dazu Nicklas 2007). Wie die Passionsgeschichte letztlich die Erinnerung an den Wundertäter Jesus davor bewahrt, ihn zum Wunderhelden zu stilisieren, so ist es in den Acta das Martyrium der Apostel, das im Blick auf die Makroerzählung letztlich doch ein Gegengewicht zum Übermut der Wundererzählung schafft. Die Wunderthematik muss insofern stets auch im Zusammenhang mit anderen Aspekten der Apostelgeschichten gesehen werden (so auch Bovon 2003).

3.2.2 Phantastische Tatsachenberichte: Mehr Phantastik als Tatsachen

Nun wurde im Kompendium noch eine zweite Definition gegeben, die einzelne Aspekte der ersten Definition vertieft und zuspitzt: Konkret geht es um die m.E. 32

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gattungskonstitutive Spannung zwischen der faktualen Erzählweise und dem realitätsdurchbrechenden Erzählinhalt: »Wundererzählung« – Definition 2: Wundergeschichten sind im Redemodus grundsätzlich faktuale Erzählungen, die gleichwohl fiktionalisierende Erzählverfahren in unterschiedlichem Maße einschließen. Im Blick auf die erzählten Inhalte bewegen sie sich bewusst auf der Grenze zwischen Realitätsbezug (Realistik) und Realitätsdurchbrechung (Phantastik).

In einfacher Lesart ist die Wundererzählung durch die literarisch bewusst erzeugte Spannung zwischen Erzählweise (Discourse-Ebene: das »Wie« der Darstellung) und Erzählinhalt (Story-Ebene: das »Was« der Handlung) charakterisiert (dazu ausführlich Zimmermann 2014c, 470-475). Literaturwissenschaftlich betrachtet handelt es sich bei Wundererzählungen um Vergangenheitserzählungen. Sie erheben den Anspruch, geschichtliche Ereignisse zu erzählen, sind folglich in ihrem Erzählmodus »faktual« (dazu Genette 1992, 65-94). Durch Ortsangaben, Personen(namen), Reminiszenzen etc. werden textimmanent viele Signale gegeben, die die Wundererzählung als historisch referentiell erkennen lassen. Mit anderen Worten: Der Text zielt darauf, dass der Leser ihn als historische Erzählung versteht. Auf dem Boden einer solchen Realitätsbezogenheit wird nun aber Unmögliches erzählt. Schon auf der Ebene der erzählten Welt (z.B. durch Aussagen der Figuren wie Lk 5,26: »wir haben ›Paradoxa‹ gesehen«) wird die Realitäts- und Erfahrungsdurchbrechung direkt thematisiert. Was hier berichtet wird, durchbricht die Norm und Alltagserfahrung nicht nur moderner, sondern auch antiker Leser (dazu Frenschkowski 2014). Nach literaturwissenschaftlichen Kriterien erfüllen die Texte hierbei Kriterien der Phantastik, denn die erzählten Ereignisse durchbrechen bekannte Realitätssysteme und übersteigen auch die ›possible world‹-Vorstellung, d.h. das »mögliche NichtWirkliche« (Zipfel 2001, 84), das zwar als kontrafaktische Alternativwelt, aber innerhalb akzeptierter Normen entworfen wird (vgl. Durst 2010; einführend Zimmermann 2014c, 483-488). Dass Tote wieder auferstehen oder jahrzehntelang gelähmte Menschen plötzlich wieder gehen können, das kann eigentlich nicht sein. Mit Motiven wie dem Land der Menschenfresser oder Drachen und sprechenden Eseln überschreiten die Erzählungen dann ohnehin die Grenze hin zum Phantastischen. Der Wert der Definition 2 besteht nun darin, dass sie nicht – wie in der Wunderforschung üblich (vgl. Zimmermann 2014a) – diese Spannung zwischen historischer Erzählweise und phantastischem Inhalt harmonisiert oder in der ein oder anderen Weise zu entkräften versucht (indem man z.B. den faktualen Redemodus herunterspielt oder die Inhalte als zeitgemäß ›normal‹ einstuft), sondern ganz im Gegenteil als wesentlich wahrnimmt und gelten lässt. Auf eine Kurzformel gebracht, sind Wundererzählungen deshalb »phantastische Tatsachenberichte«. Nach Koschorke kann man hier von der Interferenz zweier logisch inkompatibler Systeme sprechen, für die er den Begriff der »Doppelkonditionierung« bzw. »Superimposition zweier Koordinatensysteme« (Koschorke 2012, 370) geprägt hat. Für Koschorke 33

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entsteht gerade so eine kulturell und hermeneutisch besonders fruchtbare »bilinguale Kontaktzone« bzw. dynamisierende »Semiosphäre« (Koschorke 2012, 371-376), die auch den Reiz einer Wundererzählung ausmacht. Wie bereits Definition 2 andeutet und in der genannten Erläuterung umfassend reflektiert wird (Zimmermann 2014c, 476-488), kommt es aber in den meisten Wundererzählungen zu einer weiteren Brechung. Die faktuale Erzählung wird durch fiktionale Elemente angereichert. Ferner gibt es sowohl Fiktives im faktualen Redemodus als auch Realistisches im fiktionalen Redemodus, wie es von Seiten narratologischer Geschichtsschreibung oder auch der Literaturwissenschaft zur Phantastik herausgearbeitet wurde (vgl. dazu Luther 2014a). Die Wundererzählung kann dann aber nicht mehr ›einfach‹ mit den Etiketten »fiktional« oder »faktual« bzw. »Realistik« oder »Phantastik« klassifiziert werden, sondern bewegt sich stets auf der Grenze. Sie markiert geradezu diese Grenze, indem sie den Leser/die Leserin in eine oszillierende Suchbewegung bzw. Semiosphäre zwischen verschiedenen Polen hineinstößt (mit Durst 2010, 103). Diese literaturwissenschaftliche Betrachtung der Wundererzählungen birgt m.E. Chancen auf unterschiedlichen Ebenen: Sie versucht, die Beschaffenheit der Texte möglichst präzise zu erfassen, ohne sie z.B. ideologischen Vorentscheidungen im Blick auf ein Weltbild oder ein Glaubensurteil zu unterwerfen. Sie kann ferner eine übergreifende Definition geben, die für die kanonische Apg ebenso wie für nicht-kanonische Apostelakten gilt, und so bewusst die Kontinuität zwischen den später kanonisch oder apokryph gewordenen Texten betont. Die in der früheren Forschung vollzogene kategorische Trennung zwischen Kanon und Apokryphen kann im Blick auf die Wundererzählungen m.E. am Textbefund nicht bestätigt werden. So sprach z.B. Söder pauschal von der »Wunderwelt«, »Fabelländern und Fabelwesen« der apokryphen Akten und wollte sie damit von der Apg abgrenzen. »Von einem Vorbild der Apg kann hier keine Rede sein, spielen doch die Reisen der Apostel dort in nur realen Ländern und entbehren jeder phantastischen Ausschmückung« (Söder 1969, 111). Ausschmückungen, Strafwunder oder Gegenstandswunder finden sich aber bereits in der Apg, ebenso wie auch in jüngeren Acta sehr präzise Ortsreferenzen die faktuale Redeweise bestärken und erhalten wollen. Gleichwohl ermöglicht es die Skalendefinition auf zwei Ebenen (zwischen Faktualität und Fiktionalität; zwischen Realistik und Phantastik), in der Beschreibung von Einzeltexten Verschiebungen und Tendenzen zum Ausdruck zu bringen. Einzelne Texte verlassen klarer als andere den Vorstellungshorizont der Realistik, und entsprechend kann man dann konstatieren, dass hier nicht nur die Tür zur Phantastik geöffnet, sondern bereits die Schwelle überschritten ist. Oder man kann schriftspezifische Tendenzen benennen, dass z.B. die Apostelgeschichte des Lukas stärker historiographische Elemente einschließt als die Acta von Andreas in der Stadt der Menschenfresser.

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4. Anlage und Auslegungsstruktur in Band 2 des »Kompendiums der frühchristlichen Wundererzählungen« 4.1 Weichenstellungen: Die Vorentscheidungen und Begrenzungen

Die grundlegenden konzeptionellen und methodischen Weichenstellungen des Kompendiums sind in Band 1 des zweibändigen Werks hinreichend erläutert worden und gelten hier unverändert (vgl. Zimmermann 2013a, 50-63). Hierbei ist das Bekenntnis zur Vielfalt der Auslegungsmöglichkeiten besonders hervorzuheben. Es zeigt sich darin, dass Forscher unterschiedlicher Schul- und Forschungstraditionen, Konfessionen und Kontinente im Autor(inn)enteam vereint werden, ebenso wie in der Vielfalt der methodischen Annäherungen, die narratologische, historische und rezeptionsästhetische Dimensionen integriert (s.u.). Aufgrund der bisherigen Forschung an den apokryphen Apostelakten gilt es umso mehr zu betonen: Textinterpretation ist mehr als Textrekonstruktion! Im Kompendium haben wir auch bei unbekannten Texten einen hermeneutischen Anspruch, die Texte sinnstiftend auszulegen, um sie in ihren unterschiedlichen Facetten besser verstehen zu können. Wie bereits in Band 1 (Die Wunder Jesu, hierbei zu den apokryphen Jesuswundern) waren wir aufgrund der Vielzahl der Texte gezwungen, eine Auswahl zu treffen. Bei einigen Quellenbereichen konnten alle Wundererzählungen besprochen werden (Apg, ActJoh, ActBarn). Bei anderen wie z.B. den Andreasakten sind allein in der Epitome des Gregor von Tours 25 Wunderepisoden genannt, von denen im Kompendium exemplarisch sechs besprochen wurden. Entsprechend wurden von den 50 Wundern der Thekla nach der Legende »Wunder der Thekla« (MirThecl) nur sechs Texte ausführlich interpretiert, um ein anderes Beispiel zu nennen. Um dennoch auch hier einen Überblick über alle Wundererzählungen des Gesamtwerks zu geben, wurden eine Großzahl der Einzeltexte (sowie die Summarien) in den Hinführungen der jeweiligen Bereichsherausgeber(innen) berücksichtigt. Die Tabellen am Ende der Hinführungen sowie summarisch am Ende des Buches geben ferner einen Überblick über alle Wundergeschichten innerhalb der Akten. Übergreifende und wiederkehrende Aspekte wie z.B. zu Tier- oder Strafwunder-Erzählungen werden in exkursartigen ›Themenartikeln‹ innerhalb der Gesamteinleitung eigens behandelt.

4.2 Vielfalt der »Sehepunkte«: Das Auslegungsraster

Das in Band 1 des Kompendiums ausführlich erläuterte Auslegungsraster (vgl. Zimmermann 2013a, 54-61) wurde auch für den vorliegenden Band 2 des Kompendiums zu Grunde gelegt. Auf diese Weise wird nicht nur die Kontinuität zu dem bewährten Interpretationsmuster des ersten Bandes erwirkt, sondern auch die Diversität von Autor(innen) und Einzeltexten zu einer Einheit in Vielfalt innerhalb des Gesamtwerks zusammengebracht. 35

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Im Folgenden soll das Raster hier kurz wiederholt werden, um dann einige Spezifika der Anwendung im vorliegenden Band zu benennen. (a) Überschrift (b) Eigene Übersetzung der Wundererzählung (c) Sprachlich-narratologische Analyse (d) Sozial- und realgeschichtlicher Kontext (e) Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund (f) Verstehensangebote und Deutungshorizonte (g) Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte (h) Literatur zum Weiterlesen Tab. 2: Auslegungsraster der einzelnen Kommentare

Die unterschiedlichen Perspektiven der Exegese dürfen nicht als lineare Schrittfolge missverstanden werden. Sie repräsentieren vielmehr eine Vielfalt der Zugänge und sind somit – um es mit Chladenius zu sagen (vgl. dazu Luther/Zimmermann 2014, 217-222) – »Sehepunkte«. Sie können zwar aufbauend gelesen werden, stellen jedoch je für sich eigene Zugänge mit unterschiedlichen Methoden dar. Dabei sind drei Sehepunkte kategorial zu differenzieren (vgl. dazu Zimmermann 2011, 3-24; appliziert auf die Wundererzählung Mk 5,1-20 in Zimmermann 2012): ein sprachlicher Fokus (hier: Übersetzung und sprachlich-narratologische Analyse), ein historischer Fokus (hier: sozial- und realgeschichtlicher Kontext und traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund) sowie ein rezeptionsästhetischer Fokus (hier: Deutungshorizonte und Aspekte der Wirkungsgeschichte). Während die ersten vier Annäherungen eher analysieren und enzyklopädisches Wissen zusammentragen, geht es bei den Deutungshorizonten um die Synthese bestimmter Aspekte, die auf eine sinnstiftende Auslegung hinführt. Die Überschrift (a) der einzelnen Auslegungen setzt sich aus maximal drei Elementen zusammen: kreativer Titel, »explikativer Titel« in Klammern sowie die Stellenangabe (ggf. Parallelen), also z.B. Einfach nur göttlich (Die Heilung des Gelähmten in Lystra) Apg 14,8-13 (Apg 3,1-10) Eine verhängnisvolle Affäre (Bestrafung und Auferweckung der Frau des Lesbius) ActAndr(Greg) 23

Es werden eigene, von den Autor(inn)en selbst erstellte Übersetzungen (b) der Wundererzählungen präsentiert. Die ursprachliche Quellenbasis (Edition) ist hierbei jeweils in der Hinführung bzw. im Text benannt. Da sich in einigen nicht-kanonischen 36

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Apostelgeschichten die Wunderepisoden über mehrere Kapitel erstrecken und die Texte nicht überall bekannt und zugänglich sind, werden teilweise paraphrasierende Zusammenfassungen der Vorgeschichte oder Überleitungen beigefügt. Im Zentrum des Kompendiums stehen Wundererzählungen. Entsprechend wird auch eine größere Sorgfalt auf die Wahrnehmung der Erzählung selbst gelegt und das Repertoire der narratologischen Analyse (c) konzeptionell und terminologisch nutzbar gemacht. So werden Plot, Figurenkonstellationen oder auch die narrative Darstellung von Raum und Zeit interpretiert. Die in der Definition der Wundererzählung (s.o.) zentral gewichtete Leserorientierung wird pragmatisch bzw. rezeptionsästhetisch zu erfassen versucht. Leitende Fragen sind hierbei, wie die Normdurchbrechung und Irritation erzählerisch inszeniert werden, oder wie z.B. das Wunderhafte durch die Reaktion von Figuren auf der Ebene der erzählten Welt hervorgehoben wird. Um die Darstellung der Wundererzählungen und ihre intendierte Wirkung verstehen und deuten zu können, ist die möglichst genaue Kenntnis der sozial- und realgeschichtlichen Kontexte (d) notwendig. Die Wahrnehmung der gewohnten Welt des Textes, wie z.B. die üblichen Therapieverfahren, ist Voraussetzung, um die bewusste, narrativ angelegte Brechung dieser Ordnung profilierter benennen zu können. Eine präzise Rekonstruktion der Kontexte einzelner Texte ist aus geschichtsund erkenntnistheoretischen Begrenzungen nicht möglich. Entsprechend wurde hier eher enzyklopädisch vorgegangen, indem eine ›mögliche Welt‹ (re)konstruiert wird, wie sie uns durch antike Quellen zugänglich ist. Um ein breites Panorama zu bieten, wurden viele themenverwandte außer- und vorchristliche Textquellen aus Judentum und griechisch-römischer Welt herangezogen. Häufig wurden auch zentrale Textpassagen als Zitate präsentiert. Ferner wurden nach Möglichkeit außertextliche Quellen, z.B. archäologische Funde/Münzen hinzugezogen. Auch jenseits einer symbolischen Interpretation der Wunderhandlung stehen Wundererzählungen und ihr Repertoire immer schon in einem Deutungszusammenhang, der durch eine Analyse des traditions- und religionsgeschichtlichen Hintergrundes (e) erhellt werden soll. In der traditionsgeschichtlichen Analyse sollte herausgearbeitet werden, wie das Motivrepertoire oder einzelne Semanteme der Wundererzählung traditionell verwendet wurden. Gefragt wurde hierbei, ob es stereotype Deutungsmuster innerhalb der jüdischen oder griechisch-römischen Literatur gab bzw. wie das frühe Christentum selbst solche Überdeterminationen geprägt hat. Mit welcher Rahmentheorie man diese Tiefenbedeutung der Motive beschrieb (wie z.B. klassische Motiv-/Traditionsgeschichte, historische Semantik, Bildfeldtheorie oder Diskurs- und Zeichentheorien), war dem Autor/der Autorin überlassen. Die Auslegungen wollen nicht die maßgebliche Deutung einer Wundererzählung bieten. Sie verstehen ihre Aufgabe darin, dass sie aus den eher analytischen oder enzyklopädischen Teilabschnitten der vorgängigen Interpretation nun sinnstiftende Auslegungen zusammenfügen und anbieten, weshalb wir die Überschrift Verstehensangebote und Deutungshorizonte (f) gewählt haben. Dabei wurde jeder Autor/jede 37

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Autorin angehalten, mindestens drei in sich kohärente und mögliche Auslegungen vorzustellen. Dies war auch für die beteiligten Wissenschaftler(innen) eine Herausforderung, weil man innerhalb der fachwissenschaftlichen Diskussion eher bemüht ist, andere Deutungen zu kritisieren, um die favorisierte eigene Deutung umso klarer profilieren zu können. Die Autorinnen und Autoren sollten jedoch gerade abweichende und auf ihre je eigene Weise schlüssige Auslegungsvarianten stark machen und somit als Sinnstiftungsangebote einem Leser/einer Leserin vor Augen führen. Auf diese Weise sollten die verschiedenen Verstehenspotenziale der Texte entfaltet werden. Das in Band 1 des Kompendiums dargebotene Raster an Auslegungsmöglichkeiten (Zimmermann 2013a, 62f.) wurde auch im vorliegenden Band herangezogen. Allerdings zeigten die Texte sowie die Kreativität der Auslegungen, dass hier eine Fülle an weiteren Möglichkeiten (wie z.B. liturgiegeschichtliche Auslegung) hinzukam. Die Vielfalt der Deutungshorizonte soll die Leser(innen) des Kompendiums einladen, ihrerseits in diese hermeneutische Suchbewegung einzusteigen und zu eigenen Deutungen zu gelangen. Wahrheitsfähige Exegese kann nie vorgeschrieben, sondern immer nur selbst in den je eigenen Kontexten und Lebenswelten vollzogen werden. Der letzte Punkt des Auslegungsrasters Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte (g) wurde insbesondere im Blick auf kanonische Texte mit einer immensen Wirkungsgeschichte entwickelt. Die apokryphen Wundererzählungen haben vielfach keine uns bekannten textlich manifesten Rezeptionsgeschichten. In solchen Fällen konnte dieser Punkt des Auslegungsrasters entfallen. Schließlich wurde an jeden Kommentar eine kleine Liste mit Literatur zum Weiterlesen (h) angefügt, die Titel nennt, die zur weiteren Beschäftigung mit dem Text einladen. Je nach Länge des Beitrags wurden hier ca. 5-15 Titel genannt, die einschlägige, aber auch interessante und entlegenere sowie auch englischsprachige Literatur einbeziehen. Diese Liste führt nicht alle im jeweiligen Beitrag genannten Titel auf. Die in Klammern in einem Beitrag genannte Literatur wie z.B. »(Kollmann 1996)« kann anhand des Gesamtliteraturverzeichnisses am Ende des Buches vollständig bibliographisch entschlüsselt werden. Ruben Zimmermann

5. Literatur zu frühchristlichen Wundererzählungen in Apostelakten Die bibliographischen Angaben zu den Quellen-Editionen sowie Übersetzungen der einzelnen Apostelgeschichten finden sich am Ende der jeweiligen Hinführungstexte der Bereichsherausgeber. 5.1 Monographien/Sammelbände/Themenhefte

(hier speziell zu den Apostelakten; Literatur zu Wundererzählungen allg. vgl. Wunderkompendium, Bd. 1, 64-67) 38

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Literatur zu frühchristlichen Wundererzählungen in Apostelakten

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Wundererzählungen in den Akten der Apostel – eine Hinführung

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Literatur zu frühchristlichen Wundererzählungen in Apostelakten

D. R. MacDonald, The Legend and the Apostle. The Battle for Paul in Story and Canon, Philadelphia 1983. Ders., The Acts of Andrew and the Acts of Andrew and Matthias in the City of the Cannibals, Atlanta 1990a. Ders., Christianizing Homer. The Odyssey, Plato, and the Acts of Andrew, New York 1994a. Ders. (Hg.), The Acts of Andrew, ECA 1, Santa Rosa, 2005. D. Marguerat, Lukas, der erste christliche Historiker. Eine Studie zur Apostelgeschichte, AThANT 92, Zürich 32011 (zuerst 2008). J. W. Nesbitt, The Miracles of St. Artemios: A Collection of Miracle Stories by an Anonymous Author of Seventh-Century Byzantium, The Medieval Mediterranean 13, Leiden 1997. T. Nicklas/M. Tilly (Hg.), The Book of Acts as Church History. Apostelgeschichte als Kirchengeschichte, BZNW 120, Berlin et al. 2003. Ders./J. E. Spittler (Hg.), Credible, Incredible. The Miraculous in the Ancient Mediterranean, WUNT 321, Tübingen 2013. V. Niederhofer, Konversion in den Paulus- und Theklaakten. Eine narrative Form der Paulusrezeption, WUNT, Tübingen (im Druck). R. I. Pervo, Profit with Delight. The Literary Genre of the Acts of the Apostles, Philadelphia 1987. Ders., Acts. A Commentary, Hermeneia, Minneapolis 2009. Ders., The Acts of Paul. A New Translation with Introduction and Commentary, Eugene 2014. Ders., The Acts of John, ECA 6, unter Mitarbeit von J. V. Hills, Salem 2015a. T. Pratsch, Der hagiographische Topos. Griechische Heiligenviten in mittelbyzantinischer Zeit, Millennium-Studien 6, Berlin 2005. A. Reimer, Miracle and Magic. A Study in the Acts of the Apostles and Life of Apollonius of Tyana, JSNT.S 235, Sheffield 2002. H. Rhee, Early Christian Fiction: Apologies, Apocryphal Acts and Martyr Acts, Routledge Early Church Monographs, London 2005a. Dies., Early Christian Literature: Christ and Culture in the Second and Third Centuries, London et al. 2005b. J.-M. Roessli/T. Nicklas (Hg.), Christian Apocrypha: Receptions of the New Testament in Ancient Christian Apocrypha, Göttingen 2014. W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd. 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 61997. S. Schreiber, Paulus als Wundertäter, BZNW 79, Berlin/New York 1996. H. R. Seeliger/W. Wischmeyer (Hg.), Märtyrerliteratur, herausgegeben, übersetzt, kommentiert und eingeleitet, Berlin/München 2015. G. E. Snyder, Acts of Paul. The Formation of a Pauline Corpus, WUNT 2/352, Tübingen 2013. J. A. Snyder, Language and Identity in Ancient Narratives: The Relationship between Speech Patterns and Social Context in the Acts of the Apostles, Acts of John, and Acts of Philip, WUNT 2/370, Tübingen 2014. R. Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, Darmstadt 1969 (Nachdr. der Ausgabe Stuttgart 1932).

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Wundererzählungen in den Akten der Apostel – eine Hinführung

J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles, WUNT 2/247, Tübingen 2008. R. F. Stoops, The Acts of Peter, ECA 4, Salem 2012. G. H. Twelftree, In the Name of Jesus. Exorcism among Early Christians, Grand Rapids 2007. Ders., Paul and the Miraculous. A historical Reconstruction, Grand Rapids 2013. Ders., The Nature Miracles of Jesus. Problems, Perspectives, and Prospects, Eugene 2017. M. Vielberg, Klemens in den pseudoklementinischen Rekognitionen. Studien zur literarischen Form des spätantiken Romans, TU 145, Berlin/New York 2000. J. Wehnert, Pseudoklementinische Homilien. Einführung und Übersetzung, Kommentare zur apokryphen Literatur 1/1, Göttingen 2010. A. Westermann, Paradoxographi scriptores rerum mirabilium Graeci, Brunsviga 1839.

5.2 Auswahl an Aufsätzen/Lexikonartikel (insb. zum Thema Wunder in Acta) P. J. Achtemeier, Jesus and the Disciples as Miracle-Workers in the Apocryphal New Testament, in: ders., Jesus and the Miracle Tradition, Eugene, Oregon 2008, 163-192 (zuerst in: E. Schüssler Fiorenza [Hg.], Aspects of Religious Propaganda in Judaism and Early Christianity, University of Notre Dame Center for the Study of Judaism and Christianity in Antiquity 2, Notre Dame/London 1976, 149-186). J. den Boeft, Miracles Recalling the Apostolic Age, in: A. Hilhorst (Hg.), The Apostolic Age in Patristic Thought, SVigChr 70, Leiden/Boston 2004, 51-62. J. Bolyki, Miracle stories in the Acts of John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995, 15-35. F. Bovon, Miracles, Magic, and Healing in the Apocryphal Acts of the Apostles, in: ders., Studies in Early Christianity, WUNT 161, Tübingen 2003, 253-266 (zuerst: ders., Miracles, magie et guérison dans les Acts Apocryphes des Apôtres, JECS 3 [1995], 245-259). J. N. Bremmer, The Five Major Apocryphal Acts: Authors, Place, Time and Readership, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001c, 149-170. I. Czachesz, Magic and Mind: Toward a Cognitive Theory of Magic, With Special Attention to the Canonical and Apocryphal Acts of the Apostles, ASEs 24 (2007d), 295-321. Ders., Speaking Asses in the Acts of Thomas, in: G. H. van Kooten/J. van Ruiten (Hg.), The Prestige of the Pagan Prophet Balaam in Judaism, Early Christianity and Islam, Leiden/ Boston 2008, 275-285. Ders., Metamorphosis and Mind: Cognitive Explorations of the Grotesque in Early Christian Literature, in: T. K. Seim/J. Økland (Hg), Metamorphoses: Resurrection, Body and Transformative Practices in Early Christianity, Berlin 2009b, 207-230. Ders., Explaining Magic: Earliest Christianity as a Test Case, in: L. H. Martin/J. Sørensen (Hg.), Past Minds: Studies in Cognitive Historiography, London 2011, 141-165. G. Del Cerro, Los Hechos apócrifos de los Apóstolos. Su género literario, Estudios Biblicos 51 (1993), 207-232. D. Dormeyer, Die Gattung der Apostelgeschichte, in: J. Frey/C. K. Rothschild/J. Schröter (Hg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin 2009a, 437-476.

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Literatur zu frühchristlichen Wundererzählungen in Apostelakten

M. Frenschkowski, Art. Magie, RAC 23 (2010), 857-957. Ders., Antike kritische und skeptische Stimmen zum Wunderglauben als Dialogpartner des frühen Christentums, in: B. Kollmann/R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen: Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014, 283-308. J. Frey, Apostelbegriff, Apostelamt und Apostolizität. Neutestamentliche Perspektiven zur Frage nach der ›Apostolizität‹ der Kirche und der ›apostolischen Sukkzession‹, in: ders., Von Jesus zur Neutestamentlichen Theologie. Kleine Schriften II, hg. v. B. Schließer, WUNT 368, Tübingen 2016, 677-777. J. A. Kelhoffer, Ordinary Christians as Miracle Workers in the New Testament and the Second and Third Century Christian Apologists, Journal of the Chicago Society of Biblical Research 44 (1999), 23-34. H.-J. Klauck, Unterhaltsam und hintergründig: Wundertaten des Apostels in den Johannesakten, in: H. Grieser/A. Merkt (Hg.), Volksglaube im antiken Christentum, FS T. Baumann, Darmstadt 2009, 87-107. B. Kollmann, Paulus als Wundertäter, in: U. Schnelle et al. (Hg.), Paulinische Christologie. Exegetische Beiträge, FS H. Hübner, Göttingen 2000a, 76-96. Ders., Halbgott in Weiß. Asklepioskult und Christentum, WUB 7 (2002), 28-35. B. J. Lietaert Peerbolte, Paul the Miracle Worker. Development and Background of Pauline Miracle Stories, in: M. Labahn/B. J. Lietaert Peerbolte (Hg.), Wonders Never Cease: The Purpose of Narrating Miracle Stories in the New Testament and Its Religious Environment, LNTS 288, London 2006, 180-199. S. Luther, Erdichtete Wahrheit oder bezeugte Fiktion? Realitäts- und Fiktionalitätsindikatoren in frühchristlichen Wundererzählungen – eine Problemanzeige, in: B. Kollmann/R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen: Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014a, 345-368. Dies., Die ethische Signifikanz der Wunder. Eine Relecture der Wundererzählungen der apokryphen Thomasakten unter ethischer Perspektive, in: B. Kollmann/R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen: Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014b, 559-588. D. Marguerat, Magic and Miracle in the Acts of the Apostles, in: T. E. Klutz (Hg.), Magic in the Biblical World. From the Rod of Aaron to the Ring of Solomon, JSNT.S 245, London/New York 2003a, 100-124. C. R. Matthews, Articulate Animals: A Multivalent Motif in the Apokryphal Acts of the Apostles, in: F. Bovon/A. G. Brock/C. R. Matthews, The Apocryphal Acts of the Apostles. Cambridge 1999, 205-232. C. Moss, Miraculous Events in Early Christian Stories about Martyrs, in: T. Nicklas/J. E. Spittler (Hg.), Credible, Incredible. The Miraculous in the Ancient Mediterranean, WUNT 321, Tübingen 2013, 283-301. F. Neirynck, The Miracle Stories in the Acts of the Apostles. An introduction, in: J. Kremer (Hg.), Les Actes des Apôtres: Traditions, redaction, théologie, BEThL 48, Leuven 1979, 169-213. J. C. Paget, Miracles in early Christianity, in: G. Twelftree (Hg.), The Cambridge Companion to Miracles, Cambridge/New York 2011, 131-148.

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Wundererzählungen in den Akten der Apostel – eine Hinführung

D. Pao, Physical and Spiritual Restoration. The Role of Healing Miracles in the Acts of Andrew, in: F. Bovon/A. G. Brock/C. R. Matthews, The Apocryphal Acts of the Apostles, Cambridge 1999, 259-280. R. I. Pervo, Narratives about the Apostles: Non-canonical Acts and Related Literature, in: A. Gregory/C. Tuckett (Hg.), The Oxford Handbook of Early Christian Apocrypha, Oxford/New York 2015b, 65-89. E. Plümacher, Τερατεία. Fiktion und Wunder in der hellenistisch-römischen Geschichtsschreibung und in der Apostelgeschichte, in: ders., Geschichte und Geschichten. Aufsätze zur Apostelgeschichte und zu den Johannesakten, hrsg. v. J. Schröter und R. Brucker, Tübingen 2004d, 33-83. T. Pratsch, »… erwachte und war geheilt«: Inkubationsdarstellungen in byzantinischen Heiligenviten, ZAC 17 (2013), 68-86. M. Rydryck, Miracles of Judgment in Luke-Acts, in: S. Alkier/A. Weissenrieder, Miracles Revisited. New Testament Miracle Stories and their Concepts of Reality, SBR 2, Berlin/ New York 2013, 23-32. R. N. Slater, An Inquiry into the Relationship between Community and Text: The Apocryphal Acts of Philipp 1 and the Encratites of Asia Minor, in: F. Bovon/A. G. Brock/C. R. Matthews, The Apocryphal Acts of the Apostles. Cambridge 1999, 281-306. C. M. Thomas, Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum, ZNT 18 (2006), 52-63. J.-M. Van Cangh, Miracles évangéliques – Miracles apocryphes, in: F. Van Segbroeck et al. (Hg.), The Four Gospels 1992, FS F. Neirynck, BEThL 100, 4 Bde., Leuven 1992, Bd. 3, 2277-2319. D. Zeller, Wunder und Bekenntnis. Zum Sitz im Leben urchristlicher Wundererzählungen, BZ NF 25 (1981), 204-222 (wieder abgedruckt in: ders., Jesus – Logienquelle – Evangelien, SBAB.NT 53, Stuttgart 2012, 229–247). R. Zimmermann, Von der Wut des Wunderverstehens. Grenzen und Chancen einer Hermeneutik der Wundererzählungen, in: B. Kollmann/ders. (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen: Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014a, 27-52. Ders., Gattung »Wundererzählung«. Eine literaturwissenschaftliche Definition, in: B. Kollmann/ders. (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen: Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014b, 311-343. Ders., Phantastische Tatsachenberichte?! Wundererzählungen im Spannungsfeld zwischen Historiographie und Phantastik, in: B. Kollmann/ders. (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen: Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014c, 469-494.

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Apostelgeschichten und antiker Roman 1. Der antike Roman Die Antike hat keinen zusammenfassenden Namen und keine literarische Theorie für die Roman-Literatur (Rohde 1960, 178-180; Helm 1956, 7; Müller 1981, 387f.). Was modern unter der Gattung Roman zusammengefasst wird, bietet allerdings für den Liebesroman nach antiken Verhältnissen »ein ungewöhnlich geschlossenes Bild« (Müller 1981, 388). Erhalten ist aus der griechischen Literatur als ältester Liebesroman Kallirhoë mit historisierender Einleitung. Er wurde von Chariton von Aphrodisias im 1. Jh. n. Chr. verfasst (Holzberg 1986, 52-58). In die frühe Kaiserzeit (2. Jh. n. Chr.) gehört auch der Liebesroman Ephesiaka des Xenophon von Ephesus; er reiht eine Fülle von Abenteuern der beiden Liebenden aneinander (Müller 1981, 399). Aus der Zweiten Sophistik stammen von Achilleus Tatios Leukippe und Kleitophon (2. Hälfte 2. Jh.), Heliodors, Aithiopika (Ende 3. Jh.) und der lateinische Roman von Longos: Daphnis und Chloe (Anfang 3. Jh.; Holzberg 1986, 103-124). Neben der Ausformung zum Liebesroman vermischt sich der Roman als »offene Form« auch mit der Biographie, die ebenfalls eine offene Form besitzt (Müller 1981, 392; Vines 2002, 69-121). Es überschneiden sich Roman und Biographie im Apollonius von Tyana des Philostratos (1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.), in dessen romanhafte Biographie aretalogische Wundergeschichten eingestreut sind (Esser 1969, 111). Die lehrhafte Biographie von Jamblichos zu Pythagoras enthält ebenfalls romanhafte Partien mit Wundergeschichten (du Toit 2002, 275f.; Keener 2011, 6870). Auch der Alexanderroman von Ps.-Kallisthenes (3. Jh. n. Chr.) gehört wie die volkstümliche Vita Homeri und der Äsoproman in die hellenistische Romanliteratur; die romanhafte Bios- und Geschichtsliteratur steht in fließendem Übergang zu Werken der Hochliteratur wie Herodots Historien und Xenophons Kyropädie (Reiser 1984, 161). Ein weiterer Bereich ist die griechische Reiseliteratur. Homers Odyssee, Herodots ethnographische Exkurse und der Alexanderzug beeinflussen die Liebesromane und Romanbiographien und regen die Schaffung utopischer Reiseberichte an. Letztere sind aber nur fragmentarisch überliefert: Euhemeros von Messene (um 300 v. Chr.) erzählt von utopischen Staatswesen, in denen die griechischen Götter lediglich Könige sind; Theopomp von Chios (4. Jh. v. Chr.) schildert einen entlegenen utopischen Kontinent; Hekataios von Teos (3. Jh. v. Chr.) kennt ein Land der Hyperboreer, das noch nördlich vom Nordwind liegt; Iambulos (3.-1. Jh. v. Chr.) beschreibt einen Sonnenstaat auf Sieben Inseln; die Erklärung der ganzen Welt und Völker (um 350 n. Chr.) träumt von einem fernöstlichen Wunderland, in dem es täglich vom Himmel Brot regnet und es keine Wanzen und kein anderes Ungeziefer mehr gibt (vgl. ActJoh 60f.); Antonius Diogenes (1. Jh. n. Chr.) schreibt den Reiseroman Die Wunder jenseits von Thule und Iamblich (2. Jh. n. Chr.) verfasst Babylonische Geschichten (Kytzler 1983, 667-714). Ganz erhalten ist hingegen der satirische utopische Reisebericht von Lukian von Samosata (2. Jh. n. Chr.), Wahre Geschichten (Ehlen 2004, 23-25). 45

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Themenartikel

Ein vierter Bereich sind die lateinischen komisch-realistischen Romane: Petron (1. Jh. n. Chr.), Satyrikon und Apuleius (2. Jh. n. Chr.), Metamorphosen (Holzberg 1986, 73-99) mit der griechischen Parallele von Lukian, Lucius. Letztere haben verloren gegangene griechische Vorgänger, auf die der byzantinische Patriarch Photios verweist (bibl. 129; Holzberg 1986, 87-92). Liebesroman, Romanbiographie, utopischer Reisebericht und komödiantischer Roman sind nicht streng voneinander getrennt, sondern überlagern sich ständig. Gegenüber dem Epos formt der Roman individuelle Charaktere, arbeitet gegenüber der Monoglossia des epischen, allwissenden Autors mit der Polyglossia des sich hinter den Figuren verbergenden antiken Romanautors (Vines 2002, 71-80). Der Alltag der Komödie bestimmt gegenüber dem hohen Level des Epos die Dramatik der Handlung mit primären, alltagsbezogenen und poetischen, fiktionalen Kleingattungen (Vines 2002, 108-121).

2. Wunder in den Romanen Die auffallendste Gestalt eines Wundertäters ist Apollonius von Tyana in der Romanbiographie Philostrats: […] Dämonenaustreibungen (IV 20.25; VI 27) […] Pestvertreibung (IV 10), Erweckung einer Toten (IV 45). Apollonius erscheint plötzlich an einem entlegenen Ort (IV 10, VIII 10) […] Auch er weiß alles, kennt die Zukunft (VII 10), weiß selbst das, was die Menschen verschweigen (I 32); von Heilungen wird viel erzählt, besonders auch beim Besuch der Weisen (III 38: Heilung eines Besessenen, eines Lahmen und eines Blinden). Es wird von ihm gerühmt, er habe Macht über Feuer und Sturm und jegliche andere Gefahr (IV 13), Erdbeben versteht er zu stillen (VI 41). Wilde Tiere greifen ihn nicht an (IV 24, VIII 30); ein wütender Hund, der einen Menschen gebissen hatte, legt sich ihm zu Füßen und wedelt wie ein Flehender (VI 43). Und was wir auch fortwährend bei den Aposteln sehen: Fußfesseln vermögen ihn nicht zu halten (VII 38) […] Auch das Sich-Öffnen der Türen begegnet bei Apollonius von Tyana (VIII 30) und neben der Apg (5,19f.; 12,5-19; 16,26-40) schon in den ältesten Missionsaretalogien (Eur. Bakch. 443ff., 615ff.; Ovid met. III 699) (Söder 1969, 76).

Wunderkraft besitzen auch Hauptpersonen von nicht romanhaften Biographien: Diogenes Laertios, Empedokles; Plutarch, Numa; Sueton, Vespasian; Lukian, Alexander von Abonuteichos u.a. (Dormeyer 2013, 69-78). Söder trennt zu Recht zwischen »aretalogischem Element« und »teratologischem Element«. Aretalogie meint Wundertaten, die ein Wundertäter aufgrund eigener Wundervollmacht im Auftrag einer Gottheit ausführt: »Das aretalogische Element, das sich gleichfalls von Anfang an in der romanhaften Literatur der Griechen findet, ist die Betonung des Wunderbaren in der Kraft des geschilderten Helden« (Söder 1969, 51). Söder streicht heraus, dass sich in den Romanen mit Ausnahme von Apollonius von Tyana »richtige Wundererzählungen« nicht ereignen im Unterschied zu den Apostelgeschichten. Auch im Alexanderroman geschehen viele Wunder, aber Alexander selbst übt keine Wunder aus (Reiser 1984, 159). »In 46

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Apostelgeschichten und antiker Roman

den AGG [Apostelgeschichten, D.D.] dagegen finden sich solche Wundergeschichten rein aretalogisch, sei es, daß die Kraft des Apostels sich in ihnen kundgibt, sei es, daß Gott selbst die areté seiner Jünger dadurch bestätigt« (Söder 1969, 78f.). Die Apostel haben von Jesus die Wunderkraft der angebrochenen Königsherrschaft Gottes erhalten (Mk 3,15 parr.; 6,7 parr.; QLk 10,9); den Hauptfiguren der Romane fehlt jedoch solche Wunderkraft. Bei Xenophon von Ephesus kann zwar der Held Habrokomes trotz seiner Fesselung ungehindert auf dem Nil schwimmen (Xen. Eph. 4,2); seine Geliebte und Ehefrau Antheia wird von zwei fürchterlichen Hunden, die sie zerfleischen sollen, nicht angerührt (Xen. Eph. 4,6). Doch in beiden Fällen liegen Mirabilia oder Terata vor, staunenswerte Ereignisse, nicht menschliche Wunderkräfte. Leider rechnet Söder ungenau zur Aretalogie auch die wunderbaren Taten, die von übermenschlichen Nebenfiguren wie Magiern und Zauberinnen und von übermenschlichen Kräften wie Naturmächten, Dämonen und Gottheiten ausgehen und die eigentlich nach ihrer Differenzierung zu der Teratologie gehören müssten (Söder 1969, 79-102). Denn unter Teratologie zählt Söder erstaunliche Vorgänge und Zustände auf, die Mirabilia: Menschenfresser, fabelhafte Völker und Menschen, wunderbare Pflanzen, redende Tiere und plötzliche Errettungen, Reisen zum Mond (Söder 1969, 103-112). Besonders die utopischen Reiseromane entführen den Leser in entfernte und unentdeckte Landschaften. Noch war ja die bewohnte Welt nur zum Teil erkundet. So blieb viel Raum für phantastische Gegenden voller τέρατα (terata). Die komödiantischen Romane Metamorphosen oder Der Goldene Esel von Apuleius und Lucius von Lukian leben vom Spanungsbogen der wunderbaren Verwandlung des Helden Lucius in einen Esel (Apul. Met. 3,24f.; Luc. asin. 13) und der wunderbaren Rückverwandlung in einen Menschen durch Rosen (Luc. asin. 54) bzw. durch die Göttin Isis (Apul. Met. 11,12-15). Es handelt sich um die τέρατα (terata) einer Zauberin und den Gegenzauber der Göttin Isis. Isis lenkt wie der Heilige Geist in der Apostelgeschichte das Schicksal der Hauptfiguren. Die Liebesromane leben von der Spannung der Trennung der Liebenden und der glücklichen Wiedervereinigung am Ende. Dazwischen ereignen sich viele Terata-Wunder. In den Ephesiaka des Xenophon von Ephesus eröffnet ein Orakel des Apollon von Kolophon die Handlung. Es werden viele Leiden und die abschließende Rettung verheißen (Xen. Eph. 1,6). Höhepunkt der Leiden ist die Kreuzigung von Abrokomes, dem Ehegatten von Anthia, am Nil. Der Gekreuzigte betet zum obersten Gott von Ägypten: So betete er, und der Gott erbarmte sich seiner, Windeswehen kam plötzlich auf und stürmte gegen das Kreuz und stürzte es zusammen mit dem Felsen, auf dem es stand, in die Tiefe. Abrokomes fiel in den Strom, wurde dahingetragen, und die Fesseln behinderten ihn nicht, und die wilden Tiere fügten ihm kein Leid zu; die Strömung trug ihn dahin, und er trieb bis dort, wo der Nil in das Meer mündet. Dort fischten ihn die Wächter heraus […] (Xen. Eph. 4,2; Übers. Kytzler 1983).

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Abrokomes ist Objekt der Wundertaten einer Gottheit, insbesondere der Isis, nicht Subjekt einer Wundermacht. Er bedarf noch eines zweiten Wunders (θαῦμα), und zwar der Löschung eines brennenden Scheiterhaufens, bevor der Statthalter von Ägypten den göttlichen Schutz über ihn anerkennt (Xen. Eph. 4,2). Auch Anthia betet zu Isis und erfährt auch ihren Schutz, z.B. durch Zähmung der furchtbaren Hunde, mit denen sie in einer Grube eingeschlossen wurde (Xen. Eph. 4,3-6). Nach glücklichem Wiederfinden zählt Anthia ihrem Gemahl noch einmal den Peristasenkatalog ihrer Leiden auf (vgl. 2 Kor 11,16-33): »O mein Gatte und Gebieter«, flüsterte sie, »ich habe dich wieder! Durch Land und Meer bin ich weit umhergereist, ich bin den Drohungen der Räuber entflohen, den Nachstellungen der Piraten, dem Übermut der Kuppler, den Fesseln, der Grube, den Brettern, dem Gift und dem Grab. Aber ich komme zu dir zurück, Abrokomes, Herr meiner Seele, so wie ich war, als ich damals von Tyros nach Syrien fortgeschleppt wurde« (Xen. Eph. 4,14; Übers. Kytzler 1983).

Es geht um die eheliche Keuschheit, die für beide Partner gilt und die von beiden bewahrt worden ist. So »ergibt sich ein konsequenter Parallelismus der Handlungsführung als die erzähltechnische Umsetzung des gleichmäßig verteilten Leserinteresses an den beiden Romanhelden« (Müller 1981, 400). Sie verkörpern die Hochschätzung der ehelichen Liebe und Treue in der Prinzipatszeit (Dormeyer 1993, 77f.).

3. Apostelgeschichten und die antike Romanliteratur Söder hatte fünf Elemente bestimmt, die überhaupt das Wesen des Romanhaften in der griechischen Literatur ausmachen: 1. das Element der Wanderung, 2. das aretalogische Element, 3. das teratologische Element, 4. das tendenziöse Element, religiöser, philosophischer, politischer und ethischer Art, 5. das erotische Element, voll ausgebildet, allerdings erst im sophistischen Roman (Söder 1969, 3f.).

Alle fünf Motivkreise prägen auch die Apostelgeschichten (Söder 1969, 181-183). Dieser Befund ist zutreffend, erfasst aber nur die Motive, nicht die literarische fiktionale Gestaltung der antiken Romane und der Apostelgeschichten (Ehlen 2004, 13-15). Schneemelcher/Schäferdiek kritisieren daher bei Söder die Unklarheit der Definition von Aretalogie, die ja keine Großgattung, sondern »eine inhaltliche Aussage« sei (Schneemelcher/Schäferdiek 1997, 75; Esser 1969, 101; Dormeyer 2005b, 109f.). Ergänzen lässt sich, dass die τέρατα (terata), die die erstaunenswerten Vorgänge, Zustände und Rettungen beinhalten, zwar zum Bereich der Aretalogie gehören, sich aber von den ἀρεταί (aretai) noch deutlicher als bei Söder trennen lassen, wenn Letztere nur auf den menschlichen Wundertäter bezogen werden. Das Neue Testament wählte zwar für die menschlichen Wundertaten nicht den Begriff ἀρετή (aretē), sondern andere Substantive und Verben wie δύναμις (dynamis), θαῦμα (thauma), σημεῖον (sēmeion), θεραπεύω (therapeuō), ἐκβάλλω (ekballō) (Zimmermann 2013a, 18-22), gebrauch48

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Apostelgeschichten und antiker Roman

te jedoch τέρατα (terata) nur für die Taten Gottes (vgl. Röm 15,19; 2 Kor 12,12; Mk 13,22 par.; Apg 2,19 u. ö.; Alkier 2001, 290). Der Vergleich der Apostelgeschichten mit den antiken Romanen soll nach Schneemelcher/Schäferdiek und Holzberg nicht nur die Ähnlichkeit der Motive herausarbeiten, sondern die fiktionale Gesamtgestalt berücksichtigen: Die Verfasser der Apostelgeschichten schufen »zweifellos einen neuen Typus fiktionaler Prosaerzählung, den man mit einem gewissen Recht als frühchristlichen Roman bezeichnen könnte. Zur Gattung des antiken Romans wird man ihn freilich nicht mehr zählen, sondern mit ihm dessen Rezeptionsgeschichte beginnen lassen« (Holzberg 1986, 19; Schneemelcher/Schäferdiek 1997, 78). Schneemelcher/ Schäferdiek heben als Spezifikum gegenüber den Romanen heraus: Ihre besondere Prägung bekommen die AGG durch die Stellung der Apostel. Sie (und nicht die emanzipierten Frauen) stehen im Mittelpunkt der Werke, um ihretwillen sind die AGG geschrieben worden. Denn sie sollen die Träger der Botschaft sein, die in der Form, die dem Roman nahesteht, verkündet wird. So verbinden sich hier die Intentionen der Unterhaltung, der Belehrung und der religiösen Propaganda zu einer eigenartigen Gattung, die für spätere Hagiographie den Ausgangspunkt darstellt (Schneemelcher/ Schäferdiek 1997, 78).

Die Intentionen der Unterhaltung, Belehrung und religiösen Propaganda lassen auf das Lesepublikum schließen. Adressaten sind nicht bildungsferne Volksschichten, sondern eine gebildete Leserschicht. Ähnlich wie bei den neutestamentlichen und apokryphen Evangelien haben die paganen Schöpfungen einen höheren literarischen Rang. Die Biographien von Plutarch übertreffen die Evangelien bei weitem an ästhetischer Gestaltung (Dormeyer 2005b, 125-134.166-185; Burridge 1992). Die Romane exzellenter Schriftsteller wie Chariton, Xenonophon von Ephesus, Achilleus Tatios, Heliodor, Philostrat, Longos, Petron, Lukian und Apuleius übertreffen an Poetizität die Apostelgeschichten. Doch der Alexanderroman des unbedeutenden Ps.-Kallisthenes kommt in Stil und Aufbau nahe den Evangelien (Reiser 1984) und den Apostelgeschichten. Alle Romane nehmen alte Traditionen auf und arbeiten sie ein. Den großen antiken Schriftstellern gelingt dieser Sammlungsprozess eleganter als den Apostelgeschichten. Es ist ein Genuss, z.B. die Parallelfassungen zu Lucius, dem verwandelten Esel, von Lukian und Apuleius miteinander zu vergleichen. Entsprechend haben auch die Apostelgeschichten überliefertes Material verarbeitet, ohne dass der Wortlaut der Tradition eindeutig erkennbar wird. »Die Scheidung von Tradition und Komposition ist schwierig und kann sicher nicht nach einheitlichen Kriterien in gleicher Weise bei allen AGG vorgenommen werden« (Schneemelcher/Schäferdiek 1997, 79). Die Endgestalt bildet den Zugang zur Interpretation der Apostelgeschichten und der antiken Romane. Romanbiographie, Liebesroman und utopischer Reiseroman bilden zu den Apostelgeschichten die nahesten Parallelen, aber auch der komödiantische Roman wirkt ein, z.B. beim Wanzenwunder (ActJoh 60f.). Parallel zu den Romanbiographien, Liebesromanen und utopischen Reiseromanen entführen die Thomasakten den Leser in das ferne Indien, das bereits seit dem Alexanderzug bekannt ist (Philostr. vit. Ap.; Ps.-Kall. Alex.). Gleich die Einleitung macht in Anlehnung an die lukani49

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sche Apostelgeschichte klar, dass der Leser auf die Reise der Apostel »an die Grenzen der Erde« (Apg 1,8) mitgenommen wird: Zu jener Zeit waren wir Apostel alle in Jerusalem, Simon, genannt Petrus, und Andreas, sein Bruder, Jakobus, des Zebedäus Sohn, und Johannes, sein Bruder, Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus (des Alphäus Sohn), und Simon, der Kanaanäer, und Judas (des Jakobus Bruder); und wir verteilten die Gegenden der Erde, dass ein jeder von uns in die Gegend, die durchs Los auf ihn käme, und zu dem Volke, zu welchem der Herr ihn schicke, reisen solle. Nach dem Lose kam nun Indien an Judas Thomas, der auch Zwilling heißt (ActThom 1; Übers. Drijvers 1997).

Thomas wird gegen seinen Willen vom Herrn nach Indien als Sklave verkauft; nach der Schiffsfahrt in Andrapolis angekommen, verliebt sich eine hebräische Flötenspielerin in ihn (ActThom 1-8): »Denn sie liebte ihn sehr als ihren Landsmann; er war aber auch von Ansehen jugendlich schön, mehr als alle dort Anwesenden« (ActThom 8). Er aber enthält sich Christus zuliebe der erotischen Leidenschaft (ActThom 9). Der Liebesroman wird jetzt zur nahesten Parallele. Es gelingt Christus, in der Gestalt des Thomas die Tochter des Königs und den Bräutigam in der Hochzeitsnacht ebenfalls von der Enthaltsamkeit zu überzeugen (ActThom 9-15). Natürlich ist der König aufgebracht und will den Zauberer hinrichten; doch Thomas befindet sich bereits wieder auf der Schiffsfahrt nach Indien, und die betrübte Flötenspielerin wird durch den neuen Glauben und die Enthaltsamkeit des königlichen Brautpaares getröstet und wird zur Verkünderin von Christus vor dem König (ActThom 16). Die ersten Kapitel der Thomasakten verbinden Reiseroman, Liebesroman und biblische Geschichtsdarstellung anschaulich und spannungsvoll. Zum Offenbarungswunder, dass Christus selbst in der Gestalt des Thomas im Brautbett liegt und lehrt, tritt ein weiteres Wunder im Stile der Wunder des Propheten Elischa hinzu. Wie Elischa von jungen Burschen verspottet wird, sie verflucht und wie Gott diese durch zwei Bären zerreißen lässt (2 Kön 2,23f.), so sorgt Gott auch für die Vergeltung eines Backenstreiches, eine Vergeltung, die beim Backenstreich für den Herrn während der Passion noch ausbleibt (Joh 18,22). Thomas fastet während des öffentlichen Festmahles wegen der königlichen Hochzeit: Während aber der Apostel zur Erde hinsah, streckte einer der Weinschenke seine Hand aus und gab ihm einen Backenstreich. Der Apostel aber hob seine Augen auf, richtete sie auf den, der ihn geschlagen hatte, und sprach: »Mein Gott wird in der zukünftigen Welt dies Unrecht vergeben, in dieser Welt aber wird er seine Wunder zeigen, und ich werde jetzt gleich sehen, wie die Hand, die mich geschlagen hat, von Hunden fortgeschleppt wird« (ActThom 6; Übers. Drijvers 1997).

Anschließend trägt Thomas ein Lied vor. Denn als Haupttätigkeit predigt er wie der Herr, die Apostel in der lukanischen Apostelgeschichte, der Wanderphilosoph Apollonius von Tyana und Pythagoras. Und siehe da, der Übeltäter des Backenstreichs geht kurz darauf zum Wasserholen zu einer Quelle, wird dort von einem Löwen zerfleischt, ein schwarzer Hund packt die sündige Hand und bringt sie zum Gelage. Die hebräische Flötenspielerin findet spontan zum Bekenntnis: »Dieser Mensch ist entweder ein Gott oder ein Apostel Gottes«. Wie in der lukanischen Apostelge50

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schichte glauben einige, während andere ungläubig bleiben (Apg 13,48-52; 14,4-6). Die τέρατα (terata) sind keine Beweise, sondern Symbole. Gott schafft das moralisch Unreine aus der Gesellschaft (Apg 5,1-11; vgl. Dormeyer z.  St. in diesem Band). Der Apostel Thomas wiederum heilt durch seine Wunderkraft in der Vollmacht des Herrn die Störungen der Schöpfung und Gesellschaft, findet aber beim König und seinen Freunden keinen Glauben: Sie [die Freunde, D.D.] sagten ihm [dem König, D.D.] aber: »Weder hat er einen Palast gebaut noch etwas anderes von dem getan, was er zu tun versprach, sondern er geht in den Städten und Dörfern umher, und wenn er etwas hat, gibt er alles den Armen und lehrt einen neuen Gott […] und pflegt Kranke und treibt Dämonen aus und tut viele andere Wunder« (ActThom 20; Übers. Drijvers 1997; vgl. Mk 6,7-12 parr.).

Die Wunder des Thomas symbolisieren den Anbruch des Eschatons. Noch stärker als die Thomasakten sind die Taten des Paulus und der Thekla innerhalb der Paulusakten von dem Liebesroman geprägt (ActThecl; ActPl; Schneemelcher/Kasser 1997, 216-224). Thekla hört in Ikonium die Predigt des Paulus am Fenster eines benachbarten Hauses. Tag und Nacht verlässt sie den Fensterplatz nicht, sondern drängte sich im Glauben in unaussprechlicher Freude herzu. Da sie aber noch viele Frauen und Jungfrauen zu Paulus hineingehen sah, hatte sie das Verlangen, auch sie möchte gewürdigt werden, vor dem Angesicht des Paulus zu stehen und das Wort Christi zu hören. Denn sie hatte Paulus von Angesicht noch nicht gesehen, sondern hörte nur sein Wort (ActThecl 7; Übers. Schneemelcher in Schneemelcher/Kasser 1997).

Das Wort Christi und das Wort des Paulus sind noch nicht voneinander getrennt. Die leidenschaftliche Liebe Theklas gilt Paulus und seinem Wort. Die Mutter von Thekla und der Bräutigam Theklas betreiben die Verhaftung von Paulus und den Prozess gegen ihn vor dem Statthalter (ActThecl 8-17). Thekla besticht die Wärter, die Paulus bewachen, und »küßte auch seine Fesseln«; die Ihrigen finden sie »sozusagen mitgefesselt durch ihre Liebe«; Paulus wird vor den Richterstuhl geführt; »Thekla aber wälzte sich auf der Stelle, wo Paulus lehrte, als er im Gefängnis war« (ActThecl 18-20). Gleich das zweite Gedicht von Ovids Liebesliedern (Amores) beginnt programmatisch mit einer ähnlichen Topik, die hier offenkundig weiterwirkt: Was hat das zu bedeuten? Das Lager kommt mir so hart vor, Und es fährt auf dem Bett Laken und Decken daher. Schlaflos hab ich die Nacht – wie währte sie lange! gelegen, Hab mich gewälzt und noch jetzt spür ich im Leib das Gebein. Fiel eine Liebe mich an, ich denk doch, ich müßte es merken. Oder schleicht sie und wirkt heimlich und listig versteckt? Doch wird es sein! Der Pfeil, der spitzige, hängt schon im Herzen, Amor ist da! Ein Tyrann herrscht er und wühlt in der Brust (Ov. am. 1,2,1-8; Übers. Marg/Harder 1992).

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Thekla ist plötzlich vom Liebespfeil Christi getroffen worden und liebt noch in erotischer Weise den Verkünder der Liebe, Paulus. Seinetwegen verweigert sie die Ehe mit ihrem Bräutigam, wird zum Feuertod verurteilt und schaut in der Ferne den Herrn in der Gestalt des Paulus (ActThecl 20-21; Esch 2005, 162f.). Da Thekla beim Besteigen des Scheiterhaufens gläubig ein Kreuz schlägt, bewirkt Gott τέρατα (terata), löscht mit Regengüssen den Scheiterhaufen und lässt Thekla unverletzt von ihm herabsteigen (ActThecl 22). Thekla trifft anschließend Paulus, zieht mit ihm nach Antiochien und wird dort erneut zum Tode verurteilt. Sie findet dort in Tryphäna eine wohlhabende und mächtige Freundin, die ihr bis zum Tode in Liebe verbunden bleibt (ActThecl 22-43). Gottes τέρατα (terata) retten Thekla auch im zweiten Martyrium, und Thekla tauft sich selbst auf den »Namen Jesu Christi« (ActThecl 23-39). Sehnsuchtsvoll sucht Thekla anschließend Paulus, aber nicht mehr als erotisch Geliebten, sondern als den Apostel in der Verkündigung. Nach dem Wiedersehen in Myra trennen sich beide; Thekla geht nach Seleukia und stirbt dort nach erfolgreicher Verkündigungstätigkeit (ActThecl 40-43). Eine eigene, apostolische Wunderkraft besitzt Thekla im Unterschied zu Paulus nicht; aber sie ist sich in ihren Gebeten sicher, dass Gott sie nicht ohne Rettung lassen wird (ActThecl 37). In einer weitergehenden Deutung hingegen werden auch Thekla die Wunder zugeschrieben (Esch 2005, 163-174). Paulus wirkt ebenfalls noch eigene Wunder aufgrund seiner apostolischen Vollmacht. Auch die Liebe zum gleichen Geschlecht spielt in den Liebesromanen eine große Rolle. Chaireas gewinnt bei der Suche nach seiner geliebten Frau Kallirhoe den Polymarchos als unzertrennlichen Freund (Char. Kall. 4,2,2). Nach dem Wiederfinden und der Vereinigung mit Kallirhoe belohnt Chaireas ihn mit seiner Schwester als Braut (Char. Kall. 8,8,12). Bei den »Liebenden von Ephesos« entbrennt der Räuberführer Korymbos in leidenschaftliche Liebe zu Abrokomes; dieser aber kann ihn erfolgreich zurückweisen (Xen. Eph. 1); der Räuberhauptmann Hippothoos wiederum wird zum treuen Helfer (Xen. Eph. 2-5). Der Apostel Philippos wirbt um den äthiopischen Kämmerer; dieser erhört ihn, aber nicht mit sexueller Erotik, sondern mit der Liebe zu Christus und der Bitte um die Taufe (Apg 8,26-40; Dormeyer 2005a). Die Petrusakten haben analog zu den Romanbiographien den Kampf der beiden Wanderphilosophen Petrus und Simon Magus zum Mittelpunkt. Die Wunder bringen zum Ausdruck, wer die wahre, von Gott und Christus kommende Wunderkraft besitzt (Haehling 2003). In den Andreasakten tritt der Apostel Andreas in Kleinasien und Griechenland als großer Wundertäter auf und erleidet in Patras das Martyrium. Die Johannesakten schildern Johannes als Wanderphilosophen mit einem Kreis von Schülerinnen und Schülern, der auf seinen Reisen im östlichen Mittelmeerraum viele Wundertaten bewirkt und einen friedlichen Tod im Kreise seiner Schüler findet. Wunder aufgrund der eigenen Wundervollmacht der Apostel bringen alle großen Apostelgeschichten: die lukanische Apostelgeschichte, die Andreasakten, die Johannesakten, die Paulusakten, die Petrusakten und die Thomasakten. Außerdem finden Wunder in den Akten des Petrus und Matthias, des Petrus und Andreas, des Philippus und des Barnabas statt. Die Anlehnung an die Romanliteratur 52

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Apostelgeschichten und antiker Roman

ermöglicht es den Apostelgeschichten, die Grunderfahrungen der conditio humana umfassend einzuarbeiten. Zwischen den apokryphen Apostelakten und der neutestamentlichen Apostelgeschichte als erstem Werk besteht allerdings hinsichtlich der antiken Romane ein grundlegender Unterschied. Die Apostelgeschichte gehört zur pathetischen Historiographie (Dormeyer 2009a), die Apostelakten gehören zur Romanliteratur. Die Eigennamen von Amtsträgern in der Apostelgeschichte sind historisch verifizierbar, während die Namen in den Apostelakten außer den neutestamentlich bezeugten Apostelnamen durchgängig Erfindungen sind. Die Reiserouten in der Apostelgeschichte sind differenziert und als Wege- und Schiffsrouten nachprüfbar, während sie in den Apostelakten vage bleiben (Keener 2011, 55f.69). Die soziologischen und politischen Informationen zum Synhedrion, zu jüdischen Religionsparteien, zu den Synagogen in der griechisch-römischen Welt, zu den Rechtsverhältnissen in den Provinzen, Städten und in der Hauptstadt Rom sind zuverlässig, während diese Informationen in den Apostelakten sehr schemenhaft und ungenau bleiben, insbesondere bei den Martyrien. Marguerat spricht zu Recht bei der Apostelgeschichte von einer »Mischung aus Imagination und Realismus«, die von den nachfolgenden Apostelakten zugunsten des rein fiktionalen Romanstils aufgegeben wird (Marguerat 2011, 26f.), während Pervo diese Differenzierung unterlässt: »Acts and its apocryphal successors were not history« (Pervo 2009). In neuer, singulärer Weise drückt das Christentum in den Apostelgeschichten den Glauben aus, dass Gott den neuen, eschatologischen Kosmos in Jesus Christus und seinen Aposteln hat anfanghaft Wirklichkeit werden lassen und die Glaubenden an deren Wunder für immer teilnehmen lässt. Detlev Dormeyer

Literatur zum Weiterlesen R. A. Burridge, What are the Gospels? A Comparison with Graeco-Roman Biography, SNTS. MS 70, Cambridge 1992. D. Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte. Eine Einführung, Darmstadt 1993. Ders., Die Gattung der Apostelgeschichte, in: J. Frey/C. K. Rothschild/J. Schröter (Hg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin/New York 2009a, 437-475. O. Ehlen, Leitbilder und romanhafte Züge in apokryphen Evangelien. Untersuchungen zur Motivik und Erzählstruktur (anhand des Protevangeliums Jacobi und der Acta Pilati Graec. B), Altertumswissenschaftliches Kolloquium 9, Stuttgart 2004. M. Reiser, Der Alexanderroman und das Markusevangelium, in: H. Cancik (Hg.), Markus-Philologie. Historische, literargeschichtliche und stilistische Untersuchungen zum zweiten Evangelium, WUNT 33, Tübingen 1984, 131-165. R. Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, Darmstadt 1969.

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Mehr als nur ein paar Spuren: Humor in Wundererzählungen 1. Formen und Funktionen von Humor Der Titel Von den Pflichten legt eine ernsthafte, wenn nicht gar verbissene Einstellung zum Leben nahe. Ciceros De officiis (eine stark dem Stoiker Panaitios verpflichtete Abhandlung) enttäuscht nicht: »Wir sind nämlich von der Natur nicht so erschaffen worden, dass wir für das Spiel und den Spaß gemacht zu sein scheinen, sondern vielmehr für den Ernst und für einige gewichtigere und bedeutendere Beschäftigungen« (Neque enim ita generati a natura sumus, ut ad ludum et iocum facti esse videamur, ad severitatem potius et ad quaedam studia graviora atque maiora, Cic. off. 1,103) Der homo ludens ist nicht das, was die Natur im Sinn hat. Cicero fährt fort und erklärt, Humor und dergleichen seien statthaft, freilich erst nach Erfüllung der Pflichten. Humor solle auf Bildung und geistige Wendigkeit (ingenuum et facetum) abzielen, nicht aber auf das profusum oder immodestum. In Cic. off. 1,104 postuliert er, dass es zwei unterschiedliche Arten von Humor gebe: den schlechten »ungehobelten, rüden, bösartigen, unanständigen« (illiberale, petulans, flagitiosum, obscenum) und den erstrebenswerten, der »kultiviert, höflich, klug und geistreich« sei (elegans, urbanum, ingeniosum, facetu). Gentlemen bevorzugen Letzteren. Wer sich für Populärliteratur interessiert, wird versucht sein, nach den illiberale etc. zu suchen. Der Instinkt dieser Menschen trügt in der Regel nicht. Cicero wurde für seinen Sinn für Humor bewundert. Antike rhetorische Abhandlungen über Humor sind hilfreich in Hinblick auf die Kriterien, die sie liefern, und die Beispiele, die sie anführen; ihr Humor ist in den meisten Fällen unmittelbar ersichtlich. Die Verwendung von Humor in Gerichts- und anderen Reden zielte darauf, das Wohlwollen des Richters, der Geschworenen und des Publikums zu gewinnen. In der Theorie weniger explizit, aber in Beispielen doch gut belegt ist die Absicht, den Gegner schlecht dastehen zu lassen, weshalb das illiberale und seinesgleichen alles andere als verschmäht wurden. Schon Aristoteles (Arist. rhet. 1415a) knüpfte die Verwendung von Humor an Einführungen, eine auch heute noch geläufige Methode, da Redner, die »Aristoteles« oder »Rhetorik« vielleicht nicht einmal buchstabieren können, ihre Vorträge üblicherweise mit ein paar Witzen beginnen, um ihr Publikum »aufzulockern«. Unter den lateinischen Quellen finden sich Quint. inst. 6,3 und Cic. orat. 2,216-289 (vgl. auch Cic. orat. 87 und ad Her. 1,10). Cicero und Quintilian sind sich darin einig, dass die Definition des Begriffs schwierig ist. Während Cicero Humor eher als eine Gabe der Natur denn als Kunstfertigkeit versteht (orat. 2,216), gesteht Quintilian auch Letzterer Raum zu (inst. 6,3,11). Alle diese Schriften konzentrieren sich auf eine Klassifizierung, was eine erschöpfende Auflistung von Sprachfiguren und Tropen zur Folge hat. Der Ertrag dieser Bemühungen ist jedoch begrenzt. Wenn nicht gerade im Kontext trübsinniger stoischer Ausführungen (oder wenn er nicht über seine Hauptquelle hinausblickte), konnte Cicero Humor ernst nehmen. 54

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Humor in Wundererzählungen

Auf lange Sicht trugen die in De officiis formulierten Vorbehalte den Sieg davon. Ambrosius von Mailand tat es Cicero in seiner Abhandlung über die Pflichten der Kirchenbediensteten gleich. Eine dieser Pflichten bestand darin, Humor zu vermeiden, da dieser, wie er versicherte, in den biblischen Schriften nicht zu finden sei (Ambr. off. 1,23,102). Die Einführung eines neuen exegetischen Geistes im Westen zur Zeit der Renaissance hätte zu einer neuen Überprüfung der Frage führen können, doch sowohl die Reformation als auch die Gegenreformation wollten es anders. Luther wäre biblischem Humor gegenüber offen gewesen, doch die Welle humanistischen Ernstes, gefolgt von altprotestantischer Schulphilosophie erstickte dahingehende Bemühungen bereits im Keim. Der Calvinismus war unempfänglich für den biblischen Witz, wie der Puritanismus unter Beweis stellte, der Jansenismus bot keine und der Pietismus nur sehr wenig Hilfe. Und Rudolf Bultmann, wohl der größte Exeget des 20. Jh. und keineswegs ein humorloser Mensch, konnte geltend machen, dass sich im Neuen Testament nicht eine Spur von Humor finde (Bultmann 1968, 208-210). Dies war der allgemeine Stand der Dinge vor 40 Jahren, als ich anfing, mich mit dem Thema zu beschäftigen (Pervo 1987, 58-66). Diese Sachlage erscheint heute schwer vorstellbar. Die Gleichnisse bringen Licht ins Dunkel. Wie, so mag man sich zu Recht fragen, kann es sein, dass Exegeten in der häuslichen Krise, auf die sich Lk 15,8-10 bezieht, nicht eine Spur von Humor erkennen konnten, nicht einmal im Rückblick? Oder in dem Szenario von Lk 11,58? Oder bei der kampflustigen Witwe von Lk 18,1-8? Es ist nach wie vor leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass zahlreiche Exegeten einsehen, dass der Verwalter in Lk 16,1-8 tatsächlich der Schurke ist, als der er dargestellt wird. Diese durchschaubaren Fälle legen offen, was des Kaisers Kleider waren: die Annahme, Jesus habe ständig über Theologie oder Ethik gesprochen, und zwar auf ziemlich trübsinnige Art und Weise. Gleichnisse waren mit exemplarischen Charakteren ausgestattete Moralgeschichten. Vorausgesetzt, die heutige Forschung erkennt derlei Ansichten nicht mehr notwendigerweise an, bleiben dennoch Fragen: Was sind die Kriterien für Humor? Antiken Rhetorikern gelang es nicht, Humor zu definieren, aber sie lieferten zahlreiche Beispiele für dessen Gebrauch. Liest man diese, die Alte und insbesondere die Neue Komödie sowie Schriftsteller wie Lukian, so legt sich der Schluss nahe, dass einige Formen von Humor beständig sind. Andere sind auf bestimmte Kulturräume und Epochen beschränkt. In einem Seminar über Aristophanes verwendete ich einst Texte, in denen alle Witze getilgt waren, in denen es um Sex und Körperfunktionen ging. Politische und andere Schärfen, die Exegeten mit Hilfe antiker Scholien und moderner Konjekturen zu erklären versuchten, blieben hingegen unangetastet. Somit lag es nahe, dass die Studierenden zu dem Schluss kommen würden, Aristophanes sei schwierig und nicht besonders komisch. Gerade die unanständigen Formen von Humor aber waren es, die die Redaktoren vor der leicht zu beeindruckenden Jugend verbargen, genau wie auch Satire, Ironie und Parodie sowie das zu jeder Zeit beliebte Wortspiel. Dies wird zu einer weiteren Debatte führen. Ich für meine Person habe keine Zweifel daran, dass 2 Kor 55

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12,6-9a die Parodie einer Wundererzählung ist (vgl. Mk 14,32-42); auch andere zweifeln daran nicht. Die Auffassung, auch bei 2 Kor 12,2-5 handle es sich um eine Parodie, ist noch weniger verbreitet. Diejenigen, die keinerlei Verwendung von Witzen gelten lassen und damit auch die Möglichkeit implizit ausschließen, dürfen herausgefordert werden. Es dürfte offensichtlich sein, dass die Definition von »Humor«, um die es hier geht, vieles mit einschließt, was nicht zum Lachen bringt. In der Regel gilt ein Stöhnen als angemessene Reaktion auf ein Wortspiel, und ein schmerzerfüllter Gesichtsausdruck ist die passende Antwort auf boshafte Witze. Definiert man Humor streng als etwas, das Lachen hervorruft, wird sich die Definition auf Aggression und Dominanz konzentrieren (vgl. z.B. Krichtafovich). Auch wenn Aggression den Hintergrund und Ursprung vieler Formen des Humors darstellen mag, beleuchtet sie dessen Funktionen nicht hinreichend. Mit Hilfe von Humor können Menschen sich von sich selbst lösen, so dass sie in der Lage sind, eine Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, ist schließlich nicht immer ein Zeichen für Selbsthass! US-Präsident Abraham Lincoln war ein Meister des selbstironischen und leisen Witzes. Er setzte Humor sowohl dafür ein, einen Stachel zu mildern, als auch dafür, ihn anzuspitzen. Die folgenden Beispiele beinhalten sowohl den aggressiven als auch den nicht aggressiven Typ von Humor. Untersucht man einen Text darauf hin, ob er Humor enthält, dann ist Mehrdeutigkeit sowohl möglich als auch erwünscht. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Gleichnis vom verlorenen Groschen (Lk 15,8-10). Eine Theateraufführung dieser Geschichte, die den Schwerpunkt auf die angestrengten und nicht immer wohlüberlegten Versuche der Frau legt, das abhanden gekommene Geld wiederzufinden, kann angenehm amüsant sein. Wir alle waren schon einmal mit solchem Suchen beschäftigt und lachen später vielleicht über uns selbst – wenn sie denn erfolgreich enden. Von einem feindseligen Standpunkt aus kann die Geschichte dazu benutzt werden, Frauen als irrationale Wesen zu zeichnen. Wieder eine andere Aufführung könnte die Angst und die Anspannung der zunehmend verzweifelten Hausfrau betonen. Alle haben ihre Berechtigung. In dem literarischen Kontext, in dem die Geschichte im Lukasevangelium steht, würde eine heitere Lesart die eher sentimentale erste Erzählung (Lk 15,1-7) auf schöne Weise ergänzen und einen Kontrast zum Nachfolgenden schaffen. Humor unterschiedlicher Art findet sich auch in Wundererzählungen, da diese als Prosa-Miniaturen die meisten, wenn nicht gar alle Elemente beinhalten, die in einer Erzählung vorkommen können, wie z.B. Spannung, Konflikt, Pathos und – fast immer – Überraschung und Irritation (vgl. dazu Definition 1, in Zimmermann, Einleitung in diesem Band). Wundererzählungen haben ihren Sitz im Leben in der Missionstätigkeit. »Mission« ist dabei in einem weiten Sinn zu verstehen, nicht nur im Anwerben von neuen Gläubigen, sondern auch in der Zurückgewinnung Abtrünniger, der Ermutigung Mutloser und ganz allgemein in der Stärkung der Gemeinde sowie verschiedenen apologetischen und polemischen Aufgaben. Insbesondere für »neue« Götter sind Wunder von Nutzen, d.h. für Götter, die ganz neu auftauchen oder Götter, die sich selbst »neu erfunden« haben, indem sie ihren 56

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Humor in Wundererzählungen

Herrschaftsbereich ausgeweitet oder ihrem Angebot neue Dienstleistungen hinzugefügt haben. Die Forschung hat Wunder lange Zeit der missionarischen Propaganda zugeordnet (vgl. Kollmann 1996, 362-369 mit Bezug auf A. v. Harnack). Sofern diese Charakterisierung stichhaltig ist, gehören Wundererzählungen zur Welt der Werbung. Möglicherweise ist die Werbung hinsichtlich ihrer Gestalt und Funktion die beste moderne Analogie zu Wundererzählungen. Werbespots präsentieren ebenfalls eine verdichtete Erzählung in einer typischen Dreifachstruktur: Ein Problem (z.B. Kopfschuppen, verkrüppelte Beine) hindert einen Menschen an der vollen Teilhabe an einem aktiven und glücklichen Leben. Eine Lösung (Produkt, Ritual, Aktion) führt zu augenblicklichem Erfolg, der die beabsichtigten Folgen und sogar unbeabsichtigte Nebenwirkungen mit sich bringt (die Person ist jetzt sexuell attraktiver; der einstige »Krüppel« springt umher und hüpft auf und ab wie ein Kind). Eine weitere Ähnlichkeit zwischen beiden besteht in ihrer Vorliebe für Tropen, insbesondere für Metonymie und Synekdoche, und in ihrem Hang zum Symbolismus. Die Analogie zur Werbung, insbesondere zu Fernsehspots, ist insofern hilfreich, als dadurch der Blick weg von Debatten über »Verstöße gegen die Naturgesetze« u.Ä. hin zu Funktion(en) und Absichten der Wundererzählungen lenkt. Religion könnte ein wettbewerbsfähiger Markt sein. Man mag nun fragen: Kann in Werbespots Humor angewendet werden? Die Antwort lautet: Ja. Humor kann die Zielgruppe gewogen machen und dafür sorgen, dass sie sich eher an ein Produkt oder eine Dienstleistung erinnert. Vor etwa sechs Jahren gab es in den USA im Fernsehen einen Werbespot, in dem ein höchstens zehnjähriges Mädchen seine (attraktive usw.) Mutter fragte, ob sie ihr eigenes Mobiltelefon haben könne. »Möchtest du nicht lieber ein Tattoo?«, lautete das Gegenangebot der Mutter. Dabei konnte man sich aus Sicht einer Mutter aus der oberen Mittelklasse kaum etwas weniger Reizvolles vorstellen als ein Tattoo bei einem jungen Mädchen. Diese erheiternde Antwort blieb – und bleibt – im Gedächtnis. Zudem veranschaulichte sie mit wenigen Worten das Ausmaß des »Problems«. Die schreckliche Situation konnte hier aufgelöst werden, denn hinter dem Spot steckte nichts anderes als ein Telefonanbieter, der so günstige Preise hatte, dass eine Familie sich eine unbegrenzte Zahl von Mobiltelefonen und Dienstleistungen für jedes ihrer Mitglieder leisten konnte. Der Spot endet mit Schnappschüssen von Mutter, Vater, Suzy und Johnny, die alle glücklich mit jemandem telefonieren und dabei ihren verschiedenen Beschäftigungen nachgehen. Metonymie: Die Wirkung, eine glückliche Familie, wird durch die Ursache, ein bezahlbarer Telefondienst, ersetzt.

2. Neutestamentliche Beispiele Die Menschen in der Antike verstanden den Wert des Lachens, um die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen eines Publikums zu gewinnen, sehr gut. Sie erkannten auch den Nutzen von Beleidigungen und anderen sprachlichen Spitzen, um einen Gegner zu diskreditieren (s.o. die Hinweise auf Quintilian und andere). Nehmen wir 57

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Apg 19,13-17 als Beispiel. Die Mission des Paulus war außerordentlich erfolgreich (19,10). Wie ruft der Autor die Erinnerung an diesen Erfolg wach? Mit Hilfe von Wundern. Zunächst fasst er die von Paulus gewirkten Wunder zusammen, dann erwähnt er die Tücher, die mit seiner Haut in Berührung gekommen waren (19,12). Im Folgenden bietet V. 13 eine weitere Zusammenfassung. Einige ortsansässige jüdische Exorzisten warteten mit einer neuen Technik auf: Zusätzlich zu ihren Rezepturen riefen sie den Namen Jesu an, den Paulus predigte. Diese Veränderung war allerdings eher dem Wettbewerb als dem Glauben zuzuschreiben. Die Exorzisten hatten nicht die Absicht zu bekehren, sie wollten Geld verdienen (es muss an dieser Stelle nicht extra betont werden, dass die Exorzismen des Paulus gratis waren). Hier haben wir eine hübsche Portion Ironie mit einer scharfsinnigen, ganz und gar nicht schmackhaften Pointe über den Verlauf der Heilsgeschichte vor uns. Es folgt ein ausdrückliches Beispiel: Ein gewisser Skevas, Mitglied der hohepriesterlichen Familie, die aus irgendeinem Grund in Ephesus residierte, hatte sieben Söhne, die sich darauf verlegt hatten, es bei ihren exorzistischen Praktiken mit den Namen von Jesus und Paulus zu versuchen. Das ist Verleumdung, vergleichbar mit der Behauptung, ein Erzbischof von Canterbury habe sieben Söhne, die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, dass sie angeblich aus dem Jordan stammendes Wasser verkauften, das in der Lage sein sollte, eine Myriade von Krankheiten zu heilen. Das Experiment der Söhne des Skevas war nicht wirklich erfolgreich. Zwar erkannte der Dämon Jesus und Paulus an, jedoch nicht die, die sich auf deren Namen beriefen. Was auch immer andere meinen mögen: Dämonen lehnen ein magisches Exorzismusverständnis ab. Um das deutlich zu machen, fällt dieses Wesen über die Möchtegern-Exorzisten her, so dass sie am Ende vielmehr wie Opfer von Dämonen als wie deren Bezwinger dastehen. Dies ist eine laute und burleske Episode, die bei gläubigen Hörern garantiert herzhaftes Gelächter auslöst, ganz zu schweigen von denjenigen, die Aberglauben und religiösen Schwindel verachten, und sogar bei denen, die selbst nicht immer absolut glaubwürdig sind. Die Erzählung endet, womit sie hätte beginnen sollen: mit verwundeten und nackten Opfern eines Dämons. Diese Pointe veranschaulicht auch Mk 5,1-20 par. gut, eine Erzählung, die Lukas vielleicht vor Augen hatte, als er Apg 19 schrieb. Diese Erzählung in Mk 5 ist ein gutes Beispiel für eine Exorzismuserzählung, die jedes Publikum begeistern würde – sie bietet Dramatik, Humor, Schauspiel und Spannung. Der Abschnitt besteht aus vier Bildern, in denen sich Jesus jeweils mit einer einzelnen Figur oder einer Figurengruppe auseinandersetzt. Die Erzählung eröffnet mit einem Individuum, das so weit wie nur irgend möglich von einer menschlichen und zivilisierten Existenz entfernt ist, mit einem Friedhofsbewohner, den man nicht davon abhalten oder schützen kann, sich selbst zu verletzen. Die Rede vom »Binden« (V. 4) ermöglicht verschiedene Wortspiele: Böse Geister binden (z.B. Lk 13,16) und werden gebunden (Offb 20,2). Szenen, in denen gefeilscht wird, sind oft unterhaltsam (z.B. Gen 18,22-31). Mk 5,6-12 ist dafür ein ergiebiges Musterstück. Der Besessene erzielt den ersten Stich, indem er Jesus mit seinem Namen anspricht und ihm befiehlt, ihm nichts anzuhaben. Man beachte die frequentativen 58

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Imperfekte (V. 8.9.10), die wiederholte Aktion implizieren: »Und er versuchte es erneut …«. In V. 9 hat Jesus den Namen herausgefunden: »Legion«. Es handelt sich also nicht um einen einzelnen bösen Geist, sondern um eine ganze Division dieser Kreaturen. Die Bewohner Palästinas hatten im letzten Drittel des 1. Jh. die Gelegenheit, etwas über Legionen zu lernen, und nur wenige von ihnen waren geneigt, diese mit offenen Armen zu empfangen. Bei diesem lateinischen Wort handelt es sich um eine politische Anspielung. Es ist nicht verwunderlich, dass die Legion mit ihrer großen Anzahl triumphierte und die Bedingungen für ihren Auszug diktieren und eine neue Behausung in Besitz nehmen konnte. Aus jüdischer Perspektive war diese Schweineherde genau der Ort, wohin Legionen gehörten, und wenn die Schweine ertranken, war das sogar noch besser. Diese Perspektive wird im weiteren Verlauf fortgesetzt, wenn die frisch entmachteten Bewohner Jesus dazu auffordern wegzugehen (V. 10.12.17). Der Exorzist wird »exorziert«. Diese launige Geschichte entstand offensichtlich in einem jüdisch-nationalistischen Kontext. Ihre Ursprünge sind möglicherweise nicht in den Kreisen derer zu finden, die Jesus nachfolgten. Sie ist stark anti-römisch und auf kaltschnäuzige Weise anti-heidnisch (V. 18-20 bieten dann einen passenden christlichen Abschluss). Mk 7,24-30, ein Apophthegma, in dem der Exorzismus den Sieger honoriert, enthält eine geistreiche Erwiderung, die auch bei Quintilian Zustimmung gefunden hätte. Wieder ist die Sprache rassistisch, denn »Hund« war (und ist) für Semiten ein beleidigender Begriff. Die heidnische Frau akzeptiert die Beleidigung und fegt sie damit vom Tisch. Die Würdigung dieser scharfen Erwiderung (es handelt sich um den einzigen Bericht über eine Auseinandersetzung, die Jesus verloren hat) wurde in dem Bemühen, seine Historizität zu verteidigen, entschärft und mit einer Prise Jesusfrömmigkeit gewürzt. Überzeugt davon, dass Jesus niemals ein so grobes und unfeines Verhalten an den Tag gelegt hätte, klammerten sich Kommentatoren in den ersten 75 Jahren des 20. Jh. an die Diminutive und verwandelten die Szene so in ein freundliches Gespräch über süße kleine Kinder und ihre niedlichen kleinen Haustiere. Ein typisches Beispiel ist der Kommentar von Julius Schniewind (1956, 107): »An unserer Stelle wird die Schärfe durch die Verkleinerungsform gemildert – man erinnert an die Tobias-Geschichte (Tob 11,3 u. ö.)«. Dabei haben diese Exegeten allerdings die in der Frage der Historizität gewichtigeren Schwierigkeiten ignoriert: Wie konnte es z.B. dieser Frau gelingen, an dem/den Gastgeber/n vorbeizukommen, die Jesus, wie man annehmen kann, von ungebetenen Gästen abgeschirmt haben? Oder: Wie hätte eine Griechin sich mit einem bäuerlichen Galiläer unterhalten können? Dieses Beispiel benutzt eine kaltschnäuzige anti-heidnische Verunglimpfung, um die Anerkennung von Heiden zu fördern. Apg 5,17-25 bietet Humor einer anderen Art. Aus Eifersucht auf die Fähigkeiten der Apostel nehmen der Hohepriester und die Sadduzäer diese fest und werfen sie ins Gefängnis. Das ist in etwa so, als würde die Bundeskanzlerin persönlich, unterstützt von den Christdemokraten, bestimmte Verdächtige verhaften und einsperren. Egal – die Tat wird vollzogen und überrascht nicht. In der Nacht öffnet ein 59

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Engel die Türen und lässt sie hinaus. Ebenfalls keine Überraschung. Als der Morgen kommt, kehren die Zwölf in den Tempel zurück, um zu lehren. Die Ankläger versammeln sich. Apg 5,21b beschreibt diese Versammlung stark übertrieben: Der Hohepriester mit seinem Gefolge, der Sanhedrin und alle Ältesten in Israel kommen zusammen. Der Erzähler ergeht sich in Ausmaß und Feierlichkeit dieser richterlichen Versammlung. Es wird der Befehl ausgegeben, die Gefangenen zu holen. Als die Wachen zurückkehren, haben sie keine Gefangenen bei sich. Ein ausführlicher Bericht bestätigt das Wunder und unterstreicht das Rätsel. Ihre Ratlosigkeit weicht bei der vorhersehbaren Ankunft eines anderen Boten, der ihnen den Aufenthaltsort der Apostel nennt. Der Witz besteht in dem Kontrast zwischen der Selbstsicherheit und Größe des richterlichen Gremiums und dessen Unfähigkeit, ein Dutzend Männer für eine Nacht sicherzustellen. Diese Einschätzung verstärkt sich, wenn man sich die Szene als Film vorstellt: lange Stille, als die Zeit, die es normalerweise dauern würde, die Gefangenen herzubringen, überschritten wird; Unruhe kommt auf; es folgt die alarmierende Enthüllung mit dazugehöriger Verwirrung; eine Gruppe schimpft über mangelnde Sicherheit. Dies alles ist zu erwarten, wenn sich herausstellt, dass diejenigen, die eigentlich völlige und hundertprozentige Kontrolle haben sollten, in Wahrheit keine Kontrolle haben. Dieser Appell an die Phantasie ist nicht unzulässig. Jede Erzählung fordert ihren Lesern Phantasie und Mitwirkung ab. Geschichten wie die in der Apostelgeschichte sollten laut vorgelesen und von Erzählern ausgestaltet werden. Ein Prediger kann sich eine ganze Stunde mit Apg 5,17-25 beschäftigen, ohne alle Möglichkeiten dieses Textes auszuschöpfen. Man kann entweder behaupten, dass Gott die Verantwortung hat, oder man kann es zeigen. Diese drei ausführlichen Beispiele veranschaulichen einen Humor, der auf »den anderen« zielt. Das folgende untersucht einen anderen Typ von Humor. Apg 12,5-17 ist Teil einer Erzähleinheit, die reich an Dramatik und Symbolismus ist, dabei aber nicht frei von Humor (Pervo 2009, 299-315). Ist das geschmacklos? Lukas weiß, dass eine Prise Humor Spannungen sowohl verschärfen als auch mildern kann. Die überspannende Ironie besteht in der Hinrichtung während des Passafestes, dem Fest der Befreiung. Diese Jahreszeit erinnert an eine andere Hinrichtung. In der Nacht vor seinem Tod schläft Petrus, in Fesseln und praktisch umstellt von Wachen (die Ereignisse von Apg 5 sollen sich nicht wiederholen), so fest, dass nicht einmal ein blendendes, ja epiphanisches Licht ihn wecken kann. Mit diesem Licht kam ein Engel. Petrus hat das schon einmal erlebt (5,19), versteht aber trotzdem nichts. Der Engel muss ihn in die Seite stoßen (V. 7; vgl. V. 23) und ihn auffordern, sich zu beeilen. Wie eine Mutter, die ihr widerwilliges Kind überredet, aufzustehen und sich für die Schule fertig zu machen, muss er jedes seiner Kleidungsstücke überwachen: den Gürtel, vergiss deine Schuhe nicht, jetzt den Mantel. Das ist bei einem Schulkind schön und gut, nicht aber in dieser Situation. An dieser Stelle ist das Publikum verrückt vor Sorge und enttäuscht von zwei Charakteren: dem Engel und dem Apostel. Die Anweisung müsste eigentlich lauten: »Schnapp dir deine Klamotten und komm in Schwung!« Dieser Engel wäre ein guter Diener, wenn es darum ginge, Petrus für einen päpstlichen Empfang einzukleiden, aber jetzt 60

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gerade wird niemand benötigt, der dafür sorgt, dass man beim Ausbruch aus dem Gefängnis möglichst gut aussieht. Der Leser wird beim ersten Lesen fast verrückt; auf den zweiten Blick ist Petrus eine amüsante Gestalt; bei noch weiterem Nachdenken stellt sich heraus, dass er den liturgischen Anweisungen für das Passafest folgt. Zu gegebener Zeit wird Petrus als der Typus des Eingeweihten gesehen, der wie ein neugeborenes Kind in die Gefilde des neuen Lebens eintritt. Das Abenteuer des Petrus endet mit einer Szene, wie sie in der Neuen Komödie beheimatet gewesen wäre. Von dem Engel, der ihn befreit hat und nicht länger als nötig geblieben ist, verlassen, muss Petrus sich durch die ärmlichen Straßen zum Haus der Maria schleichen, in dem er Zuflucht finden kann. Dieses letzte Tor ist nicht weniger gefährlich als die vorherigen, denn als er anklopft, öffnet ihm eine gedankenlose Sklavin (in Komödien sind Sklaven immer entweder gewitzt oder extrem begriffsstutzig), Rhode, die beim Anblick des Petrus vor Freude so außer sich ist, dass sie davonstürzt, um die gute Nachricht weiterzugeben. Die unglückliche Komponente ihres Enthusiasmus liegt darin, dass sie den Gast draußen stehen lässt. Abgesehen davon, dass dies von schlechten Manieren zeugt, verschärft sich die Gefahr, da Petrus weiterhin gegen das Tor hämmert. Wie lange kann es dauern, bis die Menschen anfangen, an dem als Hauptquartier einer verderblichen Sekte bekannten Ort nach der Ursache dieses Lärms zu suchen? Denn Rhodes Mitteilung fällt auf steinigen Boden. Die guten Leute halten sie für verrückt. Was sie gesehen habe, sei sein Schutzengel gewesen. Wieder eine Prise Ironie, denn ein Engel hatte gerade die Wachen des Petrus überwunden. Als ihm die Schlüssel zum Himmelreich gegeben wurden, hätte Petrus um einen Generalschlüssel bitten sollen, da Türen und Tore ständige Hindernisse darstellten. Diese Episode ist die »Heimzahlung« für seine Begegnung mit einem anderen Sklavenmädchen (Lk 22,56f.); das Verb διïσχυρίζετο [diischyrizeto] findet sich im Neuen Testament nur in Lk 22,59 und in Apg 12,15; s.u. zu weiteren Begegnungen mit Türhütern). Im Haus der Maria wurde die langgezogene Debatte (vgl. die frequentativen Imperfekte in V. 15f.) schließlich durch den genialen Vorschlag gelöst, jemand anderer möge zur Tür gehen und nachsehen. Die Zielscheibe ist hier nicht eine dumme Sklavin. Sie hat sich behauptet. Petrus für seinen Teil wird gezwungen, über seine frühere Verleugnung nachzudenken, ebenso die Leser. Beiden Abschnitten geht eine Nebenerzählung voraus: Die Gemeinde betet inbrünstig (12,5.12). Ist dies ironisch, weil sie für die Befreiung des Perus beten, obwohl sie von der Vergeblichkeit solcher Gebete überzeugt sind? Das ist möglich, der Erzähler sagt jedoch nicht, dass sie um Befreiung oder Strafaufschub beteten. Der Autor mahnt zu häufigem und inbrünstigem Gebet (Lk 11,5-13), ohne zu behaupten, das Ergebnis entspreche unbedingt dem, was man normalerweise unter einem Wunder versteht. Eine hilfreiche homiletische Schlussfolgerung könnte darin bestehen, dass Gläubige sich nicht von ihrem Gebetsleben davon abhalten lassen sollten, ein Wunder zu erkennen, das sich in ihrer Mitte ereignet. Diese Bestandsaufnahme, die eher veranschaulichend als vollständig sein will, macht die Spannbreite humorvoller Elemente in neutestamentlichen Wundererzäh61

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lungen kenntlich. Auch wenn in den meisten Polemik beabsichtigt ist, können Autoren wie Lukas auch sanfte Pfeile auf die Gemeinde und deren Helden abschießen. Aufgrund einer ehrwürdigen Tradition, die Möglichkeit von Humor auszuschließen, müssen Exegeten den Fokus insbesondere darauf legen, den in den Texten enthaltenen Humor herauszuarbeiten, damit er heute wieder wahrgenommen werden kann. Die ideale Reaktion eines Lesers wäre zu sagen: »Natürlich ist das lustig! Warum habe ich das nicht schon vorher gesehen?« Oder: »Dieser Abschnitt hat mich immer gestört. Diese Erklärung ergibt Sinn«.

3. Beispiele aus den neutestamentlichen Apokryphen In der neutestamentlichen Wissenschaft wurde schon vor langer Zeit erkannt, dass in den Apokryphen Humor begegnet. Dies wurde jedoch als Indiz für ihre Minderwertigkeit angesehen. Gesteht man allerdings den kanonischen Texten die Verwendung von Humor zu, so wird dieses Argument gewaltig geschwächt. Andererseits hat man die strikten Kriterien, anhand derer die christliche Bibel geprüft wurde, bei der Lektüre der apokryphen Texte nicht immer beiseitegelegt. Die Schwierigkeit bei der Auslegung bestand in einem Unwillen, solche Erzählungen als symbolisch und somit als humorvoll zu betrachten. Anders gesagt: Es war schwierig, die Gewissheit aufzugeben, die antiken Leser hätten mehr oder weniger jeden Text für bare Münze genommen. Die Untersuchung beginnt bei Petrus, der erneut einem Türwächter begegnet. Das Material entstammt den Actus Vercellenses 9-14, dem größten erhaltenen Teil der Petrusakten. Der Apostel ist nach Rom gekommen, um eine Gemeinde zu retten, die nach der Abreise des Paulus nach Spanien von Simon verführt worden war. Nachdem eine erste Rückgewinnung gelungen ist, bitten ihn die Gläubigen darum, gegen Simon zu kämpfen (ut committeret se cum Simone). Ein freundlicher Empfang ist höchst unwahrscheinlich. Als der Pförtner herbeigerufen wird, erklärt er Petrus freundlich, Simon habe ihn angewiesen zu sagen, er sei nicht zu Hause, sollte Petrus vorbeischauen (zu einem Witz mit ähnlichem Motiv vgl. Cic. orat. 2,276). Die Freimütigkeit bezeugt die Macht des Petrus. Anstatt den Pförtner melden zu lassen, Simon solle zur Tür kommen, wendet sich der Apostel (angesichts der Menschenmenge) an den riesigen, mit einer schweren Kette angebundenen Wachhund des Simon (vgl. ActPetr 29). Der unerschrockene Seelsorger nähert sich dem Hund und macht ihn von der Kette los. Prompt fragt das befreite Tier Petrus, wie es ihm zu Diensten sein könne. Daraufhin schickt Petrus den Hund los, um Simon zu holen. In ActPetr 12 weist Simon den Hund an zu sagen, er sei nicht zu Hause, woraufhin er sich eine lange Moralpredigt anhören muss. Die frühen Leser wussten aus der Bibel: Wenn Tiere reden, ist die Wahrscheinlichkeit von Orakeln groß (Num 22,28-30). In ActPetr 14 hat Simon das Glück so weit verlassen, dass er von seinen Sklaven mit Fäusten, Stöcken und Steinen geschlagen, mit dem Inhalt von Nachttöpfen getauft und schließlich auf die Straße hinausgetrieben wird. Ein solches Rowdytum ist in 62

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der Neuen Komödie Bestandteil des Standardrepertoires, und man kann es für seine Geschmacklosigkeit, nicht aber für seine Humorlosigkeit verurteilen. Dies ist ein Teil der »Passionserzählung« des Simon, eine kunstvolle Verspottung dessen, was im Falle Jesu Verspottung war. Das ist alles schön und gut. ActPetr 13 jedoch ist so sehr jenseits des Akzeptablen, dass sogar vulgäre Pöbelei ihren Glanz verliert. Als Reaktion auf die Bitte um ein weiteres Zeichen (weil Simon einige ungeheuerlichen Wunder gewirkt hatte) ließ Petrus sich von einem gewöhnlichen Räucherfisch inspirieren, den er in einen glücklicherweise nahe gelegenen Teich warf und im Namen Jesu Christi aufforderte, wiederaufzuleben und zu schwimmen. Dies tat er auch und knabberte an Brotstückchen, die die erstaunten Zuschauer herbeibrachten. Erbärmliche Übertreibung, mögen manche sagen, aber der Zwischenfall ist zweifellos amüsant. (Eine postmoderne Interpretation ist verführerisch, denn dies kann als Verspottung derjenigen verstanden werden, die nach immer größeren und besseren Wundern verlangen.) Petrus wusste eine Menge über Fisch (Mk 1,16-20; Lk 5,1-11; Joh 21,1-14). In gewisser Weise kann dies als Kommentar zu Tert. bapt. 1 gelesen werden (vgl. auch Or. Comm. in Mt. 13,10). Es handelt sich hierbei um eine simple, aber unvergessliche Parabel auf die Erneuerung durch die Taufe: Ein vormals totes Lebewesen wird durch Eintauchen ins Wasser wiederbelebt. Keine Tiergeschichte in den christlichen Apokryphen kann jedoch mit derjenigen konkurrieren, in der Paulus einen Löwen tauft (ActPl 9, möglicherweise auch im Eröffnungskapitel berichtet). Die uns überlieferten Verurteilungen beginnen bei Hieronymus: »Darum klassifizieren wir die Reisen des Paulus und der Thekla und die gesamte Fabel über einen getauften Löwen als apokryphe Schriften« (vir. ill. 7). Die Fakten dieses Falles: Kurz nach seiner Konversion werden der Apostel und zwei Frauen in seiner Begleitung von einem Löwen angesprochen. Anstatt das Trio zu verspeisen, begehrt das Raubtier die Taufe, erhält diese und lebt in der Folge streng zölibatär. Auf der moralischen, fiktiven Ebene beschämt dieses Tier, das für sexuelle Potenz und Heldenmut gerühmt wird, Männer. Symbolisch repräsentiert das Tier den christlichen Sieg über die ungezähmte Begierde. Eschatologisch weist es auf das Ende der Feindschaft zwischen den Arten. Die Klugheit dieser Tat wird bestätigt, als der Apostel in Ephesus den wilden Tieren vorgeworfen werden soll und der wilde Löwe, der ausgewählt worden war, ihn zu zerreißen, sich als kein anderer als sein Schützling erweist. Der Löwe bietet auch eine passende Parallele mit Thekla, wo sich in Kap. 4 eine Löwin, die sie eigentlich verschlingen soll, mit ihr anfreundet. Seit 1950, als Wissenschaftler auf die Möglichkeit stießen, die Erzählung könnte eine symbolische Bedeutung haben, ist das Maß der von Hieronymus vorgebrachten Verachtung zurückgegangen. Wenn sie symbolisch zu deuten ist, könnte in der Erzählung ein kleines bisschen Humor enthalten sein. Eine ähnliche Erkenntnis könnte die Polemik gegen den geräucherten Fisch mildern. Das abschließende Beispiel entstammt den ActPetrAndr 13-21. Dazu aufgefordert, seine Frau und seinen Besitz zu verlassen, wurde der reiche Onesiphorus ausfallend. (Hier handelt es sich um eine Darstellung, die sich stark von der in den 63

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ActThecl 3 unterscheidet.) Als Reaktion zitiert Petrus Mk 10,25. Dies führt zu einer Epiphanie des Heilands als Kind. Er verlangt nach einem Kamel und einer Nadel. Petrus versteht, steckt die Nadel in den Erdboden und weist das Kamel – mit einer christologischen Anrufung – an, durch das Nadelöhr zu gehen, welches sich zuvorkommend öffnet wie ein Tor, so dass das Kamel zweimal hindurch gehen kann. Davon beeindruckt, legt Onesiphorus die Messlatte höher und fordert, dass er sowohl Nadel als auch Kamel, letzteres geritten von einer »unreinen Frau«, sowie einige Schweine herbeibringe, deren Anordnung nicht weiter spezifiziert wird. Ich möchte die Spannung nicht ausdehnen: Petrus wiederholt die Prozedur zweimal. Dies motiviert Onesiphorus dazu, seine Höfe, Weinberge, Edelmetalle und die Freilassung seiner Sklaven anzubieten, wenn er im Gegenzug den Trick selbst vollbringen könne. Es stellt sich heraus, dass er es kann, auch wenn das Kamel nur bis zum Hals durch das Nadelöhr passt, weil Onesiphorus nicht getauft war. Er nahm die Initiation zusammen mit 1000 anderen an. Leider wurde die arme Frau, die als Reiterin herangezogen wurde, um den Abschnitt noch herausfordernder zu gestalten, in der Luft hängen gelassen. Sie schwor, ihren Besitz wegzugeben und ihr Haus in ein Heim für religiöse Frauen umzuwandeln. Alles ging gut aus. Ein Zugang zu diesem Material besteht darin, dessen plumpe Befriedigung des Wunderglaubens und einen übertriebenen Buchstabenglauben zu beklagen. Der Charakter dessen, was uns erhalten ist (eine Fortsetzung der Acta Andreae et Matthiae apud Anthropophagos) stehen diesem Schluss nicht entgegen, die Art der Übertreibung, die Erinnerung an Petrus’ Auseinandersetzung mit Simon und der Gebrauch von Onesiphorus als Zielscheibe wecken jedoch Zweifel. Vor 20 Jahren erschien diese Passage als ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie eine Hyperbel missverstanden werden kann. Inzwischen vermute ich, dass beinahe das genaue Gegenteil davon die wahrscheinlichere Auslegung darstellt.

4. Fazit Frühchristliche Literatur enthält mehr als nur ein paar wenige Spuren von Humor. Wundererzählungen stellen mit ihrer breiten narrativen Ausdehnung und ihrer Intention zu beeindrucken hervorragende Beispiele dar. Einige Arten von Humor – u.a. Wortspiele, bestimmte Arten von Ironie und geistreiche Erwiderungen – scheinen nicht an eine bestimmte Zeit oder Kultur gebunden zu sein. Die Erfahrungen des Simon Magus in seiner Heimat gehören zu dieser Kategorie. Das, was stärker in einer bestimmten Kultur, Subkultur, Altersgruppe oder Epoche verankert ist, ist schwieriger zu fassen. Wer die Bedeutung des Namens Onesiphorus nicht erkennt, wird das Beispiel aus den Acta Petri et Andreae eher als konkrete Erzählung lesen. Hier besteht weiterer Diskussionsbedarf in der Wissenschaft. Häufig ist frühchristlicher Humor in seiner Absicht aggressiv und lässt die Bösen böse aussehen. Ein solcher Humor ist keineswegs auf Minderheitengruppen beschränkt, aber er ist in Minderheitenkulturen tief verwurzelt und kann dazu bei64

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tragen, das Selbstbewusstsein von Außenseitern aufzubauen. Andere Beispiele sind weniger aggressiv. Auch sie verdienen Anerkennung. Die Untersuchung von Humor in Wundererzählungen ist ein Schritt in Richtung einer Anerkennung dieser zweiten Form. Ein Aspekt davon besteht darin, sich darauf zu freuen, jemanden sagen zu hören: »Hast du schon diese Wundererzählung gehört?« Richard I. Pervo

Literatur zum Weiterlesen R. Bultmann, Das Christentum als orientalische und als abendländische Religion (1949), in: ders., Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. 2, Tübingen 1968, 187-210. I. Krichtafovitch, Humor Theory: Formula of Laughter, Denver 2006. R. I. Pervo, Acts. A Commentary, Hermeneia, Minneapolis 2009. Ders., Profit with Delight, Philadelphia 1987.

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Wunder versus Magie und Zauberei »There is no such thing as magic.« (Uncle Vernon, Harry Potter and the Sorcerer’s Stone)

Nicht erst seit dem nun schon bald zwanzig Jahre andauernden Fankult um Harry Potter und seine Abenteuer geht von dem Begriff »Magie« eine unglaubliche Faszination – man möchte sagen »magische Anziehungskraft« – aus. Auch in Kreisen ernstzunehmender Religionswissenschaften gehört die Erforschung vor allem antiker Magie seit etwa dreißig Jahren zu den »großen Themen«, zu denen eine kaum überschaubare Menge von Literatur produziert wird und mit denen sich eine Vielzahl höchst spannender und immer neuer Fragen verbinden. Gerade deswegen ist es keineswegs einfach, das gegenseitige Verhältnis von »Wundern« und »Magie« präzise zu bestimmen. Das Problem erschwert sich vor dem Hintergrund einer Forschungsgeschichte, in der der Begriff »Magie« lange Zeit mit dem (ebenso schwierig zu bestimmenden) Begriff »Religion« kontrastiert wurde. Noch bis etwa zur Mitte des 20. Jh. lassen sich im Grunde zwei einander konträr liegende Vorstellungen erkennen: Während z.B. Ulrich von WillamowitzMoellendorf von der Magie als »Urdummheit« der Menschheit sprechen konnte, die der »Religion« vorausliege (Willamowitz-Moellendorf 1931, 28-31), verstand etwa Samson Eitrem magische Praktiken als Relikte degenerierter Religion (Eitrem 1925, 1). In eine ähnliche Kerbe schlägt Norbert Brox, wenn er von Magie als »überall anwesende[r] Perversion von Religion« schreibt (Brox 1974, 157), doch stellt sich das Verhältnis M[agie] – Religion […] in verschiedenen kulturellen Umfeldern sehr unterschiedlich dar; in manchen Gesellschaften sind beide kulturellen Konzepte nur schwer formulierbar, bzw. es existiert keine Opposition M[agie] – Religion. Manchmal ist das Verhältnis dialektisch, doch sind andererseits strikte Oppositionen auch keineswegs selten (Frenschkowski 2010, 875).

Ähnlich problematisch sind auch Versuche, (aus Sicht einer heutigen Theorie von Wissenschaft) Magie und Wissenschaft miteinander zu kontrastieren. Gerne wurde Magie zudem mit »Zwang« assoziiert, während der »Religion« die »Bitte« entspreche (z.B. de Vries 1962, 218-221; Klauck 1995, 175). In seiner umfangreichen Studie des Jahres 1980 zeigt jedoch David E. Aune, dass vielmehr durchaus das Gegenteil gelten kann: Auch in magischen Texten fänden sich Beispiele für das demütige Bitten, während Religion durchaus auch den Versuch der Manipulation überirdischer Mächte kenne (Aune 2006, 373). Auch Versuche, »Magie« auf soziologischer Ebene zu verstehen, bleiben umstritten: Ist »Magie« als »individualistisch« und anti-sozial außerhalb des religiösen Kollektivs operierend zu beschreiben (Durkheim 1965, 57-59)? Oder soll man gar so weit gehen, ihre »Illegalität« als zentrale Eigenschaft, die Magie von Religion unterscheidet, hervorzuheben (Smith 1975, 23)? 66

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In all diesen Überlegungen wird klar, dass es notwendig ist, sehr genau zu beschreiben, was man unter »Magie« versteht, bevor man sich darüber wissenschaftlich angemessen äußern möchte. Doch auch die Frage nach einer angemessenen Definition des Begriffs wirft eine Vielzahl von Problemen auf. Will man versuchen, »Magie« aus einer Innenperspektive heraus, also soweit wie möglich aus der Sicht dessen, der Magie anwendet(e), zu verstehen (Dickie 2001, 19f.)? Ist so etwas, so wünschenswert es vielleicht sein mag, heute überhaupt noch möglich? Oder soll eine von außen auf magische Phänomene blickende Perspektive eingenommen werden? Soll man heutige Begrifflichkeit einbringen oder sich dem Phänomen über antike Verständnismöglichkeiten annähern? Auch wenn klar scheint, dass weder eine Zeiten und Kulturen übergreifende Definition von Magie, noch die Übernahme der Innenperspektive eines antiken Magiers durch den heutigen Wissenschaftler möglich ist (Versnel 1991, 185), lassen sich die eben gestellten Fragen kaum beantworten. Wo es aber – wie im vorliegenden Fall – vor allem darum geht, Licht auf Verständnismöglichkeiten antiker christlicher Texte, die von wunderbaren Ereignissen sprechen, zu werfen, mag es zunächst einmal interessant sein, sich mit Aussagen antiker Autoren der römisch-hellenistischen Welt zu beschäftigen, die sich aus unterschiedlichen Anlässen mit »Magie« auseinander setzen.

1. Antike »Definitionen« von Magie Bereits in der Antike zeigen sich unterschiedliche Formen dessen, was unter »Magie« zu verstehen ist (vgl. Aune 2007, 249-252; Frenschkowski 2010, 858-873; Graf 1996, 93-104). Ein erster Versuch einer systematischen Einleitung in die Magie und ihre Geschichte ist uns aus der Naturgeschichte Plinius des Älteren (23/24-79 n. Chr.) bekannt (nat. 30,1-18), der Magie auf das Zueinander von Medizin, Religion und Astrologie zurückführt und sie als lügenhaft und letztlich nutzlos ablehnt (vgl. Frenschkowski 2010, 865f.; für eine Gesamtdarstellung betrügerischer magischer Praktiken aus christlicher Sicht vgl. zudem Hipp. haer. 4). Einen interessanten Zugang bietet uns die Verteidigungsrede des Apuleius von Madauros (etwa 125-170 n. Chr.) gegen den (für ihn durchaus gefährlichen) Vorwurf, Magie zu betreiben. Apuleius beantwortet die für seinen Prozess so entscheidende Frage, »was eigentlich ein Magier ist« (Apul. Mag. 25,11), mit einem Verweis darauf, dass (1) im Persischen das Wort Magier zunächst einmal für »Priester« stehe (so schon Herodot; zu persischen Ursprüngen des Wortes »Magie« bzw. »Magier« sowie zur Verbindung »Magie« – »Zoroaster« Frenschkowski 2010, 859-863) und dass wiederum (2) Plato von Magiern als Erziehern persischer Prinzen spreche. Im umgangssprachlichen Gebrauch wiederum (3) sei derjenige »Magier«, der »im gemeinschaftlichen Gespräch mit den unsterblichen Göttern zu all dem, was er will, mit einer geradezu unglaublichen Macht seiner Beschwörungen befähigt ist« (Apul. Mag. 26,6). Apuleius unterscheidet so grundsätzlich zwischen zwei Arten von Ma67

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giern – guten und schlechten. Interessant ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch die von Apuleius v.a. in Mag. 40,3 an die Oberfläche kommende, offensichtlich aber vorausgesetzte Idee, dass der Unterschied zwischen dem Philosophen und dem Zauberer bzw. professionellen Heiler darin zu sehen sei, dass Letzterer auf seinen Profit bedacht sei. Mit dieser Differenzierung zwischen wahrer Magie und Formen der Zauberei durch gefährliche, ja kriminelle Scharlatane steht Apuleius nicht allein – Parallelen zu diesem Denken finden sich u.a. in der Vita Apollonii des Philostrat (etwa 170-247/50), in den Aethiopica des Heliodor von Emesa (4. Jh.), sind aber selbst bei Augustinus bekannt (civ. 10,9). Damit aber sind noch keineswegs alle Formen antiker »Theorien« zur Magie vorgestellt (zum Folgenden vgl. weiterführend Aune 2007, 251f.; Graf 2002, 100104, ausführlich auch Frenschkowski 2010, 858-873). Durchaus an den bei Apuleius geäußerten (und letztlich auf Plato zurückzuführenden) Gedanken angelehnt, dass Magie auf einer communio loquendi cum deis immortalibus basiere, formuliert Augustinus in seinen Schriften De Trinitate und vor allem De Doctrina Christiana eine semiotische Theorie von Magie, deren Grundgedanken Andreas Merkt folgendermaßen zusammenfasst: Das magische Treiben […] beruht auf »pacta quaedam significationum cum daemonibus placita atque foederata«, also auf Verträgen oder Übereinkünften über die Bedeutung der (magischen) Zeichen, auf Bündnissen sozusagen, die mit Dämonen geschlossen wurden. Zu diesen magischen Zeichensystemen gehören die Bücher der Haruspices und Auguren, Beschwörungen, geheime Zeichen, Amulette und abergläubische Bräuche, aber auch die Astrologie […] Alle derartigen Künste beruhen gleichsam auf Pakten treuloser und verschlagener Freundschaft, auf der schändlichen Gemeinschaft von Menschen und Dämonen (Merkt 2007, 469; vgl. auch Markus 1994).

Dabei geht es Augustin nicht um die viel später nachweisbare Idee, dass der Magier in einer Art »Pakt mit dem Bösen« stehe, sondern darum, dass den verwendeten magischen Zeichen »nur im Rahmen einer bestimmten Sprachgemeinschaft«, hier einer Gemeinschaft zwischen Mensch und Dämon, Bedeutung zukomme (Merkt 2007, 469). Damit ist natürlich eine – im Rahmen eines christlichen Monotheismus einzig mögliche – Weiterentwicklung des bei Apuleius zu erkennenden Gedankens von der communio loquendi mit Göttern, die hier als Dämonen verstanden werden, erkennbar. Einflussreich bis hinein in Magie-Definitionen des 20. Jh. war auch die auf Plotin zurückgehende Vorstellung der »Sympathie« und »Antipathie«, die zwischen verschiedenen Teilen des Kosmos zu erkennen sei (En. 4,4[28],40-44). Magie setze eine Kenntnis der dadurch entstehenden Verbindungen voraus. Der Magier wiederum nehme Einfluss auf die »sympathetischen« Dimensionen des Kosmos und erreiche so die entsprechenden Resultate – man könnte geradezu von einem »naturwissenschaftlichen« Ansatz sprechen (hierzu v.a. Aune 2007, 251; Frenschkowski 2010, 867f.). Damit aber wird m.E. vor allem eines klar: Wenn wir das Verhältnis von »Wundern« und »Magie« in antiken christlichen Texten diskutieren und dabei die 68

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Wunder versus Magie und Zauberei

Texte selbst ernstnehmen wollen, können wir nicht einfach davon ausgehen, dass sie alle das gleiche Verständnis von Magie voraussetzen. Erst ein Zugang, der versucht, vor dem Hintergrund antiker Denkmöglichkeiten über »magische Praktiken«, zu verstehen, worin die entsprechenden Texte selbst »Magie« verstehen, kann dem in ihnen zum Tragen kommenden Verhältnis von »Wundern« und »Magie« gerecht werden. Dies müsste im Grunde ähnlich selbstverständlich sein wie die Tatsache, dass man zwischen dem markinischen Verständnis von »Wundern« als Machttaten, in denen sich das Hereinbrechen der kommenden Königsherrschaft Gottes zeigt, und ihrer johanneischen Darstellung als Zeichen, in denen für den Glaubenden die Herrlichkeit Christi (und damit Herrlichkeit Gottes) offenbar wird, differenziert.

2. Magie und Wunder – unterschiedliche Verhältnisbestimmungen in unterschiedlichen Texten Wie wenig sich antike Theorien über das Verhältnis von Magie und Wundern von einem auf einen anderen Text übertragen lassen, zeigt etwa das Beispiel der Pseudoklementinischen Homilien, die dem Simon Magus eine ganze Liste höchst beeindruckender Taten zuschreiben: Er lässt Standbilder umhergehen und verbrennt nicht, wenn er sich auf Feuer wälzt. Manchmal fliegt er auch, und aus Steinen macht er Brote. Er wird zur Schlange, nimmt die Gestalt einer Ziege an, wird doppelgesichtig, verwandelt sich in Gold. Er öffnet verschlossene Türen, schmilzt Eisen, bei Gastmählern führt er Trugbilder von verschiedenstem Aussehen vor. Zu Hause erweckt er den Anschein, als würden seine Geräte von selbst zum Dienst herbeigebracht, ohne dass man die, die sie herbeibringen, sieht (PsClem H 2,32,2; zu dem Beispiel vgl. Nicklas 2007, 498-500; Übers. Wehnert 2010).

Trotz seiner unglaublichen Wunderkräfte wird Simon Magus aber abgelehnt – die dem Text zugrunde liegende Theorie über das Verhältnis von »Wundern« und »Magie« findet sich später im Munde des Petrus (PsClem H 2,34): Zu unterscheiden seien die »unnützen Zeichen« des Simon von den Taten Jesu und der Jünger dahingehend, dass Letztere »menschenfreundlich« seien und »zur Heilung von Menschen« dienten – ein Gedanke, der im weitesten Sinne an die Aussage des Apuleius erinnert, dass es dem Zauberer nur auf den eigenen Profit ankomme. Würde man nun diese in der Auseinandersetzung der Pseudoklementinischen Homilien mit Simon Magus funktionierende Differenzierung als Kriterium etwa auf die synoptischen Evangelien anwenden, müsste man z.B. Jesu Wunder der Verfluchung des Feigenbaums (Mk 11,12-14 par.) als sicherlich nicht »menschenfreundlich« und damit der Seite der Magie zuordnen. Dass dies den Texten nicht gerecht würde, liegt auf der Hand, mag dieses Wunder im Kontext des Markusevangeliums doch (theologisch überaus problematisch) als Zeichen dafür stehen, dass Israel seine Rolle als Volk Gottes verspielt hat. Mit diesen Gedanken ist im Grunde nicht eine Lösung der Frage, wie antikchristliche Texte das Verhältnis von Wundern und Magie verstehen, gegeben, sondern 69

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ein Arbeitsprogramm skizziert, das versuchen muss, den einzelnen Texten und den unterschiedlichen, in ihnen zum Tragen kommenden Diskursen gerecht zu werden. An einigen Beispielen aber sei wenigstens gezeigt, wie so etwas aussehen könnte. Ganz unproblematisch ist zunächst einmal die Rede von den Magiern (μάγοι magoi), die aus dem Osten nach Jerusalem kommen, um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen (Mt 2,1-12). Auch wenn man nicht folgern muss, dass der Text hier (im Sinne des Apuleius) explizit an Mitglieder einer persischen Priesterkaste denkt, so liegt die vollkommen positive Darstellung dieser Figuren doch auf einer Linie mit einer derartigen Deutung des Begriffs »Magier«. Vielleicht könnte man, dächte man nicht an das Bileamorakel, zudem den Gedanken, dass sie das Aufgehen eines Sterns mit der Geburt eines Königs verbinden, als Zeichen einer Form von Magie auffassen, die sich an die Beschreibung Plotins anlehnt. In ganz anderer Weise scheint das Markusevangelium an der Frage interessiert zu sein, mit wessen Hilfe denn Jesus seine Machttaten vollbringt. Vor diesem Hintergrund versteht sich dann der in Mk 3,22 (par. Mt 12,24; Lk 11,15) gegen Jesus erhobene Vorwurf, er bewerkstellige seine Exorzismen mit Hilfe des Beelzebul, des Anführers der Dämonen (vgl. dazu den Beitrag zu Lk 11,14-23 von C. Böttrich sowie den Themenartikel Dämonen von U. Poplutz in Bd. 1 des Kompendiums). Im Grunde verstehen die Gegner Jesus damit – entsprechend der Magiedefinition, der wir bei Augustinus begegneten – als mit Dämonen bzw. dem Satan, der ihm Macht über Dämonen verschaffe, im Austausch. Die scharfe Ablehnung dieses Vorwurfs durch Jesus ist nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang ist ein Blick in die matthäische Parallele interessant: Pikanterweise reagieren laut Mt 12,23 einige Beobachter eines Exorzismus mit der Frage, ob Jesus der Sohn Davids sei. Dies kann man sicherlich durchaus in dem bereits in Mt 1,1 erkennbaren Sinn verstehen, dass Jesus als Messias Davidssohn sei. Im Zusammenhang mit dem direkt darauf folgenden Beelzebul-Vorwurf mag man aber durchaus auch an Salomo denken, dem, anknüpfend an 1 Kön 5,9-13, im frühen Judentum und antiken Christentum exorzistische Macht zugesprochen wurde (vgl. Busch 2006b, 3-6). Die beiden in der matthäischen Szene gestellten Alternativen scheinen also auf der Ebene der Frage zu liegen, von wem Jesus seine exorzistischen Kräfte verliehen sind: Ist ihm wie Salomo, dem weisen König, seine Macht über die Dämonen von Gott verliehen? Oder steckt hinter all dem, was er vollbringt, der Anführer der Dämonen? Dass Letzteres auf keinen Fall zutreffen kann, ist im Grunde auch schon in Mt 4,1-11, der matthäischen Versuchungsgeschichte, thematisiert. Natürlich geht es diesem Text zunächst einmal um ein angemessenes Bild dessen, was unter »Sohn Gottes« zu verstehen ist. Damit zusammen hängt aber auch, dass der Sohn Gottes sich in seinem Wunderwirken nicht vom Teufel und seinen Ideen beeinflussen lässt (Mt 4,3). Während die Frage, ob Jesus von Nazaret »wunderbare Taten« vollbracht habe oder nicht, in der Antike offensichtlich unumstritten gewesen ist, scheint die Frage, mit welchen Mitteln dies geschehen sei, tatsächlich ein Problem gewesen zu sein, mit dem das antike Christentum immer wieder konfrontiert wurde. So beschreibt der in platonischer Philosophie gebildete Heide Kelsos, der Ende des 2. Jh. wohl in 70

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Wunder versus Magie und Zauberei

Alexandrien seine anti-christliche Streitschrift Alethes Logos – Die Wahre Lehre verfasste, das Leben Jesu folgendermaßen: Jesus hat seine Geburt aus einer Jungfrau erdichtet. Er stammt aus einem jüdischen Dorf, geboren von einer einheimischen armen Handarbeiterin. Sie wurde von ihrem Mann, der von Beruf Zimmermann war, des Ehebruchs überführt und verstoßen. Als sie von ihrem Mann weggeschickt wurde und ehrlos umherirrte, gebar sie heimlich Jesus. Wegen der Armut ging dieser nach Ägypten, wo er sich als Tagelöhner verdingte; dort versuchte er sich an einigen magischen Kräften, auf die die Ägypter stolz sind. Eingebildet auf diese Kräfte kam er zurück und erklärte sich ihretwegen öffentlich als Gott (Or. Cels. 1,28; Übers. Lona 2005).

Damit ist die grundsätzlich negative Einschätzung, die Kelsos – und sicherlich mit ihm viele Kritiker des Christentums – hegten, klar. Was Kelsos konkreter unter den magischen Taten Jesu (und seiner Anhänger) versteht, zeigt er an anderer Stelle: Die Kraft, welche die Christen zu haben scheinen, geht auf die Anrufung und Beschwörung von gewissen Dämonen zurück. Durch Zauberei (γοητεία goēteia) konnte Jesus die Wundertaten vollbringen, die er scheinbar gewirkt hat; und weil er voraussah, dass auch andere, wenn sie die gleichen Kenntnisse besitzen, dasselbe tun werden […], hat er solche Menschen aus seiner Gemeinschaft ausgeschlossen (Or. Cels. 1,6; Übers. Lona 2005).

Für Kelsos ist Jesus also ein »Goet«, eine eindeutig negative Bezeichnung für »Magier«, eine Person also, die mit Hilfe von Hexerei scheinbar in der Lage ist, wunderbare Dinge zu wirken. Trotz der offensichtlichen Nähe von Kelsos’ Vorwurf zur Definition des Augustinus, Magier wirkten aufgrund einer Gesprächsgemeinschaft mit Dämonen, sollte auf eine wichtige Differenz hingewiesen werden: Die Definition des Augustinus versteht sich im Rahmen des christlich-monotheistischen Denkens, in dem der eine Gott den Dämonen gegenübersteht. Für Kelsos dagegen stehen Dämonen nicht per se für widergöttliche Mächte. Sein Vorwurf an die Christen besteht also nicht darin, dass sie aufgrund einer Gemeinschaft mit Dämonen Wundertaten wirken, sondern richtet sich gegen die Art und Weise, wie sie die Dämonen anrufen. Dies zeigt sich etwas später: Durch eine gewisse Zauberei und Gaukelei rufen sie die barbarischen Namen von einigen Dämonen an. Sie tun das gleiche wie die, die immer dieselben Dämonen anrufen, und vor denjenigen, die nicht wissen, dass diese Dämonen andere Namen bei den Griechen und bei den Skythen haben, Gaukelei treiben. Den Apollon nennen die Skythen Gongosyros, den Poseidon Thagimasada, die Aphrodite Argimpasa, die Hestia Tabiti. […] Ich sah bei einigen Ältesten Bücher, in denen barbarische Namen der Dämonen und Zauberformeln enthalten waren. Diese Ältesten versprechen nichts Gutes, sondern alles zur Schädigung der Menschen. Ein gewisser Dionysos, ein ägyptischer Musiker, der mir bekannt war, hat mir gesagt, dass die Zauberei nur bei Ungebildeten und sittlich verdorbenen Menschen etwas bewirken kann, bei Philosophen hingegen nichts bewirken kann, da diese für eine gesunde Lebensform schon im Voraus Sorge getragen haben (Or. Cels. 6,39-41; Übers. Lona 2005).

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Für Kelsos liegt das eigentliche Problem der durch Christus (wie auch die Christen) vollbrachten wunderbaren Taten also darin, dass diese nur die barbarischen (und nicht die griechischen) Namen der Dämonen anrufen: Aus Herodot (Hdt. 4,59) führt er Beispiele griechischer Gottheiten an, die bei den Skythen – im griechischen Denken den Barbaren schlechthin – ebenfalls verehrt würden, aber unter anderen Namen. Damit aber zeige sich nicht die Macht der Christen, sondern höchstens ihre »Ignoranz und Selbstüberschätzung« (Lona 2005, 353): Derartiges könne nur zum Schaden der Menschen führen, erreiche seine Wirkung aber nur bei ungebildeten und verdorbenen Menschen. Dass der Vorwurf sich auch in die andere Richtung wenden kann, zeigt ein Text wie die wenig bekannten, wahrscheinlich in die Zeit zwischen dem Ende des 4. und dem 6. Jh. einzuordnenden Akten des Andreas und Matthias in der Stadt der Anthropophagen (ActAndrMatt; zum Beispiel vgl. weiterführend Nicklas 2007). Deren phantastische, in ihren Details etwas verwirrende Handlung über die (angebliche) Mission der Apostel Matthias und Andreas in Mermedonia/Mirmidonia, der Stadt der Anthropophagen, d.h. »Menschenfresser«, kann im Grunde als Erzählung über die Befreiung einer von teuflischen Mächten im Bann gehaltenen und damit ihrer Menschlichkeit beraubten Menschheit durch das Christentum (und die durch Christus vollbrachten Wunder) gelesen werden. Bezeichnend ist schon die Beschreibung der Lebensweise der Anthropophagen: Diese halten alle Reisenden, die in ihrer Stadt kommen, fest, stechen ihnen die Augen aus und zwingen sie, ein magisches Getränk zu trinken, das, wie die lateinische Überlieferung des Textes sagt, ihren Geist auslöscht und sie sozusagen zu Tieren macht. Diese Praxis wiederum verdankt sich der Tatsache, dass die Anthropophagen in einem Bündnis mit dem Teufel stehen. Warum dieser Trank beim Apostel Andreas nicht wirkt, ja, der Teufel mit seinen Dämonen Andreas gegenüber machtlos ist, macht ActAndrMatt 27 deutlich: Andreas trägt auf seiner Stirn das Siegel, das Jesus ihm gegeben hat (vgl. 2 Kor 1,22; Offb 7,4-8; 9,4 etc.), die lateinische Überlieferung setzt hier explizit die Worte signum crucis. Fungiert das Kreuz hier nicht als ein die Mächte der Dämonen abwehrender Schutzzauber? Muss man dies (wie auch etwa die Beschreibung eines Türöffnungswunders mit Hilfe von auf die Tür aufgemalten Kreuzzeichen, ActAndrMatt 19-21) nicht als »magisch« interpretieren? Die Antwort auf diese Frage hängt sicherlich vom zugrunde gelegten Magiebegriff ab. Legte man den Text selbst und sein Verständnis zugrunde, so käme man auf eine ganz einfache Differenzierung: »›Wunder‹ ist das, was Jesus und die Jünger vollbringen. ›Magie‹ ist das, was die Gegner tun. Magie wird mit Hilfe des Teufels oder teuflischer Mächte vollzogen« (Nicklas 2007, 496). Für den Außenstehenden ist die Überlegenheit Jesu und seiner Anhänger deutlich sichtbar – ihre Wunder sind einfach großartiger als die ihrer Gegner. Wer sich dem verschließt, muss (aus der Perspektive unseres Textes) blind sein. Derjenige Text des Neuen Testaments, der die sicherlich vielfältigste und differenzierteste Auseinandersetzung zwischen Wundern der Apostel und magischen Praktiken bietet, ist sicherlich die Apostelgeschichte. So überrascht es kaum, dass in den vergangenen Jahren eine Reihe von Studien sich gezielt dem Magieverständnis 72

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dieses Textes gewidmet haben (Garrett 1989; Klauck 1996; Reimer 2002). Aus der Fülle der möglichen Beispiele können nur zwei kurz angesprochen werden. Im Rahmen der in Apg 8 erzählten Samarienmission begegnet erstmals in christlicher Literatur die schillernde Gestalt des Simon Magus. Dieser verwirrt laut Apg 8,9 das Volk durch seine »magischen« Künste. Dass er als Kraft (δύναμις dynamis) Gottes bezeichnet wird (Apg 8,11), spricht dafür, dass er seine Kräfte auf seine Beziehung zu Gott, der ja auch von den Samaritanern angebetet wird, zurückführt. Beeindruckt von den »Zeichen und Machttaten« (Apg 8,13), die der Apostel Philippus wirkt, lässt sich Simon taufen. Bereits durch die pure Wortwahl unterscheidet der Text also zwischen den Praktiken Simons und den Taten des Philippus. Was sich zum Guten zu wenden scheint, kippt in der folgenden Szene. Offensichtlich erkennt Simon in der Handauflegung der Apostel, durch die der Geist weitergegeben wird, den entscheidenden Grund, der deren Wundertaten ermöglicht. Sein entscheidendes Missverständnis besteht nun darin, dass er glaubt, die »Macht« der Apostel kaufen zu können. Damit verwechselt er nicht nur die von Gottes Gnade geschenkte »Gabe« (Apg 8,20) mit einem käuflichen Gut, er stellt damit die Apostel im Grunde auf die Ebene von Jahrmarktshexern, die mit ihren Praktiken Gewinn machen wollen – Apuleius lässt grüßen. Auf einer noch einmal anderen Ebene liegt Apg 19,11-20. Will man an diese Szene etwa die bei Klauck (1995, 174f.) vorgestellten Aspekte magischen (vs. religiösen) Denkens anlegen, dann hätte man bereits größte Schwierigkeiten, das, was laut Apg 19,12 mit den Schweiß- und Taschentüchern des Paulus geschieht, anders als »magisch« zu verstehen. Die Handlungen dienen offensichtlich »individuellen Zielen«, sie werden von »Privatleuten« (und nicht Repräsentanten einer Gruppe) ausgeführt; sie scheinen »zweckorientiert« und an der Anwendung einer Technik interessiert, mit der eine von Paulus ausgehende heilende Kraft über Vermittlung auf Kranke übertragen werden kann. Dabei scheint zudem auch keine emotionale Beziehung zur Gottheit bzw. zu Christus nötig, um den Erfolg dieses Tuns zu gewährleisten. Nichts jedoch würde der Intention unseres Textes weniger gerecht, als die Handlungen um Paulus als magisch einzuordnen (vgl. Apg 19,11). Erst in Apg 19,13 treten die entscheidenden Gegner auf, herumreisende jüdische Exorzisten, die sich als Söhne eines (wohl von ihnen selbst erfundenen) Hohenpriesters namens Skeuas bezeichnen (Apg 19,14). Bereits diese Angabe ist aufschlussreich für ihr offensichtliches Verständnis der von ihnen bewirkten Exorzismen: Als einziger Mensch überhaupt darf der jüdische Hohepriester einmal im Jahr – im Rahmen der Feier des großen Versöhnungstages – den Namen Gottes aussprechen. Dies scheint für Exorzisten, die mit Namenszaubern arbeiten, von höchstem Interesse gewesen zu sein. Dahinter steht offensichtlich die Idee, dass die Kenntnis dieses Namens dem Magier Teil an dessen Macht, ja, eventuell Macht über seinen Träger verleihe. Um den »Namen Jesu« geht es entscheidend auch in der vorliegenden Szene. Die Söhne des Skeuas scheinen aufgrund der Wunder im Zusammenhang mit Paulus den Namen Jesu als besonders wirksam anzusehen. So versuchen sie, diesen im Rahmen des nächsten Exorzismus zur Anwendung zu bringen – der »Erfolg« jedoch zeigt ihr 73

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tiefes Missverständnis: Vom Dämon fürchterlich verprügelt, müssen sie das Weite suchen (19,16). Kenntnis des »Namens Jesu« verleiht laut Apg 19 also nicht jedem beliebigen Exorzisten Macht, sondern nur demjenigen, der in der entsprechenden Gemeinschaft mit ihm steht. Gleichzeitig ist er größer als alle anderen »Machtnamen«, wird zu Recht »hoch gepriesen« (19,17): Die in ihm vollbrachten Wunder der Christen ersetzen von nun an die Zaubereien der Heiden (Apg 19,19f.).

3. Fazit Damit sind im Grunde nur einige Linien skizziert, das Gesamtbild ist in Wirklichkeit noch einmal viel komplexer. Was sich aber immer deutlicher zeigt, ist die Tatsache, dass eine Gesamttheorie zum Verhältnis zwischen Wundern und Magie dem Anspruch der verschiedenen antiken Texte nicht gerecht werden kann, sondern dass diese von unterschiedlichen, z.T. auch auf unterschiedlichen Ebenen liegenden Vorstellungen von Magie (und Wundern) ausgehen, die es zu berücksichtigen gilt, wenn man sie verstehen will. Dass die dabei zum Tragen kommenden Vorstellungen noch einmal (historisch-)kritisch zu hinterfragen sind, versteht sich von selbst – dazu aber müssen sie zunächst einmal an sich ernst genommen werden. Allerdings existiert auch heute noch keine allgemeingültige und jederzeit anwendbare Theorie von Magie. Diese wird aufgrund der verschiedenen Perspektiven auf das in unterschiedlichen kulturellen Kontexten auf unterschiedlichste Weisen zum Ausdruck kommende Phänomen auch nicht zu ändern sein. Mit anderen Worten – um Uncle Vernon ein wenig abzuwandeln: There is not just one thing as magic, but a lot of different ideas about it … Tobias Nicklas

Literatur zum Weiterlesen D. E. Aune, ›Magic‹ in Early Christianity and its Ancient Mediterranean Context: A Survey of Some Recent Scholarship, ASEs 24 (2007), 229-294. P. Busch, Magie in neutestamentlicher Zeit, FRLANT 218, Göttingen 2006a. Ders., Das Testament Salomos. Die älteste christliche Dämonologie kommentiert und mit deutscher Erstübersetzung, TU 153, Berlin/New York 2006b. M. W. Dickie, Magic and Magicians in the Greco-Roman World, London/New York 2001. M. Frenschkowski, Art. Magie, RAC 23 (2010), 857-957. Ders., Magie im antiken Christentum. Eine Studie zur Alten Kirche und ihrem Umfeld, Standorte in Antike und Christentum 7, Stuttgart 2016. F. Graf, Gottesnähe und Schadenzauber. Die Magie in der griechisch-römischen Antike, München 1996. Ders., Theories of Magic in Antiquity, in: M. Meyer/P. Mirecki (Hg.), Ancient Magic and Ritual Power, Religion in the Graeco-Roman World 129, Leiden et al. 1995.

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Wunder versus Magie und Zauberei

T. Nicklas, Zaubertränke, sprechende Statuen und eine Gefangenenbefreiung. Magie und Wunder in den Akten des Andreas und Matthias, ASEs 24 (2007), 485-500. A. M. Reimer, Miracles and Magic. A Study in the Acts of the Apostles and the Life of Apollonius of Tyana, JSNT.S 235, London 2002.

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Niedergestreckt und zerstört: Strafwunder und ihre pädagogische Funktion 1. Zur Gattung Zumeist nehmen wir Wunder als etwas Positives wahr, als ein Zeichen des göttlichen Willens, in die Weltordnung einzugreifen und das menschliche Wohlergehen zu fördern. Wir »beten für ein Wunder« und implizieren damit, dass ein Wunder bzw. die Aufhebung der uns bekannten Weltordnung ein willkommenes Ereignis darstellt. Jedoch berichten biblische Texte und Apokryphen auch von zahlreichen Wundern, in denen sich eine göttliche Strafsanktion manifestiert. In jenen Fällen resultiert das göttliche Eingreifen in Verletzungen, der Pest oder dem Tod. Obwohl nun derartige Wunder als vom Empfänger durchaus unerwünscht betrachtet werden können, spielen sie mit Blick auf den größeren Erzählkontext eine gewichtige Rolle, insofern sie die göttliche Macht verdeutlichen und eine numinose Strafhandlung für bestimmte Vergehen vor Augen führen (weiterführend Theißen 1998, 114120, der diese Erzählungen in die Gattung [strafendes] Normenwunder einordnet). Dementsprechend können sich die Wunder positiv auf ihre Augenzeugen auswirken und sowohl ihnen als (vor allem) auch den Lesern des Textes eine pädagogische Lektion erteilen. Im folgenden Artikel sollen einige der merkwürdigsten Beispiele von Strafwundern der frühchristlichen Literatur vorgestellt werden. Dabei soll zunächst die pädagogische Funktion der Strafhandlungen in den Texten des Alten und Neuen Testaments analysiert und so die rhetorische Strategie bzw. pädagogische Botschaft der einzelnen Wundererzählungen herausgearbeitet werden. Abschließend sollen einige Beispiele aus den Petrusakten genauer betrachtet werden, die verdeutlichen sollen, dass es sich hierbei um einen flexiblen Tropus handelt, der in ein und demselben Text in unterschiedlicher Weise verwendet werden konnte.

2. Strafwunder im Alten Testament Über das Alte Testament verstreut findet sich eine Vielzahl von Strafwundern, in denen Gott in dramatischer Weise in das Leben der Menschen eingreift, um diejenigen zu strafen, die sich eines Vergehens schuldig gemacht haben. So wird beispielsweise in Gen 19,17 Lot samt seinen Angehörigen von göttlichen Boten dazu aufgefordert, die Flucht zu ergreifen, und zudem ermahnt: »Blick nicht zurück und bleib in der ganzen Ebene nirgends stehen« (Gen 19,17, hier und im Folgenden zitiert nach der Zürcher Bibel). Dabei antizipiert die Ermahnung das schicksalhafte Zaudern der Frau Lots in Gen 19,26. Denn bedauerlicherweise blickt die Frau Lots zurück, erstarrt unversehens zu einer Salzsäule und versinnbildlicht so das Erstarren als direkte Konsequenz der Missachtung des durch die Boten vermittelten göttlichen Befehls (vgl. auch 1 Kön 14,17). Im Text selbst wird Lots Frau so zum Symbol dessen, 76

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Strafwunder und ihre pädagogische Funktion

was den Menschen ereilt, der sich dem göttlichen Gebot widersetzt. Dieses Motiv wird später im Lukasevangelium als ein Beispiel für jene Gefahren aufgenommen, die uns begegnen, wenn wir nicht bereit sind, unser Leben für das Evangelium zu verlieren (Lk 17,32f.; vgl. Mt 16,25). In Lev 10,1-3 bringen zwei Söhne Aarons JHWH »ein unerlaubtes Feueropfer« dar. »Da ging Feuer aus vom HERRN und verzehrte sie« (Lev 10,1-3). Die Gottesrede im folgenden Absatz stellt dieses tragische Ereignis als eine »Lektion« für Aaron dar, die es ihm ermöglichen soll, »zwischen dem, was heilig ist, und dem, was nicht heilig ist«, zu unterscheiden, da er beauftragt ist, »die Israeliten die Satzungen zu lehren, die ihnen der HERR durch Mose gegeben hat« (Lev  10,9-11). Sowohl im Falle der Frau Lots als auch im Falle der Söhne Aarons dient das Wunder demnach als ein Zeichen des göttlichen Urteils, das die Hörer deutlich aufmerken lässt. In beiden Beispielen sind die göttliche Strafhandlung, das Vergehen und das Strafwunder direkt miteinander verknüpft, so dass kein Zweifel darüber bestehen kann, dass das plötzliche Unglück als Folge eines spezifischen menschlichen Fehlverhaltens zu verstehen ist. In Num 16 fahren die Söhne Korachs mit allem, was ihnen gehört, lebendig hinab in das Totenreich. Dies aber geschieht erst, nachdem Mose eine Erklärung für die Notwendigkeit der Bestrafung geboten hat: 28 Dann sprach Mose: Daran sollt ihr erkennen, dass der HERR mich gesandt hat, alle diese Taten zu vollbringen, und dass es nicht aus meinem eigenen Herzen kommt. 29 Wenn diese sterben, wie alle Menschen sterben, und heimgesucht werden, wie alle Menschen heimgesucht werden, dann hat der HERR mich nicht gesandt.30 Wenn aber der HERR Unerhörtes schafft und der Ackerboden seinen Mund aufsperrt und sie verschlingt mit allem, was ihnen gehört, und sie lebendig hinabfahren ins Totenreich, werdet ihr erkennen, dass diese Männer den HERRN verachtet haben.31 Als er aber alle diese Worte zu Ende geredet hatte, spaltete sich der Ackerboden unter ihnen.32 Und die Erde tat ihren Mund auf und verschlang sie und ihre Häuser und alle Menschen, die zu Korach gehörten, und ihre gesamte Habe (Num 16,28-32).

In diesem Absatz wird nicht nur deutlich vor Augen geführt, dass der Untergang der Sippe Korach in einem direkten Zusammenhang mit ihrem hochmütigen Widerstand gegen Mose steht, sondern auch, dass ihre Bestrafung ein pädagogisches Exempel für die gesamte Gemeinde Israel statuiert. Das Verschlingen der Sippe Korach durch die Scheol ist eine Bewährungsprobe für die Autorität Moses als göttlicher Abgesandter, in der die Zuschauer zu Zeugen einer dramatischen Zurschaustellung prophetischer Autorität und göttlicher Strafhandlung an den Söhnen Korachs werden. Nach dem Untergang der Korachiten werden die »Räucherpfannen derer, die durch ihre Sünde das Leben verloren haben«, zu Blechplatten verwertet, die als Überzug für den Altar dienen sollen. Denn, so spricht JHWH zu Mose, »sie sollen für die Israeliten zu einem Zeichen werden« (Num 37,3). Anders als das Motiv der zur Salzsäule erstarrten Frau in Gen 19 wird der Überzug des Altars in Num 36f. explizit als ein bleibendes Symbol für die Folgen des Ungehorsams interpretiert (vgl. ähnlich die Erklärung des Namens »Tal Achor« in Jos 7,25).

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3. Strafwunder im Neuen Testament An diese Strafwunder aus dem Alten Testament erinnern auch einige neutestamentliche Erzählungen. Hier ist insbesondere an die Apostelgeschichte zu denken. In Apg 1,16-19 erzählt Petrus die Geschichte vom Tod des Judas mit einer auffälligen Änderung. Mt 27,5 berichtet, dass Judas sich erhängt hat und dass der »Blutacker« seinen Namen erhielt, weil er nach Judas’ Tod mit dessen »Blutgeld« erkauft wurde (Mt 27,6f.). In Apg 1,18f. hingegen erzählt Petrus, dass Judas, nachdem er den Acker selbst erworben hatte, unvermittelt und auf grausame Weise stirbt, wobei sein eigenes Blut auf dem Acker vergossen wird: 18 Dieser kaufte von dem Lohn für seine Untat ein Grundstück; dort stürzte er, riss sich den Leib auf, und alle seine Eingeweide quollen heraus.19 Und das wurde allen Bewohnern Jerusalems bekannt; von daher heißt jenes Grundstück in der Sprache der Einheimischen Hakeldama, das heißt »Blutacker« (Apg 1,18f.).

So deutet Petrus in seiner Rede die plötzliche Ausweidung des Judas als ein für die Erfüllung von Ps 69,25 (Apg 1,16.20) notwendiges Zeichen und als Indiz dafür, dass Judas sich der Apostelehre als unwürdig erwiesen hat und deshalb ersetzt werden musste. Der Blutacker dient, wie das Tal Achor (Jos 7,25f.) oder der Überzug des Altars in Num 16,38, als ein bleibendes Zeichen von Judas’ Verrat an Jesus und seinem daraus resultierenden blutigen Tod, den er nun als ein von den Anhängern Jesu Ausgeschlossener stirbt. Anders als in Ex 12 oder Num 16, wo das Strafwunder jeweils die Autorität Moses untermauern sollte, dient der von Petrus dargebrachte Bericht über den Tod des Verräters Judas dazu, den früheren Apostel seiner apostolischen Autorität zu berauben. Die Ausweidung des Judas markiert den ersten von zahlreichen dramatischen und plötzlichen Todesberichten in der Apostelgeschichte, die dazu dienen, die neue Gemeinschaft der »Christen« abzugrenzen. In Apg 5,1-11 behält Hananias mit Wissen seiner Frau Sapphira einen Teil des Erlöses für einen Landverkauf zurück und erstattet Petrus darüber falschen Bericht. Nacheinander befragt Petrus Hananias und Sapphira zu dieser Angelegenheit und deckt während der Befragungen die Schwere ihres Vergehens auf. Anstatt Petrus jedoch eine Antwort zu geben, brechen die Angeklagten sterbend zusammen, als wäre der plötzliche Tod selbst die Antwort auf die Frage des Petrus, sozusagen die »übernatürliche« Folge der genannten Vergehen. Bei dem Versuch einer Interpretation des fraglichen Abschnittes richten viele Kommentatoren ihr Augenmerk auf die von Petrus aufgelisteten Vergehen (Habgier, Lüge, Versuchung durch den Geist Gottes) (vgl. z.B. Johnson 1992, 199; Fitzmyer 1998, 323f.; Marguerat 2007, 172-178).. Die von Petrus gestellten Fragen zeichnen sich jedoch vornehmlich dadurch aus, dass sie ein und dasselbe allumspannende Thema wiederholen: Ein Vergehen an der Gemeinschaft ist ein Vergehen an Gott. Der rhetorische Zweck der Erzählung drückt sich in der vom Erzähler dargebotenen Zusammenfassung aus: 5 Als Hananias diese Worte hörte, brach er zusammen und starb. Und große Furcht überkam alle, die es vernahmen. […] 11 Und große Furcht überkam die ganze Gemeinde und alle, die es vernahmen (Apg 5,5.11).

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Strafwunder und ihre pädagogische Funktion

Das plötzliche Dahinscheiden von Hananias und Sapphira löst eine »große Furcht« bei denen aus, die davon hören. Gleichzeitig lässt es auch die Leser des Textes wissen, dass sie die Folgen fürchten sollen, die sich aus einem Ungehorsam gegen die Gottheit ergeben. Die von der Erzählung gewünschte Reaktion ist Furcht. Sie soll die Hörerschaft dazu zwingen, die Autorität des Petrus, die Regeln der (in der Apostelgeschichte gezeichneten) urchristlichen Gemeinschaft und die Macht Gottes in Ehren zu halten. Interessanterweise haben spätere christliche Generationen den Text mit den Strafwundern des Alten Testaments in Bezug gesetzt – zu denken ist etwa an Augustinus, der in seiner Auslegung der Bergpredigt (s. dom. m. 20,64) das Handeln des Petrus mit dem des Elija vergleicht. Auch Herodes Agrippa stirbt nach Apg 12,23 einen plötzlichen Tod. Denn »auf der Stelle […] schlug ihn ein Engel des Herrn, […] und er wurde von Würmern zerfressen und starb« (Apg 12,23). Der Text gibt zu verstehen, dass Herodes auf diese Weise sterben muss, »weil er Gott nicht die Ehre gegeben hatte« (Apg 12,23). So wird der wundersame Tod des Herodes als göttliche Strafe gegen ein spezifisches Vergehen herausgestellt, das für andere als abschreckendes Beispiel dienen soll. Gerd Theißen (1998, 117-120) hat in diesem Zusammenhang argumentiert, dass eine der Funktionen des strafenden Normenwunders in der Aufrechterhaltung heiliger Grenzen bestehe. Ob dies jedoch für die Apostelgeschichte – in einer Gemeinschaft, bei der noch zu entscheiden ist, welche Grenzen als »heilig« zu betrachten sind – genauso gilt, scheint jedoch fraglich. Über die grauenvollen Tode von Judas, Hananias, Sapphira und Herodes hinaus bietet die Apostelgesichte auch das Motiv der plötzlichen Erblindung als Mittel, um zwischen jenen zu unterscheiden, die würdig sind, in die urchristlichen Gemeinde aufgenommen zu werden, und jenen, die sich Gott widersetzen. In Apg 9,1-19 stellen die Blindheit und Heilung des Paulus den sichtbaren Ausdruck seiner inneren Wandlung von einem »Außenseiter« und erbitterten Gegner, ja Verfolger, zu einem »Mitglied« der christlichen Gemeinde dar; gleichzeitig zeichnet die Erzählung auch den inneren Weg des Saulus/Paulus zum Anhänger Christi nach. Die Erblindung des Magiers Elymas in Apg 13,6-12 ist so überzeugend, dass die Botschaft sofort von dem Prokonsul erfasst wird: »Als der Prokonsul sah, was da geschehen war, kam er zum Glauben, überwältigt von der Lehre des Herrn« (Apg 13,12). Bevor Elymas erblindet, erklärt Paulus, dass diese wundersame Entwicklung als direkte Folge von Elymas’ Widerstand gegen Gott zu verstehen sei. Dabei bezeichnet er Elymas als einen »Sohn des Teufels« und einen »Feind aller Gerechtigkeit«, der andere vom rechten Weg abbringt (Apg 13,10). Und unmittelbar (παρακρῆμα; parakrēma; vgl. Apg 5,10!) nachdem Paulus angekündigt hat, dass »die Hand des Herrn über dich« gekommen ist, erblindet Elymas. Wie die »Furcht«, die die Augenzeugen in Apg 5 erfasste, demonstriert auch die Bekehrung des Prokonsuls in Apg 13, dass Elymas’ plötzliches Erblinden einem höheren Zweck dient, nämlich der Erziehung der Zuhörer und der Gewinnung neuer Anhänger. Und wie bei der Erzählung von Hananias und Sapphira liegt das Hauptaugenmerk nicht nur auf den Vergehen der Bestraften, sondern auch auf der Autorisierung des Apostels, diejenigen zu bestrafen, die sich gegen Gott oder die Jesus-Bewegung richten. 79

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4. Pädagogische Strafhandlungen in den apokryphen Apostelakten In den frühchristlichen apokryphen Apostelakten finden sich viele Beispiele, in denen eine Person durch ein wundersames Ereignis zu Schaden kommt, damit die anwesende Menge von diesem Zeugnis lernen kann. In den Petrusakten beispielsweise führen die Apostel wiederholt Strafwunder aus (vgl. aber auch ActJoh 21,41f.; ActThom 6), um ihre Hörerschaft (und indirekt die Leserschaft) umzuerziehen, indem sie öffentlich auf die Bedeutung der Bußfertigkeit und der apostolischen Autorität hinweisen. In zwei Fragmenten, die mit den Petrusakten assoziiert werden, wird berichtet, wie die Tochter des Petrus gelähmt und die Tochter eines Gärtners getötet werden (BG 8502,4; Ps.-Titus). Diese Taten interpretiert Petrus als göttlichen Segen, weil beide so vor den sexuellen Avancen der Männer verschont blieben. Petrus heilt seine Tochter vor den Augen der Menge, um die Macht Gottes zu veranschaulichen und das Vertrauen der Anwesenden zu stärken, macht die Heilung jedoch sofort wieder rückgängig, weil er die Strafe der Tochter als »nutzbringend für sie und für mich« (Kopt. Pap. Berlin 8502, p. 129-131) betrachtet. Während der Erzählung, die der Strafhandlung und der verwirrenden Erklärung folgt, wird den Hörern dargelegt, dass ihre Behinderung die Tochter des Petrus vor der ungewollten sexuellen Annäherung des Ptolemaeus bewahrt hat und diesen sogar zu bekehren vermochte: »denn durch sie sei er zum Glauben an Gott gekommen und ganz geworden« (BG 8502, p. 139). Gleichermaßen wird in den ActPetr 2 eine ehebrecherische Frau mit Namen Rufina von Paulus ausgesondert, der der Apostel vorhersagt, dass sie durch ein wundersames Ereignis niedergestreckt würde, das Zuschauende zum »Glauben« bewege: »Denn, siehe, Satan wird deinen Leib zerbrechen und dich vor allen, die an den Herrn glauben, niederstrecken, so dass sie sehen sollen, glauben und wissen, dass es der lebendige Gott ist, der die Herzen prüft, an den sie zum Glauben gekommen sind« (ActPetr 2). Paulus befiehlt Rufina, Buße zu tun. Sie fällt auf der Stelle zu Boden und ist gelähmt. Die Menge reagiert, wie von Paulus vorhergesagt: Die Menschen schlagen sich auf die Brust und bekennen ihre früheren Sünden, während Paulus vor der Menge über die Bedeutung des Verlassens der »alten Wege« (ActPetr 2) zu beten beginnt. Dieses Wunder ähnelt den zuvor in diesem Artikel beschriebenen insofern, als es der Erziehung der Augen- und Ohrenzeugen dient. Es unterscheidet sich jedoch von den bisher erörterten Wundern darin, dass die Strafe der Rufina »Satan« zugeschrieben wird, während Paulus die Gelegenheit für seine Bußpredigt nutzt. Ähnliche Ereignisse begegnen auch im weiteren Verlauf der Petrusakten, so etwa als Petrus ein Wunder wirkt, das seinen apostolischen Gegner lähmt und als Beweis für die Unterlegenheit des Simon Magus dient (vgl. ActPetr 9; 15; 32).

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5. Tendenzen: Pädagogische Strafmaßnahmen und ihre jeweilige Funktion Die Dramaturgie der Wundererzählungen lässt sie für die Leserin und den Leser unvergesslich werden, viele der Bestrafungen erscheinen monumental. Zur Salzsäule erstarrt, vom Feuer oder von der Erde verschlungen, der Gedärme beraubt oder einen plötzlichen Tod durch das Wort des Apostels gestorben: Die Bestrafungen und Bestraften bleiben in der Erinnerung des Lesers verhaftet und führen ihm die Folgen seiner Verfehlungen plastisch vor Augen. Darüber hinaus explizieren die Texte selbst die pädagogische Funktion der Strafhandlungen, indem sie die Erzählung mit einer ausdrücklichen Aufzählung des begangenen Fehlverhaltens darbieten und das wundersame Ereignis als Gottesstrafe ausweisen. Im Alten Testament dienen viele dieser Erzählungen dazu, die Autorität der Propheten zu bestätigen und diejenigen auszugrenzen, die ihnen entgegenstehen. Im Neuen Testament und in den apokryphen Apostelgeschichten unterstreichen die Strafwunder einerseits die Autorisierung der Apostel durch Gott und kennzeichnen ihre Gegner andererseits als von der christlichen Gemeinde Ausgeschlossene. Meghan Henning

Literatur zum Weiterlesen J. A. Fitzmyer, The Acts of the Apostles. A New Translation with Introduction and Commentary, Anchor Bible, New York 1998. M. Henning, Educating early Christians through the Rhetoric of Hell. ›Weeping and Gnashing of Teeth‹ as ›Paideia‹ in Matthew and the Early Church, WUNT 2/382, Tübingen 2014. J. Jervell, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 1998. L. T. Johnson, The Acts of the Apostles, Sacra Pagina, Collegeville 1992. D. Marguerat, Les Acts Des Apôtres, Commentaire Du Nouveau Testament, Genf 2007. G. Theißen, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien, StNT 8, Gütersloh 1998.

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Tiere und Monster in apokryphen Apostelwundern Tiere und Ungeheuer, die für den Handlungsverlauf oft eine wichtige Rolle einnehmen (z.B. magnum et mirabile monstrum, ActPetr 10), begegnen bei der Lektüre der apokryphen Apostelakten mehrfach. Auf den ersten Blick sind die betreffenden Passagen, in welchen sprechende Hunde (ActPetr 10-12), verliebte und eifersüchtige Schlangen (ActThom 30-38) oder dämonenkundige und vor falschen Propheten warnende Esel (ActThom 74-79) eingeführt werden, für moderne Leser(innen) schwierig zu deuten. Bei einem detaillierten Abgleich im Besonderen mit den literarischen Hinterlassenschaften der Antike wird jedoch deutlich, dass diese wundersamen Tier-Abschnitte zumeist klug komponierte christliche Varianten von aus der antiken Umwelt vertrautem Wissen und wohlbekannten Traditionen sind (ausführlich dazu Spittler 2008).

1. Antiker und spätantiker Kontext In der klassischen antiken Literatur, insbesondere in den zahlreichen Werken zur Naturkunde, finden sich zahlreiche Belege, die das Verhalten und die Charakterisierung von Tieren zum Inhalt haben (Spittler 2008, 12-15). Die Werke variieren stark; während manche die dargestellten Tiere genauestens kategorisieren, wird in anderen primär zu Unterhaltungszwecken von Tieren berichtet. So begegnet in Aristoteles’ Historia Animalium eine sorgsam gegliederte Darstellung, während Aelian sein Werk über die Tiere selbst als eine Art buntes Muster (τὰ ποικίλα ta poikila, Ael. ep. 1,35) bezeichnet. Auch in diesen Werken zur Naturgeschichte taucht die in der Antike vielfach belegte Diskussion darüber auf, was Mensch und Tier unterscheidet. Ganz grundsätzlich wird dabei der Frage nachgegangen, ob ausschließlich dem Menschen Sprache, Vernunft und Ehrfurcht vor den Göttern zukommt. In der philosophischen Debatte sind unterschiedliche Ansätze und Antworten zu diesem Thema auffindbar (Spittler 2008, 15-26; Sorabji 1993, 7-104; Gilhus 2006, 37-63). Die Stoiker lehnen Vernunftbegabtheit bei Tieren strikt ab und auch die Kirchenväter, so zum Beispiel Origenes in seiner Auseinandersetzung mit Kelsos, weisen Argumente, wie die Kooperationsbereitschaft von Tieren, ihre Sorge umeinander oder auch die Anwendung von Heilpflanzen, als Beleg für deren Rationalität zurück (Or. Cels. 4,83-85; Spittler 2008, 40f.). Ebenso lehnt es Origenes strikt ab, dass unvernünftige Tiere eine Vorstellung von Gott haben könnten (Or. Cels. 4,96). Das Argument des Kelsos, dass Elefanten treu gegenüber der Gottheit seien, lässt er nicht gelten (Or. Cels. 4,88). Das in den naturkundlichen, philosophischen und patristischen Schriften zutage tretende große Interesse der Antike an der Tierwelt ist auch in der antiken Prosa, in Romanen, in biographischen Schriften und in der Historiographie nachweisbar. Innerhalb dieser Bezüge zur Tierwelt kann zwischen Tier-Anekdoten und Tier-Episoden unterschieden werden, wobei in Ersteren Informationen über Tiere 82

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gegeben werden und in Zweiteren Tiere eine aktive Rolle spielen (Spittler 2008, 52f.). Tier-Anekdoten finden sich häufig in der Geschichtsschreibung. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Herodots Beschreibung der heiligen Tiere in Ägypten (Hdt. 1,1, 2,6675). Tier-Anekdoten sind meist so komponiert, dass sie dazu dienen, eine genauere Charakterisierung vorzunehmen, dass sie die Klugheit dessen, der sie erzählt, betonen oder auch dass sie eine interpretative Schlüsselfunktion haben (ausführlich vgl. Spittler 2008, 55-65). Tier-Episoden sind in sich variantenreich (ausführlich vgl. a.a.O., 65-72). So können zum Beispiel in biographischen Darstellungen berühmte Persönlichkeiten Tiere zu einer wahrhaft philosophischen Lebensweise führen (Pythagoras, der einem Ochsen erfolgreich Nahrungsvorschriften mitteilt, Iamb. vit. Pyth. 13; Porph. vit. Pyth. 24). Hinsichtlich der griechisch-römischen Religion ist zudem eine enge Verbindung von Götter- und Tierwelt feststellbar, die zum Beispiel durch die Tradition von Göttern in Tiergestalt Ausdruck findet. Ebenso ist es dem antiken Denken vertraut, dass immaterielle Mittlerwesen (Dämonen) Tiere als Wirte nutzen (Böcher 1981, 280). Eine weitere Form von wundersamer Überschreitung gängiger Trennlinien und damit einen gewissen fließenden Übergang zwischen Tier- und Menschenwelt stellen die antiken Überlieferungen dar, die von Menschen berichten, die sich mit Tieren verständigen konnten. So wird zum Beispiel von Apollonius von Tyana (Philostr. vit. Ap. 1,20; 4,3) erzählt, dass er ähnlich wie Pythagoras (Iamb. vit. Pyth. 13, 27; vgl. Spittler 2008, 42f.) in der Lage gewesen sei, die Sprache der Vögel zu verstehen (die Verständigung mit einem Vogel ist auch für Salomo belegt; vgl. TScheni 4). Dieses Vermögen von Menschen, mit Tieren zu kommunizieren, wird in den Texten als Beleg der machtvollen, göttlichen Natur der jeweils vorgestellten Person gedeutet (Spittler 2008, 101). Ein weiterer antiker Traditionsstrang, der in umgekehrter Form ein Näheverhältnis zwischen Mensch und Tier zum Ausdruck bringt, beschreibt das Sprachvermögen von Tieren. Belege dazu finden sich bei den Naturhistorikern, einschließlich Plinius (a.a.O., 137f.). Darüber hinaus werden in der Ilias (das Pferd des Achill; Hom. Il. 19) ebenso wie in den biblischen Schriften (Bileams Esel, Num 22,20-35) Erzählungen von sprechenden, weissagenden Tieren eingeführt (Czachesz 2008, 275-286). Diese Beispiele werden innerhalb der Literatur als außergewöhnliche Phänomene klassifiziert und als prominente Beispiele rezipiert. Auch die Möglichkeit von nicht sprachlicher Verständigung und einer engen Form von Kooperation bis hin zum Zusammenleben zwischen Menschen und als gefährlich geltenden Tieren ist denkbar. Sie ist Thema einer breit belegten Tradition antiker Texte über Löwen, denen Menschen helfen und die sich ihrerseits hilfreich erweisen (Spittler 2008, 173-175). Der berühmteste dieser Texte ist die Erzählung von Androclus und dem Löwen (vgl. Ael. nat. 7,48; Gell. Noct. Att. 5,14). Gegenüber dieser positiven Wertung ist für die antike und spätantike Welt auch eine negative Wertung der Tierwelt – die bereits in der klassischen Antike grundgelegt ist, in welcher Leidenschaft und Begehren metaphorisch als tierisch klassifiziert werden (Plato rep. 588b-589b; Spittler 2008, 44f.) –, auffindbar. Im Kontext asketischer Strömungen ist dieser Traditionsstrang besonders prominent vertreten (a.a.O., 83

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43-49). Da Leidenschaften und Begehren mit Tieren in Verbindung gebracht wurden, wird in diesem Zusammenhang auch auf den Sündenfall rekurriert: Eva tritt mit der Schlange (= Tierwelt) in Kontakt und damit wird dem Menschen auch das, was zur Tierwelt gehört, sexuelle Vereinigung und der Tod, bekannt. Sexualität und Fortpflanzung werden als animalische Akte gedeutet, durch deren Zurückweisung in logischer Konsequenz auch mit der natürlichen Welt und damit auch mit der Welt der Tiere gebrochen wird, die dem christlich-asketischen Lebensideal zuwiderlaufen. Demgemäß ist es naheliegend, dass sich im asketischen Schrifttum noch ein weiterer Traditionsstrang festmachen lässt, in welchem wilde Tiere als bedrohliche Repräsentanten des Bösen vorkommen (z.B. Ath. vit. Ant. 9,5-7, wo Antonius von Dämonen in der Gestalt von Löwen, Bären, Leoparden, Stieren, Schlangen, Nattern, Skorpionen und Wölfen bedroht wird; vgl. Spittler 2008, 46). Auch in den geläufig als gnostisch qualifizierten Schriften von Nag Hammadi wird auf Tiere als Repräsentanten des Bösen rekurriert (z.B. Lehren des Silvanus 85,7-16; Authentikos Logos 24,20-26; Spittler 2008, 47; Gilhus 2006, 208f.).

2. Wundersame Tiere in den apokryphen Apostelakten In den fünf klassischen apokryphen Apostelakten (Andreasakten, Johannesakten, Petrusakten, Paulusakten, Thomasakten) sind unterschiedliche und nuancenreiche Bezüge zur Tierwelt festmachbar (detaillierter und darüber hinausgehend Spittler 2008; um die dreißig verschiedene Tierarten kommen in den Texten vor, Spittler 2008, 6). Die Tierepisoden in den apokryphen Apostelakten weisen zahlreiche wunderhafte Elemente auf. Den Andreasakten kommt innerhalb dieses Corpus insofern eine Sonderstellung zu, als in ihnen Tiere negativ konnotiert und der bösen und dämonischen Welt zugeordnet werden. In den Johannesakten dagegen werden Tiere und ihr ungewöhnliches Verhalten – auch ganz gegen ihre eigentliche Natur – äußerst positiv gezeichnet. In den Petrusakten ist eine gewisse Steigerung der Wundertätigkeit feststellbar, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass Tiere zu sprechen (Hund, ActPetr 10-12; zu sprechenden Tieren vgl. Matthews 1999; Perkins 2005) und wieder lebendig zu werden vermögen (Fisch, ActPetr 13). Vor allem in der Arena – mit Rückbezugnahme auf vorhergehende außergewöhnliche Begegnungen – sind Tiere in den unterschiedlichen Überlieferungssträngen der Paulusaktentraditionen von Bedeutung (vgl. Spittler 2008, 156-189; Snyder 2013), wobei sie sowohl auf wunderbare Weise schützend und der Erinnerung fähig als auch gefährlich und lebensbedrohlich dargestellt werden. Der bösen Sphäre zugeordnete Tiere, die der Apostel jedoch unter seiner Kontrolle hat, kommen auch in den Thomasakten vor. Ebenso werden dort Verhaltens- und Lebensweisen von Tieren (verschiedene Arten von Eseln, die jeweils in ungewöhnlicher Manier dem Apostel ihre Dienste anbieten) in zwei parallel strukturierten Erzählungen vorgestellt, um anhand der Wildesel das ideale christliche Leben zu verdeutlichen.

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3. Bestialische Tiere in den Andreasakten Die Vielfalt an Texten, die zur Andreastradition gehören (Spittler 2008, 76-81), verbindet eine grundsätzlich negative Haltung gegenüber Tieren. Eine Ausnahme innerhalb des Corpus stellt eine Adler-Episode dar, in welcher der Adler als Sinnbild für die Seele vorgestellt wird (Spittler 2008, 91f.). Ansonsten entspricht die Darstellung der Tierwelt in der Andreastradition den bereits kurz vorgestellten Tendenzen der christlich-asketischen Literatur sowie den als gnostisch eingeordneten Texten aus Nag Hammadi. So wird zum Beispiel im Liber de Miraculis Gregor von Tours’ erzählt, dass Andreas sieben Dämonen in Hundegestalt aus Nicäa verbannt (ActAndr[Greg] 6,20-23; Spittler 2008, 82). Diese setzen jedoch ihr Unwesen in Nicomedia fort und töten dort einen jungen Mann. Andreas trifft bei seiner Ankunft in Nicomedia den entsprechenden Leichenzug und erweckt den jungen Mann zum Leben. Damit ist die Macht des Bösen gebrochen und das Leben obsiegt. Die Hunde werden in dieser Episode mit bösen Mittlerwesen (Dämonen) und dem Bösen schlechthin verbunden. Diese Kombination ist letztlich eine todbringende. Von daher sind die bedrohlichen und gefährlichen Tiere die Gegenspieler der Menschen und des Lebens, die jedoch vom Apostel durch ein Wunder – die Totenerweckung – überwunden werden. In ähnlicher Weise schildert Gregor von Tours (ActAndr[Greg] 18,55-57) die Tierszene in der Arena. Der Apostel bleibt auf wunderhafte Weise von den Angriffen der bösen und gefährlichen Tiere verschont. Ein wilder Bär umkreist ihn dreimal, aber rührt ihn nicht an, ein Stier zerfetzt zwei Jäger, bevor er selbst tot zu Boden fällt, und ein äußerst gefährlicher Leopard springt auf die Tribüne und erdrückt den Sohn des Prokonsuls. Die Tiere, die hier als gefährlich und bedrohlich, als tötende Bestien charakterisiert werden, lassen den Apostel unbehelligt. Dies scheint jedoch nicht, wie bei den Szenen in der Arena von Thekla oder Paulus, ihr Verdienst zu sein, sondern es wirkt vielmehr so, als ob das Böse sich seinesgleichen als Opfer wählt und der Apostel auf der anderen Seite steht. Andreas erweckt dann auch den Sohn des Prokonsuls, wodurch abermals unter Beweis gestellt wird – nach dem Rettungswunder folgt noch das Wunder der Totenerweckung –, dass die Macht der Bestien, des Bösen und des Todes überwunden ist (Spittler 2008, 83f.). Ähnlich wird auch eine Riesenschlange von Andreas als bedrohlicher, lebensgefährlicher Zerstörer des Menschengeschlechts adressiert und aufgefordert, sich auf die Seite Gottes zu begeben und zu sterben – das Ungetüm kommt dem nach und stirbt. Der zuvor von der Schlange tödlich getroffene Junge wird mit Hilfe der Gattin des Prokonsuls erweckt, das Böse und der Tod sind dadurch besiegt und die Menschen kommen zum Glauben (ActAndr[Greg] 18; Spittler 2008, 84). Auch hier werden gegenübergestellte Zuordnungen präsentiert, wobei es einen eindeutigen Sieg zu verzeichnen gilt, der auch den ungewöhnlichen Gehorsam der Schlange sowie eine Totenerweckung inkludiert. Zur Sphäre des Bösen werden in den Andreasakten jedoch nicht nur Dämonen und bestialische Tiere, sondern auch bestialische Menschen, die ihre tierischen Bedürfnisse befriedigen, gezählt (a.a.O., 87f.); 85

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diese werden Gott und den wahren »menschlichen« Menschen, den Christen, gegenübergestellt (a.a.O., 89).

4. Kluge Tiere in den Johannesakten Die Tierepisoden in den Johannesakten sind dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen in betont amüsant-unterhaltsamer Weise das Verhalten von Tieren positiv gezeichnet wird und sie sich bei genauerem Hinsehen als erbaulich und tiefgründig erweisen. Im Besonderen gilt dies für die Erzählung von den wachsamen Wanzen (ActJoh 60f.). Johannes gibt zu Beginn der Szene den Wanzen den Auftrag, den ihnen angestammten Aufenthaltsort zu verlassen. Die Wanzen gehorchen ihm, um ihm Ruhe zu verschaffen und kehren am Ende an ihren Ort zurück. Ihr Verhalten wird explizit dem der Jünger des Johannes vorgezogen. In dieser Episode werden verschiedene wunderhafte Elemente miteinander verbunden: Erstens ist es erstaunlich, dass die Wanzen als Tiere dem Apostel gehorchen. Zweitens tun sie das Gegenteil des von ihnen – als den lästigsten und unnützesten Tieren (Spittler 2008, 104) – »natürlicher Weise« Erwarteten, sie gewähren Ruhe. Drittens werden die Tiere den Jüngern in ihrem tadellosen Verhalten und Gehorsam als nachahmenswertes Beispiel vor Augen geführt. Dass Helden, wie Herakles oder Perseus, im Schlaf gestört werden und die Störungen zu beseitigen vermögen, ist der Umwelt der apokryphen Apostelakten ebenso bekannt (a.a.O., 98; vgl. Junod/Kaestli 1983, 535-538) wie Berichte von Insekten, die für eine gewisse Zeit einem kultisch bedeutsamen Ort fernbleiben (Spittler 2008, 98). Dass hier gerade die »unnützesten und lästigsten Tiere« die Menschen übertreffen und ganz entgegen ihrer Natur Ruhe und Kontemplation verschaffen, ist in der Tat ein ganz unglaubliches Beispiel für wahrhaft christliches Verhalten (a.a.O., 105). Ein weiteres unterhaltsames Detail der Episode ist, dass im griechischen Text ein Wortspiel von Wanzen (κόρις koris) und Mädchen (κόρη korē) und damit auch ein erotisches Motiv anklingt (a.a.O., 105). Die Wanzen/Mädchen werden aus dem Bett vertrieben und damit die schlimmste Art der Ablenkung von Kontemplation (a.a.O., 108). Mit den Wanzen, die für Unglücklich-Sein und Schwierigkeiten schlechthin in der Antike stehen, vertreibt der Apostel alles Unglück und alle Schwierigkeiten. So wird der ideale Zustand von Frieden und Ruhe erreicht. Ebenso klug und gerecht, wenn zugleich auch todbringend und bedrohlich wird die Schlange, die die Schändung der Drusiana verhindert, dargestellt (ActJoh 71). Ihrem Einschreiten ist das Wunder der Bewahrung der Reinheit Drusianas zu verdanken. Die Schlange tötet den bestechlichen und verdorbenen Fortunatus und wickelt sich zischend um Kallimachos’ Füße, der Drusiana selbst bis ins Grab hinein nachstellt. Nachdem sie ihn zu Fall gebracht hat, lässt sie sich an seinem Kopfende nieder. Als Johannes erscheint, befiehlt er dem Tier, von ihm zu weichen. Die Schlange spielt in dieser Szene eindeutig eine Schlüsselrolle, auch wenn ein Stück weit offenbleibt, auf welcher Seite sie steht (Spittler 2008, 112). Zur Schlange 86

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kennt auch die antike Umwelt viele unterschiedliche Zugänge. So schildert zum Beispiel auch Aelian Schlangen, die bewahren (a.a.O., 113). Heliodor überliefert unterschiedliche Traditionen zum Verhalten von Schlangen. Einerseits sind sie Folterer des Bösen, zugleich weisen sie eine eigene Loyalität, Gerechtigkeit und Sensibilität gegenüber dem Göttlichen auf oder agieren auf Geheiß Gottes hin (a.a.O., 114). Hier wird die Schlange ähnlich mehrdeutig gezeichnet: als schreckenerregend und zugleich auch gerecht und durchaus göttlich bestimmt. Kallimachos ist zwar verletzt, doch wird er durch den Kontakt mit der Schlange zu einem neuen Menschen. Hier liegt ein doppeltes Rettungswunder vor: Erstens wird Drusiana bewahrt und zweitens findet Kallimachos, der sein verwerfliches Ziel nicht erreicht, zum Glauben.

5. Hilfreiche Tiere in den Petrusakten Ein Hund, der spricht (ActPetr 10-12), macht in den Petrusakten das eben noch unmöglich Erscheinende möglich. Er bewirkt Petrus’ Kontakt zu Simon, und ein gesalzener Fisch (ActPetr 13), der wieder lebendig wird, verhilft der staunenden Menge zum Glauben. Der außergewöhnliche Hund spielt in der Szene am Eingangstor zu Marcellus’ Haus eine aktive Rolle. Er spricht Petrus mit einem Bekenntnis an und wird zum Boten zwischen Petrus und Simon. Der Hund teilt Simon und dem Apostel eine Prophezeiung mit. Der Hund und der menschliche Wächter scheinen in dieser Tierepisode wie ein Paar konstruiert zu sein (Spittler 2008, 143). Mensch und Tier werden hier kontrastiert (a.a.O., 155). Schon Platon schreibt Hunden zu, dass sie ideale Wächter seien (Plato rep. 375a-376c) – in dieser Episode ist das Tier gegenüber dem Menschen der bessere Wächter. In der Antike werden Hunde ambivalent charakterisiert. Einerseits wird ihre Loyalität und Begleitung gerühmt und zugleich gelten sie als bedrohlich und aggressiv (Spittler 2008, 141). Wachhunde werden grundsätzlich als treu und intelligent beurteilt (a.a.O., 142). So wird zum Beispiel auch von Hunden berichtet, dass sie Apollonius als göttlichen Mann erkennen und ihn nicht anbellen (Philostr. vit. Ap. 8,30). Auch der sprechende Hund in den Petrusakten erkennt die wahre Identität des Simon und es kommt zunehmend zu einem Rollentausch. Der wundersame Hund ist der Sprache mächtig, Simon verliert seine Sprache. Schließlich scheint es sogar so weit zu gehen, dass Simon im Stall das dumme Tier ist (ActPetr 15). Vor der Episode vom getrockneten Fisch, der zum Leben kommt, wird von der Menge ein weiteres Wunder gefordert, damit sie zum Glauben kommt (ActPetr 12; Spittler 2008, 149). Daraufhin wird erzählt, dass Petrus wie zufällig einen getrockneten Fisch hängen sieht, den er an sich nimmt und ihn während eines an Jesus Christus gerichteten Gebets in einen Teich wirft, woraufhin der Fisch im Wasser schwimmt und zum Beleg seiner Lebendigkeit auch das ihm zugeworfene Brot frisst. Die Motive Fisch, Wasser und Brot sind zentrale christliche Symbole, ebenso wie das Thema des Überwindens des Todes und die Wiedererlangung neuen Le87

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bens. Möglicherweise wird hier auch klug und unterhaltsam auf Petrus’ Karriere als Menschenfischer angespielt (a.a.O., 151). Innerhalb der Petrusakten wird festgehalten, dass das geschilderte Wunder des wieder zum Leben erweckten Fisches seinen Zweck erfüllt und dass auf dieses Zeichen hin viele Menschen zum Glauben kommen und von Petrus belehrt werden. In den Petrusakten geht es gemäß diesen beiden wunderhaften Tier-Episoden darum, vor Augen zu führen, dass die christliche Botschaft über die Menschheit hinaus hinein ins Tierreich reicht (a.a.O., 155).

6. Tiere als Angreifer und Verteidiger in den Paulus- und Theklaakten sowie in den Paulustraditionen Tiere kommen in den Paulusakten primär in der Arena vor und bereits die Kirchenväter haben sich auf die berühmten Löwen-Passagen bezogen (Spittler 2008, 157). In den Theklaakten fällt auf, dass auch dem Geschlecht der Tiere Bedeutung beigemessen wird. Eine Löwin leckt Thekla die Füße (ActThecl 28) und von einer Löwin wird Thekla errettet (ActThecl 33; Spittler 2008, 170). Dies ist vor allem angesichts der Konnotation von Weiblichkeit und Schwäche auch in der Tierwelt und bei Löwen interessant (Plin. nat. 8,48; Spittler 2008, 173). Während der gesamten Szene in der Arena (ActThecl 33-37), in welcher Thekla in permanenter Todesgefahr dem Angriff wilder Bestien ausgesetzt ist, wird Thekla mehrfach wunderbarer göttlicher Schutz zuteil. Ihre Rettung hat sie nicht nur der Tierwelt, die sich auf ihre Seite stellt, zu verdanken, sondern selbst Naturgewalten sorgen für ihr Überleben: Als sie sich im Robbenbecken (ActThecl 34; Schneider 2001) selbst tauft, werden die Tiere durch einen funkelnden Blitz getötet und eine Feuerwolke umgibt sie, so dass keines der Tier sie berührt. Letztendlich bewirken jedoch die versammelten, mit der Heldin solidarischen Frauen, dass Thekla gerettet wird. Am Rettungswunder sind hier sowohl Tiere – die zugleich auch die Todesbedrohung schlechthin darstellen – als auch Naturgewalten und zuletzt in besonderer Weise Menschen (Frauen) in klug verteilten Rollen beteiligt. Wie auch in den Texten der Umwelt der apokryphen Apostelakten schwächere Tiere in der Lage sind, stärkere zu besiegen, so wird auch in den Theklaakten die Hauptprotagonistin Thekla, die zu Beginn als Insekt im Spinnennetz (ActThecl 9; Spittler 2008, 180) gezeichnet wird, zur erfolgreichen Tierkämpferin. Theklas (weibliche) Schwäche und ihre Stärke werden kombiniert, und ebenso wird hier auch mit der Stärke und dem Mut von weiblichen Tieren auf die Stärke und den Mut der Protagonistin verwiesen, möglicherweise sogar auf die Stärke des weiblichen Geschlechts insgesamt, da ja letztlich die Frauen mit ihren Kräutern und Thryphaina durch ihre Ohnmacht bewirken, dass Thekla der Todesgefahr erfolgreich entkommt. Die Szene von Paulus mit dem getauften Löwen ist die prominenteste Tierepisode (vgl. z.B. Metzger 1945; Schneemelcher 1964b; Drijvers 1990b; Adamik 1996; Spittler 2008, 182-187; zur Thematik der unterschiedlichen Paulustraditionen Sny88

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der 2013). Beim Tierkampf in Ephesus wird ein gewaltiger Löwe für den Kampf in der Arena ausgewählt. Der schreckliche Löwe greift Paulus nicht an, sondern erweist sich als der Löwe, den Paulus auf dessen eigenen Wunsch hin getauft hat (Spittler 2008, 182). Auf Paulus und den Löwen, die auch ihre jeweilige Gefangennahme verbindet, werden schließlich wilde Tiere losgelassen. Doch auch hier ist ein doppeltes Rettungswunder zu konstatieren; während ein Hagelsturm die anderen Bestien tötet, bleiben Paulus und der getaufte Löwe verschont und erlangen so die Freiheit. An anderer Stelle wird von der Taufe des Löwen berichtet, der schließlich auch als asketisch charakterisiert wird, da er eine Löwin nicht anblickt (a.a.O., 183). Für diese Tierepisode ist neben der Erzählung von Androclus und dem Löwen auch die der Antike vertraute Praxis des Zähmens von Löwen sowie des Haltens von Löwen als Haustieren grundlegend. Im Unterschied zu den paganen antiken Löwenepisoden, in welchen primär das innerweltliche Leben und die Linderung einer konkreten Not im Vordergrund stehen, sind wir hier mit einer christlichen Variante einer Löwen-Episode konfrontiert, in welcher das geistlich-spirituelle und asketische Leben (Spittler 2008, 186; vgl. Rordorf 2003, 251-265) in den Mittelpunkt gestellt wird. Der Löwe wird hier so charakterisiert, dass er in der Lage ist, Paulus zu erkennen, und sich erinnert, d.h. Tiere haben ein Gedächtnis und sind in den Heilsplan inkludiert (Spittler 2008, 183f.188).

7. Außergewöhnliche Tiere in den Thomasakten Auch in den Thomasakten ist eine grundsätzlich positive Sicht auf Tiere vorhanden. Diese wird sogar mit den asketischen Tendenzen, die diese Schrift prägen, verbunden (Spittler 2008, 193). Auffällig ist, dass die erwähnten Tiere genau zum Ort der Handlung, nämlich Indien, passen. Zum einen haben schon in der Antike die indischen Schlangen als ganz besonders riesig und gewaltig gegolten (Ael. nat. 15, 21; Plin. nat. 8,13; Philostr. vit. Ap. 3,6; Spittler 2008, 196f.), und auch die indischen Wildesel hatten den Ruf, besonders starke, gefährliche, schreckliche Tiere mit weißem Körper und purpurnem Kopf zu sein, deren Einhorn magische Kraft zugesprochen wurde (Ael. nat. 4,52; Opp. Cyn. 3,183-187; Spittler 2008, 213f.). Die drei Tierepisoden in den Thomasakten verbindet darüber hinaus, dass alle drei auf der Straße ganz unerwartet beginnen und die wundersamen Tiere jeweils der Sprache mächtig sind (a.a.O., 193). Die Szene mit der verliebten Schlange (ActThom 30-38) ist eine ganz ungewöhnliche Totenerweckung. Sie wird so eingeführt, dass eine liebestolle Schlange ihren Rivalen, einen jungen Mann, durch ihren Biss bzw. Stich tötet. Der Apostel entdeckt den Toten am Weg und stellt die Schlange zur Rede. Er fordert sie im Namen Jesu auf, ihre Tat rückgängig zu machen und das Gift aus dem jungen Mann zu saugen. Die Schlange kommt nach kurzem Widerspruch der Aufforderung des Apostels nach, der junge Mann wird wieder lebendig und die Schlange zerplatzt und stirbt. 89

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Der antiken Welt sind verliebte Schlangen wohlbekannt (Spittler 2008, 197). Bezüglich des Tieres ist hier eine Verbindung verschiedenster Traditionen aus Naturgeschichte, populärer Anekdote und biblischer Tradition, in welche sich die Schlange selbst einordnet, nachweisbar (Adamik 2001; Spittler 2008, 198). Ungewöhnlich an der Erweckung ist, dass die Verursacherin ihre Tat rückgängig macht, um dann selbst zum tödlichen Opfer zu werden. Die Schlange ist hier zwar Repräsentantin des Bösen, das sich letztendlich selbst zerstört, doch gehorcht sie dem Apostel und bewirkt damit die Rettung ihres eigenen Opfers. In den zwei ganz ähnlich strukturierten Esel-Episoden (Spittler 2008, 208f.) der Thomasakten werden die beiden dargestellten Eselarten, der domestizierte Esel (ActThom 39-41) und der Wildesel (ActThom 74-79), die schon in der Tradition der hebräischen Bibel und der klassischen Antike, so zum Beispiel auch in den Fabeln Äsops (Fabeln 30 und 194) als paradigmatische Beispiele für wild und gezähmt gelten (Spittler 2008, 209-212), als zwei Varianten christlichen Lebens vorgestellt (a.a.O., 218). Der domestizierte Esel ist dabei ein Beispiel für eine nicht ideale, an die materielle Welt gebundene und ihr verpflichtete Lebensweise, die auch bei aller Bemühung, dem Apostel zu Diensten zu stehen und ihm Ruhe zu verschaffen, letztlich den Tod bringt. So bricht der domestizierte Esel, nachdem Thomas auf ihm geritten ist, tot zusammen und der Apostel verweigert seine Auferweckung. Die Wildesel dagegen repräsentieren das ideale christlich-asketische Leben. Sie werden in den entsprechenden Quellen als lüsterne, aber auch als abstinente und kastrierte Tiere vorgestellt (Opp. Cyn. 3,191-207; Plin. nat. 8,46; vgl. Physiologus 9; Spittler 2008, 214f.). Von daher ist es durchaus naheliegend, dass die Wildeselherde als eine Herde von Eunuchen zu interpretieren ist (a.a.O., 216), die das Frei-Sein von jeglichen Verpflichtungen repräsentiert (a.a.O., 221). Auch hier werden antike Charakterisierungen von Tieren und die biblische Tradition kunstvoll miteinander verbunden. Dem Wildesel, den Johannes schickt, um die Dämonen herauszurufen, werden sogar zwei Reden in den Mund gelegt, in welchen er als Bote Jesu erscheint und vor falschen Propheten warnt. Das beschriebene Verhalten der sprechenden Esel übersteigt sogar das Verhalten der Menschen im Text. In den beiden parallel angelegten Tier-Szenen geht es letztendlich darum, Menschen – durch die kunstvoll komponierte Gegenüberstellung der wunderhaften Esel – zu der Lebensweise der Wildesel zu bewegen, die Freiheit und Leben verheißt, und nicht der Lebensweise des domestizierten Esels verhaftet zu bleiben, die in der materiellen Welt gefangen bleibt und letztlich den Tod bringt.

8. Zusammenfassung Unterschiedliche Tiere und Ungetüme spielen in den Wundertraditionen der fünf klassischen apokryphen Apostelakten eine zentrale Rolle, wobei die Tierepisoden unterhaltsam, variantenreich, lehrreich, zur Erbauung und häufig zur Identifikation angelegt sind. Trotz der in den apokryphen Apostelakten prominent zutage tretenden asketischen Tendenzen, die eher eine negative Wertung der Tierwelt vermu90

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ten lassen würden – auf die Andreasakten trifft das zu –, weist der Großteil der Traditionsstränge der apokryphen Apostelakten eine differenzierte Darstellung der Tierwelt auf. In den meisten Szenen sind Tiere und auch Ungeheuer entscheidende Handlungsträger und als solche meist positiv konnotiert, woraus auch eine große Wertschätzung und positive Wertung der Schöpfung und des Schöpfers abgeleitet werden dürfen. In den apokryphen Apostelakten werden das Verhalten und die Charakterisierung von bestimmten Tieren (z.B. Wanzen, Wildesel) aus der in der antiken Umwelt geläufigen Literatur übernommen und christlich gedeutet, indem das Verhalten der Tiere paradigmatisch christliche Ideale versinnbildlichend darstellt. Die hier vorgestellten Tiere sind auch in ihrer Funktion als Mittlerwesen in der Lage, das Göttliche wahrzunehmen, z.B. indem sie den Apostel erkennen und verehren, die christliche Botschaft verkündigen, was in der Tat besonders wunderhaft erscheint, jedoch auch den Traditionen der antiken Umwelt entspricht (z.B. Elefant, der Schwur treu ist; Spittler 2008, 41). Grundsätzlich sind die Tiere und ihr Verhalten in den apokryphen Apostelakten als Wunderzeichen angelegt, die sinnlich wahrnehmbar darauf verweisen, dass Gottes Macht und die christliche Botschaft grundsätzlich und umfassend sämtliche Widerlichkeiten und Hindernisse und sogar auch den Tod zu überwinden vermögen – auch unter Zuhilfenahme der und in Bezug auf die Tierwelt – und damit auch in Hinsicht auf die gesamte Schöpfung. Livia Neureiter/Janet E. Spittler

Literatur zum Weiterlesen R. Grant, Early Christians and Animals, New York 1999. L. Hobgood-Oster, Holy Dogs & Asses. Animals in the Christian Tradition, Urbana 2008. O. Keller, Die antike Tierwelt, 2 Bde., Leipzig 1913. C. R. Matthews, Articulate Animals. A Multivalent Motif in the Apocryphal Acts of the Apostles, in: F. Bovon/A. G. Brock/C. R. Matthews (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles, Cambridge 1999, 205-232. E. J. Schochet, Animal Life in Jewish Tradition. Attitudes and Relationships, New York 1984. J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/247, Tübingen 2008.

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Einblicke in die bildliche Darstellung der Wunder der Apostel in der Kunst 1. Bildliche Darstellung in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten »Während in den Texten alle Nuancen des Wunders fein herausgearbeitet werden können, fehlt der darstellenden Kunst das erklärende Wort«, konstatiert C. Nauerth, es sei daher »zu bedenken, daß Literatur und bildende Kunst grundsätzlich und notwendig unterschiedliche Wege beschreiten, wenn sie Geschehen wie die Heilungswunder zum Ausdruck bringen wollen« (Nauerth 1983, 339). Doch lassen sich auch Parallelen in der Beschäftigung mit Wundern in Literatur und bildender Kunst aufweisen, denn wie sich in der christlichen Literatur der ersten Jahrhunderte eine Reflexion über theologische Fragen und Sachverhalte abzeichnet, so lassen sich auch in der frühchristlichen Kunst Prozesse erkennen, die ein Nachdenken über theologische und exegetisch-hermeneutische Aspekte offenlegen (vgl. Mathews 2003; Hinz 1973). Die literarische und die bildliche Rezeption neutestamentlicher und nachneutestamentlicher, kanonischer und apokrypher Figuren und Szenen kann daher als ein zeitlich versetzter, aber auf zwei parallelen Ebenen – der literarischen und der bildlichen Ebene – verlaufender Prozess des theologischen Nachdenkens beschrieben werden. Für die frühchristliche Kunst bedeutet dies, dass das Bildrepertoire nicht auf die Illustration der biblisch-kanonischen oder apokryphen Erzählungen beschränkt war. Vielmehr wurden in der künstlerischen Darstellung, analog zur frühchristlichen Literatur, die kanonischen Texte kreativ fortgeschrieben, außerkanonische, apokryphe und mündliche Traditionen eingebunden und neue Parameter geschaffen, die ihrerseits in die Tradition Eingang fanden und die frühchristliche Literatur bereicherten (vgl. Cartlidge 1998, 364). Dieser kreativen Tendenz stand das Bilderverbot gegenüber, denn Ex 20,4 wurde zunächst – wie die Bezugnahme auf diesen Text in den Schriften der Kirchenväter und in frühen Kirchenordnungen zeigt – als Verbot jeglicher bildlicher Darstellung im kirchlichen Kontext interpretiert (vgl. Stutzinger 1983). Der Befund, dass ungeachtet der bilderfeindlichen Positionierung der Theologen dennoch erste (früh)christliche bildliche Darstellungen bereits ab dem frühen 3. Jh. zu fassen sind und deren Zahl mit dem Anwachsen des Christentums exponentiell anstieg, wird dadurch erklärt, dass mithin v.a. der Gebrauch bildlicher Repräsentationen dessen, ›was verehrt und angebetet wird‹ (vgl. Can. 36 der Synode von Elvira, 306 n. Chr.), im Rahmen idolatrischer Praktiken kritisch gewertet wurde (vgl. Cartlidge/ Elliott 2001, 8-15; Finney 1994). Ab dem 4. Jh. lässt sich aber zugleich die Herausbildung von Positionen erkennen, »die den didaktisch-pädagogischen Wert der Bilder zur Vermittlung christlicher Glaubensinhalte und Wertvorstellungen erkannten und offensiv propagierten« (Jäggi 2009, 21). In der Korrespondenz Papst Gregors des Großen um 600 n. Chr. wird z.B. explizit der didaktische Wert der bildlichen 92

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Darstellung biblischer Erzählungen zur Unterrichtung der illiterati betont; für das oströmische Reich lassen sich analoge Positionen anführen (Pictura est litteratura laicorum; vgl. Greg. M. ep. 9,209; 11,10; vgl. Jäggi 2009, 19-25). Die Entstehung der christlichen Kunst und die damit einhergehende umfängliche Diskussion lassen in jedem Fall auf die Beliebtheit und Verbreitung bildlicher Darstellungen christlicher Figuren und Szenen schließen. Im folgenden Beitrag soll der Fokus auf den kanonischen und apokryphen Wundern der Apostel in den bildlichen Darstellungen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte liegen. Während vor allem die kanonischen Wundererzählungen, aber auch einige den apokryphen Evangelien entnommene Wunder, z.B. in Darstellungen der Kindheit Jesu, in der christlichen Kunst breite Rezeption erfahren haben (vgl. Nauerth 1983; Jastrzebowska 1992), sind Illustrationen von Motiven der apokryphen Apostelakten vom 4.-11. Jh. nur in sehr geringem Umfang belegt. Die ab dem 12. Jh. vermehrt auftretenden Darstellungen von Figuren und Szenen der apokryphen Apostelliteratur zeugen von einer starken Variabilität, die darauf zurückzuführen sein mag, dass den Künstlern nicht die uns heute vorliegenden, rekonstruierten Textfassungen zugänglich waren. Sie orientierten sich an einem breiten Spektrum aus Exzerpten der Apostelakten in Homilien, Menologien, Textsammlungen (wie z.B. Acta Martyrum, Acta Sanctorum, Legenda Aurea), liturgischen Texten und Traditionen (wie z.B. Lektionaren für die Lesungen an den Festtagen der Heiligen; vgl. Cartlidge/Elliott 2001, 173). Zudem ist davon auszugehen, dass bildliche Darstellungen nicht notwendig von Textvorbildern ausgingen, sondern die Bildsprache sich eigenständig und unabhängig entwickelte. Die erhaltenen Beispiele finden sich vorwiegend im Bereich der Sarkophagplastik, der sakralen Monumentalmalerei und der Mosaiken sowie auf liturgischem Gerät (vgl. Thomas 2006). Im Folgenden soll ein Einblick in die bildliche Darstellung der Wundererzählungen geboten werden, in denen Apostel als Wundertäter fungieren. Seitens der literarischen Tradition stehen diese Motive mit der kanonischen Apostelgeschichte oder den apokryphen Apostelakten in Zusammenhang. Ihre Rezeption und Interpretation in der (früh)christlichen Kunst und materiellen Frömmigkeit sowie die reziproken Rezeptionsprozesse zwischen apokrypher Literatur und bildender Kunst sollen hier schlaglichtartig in den Blick genommen werden.

2. Die bildliche Darstellung der Apostel Obgleich bereits Euseb erste Darstellungen des Paulus und Petrus erwähnt (h.e. 7,18,4), ist anzunehmen, dass »Petrus und wahrscheinlich auch Paulus in der frühchristlichen Kunst gegen Ende des 3. Jh. in noch ganz anonymer Gestalt innerhalb einer kleinen Gruppe von sechs Aposteln neben dem lehrenden Christus auftreten«, wodurch die christliche Lehre – in der Tradition der Darstellung griechischer Philosophenschulen – als die »wahre Philosophie« präsentiert wurde (Sotomayor 93

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1983, 199). Die distinktiven Merkmale in den Aposteldarstellungen bildeten sich wahrscheinlich erst ab der 2. Hälfte des 4. Jh. an den Passionssarkophagen aus. Wie auch in der klassischen Tradition in der Gegenüberstellung zusammengehöriger Figuren unterschiedliche Darstellungsweisen gewählt wurden, so wird in Bezug auf die beiden Apostel angenommen, dass deren individuelle portraithafte Züge auf die Gegenüberstellung der beiden Figuren zurückzuführen seien (vgl. Sotomayor 1983, 204f.). Die bildliche Darstellung des Paulus, die ihn – mit geringfügigen Varianten – meist mit schmalem Gesicht, Glatze und langem, spitzem Bart, z.T. hervortretender Stirn und gebogener Nase zeichnet, findet jedoch Anhalt an der Beschreibung des Erscheinungsbildes des Apostels in den Paulusakten (2. Jh.): Und er [Onesiphorus, S.L.] ging an die königliche Straße, die nach Lystra führt, stellte sich dort auf, um ihn [Paulus, S.L.] zu erwarten, und sah sich (alle), die vorbeikamen, auf die Beschreibung des Titus hin an. Er sah aber Paulus kommen, einen Mann klein von Gestalt, mit kahlem Kopf und krummen Beinen, in edler Haltung mit zusammengewachsenen Augenbrauen und ein klein wenig hervortretender Nase, voller Freundlichkeit; denn bald erschien er wie ein Mensch, bald hatte er eines Engels Angesicht (ActThecl 3, Übers. Schneemelcher in Schneemelcher/Kasser 1997).

Eine analoge Beschreibung findet sich im 6. Jh. auch bei Johannes Malalas (Io. Mal. chron. 10,37) und im 14. Jh. bei Nicephorus Callistus Xanthopoulos (h.e. 2,37; PG 145,853f.; vgl. Omerzu 2008, 253-255). Frühe Darstellungen des Paulus, die z.T. noch geringfügige Variationen gegenüber dem später kanonisch werdenden Kopftypus erkennen lassen, finden sich z.B. in einem Fresko in der Domitilla-Katakombe (1. Hälfte 4. Jh.; vgl. Wilpert 1903, 2/Tafel 154) oder in den Goldgläsern des späten 4. Jh. (vgl. Abb. 1). Als Attribut wird Paulus häufig eine Schriftrolle beigegeben und vor allem in Darstellungen ab dem 13.  Jh. ein Schwert, das auf die Beschreibung seines Martyriums in MartPl 5 Bezug nimmt.

Abb. 1: Petrus und Paulus, Goldglas, spätes 4. Jh., Rom

Die Darstellung des Petrus mit breitem Gesicht, kurzem, gelocktem Haar (seit dem 6. Jh. mit Tonsur und Stirnlocke), anfangs meist bartlos, ab Ende des 4. Jh. mit rundem Bart, korrespondiert hingegen nicht mit den überlieferten textlichen Quellen (vgl. Braunfels 1968, 161). Entwickelte sich der Typus des Judenapostels erst im Laufe des 4.  Jh. im Gegenüber zum Typus des Heidenapostels (vgl. Sotomayor 1983, 204f.; Dinkler 1939, 65; Stuhlfauth 1925, 11f.)? Oder ist glaubhaft zu machen, dass eine Beschreibung des Apostels, die bei Nicephorus (h.e.

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2,37) erhalten ist, ursprünglich einen Teil der Petrusakten bildete und aufgrund dessen in der bildlichen Darstellung Wirksamkeit entfaltete (vgl. Matthews 1996, 136)? Als Attribut wird Petrus seit der ersten Hälfte des 4. Jh. ein Hahn beigegeben, v.a. in der Petrus-Christus-Hahn-Szene, die auf die Verleugnung verweisen (Mk 14,66-72 parr.) oder die Beauftragung des Petrus (Joh 21,15-18) darstellen kann (vgl. Dresken-Weiland 2011, 128.141-144). Entgegen der kanonischen literarischen Tradition in Hinsicht auf das Verhältnis der beiden Apostel zueinander (vgl. Gal 1f.; Apg 15) ist deren gemeinsame Darstellung, z.B. in der sog. Traditio legis (Dominus legem dat), seit constantinischer Zeit weitverbreitet und betont die concordia apostolorum (vgl. Dresken-Weiland 2011, 144-149; Pietri 1961; Fabricius 1956, 91f.; Berger 1973). Ab dem Ende des 4. Jh. und bis ins Mittelalter finden sich zudem häufig Apostelzyklen, die Szenen aus dem Leben des Petrus und des Paulus verbinden und z.B. das Treffen der Apostel in Rom, den gemeinsamen Sieg über Simon Magus oder die Anwesenheit des Petrus beim Martyrium des Paulus thematisieren (vgl. Cartlidge/Elliott 2001, 135; Kessler 1987). Die frühe Ausprägung portraithafter Züge der beiden Apostel ist vielleicht auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich um Figuren handelt, die in der kanonischen Literatur und der kirchlichen Tradition von großer Bedeutung waren. Zudem stehen Petrus und Paulus in der frühchristlichen Kunst häufig den anderen Aposteln vor, so dass man Darstellungen der Apostel auf Petrus und Paulus reduzieren konnte, da diese die Apostelgemeinschaft repräsentierten (vgl. Sotomayor 1983, 298). Die Darstellungskonventionen der weiteren Apostel sind weit weniger ausgeprägt. Die frühesten lehnen sich an den Typus antiker Philosophenbilder an und zeigen schon im 4. Jh. das Zwölferkollegium um Christus versammelt (z.B. im Rahmen einer Lehrszene), später auch als allgemeine Apostelversammlung (z.B. im Kontext der Akklamation), dazu kommen Zyklen mit Bildmedaillons der Apostel und Darstellungen der Apostel als Lämmer oder Tauben. Des Weiteren werden Auswahlgruppen gebildet, z.B. in der Traditio legis (Petrus und Paulus) oder in der großen Deesis (Petrus, Paulus, Johannes, Jakobus, Andreas). Ab etwa dem 8. Jh. entstehen Zyklen, die die Apostel predigend, lehrend, taufend oder im Martyrium präsentieren (vgl. Myslivec 2012, 155-160.169-172). Eine bedeutende Rolle kommt in diesem Zusammenhang auch der Darstellung auf Ikonen zu (vgl. Loeschcke 1973). Obgleich der apokryphen Literatur Informationen über die Charaktereigenschaften der Apostel zu entnehmen sind, haben sich ikonographische Konventionen für eine individuelle Darstellung der anderen Apostel erst im Hochmittelalter, wohl mit der zunehmenden Bedeutung der Apostel im liturgischen Kontext im Zusammenhang der Heiligenverehrung verfestigt (vgl. Myslivec 2012, 152f.). Auch diese Darstellungen finden keine Parallelen in den erhaltenen antiken Texten und »it is not clear as to what was the origin of these types« (vgl. Cartlidge/Elliott 2001, 176). Für diejenigen Apostel jedoch, deren kultische Verehrung in der Liturgie Ausdruck fand, lässt sich bereits früh die Herausbildung distinktiver Darstellungskonventionen erkennen – neben Petrus und Paulus gilt dies insbesondere für Andreas, der bereits in den ravennatischen Mosaiken des 6. Jh. wie später üblich mit langem grauem, zerzaustem 95

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Haar dargestellt wird, und für Johannes, der entweder als alter Mann oder als asketischer, bartloser Jüngling portraitiert wird (vgl. Cartlidge/Elliott 2001, 174-176).

3. Die Wunder der Apostel in Einzelszenen und Apostelzyklen Ab dem Ende des 3. Jh. und vor allem im Laufe des 4. Jh. entstanden – vielleicht im Zusammenhang mit der zunehmenden Verehrung des Petrus und Paulus in Rom – Darstellungen von Szenen aus dem Leben der beiden Apostel in unterschiedlichen Medien. Aus der kanonischen Apostelgeschichte und den apokryphen Apostelakten werden unter anderem auch Wundererzählungen aufgenommen. Da die Apostelakten und -traditionen – kanonisch wie apokryph – primär aus der Perspektive des Heiligen- und Märtyrerkults rezipiert wurden, sind in bildlichen Darstellungen insbesondere Berufung, Aretalogie und Martyrium der Apostel von Bedeutung. Lebenszyklen der Apostel selektieren in der Regel einige wenige prägnante Einzelszenen aus dem umfangreichen Traditionsmaterial und reduzieren die Narration auf die zentralen Aspekte des Apostellebens (vgl. Cartlidge/Elliott 2001, 176.179).

Petrus (Apostelgeschichte, Petrusakten)

Die früheste gesichert benennbare Darstellung des Petrus findet sich im Baptisterium der Hauskirche von Dura Europos (Mitte 3. Jh.), wo ein Fresko den Seewandel Jesu abbildet und im Rahmen dieses Wunders Jesu dem sinkenden Petrus besondere Bedeutung zumisst. Eine explizite Rezeption von Petruserzählungen findet sich ab dem Ende des 3. Jh. in der Sarkophagplastik. Es lässt sich ein festes Inventar an Szenen identifizieren: das Quellwunder (s.u.), die Verleugnungs- bzw. Beauftragungsszene (Mk 14,66-72 parr.; Joh 21,15-18) und die Gefangennahme (ActPetr 36), später erweitert durch die Darstellung des lehrenden Petrus (vgl. Dresken-Weiland 2011; Sotomayor 1983, 200-204; Fabricius 1956, 94-106). In den frühen Darstellungen des Martyriums des Petrus wird seine Gefangennahme portraitiert, zudem finden sich Darstellungen, zunächst des kreuztragenden Petrus (ActPetr 36; vgl. z.B. Sarkophag der 12 Apostel, San Apollinare in Classe, 5. Jh.), dann auch von der umgekehrten Kreuzigung (ActPetr 37f.; z.B. Elfenbeindarstellung im Musée Cluny, 6./7. Jh.; vgl. Cartlidge/Elliott 2001, 169). Auch in weiteren bildlichen Darstellungen der Wunder Jesu nimmt Petrus eine zentrale Rolle ein, z.B. in der Darstellung des Wunders von der Steuermünze im Fisch (Mt 17,24-27; vgl. Abb. 2). Auf einer Gruppe von Elfenbeintäfelchen aus dem frühen 5. Jh., die heute im Britischen Museum in London verwahrt werden, sind Szenen aus dem Leben des Apostels Petrus abgebildet. Die Darstellung des Quellwunders (Abb. 3) zeigt den Apostel, wie er mit einem Stock auf einen Stein schlägt, aus dem Wasser hervor96

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quillt, von dem zwei Figuren trinken. Diese Parallelisierung des Petrus mit Mose (vgl. Ex 17,6; Num 20,10f.) ist eine bereits bei den Kirchenvätern bekannte Tradition (vgl. Or. Comm. in Matth. 12,11; Aug. serm. 352,1,4; vgl. Fabricius 1956, 102), die jedoch – wie auch die Erzählung über die Gefangennahme des Petrus – erst im Text der Petrusakten des Ps.-Linus literarischen Niederschlag findet (um 500 n. Chr.; vgl. Verrando 1983). Die frühen bildlichen Darstellungen dieser Szene basieren daher wahrscheinlich auf mündlichen Traditionen (vgl. Sotomayor 1983, 201) und rezipieren Vorbilder der alttestamentlichen Abb. 2: Steuermünze im Fisch, Elfenbein des Szene (vgl. Stuhlfauth 1925, 50-71). Der Magdeburger Antependiums, um 970, Liverpool Unterscheidung dieser Szene von der Moseszene dient häufig eine Beischrift (vgl. z.B. auf der Glasschale von Podgoritza u.ö.; vgl. Fabricius 1956, 98f.) sowie die charakteristische Ikonographie (vgl. Dresken-Weiland 2011, 130-133).

Abb. 3: Quellwunder des Petrus, Elfenbeintäfelchen, frühes 5. Jh., Rom

Weitere häufig dargestellte Petruswunder sind der Apg entnommen, z.B. die Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis (Apg 12,6-17; vgl. Sarkophag in Fermo, Abb. 6; vgl. dazu Roose in diesem Band) oder die Auferweckung der Tabitha (Apg 9,36-43; Abb. 4; vgl. dazu Kollmann in diesem Band): Petrus reicht in der Darstellung auf dem hier vorgestellten Elfenbeintäfelchen der verstorbenen Tabitha die Hand und richtet sie auf; wie häufig in frühchristlichen Heilungsdarstellungen verweist die impositio manus auf eine Heilung des Kranken durch die Berührung des Wundertäters (vgl. Nauerth 1983, 340-343).

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Abb. 4: Auferweckung der Tabitha, Elfenbeintäfelchen, frühes 5. Jh., Rom

Die Lipsanothek von Brescia bietet eine Darstellung des Strafwunders an Hananias und Sapphira (Abb. 5; vgl. dazu Dormeyer zu Apg 5,1-11 in diesem Band). Die abgebildete Szene verbindet die zwei Erzählpassagen aus Apg 5,1-11 in einem Bild: Petrus ist sitzend dargestellt, vor ihm steht Sapphira, zu ihren Füßen ist ein Beutel mit Geld zu sehen. Die Leiche des Hananias wird bereits von einigen Männern nach rechts weggetragen (vgl. Kessler 1979, 110f.; Kollwitz 1933; Delbrueck 1952). Diese in frühchristlicher Zeit häufig wiedergegebene Episode ist in der Darstellung auf mehreren Sarkophagen vor allem südgallischer Provenienz bekannt (vgl. Nauerth 1983, 345; Beispiele bis ins Mittelalter bei Kessler 1979, 110f.).

Abb. 5: Strafwunder an Hananias und Sapphira, Detail aus der Lipsanothek von Brescia, spätes 4. Jh., Brescia

Weitere wahrscheinlich der apokryphen Tradition zuzurechnende Wunder des Petrus sind nicht definitiv zu identifizieren: Auf einem Sarkophag in Fermo (Abb. 6) werden zwei Szenen abgebildet, die wahrscheinlich Bezug auf apokryphe Petruswunder nehmen (1. und 2. Szene von links). Die genaue Deutung der Szenen ist jedoch umstritten (Diskussion bei Cartlidge/Elliott 2001, 164): Die Darstellung kann in Bezug auf die Erzählung von der Auferweckung der Tabitha oder auf die Erzählung über die gelähmte Tochter des Petrus (Kopt. Pap. Berlin 8502,4; vgl. dazu Plisch in diesem Band) interpretiert werden, auch eine Blindenheilung (ActPetr 20f.; vgl. dazu Misset-van de Weg in diesem Band) oder die Bitte einer Witwe um Auferweckung ihres Sohnes Nikostratus (ActPetr 25-27; vgl. dazu Döhler/Neureiter in diesem Band) stellen mögliche Bezugspunkte dar. 98

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Abb. 6: Petruswunder, Sarkophag, 4./5. Jh., Fermo

Obgleich somit von einer Kenntnis der apokryphen Wundertradition um Petrus in der frühchristlichen Kunst auszugehen ist, ist eine genaue Zuordnung zu einer erhaltenen literarischen Vorlage nicht möglich; vielmehr verweist die Kreativität der bildenden Kunst auf eine parallele Entwicklung eigenständiger Traditionen in diesem Bereich. Zugleich legt die Darstellung des Petrus, der die Frau bzw. Witwe im zweiten Interkolumnium tröstend aufrichtet, nahe, dass die dargestellte Szene auf die aktuelle Situation im sepulkralen Kontext hin interpretiert wird (vgl. Stuhlfauth 1925, 28-35). Auf drei gallischen Sarkophagen aus dem 4./5. Jh. findet sich – in unterschiedlicher Ausführung – die Darstellung eines sitzenden Hundes, der die Pfote hebt und mit einer ihm gegenüberstehenden Figur interagiert. Diese Szene wird als eine bildliche Darstellung des sprechenden Hundes aus der Auseinandersetzung des Apostels Petrus mit Simon Magus nach ActPetr 10(-12) identifiziert (vgl. dazu Hoffmann in diesem Band). Dieses apoAbb. 7: Der sprechende Hund, Detail aus Sarkophag, 4./5. Jh., kryphe Tierwunder aus den ActPetr war auch im MoVerona (San Giovanni in Valle) saikzyklus der Petruswunder in Alt-St. Peter vertreten (Abb. 7; vgl. Stuhlfauth 1925, 3-9; Fabricius 1956, 95f.). Paulus (Apostelgeschichte, Paulus- und Theklaakten)

Darstellungen des Paulus sind später und weniger facettenreich als die des Petrus (vgl. Sotomayor 1983, 209). Paulus wird vor dem 4. Jh. – vor allem auf Sarkophagen – häufig im Evangelistentypus dargestellt, als predigender Völkerapostel; in narrativen Einzelszenen wird z.B. die Berufung (Apg 9,1-9), die Flucht aus Damaskus (Apg 9,24f.) oder die Identifizierung des Paulus und Barnabas als Hermes und Zeus in Lystra (Apg 14,12) abgebildet. Zudem finden sich Einzelszenen der Gefangennahme und des Martyriums (MartPl; vgl. Lechner 1968). Frühe Darstellungen der Wunder des Paulus sind auf einem Elfenbeintäfelchen aus dem frühen 5. Jh. überliefert: 99

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Auf dem rechten Flügel des Elfenbeindiptychons von Carrand sind drei Szenen aus dem Leben des Paulus dargestellt (Abb. 8): Im oberen Drittel wird der Apostel sitzend dargestellt, ihm gegenüber steht ein Mann, mit dem er debattiert. Ein weiterer Mann, der hinter Paulus steht, scheint ihm aufmerksam zuzuhören. Eine identifizierende Zuschreibung dieser Szene zu den aus der kanonischen Apostelgeschichte oder den apokryphen Apostelakten bekannten narrativen Szenen ist schwierig; vielleicht soll der Völkerapostel predigend gezeigt werden, vielleicht wird auch auf eine bestimmte Einzelerzählung Bezug genommen – mögliche Referenztexte sind Apg 17 (Areopagrede) oder Apg 25f. (Rede vor Agrippa und Festus). Die mittlere Darstellung auf dem Täfelchen bildet die Erzählung aus Apg 28,1-6 ab, als sich auf Malta die Immunität des Paulus gegen Schlangenbisse erweist. Obgleich Szenen aus der kanonischen Apostelgeschichte in der frühchristlichen Kunst häufig rezipiert wurden, fand diese auf dem Elfenbeintäfelchen wiedergegebene Szene nur sehr selten Aufnahme in bildliche Darstellungen; dennoch war sie z.B. im Zyklus von S. Paolo fuori le mura vertreten (vgl. Kessler Abb. 8: Diptychon mit Szenen aus dem Leben des Paulus, Elfenbein, 1979, 113f.). Dieser frühe römische Pauluszyklus frühes 5. Jh., Rom (?) (1. Hälfte 5. Jh.) wurde 1823 durch ein Feuer zerstört (vgl. Lechner 1968, 145; Weis-Liebersdorf 1902, 75f.; Gui 2002; Garber 1918). Allein Aufzeichnungen aus dem 17. Jh. sind erhalten und lassen eine Rekonstruktion zu, die auf die Darstellung verschiedener paulinischer Wunder schließen lässt (vgl. Waetzoldt 1964). Die auf dem Täfelchen zuunterst dargestellte Szene verweist auf die wundersame Heilung eines Kranken auf Malta durch Paulus nach Apg 28,7f. bzw. auf das Summarium in Apg 28,9. Die beiden drastisch deformiert dargestellten Kranken werden von je einem Mann herbeigeführt und gestützt. Entgegen der noch auf den Sarkophagen des 4. Jh. häufig zu beobachtenden Konvention, die Kranken nur halb so groß darzustellen wie die übrigen Figuren (Bedeutungsmaßstab), werden hier alle Beteiligten gleich groß portraitiert (vgl. Nauerth 1983, 342). Auf einem Elfenbeintäfelchen aus dem frühen 5. Jh. sind weitere Szenen aus dem Leben des Apostels Paulus abgebildet (Abb. 9). Paulus wird gezeigt, wie er der konzentriert lauschenden Thekla predigt, die hinter einer Stadtmauer steht; zudem zeigt die Tafel die Steinigung des Paulus (in Anlehnung an Apg 14,5.19 oder ActThecl 21):

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Abb. 9: Darstellungen des Paulus, Elfenbeintäfelchen, frühes 5. Jh., Rom

Die frühesten Paulusdarstellungen nehmen sowohl auf die Apg, als auch auf das MartPl Bezug: Diverse frühchristliche Sarkophage, unter anderem der des Junius Bassus aus dem 5. Jh., bilden z.B. die Gefangennahme des Paulus ab, die zum Martyrium führte (Abb. 10; vgl. Malbon 1990, 2f.; Cartlidge/Elliott 2001, 144; vgl. Nicklas zu MartPl 5-7 in diesem Band). In der mittelalterlichen Kunst wird zudem das Martyrium dargestellt (vgl. z.B. S. Maria in Sylvis, in Sesto al Reghena, Italien).

Abb. 10: Sarkophag des Junius Bassus, 5. Jh., Rom, mit der Darstellung der Gefangennahme des Petrus (2. Szene von links, oberes Register) und des Paulus (5. Szene von links, unteres Register)

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Thekla (Paulus- und Theklaakten, Leben und Wunder der heiligen Thekla)

Der Figur der Thekla kommt in der frühen Kirche große Bedeutung zu. Gregor von Nazianz nennt sie z.B. als einzige Frau in der Liste der frühchristlichen apostolischen Märtyrer (or. 24,10; PG 35,1180D-1181A). In ihrer Lebensbeschreibung wird sie als Protomärtyrerin mit Stephanus parallelisiert (vgl. VitThecl 1; 5. Jh.; Dagron 1978, 172). In der apokryphen Erzählung des Martyriums und des Wirkens der Thekla in den ActThecl, die sich bereits in der frühen Kirche großer Bekannt- und Beliebtheit erfreute, wird sie als Frau den Aposteln gleichgestellt. Die früheste künstlerische Referenz auf Thekla findet sich auf einem Fragment aus der Coemeterialbasilika des hl. Valentin (Rom; vgl. Abb. 11). Abgebildet ist ein Schiff, das die Aufschrift THECLA trägt und von einer Figur mit der Beischrift PAVLVS gesteuert wird. Diese symbolische Darstellung zeichnet zunächst Paulus, den Gemeindegründer und -vorsteher, als Menschenfischer (vgl. Fabricius 1956, 110). Cartlidge/Elliott beurteilen den Befund folgendermaßen: Whether the plaque is a gravestone for a Thecla or part of a sarcophagus intended to illustrate the link between Thecla and Paul, its visual connection between Paul and Thecla certainly argues for our considering it a parallel with the Acts of Paul. […] On the one hand, Paul is clearly in command of the Good Ship Thecla’s course; he handles the tiller and the mainsheet. Thecla’s dependence on the Pauline message and her attraction to his preaching of »celibacy and the resurrection« (Acts of Paul 5f.) are emphasized in the rhetorical narrative. On the other hand, it may well be that the ship parallels the rhetorical narrative’s ambiguity: Thecla is both dependent upon Paul and an independent pursuer of her baptism and of the faith. In the end, she is an independent teacher, preacher and female martyr (Cartlidge/Elliott 2001, 148f.).

Abb. 11: Das Schiff Thekla, Fragment eines Sarkophagdeckels, 4. Jh., Rom

Ab dem 5. Jh. sind uns vielfältige Darstellungen der Thekla erhalten, häufig in Verbindung mit Paulus. Zu den am häufigsten dargestellten Szenen zählen die Rettungswunder im Kontext der Verurteilung der Thekla zum Martyrium (vgl. Losekam, Esch-Wermeling und Merz zu den Wundern in ActThecl in diesem Band). Thekla 102

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wird als Orantin oder als Gebundene dargestellt, flankiert von zwei flammenden Feuern oder von zwei Tieren (Löwen, Robben oder Stieren), die die zentralen Prüfungen illustrieren und die Errettung der Thekla symbolisieren. Ein Kalksteinmedaillon (Abb. 12; Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City) zeigt die Leiden der zum Martyrium verurteilten Thekla: Sie wird gebunden, mit nacktem Oberkörper und fließendem Rock präsentiert und ist flankiert von zwei geflügelten Engeln, zu ihren Füßen von zwei wilden Tieren. Ferner gründet die Darstellung der Thekla in ihrer literarischen Erwähnung im Rahmen von Lehrszenen als Hörerin der Predigt des Paulus (vgl. Abb. 9; zudem z.B. die Darstellung in der Friedenskapelle von El-Bagawat; vgl. Nauerth/Warns 1981, 1-11; Cartlidge/Elliott 2001, 150f.) sowie von Szenen der Thekla im Gefängnis. Thekladarstellungen fanden weite geographische Verbreitung sowie breite Rezeption im kirchlichen Kontext wie auch im privaten Umfeld (z.B. Berliner Kamm, vgl. Nauerth/Warns 1981, 51-53) und waren auch im Mittelalter noch beliebt, wie z.B. das Antependium der Thekla geweihten Kathedrale von Tarragona erkennen lässt, das Abb. 12: Thekla umgeben von wilden Tieren, Kalkstein, 5. Jh. (?), Ägypten Anfang des 13.  Jh. entstand und kompendiumartig Szenen aus dem Leben der Heiligen präsentiert (vgl. Nauerth/Warns 1981, 85-91; vgl. Abb. 13).

Abb. 13: Szenen aus dem Leben der Hl. Thekla, Hochaltar der Kathedrale von Tarragona (Detail), Anfang 13. Jh., Tarragona

Dieser knappe Einblick in die Darstellung der Apostelwunder lässt erkennen, dass die bildliche Repräsentation narrativer Wunderszenen andere Wege geht als die literarische Darstellung. So wird z.B. bei Heilungen die Krankheit chiffreartig charakterisiert, indem der zu heilende Körperteil drastisch überbetont oder durch die Berührung des Wundertäters hervorgehoben wird, oder indem dem Kranken ein Attribut beigegeben wird 103

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(z.B. Bett, Stock etc.). Die Komposition der narrativen Szenen erscheint typisiert, ist aber häufig variabler und figurenreicher als in literarische, Darstellungen der Wunder; obgleich ein expliziter Bezug zu neutestamentlichen oder apokryphen Texten immer wieder angestrebt wird, ist dieser häufig nicht eindeutig identifizierbar oder gar gegeben (vgl. Nauerth 1983, 342-345). Die Szenenauswahl lässt dennoch auf eine Rezeption sowohl kanonischer wie auch apokrypher Stoffe schließen; es werden sowohl Heilungen und Totenauferweckungen als auch außergewöhnliche Wunder, z.B. Rettungswunder, Tierwunder und Szenen mit magischen Implikationen (z.B. Schlangenbiss) aufgenommen. Die Apostel werden dabei als Wundertäter präsentiert, der Einfluss der Macht Gottes in diesen Wundertaten wird in der Darstellung nicht explizit berücksichtigt.

Lebenszyklen der Apostel

Die Berufungen, die Wunder und die Martyrien der Apostel stellten die zentralen narrativen Traditionen dar, die in der (früh-)christlichen Frömmigkeit rezipiert wurden. Dennoch sind keine Belege für apostolische Lebenszyklen aus den ersten Jahrhunderten erhalten. Lediglich eine schriftliche Quelle lässt darauf schließen, dass in der Apostelkirche in Konstantinopel (6. Jh.) Mosaikzyklen der Apostel existierten (Mesarites um 1200, vgl. Heisenberg 1908). Erst ab dem 11. Jh. sind vermehrt zyklische Darstellungen der Apostelleben erhalten. Hier soll beispielhaft ein Thomaszyklus vorgestellt werden:

Abb. 14: Szenen aus dem Leben des Apostels Thomas, 13. Jh., Fenster der Kathedrale von Chartres

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Das Thomasfenster im Chorumgang der Kathedrale von Chartres datiert ins 13. Jh. Die Darstellung orientiert sich eng am Text der ActThom und stellt im Rahmen des Apostelzyklus von der Berufung bis zum Tod folgende Wunder dar: In den Bildfeldern 6-7 wird das Strafwunder am Mundschenk des Königs berichtet (ActThom 4-9); dargestellt ist die Festtafel, zu der ein Hund die abgebissene Hand des Mundschenks trägt (6), und in der korrespondierenden Szene der Tod des Mundschenks, der an der Quelle von einem Löwen zerrissen wird, bevor seine Hand von einem Hund abgebissen wird (7; vgl. Weyer-Menkhoff zu ActThom 6-9 in diesem Band). Zudem mag man den Tod und die wunderhafte Wiederkehr ins Leben des Gad, des Bruders des Königs (14), zu den Wundern zählen (ActThom 21-23): Gad erkennt im Jenseits die guten Werke des Apostels (15) und empfiehlt dem König bei der Rückkehr ins Leben den Apostel (16). Im Kontext des Martyriums wird das Wasserwunder angedeutet, das verhindert, dass Thomas auf glühende Eisenplatten gestellt wird (18). Im darüberliegenden Vierpass wird erzählt, wie der Herrscher Thomas zur Anbetung einer Götterstatue bewegen will (20), dieser aber das Götzenbild durch ein Gebet zerstört (21; vgl. Halfen 2007, 456-458). Letztere Erzählung geht nicht auf die ActThom, sondern auf die Legenda Aurea zurück. In Bildfeld 26 wird letztlich dargestellt, wie Kranke zum Schrein des Thomas pilgern, um Heilung zu erfahren. Dies ist in der Handlung des Königs Misdai bereits angelegt, dessen Sohn durch den heilkräftigen Staub vom Grab des Apostels geheilt wird (s.u.; vgl. Spittler zu ActThom 170 in diesem Band). An diesem Beispiel lässt sich aufzeigen, dass die Zyklen der Apostelleben diverse literarische und mündliche Vorlagen dezidiert auf die bildliche Darstellung der Aretalogie sowie des Martyriums der Apostel hin zuspitzen. Die Auswahl der Szenen folgt keinen nachvollziehbaren Kriterien, als Quellen für die Zyklen dienen nicht nur kanonische und apokryphe Texte, sondern ebenso liturgische Bücher und Menologien, Sammlungen von Heiligenviten und -legenden.

4. Darstellungen auf Artefakten mit wundersamer bzw. magischer Wirkung Neben der Rezeption der kanonischen und apokryphen Wunder und der Fortschreibung der breiten frühchristlichen Wundertradition in der bildenden Kunst ist unter einer erweiterten Perspektive auch die Verwertung und Funktionalisierung der Wunder in der materiellen Frömmigkeit in den Blick zu nehmen.

Wunderdarstellungen auf (magischen) Gegenständen

Dass Amulette mit Verweisen auf Wunder oder Exorzismen der Apostel bislang nicht bekannt sind, mag darauf zurückzuführen sein, dass die Apostelwunder – auch wenn die Erzählung nicht explizit davon spricht, dass im Namen Jesu oder Gottes gehandelt wird – auf der Macht Gottes basierend wahrgenommen wurden (vgl. Kollmann, Wun105

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der Jesu im Licht von Magie und Schamanismus in Bd. 1 des Wunderkompendiums). Vor diesem Hintergrund ist der Fokus auf die Anrufung Jesu auf frühchristlichen Amuletten zu erklären (vgl. DeBruyn 2015, 167f.). Zudem handelt es sich insbesondere um kanonische Wundererzählungen, die z.B. auf Gemmen und Zauberpapyri, auf Amuletten mit heilender oder apotropäischer Funktion abgebildet werden. Die Schriften christlicher Autoren der ersten Jahrhunderte belegen, dass pagane magische Praktiken zwar von Seiten der Kirche abgelehnt wurden, christliche magische Vorstellungen und Handlungen, z.B. der Gebrauch christlicher Symbole, Gegenstände oder sogar Bibeltexte in dieser Funktion, jedoch geduldet wurden (vgl. z.B. Aug. Joh. tract. 7,12; civ. 22,8,7; ep. 20,37; Clem. Al. paid. 3,11; u.ö.; vgl. Engemann 1997, 164f.; Brox 1974, 168-179; Staubli 2010, 190). Doch nicht nur im privaten Bereich wurden magische Gebräuche gepflegt, apotropäische Artefakte lassen vielmehr auf die verbreitete Wirksamkeit magischer Übelabwehr in der breiten Öffentlichkeit schließen (vgl. Engemann 1975). Im Codex Theodosianus 9,16,3 findet sich diesbezüglich folgende Bestimmung: Das Wissen derjenigen ist zu bestrafen und durch zu Recht sehr strenge Gesetze zu ahnden, die überführt werden, als Anhänger der magischen Künste gegen das Heil der Menschen agiert oder sittsame Seelen zu Begierden verführt zu haben. Keinerlei Anschuldigungen sind hingegen die Mittel ausgesetzt, die für die Gesundheit der Menschen erfunden wurden (zitiert nach Engemann 2007, 296).

Der Glaube an die den materiellen Gegenständen innewohnende – magische – Kraft ist nicht nur der Volksfrömmigkeit zuzuschreiben, sondern war auch in gebildeten Schichten und im Klerus weitverbreitet. So finden sich auch im offiziellen kirchlichen Bereich magische Praktiken: Apotropäische Zeichen (z.B. Christus- und Kreuzsymbole) wurden auf Fußbodenmosaiken oder Schwellen von Kirchenräumen, christlich-magische Inschriften und Symbole auf Amuletten und Kultgerät angebracht, Reliquien und Eulogien waren als Phylakteria und Apotropaia in Gebrauch (vgl. Engemann 1975, 40-48). So sind z.B. Papyrus-Amulette bekannt, die explizit auf ihre heilende Wirkung hinweisen: P.Oxy. 1151, ein Amulett aus dem 5. Jh., enthält ein an Christus gerichtetes Gebet um die Heilung vom Fieber und die Bewahrung einer Frau namens Joannia; ein weiteres Amulett (BGU III,954), das in das 6. Jh. datiert, bietet ein Gebet des Silvanus, Sohn des Sarapion, der um die Befreiung von Dämonen und die Heilung von aller Krankheit bittet (vgl. De Bruyn 2008, 67-69; zudem Busch 2006a, 25-30). Obgleich in derartigen Amuletten häufig biblische Wendungen Eingang finden (z.B. Mt 4,23; 9,35), verschiebt sich die Bitte von der physischen Heilung zur spirituellen Heilung; nur Letztere wird offensichtlich in der Verwendungszeit des Amuletts für wahrscheinlich angenommen (vgl. De Bruyn 2008, 72f. mit Verweisen auf die Kirchenväter). Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das FischfangAmulett: Ein koptischer Zauberpapyrus (P. London Ms. Or. 6795; Abb. 15) überliefert einen Text, der Gebet und Beschwörung verbindet. Auf dem Papyrus ist ein jugendlich-bartloser Jesus abgebildet, der durch die Beischrift I̅ C̅ gekennzeichnet ist 106

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und eine Angel hält, an der ein Fisch hängt, der ebenfalls mit der Beischrift I̅ C̅ als Christussymbol erkennbar ist. Der Text bietet eine Anrufung an Vater, Sohn und Heiligen Geist, darauf folgt ein Rekurs auf die Tobiterzählung und den wunderbaren Fischfang (Lk 5; Joh 21) sowie die Beschwörung: Bestimme mir selbst heute, mir, Severus, Sohn der Johanna, deinen Erzengel Raphael, daß er mir alle Arten Fische einsammle, von dem einen Ende der Erde bis zum andern, von Nord, Süd, Ost und West an den Ort, an dem dein Bild und deine Amulette sich befinden werden. Schnell, schnell, schnell! Bald, bald, bald! (Übers. adaptiert nach Kropp 1931, 99).

Die Schlussformel ist in Analogie zu magischen Formeln formuliert. Das Amulett nimmt die Wundererzählung vom Fischfang auf, erhält sie im Kontext der Fischerei und bestimmt sie als Grundlage für eine Beschwörung zum Fischfang (vgl. Horak 1995, 35f.). Die Tendenz, pagane magische Praktiken zu verurteilen, christliche magische Praktiken aber zu dulden, begründet, warum auch spezifisch christliche Motive auf Amuletten belegt sind. So sind z.B. drei Amulette mit dem Motiv der Heilung der blutflüssigen Frau durch Jesus bekannt, die in das 6./7. Jh. datieren. Das Amulett aus Abb. 15: Fischfang-Amulett (Detail), Papyrus, um 600, Ägypten Hämatit (!), das sich im Metropolitan Museum of Art in New York befindet (Abb. 16), zeigt auf der Vorderseite eine sich vor Jesus niederwerfende Frau, auf der Rückseite eine Frau in Orantenhaltung. Der Text, der eine gekürzte Version der kanonischen Heilungserzählung aus Mk 5,25-34 wiedergibt, beginnt auf der Vorderseite und wird auf der Rückseite fortgesetzt. Es ist anzunehmen, dass diese Art von Amulett in christlichen Kreisen dazu diente, Blutfluss zu hemmen, und z.B. im Kontext von Geburten zum Einsatz kam, da sowohl aufgrund der entsprechenden bildlichen Darstellungen und des Textes als auch aufgrund des Materials magische Wirksamkeit erwartet wurde (vgl. Vikan 1984, 81). Dass derlei Praktiken keineswegs auf das frühe Christentum beschränkt blieben zeigt sich darin, dass noch in nachreformatorischer Zeit in Deutschland sowohl die Verwendung von Amuletten belegt ist als auch der Versuch, z.B. Lähmung zu heilen, indem dem Kranken eine Bibel aufgelegt wurde, die an der Stelle geöffnet war, an der Jesu Heilung des Gelähmten erzählt wird (Mt 9,1-8; Mk 2,1-12; Lk 5,17-26; vgl. Scribner 2002, 316f.). Im katholischen Einflussbereich ist als Bestandteil der »geistlichen Hausapotheke« bis ins 20. Jh. in der Volksmedizin die Verwendung von Schabmadonnen belegt, deren Abrieb wie Medizin eingenommen wurde, sowie von papiernen Schluckbildchen mit Kultmotiven, die eine 107

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Parallele zur Hostie annehmen lassen (vgl. Staubli 2010, 194-197). Letztere waren als Esszettel auch im protestantischen Bereich bekannt und konnten z.B. Beschwörungsformeln oder Gebete enthalten.

Abb. 16: Amulett aus Hämatit, 6./7. Jh., Ägypten

Am Beispiel der christlichen Amulette lässt sich die bedeutende Rolle der frühchristlichen Kunst aufzeigen, »the integral role that art once played in effecting miraculous cures, and the instrumental role that it can still play in explicating the circumstances under which such cures were accomplished« (Vikan 1964, 67). Amulette fanden nicht nur in apotropäischer, sondern ebenso in medizinischer, heilender Funktion Verwendung (vgl. ebd.).

Wunderdarstellungen im Kontext des antiken Pilgerwesens

Ab der constantinischen Zeit entwickelte sich im Christentum ein reges Pilgerwesen: Pilgerheiligtümer werden v.a. in Palästina an mit alt- und neutestamentlichen Ereignissen verbundenen Stätten gegründet, aber auch Apostel- und Märtyrergräber sowie mit den Aposteln und deren Taten und Wundern in Verbindung zu bringende Orte werden auf diese Weise verehrt (vgl. Caseau 2007). Für die Frage nach Darstellungen der Apostelwunder in der bildenden Kunst sind zunächst materiale Überreste wie z.B. Pilgerampullen oder Amulette von Bedeutung, die Abbildungen der Wundertäter oder Wundertaten tragen. Zudem spiegeln sich Ansätze einer Verehrung der Apostel als Wundertäter bereits in den apokryphen Wundererzählungen. So wird z.B. in ActThom 170 berichtet: Es sich aber nach Verlauf langer Zeit, dass einer von den Söhnen des Königs Misdai von einem Dämon besessen wurde; da aber der Dämon hartnäckig war, so war niemand imstande zu heilen. Misdai überlegte aber und sprach: Ich will hingehen und

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das Grab öffnen und Gottes nehmen und an meinen Sohn hängen, und ich weiß, dass er geheilt werden wird. […] Misdai fand aber die Gebeine nicht. Denn einer der Brüder hatte sie heimlich weggenommen und in die Gegend des Westens getragen. Da nahm er Staub von der Stelle, wo die Gebeine des Apostels gelegen hatten, hängte ihn an seinen Sohn […]. Als aber der Sohn auf diese Weise gesund geworden war, nahm er (Misdai) an den Versammlungen der Brüder teil […] (Übers. orthographisch bearbeitet nach Drijvers 1997).

Im Rahmen des antiken Pilgerwesens konnten Eulogia wie z.B. Haare eines Heiligen, sowie auch Erde, Staub oder Lehm von der heiligen Stätte und daraus geformte Objekte, Öl oder Wasser oder andere mit dem Heiligen oder dem Ort seiner Verehrung in Berührung gekommene und dadurch mit Heiligkeit »aufgeladene« Gegenstände von den Pilgern mit nach Hause genommen werden, um auch dort ihre Heilkraft zu entfalten. Sie trugen z.B. ein Bild des Heiligen, um dessen Präsenz auch fern vom Heiligtum zu gewähren (vgl. Vikan 1984, 68.73f.). Diese Pilgerandenken in Form von Eulogia oder Phylakteria konnten mehrfache Wirkung entfalten – sie hatten heilende oder apotropäische Funktion und wurden als Mittler der Heiligkeit der Gedenkstätten betrachtet sowie allgemeiner als Verweis auf die dahinterstehenden (wunderhaften) Ereignisse angesehen und verwendet (vgl. Engemann 1997, 157-162). Eulogia sind auch in direkt heilender Funktion belegt: Durch Berührung oder Auflegen der geheiligten Gegenstände kann sich deren heilende Wirkmacht entfalten, indem z.B. geheiligter Staub von der Pilgerstätte trocken oder auch mit Wasser vermischt und zur Paste gerührt extern aufgetragen wurde (so Vikan 1984, 68f. am Beispiel des Hl. Symeon). Darstellungen der biblischen Erzählungen von Wunderheilungen wurden gerne auf Reliquienschreinen und -kästchen angebracht, deren Berührung den Gläubigen Heilung bringen konnte (vgl. Kessler 1979, 116). Eines dieser Pilgerheiligtümer ist das südwestlich von Alexandria gelegene Kloster des Hl. Menas (Abu Mina), eines ägyptischen Märtyrers (vgl. Christern 1983; Grossmann 1989; 2004). Viele der Ampullen mit Abbildungen des Menas in Orantenstellung, flankiert von zwei sich zu seinen Füßen verneigenden Kamelen, die Pilger als Eulogia von ihrem Besuch im Heiligtum mit nach Hause nahmen, sind erhalten geblieben. Auf der Rückseite dieser Ampullen finden sich unterschiedliche Darstellungen, einige Ampullen vor allem aus dem 5. und 6. Jh. bilden eine Orantin mit nacktem Oberkörper ab, die inmitten wilder Tiere – Löwe, Bär oder Stier – steht (ad bestias). Es handelt sich hier um Abbildungen der aus den ActThecl bekannten Erzählung des zweiten Martyriums der Thekla. Die Akten berichten, dass Thekla nach der zweifachen Errettung vor dem Martyrium durch göttliche Intervention selbst verkündigte und bis zu ihrem Ende in Seleukia wirkte. Die im 5. Jh. entstandene Schrift Leben und Wunder der Thekla lokalisiert den Wirkraum der Heiligen in einer Höhle in der Nähe von Seleukia. Der Theklakult am Schrein der Heiligen in Seleukia entwickelte sich im 4. und 5. Jh., nahe dem heutigen Silifke in der Türkei, der als Pilgerheiligtum weite Bekanntheit erlangte (vgl. Peregr. Eger. 23; vgl. Davis 1998, 303-307; vgl. dazu Kollmann, Hinführung zu Leben und Wunder der Thekla in diesem Band). Der Theklakult breitete sich rasch in der gesamten Mittelmeerregion aus und war vom 4.-7.  Jh. von großer Bedeutung. Möglicherweise rührt die 109

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Parallelisierung der beiden Heiligen, Menas und Thekla, daher, dass sich ein weiteres wichtiges Pilgerzentrum der Thekla nahe dem Menasheiligtum in Nordägypten befand, von dem heute aber jede Spur fehlt, oder daher, dass es sich um zwei das Martyrium auf sich nehmende Christen mit parallelen Lebensgeschichten handelte (so Davis 1998, 313-317; ausführlich Davis 2001). Ein heute im Louvre verwahrtes Pilgersouvenir (Ant. Breg. MNC 1926, vgl. Abb. 17) trägt auf der Vorderseite ein Bild des Menas, auf der Rückseite der Thekla zwischen einem Löwen und (vielleicht) einem Bären. Beide Seiten der Ampulle sind durch die Inschrift ΕΥΛΟΓΙΑ ΤΟΥ ΑΓΙ(ΟΝ) ΜΗΝ(Α) ΑΜΗ(Ν) (eulogia tou hagi[on] Mēn[a] amē[n] – Eulogion des heiligen Menas Amen) als Eulogion des Menas gekennzeichnet. Thekla wird gebunden dargestellt und ist durch die Beischrift Η ΑΓΙΑ ΘΕΚΛ(Α) (hē hagia Thekl[a] – die heilige Thekla) bestimmt (vgl. Nauerth/Warns 1981, 25-30). Als apotropäische Amulette dienten auch Pilgerampullen aus Palästina, die nicht auf einen locus sanctus Bezug nehmen, sondern kanonische Wundererzählungen, wie z.B. den Seewandel Jesu, abbilden und so vielleicht als Amulette für Seereisende zu lesen sind (vgl. Vikan 1991, 77.83). Der Träger der Ampulle mag sich eine Rettung in ähnlicher Weise erhofft haben, wie sie die abgebildete Szene darstellte (vgl. Vikan 1991, 84). Auf derartigen Amuletten sind Darstellungen von Jesus, Maria, Engeln und Heiligen bekannt, ebenso Kreuzigungsdarstellungen; die Aufnahme von Aposteldarstellungen oder gar Apostelwundern hingegen ist nicht belegt (vgl. Horak 1995; Schmitz 1993). Mit dem Andenken an ein Jesuswunder verbunden ist auch ein Pilgerort in Paneas (Caesarea Abb. 17: Thekla ad bestias, PilgerPhilippi): Euseb berichtet von zwei Statuen, die Jesus ampulle, Terracotta, 6. Jh., Ägypten und die blutflüssige Frau darstellen (Mt 9,20-22; Mk 5,25-34; Lk 8,43-48) und der Tradition nach vor deren Haus aufgestellt waren: Das blutflüssige Weib nämlich, von dem wir aus den heiligen Evangelien wissen, daß es durch unseren Heiland von seiner Krankheit befreit wurde, soll aus Cäsarea Philippi gekommen sein. Auch zeige man daselbst sein Haus und seien noch kostbare Denkzeichen an das Wunder vorhanden, das der Heiland an ihm gewirkt hatte. Auf hohem Steine vor dem Tore des Hauses, in dem das Weib gewohnt, stehe die eherne Statue (ἐκτύπωμα χάλκεον ektupōma chalkeon) einer Frau, die, auf ein Knie gebeugt, gleich einer Betenden die Hände nach vorne ausstrecke. Ihr gegenüber befinde sich aus demselben Metalle die stehende Figur eines Mannes (ἀνδρὸς ὄρθιον σχῆμα andros orthion schēma), der, hübsch mit einem doppelten Obergewand umkleidet, die Hände nach der Frau ausstrecke. Zu den Füßen des Mannes wachse an der Säule eine seltsame Pflanze, welche bis an den Saum des ehernen Mantels hinaufreiche und ein Heilmittel gegen alle möglichen Krankheiten sei (ἀλεξιφάρμακόν τι παντοίων νοσημάτων τυγχάνειν alexiphar-

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Einblicke in die bildliche Darstellung der Wunder der Apostel in der Kunst

makon ti pantoiōn nosēmatōn tynchanein). Diese Statue soll das Bild Jesu sein (τοῦτον τὸν ἀνδριάντα εἰκόνα τοῦ Ἰησοῦ φέρειν ἔλεγον touton ton andrianta eikona tou Iēsou pherein elegon). Sie ist noch heute erhalten; wir haben sie mit eigenen Augen gesehen, als wir in jener Stadt weilten (h.e. 7,18,1-4; zitiert nach Eusebius 2012, 334; griechischer Text nach Schwartz/Mommsen/Winkelmann 1999).

Das Standbild – eine Statue oder ein Basrelief – wird mehrfach erwähnt: Der Kirchenhistoriker Philostorgius berichtet von seiner Verbringung in die Kirche von Paneas und betont die Heilkraft des Krautes (μάλιστα δὲ τῆς φθινάδος ἴαμα malista de tēs phthinados iama; h.e. 7,3), bei Sozomenos erfährt man von seiner Zerstörung evtl. unter Kaiser Julian (vgl. h.e. 5,24; vgl. Nic. Call. h.e. 6,15). In späteren Texten wird der vom Blutfluss geheilten Frau, wahrscheinlich unter dem Einfluss von EvNik 7, der Name Bernike beigegeben (vgl. z.B. bei Johannes Diakrinomenos, 6. Jh.; vgl. Beatrice 1995, 527f.). Dennoch ist die in den antiken Texten tradierte Deutung des Standbildes als Darstellung der Wunderhandlung an der blutflüssigen Frau in der Forschung umstritten. Man zog auch die Möglichkeit in Betracht, dass es sich um eine von Christen mit dem Jesuswunder in Verbindung gebrachte Darstellung des Heilgottes Asklepios handelte oder dass die Figur nicht die Blutflüssige, sondern vielmehr die in Mk 7,2430/Mt 15,21-28 erwähnte Syrophönizierin darstellte (vgl. Beatrice 1995, 525f.). Von Bedeutung ist jedoch vor allem die über Jahrhunderte hin relativ konstante Interpretation und Funktion des Standbildes, das als bildliche Darstellung eines Jesuswunders in Verbindung mit einer weiterhin Wunderkraft spendenden Pflanze eine Wundertradition erhalten hat und den Standort zu einem erfolgreichen Pilger- und Erinnerungsort hat werden lassen (vgl. auch Keel 1994; Feldbusch 1942; ders. 1968). Auch von einem anderen, aus den Petrusakten bekannten Wundertäter ist in der Literatur ein Standbild bekannt: Justin berichtet in 1 apol 1,26,1f. von einer Bildsäule, die man zu Ehren des Simon Magus auf der Tiberinsel aufgestellt habe und die die römische Inschrift SIMONI DEO SANCTO getragen habe. Auch Euseb rekurriert in h.e. 2,14,4-6 auf die Bildsäule. Eine Statuenbasis, die 1574 auf der Tiberinsel gefunden wurde, trägt hingegen die Inschrift SEMONI SANCO DEO ^ FIDIO SACRVM. Sofern diese Inschrift mit der bei Justin erwähnten identisch ist, ist sie nicht dem Simon Magus gewidmet, sondern bezeichnet mit Semo Sancus einen altsabinischen Schwurgott. Dieser Fund stellt somit keinen Verweis auf ActPetr 10 dar, wo ebenfalls ein Standbild mit der Inschrift SIMONI IVVENI DEO erwähnt wird (Zwierlein 2013, 23-26; ders. 2011, 461-463).

5. Die Nutzung der Apostelwunder: Erinnerung und kreative Fortschreibung Schon dieser kurze Überblick lässt erkennen, dass das Bildrepertoire der frühchristlichen Kunst auf Figuren und Motiven der literarischen kanonischen wie apokryphen Tradition gründet. Zudem wird aber auch deutlich, dass die Herausbildung ikonographischer Traditionen und die Entstehung neuer Darstellungskonventionen in der bil111

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denden Kunst wiederum die Fortschreibung der literarischen Apostelleben und die Genese neuer literarischer Traditionen begünstigten. Viele der Darstellungen narrativer Szenen im Zusammenhang mit den Wundern der Apostel können mit Dinkler als »abbreviated representations« gelesen werden, d.h. als Darstellungen, »reduced to the most essential figures, yet maintaining the recognizability of the scene« (Dinkler 1978, 396). Für die Interpretation solcher Darstellungen ist der Kontext essentiell, denn »[a] lthough the abbreviated representation is always rooted in a biblical [or apocryphal, S.L.] episode, its symbolic allusions transcend that text. It is intended, at least by the person who gave the commission, as a reference to the function of the object or to the patron’s life« (Dinkler 1978, 402). Viele der zentralen Episoden, die auf das Leben und (Wunder-)Wirken der Apostel verweisen, wurden selektiv den Rezipienten in konkreten (historischen) Kontexten vor Augen gestellt. Besonders beachtenswert ist dabei die große Bandbreite an Bildträgern, sei es Gebrauchsgegenstand oder zweckgebundenes, mit dem Bildthema einhergehendes Artefakt. Durch diese Kontextualisierung erlangten die Darstellungen eine auf die Gegenwart der Betrachtenden hin ausgerichtete Deutung und Aktualisierung und dienten so einerseits der Illustration und der Erinnerung der in den Apostelakten berichteten Wunder und Taten sowie deren theologischen und pastoralen Implikationen. Andererseits standen Wundererzählungen durch die bildliche Repräsentation in narrativer oder symbolischer Form, z.B. auf Amuletten oder Phylakteria, in enger Verbindung mit dem Wunderglauben der Menschen, der vor allem im Bereich des antiken Pilgerwesens sowie im medizinischen Bereich von Bedeutung war. Susanne Luther

Literatur zum Weiterlesen D. R. Cartlidge/J. K. Elliott, Art and the Christian Apocrypha, London/New York 2001. T. De Bruyn, Appeals to Jesus as the One ›Who Heals Every Illness and Every Infirmity‹ (Matt 4:23, 9:35) in Amulets in Late Antiquity, in: L. DiTommaso/L. Turcescu (Hg.), The Reception and Interpretation of the Bible in Late Antiquity. Proceedings of the Montréal Colloquium in Honour of Charles Kannengiesser, 11-13 October 2006, Leiden 2008, 65-81. Ders., Christian Apocryphal and Canonical Narratives in Greek Amulets and Formularies in Late Antiquity, in: P. Piovanelli/T. Burke (Hg.), Rediscovering the Apocryphal Continent. New Perspectives on Early Christian and Late Antique Apocryphal Texts and Traditions, WUNT 349, Tübingen 2015, 153-174. H. L. Kessler, Scenes from the Acts of the Apostles on Some Early Christian Ivories, Gesta 18 (1979), 109-119. C. Nauerth, Heilungswunder in der frühchristlichen Kunst, in: H. Beck/P. C. Bol (Hg.), Spätantike und frühes Christentum, Ausstellung im Liebieghaus Museum alter Plastik Frankfurt am Main, 16. Dezember 1983 bis 11. März 1984, Frankfurt a.M. 1983, 339-346. J. Spier/M. Charles-Murray, Picturing the Bible. The Earliest Christian Art, New Haven 2007.

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I. Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

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Hinführung zu den Wundererzählungen in der Apostelgeschichte Verfasser und Abfassungsverhältnisse Die Apostelgeschichte wurde vom Autor des Lukasevangeliums als dessen Fortsetzung konzipiert. Sie bildet damit den zweiten Teil des lukanischen Doppelwerks. Seit dem ausgehenden 2. Jh. n. Chr. wird damit gerechnet, dass der aus den Paulusbriefen als Mitarbeiter des Apostels bekannte Arzt Lukas (Phlm 24; Kol 4,14; 2 Tim 4,10f.) der Verfasser beider Schriften war. Älteste Zeugen dafür sind der Kirchenvater Irenäus (haer. 3,1,1; vgl. Eus. h.e. 5,8,3) und der Kanon Muratori, ein um 200 n. Chr. entstandenes Kanonverzeichnis der Gemeinde in Rom. Wenn diese Überlieferung den Tatsachen entspräche, würde Lukas zumindest im Blick auf die Pauluswunder der Apostelgeschichte historisch zuverlässige Nachrichten aus erster Hand übermitteln. Die Bibelwissenschaft steht allerdings der altkirchlichen Tradition von Lukas dem Arzt als Urheber des lukanischen Doppelwerks mit Recht weitgehend ablehnend gegenüber (vgl. Ebner/Schreiber 2013, 193-196.238-242; Broer 2010, 138-143). Der Verfasser der Apostelgeschichte ist zwar deutlich in der Paulustradition verwurzelt, zeigt sich aber in entscheidenden Punkten der Paulusbiographie schlecht oder falsch informiert. Zudem lässt er keine tiefere Kenntnis paulinischer Theologie erkennen, wie man sie von einem Begleiter des Apostels auf dessen Missionsreisen erwarten würde. Auch der gelegentlich unternommene Versuch, den Autor des lukanischen Doppelwerks anhand seines Sprachschatzes als Arzt zu identifizieren und damit die Glaubwürdigkeit der altkirchlichen Tradition zu untermauern, führte zu keinem überzeugenden Ergebnis. Das lukanische Doppelwerk stammt von einem hellenistisch gebildeten und mit jüdischen Traditionen vertrauten Autor, der uns nicht näher bekannt ist. Die Apostelgeschichte wurde vom ihm wahrscheinlich in der Zeit zwischen 90 und 100 n. Chr. als Fortsetzung des um 80 n. Chr. entstandenen Lukasevangeliums geschrieben.

Wunder und antike Historiographie Im Blick auf den Inhalt und die literarische Form ist die Apostelgeschichte unter den neutestamentlichen Schriften wie überhaupt in der frühchristlichen Literatur ohne Analogie. Mit ihr hat Lukas etwas völlig Neues geschaffen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit die literarische Gattung der Apostelgeschichte mit ihrer Wunderdarstellung von Parallelen aus der nichtchristlichen Literatur der Antike inspiriert wurde (vgl. Dormeyer 2009a). Diskutiert werden vor allem Einflüsse aus der Historiographie, dem Roman, der Praxeis-Literatur und der Philosophenbiographie. Der Titel (inscriptio), unter dem die Apostelgeschichte von den griechischen Bibelhandschriften wiedergegeben wird, lautet überwiegend »Taten der Apostel« (πράξεις ἀποστόλων praxeis apostolōn). Diese nicht von Lukas stammende, son115

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

dern später aufgekommene Bezeichnung ordnet die Apostelgeschichte in die antike Praxeis-Literatur ein und trägt der Tatsache Rechnung, dass sie eine Vielzahl von Wunderberichten enthält. Als Praxeis werden romanhafte Biographien bezeichnet, die eine Aneinanderreihung wunderbarer Taten berühmter Persönlichkeiten bieten. Ein bekanntes Beispiel ist der wohl im 3. Jh. n. Chr. entstandene Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes. In der Bibelwissenschaft herrscht ein breiter Konsens, dass die Zuordnung der Apostelgeschichte zur antiken Praxeis-Literatur dem literarischen Charakter des Werks nicht gerecht wird. Anders als in den apokryphen Apostelakten, die anschauliche Zeugnisse der christlichen Praxeis-Literatur sind, machen in der kanonischen Apostelgeschichte Wundertaten und andere spektakuläre Ereignisse nur einen Bruchteil der Schilderung aus. Zudem will Lukas keinen Roman, sondern eine geschichtliche Abhandlung verfassen. Das vorrangige Interesse liegt in der Darstellung dessen, wie durch Gottes Handeln die Kirche entstand und das Evangelium sich von Jerusalem aus über Judäa und Samaria in die gesamte Welt ausbreitete. Mit dieser Zielsetzung stellt die Apostelgeschichte ein Stück antiker Historiographie dar und steht in der Tradition von Geschichtswerken sowohl aus dem alttestamentlich-jüdischen als auch aus dem hellenistisch-römischen Bereich. Der Form nach kann man sie am ehesten als historische Monographie bezeichnen, in der Lukas sich der Darstellungsmittel der antiken Historiographie bedient, um die theologische Aufgabe einer religiösen Geschichtsbetrachtung zu bewältigen. Historiker wie Thukydides oder Polybios verzichten allerdings in ihren Geschichtswerken bewusst auf wunderhafte oder spektakuläre Ereignisse, während Lukas großen Wert darauf legt, dass die Ausbreitung des Evangeliums über die Welt in vielfacher Form von Zeichen und Wundern begleitet ist. Zu diesen eindrucksvollen Demonstrationen der Macht Gottes zählen unter anderem das unvermittelte Einstürzen von Gefängnismauern, die Erweckung Toter, allein durch den Schatten oder das Schweißtuch des Wundertäters bewirkte Heilungen und die Immunität gegen den Biss von Giftschlangen. Auch kuriose Beispiele des zum Scheitern verurteilten Handelns nichtchristlicher Wundertäter wie den misslungenen Exorzismus der Skevassöhne möchte der Verfasser der Apostelgeschichte seinem Lesepublikum keineswegs vorenthalten. Diese Aspekte berechtigen allerdings nicht dazu, Lukas den Rang eines Historikers abzusprechen und ihn als Romanschriftsteller zu betrachten, sondern weisen in die Richtung eines spezifischen Zweigs der antiken Historiographie. Eckhard Plümacher zufolge ist die Apostelgeschichte mit ihrer dem Spektakulären zuneigenden, vor Fiktion und Mirakel nicht zurückscheuenden Erzählweise der mimetischen oder sensationalistischen Geschichtsschreibung der griechisch-römischen Welt zuzurechnen. Diese wird von Autoren wie Duris, Phylarch, Agatharchides oder Poseidonios repräsentiert, von deren Werken allerdings nur wenige Fragmente erhalten blieben. Lukas sah im Erzählen von Wundern zur Veranschaulichung des machtvollen Eingreifen Gottes in die irdische Wirklichkeit ein geeignetes Mittel der Historiographie, ohne damit von seinen Ansprüchen als ernst zu nehmender Geschichtsschreiber abzurücken: 116

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Hinführung

Sich der Fiktion zu bedienen, mochte sie nun in der Übertreibung oder gar der Erfindung von Fakten bzw. Geschehnissen bestehen, war in der mimetischen Geschichtsschreibung jener Zeit eine gebräuchliche Methode, um zur Darstellung des Spektakulären zu gelangen. Genau dieser Methode hat sich auch Lukas bedient, und viele Actatexte zeigen, dass es ihm nicht schlechter als seinen paganen Kollegen gelungen ist, das anvisierte Ziel einer den Leser überwältigenden spektakulären Darstellung zu erreichen. […] Wie gezeigt, zählte zum Repertoire des die Fiktion um des Spektakulären willen nicht scheuenden mimetischen Geschichtsschreibers allermeist auch das Mirakulöse, und so wird man Lukas wegen der von ihm in der Apostelgeschichte erzählten Wunder ebenfalls nicht aus der Zunft der Historiker ausschließen dürfen, zumal sich unter seinen miracula mancherlei findet, das dem entspricht, was seine paganen Kollegen in ähnlicher Weise zu bieten hatten und, nota bene, wie Lukas geboten haben, ohne die bei Historikern sonst zu beobachtende Distanz zum Inhalt ihrer Erzählungen spüren zu lassen (Plümacher 2004d, 53f.57; vgl. auch Alexander 1998, 380-399; Schröter 2009, 27-47).

Einschränkend ist allerdings festzuhalten, dass anders als bei den paganen Geschichtsschreibern »kritischer Abstand zum Berichteten und prüfende Abwägung zwischen verschiedenen Versionen hier erst gar nicht zum Repertoire des Berichterstatters gehören« und man die Apostelgeschichte als ein Stück apologetischer Historiographie zur Etablierung der eigenen Identität gegenüber der Außenwahrnehmung betrachten kann (Backhaus 2007, 57). Direkte Parallelen zu den in der Apostelgeschichte geschilderten Wundertaten bleiben in den Geschichtswerken der griechisch-römischen Historiker ohnehin Mangelware. Anders sieht dies in hellenistischen Philosophenbiographien aus. Mit der Vielzahl der sich überwiegend um Petrus und Paulus rankenden Wunder bringt Lukas »einen Zug ein, der den Biographien ›göttlicher Männer‹ weitaus näher steht als der historischen Monographie oder der Historiographie allgemein, und komme sie auch noch so tragisch oder pathetisch daher« (Heininger 2007, 424). Auch wenn die Apostelgeschichte in den breiteren Rahmen der antiken Historiographie einzuordnen ist, hat sich Lukas also im Blick auf die umfängliche Rezeption von Wundergeschichten bei der Gestaltung seines Werks vermutlich auch ein Stück weit von der hellenistischen Biographie beeinflussen lassen.

Vorlukanische Gemeindetradition oder lukanische Fiktion? Mit Ausnahme der Episode von den Skevassöhnen sind alle ausführlicher erzählten Wunder der Apostelgeschichte mit Petrus oder Paulus verbunden. Dabei dominieren Heilungen, Totenerweckungen und Befreiungswunder. Als in den Evangelien noch nicht präsente Form kommt das ethisch bedenkliche Strafwunder an Menschen neu hinzu. Auffällig ist das Zurücktreten von Exorzismen, die nur in der ausführlicher erzählten Geschichte von der Magd in Philippi (Apg 16,16-18) und in summarischen Notizen (5,16; 8,7; 19,12) vertreten sind. Das Weichen der bösen Geister ist damit im lukanischen Doppelwerk ungleich eher ein Signum der Jesuszeit als der Zeit der Kirche. Vermutlich waren Lukas keine weiteren Berichte über Exorzismen der Apostel bekannt. Weniger wahrscheinlich ist die Vermutung, dass er Exorzismen bewusst mit Zurückhaltung begegnete, weil sie noch stärker als die 117

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Heilungswunder dem Magieverdacht ausgesetzt waren (so Klauck 1996, 132). Wenn dies der Fall wäre, hätte Lukas das exorzistische Wirken des Petrus, Philippus und Paulus kaum durch Summarien ausgeweitet und als typischen Zug ihres Auftretens gekennzeichnet. Die Erforschung der Wundererzählungen der Apostelgeschichte war lange Zeit von der Frage geprägt, inwieweit sie aus vorlukanischer Gemeindetradition stammen oder sich allein der schöpferischen Phantasie des Lukas verdanken. Häufig ging man davon aus, dass erst Lukas sowohl die Wunder des Petrus als auch des Paulus unter dem Eindruck der Jesuswunder aus der Evangelienüberlieferung geschaffen habe, oder man sah in den Pauluswundern der Apostelgeschichte lukanische Nachbildungen vorgefundener Petruswunder (vgl. Neirynck 1979, 172-188). In der Tat haben nahezu alle der Paulus zugeschriebenen Wundertaten Entsprechungen bei Petrus. Die Apostelgeschichte ist durch eine weitreichende Parallelität des Wirkens der beiden Lichtgestalten des frühen Christentums geprägt. Wie bei den Reden steht Paulus auch bei den Wundern Petrus in nichts nach.

Art des Wunders

Petrus

Paulus

Summarische Ausweitung des Wunderwirkens

Apg 2,43; vgl. 5,16f.

Apg 14,3; 15,12; 28,9; vgl. 19,11f.

Gelähmtenheilung

Apg 3,1-11

Apg 14,8-13

Strafwunder

Apg 5,1-11

Apg 13,9-12

Heilungen und Exorzismen ohne eigenes Zutun

Apg 5,15f.

Apg 19,11f.

Befreiungswunder

Apg 5,17-21

Apg 16,25-34

Konkurrenz zu antiken Magiern

Apg 8,14-28

Apg 19,13-17

Weitere Krankenheilung

Apg 9,32-35

Apg 28,7f.

Totenerweckung

Apg 9,36-42

Apg 20,7-12

Weiteres Befreiungswunder

Apg 12,3-17

---

Exorzismus

---

Apg 16,16-18

Rettungswunder

---

Apg 28,3-6

Tab. 3: Parallele Wundertaten von Petrus und Paulus nach der Apg

Neben zwei Krankenheilungen zählen ein Strafwunder, eine Dämonenaustreibung, ein Befreiungswunder, eine Totenerweckung und ein Rettungswunder zu den Machttaten, die nach Darstellung des Lukas das Auftreten des Paulus begleiten. Zudem gehen ohne Zutun des Paulus heilende Kräfte von seinen Schweißtüchern aus. Nähert man sich vom Paulusbild der Apostelgeschichte her den Briefen des Apostels, mutet es überraschend an, dass dort Wunder für seine Missionstätigkeit eine auffallend geringe Rolle spielen. Die ›Tübinger Tendenzkritik‹ des 19. Jh. mit 118

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Hinführung

Ferdinand Christian Baur als wichtigstem Vertreter sah in der Apostelgeschichte ein spätes Dokument des Ausgleichs zwischen petrinischem und paulinischem Christentum. Vor diesem Hintergrund galten die Pauluswunder der Apostelgeschichte als von Lukas geschaffene Parallelbildungen zu den Petruswundern, »es kann an Petrus nichts Außerordentliches geschehen seyn, was sich nicht auch an Paulus wiederholt« (Baur 1866, 189). Andere Bibelforscher des 19. Jh., allen voran Bruno Bauer, richteten den Fokus auf die Parallelität der Apostelwunder zu den Jesuswundern und vertraten die Auffassung, dass sowohl Petrus als auch Paulus von Lukas unter dem Eindruck der Evangelientradition zu Wundertätern gemacht wurden. So wurde etwa auf die Übereinstimmungen zwischen den Gelähmtenheilungen wie Totenerweckungen in den Evangelien und in der Apostelgeschichte aufmerksam gemacht und daraus der Schluss gezogen, dass die entsprechenden Jesusüberlieferungen von Lukas sowohl auf Petrus als auch auf Paulus übertragen worden seien (Bauer 1850, 7-25). Die Betrachtung der Wunderzählungen der Apostelgeschichte als lukanischer Bildungen greift allerdings in mehrerlei Hinsicht zu kurz. Sie verkennt, dass die unbestreitbare Parallelisierung zwischen Petrus und Paulus auch durch die Auswahl ähnlichen Traditionsmaterials über das Wirken beider Gestalten zustande gekommen sein kann. Lukas hat seine Darstellung von den Anfängen der Kirche nicht frei erfunden, sondern größtenteils aus überlieferten Stoffen gestaltet. Dies gilt auch für die in seinem Geschichtswerk verarbeiteten Wunderüberlieferungen. Petrus ist ebenso wenig wie Paulus erst durch Lukas zum Wundertäter geworden. Er verkörpert wie kein anderer die Kontinuität zwischen vorösterlicher und nachösterlicher Wunderpraxis in der Nachfolge Jesu. Als bedeutsamste Gestalt des Zwölferkreises gehörte er zu jenem Personenkreis, der von Jesus selber zu Krankenheilungen wie Dämonenaustreibungen instruiert und ausgesandt worden war (Mt 10,8). Gleichzeitig wissen wir, dass Petrus sich auch nach Ostern als christlicher Missionar an den Aussendungsanordnungen Jesu orientierte (1  Kor 9,5). Damit ist für die Petruswunder der Apostelgeschichte ein klarer historischer Haftpunkt gegeben, auch wenn sie die Tendenz verfolgen, Petrus als legitimen Sachwalter der Wundermacht Jesu zu zeichnen. Es kann kein Zufall sein, dass sich an der Person des Petrus zahlreiche Wunderüberlieferungen kristallisieren, während dies bei einer von der historischen Bedeutung her vergleichbaren Gestalt wie dem Herrenbruder Jakobus überhaupt nicht der Fall ist. Auch im Blick auf Paulus haben neuere Untersuchungen den hohen Stellenwert von Wundern für sein Selbstverständnis als Apostel gezeigt.

Die Pauluswunder der Apostelgeschichte im Licht der Paulusbriefe Während bei Lukas die Nachrichten über Paulus als Wundertäter kräftig sprudeln, kommt der Apostel in seinen Briefen nur vereinzelt auf Wunder und das eigene Wunderwirken zu sprechen. Die bedeutsamsten Aussagen zum Thema (vgl. Schrei119

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

ber 1996, 161-284; Kollmann 2000a, 78-87; Alkier 2001, 91-283) finden sich im Schlussteil der Narrenrede (2 Kor 12,11-13). In Korinth sind judenchristliche »Überapostel« aufgetreten, die sich ihrer Machttaten rühmen, Paulus ein schwächliches Auftreten vorwerfen und ihm den Aposteltitel absprechen. Paulus betont, den Gegnern in nichts nachzustehen, da während seiner Anwesenheit in Korinth die »Zeichen des Apostels« in Form von Zeichen, Wundern und Machttaten der Gemeinde keineswegs vorenthalten worden seien. Dabei ist primär an Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen zu denken. Dass die Apostelgeschichte des Lukas keine Pauluswunder aus Korinth überliefert, legt allerdings einen eher unspektakulären Charakter des paulinischen Wunderwirkens nahe. Indem Paulus in Anlehnung an traditionellen Sprachgebrauch von seinen Machttaten als »Zeichen und Wundern« spricht, hebt er hervor, dass kein geringerer als Gott selber mit seinem endzeitlichen Handeln am Werk ist. Dies kommt auch in dem Passivum Divinum »wurden bewirkt« (κατειργάσθη kateirgasthē) zum Ausdruck, das die eigene Person in den Hintergrund treten lässt. Ergänzend ist davon die Rede, dass die Apostelzeichen »in aller Geduld« (ἐν πάσῃ ὑπομονῇ en pasē hypomonē) geschahen. Damit spielt Paulus auf das allen Widrigkeiten zum Trotz erfolgende Standhalten bis zur Heilsvollendung, nicht zuletzt das geduldige Ausharren im Leid, an und gibt zu erkennen, dass seine Machttaten in Korinth von allerlei Bedrängnissen begleitet waren. Vor dem Hintergrund des Leidenskatalogs 2  Kor 11,23-29 und der Krankheitsschilderung 12,7-10 ist an die mit dem Aposteldienst verbundenen Widerfahrnisse des Paulus im Allgemeinen, an seine krankheitsbedingten schweren Schmerzen im Besonderen zu denken. Der Vollzug der Apostelzeichen »in aller Geduld« zeigt ebenso wie der gesamte Kontext von 2 Kor 12,11-13, dass für die Wunder des Paulus die Kreuzestheologie den Bezugsrahmen darstellt. In seiner Schwäche bleibt er als Wundertäter auf die Schöpfermacht Gottes als in ihm wirkender Kraft angewiesen. Auf einer Linie mit dem Wunderverständnis der Korintherkorrespondenz liegen die paulinischen Äußerungen im Römerbrief. Dort sieht sich Paulus zur Darlegung seines Apostolats veranlasst, um die Gemeinde von Rom zur Unterstützung für die geplante Spanienmission zu gewinnen (Röm 15,14-21). Vor diesem Hintergrund gewinnen Wunder für die Selbstdarstellung als Apostel der Völker programmatische Bedeutung. Die Heiden wurden nicht nur durch das Wort, sondern auch »durch die Tat, in der Kraft von Zeichen und Wundern, in der Kraft des Geistes« (Röm 15,18f.) zum Glaubensgehorsam geführt. Wie in 2 Kor 12,12 bedient sich Paulus der traditionellen Wendung »Zeichen und Wunder«, um die Erfahrung der heilvollen Gegenwart Gottes in seinen Machttaten zum Ausdruck zu bringen und daraus seine apostolische Autorität abzuleiten. Urheber des Wundergeschehens ist der in Paulus wirksame Christus, gleichzeitig wird es als Kraftäußerung des Geistes verstanden. Die Zeichen und Wunder werden als fester Bestandteil des paulinischen Apostolats kenntlich gemacht, ohne im Vordergrund zu stehen. Wie aus der Abfolge »in Wort und Tat« hervorgeht, sind die Wunder der Verkündigung untergeordnet. Sie stellen Begleiterscheinungen der Missionspredigt dar, bekräftigen das Wort und tragen zu seiner Glaubwürdigkeit bei, ohne unabhängig davon eigenständige Bedeutung zu 120

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erlangen. Zudem liegt der Akzent auf der Wirksamkeit Christi und des Geistes, als deren Werkzeug sich Paulus mit seinen Wundertaten betrachtet. Insgesamt zeigt sich, dass Paulus Wunder zu den selbstverständlichen Begleiterscheinungen seines Apostelwirkens rechnet, er ihnen aber keine hervorgehobene Bedeutung beimisst und sich nicht ohne Not auf sie beruft. Wenn Paulus an anderer Stelle (1 Kor 12; Gal 3,5) Heilungen wie Machttaten in der Kirche als geistgewirkte Gnadengaben Gottes betrachtet, sie mit den weiteren Charismen auf eine Stufe stellt und gleichzeitig das Gemeindewohl als übergeordnetes Ziel im Auge hat, steckt er einen theologischen Rahmen ab, der auch für seine eigene Wundertätigkeit verbindlich ist. Dieses unverwechselbare Profil des Paulus als Wundertäter ist untrennbar mit den Charakteristika seines Apostolats und seiner Christologie verbunden. Bei den Gegnern des Paulus in Korinth dominiert ein Traditionsprinzip, das durch einen engen Bezug auf die Aussendungsanordnungen Jesu gekennzeichnet ist (Lüdemann 1983, 136f.). Paulus dagegen sieht seinen Apostolat durch die Berufung vor Damaskus konstituiert, hebt die Unabhängigkeit von irdischen Autoritäten hervor (Gal 1,1; Röm 1,1-5) und kann sich wegen der im Zentrum stehenden Verkündigung des Evangeliums an die Heiden (Gal 1,15f.; Röm 15,16) über traditionelle Elemente des Apostelbildes hinwegsetzen. Zwar tut er dies im Hinblick auf Wundertaten nicht derart weitgehend, wie es bei seinem Umgang mit dem apostolischen Unterhaltsrecht der Fall ist (1 Kor 9,1-18), und erkennt sie als unverzichtbare Apostelzeichen an. Doch dürfte insgesamt kein Zweifel daran bestehen, dass Wunder im missionarischen Wirken des Paulus deshalb eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen, weil er seine Vollmacht als Apostel nicht aus der Aussendungstradition ableitete und sich in der Art seines Auftretens nur bedingt an ihr orientierte. Wie bei den anderen Aposteln ist auch seine Verkündigung von Zeichen und Wundern begleitet (Mk. 16,17; 1. Thess. 1,5; 1. Kor. 2,4; 2. Kor. 12,12; Röm. 15,19). Aber von diesen Vorgängen spricht Paulus nur beiläufig, weil seine Legitimation von ihnen nicht abhängig gemacht wird. Seine Person tritt ganz zurück hinter der unvergleichlichen Botschaft, die er zu Gehör zu bringen hat (Lohse 1996, 66).

Während die Gegner in Korinth durchaus dem Normalbild des urchristlichen Wandermissionars entsprechen, stellt der paulinische Apostolat, bei dem die Apostelwürde durch eine Christophanie mit Beauftragung zur Heidenmission konstituiert wird, eine absolute Ausnahmeerscheinung dar. In der Regel beanspruchten Apostel unter Berufung auf die Aussendungstradition Unterhalt und maßen neben der Verkündigung auch Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen und anderen Machttaten einen unverzichtbaren, wenn nicht gar den entscheidenden Stellenwert bei. Über die unterschiedliche Gewichtung von Wundertaten für den Apostolat hinaus markierten auch christologische Aspekte eine unüberbrückbare Differenz zwischen Paulus und seinen Gegnern. Für die Gegner dürfte der Auffassung, ein Apostel müsse sich in erster Linie durch Wundertaten auszeichnen, eine Herrlichkeitschristologie korrespondiert haben. Nicht wie bei Paulus das Passionskerygma war für sie Ausgangspunkt der Christologie, sondern Jesu machtvolles Wirken als Wundertäter 121

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in Vergangenheit und Gegenwart. Das Jesusbild der Gegner dürfte entscheidend von den Wundergeschichten der Evangelientradition geprägt gewesen sein und gleichzeitig ihr Selbstverständnis bestimmt haben, indem sie sich mit ihren Machttaten als Mittler der Wunderkraft Jesu betrachteten (Georgi 1964, 213-218.289). Einen in dieser Weise einseitig verherrlichten Jesus musste Paulus für einen »anderen Jesus« (2 Kor 11,4) halten als jenen, den er selbst im Rahmen der Theologia Crucis predigte. Dennoch stellen Wunder für Paulus einen festen Teil seines Evangeliums dar, sind unlösbar mit der Verkündigung verbunden und kommen in den Briefen nur deshalb selten zur Sprache, weil sie nicht regelmäßig Gegenstand innergemeindlicher Auseinandersetzungen waren (Jervell 1979, 54-75). Vergleicht man die lukanische Darstellung des Wundertäters Paulus mit dem paulinischen Selbstzeugnis, so ergibt sich in entscheidenden Punkten ein einheitliches Bild. Wunder haben die Verkündigung des Paulus begleitet, übereinstimmend werden sie in der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen als »Machttaten« (δυνάμεις dynameis 2 Kor 12,12; Apg 19,11) oder »Zeichen und Wunder« (2 Kor 12,12; Röm 15,19; Apg 14,3; 15,12) bezeichnet. Das darin implizierte endzeitliche Heilshandeln Gottes wird sowohl von Paulus (2 Kor 12,12) als auch von Lukas (Apg 15,12; 19,11) betont hervorgehoben. Die Überzeugung des Paulus, dass in seinen Wundertaten der erhöhte Christus wirksam ist (Röm 15,18), spiegelt sich ebenfalls klar in der Apostelgeschichte wider (Apg 14,3; 16,18). Lukas zeichnet insgesamt ein deutlich realitätsgetreueres Bild des Wundertäters Paulus, als ihm oftmals unterstellt wird. Daneben sind Unterschiede nicht zu übersehen. Die Bedeutung der Wunder als Apostelzeichen kommt bei Lukas nicht zur Sprache, da er Paulus mit Ausnahme von Apg 14,4.14 den Aposteltitel konsequent vorenthält. Der vollmächtige Wundertäter Paulus begegnet zwar auch in der Apostelgeschichte als Leidensgestalt (Apg 14,19; 16,22), doch die Paradoxie von der Kraft in der Schwachheit und deren christologische Voraussetzungen werden in ihrer eigentlichen Tiefe nicht erfasst (vgl. Jervell 1979, 75). Während Paulus die Wunder dem Wort gezielt nachordnet (Röm 15,18), ist dies in der Apostelgeschichte in solcher Eindeutigkeit nicht der Fall. Einerseits begegnen Zeichen und Wunder als sekundäre Begleiterscheinungen der Verkündigung (Apg 14,3), andererseits führt in Philippi das Befreiungswunder und nicht die Predigt zur Bekehrung des Gefängniswärters (Apg 16,23-40) und auf Malta zieht Paulus die Inselbewohner allein durch Wunder in seinen Bann (Apg 28,1-10). Zudem dürfte Lukas Umfang wie Bedeutung der paulinischen Wunderwirksamkeit insgesamt zu hoch bewerten und neigt zu ihrer Verherrlichung. Lukas vermehrt durch Summarien die Zahl der Wunder und porträtiert Paulus auf all seinen Reisen als höchst bedeutsamen Thaumaturgen, während dieser selber nur am Rande auf seine Wunder zu sprechen kommt und keinen Anlass sieht, sich ihrer zu rühmen. Die im besonderen Profil des Apostolates und der Christologie liegenden tieferen Ursachen dafür werden aus der Apostelgeschichte nicht ersichtlich. Paulus hat zweifellos Wunder vollbracht. Seine Briefe zeugen aber im Unterschied zur Apostelgeschichte davon, dass er ihnen einen ungleich geringeren Stellenwert beigemessen hat, als dies bei anderen Aposteln der Fall war. Der uneingeschränkt im 122

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Zentrum stehende Verkündigungsauftrag drängt die Wunder an die Peripherie und lässt sie zu theologischen Randphänomenen werden. Wenn Menschen durch die Predigt vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn zum Glauben kommen, stellt dies alle anderen Wunder in den Schatten.

Die Wundersummarien der Apostelgeschichte Neben ausführlicher erzählte Wunder treten in der Apostelgeschichte Sammelberichte oder summarische Notizen, die der Ausweitung und Verallgemeinerung einzelner Ereignisse aus dem Leben der Gemeinde und der Missionspraxis der Apostel dienen. Dort ist refrainartig von Zeichen und Wundern oder Machttaten die Rede, die Gott durch die Hände der Verkündiger des Christusglaubens bewirkte. In vielen Fällen lässt sich nicht zweifelsfrei bestimmen, ob die betreffenden Befunde ohne Traditionsgrundlage aus der Feder des Lukas stammen oder die redaktionelle Ausformung vorgegebenen Materials vorliegt. Bei der Schilderung des Lebens der Urgemeinde (Apg 1-5) begegnen in zwei Sammelberichten und einem Gemeindegebet verallgemeinernde Notizen über die Wunder der Apostel. In seinem ersten großen Sammelbericht über das Leben der Urgemeinde (Apg 2,42-47) verwendet Lukas im Hinblick auf die Beschreibung des gottesdienstlichen Lebens und der Mahlfeiern älteres Material. Die Erwähnung von Wundern und Zeichen durch die Hände der Apostel (2,43) ist dagegen der lukanischen Redaktion verdächtig, zumal sie der Parallelisierung der Apostel mit Jesus (vgl. 2,22) und der Vorbereitung der Gelähmtenheilung in 3,1-10 dient (Pesch 2005, 130f.). In Apg 4,30 begegnet innerhalb des Gebets 4,24-30 auch die Bitte, dass Gott seine Hand ausstrecke zu Heilung und dass er Zeichen und Wunder geschehen lasse durch den Namen seines heiligen Knechtes Jesus. Es gibt Indizien dafür, dass Lukas ein christologisch-messianisches Gemeindegebet (4,24b-28) aufgegriffen und ihm durch die redaktionell formulierte Schlussbitte eine Wendung in das Ekklesiologische gegeben hat (Schneider 1980, 354f.; Roloff 2010, 85). Die Wunderthematik ginge dann auf sein Konto. Der Sammelbericht Apg 5,12-16 stellt mit seiner Schilderung der Apostelwunder alle anderen summarischen Notizen in den Schatten. Nachdem Lukas in Apg 5,12 mit dem für ihn typischen Sprachgebrauch (vgl. Apg 2,43; 4,30; 14,3) nochmals summarisch die Wunder durch die Hände der Apostel festgehalten hat, verarbeitet er offenkundig eine Petrustradition, die in legendenhafter Form dem Schatten des Petrus Heilkraft zuschreibt (Apg 5,15f.). Die Antike kennt die magische Vorstellung, dass der Schatten von Menschen oder Tieren mit der heilenden oder schädigenden Kraft des Schattenspenders geladen ist (van der Horst 1976-1977, 204-212; Pesch 2005, 207). In der Schilderung, wie Petrus durch seine Wunderkraft großen Zulauf erhält und auch aus der Umgebung Jerusalems die Kranken herbeigebracht werden, klingen Formulierungen des Summariums Mk 6,53-56 an, das Lukas nicht in sein Evangelium übernommen und offenkundig für die Verarbeitung in der Apostelgeschichte aufgespart hat. Im Blick auf Stephanus und Philippus aus dem Kreis der Hellenisten ist unklar, 123

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ob sie erst von Lukas zu Wundertätern gemacht wurden oder die knappen Notizen über ihr Wunderwirken Streiflichter sind, bei denen die lukanische Kenntnis einer größeren Zahl an Wunderüberlieferungen im Hintergrund steht. In Apg 6,8 berichtet Lukas summarisch von großen Wundern und Zeichen des Stephanus unter dem Volk, vermag dies aber in keiner Weise zu konkretisieren. Es dürfte sich um einen redaktionell gebildeten Überleitungsvers ohne Kenntnis von Stephanuswundern handeln (Weiser 1989, 171). Der Sammelbericht über die Wunderwirksamkeit des Philippus in Apg 8,6-8, der in 8,13 nochmals nachhallt, berichtet dagegen konkret von Dämonenaustreibungen und Gelähmtenheilungen der nach Stephanus zweitwichtigsten Figur aus dem Kreis der Hellenisten. Dass er sprachlich von Lukas geformt ist, berechtigt nicht von vornherein zu dem Urteil, dass der Verfasser der Apostelgeschichte über Einzelheiten der Mission des Philippus in Samaria nichts gewusst habe (gegen Weiser 1989, 199). Vielmehr könnte sich in diesem Summarium ältere Tradition niedergeschlagen haben (Pesch 2005, 271), zumal Philippus auch mit seiner Entrückung (Apg 8,39f.) und seiner Nähe zur urchristlichen Prophetie (Apg 21,8-11) als charismatischer Pneumatiker begegnet. Mit dem Verweis auf die Zeichen und Wunder, die durch die Hände von Paulus und Barnabas geschahen (Apg 14,3), greift Lukas fast wörtlich seine Formulierung aus Apg 5,12 auf. Ohne konkrete Kenntnis von Wundertaten in Ikonion will er zum Ausdruck bringen, dass die Missionare der antiochenischen Gemeinde den Jerusalemer Aposteln in nichts nachstehen. Mit ähnlichen Worten ist im Kontext des Apostelkonvents nochmals redaktionell von den Zeichen und Wundern die Rede, die Paulus und Barnabas bewirkten (Apg 15,12). In Apg 19,11f. untermauert Lukas seine Bemerkung über die von Gott durch die Hände des Paulus gewirkten Taten mit Informationen über Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen, die durch Schweißtücher des Paulus bewirkt wurden. Die Vorstellung, dass die Berührung des Gewandes bedeutsamer Personen Teilhabe an deren Kraft oder Glück sichert, ist auch im Zusammenhang mit Alexander dem Großen (Arr. An. 6,13) und Sulla (Plut. Sull. 35,3f.) belegt. Wenn Paulus als großartiger Thaumaturg begegnet, dessen Heilkraft sogar auf Kleidungsstücke abstrahlt und ohne sein Zutun wirksam gemacht werden kann (Apg 19,12), steht dies in Spannung zur Absicht des Lukas, den Wundertäter Paulus als dienendes Werkzeug Gottes darzustellen (Apg 19,11). Dem Summarium liegt folglich eine von Lokalkolorit geprägte Tradition über die heilende Wirkung von Tüchern zugrunde, die mit der Haut des Paulus in Berührung gekommen waren. Gern wird darauf verwiesen, welche Welten hier den lukanischen Paulus vom geschichtlichen Paulus trennten (Roloff 2010, 286). Da es sich bei Ephesus um eine Hochburg der antiken Magie handelt und ein beträchtlicher Teil der Gemeinde nicht nur in der vorchristlichen Vergangenheit, sondern offenkundig auch nach der Bekehrung weiterhin in magische Praktiken involviert war (Apg 19,19), entbehrt Apg 19,12 allerdings nicht der historischen Plausibilität und vermittelt ein Bild davon, welche Wundervorstellungen sich um Paulus rankten. Möglicherweise lag Theodor Zahn mit seiner Vermutung gar nicht so falsch, es sei in Ephesus den Angehörigen der Kranken gelungen, sich ohne irgendeine Beteiligung des Paulus von dessen Hauswirtin »das eine oder andere Kopftuch oder 124

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Schnupftuch für ganz vorübergehenden Gebrauch zu verschaffen« (Zahn 1927, 681). In Apg 28,9 hingegen steigert erst Lukas die Heiltätigkeit des Paulus auf Malta, die sich in der vorlukanischen Tradition auf die Heilung des Publius von Fieber beschränkte, ins Unermessliche und lässt ihn zum gefeierten Wundertäter der ganzen Insel werden.

Zur Herkunft der Wundergeschichten Die für den historischen Wert des Geschilderten nicht unbedeutende Frage nach der Herkunft der Wundererzählungen in der Apostelgeschichte lässt sich nicht zweifelsfrei klären. Neben der Rezeption von Einzeltraditionen aus den Gemeinden kommt für Lukas auch die Verarbeitung größerer Überlieferungskomplexe oder zusammenhängender Quellenschriften in Betracht. Der Streit um die Quellen der Apostelgeschichte hat zwar eine Reihe unterschiedlichster Modelle hervorgebracht, aber nicht zu allgemein anerkannten Ergebnissen geführt. Während im Blick auf den ersten Hauptteil der Apostelgeschichte (Apg 1,1-15,35) die Diskussion um Quellenschriften aus Jerusalem, Cäsarea oder Antiochia kreist, steht für den zweiten Hauptteil (Apg 15,36-28,16) die Kontroverse um die Wir-Passagen und deren Rückführbarkeit auf einen Augenzeugen des Geschehens im Mittelpunkt der Betrachtung. Adolf von Harnack rechnete im ersten Hauptteil der Apostelgeschichte mit drei unterschiedlichen Quellenschriften und glaubte sogar, deren Urheber weitestgehend benennen zu können. Neben einer nach Jerusalem bzw. Cäsarea weisenden Quelle A (Apg 3,1-5,16; 8,5-40; 9,29-11,18; 12,1-24), die von den Taten des Petrus wie des Philippus erzähle, und einer aus Jerusalem bzw. Palästina stammenden Quelle B (Apg 2,1-47; 5,17-42), die in historisch minderwertiger Form von der Missionspredigt des Petrus und dem Verhör der Apostel vor dem Hohen Rat berichte, ging er von einer antiochenischen Quelle C (Apg 6,1-8,4; 11,19-30; 12,25-15,35) aus, der Lukas seine Informationen über das Stephanusmartyrium, die Gemeindegründung in Antiochia und die erste Missionsreise verdanke (Harnack 1908, 131-198). Unter der Prämisse, dass Lukas der Arzt aus dem Mitarbeiterstab des Paulus die Apostelgeschichte verfasste und sich auch hinter den Wir-Passagen verbirgt, sah Harnack in Philippus, Johannes Markus und Silas die Gewährsmänner für die Quellen A und C, während sich die Herkunft der Quelle B nicht bestimmen lasse. Das in der Quelle A Berichtete habe Lukas größtenteils bei seinem Besuch im Hause des Philippus (Apg 21,8-14) erfahren, lediglich der Bericht über die Ereignisse unter Agrippa I. (Apg 12,1-24) gehe auf Johannes Markus zurück. Für die von der Verfolgung der Hellenisten und den Aktivitäten der Gemeinde von Antiochia handelnde Quelle C dürfe man es wagen, Silas als Urheber in Anspruch zu nehmen. Grundsätzlich attestiert Harnack den Wundererzählungen der Apostelgeschichte hohe Glaubwürdigkeit. Gemessen an den überwiegend als »alberne Mirakel« zu betrachtenden und kein Körnchen Wahrheit besitzenden Wundern der späteren Apostelakten, erschienen sie kaum als Wunder und man müsse nicht viel Aufhebens um sie machen (Harnack 1908, 130). Harnacks Rekonstruktion der Quellen A und B stieß kaum auf positive Reso125

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nanz, da sie sich weder durch inhaltliche noch durch sprachliche Indizien erhärten lässt und damit auf tönernen Füßen steht. Größere Akzeptanz fand dagegen die von Harnack vermutete Quelle C aus Antiochia (vgl. Schneider 1980, 86f.; Roloff 2010, 192; Pesch 2005, 48-50; Pokorný/Heckel 2007, 485), wobei allerdings deren vermutete Gestalt in der Regel erheblich von der Rekonstruktion Harnacks abweicht. Die völlig unterschiedlichen Vorstellungen vom Umfang der antiochenischen Quelle deuten bereits die Schwierigkeit an, zu methodisch abgesicherten Ergebnissen zu kommen. Zumindest die Darstellung der Ersten Missionsreise mit den Wundern in Paphos und Lystra könnte aber in Grundzügen aus antiochenischer Gemeindetradition stammen. Auch die Diskussion um eine im zweiten Hauptteil der Apostelgeschichte verarbeitete Wir-Quelle hat zu keinen konsensfähigen Ergebnissen geführt. In den Passagen, die im Unterschied zur übrigen Berichterstattung in der ersten Person Plural formuliert sind (Apg 16,10-17; 20,5-15; 21,1-18; 27,1-28,16), finden sich vier der von Lukas überlieferten Pauluswunder, nämlich die Dämonenaustreibung in Philippi, die Totenerweckung in Troas sowie das Schlangenwunder und die Fieberheilung auf Malta. Für die Erklärung der jeweils abrupt einsetzenden und ebenso unvermittelt endenden Wir-Passagen gibt es unterschiedliche Lösungsversuche. Nicht selten rechnet man mit der Verarbeitung einer Wir-Quelle durch Lukas. Dabei gelten die in der ersten Person Plural formulierten Passagen als Schilderungen eines Augenzeugen, wobei am ehesten Timotheus in Betracht zu ziehen wäre (Pesch 2005, 50). In modifizierten Versionen dieses Erklärungsmodells fallen einzelne Wundergeschichten aus der Wir-Quelle heraus. Claus-Jürgen Thornton beschränkt den Umfang der Wir-Quelle auf einzelne Passagen aus Apg 16 und 20f., womit die Wunder auf Malta aus dem Spiel sind. Diese von Lukas verarbeitete Wir-Quelle betrachtet er als Bericht über die Kollektenreise nach Jerusalem, der auf den 2 Kor 8,23 erwähnten unbekannten Apostel an der Seite des Paulus zurückgehe (Thornton 1991, 305313). Von den Wundern gilt nur die Eutychusgeschichte aus Troas (Apg 20,7-12) als Bestandteil dieses Wir-Berichts, während der Verfasser der Quelle den Exorzismus wie auch die weiteren Ereignisse in Philippi nicht miterlebt habe (a.a.O., 278). Stanley E. Porter kommt im Blick auf den Exorzismus und das Befreiungswunder in Philippi zu einem ähnlichen Ergebnis, rechnet aber die beiden Wunder auf Malta zur Wir-Quelle (Porter 1999, 42-62). Im Vokabular und Stil unterscheiden sich die Wir-Passagen allerdings nicht signifikant vom Rest der Apostelgeschichte. Weitverbreitet ist daher die Auffassung, dass sich mit dem ›wir‹ Lukas selbst zu Wort melde, um seine persönliche Anwesenheit bei den geschilderten Ereignissen kenntlich zu machen (Harnack 1906a, 19-60; Jervell 1998, 66f.; Eckey 2011, 12f.). Dabei geht man von Lukas dem Arzt (Kol 4,14) als Verfasser der Apostelgeschichte aus und zieht ergänzend in Erwägung, dass es sich bei den Wir-Passagen um Reisenotizen des Lukas aus der Zeit des gemeinsamen Wirkens mit Paulus handelte, auf die er später bei Abfassung seines Geschichtswerks zurückgreifen konnte. Vor diesem Hintergrund wären der Exorzismus in Philippi, die Totenerweckung in Troas und die beiden Wunder auf Malta Augenzeugenberichte des Lukas. Jacob Jervell allerdings misst nur Apg 20,7-12 besonders hohe 126

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Glaubwürdigkeit bei, während in Apg 16,16-18 die erste Person Plural sekundär sei und in Apg 28,3 der Wechsel vom Wir-Stil zum Er-Stil zeige, dass Lukas die Wundertaten des Paulus auf Malta persönlich nicht miterlebte, sondern lediglich davon erzählt bekam (Jervell 1998, 430.504f.618). Wenn man angesichts der schwer erklärbaren Unkenntnis des Lukas über einzelne Reisewege und die Theologie des Paulus einen Begleiter und Mitarbeiter des Apostels als Verfasser der Apostelgeschichte ausschließt, drängt sich ein drittes Erklärungsmodell für die Wir-Passagen auf. Die Verwendung des ›wir‹ ist dann am ehesten ein fiktives Stilmittel des Lukas, mit dem dieser eine persönliche Augenzeugenschaft vorspiegeln wollte, ohne tatsächlich bei den geschilderten Ereignissen dabei gewesen zu sein (vgl. Vielhauer 1975, 387-393). Damit wären die in den WirPassagen anzutreffenden Wundertraditionen nicht von vornherein glaubwürdiger als die übrigen Wunderberichte der Apostelgeschichte. Jürgen Wehnert vertritt zwar die These, Lukas mache durch das fingierte ›wir‹ die Verarbeitung mündlich überlieferter Mitteilungen durch Silas kenntlich, um die betreffenden Berichte für seine Leserinnen und Leser als besonders verlässliches Zeugnis zu kennzeichnen, klammert dabei die Wundergeschichten aber aus. Sie stünden schon allein aus formgeschichtlichen Gründen im Verdacht, durch sporadische Einfügung von Wir-Elementen sekundär mit den auf Silas zurückgehenden Wir-Passagen verbunden worden zu sein (Wehnert 1989, 182-204). Während sich der Nachweis umfangreicherer Quellenschriften in der Apostelgeschichte somit als schwierig erweist, erfreut sich die von Martin Dibelius begründete Annahme eines von Lukas in Apg 13,4-21,16 verarbeiteten Reisestationenverzeichnisses größerer Akzeptanz (vgl. Schneider 1980, 93-95; Weiser 1989, 37f.; Schnelle 2013, 344). Dieses Itinerar, das die Reisestationen des Paulus aufgeführt und durch kurze Notizen erläutert habe, bilde das Gerippe für das Mittelstück der Apostelgeschichte und sei von Lukas mit Paulusreden und Einzelerzählungen, darunter Wundergeschichten, angereichert worden (Dibelius 1968, 9-28). Schon aus allgemeinen formgeschichtlichen Erwägungen heraus betrachtet Dibelius alle Wundererzählungen der Apostelgeschichte als ursprünglich selbstständige Überlieferungsstücke, die einen wesentlichen Teil der von Lukas benutzten Tradition darstellten. Es handele sich der Erzählform nach um Legenden, Novellen oder Anekdoten, ohne dass damit bereits ein Urteil über den geschichtlichen Wert gesprochen sei. Eine Sonderstellung misst Dibelius lediglich den Pauluswundern auf Malta bei, die er auf Lukas zurückführt. In Apg 27f. habe Lukas die Erinnerung an die stürmische Italienfahrt des Paulus unter Rückgriff auf einen antiken Seefahrtbericht zu der jetzt vorliegenden Komposition ausgebaut. Die auf Malta spielende Erzählung Apg 28,1-10 mit ihrer »weltlich-kühlen Haltung« sei ohne religiöse Pointe, wie sie dem frommen Interesse der Legende entspräche, auf die Verherrlichung des Paulus zugeschnitten (a.a.O., 15). Insgesamt haben die Annahmen von Dibelius viel für sich, ohne dass seiner Betrachtung der Pauluswunder auf Malta als religiös bedeutungslose Produkte lukanischer Schriftstellerkunst zwingende Beweiskraft zukäme. Als Fazit ergibt sich, dass Lukas allenfalls einige der in seinem Geschichts127

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werk verarbeiteten Wundergeschichten als Teil umfangreicherer Quellenschriften zugekommen sind. Vermuten lässt sich dies am ehesten noch für die Pauluswunder in Paphos und Lystra, sofern Lukas tatsächlich aus Antiochia eine Art Chronik der Ersten Missionsreise vorlag. Mehrheitlich handelt es sich bei den Wundererzählungen der Apostelgeschichte um mündliche Lokaltraditionen oder Personallegenden über die großen Gestalten aus der Frühzeit der Kirche, die Lukas gesammelt und in sein Werk eingebaut hat. Dabei kann Lukas durchaus in einzelnen Gemeinden wie Antiochia, Philippi, Troas oder Ephesus gründlich recherchiert haben.

Vermutete Quelle

Umfang

Enthaltene Wundergeschichten

Quelle A = jerusalemisch-cäsareensische Quelle (Harnack)

Apg 3,1-5,16; 8,5-40; 9,2911,18; 12,1-24

Heilung des Gelähmten durch Petrus (3,1-10); Strafwunder an Hananias und Sapphira (5,1-11); Wundertaten der Apostel (5,12-16); Wunder des Philippus (8,6f.39f.); Heilung des Äneas (9,32-35); Erweckung der Tabitha (9,36-43), Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis (12,3-11)

Quelle B = jerusalemische Quelle (Harnack)

Apg 2,1-47; 5,17-42

Zeichen und Wunder der Apostel (2,43); Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis (5,17-21)

Quelle C = antiochenische Quelle (Harnack)

Apg 6,1-8,4; 11,19-30; 12,2515,35

Strafwunder in Paphos (13,612); Gelähmtenheilung in Lystra (14,8-13)

Wir-Quelle (de Wette u.a.)

Apg 16,10-18; 20,5-15; 21,118; 27,1-28,16

Dämonenaustreibung in Philippi (16,16-18); Totenerweckung in Troas (20,7-12); Schlangenwunder und Fieberheilung auf Malta (28,1-9)

Itinerar (Dibelius)

Grundgerüst von Apg 13,421,16 (Auflistung der Reisestationen mit kurzen Erläuterungen)

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Tab. 4: Quellenhypothesen zur Apostelgeschichte

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Lukanische Gestaltungstendenzen Wichtige Rückschlüsse auf das lukanische Verständnis der sich in der Zeit der Kirche vollziehenden Wunder erlaubt bereits die Terminologie. Stereotyp ist von σημεῖα καὶ τέρατα (sēmeia kai terata, 4,30; 5,12; 14,3; 15,12) oder in umgekehrter Reihenfolge von τέρατα καὶ σημεῖα (terata kai sēmeia, 2,43; 6,8) die Rede. Diese in unseren Bibelübersetzungen meist mit »Zeichen und Wunder« bzw. »Wunder und Zeichen« übersetzte Begrifflichkeit sucht im Rahmen gläubiger Geschichtsbetrachtung betont den göttlichen Ursprung und den eschatologischen Charakter der Wunder hervorzuheben. Sie war bereits bei der Übersetzung der Hebräischen Bibel in das Griechische zu einem formelhaften Ausdruck für die Exoduswunder (Ex 7,3; 11,9), aber auch für die göttlichen Beglaubigungszeichen der Propheten (Jes 20,3) geworden (vgl. Stolz 1972, 139-142). In der hellenistischen Literatur steht das Begriffpaar sēmeia kai terata für wundersame Prodigien und Vorzeichen (vgl. Weiß 1995, 18-22). Wenn die Wunder des Philippus und des Paulus auch als δυνάμεις (dynameis – Machttaten) bezeichnet werden (8,13; 19,11), greift Lukas einen Begriff aus der mit Jesus verbundenen Wundertradition (Mk 6,2; Mt 11,20f.) auf, bei dem das Moment des personalen Machterweises und der darin sichtbaren Kraft Gottes in den Vordergrund rückt. Allgemein wird Lukas nicht müde zu betonen, dass kein anderer als Gott hinter den Wundern steht und diese durch die Hände der Verkündiger bewirkt (4,30; 15,12; 19,11). Die Apostel verfügen nicht aus eigenen Stücken über Wunderkräfte und sind keine selbstherrlichen Magier, sondern dienende Werkzeuge der souveränen Macht Gottes. Zudem ist das lukanische Doppelwerk von einer weitreichenden Parallelität und Kontinuität zwischen dem Wunderwirken Jesu und den Taten seiner Nachfolger geprägt. Fast alle von den Aposteln berichteten Wunder haben Vorbilder im Wirken Jesu, wobei Lukas die betreffenden Wunderzählungen der Apostelgeschichte zuweilen auch an ihre Pendants aus dem Evangelium angleicht. So sind bei den Gelähmtenheilungen durch Petrus und Paulus oder der Fieberheilung auf Malta sprachliche Anklänge an die Vorbilder aus der Jesusüberlieferung (Lk 4,38f.; 5,17-26) wahrnehmbar (vgl. Schneider 1980, 307f.; Kirchschläger 1979, 509-521). Sowohl im Blick auf Jesus (Apg 2,22) als auch im Blick auf die Apostel ist von Zeichen und Wundern als Charakteristika des Auftretens die Rede. Die Art der von Jesus und seinen Anhängern erzählten Wunder gleicht sich. Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen und Totenerweckungen stehen hier wie dort im Vordergrund. Dem Schatten des Petrus und den Schweißtüchern des Paulus wird eine magische Wunderkraft zugeschrieben, die sich ohne aktives Mitwirken des Wundertäters zu Heilzwecken nutzbar machen lässt. Damit stehen Petrus und Paulus in der Nachfolge Jesu, an dessen Wunderkraft die Menschen durch bloße Berührung seines Gewandes oder Körpers teilhaben (Lk 6,19; 8,44). Am Ende der Apostelgeschichte schließt sich der Kreis von der Zeit der Kirche zu den wunderbaren Anfängen bei Jesus. Das Schlangenwunder des Paulus auf Malta stellt die Erfüllung der Verheißung Jesu aus Lk 10,19 dar. Indem die Heilung des Publius (Apg 28,7f.) als letzte Wundererzählung der Apostelgeschichte thematisch den Bogen zur Heilung der Schwiegermutter des Petrus schlägt 129

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

(Lk 4,38f.), wird das lukanische Doppelwerk kunstvoll vom Motiv der Fieberheilung umschlossen. Insgesamt liegt Lukas viel daran, die Nachfolger Jesu als legitime Sachwalter seiner Wunderkraft zu porträtieren (vgl. Apg 14,3). Die Verkündigung ist in der Jesuszeit wie auch in der Zeit der Kirche von Wundern begleitet. So wie Jesus von Gott durch Wunder legitimiert wurde, gilt dies auch für die Protagonisten der frühen Kirchengeschichte. Grundsätzlich ereignet sich »in den vielerlei übernatürlichen Manifestationen und Zwischenfällen, von denen die Apostelgeschichte erzählt, im Grunde genommen nichts anderes […] als eine Fortsetzung der Geschichte Jesu Christi unter veränderten Voraussetzungen, die durch seine Auferstehung und Erhöhung zur Rechten Gottes geschaffen sind« (Avemarie 2009, 543). Als Träger der Kraft Gottes und Zeugen Christi erweisen die christlichen Wundertäter nicht nur ihre Überlegenheit gegenüber jüdischen wie heidnischen Magiern, sondern lassen auch die griechisch-römische Welt zum Raum für das Wirken des Gottes Israels werden. Darüber hinaus geht es Lukas um eine Parallelisierung von Petrus und Paulus. Dabei zeigte sich bereits, dass dieser Angleichungsprozess nicht durch die redaktionelle Bildung von Wundergeschichten, sondern durch die Auswahl, Anordnung und Bearbeitung des überlieferten Materials erfolgt. In Analogie dazu, dass Petrus und Paulus in der Apostelgeschichte mit der gleichen Anzahl von ihnen gehaltener Reden bedacht werden, nimmt Lukas von beiden Personen auch ungefähr gleich viele und zudem überwiegend gleichartige Wunder in sein Werk auf. Der Verfasser der Apostelgeschichte trifft aus den Traditionen eine gezielte Auswahl, um seine beiden Hauptakteure einander in nichts nachstehen zu lassen. Lediglich der Exorzismus des Paulus in Philippi und das Schlangenwunder auf Malta bleiben bei Petrus, von dem andererseits gleich zwei Befreiungswunder erzählt werden, ohne Parallele. Durch diese penibel aufgebaute Parallelität erreicht der Pauliner Lukas, der Paulus selbstredend als großen Protagonisten verehrt, dass Petrus, auch wenn seine heilsgeschichtliche Rolle früh endet, in seinem Wirken Paulus gleichgestellt wird (Becker 2011, 121).

Eine zentrale Rolle spielt für Lukas schließlich die Auseinandersetzung mit Wunderpraktiken aus der Umwelt der Kirche. Wo er das Wirken nichtchristlicher Thaumaturgen in den Blick nimmt, schreibt er es der Magie zu. Aus den Konflikten mit Magiern wie Simon, Barjesus Elymas und den Skevassöhnen geht das Christentum als klarer Sieger hervor (vgl. Klauck 1996, 24-34.60-63.112-116). In Ephesus kommt es nach dem Scheitern der jüdischen Exorzisten sogar im großen Stil zur Vernichtung magischer Bücher. Die Austreibung des Wahrsagegeistes aus der Magd in Philippi dokumentiert die Überlegenheit des Christentums in der Auseinandersetzung mit dem griechischen Orakelwesen (Heininger 2005, 278-281), das durch Praktiken aus dem Bereich der Mantik und Magie geprägt ist. Inwieweit etwas als Magie oder als Religion eingestuft wird oder wo die Grenze zwischen abgelehntem magischem und anerkanntem charismatischem Wunder gezogen wird, ist in hohem Maße eine Frage des subjektiven Standpunkts. Bevorzugt Phänomene, die nicht mit dem ei130

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Hinführung

genen Religionsverständnis konform sind, werden als Magie disqualifiziert. Lukas reiht sich mit seiner negativen Anwendung des Magie-Begriffs auf Simon und Barjesus Elymas nahtlos in diese Tradition ein. Insbesondere seinen Helden Paulus hält er gezielt auf Distanz zur Magie, um ihn nicht ins Zwielicht geraten zu lassen. Im Kontrast zu den modernen Paulusbiographen hat Lukas »das Wundersame und Wunderliche an Paulus eher integriert – freilich um den Preis der magischen Projektion auf die ›Anderen‹« (a.a.O., 290f.). Indem er die christlichen Protagonisten als in der Macht Gottes wirkende Charismatiker porträtiert und ihre Konkurrenten der Magie bezichtigt, bedient er sich einer Art »cultural script«, das sich in der griechischrömischen Welt zur Unterscheidung von Wundertätern und Magiern herausgebildet hatte und beispielsweise auch von Philostrat in seiner Apollonius-Vita aufgegriffen wird (Reimer 2002, 242-250). Im Wettkampf mit der antiken Magie erweist sich für Lukas die Überlegenheit des Christentums als wahrer Religion. Bernd Kollmann

Literatur zum Weiterlesen F. Avemarie, Acta Jesu Christi. Zum christologischen Sinn der Wundermotive in der Apostelgeschichte, in: J. Frey/C. K. Rothschild/J. Schröter (Hg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin/New York 2009, 539-562. B. Heininger, Im Dunstkreis der Magie. Paulus als Wundertäter nach der Apostelgeschichte, in: E.-M. Becker/P. Pilhofer (Hg.), Biographie und Persönlichkeit des Paulus, WUNT 187, Tübingen 2005, 271-291. C. S. Keener, Acts. An Exegetical Commentary, 4 Bde., Grand Rapids 2012-2016. B. J. Lietaert Peerbolte, Paul the Miracle Worker. Development and Background of Pauline Miracle Stories, in: M. Labahn/B. J. Lietaert Peerbolte, Wonders Never Cease. The Purpose of Narrating Miracle Stories in the New Testament and Its Religious Environment, LNTS 288, London/New York 2006, 180-199. D. Marguerat, Magic and Miracle in the Acts of the Apostles, in: T. E. Klutz (Hg.), Magic in the Biblical World. From the Rod of Aaron to the Ring of Solomon, JSNT.S 245, London 2003a, 100-124. F. Neirynck, The Miracle Stories in the Acts of the Apostles, in: J. Kremer (Hg.), Les Actes des Apôtres, BEThL 48, Leuven 1979, 169-213. B. Prete/A. Scaglioni, I miracoli degli Apostoli nella Chiesa delle origine, Turin 1989. L. O’Reilly, Word and Sign in the Acts of the Apostles. A Study in Lucan Theology, AnGr 243, Rom 1987. G. Schneider, Apostelgeschichte 1,1-8,40, HThK 5/1, Freiburg i.Br. 1980, 304-331 (Exkurs: Die Wundererzählungen).

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Tabelle: Wunder in der Apostelgeschichte Nr.

Apg-Faden

Titel

Parallelstellen

davon kommentiert im Kompendium

Apg 2,43

Summarium

Hinführung Apg

Apg 3,1-10

Entsetzen an der Schönen Apg 9,32-35; Pforte Apg 14,8-13 (Die Heilung des Gelähmten im Tempel)

Apg 3,1-10; Apg 9,32-35; Apg 14,8-13;

Apg 4,30

Summarium

Hinführung Apg

Apg 5,1-11

Ein plötzlicher Tod als Warnung (Der Betrug des Hananias und der Sapphira)

Apg 5,1-11

Apg 5,12-16

Summarium

Hinführung Apg

3

Apg 5,17-26

Zur Lehre befreit! (Die Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis)

Apg 6,8

Summarium

Hinführung Apg

4

Apg 8,6-8. 13.39f.

Konfrontation von Wunder und Magie (Philippus in Samaria – Simon der Zauberer)

Apg 8,6-8.13.39f.

5

Apg 9,1-19 (22,1-21; 26,9-23)

Blind werden, um in Wahrheit zu sehen! (Die Heilung des Paulus)

Apg 9,1-19

6

Apg 9,32-35

Kam, sah, heilte (Petrus in Lydda)

Apg 3,1-10; Apg 14,8-13

Apg 3,1-10; Apg 9,32-35; Apg 14,8-13

7

Apg 9,36-43

Stütze der Gemeinde erwacht zu neuem Leben (Die Auferweckung der Tabita)

Apg 20,7-12

Apg 9,36-43 Apg 20,7-12

8

Apg 12,1-11

(Wie) Hilft Beten? (Die Befreiung des Petrus)

Apg 5,17-26; Apg 16,19-40

Apg 5,17-26; Apg 12,1-11; Apg 16,19-40

9

Apg 13,6-12

Der besiegte Magier (Die Blendung des Barjesus Elymas)

Apg 13,6-12

Apg 14,3

Summarium

Hinführung Apg

Apg 14,8-13

Einfach nur göttlich (Die Heilung des Gelähmten in Lystra)

Apg 15,12

Summarium

1

2

10

Apg 12,1-11; Apg 16,19-40

Apg 3,1-10; Apg 9,32-35

Apg 5,17-26; Apg 12,1-11; Apg 16,19-40

Apg 3,1-10; Apg 9,32-35; Apg 14,8-13 Hinführung Apg

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Tabelle: Wunder in der Apostelgeschichte 11

Apg 16,1622

Geschäftsschädigende Intervention (Die Heilung der wahrsagenden Sklavin)

12

Apg 16,1940

Die Tür zur Rettung steht offen (Paulus und Silas im Gefängnis)

13

Apg 19,11-17 Die unbeholfenen Zauberlehrlinge in Ephesus (Die Söhne des Skevas)

14

Apg 20,7-12

Ein tröstlicher Zwischenfall (Eutychus in Troas)

15

Apg 28,1-6

Schlange, Schuld und Schutz (Das Schlangenwunder auf Malta)

Apg 28,1-6

16

Apg 28,7-10

Der jüdische Häftling und der edle Römer (Die Heilungen im Hause des Publius auf Malta)

Apg 28,7-10

Apg 16,16-22

Apg 5,17-26; Apg 12,1-11

Apg 5,17-26; Apg 12,1-11; Apg 16,19-40 Apg 19,11-17

Apg 9,36-43

Apg 9,36-43; Apg 20,7-12

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Entsetzen an der Schönen Pforte (Die Heilung des Gelähmten im Tempel) Apg 3,1-10 (3,1) Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, der Gebetszeit. (2) Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der von Mutterleib an lahm war. Den setzte man täglich an das Tor des Tempels, das »das Schöne« heißt, um Almosen zu betteln von denen, die in den Tempel gingen. (3) Als er Petrus und Johannes sah, die in den Tempel gehen wollten, bat er um Almosen. (4) Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sagte: »Sieh uns an!« (5) Er aber sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. (6) Da sprach Petrus: »Silber und Gold besitze ich nicht. Was ich aber habe, das gebe ich dir. Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, (stehe auf und) geh umher.« (7) Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sofort aber wurden seine Füße und Knöchel kräftig; (8) und er sprang auf, stand und ging umher und ging mit ihnen hinein in den Tempel, lief umher und lobte Gott. (9) Und alle Leute sahen ihn umherlaufen und Gott loben. (10) Sie erkannten ihn aber, dass er es war, der zum Zweck von Almosen an dem schönen Tor des Tempels gesessen hatte, und sie waren voll von Verwunderung und Entsetzen über das, was mit ihm geschehen war.

Sprachlich-narratologische Analyse Höchst alltäglich setzt die Erzählung ein. Die Apostel Petrus und Johannes gehen gewohnheitsmäßig zur neunten Stunde, also zu dem Abendtamid etwa um 15 Uhr, hinauf zum Tempel in Jerusalem. Bereits vorher wurden Bettler an den Aufgang zum Tempelbereich in der Erwartung von Almosen gebracht, denn es strömen jetzt neben vielen Touristen einige Hundert fromme Menschen in den Tempel zum Gebet. Ein knapper Dialog zwischen dem Apostel Petrus und einem Gelähmten, dessen Name unbekannt bleibt, der täglich zu dieser Zeit an dieser Stelle sitzt, findet statt, sodann eine Heilung mit wirksamem Wort und einer Berührung. In der Folge dieser Wunderheilung begegnet ein springender und Gott lobender Geheilter im Tempel, während Verwunderung und Entsetzen sich bei dem umstehenden Volk breitmacht. Das Wunder schenkt dem Gelähmten die Bewegung. Er springt (V. 8), steht (V. 8), geht umher (V. 8), geht hinein (V. 8), läuft umher (V. 8), sein Laufen wird gesehen (V. 9). In Apg 3,11-26 schließt sich sodann eine Rede des Petrus an das Volk im Tempelbereich, genauer in der Halle Salomos an, die ihren Ausgangspunkt bei dem Wunder nimmt (Apg 3,12). Die beiden Apostel werden angesichts des Massenauflaufs von der Tempelpolizei festgenommen, über Nacht gefangen gehalten und 134

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Entsetzen an der Schönen Pforte Apg 3,1-10

müssen sich wegen ihrer Verkündigung am nächsten Morgen vor den Führern des jüdischen Volkes, den Ältesten, den Schriftgelehrten sowie den namentlich genannten Hohepriestern verantworten (Apg 4,5f.). Hierbei geht dieses Gremium in seiner Beratung und Beschlussfassung dezidiert auf die Wundertat an dem Gelähmten ein, deren Faktizität in der Anwesenheit des Geheilten (Apg 4,14) als »offenkundiges Zeichen, das allen bekannt ist, die in Jerusalem wohnen«, geradezu »amtlich« anerkannt wird (Apg 4,16). Die Einheit schließt in dem Nachtrag mit der Angabe, dass der Gelähmte zum Zeitpunkt des Wunders über vierzig Jahre alt war (Apg 4,22). Dies ist eine mit der Eingangsnotiz korrespondierende Bemerkung, der Mann sei von Geburt an lahm gewesen. Petrus spricht den Gelähmten im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, an. In den Evangelien und in der Apostelgeschichte, und zwar nur in diesen Schriften, wird Jesus als Ναζαρηνός (Nazarēnos – Nazarener; Mk 1,24; 10,47; 14,67; 16,6; Lk 4,34; 24,19) bzw. als Ναζωραῖος (Nazōraios – Nazoräer; Mt 2,23; 26,69 v.l.; 26,71; Lk 18,37; Joh 18,5.7; 19,19; Apg 2,22; 3,6; 4,10; 6,14; 22,8; 24,5; 26,9) angesprochen. Mt und Lk verwenden folglich beide Bezeichnungen und wohl auch synonym. Diese Begriffe beziehen sich auf den Ortsnamen Nazaret. Daher ist deren Verwendung der ebenfalls gebräuchlichen Wendung »Jesus, der aus Nazaret« (Mt 21,11; Apg 10,38; Joh 1,45) gleichzusetzen. »Ναζωραῖος und Ναζαρηνός sind für die ntl. Autoren offensichtlich zwei lediglich morphologisch voneinander abweichende Formen des gleichen Begriffs mit übereinstimmenden Bedeutungsgehalten und kongruenten Bezugsfeldern« (Kuhli 1991, 1119). Die Heilung des Gelähmten wird in einer Form erzählt, die sich an den typischen Elementen einer Wundererzählung orientiert (dazu Theißen 1998, 53-128). Sie ist also weitgehend gattungskonform. In der Einleitung betreten Petrus und Johannes, die Wundertäter, die Szenerie (Apg 3,1). Ein Kranker, von Helfern herbeigetragen, begegnet ihnen und es wird in der Exposition sein Krankheitsbild in Art und Dauer benannt: Er ist von Geburt an lahm (Apg 3,2). Der Gelähmte erbittet von den Aposteln Almosen und es schließen sich ein direkter Blickkontakt und ein Dialog an, der allerdings noch gänzlich bei der Almosenbitte des Kranken bleibt (Apg 3,3-6a). Aus dem Dialog baut sich über die Verneinung einer Gabe und die Zusage einer alternativen Hilfe geradezu ein Missverständnis, auf jeden Fall aber eine Spannung auf, da die Leserschaft nicht wissen kann, woran Petrus denkt: »Silber und Gold besitze ich nicht. Was ich aber habe, das gebe ich dir« (Apg 3,6a). Als Wundertäter ist Petrus bisher nicht aufgetreten, auch wenn das Summarium, das der Wundergeschichte unmittelbar vorausgeht (Apg 2,42-47), bereits von vielen Zeichen und Wundern der Apostel gesprochen hat. Die erst jetzt einsetzende Wunderhandlung enthält ein Wunder wirkendes Wort (Apg 3,6b), eine Heilungsgeste der Berührung (Apg 3,7a) und die unmittelbare Bestätigung des Heilerfolgs (Apg 3,7b-8). In Apg 3,6 ist unsicher, ob der Befehl ἔγειρε καί (egeire kai – steh auf und) zum ursprünglichen Text zählt. Er fehlt in den großen Majuskeln ‫א‬, B, D, wird allerdings in den Majuskeln A, C, E und vielen weiteren Textzeugen geboten. Möglicherweise ist die Aufforderung »steh auf und« in Anlehnung an ähnliche Befehlsworte wie Mk 2,9 par.; Joh 5,8 nachgetragen. Sachlich 135

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

steht der Befehl ἔγειρε καί (egeire kai – steh auf und, 3,6) jetzt in Spannung zu dem ἤγειρεν ἀυτόν (ēgeiren auton – er richtete ihn auf, 3,7). Die Erzählung schließt mit der Demonstration, dass die Wundertat von dem gesamten Volk konstatiert wird (Apg 3,9f.), und in Aufnahme des Eingangs der Geschichte wird erneut festgehalten, dass diese Heilung an dem Gelähmten, der vor der schönen Tür des Tempels um Almosen gebettelt hatte, vollzogen wurde (Apg 3,10). Das Wunder wirkende Wort »Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, (stehe auf und) geh umher« ist eine Variante der vielfach bezeugten Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen »im Namen Jesu« (Mt 7,22; Mk 9,38; 16,17; Lk 10,17; Apg 16,18; Jak 5,14). Das Aussprechen des Namens Jesu vergegenwärtigt die Kraft und Macht des Namensträgers (dazu Kollmann 1996, 350f.; grundsätzlich Ruck-Schröder 1999, 182-191). Mag die Bezeichnung Jesu als Ναζαρηνός (Nazarēnos – Nazarener) bzw. als Ναζωραῖος (Nazōraios – Nazoräer) ursprünglich auch ausschließlich der Identifikation der Person über seinen Herkunftsort gedient haben, so kommt dem Aussprechen eines fremdsprachigen, aramäischen Wortes in dem Wunder wirkenden Wort eine zusätzliche Bedeutung zu. Innerhalb der Formel »Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, (stehe auf und) geh umher« erfüllt »Nazoräer« für griechisch sprechende Christen die Funktion eines fremdsprachigen Zauberwortes (dazu Kollmann 1996, 232f.). In Apg 3,6 ist die Anrufung des Namens Jesu kombiniert worden mit einer Variation eines Krankenheilungswortes »steh auf und geh umher«, das sich formelhaft in den Evangelien und der Apostelgeschichte, vor allem dann häufig in den Apokryphen Apostelakten findet (Mk 2,9; 5,41; Apg 9,34.40; ActJoh 22; 83 u.ö.). Diese Wundergeschichte ist im weiteren Kontext bestens verankert. Bereits die Pfingstpredigt des Petrus hatte in Aufnahme von Joël 3,3LXX Zeichen (σημεῖα sēmeia) auf der Erde angekündigt (Apg 2,19). Von vielen Wundern und Zeichen der Apostel spricht Apg 2,43 im Summarium. Der Bericht von der Heilung des Gelähmten wird aufgenommen sowohl in der Rede des Petrus in der Halle Salomos (Apg 3,11-26; genauer 3,12.16) als auch in seiner Rede vor dem Synhedrion (Apg 4,1-22; genauer 4,7.9.10.14-22). Die Besprechung des Wunders im Synhedrion wertet den Fall natürlich extrem auf und verleiht ihm Öffentlichkeit und eine nachträgliche Bestätigung durch die oberste jüdische Behörde. Selbst in dem Gemeindegebet Apg 4,23-31 und in dem Summarium Apg 5,12-16 werden die Zeichen und Wunder der Apostel nochmals erwähnt. Unbeschadet dieser kontextuellen Verklammerung durch den Evangelisten wird diese Wundergeschichte im Kern älter sein und in die Gemeindeüberlieferung zurückreichen. Darauf deuten wenige Beobachtungen hin: a) Der Apostel Johannes, der Zebedaide, wirkt im Text wie nachgetragen. Johannes begleitet Petrus zwar zum Tempel (Apg 3,1.3), doch allein Petrus wirkt als Wundertäter. In Apg 3,4 wird Johannes in einen Satz eingefügt, der nur von den Taten und der Rede des Petrus handelt, und hierfür wie auch in V. 7 eine Verbform im Singular gebraucht. Auch an anderen Stellen (Lk 22,8; Apg 8,14) hat Lk den Apostel Johannes nachgetragen. b) Der Dialog zwischen Petrus und dem Gelähmten in Apg 3,3-6a rückt einen Gedanken ins Blickfeld, der für die Wundergeschichte absolut entbehrlich, im Blick auf die Apostel je136

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Entsetzen an der Schönen Pforte Apg 3,1-10

doch typisch lukanisch ist: die Besitzlosigkeit der Jünger und Apostel (vgl. Apg 2,45; 4,34; 20,33; bereits Lk 5,11.28; 10,4; 14,33). Zwar kollidiert dieser Gedanke hier mit dem Almosengebot (Lk 11,41; 12,33), vorrangig ist aber wohl die Besitzlosigkeit der Apostel. Dies bedeutet, dass es sich ursprünglich wohl um eine Wundergeschichte handelt, die nur oder zumindest vornehmlich mit Petrus als Wundertäter in Verbindung steht und die wegen der institutionellen (Konflikt mit dem Synhedrion) und lokalen (Schauplatz sind Jerusalem und der Tempel) Verankerung in die Jerusalemer Urgemeinde zurückreichen mag. Vor der eigentlichen Wundertat des Petrus findet ein Dialog zwischen dem Bettler und dem Apostel statt, dessen Zweck darin besteht, die Größe des Wunders hervorzuheben. Die Bitte um Almosen wird zunächst zurückgewiesen mit den Worten: »Silber und Gold besitze ich nicht«. Silber und Gold beziehen sich hier wie auch in Apg 20,33 auf geprägte Silber- und Goldmünzen und bedeuten daher Geld. Gemeint sind hochwertige Münzen, ohnehin also mehr als die üblichen Bronzemünzen, die ein Bettler erhoffen darf. Dass Petrus und Johannes völlig mittellos sind, entspricht durchaus der lukanischen Darstellung der Apostel seit den Berufungs- (Lk 5,11), Nachfolge- (Lk 12,33; 14,33; 18,28) und Aussendungsgeschichten (Lk 9,3; 10,4) im Evangelium. Die Darstellung der Gütergemeinschaft der Urgemeinde führt diesen Aspekt der Besitzlosigkeit der Nachfolgenden fort, wenn in Apg 2,45 und 4,34 betont wird, dass alle, die Besitz, Grundstücke oder Häuser besaßen, diese verkauften, um den Erlös der Gesamtgemeinde zur Verfügung zu stellen. Freilich entsteht dadurch aber auch eine leichte Spannung zur betonten Mittellosigkeit des Petrus in Apg 3,6, da nach Apg 4,45; 5,2 die Besitzenden den Erlös der Verkäufe an die Apostel übergeben. Ein Almosen an den Bettler wäre nach dem Grundsatz »man gab einem jedem, was er nötig hatte« (Apg 4,35; auch 2,45) durchaus möglich gewesen. Der Dialog verfolgt wohl eine doppelte Absicht: Zunächst wird die Handlung verlangsamt, indem sie die Begegnung zwischen Bettler und Apostel von dem Hauptgleis der Krankheit auf das Nebengleis der Besitzlosigkeit des Apostels führt. Daraus aber baut sich eine dramaturgisch geschickt inszenierte Spannung auf. Wenn der Apostel Silber und Gold nicht hat, dann kann das, was er als Alternativgabe anbietet, nicht viel sein, da Geldmittel aus der Perspektive des lahmen Bettlers wohl nicht zu überbieten sind. Erste Erwartungen werden also enttäuscht. Die Heilung stellt jedoch ein Geschenk dar, das in seinem Wert mit Silber und Gold nicht zu vergleichen ist und dennoch beides um ein Vielfaches übersteigt. Die Heilungsgeschichte kann im Anschluss an R. Pesch (2005, 134f.) in ihren vier Hauptteilen wie folgt untergliedert werden:

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Einleitung − Auftritt des Wundertäters und Begleiters (V. 1) − Auftritt des Kranken und Beschreibung seiner Krankheit (V. 2) Exposition − Begegnung Wundertäter und Kranker (V. 3a) − Bitte um Hilfe, aber nicht Bitte um Heilung (V. 3b) − Kontakt Wundertäter – Kranker (V. 4a) − Zuspruch des Wundertäters (V. 4b) − Missverständnis des Kranken (V. 5) Zentrum − Wunderheilung − Argumentation (V. 6a) − Heilwort (V. 6b) − Heilgestus (V. 7a) Schluss − Konstatierung der Heilung (V. 7b) − Demonstration der Heilung (V. 8-9) − Beglaubigung durch Zeugen (V. 10a.b) − Admiration der Zeugen (V. 10c)

Im Zentrum der Heilung stehen Heilwort und Heilgestus. Es ist streng genommen nicht der Apostel, der das Wunder wirkt. Vielmehr spricht er den Gelähmten im Namen Jesu des Nazoräers an und gebietet dem Kranken aufzustehen. Der Apostel ist so etwas wie der Mittler der Macht Jesu, die im Namen gegenwärtig ist. Der Namensbegriff ist das entscheidende Movens der Heilung des Lahmen vor dem Tempel (3,6); er wird als solches in der anschließenden Rede noch einmal hervorgehoben (3,16). Die Frage der Hohenpriester nach dem Namen, in welchem das Wunder getan wurde (4,7), gibt Petrus Gelegenheit, auf den Namen Jesu zu verweisen (4,10) und seine grundsätzliche Exklusivität in Sachen Rettung zu behaupten (4,12). Die Hohenpriester verbieten daraufhin den Gebrauch des Namens Jesu in Verkündigung und Lehre (4,17f; 5,28.40), woran sich die Apostel freilich nicht halten (4,30) (Ruck-Schröder 1999, 182).

Das Anfassen bei der rechten Hand mag ursprünglich eine Übertragung der Kraft des angerufenen Namens Jesu Christi durch den Apostel an den Gelähmten andeuten. Es ist auf jeden Fall mehr als eine Hilfestellung zum Aufrichten. Sofort, unmittelbar stellt sich der Heilungserfolg ein. Auf der rechten Hand liegt hier wohl keine Betonung. Heilgesten beziehen sich an anderen Stellen einfach auf die Hand (Mk 1,31; 5,41/Lk 8,54; Mk 9,27; Apg 9,41). Seitens des Gelähmten werden weder eine Heilungsbitte an den Apostel noch der Glaube erwähnt, der häufig in Wundergeschichten betont wird (Lk 5,20; 7,9.50; 8,48; 17,19; 18,42). Allerdings wird das Glaubensmotiv in der an das Wunder anschließenden Predigt des Petrus in der Halle Salomos in Apg 3,16 sozusagen nachgetragen. Ob damit der Verdacht, der Name 138

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Entsetzen an der Schönen Pforte Apg 3,1-10

Jesu heile auf magische Weise, ausgeschlossen werden soll? Auf jeden Fall werden Heilung im Namen Jesu und Glaube an diesen Namen zueinander in eine Relation gebracht. Wenn die Heilungsgeschichte in Apg 3,1-10 in ihrer traditionellen Substanz keinen Hinweis auf den Glauben des Gelähmten enthielt, dann wird dieser Zusammenhang also erst jetzt von Lukas eindeutig hergestellt. Dabei wird zweierlei betont: a) die Heilung geschah aus einem Zusammenwirken von Name Jesu Christi und Glaube an diesen Namen; b) der Glaube wiederum verdankt sich der Predigt des Namens Jesu Christi durch Petrus.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Wundergeschichte enthält einige lokale und sprachliche Eigenheiten, die vorab zu klären sind: Das Wunder wird genau lokalisiert (dazu ausführlich Küchler 2007, 197f.). Die von Lukas hier gebotene Beschreibung des Tempels gilt in der Literatur entweder als Beispiel dafür, dass Lukas keinerlei topographische Kenntnisse Jerusalems und des Tempels besaß oder dass er unser Wissen entscheidend bereichert. Petrus und Johannes gehen aus der Stadt hinauf in den Tempel. Der eigentliche Tempel, das Kultheiligtum, liegt auf einer großen, mit Säulenhallen umgebenen, deutlich höher gelegenen Plattform, die über verschiedene Treppen und Tore erreicht wird. Über diese Treppen und durch diese Tore strömen die Besucher zu den täglichen Gebetszeiten. Die »Tür des Tempels«, an der das Wunder geschieht, wird exakt benannt: Ὡραία (Hōraia), wörtlich zu übersetzen mit »die Schöne« (Apg 3,2). Es muss sich um ein heute nicht mehr genau zu verifizierendes prächtiges Zugangstor zum äußeren Tempelbereich gehandelt haben, allerdings nicht um das gleichfalls prächtige Nikanor-Tor (so u.a. Roloff 2010, 69), das zum inneren Tempelbereich führte. Da nur der äußere Tempelbereich auch Nicht-Juden zugänglich war, wird der Besucherstrom durch das Schöne Tor wesentlich höher gewesen sein als etwa am NikanorTor. Nach Max Küchler bieten sich für das Schöne Tor die Tore an der Westmauer oder eher noch an der Südmauer an, deren »Zweier-Tor und Dreier-Tor unglaublich prachtvoll ausgeschmückt waren« (Küchler 2007, 197; so bereits zuvor Ådna 1999, 80 Anm. 38). Nach der Heilung ereignet sich ein Volksauflauf in dem ebenfalls allen zugänglichen Tempelbereich in der »Halle Salomos« (Apg 3,11), einer Säulenhalle oder Kolonnade, die nach Josephus (Flav. Jos. Ant. 20,221; Flav. Jos. Bell. 5,185) den äußeren östlichen Tempelplatz abschloss und für Versammlungen geeignet war. Almosen ist ein deutsches Lehnwort aus dem griechischen Wort ἐλεημοσύνη (eleēmosynē), wörtlich übersetzt »Mitleid«, »Wohltat«, häufig dann auch die »Armengabe«, gerade in der Kombination mit den Verben »geben« oder »tun« (Mt 6,2f.; Lk 12,33; Apg 9,36; 10,2; 24,17 u.ö.). Almosen haben einen hohen Stellenwert in der zeitgenössischen jüdischen Ethik, sowohl als materielle Unterstützung für die Bedürftigen (Kranke, Witwen, Waisen) als auch als ein vor Gott verdienstvolles Werk für die Geber (Spr 11,4; Tob 4,11; Sir 32,5 u.a.). Da der Jerusalemer Tempel nicht 139

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allein zentrales jüdisches Kultheiligtum war, sondern gleichzeitig auch wegen seiner unvergleichlichen Pracht touristischer Anziehungspunkt und wegen seiner Funktion als eines zentralen Marktes ökonomisches Zentrum, bestand fraglos aufgrund dieser Frequenz vor den Eingangstoren des Tempelbereichs eine begründete Hoffnung auf den Empfang von Almosen. Um die Schwere der Krankheit und den Umfang der Heilung angemessen verstehen zu können, ist der Kontext der eigentlichen Wundergeschichte unbedingt heranzuziehen. Der Gelähmte ist nach Apg 4,22 zum Zeitpunkt der Heilung über 40 Jahre alt, nach antikem Denken ein alter Mensch. Die Angabe dieses Lebensalters verstärkt die Beschreibung der notvollen Situation des Gelähmten und ist an sich ein beliebtes Steigerungsmotiv in Heilungsgeschichten. Da dieser von Mutterleib an gelähmt ist (Apg 3,2), leidet er seit über vierzig Jahren und ist seitdem auf Hilfe, etwa durch Almosen, angewiesen. Als solcher ist er stadtbekannt, denn im Anschluss an das Wunder wird er vom Volk als derjenige erkannt, der »gewöhnlich« vor dem Schönen Tor des Tempels saß (Apg 3,10). Auch die Bewertung des Wunders durch das Synhedrion als offenkundiges Zeichen, das allen bekannt ist, die in Jerusalem wohnen, verstärkt diese breite Zeugenschaft des Wunders. Das Krankheitsbild ist nicht exakt zu bestimmen. Die Wendung »lahm von Mutterleib an«, die in genau dieser Formulierung auch in Apg 14,8 bei der Wundertat des Paulus begegnet, ist wohl im Anschluss an Formulierungen der LXX gewählt worden (vgl. zur Wendung »von Mutterleib an«: Hi 1,21; 38,8; Ps 21,11; 70,6; Weish 7,1; Jer 1,5 u.ö.). Als χωλός (chōlos) kann er entweder lahm, hinkend, verstümmelt oder auch einfach gebrechlich sein. Da Helfer ihn täglich tragen und zum Schönen Tor bringen, ist hier bei χωλός (chōlos) wohl an Gehunfähigkeit gedacht. Auch die Konstatierung der Heilung deutet in diese Richtung, da die Füße und Knöchel fest werden.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Einem seit über vierzig Jahren Gelähmten widerfährt eine Heilung und er kann laufen. Dieses Geschehen kann im Kontext des lukanischen Doppelwerks zunächst als eine weitere Erfüllung der Antwort Jesu an die Täuferjünger gelesen werden. Auf deren Frage hin, ob Jesus der Kommende sei, gibt er ihnen zur Antwort: »Geht hin und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet« (Lk 7,22). Diese Antwort Jesu hat sprachliche und sachliche Berührungspunkte mit seiner Antrittspredigt in Nazaret (Lk 4,18f.), die Erwähnung der Lahmen geht aber darüber hinaus. In der Jesusgeschichte hat sich in der Heilung des Gichtbrüchigen/Gelähmten (Lk 5,17-26) das Wunder »Lahme gehen« bereits erfüllt. In Apg 3,1-10 setzt sich diese Heilungstätigkeit durch das Wirken des Apostels fort. Der Katalog in Lk 7,22 greift zurück auf prophetische Heilsverheißungen, die das endzeitliche Heilshandeln Gottes an seinem Volk beschreiben: Jes 26,19; 29,18; 35,5f.; 42,7.18; 61,1; aber auch 4Q 521 2,2,4-13. Nach 140

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Jes 35,5f. werden die Lahmen dann springen wie ein Hirsch. Da Lähmung im alttestamentlichen Recht als ein Körperfehler und nicht als Krankheit angesehen wurde, galten lahme Männer als untauglich für den Priesterdienst (Lev 21,18-24). Das Wunder der Heilung schenkt daher nicht nur körperliche Gesundheit, sondern auch eine religiöse Aufwertung. In dem Gleichnis vom großen Festmahl wird die endzeitliche Mahlgesellschaft beschrieben (Lk 14,15-24). Nachdem alle Erstgeladenen abgesagt haben, ergehen zwei weitere Einladungen. Zunächst werden die Armen und die Krüppel, die Blinden und die Lahmen geladen (14,21), sodann in einer weiteren Einladung die Menschen von den Landstraßen und vor der Stadt (14,23). Die erstgenannte Ersatzgruppe ist bereits in der Einleitung zum Gleichnis (Lk 14,12-14) im Gegenüber zu Freunden, Brüdern, Verwandten und reichen Nachbarn genannt worden. In Lk 14,21 begegnet diese Gruppe erneut, allein Blinde und Lahme sind in anderer Reihenfolge genannt. Die Auslegung hat häufig eine heilsgeschichtliche Interpretation gesucht, in der die drei Gruppen der Geladenen im ersten Fall mit Israel, im letzten Fall mit den Heiden identifiziert wurden. Die mittlere Gruppe war in dieser Auslegung nicht klar bestimmt. Vermutlich aber haben die beiden Gruppen der Nachgeladenen in der Erzählung nur die Funktion, den Zorn des Gastgebers über das Ausschlagen der Einladung durch die Erstgeladenen zu illustrieren. Dann würde das Gleichnis nicht einer heilsgeschichtlichen Linienführung folgen, sondern den Ernst des Rufes Jesu und die Folgen einer Ablehnung illustrieren (Wolter 2008, 509). Gleichwohl deutet auch dieses Gleichnis an, dass die Gruppe der Armen und Krüppel, der Blinden und Lahmen eine besondere Zuwendung erwarten darf.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Im Kontext einer historisierenden Deutung von Apg 3,1-10 wird davon ausgegangen, dass die Erzählung im Kern auf einem tatsächlichen Geschehen beruht. Für Bernd Kollmann steht die Historizität der Wundertätigkeit des Petrus außer Frage (Kollmann 1996, 108f.). Die »lukanische Gestaltungstendenz gründet auf der nicht zu bezweifelnden Tatsache, dass die frühchristlichen Apostel und Missionare nach dem Vorbild Jesu Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen vollzogen haben« (a.a.O., 108). Da Petrus sich ausweislich der Notiz des Paulus (1 Kor 9,5) an den Aussendungsanordnungen Jesu orientiere (vgl. etwa Lk 10,9), sei »für die Petruswunder der Apostelgeschichte ein klarer historischer Haftpunkt gegeben« (ebd.). Auch falle auf, dass Petrus mit Wundern in Verbindung gebracht werde, nicht aber etwa der Herrenbruder Jakobus. Der Heilung des Gelähmten in Apg 3,1-10 dürfe »ein tatsächliches Geschehen zugrunde liegen« (a.a.O., 109). »Im Falle von Bewegungsstörungen stellt ein auf psychischer Einwirkung beruhender Heilungsprozess keine Seltenheit dar« (ebd.). Rudolf Pesch ist ebenfalls davon überzeugt, dass Apg 3,1-10 »wohl tatsächliches, wenn auch in gattungsgemäßer Form (und damit in womöglich gesteigerter Gestalt überliefertes) Geschehen« wiedergibt (Pesch 2005, 139f.). Das 141

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berichtete Geschehen sei lokal fest verankert und spiegle das Jerusalemer Milieu (Bettelei am Tempel) wider. Dass die frühen Christen »im Namen Jesu« heilten, sei ein breit belegter Sachverhalt. Die unterschiedlichen Versuche einer kerygmatischen Deutung von Apg 3,1-10 fragen dagegen nach der theologischen Kernaussage der Erzählung und richten den Fokus auf die unter der Oberfläche verborgene Glaubensbotschaft. Ernst Haenchen betrachtet die von Lukas vorgefundene Tradition als eine Geschichte, welche »die heilende Macht des Retters Jesus glaubenweckend schildert« (Haenchen 1977, 201). Für Jürgen Roloff macht die Erzählung implizit den Glauben des Petrus anschaulich, der durch die Nennung des Namens Jesu den Kranken der von Jesus ausgehenden Heilswirkung unterstellt. »Diese Vergegenwärtigung des Namens Jesu kann nur im Glauben geschehen, der auf eigenes Rechtbehaltenwollen verzichtet und alles auf die Gegenwart der Hilfe Gottes in Jesus stellt« (Roloff 2010, 69). Friedrich Avemarie hat die These vorgelegt, »dass sich in den vielerlei übernatürlichen Manifestationen und Zwischenfällen, von denen die Apostelgeschichte erzählt, im Grunde nichts anderes ereignet als eine Fortsetzung der Geschichte Jesu Christi unter veränderten Voraussetzungen, die durch seine Auferstehung und Erhöhung zur Rechten Gottes geschaffen sind« (Avemarie 2009, 543; im Original kursiv). Diese These bestätigt sich nach Avemarie auch in Apg 3,1-10. Während Jesus seine Wunder in eigener Kraft und Vollmacht vollbringt, vollzieht Petrus die Heilung im Namen Jesu Christi. Die Apostel verfügen folglich über ein abgeleitetes Wundercharisma. Insbesondere der Nachtrag in Apg 3,16, der die Relation von Wunder und Glaube einführt, »führt die Heilung offenbar auf ein Zusammenwirken des Namens Jesu mit dem Glauben des Gelähmten zurück« (a.a.O., 554). »Dass der Glaube hier so wichtig wird, während er in dem eigentlichen Heilungsbericht gar nicht erwähnt worden war, hängt zweifellos damit zusammen, dass diese Predigt nicht nur das Wunder erläutern, sondern ihr Publikum auch dazu bewegen will, die Macht des Namens Jesu anzuerkennen« (ebd.). Im Rahmen einer redaktionsgeschichtlichen Deutung des Wunders verweist Jürgen Becker auf die Parallelität, die Lukas zwischen Paulus und Petrus herstellt, und kommt zu dem Schluss: Sieht man sich die Parallelität beider Gestalten an, stellt sich gewiss der Eindruck hagiographischer Typik ein. So hat man sich also die großen Charismatiker der ersten Generation in nachapostolischer Zeit vorgestellt! Dieses im Phänomenbereich so einheitliche Bild des Lukas ist von ihm gezielt gezeichnet, aber nicht unbedingt Abbild des historischen Wirkens der beiden Apostel (Becker 2011, 121).

Becker verfolgt die parallele Darstellung beider Apostel, angefangen von der Berufung, über ihre Führung durch den Geist und durch Träume, in ihrer Predigttätigkeit vor Juden und Heiden, in der Gefangenschaftssituation u.a. Zu dieser parallelen Darstellung, die möglicherweise der antiken Konvention einer Doppelbiographie folge (vgl. etwa Plutarch), gehören auch Wunder und Heilungen (Apg 3,1-10; 5,1216; 14,3.8-10; 23,3-6), Exorzismen (5,16; 16,16-18), Auferweckungen Toter (9,32-43; 20,7-12), Strafwunder (5,1-11; 13,6-12), Befreiungen aus dem Gefängnis (5,17-25; 142

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12,1-19; 16,19-40) u.a. Auch das Bild der Wunder wirkenden Aura verbindet das Auftreten beider Apostel (5,15; 19,11f.). Mittels dieser Darstellung wertet Lukas Petrus im Vergleich mit Paulus auf, schreibt ihm aber gleichzeitig eine Rolle ausschließlich in der Anfangszeit der Kirche zu.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Zwischen der Heilung des Gelähmten am Schönen Tor (Apg 3,1-10) und der Heilung eines Gelähmten durch Paulus in Lystra (Apg 14,8-10) bestehen so viele Parallelen, dass nach dem Verhältnis beider Texte zueinander gefragt werden muss. Gerhard Schneider hat beide Texte und zusätzlich noch Lk 5,17-26 in einer Synopse dargestellt (Schneider 1980, 307f.). Bereits die Eingangssätze beider Wundergeschichten Apg 3,2 und Apg 14,8 sind völlig identisch: ein Mann, der von Mutterleib an lahm war. Die traditionsgeschichtliche Analyse fragt, ob Lukas Apg 14,8-10 auf der Grundlage von Apg 3,1-10 gebildet hat und diesen Text wiederum auf der Grundlage von Mk 2,1-12 par. (so Lüdemann 1987, 58f.; dagegen Schreiber 1996, 62-65). Es ist jedoch zu beobachten, dass Lukas durchaus an einer Parallelisierung der Apostel Petrus und Paulus sowohl in ihren Reden als auch bei Wundern interessiert ist und dass deren Parallelisierung wiederum in Kontinuität zur Darstellung der Reden und Wunder Jesu steht. Darin kommt ein heilsgeschichtliches Denken zum Ausdruck, dem an der Kontinuität der Zeit der Kirche zu der Zeit Jesu gelegen ist. Die Wundertätigkeit der Apostel, auch diejenige des Petrus, ist in der Theologie und Bibelwissenschaft des 20. Jh. entsprechend zur Wundertätigkeit Jesu ganz an den Rand getreten. Sie wurde teilweise sogar im Zeichen der Wort-Gottes-Theologie völlig ignoriert. Eine durchaus zutreffende Intention des Textes aufnehmend, die Wunderthematik damit aber ausblendend, schreibt Karl Barth zu Apg 3,4: »Sie ansehen, wie es Act. 3,4 gefordert wird, wird eben immer heißen müssen: Den ansehen, der sie gesandt hat!« (Barth 1960, 545). Der an sich ausgezeichnete Artikel zu Petrus von Erich Dinkler in der RGG3 aus dem Jahr 1961 geht auf die Wundertätigkeit des Petrus und damit auch auf Apg 3,1-10 gar nicht ein. Der wenige Jahre zuvor verfasste Klassiker zu Petrus von Oscar Cullmann aus dem Jahr 1952 erwähnt Apg 3,1-10 nur im Blick auf die verfassungsrechtliche Frage, ob auch Johannes neben Petrus eine autoritative Stellung in der Leitung der Urgemeinde gehabt habe (a.a.O., 33f.). Selbst in der Darstellung der Jerusalemer Urgemeinde durch Ludger Schenke wird die Petruslegende Apg 3,1-10 nur in Übersetzung vorgestellt, aber nicht ausgewertet (Schenke 1990). Weder in dem führenden katholischen Lexikon, dem LThK3 aus dem Jahr 1999, wird in dem Artikel über Petrus die Wundertätigkeit und damit Apg 3,1-10 erwähnt, noch in dem ansonsten recht umfassenden Werk zu Petrus von Joachim Gnilka (Gnilka 2002). Die Kommentare zur Apostelgeschichte von Gerhard Schneider (1980, 304-310) und Rudolf Pesch (2005, 141-148) gehen dagegen in umfangreichen Exkursen auf die Wundererzählungen der Apostelgeschichte und damit auch auf die Petruswunder ein. Beide Werke stehen im Kontext redaktions143

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geschichtlicher Auslegung des Neuen Testaments und fragen nicht zuletzt nach der Funktion der Wundererzählungen für die Theologie des Lukas. Friedrich Wilhelm Horn

Literatur zum Weiterlesen F. Avemarie, Acta Jesu Christi. Zum christologischen Sinn der Wundermotive in der Apostelgeschichte, in: J. Frey/C. K. Rothschild/J. Schröter (Hg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin/New York 2009, 539-562. C. Böttrich, Petrus. Fischer, Fels und Funktionär, BG 2, Leipzig 2001, bes. 173-183. B. Kollmann, Neutestamentliche Wundergeschichten. Biblisch-theologische Zugänge und Impulse für die Praxis, UB 477, Stuttgart 32011a, bes. 109-113. M. Küchler, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt, OLB IV/2, Göttingen 2007, bes. 133-141.194-205. J. Lambrecht, The Lame Man’s Trust or Peter’s Faith? (Acts 3,12-16), in: ders., Understanding What One Reads. New Testament Essays, ANL 46, Leuven 2003, 125-131. M. C. Parsons, The Character of the Lame Man in Acts 3-4, JBL 124 (2005), 295-312.

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Ein plötzlicher Tod als Warnung (Der Betrug des Hananias und der Sapphira) Apg 5,1-11 (5,1) (2)

Ein Mann aber, Hananias mit Namen, mit Sapphira, seiner Frau, verkaufte Besitz und schaffte von dem Erlös etwas für sich beiseite, und die Frau war Mitwisserin,

und er brachte einen Teil und legte ihn vor die Füße der Apostel. (3) Es sprach aber Petrus: »Hananias, weshalb erfüllte der Satan dein Herz, dass du belogst den Heiligen Geist und für dich von dem Erlös des Grundstücks etwas bei seite schafftest? (4) Bleibend verblieb es dir nicht, und verkauft stand es nicht in deiner Vollmacht? Weswegen setztest du in deinem Herzen diese Tat? Nicht belogst du Menschen, sondern Gott.« (5)

Hananias hörte diese Worte, fiel zu Boden und hauchte sein Leben aus,

(6)

und es entstand große Furcht bei allen, die es hörten. Die jungen Männer standen auf, verhüllten ihn,



trugen ihn hinaus und begruben ihn.

(7)

Es war nun etwa drei Stunden Zwischenzeit, und seine Frau, die um das Geschehene nicht wusste, kam herein.

(8) Es sprach zu ihr Petrus: »Sag mir, ob ihr für soviel das Grundstück abgabt?« Die sprach: »Ja, für soviel.« (9) Petrus nun zu ihr: »Weswegen seid ihr übereingekommen, den 145

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Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begruben, stehen vor der Tür und werden dich hinaustragen.«

(10) Sie fiel auf der Stelle zu Boden zu seinen Füßen und hauchte ihr Leben aus;

die jungen Männer kamen herein und fanden sie tot.

(11)

Und sie trugen sie hinaus Und begruben sie bei ihrem Mann, und es entstand große Furcht bei der ganzen Gemeinde und bei allen, die dieses hörten.

Sprachlich-narratologische Analyse Zehn Ereignisse (Sequenzen) bauen die Geschichte von einem doppelten Wunderzeichen Gottes auf: V. 1-6 (Ereignisse 1-5) schildern den plötzlichen Tod von Hananias, V. 7-11 (Ereignisse 6-10) parallel dazu den Tod seiner Ehefrau Sapphira. Ereignis 1 (V. 1f.) stellt den Fall vor, der unmittelbar an den zweiten Sammelbericht von der Gütergemeinschaft anschließt (Apg 4,32-37). Das Ehepaar Hananias und Sapphira beteiligt sich an der Gütergemeinschaft und verkauft von seinem Besitz etwas. Nach der Aussage des vorhergehenden Verses vom Ackerverkauf des Barnabas (Apg 4,37) und der späteren Petrusfragen (V. 3.8) muss es sich um ein Grundstück handeln. Das Ehepaar teilt heimlich den Erlös auf und legt nur einen Teil als Spende vor den apostolischen Zwölferkreis, der aber den gesamten Erlös als Beitrag erwartet. Der Handlungsteil der gesamten Erzählung ist im Aorist gehalten. Es handelt sich hier um einen einmaligen Fall aus der Ursprungszeit der Jerusalemer Urgemeinde. Ereignis 2 (V. 3f.) bringt das Verhör des Mannes in der Form von drei Fragen und einer Feststellung. Er ist der hauptverantwortliche Täter. Petrus führt als Leiter der Urgemeinde das Verhör durch. Er setzt mit einer Frage ein, in der bereits der Sachverhalt zutreffend dargestellt ist. Petrus vermag, mit dem Heiligen Geist in prophetischer Weise die Menschen zu durchschauen, wie auch der irdische Jesus seine Umgebung »wahr« einzuschätzen wusste (Lk 5,17-26 u.ö.). Allerdings bleibt die Frage selbst unbeantwortbar und stellt einen indirekten Vorwurf dar: »Weshalb erfüllte der Satan dein Herz?« (vgl. Lk 8,12). Zum Festhalten des Eigentums gesellt sich bei dem Ehepaar das persönlich verantwortbare Belügen des Heiligen Geistes. Die zweite Frage betont als Rechtssatz noch einmal die Freiwilligkeit von Verkauf und Spende. Nur hier steht das Imperfekt. Das Verbleiben des Eigentums oder seines 146

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Ein plötzlicher Tod als Warnung Apg 5,1-11

Verkaufserlöses beim Ehepaar hätte unverändert andauern können, und dann hätten die Eheleute mit Vollmacht keinen oder nur einen geringen Beitrag zur Armenkasse leisten können. Die dritte Frage wiederholt die erste Frage und ersetzt Satan durch das personale Du. Der Mensch ist nicht willenloses Werkzeug Satans, sondern behält über sich die Entscheidungsgewalt. Er kann in seinem Herzen die Herrschaft des Geistes verlassen und mit Satan das Böse wollen, er kann aber auch widerstehen. Die abschließende Feststellung wiederholt die Erklärung vom Anfang, dass mit der Lüge Gott selbst getroffen ist. Ereignis 3 (V. 5) steht im Mittelpunkt. Überraschend tritt der Tod des Übeltäters Hananias ein. Dieser hört die anklagenden Fragen und Feststellungen und haucht (ἐξέψυξεν exepsyxen) wie Herodes Agrippa (Apg 12,23) sein schuldbeladenes Leben aus. Ob Hananias beim »Hören« die Tat bereut hat, muss der Leser selbst entscheiden. Hananias hatte beim Hören und Fallen Gelegenheit zur Umkehr. Ereignis 4 (V. 5c.6a) erzählt die Wirkung (Pragmatik) dieses Vorfalls auf die Teilnehmer am Verhör. Die Furcht ist die übliche Reaktion auf ein Offenbarungshandeln Gottes. Da Gott hier einen plötzlichen Tod als Strafe gesetzt hat, verharrt die anwesende Gemeinde mit Petrus und den anderen Aposteln in Passivität aus Ehrfurcht vor der göttlichen Machttat. Normalerweise waschen die Angehörigen den Verstorbenen und hüllen ihn in ein Leichentuch (Lk 23,50-56). Doch Sapphira ist noch nicht anwesend. So fühlt sich die Gemeinde verantwortlich für die rituelle Bestattung. Die jungen Männer werden aktiv und übernehmen die Pflicht zum Begräbnisritual. Ereignis 5 (V. 6b) schließt ab: Die jungen Männer tragen Hananias auf einer Bahre hinaus (vgl. Lk 7,11-17) und beerdigen ihn am selben Tag außerhalb der Stadt. Erst hier wird für den Leser erkennbar, dass sich die Gemeinde in einem eigenen Raum aufhält, zu dem nur ihre Mitglieder Zugang haben, aus dem sie aber auch ausgeschlossen werden können (Marguerat 2011, 253). Ereignis 6 (V. 7) leitet die Verdoppelung ein. Die Ehefrau kommt drei Stunden später; die Gemeinde trifft sich ja jeden Tag (Apg 2,46). Sapphira hat das Wissen um die heimliche Teilung des Kauferlöses, aber nicht das Wissen um den plötzlichen Tod ihres Mannes. Ob mit der Eile von drei Stunden die Reinheit der Gemeinde ganz schnell wiederhergestellt werden soll (Apg 5,6.10; Jervell 1998, 197-199), bleibt eine mögliche Assoziation an die Forderungen von Deuteronomium, das »Böse« aus Israel wegzuschaffen (Dtn 13,6). Mit der Angabe der drei Stunden wird jedenfalls der Zeitrahmen für die Szene geschaffen. Es hat eine dreistündige Versammlung stattgefunden. Ereignis 7 (V. 8f.) bringt darin eine Abweichung zu V. 3, dass Petrus und Sapphira ein zweiteiliges Verhörgespräch führen, das mit einer Unheilsprophetie endet. Im Unterschied zu ihrem Ehemann gibt Petrus Sapphira eine Chance zum Bekennen der Wahrheit (Pesch 2005, 199-201; gegen Haenchen 1977, 233-235; Schneider 1980, 375-377). Petrus war wie die gesamte Gemeinde vom plötzlichen Tod des Ehemannes überrascht und in Furcht versetzt worden. Doch außer ihm wagt es niemand, mit Sapphira zu reden. Die zwei Sammelberichte von der Einmütigkeit der 147

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Gemeinde und den Wunderheilungen der Apostel, die die Erzählung einrahmen (Apg 4,32-37; 5,12-16), sind außer Kraft gesetzt. Petrus darf Hananias nicht auferwecken (gegen Apg 9,36-43; 20,7-12). Petrus hält Sapphira den Täuschungsversuch vor. Sapphira kann von ihm abrücken und die richtige Verkaufssumme nennen. Leider beharrt Sapphira auf der Täuschung und greift ebenfalls zur Lüge. Nun muss Petrus auch ihr vorhalten, dass sie zusammen mit ihrem Mann vereinbart hat, den Heiligen Geist mit allen Mitteln zu täuschen, und muss ihr das unmittelbar bevorstehende Begräbnis ankündigen. In Ereignis 8 (V. 10a) bildet der Tod parallel zu V. 5 wieder den Mittelpunkt. Sapphira fällt vor Petrus wie ihr Ehemann zu Boden und haucht wie er ihr Leben aus. Der Fußfall kann als stummer Ausdruck der Erkenntnis und der Bitte um die Fürbitte der Gemeinde gedeutet werden. Sapphira steht nach dem jesuanischen (Lk 16,18) und kaiserzeitlichen Eheideal in »gefühlsmäßiger Übereinstimmung« (συμφωνέω symphōneō, V. 9) mit ihrem Ehemann, insbesondere bei der hybriden Verschwörung gegen den Heiligen Geist (Marguerat 2011, 261-263). Im Ereignis 9 (V. 10b) sind im Unterschied zu V. 6 die jungen Männer abwesend, weil sie Hananias begraben. Bei der Rückkehr finden sie Sapphira tot vor. Ereignis 10 (V. 10cf.) beendet die Doppelerzählung. Sapphira findet ein Begräbnis wie ihr Mann. Die Reaktion der Gemeinde mit Furcht wirkt wie ein Chorschluss (Roloff 2010, 95). Hananias und Sapphira werden zu einem Identifikationsmodell, das vor Betrug und Lüge warnt, sowie zu Umkehr, Wachsamkeit und standhaftem Glauben an den Heiligen Geist aufruft. Es schließt sich ein Sammelbericht von den Wunderheilungen der Apostel für das umkehrbereite Volk an. Von ähnlichen Vorzeichen wie dem plötzlichen Tod von Hananias und Sapphira redete Jesus im ersten Buch seines Doppelwerks (Lk 13,1-5): Der Einsturz eines Turmes am Siloah-Teich in Jerusalem wird von der Bevölkerung als strafende Machttat Gottes gedeutet. Jesus widerspricht dieser Deutung nicht, gibt ihr aber einen neuen Sinn: »Oder jene achtzehn, auf die der Turm am Siloah(teich) fiel und sie tötete, meint ihr, dass sie Schuldner waren, mehr als alle Menschen, die Jerusalem bewohnen? Nein, im Gegenteil, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle ebenso zugrundegehen« (Lk 13,4f.). Die Machttat Gottes trifft nicht nur große Sünder, sondern kann auch weniger Schuldige und damit jeden treffen. Sie wird von Gott als Appell für alle zugelassen, auf den Untergang dieser Welt vorbereitet zu sein und schon jetzt umzukehren (vgl. Bovon 1996, 377-379). Auch das einleitende, anders strukturierte Vorzeichen erfährt eine neue Deutung: »Zu der Zeit waren nun einige anwesend und berichteten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit ihren Opfern mischte. Und er antwortete und sprach zu ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer Sünder waren, mehr als alle Galiläer, weil sie dieses erlitten haben? Nein, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle gleicherweise zugrundegehen« (Lk 13,1-3). Bei der Ermordung von Galiläern beim Opfern im Tempelbezirk handelt es sich um ein Verbrechen des damaligen römischen Präfekten Pilatus. Es wird allerdings von den außerbiblischen Quellen nicht belegt. Gott hat es nicht verhindert, aber nicht deshalb, weil diese Galiläer große Sünder waren, sondern weil alle Menschen, auch die Jerusalemer, Sünder sind und der Mahnung zur Umkehr bedürfen. Daher rettet Gott nicht die unschuldigen und zugleich sündigen Galiläer durch eine Machttat im Unterschied zu rettenden Machttaten im Alten Testament (Ex 13,17-14,31; 2 Makk 11,8-12). Politischer Mord entsteht aufgrund der Sündhaftigkeit des Menschen. Nur bei Gott ist der Glaubende endgültig geborgen.

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Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Idee der Gütergemeinschaft ist nicht biblischen Ursprungs, sondern stammt aus dem Hellenismus. Allerdings ist sie auch dort kein Modell für hellenistische Städte. In diesen regiert die Euergesia (εὐεργεσία – Wohltätigkeit). Wohlhabende übernehmen Aufgaben der Stadt, eines Tempels, eines Vereins und finanzieren Einzelvorhaben; sie veräußern ihren Besitz aber nicht vollständig. Die Idee der Gütergemeinschaft begegnet uns bei Pythagoras, und Platon hat sie in das ideale Bild seines Staates aufgenommen. In der neupythagoräischen Schule wird besonders durch Philostrat in seiner romanhaften Vita des Apollonius von Tyana dieses alte Ideal der vollendeten Gemeinschaft erneuert. Aus dem Hellenismus ist das Ideal der Gütergemeinschaft in das Judentum eingedrungen. Das zeigen die begeisterten Ausführungen des Josephus über die Essener. Verwirklichte Gütergemeinschaft trifft man tatsächlich in der Sekte von Qumran an (Zimmermann 1967, 256).

Josephus führt zu den Essenern aus: Sie sind Verächter des Reichtums, und bewundernswert ist bei ihnen der Gemeinschaftssinn; es ist auch unter ihnen niemand zu finden, der an Besitz hervorrage; denn es ist Gesetz, dass die in die Sekte Eintretenden ihr Vermögen dem Orden übereignen, sodass bei ihnen insgesamt weder die Niedrigkeit der Armut noch ein Vorrang des Reichtums in Erscheinung tritt, sondern nach Zusammenlegung des Besitzes der Einzelnen nur ein Vermögen für alle als Brüder vorhanden ist. […] Nichts aber kaufen oder verkaufen sie untereinander, sondern dem, der Bedarf hat, gibt jeder seinen Besitz und empfängt umgekehrt von jenem das, was er brauchen kann; ja auch ohne Gegenleistung ist die Entnahme von Gütern, bei wem man will, unverwehrt (Flav. Jos. Bell. 2,122.127; Übers. Michel/Bauernfeind 1959, 205.207; vgl. noch Philo prob. 85-87).

Bei Jamblichos heißt es zu den Pythagoräern: Ursprung der Gerechtigkeit ist nun Gemeinschaft, gleiches Recht und eine Verbundenheit, in der alle ganz wie ein einziger Leib und eine einzige Seele dasselbe empfinden und mein und dein gleich bezeichnen, wie Platon, der es von den Pythagoräern erfahren hat, bezeugt. Dies hat nun Pythagoras am besten von allen Menschen ins Werk gesetzt, indem er aus der Wesensart seiner Jünger die Bindung an Privateigentum völlig verbannte und dafür den Sinn für das Gemeinsame verstärkte. Er ging dabei bis zu den geringfügigsten Besitztümern, da sie Zwietracht und Verwirrung stiften könnten. Gemeinsam gehörte allen alles ohne Unterschied, privat besaß keiner etwas; fand einer an der Gemeinschaft Gefallen, so gebrauchte er die gemeinsamen Güter aufs Gerechteste, andernfalls nahm er seine eigene Habe und noch mehr, als er zum gemeinsamen Besitz beigesteuert hatte, und ging von dannen. So stellte Pythagoras die Gerechtigkeit von ihrem allerersten Ursprung aus auf festen Grund (Iamb. vit. Pyth. 167f.; Übers. Albrecht 2002, 145).

Ist Petrus ein neuer, archaischer Pythagoras? Stellt die Jerusalemer Urgemeinde einen hellenistischen idealen Staat dar, der in die Ursprungszeit zurückdatiert wird (Weiser 1989, 104; Zimmermann 1967, 256f.; kritisch Wendel 1998, 125-133)? Wollen Pythagoras und Platon tatsächlich eine »Gütergemeinschaft« oder geht es nur um die Realisierung des hellenistischen Freundschaftsideals? Der Freund darf 149

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selbstverständlich allen Besitz nutznießen, die Eigentumsverhältnisse bleiben aber unangetastet. Petrus ist kein neuer Pythagoras. Qumran bildet auch nur eine entfernte Parallele, da dort anders als in der Urgemeinde alle Immobilien der Gemeinschaft unterstellt werden; ihr Verkauf an Außenstehende ist außerdem in Qumran untersagt und wird mit einjähriger Rückversetzung in den Stand des Novizen bestraft (1QS 6,24f.). Eine nähere Parallele bildet der Status des Novizen in Qumran. Nach der Gemeinderegel gibt dieser zwar sein Vermögen ab, behält aber bis zur endgültigen Aufnahme die Verfügungsgewalt darüber (1QS 4,13-25; Capper 1986). Allerdings spricht gegen eine Abhängigkeit von dieser Regelung, dass in der lukanischen Urgemeinde nicht alle Besitztümer auf die Gemeinde übertragen werden müssen. Der Verkauf von Gütern bleibt eine Ausnahme, sowohl in den hellenistischen Ideal-Gemeinschaften als auch in der Apostelgeschichte. In Qumran ist er verboten. In der hellenistischen Stadtgesellschaft ist Landeigentum nur ein Erwerbsfaktor neben vielen anderen. Vorrang haben Geld und Warentausch. Daher wird für jeden Verein eine Gemeinschaftskasse aus unterschiedlichen Einnahmequellen eingerichtet; auch die frühjüdische Synagogengemeinde kennt die Armenkasse (Billerbeck 1928, 536-558). Die christlichen Gemeinden in den hellenistischen Städten haben genügend wohlhabende Mitglieder, die auch ohne Verkauf von Grundstücken für Arme sorgen und sogar eine Spende für Jerusalem organisieren können (Apg 11,2730). Diese Spende entspricht den Spendenaufrufen der protopaulinischen Briefe (2 Kor 8-9). Nur die Urgemeinde in Jerusalem ist so arm, dass ein Verkauf notwendig wird. Da diese Situation an den Gründungsanfang gerückt wird, wird für eine ungewöhnliche Notlage eine ungewöhnliche Lösung in die Gründungsurkunde mit aufgenommen. Wenn das System der Euergesia versagt, muss zum äußersten Mittel, zum Verkauf von verzichtbarem Grund und Boden gegriffen werden. Barnabas verkauft einen Acker (Apg 4,34f.; Kollmann 1998, 21f.). Das Wohnen in eigenen Häusern mit eigenem Grundbesitz hingegen bleibt eine Notwendigkeit, z.B. für Maria, die Mutter des Johannes Markus (Apg 12,12). Die zusätzlich Land Besitzenden werden angesprochen, nicht die Armen; der implizite Leser dieser Wundergeschichte gehört wie Theophilos zu den Besitzenden (Apg 1,1). Aus Gründen der politischen Unauffälligkeit unterbleibt in der Urgemeinde die Errichtung einer anzeigepflichtigen Vereinskasse. Die Gütergemeinschaft ist nicht eine Rechtsform wie die Institution in Qumran, sondern bleibt eine ideale Gesinnung mit konkreten ökonomischen Maßnahmen. Eine Wohltätigkeit muss auf jeden Fall eingerichtet werden, sei es durch den Verkauf von Grundstücken, sei es durch Spenden. Die ökonomische, soziale und theologische Gleichheit ist außerdem mit weiteren außerökonomischen Mitteln zu vertiefen.

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Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Der Auszug aus Ägypten führte notwendigerweise zum Verlust des Grundbesitzes. Der Geber des neuen Landes Kanaan war JHWH. Er blieb nach der Landnahme und Landaufteilung weiterhin der Eigentümer. So verlangte er, dass im Jobeljahr, dem 49. oder 50. Jahr, die ursprünglichen Bodenbesitzverhältnisse wiederhergestellt werden sollen (Lev 25,8-22); denn er schützt als Eigentümer den Grundbesitz des Armen (Lev 25,23-28). Beim Neuanfang in Kanaan hatte JHWH allen Stammesmitgliedern mit Ausnahme des Priester-Stammes Levi (Jos 13,14) gleichen Anteil an Land gegeben (Jos 13,1-22,34). Schuldverschreibungen auf Landeigentum verfielen im Sabbatjahr (Dtn 15,1-11; Lev 25,5). Die Differenzierung in Arme und Reiche während der Königszeit verletzt den auf Gleichheit ausgerichteten Willen JHWHs. Der Verkauf von Grundstücken stellt die Gleichheit in Israel bei Exodus und Landnahme wieder her. Die Gütergemeinschaft folgt diesem Vorbild (Apg 2,42-47; 4,32-37). Eine Veruntreuung des Gott gehörenden Banngutes wird mehrfach berichtet. Achan wird dafür gesteinigt (Jos 7,1-26), Saul wird das Königtum vom Herrn weggenommen und David gegeben (1 Sam 15,1-35; 16,1-16). Auch die keltischen Vakkäer verbieten aufgrund ihres Agrar-Kollektivismus Grundbesitzern das Beiseiteschaffen von den für Gemeingut erklärten Früchten mit der Todesstrafe (Diod. Sic. 5,34,3). Lüge (Apg 5,4.8f.) gehört als falsche Aussage gegen deinen Nächsten zum Katalog der Zehn Gebote (Ex 20,16; Dtn 5,20). Als Unaufrichtigkeit belastet sie auch das Verhältnis zu Gott (Hos 7,13f. u.ö.). Korach und seine Anhänger verbreiten lügenhaft, dass Gott die Vorrangstellung von Mose und Aaron vor dem Volk nicht will (Num 16,1-4). Gott beendet diesen Aufstand mit einer Machttat. Eine Erdspalte verschlingt Korach mit seiner Sippe, und ein Feuer vernichtet seine Anhänger (Num 16,31-35). Lügen mit falschen Eiden galt auch in der griechisch-römischen Welt als schwerer Frevel, der von der beleidigten Gottheit durch das Gottesgericht geahndet werden konnte (Eurip. Hipp. 612; Harrill 2011). Das gemeinsame Täuschungsmanöver des Ehepaares Hananias und Sapphira erinnert außerdem an die Stammeltern Adam und Eva und deren Ursünde, Gottes Gebot zu übertreten (Marguerat 2011, 260-263). Der Totenkult muss wie bei der Bestattung Jesu beachtet werden (Lk 23,5056). Die Gräber von Jerusalem befanden sich wie in Ägypten und in der griechischrömischen Kultur außerhalb der Stadt. Der Tod erzeugt Unreinheit. Der unreine Tote muss noch am selben Tag aus der Welt der Lebenden in die unbewohnte Welt gebracht werden. Über die Traditionsgeschichte besteht insoweit weitgehender Konsens, dass diese Machttat-Erzählung keine lukanische Erfindung ist (anders Schmithals 1982, 56). E. Haenchen hält V. 4 für lukanische Redaktion, weil die Betonung der Freiwilligkeit in Spannung zur ursprünglichen Verpflichtung der Abgabe allen Besitzes steht (Apg 4,32.34; Haenchen 1977, 232f.; Schneider 1980, 375). A. Weiser konstruiert noch radikaler eine Grundgestalt aus 5,1.2b.8.3a.4a.5a.6.5b (Weiser 1989, 143). R. Pesch hingegen bestreitet die Uneinheitlichkeit der Geschichte; er hält sie insgesamt 151

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für eine spannungsfreie traditionelle Erzählung (Pesch 2005, 196). Es liegt nach ihm ein Strafwunder vor (ähnlich Weiser 1989, 139f.). Doch stellen die Worte von Petrus wirklich Strafworte dar (so Haenchen 1977, 232-234)? R. Pesch räumt dagegen ein: »Wesentlich ist, daß Petrus kein eigentliches Straf- und Fluchwort ausspricht, sondern nur eine Schuldfeststellung. Die sogenannte ›Strafe‹ erscheint im Horizont biblischen Denkens als Tat-Folge, die der Täter sich selbst zuzieht« (Pesch 2005, 197). Vorsichtiger äußert sich daher Theißen zur Gattungsfrage des Traditionsbestandes. Es liegt ein für das Neue Testament singuläres bestrafendes Normenwunder an Personen mit Nähe zum Gottesurteil vor (Theißen 1998, 117; Zmijewski 1994, 239). Seit H. Conzelmann wird das Gottesurteil deutlich gesehen (Conzelmann 1972, 45; Schneider 1980, 370). Im Unterschied zum Strafwunder, zu dem ein Wundertäter wie Paulus Gott veranlassen kann (Apg 13,4-13), liegt hier eine unvorhergesehene und nicht erbetene göttliche Machttat im alttestamentlichen Stil vor (Lk 13,4f.). Insgesamt zeigt die gesamte Erzählung lukanischen Stil. Die Tradition lässt sich nicht im Wortlaut, wohl aber mit Motiven von alttestamentlichen strafenden Machttaten Gottes und der Erinnerung an die nachösterlichen Anfänge der Jerusalemer Gemeinde umrisshaft rekonstruieren. Die narrativen Ereignisse (Sequenzen 1-10) waren Lukas mündlich oder schriftlich vorgegeben worden, in der Gestaltung der Worte hatte er große Freiheit (Jervell 1998, 163f.; Marguerat 2011, 241f.).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Historische Deutung: Es besteht ein weitgehender Konsens, der Erzählung aufgrund der Eigennamen und der Ortsangabe einen historischen Kern zuzuweisen, während nach H. Conzelmann kein historischer Kern zu gewinnen ist (Conzelmann 1972, 39; Schmithals 1982, 56). B. Reicke hält sogar den ganzen Bericht für historisch. Er erwägt: »Psychologisch dürfte man es nicht für unwahrscheinlich halten, dass Ananias und Sapphira tatsächlich wegen der Strenge der Rede und des Anathemas des Petrus gestorben sind« und wegen der öffentlichen Schande (Reicke 1957, 89). E. Haenchen wendet sich zwar gegen diese psychologisierende Erklärung, lässt aber mit existentialer Hermeneutik gelten, »daß ein geisterfüllter Christ einen Sünder durchschauen kann (vgl. 1 Kor 14,24f.) und daß ein so überführter Betrüger unter der Enthüllung seiner Schuld einfach zusammenbricht« (Haenchen 1977, 236f.; vorsichtig Schneider 1980, 372). Nach Weiser hingegen lassen sich die näheren Umstände nicht mehr erkennen; es könnte sich bei dem Sterben von Hananias um einen Unglücksfall handeln, der früh auf ein strafendes Eingreifen der Gottheit zurückgeführt wurde (Weiser 1989, 148). R. Pesch hält wiederum an einem deutlichen historischen Kern fest, deutet ihn aber nicht psychologisch oder existential (Enthüllung der Schuld), sondern ekklesiologisch als berichtende Erzählung von dem vielleicht außergewöhnlichen, weil vorzeitigen, nach dem Ausscheiden aus der Gemeinde womöglich rasch erfolgten, als Strafe interpretierten Tod eines Ehepaars, deren ›gespaltene‹ Herzen unter dem Druck der Überführung durch die Wahrheit (des von

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ihnen geheuchelten Anspruchs) zerbrachen; daher ist das Geschick des Ehepaares die Folge seiner Tat, und mit Tod ist der TOD des Glaubens oder der biologische Tod (und damit beide Sinne von Tod) gemeint (Pesch 2005, 203).

Es wird die Doppelkodierung der Machttat Gottes als somatisches und metaphorisches Ereignis deutlich. Der Tod als Isolierung von der Gemeinde führt zum biologischen Tod. Für ein Ausscheiden des Ehepaares aus der Gemeinde gibt es allerdings keine Anhaltspunkte im Text, wohl aber für ihre Isolierung. Niemand hilft ihnen bei der Befragung mit Rat und Verteidigung, die sonst in griechischen Vereinskonflikten üblich sind (Apg 6,1-7). Religionsgeschichtlich-existentiale Deutung: Nach H. Conzelmann kennt Petrus, der nachösterlich zum Wundermann und Theios Aner wird, das Verborgene des Herzens […]. Der Geist ist hier nicht die allgemeine Begabung der Gläubigen, sondern metaphysische, sich entladene Potenz. Apostel und Gemeinde sind deren Exponenten […]. Der Gedanke an eine Buße und Vergebung liegt fern. Die Geschichte ist aus einem kollektivistischen Gruppen- und magischen Machtgedanken entworfen (Conzelmann 1972, 45).

Der göttliche Wundermann Petrus verbreitet die Aura des Faszinierens und Erschreckens. In den Heilwundern fasziniert er (Apg 3,1-10; 9,32-43), hier erzeugt er mit dem Gottesurteil Furcht (Apg 5,5). Die Wunder sind Exponate der numinosen Macht des Petrus. Sie fordern weder Umkehr noch ermöglichen sie einen Neuanfang, sondern bestätigen den Glauben an die numinose Macht der Apostel. E. Haenchen macht das Gottesurteil noch deutlicher zum Instrument des Petrus: »Er will töten und es gelingt ihm«, und zwar mit Hilfe des Strafgerichts Gottes; der Tod des Ehepaares wird zusätzlich existential interpretiert als Zusammenbrechen unter der Schuld (Haenchen 1977, 234-237). O. Stählin geht so weit, Petrus die permanente Vollmacht zuzuerkennen, »eine vernichtende Gottesstrafe zu verhängen«, das Verbrecher-Paar wird außerhalb der Gemeinde in einer Grabstätte für Verbrecher beerdigt (Stählin 1978, 84f.). Über die Grabstätte und über weitere von Petrus bewirkte vernichtende Gottesstrafen schweigt aber die Apostelgeschichte. Die religionsgeschichtliche Deutung vom göttlichen Wundertäter, vom Theios Aner, lässt sich heute nicht mehr in dieser Weise halten (vgl. dazu Dormeyer, Weltbild in Bd. 1 des Kompendiums). Petrus ist kein Heilgott in menschlicher Gestalt wie Asklepios, sondern eine geschichtliche Person mit göttlicher Vollmacht zur Wundertätigkeit. Wie bei Jesus im ersten Buch hängt der Erfolg der Wunder vom Vertrauensglauben der Bittsteller oder Übeltäter an den Wundertäter oder Bevollmächtigten innerhalb einer geschichtlichen Situation ab. Dann aber muss die Machttat Gottes an Hananias und Sapphira umfassender innerhalb der Interaktionen aller Beteiligten an diesem Geschehen interpretiert werden. Symbolisch-geschichtstheologische Deutung: Es geht um die Erschließung der Plausibilität der gesamten Geschichte. Sie hätte sich so ereignen können, ohne dass die einzelnen Fakten des Erzählten bewiesen werden müssen. Die historische Deutung bemüht sich um den objektiven Nachweis einiger grundlegender Fakten 153

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und ergänzt so die synchrone, faktuale Deutung. Die Bereitschaft der Gemeinde, Grundstücke zur Bildung einer Armenfürsorge zu verkaufen, wie es vorbildlich Barnabas gemacht hat (Apg 4,37; Öhler 2003, 87-138), erfüllt die Verheißungen der Endzeit (Apg 5,1f.). Wenn in der Urgemeinde die Wohlhabenden Geld den Aposteln geben und die Armen Geld erhalten, wird die Vermögensgleichheit des Exodus wiederhergestellt. Mit Zwölferkreis, Geisterfüllung und Aufhebung der Not wird die soziale Gleichheit Israels wiederhergestellt. Doch gleichzeitig erzeugt die Verpflichtung zu dieser Wiederherstellung sozialen Druck. Hananias und Sapphira wollen sich zwar beteiligen, fühlen sich aber zu schwach, vor den Aposteln und der Gemeinde zu vertreten und zu diskutieren, dass sie von ihrem Recht Gebrauch machen wollen, nur einen Teil des Verkaufserlöses zu spenden. Sie müssten dann begründen, warum sie an der Stelle Gottes dem Reichtum, dem Mammon, ihr Herz überlassen (Lk 12,16-34; 16,9-13). Stattdessen planen sie ein Täuschungsmanöver, das zwei Regeln verletzt. Sie schaffen – wie Achan vom Banngut Gottes (νοσφίζω nosphizō – beiseite schaffen, Jos 7,1.19-26LXX) – heimlich etwas von dem Erlös beiseite, auf den die Gemeinde für die Armenfürsorge angewiesen ist, und sie stellen durch die Lüge die Geistlenkung der Gemeinde infrage. Die Gemeinde wird durch die Habgier und die Lüge zu einer frühkapitalistischen Gesellschaft entwertet, in der Täuschung zur Selbstbehauptung gehört und Wahrheit Selbstschwächung bedeutet. Petrus deckt mit geisterfülltem, prophetischem Erkennen diese Absage an die Glaubensideale der Gütergemeinschaft und der Herrschaft des Geistes auf (Apg 5,3f.). Hananias und Sapphira haben dem Satan die Herrschaft über ihre Herzen eingeräumt. Im ersten Buch versuchte Satan Jesus (Lk 4,1-13) und seine Jünger (Lk 22,31); Judas verleitete er zum Verrat (Lk 22,3) und danach zur Verweigerung der Umkehr (Apg 1,18); die anderen Jünger stiftete er ebenfalls zum Verleugnen und Verlassen Jesu an (Lk 22,32-62). Die Jünger haben aber nicht willenlos Satan in sich handeln lassen. Er konnte daher ihre Umkehr nach Ostern nicht verhindern (Lk 24). Doch sein Einfluss geht nach Ostern weiter (Apg 26,18). Er vermag daher, zuerst bei Hananias und Sapphira den Heiligen Geist zu verdrängen und dessen Stelle zusammen mit dem Reichtum einzunehmen wie vor Ostern bei den Jüngern und bei vielen anderen Hörern (Lk 8,11-15). Der Grieche kann das Versuchen des heiligen Geistes mit Hybris gleichsetzen. Tantalos hatte versucht, die Götter zu täuschen, und hatte ihnen seinen zerstückelten Sohn zum Opfer vorgesetzt (Pind. Olymp. 1,49-57b). Hananias und Sapphira wussten um die prophetische Kraft des Geistes in der Gemeinde und wollten ihn übertölpeln. Aufgrund der Hybris wurden Hananias und Sapphira sofort getötet wie auch später Agrippa I. (Apg 12,20-23). Die Mühlen der Götter, hier die Mühlen Gottes, haben in beiden Fällen nicht mit gewohnter Verspätung reagiert (Plut. de sera 3). Im Unterschied zu den Tantalosqualen hatte Petrus weder eine Verdammung noch Höllenstrafen angekündigt, wohl aber die Lüge aufgedeckt und die nahe Beerdigung der Sapphira angekündigt (Zmijewski 1994, 249). Die Erkenntnis der Hybris kann wieder unmittelbar im Sterben zu Umkehr und Bekehrung führen. 154

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Als Ursache von Zusammenbruch und Tod des Ehepaares muss der Leser die strafende Macht Gottes einsetzen (McCabe 2011, 9-30). Petrus wird durch den Heiligen Geist Vermittler, aber nicht Verursacher dieser Machttat; denn sie bleibt eine unvorhergesehene Tat Gottes (Marguerat 2011, 254). Das Gottesurteil löst die anschließende Furcht bei den anwesenden Zuhörern aus. Die Machttat Gottes korreliert mit sozialpsychologischen und psychosomatischen Vorgängen (Pesch 2005, 199). Das Aufdecken von mangelndem Glauben und Lüge bewirkt im System der Ehre Ehrverlust und Scham (Malina 1993, 40-67). Der Verlust der Ehre kann zu einem plötzlichen Zusammenbruch mit Todesfolge oder einer länger andauernden tödlichen Krankheit führen. Verrate und Lügen gehören zur Schwäche des Menschen und kommen immer wieder vor. Zerstörend ist besonders das Festhalten an diesem Fehlverhalten, wie es das Beispiel des Judas zeigt, der vom ersten tödlichen Machtzeichen Gottes nach Ostern getroffen wird (Apg 1,18). Mit dem Tod von Hananias und Sapphira folgt das zweite tödliche Machtzeichen. Zum ersten Mal fällt hier der Begriff ἐκκλησία (ekklēsia – Gemeinde, Versammlung). Die Zeit der Kirche wird von plötzlichen Todesfällen und von Schuldverstrickungen bestimmt werden. Alle zukünftigen Hörer sollen gewarnt sein. Das Erbarmen Gottes kann nicht zeitlich geplant werden und kann dennoch im plötzlichen Tod dem Sünder noch zukommen. Die Kirche bleibt für den Sünder auch im Todesfall weiterhin verantwortlich. Von nun an muss die Gemeinde mit offenen Rechnungen leben. Feierliche, epideiktische Totenreden verkünden nur Lob: de mortuis nihil nisi bene – über die Toten nichts als Gutes. Dagegen deckt die kritische, biographische Geschichtsschreibung das Unrecht auf. Judas erhält ein Anti-Enkomion (Apg 1,16-20). Die Täuschung von Hananias und Sapphira wird im schriftlichen Gedächtnis aufbewahrt; sie wird nicht unter den Tisch gekehrt. Die künftigen inneren Konflikte der Gemeinde werden benannt (Apg 6,1-7). Ein Herz und eine Seele sein (Apg 4,32) bedeutet nicht, in der Planung des Bösen harmonisch zusammenzuklingen, sondern sich heftigen Streit um die Wahrheit des Geistes zu erlauben (Apg 15,1-41). Todesfälle setzt der Geist Gottes, nicht der Leiter der Gemeinde (gegen Haenchen 1977, 233-235; McCabe 2011, 214-218) und auch nicht die sich durchsetzende Mehrheits- oder Minderheitsmeinung. Bei allen folgenden Konflikten bleibt allerdings ein strafendes Gottesurteil aus: sowohl bei den benachteiligten hellenistischen Witwen (Apg 6,1), als auch beim Martyrium des Stephanus und der Verfolgung der Gemeinde (Apg 7,54-8,3) usw. Für das lukanische Konzept der Offenbarungs- oder Heilsgeschichte ist die eschatologische Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen zentral. Die Reinheit Israels war für einen kurzen Zeitraum in der Urgemeinde durch Geisterfüllung und strafende Gottesmacht uneingeschränkt wiederhergestellt worden. Diese Reinheit bleibt anwesend, erfährt allerdings aufgrund der sich wandelnden geschichtlichen Rahmenbedingungen immer neue Einschränkungen. Die historische Rückfrage behält darin ihr Recht, dass sie den historischen Möglichkeiten einer solchen Konstruktion eines rigorosen Kampfes um die perfekte Reinheit der Gemeinde nachgeht (Roloff 2010, 96). Denn historisch war diese Reinheit von Anfang an durch die Sünde einge155

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schränkt, weil die Gemeinde wie Israel und die Jünger noch unter dem Einfluss von Satan und Sünde steht. Doch die symbolische Geschichtsdarstellung zeigt, wie Gott jederzeit mit einer Machttat eingreifen kann und wie bei der verdeckten Trennung von der geisterfüllten Gemeinde der leibliche Tod bei den isolierten Personen eintreten kann. Wie ein Sünder bei plötzlichem Tod noch Umkehr und Gnade Gottes erfahren kann, bleibt dann Gottes Gericht überlassen (Lk 15,1-32; Apg 17,31).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die Kirchenväter deuteten das Vergehen von Hananias und Sapphira als Bruch eines Eides oder Gelöbnisses Gott gegenüber. Das Ehepaar hat Gott die Übereignung des Verkaufserlöses geschworen und diesen Eid gebrochen; daraus folgern die Kirchenväter die Mahnung an die Christen, keinen Meineid zu schwören (Chrys. hom. in Ac. 12, PG 60,99-105; Aug. serm. 148 [98], PL 39,799f.; zit. in Harrill 2011, 368f.). Harrill sieht diese Deutung in der Linie von Lukas und seiner hellenistischen Umwelt; komödiantisch wird die Blamierung von Gottlosigkeit (ἀσέβεια asebeia) erzählt (ebd.). Allerdings ist in Apg 5,1-11 von einem Eid oder einem Gelöbnis keine Rede, und Petrus verweist Hananias ausdrücklich auf sein Recht, die Spende des Verkaufserlöses zu verweigern. Nicht Furcht, sondern Gelächter ist die Reaktion auf eine Komödie. Es geht um die Lüge. Sie gefährdet in der Tat jede religiöse und staatliche Gemeinschaft. Der Verfasser der Apostelgeschichte stimmt zugleich ein melancholisches Lob der Gattentreue an. Diese Melancholie hat bis auf den heutigen Tag die Weltliteratur geprägt: in den Tod führende Gattenliebe gegen Gemeinschaftsnormen und Gottesglauben, im Guten wie im Bösen, angefangen mit Adam und Eva. Shakespeare setzte der Gattentreue bis in den Tod mit »Romeo und Julia« und »Macbeth« gegensätzliche Denkmäler. Die guten Beispiele sind sattsam bekannt: die Patriarchinnen und Patriarchen, Penelope und Odysseus (Hom. Od.); Antigone und Haimon (Sophoc. Ant.), Tristan und Isolde; Romeo und Julia. Die negativen Beispiele sind noch bekannter: Macbeth und seine Frau, Bonny und Clyde, Adolf Hitler und Eva Braun. Die dramatisch erzählte Geschichte von Hananias und Sapphira klingt voll Pathos aus. Die Leidenschaften sind gereinigt, Furcht breitet sich in der Kirche aus bis auf den heutigen Tag. Gattenliebe überwindet den Tod; hybride Gattenliebe aber reißt ganze Gemeinschaften und Völker ins Verderben; göttliches Eingreifen rettet um den Preis des Todes. Detlev Dormeyer

Literatur zum Weiterlesen B. J. Capper, ›In der Hand des Ananias …‹ Erwägungen zu 1QS VI,20 und der urchristlichen Gütergemeinschaft, RdQ 12 (1986), 223-236.

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J. A. Harrill, Divine Judgement against Ananias and Sapphira (Acts 5:1-11). A Stock Scene of Perjury and Death, JBL 130 (2011), 351-369. H.-J. Klauck, Art. Gütergemeinschaft, NBL 1 (1991), 963f. B. Kollmann, Das letzte Hemd hat keine Taschen (Vom reichen Kornbauern) – Lk 12,16-21, in: R. Zimmermann et al. (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 564-573. A. Le Donne, The Improper Temple Offering of Ananias and Sapphira, NTS 59 (2013), 346364. D. R. McCabe, How to Kill Things with Words. Ananias and Sapphira under the Prophetic Speech-Act of Divine Judgement (Acts 4.32-5.11), London 2011. B. Reicke, Glaube und Leben der Urgemeinde. Bemerkungen zu Apg. 1-7, AThANT 32, Zürich 1957. U. Wendel, Gemeinde in Kraft. Das Gemeindeverständnis in den Summarien der Apostelgeschichte, Neukirchen-Vluyn 1998.

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Zur Lehre befreit! (Die Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis) Apg 5,17-26 (5,17) Der Hohepriester und sein ganzer Anhang, nämlich die Partei der Sadduzäer, standen auf, wurden mit Eifersucht erfüllt (18) und legten Hand an die Apostel und nahmen sie öffentlich in Haft (alternativ: warfen sie ins öffentliche Gefängnis = Staatsgefängnis). (19) Ein Engel des Herrn öffnete aber bei Nacht die Türen des Gefängnisses, führte sie heraus und sprach: (20) »Geht und stellt euch hin und redet im Heiligtum zum Volk alle Worte dieses Lebens!« (21) Als sie es gehört hatten, gingen sie um das Morgengrauen hinein ins Heiligtum und lehrten. Es kam der Hohepriester und sein Anhang herbei und sie riefen das Synedrion und den ganzen Ältestenrat der Söhne Israels zusammen und schickten in den Kerker, damit sie vorgeführt werden. (22) Die Diener, die herbeikamen, fanden sie aber nicht im Gefängnis. Da kehrten sie um, meldeten (23) und sagten: »Den Kerker fanden wir ganz fest verschlossen und die Wächter standen an den Türen. Als wir aber öffneten, fanden wir drinnen niemanden.« (alternativ: als wir aber innen öffneten) (24) Als der Befehlshaber des Heiligtums sowie die Hohenpriester diese Worte hörten, waren sie ihretwegen sehr ratlos, was dies werden möge. (25) Es kam aber jemand herbei und meldete ihnen: »Siehe, die Männer, die ihr ins Gefängnis geworfen habt, stehen im Heiligtum und lehren das Volk.« (26) Da ging der Befehlshaber mit den Dienern weg und führte sie vor – nicht mit Gewalt, denn sie fürchteten das Volk, dass sie gesteinigt würden.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Apostel sind in den ersten Kapiteln der Apg in Wort und Tat erfolgreich. Das löst jedoch nicht bei allen Freude aus, entsprechend sind Konflikte vorprogrammiert. So agieren die religiösen Autoritäten in Jerusalem gegen sie (Apg 4) und versuchen, sie durch ein Lehrverbot zum Schweigen zu bringen – erfolglos. Und so kommt es, wie es kommen muss: Die Apostel lehren, missionieren und heilen weiter, so dass das erneute Eingreifen der jüdischen Obrigkeit geradezu provoziert wird (Apg 5; vgl. Jervell 1998, 205). Diesmal werden alle Apostel über Nacht inhaftiert, um am nächsten Morgen verhört zu werden – doch macht ein wunderbares Intermezzo (Pesch 2005, 211: »Zwischenspiel«; Schmithals 1982, 158

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60: »retardierende[r] Einschub«) den jüdischen Autoritäten zunächst einen Strich durch die Rechnung. Die wundersame Befreiung aus dem Gefängnis (inkl. des folgenden Nachspiels, Apg 5,17-26), die auch den Hauptunterschied zwischen den ansonsten sehr ähnlich strukturierten Passagen Apg 5,17-42 und 4,1-31 darstellt, ist eingebettet zwischen einer summarischen Notiz vom erfolgreichen Wirken der Apostel (in 5,17 wird der Einschnitt durch die neue Personenkonstellation deutlich angezeigt) und einer Auseinandersetzung mit den jüdischen Autoritäten (der Übergang von V. 26 zu V. 27 ist fließend; thematisch ist die gewählte Abgrenzung durch den Verhörbeginn gerechtfertigt). Gliedert man Apg 5,17-26 und orientiert sich an den jeweils auftretenden Personen sowie den (vollzogenen oder beabsichtigten) Ortswechseln der Kollektivfigur »Apostel«, so können vier Akte unterschieden werden: Akt 1: Verhaftung der Apostel durch die jüdische Obrigkeit (V. 17f.). Akt 2: Wundersame Befreiung durch den Engel des Herrn inkl. Verkündigungsauftrag (V. 19-21). Akt 3: Vergebliche Suche der jüdischen Seite nach den »Gefangenen«, die in Ratlosigkeit endet (V. 21-24). Akt 4: Wiederfinden der »Gefangenen« aufgrund eines Hinweises (aus der Bevölkerung) (V. 25f.).

Akt 1: Der Hohepriester (inkl. Anhang) opponiert gegen die Apostel, die in der Folge ihren Aufenthaltsort verändern: Akt 1 endet für sie im Gefängnis. Dabei bleiben sie selbst passiv und werden wie eine Spielfigur verschoben. Im Unterschied zu Apg 4,1-3 werden jetzt alle Apostel auf einen Schlag verhaftet, und dieses Mal scheinen keine theologischen (4,2: Lehrtätigkeit an sich, v.a. Auferstehungsbotschaft), sondern niedere Beweggründe für die Inhaftierung vorzuliegen. Ζῆλος (zēlos – Eifer, 5,17) ist vielfältig verwendbar und kann »Faszination, Berührung heiliger Gefühle, verletzte Ehre, Rivalität und Neid, Streitsucht und Reizbarkeit« (Popkes 1992, 248) ausdrücken. Der »Eifer kann eine verwerfliche Form annehmen« (Stumpff 1935, 880). In Apg 5,17 ist, ebenso wie in 7,9; 13,45 und 17,5, »durch Mißgunst bedingte Feindseligkeit [… impliziert; C.S.], wobei auch Halsstarrigkeit, Wut […] mitspielen können« (Popkes 1992, 248). Die jüdische Seite missgönnt den Aposteln den Erfolg und reagiert entsprechend. Ob die Apostel »öffentlich in Haft« gesetzt werden oder »in öffentliche Haft« (Staatsgefängnis = custodia publica), hängt davon ab, wie Apg 5,18 (ἐν τηρήσαι δημοσίᾳ en tērēsai dēmosia) verstanden wird: Wird δημοσίᾳ (dēmosia) als Adjektiv gesehen (so fast alle Kommentare), dann werden die Apostel nicht in irgendein Gefängnis, sondern konkret ins »Staatsgefängnis« gebracht, womit »eine besonders sichere Verwahrung der Gefangenen« (Pesch 2005, 213), »eine bes. schwere Form der Haft« (Zmijewski 1994, 263) betont sein könnte. Liest man δημοσίᾳ (dēmosia) dagegen als Adverb (vgl. Fitzmyer 1998, 334), dann wird der öffentlichkeitswirksame Charakter der Verhaftung unterstrichen: Die Apostel werden nicht im Geheimen gefangen gesetzt, sondern es wird demonstrativ ein Exempel statuiert – evtl. mit 159

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abschreckender Wirkung. Für Letzteres (Adverb) spricht: Zum einen wird δημοσίᾳ (dēmosia) in der Apg ansonsten immer in adverbialem Sinn verwendet (16,37; 18,28; 20,20), zum anderen weiß der Ungenannte von Apg 5,25 über die Verhaftungsaktion Bescheid. Zum Dritten scheint dem Gesamtabschnitt das »Staatsgefängnis« als solches nicht sonderlich wichtig, da im Folgenden andere Begriffe für »Gefängnis« verwendet werden (V. 19.22.25: φυλακή phylakē ‒ V. 21.23: δεσμωτήριον desmōtērion; vgl. Fitzmyer 1998, 335). Und zu guter Letzt lässt sich die bewusst gestaltete Parallelität zu Apg 4,1-3 argumentativ anführen: Ist dort klar, dass sich die Verhaftung in der Öffentlichkeit vor Publikum vollzieht, so muss dieser Aspekt in 5,18 ausdrücklich ins Wort gebracht werden. Akt 2: Der Engel des Herrn tritt in V. 19 ebenso plötzlich aus dem Nichts auf, wie er im weiteren Verlauf auch wieder verschwindet. Er führt die Apostel aus dem Gefängnis heraus und trägt ihnen die öffentliche Rede auf: Mit »Dinge/Worte (ῥήματα rhēmata) dieses Lebens« ist vermutlich die »Botschaft von der Auferweckung Jesu« (Pesch 2005, 214) als Quelle des Heils gemeint (vgl. Apg 2,28; 3,15; 4,12; 5,3032; 13,26; Joh 6,68), wobei vielleicht bewusst mit der Doppeldeutigkeit von ῥῆμα (rhēma – Wort oder Sache/Ding; vgl. Radl 1992) gespielt wird. Die Apostel gehorchen dem Befehl des Engels, womit sie auch in Akt 2 den Ort wechseln, nämlich vom Gefängnis zum Heiligtum. Sprachlich stechen angesichts der ansonsten fast durchgängig verwendeten Aoristformen die wenigen Imperfektformen hervor, die mehr ein andauerndes Tun zum Ausdruck bringen (durativer Aspekt). Dies betrifft u.a. das Lehren der Apostel (V. 21, vgl. Pesch 2005, 214). Mit »Geht! Redet!« begegnen in V. 20 die einzigen Imperative des Abschnitts. Bezieht man den näheren literarischen Kontext mit ein, so finden sich weitere Weisungen an die Apostel nur noch im Mund der jüdischen Obrigkeit – in Verbotsform und mit genau entgegengesetzter Zielrichtung: Die Apostel sollen gerade nicht reden oder lehren (4,18; 5,28.40). Letzteren Aufforderungen schenken die Apostel aber kein Gehör, was die Schwierigkeiten, die sie mit der jüdischen Seite haben, mitverursacht bzw. verschärft. Somit wird zum einen deutlich illustriert, wie die Apostel ihre Maxime »Gott mehr gehorchen als den Menschen« (4,19; 5,29) in die Tat umsetzen (vgl. Zmijewski 1994, 264). Zum anderen ist damit implizit das Ansinnen der jüdischen Seite geradezu als widergöttlich erwiesen. Betrachtet man den zweiten Akt insgesamt sowie die vorkommenden Verbformen, so fällt auf, dass die Befreiung aus dem Gefängnis, also das eigentliche Wunder, äußerst knapp und sprachlich sparsam inszeniert ist: Sie erfolgt en passant in V. 19 unter Verwendung von Partizipien (öffnend, herausführend) und wird damit sprachlich beigeordnet. Ausschmückende Details sucht man vergebens. Akt 3: Für das anstehende Verhör holt sich der Hohepriester gewissermaßen Verstärkung: Das Synedrion und der ganze Ältestenrat der Söhne Israels werden zusammengerufen. Die versammelte Großgruppe – »indicating the full weight of political, legal and religious authority« (Dunn 1996, 68) – will die Apostel vorführen 160

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lassen (erneuter Ortswechsel). Doch erweist sich dies als unmöglich, da die Gefangenen nicht mehr am vermuteten Ort sind. Sprachlich fällt im dritten Akt das leitmotivisch eingesetzte Schlagwort »finden« auf: Die Boten berichten u.a., dass das Gefängnis fest verschlossen war sowie die Wachen auf ihrem Posten vorzufinden waren. Damit scheidet ein gewaltsamer Ausbruch aus, die Gefangenen sind einfach spurlos verschwunden! Und diese Entdeckung lässt die Hohepriester (Plural) und den erstmals auftretenden Tempelhauptmann ratlos zurück. Akt 4: In dieser Situation gibt ein Unbekannter/Ungenannter den entscheidenden Tipp: Die am Vortag verhafteten Männer sind mit »open-air temple evangelism« (Larkin 1995, 92) befasst – sie führen ja den Auftrag des Engels aus. Von Gottes Perspektive aus betrachtet, ist alles in bester Ordnung – für die jüdische Obrigkeit stimmt die Welt nicht mehr! Durch die Predigt der Apostel in der Öffentlichkeit des Tempels wird zum einen einmal mehr unterstrichen, dass wir es nicht mit Ausbrechern zu tun haben. Hier versteckt sich niemand! Zum anderen lässt die Szenerie ironisch schmunzeln: Der Tempelhauptmann ist wegen der verschwundenen Gefangenen völlig ratlos, während diese direkt vor seiner Nase genau in seinem Verantwortungsbereich öffentlich für Aufsehen sorgen (vgl. Zmijewski 1994, 258). Schlussendlich werden die Apostel dann doch noch in die Versammlung gebracht, womit der letzte Ortswechsel perfekt wäre. Hinsichtlich der Textpragmatik ist zu berücksichtigen, dass die wunderbare Befreiung aus dem Gefängnis selbst narrativ äußerst kurz kommt und beim anschließenden Verhör vor der jüdischen Obrigkeit keinerlei Rolle spielt. Das Hauptinteresse von Apg 5,17-26 besteht offensichtlich nicht darin, eine gottgewirkte Rettung dramatisch zu inszenieren, zumal sich die Apostel am Ende ja doch vor dem Hohen Rat verantworten müssen. Natürlich schwingt auch mit, dass Gott die Zeugen nicht im Stich lässt, dass Wegsperren nichts nützt. Gott befreit aus Haft – allerdings nicht immer, wie der Blick in Apg 4 lehrt. Und wie eine Erzählung auszusehen hat, für die die Rettungsdimension zentral ist, zeigt Apg 12 geradezu mustergültig. Doch worin besteht dann die Hauptintention der vorliegenden Episode? Es geht um die Frage nach Legitimität und Illegitimität: Das Vorgehen der jüdischen Seite gegen alle Apostel, das aus »Neid/Eifersucht« erfolgt, wird als inakzeptabel erwiesen. Gleichzeitig werden alle Apostel in ihrem Tun bestätigt – und zwar von allerhöchster Stelle: Ihre Konflikte verursachende Lehrtätigkeit ist nicht eitles Menschenwerk, die Apostel sind nicht streitsüchtig oder uneinsichtig, sondern Gott selbst hat sie in Gestalt des Engels zur öffentlichen Predigt beauftragt. Darauf zielt Apg 5,17-26 ab, denn die Befreiung dient in erster Linie dazu, dass die göttlich gebotene Verkündigung in die Tat umgesetzt werden kann (vgl. Larkin 1995, 92; Kratz 1979, 486 macht mit Blick auf Apg 16,23-34 folgende Alternative auf: »nicht Befreiung von, sondern Befreiung für«): »prison-escape is not just a release from prison, but also a release for proclamation« (Weaver 2004, 286). Die Befreiung ist somit Mittel zum Zweck. Entsprechend ist für die Apostel ihr Ver161

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halten alternativlos. Die Sache der Apostel ist wirklich »aus/von Gott« und nicht »aus/von Menschen«. Die wunderbare Befreiung nimmt somit die Antwort auf die Alternativsetzung Gamaliels (5,38f.) bereits vorweg (vgl. Kratz 1979, 455.496f.; Hintermaier 2003, 185f.). Und den informierten Lesern(innen) steht in der Folge auch klar vor Augen, dass sich die jüdischen Oberen durch ihr Vorgehen gegen die Apostel letztendlich als Kämpfer gegen Gott (θεομάχοι theomachoi) selbst disqualifizieren (vgl. Apg 5,39).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext In sozial- bzw. realgeschichtlicher Hinsicht sind zunächst die jüdischen Autoritäten genauer zu betrachten. Wer opponiert hier gegen die Apostel? An erster Stelle ist im Text der Hohepriester (Singular) genannt, der zum einen mit kultischen und religiösen Aufgaben betraut ist. Er ist »der höchste Würdenträger und Kultrepräsentant des jüdischen Volkes« (Backhaus 2010), auch wenn das Amt im 1.  Jh. n.  Chr. gegenüber früheren Zeiten deutlich an Glanz, Autorität und Macht eingebüßt hat und »weitgehend der Kontrolle der säkularen politischen Gewalt unterworfen« (Ådna 1999, 91) ist. Als Priester ist er v.a. bei repräsentativen rituellen Vollzügen im Einsatz, als »Höhepunkt des kultischen Wirkens« (Backhaus 2010) ist das Sühnopfer am Jom Kippur, dem großen Versöhnungstag (vgl. Lev 16), anzusehen. Zum anderen aber steht er zur Zeit der römischen Präfekten bzw. Prokuratoren in Judäa (ab 6 n. Chr.) in politischer Hinsicht dem Synedrion vor und vertritt das jüdische Volk gegenüber den Römern (vgl. Kellermann 1992a, 396): Die jeweiligen Hohepriester sind »the supreme representatives of the nation vis-à-vis the Romans even in political matters« (Schürer/ Vermes 1979, 275). Er ist somit auch »head« bzw. »political leader of the nation« (a. a. O., 215.227.275). Namentlich wird der Hohepriester in Apg 5 nicht näher bestimmt; in 4,6 wird Hannas vor Kaiphas genannt (Lk 3,2 erwähnt beide zusammen). Historisch gesehen ist Kaiphas von 18 bis 36/37 n.  Chr. und damit auch für die Apg 5,17-26 zugrunde liegende realgeschichtliche Situation amtierender Hohepriester (vgl. Flav. Jos. Ant. 18,26.33-35.95), doch scheint Hannas (Hohepriester: 6-15 n. Chr.) auch nach seiner Absetzung noch Einfluss gehabt zu haben (vgl. Joh 18,13; vgl. Kellermann 1992a, 395). Allerdings kommt es Apg 5 auf den konkreten Kandidaten gar nicht an: »Eher als individuelle Züge zeichnen sich hier theologische Kontrastsetzungen ab« (Backhaus 2010). Der Hohepriester tritt in Apg 5 mit (seinem) Anhang auf, der als »Partei der Sadduzäer« (αἵρεσις τῶν Σαδδουκαίων hairesis tōn Saddoukaiōn) näher bestimmt wird. Mit αἵρεσις (hairesis) wird in der Antike eine »Schulmeinung, Schule, (Religions-)Partei ohne negativen Akzent« (Baumbach 1992, 96) bezeichnet. Es handelt sich um »freiwillige Zusammenschlüsse […], im griech. Sinne privatrechtliche Vereine« (Baumbach 1992, 96), bzw. um »religiöse Interessengruppe[n] innerhalb des Judentums« (Roloff 2010, 102). Flavius Josephus unterscheidet drei bestim162

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mende jüdische Gruppierungen: Pharisäer – Sadduzäer – Essener (vgl. Flav. Jos. Ant. 13,171; 18,11; Flav. Jos. Bell. 2,119; zur »vierten Philosophie« vgl. Flav. Jos. Ant. 18,9). Für die Gruppe der Sadduzäer ist in religiöser Hinsicht bedeutsam, dass sie die Unsterblichkeit der Seele sowie, damit verbunden, den Glauben an Auferstehung und Jenseits(gericht) ablehnen (Flav. Jos. Bell. 2,165; Flav. Jos. Ant. 18,16). Somit ist stimmig, dass gerade die Sadduzäer über die Auferstehungsverkündigung der Apostel aufgebracht sind (Apg 4,2), so wie sie ja auch als Streitpartner Jesu bezüglich dieser Frage in Erscheinung treten (Lk 20,27-38). In sozialer Hinsicht repräsentieren sie die reiche Oberschicht der Priesteraristokratie (Flav. Jos. Ant. 13,298; 18,17). Zusammen mit den Sadduzäern schafft der Hohepriester in Apg 5,21 einen hochoffiziellen Rahmen für das anstehende Verhör, indem er und sein Anhang das Synedrion und den ganzen Ältestenrat der Söhne Israels (γερουσία τῶν υἱῶν Ἰσραήλ gerousia tōn hyiōn Israēl) zusammenrufen. Ob hiermit eine Gruppe gemeint ist im Sinne von ›das Synedrium, das heißt der ganze Ältestenrat‹ (das ›und‹ wäre dann ein epexegetisches, ein καί-explikativum, vgl. z.B. Eckey 2011, 207), oder ob zwei Gruppen vor Augen stehen, ist nicht letztgültig zu klären. Zeitgeschichtlich korrekt ist die erste Variante, da Synedrion und Ältestenrat im 1. Jh. n. Chr. identisch sind (vgl. Billerbeck 1924, 636; Schürer/Vermes 1979, 206 Anm. 17): Seit Herodes dem Großen heißt der Ältestenrat (Γερουσία Gerousia), das in den alttestamentlichen Überlieferungen zentrale Beratungs- und Entscheidungsgremium (vgl. u.a. Ex 3,16; 4,29; Jdt 15,8), nämlich Synedrion. Ggf. handelt es sich somit um einen »sachliche[n] Fehler« (Roloff 2010, 102) des Autors. Das Synedrion ist die »höchste jüd. Gerichts- und Verwaltungsbehörde in Jerusalem« (Kellermann 1992b, 718), bestehend gemäß Num 11,16 aus 70 + 1 Personen. Dabei handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um ein demokratisch gewähltes Gremium, sondern um ein aristokratisch verfasstes Organ (Mitgliedschaft per Ernennung und Handauflegung, vgl. Schürer/Vermes 1979, 211). Den Vorsitz führt, wie bereits erwähnt, der Hohepriester (trotz anders lautender Behauptungen in der rabbinischen Tradition). Zu den Kompetenzen gehören im 1. Jh. n. Chr. u.a. die (religiöse) Gerichtsbarkeit in Jerusalem, die Tempelaufsicht sowie Entscheidungen in religiösen Fragen inkl. Polizeigewalt in begrenztem Umfang, allerdings ohne das ius gladii (vgl. insgesamt Kellermann 1992b, 719). »Dem Synhedrium oblag die Kult- und Rechtspflege« (Backhaus 2010), wobei die realen Machtbefugnisse dieses Gremiums in der Forschung strittig sind. Bei der in Apg 5,24 erwähnten Gruppe »Hohepriester« (im Plural!) handelt es sich um die vermutlich einflussreichste Teilgruppe des Synedrions, da sie fast immer in Erstposition genannt werden (vgl. Schürer/Vermes 1979, 212 inkl. Anm. 43). Der Begriff bezeichnet die Jerusalemer Priester- und Tempelaristokratie (vgl. Ådna 1999, 92f.). Diese Hohepriester üben »als geistliches Gerichts- und Polizeiorgan sowie administratives Konsistorium am Tempel« (Kellermann 1992a, 395) u.a. ordnungspolitische Funktionen aus und können entsprechende Maßnahmen ergreifen – rund um den Tempel und im Zusammenhang mit religiösen (Streit-) 163

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Fragen. Vor diesem Hintergrund ist sowohl ihre mögliche Beteiligung an Prozess und Verurteilung Jesu zu sehen (vgl. Lk 22,2.4.52.66; 23,4.10.13; 24,20) als auch ihre Opponentenrolle gegen die Apostel in Apg 5. Zu guter Letzt wird noch der Tempelhauptmann (στρατηγός τοῦ ἱεροῦ stratēgos tou hierou, Apg 5,24.26) aktiv. Στρατηγός (stratēgos) bezeichnet ursprünglich einen Heerführer, der Terminus wird aber in der Antike in weiterem Sinne »eine der häufigsten Bezeichnungen für führende provinzielle oder städtische Beamte« (Bauernfeind 1964, 704) überhaupt. Der in Apg 4f. auftretende »Tempeloberst« (Billerbeck 1924, 628) ist »der Inhaber der obersten polizeilichen Gewalt im Tempel« (Ådna 1999, 94). Er stammt aus den Reihen der Priester und kommt rangmäßig direkt nach dem Hohepriester (vgl. Schürer/Vermes 1979, 277f.; Billerbeck 1924, 628; Backhaus 2010). Hier haben wir es mit dem Hauptverantwortlichen für die (äußere) Ordnung des Tempels zu tun: »he had supreme charge of order in and around the Temple« (Schürer/Vermes 1979, 278). Dass ihm in Apg 5,25 die Lehrtätigkeit der gesuchten Apostel in aller Öffentlichkeit im Tempel erst von einem Unbekannten hinterbracht werden muss, gibt ihn der Lächerlichkeit preis und weist ihn auf der Ebene der Erzählung als eine Figur aus, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Alles in allem ist die Gegnerfront, mit der sich die Apostel in Apg 5 auseinanderzusetzen haben, die im 1. Jh. n. Chr. maßgebliche jüdische Obrigkeit in Jerusalem, »the corporate ›powers-that-be‹ in Jerusalem; […] the Jewish political establishment« (Weaver 2004, 131). Deren Machtbefugnisse und Möglichkeiten werden zwar im Detail kontrovers diskutiert, unstrittig ist aber, dass das in Apg 5 erzählte Vorgehen gegen die Apostel grundsätzlich plausibel und denkbar ist. Neben den Opponenten der Apostel sind in sozial- bzw. realgeschichtlicher Hinsicht noch die Orte der Handlung einen näheren Blick wert. Beim Heiligtum/Tempel (ἱερόν hieron) handelt es sich um den durch Herodes den Großen völlig umgestalteten und erweiterten Jerusalemer Tempel als »Heiligen Bezirk«, das Zentralheiligtum des Judentums. Dabei ist an die weitläufige Anlage einschließlich Säulenhallen und -umgänge, an den »gesamten Tempelbereich mit seinen Gebäuden, Höfen usw.« (Bauer 1988, 756) zu denken. Eine Verengung auf das Tempelhaus im engeren Sinne (meist mit ναός naos bezeichnet) ist nicht sinnvoll, auch wenn »[e]ine eindeutige [terminologische; C. S.] Abgrenzung […] nicht möglich ist« (Borse 1992, 430). Wo wir uns die lehrenden Apostel genau vorzustellen haben, bleibt offen; die Säulenhallen rund um das Areal bieten dafür ausreichend Raum. Der Versammlungsort von Hohepriester und Synedrion wird im Text nicht konkretisiert. Gemäß Josephus tagt das Synedrion »in der βουλή [boulē; C. S.] (Bell. 5,144) oder dem βουλευτήριον [bouleutērion; C. S.] (6,354) der Oberstadt« (Kellermann 1992b, 719), wobei wir diesen Tagungsort vermutlich noch auf dem Tempelgelände selbst zu suchen haben (vgl. Schürer/Vermes 1979, 223-225). Die dritte Lokalität des Textes, das Gefängnis oder der Kerker, in dem die Apostel bis zur wundersamen Befreiung inhaftiert sind, wird mit drei Begriffen benannt: τήρησις tērēsis (V. 18), φυλακή phylakē (V. 19.22.25), δεσμωτήριον desmōtērion 164

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(V. 21.23). Damit ist der »Aufbewahrungsort von Delinquenten […], freilich auch eine Stätte, an der man unliebsame Personen außer Gefecht setzen kann« (Kratz 1991, 757; ders. 1992b, 1055), bezeichnet. Eine konkrete Lokalisierung in Jerusalem ist kaum möglich.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund In Apg 5,17-26 erfolgt eine wunderbare Befreiung aus dem Gefängnis. Vergleichbare Erzählungen sind auch in der Umwelt des NT zu finden: Hier sind v.a. Dionysos-Stoffe relevant (vgl. Eurip. Ba.; Nonn. D.); zu verweisen ist außerdem auf Philostrat (Philostr. vit. Ap. 7,38 und 8,30) sowie auf den Moseroman des Artapanos (vgl. insgesamt Weinreich 1929, 280-341; Kratz 1979, 374-395; Hintermaier 2003, 13-48; Weaver 2004, 29-91). Die gattungs-/formkritische Forschung hat auf dieser Basis eine Klassifizierung der Episode als »Rettungswunder« (Theißen 1998, 107-111; allerdings findet sich Apg 5,17-26 a.a.O., 318 im Stellenregister zu »Rettungswundern« nicht), »Befreiungswunder« (Weinreich 1929, 280-341; Weiser 1989, 153.156; Eckey 2011, 206) bzw. »Türöffnungswunder« (Dormeyer/Galindo 2003, 90f.; Jeremias 1938, 175f.: »Türwunder«) vorgenommen (vgl. Kratz 1979, 351-545; ders. 1992a, 397f.). Dabei fällt auf, dass vom meist angeführten gattungstypischen Inventar nur ausgewählte Elemente vorliegen: Inhaftierung (5,18; der Botenbericht in V. 23 trägt Details zur Haftsituation nach); wunderbare Befreiung nachts (5,19); indirekte Konstatierung des Wunders durch Ausführung des Auftrags (5,21; vgl. 5,25) und Demonstration/ Beglaubigung durch die vergebliche Suche (5,22f.). Ein mythenkritischer Zugang, der durch den Vergleich einen gemeinsamen »micromyth« (vgl. Weaver 2004, 22-27) herausarbeitet, bietet demgegenüber den Vorteil, dass sowohl das Gemeinsame als auch das Unterscheidende dieser Erzählungen stärker in den Blick kommt. Dabei sind besonders die sozialen und politischen Funktionen von Mythen interessant. Apg 5,17-26 ist zu den »Resistance Myths« (»Epiphanic Rescue from Prison«, vgl. Weaver 2004, 282) zu zählen. Bezüglich des Sitzes im Leben ist Folgendes einschlägig: Im Mittelpunkt stehen Auseinandersetzungen im religiösen Kontext, wobei sich eine neue Religion, ein neuer Kult oder eine neue religiöse Strömung (vgl. J. Schäfer 2010, 218 inkl. Anm. 112) am Ende als überlegen erweist. Es geht bei der »Rettung aus feindlicher Macht, die sich in politischer oder religiöser Freiheitsbehinderung äußert« (Kratz 1979, 351), um »Beglaubigung, Bestätigung, Werbung« (a.a.O., 393). »In der Befreiung ihrer Verkündiger erweist die Gottheit ihre Macht als Abschreckung für Außenstehende und Gegner, aber gleichzeitig als Ermutigung ihrer Anhänger […] durch den Erweis, daß sie in Not und Gefahr nicht im Stich gelassen werden« (a.a.O., 441). Kurz: »missionarische Werbung, […] Missionspropaganda, in der Regel für eine neue Religion, einen neuen Kult, die sich erst durchsetzen müssen« (ebd.; vgl. a.a.O., 493f.). Befreiungswunder dienen »zur Legitimation der 165

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göttlichen Sendung der wunderbar Geretteten« (Weinreich 1929, 309), sie sind »propagandistic tales« (Weaver 2004, 91). Gleichzeitig werden die Opponenten als Kämpfer gegen Gott (θεομάχοι theomachoi) disqualifiziert (vgl. a.a.O., 136-144). Für Apg 5,17-26 bedeutet dies konkret, dass die Episode verstanden werden kann als »charter for the establishment of the Christian movement at the geographical heart of Judaism« (a.a.O., 147). Vor dem außerbiblischen Vergleichshintergrund werden aber auch die Besonderheiten von Apg 5,17-26 deutlich, die sich vermutlich der Einpassung in einen jüdisch-alttestamentlich geprägten Kontext verdanken: Den Engel des Herrn (ἄγγελος κυρίου angelos kyriou) als befreienden Akteur kennen nur Apg 5,19f. und 12,7-10 (jeweils Jerusalem!), außerbiblisch ist er bei Befreiungswundern unbekannt und in Apg 16,23-26 (Philippi!) kommt er ebenfalls nicht vor. In gut alttestamentlicher Tradition (vgl. z.B. Gen 16,7-12; 22,11.15; Ex 3,2) tritt der Engel des Herrn im lukanischen Doppelwerk immer wieder als Bote Gottes in Erscheinung (Lk 1,11; 2,9; Apg 8,26; 10,3), einmal auch strafend (Apg 12,23). Beachtenswert ist nun, dass der Engel Gottes (ἄγγελος τοῦ θεοῦ angelos tou theou) im Rahmen des Exodus begegnet (Ex 14,19). Exodusassoziationen werden zudem in Apg 5,19 durch das Verb »herausführen« wachgerufen, da dieses Verb im AT oft als terminus technicus für das befreiende Handeln Gottes im Exodus verwendet wird (vgl. Radl 1983, 89f.). Folglich kann gesagt werden: »In der Befreiung der Apostel verdichtet sich Gottes eschatologisches Heilshandeln an seinem Volk« (Pesch 2005, 222). Diesbezüglich bietet zwar Apg 12,7-17 viel deutlichere Anknüpfungspunkte (vgl. Radl 1983, 87-91; vgl. auch Roose zu Apg 12,1-11 in diesem Band), doch kommt mit Blick auf Apg 5,17-26 noch eine wichtige Beobachtung hinzu, die ebenfalls auf den Exodus verweist. Diese gewinnt zusätzlich an Gewicht, wenn bedacht wird, dass zahlenmäßig nur wenige Belege für »Ältestenrat der Söhne Israels« in der LXX (Ex 3,16; 4,29; 12,21; Jdt 15,8 – im NT nur Apg 5,21) begegnen (dass das Stichwort »Ältestenrat« auf den Exodus verweisen könnte, notiert kurz Pesch 2005, 222): In Ex 12,21 (diesen Vers nennt auch Jervell 1998, 206) ruft Mose den ganzen Ältestenrat der Söhne Israels ‒ und zwar vor der Herausführung des Volkes aus Ägypten; in Apg 5,21 ruft der Hohepriester mit seinem Anhang den ganzen Ältestenrat der Söhne Israels zusammen – und zwar nach der Herausführung der Apostel aus dem Gefängnis. Folglich ist – für traditionsgeschichtlich Eingeweihte dechiffrierbar ‒ der Hohepriester eindeutig zu spät dran. Sein Zusammenrufen wird erfolglos bleiben, da sich das befreiende (Heils-)Handeln Gottes bereits ereignet hat. Nutznießer der Intervention Gottes sind alle Apostel, die dadurch als rechtmäßige Gesandte Gottes ausgewiesen sind.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Bei einer historisierenden Deutung sind mit Blick auf die beiden Apostelinhaftierungen in Apg 4f. grundsätzlich zwei Möglichkeiten denkbar: a) Es handelt sich 166

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um zwei zu unterscheidende Ereignisse, sprich die Apostel sind zweimal eingesperrt, verhört und bestraft worden. Vor dem Hintergrund der damals im jüdischen Kontext geltenden strafrechtlichen Bestimmungen (vgl. Jeremias 1966, 242-247) könnten die beiden Aktionen der jüdischen Obrigkeit gewissermaßen aufeinander aufbauen: Auf die Verwarnung (Apg 4) folgt die Bestrafung (Apg 5). Erstere »hat den Charakter eines Gerichtsurteils und bildet die notwendige Voraussetzung für ein etwaiges späteres und dann strengeres Verfahren« (Bornhäuser 1934, 58), denn »[e]rst durch die Verwarnung entsteht die Strafbarkeit einer Gesetzesübertretung« (Jeremias 1966, 243). Somit wären die Apostel zunächst zurechtgewiesen worden, wohingegen das Vorgehen der jüdischen Autoritäten gegen sie in Apg 5 dann die notwendige Konsequenz aus der Nichtbefolgung der Auflagen (Lehrverbot) wäre. Bei dieser Deutungsvariante findet die wundersame Befreiung aus dem Gefängnis keine weitere Beachtung. b) Es handelt sich um ein und dasselbe Ereignis, sprich Apg 5 ist in literarischer Hinsicht eine Art Dublette von Apg 4. Bei dieser Einschätzung wird Apg 4 als die realistisch-rationale, in historischer Hinsicht glaubwürdige Erzählversion beurteilt, Apg 5 stellt hierzu eine um ein wundersames göttliches Eingreifen erweiterte aretalogische Variation dar. Entsprechend ist das wunderbare Eingreifen Gottes als literarische Anreicherung zu verstehen. Eine mögliche rationalistische Deutung findet sich bei J. D. G. Dunn: »But we cannot exclude the possibility that the matter of fact account is a way of hinting that ›the angel or messenger (same word) of the Lord‹ was actually an early sympathizer with the new movement within the prison staff« (Dunn 1996, 68). Auch bei dieser Deutung wird das Wunder gewissermaßen wegerklärt und die Befreiung der Apostel auf Fluchthelfer aus den Reihen der Gefängnismitarbeiter zurückgeführt. Erst die Überlieferung macht aus diesem menschlichen Adjuvanten einen Engel des Herrn und verschiebt das gelungene Entkommen in die Sphäre des Wunderbaren. Damit ist Apg 5 nicht nur hinsichtlich des Wundercharakters entzaubert, sondern in der Folge entfällt auch die oben herausgearbeitete göttliche Legitimierung der Lehrtätigkeit der Apostel. Sucht man speziell nach einem möglichen Sinn des Wunders als Wunder, so hilft eine form- und religionsgeschichtliche Herangehensweise weiter. Diese klassifiziert Apg 5,17-26 gattungskritisch als Befreiungswunder bzw. mythenkritisch als »resistance myth« und vor diesem Hintergrund können Sitz im Leben, Pragmatik sowie Besonderheiten im Vergleich mit der einschlägigen Umweltliteratur herausarbeitet werden (s.o.). Auch kann ein überlieferungs- und redaktionsgeschichtlicher Blick weiterführend sein. Im Rahmen von Apg 1-7 kann Apg 5,17-26 folgende Rolle spielen: »The prison-escape thus contributes to Luke’s broader narration of the god-directed foundation of the Jerusalem church and the official opposition to its expansion« (Weaver 2004, 131). Weitet man den Fokus und betrachtet Apg 5,17-26 im noch größeren Rahmen von Apg bzw. lukanischem Doppelwerk, so sind folgende theologische Akzentsetzungen erkennbar: Erstens treten die Apostel als Inhaftierte in die Fußstapfen Jesu (Lk 167

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22,47-54; Hintermaier 2003, 80-88; Weaver 2004, 129 Anm. 132). Den Schülern ergeht es somit so wie dem Meister, sie stehen nicht über ihrem Lehrer (vgl. Lk 6,40). Zweitens erfüllen sich im Schicksal der Apostel ‒ positive wie negative ‒ Ankündigungen Jesu für seine Nachfolger (vgl. Lk 12,11f.; 21,12f.; Hintermaier 2003, 88-99.182f.), auch wenn im Munde Jesu nie explizit von der Befreiung aus dem Gefängnis die Rede ist (dies sieht Hintermaier 2003, 97.185 impliziert). Würden die Apostel nicht inhaftiert, so wäre Jesus Lügen gestraft. Und drittens ist innerhalb der Apg das kompositionelle Moment der Steigerung zu entdecken: »Je mehr sich das Evangelium ausbreitet, desto mehr spitzt sich auch der Konflikt zu« (Zmijewski 1994, 262; vgl. Stählin 1978, 89f.; Spencer 2004, 69). Ob Lukas die Episode Apg 5,17-26 selbst geschaffen oder zumindest maßgeblich gestaltet hat, ggf. als »freie Variation« (vgl. Roloff 2010, 100) zu Apg 12,3-11, kann erwogen werden (Kratz 1979, 448 Anm. 9: »eine literarisch konstruierte, von Lukas geschaffene Dublette«; vgl. Weiser 1989, 154-159), ein sicheres exegetisches Urteil ist diesbezüglich jedoch nicht möglich. Eine befreiungstheologische Deutung (Dormeyer/Galindo 2003, 91-94) betont, dass Apg 5,17-26 zum einen Hoffnung spenden, zum anderen zu (passivem wie aktivem) Widerstand ermutigen kann. Positive Identifikationsgröße ist dabei die Gruppe der Apostel, die jüdische Obrigkeit stellt die negative Kontrastfolie dazu dar. Während die jüdische Seite den »Rechtsfrieden« aufgrund von Eifersucht und Neid bricht und rechtswidrig durch terrorähnliche Repressalien die Apostel zum Schweigen bringen will, stellt Gott »durch sein Eingreifen die Würde der Apostel als freie Bürger des Tempelstaates Judäa wieder her« (Dormeyer/Galindo 2003, 91). Der drohende »Justizmord« wird durch die göttliche Intervention verhindert. Apg 5,1726 deckt somit »ungerechtfertigte Gewalt« auf, und die komödiantische Episode macht eines deutlich: »Nichts fürchten Mächtige mehr als die Lächerlichkeit in der Öffentlichkeit und die Aufhebung des Terrors durch Rechtstaatlichkeit« (a.a.O., 92). Entsprechend kann die Lektüre von Apg 5,17-26 dazu ermutigen, im Vertrauen auf die unterstützende Hilfe Gottes dort Widerstand zu leisten, wo Staatsterror im Mantel der Rechtlichkeit die freie Rede zu unterbinden sucht. Ein Klima der lähmenden Angst ist nicht hinnehmbar – und dabei hat man Gott auf seiner Seite! Zu guter Letzt unterbreitet die tiefenpsychologische Deutung ein mögliches Verstehensangebot. Dabei wird das Gefängnis bzw. der Kerker als »Bild einer inneren Gefangenschaft« (Drewermann 1985, 339) verstanden (Drewermann widmet sich aber nur der Petrusbefreiung in Apg 12; vgl. Roose zu Apg 12,1-11 in diesem Band) und auf mögliche therapeutische Dimensionen der Befreiungsgeschichte verwiesen. Die Erzählung von der wunderbaren Befreiung der Apostel kann in der Folge fruchtbar gemacht werden für eigene Schritte hin zu einer Befreiungserfahrung.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Zur Parallelität von Apg 5,17-26 und Apg 4,1-31 ist bereits einiges gesagt worden. Und die weiteren Befreiungswunder der Apg (Apg 12,1-10: Petrus; Apg 16,23-40: 168

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Paulus und Silas) mit ihrer je eigenen Aussageintention werden für sich im Rahmen des Kompendiums bearbeitet (vgl. Roose zu Apg 12,1-11 und Omerzu zu Apg 16,19-40 in diesem Band). Mit Blick auf den weiteren Traditionsstrom kann konstatiert werden, dass Apg 5,17-26 mit zum Urgestein gehört, wobei sich Befreiungswunder besonders im Rahmen apokrypher/hagiographischer Apostelüberlieferungen großer Beliebtheit erfreuen (vgl. Weinreich 1929, 420-436; vgl. Zimmermann zu ActThom 119-123 in diesem Band). Außerdem wird im 4. Jh. n. Chr. Apg 5,17-33 von Johannes Chrysostomus aufgegriffen und im Rahmen seiner 13. Homilie zur Apg ausgelegt und zur Grundlage einer Predigt gemacht (Chrys. hom. in Ac. 13; PG 60,105-112). Dabei hebt Johannes Chrysostomus hervor, dass die wundersame Befreiung ‒ als historisches Geschehen verstanden ‒ eine doppelte Intention verfolgt: Trost/Zuspruch (παραμυθία paramythia) für die Jünger, Nutzen (ὠφέλεια ōpheleia) und Unterweisung (διδασκαλία didaskalia) für die anderen. Und er bringt mehrfach explizit ins Wort, dass sich die jüdische Obrigkeit durch ihr (verstocktes) Verhalten den Aposteln gegenüber als Kämpfer gegen Gott (θεομάχοι theomachoi) erweist. Schlussendlich ruft er seine Hörer(innen) u.a. zur Nachahmung der unerschrockenen Apostel auf, die sich nicht einschüchtern und auch nicht mundtot machen lassen. Denn wer Gott fürchtet, der braucht sonst nichts und niemanden zu fürchten! In diesem Zusammenhang greift er natürlich auch das Wort vom größeren Gehorsam Gott gegenüber (Apg 5,29) auf, das in der weiteren Rezeptionsgeschichte vielfältig aufgenommen und argumentativ in den unterschiedlichsten Zusammenhängen verwendet wird (vgl. Pesch 2005, 222-224). Abschließend soll eine heutige junge alltagsexegetische Stimme zu Wort kommen: Apg 5,17-26 kann im Horizont von interreligiösem Dialog und Umgang mit anderen Glaubensrichtungen als Plädoyer für eine von grundsätzlichem Gottvertrauen getragene »ehrliche, respektvolle Auseinandersetzung mit dem Gegenüber« gelesen werden. Pointe: »etwas anderes, etwas Neues [kann man] nicht so einfach wegschließen […] – zumindest nicht auf Dauer« (Pernack 2009, 94-96). Christian Schramm

Literatur zum Weiterlesen J. Hintermaier, Die Befreiungswunder in der Apostelgeschichte. Motiv- und formkritische Aspekte sowie literarische Funktion der wunderbaren Befreiungen in Apg 5,17-42; 12,1-23; 16,11-40, BBB 143, Berlin 2003. R. Kratz, Rettungswunder. Motiv-, traditions- und formkritische Aufarbeitung einer biblischen Gattung, EHS.T 123, Frankfurt a.M. 1979. J. Schäfer, Zur Funktion der Dionysosmysterien in der Apostelgeschichte. Eine intertextuelle Betrachtung der Berufungs- und Befreiungserzählungen in der Apostelgeschichte und der Bakchen des Euripides, ThZ 66 (2010), 199-222. J. B. Weaver, Plots of Epiphany. Prison-Escape in Acts of the Apostles, BZNW 131, Berlin 2004.

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

O. Weinreich, Türöffnung im Wunder-, Prodigien- und Zauberglauben der Antike, des Judentums und Christentums, in: F. Focke et al. (Hg.), Genethliakon, FS W. Schmid, TBAW 5, Stuttgart 1929, 200-464.

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Konfrontation von Wunder und Magie (Philippus in Samaria – Simon der Zauberer) Apg 8,6-8.13.39f. (8,6) Scharen von Menschen hingen dem an, was Philippus sagte, denn sie waren selbst Augenzeugen der Wunder, die er tat. (7) Sie hatten bei vielen Besessenen miterlebt, wie Dämonen mit lautem Geschrei von ihren Opfern abließen, und hatten gesehen, wie viele Gelähmte und Verkrüppelte geheilt wurden. (8) Darüber herrschte große Freude in der Stadt. (9) Nun hatte schon vorher ein Mann namens Simon in der Stadt gelebt, der Zauberei betrieb. Er behauptete, ein großer Magier zu sein, und hatte das Volk von Samarien in seinen Bann gezogen. (10) Alle waren von ihm eingenommen, Groß und Klein. »Dieser Mann ist die ›Große Kraft‹ Gottes«, sagten sie. (11) Sie waren ganz von ihm abhängig, weil er sie lange Zeit mit seiner Zauberei beeindruckt hatte. (12) Doch jetzt, als Philippus ihnen die Botschaft vom Reich Gottes verkündete und über Person und Werk [wörtlich: »den Namen«] von Jesus Christus sprach, wandten sie sich ihm im Glauben zu, und Männer und Frauen ließen sich taufen. (13) Sogar Simon selbst kam zum Glauben. Er wurde getauft und schloss sich eng an Philippus an. Die großartigen Zeichen und Wunder ließen ihn nicht mehr aus dem Staunen herauskommen. […] (18) Als aber Simon sah, dass durch die Handauflegung der Apostel der Heilige Geist gegeben wurde, brachte er ihnen Geld (19) und sagte: »Gebt auch mir diese Macht, damit auch bei mir jeder den Heiligen Geist bekommt, dem ich die Hände auflege!« (20) »Zur Hölle mit dir und deinem Geld! [wörtl.: Dein Geld gehe mit Dir ins Verderben]«, fuhr Petrus ihn an. »Glaubst du wirklich, du kannst die Gabe Gottes kaufen? (21) Nein, du hast weder Anteil noch Erbe an dieser Macht; denn dein Herz ist nicht aufrichtig vor Gott! (22) Bereue doch deine Verschlagenheit und bete zum Herrn! Vielleicht findest du Vergebung für die tückischen Absichten deines Herzens. (23) Ich sehe nämlich, dass dein Denken durch und durch vergiftet ist und dass du völlig an das Böse gekettet bist.« (24) Da bat Simon die Apostel: »Bitte betet doch für mich zum Herrn! Betet bitte, dass nichts von dem eintrifft, was ihr mir angedroht habt!« (25) Nachdem Petrus und Johannes nun die Botschaft von Jesus als dem Herrn bezeugt und bekannt gemacht hatten, kehrten sie nach Jerusalem zurück. Unterwegs verkündeten sie das Evangelium noch in vielen anderen Städten Samariens. (39) Als sie aber wieder aus dem Wasser stiegen, wurde Philippus plötzlich vom Geist des Herrn ergriffen und an einen anderen Ort versetzt, und der Äthiopier sah ihn nicht mehr. Trotzdem erfüllte ihn tiefe Freu171

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de, als er nun seine Reise fortsetzte. (40) Philippus aber fand sich plötzlich in Aschdod wieder. Er zog von Stadt zu Stadt und verkündigte überall das Evangelium, bis er schließlich nach Cäsarea kam.

Sprachlich-narratologische Analyse Unser Text nimmt uns im ersten Abschnitt (V. 4-13) mit hinein in die prickelnde Konfrontation zwischen einem heidnischen Zauberer und Philippus, hier der Prototyp des von Gott her mit so gewaltiger übernatürlicher Macht begabten christlichen Missionars, dass deren schierer Umfang den paganen Hexer derartig in seinen Bann schlägt. Er bringt diesen nicht nur zum Staunen, sondern sogar zum Glauben und zur Taufe. Der Spannungsbogen setzt dann aber unvermittelt zu einem zweiten Höhepunkt an. Im zweiten Abschnitt (V. 14-25) treten die Apostel Petrus und Johannes auf, die als Abgesandte der Jerusalemer Urgemeinde zum einen quasi den amtlichen Segen zur Aufnahme dieser besonderen Volksgruppe spenden und zum anderen eine besondere spirituelle Erfahrung katalysieren, das Empfangen des Heiligen Geistes. Dabei frappiert der eben noch als erfolgreich missioniert beschriebene Zauberer plötzlich dadurch, dass er ein zutiefst unethisches Ansinnen an die Apostel stellt, nämlich für Geld die Macht zu erhalten, den Heiligen Geist vermitteln zu können. Dies wird als Bestechungsversuch von den Aposteln mit aller Härte verbal gegeißelt und unter Strafandrohung und Verweis auf seinen verdorbenen Charakter abgeschmettert. Die Begegnung mit Simon schließt damit, dass dieser zurückrudert und offensichtlich Angst hat. Der Text schildert dann aber nichts mehr vom weiteren Werdegang Simons und vor allem von dessen Innenleben. Auf jeden Fall schließt die Perikope mit dem jubilierenden Fazit (V. 26), dass die Missionsarbeit in mindestens großen Teilen Samaria erfolgreich weiterwuchs. Wenn wir die rhetorische Struktur genauer betrachten, fällt vor allem die kunstvolle Komposition des ersten Teils auf. Sie ist gekennzeichnet zum einen durch die Spiegelung derselben Begriffe bei Philippus und Simon für den Zustand vor und nach der Konfrontation und zum anderen durch den Parallelismus der »Zeichen« (oberer Pfeil) und das doppelte »außer sich Geraten« (unterer Pfeil; die Tabelle ist erweitert, angelehnt an Theißen 2000, 412). Der Einsatz dieser Stilmittel vermittelt dem Leser eindrücklich die Dynamik des Geschehens. Markant ist dabei, dass προσέχειν (prosechein – hier als »sorgfältig auf etwas/ jemanden achten, seine volle Aufmerksamkeit schenken«, »jemandem anhängen«) sowohl bei Philippus als auch bei Simon steht, und beide Male im Zusammenhang mit ihren übernatürlichen Machttaten. Sprachlich gesehen werden Philippus und Simon von daher strukturell zunächst ähnlich geschildert, auch wenn der Inhalt ihrer Verkündigung unterschiedlich ist: Philippus verkündigt jemand anderen (Christus), Simons Tun hingegen zielt auf seine Selbstglorifizierung als »Kraft Gottes«.

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Konfrontation von Wunder und Magie Apg 8,6-8.13.39f.

Startsituation: Konfrontation

Entscheidung und Folge

Philippus der Missionar

Simon der Zauberer

Philippus siegt

Simon schließt sich an

8,4-8

8,9-11

8,12

8,13

Verkündigung des Christus

Er gibt vor, »etwas Großes zu sein«

Reich Gottes und Name Jesu Christi

Tun von Zeichen (σημεῖα sēmeia)

Zauberei (μαγεύων mageuōn)

Anhängen/Zuhören (προσέχειν prosechein) (dem Philippus, V. 6, bzw. dem Simon, V. 10f.) Freude

Zeichen (σημεία sēmeia) und große Machttaten (δυνάμεις μεγάλας dynameis megalas) Glauben und getauft werden (»alle« in V. 12, Simon in V. 13)

Simon als »Kraft Gottes« außer sich geraten (»alle« über Simon, ἐξιστάνειν existanein)

außer sich geraten (Simon über die Apostelwunder, ἐξιστάνειν existanein)

Tab. 5: Die Komposition des Textes

Die Kraft (ersichtlich an der Steigerung, Apg 8,13) auf der Seite des Philippus ist aber stärker und trägt den Sieg davon, erst über das Volk und dann nochmals mit besonderer Betonung auch über Simon selbst. Dieser gerät nun seinerseits »außer sich«, während es vorher noch andere waren, die das aufgrund seines Wunderwirkens taten.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Philippus und seine Töchter wurden als Erste unter den »Sternen Asiens« genannt (Eus. h.e. 3,31,3; 5,24,2) und genossen hohes Ansehen in der kleinasiatischen Kirche (bei Papias, vgl. Eus. h.e. 3,39,9). Als Mitglied des Siebenerkreises der Jerusalemer Urgemeinde (Apg 6,5) war seine Aufgabe offensichtlich eben nicht nur diakonischer, sondern stark auch missionarischer Natur. Vielleicht ist er mit Pantänus vergleichbar, der ca. 190 n. Chr. als Evangelist bis nach Indien wirkte (Eus. h.e. 5,10,1-3). Simon der Zauberer, der mit dem persischen Lehnwort für »Weiser« oder »Magier« auch »Simon Magus« genannt wird, lebte nach Justin (100-165 n. Chr.) 173

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in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. in einem Dorf namens Gitta am Westrand des samarischen Berglands (1 apol. 26). Justin berichtet weiter, dass Simon unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) in Rom auftrat, wo er »mittels der von Dämonen eingegebenen Kunst magische Krafttaten vollführte« und »für einen Gott gehalten« wurde (1 apol. 56; dial. 120,6). In diesem Zusammenhang sei ihm auch auf einer Insel im Tiber eine Statue errichtet worden mit der Inschrift »Für Simon, den heiligen Gott« (Simoni Deo Sancto). Archäologisch wurde zwar ermittelt, dass auf der Statue dort in Wirklichkeit eben nicht von »Simon Magus«, sondern nur von der sabinischen Gottheit »Semo Sancus« die Rede ist, manche versuchen den Bezug aber über eine Assoziation Semo – Zeus/Jupiter – Simon (als Zeus verehrt) zu legitimieren. Simon allerdings als Gegenstand eines lokalen samaritanischen Zeuskultes zu sehen muss als zweifelhafte Hypothese gelten. Der Einflussbereich des Simon muss tatsächlich beträchtlich gewesen sein: Laut Justins Zeugnis sollen fast alle Samaritaner und auch andere ihn als »ersten Gott« verehrt haben. Sein bedeutendster Schüler war der Häretiker Menander von Caparatteia (1 apol. 26,4), der in Antiochien lehrte, dass seine Nachfolger niemals sterben würden. Markant ist weiter Justins früher Bericht in seiner Apologie, dass Simon von einer ehemaligen Prostituierten aus Tyrus namens Helena begleitet wurde. Um diese entspann sich eine komplexe Legende mit gnostisch-dualistischen Zügen, nämlich dass sie die πρώτη ἔννοια (prōtē ennoia – erste[r] Gedanke/Idee) gewesen sei, die durch ihre Inkarnation in der materiellen Welt gefangen war und dann von ihm aus dieser »erlöst« wurde. Der Mythos entwickelte sich dahingehend weiter, dass Helena als ἔννοια (ennoia) die Schöpfung anstieß, darauf aber von den von ihr selbst geschaffenen Engeln gefangengenommen wurde und schließlich einen Weg durch mehrere Frauenkörper bis zur besagten Prostituierten nahm. Auf ähnlich abenteuerliche Weise wird der Weg des Simon zu ihr geschildert.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Literatur zu Simon Magus geht ins Uferlose (vgl. Kippenberg 1971, 329-348; Lüdemann 1975, 47; Beyschlag 1974, 106-120). Die Quellen lassen offen, ob Simon Samarier war (d.h. einer der überwiegend heidnischen Bewohner der Region) oder Samaritaner (Anhänger des JHWH-Kultes auf dem Garizim). Auch Letztere wurden aber in jüdischer Wahrnehmung als Apostaten gesehen und in die Nähe des Heidentums gerückt (Eliezer ben Hyrkanus, ca. 90 n. Chr.: »Wer das Brot eines Samaritaners isst, ist wie einer, der Schweinefleisch isst«, zit. nach Kippenberg/Wewers 1979, 106). Wie glühend die Feindseligkeiten waren, zeigt sich an der Verwüstung des Heiligtums auf dem Garizim unter Johannes Hyrkan (Flav. Jos. Ant. 13,254256.281, insgesamt vgl. Kippenberg 1971) und der Schändung des Jerusalemer Tempels durch Samaritaner um ca. 8 n. Chr. (Flav. Jos. Ant. 18,30). 174

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Konfrontation von Wunder und Magie Apg 8,6-8.13.39f.

Die Bezeichnung als »große Kraft Gottes« (V. 10) bedeutet wahrscheinlich keine direkte Selbstapotheose Simons. Bei den Samaritanern konnte der Ausdruck als Gottesname JHWHs verwendet werden (Fossum 1985, 171f.). Wahrscheinlich ist er in Richtung von »verbunden mit Gottes Macht« zu verstehen. Vgl. hierzu den urchristlichen Prophet Elchasai, der sich zur Zeit Trajans, Anfang des 2. Jh., die »verborgene Kraft« nennt (Hipp. haer. 9,13-17; 10,29; Epiph. haer. 19,2,10). Auf der anderen Seite ist die »gewaltige Kraft«, die der Engel Michael im apokryphen Text EvHebr Frgm. I nennt, offenbar göttlicher Natur, da sie sich in Maria inkarnierte. Zum Anspruch eines Wundertäters, als Gottheit verehrt zu werden, lässt sich die vielsagende Parallele in der Empedoklesvita des Diogenes Laertius (8,62) vergleichend heranziehen: Als ein unsterblicher Gott reise ich umher, nicht mehr sterblich […] mit Binden umflochten und blühenden Kränzen. Von allen […] von Männern wie von Frauen, werde ich verehrt. Und sie folgen mir zu Zehntausenden [… Sie verlangen] Weissagungen […] die anderen erbitten Auskunft bei Krankheiten aller Art, um ein heilbringendes Wort zu erfahren (Mansfeld 1986, 141).

Hier liegt eine außergewöhnliche Überschneidung mit Motiven aus der Apg vor (Kränze in Lystra: Apg 14,13; viele Nachfolger: Apg 8,10; Krankenheilungen). Sicher ist, dass Simon bereits bei Justin als Gnostiker firmiert (1 apol. 26,2) und bei Irenäus von Lyon (haer. 1,23,1-4) und Hippolyt (haer. 4,51,3-14; 6,7-20; 10,12) sogar als »Urheber aller Häresien« gilt. Seine Nachfolger, die Simonianer sind im 2. Jh. in Rom fest etabliert (Iust. 1 apol. 26,2) und verschwinden (nach Or. Cels. 1,57) im Laufe des 3. Jh. wieder. Dagegen steht allerdings Eusebius, demzufolge selbst zu seiner Zeit (260/64-339/40) noch getaufte Simonianer in christlichen Gemeinden entdeckt und ausgeschlossen werden (h.e. 2,1,11). Vieldiskutiert ist die Frage, ob Simon erst nachträglich von seinen Anhängern gnostifiziert, d.h. in seinem Anspruch, Repräsentant Gottes zu sein, soteriologisch überhöht worden ist, oder ob der historische Simon Repräsentant einer vorchristlichen samaritanischen Gnosis war. Von den mystisch-magischen Praktiken der Simonianer und deren Verehrung von Bildern, die Simon als Zeus und Helena als Athene darstellen, berichtet Irenäus (haer. 1,23,4). Ebenso spricht er von ihrer Promiskuität, obwohl Justin zugab, dass er hinsichtlich dieses Vorwurfs nicht sicher sei (1 apol. 26,3). Hier zeigt sich bereits ein Problem bei der Quellenlage (Übersicht bei Beyschlag 1974, 7-78), da die häresiologischen Texte bei Justin (1  apol. 26), Irenäus (haer. 1,23f.) und Hippolyt (haer. 6,2) sich möglicherweise mehr auf eine Bewegung beziehen, die zwar als simonianische Gnosis bezeichnet wird, deren historischer Bezug auf die Figur des Simon aus der Apg aber umstritten ist. Ähnliches gilt besonders auch für die Apophasis Megale (Große Offenbarung), die Hippolyt Simon zuschreibt. Die früher in der Forschungsgeschichte vertretene These, Simon selbst sei bereits Vertreter einer vorchristlichen Gnosis gewesen (Lüdemann 1975), gilt heute als umstritten oder wird abgelehnt (Theißen 2000, 407; Beyschlag 1974; Berger 1994). 175

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Diese Einschätzung beruht mit auf dem Argument, dass viele der Quellen, denen wir unsere Kenntnis der Gnosis verdanken, erst aus nachneutestamentlicher Zeit stammen (hermetische Gnosis, Manichäismus, Nag-Hammadi-Texte) bzw. in Exzerpten erhalten sind, die bereits Spuren christlicher Apologetik tragen. Mit anderen Worten: Die Quellenlage ist zu unsicher für verlässliche Schlussfolgerungen hierzu. Der übernatürliche Ortswechsel des Philippus erinnert an die Entrückungen Elijas (2 Kön 2,16f.) und Ezechiels (Ez 3,12-14; 8,1-3; 11,24). Aus dem hellenistischen Bereich lassen sich Pythagoras, der am selben Tag in Croton und Metapontion gesehen wurde (Apollon. Hist. mirab. 6; Ael. Var. Hist. 2,26; 4,17, vgl. Iamb. vit. Pyth. 28,134.136; Porph. vit. Pyth. 27; Burkert 1962, 117-120; Kollmann 2000b, 560) und Apollonius von Tyana, der in einem einzigen Augenblick den Weg von Smyrna nach Ephesus bewältigt (Philostr. vit. Ap. 4,10), vergleichend heranziehen. Als alttestamentliche verwandte Motive zum Philippusbericht sind das Gottesurteil auf dem Karmel in 1 Kön 18 (Trocmé 1957, 180) und die Heilung Naamans in 2 Kön 5 (Brodie 1968, 41-67) vorgeschlagen worden.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Ein entscheidender Knackpunkt unseres Textes liegt darin, dass Simon und Philippus als Konkurrenzfiguren, als teilweise vom Typus her ähnliche Wundercharismatiker gekennzeichnet werden (Klauck 1996, 24-30). Das wird unterstrichen durch den überlieferten Anspruch Simons, »Prophet wie Mose« zu sein (Or. Cels. 57; Pseudo-Klementinen: PsClem H 2,22-24/PsClem R 2,7,2, »der Stehende«; vgl. Spencer 1992, 117f.). Darüber hinaus ist das Selbstverständnis Simons als »große Kraft« »nicht so weit entfernt von dem, was man als Christusrepräsentanz der christlichen Boten verstehen könnte« (Klauck 1996, 26). Ihn deshalb als genuinen Vertreter eines samaritanischen Christentums hochstilisieren zu wollen (Berger 1994, 313-317), ist dann aber doch zu weit hergeholt. Vielmehr ist die Mission des Philippus charakterisiert durch ihren Verweischarakter auf den »Namen Jesu Christi«, der das Wundergeschehen in die Verkündigung der Königsherrschaft Gottes einbindet. Das Versöhnungsmotiv vom Eingang der Heiden in das Volk JHWHs (Jes 56,3) klingt stark mit an (Bauernfeind 1939, 122; Schneider 1980, 498) und entspringt einem gemeinsamen theologischen Milieu (Dobbeler 2000, 41). Mit einer ungewöhnlich starken Betonung von Geist und Prophetie (Hengel 1984, 69) wird die »prophetische Selbstauffassung« des hellenistischen Kreises von Philippus »als Pneumatiker schlechthin« geschildert (Berger 1995, 140-149). Seine Vorreiterrolle besteht im Durchbrechen sozialer und religiöser Grenzen in der Mission (Spencer 1992). Der Protagonist ist in diesem Sinne Werkzeug zur Erfüllung göttlicher Verheißungen – und das paradoxerweise eben trotz der Tatsache, dass seine Missionstätigkeit mit dem an sich negativen Ereignis der Vertreibung aus Jerusalem zusammenhängt. Thematisiert wird auch das Verhältnis von spiritueller Macht und Macht des Wortes (Avemarie 2002, 202). Die Antwort der Perikope lautet: 176

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Wort und Wunder werden bei Philippus nicht gegeneinander ausgespielt, sondern ergänzen sich und bilden das Fundament für einen Dienst, der in der Kontinuität des Auftretens Jesu steht. Damit verkörpert die Perikope beispielhaft das, was P. Samain als »Stellvertreterkonflikt« bezeichnet hat: Gott und Teufel entsenden ihre Emissäre, die dann, ausgestattet mit der numinosen Macht ihrer Seite, miteinander in Wettstreit treten (Samain 1938).Von daher ist der Vergleich mit dem Duell zwischen Mose und den Zauberern in Ägypten durchaus nicht verfehlt, wenn auch nicht direkt im Text enthalten. Der Abschnitt stellt auf so frappante Art den Siegeszug der apostolischen Mission (und damit Gottes über den Teufel im oben angegebenen Sinne) dar, dass es ihr häufig den Vorwurf eingetragen hat, redaktionell zu sein. Mindestens der historische Kern von Simon als Magier, »großer Kraft Gottes« und dem Taufmotiv wird jedoch durch ganz verschiedene und teilweise von der Apg unabhängige Quellen belegt (Logan 2000). Gleichzeitig steht dadurch, dass im Zuge der Mission die Gegnerschaft zu den Samaritanern überwunden wird, implizit ein versöhnendes Motiv mit im Mittelpunkt. Mit hier hineingewoben ist die Vollmacht der Apostel, Gemeindezucht und Ermahnung zu üben, und vielleicht etwas vom Konzept des Philippus als eines »Champions der Randgruppen« (Matthews 2002, 217). Dem »missionarischen Doppelbildnis« (Wildhaber 1987, 54, Anm. 4) des Missionars könnte somit paradigmatischer Charakter im Sinne des Selbstverständnisses der hellenistisch-judenchristlichen Gruppe zukommen, zu der Philippus gehörte.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Ins Kirchenrecht hat, ausgehend von dieser Perikope, der Ausdruck »Simonie« für Ämterkauf Eingang gefunden. In kunstgeschichtlicher Hinsicht ist die Episode vom »Flug und Fall des Simon Magus« am meisten rezipiert worden. Die älteste Version findet sich in den Petrusakten (ActPetr 32). Spätere Variationen (vgl. Beyschlag 1974, 59f.) bezeugen Arnobius, die syrische Didaskalia, die Apostolischen Konstitutionen (4. Jh.) und schließlich die Verwebung der Stoffe in der Legenda Aurea, die im Mittelalter weite Verbreitung fand. Gemeinsamer Kern der Berichte ist ein Wunderwettkampf zwischen Petrus und Simon in Rom vor Nero, welchen Petrus gewinnt, indem er Simon durch Gebet zum Absturz bringt. In den Acta Petri wird zudem berichtet, wie Petrus einem Hund das Sprechen und Prophezeien beibringt, der sich daraufhin zu Simon begibt und ein Streitgespräch mit ihm führt (ActPetr 9). Der Vorfall dient mit zur Bekehrung des Marcellus. In Passio Sanctorum Apostolorum Petri et Pauli findet sich die Geschichte davon, wie Petrus die von Simon angesichts einer Konfrontation vor Nero herbeigezauberten gefräßigen Hunde mit gesegnetem Brot abwehrte. Eine spezielle Simon-Tradition wird von Hieronymus in seinem Brief an Ktesiphon (Hier. ep. 133,4) überliefert, datiert um 415, in dem er die Verderbtheit der 177

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priscillianischen Sekte dadurch beweist, dass er ihr eine Art »häretisch-apostolische Sukzession« in ungebrochener Linie von Simon aus attestiert. Wirklich einmalig in der häresiologischen Literatur ist, dass er gleichzeitig eine Sukzession der weiblichen Kollaborateure der Ketzer aufstellt, beginnend mit Simons Helena bis hin zu den zahlreichen Nachfolgerinnen Priscillians, für die dieser bekannt war. Im keltischen Irland und angelsächsischen England fanden sich kreative Adaptationen der Simon Magus-Legenden, so von seiner Kollaboration mit Mog Ruith, einem druidischen Priester, mit dem Ziel, Johannes den Täufer zu köpfen (Ferreiro 2005, Kap. 10). Im Blick auf Philippus ist nicht zuletzt dessen Translokation auf besonderes Interesse gestoßen. In der späteren hagiographischen Literatur finden sich verschiedene Geschichten, in denen das Thema des »wunderhaften Transports« wieder aufgenommen wird. Zu den frühesten gehört diejenige über eine Gründergestalt des Mönchtums, Ammon (Amun, † 350), den Begründer der Mönchskolonie der nitrischen Wüste in Unterägypten. Von ihm wird berichtet, dass er während einer Reise mit seinem Schüler Theodoret auf wunderhafte Weise über einen Fluss teleportiert wurde, nachdem er sich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, nackt hinüberzuschwimmen. Von Dominik († 1221) lesen wir, dass er sich bei einer nächtlichen Gebetswache vor einer verschlossenen Kirchentür plötzlich auf unerklärliche Weise mit einem Mönchsbruder ins Innere vor den Altar versetzt fand. Besonders hervorstechend ist weiter die Figur des Antonius von Padua († 1231). Er habe sich von Padua nach Lissabon teleportiert, um dort die Leiche eines Ermordeten für kurze Zeit vom Tod zu erwecken. Durch deren verbales Zeugnis sei dann die drohende Verurteilung eines Unschuldigen (des Vaters des Heiligen) abgewandt worden. Martin von Porres († 1639) wurde von seinen Kollegen auch der »fliegende Bruder« genannt. Ihm wird u.a. zugeschrieben, absichtlich, kraft seines Gebets, einmal nicht nur sich selbst, sondern gleich noch 30 Novizen mit sich auf wunderhafte Weise zurück zum Kloster versetzt zu haben, um sie pünktlich wieder zur Gebetszeit in den Chor zurückzubringen. Außerdem ist eine überraschend lange Liste katholischer Heiliger mit Berichten über Levitationsphänomene überliefert (Cruz 1997; vgl. oben die Schilderungen des Wettkampfs mit Petrus in Rom). Im Wesentlichen lässt sich sagen, dass Simon Magus als Erzvater der Häresie, historisches Urbild des Ämterkaufs und Sinnbild überwundener heidnischer Zauberei im kulturellen Gedächtnis erhalten blieb und dass sich bei Philippus überraschende Parallelen zu später berichteten Phänomenen zeigen. Dass Philippus weithin Stiefkind der neutestamentlichen Forschung blieb, verblüfft eigentlich angesichts seiner bedeutenden Rolle in der Mission und besserte sich erst in jüngerer Vergangenheit mit dem Erscheinen mehrerer ausführlicherer Studien (Dobbeler 2000; Matthews 2002; vgl. auch Kollmann 2000b). Wolfgang von Ungern-Sternberg

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Literatur zum Weiterlesen A. von Dobbeler, Der Evangelist Philippus in der Geschichte des Urchristentums. Eine prosopographische Skizze, TANZ 30, Tübingen 2000. A. Ferreiro, Simon Magus in Patristic, Medieval, and Early Modern Traditions, Leiden/Boston 2005. S. Haar, Simon Magus. The First Gnostic?, BZNW 119, Berlin/New York 2003. H.-J. Klauck, Magie und Heidentum in der Apostelgeschichte des Lukas, SBS 167, Stuttgart 1996. B. Kollmann, Philippus der Evangelist und die Anfänge der Heidenmission, Biblica 81 (2000b), 551-565. C. R. Matthews, Philip, Apostle and Evangelist. Configurations of a Tradition, Leiden/Boston 2002. G. Theißen, Simon Magus – die Entwicklung seines Bildes vom Charismatiker zum gnostischen Erlöser, in: K. Berger et al. (Hg.), Religionsgeschichte des Neuen Testaments. FS K. Berger, Tübingen 2000, 407-432.

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Blind werden, um in Wahrheit zu sehen! (Die Heilung des Paulus) Apg 9,1-19 (22,1-21; 26,9-23) (9,1) Saulus aber, der noch von Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn schnaubte, ging zum Hohepriester hin (2) und verlangte von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit, wenn er einige, die von dem »Weg« sind, fände, Männer und Frauen, sie gefesselt nach Jerusalem führe. (3) Während er aber dahinzog, geschah es, dass er sich Damaskus näherte, und plötzlich umstrahlte ihn Licht aus dem Himmel, (4) und auf die Erde gefallen hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach: »Saul, Saul, was verfolgst du mich?« (5) Er sprach aber: »Wer bist du, Herr?« Der aber (antwortete): »Ich bin Jesus, den du verfolgst. (6) Doch steh auf und geh in die Stadt hinein, und es wird dir gesagt werden, was du tun musst.« (7) Die Männer aber, die mit ihm unterwegs waren, standen sprachlos da, denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. (8) Saulus stand aber von der Erde auf; als aber seine Augen sich öffneten, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber an der Hand und führten ihn nach Damaskus hinein. (9) Und er war drei Tage nicht sehend, und er aß nicht und er trank nicht. (10) Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias, und zu ihm sprach in einem Gesicht der Herr: »Hananias!« Der aber antwortete: »Siehe, (da bin) ich, Herr!« (11) Der Herr aber (sprach) zu ihm: »Steh auf und geh zu der Gasse, welche ›die Gerade‹ heißt, und suche im Haus des Judas einen mit Namen Saulus, einen Tarser! Denn siehe, er betet, (12) und er hat in einem Gesicht einen Mann mit Namen Hananias hereinkommen und ihm die Hände auflegen sehen, damit er wieder sehend würde.« (13) Es antwortete aber Hananias: »Herr, ich hörte von vielen über diesen Mann, wie viel Schlechtes er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; (14) und hier hat er Vollmacht von den Hohepriestern, alle zu fesseln, die deinen Namen anrufen.« (15) Es sprach aber zu ihm der Herr: »Geh nur, weil mir dieser ein Werkzeug der Erwählung ist, zu tragen meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels; (16) denn ich werde ihm zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss.« (17) Hananias ging aber weg und trat in das Haus und legte ihm die Hände auf und sprach: »Saul, Bruder, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir erschien auf dem Weg, auf dem du kamst, damit du wieder siehst und erfüllt wirst mit dem Heiligem Geist.« (18) Und sogleich fiel es wie Schuppen von seinen Augen, und er konnte wieder sehen. Und er stand auf und ließ sich taufen (19) und er nahm Nahrung zu sich und kam (wieder) zu Kräften. Er blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus.

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Sprachlich-narratologische Analyse Der folgende Bericht, der gewöhnlich als Bekehrung des Saulus bzw. Paulus bekannt ist, gehört zu den Schlüsselszenen der Apostelgeschichte. Lukas erzählt dreimal von der Wandlung des Saulus vom aktiven und scharfen Christenverfolger zum Zeugen des auferstandenen und erhöhten Jesus Christus (vgl. Apg 22,1-21; 26,9-23). Das weist auf die Bedeutung hin, welche der Auctor ad Theophilum diesem Ereignis beimisst. In Apg 9 liegt ein Bericht des Verfassers vor, in Apg 22 und 26 handelt es sich um literarisch fingierte Selbstberichte des Paulus. Die erste Wiederholung (Apg 22,1-21) steht im Rahmen der Verteidigungsrede, die der vom römischen Militär festgenommene und damit vor dem Lynchen durch Juden bewahrte Paulus von einer Treppe des Tempelplatzes an die versammelten Jerusalemer und Festpilger hält. Die zweite Wiederholung (Apg 26,9-23) findet sich in einer Verteidigungsrede, die Paulus an den jüdischen König Agrippa II. und dessen Schwester Berenike in Anwesenheit des römischen Statthalters Festus hält. Es ist bemerkenswert, dass das in Apg 9,1-19 als Bekehrung des Saulus/Paulus dargestellte Damaskus-Ereignis in den beiden Wiederholungen stärker als seine Berufung zum Völkermissionar und Zeugen des auferstandenen und erhöhten Christus gedeutet wird. Die Erzählung besteht aus der Einleitung, zwei Visionsberichten und dem Bericht von der Ausführung des Auftrags. In der Einleitung (V.  1-2) werden der Seher und sein Vorhaben vorgestellt. Im ersten Visionsbericht (V.  3-9), in dem die Vision des Saulus beschrieben wird, lassen sich der Visionsvorgang (V.  3-6) und die Wirkungen der Vision auf den Seher selbst und auf seine Begleiter (V. 7-9) unterscheiden. Der zweite Visionsbericht (V. 10-16), der die Vision des Hananias zum Inhalt hat, setzt sich aus der kurzen Vorstellung des Sehers und dem Visionsvorgang zusammen. Der letzte Teil ist der Bericht über die Ausführung des in der Vision empfangenen Auftrags durch Hananias (V. 17-19). Paulus wird geheilt. Im Kontrast zu den vorangehenden Philippus-Geschichten wird dem Leser der Mann ins Gedächtnis gerufen, der im Zusammenhang mit dem Stephanusmartyrium in die Apostelgeschichte eingeführt (Apg 7,58) und als großer Verfolger der Jerusalemer Christen charakterisiert wurde (Apg 8,3). Jetzt erscheint er wieder als Christenfeind, der die Initiative übernimmt. Saulus geht zum Hohenpriester und verlangt von ihm die Vollmachtsbriefe, um die Christen von Damaskus, die als »die Jünger des Herrn« gekennzeichnet sind, festzunehmen. Auf dem Weg nach Damaskus, kurz vor dem Erreichen der Stadt umstrahlt ihn plötzlich ein himmlisches Licht (vgl. Apg 22,6: »um Mittag«). Das Motiv der Lichterscheinung lässt den Leser an eine Theophanie denken (z.B. Ex 24,15-18; Ps 29,7; Ez 1,4-28). Es ist aber keine Rede davon, was Paulus in dem himmlischen Licht sieht. Die Wucht der Erscheinung stürzt ihn zu Boden (vgl. 26,14: alle fallen nieder), was auch an eine Epiphanie erinnert (z.B. Ez 1,28; Dan 8,17; 10,9). Die Lichterscheinung und das Zu-Boden-Stürzen bilden den erzählerischen Rahmen. Nun hat der zu Boden geworfene Saulus eine Audition. Die Stimme stellt ihm eine vorwurfsvolle Frage. Die doppelte Anrede erhöht noch das Gewicht des 181

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Ausspruchs: »Saul, Saul«, die in der Muttersprache des Paulus formuliert ist. Paulus, der zwar eine überirdische Gestalt reden hört, sie aber nicht genauer identifizieren kann, tritt in einen Dialog ein. Er fragt nach der Identität des ihm erschienenen »Herrn« (κύριος kyrios). Als Antwort nennt der sprechende Herr seinen menschlichen Namen »Jesus«. Die Offenbarungsformel ἐγώ εἰμί (egō eimi – ich bin) lässt Paulus und dem Leser keinen Zweifel daran, dass der erschienene Herr der auf Erden dagewesene Jesus ist, den der zu Boden Gefallene bis jetzt bekämpft hat. Ähnlich wie in anderen biblischen Erscheinungsgesprächen (z.B. Gen 31,13; 46,3; Ex 3,9f.) schließt sich an die Selbstpräsentation Jesu ein Auftrag an. Paulus soll aufstehen und in die Stadt gehen, aber jetzt nicht mehr, um die Christen von Damaskus zu verfolgen, sondern um in der dortigen Gemeinde den eigentlichen Auftrag Gottes für seine Zukunft zu bekommen, auf welchen die Wendung »es wird dir gesagt werden« (Passivum Divinum) hinweist. Bis jetzt hat ihm der Kyrios seinen eigentlichen Willen nicht kundgetan. Der Leser erfährt jetzt, dass Saulus unterwegs nicht allein war. Lukas erwähnt zum ersten Mal die Begleiter des Saulus und zeigt die Wirkung der Erscheinung auf sie. Diese Männer, die nicht näher charakterisiert werden, stehen sprachlos in numinosem Schrecken da; denn sie hören die Stimme, sind Zeugen der Offenbarung, sehen aber niemanden (vgl. 22,9: die Begleiter sehen zwar Licht, aber hören die Stimme nicht). Adressat und Empfänger der Erscheinung ist Saulus allein. Der Weisung des Kyrios folgend, steht er auf und beim Öffnen der Augen merkt er, dass er nichts sieht. An der Hand geleiten ihn seine Begleiter in die Stadt. Der drei Tage dauernde Verlust der Sehkraft und das Fasten sind Wirkungen der erlebten Erscheinung. Mit einem Szenenwechsel beginnt der zweite Visionsbericht. Dem Leser wird eine neue Person vorgestellt, von der schon in V. 6b als dem Mittler des Auftrags Jesu die Rede war. Der ist ein in Damaskus lebender Christ namens Hananias, der hier als »Jünger« Jesu und in 22,12 als »ein frommer Mann nach dem Gesetz, mit gutem Zeugnis von allen [in Damaskus] wohnenden Juden« bezeichnet ist. Wie zuvor Saulus hat jetzt Hananias eine Vision des Kyrios. Mit der Anrede: »Hananias!« – diesmal nicht verdoppelt – wendet sich der Herr an ihn und tritt mit ihm in ein Gespräch ein. Der Visionär antwortet nicht – wie Saulus – mit einer Gegenfrage, sondern gibt spontan seine Bereitschaft kund, eine Weisung entgegenzunehmen (vgl. Gen 22,1; 1 Sam 3,4.6.8). Deshalb erhält er sofort vom Herrn den Auftrag, in die »Gerade Straße« zu gehen und dort im Haus des Judas nach Saulus, dem Tarser, zu fragen. Der Leser erfährt zum ersten Mal, dass Paulus aus Tarsus stammt. An den Auftrag fügt der Herr eine doppelte Motivierung an. Er weist Hananias darauf hin, dass Saulus betet und dass er bereits in einer Vision den Besuch des Hananias und seine Heilung durch die Handauflegung gesehen hat. Das Gebet des Saulus zeigt, dass sich nach der Begegnung vor Damaskus eine innere Wandlung in ihm vollgezogen hat. Nun entsteht eine Spannung. Nach solchen Argumenten des Kyrios erwartet der Leser, dass Hananias unverzüglich aufbricht. Es kommt aber zunächst anders. Hananias erhebt Einwände gegen den Auftrag Gottes (vgl. Ex 3,11; Jer 1,4-10), da er von der Verfolgertätigkeit des Saulus gegenüber den Jerusalemer 182

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Christen und von seinen Plänen bezüglich der Christen in Damaskus gehört hat. Damit soll die Aufmerksamkeit auf das folgende Geschehen gelenkt und dem Leser noch einmal bewusst gemacht werden, welch einen gefährlichen Christenverfolger der Kyrios überwunden hat und wie unglaublich groß die Bekehrung des Saulus war. Der Herr weist aber den Einwand des Hananias zurück und wiederholt seinen Auftrag an ihn (vgl. 22,18-21). Er soll Saulus aufsuchen. Dann formuliert der Kyrios den eigentlichen Auftrag für Saulus. Der ehemalige Verfolger ist sein »auserwähltes Werkzeug« (V. 15b; vgl. Gal 1,15), das heißt er steht dem Herrn total zur Verfügung. Der Kyrios hat Saulus dazu bestimmt, seinen Namen »vor Völker und Könige und die Söhne Israels« zu tragen (V. 15c; vgl. 22,15.21; 26,16-18). Dem Leser wird Bescheid gegeben, dass Saulus zum Missionar der Heiden wie Juden erwählt wurde. Der Mann, der bisher die Jünger des Herrn hat leiden lassen, wird von nun an als Christuszeuge viel leiden müssen (V. 16; vgl. 13,50; 14,19f.; 16,19-24; 21,27-36). Das Leiden für den Namen Christi ist der Erweis und die Konsequenz seines Zeugnisses. Nach dieser Antwort des Herrn macht sich Hananias endlich auf den Weg, um den Auftrag auszuführen. Er geht in das Haus des Judas und »vollzieht die üblichen Gesten einer Wunderheilung« (Dormeyer/Galindo 2003, 147). Hananias legt Saulus die Hände auf, spricht ihn in der Muttersprache mit seinem hebräischen Namen »Saul« und als christlichen »Bruder« an und erklärt ihm seinen Auftrag. Dabei stellt sich Hananias als Bote des vor Damaskus erschienenen Herrn vor, dessen Kommen darauf abzielt, dass Saulus wieder sieht und den Heiligen Geist empfängt. Die Gabe des Geistes noch vor der Taufe soll den Leser auf eine Sonderstellung des Saulus in der Kirche hinweisen. Die Handauflegung des Hananias heilt sofort. Saulus fällt es »wie Schuppen von den Augen« (vgl. Tob 11,7.12) und er kann wieder sehen. Er erhebt sich selbständig vom Boden und lässt sich taufen. Die (Wunder-)Erzählung endet mit einer weiteren Demonstration der Heilung. Saulus beendet das Fasten, nimmt wieder Nahrung zu sich und kommt dadurch zu Kräften. Er wird von den Christen von Damaskus angenommen und bleibt einige Tage bei ihnen.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Nach dem Zeugnis des Josephus (Bell. 2,559-561) gab es in Damaskus eine große jüdische Diaspora. Sein Schweigen über die Christen lässt sich dadurch erklären, dass für ihn die Christen noch zum Judentum gehören. Unmöglich scheint aber, dass Saulus die gefesselten Christen nach Jerusalem abführen sollte. In Damaskus, einer Stadt der Dekapolis, gab es ein Nabatäerviertel, in dem der Ethnarch des Nabatäerkönigs Aretas IV. Polizeigewalt hatte (vgl. Riesner 1994, 66-68; Hengel/Schwemer 1998, 80-101; Eckey 2011, 287) und bestimmt Jerusalem seine Bürger nicht ausgeliefert hätte. Saulus konnte die Christen allenfalls den Behörden von Damaskus übergeben. Die Vision des Auferstandenen entspricht den Erlebnissen des historischen Paulus, der sich der »Visionen«, »Offenbarungen« und »Entrückungen« rühmt 183

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(2 Kor 12,1-3). In der Apostelgeschichte sind die ekstatischen Phänomene wie Visionen, Offenbarungen und Prophezeiungen als Wirkungen des Pfingstereignisses zu verstehen (vgl. Najda 2005, 212-214). Der vorübergehende Verlust der Sehkraft ist die Wirkung der Epiphanie und soll nicht als Strafe verstanden werden, sondern als Ausdruck der Ohnmacht und der inneren Unklarheit. Der bisherige Verfolger sieht das gesetzte Ziel seines Weges nicht und ist auf die Hilfe seiner Reisegefährten angewiesen. Blind befolgt er den Auftrag des Herrn: Er geht in die Stadt hinein und begibt sich zur »Geraden Straße«. Es geht um die (bis heute existierende) einst prachtvolle Hauptstraße mit Säulenhallen, die Damaskus von Westen nach Osten durchquerte. Saulus wird in das Haus des Judas geführt. Dort sucht ihn Hananias auf. Das Haus kann bis heute archäologisch nicht sicher lokalisiert werden.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Begegnung des Saulus mit dem Herrn vor Damaskus ist keine Erfindung des Lukas. Paulus spricht von ihr in seinen Briefen (Gal 1,15f.; 1 Kor 9,1; 15,8; 2 Kor 4,6) und stellt sie als Offenbarung dar, in der er vom auferstandenen und erhöhten Jesus Christus berufen und beauftragt wurde, das Evangelium unter den Heidenvölkern zu verkündigen (Najda 2004, 47-52). Paulus betont, er habe den Herrn gesehen (1 Kor 9,1), der Auferstandene sei ihm »gleich wie der Fehlgeburt« erschienen (1  Kor 15,8; vgl. 2  Kor 4,6). Die Christuserscheinung vor Damaskus hat für ihn höchste Bedeutung und ist für ihn nicht nur der Akt der göttlichen Erwählung, Berufung und Sendung, das Evangelium unter den Heidenvölkern zu verkündigen (Gal 1,15f.), sondern dient auch der Legitimation seines Apostolats. Von seiner Bekehrung vor Damaskus erzählte man in den christlichen Gemeinden, woran Paulus selbst in Gal 1,23f. erinnert. Im Bericht Apg 9,1-19 (ebenso in 22,1-21; 26,9-23) greift Lukas auf diese auf Paulus selbst zurückgehende Tradition zurück. Das Damaskusereignis stellt er wie eine Berufungsgeschichte dar. In allen drei Berichten benutzt er ein bestimmtes Schema, welches auch schon bei Berufungs- bzw. Erscheinungsdarstellungen in der LXX (z.B. Gen 46,2; Ex 3,4-10; Jes 6,1-13) und im Frühjudentum begegnet. Die Ähnlichkeiten des Berichtes Apg 9,1-19 mit den prophetischen Berufungsgeschichten sind nicht zu übersehen (Najda 2004, 237-241). Folgende Entsprechungen sind zu erwähnen: Der Berufungsvorgang geschieht in Form einer Vision (vgl. Jes 6,1-10; Jer 1,4-10; Ez 1-3); die mit der Vision verbundene Audition vollzieht sich im Rahmen eines Dialogs (vgl. Jes 6,8; Jer 1,4f.; Ez 2,1); der Kyrios spricht Saulus mit seinem Namen an (vgl. 1 Sam 3,6); das Motiv des Lichtes, das Saulus plötzlich umstrahlte (vgl. Ez 1,4-28), das Zu-Boden-Stürzen des Saulus (vgl. Ez 1,28; Dan 8,17; 10,9) und die göttliche Erwählung vollziehen sich in dem Geschehen der Berufung (vgl. Jer 1,5; Jes 42,1; 49,7); Saulus weiß sich unwürdig und ungeeignet, von Gott berufen zu werden (vgl. Jer 1,6; Jes 6,5; Am 7,14f.); er erblindet (vgl. Jes 6,7; Jer 1,9; Ez 2,8-3,3; 3,15); der Auftrag Gottes erscheint als Resultat der 184

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Berufungsvision/-audition (vgl. Jes 6,9f.; Jer 1,10; Ez 2,3); Saulus wird mit dem Geist ausgerüstet (vgl. 1 Sam 10,6.10; 19,20-24; 2 Kön 2,16; Hos 9,7; Mi 3,8; Ez 3,12.14; 8,3; 11,5). Die Erzählung Apg 9,1-19 ist auch mit dem Bericht von der Berufung Sauls (1 Sam 9,1-10.16) zu vergleichen (Storm 1995, 32-38). Auffällig sind folgende Übereinstimmungen: eine Reise und eine dabei erfolgende Berufung, die Berufung bzw. Salbung durch einen anderen und die Geistbegabung. Zu erwähnen sind auch weitere Entsprechungen: Die Reise wird von einem anderen befohlen (1  Sam 9,1-5); unterwegs findet eine unerwartete Begegnung statt, und es ergeht die Aufforderung, in die nächste Stadt zu gehen (1 Sam 9,6a); jemand anderer, der Auskunft gibt, weiß, was weiter zu tun ist (1 Sam 9,6b-13), Gott sendet einen anderen Menschen zur Berufung Sauls (1 Sam 9,15-17), der Auftrag des von Gott Gesandten ist die Berufung eines anderen (1 Sam 9,16). In der Erzählung kann man außerdem viele inhaltliche und formale Parallelen zu der sogenannten Heliodorlegende aus 2 Makk 3 finden. Diese berichtet davon, wie König Seleukos IV. seinen Kanzler Heliodor beauftragt, die Schatzkammer des Jerusalemer Tempels zu plündern. Durch eine machtvolle Epiphanie wird er daran gehindert. Als Heliodor sich bereits in der Schatzkammer befindet, erscheint ein Pferd mit einem goldgepanzerten Reiter, das mit den Vorderhufen nach Heliodor auskeilt, dazu zwei herrlich gekleidete junge Männer, die ihn durchpeitschen (2 Makk 3,25f.). Heliodor stürzt, von Blindheit geschlagen, wird weggetragen und liegt stumm und hoffnungslos auf einer Bahre (2 Makk 3,27-30). Erst als der Hohepriester Onias mit Rücksicht auf den König ein Sühnopfer darbringt, wird Heliodor aus dem Bann gelöst; die jungen Männer erscheinen ihm wieder und befehlen ihm, Onias dankbar zu sein und die gewaltige Macht Gottes zu verkündigen (2  Makk 3,33f.). Heliodor überzeugt seinen König von der Unangreifbarkeit des Jerusalemer Heiligtums (2 Makk 3,39). Doch die Epiphanie, das Zu-Boden-Stürzen des Verfolgers, seine Blendung, tagelange Apathie und Wiederherstellung durch Gott betreffen als Parallelen weitgehend nur den ersten Teil der lukanischen Erzählung (Apg 9,1-9). Bemerkenswert ist außerdem der Vergleich mit dem hellenistisch-jüdischen Roman »Josef und Asenet« (JosAs 1-21). Ausgehend von Gen 41,45 schildert der Roman, wie Asenet, die Tochter des ägyptischen Priesters, durch die Begegnung mit Josef in ihrer hochmütigen Verachtung der Juden und ihres Gottes erschüttert wird. Durch die Buße und Bekehrung zum wahren Glauben wird sie auch zur Vereinigung mit Josef geführt. Asenet sieht ein »unsagbar großes Licht«, aus dem der Erzengel Michael als Gottesbote hervortritt (JosAs 14,2f.), sie stürzt zu Boden, wird vom Engel mit ihrem Namen angesprochen und antwortet: »Wer bist du? Tu es mir kund!« (JosAs 14,6f.). Während der Zeit ihrer Buße verzichtet sie auf Speise und Trank (JosAs 10,2) und am Ende der Buße nimmt sie Nahrung auf (JosAs 16) und empfängt den Geist (JosAs 19,11). Auch hier gehen die Parallelen nicht über einzelne Motive hinaus. Anders als bei Wundern, die durch Apostel getan werden (z.B. Apg 3,6; 9,34), wird hier der Name Jesu nicht angerufen oder genannt. Die Handauflegung heilt 185

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sogleich. Saulus kann wieder sehen. Es wird erfüllt, was er in der Vision (Apg 9,12) gesehen hat. Er steht auf und lässt sich von Hananias taufen (vgl. Röm 6,3; 1 Kor 12,13). Die Taufe bringt die plötzliche, radikale Lebenswende des Saulus zum Ausdruck.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erblindung des Paulus vor Damaskus und die spätere Wiederherstellung der Sehkraft lassen sich rationalistisch, tiefenpsychologisch, kulturanthropologisch oder kerygmatisch interpretieren. Bei der Suche nach einer rationalistischen Deutung des Damaskuserlebnisses, die der kritischen Vernunft standhält, erfreute sich im 18. und 19. Jh. die Gewitterhypothese großer Beliebtheit (vgl. Reichardt 1999, 18-26). Sie führt die Christusvision auf eine Sinnestäuschung des Paulus während eines schweren Unwetters zurück und betrachtet die vorübergehende Erblindung als Folge eines Blitzschlages. Ebenfalls in den Bereich des Rationalismus gehört der Versuch, die Erblindung des Paulus als Begleiterscheinung eines epileptischen Anfalls zu verstehen. Der plötzliche halluzinatorische Sinneseindruck, der jähe Sturz, die zunächst reglose Position auf dem Boden, dann aber wieder das selbständige Aufstehen – diese Symptomenkombination hat schon im Mittelalter die Vermutung aufkeimen lassen, dass es sich bei dieser Attacke möglicherweise um einen epileptischen Anfall gehandelt hat. Auch die sich anschließende mehrtägige Blindheit des Gestürzten lässt sich zwanglos in ein epileptisches Geschehen einordnen: Die iktale und/oder postiktale Amaurose, also die im oder nach dem Anfall auftretende Blindheit, die Sekunden, Minuten, Stunden oder auch einige Tage anhalten kann, ist für ein epileptisches Geschehen, das im Bereich des Sehzentrums (im hinteren Pol des Großhirns) seinen Ausgang nimmt, nicht ungewöhnlich. Dazu würde auch die optische Halluzination am Beginn des Anfalls (›ein Licht vom Himmel‹) passen (Schneble 2003, 68).

Tiefenpsychologisch lässt sich die vorübergehende Erblindung des Paulus als psychogenes Phänomen im Kontext des katastrophenartigen Durchbruchs einer schweren seelischen Krise erklären. Über die Ursachen der seelischen Zerrissenheit des Paulus gibt es unterschiedliche Theorien. Die tiefenpsychologischen Deutungsmodelle machen wahlweise unter dem Einfluss von Sigmund Freud unterdrückte sexuelle Begierden, im Gefolge von Carl Gustav Jung einen unbewussten Christuskomplex oder in Anlehnung an Erik H. Erikson eine tiefe Identitätskrise des Paulus für das Damaskuserlebnis verantwortlich (vgl. Reichardt 1999, 58-88; Kollmann 2013, 80-90). Carl Gustav Jung, dem zufolge Paulus schon vor seiner Bekehrung unbewusst Christ war, geht bei der Erblindung vor Damaskus von einem psychogenen Nichtsehenwollen des Paulus aus. Im Moment des Damaskusgeschehens habe sich der unbewusste Christuskomplex mit dem Ich des Paulus verbunden. Weil Paulus sich aber immer noch nicht als Christen habe sehen wollen, sei er aus Widerstand dagegen vorübergehend blind geworden und habe nur durch einen Christen davon geheilt werden 186

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Blind werden, um in Wahrheit zu sehen! Apg 9,1-19 (22,1-21; 26,9-23)

können. Dieser Widerstand sei auch später bei Paulus nie ganz erloschen, sondern in seinen Anfällen (vgl. 2 Kor 12,7), die man fälschlicherweise als Epilepsie erkläre, zeitweilig wieder hervorgebrochen (Jung 1990, 115). Diese Hypothese wird beispielsweise von Gerd Lüdemann zustimmend rezipiert (Lüdemann 1994, 110-112). Aus kulturanthropologischer Perspektive wird von Christian Strecker der Versuch unternommen, das Damaskuserlebnis vor dem Hintergrund der rituellen Initiation von Schamanen, Mystikern oder Propheten in seiner tieferen Bedeutung zu erfassen (Strecker 1999, 93-157). Eines der maßgeblichen Kennzeichen der mystischen Initiation ist die Ekstase. Strecker selbst orientiert sich ausschließlich an den Primärzeugnissen aus den Paulusbriefen und äußert sich nicht zu der allein in der Apostelgeschichte belegten Blindheit des Paulus. Allerdings ist aus ethnologischen Studien bekannt, dass die ekstatischen Erlebnisse und Traumvisionen bei der schamanistischen Initiation mit schwerer Krankheit verbunden sein können (vgl. Drewermann 1985, 82 mit Anm. 19). Die zeitweilige Erblindung des Paulus ließe sich folglich kulturanthropologisch als Begleiterscheinung der Initiation zum Apostel erklären. Die kerygmatische Deutung des Damaskuserlebnisses sieht die tiefere Bedeutung der Apg 9,17-19 beschriebenen Heilung in der Überwindung geistlicher Blindheit und im Empfang des Heiligen Geistes. Nachdem ihm Christus im Licht aus Himmelshöhen erschienen ist, werde Paulus nun nicht allein von leiblicher Blindheit geheilt. Die Gabe des Geistes, der ihn zum Christusbekenntnis und zum Leidenszeugnis befähigt, gehe weit über das hinaus, was Paulus in der Vision Apg 9,12 als Sehendwerden angekündigt wurde (Eckey 2011, 291f.). In seiner Ohnmacht und Blindheit wird Paulus zum neuen Leben wiedergeboren. Dieses Leben wird ihm in der Taufe und im Geistempfang geschenkt.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die Bekehrung des Paulus ist wegen der Dramatik des Geschehens die bekannteste und populärste Szene aus seinem Leben. Sie wird bei den Kirchenvätern häufig rezipiert, wobei allerdings die Blindenheilung eher selten zur Sprache kommt. Die aus dem 2. Jh. stammende Epistula Apostolorum (31[42]) weiß zu berichten, dass sich die Heilung des Paulus durch Speichel vollzieht, und ist dabei von den Blindenheilungsberichten der Evangelien (Mk 8,22-26; Joh 9,1-7) beeinflusst. Kyrill von Jerusalem betont in seinen Ausführungen über den Heiligen Geist, dass dieser bei Paulus sofort wirkte, indem er seinen erblindeten Augen die Sehkraft und seiner Seele das Siegel der Taufe gab (Cyr. catech. 17,26). Hieronymus zufolge beugte der Christenverfolger als der reißende Wolf aus dem Stamme Benjamin sein Haupt vor dem Lamm Hananias und erhielt das Augenlicht zurück, sobald er seine geistliche Blindheit durch die Taufe geheilt hatte (Hier. ep. 69,30). Der im 6. Jh. lebende Mönch Alexander Monachus betont in der Laudatio Barnabae, dass Paulus vor Damaskus physisch erblindete und gleichzeitig geistlich erleuchtet wurde (Alex. Mon. Laud. Barn. 16f. in Kollmann/Deuse 2007, 91). 187

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Die Bekehrung des Paulus ist ein beliebtes Motiv in der Kunst. Das liturgische Fest der Bekehrung des Apostels Paulus, in Gallien seit dem 8. Jh. bezeugt, hat dazu beigetragen. Neben der Literatur (z.B. A. Strindberg, Til Damaskus, 1898-1904) und Musik (z.B. H. Schütz, Motette »Saul, Saul, was verfolgst du mich?« gg. 1650) ist vor allem die Ikonographie (z.B. Codex Cosmas Indicopleustes, 9 Jh., Rom) zu nennen. In der Renaissance und im Barock sind das scheuende Pferd, von dem der Auctor ad Theophilum schweigt, und der Sturz des geblendeten Saulus beliebte Motive (z.B. G. Bellini, 15 Jh., Pessaro; Michael Engel, Freske in Cappella Paolina, 1542/43, Vatikan; Caravaggio, S. Maria del Popolo, 1601, Rom; Rubens, 17 Jh., Berlin und München). Andrzej Najda

Literatur zum Weiterlesen B. Kollmann, Die Berufung und Bekehrung zum Heidenmissionar, in: F. W. Horn (Hg.), Paulus-Handbuch, Tübingen 2013, 80-90. A. Lindemann, Einheit und Vielfalt im lukanischen Doppelwerk. Beobachtungen zu Reden, Wundererzählungen und Mahlberichten, in: J. Verheyden (Hg.), The Unity of LukeActs, BEThL 142, Leuven 1999, 225-253. A. J. Najda, Der Apostel als Prophet. Zur prophetischen Dimension des paulinischen Apostolats, EHS 23/784, Frankfurt a.M. et al. 2004. Ders., Prophetie und Propheten in der Apostelgeschichte, in: C. G. Müller (Hg.), Licht zur Erleuchtung der Heiden und Herrlichkeit für dein Volk Israel. Studien zum lukanischen Doppelwerk. FS J. Zmijewski, BBB 151, Hamburg 2005, 211-226. M. Reichardt, Psychologische Erklärung der Damaskusvision? Ein Beitrag zum interdisziplinären Gespräch zwischen Exegese und Psychologie, SBB 42, Stuttgart 1999. H. M. Storm, Die Paulusberufung nach Lukas und das Erbe der Propheten. Berufen zu Gottes Dienst, ANTI 10, Frankfurt a.M. et al. 1995.

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Kam, sah, heilte (Petrus in Lydda) Apg 9,32-35 (9,32) Da trug es sich zu, dass Petrus, während er eine Gemeinde nach der anderen bereiste, auch zu den Heiligen hinabkam, die in Lydda wohnten. (33) Er fand dort die Situation vor, dass ein Mann namens Äneas seit acht Jahren zu Bette lag; er war gelähmt. (34) Da sagte Petrus zu ihm: »Äneas, Jesus Christus heilt dich. Steh auf und mach dir dein Bett.« Auf der Stelle stand er auf. (35) Alle Bewohner von Lydda und der Scharonebene sahen ihn; sie kehrten sich zum Herrn.

Sprachlich-narratologische Analyse Mit der Flucht des Saulus aus Jerusalem und seiner Reise nach Tarsus endet die lukanische Ersterzählung von seiner Bekehrung und deren Nachspiel in Jerusalem (Apg 9,1-30). Die summarische Schilderung des friedvollen Wachsens der ›Kirche‹ (ἐκκλησία ekklēsia) in ganz Judäa, Galiläa und Samarien (9,31) fungiert als Abschluss der Episode um Saulus, dessen Verfolgungen diesem friedvollen Wachstum ja gerade entgegengesteuert hatten. Gleichzeitig erstellt sie das Bühnenbild für die folgenden Szenen (Apg 9,35.42; 10,44-46), die den weiteren Erfolgszug des Glaubens erzählen. Die Leser und Leserinnen hatten Petrus zuletzt im Konflikt mit Simon Magus erlebt (Apg 8,9-25). In Gesellschaft des Johannes war Petrus nach einer Verkündigungsreise durch Samarien nach Jerusalem zurückgekehrt und dort seither nicht aus der Gruppe der Apostel herausgetreten. So können sie, die Leserinnen und Leser, an den Eindruck vom Samarienaufenthalt anknüpfen, wenn ihnen Petrus erneut unterwegs, nunmehr auf einer Visitationsreise, vor Augen geführt wird (9,32). Diese Reise wird ihn von dem in Judäa gelegenen Lydda nach dem ebenfalls judäischen Joppe ans Meer und dann nach dem neuen, durch Herodes den Großen in hellenistischem Stil erbauten Cäsarea Maritima führen. Dort wird die Botschaft von Jesus als dem Messias, nachdem sie in Samarien Raum gewonnen hat, einen neuerlichen Quantensprung machen, indem mit dem Haus des Cornelius erstmalig Nichtjuden der neuen Gemeinschaft hinzutreten dürfen. Die Wundererzählungen von der Heilung des Äneas und der Auferweckung der Tabita bilden gewissermaßen den Reisebericht nach Cäsarea, wobei die drei Stationen Lydda, Joppe und Cäsarea narrativ so aneinandergekoppelt sind, dass Petrus jeweils von Gesandten aus der nächsten Stadt an seinem Aufenthaltsort abgeholt wird, zunächst mit einem Dringlichkeitsgesuch und schließlich sogar infolge eines göttlichen Auftrags. Gleichsam mit magnetischer Kraft wird Petrus nach Cäsarea gezogen, was den Wundern in Lydda und Joppe den 189

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Charakter eines Vorspiels verleiht. Dieser klimaktische Verlauf spiegelt sich in der wachsenden Erzähllänge der einzelnen Episoden wider. Im Stil unter anderem der Septuaginta (ἐγένετο egeneto – mit AcI: »es geschah, dass«) führt der Auctor ad Theophilum Petrus (wieder) in die Erzählung ein. Anknüpfend an die Erwähnung der ›Kirche‹ in ganz Judäa, Galiläa und Samarien wird als allgemeiner Kontext partizipial seine Reisetätigkeit rundum mitgeteilt, um in der zentralen Aussage des ersten Satzes das Blickfeld auf Lydda und die dortigen ›Heiligen‹ zu verengen, zu denen Petrus hinabgeht. Erneut fährt die Kamera näher heran; so nah, dass die Gläubigen als Gruppe wieder aus dem Bild verschwinden. Aus der Perspektive des Petrus – er ist Subjekt – erfasst sie in einer einzigen Einstellung die Situation einer Einzelperson: Ein Mann namens Äneas ist seit acht Jahren bettlägerig. Die Diagnose, Lähmung, wird in einem auf die minimale Information verknappten Relativsatz nachgeschoben. Auch die weiteren Handlungsschritte gehen von Petrus als Subjekt aus: Er ergreift das Wort. Seine direkte Rede lässt in gedrängter Form auf den Anruf des Gelähmten eine präsentische Feststellung und zwei aoristische Aufforderungen folgen: Jesus Christus heile den Angesprochenen, er solle aufstehen und seine Liegestätte glattstreichen. Nun erst, im Anschluss an die Worte des Petrus, wird Äneas Subjekt, die Erzählweise verharrt in der erwähnten Kargheit. Lediglich ergänzt durch ein Adverb nimmt das Prädikat mit der Feststellung, dass Äneas augenblicklich aufstand, den ersten Imperativ auf. Damit hat die Begegnung zwischen Petrus und Äneas auch schon ihr Bewenden. Der letzte Satz berichtet von den Folgen der Heilung, die gewissermaßen eine Weitwinkeleinstellung erforderlich machen, betreffen sie doch einen weitaus umfangreicheren Personenkreis und ein weitläufigeres Gebiet als eingangs der Szene erwähnt: Ganz Lydda und die Scharonebene wenden sich dem Glauben zu. Die vier Verse entsprechen damit vier Handlungsschritten: V. 32 stellt die Exposition mit geographischer Situierung und Ankunft des Wundervermittlers dar; V. 33 berichtet die Erstbegegnung zwischen Wundervermittler und Wunderempfänger; V. 34 schildert den Wundervollzug, bestehend aus der Anrede durch den Wundervermittler und der Reaktion des nunmehr Genesenen. V. 35 beschreibt hyperbolisch die Folge des für alle augenscheinlich vollzogenen Wunders. Knappheit und Schlichtheit kennzeichnen die Syntax der Wundererzählung. Es gibt kaum Hypotaxen, wenig attributiven und adverbialen Schmuck. Der hierdurch erzielte und durch die Kürze der Erzählung unterstrichene Eindruck einer Handlungssequenz, bei der die einzelnen Schritte in hoher Geschwindigkeit aufeinander folgen, wird verstärkt durch das aoristische Grundgerüst der Haupthandlungen (hinabkommen – vorfinden – sagen – aufstehen – sehen – umkehren). Nirgends verweilt die Handlung durch ein Imperfektum. Die einzige Ausnahme bildet die erläuternde Situationsbeschreibung von der Lähmung des Äneas. Die Gedrängtheit der Erzählung verlangt der Leser- bzw. Hörerschaft ein selbständiges Anreichern des Erzählgerippes mit nur kontextuell oder implizit gegebener Information ab. Schon zu Beginn muss sie die geographische Ausdehnung der petrinischen Reisetätigkeit aus dem vorausgehenden Vers in die Lydda-Perikope 190

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importieren. Lydda wird als bekannt vorausgesetzt, die Lage der Stadt nicht erläutert, ebenso wie später die Scharonebene. Auch den erzähllogischen Bezug der Ortsangabe ›dort‹ (9,33) auf den Kreis der Heiligen in Lydda – statt, wie theoretisch auch möglich, allein auf die Stadt Lydda – müssen die Rezipienten selbst herstellen. Vorausgesetzt wird ferner die Vertrautheit mit den sozialen Implikationen von Gelähmtheit und der Beschaffenheit der Liegestätte: Die Aufforderung, sich das Bett glattzustreichen, also eine Alltagsverrichtung selbständig auszuführen, erschließt sich in ihrer ganzen Tragweite nur dem, der eine deutliche Vorstellung vom Angewiesensein eines Gelähmten hat.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Acht Jahre soll Äneas auf einem κράβαττος (krabattos) gelegen haben. Während der Auctor ad Theophilum dieses Wort im Lukasevangelium kein einziges Mal gebraucht, sondern es in den von Markus übernommenen Stellen ersetzt (Lk 5,24), umschreibt (Lk 5,25) oder gänzlich weglässt (Lk 5,23), scheint es ihm hier (und in Apg 5,15) der treffende Ausdruck zu sein. Dies könnte mit dem Bild zusammenhängen, das der Verfasser bei einem κράβαττος vor Augen hatte. Denn einen κράβαττος hat man sich wohl nicht in allen Fällen wie in Mk 2,9.11.12; Joh 5,8.9.10.11 und ActPetr 32 als tragbare Liegemöglichkeit vorzustellen. Von den Gelähmten, die im Heiligtum von Epidaurus Heilung suchten, lag nach Ausweis der Inschriften (spätestens 300 v. Chr.) keiner auf einem κράβαττος; ihre Lager hatten andere Bezeichnungen (vgl. Herzog 1931). Die Etymologie (vgl. Frisk 2006, s.v.) könnte eine (Eichen-)hölzerne Beschaffenheit suggerieren, doch da das konkrete Erscheinungsbild eines Gegenstandes sich im Laufe der Zeit von seinem Etymon entfernen kann, ist das nicht zwingend. Sicher ist, dass κράβαττος im 1. und 2. Jh. für eine ortsfeste Schlafstätte in einem Haus verwendet wurde, wie Epiktet bezeugt (diss. 1,24,14) und der Lexikograph Pollux kritisiert (Onomast. 10,35). Erst mit christlichen Texten dringt κράβαττος in die Literatursprache ein, avanciert allmählich zum Normalwort für »Bett«, wie auch das Zeugnis der Papyri bestätigt (Kramer 1995, 213f.), und sogar zum Lehnwort im rabbinischen Hebräisch (bMQ 10b; bQid 70a). Für unseren Text bedeutet das, dass der Auctor ad Theophilum sich den κράβαττος des Äneas vielleicht als Liegestätte im Haus vorgestellt hat (Le Cornu/ Shulam 2003, 531). Damit würde sich die Heilungsszene in dem Haus abspielen, wo Äneas jahrelang gelegen hat. Der Auftrag »Mach dir dein Bett« (στρῶσον strōson) gibt einen weiteren Hinweis auf das Erscheinungsbild eines κράβαττος. Das zugrunde liegende Verb in der Bedeutung »hinbreiten, ausbreiten‚ ebnen« (Frisk 2006, s.v.) wird bereits von Homer ohne Objekt für das Zurechtmachen eines Bettes verwendet (Od. 19,599). Mit demselben objektlosen Imperativ wie in Apg 9,34 bedeutet in einer Anekdote Machons (3. Jh. v. Chr.) ein älterer Herr einer Hetäre, drinnen das Bett zu bereiten (frgm. 17,344). Ein Ausrollen des κράβαττος (Marguerat 2007, 351) kann mit 191

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dem »Hinbreiten« in Apg 9,34 nicht gemeint sein – hat der just Genesene doch acht Jahre auf eben diesem Bett gelegen. Vielmehr wird sich auf dem κράβαττος eine Art Bettzeug, eine Decke o.Ä. befunden haben, das sich über die Liegestätte hinbreiten ließ. Der Schauplatz der Heilung des Äneas, Lydda oder, mit hebräischem Namen, Lod, wird erstmalig im 15. Jh. v. Chr. erwähnt, und zwar in einer Liste kanaanäischer Städte, die durch Thutmosis III. erobert wurden. 1 Chr 8,12 kennt Lod als benjaminitische Stiftung. Nach Esr 2,33; Neh 7,37 und 11,35 ließen sich Rückkehrer aus dem Exil dort nieder. In persischer Zeit und bis zum Jüdischen Krieg spielte das an der Straße von Jerusalem nach Joppe/Jaffa gelegene Lod die Rolle eines zentralen Ortes im gleichnamigen Verwaltungsbezirk (Plin. nat. 5,70; Flav. Jos. Bell. 3,54). Dieser Bedeutung entspricht es, wenn der Legat von Syrien Ummidius Quadratus dort auf dem Weg von Samaria nach Jerusalem zu Beginn der fünfziger Jahre des 1. Jh. eine Gerichtssitzung in einem größeren Konflikt zwischen Juden und Samaritanern abhält (Flav. Jos. Ant. 20,130; Bell. 2,242-244). Zur Zeit des jüdischen Aufstands wurde Lydda von Vespasian eingenommen; in der Zeit danach und bis zum Bar-Kochba-Aufstand war Lod ein Zentrum rabbinischer Gelehrtheit, das Jabne/Jamnia wohl in nichts nachstand; führende Rabbis dieser Zeit haben in Lod gewohnt und gelehrt oder studiert und sich zumindest zeitweilig dort aufgehalten. Zwischen 140 und 180 n. Chr. scheint es diese Rolle eingebüßt zu haben; erst mit Rabbi Jehuda ha-Nasi und der zeitgleich erfolgten Erhebung durch Septimius Severus zu einer Stadt unter dem Namen Diospolis (199/200 n.  Chr.) konnte es zeitweilig an seine alte Bedeutung anknüpfen (Oppenheimer 1988, 118). Die zuvor samaritische Toparchie Lod war nach 1 Makk 11,34 in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. auf Betreiben des Jonatan Makkabäus Judäa angegliedert worden. Zur Zeit von Apg 9 dürfte die Bevölkerung Lyddas, das damals zwar die Größe, noch nicht aber den Status einer polis hatte (Flav. Jos. Ant. 20,130), überwiegend jüdisch gewesen sein; jedenfalls fand der Legat von Syrien, Cestius Gallus, als er 66 n. Chr. während des Laubhüttenfestes auf Jerusalem marschierte, die Stadt leer vor; alle waren zum Fest in Jerusalem (Flav. Jos. Bell. 2,515f.). Eine samaritanische Minderheit in Lydda ist nicht gänzlich auszuschließen (Schwartz 1991, 72), doch hat man sich die in Apg 9 erwähnten »Heiligen« in Lydda wohl als Judenchristen vorzustellen. Der griechische Name des Geheilten steht dem nicht entgegen. Sporadisch sind in hellenistischer Zeit Juden mit dem Namen Äneas für den palästinischen Raum bezeugt. Eine Grabinschrift einer Heliodora oder Diodora im antiken Marissa aus dem Jahre 112 v. Chr. nennt vermutlich einen Äneas als ihren Vater (Abel 1925, 270). Josephus erwähnt einen Äneas als Mitglied einer jüdischen Gesandtschaft des Hohepriesters Hyrkan II. (Ant. 14,248) und bei der Belagerung Jerusalems durch Titus einen Überläufer zu den Römern mit demselben Namen (Bell. 5,326-328).

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Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Kürze und die stark lukanische Ausformung der Erzählung reduzieren den Zugang zu Traditionen im Sinne historischer Reminiszenzen hinter Apg 9,33-35 auf Personen- und Ortsnamen als mögliche Ansatzpunkte. Dagegen tritt das traditionelle Motivrepertoire von Wunderheilungen ebenso deutlich zutage wie die (lukanischen) Variationen, die der Äneaserzählung ihr besonderes Gepräge geben. Nach der Ankunft des Wundervermittlers am Ort der bevorstehenden Wunderheilung (9,32) wird der Heilungsbedürftige in einer dem Leser der lukanischen Schriften vertrauten Weise in die Handlung eingeführt, nämlich mit einem Substantiv zur Angabe von Geschlecht, Funktion oder Beruf, einem Indefinitpronomen und einer Namensnennung, eingeleitet durch »mit Namen« (vgl. etwa Lk 1,5; 19,38; Apg 5,1.34; 8,9 u.ö.). Der Name des Heilungsbedürftigen gehört zum fakultativen Inventar von Wundererzählungen (vgl. Suet. Vesp. 7,2; Epidauros); beim Auctor ad Theophilum bleibt etwa der Gelähmte am Jerusalemer Tempel (Apg 3,1-10) ebenso namenlos wie der zu Lystra (Apg 14,8-10). Gängige Elemente sind die Diagnose und die Zeitdauer der Erkrankung. Ersterer verleiht der Verfasser der Apostelgeschichte einen eigenen Ausdruck, denn das Partizip Perfekt des Verbs zur Benennung der Lähmung (παραλελυμένος paralelymenos) gebraucht im Neuen Testament neben dem Zitat Hebr 12,12 er allein; er ersetzt damit andernorts (Lk 5,18) das durch Markus gebrauchte Wort (παραλυτικός paralytikos; Mk 2,3). In den Heilungsberichten aus Epidauros sind alle Gelähmten »lahm« (χωλοί chōloi; Epidauros B35; vgl. Apg 3,2 u.ö.) oder »kraftlos« (ἀκρατεῖς akrateis; Epidauros B37). Die Zeitdauer der Erkrankung – als Ausdruck ihrer Schwere – kann entweder durch die Angabe ihres Beginns (»von Mutterleib an«; vgl. Apg 3,2; 14,8) oder ihrer zeitlichen Erstreckung (»zwölf Jahre« in Mk 5,25; vgl. Epidauros A12, B30) Erwähnung finden. Meist wird die vorliegende Zeitangabe wie in Apg 24,10 im Sinne einer Dauer interpretiert als »seit acht Jahren«, doch ist eine Deutung als Angabe des Erkrankungsbeginns sprachlich nicht unmöglich (»seit seinem achten Lebensjahr«, vgl. Apg 3,2; 14,8). Bemerkenswerterweise folgt auf die Beschreibung der Krankheitssituation unmittelbar das »wunderwirkende Wort« (Theißen 1998, 73f.). Die in den Wundererzählungen der Evangelien häufig anzutreffende Bekundung des Glaubens durch den Erkrankten oder des stellvertretenden Glaubens durch ihm Nahestehende fehlt, wie übrigens auch in der Heilung des Gelähmten an der Schönen Pforte des Tempels (Apg 3). Bei dem ›wunderwirkenden Wort‹ handelt es sich im eigentlichen Sinn gar nicht um ein solches, denn das Wort wirkt das Wunder nicht. Es zerfällt in drei Teile, eine an die Formulierung in Lk 5,17 erinnernde Feststellung (»Äneas, es heilt dich Jesus Christus«) und zwei Imperative (»steh auf«, »mach dein Bett«). Die Feststellung, dass Jesus Christus der eigentliche Heiler ist, gehört zu den vom Auctor ad Theophilum verschiedentlich hervorgehobenen Themen: Auch der Gelähmte an der Schönen Pforte wird im Namen Jesu Christi von Nazareth geheilt (Apg 3,2). 193

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Die Aufforderung aufzustehen gehört gewissermaßen natürlicherweise zu Gelähmtenheilungen und Totenerweckungen. Beide im Griechischen hierfür verwendeten Verben werden auch für die Auferstehung Jesu gebraucht; daher ist ein intendierter Verweis von »steh auf« (ἀνάστηθι anastēthi) auf die Auferstehung sowohl bei Äneas als auch bei Tabita/Dorkas (Apg 9,34.40) nicht auszuschließen (Marguerat 2001, 205; ders. 2003b, 97-106). Der zweite Imperativ (»mach dein Bett«) erfüllt die gleiche Funktion wie in den synoptischen Berichten die Aufforderung, die eigene Liegestätte mitzunehmen (Mk 2,9.11; Mt 9,6; Lk 5,24) oder umherzugehen (Mt 9,5; Lk 5,23): Die Tätigkeit, zu der aufgerufen wird, markiert das Ende der Krankheitszeit, demonstriert den kurzsilbig konstatierten Heilungserfolg: »Auf der Stelle stand er auf«. Die für Wunderheilungen typische abschließende Reaktion der Menge mit Bewunderung, Schreck, Beifall oder Ablehnung macht der Auctor ad Theophilum dem übergeordneten Zweck der Apostelgeschichte dienstbar. Das Werk soll die Ausbreitung des Glaubens zeigen; im konkret vorliegenden Kontext wird von der Bekehrung Lyddas und der Scharonebene berichtet, was den Handlungsfaden geographisch in die Nähe des nächsten großen Zwischenzieles bringt: Cäsarea Maritima (Apg 10-11).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die lukanische Diktion der sprachlichen Gestaltung, die absichtsvolle Platzierung im Gesamtaufriss der Apostelgeschichte sowie die lukanischen Züge in Theologie und Geschichtsbild empfehlen nachdrücklich einen redaktionskritischen Zugang. Dieser braucht sich keineswegs darauf zu beschränken, anhand der wohl unter der lukanischen Redaktion liegenden konkreten Informationen zum Ort der Handlung und zum Namen des Geheilten einen historischen Kern in der Episode entdecken zu wollen (Jervell 1998, 299; vgl. Weiser 1989, 241) oder einen solchen gerade zu bestreiten. Vielmehr bietet er Raum für Beobachtungen zur Funktion von Heilungen durch die Apostel bei der Verbreitung des Evangeliums. Er hebt ab auf die von Lukas mittels deutlicher Parallelisierung herausgestellte Kontinuität apostolischer Heilungen mit den Heilungen Jesu in den Evangelien: Auch nach seiner Himmelfahrt ist es Jesus, der heilt. Damit zeichnet sich auch das lukanische Bild von Petrus in den Heilungserzählungen in Apg 9,32-43 ab. Beide »wollen Petrus als Sachwalter der Macht Jesu zeigen, der bevollmächtigt ist, Jesu heilvolle Taten fortzusetzen, durch die Gottes endzeitliche Macht zeichenhaft in diese Welt einbricht« (Roloff 2010, 160). Dass der Geheilte nicht anonym bleibt, sondern einen Namen und eine Geschichte hat, kann auch als Ausgangspunkt für eine sozialgeschichtliche Auslegung dienen. Diese wird die Lebensumstände eines langjährig Gelähmten aus einfachen Verhältnissen im 1. Jh. erhellen, daraus die Bedeutung einer Heilung für seine konkrete Lebensgestaltung ableiten, vor allem aber auf die Erlangung von (womöglich nicht zuletzt wirtschaftlicher) Selbständigkeit abheben. So kann die Heilung des Äneas zu einer beispielhaften Hoffnungsgeschichte werden: In der große Menschen194

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mengen erfassenden Ausbreitung des Glaubens bleibt Raum für die Rückerstattung bislang verwehrter Lebensmöglichkeiten an den Einzelnen. Eine an (tiefen)psychologischen Einsichten orientierte Auslegung wird Äneas’ Erkrankung als psychogene Lähmung deuten. Hinter ihr könnten intensive Erfahrungen sozialer Konstellationen stehen, die zu einer innerlichen – und in der Folge äußerlichen – Erstarrung in Passivität führen. Die Lähmung könnte Zeichen einer Verweigerungshaltung sein gegenüber einem die eigene Autonomie untergrabenden sozialen Druck, einer ängstlichen Zurückweisung der Zuständigkeit für einen selbst verantworteten Ausweg aus der lähmenden Situation. Heilung bedeutete dann Befreiung aus der Starre, Durchbrechen der Weigerung, Gewinnung von Handlungsautonomie, Mut und Zugang zu einem selbst gestalteten und verantworteten Leben. Einen ersten Schritt in diese Richtung nimmt etwa Rudolf Pesch mit seiner Deutung der achtjährigen Lähmung des Äneas als »(psychosomatisches) Streikphänomen«, das durch Petrus »durchschaut und durch sein Heilwort, das den Kranken für Jesus Christus und den Auftrag der Gemeinde im Glauben in Anspruch nimmt und herausfordert, durchbrochen wird« (Pesch 2005, 319).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Eine außerbiblische Überlieferung zur Anwesenheit des Petrus in Lydda und der Heilung des Äneas gibt es nicht. Zwar hat man versucht, in der rabbinischen Tradition von einem gewissen Ben Stada, der in Lod durch seine als heterodox bewerteten Aktivitäten eine Bedrohung für die dortigen Juden dargestellt habe, einen Reflex der Anwesenheit des Petrus in Lydda zu sehen (J. Schwartz 1990). Doch lässt sich über einen historischen Ben Stada keinerlei zweifelsfreie Information gewinnen. Die Form seines Namens ist ebenso unsicher wie die Datierung seines Lebens. Möglicherweise sind in ›Ben Stada‹ selbst Züge mehrerer Personen zusammengeflossen (Maier 1978, 237). Und so gehört diese These eher zur Rezeptionsgeschichte des Textes in der exegetischen Forschung, die in Ben Stada vereinzelt auch Jesus, Simon Magus und andere hat sehen wollen, als zur Rezeption der Anwesenheit des Petrus in Lydda. Um das Jahr 400 geht Johannes Chrysostomus, seinerzeit Erzbischof von Konstantinopel, in seiner 21. Homilie über die Apostelgeschichte auch auf die Aktivitäten des Petrus in Lydda und Joppe ein. Petrus habe sich von der friedlichen Situation nach der Flucht des Paulus aus Jerusalem nicht trügen lassen, sondern sei sich der Notwendigkeit zur Betreuung der Gemeinden vollauf bewusst gewesen. Wie ein Heerführer habe er den Zustand der Gemeinden inspiziert. Für die Tatsache, dass Petrus weder nach dem Glauben des Äneas fragt noch nach seinem Wunsch, geheilt zu werden, führt Chrysostomos zwei Argumente an: Zum einen habe das Wunder (θαῦμα thauma) ›ermahnende‹ Funktion gehabt und tatsächlich seien viele Menschen zum Glauben gekommen, Äneas sei nämlich bekannt gewesen. Zum anderen hätten die Apostel dort ihre Heilungsfähigkeiten noch nicht unter Beweis gestellt, 195

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so dass man Äneas den Glauben hieran nicht abverlangen konnte, genauso wenig wie dies bei dem Gelähmten zu Jerusalem (Apg 3) geschehen sei und auch Christus selbst diese Frage am Anfang seines Wirkens nicht gestellt habe. Martin G. Ruf

Literatur zum Weiterlesen M. Böhm, Samarien und die Samaritai bei Lukas, WUNT 2/111, Tübingen 1999. A. Lindemann, Einheit und Vielfalt im lukanischen Doppelwerk. Beobachtungen zu Reden, Wundererzählungen und Mahlberichten, in: J. Verheyden (Hg.), The Unity of LukeActs, BETHL 142, Leuven 1999, 225-253. D. Marguerat, La Première Histoire du Christianisme (Les Actes des Apôtres), LeDiv 180, Paris/Genf 22003b, 97-100.177-192. A. Oppenheimer, Jewish Lydda in the Roman Era, HUCA 59 (1988), 115-136.

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Stütze der Gemeinde erwacht zu neuem Leben (Die Auferweckung der Tabita) Apg 9,36-43 (9,36) In Joppe aber gab es eine Jüngerin mit Namen Tabita, was übersetzt Dorkas heißt. Diese war reich an guten Werken und Mildtätigkeit, die sie übte. (37) Es geschah aber in jenen Tagen, dass sie krank wurde und starb. Sie wuschen sie aber und legten sie in das Obergemach. (38) Da aber Lydda ganz in der Nähe von Joppe liegt, hörten die Jünger, dass Petrus dort sei, und sandten zwei Männer zu ihm mit der Bitte: »Zögere nicht, zu uns herüberzukommen.« (39) Petrus aber machte sich auf und ging mit ihnen. Bei der Ankunft führten sie ihn in das Obergemach. Und alle Witwen traten zu ihm, weinten und zeigten die Untergewänder und Kleider, die Dorkas gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war. (40) Petrus aber schickte sie alle hinaus, kniete nieder und betete. Und an den Leichnam wandte er sich mit den Worten »Tabita, stehe auf!« Sie öffnete aber ihre Augen, und als sie Petrus sah, setzte sie sich auf. (41) Er aber gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen. Und nachdem er die Heiligen und die Witwen herbeigerufen hatte, präsentierte er sie lebend. (42) Es wurde aber in ganz Joppe bekannt und viele kamen zum Glauben an den Herrn. (43) Es geschah aber, dass er etliche Tage in Joppe bei einem gewissen Simon, einem Gerber, blieb.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Erzählung von der Erweckung der Tabita begegnet in jenem Abschnitt der Apostelgeschichte, der von der vorpaulinischen Verbreitung des Evangeliums durch den Stephanuskreis und Petrus berichtet (Apg 6-12). Sie ist Bestandteil eines Erzählkranzes von Petrusüberlieferungen (Apg 9,32-11,18), in deren Mittelpunkt die missionarischen Aktivitäten des Apostels im palästinischen Küstengebiet stehen. Indem sich der Ortswechsel des Petrus von Lydda über Joppe nach Cäsarea jeweils infolge der Entsendung von Boten vollzieht (9,38; 10,5-8), sind die einzelnen Petruserzählungen kunstvoll ineinander verwoben. Mit der Nachricht von der Herbeiholung des Apostels aus dem nicht weit entfernten Lydda (9,38) schließt sich die Erweckung der Tabita eng an die vorangehende Gelähmtenheilung an. Durch die Notiz, dass Petrus in Joppe bei dem Gerber Simon Quartier genommen hat (9,43), wird die nachfolgende Korneliusgeschichte vorbereitet (vgl. 10,6). Die Tabitaerzählung hält sich durchgängig an die chronologische Ordnung des Geschehens und weist keine narrativen Anachronismen auf. Der zeitliche Rahmen des Erzählgeschehens vom Eintritt des Todes der Tabita über die zeitnahe Herbei197

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holung des Wundertäters bis hin zur sofortigen Wiederbelebung der Verstorbenen umfasst kaum mehr als jene ungefähr sechs Stunden, die der etwa 15 km lange Fußweg zwischen Joppe und Lydda hin und zurück beansprucht. Sprachlich ist die Tabitaerzählung in der Vergangenheitsform gehalten. Während der erste Vers im Präteritum formuliert wird, gibt danach der Aorist als Erzähltempus den Ton an. Zudem ist der Erzählstil von zahlreichen Partizipialkonstruktionen geprägt. Im Blick auf Form und Inhalt erweist sich Apg 9,36-43 als planvoll gestaltete Einheit. Die Geschichte zerfällt kompositorisch in drei Szenen, nämlich Exposition (9,36f.), Vorbereitung und Durchführung des Wunders (9,38-41) und Demonstrationsschluss (9,42f.). In der Exposition wird Joppe als Ort des Geschehens genannt und die Protagonistin der Erzählung eingeführt. Ihr aramäischer Name Tabita zeigt, dass sie von Hause aus Jüdin ist. Mit Dorkas wird auch die griechische Namensform genannt. Beide in der Antike gebräuchlichen Frauennamen bezeichnen eigentlich die weibliche Gazelle, die mit ihrer zierlichen Gestalt, ihrem schlanken Hals und ihrer Behändigkeit in besonderer Weise Grazie und Vitalität verkörpert. Tabita wird als vorbildhafte Frau vorgestellt, die sich durch eine Vielzahl guter Werke und die reichliche Gabe von Almosen auszeichnete. Die detaillierte Charakterisierung der bald darauf selber hilfsbedürftigen Person ist in Wundergeschichten ungewöhnlich und lässt die Rezipienten der Erzählung aufhorchen. Ergänzend ist Tabita als Jüngerin (μαθήτρια mathētria) und damit als Angehörige der christlichen Gemeinde gekennzeichnet. Das im Neuen Testament nur an dieser Stelle belegte Wort μαθήτρια (mathētria) unterstreicht die Bedeutung der Frau und lässt auch an eine Verkündigungstätigkeit denken (Richter Reimer 1992b, 81f.). Vor diesem Hintergrund gewinnt der Tod Tabitas eine besondere Tragik. Es handelt sich um einen äußerst schmerzhaften Verlust für die Gemeinde. Den Leserinnen und Lesern der Apostelgeschichte drängt sich im Horizont des unmittelbar vorangehenden Wunders von Lydda sogleich der Gedanke auf, dass mit Petrus ein möglicher Retter aus der Not in unmittelbarer Nähe weilt. In der Waschung der Toten spiegeln sich jüdische Begräbnisriten wider (mSchab 23,5). Regulär hätte sich unmittelbar danach das Begräbnis angeschlossen. Die stattdessen erfolgende Überführung des Leichnams in das Obergeschoss des Hauses setzt für die Rezipienten der Geschichte das unmissverständliche literarische Signal, dass das Ganze ein gutes Ende nehmen wird (Stipp 1999, 71). Im Zentrum der Erzählung steht die Vorbereitung und Durchführung des Wunders. Zunächst erfolgt die Herbeiholung des Wundertäters, wie sie in Totenerweckungsberichten häufiger vorkommt (2 Kön 4,22-25; Mk 5,22-24; Joh 11,3). Dass Petrus der Grund für seine dringend erforderliche Anwesenheit in Joppe vorenthalten wird, dient der Aufrechterhaltung des Spannungsbogens. Nach der Ankunft in Joppe wird Petrus in das Obergemach des Hauses geführt. Dort halten die Witwen der Gemeinde, die in besonderer Weise von der Wohltätigkeit der Verstorbenen profitiert hatten, die Totenklage. Dass Tabita ebenfalls verwitwet war, lässt sich aus dem Text nicht ableiten. Das Herzeigen der von Tabita gefertigten Kleider demonstriert ihre Wohltätigkeit und die besondere Notwendigkeit des Wunders, hat aber auch eine tiefere symbolische Bedeutung, indem es als Ausdruck von Solidarität die 198

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enge Verbundenheit mit der Verstorbenen zum Ausdruck bringt und als Geste der Gastfreundschaft Petrus willkommen heißt (Erichsen-Wendt 2007, 118-123). Petrus entfernt das Publikum, spricht ein Gebet und wendet sich dann dem Leichnam zu. Das Gebet ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die zur Totenerweckung führende Kraft nicht vom Wundertäter ausströmt, sondern allein von Gott kommt. Anders als Jesus begegnet Petrus bei der Totenerweckung nicht als der Träger, sondern lediglich als der Vermittler der numinosen Macht (Kahl 1994, 114f.). Das Wunder selbst vollzieht sich durch die Worte »Tabita, steh auf!« und tritt sofort ein. Die Verstorbene öffnet die Augen und setzt sich aufrecht, was ihr von Petrus durch das Darreichen der Hand erleichtert wird. Im Demonstrationsschluss wird die zu neuem Leben erweckte Tabita den Gläubigen präsentiert. Begünstigte des Wunders ist nicht nur die Verstorbene, sondern auch die Gemeinde, die ihre Wohltäterin zurückerhält. Mit diesem Erzählmotiv »wird der Stoff zugleich aus dem privaten Rahmen herausgehoben und auf die Gemeinschaft hin entgrenzt« (Stipp 1999, 72). In einer Verbreitungsnotiz ist davon die Rede, dass das Geschehen in ganz Joppe bekannt wurde und der Gemeinde zahlreiche neue Mitglieder bescherte. Die auf Lukas zurückgehende Nachricht vom weiteren Aufenthalt des Petrus in Joppe schließt den Bericht ab und leitet zugleich zur Korneliusgeschichte über.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Erzählhandlung spielt in Joppe, dem heutigen Jaffa. Die an der palästinischen Küste gelegene Stadt wird im Neuen Testament nur in der Apostelgeschichte erwähnt. Joppe ist die in neutestamentlicher Zeit gebräuchliche Namensform des alten Hafens Jafo, bei dem es sich ursprünglich um eine Philistersiedlung handelt. Wegen seiner strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung war Joppe seit den Tagen Alexanders des Großen immer wieder umkämpft (Schürer/Vermes 1979, 110-114). Mitte des 2. Jh. v. Chr. gelang es dem Hasmonäerfürsten Simon, die Stadt zu erobern (1 Makk 13,11) und sich damit einen Zugang zum Mittelmeer zu verschaffen. Zu den typischen Merkmalen der aggressiven hasmonäischen Expansionspolitik, bei der sich wirtschaftliche, politische und religiöse Motive miteinander verbanden, zählte die gewaltsame Vertreibung der nichtjüdischen Bevölkerung. Joppe stellte dabei keine Ausnahme dar und wies auch in den Tagen des Petrus noch eine überwiegend jüdische Einwohnerschaft auf. Im Jüdischen Krieg war die Stadt ein Zentrum des Aufstands gegen die Römer (Flav. Jos. Bell. 2,508). In der Darstellung Tabitas als Wohltäterin schlägt sich die vorbildliche Sozialfürsorge im antiken Judentum und deren Fortführung im frühen Christentum nieder. Obwohl sich auch arme Frauen durch die Gabe von Almosen auszeichnen konnten (Mk 12,41-44), erweckt die Erzählung den Eindruck, dass Tabita in Analogie zu Frauengestalten wie Maria (Apg 12,12) oder Lydia (Apg 16,14f.) eine wohlhabendere Gönnerin der Gemeinde war. Da der Name Tabita in der rabbinischen Tradition 199

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häufig in Verbindung mit Sklavinnen belegt ist (Richter Reimer 1992b, 60), könnte es sich um eine Freigelassene gehandelt haben. Spekulationen, dass Tabita als Prostituierte tätig war (vgl. Erichsen-Wendt 2005, 77f.), sind weit hergeholt. Inwieweit der Text bereits die institutionalisierte Witwenversorgung in der christlichen Gemeinde (Apg 6,1; 1 Tim 5,16) widerspiegelt, bleibt unsicher. Am Ende der Erzählung wird mitgeteilt, dass Petrus einige Tage in Joppe blieb und gastliche Aufnahme im Hause des Gerbers Simon fand, der wahrscheinlich ebenfalls zur christlichen Gemeinde zählte. Durch diese Angaben wird die aus 1  Kor 9,5 bekannte Tatsache bestätigt, dass Petrus in Orientierung an den Aussendungsanordnungen Jesu auf seinen Missionsreisen das Recht des Apostels auf Gemeindeunterhalt in Anspruch nahm. Das Haus des Simon lag direkt am Meer (Apg 10,6.32). Das Gerberhandwerk umfasst die Verarbeitung von rohen Tierhäuten zu Leder. Nach dem Häuten der Tiere werden die behaarte Oberhaut und die fleischige Unterhaut entfernt, so dass nur noch die eigentliche Lederhaut übrig bleibt. Durch die Einwirkung von Gerbstoffen wird diese in Leder verwandelt. In der Antike fanden unter anderem Salz, Kalk, Salmiak und Urin als Gerbstoffe Verwendung. Das Handwerk des Gerbers gehörte wegen der damit verbundenen Geruchsbelästigung im antiken Judentum zu den verachteten Berufen (bQid 82a). Nach rabbinischem Recht können Gerber ebenso wie Aussätzige oder Sammler von Hundekot dazu gezwungen werden, ihrer Ehefrau auf deren Verlangen den Scheidebrief auszustellen, auch wenn sie ihr Handwerk bereits bei Eheschließung ausübten (mKet 7,10). Wenn Petrus die Gastfreundschaft eines Gerbers in Anspruch nimmt, wohnt dem eine symbolträchtige Bedeutung inne, die sich mit der Einkehr Jesu bei Zöllnern und Sündern vergleichen lässt.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Tabitageschichte zählt zur Gattung der Totenerweckungen. Die Erzählungen von der Auferweckung Toter sind durch die Rückführung verstorbener Personen in neues irdisches und damit weiterhin vergängliches Leben gekennzeichnet. Sie stellen eine gesteigerte Form von Heilungswundern dar, da die erkrankte Person beim Eintreffen des Wundertäters bereits verstorben ist. Dabei begehren sie gegen den Tod auf und geben mit der Schilderung dessen, wie verstorbene Menschen ins Leben zurückgerufen werden, Hoffnung auf seine Überwindung. Innerhalb der antiken Totenerweckungsberichte lässt sich zwischen einem alttestamentlich-jüdischen und einem hellenistischen Typus unterscheiden (Weinreich 1909, 171-174). Während der Wundertäter im einen Fall ins Haus der verstorbenen Person geholt wird und das Wunder nach Entfernung des Publikums im Verborgenen bewirkt, begegnet er im anderen Fall dem Leichenzug in der Öffentlichkeit und ergreift selbst die Initiative zur Erweckung der verstorbenen Person. Die Erzählung von der Erweckung der Tabita gehört zum erstgenannten Typus, dessen Urbilder die Totenerweckungen der Propheten Elija und Elischa sind, und ist unverkennbar unter Bezugnahme auf die alttestamentlichen Beispiele konzipiert. Im Blick auf den Aufbau, den Hand200

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lungsablauf und die Erzählmotive bestehen enge Übereinstimmungen mit 1  Kön 17,17-34 und 2 Kön 4,18-37, die bis hin zu fast wörtlichen Anklängen reichen (Pesch 2005, 322; Fischbach 1992, 284f.). Daneben sind Berührungspunkte mit der in den Evangelien überlieferten Geschichte von der Erweckung der Tochter des Synagogenvorstehers Jaïrus erkennbar (Fischbach 1992, 280-283), die ebenfalls bereits im vorliterarischen Stadium auf die Tabitaerzählung eingewirkt haben dürfte. Auffällig ist nicht zuletzt das ταλιθά κοῦμ (talitha koum, Mk 5,41) frappierend ähnliche Wort »Tabita, steh auf!«, das im Aramäischen Tabitha koum lauten würde. Vor diesem Hintergrund spricht einiges für die Annahme, dass eine alte Gemeindetradition aus Joppe, die von der Heilung einer Christin namens Tabita durch Petrus erzählte, unter Einfluss der Vorbilder aus dem Alten Testament und der Jesusüberlieferung zu einer Totenerweckung ausgestaltet wurde (vgl. Roloff 2010, 160). Die Tabitaerzählung zeichnet Petrus als legitimen Sachwalter der Wunderkraft Jesu, durch dessen Wirken die bleibende Gegenwart des auferstandenen Herrn bezeugt wird, und proklamiert den Apostel als Heilsbringer, der den großen Wunderpropheten des Alten Testaments in nichts nachsteht. Die Annahme, die Erzählung verarbeite auch die Jonageschichte und den Andromeda-Perseus-Mythos, um das Leben an der Grenze zwischen städtischer Zivilisation und chaotischem Meer zu veranschaulichen (Erichsen-Wendt 2005, 71-74), bleibt spekulativ.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erzählung von der Erweckung der Tabita eröffnet unterschiedliche Interpretationshorizonte. In der neueren Auslegungsgeschichte begegnen kerygmatische, sozialethische und feministisch-sozialgeschichtliche Deutungsmuster. Apg 9,36-43 wird als eine Geschichte gelesen, die von der endzeitlichen Auferstehung der Christusgläubigen, der Wiederbelebung des toten Glaubens zu sozialem Engagement oder der Frauensolidarität mit Ermöglichung neuer Lebensperspektiven handelt. Bei Johannes Kreyenbühl findet sich eine kerygmatische Deutung mit allegorischen Zügen. Er sieht den einzigen geschichtlichen Kern der Erzählung in der Auferstehungspredigt des Petrus in Joppe und versteht das Wunder rein symbolisch als Bild für die endzeitliche Auferweckung aller Gläubigen. Tabita diene der Personifikation der Gemeinde von Joppe und habe als geschichtliche Gestalt nie existiert. Die Wiederbelebung veranschauliche, dass der Messias bei der Parusie seine Gemeinde als eine »Tochter der Auferstehung« vom Tod erwecken werde, indem er sie wie ein schlafendes Mädchen bei der Hand fassen und zum Aufstehen auffordern werde (Kreyenbühl 1909, 269). Im krassen Gegensatz dazu wollte Alphons Steinmann in der Geschichte einen von Petrus schriftlich fixierten Tatsachenbericht erblicken, der Lukas durch Vermittlung von Johannes Markus zu Händen gekommen sei (Steinmann 1934, 102). Rudolf Pesch richtet den Fokus auf die sozialethischen Impulse, die von Apg 9,36-43 ausgehen. Für ihn stellt die Tabitaerzählung ein Muster dafür dar, wie Gläu201

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bige mit dem Tod heilig lebender Schwestern und Brüder umgehen dürfen. Es gehe dabei weniger um Heiligenkult als um eine Aufrüttelung der gesamten Gemeinde, um ein Wachwerden des Glaubens durch die Toten, die auf diese Weise lebendig zur Gemeinde sprächen. In dieser Hinsicht dürfe die Tabitaerzählung nicht nur, aber auch als symbolische Legende gelesen werden, welche dazu verpflichte, sich zum neuen Leben in der Gemeinde erwecken zu lassen, damit niemand in ihr Not leiden muss (Pesch 2005, 326). Ivoni Richter Reimer sieht in ihrer feministisch-sozialgeschichtlichen Deutung die bleibende Bedeutung der Tabitaerzählung vor allem in der Bejahung des solidarischen Lebens einer Jüngerin, das paradigmatisch weiterwirken will. Sie beobachtet in der Apostelgeschichte das Auftreten von Frauengruppen, deren religiöse und berufliche Aktivitäten Signale für einen befreienden Aufbruch geben. Die Jüngerin Tabita und die Witwen in der Gemeinde zu Joppe stellten sich als Gruppe dar, die eine ganzheitliche Diakonie lebe und damit Gottesdienst im Alltag der Welt feiere. Die Herstellung notwendiger Güter in der Gemeinschaft sei auch Glaubenszeugnis, wobei alltägliche Solidarität wie gelebte Spiritualität auf ewig blieben und den Tod überwänden. Indem die Erzählung von der Gegenwart Gottes im Tod und der Ermöglichung von Auferstehung spreche, eröffne sie neue und erneute Lebensperspektiven. Nachdem das Leben und der Tod der Tabita vieles und viele in Bewegung gesetzt hätten, könne ihre Auferweckung in der Gemeinde erneute Kraft zugunsten der sozial Schwächeren mobilisieren (Richter Reimer 1998, 549f.).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die Erzählung begründet den Ruf des Petrus als großer Totenerwecker, der dann später in den apokryphen Petrusakten mit der Auferweckung nicht nur verstorbener Menschen (ActPetr 25-28), sondern auch eines toten Fisches (ActPetr 26f.) in bunten Farben ausgemalt wird. Johannes Chrysostomos hebt in seiner 21. Homilie zur Apostelgeschichte (PG 60,167-172) die Demut des Petrus hervor, der sich nicht zu schade ist, dem Ruf nach Joppe zu folgen, und dort nach dem Wunder weder bei Tabita noch einer anderen vornehmen Person, sondern bei einem Gerber Quartier nimmt. Der Name Tabitas charakterisiert für den Kirchenvater bestens ihre Wesenseigenschaften, da sie mit der Agilität und Wachsamkeit einer Antilope gute Werke tat. Cyprian von Karthago betrachtet Tabita als Paradebeispiel dafür, dass die Seele durch gute Werke und die Gabe von Almosen vor dem Tod bewahrt wird (Cyp. eleem. 6). In der Apokalypse des Elija aus dem 3. Jh. spielt Tabita als endzeitliche Märtyrerin, deren vergossenes Blut sich als heilvoll erweist, eine prominente Rolle. Sie verfolgt den Antichristen bis nach Jerusalem, wird von ihm ermordet und auf den Tempel geworfen, um dann von den Toten auferweckt zu werden (34,9-35). Dabei ist wohl an die Tabita unserer Erzählung gedacht (gegen Frankfurter 1990, 1325). Der Pilger von Piacenza erwähnt um 570 das Grab der Tabita in Joppe (Donner 2002, 292), das er offenkundig besucht hat. 202

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Stütze der Gemeinde erwacht zu neuem Leben Apg 9,36-43

Unter dem Eindruck von Apg 9,36-43 erfreuen sich Tabita und Dorkas auch heute noch großer Beliebtheit als weibliche Vornamen. Wegen ihrer Verdienste um die innergemeindliche Sozialfürsorge wurde Tabita in der kirchlichen Tradition zur Heiligen. Im Heiligenkalender der römisch-katholischen Kirche ist ihr der 25. Oktober als Gedenktag gewidmet. Die russisch-orthodoxe Kirche, die sich an dem Julianischen Kalender orientiert, gedenkt ihrer am 7. November und begeht zudem am vierten Sonntag nach Ostern das Fest der Heiligen Tabita. Die sozialethischen Implikationen der Tabita-Erzählung sind bis in die Gegenwart hinein wirksam. Schon immer durften im Wirken der Tabita »besonders die christlichen Frauenvereine ihr Vorbild erblicken« (Steinmann 1934, 101). Tabita wurde zur Namensgeberin karitativer Einrichtungen, die sich der Unterstützung sozial bedürftiger Frauen widmen oder Menschen im Trauerprozess begleiten. In Maroua (Kamerun) eröffnet das Ausbildungszentrum Saare Tabitha (»Haus Tabitha«) jungen Frauen ohne Schulabschluss die Möglichkeit einer mehrjährigen Ausbildung, deren Schwerpunkt in Schneiderei, Batik, Stickerei und Handarbeit liegt. In Aachen wird von einer römisch-katholischen Kirchengemeinde das Trauercafé Tabitha betrieben. Bernd Kollmann

Literatur zum Weiterlesen F. Erichsen-Wendt, Tabitha – Leben an der Grenze. Ein Beitrag zum Verständnis von Apg 9,36-43, BN 127 (2005), 67-90. Dies., Tabita. Zur Symbolik der Kleider in Apg 9,39, in: A. M. Hauff (Hg.), Frauen gestalten Diakonie. Bd. 1: Von der biblischen Zeit bis zum Pietismus, Stuttgart 2007, 111-123. B. Kollmann, Totenerweckungen in der Bibel – Ausdruck von Protest und Zeichen der Hoffnung, in: M. Ebner/E. Zenger (Hg.), Leben trotz Tod, JBTh 19, Neukirchen-Vluyn 2005, 121-141. V. Lawson, Tabitha of Joppa. Disciple, Prophet and Biblical Prototype for Contemporary Religious Life, in: R. M. Chennattu/M. L. Coloe (Hg.), Transcending Boundaries. Contemporary Readings of the New Testament, Rom 2005, 281-292. S. Luther, Hafen von Jerusalem, Hafen zur Welt. Jaffa in den Erzählungen der Apostelgeschichte, in: M. Peilstöcker/J. Schefzyk/A. A. Burke (Hg.), Jaffa – Tor zum Heiligen Land, Ausstellungskatalog, Mainz 2013, 70-76. I. Richter Reimer, Die wunderbare Geschichte der Jüngerin Tabitha (9,36-43), in: dies., Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas. Eine feministisch-theologische Exegese, Gütersloh 1992b, 55-89. R. Strelan, The Gazelle of Joppa (Acts 9.36-41), BTB 39 (2009), 77-86.

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(Wie) Hilft Beten? (Die Befreiung des Petrus) Apg 12,1-11 (12,1) Zu jener Zeit ließ der König Herodes einige aus der Gemeinde festnehmen, um sie zu misshandeln. (2) Jakobus, den Bruder des Johannes, ließ er mit dem Schwert hinrichten. (3) Als er sah, dass es den Juden gefiel, machte er weiter und ließ auch Petrus verhaften. Das geschah in den Tagen der Ungesäuerten Brote. (4) Nach seiner Ergreifung ließ er ihn ins Gefängnis werfen und übergab ihn vier Wachmannschaften zu je vier Soldaten, um ihn zu bewachen. Nach dem Paschafest wollte er ihn dem Volk vorführen. (5) Petrus wurde also im Gefängnis bewacht, während die Gemeinde beharrlich für ihn zu Gott betete. (6) In der Nacht, bevor Herodes ihn vorführen lassen wollte, schlief Petrus, mit zwei Ketten gefesselt, zwischen zwei Soldaten. Wachen vor der Tür bewachten das Gefängnis. (7) Plötzlich trat der Engel des Herrn ein und Licht erfüllte die Zelle. Er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn auf und sagte: »Schnell, steh auf!« Da fielen ihm die Ketten von den Händen. (8) Der Engel sagte zu ihm: »Binde deinen Gürtel um und zieh deine Sandalen an!« Er tat es. Und er sagt zu ihm: »Wirf deinen Mantel um und folge mir!« (9) Als er hinausging, folgte Petrus ihm, ohne zu wissen, dass es Wirklichkeit war, was durch den Engel geschah. Er meinte, er habe eine Vision. (10) Nachdem sie an der ersten und an der zweiten Wache vorbeigegangen waren, kamen sie an das eiserne Tor, das in die Stadt führt. Das öffnete sich von selbst vor ihnen. Sie traten hinaus und gingen eine Straße weiter und auf einmal verließ ihn der Engel. (11) Da kam Petrus zu sich und sagte: »Jetzt weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel geschickt und mich aus der Hand des Herodes befreit hat, und von allem, was das jüdische Volk erwartete.«

Sprachlich-narratologische Analyse In Apg 11,27-30 berichtet Lukas von der Kollekte aus Antiochien für Jerusalem. Grund dafür ist die Hungersnot unter Kaiser Claudius (11,28). Barnabas und Saulus (Paulus) werden geschickt, um die Kollekte zu überbringen. Apg 12,25 erzählt, dass die beiden nach Antiochia zurückkehren, nachdem sie in Jerusalem ihre Aufgabe erfüllt haben. Zwischen diese beiden Notizen schiebt Lukas eine Erzählung, die von der Hinrichtung des Jakobus, der Befreiung des Petrus und der Vernichtung des Verfolgers handelt. 204

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(Wie) Hilft Beten? Apg 12,1-11

Apg 12,1-2 erzählen denkbar knapp von der Verfolgung einiger Gemeindemitglieder sowie von der Hinrichtung des Apostels Jakobus durch das Schwert. Dieser in seiner Kürze fast lapidar anmutenden Notiz kontrastiert die ausführliche Schilderung von der Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis (V. 3-11). V. 3-5 schildern die Situation: Zunächst erfahren wir, warum Herodes Agrippa I. den Apostel Petrus gefangen setzt: weil »es den Juden gefiel« (V. 3). Das Ganze passiert zur Zeit der »Ungesäuerten Brote«, also während des achttägigen Paschafestes. Jerusalem ist voll von Pilgern. Nach dem Fest will Herodes Petrus dem Volk vorführen und ihn öffentlich aburteilen. Bis zum geplanten Schauprozess lässt er Petrus ins Gefängnis werfen und stellt ihn unter schärfste Bewachung. Insgesamt sechzehn Soldaten bewachen Petrus rund um die Uhr. Mit τετράδιον (tetradion) taucht hier ein militärischer Fachbegriff auf, der eine besonders scharfe Bewachung durch vier Soldaten bezeichnet, die sich alle drei Stunden abwechseln (Kratz 1979, 466). Die Gemeinde betet beharrlich für Petrus zu Gott. V. 6 präzisiert die Situation direkt vor der Befreiung: Es ist Nacht, der Schauprozess steht unmittelbar bevor. Petrus schläft zwischen zwei Soldaten, an die er mit Ketten gefesselt ist. Zwei weitere Soldaten stehen vor der Gefängnistür. Eine Rettung scheint angesichts dieser Bedingungen ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund dieser widrigen Umstände erstrahlt die Befreiung des Petrus (V. 7-10). Der Engel des Herrn tritt ohne Probleme ein – wie genau er das macht, muss gar nicht erzählt werden. Licht erhellt die Zelle (vgl. Lk 2,9). Der Engel stößt Petrus in die Seite. Drei Befehle markieren den Befreiungsprozess: »Schnell, steh auf!«, »Binde deinen Gürtel um und zieh deine Sandalen an!« und »Wirf deinen Mantel um und folge mir!«. Die detaillierten Aufforderungen des Engels zeigen, dass Gott alles unter Kontrolle hat (Weaver 2004, 164). Petrus gehorcht, aber er versteht nicht, was mit ihm passiert. Er glaubt, eine Vision zu haben. Der Engel und Petrus passieren ohne Schwierigkeiten die Wachen vor der Tür und gelangen zum Tor, das in die Stadt führt und sich von selbst vor ihnen öffnet. Das Gefängnis befindet sich also außerhalb Jerusalems. In der Stadt verlässt der Engel Petrus – er hat seine Aufgabe erfüllt. Nun erst kommt Petrus zu sich (V. 11). Er wird sich klar darüber, was »wirklich« (ἀληθῶς alēthōs) geschehen ist: Gott der Herr hat seinen Engel gesandt, um den Apostel aus der Hand des Herodes zu befreien. Und auch von den Erwartungen der Juden ist er befreit. Nachdem er zu dieser Einsicht gelangt ist, reagiert er nicht mehr wie eine Marionette, sondern kann wieder selbst agieren. Insofern dient der Vers als Scharnier zu den folgenden V. 12-17, die davon erzählen, dass Petrus zum Haus der Maria geht.

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Die Apg enthält drei Befreiungswunder, die unterschiedliche Akzente setzen: 12,1-11

16,23-40

Betroffene Personen alle Apostel

Petrus

Paulus und Silas

Fokus

Lehre im Tempel

Befreiung

Bekehrung des Kerkermeisters (V. 33f.)

Stellenwert der Befreiung

Keine »echte« Befreiung: Apostel werden vor den Hohen Rat geführt. »Befreiung« dient der Lehre im Tempel  missionstheologische Ausrichtung.

»Echte« Befreiung: Petrus kann entkommen. Befreiung dient der Flucht des Petrus und der Stärkung der Gemeinde.

5,17-26

Keine »echte« Befreiung: Paulus und Silas bleiben im Gefängnis. »Befreiung« dient der Bekehrung des Kerkermeisters  missionstheologische Ausrichtung.

Tab. 6: Befreiungswunder der Apg

Im Vergleich zu Apg 5 und 16 fallen in Apg 12 insbesondere die detaillierte Schilderung der Befreiung, die schrittweise Erkenntnis von Petrus und der Gemeinde sowie die fehlende Erkenntnis und die Vernichtung des Königs auf. Dem Befreiungswunder ist ein Strafwunder angehängt. Anders als in Apg 5 und 16 ist das Befreiungswunder rein innergemeindlich ausgerichtet: Direkt betroffen ist Petrus, er läuft zunächst zu einigen Gemeindemitgliedern und fordert sie dazu auf, »Jakobus und den Brüdern« davon zu erzählen (12,17). Insofern scheint mir fraglich, inwiefern hier in gleichem Maß eine missionstheologische Ausrichtung zu verzeichnen ist wie in Apg 5 und 16 (gegen Kratz 1979, 494). Pragmatisch führt die Erzählung in Apg 5 dazu, dass die Leser von Apg 12 bereits wissen: Gott kann seine Apostel aus dem Gefängnis befreien. Trotzdem ist das Befreiungswunder in Apg 12 für die Leser(innen) der Apg keine Selbstverständlichkeit. Denn zum einen erfahren sie in Apg 12,1f. von der Hinrichtung des Jakobus: Hier tritt kein rettender Engel des Herrn auf, Jakobus stirbt durch das Schwert. Zum anderen macht die ausführliche Schilderung in Apg 12,3-6 deutlich, wie groß die Hindernisse sind, die einer göttlichen Rettung entgegenstehen. Petrus wird scharf bewacht, er ist zudem angekettet. Der Apostel denkt nicht einmal an einen Ausbruchsversuch. Er wartet auch nicht auf einen Engel. Er schläft! Das ist einerseits nicht außergewöhnlich: Nachts ist die typische Zeit zu schlafen. Aber immerhin handelt es sich um die Nacht vor dem Schauprozess, also vielleicht um die letzte Nacht im Leben des Petrus. Wer könnte da schlafen? Die Gemeinde jedenfalls – so erfahren wir – schläft nicht, sondern betet beharrlich zu Gott. Wie wirkt dieser Kontrast auf die Leser? Unterstreicht er, wie »gottergeben« (Eckey 2011, 347) Petrus alles hinnimmt? Geht es darum, die »Situation als eine solche darzustel206

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len, die nach Menschenermessen den Charakter des Unabänderlichen trägt« (Eulenstein 1973, 57)? Oder begegnen wir hier einer antiken Konvention, »die den antiken Lesern anzeigt, dass Petrus sich nun in einer Situation mit unbestimmtem Ausgang befindet: Auf der Seite des Todes wirkt Agrippa I. […] Auf der Seite des Lebens wirkt das Gebet der Gemeinde, welches auf göttliche Wirklichkeit zielt« (Weissenrieder 2006, 78f.)? Der »Schlaf als Zustand zwischen Leben und Tod« (a.a.O., 78; vgl. Weissenrieder/Wendt 2005) unterstreicht, wie offen das Schicksal des Petrus ist: Wird er sterben wie Jakobus, oder wird der Herr ihn (nochmals) aus dem Gefängnis retten? In V. 7 fällt die Entscheidung: Der Engel des Herrn tritt auf. Der Leser weiß: Gott lässt Petrus nicht allein. Die Art, wie der Erzähler von dem Befreiungswunder erzählt, macht allerdings deutlich, dass er keineswegs mit einer »naiv-wundergläubigen« Leserschaft rechnet. Er setzt drei Strategien ein, um das Wunder zu plausibilisieren: 1. Er stellt die Erzählung in einen politisch-historischen Zusammenhang (vgl. Weaver 2004, 204-217) und verknüpft sie mit einem politisch-historischen Faktum: dem auch bei Josephus bezeugten (Ant. 19,343-350), qualvollen Tod des Agrippa (Apg 12,23). 2. Er differenziert in Apg 12,9: Petrus meint (ἐδόκει edokei), eine Vision zu haben, er weiß noch nicht (οὐκ ᾔδει ouk ēdei), dass die Befreiung durch den Engel des Herrn wirklich geschieht. »Der Text unterscheidet ein Wissen von einem bloßen Meinen, eine Vision von wirklich Geschehenem« (Weissenrieder 2006, 80; vgl. Weaver 2004, 170). 3. Er schildert ausführlich, wie sowohl Petrus als auch die Gemeinde um das rechte Verständnis dessen, was geschehen ist, ringen. Die Gemeindemitglieder sind keineswegs einfach »wundergläubig«. Obwohl sie für Petrus beten, rechnen sie offensichtlich nicht damit, dass Gott ihn tatsächlich befreit. Die Gemeinde benötigt nicht nur zwei (wie Petrus), sondern sogar vier Etappen, um zu begreifen, was wirklich geschehen ist: Nachdem sie Rhode zunächst für verrückt gehalten haben (12,15), vermuten sie einen (Schutz-)Engel (12,15; vgl. Weaver 2004, 175), dann irgendeinen Menschen hinter der Tür (Eulenstein 1973, 50) und wundern sich schließlich, dass es tatsächlich Petrus ist. Erst als Petrus vor ihnen steht und ihnen erklärt, was geschehen ist, nämlich dass Gott ihn aus dem Gefängnis geführt habe (12,17), kann die Gemeinde verstehen. Herodes versteht im Gegensatz dazu gar nichts. Er lässt die Wachen abführen, weil sie – seiner Meinung nach – Petrus haben entkommen lassen (12,18f.). Doch sein Unverstand holt ihn bald darauf ein: Der Engel des Herrn schlägt ihn und er stirbt qualvoll (12,23).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Apg 12 bringt die Geschichte der Gemeinde »in eine unmittelbare Korrelation zur allgemeinen Zeitgeschichte« (Roloff 2010, 185). Erstmals im Verlauf der Apg sind nicht religiöse, sondern politische Führungskräfte die Gegner der Jerusalemer Gemeinde (Fitzmyer 1998, 485). Historischer Hintergrund ist der Konflikt mit König Agrippa I. Lukas bezeichnet ihn hier als »Herodes«. Es handelt sich bei Agrippa I. um den Enkel 207

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von Herodes dem Großen (gest. 4 v. Chr.). Agrippa I. lebte von 10 v. bis 44 n. Chr. Er regierte von 41-44 n. Chr. über Galiläa, Peräa, Judäa und Samaria, also über ein Gebiet, das an Ausdehnung dem Reich von Herodes dem Großen in etwa gleich kam. In diese Zeit muss also auch das hinter Apg 12 stehende Ereignis datiert werden. Die Bezeichnung des Agrippa I. als »Herodes« ist ungewöhnlich. Geläufiger ist die Bezeichnung (Julius) Agrippa. Wahrscheinlich spielt Lukas hier bewusst mit Namen. Herodes Antipas lässt den Täufer Johannes hinrichten, Herodes Agrippa den Jakobus. »The figure of Herod in Acts therefore re-presents the group of Herodian rulers whose violent and impious hostility would be familiar to Luke’s readers« (Weaver 2004, 210). Der Text spricht davon, dass Herodes »einige aus der Gemeinde« verhaften lässt, Jakobus hinrichten lässt und Petrus ins Gefängnis wirft. Die Verhaftung der Gemeindemitglieder und die Hinrichtung des Jakobus werden nicht begründet. Zur Gefangennahme des Petrus heißt es, dass Herodes sich mit dieser Maßnahme bei »den Juden« beliebt machen wollte. Die damit implizierte feindliche Einstellung der Juden gegenüber der Jerusalemer Gemeinde kommt im Verlauf der Apg überraschend (vgl. 4,21). Im Blick auf die hinter diesen Angaben aus Apg 12,1-3 stehenden historischen Ereignisse sind v.a. drei Fragen umstritten: 1. Galten die Maßnahmen des Herodes nur Jakobus und Petrus oder der gesamten Jerusalemer Gemeinde? 2. Warum ging Agrippa gegen Jakobus und Petrus (und weitere Gemeindemitglieder) vor? 3. Welche Rolle spielen die Pharisäer in diesem Zusammenhang? J. Roloff vermutet, dass Agrippa sich durch eine Verfolgung, die »erstmals die gesamte Gemeinde in Mitleidenschaft zog«, die Zuneigung der Pharisäer »und damit auch die des von ihnen beherrschten Volkes« sichern wollte (Roloff 2010, 186): »Wenn Petrus sich tatsächlich, worauf vieles hindeutet (vgl. zu 10,1-11,18), innerhalb der Urgemeinde als Verfechter einer Öffnung gegenüber den Heiden profiliert hatte, so war es ganz natürlich, dass er in erster Linie die Feindschaft der Pharisäer auf sich zog. Agrippa konnte darum hoffen, sich mit einer gegen Petrus gerichteten Aktion bei ihnen populär zu machen (V. 3f.)« (ebd.). Agrippa hätte danach im Dienste der Pharisäer die christliche Gemeinde verfolgt. Diese These impliziert, dass die Pharisäer erheblichen Einfluss im damaligen Judentum hatten und dass Agrippa die Interessen der Pharisäer unterstützt habe. Beides ist in der Forschung umstritten (vgl. Reinbold 2000, 67f.). D. R. Schwartz hält die Bezeichnung »Verfolgung der christlichen Gemeinde« für übertrieben. »We hear of persecution of James and Peter alone […]. While only silence indicates that no others were affected, it is a very loud silence« (1990, 122f.). Er vermutet, dass Agrippa Petrus und Jakobus verhaften ließ, weil sie in politische Unruhen verwickelt waren (a.a.O., 123). Schwartz muss allerdings zur Stützung seiner These entweder mit uns unbekannten politischen Unruhen in Jerusalem rechnen, oder das Claudiusedikt, das die Vertreibung der Juden(christen) aus Rom anordnete und insofern Spannungen mit Rom bezeugt, ungewöhnlich früh, nämlich in das Jahr 41 n. Chr. (statt 49 n. Chr.) datieren (a.a.O., 94-96). 208

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B. Wander vermutet, dass Agrippa I. mit seinem rigorosen Vorgehen gegen Jakobus und Petrus die jüdische Bevölkerung in der Diaspora schützen wollte. Er »konnte die Jerusalemer Gemeinschaft nicht mehr als tolerierbare Bewegung betrachten, wie dies die Pharisäer taten« (1997, 226). Ein weiteres Wachsen der Gemeinde wollte er verhindern, indem er gegen leitende Personen der Gemeinschaft vorging. »Dass dabei fälschlicherweise nicht der Herrenbruder Jakobus, sondern der Zebedaide Jakobus verhaftet wurde, kann ein Zufall gewesen sein […]« (a.a.O., 227). W. Reinbold nimmt an, »Agrippa wäre der (irrigen) Meinung gewesen, er könne durch die Hinrichtung der Kirchenmänner [Jakobus und Petrus] sein Image aufpolieren« (2000, 69). Er habe also aus Opportunismus gehandelt, nicht aber speziell im Dienst der Pharisäer. Diese These rechnet damit, dass Agrippa das Verhältnis zwischen »alt- und christusgläubigen Juden in Jerusalem« falsch eingeschätzt habe (a.a.O., 70). Die Hinrichtung des Jakobus brachte wider Erwarten keinen Imagegewinn, so dass Petrus mit dem Leben davonkam. G. Theißen bezieht in seine historische Rückfrage Mk 10,35-45 mit ein, da die Verse sich auf dasselbe Ereignis wie Apg 12,1-17 beziehen. Die Verfolgung traf »wie immer zunächst die Führungskreise« (1999b, 285). Motiviert war sie u.a. durch die (Selbst-)Stilisierung von Agrippa I. zum Retter des Tempels (Kollmann 2011b, 102) nach der Krise unter Gaius Caligula, der den Tempel zu einer Stätte des Kaiserkults machen wollte, dann aber im Januar 41 ermordet wurde. »In dieser Situation [unter Agrippa I.] musste es allen Tempelkritikern schlecht gehen. Die Christen gehörten zu den Tempelkritikern. Die Tempelweissagung Jesu kursierte unter ihnen [vgl. Mk 14,56-58; Act 6,13-14]« (Theißen 1999b, 279; vgl. Schwemer 2005, 178f.). Die Tötung von Jakobus dem Zebedaiden und die Flucht des Petrus führten dazu, dass die Leitungsmacht in der Jerusalemer Urgemeinde vom bisherigen Führungskreis auf den Herrenbruder Jakobus überging (vgl. Apg 12,17). Die Verfolgung »fördert die Ablösung von charismatischen Autoritäten der Jesuszeit zugunsten einer funktionalen Legitimation von Autorität – und das heißt: zugunsten aller, die die geforderte Funktion des Dienstes ausüben können [vgl. Mk 10,45]« (Theißen 1999b, 288). Mit diesem Führungswechsel »ging eine verstärkte Rückbesinnung des Jerusalemer Christentums auf die traditionellen jüdischen Werte« einher (Kollmann 2011b, 103).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Apg 12,3-11(-19) ist formkritisch als Wundererzählung, genauer als Befreiungs(Kratz 1979, 351-445), Türöffnungs- (Weinreich 1929) oder Rettungswunder (Theißen 1998, 109.273) einzuordnen. Die Erzählung ist im Wesentlichen stilgemäß aufgebaut (Zmijewski 1994, 456f.). Einleitend werden der Gottesmann (Petrus) und sein Gegenspieler (Herodes) genannt (V. 3). In der Exposition (V. 4f.) werden die Bedingungen der Haft geschildert. Im Zentrum der Erzählung steht die Nachtzeit als szenische Voraussetzung (V. 6), die Epiphanie eines Gottesboten als Lichterschei209

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nung (V. 7), die wunderbare Fessellösung (V. 7) und die wunderbare Türöffnung (V. 10). Als Schlussmotive finden sich einerseits das Außer-sich-Sein der Anhänger (V. 16) und andererseits die Bestrafung der Wachen (V. 18f.). Stilistisch auffällig sind: − die ausführliche Schilderung der Befreiung (V. 7-10), − der allmähliche Erkenntnisprozess des Petrus (V. 9-11). V. 11 kann geradezu als ein erstes Schlussmotiv der Wundererzählung betrachtet werden. − der allmähliche Erkenntnisprozess der Gemeinde (V. 13-16). Als traditions- bzw. religionsgeschichtlicher Hintergrund kommen v.a. zwei Komplexe in Betracht: die jüdische Exodustradition und die hellenistischen Dionysosmysterien, wie sie insbesondere in den Bakchen des Euripides präsentiert werden. Beide handeln (u.a.) davon, dass ein König eine von Gott bzw. göttlich geschützte Gruppe verfolgt. Wie stark diese beiden Traditionsbereiche jeweils auf Apg 12 einwirken, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Das Motiv der wunderbaren Befreiung aus dem Gefängnis »was exclusive to Dionysian myth in the Classical and Hellenistic periods […]. Miraculous prison-escape is not a conventional motif in the exodus mythos« (Weaver 2004, 194). Es ist aber damit zu rechnen, dass sich beide Traditionskomplexe zur Abfassungszeit von Apg bereits vermischt haben, z.B. im dritten Buch der Makkabäer und in der nur fragmentarisch erhaltenen Schrift des Artapanos »Über die Juden« (a.a.O., 193f.202; vgl. Holladay 1983). J. Hintermaier betont die Unterschiede zwischen der hellenistischen Tradition und Apg 12: »Die Hilflosigkeit des befreiten Apostels hat kaum Vergleichspunkte weder bei Euripides, noch bei Nonnos und auch nicht bei Apollonius. […] In der griechischen Literatur wird […] die Überlegenheit der eingesperrten Personen gezeigt, die zum Teil selbst göttlicher Natur sind, wie es bei Dionysos der Fall ist. Petrus hat dagegen nichts mit übernatürlichen oder wunderbaren Kräften zu tun« (2003, 206). J. Schäfer stellt hingegen fest, »dass die Bezüge zu den Dionysosmysterien bewusst in die Texte [der Berufungs- und Befreiungserzählungen in der Apostelgeschichte] eingearbeitet worden sind« (2010, 217). Dabei habe der Verfasser insbesondere Leser(-innen) im Blick, die »vorrangig in der hellenistischen Kultur« sozialisiert seien. Durch die intertextuellen Bezüge zu den Bakchen erhielten Paulus und Petrus in ihren Augen »außerordentliche Legitimität« (a.a.O., 220). Mehrere Exegeten stellen Parallelen zwischen Apg 12,6-17 und der Exodustradition (nach der LXX) heraus. Die Israeliten sollen sich – wie Petrus – in der »Nacht« (Ex 12,12; Apg 12,6), in aller »Eile« (Ex 12,11; Apg 12,7) und »gegürtet und die Sandalen an den Füßen« (Ex 12,11; Apg 12,8) aufmachen (Strobel 1957/1958, 212f.). Insbesondere der zentrale Vers Apg 12,11 erinnert an die Exodustradition: »Wenn im Wort der Selbsterkenntnis V 11 ›Herodes‹ durch Pharao und ›Judäa‹ durch Ägypter ersetzt wird, dann hat Petrus ein Loblied auf seinen Exodus gesprochen, das dem Lied des Mose und der Mirjam vergleichbar ist (Ex 15,1-21)« (Dormeyer/Galindo 2003, 191; weitere Parallelen bei Radl 1983, 89 und Hintermaier 2003, 223-226). 210

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Verstehensangebote und Deutungshorizonte Aus rationalistischer Perspektive kann man fragen, wie sich die Befreiung des Petrus zugetragen haben könnte, ohne mit einer Durchbrechung von Naturgesetzlichkeiten rechnen zu müssen. V.a. drei Thesen werden dazu in der Forschung diskutiert: 1. Petrus hatte eine Vorladung von Agrippa bekommen, konnte sich dem Schauprozess aber noch rechtzeitig entziehen (Dormeyer/Galindo 2003, 188). 2. Petrus gelang »eine Flucht aus dem Gefängnis unter dramatischen Umständen« (Roloff 2010, 187). Er musste untertauchen und die Leitung der Gemeinde aufgeben, solange Agrippa an der Herrschaft war. Dazu passt die weitere Erzählung der Apg: »Von jetzt ab tritt Jakobus als Sprecher und Leiter der Jerusalemer Gemeinde auf (Act 15,13ff.; 21,18ff.)« (Theißen 1999b, 269). A. M. Schwemer rechnet damit, dass Petrus nach Syrien floh, nach dem Tod Agrippas I. aber zumindest zeitweise nach Jerusalem zurückkehren konnte (vgl. Gal 2,9; Schwemer 2005, 184). 3. Agrippa selbst ließ Petrus wieder frei, »als er sah, dass der Tod des Zebedaiden vom Jerusalemer Volk keineswegs mit Zustimmung aufgenommen wurde« (Reinbold 2000, 71, ähnlich bereits Baur 1866, 184f.). Lukas deutet das Ereignis, das Apg 12,7-11 zugrunde liegt, allerdings eindeutig als göttliche Befreiungstat. Insofern stellt sich – in historisierender Perspektive – die Frage, welchen Stellenwert die Faktizität des Ereignisses für den Text hat. Lukas schreibt sein Doppelwerk, damit Theophilus – und mit ihm die übrigen Leser der beiden Schriften – sich von der »Zuverlässigkeit der Lehre« überzeugen können (Lk 1,4). Welche Rolle spielt die Wundererzählung aus Apg 12 in diesem Zusammenhang? Wir haben bereits gesehen, dass Lukas drei Strategien einsetzt, um die Zuverlässigkeit des Erzählten zu plausibilisieren (s.o.): Die Verknüpfung der Erzählung mit dem Tod des Agrippa I. könnte darauf hindeuten, dass Lukas Wunder als historische Fakten verstanden wissen möchte. Sie haben denselben Wirklichkeitsstatus wie politische Ereignisse und sind – hier kommt der zweite Aspekt ins Spiel – von Visionen (und wohl auch Träumen etc.) deutlich zu unterscheiden. Der dritte Aspekt nötigt allerdings zu einer wichtigen und interessanten Differenzierung: Die Wirklichkeit des Wunders erschließt sich nicht von selbst, die Menschen – auch die Jesusnachfolger einschließlich Petrus – müssen vielmehr um das rechte Verständnis dessen, was sie erleben, ringen. Der König und die Wachen verstehen bis zum Schluss nicht, was da eigentlich passiert ist. Hierin unterscheidet sich das Wunder aus Apg 12 von den im selben Kapitel genannten historischen Ereignissen, etwa der Hinrichtung des Jakobus, der Abführung der Soldaten und dem Tod des Königs. Gerade durch die Betonung des Ringens um die Wahrheit dessen, was geschieht, verdeutlicht Lukas, dass die Gemeinde um Jesus Christus nicht einfach naiv und leichtgläubig ist. Sie ringt vielmehr um eine andere – nach Lukas um die allein richtige – Sicht auf ihre Wirklichkeit. Dabei gibt es durchaus auch Bereiche, die solch eines schwierigen Deutungsprozesses nicht bedürfen. Aber dort, wo Gott direkt eingreift, ist es auch für Glaubende schwer, diese Wirklichkeit angemessen zu erfassen. 211

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Die Erzählung fordert zu einer Stellungnahme heraus: Wie stellen sich die Leser zu dem, was dort geschildert wird? Rechnen sie mit einer Vision, mit Schlamperei durch die Wachen, mit einer unrealistischen Traumwirklichkeit? Oder sind sie bereit zuzulassen, dass der befreiende Exodusgott Petrus in der Not bewahrt (vgl. Kollmann 2011a, 112), indem er einen Engel schickt, um Petrus zu retten? Von einem tiefenpsychologischen Ansatz her liest E. Drewermann das Befreiungswunder als »Bild einer inneren Gefangenschaft«, aus der der Mensch »kraft einer inneren Vision« ausbricht (1985, 339). Interessant ist dabei, dass auch Drewermann mit einem differenzierten Kategoriensystem von Wirklichkeit arbeitet, die Zuordnungen dabei aber z.T. anders ausfallen, als oben ausgeführt: Es ist eine Zeit des Übergangs zwischen Traum und Wirklichkeit, in der Petrus den Kerker der Menschenfurcht und Menschenabhängigkeit verlässt, eine Phase der Umwertung aller Begriffe, in der die vormals so eindeutig festgelegte und sicher gefügte Welt aus Eisen und Stein, aus lähmender Angst und bleierner Müdigkeit, sich rückblickend als böser Spuk erweist, als ein bloßer Alptraum, der im Morgendämmern verfliegt, während doch die neue Wirklichkeit noch wie schemenhaft in Nebelschleiern sich verhüllt, mehr Ahnung noch als schon Gewissheit, mehr aufkeimende Hoffnung als bereits greifbare Erfahrung (Drewermann 1985, 340).

Die Gefangenschaft in ihrer ganzen bedrückenden Macht stellt sich rückblickend als »bloßer Alptraum« heraus. Menschenfurcht und Menschenabhängigkeit, lähmende Angst und bleierne Müdigkeit (Antriebslosigkeit?) erweisen sich als unbegründet. Eine neue Sicht auf die Wirklichkeit bricht sich allmählich Bahn. So gelesen, handelt der biblische Text »unmittelbar von den eigenen seelischen Befindlichkeiten […] und [birgt] zeitlos gültige Bilder der Hoffnung in sich« (Kollmann 2011a, 163). Die Erzählung kann dazu ermutigen, die eigene Lebenswirklichkeit anders, »freier«, wahrzunehmen und einengende Fesseln abzuschütteln. J. Hintermaier vertritt im Kontext der Frage nach der theologischen Kernaussage der Wundererzählung eine typologische Auslegung. Bei der Typologie handelt es sich »um Personen, Einrichtungen oder Ereignisse des Alten Testaments, die als von Gott gesetzte Vorbilder oder Vorausdarstellungen entsprechender Größen der neutestamentlichen Heilsgeschichte angeschaut werden« (Eichrodt 1957, 162). Apg 12,1-17 folgt zwei Typologien: einerseits der Exodustypologie, andererseits der Auferstehungstypologie (Hintermaier 2003, 234). Denn in Apg 12,12-17 finden sich auch Parallelen zu Lk 24, z.B. das Erscheinen im Haus, wo andere versammelt sind (Apg 12,12/Lk 24,36), das Sprechen zu Frauen (Apg 12,14/Lk 24,5-7), das Mitteilen der Nachricht (Apg 12,14/Lk 24,9), der Unglaube der anderen (Apg 12,15/Lk 24,11) usw. (a.a.O., 229). »Das Exodusgeschehen bildet sowohl für Apg 12,6-17 die Grundlage als auch für Lk 24, und diese beiden Stränge laufen in Apg 12,1-17 zusammen. Lukas hat in Apg 12 die Exodustypologie im Hintergrund, doch was das ›Mehr‹ des Antitypus im Vergleich zum Typus ausmacht, ist in unserem Fall die Auferstehung Jesu […]« (a.a.O., 234). In der Auferstehung Jesu findet das Exodusgeschehen seine Fortsetzung: »Petrus, der eingekerkert wurde 212

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und dem dasselbe Schicksal droht wie Jesus, erlebt am eigenen Leib die Rettungstat Gottes, die er für sich und die Gemeinde (Apg 12,11.17) als Eingreifen Gottes deutet. Ein Eingreifen, das nach dem Vorbild des Exodus und der Auferstehung Jesu gestaltet ist« (ebd.). Die Wundererzählung wirft im Kontext des lukanischen Doppelwerks jedoch auch theologische Fragen auf, von denen zwei kurz skizziert werden sollen: 1. In Lk 11,9 heißt es: »Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan«. An mehreren Stellen der Apg stehen Gebet und Wunder bzw. Epiphanie in einem engen Zusammenhang (Apg 4,31; 7,59; 9,40; 10,4.9.31; 11,5; 16,25; 22,17; 28,8; vgl. Green 2001, 183-202). Es ist reizvoll, die Erzählung in Apg 12 vor diesem Hintergrund zu lesen. Die Gemeinde betet für Petrus und kann seine Befreiung doch kaum fassen. Hat das Gebet der Gemeinde Gott dazu bewogen, Petrus zu befreien? Hat sie versäumt, für Jakobus zu beten? Liegt hier der Grund dafür, dass er hingerichtet wurde? Und wofür beten die Gemeindemitglieder? Für die Befreiung des Petrus, an die sie selbst aber kaum glauben können? Dafür, dass sie die schrecklichen Ereignisse durchstehen mögen, ohne den Glauben zu verlieren? Die Art des Zusammenhangs von Gebet und göttlichem Handeln bleibt in Apg 12 ein Geheimnis. Die Dinge sind komplizierter, als Lk 11,9 erahnen lässt. 2. Gott greift nicht immer rettend ein. Jakobus kommt durchs Schwert um. Die kontrastive Gegenüberstellung der Schicksale von Jakobus und von Petrus provoziert die Frage: Warum hilft Gott dem einen, nicht aber dem anderen? Will Lukas den Herodes Agrippa I., der Unschuldige vernichtet, mit Gott kontrastieren, der den König erst vernichtet, nachdem er (an Jakobus) schuldig geworden ist (Eulenstein 1973, 62)? Als Antwort auf die Theodizeefrage bleibt diese These so unbefriedigend wie jede andere. Lukas jedenfalls schafft einen klaren Kontrast: Gottes Engel kommt einmal zur Rettung (12,7-10), einmal zur tödlichen Strafe (12,23) – zu Jakobus kommt er – soweit wir wissen – nicht.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Apg 12,3-6 klingt in der um die Mitte des 2. Jh. entstandenen (Müller 2012, 1065) Epistula Apostolorum 15 an. »Der Text gibt sich aus als Brief des namentlich aufgezählten Apostelkollegiums (11 Personen) an die Kirchen in den vier Weltgegenden. […] In Kap. 13 bis 50 folgt ein Dialog mit den Fragen der Apostel und den Antworten und Belehrungen des Heilandes« (Müller 2012, 1063). In EpAp 15 prophezeit Jesus die Verhaftung und wunderbare Befreiung des Petrus (der nicht namentlich erwähnt wird, dessen Identität aber aus Apg 12,3-6 erschlossen werden kann; vgl. ebd.) am Pascha. In der koptischen Version erhält der befreiende Engel den Namen Gabriel. Zum weiteren Schicksal des Petrus heißt es: »Er geht heraus, kommt zu euch, bringt eine Nacht des Wachens mit euch zu, bleibt bei euch, bis der Hahn kräht [vgl. Mk 13,35]. Wenn ihr aber vollendet das Gedächtnis, das da 213

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ist für mich, und die Agape, so wird er wiederum in das Gefängnis geworfen werden zu einem Zeugnis, bis dass er von dort herauskommt (und) predigt, was ich euch übergeben habe«. Origenes verweist in der Auseinandersetzung mit Celsus auf Apg 12,3-11. Während Celsus die Göttlichkeit Jesu bestritt, weil dieser »gefesselt sich nicht lösen konnte«, betrachtet Origenes die Befreiungswunder des Petrus und Paulus als Beleg dafür, dass Jesus sich am Kreuz hätte retten können, wenn dies sein Wille gewesen wäre (Or. Cels. 2,34). Der Christengegner Porphyrius sah durch das Befreiungswunder in Jerusalem seine Vorbehalte gegenüber der Person des Petrus bestätigt. Anstatt heldenhaft den Tod zu verachten, wie es der christlichen Lehre entsprochen hätte, sei er aus dem Gefängnis geflohen und habe so die wachhabenden Soldaten ans Messer geliefert (Porph. Fr. Hist. 26; vgl. Nestle 1948, 616). Johannes Chrysostomus hat zwischen 397 und 400 nicht weniger als 150 Homilien über die Apostelgeschichte verfasst. Sie »bilden die einzigen schriftlich festgehaltenen Predigten der christlichen Antike über die Apostelgeschichte« (Moreschini/Norelli 2007, 339). In der 26. Homilie kommentiert Chrysostomus Apg 12,1-2. Er wirft die Frage auf, warum Gott es zulasse, dass Jakobus hingerichtet wird. Seine dreifache Begründung lautet: Erstens wollte Gott den Juden zeigen, dass die Apostel sich letztlich durchsetzen, selbst wenn sie hingerichtet werden – wie es auch bei Stephanus war; zweitens wollte er ihnen die Möglichkeit geben, ihre Wut auszuleben, so dass sie sich danach wieder würden beruhigen können; und drittens wollte er den Juden zeigen, dass alles – Tod und Rettung – in Gottes Hand liegt. Die Apostel konnten ihrerseits angesichts des Schicksals von Jakobus nicht sicher sein, selbst gerettet zu werden. Ihr Handeln erforderte Mut und die Bereitschaft zum Märtyrertum. Das Wunder wird nicht kalkulierbar, es bleibt ein Wunder. Hanna Roose

Literatur zum Weiterlesen R. Eulenstein, Die wundersame Befreiung des Petrus aus Todesgefahr, Acta 12,1-23, WuD NF 12 (1973), 43-69. W. Radl, Befreiung aus dem Gefängnis. Die Darstellung eines biblischen Grundthemas in Apg 12, BZ NF 27 (1983), 81-96. H. Roose, ›Petrus wurde durch ein Wunder Gottes zur Rechtfertigung aus dem Gefängnis herausgeführt.‹ Überlegungen zu einer konstruktivistischen Bibeldidaktik am Beispiel der Erzählung von der Befreiung des Petrus (Apg 12,1-23), in: G. Büttner (Hg.), Lernwege im Religionsunterricht. Konstruktivistische Perspektiven, Stuttgart 2006, 84-97. R. Wall, Successors to ›the Twelve‹ according to Acts 12:1-17, CBQ 53 (1991), 628-643. J. B. Weaver, Plots of Epiphany. Prison Escape in Acts of the Apostles, BZNW 131, Berlin/ New York 2004. A. Weissenrieder, ›Er schlief und träumte von der Freiheit.‹ Skizzen konstruktivistischer Theorie und Methode für biblische Exegese am Beispiel der Befreiung des Petrus (Apg

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12,1-23), in: G. Büttner (Hg.), Lernwege im Religionsunterricht. Konstruktivistische Perspektiven, Stuttgart 2006, 71-83.

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Der besiegte Magier (Die Blendung des Barjesus Elymas) Apg 13,6-12 (13,6) Nachdem sie die ganze Insel bis nach Paphos durchzogen hatten, fanden sie einen Magier und jüdischen Lügenpropheten namens Barjesus, (7) der sich beim Prokonsul Sergius Paulus, einem verständigen Mann, aufhielt. Dieser ließ Barnabas und Saulus rufen und verlangte, das Wort Gottes zu hören. (8) Es trat ihnen aber Elymas, der Magier – denn so wird sein Name übersetzt –, entgegen und versuchte, den Prokonsul vom Glauben abzuwenden. (9) Saulus jedoch, der auch Paulus heißt, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte ihn scharf an (10) und sagte: »Oh, du, voll aller Hinterlist und aller Bosheit, Sohn des Teufels, Feind aller Gerechtigkeit, willst du nicht aufhören, die geraden Wege des Herrn zu verkehren? (11) Und jetzt, siehe, die Hand des Herrn über dich! Du wirst blind sein und die Sonne eine Zeitlang nicht sehen.« Sofort fiel Dunkel und Finsternis auf ihn. Und während er herumtappte, suchte er Leute, die ihn an der Hand führen. (12) Daraufhin, als der Prokonsul das Geschehene sah, kam er zum Glauben, erschüttert über die Lehre des Herrn.

Sprachlich-narratologische Analyse Die von Lukas in Apg 13,6-12 erzählte Wundergeschichte gehört zur Schilderung der ersten Missionsreise des Barnabas und Paulus, die sie zuerst auf die Insel Zypern führte, bevor sie nach Kleinasien übersetzten. Auf dieser Reise war auch Johannes Markus ihr Reisegefährte, der sich aber nach dem Zypernaufenthalt wieder von ihnen trennte. Ihre Reise begann in Antiochia am Orontes und endete auch dort. Vom Heiligen Geist ausgesandt fuhren die Missionare mit dem Schiff von Seleukia in Syrien nach Salamis, einer Hafenstadt im Osten der Insel (Apg 13,4). In dieser wichtigen Handelsmetropole, wo viele Juden lebten, gab es auch mehrere Synagogen, in denen Paulus und Barnabas das »Wort Gottes« verkündeten (Apg 13,5), ohne dass Lukas etwas über den Erfolg ihrer Predigt mitteilt. Anders als vielfach in der Apostelgeschichte geschildert, entstand in Salamis jedenfalls keine christliche Gemeinde, es wird aber auch von keinerlei Anfeindungen oder gar von Widerstand gegen die Verkündigungstätigkeit der Missionare berichtet. Stattdessen notiert Lukas ihre Weiterreise ohne Zwischenstationen – immerhin ca. 200 km – bis zur Stadt Paphos im Südwesten der Insel, wo der Prokonsul der Provinz Zypern residierte (Apg 13,6f.). An dieser Stelle beginnt die Szene, die in dem Strafwunder (Aune 2006, 415f.) gegen Barjesus Elymas und dem Zum-Glauben-Kommen des Statthalters ihren Abschluss 216

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Der besiegte Magier Apg 13,6-12

findet. Bemerkenswert ist dabei, dass in der Einleitung dieser Szene (Apg 13,6b) von einer Verkündigung des Barnabas und Paulus etwa in der Synagoge von Paphos überhaupt keine Rede ist. Vielmehr »fanden« (εὗρον heuron) sie einen Juden namens Barjesus. Unklar bleibt, warum in Paphos anders als in Salamis keine öffentliche Missionspredigt in einer Synagoge stattfand und wo das Zusammentreffen mit Barjesus erfolgte. Lukas lenkt nämlich den Blick hauptsächlich auf die Charakterisierung des Barjesus als Magier und Pseudopropheten, womit er in der Exposition dieser Passage dessen Frontstellung gegen Barnabas und Paulus vorbereitet. Danach führt er den Prokonsul, vermittelt durch den knappen Hinweis, dass Barjesus zum Gefolge dieses römischen Beamten mit Namen Sergius Paulus gehörte, als weitere Person in seine Erzählung ein. Dabei bezeichnet er ihn als »verständigen Mann«, was den Römer im Vergleich zu Barjesus in ein günstiges Licht rückt. Wichtig ist zudem, dass Sergius Paulus Barnabas und Paulus rufen lässt, weil er »das Wort Gottes« zu hören wünscht. An dieser Stelle übergeht Lukas zum Verständnis entscheidende Informationen. Offen bleiben folgende Fragen: Wie wurde der Prokonsul auf die Missionare und ihre Botschaft aufmerksam? Warum interessierten sie ihn so sehr, dass er, immerhin als höchster Repräsentant des römischen Reiches vor Ort, ihnen die Ehre eines persönlichen Empfangs in seiner Residenz zuteilwerden ließ? Hatte Barjesus, der ja zur Entourage des Prokonsuls zählte, seine Hand im Spiel? Ebenfalls bleibt im Dunkeln, was Paulus und Barnabas Sergius Paulus inhaltlich genau zu sagen hatten. Im Übrigen tritt Barnabas nach Apg 13,7 im Vergleich zu Paulus in den Hintergrund der Erzählung und wird in den nächsten Versen bis Apg 13,43 nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Lukas will Paulus offensichtlich in den Mittelpunkt rücken und bereitet so vor, dass er für den Rest seines Buches die Hauptperson bleibt. Das Anliegen des Lukas in der Einleitung der Szene (Apg 13,6b-7) war es wohl, eine Art Dreieckskonstellation zu skizzieren: Paulus steht Barjesus gegenüber, der durch die Stichworte Magie und falsche Prophetie als negative Figur eingeführt wird und sich damit deutlich von dem Apostel abhebt. Als Dritter tritt Sergius Paulus als verständiger Mann in hoher gesellschaftlicher Position hinzu, der sich zwischen den von Barjesus und Paulus vertretenen Positionen entscheiden muss. In der Apostelgeschichte stellt sein Auftreten insofern eine Ausnahme dar, als Paulus sonst nie von einem Prokonsul zu einem vergleichbaren persönlichen Gespräch in privatem Rahmen eingeladen wird, sondern Provinzstatthaltern nur als Angeklagter in ihrer Funktion als Richter gegenübertritt (Apg 18,12-17; 23,24; 24,1f.; 25,6f.). Diese rahmende Einleitung wurde von Lukas sicherlich konzipiert, um beim Leser die Frage hervorzurufen, wie wohl dieses Zusammentreffen ausgehen werde. Die Wundererzählung im engeren Sinne setzt in Apg 13,8 mit dem Widerstand des Magiers gegen die Verkündigungstätigkeit des Paulus und Barnabas vor Sergius Paulus ein, ohne dass Lukas detailliert erklärt, worin diese Opposition bestand. Ob magische Manipulationen eine Rolle spielen, bleibt offen. Es ist lediglich festgehalten, dass es das Ziel des Barjesus gewesen sei, den Prokonsul vom Glauben »abzuwenden« (διαστρέψαι diastrepsai). Damit setzt der Spannungsbogen ein, der in dem Zum-Glauben-Kommen des Prokonsuls in Apg 13,12 (ἐπίστευσεν episteusen) zum 217

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Abschluss kommt. Zwischen diesen beiden Eckpunkten entwickelt sich die Wundererzählung, die schildert, auf welche Weise Paulus mit göttlicher Hilfe den Widerstand des Magiers besiegt. Zunächst bringt Lukas in Apg 13,8f. jedoch den kurzen Hinweis, dass die beiden handelnden Personen noch zwei weitere Namen führen: Barjesus heiße noch Elymas, wobei er Elymas mit Magier übersetzt, und Saulus werde auch Paulus genannt. Dieser abrupte Namenswechsel, insbesondere der von Saulus zu Paulus, erstaunt, verwendet Lukas doch den Namen Paulus für den Apostel mit wenigen Ausnahmen (Apg 22,7 und 26,14) im ganzen folgenden Text bis zum Ende der Apostelgeschichte. Außerdem wirkt er an dieser Stelle recht überflüssig und trägt nichts zum Fortgang der Erzählung bei, sondern könnte den Leser sogar verwirren, zumal der Name Paulus für den Apostel, immerhin die Hauptfigur bis zum Ende des Buches, ziemlich beiläufig und ohne nähere Erläuterung eingeführt ist. Nach dieser retardierenden Bemerkung nimmt Lukas den Erzählfaden wieder auf und unterstreicht, Paulus habe als Geistträger seinen Kontrahenten mit Blicken fixiert. Dann wechselt der Text zur wörtlichen Rede (Apg 13,10f.): Nun spricht Paulus Barjesus Elymas direkt an. Am Anfang seiner wohl rhetorisch gemeinten Frage (Apg 13,10) steht die Anrede des Barjesus Elymas in vierfacher Form. Paulus beschimpft sein Gegenüber in bewusst gesteigerter Form als einen Menschen voll von Hinterlist und Bosheit, als Teufelssohn und als Feind von Gerechtigkeit. Den Kernpunkt der Anklage bildet der Vorwurf in Apg 13,10b, dass der Magier und Pseudoprophet die geraden Wege des Herrn verkehre, d.h. Gottes Plan mit Sergius Paulus zu durchkreuzen suche. Die paulinische Frage, ob Barjesus Elymas sein verderbliches Tun nicht beenden wolle, bleibt unbeantwortet und sollte es wahrscheinlich auch sein. Danach kommt Paulus zum Höhepunkt mit der Interjektion »Und jetzt, siehe« (καὶ νῦν ἰδού kai nyn idou), die in den Ausruf übergeht, der auf die Hand des Herrn, mit der Gott den Magier strafen werde, hinweist. Dabei bedient sich Lukas biblisch gesättigter Sprache. Die strafende Hand des Herrn nimmt beispielsweise eine alttestamentliche Wendung aus 1 Sam 7,13 auf, die Wege des Herrn werden in Hos 14,10 (vgl. auch Lk 3,4) erwähnt, und Formulierungen wie »voll von Hinterlist« (πλήρης δόλου plērēs dolou) begegnen in Sir 1,30; 19,26 oder Jer 5,27. Da in Apg 13,11a aber ein Verb fehlt, bleibt unklar, ob Paulus die Strafaktion der Hand Gottes ankündigt oder sie befiehlt. Deshalb muss m.E. offen bleiben, ob Paulus Barjesus Elymas verflucht hat, was von verschiedenen Auslegern vorgeschlagen wird. Sicher ist aber, dass er ihm sein zeitlich begrenztes Erblinden vorhersagt (Apg 13,11aβ). Danach wird vom augenblicklichen Eintreten der von Paulus angekündigten göttlichen Strafe berichtet (Apg 13,11bα). Ihre Auswirkung illustriert Lukas mit einem einprägsamen Bild: Der erblindete Magier muss orientierungslos herumtappen und nach Menschen suchen, die ihn an der Hand führen können. Dann wendet sich Lukas wieder dem Prokonsul zu, der angesichts dieses Ereignisses zum Glauben findet. Dabei hebt er darauf ab, dass die betont ans Ende von Apg 13,12 gerückte »Lehre« (ἐπὶ τῇ διδαχῇ epi tē didachē) – nicht etwa die überlegene Wundertat, die das völlige Scheitern des Barjesus Elymas bewirkt – Sergius Paulus beeindruckt und den Glauben hervorgebracht habe. In diesem Zusammenhang 218

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Der besiegte Magier Apg 13,6-12

fällt auf, dass Lukas weder von der Taufe des Sergius Paulus noch von der Gründung einer christlichen Gemeinde in Paphos erzählt. Es bleibt bei dem sensationellen Einzelfall, dass sich gleich am Beginn der ersten Missionsreise der höchste Beamte vor Ort zum Christentum bekehrt. Damit endet die Wundererzählung; denn in Apg 13,13 wird nur noch von der Weiterreise der Missionare berichtet, die danach auf das nahe kleinasiatische Festland übersetzen.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Paulus und Barnabas treffen während ihrer Missionsreise mit dem Prokonsul Sergius Paulus in Paphos auf Zypern zusammen, womit Neu-Paphos nahe der Südwestspitze der Insel gemeint ist. Diese Hafenstadt wurde im 4. Jh. v. Chr. von dem letzten einheimischen König Nikokles II. ca. 16 km südöstlich von Alt-Paphos gegründet (Oberhummer 1949, 941; Senff 2000, 285f.). Nachdem Zypern 22 v. Chr. senatorische Provinz geworden war, wurde die Hauptstadt mit dem Amtssitz des Prokonsuls von Salamis nach Neu-Paphos verlegt, was eine größere Nähe zu Italien bedeutete. Zudem befand sich nördlich der Stadt ein römisches Militärlager. Dass Barnabas und Paulus in Neu-Paphos dem Prokonsul Sergius Paulus begegnen konnten, der die Insel verwaltete, ist darum durchaus wahrscheinlich. Wer dieser Römer war, der im Neuen Testament nur in Apg 13,6-12 vorkommt, kann man mit Hilfe außerbiblischer Quellen eruieren: Die Familie der Sergii Pauli tritt durch eine Reihe von Inschriften aus dem Dunkel der Geschichte. Es handelte sich um ein römisches Geschlecht aus dem Senatorenstand, das offenbar in der Gegend von Antiochia in Pisidien Grundbesitz besaß (Mitchell 1980, 1073f.; Breytenbach 1996, 39f.; Kollmann 1998, 43) und in dieser Stadt entsprechende Ämter innehatte (Christol/Drew-Bear 2002, 178-186). Auch Freigelassene der Sergii Pauli lassen sich in der Umgebung Antiochias inschriftlich nachweisen. Möglicherweise ist es daher kein Zufall, dass Paulus und Barnabas nach dem Zusammentreffen mit dem Prokonsul auf Zypern direkt über die Stadt Perge nach Antiochia in Pisidien weiterreisten, wo ihnen die Verbindung zu einer der einflussreichsten Familien der Gegend von Nutzen sein konnte. Sergius Paulus bzw. Paullus, wie der Name auf Inschriften geschrieben wurde, war also eine Person der Zeitgeschichte, die aber im Gegensatz zu anderen Angehörigen der Senatorenfamilie bisher durch keine außerbiblische Quelle sicher für uns fassbar ist. Lediglich auf einer fragmentarischen Inschrift aus Chytroi (IGRR 3,935) erscheint der Name »[Κ]ουίντου Σερ … [K]ouintou Ser …«, wobei es sich um den in der Apostelgeschichte erwähnten Prokonsul handeln könnte. Eine eindeutige Identifizierung ist jedoch wegen des fragmentarischen Zustandes der betreffenden Inschrift nicht möglich, zumal der Name des julischclaudischen Kaisers, nach dem diese Inschrift datiert ist, nicht vollständig erhalten ist. Aus diesem Grund konnte in der Forschung bisher kein Konsens erreicht werden, wann genau sich dieser Quintus Sergius auf Zypern aufgehalten hat (Mitford 1980, 1300; Nobbs 1994, 283f.; Campbell 2005, 11.18). Ein weiterer Senator namens 219

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

L. Sergius Paullus ist uns durch eine Inschrift, die nahe bei Rom am linken Tiberufer gefunden wurde, bekannt (CIL 6,31545 = ILS 5926). Er übte unter Kaiser Claudius das Amt des »curator riparum et alvei Tiberis« aus und hatte sich somit u.a. um die Instandhaltung des Flussbettes des Tibers zu kümmern (Kornemann 1901, 1792). Es ist möglich, dass es sich um dieselbe Person handelt, die auch in Apg 13,7 begegnet. L. Sergius Paullus wäre dementsprechend vom Kurator zum Prokonsul aufgestiegen (Riesner 1994, 123-125; Breytenbach 1996, 38-45; Öhler 2003, 282-285). Mit letzter Sicherheit lässt sich diese in der Forschung verbreitete Annahme allerdings nicht beweisen. Es könnte sich bei L. Sergius Paullus auch um einen weiteren Angehörigen des senatorischen Geschlechts der Sergii Paul(l)i gehandelt haben, vielleicht um einen Bruder des auf Zypern bezeugten Quintus Sergius (so Halfmann 1979, 106; Eck 2001, 456; vgl. ferner Bruce 1988, 248; Hemer 1985a, 109; Christol/Drew-Bear 2002, 188). Mehrfach durch antike Quellen belegt sind ferner die vergleichsweise großen jüdischen Gemeinden auf Zypern (vgl. z.B. Philo legat. 282; Flav. Jos. Ant. 13,284287; Dio Cass. 68,32,2f.). Des Weiteren galt Zypern zumindest nach Plinius d.Ä. als ein Zentrum der Magie, wobei Plinius die Zauberei auf der Insel mit jüdischer Magie vergleicht, die die zypriotische an Alter und d.h. an Erfahrung übertreffe (Plin. nat. 30,2,11; vgl. Taylor 1995, 1195). Man könnte den Juden, Magier und Falschpropheten Barjesus Elymas, dem Paulus und Barnabas in Paphos begegneten, daher als eine Kombination beider Einflüsse, die zu einer Potenzierung der Fähigkeiten führen musste, bezeichnen. Sein erster Name, der in Apg 13,6 mit Barjesus angegeben ist, war ein üblicher jüdischer Name und ist beispielsweise inschriftlich in Jerusalem nachweisbar (CIJ 2,1318). Als sein zweiter Name oder Beiname wird von Lukas Elymas genannt (Apg 13,8), was von ihm als Übersetzung von »Magier« erklärt wird. Diese Ableitung konnte bisher noch nicht völlig geklärt werden. Verschiedene Ausleger leiten diesen Namen vom aramäischen Wort für »Traumdeuter« (‫ חלמא‬haloma’, z.B. Yaure 1960, 305f.) her, andere (Zahn 1904, 197-199; ders. 1927, 419) führen zur Erklärung den jüdischen Magier Atomos an, der aus Zypern stammte und den Josephus in Ant. 20,142 erwähnt. Die Lesart Ἑτοιμας (Hetoimas) statt Elymas im D-Text von Apg 13,8 würde dann vielleicht auf einer sekundären Identifikation mit dem Atomos, von dem uns Josephus berichtet, basieren (vgl. Roloff 2010, 198f.). Außerdem wird als Parallele noch auf den libyschen Königsnamen Αἰλύμας (Ailymas, Diod. Sic. 20,17,1; 17,6) verwiesen. Auf eine weitere Spur führt eine gut erhaltene Grabinschrift aus einer jüdischen Katakombe in Rom, in der der Name Alumas vorkommt (CIJ 1,260; dazu Noy 1995, 234) und die von einem Juden mit diesem Namen für eine gewisse Procla gesetzt worden war. Diese Inschrift dürfte ein Beleg für das Vorkommen des Eigennamens Elymas in der Diaspora sein (Ilan 2008, 259), den Lukas jedoch missverstanden und fälschlich als eine Übersetzung gedeutet hätte. Schließlich lässt sich wohl kaum bestreiten, dass sich in der Tat Magier und astrologische Wahrsager, wie in der Wundergeschichte im Umfeld des Prokonsuls von Zypern dargestellt, öfter im Gefolge bedeutender antiker Politiker nachweisen lassen. Beispielsweise war ein Astrologe aus Alexandria namens Thrasyllos Begleiter und Be220

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rater des Kaisers Tiberius (vgl. u.a. Suet. Aug. 98,4-5; Tib. 14,4; Cal. 19,3), und auch Josephus berichtet – wie schon gesagt – von einem aus Zypern stammenden Juden Atomos, der sich als Magier ausgab. Atomos half dem Prokurator Felix, Drusilla (vgl. Apg 24,24), die mit dem König von Emesa verheiratet war, für sich zu gewinnen (Ant. 20,142). Sie ließ sich daraufhin scheiden und heiratete den Statthalter. Darüber hinaus erfahren wir aus Apg 13,9, dass Saulus auch Paulus geheißen habe. Paulus war, wie Lukas anderswo in der Apostelgeschichte mitteilt, von Geburt an römischer Bürger (Apg 16,37f.; 22,28). Als solcher hatte er drei Namen – praenomen, nomen gentile und cognomen (Rix 2000, 626-629) –, wobei Paulus offenbar sein cognomen war. Praenomen und nomen gentile sind uns leider nicht überliefert, denn sonst ließe sich aus Letzterem etwas über die Umstände erfahren, unter denen die Familie des Paulus das Bürgerrecht erhalten hatte. Freigelassene Sklaven nahmen nämlich das nomen gentile ihres Patrons an, und bei Bürgerrechtsverleihungen an Nichtrömer, die Freie waren, wurde das Gentile desjenigen übernommen, der das Bürgerrecht verschafft hatte (Rix 1998, 922). Es ist bestimmt kein Zufall, dass Lukas den römischen Namen des Apostels an dieser Stelle einführt, an der auch eine weitere Figur, nämlich der Prokonsul, mit Namen Paulus in seiner Erzählung vorkommt. Ein historischer Zusammenhang zwischen dem Apostel und der Familie des Statthalters, der sich in dieser Namensgebung widerspiegelt, muss allerdings Spekulation bleiben. Der jüdische Name Saulus war aus römischer Sicht ein zusätzlicher Beiname, ein sog. supernomen oder signum (Harrer 1940, 21; Hemer 1985b, 181f.). Die Eltern des Apostels dürften ihn mit Blick auf den biblischen König Saul ausgewählt haben, der wie sie zum Stamm Benjamin gehörte (1 Sam 9,1f.; Phil 3,5). Außerdem klang er ähnlich wie Paulus und konnte in jüdischer Umgebung bevorzugt verwendet werden. Vergleichbare Doppelnamen lassen sich bei Juden der Zeit öfters nachweisen (vgl. z.B. Johannes Markus in Apg 12,12.25; 15,37).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund In Apg 13,8-12 greift Lukas auf eine ganze Reihe von Traditionen zurück, die von ihm in seinem Doppelwerk auch sonst vorausgesetzt werden: Dazu gehört an erster Stelle sein Interesse, die Magie mit aller Deutlichkeit zu verurteilen. Dieses Thema wird von anderen neutestamentlichen Autoren gleichfalls aufgegriffen, wobei alles magische Tun stets negativ bewertet wird. Dabei wird meist das Ziel verfolgt, das Christentum als Gegenteil, ja sogar als Gegenmacht zu magischen Manipulationen und Riten zu profilieren. In Apg 13,8-12 erspart sich Lukas allerdings eine Wesensbestimmung von Magie (vgl. den Themenartikel zu Wunder versus Magie/Zauberei in diesem Band). Ebenso fehlen alle Angaben über die gegen die Verkündigung von Paulus und Barnabas gerichteten Aktivitäten des Barjesus Elymas. Lukas assoziiert sie aber mit der schon im Alten Testament erwähnten Pseudoprophetie (vgl. z.B. Jer 27,9), was möglicherweise darauf hinweist, dass Barjesus Elymas Zukunftsschau betrieb, um den Prokonsul zu beeindrucken und für sich einzunehmen. 221

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Wichtiger als die magische Betätigung des Barjesus Elymas genau nachzuzeichnen, ist für Lukas jedoch der Konflikt zwischen Paulus und dem Zauberer, wobei sich der Apostel am Ende durch ein Wunder, das als eine Art Gottesurteil fungiert (Nock 1933b, 185), als überlegen erweist. Hierbei greift Lukas ein bekanntes Motiv auf: Schon Mose hatten die Zauberer des Pharaos letztlich nichts entgegenzusetzen (Ex 7,11.22; 8,3.14f.; 9,11), die eingestehen müssen, dass in den ägyptischen Plagen Gottes Finger am Werk sei (Ex 8,15; vgl. Ps 64,10; 72,18). In durchaus vergleichbarer Weise besiegt Paulus seinen Widersacher mit Hilfe der Hand Gottes (Apg 13,11a). Ähnliche Auseinandersetzungen werden von Lukas an anderer Stelle der Apostelgeschichte beschrieben: Beispielsweise wird geschildert, wie Petrus den Zauberer Simon bzw. Paulus die Söhne des Hohenpriesters Skevas überwinden (Apg 8,18-24 bzw. 19,13-17; vgl. den Themenartikel zu Wunder versus Magie/Zauberei in diesem Band). Später wird diese Motivtradition in den Apostelakten fortgesetzt und im Hinblick auf den Konflikt zwischen Petrus und Simon dem Magier z.B. im Apostelroman der sog. Pseudo-Klementinen breit ausgemalt (vgl. z.B. PsClem H 2,25,4-26,6; 2,32,1-3; 8,3,1-3,4; 20,12,4-17,6; dazu Bauer 1967b, 366f.; Wehnert 2010, 32f. und den Themenartikel zu Wunder versus Magie/Zauberei in diesem Band). Es gibt jedoch noch einen zweiten wichtigen Aspekt, den Lukas mit dem siegreichen Kampf des Paulus gegen den Magier und Pseudopropheten verknüpft hat. Er stellt diesen Konflikt nämlich bestimmt nicht zufällig in einen Zusammenhang mit jüdischer Opposition gegen christliche Missionstätigkeit (Breytenbach 1996, 24-26), denn Barjesus Elymas wird von ihm in Apg 13,6 ausdrücklich als Jude vorgestellt. Die Bekehrung von gottesfürchtigen Heiden ruft auch sonst in der Apostelgeschichte (z.B. Apg 13,48-50; 14,1f.19; 17,4f.12f.) heftigen Widerstand der jüdischen Seite hervor. Diesem Schema entspricht, dass der jüdische Magier nach Apg 13,7 zum Gefolge des Sergius Paulus zählt, der zwar nicht als Gottesfürchtiger bezeichnet wird, aber zumindest über die Person des Barjesus Elymas in Verbindung zum Judentum getreten ist. Außerdem ist der Prokonsul positiv an der christlichen Botschaft interessiert und lässt ähnlich wie der Hauptmann Kornelius (Apg 10,7) die beiden Missionare zu sich rufen, um ihre Botschaft zu hören. Dagegen leistet Barjesus Elymas Widerstand, gegen den sich Paulus erfolgreich zur Wehr setzt und den Heiden von der christlichen »Lehre« überzeugt. Dadurch zeigt sich in dieser Passage, in der sich der Apostel zum ersten Mal auf der Missionsreise den Heiden zuwendet, die künftig erfolgreiche Ausrichtung der Bekehrungsarbeit auf das pagane, dem Judentum nahe Milieu, hinter der sich durchaus historische Sachverhalte verbergen mögen. Letztlich läuft bei Lukas aber alles darauf hinaus, dass sich Paulus als Träger des Heiligen Geistes (Apg 13,9) als der Stärkere erweist. Als Pneumatiker ist er in der Lage, Gegnern seiner Verkündigungstätigkeit die Strafe Gottes auf den Kopf zuzusagen, die dann umgehend eintritt (vgl. auch 1 Kor 14,25). Ausgeführt wird seine Vorhersage durch die strafende Hand Gottes, was alttestamentlichen Vorstellungen entspricht (z.B. Ex 15,12). Dabei steht das Eintreten der Strafe im scharfen Gegensatz zu der Pseudoprophetie des Barjesus Elymas, der dem nichts entgegenzusetzen hat. 222

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Der besiegte Magier Apg 13,6-12

Neben die Worte des Paulus tritt noch eine optische Form der Konfrontation, weil der von Lukas erwähnte Blick des Apostels Teil seiner Befähigung ist, Kraft zu übertragen. Hierbei ist die in der Antike allgemein verbreitete Vorstellung von der aktiven Rolle des Auges beim Vorgang des Sehens vorausgesetzt. Man stellte sich dies so vor, als sende das Auge analog zu einem Speerwurf einen Sehstrahl aus. Diese Emissionstheorie lag dem volkstümlichen Glauben an die schädliche Wirkung des »bösen Blicks« zugrunde, die bis heute nicht nur im Mittelmeerraum nachweisbar ist (Meisen 1950, 144-157). Sie war auch die Voraussetzung der wissenschaftlichen Erörterungen über die Optik in der Antike (vgl. z.B. Plato Tim. 45b; dazu Rakoczy 1996, 23-25). Die Strafe des Erblindens, die Paulus Barjesus Elymas ankündigt und die sofort eintritt, korrespondiert mit vielen antiken Wundergeschichten (Beispiele bei Weinreich 1909, 190-194; Lesky 1954, 438f.). Im Neuen Testament ist Blindheit oft mit Unglauben assoziiert (Mk 10,46-52 par.; Joh 9 dazu Schrage 1969, 288-292). Sogar Paulus erblindet eine Zeitlang im Rahmen seiner Bekehrung vor seiner Taufe (Apg 9,9; 22,11; 26,18; Garrett 1989, 84f.; Heininger 2005, 277).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die historisierende Deutung fragt nach dem geschichtlichen Hintergrund des Erzählgeschehens. Ihre Ergebnisse müssen in vieler Hinsicht spekulativ bleiben: Apg 13,6-12 gibt als wohl zutreffenden Sachverhalt wieder, dass es Barnabas und Paulus gelang, mit dem römischen Prokonsul in Kontakt zu treten und ihn für das Christentum zu interessieren (vgl. Öhler 2003, 290f.). Sergius Paulus wird sich zwar kaum zum Christentum bekehrt haben, zumal von einer Taufe keine Rede ist. Vielleicht hat er aber eine gewisse Sympathie erkennen lassen (Stegemann/Stegemann 1995, 265; Öhler 2005, 94). Der historische Hintergrund des Strafwunders bleibt ebenfalls weitgehend im Dunkeln. Denkbar ist, dass Barjesus Elymas aus Furcht, seinen lukrativen Posten als eine Art Hofmagier bzw. -astrologe an der Statthalterresidenz zu verlieren, der christlichen Missionspredigt gegenüber feindselig aufgetreten ist und dies die Entstehung einer Strafwundererzählung evozierte (vgl. Schmithals 1982, 123; Kollmann 1998, 43). Eine kerygmatisch-theologische Deutung des Strafwunders von Paphos kann mit unterschiedlicher Akzentuierung erfolgen. Apg 13,6-12 wird von den Auslegern als Text gelesen, der die Überlegenheit des Evangeliums gegenüber der Magie demonstriert und den möglichen Siegeszug des christlichen Glaubens in die höchsten Gesellschaftsschichten veranschaulicht. Zugleich wird der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Christentum und jeder Form magisch-superstitiöser Betätigung unterstrichen. In Apg 13,6-12 inszeniert Lukas Paulus dementsprechend gezielt als siegreichen Pneumatiker, der in Kontinuität mit alttestamentlichen Gottesmännern wie Mose oder Elija seine Überlegenheit über einen jüdischen Zauberer und falschen Propheten beweist. In diesem Sinne wird geschildert, dass der Apostel, vom 223

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Heiligen Geist geführt, fähig ist, Menschen Heil oder Gericht Gottes anzusagen (vgl. 1  Kor 5,3-5). Das Wunder legitimiert dabei sein Handeln. Es sollte sicherlich als ein ermutigendes Gegenstück zu den in vielerlei Hinsicht von Ablehnung, ja von Verfolgung gekennzeichneten Lebensumständen der christlichen Zeitgenossen des Lukas Wirkung entfalten. Darum ist hervorgehoben, dass die paulinische Missionstätigkeit sofort mit einem triumphalen Erfolg auf höchster gesellschaftlicher Ebene beginnt und sich Paulus im entscheidenden Moment als Pneumatiker durch das Eingreifen Gottes gegen seinen Widersacher durchsetzt. Ferner führt Lukas an dieser Schlüsselstelle seines Doppelwerkes, dem Beginn der Heidenmission außerhalb von Palästina und Syrien, durch die Figur des Sergius Paulus einen Vertreter der senatorischen Oberschicht in einer auffallend positiven Einschätzung ein. Dieser Staatsmann aus der paganen Führungsschicht des römischen Reiches, immerhin im Rang eines Prokonsuls, ist der christlichen Lehre gegenüber in bemerkenswerter Weise aufgeschlossen und wird sogar am Ende dieser Wundergeschichte gläubig. Dies soll wohl anhand eines Einzelfalles belegen, dass sich die christliche Botschaft sogar bei der herrschenden Elite des Reiches durchsetzen konnte. Darin kommt eine Tendenz zum Vorschein, die auch an anderer Stelle der Apostelgeschichte Parallelen hat (z.B. in der Bemerkung des Königs Agrippa in Apg 26,28). Wahrscheinlich verfolgte Lukas damit die Absicht, dem verbreiteten Vorurteil entgegenzuwirken, das Christentum sei ein Glaube der ungebildeten Sklaven und kleinen Leute. Das Zum-Glauben-Kommen des Sergius Paulus schildert Lukas aber nur kurz (allerdings nicht wie die Bekehrung irgendeines »Waschweibes«, Nock 1933b, 187). In seiner Zurückhaltung drückt sich – darauf ist hier hinzuweisen – wohl das Wissen um die Tatsache aus, dass ein Übertritt mit Taufe und Absage an die traditionellen Götter Roms für einen Prokonsul wegen seiner herausgehobenen sozialen Stellung nicht infrage kommen konnte. Außerdem geht es Lukas – wie schon ausgeführt – darum, die christliche Botschaft pointiert und beim ersten Zusammentreffen des Paulus mit einem Repräsentanten des Kaisers gegenüber der Magie abzugrenzen. Dieses Interesse durchzieht auch in anderen Passagen sein Doppelwerk. Es mag apologetisch motiviert sein (Klein 1967, 80f.; Klauck 1996, 65.68; Kilgallen 1997, 232-235), wurde doch schon Jesus der Zauberei im Bündnis mit Beelzebul verdächtigt (Mk 3,22 par.). Später begegnet derselbe Vorwurf bei heidnischen Gegnern wie z.B. Celsus (Or. Cels. 1,28; vgl. den Themenartikel zu Wunder versus Magie/Zauberei in diesem Band) und auch in jüdischen Quellen wie dem babylonischen Talmud (bSan 43a; dazu Maier 1978, 227; P. Schäfer 2010, 144f.). Diese Attacken richteten sich aber nicht allein gegen Jesus: Man darf nämlich nicht übersehen, dass bei der Verfolgung des Christentums durch Kaiser Nero nach dem Brand von Rom, der wohl auch Paulus zum Opfer gefallen sein wird, die Interpretation des Christentums als einer gefährlichen Form von »superstitio«, was man meist mit »Aberglauben« übersetzt, eine Rolle gespielt haben dürfte. Beispielsweise begründet der Historiker Sueton die neronischen Maßnahmen gegen die Christen damit, dass es sich bei ihnen um Menschen gehandelt habe, die einem »neuen und gefährlichen Aberglauben« (superstitionis novae ac maleficae, 224

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Der besiegte Magier Apg 13,6-12

Suet. Nero 16,2; vgl. dieselbe Terminologie im Hinblick auf die Christen bei Plin. ep. 10,96,8f.) anhingen. Bei der Verwendung des Begriffes »superstitio« schwingt für römische Ohren stets eine Nähe zu Magie, Astrologie und Wahrsagerei mit (vgl. z.B. Cic. div. 2,149; dazu Graf/Johnston 1999, 666f.; Frateantonio 2001, 1114). Es liegt durchaus nahe, dass diese Zusammenhänge Lukas sowie seinen Lesern und Leserinnen bekannt waren und er, ohne Nero und seine Verfolgung der angeblichen christlichen »superstitio« direkt beim Namen zu nennen, gegen eine Gleichsetzung der christlichen Verkündigung mit Magie Stellung bezieht. Das Auftreten von Missionaren wie Barnabas und Paulus trägt nach Überzeugung des Lukas vielmehr dazu bei, unterstützt durch die wunderbare Hilfe Gottes, den Umtrieben von Zauberern und falschen Propheten wie Barjesus Elymas einen Riegel vorzuschieben, so dass selbst der römische Senator Sergius Paulus sich von der Wahrheit der christlichen Lehre überzeugen lässt. Diese bisher vorgestellte Deutung bringt die lukanische Wundergeschichte mit einer antiken Debatte über das Christentum als einer möglichen »barbara superstitio« (Pervo 2009, 325) in Zusammenhang. Die Erzählung dient Lukas demnach dazu, im damaligen Umfeld Stellung zu beziehen. Dabei ist und bleibt die Frage gegenwartsrelevant, was das Christentum von der Fülle religiös-magischer Angebote, etwa auf dem bis heute sich andauernder Verbreitung und Beliebtheit erfreuenden Feld der astrologischen Zukunftsschau oder Lebensberatung, unterscheidet. Die Konkurrenz- und Wettbewerbssituation ist jedenfalls in der globalisierten Welt der Moderne mit einem weltweiten ›Markt‹ der Religionen eine andere und sie ist eine der antiken Welt in mancher Hinsicht nähere, als dies in der religiös abgegrenzten und geschlossenen, vormodernen europäischen Gesellschaft der Fall war. Ein klares Nein zu manchen Formen von Neureligiosität und ihren Trägern wird dabei unumgänglich sein (Bock 2007, 447), zumal wenn sich mit deren Werben, wie wahrscheinlich schon bei Barjesus Elymas im Gefolge des römischen Statthalters, ein am Profit orientiertes Interesse verbinden sollte. Ein solches Verständnis der Wundergeschichte ist auch einer dem Schema von Strafe, Buße und anschließender Vergebung verpflichteten Interpretation gegenüberzustellen, die einen weiteren Aspekt einer kerygmatisch-theologischen Deutung darstellt. Eine derartige Exegese wurde seit der patristischen Exegese immer wieder ins Feld geführt: Schon Origenes interpretierte die Blendung als der Reinigung von den Sünden dienendes Gnadengericht, infolge dessen Barjesus Elymas später nicht nur physisch, sondern auch geistlich die Sonne sieht (Or. philoc. 27,8, SC 226,296f.; ähnlich Chrys. hom. in Ac. 28, PG 60,210; Beda Ven. Ac. Apost. 13, PL 92,974; vgl. auch Calvin 2001 [1552], 372; Brenz 1588, 240). Wie von anderen Auslegern wird auch von Rudolf Pesch die Härte des durch Paulus herbeigeführten Erblindens als »Läuterungsstrafe zur Umkehr« (Pesch 2003, 25) abgemildert, die keinesfalls ein definitives Gericht darstellte, sondern den Magier lediglich zur Buße zwingen sollte. Dass Lukas eine zeitliche Begrenzung der Blindheit des Barjesus Elymas andeutet (Apg 13,11ab), impliziert vielleicht, dass dieser noch eine Chance haben könnte, bedeutet aber gerade nicht, dass bei seiner Bekehrung automatisch Besserung ein225

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treten wird. Die Perikope schließt vielmehr mit dem drastisch-ironischen Bild des hilflos herumtappenden Barjesus Elymas, der einen anderen ihn nun geleitenden Menschen suchen muss.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Trotz der angesprochenen Versuche, die Blendung des Barjesus Elymas als der Läuterung dienendes Gnadengericht zu verstehen, dominiert bei den Kirchenvätern die Vorstellung, dass der Magier seine gerechte Strafe empfing. Tertullian erwähnt ihn in einem Atemzug mit Simon Magus als Widersacher der Apostel, der wegen seiner magischen Praktiken mit dem Verlust des Augenlichts gestraft wurde (Tert. an. 57, Reifferscheid/Wissowa 1980, 392; Tert. idol. 9 und 39). Hieronymus geht sogar davon aus, dass Barjesus Elymas für immer erblindete, und stellt dies auf eine Stufe mit der Tötung von Hananias und Sapphira durch Petrus. In beiden Fällen handele es sich nicht um Grausamkeit, sondern die für Gott geschehenden Strafen seien Ausfluss einer frommen Gesinnung der Apostel (Hier. ep. 109; Hier. ad Rip. Presb. 3; Hilberg 1912, 354; ähnlich Tert. pudic. 21,4; Micaelli/Munier 1993, 270f.). Alexander Monachus stellt die Blendung des Barjesus Elymas und die Erleuchtung des Sergius Paulus antithetisch gegenüber (Alex. Mon. Laud. Barn. 21; Kollmann/Deuse 2007, 90f.). Johannes Chrysostomus stilisiert Barjesus Elymas zum Antitypus des Paulus, die beide den vorübergehenden Verlust des Augenlichts erlitten. Während aber der eine danach den Blick zum Himmel richtete, habe sich der andere wieder dem Bösen zugewandt (Chrys. laud. Paul. 4,2; Piédagnel 1982, 184f.). Eine zentrale Rolle nimmt Barjesus Elymas in den apokryphen Barnabasakten ein, die in legendarischer Form den Märtyrertod des Barnabas auf Zypern schildern. Barjesus Elymas hetzt die Juden der Insel gegen Barnabas auf (ActBarn 18-20) und ist in Salamis maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Apostel ergriffen und verbrannt wird (ActBarn 23). Auch eine auf dem Hintergrund der Geschichte der Kirche und ihres Verhältnisses zum Judentum durchaus problematische Deutung von Apg 13,6-12 soll hier nicht übergangen werden: In der Auslegung der Wundergeschichte ist wiederholt eine antijüdische Tendenz unverkennbar. Diese Interpretation stützte sich darauf, dass Barjesus Elymas von Lukas in Apg 13,6 u.a. als Jude identifiziert wird. Er wurde deshalb von Exegeten zum Exponenten »der unwahren, verkehrten, im Dunkeln tappenden Religion« (Holtzmann 1892, 372) gemacht, womit das Judentum gemeint ist, dessen die christliche Mission störender Einfluss von Paulus zurückgedrängt worden sei (vgl. ferner de Wette/Overbeck 1870, 195; Loisy 1920, 516f., Jervell 1998, 347f.). Doch steht Barjesus Elymas nicht für das Judentum an und für sich, vielmehr scheint er eine bestimmte synkretistische Religiosität auf der Grenze von Juden- und Heidentum zu repräsentieren (Barrett 1994, 613), wie sie uns mitunter auch in den antiken Zauberpapyri entgegentritt (z.B. PGM III,263-275). Niclas Förster 226

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Der besiegte Magier Apg 13,6-12

Literatur zum Weiterlesen S. Al-Suadi, Magie und Apokalyptik im Zentrum lukanischer Geschichtsschreibung. Historizität am Beispiel von Apg 13,6-12, NTS 61 (2015), 482-504. C. Breytenbach, Paulus und Barnabas in der Provinz Galatien. Studien zu Apostelgeschichte 13f.; 16,6; 18,23 und den Adressaten des Galaterbriefes, AGJU 38, Leiden et al. 1996. D. A. Campbell, Possible Inscriptional Attestation to Sergius Paul[l]us (Acts 13:6-12), and the Implications for Pauline Chronology, JThS 56 (2005), 1-29. H.-J. Klauck, Magie und Heidentum in der Apostelgeschichte des Lukas, SBS 167, Stuttgart 1996. R. Metzner, Die Prominenten im Neuen Testament. Ein prosopographischer Kommentar, NTOA 66, Göttingen 2011, 408-415. M. Öhler, Barnabas. Die historische Person und ihre Rezeption in der Apostelgeschichte, WUNT 156, Tübingen 2003, bes. 272-291. L. Tosco, Pietro e Paolo Ministri del Giudizio di Dio. Studio del genere letterario e della funzione di At 5,1-11 e 13,4-12, RivBib Suppl. 19, Bologna 1989.

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Einfach nur göttlich (Die Heilung des Gelähmten in Lystra) Apg 14,8-13 (14,8) In Lystra saß ein an den Füßen kraftloser Mann. Er war vom Mutterleib an lahm und hatte noch nie gehen können. (9) Dieser hörte zu, wie Paulus redete. Der blickte ihn gespannt an und als er sah, dass er den Glauben hatte, gerettet zu werden, (10) rief er mit lauter Stimme: »Stell dich aufrecht auf deine Füße!« Da sprang er auf und ging umher. (11) Als die Volksmenge sah, was Paulus getan hatte, erhob sie ihre Stimme und sagte auf Lykaonisch: »Die Götter sind in Menschengestalt zu uns herabgestiegen.« (12) Sie nannten den Barnabas Zeus, den Paulus aber Hermes, weil er der Wortführer war. (13) Und der Priester des Zeus(tempels) vor der Stadt brachte Stiere und Kränze an die Tore und wollte mit der Volksmenge opfern.

Sprachlich-narratologische Analyse Die durchweg im Aorist oder Präteritum gehaltene und viele Partizipialkonstruktionen aufweisende Erzählung spielt in Lystra, das nach Ikonion die nächste Station von Barnabas und Paulus während der sogenannten Ersten Missionsreise war. Die Ereignisse in Lystra (Apg 14,8-20) zählen zu den dramatischen Höhepunkten der Apostelgeschichte und zerfallen in drei Szenen (Eckey 2011, 395f.). Der Wunderbericht Apg 14,8-13 bildet den Auftakt der Szenenfolge, indem er die Heilung eines Gelähmten und die überschwängliche Reaktion darauf schildert. Dies dient als Vorbereitung oder Präludium für die zweite Szene (Apg 14,14-18), welche die entsetzte Gegenreaktion der Missionare auf ihre Vergöttlichung und einen Aufruf zum biblischen Monotheismus beinhaltet, um den Zeuspriester und die Menschenmenge von ihrem Opfervorhaben abzubringen. Den Abschluss bildet eine dritte Szene (Apg 14,19f.) mit Zügen eines Rettungswunders. Sie berichtet von einem an Paulus betriebenen Steinigungsversuch, den dieser aber überlebt, so dass er mit Barnabas nach Derbe weiterziehen kann. Die im Fokus unserer Betrachtung stehende erste Szene trägt die stilgemäßen Züge einer Heilungswundergeschichte, deren Rahmen am Ende durch die in bunten Farben ausgemalte Akklamation und Admiration gesprengt wird. Zunächst erfolgen die Präsentation des namenlos bleibenden Hilfsbedürftigen und die Beschreibung seiner Notlage. Mit der Notiz, dass sein Leiden von Geburt an besteht (vgl. Joh 9,1), wird die Schwere des medizinisch im Grunde genommen aussichtslosen Falles unterstrichen und die übersteigerte Reaktion der Volksmenge auf die Heilung vorbereitet. Der Gelähmte sitzt, wie es sich aus dem weiteren Erzählverlauf erschließt, an einem Ort mit viel Publikumsverkehr. Antike Hörerinnen und Hörer der Geschichte dürften ihn sich als Bettler vorgestellt haben. Wie der Mann, der noch nie in sei228

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Einfach nur göttlich Apg 14,8-13

nem Leben gehen konnte, dorthin gekommen ist, bleibt anders als in Apg 3,2 offen. In jedem Fall wird er Zeuge der paulinischen Missionspredigt. Da es in Lystra keine Synagoge gibt, verkündigen die Missionare das Evangelium auf einem öffentlichen Platz, vermutlich dem Markt. Auffällig ist, dass der Mann nicht von sich aus um Heilung bittet, sondern der Wundertäter nach visueller Kontaktaufnahme mit dem Gelähmten selbst die Initiative ergreift. Als Träger des Gottesgeistes kann Paulus dem Mann ins Herz sehen und erkennt mit seinem prophetisch-charismatischen Blick, dass der Gelähmte den zur Rettung notwendigen Glauben in sich trägt (Eckey 2011, 398). Der Glaube (πίστις pistis) meint das Vertrauen in den Wundertäter, lässt die Adressaten aber auch an den spezifisch christlichen Glauben denken. Das heilende Befehlswort »Stell dich aufrecht auf deine Füße!« nimmt wörtlich Ez 2,1 auf. Durch das sofortige Aufspringen und Umhergehen des vormals Gelähmten erfolgen stilgemäß die Feststellung und augenfällige Demonstration des eingetretenen Wunders. Wie häufig in Wundergeschichten kommt es abschließend zu einer von Staunen gekennzeichneten, in eine Akklamation einmündenden Reaktion der Anwesenden, die hier aber in einzigartiger Weise gefüllt ist und zum nachfolgenden Geschehen überleitet. Die Volksmenge huldigt den Aposteln als Göttern in Menschengestalt. Warum Barnabas mit Zeus als höchstem Gott des griechischen Pantheons identifiziert wird, bleibt offen. Als Begründung wird von Kommentatoren in Anlehnung an Johannes Chrysostomus (hom. in Ac. 30) gern seine mutmaßlich stattliche Gestalt und ehrwürdige Haltung angeführt (Zahn 1927, 472; Bauernfeind 1939, 182). Die Erläuterung, Paulus sei wegen seiner Wortführerschaft für Hermes gehalten worden, wirkt überzeugend, da Hermes in antiken Quellen als Gott der Rede (Diod. Sic. 1,16) oder als das Wort führender Gott (Iamb. myst. 1,1) begegnet. Dass die Akklamation in lykaonischer Sprache erfolgt, verleiht der Erzählung Lokalkolorit und erhöht den Spannungsbogen. Die Leserinnen und Leser sind den Protagonisten einen Schritt voraus. Sie wissen bereits, dass die Apostel als Götter verehrt werden, und sind gespannt, wie sie sich aus ihrer prekären Lage herauswinden, während diese noch rätseln, was um sie herum vorgeht. Erst als Vorbereitungen zu einer Opferhandlung getroffen werden, erschließt sich Barnabas und Paulus die Tragweite des Geschehens und sie beginnen zu intervenieren. Dass die Bewohner Lystras zwei gewöhnliche Menschen zu Göttern hochstilisieren und der Zeuspriester sofort ein rauschendes Opferfest in Gang setzt, trägt unterhaltsame Züge, denn »viel grotesker hätte Lukas die Heiden Lystras nicht darstellen können« (Öhler 2003, 339).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Schauplatz des Wundergeschehens ist Lystra unweit des heutigen Ortes Hatun Saray. In unmittelbarer Nähe befinden sich die Felshöhlen von Kilistra. Ein verödeter Siedlungshügel ist alles, was von Lystra übrig blieb. Die Stadt lag in der wasserarmen Landschaft Lykaonien, deren Bewohner sich vor allem von der Schafzucht ernährten. Etwa 30 km nördlich von Lystra erstreckte sich mit Ikonion die Hauptstadt Lykaoniens (Strab. 229

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geogr. 12,6,1). Die wirtschaftlich schwache, aber strategisch nicht unbedeutende Region blickte in den Tagen von Paulus und Barnabas auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Bis zur Schlacht von Magnesia, bei der Antiochus III. 190 v. Chr. eine verheerende Niederlage gegen Lucius Cornelius Scipio erlitt und seine kleinasiatischen Besitzungen verlor, gehörte Lykaonien zum Seleukidenreich. Die Römer unterstellten dann Lykaonien zunächst den Attaliden von Pergamon und schlugen es nach dem Untergang des Attalidenreichs der Provinz Kilikien zu. Marcus Antonius nahm im Jahr 36 v. Chr. eine Neuordnung der politischen Verhältnisse in Zentralanatolien vor, indem er Amyntas als Vasallenkönig mit der Herrschaft über Galatien, Pisidien, Lykaonien und Teile Pamphyliens betraute. Dies war aus römischer Sicht eine kluge Entscheidung, da Amyntas in der notorisch unruhigen Region mit ihren rebellischen Bergvölkern für Stabilität sorgte. Nach dem Tod des Amyntas wurde sein Reich in die römische Provinz Galatien umgewandelt. Eine bei Plinius überlieferte Liste der Städte Galatiens zählt auch Lystra mit auf (Plin. nat. 5,147). Im Süden der Provinz Galatien kam es immer wieder zu kriegerischen Grenzkonflikten mit den benachbarten Bergvölkern der Homonadenser und Isaurier, die gegen die römische Herrschaft aufbegehrten. Nachdem Quirinius 6 v. Chr. eine militärische Offensive zur Befriedung der Region erfolgreich zum Abschluss gebracht hatte, wurde Lystra in eine römische Kolonie umgewandelt (Jones 1971, 134). Der vollständige Name der Stadt lautete nun Colonia Iulia Felix Gemina Lustra (CIL 3,6786). Lystra war somit in der Zeit der Ersten Missionsreise eine von sieben Militärkolonien, die der Grenzsicherung im Süden der Provinz Galatien dienten und durch die Via Sebaste miteinander verbunden waren (French 1980, 707). Das römische Bevölkerungselement scheint allerdings in der Stadt nicht dominant gewesen zu sein, da nur 35 der 107 mit Lystra in Verbindung stehenden antiken Inschriften auf Latein abgefasst sind (Taylor 1995, 1217). Die Akklamation der Wundererzählung ist von Lokalkolorit geprägt. Als Reaktion auf die Gelähmtenheilung beginnt die Volksmenge auf Lykaonisch, den Aposteln als Göttern in Menschengestalt zu huldigen. Die Bevölkerung Lystras wird zwar mehrheitlich des Griechischen mächtig gewesen sein, doch hielt sich der hellenistische Einfluss in Grenzen. Die Verwendung der lykaonischen Sprache, eines spätluwischen Dialekts, ist für die Gegend um Lystra bis in das 5. Jh. n. Chr. nachweisbar (Schmitt 1983, 569f.). Der Volkszorn über das geplatzte Opfermahl entlädt sich im Versuch, Paulus zu steinigen (Apg 14,19). Die Steinigung stellte in der Antike eine verbreitete Form der Lynchjustiz dar (Apul. Met. 10,6,3). Juden aus Ikonion waren daran kaum beteiligt. Lukas neigt in problematischer Weise dazu, über die Aussage seiner Quellen hinaus jüdische Gegner als Hauptunruhestifter einzuführen, die Paulus nach dem Leben trachten (vgl. Klauck 1996, 75).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Heilung des Gelähmten in Lystra ist nicht erst ein Produkt der Erzählkunst des Lukas (gegen Schmithals 1982, 132; Lüdemann 1987, 166), sondern basiert auf einer 230

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vorlukanischen Tradition, die aus der Gemeinde von Antiochia als Ausgangspunkt der Ersten Missionsreise stammen dürfte (Pesch 2003, 56). Lukas hat die Erzählung sprachlich stark an das Petruswunder Apg 3,1-10 angeglichen, um das Wirken von Petrus und Paulus zu parallelisieren (Schneider 1980, 306f.). Zudem muss Barnabas in dem Heilungsbericht ursprünglich zentraler verankert gewesen sein, als die lukanische Darstellung es noch erahnen lässt (vgl. Schreiber 1996, 70f.). Bei einem allein durch Paulus bewirkten Wunder wäre schwer erklärbar, wie die Verehrung des Barnabas als Zeus zustande gekommen sein sollte. Zuweilen wird sogar vermutet, dass es sich bei Apg 14,8-13 ursprünglich um eine reine Barnabaslegende handelte (Roloff 2010, 213). Dabei ist von einem historischen Haftpunkt der Erzählung auszugehen. Charismatische Heilungen Gelähmter stellen einen charakteristischen Zug des Wunderwirkens Jesu und der Apostel dar. Allgemein sind Gelähmtenheilungen in der Antike breit bezeugt, beispielsweise am Asklepiosheiligtum von Epidauros (vgl. Maisch 1971, 57-71). Der Schlussteil der Wundergeschichte spiegelt die religiösen Gegebenheiten im Süden der Provinz Galatien sachgerecht wider. Im isaurisch-lykaonischen Gebiet wurden in hellenistischer Zeit die alten luwischen Gottheiten Tarchu(nt) und Ru(nt) als Zeus und Hermes angebetet. Drei Inschriften aus der Region sind durch eine Verbindung von Zeus und Hermes geprägt und belegen die gemeinsame Verehrung beider Gottheiten in der Gegend um Lystra (Breytenbach 1996, 32f.). Als Folge des Heilungswunders hatte der Priester am Zeusheiligtum vor den Stadttoren Lystras bereits die Vorbereitungen für ein opulentes Stieropfer getroffen (14,13), bevor ihm Paulus mit seiner monotheistischen Missionspredigt einen Strich durch die Rechnung machte. Von einem Zeustempel in Lystra sind zwar ebenso wenig wie von der Stadt selbst archäologische Spuren erhalten. Inschriften aus Pisidien, Isaurien und Lykaonien zeigen allerdings, dass es in der Gegend um Lystra etliche Zeusheiligtümer gab (Breytenbach 1996, 33f.). Am Zeustempel von Lystra war nach der Heilung des Gelähmten ein öffentliches Opfermahl geplant, das für die breite Mehrheit der Bevölkerung eine der seltenen Gelegenheiten zu Fleischgenuss dargestellt hätte. Als Opfertiere standen Stiere bereit, die mit Kränzen oder Girlanden geschmückt waren. Bei solchen Opfern wurde gewöhnlich nur ein Teil des Tieres, vielfach die ohnehin ungenießbaren Innereien, der Gottheit auf dem Altar zugeeignet, während der Rest zum gemeinschaftlichen Verzehr bestimmt war. Damit verband sich der Gedanke einer Mahlgemeinschaft zwischen den Opfernden und der Gottheit, die von derselben Speise aßen. Da in Lystra die »Götter« persönlich vor Ort waren, stand bei dem geplatzten Opfermahl der Aspekt der rituellen Götterbewirtung (Theoxenie) im Vordergrund. Das zum Verständnis der Vorgänge in Lystra zentrale Motiv der in Menschengestalt erscheinenden Götter, die durch die Städte ziehen, wie Fremde aus dem Ausland wirken und die Menschen auf die Probe stellen, findet sich bereits bei Homer (Od. 17,485-487). Im Hintergrund der Wunderakklamation Apg 14,12, wo die Menschenmenge die christlichen Missionare als Zeus und Hermes in Menschengestalt glaubt identifizieren zu können, steht aller Wahrscheinlichkeit nach die von Ovid 231

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(met. 8,620-725) überlieferte Sage von Philemon und Baucis. Schauplatz der Handlung sind die Berge Phrygiens nahe einem sumpfigen See, der sich möglicherweise als der nicht allzu weit von Lystra entfernte Trogitissee identifizieren lässt (vgl. Breytenbach 1996, 34). Die Sage erzählt, wie Zeus und Hermes (römisch Iupiter und Merkur) als müde Wanderer unerkannt über die Erde wandeln, an den Haustüren abgewiesen werden und nur in der bescheidenen Hütte des alten Ehepaars Philemon und Baucis gastliche Aufnahme finden. Diese erkennen die wahre Identität ihrer Gäste, als sich beim bescheidenen Gastmahl der Weinkrug in wunderbarer Weise immer wieder von selbst füllt. Erschrocken bitten sie um Verzeihung für die ärmliche Bewirtung und wollen ihre einzige Gans opfern, was ihnen Zeus und Hermes aber verbieten. Während dann die anderen Menschen in der Gegend zur Strafe einer Wasserflut zum Opfer fallen, wird die gastfreundliche Hütte von Philemon und Baucis von den Göttern in einen prachtvollen Tempel verwandelt, an dem die beiden Alten als Priester wirken. Zwischen dieser alten Volkssage und der von Lukas überlieferten Missionserzählung gibt es eine Reihe von Gemeinsamkeiten (vgl. Öhler 2003, 337f.). Beide Erzählungen spielen im selben geographischen Raum, die Protagonisten kommen in menschlicher Gestalt als wandernde Fremde vom Ausland daher, die von Erschrecken begleitete Erkenntnis ihrer Göttlichkeit wird durch ein Wunder herbeigeführt, und es werden die Vorbereitungen für ein besänftigendes Tieropfer getroffen, was die als Götter Erkannten aber strikt unterbinden. Vor dem Hintergrund der alten Volkssage können die Rezipientinnen und Rezipienten der Apostelgeschichte die Reaktion der Volksmenge auf das Wunder bestens nachvollziehen. Die Einwohner von Lystra wollen den Fehler ihrer Vorfahren vermeiden, die Zeus und Hermes nicht erkannten, ihnen die Bewirtung verweigerten und schwer dafür büßten.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erzählung von der Heilung des Gelähmten in Lystra eröffnet unterschiedliche Interpretationshorizonte. Sie lässt sich redaktionsgeschichtlich, kerygmatisch und tiefenpsychologisch verstehen. Die redaktionsgeschichtliche Deutung der Gelähmtenheilung rechnet mit einer bewussten lukanischen Parallelisierung des Wirkens von Paulus und Petrus. Sie wertet die große Ähnlichkeit von Apg 3,1-10 und 14,8-13 als Indiz dafür, dass Lukas beide Erzählungen sprachlich eng aneinander angeglichen oder sogar das Heilungswunder von Lystra ohne jede Traditionsgrundlage als Pendant zur Heilung des Gelähmten an der Schönen Pforte geschaffen hat. Das vorrangige Ziel von Apg 14,8-13 wird vor diesem Hintergrund darin gesehen, Paulus als einen Petrus ebenbürtigen Missionar zu porträtieren, dessen Verkündigung ebenfalls von Zeichen und Wundern begleitet ist (Pesch 2003, 59). Die kerygmatische Deutung richtet den Fokus auf den Glauben, der den Gelähmten gerettet hat (πίστις τοῦ σωθῆναι pistis tou sōthēnai, Apg 14,9). Der 232

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Einfach nur göttlich Apg 14,8-13

Glaube, der in Heilungsgeschichten normalerweise das Vertrauen in die Kraft des Wundertäters bezeichnet, wird im Fall des Gelähmten von Lystra als bewusste Hinwendung zu Christus verstanden. Wie die Formulierung »er hörte Paulus reden« belege, sei der Glaube an die Rettung von der paulinischen Predigt geweckt worden. Folglich habe das Wunder der Heilung nach der lukanischen Darstellung die Verkündigung von Jesus als dem Retter (σωθήρ sōtēr) zur Voraussetzung (Haenchen 1977, 414f.). Ergänzend geht die kerygmatische Deutung davon aus, dass sich die Rettung des Gelähmten nicht nur vordergründig auf die Heilung von dem körperlichen Gebrechen bezieht, sondern auch die Erlangung des Heils miteinschließt (Weiser 1985, 349f.; Jervell 1998, 374). Der tiefere Sinn der Erzählung wird in einem symbolischen Verständnis der Heilung als Glaubenswunder gesehen. Der im Grunde ohnmächtige Mensch suche nach Rettung, die Paulus durch sein zeichenhaftes Handeln ermögliche, indem er ihn zu neuer Selbstständigkeit aufrichte (Oerder 2009, 55.59f.). Auch bei einer tiefenpsychologischen Betrachtung des Wunders von Lystra rückt der Glaube des Gelähmten in den Mittelpunkt. Anders als die kerygmatische Deutung versteht aber der tiefenpsychologische Ansatz unter dem Glauben nicht ein christologisches Bekenntnis, sondern ein die Angst und die Macht der Krankheit überwindendes Vertrauen, dass durch das Zurückfinden zur eigenen Mitte Heilung möglich ist. Eugen Drewermann, der bei seinen diesbezüglichen Ausführungen zum Glaubensmotiv die Textstelle Apg 14,9 zumindest erwähnt (Drewermann 1985, 124), sieht darin ein Charakteristikum schamanistischer Heiltechnik. Diese bemühe sich gerade um die Erweckung solchen Vertrauens und versuche mit allen Mitteln, den Kranken nicht aus der Weltordnung herausfallen, sondern ihn von Neuem die Verbundenheit und Güte des Alls spüren zu lassen. Sie wolle erreichen, dass der Kranke sich selbst im Mittelpunkt der Welt von den eigenen Kräften des Daseins getragen fühle und damit zu seiner eigenen Mitte zurückfinde. Die wunderbare Fähigkeit der Seele, sich in den Schichten ihres Unbewussten dem Geheimnis des Daseins in den ewigen Bildern der Religion zu öffnen, bilde die Grundlage für das Wunder der Heilung in der Kraft des Glaubens (Drewermann 1985, 125-127). Eine Lähmung des Körpers, wie sie Apg 14,8-13 vorliegt, erklärt sich die tiefenpsychologische Bibelauslegung in aller Regel als Folgeerscheinung einer gelähmten Seele. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Wunder von Lystra als Heilung von psychogener Lähmung begreifen, indem der Kranke durch die Begegnung mit Paulus und die von ihm ausgestrahlte Macht des Vertrauens zu seiner eigenen Mitte zurückfand.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Bei der neutestamentlichen Wirkungsgeschichte der Lystraepisode spielt das Heilungswunder keine Rolle. Paulus rekurriert bei der Apologie seines Apostolats auf die gemeinsamen Missionsaktivitäten mit Barnabas (1 Kor 9,6) und erwähnt in sei233

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nem Peristasenkatalog die Steinigung in Lystra (2 Kor 11,25), lässt aber in beiden Fällen über die Gelähmtenheilung nichts verlauten. Auch der Verfasser des pseudepigraphen Zweiten Timotheusbriefs nimmt allein die in Lystra erfahrenen Leiden des Paulus in den Blick (2 Tim 3,11). Ob die altkirchliche Marta-Legende, in der ein von Dämonen besessener Mann nur auf Lykaonisch von seiner Heilung berichten kann, auf Apg 14,8-13 zurückgreift, ist fraglich (vgl. Öhler 2003, 353 Anm. 101). Ausführlicher rezipiert wird das Heilungswunder von Lystra bei Johannes Chrysostomus (hom. in Ac. 30). Der Kirchenvater stellt pointiert den kerygmatischen Charakter der Erzählung in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Die Lähmung habe den Mann nicht daran gehindert, sich geistig zu erheben und zum ernsthaften Hörer der Predigt des Paulus zu werden. Während in anderen Fällen die körperliche Heilung der Vermittlung des Seelenheils vorangehe, sei es bei dem Gelähmten von Lystra genau umgekehrt gewesen. Paulus habe dem Gelähmten in die Seele geschaut und dessen Aufspringen sei der Beleg für die vollkommene Heilung. Eine künstlerische Umsetzung der Lystraepisode verdanken wir dem niederländischen Maler Nicolaes Pieterszoon Berchem (1620-1683), der nicht nur zu den wichtigsten Vertretern der Landschaftsmalerei seiner Zeit zählte, sondern auch religiöse und mythologische Motive auf die Leinwand bannte. Sein 1650 entstandenes Gemälde »Paulus und Barnabas in Lystra« hält fest, wie der Zeuspriester in Lystra vor einer riesigen Zeusstatue das Stieropfer für die Apostel vorbereitet, während diese sich in demütiger Haltung Abb. 18: Nicolaes Pieterszoon gegen die Apotheose verwahren.

Berchem, Paulus und Barnabas in Lystra

Bernd Kollmann

Literatur zum Weiterlesen M. Fournier, The Episode at Lystra. A Rhetorical and Semiotic Analysis of Acts 14:7-20a, New York 1997. H.-J. Klauck, With Paul in Paphos and Lystra. Magic and Paganism in the Acts of the Apostles, Neotest. 28 (1994), 93-108. L. H. Martin, Gods or Ambassadors of God? Barnabas and Paul in Lystra, NTS 41 (1995), 152-156. C. Oerder, Paulus in Lystra. Missionar, Wundertäter, Apostel. Das Paulusbild im Kontext von Apg 13f. mit einem schulpraktischen Ausblick, in: R. Hoppe/K. Köhler (Hg.), Das Paulusbild der Apostelgeschichte, Stuttgart 2009, 43-74. R. Schwindt, Angekommen im heidnischen Land. Barnabas und Paulus in Lystra (Apg 14,820), SNTU.A 39 (2014), 135-158.

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Geschäftsschädigende Intervention (Die Heilung der wahrsagenden Sklavin) Apg 16,16-22 (16,16) Es geschah aber, als wir zur Gebetsstätte gingen, dass uns eine Sklavin begegnete, die einen Geist Python hatte und die ihren Herren viel Verdienst einbrachte, indem sie wahrsagte. (17) Sie lief Paulus und uns hinterher und schrie: »Diese Männer sind Sklaven des höchsten Gottes, diese verkünden euch einen Weg der Rettung.« (18) Dieses tat sie viele Tage lang. Als es aber Paulus zu viel wurde, wandte er sich um und sagte zu dem Geist: »Ich befehle dir im Namen Jesu Christi, aus ihr auszufahren.« Und er fuhr aus zur selben Stunde. (19) Als aber ihre Herren sahen, dass die Hoffnung auf ihren Verdienst ausgefahren war, ergriffen sie Paulus und Silas und schleppten sie auf den Marktplatz zu den Obersten. (20) Und sie führten sie den Richtern vor und sagten: »Diese Männer, die Juden sind, bringen unsere Stadt in Unordnung (21) und verkünden Sitten, die uns, die wir Römer sind, anzunehmen oder zu tun nicht erlaubt sind.« (22) Und die Menge stellte sich gegen sie und die Richter ließen ihnen die Kleider vom Leib reißen und befahlen, sie zu geißeln.

Sprachlich-narratologische Analyse Diese Austreibungserzählung findet sich in dem umfangreichen Abschnitt über die Erlebnisse des Paulus und seines Begleiters Silas in Philippi (Apg 16,11-40). Nach einer detaillierten Beschreibung der Reiseroute und Vorstellung der Stadt (V. 11f.) sowie der Bekehrung und Taufe der Purpurhändlerin Lydia (V. 13-15) folgen mit der Heilung der wahrsagenden Sklavin (V. 16-22) und der Befreiung der Missionare aus dem Gefängnis (V. 23-40) zwei Wundererzählungen direkt aufeinander. Die Heilung der wahrsagenden Sklavin ist gewissermaßen das Scharnier zwischen dem vorausgehenden Lydia-Abschnitt, mit dem sie über die Nennung der »Gebetsstätte« (προσευχή proseuchē) verknüpft ist (V. 13.16), und der folgenden Erzählung über die Haft der Missionare, die eine Folge der Austreibung des Wahrsagegeistes ist. Während die Abgrenzung nach vorn durch den Neueinsatz »es geschah aber« und den mehrfach wiederholten Weg zur Gebetsstätte (V. 16) für die Leser(innen) ersichtlich ist, werden sie ohne eine klare Zäsur unversehens von der einen Wundererzählung in die andere hinübergeleitet. Ausschlaggebend für den hier zugrunde gelegten Einschnitt zwischen V. 22 und V. 23 ist der Ortswechsel der Gefangenen vom Marktplatz in das Gefängnis und damit an den Ort des folgenden Wunders. 235

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Beim Blick auf das Personeninventar dieser Wundererzählung irritiert in den ersten beiden Versen (V. 16f.) das »wir« bzw. »uns«, das bereits in vorangegangenen Versen des Philippi-Abschnittes zu lesen war und auch in anderen Passagen der Apostelgeschichte auftritt (16,10-17; 20,5-15; 21,1-18; 27,1-28,16). Die Erklärung dieser sogenannten »Wir-Abschnitte« ist umstritten, erwogen werden die Verwendung eines Augenzeugenberichts, eines Stationenverzeichnisses (Itinerar) für Reisende oder eines literarischen Stilmittels für Reiseberichte durch den Verfasser der Apostelgeschichte (vgl. grundlegend Wehnert 1989; speziell zu 16,10-17 SterckDegueldre 2004, 15-40). Die Differenzierung von »Paulus und uns« (V. 17) lässt an mindestens drei Personen denken, dennoch ist aber bei der späteren Ergreifung der Missionare durch die Herren der Sklavin lediglich von Paulus und Silas die Rede (V. 19). Timotheus, der auf der sogenannten zweiten Missionsreise (15,36-18,22) mit Paulus und Silas unterwegs ist, bleibt im gesamten Philippi-Abschnitt unsichtbar und wird erst in Beröa, der übernächsten Station, wieder namentlich genannt (17,14). Die Personen, mit denen es die Missionare in dieser Erzählung zu tun haben, wechseln: Zunächst ist es die geistbesessene Sklavin (V. 16-18), dann sind es deren Herren (V. 19-21) in Verbindung mit der Menge und den städtischen Beamten, die nahezu als deren Werkzeuge agieren (V. 22). Alle Beteiligten außer Paulus und Silas bleiben namenlos, selbst die Sklavin, die relativ ausführlich vorgestellt wird. Sie wird über ihren unfreien Status und vor allem über ihre nicht für sie, sondern für ihre Herren einträgliche Wahrsagetätigkeit charakterisiert. Damit deutet sich schon an, dass nicht ihre persönliche Lebensgeschichte und ganz konkret ihre Freiheit, sondern ihre durch den Geist Python mögliche Wahrsagekunst im Fokus steht und die Geistaustreibung für Konflikte mit ihren Herren sorgen wird. Dem entspricht die schlichte Vorstellung ihrer Herren: Sie werden über ihre Sklavin und den ihnen zukommenden Gewinn aus deren Wahrsagetätigkeit definiert. Weitere Informationen über die Besitzer der Sklavin fehlen, nicht einmal ihre genaue Anzahl wird angegeben. Mit dem vollständigen Wechsel der Personen, mit denen Paulus und Silas konfrontiert sind, ist ein starker Einschnitt innerhalb der Erzählung gegeben, der durch den damit verbundenen Ortswechsel vom Weg zur Gebetsstätte auf den Marktplatz (V. 19) verstärkt wird. Die Rolle der Missionare verändert sich dabei aber kaum, denn die Aktivität geht in beiden Abschnitten nicht von ihnen, sondern von den in Philippi beheimateten Menschen aus: Die Sklavin drängt sich ihnen geradezu auf und muss Paulus zu einer Reaktion nötigen, indem sie den Männern »in den Weg tritt« (ὑπαντᾶν hypantan), ihnen »hinterherläuft« (κατακολουθεῖν katakolouthein) und sie »anschreit« (κράζειν krazein); die Herren »ergreifen« (ἐπιλαμβάνειν epilambanein) die beiden Missionare, die nun nicht einmal mehr in Wort oder Tat reagieren, sondern sich während der Ereignisse auf dem Marktplatz völlig passiv verhalten. Dieses zuerst nur reaktive und dann sogar tatenlose Verhalten der Missionare spiegelt sich syntaktisch darin, dass in dem gesamten Abschnitt Paulus lediglich beim Ausfahrbefehl als handelndes Subjekt erscheint (V. 18) und beide Männer ge236

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meinsam ansonsten nur dann Subjekt sind, wenn durch die Sklavin bzw. den pythischen Geist und die Herren der Sklavin in direkter Rede Aussagen über sie gemacht werden (V. 17.20f.). Der zeitliche Rahmen der Erzählung bleibt unklar: In der Exposition des Wunders ist von einer wiederholten Handlung der Missionare die Rede, die mehrfach die Gebetsstätte aufsuchen (V. 16), an der sie zuvor Lydia und weitere Frauen an einem Sabbat angetroffen haben (V. 13f.). Falls dieser Ort jeweils ausschließlich am Sabbat das Ziel der christlichen Missionare ist, hat sich ihr Aufenthalt in Philippi und damit auch die in dieser Erzählung insgesamt beschriebene Zeitdauer bereits über mehrere Wochen erstreckt, bevor es dann zu einer einmaligen und folgenreichen Reaktion des Paulus kommt. Die griechische Partizipialkonstruktion, die im Deutschen am besten mit einem Temporalsatz wiederzugeben ist (»als sie sahen«), lässt offen, wie die Herren der Sklavin von der Austreibung des Wahrsagegeistes erfahren und wie unmittelbar ihre Reaktion darauf erfolgt: Haben sie alle oder einer von ihnen das Geschehen selbst beobachtet? Wer berichtet ihnen wie und wann davon? Wie entscheiden sie sich für ein gemeinsames Vorgehen gegen Paulus und Silas? Wie viel Zeit vergeht so zwischen der Austreibung des Geistes und der Ergreifung der Missionare? Mit dieser Leerstelle korrespondiert das Schweigen des Erzählers über das weitere Ergehen der Sklavin: Ist sie erleichtert über die Geistaustreibung oder entsetzt über den Verlust ihrer besonderen Fähigkeit? Verschlechtert sich jetzt ihre Position, weil sie nun eben nicht mehr ihren Herren Gewinn einbringt? Welche Aufgaben werden ihr in Zukunft gegeben oder wird sie gar baldmöglichst verkauft, weil sie nun wertlos geworden ist? Sowohl die Sklavin als auch ihre Herren finden nur dann die Aufmerksamkeit des Lukas, wenn sie mit Paulus und Silas in Interaktion stehen. Die Vor- und Nachgeschichte ihrer Begegnung mit den Missionaren sind hingegen für den Verfasser der Apostelgeschichte nicht von Belang und deshalb nicht Teil seines auf Paulus und Silas fokussierten Berichts. Die Gattungsbestimmung dieser Erzählung als Exorzismus wird durch Signalwörter im Text impliziert: Das »Schreien« (κράζειν krazein) der Sklavin ist im lukanischen Doppelwerk kein eindeutiges (vgl. κράζειν krazein in Lk 18,39; 19,40; Apg 7,57.60; 14,14 u.a.; ἀνακράζειν anakrazein in Lk 23,18), aber doch ein mehrfach auftretendes Zeichen für Besessenheit (vgl. κράζειν krazein in Lk 9,39; Apg 16,17; ἀνακράζειν anakrazein in Lk 4,33; 8,28). Vor allem aber ist in diesem Text dreimal von »Ausfahren« (ἐξέρχεσθαι exerchesthai) die Rede: Zunächst wird es zweimal geradezu klassisch in Bezug auf den Geist, den die Sklavin »hat« (ἔχειν echein), verwendet, und zwar im Ausfahrbefehl und für den Vollzug des Ausfahrens (V. 18), dann aber in ungewohnter Weise bei der Interpretation des Geschehens aus der Sicht der Herren der Sklavin: Für sie ist nicht ein Geist, sondern ihre »Hoffnung auf Verdienst« »ausgefahren« (V. 19). Durch die Wiederholung des »Ausfahrens« werden einerseits beide Abschnitte der Erzählung miteinander verklammert, andererseits wird damit aber auch die unerwartete Wende des Geschehens signalisiert. Die unterschiedlichen Perspektiven auf das Wirken und die Botschaft des Paulus werden auch bei dem zweiten Verb, das in dieser Erzählung zweimal in pointierter 237

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Weise verwendet wird, nämlich »verkündigen« (παραγγέλειν parangelein), deutlich: Die Sklavin bzw. der aus ihr sprechende pythische Geist nennt als Inhalt der Verkündigung der Missionare den »Weg der Rettung« (V. 17), die Herren hingegen werfen ihnen vor, antirömische Sitten zu verkünden (V. 21). Diese Erzählung ist die erste und einzige narrativ ausgestaltete erfolgreiche Austreibung innerhalb der Apostelgeschichte (summarisch zuvor Philippus in 8,7 und später Paulus in 19,12; gescheiterter Exorzismus durch jüdische Exorzisten in Ephesus in 19,13-16). Von den typischen Elementen eines Exorzismus sind in dieser Erzählung jedoch nur wenige enthalten: Auf die Aussage des Geistes über die Missionare (V. 17b) folgen der Ausfahrbefehl (V. 18c) und dessen Vollzug (V. 18d). Es fehlen in dieser Exorzismuserzählung die Schilderung einer Notlage und die Bitte um Hilfe durch die besessene Person ebenso wie ein Bericht darüber, wo der ausgetriebene Geist seine neue Wohnung nimmt. Stattdessen überrascht der Text seine Leser(innen) damit, dass der Ausfahrbefehl erst »nach vielen Tagen« (V. 18a), also nach mehreren Begegnungen und langem Zögern, aus dem Überdruss des Paulus erfolgt, der das ständige Nachrufen der Sklavin nicht mehr erträgt (V. 18b). Und die Abweichungen vom gängigen Schema setzen sich fort: Anstelle des zu erwartenden Lobes des Wundertäters oder der hinter ihm stehenden göttlichen Macht oder zumindest des Staunens und der Furcht der Zeugen erntet der Wundertäter hier harsche Kritik (V. 19-21), die ihm und seinem Begleiter körperliche Züchtigung (V. 22) und sogar Gefängnis (V. 23-39) einbringt. Niemand kommt durch die Austreibung dieses Geistes zum Glauben, vielmehr wird das Einschreiten des Paulus als geschäftsschädigende Intervention und Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der römischen Sitten ausgelegt.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die makedonische Stadt Philippi ist für einen solchen Zusammenstoß griechischer, römischer, jüdischer und christlicher Religion und die Betonung des dort wehenden römischen Geistes, wie es Lukas in Apg 16,16-22 schildert, geradezu prädestiniert. Wechselnde Herrscher und dadurch ausgelöste Zuzüge von neuen Bewohnerinnen und Bewohnern sorgen in dieser Stadt in religiöser Hinsicht für ein breites Spektrum und für ein starkes Bewusstsein der eigenen Herkunft und der politisch geltenden Normen: Die ursprünglich von Thrakern bewohnte Siedlung Krenides wird 356 v. Chr. vom makedonischen König Philipp II., dem Vater Alexander des Großen, eingenommen und in Philippoi (Φιλίπποι) umbenannt. Nach dem Zerfall des Weltreiches Alexanders führen makedonische Könige Kriege gegen die Römer, die 167 v. Chr. mit der Absetzung des makedonischen Königtums und der Umwandlung seines Gebietes in vier Bezirke (μερίδες merides) enden, worauf Lukas anspielt, wenn er Philippi – allerdings textkritisch unsicher (vgl. Pilhofer 1995, 159-165; SterckDegueldre 2004, 50-54) – »eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien« nennt (V. 12). Nach einem Aufstand wird Makedonien 146 v. Chr. römische Provinz. Das 238

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Geschäftsschädigende Intervention Apg 16,16-22

bis dahin unbedeutende Philippi rückt 42 v. Chr. in das Licht der Weltöffentlichkeit, als die Caesar-Mörder Brutus und Cassius in einer Doppelschlacht in unmittelbarer Nähe der Stadt Antonius und Octavian, dem späteren Augustus, unterliegen. Einige der römischen Veteranen werden von Antonius in Philippi angesiedelt, welches zu einer römischen colonia, also einer »Tochterstadt« Roms mit römischem Verwaltungs- und Rechtssystem wird, wie auch Lukas mit dem Lehnwort κωλονία (kōlonia) in seiner Vorstellung der Stadt vermerkt (V. 12). An der Spitze der philippischen Beamten stehen die duumviri iure dicundo (»Zwei-Männer-Kommission für die Rechtsprechung«), die in dem Philippi-Abschnitt der Apostelgeschichte unter ihrer griechischen Bezeichnung στρατηγοί (stratēgoi) erscheinen (V. 20.22.38); ihnen untergeordnet sind die lictores (»Rutenträger«), die als ῥαβδοῦχοι (rhabdouchoi) begegnen (V. 35.38; vgl. ῥαβδίζειν rhabdizein für die Geißelung in V. 22). Zur Erinnerung an den bei Philippi errungenen militärischen Erfolg trägt die Kolonie zuerst den Namen colonia Victrix Philippensis. Nach der Schlacht bei Actium will der siegreiche Octavian die Verbundenheit der Kolonie mit seinem Widersacher Antonius auflösen. Er vollzieht deshalb 30 v. Chr. eine Neugründung der Kolonie, die einen neuen Beinamen erhält, der den »Familiennamen« des Octavian aufnimmt: In Anlehnung an die gens Iulia, die Familie der Julier, heißt sie nun colonia Iulia Augusta Philippensis. Die Kolonie wächst nochmals durch die Ankunft einer größeren Zahl neuer Bewohner(innen) aus Italien. Die römische Prägung der Stadt Philippi wird durch die erneute Ansiedlung ehemaliger Soldaten weiter gefestigt. Bereits der kurze Durchgang durch die Geschichte Philippis macht plausibel, dass in der Stadt und ihrer Umgebung Menschen mit thrakischen, griechischen und römischen Wurzeln und dementsprechend vielfältigen Religionen zusammenleben (vgl. Pilhofer 1995, 95-113). Archäologische Hinweise auf eine Synagoge in Philippi für das 1. Jh. n. Chr. fehlen. Allerdings spricht Lukas von der gottesfürchtigen Lydia (V. 13-15) und einer »Gebetsstätte« (V. 13.16: προσευχή proseuchē). Wenn er damit historisch zutreffende Verhältnisse spiegelt, gibt es in Philippi zu dieser Zeit zumindest einen gewissen Bevölkerungsanteil, der vermutlich nicht jüdisch ist, aber starke Sympathien zum Judentum aufweist und wohl vorrangig aus Frauen besteht. Das Aufsuchen der jüdischen »Gebetsstätte« durch die Missionare (nach Lukas ein bewährter Ausgangspunkt für ihre Verkündigung an einem neuen Ort; vgl. das Aufsuchen von Synagogen in Apg 13,5.14; 14,1; 17,1f.10.17; 18,4.19; 19,8), die Unkenntnis der neuen christlichen Lehre und vor allem eine bei Römern stark vertretene antijüdische Haltung machen verständlich, warum Paulus und Silas als Juden und nicht als Christen, die unrömische Sitten verkünden, angeklagt werden (V. 20f.). Durchgängig ist in dieser Erzählung im Plural von »Herren« (κύριοι kyrioi) der Sklavin die Rede (V. 16.19). Entgegen dem bekannten jesuanischen Wort »Niemand kann zwei Herren dienen« (Mt 6,24 par. Lk 16,13) ist ein gemeinschaftlicher Besitz einer Sklavin oder eines Sklaven in der griechisch-römischen Welt keine Seltenheit (vgl. Taubenschlag 1930, 148.152-154; Richter Reimer 1992a, 164f.194f.; Avemarie 2003, 552-554). Eindrücklich illustriert dieses Phänomen ein Papyrus, der im ägyptischen Oxyrhynchos gefunden wurde und auf das Jahr 186 n. Chr. datiert ist (P.Oxy. 239

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716; vgl. Mitteis 1906, 252f.; Ebel 2013, 85-87): Der Sklave Sarapion gehört zur Hälfte den minderjährigen Brüdern Dionysios und Thaesis, zu einem Sechstel deren ebenfalls minderjähriger Halbschwester Eudaimonis und zu einem Drittel einem weiteren Halbbruder namens Diogenes. Da der Letztgenannte Sarapion freigelassen hat, versuchen die Vormünder der drei anderen anteiligen Besitzer(innen) des Sklaven nun, die verbleibenden zwei Drittel im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung zu verkaufen, um Komplikationen zu verhindern. Der gemeinsame Besitz dieses Sklaven durch Verwandte verschiedenen Grades macht es sehr wahrscheinlich, dass es sich hier um eine Erbengemeinschaft handelt. Eine ähnliche Situation könnte auch bei der wahrsagenden Sklavin in Philippi zu einer Mehrzahl an Besitzern geführt haben. Da sie als παιδίσκη (paidiskē), also als junge Sklavin, bezeichnet wird (V. 16), könnte sie eine im Haus geborene Sklavin sein, die als Kind einer Sklavin automatisch auch Sklavin ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihr ursprünglicher Besitzer gestorben ist und sie nun seinen Erben gemeinsam gehört. Da sie allerdings ihren Besitzern beachtlichen finanziellen Gewinn (ἐργασία πολλή ergasia pollē) einbringt, könnte es sich bei diesem geteilten Besitz alternativ auch um eine gezielte gemeinsame Investition von nicht zwangsläufig verwandtschaftlich verbundenen Menschen handeln, die allein auf wirtschaftlichen Profit zielt. Ein Beispiel für einen solchen Fall liefert Ciceros Rede Pro Quinto Roscio comoedo: Der Schauspieler Quintus Roscius Gallus besitzt einen Anteil am Sklaven Panurgus als Gegenleistung für erteilten Schauspielunterricht. Da der wertvolle Sklave aber von einem Flavius ermordet wird, droht ein Verlustgeschäft. Um dieses abzuwenden, einigt sich Roscius mit dem Mörder für die begangene »Sachbeschädigung« auf eine Entschädigung für seinen Anteil an Panurgus. Roscius erhält ein Grundstück, an dem dann auch der Miteigner Gaius Fannius Charea beteiligt werden will. Die zweite Hälfte des daraufhin vereinbarten Geldbetrags will jedoch Roscius nicht zahlen, weshalb Fannius vor Gericht zieht und Roscius Cicero zu seiner Verteidigung engagiert. Das Beispiel des Sklaven Panurgus deutet an, was Paulus droht, wenn er den Geist austreibt, welcher der Sklavin in Philippi die Fähigkeit zum Wahrsagen verleiht: Zwar handelt es sich in diesem Fall nicht um Körperverletzung oder gar Tötung einer Sklavin, die – entsprechend der antiken Vorstellung von Sklavinnen und Sklaven als »Sache« – als Sachbeschädigung gelten und zivilrechtlich belangt werden könnte, sondern gewissermaßen um »Geistbeschädigung«, aber gerade deshalb um die Zerstörung genau der Fähigkeit, die den Wert der Sklavin für ihre Herren ausmacht (V. 16). Folgerichtig könnten die Herren der Sklavin Paulus wegen der »Wertminderung« ihrer Sklavin verklagen, nicht aber wegen der Störung der öffentlichen Ordnung und der Verkündung unrömischer Sitten, wie sie es nach dem Bericht des Lukas tun (V. 20f.). Zur Debatte stünde in einem solchen Fall, wie ebenfalls aus Ciceros Rede Pro Roscio zu ersehen ist, der genaue Geldbetrag, der als Schadensersatz vom »Sachbeschädiger« zu leisten wäre, niemals aber dessen Bestrafung durch körperliche Züchtigung (V. 22) oder Gefängnis (V. 23-39), wie es Paulus und dem an der Geistaustreibung gar nicht aktiv beteiligten Silas in Philippi widerfährt (vgl. Richter Reimer 1992a, 190-195). 240

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Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Während die Geister, die Jesus austreibt und seine Jünger austreiben sollen, von den Evangelisten als Dämonen (δαίμονες daimones: Mt 8,31; δαιμόνιον daimonion: Mk 3,15.22 u.a.; Mt 9,33f. u.a.; Lk 4,33.35 u.a.) oder als »böse« (πονηρός ponēros: Mt 12,45; Lk 7,21 u.a.; Apg 19,12) oder »unreine« (ἀκάθαρτος akathartos: Mk 1,23.26f. u.a.; Mt 10,1; 12,43; Lk 4,33.36 u.a.; Apg 5,16; 8,7) Geister (πνεύματα pneumata) klassifiziert werden, trägt dieser Geist (πνεῦμα pneuma) einen Eigennamen (sonst nur Mk 5,9: Legion): Er heißt »Python« (πύθων pythōn) und ruft damit bei antiken Leserinnen und Lesern umgehend das Orakel von Delphi (vgl. Giebel 2001; Rosenberger 2001) in Erinnerung. Der Mythos besagt, dass Python eine drachenähnliche Schlange war, die in Delphi eine Erdspalte bewachte und von Apollon erschlagen wurde, als dieser den Ort für sich beanspruchte. In Erinnerung an diese Tat und den verfaulenden (πύθειν pythein) Kadaver der Schlange erhielt der Gott den Beinamen Python und trägt die Priesterin des Heiligtums den Namen Pythia. Auch wenn die Blütezeit des delphischen Apollon-Heiligtums und seines Orakels zur Zeit des Lukas vorüber ist, ist es noch immer der Inbegriff eines Orakels. Mit ihrer Wahrsagefähigkeit (μαντεύεσθαι manteuesthai) erscheint die vom Geist Python besessene Sklavin in Philippi gewissermaßen als »eine Art Pythia im Kleinen, als delphisches Orakel im Westentaschenformat« (Frenschkowski 2002, 157). Bei aller Unterschiedlichkeit ihrer institutionellen Einbindung und des Ansehens ihrer Orakelsprüche (vgl. a.a.O., 140-150.154-158) lassen sich neben dem Geschlecht noch weitere Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Frauen, die in Delphi und Philippi Ratsuchenden Auskunft geben, ausmachen: Die Dienstleistungen beider Frauen sind nur für Geld zugänglich, das jeweils nicht in ihrem eigenen Besitz bleibt: Lukas schreibt von dem beträchtlichen Gewinn, den die Sklavin ihren Herren einbringt (V. 16). Inschriftliche Zeugnisse belegen, dass in Delphi eine Gebühr an das Heiligtum zu entrichten war, die für Einzelpersonen und offizielle Delegationen unterschiedlich hoch war (Rosenberger 2001, 49.51). In Delphi fehlen Namenslisten der Priesterinnen. Die Frauen, die nacheinander und in der Blütezeit des Orakels sogar zu mehreren gleichzeitig das Priesterinnenamt innehatten, sind lediglich als Pythia bekannt (Fauth 1963, 518f.). Ebenso ist auch die Sklavin aus Philippi namenlos und es wird in Apg 16,16-20 lediglich der Name des Geistes genannt, den sie »besitzt« (ἔχειν echein), nämlich Python. Die genaue Form des eigentlichen Wahrsageaktes ist in beiden Fällen ein Geheimnis: Es ist nicht einmal klar, ob es in Delphi zu einem direkten Kontakt zwischen Pythia und den Ratsuchenden kommt (vgl. Rosenberger 2001, 52-58) und welche Rollen Pythia und die sie umgebenden männlichen »Propheten« bei der Orakelverkündung einnehmen (vgl. Schnurr-Redford 2000). Auch Lukas gibt keine exakten Details zur Art und Weise des Wahrsagens der philippischen Sklavin an. Da »Python« neben dem genannten Bezug auf Apollon und Delphi auch einen Bauchredner bezeichnen kann, wäre es möglich, dass die wahrsagende Sklavin sich dieser Technik bedient. Eine solche Form »›abgesunkener‹ Religion« (Frenschkowski 2002, 141), die auf Marktplätzen zu Hause und mit 241

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Streben nach finanziellem Gewinn verbunden ist, wird von kritischen Zeitgenossen in einem Atemzug mit Fehlentwicklungen des Orakelwesens genannt. So wendet sich Plutarch zugleich scharf gegen Bauchredner und gegen falsche Orakelpriester: Es ist lächerlich und geradezu kindisch zu glauben, dass der Gott selbst – wie die Bauchredner, einst eurykleis, nun aber pythones genannt – in die Körper der Propheten hineingehe und (aus ihnen) spreche, indem er ihre Münder und ihre Stimmen als Werkzeuge gebraucht (de def. or. 9).

Der pagane Kritiker steht mit seiner ablehnenden Haltung in einer Linie mit alttestamentlichen Aussagen über Lügenpropheten und Totenbeschwörer, die dort entschieden von echten Propheten abgegrenzt werden. Das eindrücklichste Beispiel für solche zu verurteilenden Praktiken ist das Aufsuchen der Totenbeschwörerin von En-Dor durch Saul: In der griechischen Fassung der Septuaginta wird die Totenbeschwörerin als »Bauchrednerin« (ἐγγαστρίμυθος engastrimythos) bezeichnet (1 Sam 28,7) und das »Befragen« des Totengeistes (1 Sam 28,8) mit demselben Wort wie das »Wahrsagen« der Sklavin in Philippi ausgedrückt (μαντεύεσθαι manteuesthai). Was aber ist von der Aussage der Sklavin bzw. des aus ihr sprechenden Geistes Python über Paulus und Silas zu halten? Die Missionare werden wiederholt lauthals als Sklaven des »höchsten Gottes« (θεός ὑψίστος theos hypsistos) bezeichnet, die einen Weg der Rettung verkünden (V. 17). Für die dem Christentum zugewandten Leser(innen) der Apostelgeschichte liegt es auf der Hand, wer der höchste Gott ist und auf welchem Weg Rettung zu erlangen ist, so dass sie der Aussage der Sklavin mit Blick auf den einen Gott zustimmen könnten. Weitet man jedoch den Blick auf weitere antike Zeugnisse aus, wird die Schwierigkeit der hier gebrauchten Gottesbezeichnung deutlich: »Der Höchste« als Bezeichnung Gottes wird im griechischen Alten Testament sehr oft verwendet, seltener die Kombination »höchster Gott«. In Anlehnung daran gebraucht auch Lukas mehrfach die Bezeichnung »Höchster« (Lk 1,32.35.76; 6,35; Apg 7,48), aber die Bezeichnung »höchster Gott« nur dann, wenn Dämonen sprechen (Lk 8,28 par. Mk 5,7) oder eben der Geist Python (Apg 16,17). Obgleich der »höchste Gott« sich in zahlreichen Inschriften jüdischer Herkunft oder in Kreisen, die mit dem Judentum sympathisieren, besonderer Beliebtheit erfreut, ist es keinesfalls eine exklusiv der alttestamentlich-jüdischen Tradition vorbehaltene Gottesprädikation (vgl. Trebilco 1989, 51-58). Der Superlativ »höchster« kann dabei einerseits einen Bezug auf das Wohnen »in der Höhe« haben, aber andererseits auch ein Hinweis darauf sein, dass im Hintergrund keine monotheistische Gottesvorstellung steht, sondern eine Pluralität von Gottheiten, unter denen eine in besonderer Weise heraussticht. So wird beispielsweise Zeus häufig als »höchster Zeus« betitelt – und das nicht zuletzt in Makedonien, also im Umfeld von Philippi (vgl. Pilhofer 1995, 182-188). Auch andere pagane Gottheiten werden als »höchster Gott« verehrt und angerufen. Folglich ist das in Philippi hinausgeschriene Zeugnis über Paulus und Silas nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheint, zumal es durch einen Geist namens Python aus dem Mund einer heidnischen Sklavin kommt und in einer von religiöser Vielfalt geprägten Stadt gesprochen wird. In dieser Mehrdeu242

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tigkeit der Aussage könnte der Grund dafür liegen, dass Paulus sich nach tagelangem Zögern zum Austreiben des Geistes Python entschließt: Der Apostel verhindert so eine Verwechslung des Gottes, in dessen Auftrag er als Verkündiger unterwegs ist, mit anderen Göttern, die den Beinamen »Höchster« tragen, und eine eventuelle Missdeutung der Botschaft, die er verkündet (vgl. Trebilco 1989, 58-65; Klauck 1996, 81-84). Die Austreibung des Geistes durch Paulus erfolgt »im Namen Jesu Christi« (V. 18: ἐν ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστοῦ en onomati Iēsou Christou). Der Missionar steht damit in der Linie der Jünger, die von Jesus ausdrücklich damit beauftragt wurden, in seinem Namen Dämonen auszutreiben (vgl. Lk 9,1), und gehört so innerhalb der lukanischen Darstellung gemeinsam mit Philippus zu dem über die Apostel hinaus erweiterten Kreis, der diesen Auftrag auch nach Ostern weiterführt (vgl. Apg 5,16; 8,7; 16,16-18; 19,12). Die Berufung auf Jesus Christus im Ausfahrbefehl macht deutlich, dass Paulus bei diesem Exorzismus ebenso wie Petrus bei seinen Heilungen (vgl. Apg 3,6; 9,34) nicht der eigentliche Wundertäter ist, sondern eine von Jesus Christus verliehene Gabe weisungsgemäß einsetzt (zur illegitimen Verwendung dieser Formel vgl. Apg 19,13-16). In diesem Sinne bekommt die Aussage des Geistes, dass Paulus und Silas »Sklaven des höchsten Gottes« seien (V. 17), einen tieferen Sinn – wenn denn mit dem »höchsten Gott« der Gott des Alten und des Neuen Testaments gemeint ist: Die Austreibung des Dämonen ist Teil des Sklavendienstes, den die beiden Missionare für ihren Herrn erfüllen. Wenn mit dem »höchsten Gott« ein anderer als der biblische Gott gemeint ist, trägt der dezidierte Verweis auf Jesus Christus dazu bei, die bestehende Uneindeutigkeit aufzuheben und Paulus und Silas auf dem antiken Markt der religiösen Möglichkeiten klar zu positionieren.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Auf den ersten Blick bietet sich eine feministisch-sozialgeschichtliche Deutung dieser Wundererzählung an, welche das Geschlecht der Sklavin und ihren unfreien Status in den Mittelpunkt stellt: Es ist eine Frau, die vom Geist Python besessen ist und ohne eigenen Gewinnanteil für den Verdienst gleich mehrerer Herren sorgen muss. Neben Sapphira (Apg 5,8) und Lydia (Apg 16,15) gehört die Sklavin zu den wenigen sprechenden Frauen der Apostelgeschichte. Die Geistaustreibung ist das einzige als Erzählung ausgestaltete Wunder des Paulus an einer Frau (vgl. für Petrus die Auferweckung der Tabita in Apg 9,36-42). Auf den zweiten Blick wird jedoch die Schwierigkeit dieser feministisch und sozialgeschichtlich orientierten Auslegung deutlich: Es ist nicht die Frau selbst, sondern der Geist Python, der aus der Frau spricht. Die Sklavin hat Paulus nicht um diese Geistaustreibung gebeten, weder war sie durch den Geist in einer Notlage noch wurde sie von körperlichen Schmerzen geplagt. Im Gegenteil: Gerade durch ihre vom Geist vermittelte Wahrsagekunst hatte sie für ihre Herren einen besonderen Wert und erfuhr deshalb vermutlich eine bessere Behandlung als andere Sklavinnen und Sklaven. Sie wird durch die Austreibung des Geistes 243

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nicht aus der Sklaverei befreit, sondern wegen des Verlusts ihrer finanziell lukrativen Besonderheit droht ihr in der Folgezeit eine deutliche Verschlechterung innerhalb ihrer ohnehin schon unfreien Situation, indem sie etwa verkauft oder für harte körperliche Arbeit eingesetzt werden könnte. Eine tatsächliche äußere Befreiung der Sklavin könnte lediglich dann vorliegen, wenn ihr Freikauf durch die christliche Gemeinde von Philippi in Betracht gezogen wird, für die es am Text allerdings keinen Anhalt gibt (Richter Reimer 1992a, 197-201). Vor diesem Hintergrund erstaunt es auch nicht, dass die Geistaustreibung, die im Namen Jesu Christi geschieht, bei der Sklavin keinen Glauben an diesen weckt. Deshalb kann weder von einer äußeren noch von einer inneren Befreiung (so jedoch Eckey 2011, 459) gesprochen werden. Eine Deutung dieser Wundererzählung als Befreiungsgeschichte für Frauen und für Sklavinnen und Sklaven ist somit äußerst fragwürdig. Da das Augenmerk des Lukas nur bedingt auf der Person liegt, an der das Wunder geschieht, bietet sich eine theologische Deutung dieser Wundererzählung im Blick auf den Wundertäter an (Schreiber 1996, 95-99.146-158; Avemarie 2003, 570-573; Avemarie 2009, 551-556): Mit der Geistaustreibung setzt Paulus das fort, was Jesus getan hat (vgl. Lk 8,26-39; 9,37-43; 11,14f.; 13,10-17), und weiß sich dabei, wie der Ausfahrbefehl (V. 18) belegt, ganz an den gebunden, in dessen Vollmacht er handelt. Obwohl Lukas Paulus den Aposteltitel nicht zugesteht (Ausnahme: Apg 14,4.14), steht dieser durch sein Tun gleichberechtigt neben den Jüngern, die zu Lebzeiten Jesu mit diesem unterwegs waren und von ihm direkt zur Austreibung von Dämonen beauftragt worden sind (vgl. Lk 9,1). Die direkte Konfrontation der christlichen Missionare mit mantischen Praktiken und ihr letztlich vernichtendes Vorgehen gegen diese legen zusätzlich eine missionstheologische Deutung der Wundererzählung nahe, die einen sozialethischen Impetus aufweist: Nach dem Bericht des Lukas in der Apostelgeschichte stellt sich Paulus im Rahmen seines missionarischen Wirkens der Auseinandersetzung mit vielfältigen Formen heidnischer Religion – und zwar besonders dann, wenn dabei geschäftliche Interessen im Spiel sind: In Ephesus gerät er in Konflikt mit dem dort alteingesessenen und von einer ganzen Stadt gestützten Artemis-Kult, weil die Devotionalienhändler durch die christliche Verkündigung ihren Absatz gefährdet sehen (Apg 19,23-40), in Philippi treibt er einer Wahrsagerin am Wegesrand den Geist Python aus und nimmt so den gemeinsamen Herren einer einzelnen Sklavin ihre Finanzquelle. Sein langes Zögern vor dieser Austreibung (V. 18) verrät, dass es nicht das ureigenste Anliegen des Paulus ist, gegen andere Religionen und gegen die Verquickung von Religion und ökonomischen Interessen vorzugehen, aber hier wie dort schreitet er letztlich gegen »eine durch die öffentliche Ordnung geschützte Allianz von paganer Religiosität und Geschäftstüchtigkeit« (Avemarie 2003, 567) ein. Sowohl die etablierte als auch die marginalisierte Form der heidnischen Religion muss die Überlegenheit der neuen christlichen Botschaft und ihrer Vertreter anerkennen und der Vermarktung von Religion, die keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der einzelnen Menschen nimmt, wird durch das Wunderwirken des Paulus entschlossen ein Ende gesetzt: »Wo das Religiöse in zynischer Weise vermarktet wird, da gilt auch 244

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Geschäftsschädigende Intervention Apg 16,16-22

der einzelne Mensch nur als Objekt zur Befriedigung des Gewinnstrebens. Die hier dargestellte Mentalität soll im Sinne des Erzählers als repräsentativ für die religiöse Situation der heidnischen Gesellschaft gelten« (Roloff 2010, 246).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Bei den Kirchenvätern hat Apg 16,16-22 vereinzelt Nachhall gefunden. Johannes Chrysostomus richtet den Fokus auf den Sachverhalt, dass Paulus den Dämon austreibt, obwohl dieser in den Missionaren Diener des höchsten Gottes erkennt, die Rettung verkünden. Er sieht darin einen Beleg dafür, dass Paulus sich vom Teufel nicht durch Schmeicheleien betören lässt (hom. in Ephes. 10). Bei dem Dämon habe es sich um einen Heuchler gehandelt, der vom Exorzismus verschont zu werden glaubte, wenn er dasselbe wie Paulus predigte (hom. in Ac. 35). Theodoret berichtet in seiner Kirchengeschichte, wie der Arianer Lucius die Aszeten aus der ägyptischen Wüste auf eine gottlose Insel vertreibt. Dort werden sie bei ihrer Ankunft ähnlich wie die Missionare in Philippi von einem Dämon, der nach Vorbild des pythonischen Geistes in eine Priestertochter eingefahren ist, als Diener Christi begrüßt (Thdt. h.e. 4,21). Besucht man heute die Überreste des antiken Philippi, fällt auf, dass dort gerade keine Erinnerung an die Austreibung des Geistes Python gepflegt wird. Unübersehbar ist der Kontrast zu den Nachwirkungen des vorangehenden und nachfolgenden Abschnittes des lukanischen Berichts über Philippi, in denen die Begegnung von Paulus und Silas mit Lydia (Apg 16,13-15.40) und der kurze Gefängnisaufenthalt der Missionare (Apg 16,23-39) geschildert werden: Die vermeintliche Taufstelle Lydias erfreut sich bis heute großer Beliebtheit: Für zahlreiche Taufen wurden dort eigens ein kreuzförmiger Zugang zum Wasser und aufsteigende Sitzbänke sowie in unmittelbarer Nähe eine Taufkapelle errichtet; die moderne Nachfolgesiedlung trägt sogar den Namen der ersten Christin der Stadt. Auch das angebliche Gefängnis des Paulus kann in den Ausgrabungen besichtigt werden. Nichts aber gibt es, was vor Ort auf die geistbesessene Sklavin und das Einschreiten des Paulus hinweist. Eine Erklärung für die nicht vorhandene lokale Wirkungsgeschichte der Geistaustreibung liegt sicherlich darin, dass durch diese Wundertat des Paulus niemand zum Glauben kam und mit diesen Ereignissen – im Gegensatz zur Taufe der Lydia, dem Befreiungswunder und der folgenden Taufe des Gefängniswärters – kein weiterer Grundstein für die Gemeinde der Christinnen und Christen in Philippi gelegt wurde. Eva Ebel

Literatur zum Weiterlesen F. Avemarie, Warum treibt Paulus einen Dämon aus, der die Wahrheit sagt? Geschichte und Bedeutung des Exorzismus zu Philippi (Act 16,16-18), in: A. Lange/H. Lichtenberger/K. F. Römheld (Hg.), Die Dämonen. Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen und

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frühchristlichen Literatur im Kontext ihrer Umwelt/Demons. The Demonology of Israelite-Jewish and Early Christian Literature in Context of their Environment, Tübingen 2003, 550-576. M. Frenschkowski, Religion auf dem Markt. Schlangenbeschwörer, Traumdeuter, inspirierte Bauchredner als Träger ›abgesunkener‹ Religion in paganer und christlicher Antike. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte religiöser Berufe, in: M. Hutter/W. Klein/U. Vollmer (Hg.), Hairesis, FS K. Hoheisel, JAC.E 34, Münster 2002, 140-158. M. Giebel, Das Orakel von Delphi. Geschichte und Texte. Griechisch/Deutsch, Reclam UB 18122, Stuttgart 2001. B. Heininger, Im Dunstkreis der Magie. Paulus als Wundertäter nach der Apostelgeschichte, in: E.-M. Becker/P. Pilhofer (Hg.), Biographie und Persönlichkeit des Paulus, WUNT 187, Tübingen 2005, 271-291. I. Richter Reimer, Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas. Eine feministisch-theologische Exegese, Gütersloh 1992a. V. Rosenberger, Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte, Darmstadt 2011. C. Schnurr-Redford, Weissagung und Macht. Die Pythia, in: T. Späth/B. Wagner-Hasel (Hg.), Frauenwelten in der Antike. Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis, Darmstadt 2000, 132-146. S. A. Strube, Eine Frau als Wirtschaftsfaktor – die wahrsagende Sklavin in Philippi. Bibelarbeit zu Apg 16,16-18, in: S. Bieberstein (Hg.), Frauen und Geld, Stuttgart 2008, 60-67.

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Die Tür zur Rettung steht offen (Paulus und Silas im Gefängnis) Apg 16,19-40 (16,19) Als nun ihre Herren sahen, dass (auch) ihre Hoffnung auf Verdienst ausgefahren war, ergriffen sie Paulus und Silas und schleppten sie auf den Marktplatz vor die Behörden (20) und führten sie den obersten Beamten vor und sagten: »Diese Menschen wiegeln unsere Stadt auf. Sie sind Juden (21) und verkünden Sitten, die wir als Römer weder gutheißen noch ausüben dürfen.« (22) Da erhob sich die Volksmenge ebenfalls gegen sie und die obersten Beamten ließen ihnen die Kleider herunterreißen und befahlen, sie auszupeitschen. (23) Nachdem sie ihnen viele Schläge hatten versetzen lassen, warfen sie sie ins Gefängnis und wiesen den Gefängnisaufseher an, sie sicher zu verwahren. (24) Dieser warf sie auf diese Anordnung hin in das innere Gefängnis und schloss ihre Füße in den Holzblock. (25) Gegen Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und priesen Gott in Lobliedern, während die anderen Gefangenen ihnen zuhörten. (26) Plötzlich aber ereignete sich ein starkes Erdbeben, so dass die Grundmauern des Gefängnisses erschüttert wurden. Und sogleich öffneten sich alle Türen und die Fesseln aller lösten sich. (27) Als aber der Gefängnisaufseher aus dem Schlaf aufwachte und die Gefängnistüren offen stehen sah, zog er sein Schwert und wollte sich töten, weil er annahm, die Gefangenen seien entflohen. (28) Paulus aber rief mit lauter Stimme und sprach: »Tu dir nichts an, denn wir sind ja alle noch hier!« (29) Da forderte er Fackeln, stürzte hinein und fiel zitternd vor Paulus und Silas nieder. (30) Dann führte er sie hinaus und sprach: »Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?« (31) Sie aber sprachen: »Glaube an den Herrn Jesus, dann wirst du gerettet werden, du und dein Haus!« (32) Und sie sagten ihm das Wort des Herrn samt allen in seinem Haus. (33) Und er nahm sie noch in jener Nachtstunde zu sich, wusch ihre Wunden und ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen. (34) Dann führte er sie hinauf in das Haus, setzte ihnen ein Mahl vor und jubelte mit seinem ganzen Haus darüber, dass er zum Glauben an Gott gekommen war. (35) Nach Tagesanbruch aber sandten die obersten Beamten die Amtsdiener und ließen sagen: »Lass jene Leute frei!« (36) Der Gefängnisaufseher aber überbrachte Paulus diese Worte: »Die obersten Beamten haben gesandt, dass ihr freigelassen werden sollt. So geht nun hinaus und zieht in Frieden!« (37) Paulus aber sprach zu ihnen: »Sie haben uns ohne Urteilsspruch öffentlich schlagen lassen, obwohl wir römische Bürger sind, und ins Gefängnis geworfen, und jetzt wollen sie uns heimlich 247

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abschieben? So nicht, vielmehr sollen sie selbst kommen und uns hinausführen!« (38) Die Amtsdiener meldeten diese Worte den obersten Beamten. Sie erschraken aber, als sie hörten, dass sie Römer seien, (39) und sie kamen und redeten ihnen zu, führten sie hinaus und baten sie, aus der Stadt fortzugehen. (40) Als sie aber das Gefängnis verlassen hatten, gingen sie zu Lydia hinein; und als sie die Brüder gesehen und sie ermutigt hatten, gingen sie weg.

Sprachlich-narratologische Analyse Die in 16,19-40 berichteten Geschehnisse ereignen sich im Erzählverlauf der Apostelgeschichte während des Gründungsaufenthalts des Paulus in Philippi (16,11-40). Die Erstmission in Europa wird sehr breit und als erzählerische Einheit geschildert, insofern die Einzelszenen miteinander verklammert sind. So wird beispielsweise die Erstbekehrte Lydia (vgl. V. 13-15) abschließend nochmals in V. 40 erwähnt, und die Anklage und Gefangennahme der Missionare in V. 19-22 werden als Folge des Exorzismus in V. 16-18 dargestellt. Erst in 17,1 beginnt mit der Reise nach Thessaloniki ein neuer Erzählstrang. Die gleitende Kompositionstechnik erschwert eine eindeutige Abgrenzung und Gliederung der Befreiungswundererzählung. Die V. 19-24 können jedoch als deren Einleitung bzw. situative Einbettung angesehen werden, wobei zunächst in V. 19-21 der Anlass der Ergreifung der Missionare geschildert wird, nämlich deren Anklage vor den römischen Behörden durch die Halter (κύριοι kyrioi – Herren) der Sklavin. Diese Szene ereignet sich in der Öffentlichkeit, da Paulus und Silas auf den Marktplatz (V. 19: εἰς τὴν ἀγοράν eis tēn agoran) geschleppt werden. Die Beamten werden – stets im Plural – in V. 19 als ἄρχοντες (archontes – Behörde), im Folgenden (V. 20.22.35f.38) dann durchweg als στρατηγοί (stratēgoi – oberste Beamte) bezeichnet. Damit sind nicht verschiedene Personengruppen gemeint, sondern vielmehr im Ausdruck variiert, wobei der zweite Titel spezifischer ist als der erste. Die Anklage in V. 20b-21 steht in wörtlicher Rede. In ihr werden die Missionare der Unruhestiftung als Juden sowie der Verbreitung von Sitten beschuldigt, die für Römer unzulässig sind. Hier schwingen sowohl ein antikes antijudaistisches Stereotyp als auch Ironie mit, insofern Paulus sich später in der Erzählung sogar auf sein Recht als römischer Bürger beruft (V. 37). An dieser Stelle wird er jedoch völlig passiv dargestellt und unternimmt keine Anstalten, sich zu verteidigen. Anstelle der zu erwartenden näheren Untersuchung durch die Behörden schildern die anschließenden V. 22-24 den Unmut der Volksmenge (V. 22a) sowie die Anordnung der Auspeitschung (V. 22b-23a) und Inhaftierung (V. 23b-24) der Angeklagten. Die obersten Beamten werden hier als Befehlshaber charakterisiert, wodurch u.a. das Befreiungswunder vorbereitet wird, insofern dem Gefängnisaufseher in V. 23 ausdrücklich die sichere Verwahrung der Gefangenen aufgetragen und die Ausführung dieses Befehls in V. 24 geschildert wird: Er sperrt Paulus und Silas in den inneren Bereich des Gefängnisses und fixiert 248

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zusätzlich ihre Füße, um jede Möglichkeit einer Flucht auszuschließen. Dies steigert nicht nur die Dramatik der folgenden Ereignisse, sondern lenkt auch den Fokus auf den Gefängniswärter, der in der Wundererzählung im engeren Sinne (V. 25-34) zusammen mit Paulus und Silas zu den Hauptfiguren gehört, wohingegen die obersten Beamten erst wieder in V. 35 in Erscheinung treten. Handlungsort ist das Gefängnis bzw. das Haus des Aufsehers, was einen Kontrast zur Öffentlichkeit der vorangehenden Szene markiert. Der neue Abschnitt wird durch die Zeitangabe »gegen Mitternacht« (V. 25) eingeleitet und knüpft damit unmittelbar an die in V. 24 beschriebene Situation an. Diese wird zusätzlich dadurch charakterisiert, dass die Missionare zu Gott beten, während die Mitgefangenen ihnen dabei zuhören. Diese Szene erfüllt unterschiedliche Funktionen: Erstens wird durch das Gotteslob indirekt die Anklage aus V. 20f. widerlegt, die Missionare seien Unruhestifter. Zweitens bereitet die Ausweitung des Personeninventars die Sorge des Aufsehers vor, alle Inhaftierten seien entflohen (vgl. V. 27). Schließlich stellt das Wachsein der Gefangenen einen Gegensatz zum Schlaf des Gefängnisaufsehers dar. V. 26 enthält in knapper und stereotyper Form das eigentliche Türöffnungswunder: Durch ein plötzliches Erdbeben werden die Gefängnismauern erschüttert, die Türen springen auf, und die Fesseln aller lösen sich. Die wundersamen Ereignisse münden jedoch nicht – wie zu erwarten wäre – in die Befreiung der Gefangenen, sondern dienen ausschließlich als Anlass für die in V. 27-34 ausführlich und aus dessen Perspektive dargestellte Bekehrung des Gefängnisaufsehers, auf der deshalb das Hauptgewicht der ›Wunder‹-Erzählung liegt. »Ziel des Rettungswunders ist nicht die Rettung (= Befreiung) der Apostel, sondern die Rettung (= Bekehrung) des Kerkermeisters« (Kratz 1979, 486). Dementsprechend weisen V. 25-34 auch etliche Parallelen zur Bekehrung der Lydia in V. 12-15 auf (vgl. Hintermaier 2003, 257-261). Aufgrund der fälschlichen Annahme, die Gefangenen seien geflohen, will der Gefängnisaufseher sich selbst töten (V. 27), was Paulus durch sein entschlossenes Eingreifen (V. 28a) verhindern kann. So »wird der eben ›gerettete‹ Paulus seinerseits zum ›Retter‹« (Kratz 1979, 485). Die Vergewisserung, alle seien noch da (V. 28b), ist zugleich die erste wörtliche Rede des Apostels in diesem Erzählstrang (zuletzt V. 18). Der Gefängnisaufseher eilt daraufhin zu Paulus und Silas in die Zelle und wirft sich ihnen ehrfürchtig zu Füßen (V. 29). Die Erzählung ist nicht am Schicksal der anderen Gefangenen interessiert, da deren Funktion die Steigerung des Wunders war. Die Anrede als »Herren« (V. 30: κύριοι kyrioi; vgl. V. 19) und die vermeintlich unvermittelte Frage des Gefängnisaufsehers, wie er gerettet werden könne (V. 30: τί με δεῖ ποιεῖν ἵνα σωθῶ ti me dei poiein hina sōthō; vgl. δεῖ ποιεῖν dei poiein in 9,6 im Kontext der Bekehrung des Paulus), dient den Missionaren als Anlass zur Verkündigung. Diese wird zunächst in direkter Rede mit der imperativischen Aufforderung, an den »Herrn Jesus« zu glauben (V. 31: πίστευσον ἐπὶ τὸν κύριον Ἰησοῦν pisteuson epi ton kyrion Iēsoun), dann summarisch als »Wort des Herrn« (V. 32: ἐλάλησαν αὐτῷ τὸν λόγον τοῦ κυρίου elalēsan autō ton logon tou kyriou) dargestellt und bezieht jeweils den gesamten Hausstand des Gefängnisaufsehers mit ein. Die zwei249

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malige Verwendung des Kyriosbegriffs im Zentrum der Erzählung stellt klar, dass Christus der eigentliche Herr ist, nicht die Sklavenhalter (V. 19) oder Missionare (V. 30). Nach der Reinigung der Wunden der Gefangenen empfangen der Aufseher und seine Angehörigen die Taufe (V. 33). Obwohl bereits die vorangegangenen Verse die Anwesenheit des Hausstandes des Gefängnisaufsehers vorausgesetzt haben, wird erst in V. 34 explizit von einem Ortswechsel in dessen Privathaus berichtet, wo die Missionare bewirtet werden und die Bekehrung gefeiert wird. Die V. 35-40 berichten von der Freilassung und Ausweisung der Missionare. Sie sind zwar durch die Zeitangabe »nach Tagesanbruch« (V. 35) lose mit den nächtlichen Geschehnissen verbunden, setzen diese jedoch inhaltlich nicht voraus, sondern nehmen den in V. 25 verlassenen Handlungsstrang wieder auf. Ohne nähere Begründung befehlen (ἀπόλυσον apolyson) nämlich die obersten Beamten den Gerichtsdienern die Freilassung der Gefangenen (V. 35), was wiederum der Gefängnisaufseher zusammen mit der Weisung abzureisen ausführt (V. 36). Anders als bei seiner Anklage und Verhaftung verhält sich Paulus nun aktiv und beschuldigt die Behörden in einer langen direkten Rede der unzulässigen Behandlung der Missionare, da diese Römer seien. Er fordert statt der heimlichen Ausweisung ein offizielles Geleit durch die obersten Beamten (V. 37). Der Gefängnisaufseher übermittelt dies den Behörden, die erschrecken, als sie erfahren, dass die Missionare römische Bürger sind (V. 38), und umgehend der Bitte des Paulus nachkommen (V. 39). V. 40 knüpft mit der Erwähnung der Lydia wieder an die Rahmenhandlung an (vgl. V. 14f.) und beschließt die Philippierzählung. Die Adressaten und Adressatinnen der Apostelgeschichte haben im Verlauf der bisherigen Erzählung schon zweimal von einer wundersamen Befreiung von Aposteln aus dem Gefängnis gehört. Dementsprechend dürften sie in dieser Szene erhoffen, dass Paulus und Silas ebenso wie zuvor die Apostelgruppe in Apg 5,1726 und Petrus in Apg 12,1-11 durch das rettende Eingreifen eines Engels aus ihrer zu Unrecht erlittenen Haft befreit werden. Diese Erwartung wird in doppelter Weise durchbrochen, denn Gott greift nicht in Gestalt eines Engels, sondern in Form eines Erdbebens ein. Es handelt sich dabei nicht um eine Gebetserhörung, da die Gefangenen nicht um ihre Rettung gebetet haben (vgl. Eckey 2011, 468). Weitaus überraschender dürfte für die Adressaten und Adressatinnen allerdings sein, dass die Gefangenen die offenen Türen nicht zur rettenden Flucht nutzen, sondern im Gefängnis verharren. Dadurch wird die Aufmerksamkeit auf den Gefängnisaufseher gelenkt: Das eigentliche (Türöffnungs-)Wunder tritt in den Hintergrund, und die Möglichkeit der Rettung wird als Zum-Glauben-Kommen des Gefängniswärters aktualisiert. Entgegen dem schlechten Ruf seines Berufsstandes (s.u.) wird die anonyme männliche Gestalt somit für die Adressaten und Adressatinnen zu einer positiven Identifikationsfigur und bietet zusammen mit der gottesfürchtigen Lydia zu Beginn der Philippierzählung (vgl. 16,13-15.40) ein (geschlechter-)komplementäres Beispiel der Bekehrung eines ganzen Haushalts zum Christusglauben (vgl. Pervo 2009, 401). Die durch die Bekehrungsszene zurückgestellte Frage nach dem Schicksal der Apostel wird am Ende der Erzählung nochmals aufgegriffen, wenn die obersten Be250

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amten unvermittelt deren Freilassung anordnen. Die mangelnde Begründung für diesen Schritt mag für die Adressaten und Adressatinnen unbefriedigend sein, entspricht aber vermutlich ihren persönlichen Erfahrungen mit der Willkür staatlicher und lokaler Behörden. Zugleich wird durch die Szene eine wichtige Voraussetzung für den späteren Prozess des Paulus geschaffen, in dem das römische Bürgerrecht eine zentrale Bedeutung spielt (vgl. 22,25-29; 23,27; 25,10-12; dazu Omerzu 2002).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Erzählung spiegelt das Lokalkolorit der römischen Kolonie Philippi wider, in der römische Beamte für Recht und Ordnung verantwortlich waren (vgl. zum Folgenden Omerzu 2002, 122f.). Die Bezeichnung der Behörden als ἄρχοντες (archontes) in V. 19 ist unspezifisch, und der Ausdruck begegnet in den Quellen für Ämter aller Art. Der Terminus στρατηγοί (stratēgoi) (V. 20.22.35f.38) ist sowohl für zivile als auch militärische Befehlshaber bezeugt, dürfte in der Philippierzählung jedoch nicht – wie häufig in Kommentaren zu lesen – für lateinisch praetor stehen, da dieses Amt für Philippi nicht belegt ist, während auf etlichen Inschriften der Titel duumviri iure dicundo begegnet. »Dieses Zweimännerkollegium stand seit der späten Republik an der Spitze von Kolonien und Munizipien« (Omerzu 2002, 143). Zu seinen Aufgaben gehörten neben der städtischen Verwaltung u.a. auch die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit. Es ist daher anzunehmen, dass Apg 16 mit στρατηγοί (strategoi) diese obersten städtischen Beamten bezeichnet, was zumindest für Korinth epigraphisch und literarisch nachgewiesen ist (vgl. Pilhofer 1995, 196f.). Sowohl der in V. 23 eingeführte Gefängnisaufseher (δεσμοφύλαξ desmophylax; lat. carcerarius; vgl. auch V. 27.29.36) als auch die in V. 35 erwähnten Gerichtsdiener (ῥαβδοῦχοι rhabdouchoi; lat. lictores; wörtlich: »Rutenträger«) werden mit den üblichen griechischen Entsprechungen der lateinischen Amtsbezeichnungen benannt, so dass ein anschauliches Bild römischer Hierarchie von den leitenden Behörden bis hin zu deren Vollzugsorganen entsteht (vgl. Pilhofer 1995, 195). Die antiken Quellen stellen Gefängniswärtern ein äußerst negatives Zeugnis aus; sie galten als brutal und korrupt und die Gefangenen waren ihrer Willkür ausgeliefert. Nach Johannes Chrysostomos könne es nichts »Schlechteres und Grausameres als einen Gefängniswächter geben« (hom. in Ac. 36,2 [PG 60,259]; zit. nach Krause 1996, 306). Im Falle der Flucht von Gefangenen wurde oft der Verdacht der Begünstigung gegen die Wächter gehegt. Wurden sie der Beihilfe zur Flucht überführt, konnten sie im schlimmsten Fall zum Tod verurteilt, zumindest aber degradiert werden (vgl. Krause 1996, 313-315). Dies erklärt den Wunsch des philippischen Gefängnisaufsehers, sich selbst zu töten. Der Schauplatz der Verhaftung ist die Agora, womit im Falle der römischen Kolonie Philippi das Forum gemeint sein wird, das u.a. als Gerichtsstätte diente. Die Anklage der Apostel in V. 20f. zielt wohl auf das Delikt der Unruhestiftung (tumultus oder turba; dazu Omerzu 2002, 125f.) ab, wofür auf der Erzählebene auch die Polizeimaßnahmen (coercitio) der Geißelung und kurzfristigen Inhaftierung sprechen (a.a.O., 145-152). 251

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Das römische Recht kannte nämlich de jure keine dauerhafte Gefängnisstrafe, sondern lediglich eine vorübergehende Untersuchungs-, Exekutions oder Koerzitionshaft. Die uns zur Verfügung stehenden literarischen Zeugnisse über römische Gefängnisse lassen den lukanischen Bericht als plausibel erscheinen (vgl. zum Folgenden Krause 1996, 271-304; Wansink 1996, 27-95). So werden u.a. die Dunkelheit, Enge und Überfüllung der Kerker sowie deren Aufteilung in innere und äußere Bereiche angesprochen. Ketten und Fesseln waren nicht zwingend, aber sehr gebräuchlich, und sie »trugen in besonderem Maße zur Verschlechterung der Lage der Gefangenen bei« (Krause 1996, 286). Die Historizität des paulinischen Gefängnisaufenthalts in Philippi ist umstritten. Paulus selbst bezeugt, dass er mehrfach inhaftiert (vgl. 2  Kor 6,5; 11,23) und ausgepeitscht wurde (2 Kor 11,25: ῥαβδίζω rhabdizō; vgl. Apg 16,35: ῥαβδοῦχοι rhabdouchoi als Bezeichnung der Gerichtsdiener), macht aber keine Angaben über den Ort dieser Geschehnisse. 1  Thess 2,2 erwähnt er, dass ›sie‹ in Philippi gelitten hatten und misshandelt wurden. Der Plural dürfte Silvanus einschließen, der in 1 Thess 1,1 u.a. als Mitabsender erwähnt wird und der dann in der Apostelgeschichte unter dem Kurznamen Silas auftritt. Das Befreiungswunder und die Bekehrung des Gefängniswärters werden ausschließlich von Lukas überliefert, der wohl zumindest für Letzteres ein Traditionsstück verwendet haben wird.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Gefängnisbefreiung in Philippi ist das dritte Befreiungs- bzw. Türöffnungswunder innerhalb der Apostelgeschichte (vgl. 5,17-26; 12,1-11). Zwar sind die absolut notwendigen gattungstypischen Züge (vgl. zum Motivrepertoire Kratz 1979, 440445) vorhanden, doch »eigenartig sterotyp (sic!) und schablonenhaft, geradezu katalogartig aneinandergereiht« (a.a.O., 483) und auf wenige Verse konzentriert. Im Einzelnen handelt es sich dabei um (vgl. a.a.O., 444f. und 483): − − − − − − −

Gefangennahme und sichere Verwahrung der Apostel (V. 23f.) Angabe der Nachtzeit (V. 25) Gebete und Hymnen der Hilfsbedürftigen (V. 25) Erdbeben, das die Gefängnismauern erschüttert (V. 26a) wunderbare Türöffnung und Fessellösung (V. 26b) Furchtreaktion und Tötungsabsicht des Gefängnisaufsehers (V. 27) Bekehrung (V. 28-34)

Dass die Gefangenen nicht die Flucht ergreifen, sondern vielmehr das formgeschichtlich untergeordnete Bekehrungsmotiv unverhältnismäßig breit ausgestaltet ist, zeigt, dass auf der Bekehrung und nicht auf der Befreiung der Gefangenen das Hauptgewicht der ›Wunder‹-Erzählung liegt. Diese kann daher auch als »Exposition der Bekehrungsgeschichte« (a.a.O., 483f.) charakterisiert werden. 252

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Trotz der Konzentration der Befreiungswundermotive auf nur wenige Verse finden sich sowohl in griechisch-hellenistischer als auch in alttestamentlich-jüdischer Literatur etliche Analogien zur lukanischen Türöffnungserzählung. Bereits Origenes (Cels. 2,34) erwähnte die Ähnlichkeit zwischen den Bakchen des Euripides und Apg 12 und 16, doch insbesondere seit der umfassenden religionsgeschichtlichen Studie Otto Weinreichs ist sogar wiederholt eine literarische Abhängigkeit des Lukas vom euripideischen Dionysosmythos angenommen worden (vgl. Weinreich 1929, 326-341; zustimmend Seaford 1997 und Becker 2006, 185-190; unentschieden Pervo 2009, 410). Dabei wird besonders auf die wundersame Befreiung der Bakchen aus dem Gefängnis (Eurip. Ba. [443-]447f.: »automatische« Lösung der Fesseln und Öffnung der Türriegel »ohne Menschenhand«) sowie die Selbstbefreiung des Dionysos aus dem Kerker des Pentheus verwiesen (Eurip. Ba. 576-619: z.B. Dunkelheit, Gesang der Bakchen, Erdbeben; vgl. Seaford 1997, 141f.). Motivische Parallelen finden sich aber u.a. auch in Lukians Toxaris (27-34, bes. 32f.; vgl. Weinreich 1929, 324f.; Pervo 1987, 23f.; ders. 2009, 411 Anm. 94; Weaver 2004, 223f.) und Philostrats Vita Apollonii (7,34-38; vgl. für diese und weitere Parallelen bes. Kratz 1979, 351439), wo die Gefangenen ebenfalls nicht die ihnen grundsätzlich mögliche Flucht aus dem Kerker ergreifen (vgl. aber vit. Ap. 8,30 die Selbstbefreiung des Apollonius vor seiner Entrückung), sondern statt dessen auf ihrer offiziellen Rehabilitierung durch die römischen Behörden insistieren. Unter den jüdischen Schriften enthalten u.a. der Mose-Roman des Artapanos (vgl. Frgm. 3,23f. = Eus. praep. 9,27,23f. Übers. Walter 1976, 133f.), das 3. Makkabäerbuch (dazu Weaver 2004, 78-91) und die Abraham-Legende des Pseudo-Philo (vgl. Lib. Ant. 6; dazu Kratz 1979, 430-433; Übers. Dietzfelbinger 1979, 114-117) gattungstypische Züge, wobei die Stellen teilweise, aber nicht durchgehend von Euripides abhängig sein dürften. Darüber hinaus weisen auch Einzelmotive des lukanischen Berichts reiche Parallelen auf (vgl. zum Folgenden Conzelmann 1972, 44.78.101; Weiser 1985, 437; Pervo 2009, 408-412), so z.B. die sichere Verwahrung (vgl. Apg 12,6), Rettung in der Nacht (vgl. Philostr. vit. Ap. 8,30; Flav. Jos. Bell. 6,293; Apg 5,19; 9,25; 12,6f.), Lobgesang statt Klage (vgl. Dan 3,24LXX; TestJos 8,5; Plato Phaid. 60d; Epict. diss. 2,6,26; D.L. 2,42; Philostr. vit. Ap. 4,36), Erdbeben/Erschütterung als epiphaniales Begleitmotiv (vgl. Ex 19,18; Ov. met. 9,782-784; 15,671f.; Verg. Aen. 3,89f.; Stat. Theb. 7,65; Luc. philops. 22), Verbindung von Türöffnung und Fessellösung (Eurip. Ba. 447f.; Ov. met. 3,699f.), Bekehrung als Ausdruck der Admiration (Jona 1,16).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die drei Studien von Weinreich (1929), Kratz (1979) und Pervo (1987), die sich im vergangenen Jahrhundert eingehend den Befreiungswundern in der Apostelgeschichte gewidmet haben, sind im Wesentlichen komparativ ausgerichtet und mehr an literarischen und formgeschichtlichen Analogien zu Apg 16,19-40 interessiert als an der eigentlichen Interpretation der Wundererzählung (vgl. den forschungsge253

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schichtlichen Überblick bei Weaver 2004, 11-22). Alle drei lassen sich jedoch dem am weitesten verbreiteten, missionstheologischen Deutungsmuster der Türöffnungserzählung in Apg 16 zuordnen (vgl. u.a. Kratz 1979, 499; Pervo 2009, 410f.). Der lukanische Bericht zeugt demnach davon, dass »Gott die Mission der Kirche lenkt und sie sich deshalb allen Widerständen zum Trotz durchsetzt« (Zmijewski 1994, 615). »Die drei Befreiungswunder der Apostelgeschichte sind missionstheologisch ausgerichtete Legenden, Meilensteine auf dem Weg zum ἀκωλύτως [akōlytōs; ungehindert; H.O.] am Ende des Buches« (Kratz 1979, 499). Ihr Sitz im Leben ist die Missionspropaganda, insofern sie dazu auffordern, »in die Akklamation für die mächtige Gottheit, die ihre Anhänger nicht in der Verfolgung und Kerkerhaft lässt, sondern ihnen Rettung, Befreiung schenkt, mit einzustimmen« (a.a.O., 494). Dass der Wunsch nach Befreiung bzw. Rettung nahezu eine religionsgeschichtliche Universalie ist, erklärt laut Pervo, »why it was a constituent element in the Dionysiac myth and why other ›missionary‹ religions (and/or ›religions of salvations‹) embraced it« (Pervo 2009, 410). Der Gattung Befreiungswunder eigne u.a. eine apologetische Stoßrichtung, die sich auch in Apg 16 widerspiegele: »Following a venerable pattern about the introduction of a new cult, the author shows the defeat of one ancient God (Apollo), evokes equality with another (Dionysus), and refutes charges against the Jesus movement, whose proponents, it transpires, are no less than true Romans« (a.a.O., 415; vgl. ähnlich bereits Weinreich 1929, 202f.). Teilweise überschneidet sich dieser Interpretationsansatz mit redaktionsgeschichtlichen Deutungen, die insbesondere auf die dreimalige Erwähnung von Gefängnisbefreiungen innerhalb der Apostelgeschichte abheben. Dabei wird zum einen ein steigerndes Prinzip erkannt, insofern Apg 16 die umfangreichste und »stärkste Form des Befreiungswunders« (Weinreich 1929, 322; vgl. Weiser 1985, 428) darstellt. Zum anderen wird die Parallelisierung von Petrus und Paulus in Apg 12 und 16 hervorgehoben. Dieser Befund kann jedoch sowohl im Sinne der Gleichstellung (vgl. Kratz 1979, 497; Schmithals 1982, 152; Pesch 2003, 118) als auch der Kontrastierung der beiden Apostel gedeutet werden. Denn während Petrus durch einen Engel aus dem Gefängnis geleitet wird (vgl. 12,7), erfolgt die Rehabilitierung des Paulus durch die römischen Behörden. Dies suggeriert laut Pervo, »that more confidence may be placed in Roman justice than in the Israelite authorities« (Pervo 2009, 415). Eine andere Erklärung, warum die dritte Gefängnisbefreiung ›virtuell‹ (vgl. dazu Reimer 2003) bleibt, insofern die Inhaftierten nicht die Möglichkeit zur Flucht ergreifen, bietet Weaver. Indem das Gefängnis in Apg 16 vorübergehend zu einem Ort der Gottesverehrung und Verkündigung wird, werde die Haft des Paulus in Apg 21-28 vorbereitet, welche nicht in eine Befreiung mündet. Auf diese Weise werde die Gefangenschaft »a means – and not a hindrance – to the Gospel mission, miraculous release is no longer required« (Weaver 2004, 287). Darüber hinaus finden sich typologische und allegorische Interpretationen sowohl der gesamten Wundererzählung als auch ihrer Einzelzüge. Laut Klaus Kliesch werden in Apg 16 »Erfahrungen mit dem Gott der Befreiung verdichtet, Lebensprozesse von der Unselbständigkeit zur Selbständigkeit, von der Ausweglosigkeit zu 254

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neuer Lebensbefähigung« (Kliesch 1986, 115; zit. nach Zmijewski 1994, 615). Dass der Gefängniswärter im Schlaf von dem Wunder überrascht wird (V. 27), »erscheint wie ein Symbol für die nunmehr erfolgende Lebenswende, die ihm durch die Boten Gottes geschenkt wird« (Zmijewski 1994, 616). Dementsprechend können die Fackeln, die er verlangt, bevor er zu Paulus und Silas in die dunkle Zelle eilt (V. 29), zugleich als Ausdruck der Erkenntnis gedeutet werden: »Nach dem ›Erwachen‹ braucht er ›Licht‹, um richtig mit dem Auge und dem Herzen ›sehen‹ zu können« (Dormeyer/Galindo 2003, 255). Nach Pervo symbolisiert die buchstäbliche Bewahrung des Aufsehers vor Tod und Schande dessen spirituelle Erlösung. Die offenen Gefängnistüren verweisen auf den ungehinderten Zugang von Heiden zum Glauben (Pervo 2009, 415). Der Aufstieg des Gefängniswärters »mit den Missionaren vom Kerker […] bis hinauf in seine Wohnung (vgl. V. 34a) versinnbildet den ›Weg‹, den er bei seinem Christwerden zurücklegt: auf das glaubende Hören auf die (noch im Kerkerverlies stattfindende) Verkündigung ›des Wortes des Herrn‹ (V. 32) folgt […] die Taufe (V. 33), der sich dann […] das Freudenmahl anschließt, das Zeichen christl. Gemeinschaft (vgl. 2,46), in die er nunmehr aufgenommen ist« (Zmijewski 1994, 616).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Auf dem Ausgrabungsgelände der antiken Stadt Philippi befinden sich an der Seite der sog. Basilika A die Überreste einer römischen Zisterne, die der Legende nach als »Gefängnis des Paulus« gilt (vgl. Elliger 1990, 70f.; Koukouli-Chrysantaki 1998, 19.48). Auch wenn sich diese Identifikation nicht wissenschaftlich bestätigen lässt, bezeugt sie doch die Bedeutung, die das Befreiungswunder für das Selbstverständnis der Christen in Philippi hatte. Literarische Spuren hat die Türöffnungstradition – in spiritualisierter Form – u.a. in den apokryphen Apostelakten hinterlassen (vgl. zum Folgenden Peterson 1959c, 189-194; Pervo 2009, 408f. Anm. 79). In ActPl 9,18-21 (P.Hamb. 3,1-4,5; Übers. Schneemelcher in Schneemelcher/Kasser 1997, 229) kommen Artemilla und Eubula zu Paulus, kurz bevor er den wilden Tieren vorgeworfen werden soll, und bieten an, einen Schlosser zu rufen, damit Paulus sie als freier Mann taufen kann. Paulus lehnt dies ab, da er auf Gott vertraut, der die Welt von ihren Fesseln befreit hat. In der folgenden Nacht (auf Sonntag!) betet er zu dem als Gott bezeichneten Jesus Christus, dass die Fesseln an seiner Hand zerrissen werden. Prompt erscheint dem Paulus ein Jüngling und befreit ihn von seinen Fesseln, und er verlässt die kleine, dunkle Gefängniszelle, um Artemilla zu taufen. Paulus nutzt diese Gelegenheit aber offensichtlich nicht zur Flucht, da im Anschluss berichtet wird, wie er den Löwen vorgeführt und der Tierkampf schließlich durch einen heftigen Hagelsturm vereitelt wird. Das Befreiungswunder hat Entsprechungen in den Thomasakten, wo in 118f. und 150f. (Übers. Drijvers 1997, 349f.360f.) Anhänger des Thomas die Gefängniswärter bestechen, um zum Apostel zu gelangen, und dieser auf wundersame 255

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Weise den Kerker verlässt, um sie zu taufen. In ActThom 106f. wird Thomas ins Gefängnis geworfen. Als die Mitgefangenen ihn beten sehen, bitten sie ihn, für sie zu beten. Daraufhin trägt Thomas das sog. Perlenlied vor, das von einer spiritualisierten Form von Rettung handelt (108-113; Übers. Drijvers 1997, 343). Origenes (Cels. 2,34; s.o.) geht im Zusammenhang mit Jesu Passion kurz auf Apg 16,24f. ein und sieht in den Befreiungswundern der Apostelgeschichte den Beweis dafür, dass Jesus sich vor der Kreuzigung hätte retten können, wenn dies sein Wille gewesen wäre. Johannes Chrysostomos widmet der Gefängnisbefreiung in Philippi eine ganze Homilie (hom. in Ac. 36 zu Apg 16,25f.). Darin kommt er allerdings kaum auf das Türöffnungswunder zu sprechen, sondern interpretiert die Rettung und Bekehrung des Gefängniswärters als das eigentliche Wunder. Heike Omerzu

Literatur zum Weiterlesen D. Dormeyer/F. Galindo, Die Apostelgeschichte. Ein Kommentar für die Praxis, Stuttgart 2003. J. Hintermaier, Die Befreiungswunder in der Apostelgeschichte. Motiv- und formkritische Aspekte sowie literarische Funktion der wunderbaren Befreiungen in Apg 5,17-42; 12,1-23; 16,11-40, BBB 143, Berlin et al. 2003. R. Kratz, Rettungswunder. Motiv-, traditions- und formkritische Aufarbeitung einer biblischen Gattung, EHS.T 123, Frankfurt a.M. et al. 1979. R. I. Pervo, Acts. A Commentary, Hermeneia, Minneapolis 2009. J. B. Weaver, Plots of Epiphany. Prison-Escape in Acts of the Apostles, BZNW 131, Berlin/ New York 2004.

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Die unbeholfenen Zauberlehrlinge in Ephesus (Die Söhne des Skevas) Apg 19,11-17 (19,11) Durch die Hände des Paulus tat Gott auch nicht alltägliche Wunder, (12) so dass man sogar die Schweißtücher und Gürtel, die seinen Körper berührt hatten, den Kranken auflegte, und die Krankheiten wichen von ihnen und die bösen Geister fuhren aus. (13) In der Gegend wirkten jüdische Exorzisten, von denen einige versuchten den Namen Jesu anzurufen, um Besessene zu heilen: »Ich beschwöre euch bei Jesus, den Paulus verkündet.« (14) Es waren die sieben Söhne eines gewissen Skevas, eines jüdischen Oberpriesters, die es taten. (15) Der böse Geist aber antwortete ihnen: »Ich kenne Jesus und weiß von Paulus, wer seid aber ihr?« (16) Dann fiel der Mann, in dem der böse Geist war, sie an und überwältigte sie alle. Er verprügelte sie so sehr, dass sie nackt und verwundet aus dem Haus flohen. (17) Dies wurde allen in Ephesus wohnenden Juden und Griechen bekannt. Furcht fiel auf sie alle und sie lobten den Namen des Herrn Jesus.

Sprachlich-narratologische Analyse Wunder und Magie stehen im Mittelpunkt dieses Kapitels der Apostelgeschichte, das über den zweijährigen Aufenthalt des Paulus in Ephesus berichtet. Unmittelbar nach seiner Ankunft tauft Paulus zwölf Jünger des Johannes (des Täufers). Wenn er ihnen die Hände auflegt, kommt der Heilige Geist auf sie (V. 6). In der Synagoge predigt Paulus drei Monate lang; nachdem er aber dort auf starken Widerstand stößt, zieht er in die Schule des Tyrannus um, wo er das Wort des Herrn »allen Bewohnern« der römischen Provinz Asien lehrt (V. 7-10). In den restlichen dreißig Versen des Kapitels berichtet der Autor von den außerordentlichen Wundern, die Gott durch die Hände des Paulus bewirkt, und über die Reaktionen, die diese Wundertaten auslösen. Zunächst lesen wir darüber, wie die Bevölkerung die Schweißtücher und Gürtel des Paulus zu den Kranken trägt (V. 12). Danach berichtet Lukas von den Auswirkungen der Wundertaten des Paulus auf die religiöse Landschaft der Stadt. Eine der betroffenen Gruppen ist eine Gruppe jüdischer Exorzisten, welche die Dämonenaustreibungen des Paulus nachzuahmen suchen (V. 13-16). Das spektakuläre Scheitern dieser Exorzisten löst Furcht aus, viele bekennen ihre Taten (worunter wir wahrscheinlich das Treiben der Magie verstehen müssen), und Bücher im Wert von 50.000 Silberdrachmen werden öffentlich verbrannt (V. 17-20). Nach den Reiseplänen des Paulus und der Aussendung des Timotheus und Erastus nach Mazedonien (V. 21f.) erfahren wir vom Aufruhr in der Silberschmiede in Ephesus (V. 23-40). In 257

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diesem Zusammenhang berichtet der Autor, dass der Erfolg des Paulus die Existenz der von Devotionalien lebenden Handwerker gefährdete, insbesondere das Geschäft der Silberschmiede, die Statuetten des Artemistempels herstellten. Im Theater versammelt sich eine Volksmenge, die »mit einem Mund« zwei Stunden lang »Groß ist die Artemis von Ephesus« schreit, bis der Stadtschreiber (γραμματεύς grammateus) sie beruhigt. Der Erzählstil der Episoden ist farbig und spannend, was übrigens für das ganze Buch der Apostelgeschichte gilt (Pervo 1987, 2-85). Die Begegnung mit den Jüngern des Johannes, der Umzug aus der Synagoge in den Lehrsaal des Tyrannus, die wunderbaren Heilungen anhand der Schweißtücher, der komische Unfall der fremden Exorzisten, die Verbrennung der Zauberbücher, und die spottende Geschichte der chaotischen Volksversammlung folgen in schnellem Wechsel. Der bunte Stil dient aber nicht nur dazu, die Aufmerksamkeit des Lesers zu erregen, sondern auch dazu, die Botschaft der Überlegenheit des Paulus sowie seiner Lehre und Taten zu unterstreichen. Was Paulus tut und sagt, ist interessant und faszinierend; was andere sagen, ist dagegen komisch und ungeschickt. Der scherzhafte Charakter der Episode der jüdischen Exorzisten steht außer Frage (vgl. Schille 1984, 379f.). Sie verlassen die Szene, indem sie nackt und blutend aus dem Haus fliehen, eine Erniedrigung, die die ursprüngliche Leserschaft an das Schicksal der Antagonisten der Komödien erinnern konnte. Die Menge im Theater wird ebenfalls lächerlich gemacht; die meisten wissen gar nicht, warum sie überhaupt zusammengekommen sind (V. 31). Diesem Zweck dient auch die Warnung des Stadtschreibers, dass man statt des Paulus auch die Bürger selbst wegen ihrer chaotischen und lärmenden Versammlung anklagen könne. Die Kritik konnte die Leserschaft des Buches auch auf den Artemiskult übertragen und als Religionskritik auffassen: Das sind die Verehrer der großen Artemis. Es ist aber zu bemerken, dass der Text die Göttin selbst nicht verspottet – obwohl die Verspottung griechischer Götter bei späteren christlichen Autoren wie z.B. Tatian (orat. 10), der in der Mitte des 2. Jh. schrieb, nicht unbekannt ist. Die spannenden Ereignisse werfen ein ganz anderes Licht auf Paulus: Er steht im Zentrum des Interesses, er bringt den Johannesjüngern den Heiligen Geist, seine Kleidung vermittelt heilende Kräfte, und seinen Namen (neben dem Namen Jesu) verwenden die Exorzisten. Er will auch an den Ereignissen im Theater persönlich teilnehmen, vermutlich um die Menge zu beruhigen, oder gar zu bekehren, wird aber von den Jüngern und von seinen Freunden aus den höchsten Kreisen (s.u.) zurückgehalten. Ein vertrautes Stilelement der Apostelgeschichte ist die hyperbolische Verwendung von Statistiken. Es wird in Ephesus nicht einfach eine unbestimmte Menge Zauberbücher verbrannt: Wir werden vielmehr informiert, dass jemand sich darum kümmerte, den Preis der verbrannten Bücher exakt hochzurechnen, und auf die Summe von 50.000 Silberdrachmen kam (V. 19). Das ist der Preis von 10.000 Büchern in Luxusausgabe (Cavallo 1997, 809-816), wohl ein Drittel des Bestands der Bibliotheca Ulpia, die bedeutendste römische Bibliothek unter dem Kaiser Traian (Vössing 1997, 643-647). Eine andere Übertreibung besteht darin, dass die Menge im Theater den Namen der Artemis »fast zwei Stunden« lang schreit. 258

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Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Wir dürfen uns durch die anekdotische und humoreske Ausgestaltung dieser Episoden nicht irreführen lassen. Zwar geht es um farbige Geschichten, die sich kaum mit den wichtigen Themen und Problemen der Paulusbriefe berühren, doch enthüllen sie trotzdem interessante sozialgeschichtliche Aspekte der Verbreitung des Christentums. An erster Stelle ist die Wirkung von Missionaren und Amtsträgern unterschiedlicher Religionen nebeneinander zu bemerken. Es wird schon lange betont, dass die gute Infrastruktur des römischen Reichs und die tolerante Haltung gegenüber neuen Religionen die Verbreitung des Christentums überhaupt ermöglichten (Harnack 1906b, 17-20). Natürlicherweise begünstigten diese Verhältnisse nicht nur das Christentum, sondern auch andere hellenistische Religionen, von denen viele schon vor den Anfängen des Christentums den Mittelmeerraum eroberten (Martin 1987; Nock 1933a). Für die meisten Religionen verursachte dieser Pluralismus kaum starken Konkurrenzkampf: Es war nämlich durchaus möglich, sich in mehrere Kulte einweihen zu lassen. Rivalität ist nur entstanden in dem Sinn, dass die Anzahl reicher Patrone begrenzt war, deren Unterstützung die unterschiedlichen Kulte und Vereine zu gewinnen versuchten (Harland 2002, 385-408). Ganz anders sah die Situation aber für das Judentum und das Urchristentum aus, die die Teilnahme ihrer Mitglieder an anderen Kulten als unerwünscht betrachteten. Deswegen wurde die Polemik gegen andere Religionen zu einem wichtigen Thema in den christlichen Texten, und es mehrten sich Erzählungen über Auseinandersetzungen mit Anhängern anderer Religionen in der frühchristlichen Literatur (s.u.). Die Verbreitung des Christentums schaffte umgekehrt eine bislang unbekannte Konkurrenz für antike Religionen. Ephesus war die Hauptstadt der römischen Provinz Asien im Westen der heutigen Türkei und eine der wichtigsten multikulturellen Metropolen des römischen Reichs (Scherrer/Wirbelauer/Höcker 1997). Zur Zeit des Paulus residierten hier der Statthalter (Prokonsul) von Asien und die sogenannten Asiarchen. Während der Prokonsul aus der Kreis der consules für ein Jahr per Los gewählt wurde (Christol/ Drew-Bear 1997), stammten die Asiarchen aus dem einheimischen Adel und hatten eine wichtige kultische Rolle inne (Friesen 1993, 92-113), vielleicht als Oberpriester des Kaiserkults (Mehl 1997). Dass Paulus mit diesen Mitgliedern der lokalen Elite besonders befreundet gewesen wäre, ist zwar historisch unwahrscheinlich (auch wegen ihrer mit den Zielen der christlichen Mission schwer zu vereinbarenden religiösen Funktion), passt aber gut zu der Erzählstrategie des Autors, der den Apostel immer wieder in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen auftreten lässt. Wer war aber der »jüdische Oberpriester Skevas« (Σκευᾶς Ἰουδαίος ἀρχιερεύς Skeuas Ioudaios archiereus)? Will der Autor uns mitteilen, dass der Vater der Exorzisten, Skevas, ein jüdischer Hohepriester war, ähnlich wie Hananias (Apg 23,2f.), Hannas (Apg 4,6) und die anderen im Buch mit oder ohne Namen erwähnten Hohepriester? Die bekannten Quellen vermelden keinen jüdischen Hohepriester unter dem Namen Skevas (Schürer/Vermes 1979, 227-236). Wenn Skevas über259

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haupt eine historische Gestalt war, könnte er vielleicht in Wirklichkeit ein Oberpriester (ἀρχιερεύς archiereus) des Kaiserkults gewesen sein (vgl. Fitzmyer 1998, 650; Liddell/Scott/Jones 1996, 252). Sein Name wäre dann am besten vom lateinischen scaevus abzuleiten; es war ein verbreiteter Familienname, den man vielleicht mit dem günstigen Vorzeichen im Himmel (bona scaeva) assoziierte (Lewis et al. 1975). Den Namen konnte der Autor oder schon die ihm vorliegende Überlieferung mit den Exorzisten verbinden. Die oft vertretene Lösung (vgl. Johnson 1992, 340; Pesch 2003, 173; Schille 1984, 380), dass Exorzisten in Ephesus sich einen exotisch klingenden, angeblich jüdischen Künstlernamen zugelegt hätten, oder dass es sich um eine legendarische Figur handelt, ist ebenfalls nicht auszuschließen. Die vielen Textvarianten zu diesem Vers beweisen, dass die Identität des Skevas und seiner Söhne schon die ersten Rezipienten interessierte. In der westlichen Textüberlieferung, deren Hauptzeuge der berühmte Codex Bezae ist (der in der Apostelgeschichte etwa 15 Prozent von anderen Textüberlieferungen abweicht), wird Skevas einfach als »Priester« bezeichnet. Wichtiger als die historische Identität des Skevas und seiner Söhne ist die Tatsache, dass sie in der mehrheitlichen Überlieferung der Erzählung nicht als pagane Priester erscheinen. Unabhängig von der Erklärung des Namens und Titels der sieben Exorzisten, Textvarianten mitgerechnet, bleibt ihre Rolle in der Geschichte eindeutig: Sie befinden sich unter den »umherziehenden« jüdischen Exorzisten (V. 13). Jüdische Magie als Topos kommt nicht nur in der Apg vor (vgl. Elymas in 13,6), sondern auch bei Strabo (geogr. 16,2,39 und 43), Plinius dem Älteren (nat. 30,2,11) und Apuleius (apol. 90). Josephus (Bell. 8,42-49) hebt die jüdische Tradition des Exorzismus hervor. Wie wir es schon gesehen haben, sind die höheren (nichtjüdischen) Beamten der Stadt eher als Verbündete denn als Gegner des Paulus dargestellt – ähnlich wie eigentlich an allen Orten, wo Paulus in der Apostelgeschichte auftritt. Die beiden Kleidungsstücke in Apg 19,12 werden im griechischen Text mit lateinischen Wörtern genannt (σουδάρια soudaria, σιμικίνθια simikinthia). Nach traditioneller Auffassung geht es um Kleider, die Paulus zu seiner Arbeit als Zeltmacher (σκηνοποιός skēnopoios, vgl. Apg 18,3) trug (Bruce 1988, 356): Die σουδάρια (soudaria) seien Schweißtücher gewesen, die er um sein Haupt gebunden trug; die σιμικίνθια (simikinthia) dagegen Schurze oder vielleicht schmale Gürtel (Leary 1990), getragen um seine Taille. Im Rahmen der Erzählwelt der ganzen Episode scheint aber eine alternative Lösung überzeugender (Strelan 2003). Wie wir nämlich schon gesehen haben, stellt Apg 19 Paulus nicht als Handwerker, sondern als bewunderten Lehrer und ehrenvollen Bürger dar. Seine Wundertaten in Ephesus werden unmittelbar nach der Notiz über seine Lehre in der Schule des Tyrannus beschrieben. Schweißtücher (sudaria), nicht um das Haupt gebunden, sondern um den Hals getragen, gehörten zur Tracht der Rhetoriker, die mit diesen ihre Stirn theatralisch abzuwischen pflegten (Quint. inst. 11,3,148; Apul. apol. 53,3; weitere Belege bei Strelan). Eine solche Auslegung wird weiter durch Apg 21,40 und 26,1 unterstützt, wo Paulus eine typische Gebärde des Redners macht (Czachesz 2007b, 260

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71). In V. 12 geht es also nicht einfach um irgendwelche Handtücher, sondern um die Attribute eines charismatischen Lehrers.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Inschriften aus Ephesus belegen die wichtige Rolle der Stadt in der Welt der antiken Magie (Lampe 1992). Der Dämonenaustreibung dienten die berühmten »Ephesischen Buchstaben« (ephesia grammata; Graf 1997b). Die Szenen der Auseinandersetzung mit den jüdischen Exorzisten und der Verbrennung der magischen Bücher spielen also keineswegs zufällig in dieser Stadt. Ephesus bietet die passende Kulisse zu dem spektakulären Wettbewerb des Paulus und symbolisch auch des Urchristentums mit seinen Konkurrenten aus dem Bereich der Magie. Es ist auch alles andere als Zufall, dass in Ephesus gerade die zwei genannten Kleidungsstücke des Paulus zu Heilungszwecken Verwendung fanden. Während der Rhetoriker das Schweißtuch (sudarium) um das Hals trug und es mit seiner Stimme, Eloquenz und Intellekt in symbolischer Verbindung stand, berührte sich der Gürtel (cintium, semicintium) mit dem Bereich des Bauchs und der Genitalien und hatte eine symbolische Bedeutung vor allem im Bereich der Zeugung und der Geburt (Plin. nat. 28,9). Neben der allgemeinen Symbolik des Gürtels kann man auch eine Assoziation mit dem Kult der Artemis nachweisen. Die Gürtel der Frauen hatten symbolische Bedeutung bei der Trauung und Entbindung (Strelan 1996, 48f.). Artemis wurde Λυσίζωνος (Lysizōnos – Löserin des Gürtels) genannt: Sie schützte (als ewige Jungfrau unter den Göttern) Frauen bei der Geburt, und in ihrem Tempel ließen sie ihre Gürtel nach der Entbindung zurück. Für die ursprüngliche Leserschaft der Apostelgeschichte muss es eindeutig gewesen sein, dass die Gürtel des Paulus die durch ihn wirkende, göttliche Kraft symbolisieren. Die Aufmerksamkeit für die Kleidung des Paulus steht weiter in starkem Kontrast zu der erniedrigenden Nacktheit der jüdischen Exorzisten. Die Auswahl der Kleidungsstücke liegt also in ihrer in der Antike bekannten Symbolik begründet. Ihre Verwendung bei der Heilung der Kranken und bei der Austreibung der Dämonen folgt dagegen einem sehr verbreiteten, wohl universalen magischen Prinzip: der Übertragung von Eigenschaften durch Berührung. Kommentare berufen sich auf unterschiedliche Kategorien, indem sie den religionsgeschichtlichen Hintergrund der Wunder beschreiben: z.B. »thaumaturgische Assoziation« (Johnson 1992, 350) oder »Mana-Vorstellung« (Pesch 2003, 172). Der analytische Nutzen dieser Konzepte bleibt aber begrenzt, weil sie wenig darüber sagen, wie wir uns die Wirkung der Heilkräfte in der Geschichte vorstellen müssen. Hilfreicher erweist sich das Konzept der »Übertragungsmagie« (Frazer 1911, 11-48): Dieser Vorstellung nach bleiben Dinge, die einmal miteinander verbunden waren, auch verbunden, nachdem sie körperlich voneinander getrennt werden. Exegeten weisen mit Recht auf die Ähnlichkeit dieser Episode mit der Heilung der blutflüssigen Frau hin, die den Saum des Gewandes Jesu berührte (Mk 5,25-43 par.). Nach 261

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Mk 5,30 und Lk 8,46 fühlte Jesus, dass Kraft von ihm ausgegangen war. Ein wichtiger Unterschied besteht trotzdem zwischen den beiden Erzählungen. Bei den Synoptikern trägt Jesus das Gewand, während die Frau es berührt. Das Gewand steht hier pars pro toto für Jesus selbst, wohingegen in Apg 19,12 die verwendeten Kleidungsstücke nicht mehr in körperlichem Kontakt mit Paulus sind. Nachdem seine Kraft einmal auf sie übergesprungen ist, bleibt sie auch in ihnen. Das in Apg 19,12 beschriebene Verfahren lässt sich als »transformative magische Handlung« (Sørensen 2007, 95-139) verstehen: In magischen Handlungen dieser Art werden essentielle Eigenschaften von einer Person oder einem Objekt auf andere Personen oder Objekte übertragen. Die Vorstellung, dass Gegenstände durch Berührung mit einer Person ihre Qualität verändern und diese Veränderung auch dauerhaft bewahren, scheint über die Kulturkreise hinweg verbreitet und nicht ausschließlich mit der Magie verbunden zu sein. In unterschiedlichen Experimenten zeigte es sich, dass Menschen den Umgang mit Objekten vermeiden, die einmal mit Abscheu erweckenden Insekten oder Substanzen in Berührung waren, auch wenn sie inzwischen gründlich sterilisiert worden sind (Nemeroff/Rozin 2000; Rozin/Millman/Nemeroff 1986). Hinter dieser Reaktion steckt wahrscheinlich eine adaptive Funktion, indem es Menschen nützt, unterschiedliche Quellen von Infektion oder Vergiftung vermeiden zu können, auch wenn sie nichts von den zugrunde liegenden biologischen Mechanismen wissen (Boyer 2002; Boyer/Liénard 2006). Interessanterweise ist aber das Prinzip der »Ansteckung« auch in anderen Domänen, darunter in der moralischen vorhanden. So vermieden Teilnehmer in Experimenten körperlichen Kontakt mit Menschen, die angeblich in einem Test über Moralität negativ evaluiert worden waren (Lenfesty 2011). Direkt relevant für unsere Wundergeschichte sind vor allem Experimente, in denen Teilnehmer gefragt wurden, ob sie ein (gründlich gewaschenes) Hemd oder einen Sweater anziehen würden, die vorher von anderen Menschen getragen wurden (Nemeroff/Rozin 1994; Rozin/Millman/Nemeroff 1986). Die Teilnehmer haben das Ansinnen abgewiesen, das Kleidungsstück einer unbeliebten oder moralisch negativ beurteilten Person (wie z.B. Hitler) anzuziehen. Den Sweater einer beliebten oder moralisch guten Person hätten sie dagegen gerne getragen. Beispiele solcher »positiven Ansteckung« wurden in unterschiedlichen Kulturen gefunden (Meigs 1978; dies. 1984). Diese Intuition kann auch der schon in der Frühkirche sehr verbreiteten Sammlung und Verehrung der Reliquien zugrunde liegen (Uro 2013). Reliquien waren nicht unbedingt Teil des Körpers eines Heiligen; zu diesem Zweck konnten auch Gegenstände dienen, die mit dem Körper des Heiligen in Berührung kamen (Brown 1981, 88). Ähnliche Vorstellungen »positiver Ansteckung« befinden sich weiter im verbreiteten Motiv, dass die Berührung des Gewandes großer Persönlichkeiten Teilhabe an deren Glück gewährt. Dieses Motiv ist aus sowohl christlichen (ActJoh 62; vgl. Mk 5,25-34) als auch griechisch-römischen (Arr. An. 6,13; Plut. Sull. 15,3-4) Quellen bekannt (Kollmann 1996, 230f.). Nach einer verbreiteten antiken Vorstellung, die in den griechischen und koptischen magischen Papyri vielfach bezeugt ist, erwirbt der Magier durch Initiati262

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on einen sogenannten πάρεδρος (paredros), d.h. »Beisitzer« oder »Assistent« (Graf 1996, 85-89; ders. 2002; Graf/Fowler/Nagy 2005, 289f.). Der Parhedros kann unterschiedliche Formen annehmen: er kann sich (zeitweilig) als Mensch manifestieren; sich zu einem Gott assimilieren (z.B. Eros als Assistent); als Objekt (z.B. ein mit homerischen Zitaten versehenes Plättchen) oder Dämon erscheinen (Pachoumi 2011; Scibilia 2002). Nach seiner Initiation kann der Magier zwischen der göttlichen und menschlichen Welt vermitteln, aber nur sofern ihm vom Parhedros geholfen wird, z.B. indem er seinen Namen ruft (a.a.O., 72-75). Im Rahmen der antiken Theorie lässt sich die Rolle des Heiligen Geistes in der Apostelgeschichte als die eines Parhedros interpretieren, der den Aposteln hilft, Wunder im Namen Jesu zu wirken. Wie Apg 19,11 betont, ist es schließlich Gott selbst, der durch die Hände des Paulus die vermeldeten Wunder tut. Auch die Schweißtücher und Gürtel des Paulus können als Manifestationen des Parhedros funktionieren, vielleicht in den Händen der Gläubigen, die selbst schon den Geist empfangen haben. Aus den antiken Vorstellungen von der Rekrutierung und dem Wirken des Parhedros folgt logischerweise, warum die jüdischen Exorzisten es nicht schafften, im Namen Jesu Dämonen auszutreiben. Ihnen fehlte nämlich das benötigte Verhältnis zum Parhedros, dessen Namen sie anzurufen versuchten. Die Dämonen erkennen, dass die Exorzisten kein besonderes, nur durch Initiation erwerbliches Verhältnis zu Jesus haben, und wissen darum, dass die Exorzisten sich auf keine göttliche Hilfe stützen können. Das Motiv des unbeholfenen Zauberlehrlings war in antiker Literatur bekannt (vgl. Berger/Colpe 1987, 63). Klassische Beispiele sind bei Lukian (philops. 33-36) (der vermutlich auch Goethe beeinflusste) und Apuleius (Met. 3) zu finden. Während in der erstgenannten Episode die Unterhaltung dominiert (die von sich aus wirkenden Gefäße setzen das Haus unter Wasser), hat schiefgegangene Magie bei Apuleius schwere Konsequenzen, indem das Dienstmädchen Fotis den Protagonisten zufällig in einen Esel verwandelt. Mit weniger dramatischen Konsequenzen taucht das Motiv bei den Synoptikern auf: Die Jünger versuchen vergeblich, einen Mondsüchtigen zu heilen, was aber Jesus unmittelbar gelingt (Mk 9,17-28 par.; Mt 17,14-18; Lk 9,38-42). In Apg 19,13-16 sind die komischen Übertöne deutlich fassbar. Exegeten bemerkten öfter die Profanität der Episode (Shauf 2005, 114), und G. Schille vermutete, dass der Autor hier eine »profane Burleske« verarbeitet habe (Schille 1984, 370). Im Gesamtbild der frühchristlichen Literatur ist die Verwendung komischer Elemente nicht überraschend (Czachesz 1998; ders. 2000; ders. 2012). In den antiken Komödien waren Prügelszenen ein vertrautes Motiv (z.B. Ar. Eq. 240-496; Ra. 605-675), und die Mengen kannten solche Szenen vor allem aus dem populären, teils improvisierten Mimus (Wiemken 1972, 127-134.167). Die Episode bietet ein Beispiel des bislang wenig erkannten Einflusses der antiken Komödie auf die frühchristliche Literatur, wo burleske Elemente vor allem als polemisches Stilmittel verwendet wurden. So wird z.B. Simon Magus in den apokryphen Petrusakten mehrmals zusammengeschlagen (ActPetr 14.32). Prügelszenen waren keineswegs ausschließlich »profan«. Bei Platon lesen wir, wie jemand, der aus dem Tartarus frühzeitig freikommen woll263

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te, von »wilden und feurig aussehenden Männern« verprügelt und zurückgeworfen wird (Plato rep. 10,615f.). Lukian erzählt, dass im Hades die Könige und Satrapen dieser Welt wie Sklaven geprügelt werden (Icar. 17). Auch in der ersten christlichen Beschreibung der Hölle verprügeln die Verdammten einander (ApkPetr 33). In der jüdischen und christlichen Tradition werden Episoden gescheiterter Magie sowie Prügelszenen in der Regel verwendet, um fremde Götter und ihre Diener zu verspotten. Aus dem AT ist vor allem die Geschichte der Baal-Propheten aus 1 Kön 18 zu nennen, die vergebens zu ihrem Gott um Feuer beten, und am Ende auf Befehl des Elija getötet werden. Im Zusammenhang des jüdischen und christlichen Monotheismus erhält auch der gescheiterte Exorzismus in Apg 19 einen besonderen polemischen Akzent. In der Septuaginta werden die Götter anderer Völker »Dämonen« (δαίμων daimōn) genannt (u.a. Ps 95,5LXX; 105,37LXX; Dtn 32,17; Jes 65,11). Im NT ist die Interpretation fremder Götter als Dämonen (δαιμόνια daimonia) bei Paulus (1 Kor 10,20f.) und der Offenbarung des Johannes (Offb 9,20) vorhanden. Der in Apg 19 verwendete Ausdruck »böser Geist« (πνεῦμα πονηρόν pneuma ponēron) kommt in der Bibel weniger vor, wird aber z.B. in Lk 8,2 mit »Dämon« gleichgestellt (vgl. Tob 6,8). Angesichts der dämonologischen Interpretation fremder Götter ist es kein Zufall, dass der Exorzismus eines der wichtigsten Kennzeichen des Frühchristentums war (Brown 1990; Kollmann 2008), und ein großer Teil neutestamentlicher Wunder Exorzismen sind (vgl. Poplutz, Dämonen in Bd. 1 des Wunderkompendiums). Warum löst der Bericht des Scheiterns der Exorzisten »Furcht« (φόβος phobos) unter den Einwohnern der Stadt aus? Der Schluss der Episode unterscheidet sich von den üblichen Reaktionen der Zuschauer in den Wundergeschichten, da es in unserem Fall um einen erfolglosen Exorzismus geht. Fürchten sich vielleicht die Epheser vor den Dämonen? Oder wird die Episode als Strafwunder aufgefasst? Im Rahmen des ganzen Kapitels müssen wir eher darauf schließen, dass der Schluss die polemische Funktion der Wundergeschichte unterstreicht. Furcht ist in der antiken Literatur die Reaktion des Menschen auf göttliche Epiphanie (Czachesz 2007b, 231234; Graf 1997c; Versnel 1987) und hat diese Funktion auch in der Apostelgeschichte (Apg 5,5.11) sowie in den Evangelien (z.B. Mt 14,26, 17,6; 28,4; Lk 1,12.65). In der Septuaginta wird die Wendung »Furcht fiel auf sie« oft verwendet, um die Reaktion des Menschen auf die Enthüllung der souveränen Macht Gottes zu beschreiben (Neh 6,16; Jdt 2,28, 15,2; Ps 104,38LXX; Dan 4,5; 10,7; vgl. 2 Chr 17,10). Der Autor macht den antiken Lesern auf diese Weise deutlich, dass sich in der Episode Gott offenbarte, während seine Gegner scheiterten.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Kognitive Deutung: Die Idee der sympathischen Magie und das universale kognitive Schema moralischer Ansteckung sind in keiner anderen neutestamentlichen Wundergeschichte so direkt fassbar wie in der Erzählung von den Schweißtüchern des Paulus. Zugleich bietet die Episode eine kulturelle Bearbeitung dieser Vorstellungen, 264

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indem die gewählten Objekte die Wunder des Paulus symbolisch mit dem antiken Bildungsideal sowie mit kulturspezifischen religiösen Vorstellungen verbinden. Da wir modernen Menschen diese Intuition mit den antiken Christen weitgehend teilen, liegen unterschiedliche Formen der Reliquienfrömmigkeit auch uns nicht fern. Berührung mit heiligen Objekten und Aufenthalt an heiligen Orten beeinflusst uns – wenn nicht magisch, dann wenigstens psychologisch. Anderseits lädt die wissenschaftliche Erklärung solcher Phänomene zur bewussten Reflexion über unsere eigene Intuition ein: Eine kritische Auseinandersetzung mit den vormodernen Elementen der modernen Religiosität ist unvermeidbar. Sozialgeschichtliche Deutung: Der freie Markt der Religionen im römischen Reich war eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Christentums. Dieser Erfolg stellte aber gerade das Prinzip des freien Markts infrage. Die Geschichte (zusammen mit dem Rest des Kapitels) bietet eine stilisierte Darstellung dieses gesteigerten Konkurrenzkampfs in einer der multikulturellen Metropolen der Zeit. In diesem Rahmen konnte das Strafwunder als Warnung für nichtchristliche Exorzisten davor gelesen werden, sich des Namens Jesu zu bedienen. Dass die Verwendung des Jesusnamens durch vermeintlich nicht dazu befugte Wundertäter ein komplexes Problem war, lässt sich aus Mk 9,38-40 erschließen, wo Jesus den in seinem Namen wirkenden fremden Exorzisten nicht verurteilt. Ferner kann man bemerken, dass in der Antike konkurrierende Formen des Christusglaubens nebeneinander existierten. Das Bild von Juden, die sich zu Unrecht des Namens Jesu bedienen, konnte auch als rhetorische Aussage in der innerchristlichen Auseinandersetzung dienen. Literarkritische Deutung: Die Episode ist weiter als Darstellung der Überlegenheit des Christentums zu interpretieren. Zu diesem Zweck kombiniert der Autor das rhetorische Mittel der Übertreibung mit Elementen der populären Gattung des Mimus. Spottende Äußerungen über fremde Götter gehörten schon zur Rhetorik des Alten Testaments (z.B. Jes 44,9-20) und die Kirchenväter setzten diese Tradition fort (z.B. Tat. orat. 10). Unser Text liefert Ansatzpunkte für eine problembehaftete antijüdische Auslegung, was man z.B. auch beim Kirchenvater Johannes Chrysostomus (347-407) spüren kann (s.u.). Moderne Theologen, Religionsphilosophen und praktizierende Christen entdecken dagegen die Gemeinsamkeit der Erscheinungsformen der religiösen Frömmigkeit und denken differenzierter über die Unterschiede. Religionsgeschichtliche Deutung: Im Rahmen der antiken Religionsgeschichte lässt sich die Episode als eine Fabel über den göttlichen Parhedros deuten. Auf der einen Seite manifestiert sich die Macht Gottes in Paulus. Er wurde von Hananias schon in Apg 9,12 initiiert, indem er durch Handauflegung den Heiligen Geist empfing, ähnlich wie die Johannesjünger in Ephesus. Auf der anderen Seite versuchen die Exorzisten ohne solche Initiation vergeblich, den Namen Jesu anzurufen. Historische Deutung: Es ist nicht auszuschließen, dass die Kleidungstücke von Paulus schon zu seinen Lebzeiten magisch verwendet wurden. Das würde mit dem frühen Interesse an Reliquien im Christentum auch gut zusammenpassen. Theodor 265

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Zahn (1927, 681f.) zieht in Erwägung, dass man von der Hauswirtin Schnupftücher von Paulus vorübergehend entliehen haben könnte.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Frühchristliche Autoren betrachteten Exorzismen als ein Kennzeichnen des Christentums. Justin der Märtyrer (gest. 165) schreibt von den großen Erfolgen christlicher Exorzisten im Namen (κατὰ τοῦ ὀνόματος kata tou onomatos) Jesu Christi und vom Scheitern der anderen Exorzisten, Zauberer und Kräutermischer (2  apol. 6), wobei sich allerdings eine direkte Abhängigkeit von Apg 19 nicht feststellen lässt. Die Apostolischen Konstitutionen nennen die Söhne des Skevas als Beispiel dafür, dass nicht jeder, der Dämonen austreibt, auch ein Heiliger ist (ConstAp 8,2). In seiner Homilie über Apg 19 (PG 60,287-294) erklärt der Kirchenvater Johannes Chrysostomus (347407), dass der Dämon den Namen Jesu bekennt, um den falschen Eindruck zu vermeiden, dass er ihn nicht fürchte. Es war nämlich nicht der Name Jesu, der scheiterte, sondern es lag an dem »Betrug« (ἀπάτη apatē) der Exorzisten. Chrysostomus grenzt die wandernden Söhne von den wandernden Aposteln ab: Die jüdischen Exorzisten waren nicht unterwegs, um die gute Nachricht zu verbreiten, sondern wegen ihres »Geschäftes« (ἐμπορία emporia). Die Exorzisten und die Dämonen stellt Chrysostomus als Verbündete dar. Wenn aber selbst die Dämonen nicht mehr mitmachen, bleibt für die Exorzisten keine andere Möglichkeit, als zu bekennen. István Czachesz

Literatur zum Weiterlesen I. Czachesz, Magic and Mind. Toward a Cognitive Theory of Magic, with Special Attention to the Canonical and Apocryphal Acts of the Apostles, ASEs 24 (2007d), 295-321. B. Kollmann, Jesus und die Christen als Wundertäter. Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum, FRLANT 170, Göttingen 1996. P. Lampe, Acta 19 im Spiegel der ephesischen Inschriften, BZ 36 (1992), 59-76. C. Nemeroff/P. Rozin, The Making of the Magical Mind. The Nature and Function of Sympathetic Magical Thinking, in: K. S. Rosengren/C. N. Johnson/P. L. Harris (Hg.), Imagining the Impossible. Magical, Scientific, and Religious Thinking in Children, Cambridge/New York 2000, 1-34. A. Scibilia, Supernatural Assistance in the Greek Magical Papyri. The Figure of the Parhedros, in: J. N. Bremmer/J. R. Veenstra (Hg.), The Metamorphosis of Magic from Late Antiquity to the Early Modern Period, Groningen Studies in Cultural Change 1, Leuven/Dudley 2002, 71-86. S. Shauf, Theology as History, History as Theology. Paul in Ephesus in Acts 19, BZNW 133, Berlin/New York 2005. R. Uro, From Corpse Impurity to Relic Veneration. New Light from Cognitive and Psycho-

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logical Studies, in: I. Czachesz/R. Uro (Hg.), Mind, Morality and Magic. Cognitive Science Approaches in Biblical Studies, London 2013.

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Ein tröstlicher Zwischenfall (Eutychus in Troas) Apg 20,7-12 (20,7) Als wir uns am ersten Tag der Woche versammelt hatten, um das Brot zu brechen, redete Paulus zu ihnen, weil er am nächsten Morgen abreisen wollte, und er dehnte die Wortverkündigung bis Mitternacht aus. (8) Es waren aber zahlreiche Lampen in dem Obergemach, wo wir versammelt waren. (9) Da wurde ein junger Mann mit Namen Eutychus, der am Fenster saß, von tiefem Schlaf ergriffen, weil Paulus so lange redete, und stürzte, von dem Schlaf überwältigt, aus dem dritten Stockwerk hinab und wurde tot aufgehoben. (10) Paulus aber ging hinunter, warf sich über ihn und umarmte ihn und sprach: »Beunruhigt euch nicht länger, denn seine Seele ist in ihm!« (11) Danach ging er wieder hinauf, brach das Brot, aß und redete, noch lange (mit ihnen) bis zum Tagesanbruch, und dann machte er sich auf den Weg. (12) Sie führten den Jüngling aber lebendig herbei und wurden nicht wenig getröstet.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Episode von Eutychus in Troas ist eine kuriose Geschichte. Stilistisch und inhaltlich fällt die Erzählung aus dem Rahmen. Sie ist die einzige Totenerweckungsgeschichte, in der Paulus als Wundertäter auftritt. In der Apostelgeschichte ist ihr nur noch die Episode von der Auferweckung der Tabita in Joppe durch Petrus (Apg 9,36-43) vergleichbar. Legt Apg 20,7-12 auf den ersten Blick nahe, als Wundererzählung verstanden werden zu wollen, so fällt gleichzeitig auf, dass nicht wenige Motive, die bei einer Totenerweckungsgeschichte zu erwarten wären, fehlen. Es verwundert deshalb nicht, dass unsere Erzählung durchaus unterschiedliche Auslegungen erfahren hat, sie den einen als eine klassische Totenerweckungsgeschichte gilt, während andere in ihr eine Bewahrungsgeschichte erblicken, die vom Sturz und dem wundersamen Überleben des Eutychus erzählt. Auch der anekdotische und komische Charakter der Erzählung wird immer wieder betont. Martin Dibelius nahm an, dass es sich »ursprünglich um eine profane Anekdote, wahrscheinlich mit einem Unterton von Komik« gehandelt habe, die später auf Paulus übertragen worden sei (Dibelius 1968, 23). Unter den Wundergeschichten der Apostelgeschichte nehme sie eine Sonderstellung ein, da man sie »nur unter völliger Nichtachtung stilistischer Gesichtspunkte mit der Tabitha-Legende parallelisieren« könne (a.a.O., 22). So sehr Dibelius insbesondere im Blick auf seine Behauptung des »profanen« und »unerbaulichen« Charakters der Erzählung widersprochen worden ist (exemplarisch Pervo 2009, 512f.; Zmijewski 1994, 730), 268

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so wenig hat seine Feststellung des eigenwilligen Charakters dieser Geschichte an Bedeutung verloren. Das zeigt sich bereits bei der Bestimmung der Struktur der Erzählung. Einige Ausleger bestimmen die Strukturelemente nach dem Formschema einer Wundergeschichte und sehen deshalb in V. 7 bzw. V. 8-9 die Exposition der Erzählung, die das Auftreten des Wundertäters und des Hilfsbedürftigen schildere (Kowalski 2005, 28; Schreiber 1996, 110f.; Zmijewski 1994, 723). Der Text selbst legt allerdings eine andere Gliederung nahe, denn das zweimal genannte Verb συνάγεσθαι (synages-thai – sich versammeln) verklammert V. 7 und 8 und macht diese als Exposition der Erzählung kenntlich. Damit wird die Zusammenkunft der Gemeinde zum »Brotbrechen« (κλάσαι ἄρτον klasai arton) als Ausgangssituation markiert, zu der die Erzählung am Ende wieder zurückkehrt (V. 11.12). Der Sturz des Eutychus aus dem »Obergemach« im dritten Stock durchbricht demnach jäh die Versammlung der Gemeinde, bei der Paulus das Wort ergreift und bei der offensichtlich das Herrenmahl gefeiert wird (vgl. Apg 2,42.46; 1  Kor 10,16). Auch wenn weder der Inhalt der Rede des Paulus expliziert, noch die angedeutete Mahlhandlung erzählt wird, so signalisiert der Erzähler seinen Leserinnen und Lesern doch durch geprägte Termini wie κλάσαι ἄρτον (klasai arton – Brot brechen), διαλέγεσθαι (dialegesthai – reden, predigen), συνάγεσθαι (synagesthai – sich versammeln) und das absolut gebrauchte ὁ λόγος (ho logos – das Wort), dass es sich hier um eine gemeindliche Zusammenkunft mit gottesdienstlichem Charakter handelt, die durch die Elemente der Wortverkündigung und der Mahlhandlung bestimmt ist. Dass diese Zusammenkunft »am ersten Tag der Woche«, womit hier der Sonntag gemeint ist, stattfindet, erinnert die Leserinnen und Leser an den Tag der Auferstehung Jesu und der Ostererscheinungen (Lk 24,1-51). Da Anfangs- und Schlussabschnitt aufeinander Bezug nehmen, macht die Erzählung einen in sich geschlossenen Eindruck. Hier sind insbesondere einige Inklusionen entscheidend (vgl. Kowalski 2005, 24f.). Dazu gehört vor allem der Hinweis in V. 11, dass Paulus das in V. 7a bereits angesprochene »Brotbrechen« nun durchführt. Zudem wird die Ankündigung, dass Paulus am nächsten Morgen aufbrechen möchte, nach Abschluss der Mahlhandlung verwirklicht (V. 7ab: »weil er am nächsten Morgen abreisen wollte« – V. 11b: »dann machte er sich auf den Weg«). V. 12 lässt sich als ›stilgerechter‹ Abschluss einer Wundererzählung lesen: Der Knabe, der V. 9 zufolge »tot aufgehoben« worden war, wird nun zur Demonstration des Wunders lebendig herbeigeführt. Mit einer Litotes wird abschließend festgestellt, dass die Gemeindeglieder in Troas dadurch »sehr« getröstet werden (οὐ μετρίως ou metriōs – wörtlich: »nicht wenig«; zur Litotes siehe BDR § 495.2 mit Anm. 9; gemeint ist also nicht: »in hohem Maße« im Sinne von »nicht ganz«, wie Pesch 2003, 190; Zmijewski 1994, 726 meinen). An dieser Stelle wird die Pragmatik der Erzählung besonders deutlich erkennbar: Das Wunder in Troas soll in seiner tröstenden Funktion verständlich gemacht werden. Die Termini, die sich an die Leserinnen und Leser der Apostelgeschichte richten, machen deutlich, dass es diese Funktion nicht nur damals für die Gemeindeglieder in Troas, sondern auch in der Gegenwart hat. 269

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In welcher Weise das der Fall ist, wird damit als eine entscheidende Frage der Interpretation unserer Erzählung aufgeworfen. Die angesprochene Verklammerung zwischen den V. 7f. mit dem Abschnitt 11f. lässt V. 9f. als Mittelstück der Erzählung erkennbar werden. An der Auslegung dieser beiden Verse entscheidet sich die eingangs angedeutete Alternative zwischen Totenerweckungserzählung und Bewahrungsgeschichte. Nach der relativ ausführlichen Schilderung des Einschlafens und Hinabstürzens des Eutychus stellt V. 9 fest, dass Eutychus tot ist (»er wurde tot aufgehoben«). Dass damit ein ›objektives‹ Urteil des Erzählers und nicht nur eine subjektive Meinung der Leute gemeint ist, macht neben der Opposition zu V. 12 (νεκρός nekros – tot versus ζῶντα zōnta – lebendig) auch die Formulierung in Apg 5,10 (»sie fanden sie tot«) wahrscheinlich, wo diese Bedeutung unstrittig ist. Dadurch entsteht eine Spannung zwischen Apg 20,9 und 20,10, da das Wort des Paulus (»beunruhigt euch nicht länger, denn seine Seele ist in ihm«) als Diagnose gelesen werden kann. Paulus erweckt den Eutychus demnach nicht, sondern er stellt lediglich – zur Beruhigung der Gemeinde – fest, dass er am Leben ist (V. 10). Man kann deshalb fragen, ob hier überhaupt eine Totenerweckung erzählt wird. Daran entscheidet sich das Verständnis der V. 9 und 10: Meint V. 9, dass die Gemeindeglieder in Troas fälschlicherweise angenommen hatten, Eutychus habe den Sturz aus dem Fenster nicht überlebt (das erwägt Pesch 2003, 191)? Oder setzt V. 10 voraus, dass Paulus die Auferweckungshandlung bereits durchgeführt hat und nun der Gemeinde von ihrem Erfolg berichtet (so Barrett 1998, 955; Schneider 1982, 287)? Oder aber lässt die Erzählung die Wunderfrage bewusst »offen« (Dibelius 1968, 22) und überlässt damit den Leserinnen und Lesern die Entscheidung darüber, inwiefern sich in Troas ein Wunder ereignet hat? Ein auffälliges Merkmal der Erzählung ist die Verwendung der ersten Person Plural in V. 7f., die sie als Teil der berühmten ›Wir-Stücke‹ der Apostelgeschichte (Apg 16,10-17; 20,5-15; 21,1-18; 27,1-28,16) ausweist. Einige Ausleger sehen eine Spannung darin gegeben, dass das ›Wir‹ am Ende der Erzählung nicht wieder aufgenommen wird (vgl. Zmijewski 1994, 724). Diese Tatsache könnte sich aber einfach aus der Aussageintention des Textes heraus erklären. Geht es hier doch darum, die Funktion des Geschehens für die Gemeinde in Troas und nicht primär für die Begleiter des Paulus zu schildern. Damit kommt die Funktion von Apg 20,7-12 im literarischen Kontext der Apostelgeschichte in den Blick. Durch den einleitenden Hinweis, dass Paulus am nächsten Morgen »hinausgehen«, also Troas verlassen möchte, und die Inklusion mit V. 11 wird die Episode als eine Abschiedsszene erkennbar. Insbesondere zu der im direkten Kontext erzählten Abschiedsrede des Paulus in Milet (Apg 20,17-38) zeigen sich enge inhaltliche Berührungen (repräsentativ für viele Ausleger Kowalski 2005, 31f.; Schreiber 1996, 109). Hier bringt der lukanische Paulus den Sinn seiner Sendung resümierend zur Sprache (Apg 20,24-28) und signalisiert, dass seine Missionsreisen mit der Ankunft in Jerusalem abgeschlossen sind, ihm dort Gefangenschaft und vielleicht sogar der Tod drohen (20,22-24, vgl. 21,10-41). Die Ältesten von Ephesus werden ihn nie wiedersehen (20,25.38) und sind darüber zutiefst 270

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betrübt (20,37f.). Bereits unmittelbar nach der Eutychus-Erzählung wird auf das Ende der dritten Missionsreise (Apg 18,23-21,17) angespielt. Apg 20,16 blickt mit der Nennung Jerusalems als Ziel dieser Reise, die Paulus – anders als die beiden ersten Missionsreisen – nicht wieder zurück nach Antiochien führt, voraus. Das Wunder in Troas hat seine Funktion innerhalb dieser Abschiedssituation. Es erhellt in ganz grundsätzlicher Weise die Bedeutung, die die Verkündigung des Paulus für die Gemeinde in Troas und für die nachapostolische Gemeinde hat. Auf diese Weise verdeutlicht der Erzähler die theologische Bedeutung der in Apg 20,7-12 geschilderte Wortverkündigung, die im Zusammenhang mit dem Mahlgeschehen stattfindet.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Frage nach dem Charakter der in Apg 20,7f.11 beschriebenen Zusammenkunft, die sich für die Auslegung der Erzählung als zentral erwiesen hat, wird auch in historischer und sozialgeschichtlicher Perspektive diskutiert. Lässt sich unserem Text ein Hinweis darauf entnehmen, dass bereits zur Zeit des Paulus der Sonntag zum christlichen Feiertag geworden war, wie auch von 1 Kor 16,2 her nahegelegt wird? Ihre Bedeutung erhält die christliche Sonntagsfeier durch die Erinnerung an den Sonntag als Tag der Auferstehung Jesu (Mk 16,1f. parr.), der deshalb feiernd begangen (Barn 15,9) und im christlichen Kontext schon bald als »Herrentag« bezeichnet wird (Offb 1,10, vgl. Did 14,1; IgnMagn 9,1). Während nicht wenige Exegeten Apg 20,7-12 als Hinweis auf einen solchen Brauch ansehen, hat Norman H. Young davor gewarnt, zu voreilig »our own tradition of Sunday as a day of Christian meeting back into the NT« zu lesen (Young 2003, 112, gegen Llewelyn 2001). Vor allem fehle jede Betonung des christlichen Sonntags in Abgrenzung gegenüber dem Sabbat (a.a.O., 119f.). Umstritten ist zudem, ob unser Erzählstück für die Zeit des Paulus aussagekräftig sein kann. Selbst solche Ausleger, die in Apg 20,7-12 eine Sonntagsfeier belegt sehen, weisen darauf hin, dass damit nur über den zur Zeit des Lukas üblichen Brauch etwas ausgesagt werde, nicht aber darüber, was bereits zur Zeit des Paulus galt (Haenchen 1977, 562; Weiser 1985, 562f.). Für die Beantwortung dieser Frage ist entscheidend, wie die Herkunft der ›Wir-Stücke‹ bestimmt wird. Nach wie vor vertreten Ausleger die von Ernst Haenchen und vor ihm von Adolf von Harnack und Martin Dibelius formulierte These, dass die ›Wir-Stücke‹ nicht als Hinweis auf eine von Lukas verarbeitete Quelle zu verstehen seien, sondern dass sich hier Lukas selbst zu erkennen gebe (Dibelius 1968, 170.172). So hat Eckhard Plümacher das »wir« als bewusste Fiktion im Kontext der »mimetischen Geschichtsschreibung« gedeutet (Plümacher 2004e, 98). Votiert man an dieser Stelle anders, wie es die quellenkritisch ausgerichtete ältere Acta-Forschung tat (vgl. aber auch Marguerat 2006, 50), dann wird man die Annahme für möglich halten, dass wir es hier mit dem Bericht eines Augenzeugen zu tun haben, den der Verfasser des Doppelwerkes – der folglich nicht mit dem Paulusbegleiter Lukas identisch ist! – vorgefunden und in sein Werk aufgenommen hat. Die Szene könnte demnach historisch authentisch sein und tat271

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sächlich einen Einblick in den zur Zeit des Paulus bereits üblichen Brauch geben. Die Quellenkritik ist für die Auslegung von Apg 20,7-12 auch hinsichtlich der Frage entscheidend, ob das von Eutychus erzählte Ereignis ein historisches Geschehen widerspiegelt oder ob es als Legende charakterisiert werden kann. Darauf wird noch einmal zurückzukommen sein. Die in unserem Text verwendete Terminologie deutet darauf hin, dass der Verfasser der Apostelgeschichte eine christliche Sonntagsfeier voraussetzt, deren Elemente sich klar greifen lassen. Aufschlussreich ist vor allem die Bezeichnung »Brot brechen« (κλάσαι ἄρτον klasai arton), die von der Mehrzahl der Ausleger als terminus technicus für »die eucharistische Brot- und Kelchhandlung« angesehen wird (so etwa Weiser 1985, 563, siehe dazu Jeremias 1967, 113f.). Die Formulierung »Brot brechen« (τὸν ἄρτον κλᾶν ton arton klan) ist in der Septuaginta einmal belegt (Jer 16,7; vgl. Klgl 4,4). Im Neuen Testament wird sie immer im Zusammenhang »mit dem Mahlritus des Brotbrechens« verwendet (Wanke 1992, 729f.), ohne dass dabei stets mit einer Anspielung auf das Herrenmahl zu rechnen ist. Nach Apg 2,42 gehört das »Brotbrechen« zu den Identitätsmerkmalen der urchristlichen Gemeinde (vgl. 1 Kor 10,16), deren Glieder sich in den Privathäusern treffen, um »Brot zu brechen« (Apg 2,46). Da die Zusammenkunft der Gemeinde in Troas ausdrücklich zu dem Zweck erfolgt, »Brot zu brechen« (20,7), dürfte auch hier an eine Abendmahlsfeier gedacht sein (Wanke 1992, 731). Das bereits angesprochene Verb συνάγεσθαι (synagesthai – sich versammeln) ist ein Terminus für die gottesdienstliche Zusammenkunft (Apg 4,31; Mt 18,20; 1 Kor 5,4; 1 Clem 34,7; Did 16,2, vgl. Roloff 2010, 298) und legt deshalb nahe, dass in Apg 20,7 an eine solche gedacht ist. Schwieriger zu entscheiden ist die Frage, ob auch die von Paulus in V. 7 geschilderte Rede als Element des Gottesdienstes im Sinne der Wortverkündigung verstanden werden kann. Dafür spricht zunächst das hier verwendete Verb διαλέγεσθαι (dialegesthai). Der Verfasser der Apostelgeschichte verwendet das Verb, das sowohl die wechselseitige Unterredung als auch einfach »reden«, »sprechen« oder »predigen« heißen kann (Bauer 1988, 371; vgl. Barrett 1998, 951), häufig von der Synagogenpredigt des Paulus, bei der dieser die grundlegenden Aspekte des Christusgeschehens erläutert (Apg 17,2.17; 18,4.19; 19,8.9; vgl. 24,12.25). Auch die Verwendung des absolut gebrauchten ὁ λόγος (ho logos – das Wort) könnte darauf hinweisen, dass in Apg 20,7 Mahlhandlung und Wortverkündigung als die beiden wesentlichen Elemente der gottesdienstlichen Zusammenkunft geschildert werden. Zwar kann der Ausdruck ὁ λόγος (ho logos) auch einfach »die Rede« meinen, er wird im urchristlichen Sprachgebrauch aber auch präzise auf die Missionspredigt bezogen (so etwa Mk 4,14-20; Apg 4,4; 1 Thess 1,6; Kol 4,3 u.ö.). Im lukanischen Doppelwerk werden die Apostel als die grundlegenden Träger der Wortverkündigung gekennzeichnet (Lk 1,2; Apg 6,4). Sie verbürgen als »Zeugen« den Inhalt der nachösterlichen Verkündigung, der sich der Selbsterschließung des Auferstandenen verdankt (Apg 1,3-8). Da Paulus für Lukas in Kontinuität zu den Aposteln steht und selbst Empfänger einer »Ostererscheinung« ist (Apg 22,6-11; 26,12-18, vgl. Burchard 1970, 135f.), steht auch er in seiner Verkündigungstätigkeit in besonderer Weise für diesen 272

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Rückverweis auf das Osterzeugnis. Offensichtlich beschreibt Apg 20,7 Mahlhandlung und Wortverkündigung als Elemente des christlichen Sonntagsgottesdienstes. Unsere Erzählung beleuchtet diesen Brauch durch die Verbindung mit dem wundersamen Ereignis um Eutychus. Zu klären ist in diesem Zusammenhang auch, wie die in V. 11 mit dem Verb ὁμιλεῖν (homilein) bezeichnete Handlung des Paulus zu verstehen ist. Die übrigen Belegstellen im Neuen Testament, die sich ausschließlich im lukanischen Doppelwerk finden (Lk 24,14.15; Apg 24,26), lassen es als sehr unwahrscheinlich erscheinen, dass ὁμιλεῖν (homilein) hier die Bedeutung »predigen« hat und mithin synonym zu διαλέγεσθαι (dialegesthai) aufzufassen wäre (erwogen bei Zmijewski 1994, 728). V. 11 meint dann aber wohl nicht, dass Paulus nach der Mahlhandlung seine in V. 7 begonnene Predigt fortsetzt, sondern dass er sich mit den Gemeindegliedern in Troas nach dem Mahl unterhält (siehe dazu Roloff 2010, 298f.). Demnach geht die Wortverkündigung dem Mahl voraus. Apg 20,7-12 belegt somit, dass »zur sonntäglichen Feier des Herrenmahls die Wortverkündigung gehörte« (Weiser 1985, 563).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Gegen die Annahme von Dibelius, bei der Eutychus-Erzählung handele es sich ursprünglich um eine profane Legende, ist in der Auslegung immer wieder auf die engen Berührungen zu den Totenerweckungsgeschichten hingewiesen worden, wie sie im Alten Testament von Elija (1 Kön 17,17-24) und Elischa (2 Kön 4,8-36) erzählt werden (Pervo 2009, 512f.). Nicht selten wird die Erzählung deshalb vor diesem Hintergrund interpretiert (exemplarisch Schreiber 1996, 111; Stipp 1999, 73-75). Inwieweit diese traditionsgeschichtliche Zuordnung überzeugen kann, hat eine formgeschichtliche Analyse zu klären. Lässt sich bereits die Nennung des »Obergemachs« in Apg 20,8 als eine Anspielung auf die Elija-/Elischatradition verstehen? Immerhin wird dieses sowohl dort (3 Kön 17,19.23LXX; 4 Kön 4,10f.LXX) als auch in der Petruserzählung (Apg 9,37.39) als Ort der Totenerweckung genannt (Stipp 1999, 74, vgl. 71). Im Gegensatz zu den genannten Erzählungen findet die Auferweckung des Eutychus allerdings gerade nicht innerhalb, sondern außerhalb des Obergemachs statt (vgl. Fischbach 1992, 297 mit Anm. 19). Es handelt sich bei dem Obergemach schlicht um den Versammlungsraum der christlichen Gemeinde, der etwa auch in Apg 1,13 genannt wird. Anders als in den angesprochenen Totenerweckungserzählungen wird Paulus in Apg 20,7-12 nicht als Wundertäter herbeigerufen. Vielmehr ereignet sich das Geschehen als Unfall, der die Tätigkeit des Paulus unterbricht. Dementsprechend fehlt die Schilderung einer Krankheit, und auch über die Person des Eutychus wird nur wenig mitgeteilt. Wir erfahren lediglich, dass er ein »junger Mann« (V. 9; V. 12) ist und einen sprechenden Namen, »Eutychus« (»Glückspilz«), hat. Könnte man diese Aspekte noch als Abweichungen innerhalb des Gattungsschemas ansehen, so ist doch auffällig, dass die an Gott gerichtete Bitte des Wundertäters (1  Kön 17,20f.; 273

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2  Kön 4,33; Apg 9,40) ebenso fehlt wie ein Auferweckungswort und eine ausgeführte Auferweckungsgeste. Erwogen wird, ob V. 10a eine solche Geste schildert. Hermann-Josef Stipp sieht in der Umarmung des Paulus eine Anspielung auf den sogenannten »Synanachrosis-Akt« (Weinreich 1935), der in 2 Kön 4,34 (vgl. V. 35) und im Masoretischen Text auch in 1  Kön 17,21 geschildert wird. Dieser besteht darin, dass sich »ein Heiler derart über einen Kranken breitet, dass seine Körperteile genau die entsprechenden Glieder des Leidenden bedecken, eine Technik magischer Energieübertragung« (Stipp 1999, 55). So heißt es in 4 Kön 4,34LXX (= 2 Kön 4,34MT): »Und er [sc. Elischa] legte sich auf den Jungen und legte seinen Mund auf dessen Mund und seine Augen auf dessen Augen und seine Hände auf dessen Hände, und er beugte sich über ihn und das Fleisch des Jungen wurde warm.« Möglicherweise in Anspielung auf diese ältere Erzählung heißt es in 1 Kön 17,21MT: »Und er streckte sich drei Mal über den Knaben hin«, woraufhin Elija sich betend an Gott wendet und diesen um die Auferweckung des Jungen bittet. Kann man allerdings wirklich von einer quasi-rituellen Handlung in Apg 20,10 sprechen, zumal die damit notwendig verbundenen Elemente von Auferweckungsgebet und Auferweckungswort fehlen? Paulus wirft sich über Eutychus (ἐπέπεσεν αὐτῷ epepesen autō – er warf sich über ihn) und »umfasst« ihn (συμπεριλαβών symperilabōn), ähnlich wie Elischa dies nach der Heilungsgeste tut, und wendet sich daraufhin nicht an Eutychus, sondern an die Gemeinde. Dass sein Wort an die Gemeinde als Diagnose zu verstehen ist, wird im Kontrast zu 1 Kön 17,21 (= 3 Kön 17,21LXX) besonders deutlich. Während in 3 Kön 17,21LXX formuliert wird: »Es kehre doch die Seele dieses Knaben in ihn zurück!«, heißt es in Apg 20,10: »Beunruhigt euch nicht länger, denn seine Seele ist in ihm«. Dass die Seele des Eutychus diesen bereits verlassen habe und nun wieder in ihn zurückgekehrt sei, wird in Apg 20,10 gerade nicht gesagt. ›Stilgerecht‹ ist lediglich der Abschluss in V. 12, die Demonstration des Wunders (vgl. 1 Kön 17,23; 2 Kön 4,36f.). Die Formulierung ἤγαγον δὲ τὸν παῖδα ζῶντα (ēgagon de ton paida zōnta – und sie führten den Jüngling lebendig herbei) ist als direkter Kontrast zu καὶ ἤρθη νεκρός (kai ērthē nekros – und er wurde tot aufgehoben) gewählt und hat zudem eine direkte Parallele in Apg 9,41, erinnert aber auch an die Formulierungen in Lk 24,5 und Apg 1,3. Auch wenn die Erzählung form- und traditionsgeschichtlich nur schwer einzuordnen ist, so will der Verfasser des Doppelwerkes offensichtlich eine Totenerweckung erzählen, gerät damit aber in Spannung zu der ihm vorliegenden Tradition. Auch Beispiele aus dem hellenistischen Umfeld werden zum Vergleich herangezogen, wie Plut. Per. 8,7f. (Fischbach 1992, 297-299), wo eine göttliche Bewahrung dargestellt wird. In diesem Umfeld ist zudem zuweilen von der Wiederbelebung von Scheintoten die Rede (Schreiber 1996, 111f.). Im Anschluss an einen Hinweis von Dibelius wird in der neueren Forschung auf Philostrat, vit. Ap. 4,45, verwiesen, wo von der Erweckung eines römischen Mädchens durch Apollonius von Tyana die Rede ist (Dibelius 1968, 22f.; Pesch 2003, 192, Anm. 22; Schreiber 1996, 111). Dort nimmt Philostrat – ganz wie von Lukian von Samosata von einem kritischen Geschichtsschreiber bzw. Biographen gefordert (hist. conscr. 60) – ausdrücklich eine 274

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distanziert-kritische Haltung zu dem Ereignis ein, wenn er bemerkt: »ob er einen Lebensfunken in ihr fand, der den Ärzten unbemerkt geblieben war, […] oder ob er das erloschene Leben wieder anfachte und zurückrief, dies zu ermitteln ist nicht nur mir, sondern auch den Augenzeugen unmöglich«. Das Wunder bleibt demnach in der Schwebe, es wird den Leserinnen und Lesern überlassen, ob sie nach einer rationalen Erklärung für das Geschehen suchen oder ob sie in dem Ereignis das Wunder einer Totenerweckung erblicken wollen, auch wenn die kritische Distanz des Erzählers zu einer solchen Erklärung deutlich zu spüren ist. Versteht man die Formulierung in Apg 20,9 »und er wurde tot aufgehoben« vor dem Hintergrund einer solchen Erzählung, dann lässt sich mit Dibelius von einer »rationalisierten Wunderbeschreibung« in Apg 20,9f. sprechen. Auch für diese Deutung finden sich allerdings kaum Anhaltspunkte am vorliegenden Text. In Apg 20,7-12 tritt der Erzähler an keiner Stelle – ebenso wie in der gesamten Apostelgeschichte (Apg 1,1f. ist eine Ausnahme) – als vermittelnde Instanz in den Vordergrund. Dies geschieht auch nicht durch das in V. 7f. genannte »Wir«, das literarisch äußerst blass und unvermittelt bleibt. Die Spannung zwischen V. 9 einerseits, dass Eutychus tot ist, und V. 10 andererseits, dass Paulus die Lebendigkeit des Eutychus konstatiert, bleibt in unserer Erzählung bestehen und dürfte am ehesten literarkritisch zu erklären sein. Gegenüber den alttestamentlichen Totenerweckungsgeschichten ist das Wunder in Apg 20,9f. äußerst zurückhaltend geschildert. Die Erzählung endet nicht mit einem ›Chorschluss‹, der das wunderhafte Ereignis dokumentieren würde (vgl. etwa Lk 5,26; 7,16). Auch eine missionarische Wirkung des Wunders, wie in Apg 9,42 berichtet, ist in Apg 20,12 nicht im Blick. Das Wunder wird vielmehr auf die christliche Gemeinde hin konzentriert, für die es seine Bedeutung gewinnt.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Es ist deutlich geworden, dass unsere Erzählung unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten eröffnet. Die unterschiedlichen Interpretationsansätze stimmen darin überein, dass sie in dem Zusammenhang von Sonntagsfeier bzw. Mahlhandlung und Wunder die eigentliche Pointe der Erzählung erblicken. Eine ›rationalistische‹ Auslegung unserer Erzählung könnte an dem oben erörterten Verständnis von V. 10 anknüpfen. Die Episode von Eutychus in Troas ließe sich dann als eine Bewahrungsgeschichte verstehen, die davon erzählt, wie Eutychus stürzt und wider alle Erwartung am Leben bleibt. Der Gottesdienst wird durch das Ereignis unterbrochen, aber der Tod gewinnt keine Macht über Eutychus. Insofern wäre mit dieser Interpretation dann auch eine theologische Aussage verbunden: Wo der auferstandene Jesus Christus im Wort, das ihn verkündigt, und im Mahl, in dem die Gemeinde die Gemeinschaft mit dem auferstandenen Herrn feiert, gegenwärtig ist, da hat der Tod keinen Platz. Auch wenn hier nicht an ein Wunder im supranaturalistischen Sinne gedacht wäre, bestünde ein Wunder doch darin, dass Gott Eutychus vor etwas bewahrt hat, was eigentlich zu erwarten gewe275

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sen wäre (Marshall 1980, 327). In diesem Sinn hat das Ereignis einen ›wunderhaften‹ Charakter. Die zahlreichen Einzelelemente der Erzählung, angefangen bei dem sprechenden Namen »Eutychus« (»Glückspilz«), bieten Anknüpfungspunkte für eine symbolische Deutung (vgl. Pervo 2009, 513f.). So sind beispielsweise die in V. 8 genannten »Lampen«, die das »Obergemach« hell erleuchten, häufig symbolisch ausgelegt worden, wie exemplarisch die Auslegung von Gerhard Schneider (Schneider 1982, 285; vgl. Trémel 1980; Weiser 1985, 564 u.a.) zeigt: »Der Ort des Lichtes, der Raum, in dem die Gemeinde das Wort hört, ist der Raum des Lebens, und der Raum, wo das Wort nicht vernommen wird, ist der der Finsternis.« Auch das Motiv des Schlafs steht in enger Berührung zur Todesthematik und provoziert eine symbolische Deutung. Semiotische Ansätze können hieran anknüpfen und weitere Einzelelemente der Erzählung symbolisch ausdeuten (Bulley 1994). Der historische Bezugspunkt der Geschichte rückt damit in den Hintergrund. So wenig eine symbolische Deutung der Erzählung grundsätzlich von der Hand zu weisen ist, wird sie durch eine zu starke Allegorisierung wohl überstrapaziert. Es legt sich deshalb am ehesten eine historisch-kritische Deutung nahe, die gleichzeitig den kerygmatischen Charakter der Erzählung erschließt. Die in V. 8 genannten »Lampen« könnten schlicht deutlich machen, dass es bereits dunkel ist, als die Gemeindeversammlung beginnt (Barrett 1998, 951), oder auch andeuten, dass sie für schlechte Luft sorgen, das Einschlafen des Eutychus provozieren und ihn am Fenster nach Erfrischung suchen lassen (Pesch 2003, 190). Die in der Auslegung notierten Spannungen und die nur ansatzweise durchgeführte Stilisierung der Erzählung als Wundergeschichte (vgl. a.a.O., 193) machen es sehr unwahrscheinlich, dass wir es hier mit einer ›Legende‹ oder auch mit einer symbolischen Erzählung zu tun haben. Sehr viel plausibler ist, dass ein historisches Ereignis im Hintergrund steht, das sich während des Aufenthaltes des Paulus in Troas zugetragen hat. Der Verfasser des Doppelwerkes hätte diese Erzählung dann aus der ihm vorliegenden ›Wir-Quelle‹ aufgenommen und redaktionell bearbeitet. Durch die Hinzufügung von V. 12 (vgl. Schmithals 1982, 185) wird sie mit der Totenerweckungsgeschichte, die von Petrus bereits erzählt worden war (Apg 9,36-42), parallelisiert. Erst dadurch entsteht die vermeintliche Nähe zu den alttestamentlichen Totenerweckungserzählungen. Auch bei dieser Deutung, die sich literarkritisch und redaktionsgeschichtlich untermauern ließe, ist der Zusammenhang von Mahlgeschehen und Wunder entscheidend. Deutlicher zu akzentuieren ist aber wohl das Moment der Wortverkündigung des Paulus, vor allem im vorfindlichen literarischen Kontext. Die Miletrede, auf deren Bedeutung für die Eutychus-Erzählung im Kontext der Apostelgeschichte bereits hingewiesen wurde, sieht das Entscheidende des Wirkens des Paulus darin, dass er »das Evangelium von der Gnade Gottes« bezeugt hat (20,24), und die Ältesten aus Ephesus werden daran erinnert, dass er sich bei ihnen »die Gottesherrschaft verkündigend« aufgehalten hat (κηρύσσων τὴν βασιλείαν kēryssōn tēn basileian; 20,25). Dass Lukas dies als das Entscheidende der gesamten Wirksamkeit des Paulus ansieht, erhellt der Schluss der Apostelgeschichte, die mit genau jenen Worten endet: κηρύσσων τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ ἀκωλύτως (kēryssōn tēn 276

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basileian tou theou akōlytōs – er verkündigte die Gottesherrschaft ungehindert; Apg 28,31). Damit wird eine Inklusion zum Anfang der Apostelgeschichte hergestellt, wo Lukas die Selbsterschließung des Auferstandenen vor den Aposteln mit der Wendung λέγων τὰ περὶ τῆς βασιλείας (legōn ta peri tēs basileias – er redete die die Gottesherrschaft betreffenden Dinge; Apg 1,3, vgl. 28,23.31) umschreibt. Das Entscheidende an Paulus ist für Lukas, dass dieser das auf Jesus selbst zurückgehende Osterzeugnis, das die heilschaffende Bedeutung seines Lebens, Sterbens und Auferstehens benennt, als »dreizehnter Zeuge« (Burchard 1970, vgl. Apg 22,15; 26,16) bis in das Zentrum der damaligen Welt gebracht und so seine Ausweitung bis »an das Ende der Erde« (Apg 1,8; vgl. 13,47; Jes 49,6) initiiert hat. Die gegenwärtige Gemeinde lebt insofern vom paulinischen Zeugnis, als sie darin an der lebenschaffenden Kraft des Christusgeschehens auch nach dem Tod der Osterzeugen teilhat. Es gibt der Wortverkündigung der christlichen Gemeinde ihren Grund und benennt den Sinn des eucharistischen Mahles, in dem die Gemeinschaft mit dem Auferstandenen feiernd begangen wird. Die Auferweckung des Eutychus in Troas wird so zum Zeichen für das im Zeugnis präsente Christusgeschehen. Das Wunder, das Lukas in Apg 20,7-12 erzählt, entsteht aus einem Zusammenspiel von Tradition und Redaktion, das sich als ein Prozess theologischer Interpretation verstehen lässt. Sie enthebt den Sturz des Eutychus dessen, ein kurioses Faktum der Vergangenheit zu sein, und lässt den »Zwischenfall« zur Anrede an die Gemeinde werden, die sich durch diesen an das Osterzeugnis erinnern lässt.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Wie deutlich geworden ist, könnte hinter der Erzählung von Eutychus in Troas ein historisches Ereignis stehen, das von Lukas zu einer Wundererzählung behutsam ausgedeutet und für eine theologische Aussage dienstbar gemacht worden ist. Eine Aufnahme dieser Erzählung könnte in den Paulusakten vorliegen (Bovon 1981, 150; MacDonald 1994b, 10f.), die wohl in das letzte Drittel des 2. Jh. zu datieren sind. Im Bericht über das Martyrium des Paulus (MartPl 1) wird davon erzählt, wie Paulus in einer Scheune in Rom in einer christlichen Versammlung predigt. Zu dieser kommt auch ein Mann namens Patroklus, der als Mundschenk des Kaisers vorgestellt wird und sich aus Platzmangel an ein »hohes Fenster« setzt, »da er das Wort Gottes hören wollte«, und von dort herabstürzt (griechischer Text und deutsche Übersetzung bei Zwierlein 2010b, 426-431). Die Erzählung fährt fort: Da aber der böse Teufel eifersüchtig war auf die Liebe zum Herrn und auf die Rettung der Brüder, nickte Patroklus schläfrig ein, fiel vom Fenster hinab und gab seinen Geist auf, so dass sogleich von den Dienern sein Tod dem Nero gemeldet wurde. Aber Paulus verfolgte das Geschehen im Geiste mit und sprach: ›Männer, Brüder, es hat der Böse eine Gelegenheit gefunden, uns zu versuchen. Gehet hinaus und ihr werdet dort einen Diener finden, der zu Tode gestürzt ist und gerade sein Leben aushaucht. Ihn bringt zu mir.‹ Und sie gingen hinaus und brachten ihm den Diener. Bei seinem Anblick wurde die Menge erschüttert. Und Paulus sprach: ›Nun soll unser Glaube offenbar werden. Wohlauf, wir alle wollen zu unserem Herrn Jesus Christus unter Tränen flehen, dass

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dieser lebe und wir unbehelligt bleiben.‹ Und als alle zum Herrn beteten, erstand der Jüngling vom Tod und empfing seinen Lebensodem wieder. Sie richteten ihn auf und entließen ihn zusammen mit den übrigen Besuchern aus dem Haus des Kaisers (MartPl 1,4-7, Übersetzung nach Zwierlein 2010b, 427.429.431).

Ob sich eine literarische Abhängigkeit von der Eutychus-Erzählung annehmen lässt, ist umstritten (Schneemelcher 1964a, 249; Rordorf 1988, 234f.). Immerhin lässt sich auf einige Gemeinsamkeiten hinweisen, die bis zu bestimmten Formulierungen reichen (MacDonald 1994b, 10; vgl. ebd., Anm. 16). Auffällig ist, dass die Patroklus-Episode eine ganz ähnliche Spannung zwischen Totenerweckung und Bewahrungswunder aufweist, wie sie sich in Apg 20,7-12 beobachten ließ. So wird zunächst erzählt, dass Patroklus »seinen Geist ausgehaucht« habe, d.h. gestorben sei. Wenig später wird dann aber formuliert, dass er lediglich »bereits im Begriff« sei, »sein Leben auszuhauchen«. Die Schilderung der Auferweckung und vor allem das im folgenden Abschnitt formulierte Bekenntnis, dass Jesus Christus den Patroklus »vom Tode auferweckt« habe, lassen aber keinen Zweifel daran, dass hier eine Totenerweckung erzählt wird. Die Auferweckung des Patroklus wird zur Demonstration der Überlegenheit Jesu Christi, des »Königs der Äonen«, über den römischen Kaiser. Der Ort des Geschehens, die Person des Geheilten und auch die argumentative Ausrichtung der Erzählung sind gegenüber der Eutychus-Erzählung verändert. Dennoch lässt sich darauf hinweisen, dass die Patroklus-Episode einige »Leerstellen« von Apg 20,7-12 ausfüllt (zum Folgenden MacDonald 1994b, 10f.). So wird der Sitzplatz des jungen Mannes am Fenster damit begründet, dass dieser wegen der Volksmenge nicht zu Paulus hineingelangen konnte, und für den Sturz des Patroklus ist nicht der Schlaf verantwortlich, sondern der eifersüchtige Teufel. Auch die in der Auslegung der Eutychus-Geschichte diskutierte Frage, wohin der Auferweckte gebracht wird, wird geklärt: Er wird mit den anderen Leuten aus dem Haus des Kaisers fortgeschickt. Auffällig ist auch, dass nun das in Apg 20,7-12 fehlende Element des Gebets um Rettung eingefügt wird. Im Zusammenhang unserer Auslegung ist besonders prägnant, dass die möglicherweise inhaltlich unscharf bleibende Beschreibung der Rede des Paulus als »Wort« (ὁ λόγος ho logos) mit der Formulierung »das Wort der Wahrheit lehren« deutlich als Verkündigung der christlichen Heilsbotschaft gekennzeichnet wird. Tradiert wird hier nicht das historische Ereignis in Troas, sondern das Wunder der Auferweckung, das an das Ereignis eines ›Fenstersturzes‹ anknüpft. Die theologische Intention der Erzählung hat sich dabei deutlich verschoben. Wir haben von der Eutychus-Episode offensichtlich keine von Lukas unabhängigen historischen Erinnerungen. Als Ereignis der Vergangenheit bleibt sie im Dunklen, sie wird – wie schon bei Lukas, so erst recht in den Acta Pauli – zum Mittel einer theologischen Aussage, der das Wunder der Totenerweckung dienstbar gemacht wird. Weist sie für Lukas auf die lebensspendende Kraft des Osterzeugnisses hin, so wird sie im Kontext des Martyriumsberichtes des Paulus zur Demonstration der Überlegenheit Jesu Christi über die weltlichen Machthaber. Martin Bauspiess 278

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Literatur zum Weiterlesen C. Berthold, Eutychos, in: M. Keuchen et al. (Hg.), Die besten Nebenrollen. 50 Porträts biblischer Randfiguren, Leipzig 2006, 257-262. A. D. Bulley, Hanging in the Balance. A Semiotic Study of Acts 20,7-12, Église et Théologie 25 (1994), 171-188. S. M. Fischbach, Totenerweckungen. Zur Geschichte einer Gattung, fzb 69, Würzburg 1992, bes. 289-301. J. A. Glavic, Eutychus in Acts and in the Church. The Narrative Significance of Acts 20:6-12, BBR 24 (2014), 179-206. B. Kowalski, Der Fenstersturz in Troas (Apg 20,7-12), SNTU.A 30 (2005), 19-37. D. R. MacDonald, Luke’s Eutychus and Homer’s Elpenor: Acts 20:7-12 and Odyssey 10-12, The Journal of Higher Criticism 1 (1994b), 5-24. H.-J. Stipp, Vier Gestalten einer Totenerweckungserzählung (1Kön 1,17-24; 2Kön 4,8-37; Apg 9,36-42; Apg 20,7-12), Bib 80 (1999), 43-77. B. Trémel, A propos d’Actes 20.7-12. Puissance du thaumaturge ou de témoin?, RTP 112 (1980), 359-369.

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Schlange, Schuld und Schutz (Das Schlangenwunder auf Melite) Apg 28,1-6 (28,1) Und als wir gerettet waren, da erfuhren wir, dass die Insel Melite heißt/genannt wird. (2) Und die Barbaren bereiteten uns eine nicht gewöhnliche Menschenfreundlichkeit, denn nachdem sie ein Feuer angezündet hatten, holten sie uns alle heran wegen des einsetzenden Regens und wegen der Kälte. (3) Als aber Paulus eine Menge Reisig zusammenraffte und auf das Feuer legte, kam eine Schlange aus der Wärme heraus und biss sich an seiner Hand fest. (4) Als aber die Barbaren das von seiner Hand herabhängende Tier sahen, sagten sie zueinander: Gewiss, ein Mörder ist dieser Mensch, den, obwohl gerettet aus dem Meer, die Dike nicht leben lassen wollte. (5) Nachdem der aber nun das Tier ins Feuer abgeschüttelt hatte, erlitt er nichts Übles. (6) Die aber erwarteten, dass er anschwellen oder plötzlich tot umfallen werde. Als sie aber lange warteten und sahen, dass nichts Ungewöhnliches an ihm geschah, veränderten sie sich und sagten, dass er ein Gott sei.

Sprachlich-narratologische Analyse Sieben Erzählabschnitte oder Sequenzen lenken durch die Wundererzählung. Ineinandergreifende Satzanschlüsse mit Zeitadverbien und Diskursmarkern verleihen dem Text syntaktische Kohäsion. Semiotische Signale sorgen für semantische Kohärenz. Der Textauftakt mit dem Pronomen »wir« (V. 1) eröffnet dem (impliziten bzw. modellhaften) Leser sogleich die gewohnte Identifikation mit den bekannten Helden der Wir-Gruppe des Makrotextes »Taten der Apostel« (Apg 16,10 u.ö.). Steigt der Leser erst hier in den Text ein, wird die Identifikationsbindung durch Sympathie mit Geretteten erzielt. Mit den Barbaren wird eine bisher unbekannte Aktantengruppe unvermittelt eingeführt (V. 2). Zeitgenössisch ist die Bezeichnung ›Barbar‹ überwiegend negativ besetzt (s.u.). Daher muss die rhetorisch betonte »nicht gewöhnliche Menschenfreundlichkeit« auf den Leser verstörend wirken. Er kann überraschend in den Barbaren die Helferrolle erkennen. Zudem bleibt die Frage ihrer Heldenrolle noch offen. Paulus ist den Wir-Helden zugehörig und somit als Identifikationsangebot klar aufgebaut. Die Plotentfaltung unterstützt diese Identifikation, indem sie das gesamte Geschehen aus der Perspektive des Ich-Erzählers als Teil der Wir-Gruppe beleuchtet. Mit ihm sieht und hört der Leser, was die Aktanten tun oder was ihnen geschieht. In V. 3 legt der Lesende den Blick auf Paulus. Dessen Handlung des Feuerholzsammelns verstärkt die Sympathielenkung. Ein solcher Mensch führt nichts 280

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Böses im Schilde. Das Gegenteil gilt für die Schlange, die unter ihrer spezifischen Gattungsbezeichnung ἔχιδνα (echidna, V. 3) in die Handlung tritt. Sie drängt sich aufgrund starker negativer Assoziationen hinsichtlich der Giftigkeit beim Leser für die Gegnerrolle auf. Der Angriff der Schlange kommt völlig überraschend und konterkariert die bisherige Harmonie des Geschehens. Der Text legt dem Leser eine natürliche Erklärung des Schlangenangriffs nahe und gibt die Hitze des Feuers als Flucht- bzw. Angriffsursache des Tieres an. Mit dem Lexem ἔχιδνα (echidna) wird dem Leser nun das Signal einer bestimmten und damit nach allgemeiner antiker Vorstellung gewiss besonders giftigen Schlangenart angezeigt. Bevor dieser aber eine Unheilserwartung für das Leben des Helden vollständig aufbauen kann, springt die Erzählperspektive auf die Barbaren. Die mimetische Darstellung der direkten Rede steht im Zentrum des Plots und provoziert eine hohe Aufmerksamkeit (V. 4). Der Leser sieht sich nun mit den Äußerungen der Barbaren konfrontiert, die ein weiteres eigenes Nachsinnen über die Wirkung des Bisses zurücktreten lassen. Die entehrende Bezeichnung »Mörder« steht dem Bild des Lesers von Paulus diametral entgegen und die mythische Interpretation des Schlangenangriffs steht im Kontrast zur natürlichen Fluchtbzw. Angriffsbewegung des Tieres. Die Rede der Barbaren baut eine deutliche Distanz zum Leser auf. Der ›Barbar‹ erhält wieder seine negative Zuschreibung, gilt er doch nach antiker stereotyper Gruppenzuweisung als der Inbegriff des ungastlichen Fremden (Strab. geogr. 17,1). Die zunächst überraschende und verstörende Helferrolle der Barbaren ist zeitlich und situativ begrenzt und endet in V. 4. Der Leser wird nun nicht mehr wie die Barbaren den Tod des Helden erwarten. V. 5 entspricht dieser Lenkungsstrategie. Paulus schüttelt die Schlange einfach ab und bleibt unversehrt. Die Narratio entfaltet keinen spektakulären Wundervorgang. Kein Heilungsgestus, keine dämonische Beschwörungsformel im Namen Jesu werden geschildert. Die Situation am Strand von Melite stellt sich für den Leser so dar, dass er das Heilbleiben des Paulus nach dem Schlangenbiss zwar als wundersam einstufen kann, den Wundervorgang selbst aber nicht als etwas völlig Unerwartetes und als den eigenen Vorstellungen und Erwartungen widersprechenden Akt aufnehmen muss. Auf eine solche Erwartungshaltung trifft er aber bei den Barbaren. Deren Deutungen des Schlangenangriffs (V. 4) und des Unversehrtbleibens des Helden (V. 6) zeugen davon, dass sie den Vorgang als ein alle Erwartungen und Vorstellungen durchkreuzendes Wunder wahrnehmen. Der Leser ist so vor allem ein Beobachter fremden Staunens. Zusammen mit der Wir-Gruppe wird er den Reden und dem Staunen der Barbaren distanziert bzw. ablehnend begegnen. Sein eigenes mögliches Erstaunen ist somit auf den V. 5 begrenzt und mit ihm abgeschlossen. Anders die Barbaren. Das Heilbleiben des Helden durchbricht für sie sicher geglaubte Erfahrungsmuster und Vorstellungen von der Weltordnung. Ihr Erstaunen wird deshalb über den V. 6 narrativ gedehnt, in dem sie sich immer noch an ihre Erwartungen klammern. Zuletzt erfolgt dann der Meinungsumschwung. Er ist Ausdruck dafür, dass das Geschehen etwas so Wundersames repräsentiert, dass es nur mit der Präsenz einer verwandelten Gottheit in Gestalt des Paulus erklärt wer281

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den kann. Mit dem Blick auf die Barbaren endet der Plot. Der Leser erfährt das kommentarlose Hinnehmen der Akklamation durch Paulus an der Seite der WirGruppe. Die indirekte Rede hält ihn auf Distanz. Dies ist ein Signal dafür, dass die Akklamation nicht die Meinung der Wir-Helden widerspiegelt. Ein Harmonisierungsversuch wie in Lystra (Apg 14,15-17) bleibt aus. Es erfolgt kein diskursives Ringen um die richtige Wunderdeutung und damit auch keine Verkündigung des Evangeliums. Unmittelbarer Textbeginn und offen gehaltenes Ende verweisen den Leser an den rahmenden Makrotext. Das wundersame Heilbleiben ist auf Gottes Vorsehung zurückzuführen. Paulus erfährt die Bestätigung, dass er unter dem Schutz des einen Gottes steht. Die ihm in Visionen zugesagte Notwendigkeit, das Evangelium nach Rom zu tragen (Apg 27,24), erfüllt sich auf wunderbare Weise in der Gegenwart des Heils der angebrochenen Königsherrschaft Gottes.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Erzählabfolge des Plots rahmt das Wunderereignis des Heilbleibens des Helden (V. 5.6) mit zwei Deutungsmomenten, die den Barbaren zugeschrieben werden (V. 4.6). Als Barbaren galten in der Antike alle Menschen, die weder Griechisch noch Latein sprachen. Der von Lukas nur hier verwendete Terminus gibt realistisch das Lokalkolorit von Melite, dem heutigen Malta, wieder. Die These, dass Paulus in Wirklichkeit auf der westgriechischen Insel Kephallenia gestrandet sei (Warnecke 2000), konnte sich zu Recht nicht durchsetzen (Baslez 2009, 65). Bei den Barbaren handelte es sich um die ursprüngliche Punisch sprechende Bevölkerung der Insel. Latein war im 1. Jh. n. Chr. der römischen Oberschicht vorbehalten. Griechisch hingegen wurde auch im Volk gesprochen. Die fehlende Reaktion der Wir-Gruppe auf die Äußerungen der Barbaren (V. 6) ließe sich so mit der Sprachbarriere erklären. Allerdings funktionalisiert die Narratio das Schweigen der Wir-Helden für die Leserlenkung der Distanzierung und zeigt mit der Notiz des Nennens des Inselnamens in V. 1 eine durchaus mögliche Kommunikation mit den Barbaren an. Die Deutungen der Barbaren erhellen den paganen Dämonen- und Götterglauben des antiken Mittelmeerraumes. Für den heidnischen Menschen wird der βίος (bios) einer Person von zwei Größen bestimmt: der tugend- oder lasterhaften Lebensführung und dem Wirken des Schicksals. Für das Schicksal sind Dämonen zuständig. Als Wesen der himmlischen Sphäre treten sie dem Menschen zur Seite und beeinflussen seinen Lebenslauf zum Guten und zum Schlechten. Genau in diesem Gefälle des wechselhaften Geschicks interpretieren die Barbaren das Zubeißen der Schlange. Sie ist ein Werkzeug des Gerechtigkeitsdämons, der Dike (V. 4). Zuvor noch hat dämonisches Einwirken Paulus aus Seenot gerettet, nun stellt die personifizierte Gerechtigkeit mittels einer Schlange das Gleichgewicht durch Rächen der Schuld wieder her. Von der Wirksamkeit eines Schlangenangriffs war man allgemein überzeugt, galten Schlangen doch insgesamt als giftig. Über die physiologischen Wirkungen des Giftes auf den Menschen besaß die Antike fundierte Kenntnisse. 282

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Lukas beschreibt in V. 6 medizinisch zutreffend die von den Barbaren erwarteten Reaktionen beim Einsetzen des Giftes. Der Begriff ἔχιδνα (echidna, V. 3) weist zudem auf besondere Giftigkeit hin, wenn damit die nordafrikanische Sandrasselotter (Echis carunatis) gemeint ist. Sie könnte durchaus mit den Handelswaren auf die Insel gelangt sein (Apg 28,11), auf der ansonsten keine Giftschlangen heimisch sind. Das Heilbleiben des Paulus wird dann unter Rückgriff auf Vorstellungen von umherwandernden Göttern gedeutet. Ebenso wie mit der ständigen Möglichkeit des Eingreifens von Dämonen rechnete der pagane Mensch mit auf Erden wandelnden Göttern in Menschengestalt, die es zum eigenen Wohl zu erkennen galt. Als Metamorphose einer Gottheit konnte Paulus so in den Augen heidnischer Beobachter als der gegenüber Dämonen und ihren giftigen Werkzeugen Stärkere verstanden werden.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Lukas bettet das im historischen Raum-Zeit-Gefüge angesiedelte Ereignis vom Schlangenbiss in seine jesajanisch-deuteronomistische Geschichtstheologie von Heil und Unheil ein. Auf der Folie der Theolegumena von der ›erfüllten Zeit‹ und der ›angebrochenen Königsherrschaft Gottes‹ demonstriert das Wunder einmal mehr das seit der Geisttaufe Jesu (Lk 3,22) in der Gegenwart wirkende Heil. Anders als Johannes der Täufer zur Zeit seiner Bußpredigt (Lk 3,7; Mt 3,7) muss Paulus in der Verheißung der Vollmacht über Schlangen ihr Gift nicht mehr fürchten (Lk 10,19; Mk 16,18). Die Erzählung steht mit der formalen Motivkette Schiffbruch, Rettung an Land und Begegnung mit einer Giftschlange zudem in der Traditionslinie der griechischen Periplus-Literatur (Anth. Graec. 7,290), die vom Argonautenepos und der Odyssee begründet wurde (Kollmann 2000a, 91f.). Zahlreiche hier gebildete Topoi können als inhaltliche Analogien festgemacht werden: Inseln als Orte unfreiwilligen Aufenthalts des Helden (Hom. Od. 10,48f.), Gottheiten als Urheber des Aufenthaltes (Hom. Od. 10,563; 12,447f.), Inseln als Orte von Gefahren (Hom. Od. 10,236.290: Giftgebrauch!), Schutz der Götter vor diesen Gefahren (Hom. Od. 12,445), Inseln als Orte von Heil und Unheil (Hom. Od. 10,269), gegenläufige Interessen von Held und Inselbewohner (Hom. Od. 13,30) und göttliche Bestimmung des Helden vs. Verbleib auf der Insel (Hom. Od. 10,505; 13,121). Auf der Folie der Pythagorastradition grenzt Lukas Paulus von charismatischen Wundertätern der heidnischen Antike ab, deren Umgang mit Giftschlangen zum Erweis ihrer göttlichen Physis diente (Iamb. vit. Pyth. 28,142). Die Traditionslinie zu zeitgenössischen Wundertätern des Judentums wie Chanina ben Dosa wird durch die Herausnahme der Gebetshandlung zum Überstehen eines Schlangenbisses neu gestaltet (vgl. Kollmann 1996, 142f.).

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Interpretation einer antiken Wundererzählung ist das Produkt einer aktiven Tätigkeit des Lesers. Ihm stehen für den Dialog mit dem Text verschiedene Deutungshorizonte zur Verfügung. Im Folgenden soll ein Blick auf die rationalistische, mythische und religionsgeschichtlich-kerygmatische Verstehensmöglichkeit geworfen werden. Zur rationalistischen Deutung: Die narrative Analyse des Plots zeigte, dass das Überleben bzw. Heilbleiben des Paulus nach dem Schlangenbiss den Leser nicht zum aktiven Bestaunen eines Wunders führen muss. Er kann in der distanzierteren Beobachterrolle bleiben. Das Auslassen von Redeformeln oder Heilungsgesten seitens des Helden, die an anderen Stellen der Apostelgeschichte den Wundervorgang umreißen (z.B. Apg 14,9f.), unterstützt eine rationalistische und natürliche Deutung des Geschehens. Bereits die Ursache des Schlangenangriffs öffnet solche Interpretationslinien. Die Hitze des Feuers führte zur natürlichen Fluchtreaktion des Tieres. Paulus stellte sich beim Nachlegen des Brennholzes der Schlange arglos in den Fluchtweg, worauf diese in einem Verteidigungsverhalten zubiss und die ihr zugestreckte Hand des Helden erfasste. Dieser muss nun zumindest einen stechenden Bissschmerz verspürt haben, als er die Schlange an seiner Hand hängen sah. Daher schüttelte er sie mit einer für diese Situation völlig natürlichen Bewegung ab. Ganz anders als die zuschauenden Barbaren ordnete er das Geschehen als Unfall ein, wie er sich in der freien Natur bei Begegnungen mit wilden Tieren ergeben konnte. Auch geriet Paulus nicht in Panik oder nahm irgendeine Schutzmaßnahme wie das Absaugen oder Abbinden der betroffenen Stelle vor. Er ging offensichtlich nicht von einer Giftinjektion aus. Die Schlange biss sich zudem an seiner Hand fest, was ein Hinweis auf eine ungiftige Schlangenart ist. So stand für den Helden die Beseitigung des Bissschmerzes im Vordergrund, indem er die Schlange – was nahe lag – zurück ins Feuer schleuderte, so dass sie auch keinem weiteren Menschen Schmerz zufügen konnte. Genau wie die erste Reaktion der Barbaren (V. 4) lässt Paulus auch deren Meinungsänderung (V. 6) kommentar- und widerspruchslos verstreichen, weil er aufgrund seiner eigenen natürlichen Deutung des Schlangenangriffs keine Erklärungen oder Richtigstellungen für nötig hielt. Er wusste, dass hier kein Wirken des Heiligen Geistes stattfinden musste, und brauchte deshalb auch nicht als Zeuge des Evangeliums Gottes aufzutreten. Die Stärke der rationalistischen Deutung liegt für den Leser im Harmonisierungseffekt von narrativen Angeboten und kritischdistanziertem Wunderverständnis. Die Erzählung lässt sich sinnstiftend als Teil der erfolgreichen Geschichte der jungen Kirche lesen, ohne dem Leser die Aktivierung eines Wunderglaubens abzufordern. Zur mythischen Deutung: Wie bereits die Verwendung von Proömien zur Eröffnung der zusammenhängenden Schriften ›Evangelium‹ und ›Taten der Apostel‹ zeigt, tritt Lukas im Selbstverständnis eines hellenistischen Schriftstellers auf. Er wählt bewusst die Gattungen »bios« und »historia« als Analogiefolien für die Darstellung des Lebens Jesu im Evangelium (Wördemann 2002, 49) und der Ausbrei284

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tung des Evangeliums in der Apostelgeschichte (Holzbach 2006, 296). Obwohl wir es mit der Absicht zu tun haben, somit auch den Text Apg 28,1-6 als geschichtliches Ereignis zu lesen, schließt sich eine mythische Wunderinterpretation des Überlebens des Schlangenangriffs nicht aus. Für die Antike läuft der Mythos auch nach der Erfindung der pragmatischen Geschichtsschreibung nicht ins Leere. Als »didaktischer Logos« (Schmitt 2002, 309) erklärt er nicht im Modus der Fiktivität, sondern der Fiktionalität. Der mit der deuteronomistischen Geschichtstheologie des AT vertraute Leser sieht ebenfalls keine Opposition von Historie und Mythos. So verweist in unserem Text die wundersame Heilung des Paulus auf die theologische Dimension der Geschichte, die Lukas in Weiterführung der deuteronomistischen Linie (Taxacher 2010, 147) als Verbreitung des Wortes Gottes entfaltet (z.B. Apg 13,49). Bildspender ist sicherlich Jesaja: »Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist« (Jes 11,8f.). Paulus erfüllt den Willen Gottes. Die prophetische Zusage des Heils kann sich daher an ihm erfüllen. Die weitere Entfaltung des göttlichen Plans (Apg 27,24) ist für die Generation nach den Aposteln gesichert. Die Heilsgeschichte im Evangelium Gottes erweist sich auch im Handeln des Paulus. Gelenkt von Visionen und vom Heiligen Geist und daher im strengen Kontrast zur Deutung der Barbaren (V. 4) ohne Verbrechen braucht er von der Natur gestellte Gefahren nicht mehr zu fürchten. Nicht das für die Antike im Allgemeinen unzweifelbare Faktum des todbringenden Giftes einer Schlange bestimmt über den Verlauf der Geschichte, sondern die im Heiligen Geist wirkende Kraft des einen Gottes, die hier auf Melite ihre immer wieder mögliche Wirkung und Fortsetzung erfährt. Die mythische Interpretation kann den Leser im Umfeld von offenkundig natürlich und eben totsicher eintretenden Ereignissen und Wirkungen auf die Möglichkeit hin befragen, ob er der Heilszusage Gottes eine solche Prozesse durchkreuzende Kraft zutraut. Zur religionsgeschichtlich-kerygmatischen Deutung: Formgeschichtlich gehört die Schlangenszene in den hellenistischen Kontext. Sie zeigt das dreiteilige Episodenschema antiker Wundererzählungen (V. 3.5.6), wobei sie durch die Verse 1.2.4 und 6 so erweitert wurde, dass nicht der Wundervorgang das thematische Zentrum bildet, sondern dessen Deutungen im Fokus stehen (Dibelius 1968, 15). Die Erzählung dient dem lukanischen Paulusbild (Mußner 1999, 155). Es gehört zum Standardrepertoire antiker literarischer Porträts idealer Menschen wie Philosophen oder Staatsmänner, dass sie beim Verfolgen ihrer Ziele auch unter größten Gefahren in wunderbarer Weise Heil erfahren, weil eine Gottheit oder ein Dämon ihnen Schutz bietet, sofern sie gerecht und tugendhaft leben (Dormeyer 1999, 123-157). Der erzählerische Umschwung der Deutung des Schlangenbisses durch die Barbaren erhellt diese Hintergründe. So ist auch für Lukas selbstverständlich, dass sein Held Paulus sich mit wundertätigen paganen Gestalten messen kann und durch das Schlangenwunder seine Gerechtigkeit und die Wirksamkeit seiner Schutzinstanz beweist. Die sparsame Narratio des Heilungsgeschehens lässt erahnen, dass es beim 285

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Erzählen des Wunders auf dessen Verweischarakter ankommt. Es manifestiert die Schuldlosigkeit des Helden und die Verlässlichkeit des Glaubens an den von dem einen Gott zugesagten Schutz beim Verfolgen des göttlichen Geschichtsplans (anders Dibelius 1968, 15: »eine religiöse Pointe […] fehlt völlig«). Die religionsgeschichtlich-kerygmatische Interpretation der Wundererzählung öffnet den Leser für den Verstehenshorizont des Verfassers. Die hinweisende Funktion des Wunders auf die Rechtschaffenheit des Evangelium Gottes und seiner Verkünder befragt den Leser, inwieweit er dieses Vertrauen auf Gottes Zusage auch seinen Wegen zugrunde legt.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Der Schlangenbiss auf Melite hinterließ nur eine geringe Wirkung auf die inhaltliche und formale Gestaltung späterer christlicher Literatur. Irenäus von Lyon (2. Jh.) stellt in seiner »Entlarvung und Widerlegung der falschen Gnosis« die Glaubwürdigkeit des lk Reiseberichts heraus und erwähnt in diesem Kontext die Menschenfreundlichkeit der Einwohner Melites. Auf den Schlangenangriff geht er nicht ein (Iren. haer. 3,14,20-25). Die Acta Pauli des griechischen Papyrus Hamburgensis (300) greifen zwar Motive der lukanischen Romreise auf, lassen jedoch sowohl den Schiffbruch als auch den Schlangenbiss aus (ActPl 12,2; P.Hamb. 6,16-20). Cyrill von Jerusalem († 386) führt in seinen Katechesen für die Taufbewerber die Unversehrtheit des Paulus »trotz eines Natternbisses« auf das Wirken des Heiligen Geistes zurück (Cyr. catech. 17,31), ohne das Ereignis explizit als Wunder zu bezeichnen. In der die Gattung ›Heiligenlegende‹ prägenden Vita S. Antonii von Athanasius (295-373) wird ein Schlangenangriff zum Topos der Versuchungsgeschichte in Form eines Dämonenkampfes. Als verwandelter Dämon des Satans prüft die Schlange die Glaubensstärke des Helden (Ath. vit. Ant. 9,89-91): »Denn leicht ist es für den Teufel, alle möglichen Gestalten der Sünde anzunehmen […] Dazu verwandeln sich die Dämonen in die Gestalten von […] Schlangen«. Die Metamorphose des Dämons als Testfall für die Lebensführung des Helden wird aufgegriffen. Wie Paulus übersteht auch Antonius den Angriff »ohne Zittern« (Ath. vit. Ant. 9,89-91). Das Altarbild des Isenheimer Altars zeigt diesen Kampf in einer Landschaft von Chaos, Gewalt und Zerstörung. Die Perspektive ist nun christlich. Aus dem heidnischen Blick auf den externen Überraschungsangriff des Rachedämons der Dike wird ein Sinnbild des inneren Willenkampfes mit dem Bösen selbst (Dassmann 2011, 58). Aufgrund der einer dämonologischen Interpretation der Schlange durchaus entgegenwirkenden Narratio von Apg 28,1-6 bot sich eine Begegnung mit dem natürlichen Tier als Topos für die Wundererzählungen der Heiligenvita aber offenbar nicht an. Da der Schlangenbiss die visuell eindrucksvollste Episode des Apg 28,1-10 geschilderten Maltaaufenthalts von Paulus darstellt, wurde er im 16. und 17. Jh. angesichts seiner dramatischen Qualitäten zu einem beliebten Motiv von Malern und Buchillustratoren (Freller 2004, 149-151). In den Predigten des Johannes Chrysostomos (344/54-407) zur Apostelgeschichte schiebt sich – stärker als bei Irenäus – die »nicht gewöhnliche Menschen286

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freundlichkeit« (V. 2) der Barbaren in den Vordergrund (Chrys. hom. in Ac. 54). Die Unversehrtheit des Paulus merkt Chrysostomos in antiker Vorstellung von der Giftigkeit einer Schlange fast beiläufig als Wunder an. Im Zentrum der Predigt steht die Hervorhebung der Barbaren als Vorbilder einer bedingungslosen Hilfsbereitschaft, die sogar Christen beschämen könne. Insbesondere setzten sie sich darin aber von den Juden und paganen Philosophen ab. Gegenüber den Juden zeichne sie aus, dass sie Paulus nicht mit Bedrohung und Verfolgung begegnen. Den Philosophen haben sie voraus, dass sie immer und überall mit Gottes wirkender Gegenwart rechneten. So spreche auch die Verurteilung des Paulus als Mörder nicht gegen ihre Menschenfreundlichkeit, weil sie ihren Grund in der Vorstellung einer göttlichen Vorsehung habe. Selbst die Vollstreckung der Vorsehung durch den Schlangenbiss haben sie ruhig abgewartet, ohne Paulus etwas anzutun. Ihre Akklamation der Göttlichkeit des Paulus kommentiert Chrysostomos knapp als Ausschweifung. Der Schlangenangriff auf Melite war neben der eher naturalistischen Darstellung des Lukas möglicherweise auch durch diesen narrativ offen gehaltenen Plotausgang zur Ausgestaltung des Wundertäterprofils des Paulus weniger geeignet. Dirk Wördemann

Literatur zum Weiterlesen M.-F. Baslez, Paulus auf Malta. Zwischen Utopie und Hoffnung, WUB 1 (2009), 65-67. J. Börstinghaus, Sturmfahrt und Schiffbruch. Zur lukanischen Verwendung eines literarischen Topos in Apostelgeschichte 27,1-28,6, WUNT 2/274, Tübingen 2010. J. Clabeaux, The Story of the Maltese Viper and Luke’s Apology for Paul, CBQ 67 (2005), 604-610. T. Freller, ›(...) Et cum evasissemus, tunc cognovimus quia Melita insula vocabatur.‹ Der Schiffbruch des Hl. Paulus auf ›Melita‹ und die Installation eines Kults, ZKG 115 (2004), 117-163. M. Hesemann, Paulus von Tarsus. Archäologen auf den Spuren des Völkerapostels, Augsburg 2008, 206-220. J. W. Jipp, Divine Visitations and Hospitality to Strangers in Luke-Acts. An Interpretation of the Malta Episode in Acts 28:1-10, NT.S 153, Leiden 2013. H. Warnecke, Paulus im Sturm. Über den Schiffbruch der Exegese und die Rettung des Apostels auf Kephallenia, Nürnberg 22000.

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Der jüdische Häftling und der edle Römer (Die Heilungen im Hause des Publius auf Malta) Apg 28,7-10 (28,7) In der Nähe jenes Ortes lagen Ländereien, die dem Ersten der Insel namens Publius gehörten. Der empfing uns und gewährte uns gütig drei Tage Gastfreundschaft. (8) Der Vater des Publius lag unter Fieberanfällen verbunden mit Durchfall danieder. Zu dem ging Paulus hinein, betete, legte ihm die Hände auf und machte ihn gesund. (9) Nachdem dies geschehen war, kamen auch die Übrigen, die auf der Insel Krankheiten hatten, und sie wurden geheilt. (10) Die nun ehrten uns mit vielen Ehrerweisen und als wir aufbrachen, gab man uns das, was wir benötigten.

Sprachlich-narratologische Analyse In Apg 28,1-10 sind zwei Wunderepisoden in den Bericht von der Verschleppung des Paulus nach Rom eingebettet. Innerhalb dieses Abschnittes erfolgt mehrfach der Wechsel von der 3. Pers. Sg. zur 1. Pers. Pl. (28,1f.7.10). Der Leser oder die Leserin erhält den Eindruck, dass der Erzähler an der Reise beteiligt ist und während der Wunderepisoden als Zeuge berichtet (Eisen 2006, 97). Harnack (1906a, 11f.) identifizierte den Erzähler mit Lukas, dem Arzt (Kol 4,14), der auf Malta gemeinsam mit Paulus die Heilungen vorgenommen habe. Der Text selbst will nicht den Eindruck erwecken, dass ein anderer als Paulus selbst die Heilungen bewirkt hätte (Conzelmann 1972, 157; Schille 1984, 473). Der erläuterte Befund erlaubt eine plausible quellenkritische Deutung. In den Romreisebericht (Apg 27,1-28,31), dessen Grundbestand womöglich eher auf den Reisebegleiter und Mithäftling Aristarch (Apg 27,2) als auf Lukas zurückgeht (Roloff 2010, 358f.365), wurden zwei Wunderepisoden integriert (Rahmen: 28,1f.7*.10b; Episoden: 28,3-6.7*-10a), die wiederum aus maltesischer Lokaltradition stammen könnten (Zmijewski 1994, 869). Der ganze Abschnitt 28,1-10 wurde aber auch intensiv überarbeitet, worauf einige lukanische Vorzugsvokabeln und die Übereinstimmungen mit Lk 4,38-41 hinweisen (Kirchschläger 1979, 511f.; Pesch 2003, 296; Weiser 1985, 667f.). Formgeschichtlich kann man noch zwischen der Fieberheilung (Apg 28,8) und dem Heilungssummar (Apg 28,9) unterscheiden. Die erste Episode ist durch die Motive Strandung und Schlangenbiss so dramatisch gestaltet, dass man hier die gesteigerte Freude am Wunderbaren erkennt, die für die apokryphen Apostelakten charakteristisch ist (Pervo 1987, 65). Der Beginn der zweiten Wunderepisode ist durch den Orts- und Personenwechsel vom Strand in die Villa und von den Barbaren zu dem römischen Inselnotablen deutlich markiert. Sie 288

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ist zwar in ihrem Plot, in dessen Zentrum eine Fieberheilung durch Handauflegung und Gebet steht, weniger dramatisch, sie zieht aber die Aufmerksamkeit der antiken Leser(innen) und Hörer(innen) aus der Jesusgemeinschaft dadurch auf sich, dass sie die sozialen Rollen der Erzählfiguren in einen scharfen Kontrast zueinander stellt. Auf der einen Seite steht der jüdische Häftling Paulus, der gerade erst der doppelten Lebensgefahr durch Schiffbruch und Schlangenbiss entronnen ist (Apg 27,44; 28,3), auf der anderen Publius, der Angehörige der römischen Provinzialelite, der »Erste der Insel Melite«, und dazwischen die übrigen Kranken der Insel. Der Titel des Publius ist inschriftlich belegt für die Zeit des Tiberius in IG XIV 601: πρῶτος Μελιταίων καὶ πάτρων (prōtos Melitaiōn kai patrōn ‒ der Erste [= Edelste] und der Patron der Bewohner von Melite; Ashby 1915, 26) und CIL 10,7495: municipi Melitensium primus omnium. Dieser »Erste« (primus bzw. πρῶτος prōtos) war der Repräsentant der provinzialrömischen Elite (zum Elitebegriff vgl. Goodman 2007, 330-365) und stand an der Spitze der insularen Oberschicht (honestiores ‒ Vornehme). Der »Erste« der römischen Bürgergemeinschaft der Meliter erhielt diesen Titel mit Zustimmung des Prokonsuls der römischen Provinz Sizilien, zu der die Insel seit 218 v. Chr. gehörte, und hatte besondere Loyalitätserweise gegenüber dem römischen Imperium zu erbringen, was sich nicht zuletzt in der Wahrnehmung kultischer Funktionen im Kaiserkult ausdrückte, wie ebenfalls inschriftlich belegt ist, IG XIV 601: ἀμφιπολεύσας θεῷ Αὐγουστῳ; amphipoleusas theō Augoustō ‒ »er diente [als Priester] dem Gott Augustus« (Ashby 1915, 26f.; Schille 1984, 472; Suhl 1992, 220-224). Publius besaß offensichtlich ausgedehnte Ländereien (χωρία chōria), die man sich als Landgut mit einer zentralen villa vorstellen muss (Safrai 1994, 82) und für die es auf Malta zahlreiche Beispiele gibt (Claridge 1976, 569). In einer solchen villa lebte er vermutlich zu den Zeiten, in denen seine Anwesenheit am gleichnamigen zentralen Ort der Insel Melite nicht nötig war. Der primus gehörte nun auch derjenigen Gesellschaftsschicht an, von der man Freigebigkeit für die Insel und deren Bewohner erwartete, auf die diese dann wiederum mit Ehrerbietungen und Statusprivilegien antworteten. Dieser »Euergetismus« gilt als eine der grundlegenden reziproken Sozialbeziehungen antiker Gesellschaften (Veyne 1992, 22; vgl. Pervo 2009, 672). Publius begegnete dem schiffbrüchigen Paulus und seinen Begleitern (»uns«) als ein solcher Euerget (Wohltäter), indem er ihnen »gütig« (φιλοφρόνως philophronōs) Gastfreundschaft gewährte (ξενίζειν xenizein), von einem Zwang zu einer solchen Handlung ist nicht die Rede (vgl. Riemer 2005, 253f.). Die den Status des Wohltäters bestätigende reziproke Handlung war der Dank und die Beteuerung, dass man sobald als möglich diese Wohltat erwidern werde (Bormann 1995, 173f.). Paulus nun reagierte auf die Gastfreundschaft mit der Heilung des Vaters. An die Heilung schließt sich ein Sammelbericht an: Alle Inselbewohner, die Krankheiten hatten, kamen zu Paulus und wurden geheilt. Auf diese Wohltat des Paulus wiederum reagierten die Kranken der Insel, möglicherweise die ganze Inselgemeinschaft (Harnack 1906a, 43), im Rahmen der reziproken Sozialbeziehung mit Ehrerweisen. Die Formen, in denen sie Paulus »mit vielen Ehrungen ehrten« 289

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Die Wundererzählungen in der Apostelgeschichte

(πολλαῖς τιμαῖς τιμᾶν pollais timais timan) oder gar »huldigten«, werden nicht näher geschildert. An die Stelle des primus der Insel als Euerget und Empfänger von Huldigungen treten Paulus und seine Begleiter (»uns«). Der schiffbrüchige Jude verlässt als der wahre Euerget die Insel. Die kurze Erzählung ist zwar auf die wunderbaren Heilungen fokussiert, aber die soziale Konstellation, die die Wunderhandlung rahmt, ist ebenso bedeutsam. Die »Ehre« (τιμή timē), die eigentlich dem Edelsten (πρῶτος prōtos) der Insel zukommt, erhalten nun die Schiffbrüchigen. Die soziale Ordnung wird neu strukturiert. Schließlich ist auch noch darauf zu verweisen, dass die Episoden im Horizont der Gesamterzählung der Apostelgeschichte an einem besonderen Ort stehen. Malta ist die letzte näher geschilderte Zwischenstation, bevor Paulus über Syrakus, Rhegium und Puteoli nach Rom gelangt. Die Heilungen auf Melite stellen damit das letzte Wunder des Paulus in der Apostelgeschichte dar.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Ein wichtiger Deutungshintergrund der Erzählung ist die Philoxenie, die soziale Konvention der Gastfreundschaft (Pervo 2009, 672). Die Frist der »drei Tage« entspricht einer ihrer Grundregeln (Hiltbrunner 2005, 11.31). Die Leser(innen) und Hörer(innen) der Apg wissen zwar, dass Paulus beständig Interesse bei den Vertretern der provinzialen Elite weckt (von Sergius Paulus bis Berenike), aber der Erweis »gütiger« Gastfreundschaft durch einen Angehörigen der römischen Elite für einen Häftling ist auch für sie neu. Ein schiffbrüchiger Gefangener gehört nicht in das Haus eines Vertreters der römischen Elite, schon gar nicht als ein geehrter Gast. Damit nicht genug, Paulus macht nun auch noch dem Edelsten der Insel den ersten Rang im Rahmen des römisch-hellenistischen Euergetismus streitig, indem er selbst zum Wohltäter an allen Kranken der Insel wird. Die Gastfreundschaftsszene als Motiv der antiken Literatur erzeugt eine Lesererwartung, mit der bereits in Homers Odyssee mehrfach kunstvoll gespielt wird (Reece 1993, 189-206). Der gestrandete Odysseus findet Aufnahme und nach der Befriedigung seiner elementarsten Bedürfnisse steht die Erwartung im Raum, dass der zum Gast gewordene Fremde nun auch etwas von sich preisgibt, indem er erzählt. Der Erzähler der Apostelgeschichte ersetzt den an dieser Stelle zu erwartenden Reisebericht des Fremden durch eine Wunderhandlung. Er nutzt dabei die Technik der Mimesis, der kreativen Nachahmung, die bereits in der Odyssee begegnet. Die sich wiederholenden Szenen stehen zueinander in Beziehung und werden imitierend und kontrastierend weiterentwickelt. Die durch eine Gastfreundschaftsszene gerahmte Heilung eines fieberkranken Familienangehörigen mit anschließendem Heilungssummar in Apg 28,8-10 steht in Beziehung zu Lk 4,38f., der gastlichen Aufnahme Jesu im Haus des Petrus mit der Heilung der an Fieber erkrankten Schwiegermutter des Petrus, und zu dem Summar in 4,40f. In der Exegese wird immer wieder vermerkt, dass der dreimonatige Aufent290

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halt auf Malta keine Notiz über eine Verkündigung durch Paulus enthält. Auf Malta entsteht keine Gemeinde (Bauernfeind 1939, 276; Roloff 2010, 367). Das fällt umso mehr auf, als in der Aussendungsrede Lk 10,3-12 und in den entsprechenden narrativen Passagen des lukanischen Schrifttums die gastfreundliche Aufnahme des Wandermissionars und die Annahme seiner Botschaft sachlich und terminologisch miteinander verbunden sind (Tannehill 1986, 235). Als Erklärung für diesen Sachverhalt dienen entweder die bloße Historizität (Roloff 2010, 367; Pesch 2003, 300) oder der für die Apostelgeschichte leitende missionstheologische Gesichtspunkt, nach dem Paulus das Evangelium immer erst an Juden verkündige (Jervell 1998, 617), oder aber der Gedanke, es solle die universale Fürsorge auch gegenüber Ungläubigen betont werden (Pervo 2009, 676). Von einer Heilung durch Gebet und Handauflegung wird im Neuen Testament an keiner anderen Stelle berichtet. Die Einzelmotive, Gebet und Berührung, sind allerdings alles andere als ungewöhnlich (Mk 1,41; Mt 17,21 u.ö.). Die Bezeichnung der Krankheit als Fieber (πυρετός pyretos), verbunden mit Diarrhoe/Durchfall (δυσεντερία dysenteria) weist im antiken Kontext mit größerer Wahrscheinlichkeit auf eine nicht akut lebensbedrohliche Krankheit hin (Leven 2005, 222). Das verwendete Wort δυσεντερία (dysenteria) kann aber auch eine Darmerkrankung meinen, die mit Durchfall, Geschwürbildung im Darm und blutigen Exkrementen verbunden ist und »häufig tödlich und in allen Fällen langwierig« war (Leven 2005, 238). Für die Erzählung ist die Art der Erkrankung nicht von besonderer Bedeutung, wie ja auch ihr Fortgang deutlich macht. Nach der Heilung des Vaters des Publius kommen schließlich alle übrigen Inselbewohner mit ihren vielfältigen Erkrankungen (ἀσθένεια astheneia) zu Paulus und werden geheilt.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Für eine Heilung durch Gebet und Handauflegung gibt es auch in der hebräischen Bibel kein direktes Vorbild (Fitzmyer 1998, 784). Die nächste Parallele bietet die Septuagintafassung der Totenerweckung durch Elisa in 2 Kön 4,33f., die die gleichen Verben verwendet wie Apg 28,8. Elisa sei »hineingegangen« (εἰσέρχεσθαι eis-erchesthai), habe »gebetet« (προσεύχεσθαι proseuchesthai) und habe Mund, Auge und Hände auf die des toten Knaben »aufgelegt« (τιθέναι ἐπί tithenai epi). Im Genesis-Apokryphon, einer parabiblischen Schrift, die die Erzählungen der Genesis eigenständig neu erzählt (Becker 2010, 101), findet sich etwas Vergleichbares (Becker 2002, 146148; Koskenniemi 2005, 181). Dort wird von Abraham berichtet, er habe den Pharao auf diese Weise geheilt: »… Und ich [Abram] betete für ihn zu seiner Heilung und legte meine Hände auf sein Haupt, und die Plage wurde von ihm entfernt und der böse Geist ihm ausgetrieben und er wurde wiederhergestellt« (1QApGenar 20,28-29 nach Beyer 1984, 177). Der babylonische Talmud wiederum erzählt von Hanina ben Dosa, einem der galiläischen Wunderrabbis, er habe durch ein Gebet ohne Kontakt zu dem Fieberkranken die Heilung bewirkt (bBer 34b). Der spätere Rabbinismus 291

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machte aus den souveränen charismatischen Einzelgestalten Beter, deren Macht auf der Gebetserhörung durch Gott beruhte (Becker 2002, 435). Eine ähnliche Tendenz wird man auch in Apg 28,8 sehen dürfen. Durch das Gebet wird Paulus rückgebunden an Gott und es wird der Eindruck vermieden, dass hier eine autonome besondere Kraft am Wirken sei. Das Gebet sozialisiert das Wunder, weil es die Wundermacht nicht auf den Wundertäter, sondern auf Gott zurückführt, der von jedem im Gebet angerufen werden kann (Becker 2002, 220-222).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Rationalistische Deutungen neutestamentlicher Wundererzählungen machen auf Sachverhalte aufmerksam, die dem berichteten Geschehen einige historische und medizinische Plausibilität verleihen. Die Heilungen von Fieber, Durchfall und vielen anderen Krankheiten, die hier durch Paulus vollzogen werden, sind ohne Zweifel erstaunlich, andererseits sprengen sie aber nicht den Rahmen des Vertrauten. In Gesellschaften ohne wissenschaftliche Medizin und bei Krankheiten, für die es keine wirksamen Therapieformen gibt, vertrauen bis heute viele Menschen auf die Wirkung von Handauflegung und Gebet. Die Annahme psychosomatischer Ursachen, Spontanheilungen und der Placebo-Effekt, unterstützt vom Vertrauen in die heilende Kraft der Hände des Apostels, reichen als Erklärungen für die Heilungen aus (Weiser 1985, 670; Zmijewski 1994, 871f.; Kollmann 2000a, 95). Eine Deutung, die an der Faktizität des Geschehens festhalten möchte, kann dann noch die Vermutung ergänzen, dass Lukas, der Reisebegleiter des Paulus und Arzt, bei der Heilung der »übrigen« Kranken mitgewirkt habe (Harnack 1906a, 11f.). Die Formgeschichte hingegen betont, dass die berichteten Wunderhandlungen durch die literarische Gestaltung zu Wundererzählungen werden, die als Erzählungen wiederum eigene Ziele verfolgen, nämlich Ausdruck des Selbstverständnisses einer religiösen Gemeinschaft zu sein. In der religionsgeschichtlichen Perspektive wiederum deutet man die Wundererzählungen als eine Form der antiken religiösen Propaganda. Dabei spielte in der älteren Forschung das Konzept des »göttlichen Menschen« (theios aner) eine große Rolle (Conzelmann 1963, 157; Roloff 2010, 365). Paulus werde gerade in der Apostelgeschichte an die antike Vorstellung des außergewöhnlichen, nämlich »göttlichen« Menschen angepasst. Diese Helden der antiken Religionsgeschichte überzeugten durch ihre religiöse Leistungsfähigkeit. Das Gebet des Paulus ist dann nicht als Rückbindung an Gott, sondern als intensive Gebetskraft des Apostels zu interpretieren. Das Ausbleiben der Verkündigung unterstreicht nochmals das Motiv, nach dem der »göttliche Mensch« nicht durch eine Botschaft, sondern durch wunderbare Fähigkeiten beeindruckt. Untersuchungen, die stärker den jüdischen Kontext des lukanischen Schrifttums hervorheben, erklären das Fehlen der Predigt damit, dass in der Apostelgeschichte das Evangelium grundsätzlich zunächst an Juden, dann an all diejenigen Nichtjuden, die mit dem Judentum sympathisieren, und nur in diesem Zusammenhang auch an Nichtjuden 292

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verkündigt wird. Der Paulus der Apostelgeschichte predigt keinen »reinen Heiden« (Jervell 1998, 617). Apg 28,7-10 wirft aber auch sozialgeschichtliche Fragen auf. Zunächst sticht der berichtete Statuswechsel ins Auge, der im Rahmen des römisch-hellenistischen Euergetismus, dessen soziale Funktion ja eigentlich in der Statusbestätigung der Elite besteht, vollzogen wird. Diese soziale und politische Dimension ist für den »postcolonial biblical criticism« von besonderer Bedeutung (vgl. Segovia/Sugirtharajah 2007). Der »postkoloniale Blick« (Sugirtharajah 2003, 168: »postcolonial gaze«) als exegetische Perspektive interessiert sich vor allem für das subversive Potenzial biblischer Texte. Subversion meint mehr als Kritik: »subversion means a state of war and a determination of eliminating the enemy – or at least his power« (Sugirtharajah 2003, 177). Nun wird das lukanische Schrifttum oft als apologetisch, jenseitsorientiert und sozialaffirmativ interpretiert (Schnelle 2007, 473-476; Wolter 2006, 176). Tatsächlich integriert es beständig Vertreter/innen der antiken Eliten in seine erzählte Welt und erfüllt dadurch deren Erwartung auf Statusbestätigung (Pervo 2009, 672). Es zeichnet aber gerade so das breite Spektrum zwischen Kollaboration und Widerstand nach, durch das auch moderne Gesellschaften charakterisiert sind. Die lebensgeschichtlichen Ambivalenzen, die durch die Überschreitung kultureller, religiöser und politischer Grenzen entstehen und die zu sogenannten hybriden Existenzen führen, werden exemplarisch in der Biographie des römischen Bürgers, beschnittenen Juden und Apostels Jesu Christi, Paulus, thematisiert. Diese Thematisierung ist die Voraussetzung für die subversive Inszenierung des Politischen im Sinne einer besonderen Qualität des Handelns autonomer Subjekte (Bormann 2011, 107f.), die für das lukanische Schrifttum charakteristisch ist (Burrus 2007, 139). Für Apg 28,710 bedeutet das: Die durch Krankheiten marginalisierten Inselbewohner ersetzen den vom römischen Prokonsul eingesetzten und durch seinen Besitz legitimierten »Ersten der Insel« durch den von Gott eingesetzten und durch die Ehrerweise der Geheilten legitimierten Apostel.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte J. Roloff nennt das letzte Wunder des Paulus in Apg 28,7-9 ein »Spiegelbild des ersten Wunders Jesu« in Lk 4,38-41 (Roloff 2010, 366). Tatsächlich stehen sich die beiden Heilungen im Rahmen praktizierter Gastfreundschaft in Aufbau und Wortlaut sehr nahe, aber die Unterschiede sind ebenso bedeutsam. Es handelt sich um eine kreative Nachbildung (Mimesis) und nicht um ein Spiegelbild. Zum Verständnis von Lk 4,38-41 kann man die Parallele in Mk 1,29-31, die im Rahmen der Zweiquellentheorie als Vorlage gilt, heranziehen. Ohne auf die Details hier eingehen zu können, sei zumindest der wichtigste Unterschied hervorgehoben. In Lk 4,38-41 wird gegenüber Mk 1,29-31 die Bedeutung der fremden Macht gesteigert. Jesus »bedroht« das Fieber und im Summar 4,41 ist davon die Rede, dass viele Dämonen ausfahren. Führt man 293

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diese Diskrepanz zwischen Mk und Lk auf die redaktionelle Tätigkeit des Verfassers zurück, dann fällt besonders auf, dass Lukas in Apg 28,7-9 einen anderen Weg der Überarbeitung der Tradition geht. Weder ist irgendeine der genannten Krankheiten von Dämonen verursacht, noch spielen Dämonen überhaupt eine Rolle (Kirchschläger 1979, 516-521). Vielmehr wird die Heilungserzählung durch das Motiv des Gebets in ein besonderes Licht gestellt. An die Stelle des vollmächtigen Exorzisten Jesus tritt der Apostel Paulus, der die Wirkkraft seiner Hände durch das Gebet und das heißt von Gott erhält. Die Wunderepisode ermutigte die ersten Christen, Gebet und Handauflegung als heilende Gesten zu praktizieren (Leven 2005, 375f.). Die Kirchenväter stützen sich bei ihren Aussagen über den Maltaaufenthalt des Paulus ausschließlich auf die Apostelgeschichte. Irenäus von Lyon (ca. 135-200) erwähnt den Maltaaufenthalt kurz im Rahmen seiner Nacherzählung dieses biblischen Buches, die wiederum dem Ziel dient, nachzuweisen, dass Lukas ein »unzertrennlicher« (inseparabilis) Reisebegleiter des Paulus gewesen sei (Iren. haer. 3,14). Cyrill von Jerusalem (313-386) stellt den paradoxen Charakter der Maltaepisoden heraus: Paulus, der doch durch den Schlangenbiss Schaden hätte erleiden sollen, heilte die Kranken der Insel von ihren Krankheiten (Cyr. catech. 17,31). Ambrosius von Mailand (339397) interessiert sich dafür, dass Paulus mit gebildeten Heiden disputiert und diese dann »wie den prokonsularischen Legat Paulus und den Princeps Publius« überzeugt habe (Ambr. patr. 12,57). Auch Johannes Chrysostomos (350-407) ist vom hohen sozialen Status des Publius fasziniert. Er stellt den »reichen« Princeps der Insel als einen ehrenwerten Mann vor, der Paulus aus reiner Menschlichkeit aufgenommen habe. Publius habe nichts von den wunderbaren Ereignissen rund um den Schiffbruch gewusst. Er habe als Belohnung für seine edle Gesinnung die Heilung seines Vaters erfahren, eine Wohltat, die dann auf alle Kranken der Insel ausgeweitet worden sei. Johannes, der selbst aus einer Familie der Oberschicht stammte, sah die Ereignisse auf Malta aus der Perspektive der Reichen (Chrys. hom. in Ac. 54). Publius wurde ihm zu einem Beispiel dafür, dass der christliche Glaube und ein hoher sozialer Status vereinbar sind. Der Aufenthalt des Paulus gilt den Maltesen bis heute als eines der größten Ereignisse in der Geschichte der Insel. Auf den vorgelagerten Paulusinseln soll der Apostel gestrandet sein. Dort steht eine weiße Paulusstatue aus dem Jahr 1845. Oberhalb der Paulusbucht findet sich die kleine Paulus-Kapelle, die am Ort des Zusammentreffens von Paulus und Publius errichtet worden sein soll. Ausgrabungen belegen drei Vorgängerkapellen und eine römische Villa, die als die des Publius vorgestellt wird. Ein frühes Zentrum der Paulusverehrung auf Malta war Rabat. Dort befindet sich neben eindrucksvollen Pauluskatakomben (evtl. 3.-6. Jh.) auch die Paulusgrotte, die dem Apostel der späteren Legende zufolge während seines dreimonatigen Maltaaufenthalts als Wohnort gedient haben soll (Freller 2004, 117-119.133-142). In Valletta, der Hauptstadt von Malta, gibt es neben einer Publiuskirche eine Paulusstraße, eine Paulus-Kathedrale (1842) und die Kirche St. Paul’s Shipwrek (1629), in der »Knochen des rechten Handgelenks des heiligen Paulus« als Reliquie verehrt werden (Bussmann 2010, 80). Lukas Bormann 294

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Literatur zum Weiterlesen R. von Bendemann, Elementar feurige Hitze. Zur Krankheitshermeneutik frühjüdischer, hellenistisch-römischer und frühchristlicher Fieberheilungen, in: B. Kollmann/R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen, WUNT 339, Tübingen 2014, 231-262. L. Bormann, Der Politikbegriff der neutestamentlichen Wissenschaft in Deutschland, in: E. Reinmuth (Hg.), Politische Horizonte des Neuen Testament, Darmstadt 2010, 28-49. V. Burrus, The Gospel of Luke and the Acts of the Apostles, in: F. F. Segovia/R. S. Sugirtharajah (Hg.), A Postcolonial Commentary on the New Testament Writings, The Bible and Postcolonialism 13, London 2007, 133-155. T. Freller, ›(...) Et cum evasissemus, tunc cognovimus quia Melita insula vocabatur.‹ Der Schiffbruch des Hl. Paulus auf ›Melita‹ und die Installation eines Kults, ZKG 115 (2004), 117-163. J. W. Jipp, Divine Visitations and Hospitality to Strangers in Luke-Acts. An Interpretation of the Malta Episode in Acts 28:1-10, NT.S 153, Leiden 2013. W. Kirchschläger, Fieberheilung in Apg 28 und Lk 4, in: J. Kremer (Hg.), Les Actes des Apôtres. Traditions, rédaction, théologie, BETHL 48, Leuven 1979. R. Metzner, Die Prominenten im Neuen Testament. Ein prosopographischer Kommentar, NTOA 66, Göttingen 2011, 550-555.

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II. Die Wundererzählungen in den Johannesakten

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Hinführung zu den Wundererzählungen in den Johannesakten Da die griechisch überlieferten Johannesakten wohl spätestens ab dem 4. Jh. unserer Zeitrechnung (vgl. Eus. h.e. 3,25,6) als häretisch galten, sind uns heute nur noch umfangreiche Passagen des Gesamttextes (zum Teil als Abschnitte in den späteren Akten des Pseudo-Prochorus) überliefert. Die ursprüngliche Abfolge des Texts – erhalten sind wohl etwa zwei Drittel des Originals – muss deswegen rekonstruiert werden. Eine Sonderstellung innerhalb der erhaltenen Abschnitte nehmen ActJoh 87-105 ein, die man als ein aus der Sicht des Johannes erzähltes »Evangelium« mit Konzentration auf die Ereignisse um den Tod Jesu bezeichnen kann. Viel deutlicher als der Rest des erhaltenen Textes zeigt dieser Abschnitt allerdings einen klar »gnostischen« Einschlag (weiterführend Luttikhuizen 1995) und wird deswegen wohl mit Recht gerne als separat entstandener, den Johannesakten hinzugefügter Text gesehen. Wo und wann die Johannesakten entstanden sein mögen, bleibt umstritten – diskutiert wird Ägypten, Syrien und Kleinasien, wobei Ephesus selbst wegen der mangelhaften Kenntnisse des Autors von dieser Stadt wohl ausfällt; die besten Argumente sprechen wohl für Alexandrien in Ägypten (Junod/Kaestli 1983; Czachesz 2007b, 120-122). Bei der Datierung ist man vor allem auf innere Kriterien angewiesen; insgesamt aber wird eine Einordnung in die Mitte bzw. zweite Hälfte des Jahrhunderts nicht allzu falsch liegen (so etwa Klauck 2005, 32). Da das Evangelium der ActJoh 87-105 für die Frage nach »Wundern der Apostel« nicht relevant ist, kann die Frage nach seinen Entstehungsumständen hier ausgeklammert werden. Der erhaltene Teil der Johannesakten wiederum bietet im Grunde – mit Ausnahme des Evangeliums der ActJoh 87-105 – eine Aneinanderreihung von sieben Erzählungen, die sich um Wunder des Apostels drehen und schließlich in die Erzählung von seinem Tod münden. Die Frage, inwiefern ihr Ablauf tatsächlich eine graduelle Entwicklung des Plots der Erzählung widerspiegelt (Bolyki 1995, 16f.), ist nicht ganz einfach zu beantworten: Es liegt uns ja kein Original der Johannesakten mehr vor, und zudem stellt sich die Frage, ob etwa das in ActJoh 60f. erzählte Wunder von den gehorsamen Wanzen – vom Text selbst als παίγνιον (paignion – kurzes, leichtes Stück; vgl. παῖς pais – Knabe, Kind!) bezeichnet – wirklich gegenüber dem Vorherigen einen Fortschritt in der Handlung markiert oder eher ein Intermezzo darstellt, das vor den dramatischeren Abschnitt um Drusiana und Kallimachos (ActJoh 63-84) eingefügt ist (zum Genre des Abschnitts Bolyki 1995, 28).

Wundererzählungen in den Johannesakten Folgende grundsätzlichen Beobachtungen scheinen interessant: Noch deutlicher als etwa die in den Evangelien des Neuen Testaments berichteten Machttaten und Zeichen Jesu stehen die Wunder der Johannesakten in 299

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Zusammenhang mit der Mission bzw. werden sie mit Konversionen verknüpft. Als sichtbare Machttaten Gottes bzw. Christi überwältigen die hier erzählten Wunder geradezu. Dies ist allerdings nicht ganz ungebrochen: Der Text muss zugeben, dass nicht alle Zeugen der Wunder des Apostels angemessen reagieren, und wirft etwa den Artemisanhängern von Ephesus vor, trotz aller durch den Apostel gewirkten Wunder und Heilungen weiterhin an einer verkehrten Frömmigkeit festzuhalten (ActJoh 39). Anders als die häufig nur recht knapp erzählten und auf die entscheidenden Formelemente reduzierten Wundererzählungen etwa der Evangelien des Neuen Testaments sind die in den Johannesakten erzählten Wunder nicht einfach isolierte Perikopen, sondern meist in größere, zum Teil recht komplexe Erzählzusammenhänge eingebettet. Eine große Rolle spielen dabei immer wieder recht ausführliche Gebete und Reden des Apostels, die das Geschehene theologisch deuten (weiterführend Herczeg 1995). So bieten die ActJoh 19-24 zwei ineinander verwobene Erzählungen von Tod und Auferweckung eines Ehepaares. In der (aus Sicht des Textes zu geringem Vertrauen in den Apostel entspringenden) Klage um seine seit Tagen leblose Ehefrau – der Text lässt lange in der Schwebe, ob sie wirklich als »tot« einzustufen ist – stirbt Lykomedes, worauf zunächst seine Frau Kleopatra und dann erst er auferweckt werden. Doch nicht nur die eigentliche Auferweckung der beiden kann an sich als wunderhaft gelten: Lykomedes kommt Johannes bereits auf dessen Weg nach Ephesus entgegen und fällt vor ihm nieder, da er bereits durch eine nicht näher beschriebene Gestalt Vorwissen darüber hat, dass Johannes seine Frau retten wird (ActJoh 19). Als er seine Frau offenbar tot vorfindet, spricht er davon, dass ihn das »Auge seiner Feinde«, also offenbar der »böse Blick«, getroffen habe – ganz offenbar setzt er einen Schadenszauber voraus. Auch die Erzählung von der Heilung der alten Frauen in Ephesus (ab ActJoh 30) zieht sich über mehrere Paragraphen hin. So erbittet Johannes schon laut ActJoh 30 von Jesus die Gnade, die kranken alten Frauen zu heilen, und in ActJoh 31 kündigt er ein Zeichen der Macht Gottes an, so dass sich die Erwartung der Leserin und des Lesers bereits auf eine Heilungsgeschichte richtet. Die ActJoh 33-36 jedoch zerreißen den Erzählfaden durch eine ausführliche Rede des Apostels, nach der es zur Heilung aller Krankheiten kommt. Wie dieser dann wieder aufgenommen wird, ist leider nicht mehr rekonstruierbar, da ab ActJoh 37 ein Stück fehlt. Überaus ausführlich erzählt ist auch die Erzählung um Drusiana und Kallimachos (ActJoh 63-84), in deren Verlauf es gleich zu mehreren wunderbaren Taten und Ereignissen kommt, dabei aber neben »menschlichen« Figuren der Erzählung auch ein Engel und eine Schlange auftreten. So erzählen die Johannesakten natürlich Wundergeschichten, diese jedoch stehen im Dienst eines Plots, dem es um die Durchsetzung der Macht Gottes (bzw. Christi) in einer unter der Macht des Bösen stehenden paganen Welt geht. Dieser Plot zeigt romanhafte Züge, dies jedoch heißt nicht, dass dabei die theologische Aussage total zurücktritt. Vielmehr verlangt die antiken Romanen verwandte Form der Johannesakten einen Umgang mit dem er300

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Hinführung

zählten Material, wie hier beschrieben. Die Möglichkeiten, in diesem Rahmen narrativ Theologie zu entfalten, sind damit nicht geringer als etwa in den synoptischen Evangelien. Unter den in den Johannesakten begegnenden Formen von Wundergeschichten nehmen Erzählungen von der Wiederbelebung bzw. Auferweckung Verstorbener eine überraschend breite Rolle ein, wobei vor allem in der ersten Szene dieser Art, der Erweckung der Kleopatra und des Lykomedes (ActJoh 19-24), die Grenzen zwischen todesähnlichem Zustand und Tod verwischen. Hinzuzufügen wären die in ActJoh 46-47 erzählte Auferweckung eines Artemispriesters, die Erweckung eines von seinem ungehorsamen Sohn getöteten Vaters (ActJoh 51-52) und die Auferweckung der Drusilla und des Kallimachos (sowie die im Grunde scheiternde Auferweckung des Fortunatus; ActJoh 63-86). Auch hier geht es dem Text natürlich darum, die Macht Gottes bzw. Christi zu erweisen, wie etwa am Ende von ActJoh 46 deutlich wird, wo Johannes die Auferweckung des toten Artemispriesters mit den folgenden Worten ankündigt: »Unser Herr ist Jesus Christus, der seine Macht (δύναμις dynamis) an deinem toten Verwandten erweisen wird, indem er ihn auferweckt«. Mit diesen Machterweisen aber soll der Apostel nicht einfach als »göttlicher Mensch« dargestellt werden, der mit Hilfe seines Gottes Tote lebendig machen kann. Es geht diesen Erzählungen jeweils um den Beginn eines neuen Lebens, das mit der Bekehrung zu Christus einhergeht. Götzendiener wie die Anhänger der Artemis dagegen sind, obwohl lebend, im Grunde als »tot« anzusehen (ActJoh 39). Besonders schön – durchaus mit einer Prise Humor gewürzt – zeigt sich dieser Gedanke etwa in ActJoh 52, wo der auferweckte Greis sich geradezu darüber beschwert, dass er nun wieder in ein Leben voller Lieblosigkeit zurückgerufen werde. Johannes stimmt ihm nur teilweise zu: »Wenn du (nur) dazu auferstehen würdest, wäre es besser für dich, tot zu sein. Zu Besserem erstehe!« Noch auf dem Weg in die Stadt kommt es zur Bekehrung des alten Mannes: Sein nun geschenktes Leben hat im Glauben eine neue Qualität bekommen. Sehr deutlich bringt dies auch die Auferweckung des verstorbenen Artemispriesters zum Ausdruck. Dieser wird zwar im Auftrag des Johannes durch seinen eigenen Verwandten ins Leben zurückgerufen, damit aber ist das Entscheidende noch nicht vollbracht. Als Johannes ihn sieht, sagt er: »Obwohl du auferstanden bist, lebst du jetzt (noch) nicht, da du noch nicht Teilhaber und Erbe des wahren Lebens bist. Willst du zu dem gehören, durch dessen Namen und Macht du auferstanden bist? So glaube nun, und du wirst in alle Ewigkeit leben« (ActJoh 47). Dieser Gedanke wird auch in der langen Szene um Drusiana und Kallimachos (ActJoh 63-86) bestätigt und weitergeführt. Die gläubige und, obwohl mit Andronikus verheiratet, asketisch lebende Drusiana stirbt zutiefst unglücklich, weil sich ein Mann, der zunächst nur als »Abgesandter des Satans« (ActJoh 63) beschrieben ist, in sie verliebt, obwohl sie selbst mit ihrem Ehemann keinen Verkehr hat. Vom Satan besessen, versucht ihr immer noch nicht namentlich genannter Liebhaber, unter Mithilfe des Verwalters ihres Ehemanns, Fortunatus, schließlich ihre Leiche zu schänden (ActJoh 70); beide werden aber im letzten Moment durch eine Schlange daran gehindert. Als Johannes und die Trauernden am dritten Tag nach dem Tode Drusianas das Grab mit 301

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

Hilfe eines Türöffnungswunders betreten, finden sie dort nicht nur einen Engel, sondern den durch den Biss einer Schlange getöteten Fortunatus sowie ihren Liebhaber, jetzt als Kallimachos bezeichnet, der unter der riesigen Schlange liegt (ActJoh 72f.). Kallimachos, bei dem erst jetzt klar wird, dass er tot ist, wird von der Schlange befreit und ins Leben zurückgerufen. Nicht die Schlange, sondern der Engel habe ihn mit den Worten »Stirb, damit du lebst« (ActJoh 76) getötet. Sein neues Leben sei wiederum erst nach seiner Bekehrung zu Christus möglich. Dass der Text hier im Grunde narrativ in (durchaus unterhaltsame) Wundererzählungen gekleidete Tauftheologie zu vermitteln sucht, zeigt sich auch in der Fortführung der Erzählung: Auch Drusiana wird von den Toten erweckt und bittet nun auch um die Rettung des Fortunatus. Tatsächlich wird auch dieser – vom Text als noch schlimmer als Kallimachos beschrieben – (durch Drusiana) auferweckt, er aber kommt zu keinem Bekenntnis, sondern flieht aus der Grabkammer. Während die Geretteten noch in der Grabkammer gemeinsam das Brot brechen, stirbt Fortunatus draußen auf eine Weise, die an den bei Papias von Hierapolis beschriebenen Tod des Judas erinnert. Entscheidend sind daneben Exorzismen und Heilungen, in denen es weniger um die nach außen erkennbare Veränderung des Zustands eines Geheilten als um den vollzogenen Machtwechsel geht – der Geheilte wechselt aus der Macht des Teufels bzw. dämonischen Mächten in den Machtbereich Christi, der es auch ist, welcher ihn heil macht. Die einzige Ausnahme ist Fortunatus, der als »Teufelskind« (ActJoh 86) deswegen unmittelbar nach seiner Erweckung erneut zu Tode kommt. Dieser Gedanke zeigt sich auch in der (nicht vollständig überlieferten) Erzählung von der Heilung der alten Frauen in Ephesus. Als Johannes erfährt, dass nur vier der alten Frauen in Ephesus bei guter Gesundheit sind, führt er dies unmittelbar auf den Einfluss des Teufels zurück (ActJoh 30). Noch klarer wird dies beim Exorzismus der Söhne des Antipatros in Smyrna (ActJoh 56f.), die seit ihrer Geburt unter dem Einfluss von Dämonen leben. Während Antipatros in seiner Verzweiflung schon daran denkt, die beiden zu vergiften, macht der Apostel nicht nur ihre Heilung möglich, sondern tauft sie und ihren Vater. Dass es dem Text um die in wunderbaren Ereignissen demonstrierte Macht des einen mit Christus identifizierten Gottes gegen die Vielfalt der Götter der heidnischen Umwelt ankommt, zeigt sich auch in dem die Machtlosigkeit der Artemis demonstrierenden Wunder der Zerstörung von Altar und Tempel der Artemis von Ephesus (ActJoh 37-45). Im Anklang an die Auseinandersetzung des Elija mit den Baalspriestern (1  Kön 18) schlägt Johannes zunächst einen Gebetskampf vor, bei dem beide Seiten jeweils ihren Gott anrufen, den anderen zu töten. Als die Anhänger der Artemis aus Angst vor dieser Auseinandersetzung zurückschrecken (ActJoh 40), bittet Johannes Gott darum, den an diesem Ort lebenden Dämon – Artemis – zu vertreiben, worauf Altar und Tempel zerbersten und die vorher ungläubige Volksmenge zu folgendem Bekenntnis kommt: »Jetzt haben wir uns bekehrt, da wir deine Wunder sehen« (ActJoh 42). Man könnte im Grunde also auch diese Szene als einen Exorzismus bezeichnen, einen Exorzismus aber, der an einem Ort – dem Heiligtum der Artemis – durchgeführt wird. 302

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Hinführung

Interessanterweise kann anders als in den kanonischen Evangelien oder der Apostelgeschichte die Fähigkeit, Wunder zu tun, vom Apostel auf andere Personen übertragen werden (so auch Bolyki 1995, 19; vgl. aber auch die Thomasakten). Bereits in ActJoh 22-25, am Ende der Szene um Kleopatra und Lykomedes (in Ephesus), wird deutlich, dass das eigentliche Wunder »im Namen Jesu Christi« geschieht (ActJoh 22). Dabei spricht Johannes geradezu in Christi Namen (ActJoh 23). Und als schließlich Kleopatra auf Geheiß des Apostels ihren geliebten Mann zurück ins Leben ruft, bleibt sie jedoch ganz »Werkzeug« und »Stimme« des Apostels, erfüllt an ihrem Mann genau das, was der Apostel von ihr verlangt (ActJoh 24), worauf Lykomedes das Geschehene weiterhin als ein Wunder des Apostels im Namen seines Gottes (ActJoh 25) deutet. Stattdessen erweckt die eben erst wiederbelebte Drusiana »auf eigene Faust«, jedoch ganz mit der Erlaubnis des Apostels, den Fortunatus zum Leben. Als Gläubige richtet sie ein Bittgebet an Christus, den »Gott der Äonen« bzw. »Gott der Wahrheit, der […] mir Wunder und Zeichen zu sehen gewährt« hat, dass dieser, wie er an ihr gehandelt hat, nun auch Fortunatus zum Leben erweckt. Dieser ersteht tatsächlich, bleibt aber im Unglauben, flieht und kommt durch einen Schlangenbiss zu Tode. So ist zwar der Apostel in besonderer Weise Vertreter Christi; die Möglichkeit jedoch, von dem Leben spendenden Christus Wunder zu erbitten, ist letztlich jedem Glaubenden zugänglich. Eigenartig ist die Szene von den »gehorsamen Wanzen« in ActJoh 60f., eines der merkwürdigsten Tierwunder, die sich in apokryphen Apostelakten finden. Es handelt sich im Grunde um ein Intermezzo, das, wie bereits angedeutet, vom Text selbst als »Paignion«, d.h. als »scherzhafte« Szene, eingeordnet wird, womit sicherlich eine gewisse Distanz zum Erzählten ausgedrückt ist. Als der Apostel mit seinen Gefährten in einer verlassenen Herberge nächtigt, finden sich dort zahllose Wanzen. Auf Befehl des Apostels verlassen diese jedoch den Raum, warten die Nacht über an der Tür und kehren erst am Morgen, als der Apostel seinen Schlaf beendet hat, in den Raum zurück. Dies mag aufgrund des im Griechischen möglichen Wortspiels zwischen »Wanzen« und »jungen Mädchen«, die sich vom Bett des Apostels fernhalten sollen, durchaus als ein Indiz für die enkratitischen Tendenzen des Textes zu deuten sein (vgl. Klauck 2005, 39f.; weiterführend Spittler 2008, 96-109). Den theologischen Schlüssel für die Szene bildet aber sicherlich ihr Schluss: »Dieses Lebewesen hörte die Stimme eines Menschen, bleibt für sich und übertritt (den Befehl) nicht. Wir aber, die wir die Stimme Gottes hören, sind seinen Geboten ungehorsam und leichtfertig – wie lange (wohl) noch?« (ActJoh 61).

Theologie der Wundererzählungen Die in den Johannesakten erzählten Wundererzählungen ordnen sich in ein größeres Ganzes ein, das dem Leser immer wieder ins Gedächtnis gerufen wird: Obwohl wir den Plot der Johannesakten nicht mehr im Detail rekonstruieren können, wird 303

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

doch klar, dass es dem Text darum geht zu erzählen, wie die Großtaten Gottes durch den Apostel in einer durch Dämonen geknechteten Welt geradezu im Siegeszug von Ort zu Ort gelangen und dabei, wie sich besonders in der Szene von der Zerstörung des Artemistempels (ActJoh 37-45) zeigt, die Macht der Götzen und Dämonen zerbricht, ja selbst ihre Anhänger sich nun dem wahren Gott zuwenden und damit zum Leben gelangen (ActJoh 46f.). In den Wundern, die immer mit Gebeten zu Gott bzw. Christus verbunden werden, erweist sich die Macht des Gottes, den der Apostel verkündet und der immer wieder direkt mit Christus identifiziert wird (zur Christologie vgl. Lalleman 1998a, 153-215). Die Erzählungen illustrieren Konversion (z.T. vor dem Hintergrund von bleibender, zum Tode führender Ablehnung). Ohne auf eine direkte literarische Abhängigkeit zu pochen, könnte man sie geradezu als narrative Umsetzung der in 1 Thess 1,9 (im Hinblick auf die Thessalonicher) formulierten Bekehrung von den Götzen zum lebendigen und wahren Gott verstehen. Dies zeigt sich etwa in ActJoh 31, wo Johannes dazu einlädt, ins Theater von Ephesus zu kommen, um anhand der Heilung der kranken alten Frauen von Ephesus die Macht Gottes »sehen« zu können. Ähnlich spricht auch ActJoh 43 davon, dass in der Zerstörung des Artemistempels die »unsichtbare Macht Gottes« offenkundig geworden sei. Zumindest einige der Wundererzählungen der Johannesakten illustrieren zudem ethische Grundanliegen des Textes (vgl. ähnlich die Thomasakten), wobei die stark enkratitische Haltung des Textes auffallend ist: Besonders deutlich wird dies in der Erzählung von Drusiana und Kallimachos (ActJoh 63-86), aber auch in der Bekehrung des jungen Mannes, der seinen Vater umbrachte, weil der ihn ermahnte, ein keusches Leben zu führen (ActJoh 48-54), während die Wanzenszene zur (erbaulich-scherzhaften) Illustration der Idee des Gehorsams gegenüber Gottes Wort ausgebaut wird. Tobias Nicklas

Literatur zum Weiterlesen Textausgaben und Übersetzungen E. Junod/J.-D. Kaestli, Acta Iohannis, 2 Bde., CChr.SA 1-2, Turnhout 1983. E. Junod/J.-D. Kaestli, Actes de Jean, in: F. Bovon/P. Geoltrain (Hg.), Écrits apocryphes chrétiens, Paris 1997, 973-1037. R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, Bd. 2/1, Hildesheim 1959, 151-216 (Nachdr. der Ausgabe von 1898). R. I. Pervo, The Acts of John, ECA 6, Salem 2015a. K. Schäferdiek/R. Uiginn, Johannesakten, in: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 61997, 138-193.

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Hinführung

Weitere Literatur J. Bolyki, Miracle Stories in the Apocryphal Acts of John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995, 15-35. J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995a (mit umfangreicher Bibliographie). I. Czachesz, Commission Narratives. A Comparative Study of the Canonical and Apocryphal Acts, SECA 8, Leuven 2007b. P. Herczeg, Sermons in the Acts of John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995, 153-170. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005 (mit Bibliographie). P. J. Lalleman, The Acts of John. A Two Stage Initiation into Johannine Gnosticism, SAAA 4, Leuven 1998a. G. P. Luttikhuizen, A Gnostic Reading of the Acts of John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995, 119-152. J. A. Snyder, Language and Identity in Ancient Narratives. The Relationship between Speech Patterns and Social Context in the Acts of the Apostles, the Acts of John and Acts of Philip, WUNT 2/370, Tübingen 2014. J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/247, Tübingen 2008.

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Tabelle: Wunder in den Johannesakten Nr. ActJoh-Faden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

ActJoh 19-24

Die ersten Machttaten Gottes in Ephesus (Die Heilung der Kleopatra und die Auferweckung des Lykomedes)

ActJoh 19-24; Hinführung ActJoh

2

ActJoh 30-36

»Girls Day« (Die Heilung der alten Frauen in Ephesus)

ActJoh 30-36; Hinführung ActJoh

3

ActJoh 37-45

Lebens-entscheidender Wettstreit der Götter (Heilung vieler Krankheiten in Ephesus; Prodigium vor Artemisstatue)

ActJoh 37-45; Hinführung ActJoh

4

ActJoh 46f.

Bekehrung praktisch: Verwandtschaft mit Jesus (Totenauferweckung des Artemispriesters)

ActJoh 46f.; Hinführung ActJoh

5

ActJoh 48-54

Die fatalen Folgen eines Ehebruchs (Totenauferweckung des ermordeten Vaters)

ActJoh 48-54; Hinführung ActJoh

6

ActJoh 56f.

Bargeld nicht akzeptiert (Die Heilung der Söhne des Antipatros)

ActJoh 56f.; Hinführung ActJoh

7

ActJoh 60f.

Der Herr der Wanzen (Die gehorsamen Wanzen)

ActJoh 60f.; Hinführung ActJoh

8

ActJoh 63-86 (insb. 74-84)

»Stirb, damit du lebst!« (Die Totenauferweckungen des Kallimachos, der Drusiana und des Fortunatus)

ActJoh 63-86; Hinführung ActJoh

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Die ersten Machttaten Gottes in Ephesus (Die Heilung der Kleopatra und die Auferweckung des Lykomedes) ActJoh 19-24 Die erste Wundererzählung im erhaltenen Textbestand der Johannesakten ist im Zusammenhang des Eintreffens des Johannes und seiner Reisebegleiter in der Stadt Ephesus verankert, es ist die erste der ephesinischen Episoden (ActJoh 18-55) und daher mit gewisser Wahrscheinlichkeit tatsächlich der Beginn des ›Zyklus‹ von Wundertaten des Apostels. Vorher (ActJoh 18) wird erzählt, dass Johannes mit vier Reisebegleitern (Dämonikus, Aristodemus, Kleobius, der als sehr reich bezeichnet wird, und der Frau des Markellus) nach Ephesus zieht. Eine Vision soll diese Reise veranlasst haben, daher hat es Johannes eilig und lässt sich ungern aufhalten. Auf dem Weg zwischen Milet und Ephesus hören er und seine Begleiter eine Himmelsstimme, die verheißt, dass Johannes seinem Herrn (d.h. Christus) in Ephesus Ruhm verschaffen solle, und dass einige durch ihn zum Glauben kommen werden. Johannes drückt in einem schlichten Gebet seine Bereitschaft aus, Christi Werkzeug zu sein: »Herr, sieh, in deinem Willen gehe ich. Es geschehe, was du willst«. Nach dieser narrativen ›Vorbereitung‹ beginnt die Episode. (19) Als wir uns der Stadt näherten, kam uns Lykomedes, der Strategos der Epheser, ein wohlhabender Mann, entgegen und fiel Johannes zu Füßen und bat: »Ist Johannes dein Name? Der Gott, den du verkündigst, hat dich gesandt zu einer Wohltat an meiner Frau, die schon sieben Tage gelähmt ist und unheilbar daliegt. Doch nun verherrliche deinen Gott dadurch, dass du sie heilst, aus Mitleid mit uns! Denn als ich schon in Betracht zog, dem Rechnung zu tragen, trat jemand zu mir und sagte: ›Lykomedes, lass ab von dem Gedanken, der gegen dich kämpft, denn er ist schlecht. Unterwirf dich ihm nicht. Denn ich habe mich erbarmt über meine Magd Kleopatra und aus Milet einen Mann namens Johannes gesandt, der sie aufstehen lassen und dir gesund wiedergeben wird‹. Nun säume nicht, Knecht des Gottes, der dich mir offenbart hat, sondern eile zu meiner Frau, die eben noch Atem hat.« Da ging Johannes sofort zusammen mit den Brüdern, die bei ihm waren, und Lykomedes vom Tor zu dessen Haus. Kleobius sagte aber zu seinen Dienern: »Geht zu meinem Verwandten Kallippus und lasst euch von ihm eine angenehme Unterkunft geben – denn ich komme mit meinem Sohn dahin –, so dass wir alles vorbereitet vorfinden.« (20) Als aber Lykomedes mit Johannes in das Haus kam, in dem die Frau lag, fasste er erneut seine Füße und sprach: »Sieh, Herr, die verwelkte Schönheit, sieh die Jugend, sieh die berühmte Blüte meiner un307

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

glücklichen Frau, derentwegen ganz Ephesus außer sich geriet! Man hat mich Unglücklichen beneidet, man hat mich gedemütigt, das Auge der Feinde hat mich getroffen! Niemals habe ich, obwohl ich doch viele hätte schädigen können, jemandem Unrecht getan, weil ich gerade dies vor Augen hatte und mich vorsah, damit ich nicht etwas Böses oder ein derartiges Unglück sehen möge. Was hat es nun genützt, Kleopatra, dass ich so achtsam war? Welchen Wert hatte es, bis heute als ein Frommer gegolten zu haben? Ich leide Schlimmeres als ein Gottloser, da ich dich, Kleopatra, so daliegen sehe. Die Sonne soll mich nicht mehr sehen bei ihrem Lauf, wenn du nicht mehr mit mir in Verbindung stehst. Ich will dir zuvorkommen, Kleopatra, und mich selbst vom Leben lösen. Ich will mein Wohlergehen nicht schonen, obwohl ich noch so jung bin. Ich will mich vor Dike verantworten, da ich (ihr) gerecht gedient habe, wenn es statthaft ist, dass mit ihr gerechtet wird, denn sie richtet ungerecht. Ich werde sie zur Verantwortung ziehen, wenn ich als (bloßes) Trugbild des Lebens hinkomme (zu ihr). Ich werde zu ihr sagen: Du hast mich des Lichtes beraubt, da du mir Kleopatra entrissen hast. Du hast mich zum Toten gemacht, da du veranlasst hast, dass mir so geschieht. Du hast mich genötigt, gegen die Vorsehung zu handeln, da du meine Zuversicht zunichte gemacht hast.« (21) Und noch mehr sagte Lykomedes zu Kleopatra, trat an ihr Bett und klagte schreiend. Doch Johannes zog ihn fort und sprach: »Lass ab von diesen Klagen und deinen unangemessenen Worten! Es schickt sich nicht für dich als einen Schauenden, ungläubig zu sein. Du sollst ja deine Lebensgefährtin zurückbekommen. So tritt nun hin mit uns, die wir um ihretwillen gekommen sind, und bete zu dem Gott, den du gesehen hast, wie er sich dir durch Träume gezeigt hat! Nun – was ist, Lykomedes? Wache selbst aus dem Schlaf auf und öffne deine Seele! Wirf den tiefen Schlaf von dir ab! Bitte den Herrn, rufe ihn an für deine Lebensgefährtin und sie wird aufstehen.« Doch er fiel zu Boden und klagte aus ganzer Seele. Da sprach Johannes unter Tränen: »Ach, neuer Verrat des Gesichtes! Ach, neue Versuchung, die mir bereitet ist! Ach, neuer Plan dessen, der arglistig gegen mich handelt! Hat die Stimme vom Himmel, die auf dem Wege an mich ergangen ist, dieses mit mir unternommen? Hat sie mir dies angekündigt, das, was hier geschehen soll, da sie mich einer solchen Menge von Bürgern ausliefert wegen Lykomedes? Der Mann liegt leblos da, und ich weiß wohl, dass man mich nicht lebendig aus dem Haus gehen lassen wird. Warum zauderst du, Herr? Warum hast du uns deine gütige Verheißung entzogen? Nein, ich bitte dich, Herr, gib nicht dem, der an fremdem Unglück Lust hat, Anlass, fröhlich zu springen; gib nicht dem, der uns immer verlacht, Anlass zu tanzen! Vielmehr eile dein heiliger Name und dein Erbarmen: Erwecke die beiden Leichname, die durch ihren Tod Anlass zur Feindseligkeit gegen mich geworden sind!« 308

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Die ersten Machttaten Gottes in Ephesus ActJoh 19-24

(22) Und da Johannes noch solche Worte ausrief, lief die Stadt der Epheser zusammen zum Haus des Lykomedes (in der Annahme), er sei gestorben. Als aber Johannes die große Menge sah, die zusammengekommen war, sprach er zum Herrn: »Jetzt ist die Zeit der Erquickung und der Zuversicht zu dir, Christus. Jetzt ist für uns Müde die Zeit der Hilfe von dir, Arzt, der du umsonst heilst. Bewahre meinen Eingang hierher frei von Spott: Ich bitte dich, Jesus, verhilf einer so großen Menge dazu, zu dir zu kommen, dem Gebieter über das All. Sieh die Bedrängnis: Sieh die Daliegenden! Rüste du auch von denen, die darum zusammengekommen sind, heilige Werkzeuge für deinen Dienst zu, wenn sie deine Gabe gesehen haben. Denn du selbst, Christus, hast gesagt: ›Bittet, und es wird euch gegeben!‹ Wir bitten dich nun, König, nicht um Gold, nicht um Silber, nicht um Besitz, nicht um Schätze noch um irgendetwas von dem, das auf Erden ist und vergeht, sondern um zwei Seelen, durch die du diejenigen, die glauben werden, zu deinem Weg bekehren wirst, zu deiner Unterweisung, zu deiner Zuversicht, zu deiner vornehmsten Verheißung. Denn einige von ihnen werden, wenn sie deine Macht durch die Auferweckung der Entseelten begriffen haben, gerettet werden. So verleihe auch selbst Hoffnung auf dich! Darum will ich nun zu Kleopatra hingehen und sagen: ›Stehe auf im Namen Jesu Christi!‹« (23) Und er ging hin, berührte ihr Gesicht und sagte: »Kleopatra, so spricht zu dir der, den jeder Machthaber und jede Kreatur, jede Gewalt, sowohl jeder Abgrund als auch jede Finsternis, der freudlose Tod, die Höhen der Himmel und die Krümmungen der Hölle, die Auferstehung der Toten und das Gesicht der Blinden, die gesamte Gewalt des Weltherrschers und der Hochmut des Machthabers fürchten: Steh auf und werde nicht zum Vorwand für viele, die nicht glauben wollen, und zur Bedrängnis der Seelen, die zu hoffen und gerettet zu werden vermögen!« Da rief Kleopatra sogleich mit lauter Stimme: »Ich stehe auf, Gebieter, rette deine Kleopatra!« Als sie aber aufgestanden war nach sieben Tagen, wurde die Stadt der Epheser aufgewühlt über den unbegreiflichen Anblick. Kleopatra aber fragte nach ihrem Mann Lykomedes. Da sagte Johannes zu ihr: »Kleopatra, behältst du deine Seele unerschütterlich und unveränderlich, so wirst du deinen Lebensgefährten Lykomedes auf der Stelle hier bei dir stehen haben, wenn du dich nämlich durch das, was geschehen ist, nicht erschüttern noch erregen lässt, da du gläubig geworden bist an meinen Gott, der ihn (dir) durch mich lebendig (wieder) schenken wird. Komm mit mir in dein anderes Schlafzimmer, und du wirst ihn als Gestorbenen sehen, aber durch die Kraft meines Gottes als Erstandenen.« (24) Und als Kleopatra mit Johannes in ihr Schlafzimmer kam und Lykomedes sah, gestorben um ihretwillen, verschlug es ihr die Stimme, sie knirschte mit den Zähnen, biss sich auf die Zunge, schloss ihre Augen und ließ Tränen hervorströmen, und still wandte sie (ihre Aufmerk309

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

samkeit) dem Apostel zu. Johannes aber hatte Mitleid mit Kleopatra; als er sah, dass sie nicht von Sinnen ist noch außer sich geriet, rief er das vollkommene und nicht überhebliche Erbarmen an und sprach: »Herr Jesus, du siehst, was (sie) bedrängt; du siehst die Not; du siehst, wie Kleopatra in ihrer Seele laut aufschreit durch ihr Schweigen; denn sie behält in sich das unerträgliche Rasen (ihres Schmerzes). Meine Seele erahnt es, Gebieter. Ich weiß aber, dass um Lykomedes willen auch sie noch sterben wird.« Und sie sagte leise zu Johannes: »Das erwäge ich, Gebieter, und sonst nichts.« Da trat der Apostel ans Lager, auf dem Lykomedes lag, ergriff Kleopatras Hand und sprach: »Kleopatra, der Menge wegen, die dabeisteht, und wegen deiner Verwandten, die hinzugekommen sind, sprich mit lautem Geschrei zu deinem Mann: ›Steh auf, preise den Namen Gottes, denn er schenkt Toten Tote.‹« Und als sie hinzutrat und zu ihrem Mann sprach, wie ihr gelehrt war, da erweckte sie ihn zugleich. Er aber stand auf, fiel zu Boden und küsste die Füße des Johannes. Doch der hob ihn auf und sagte: »Nicht meine Füße küsse, Mensch, sondern die des Gottes, durch dessen Macht ihr beide aufgestanden seid!« (25) Lykomedes aber sagte zu Johannes: »Ich bitte dich und beschwöre dich bei dem Gott, in dessen Namen du uns erweckt hast, bei uns zu bleiben gemeinsam mit allen, die mit dir sind.« Ebenso berührte auch Kleopatra seine Füße und sagte dasselbe. Johannes aber sagte zu ihnen: »Morgen werde ich bei euch sein.« Doch jene sprachen wieder zu ihm: »Wir haben (ja noch) keine Hoffnung auf deinen Gott; vielmehr wären wir umsonst auferweckt, wenn du nicht bei uns bliebest.« Auch Kleobius gemeinsam mit Aristodemus sowie Dämonikus sagten, in der Seele betroffen, zu Johannes: »Lasst uns bei ihnen bleiben, damit sie unanstößig beim Herrn bleiben.« Und er blieb dort mit den Brüdern.

Sprachlich-narratologische Analyse Textstruktur und Erzählgefüge: Die vorliegende Episode kennt als handelnde Personen den Apostel Johannes sowie Lykomedes, ein »Strategos der Epheser«, d.h. ein hoher städtischer Beamter, und seine Frau Kleopatra, die unheilbar krank daliegt. Die Stadtbewohner von Ephesus treten nur am Rande als Zeugen auf. Auch die Reisebegleiter des Johannes bleiben Statisten. Die Frau des Marcellus wird nicht mehr erwähnt, als die anderen drei am Ende der Erzählung wieder genannt werden (ActJoh 25). Aus einer kurzen Zwischennotiz (ActJoh 19) geht hervor, dass Kleobius offenbar noch von seinem Sohn und Dienern begleitet wird und eine gute Unterkunft der Gruppe bei einem Verwandten namens Kalippos organisiert. Die Handlung ist relativ übersichtlich: Lykomedes kommt Johannes aus Ephesus entgegen und bittet ihn zu seinem Haus, wo seine Frau krank darniederliegt. An ihrem Bett klagt er über ihre Krankheit und will sich vor Gram und Enttäuschung 310

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Die ersten Machttaten Gottes in Ephesus ActJoh 19-24

das Leben nehmen. Johannes fordert ihn auf, zu glauben und für sie zu beten, doch er bricht in Trauer tot zusammen. Daraufhin klagt Johannes, der angesichts des Todes des Lykomedes um sein Leben fürchtet, Gott seine Enttäuschung und Not. Als sich die Stadtbürger in der Meinung, Lykomedes sei gestorben, vor seinem Haus versammeln, bittet Johannes Gott um die Auferweckung der beiden »Leichname« als Zeichen der Macht Gottes. Er tritt zu Kleopatra und gebietet ihr aufzustehen, und als dies geschieht, geraten die Stadtbürger in staunende Erregung. Als Kleopatra nach ihrem Mann fragt, ermahnt Johannes sie, aufgrund ihres neuen Glaubens standhaft zu sein. Er führt sie in sein Gemach, und sie lässt sich nicht von ihren Gefühlen hinreißen, sondern bleibt im Anblick des Toten dem Apostel zugewandt. Johannes hat Mitleid mit ihr, betet für sie und weist sie an, ihren Mann aus dem Tod zu erwecken. So ruft sie selbst Lykomedes zum Leben. Dieser steht auf und möchte zunächst Johannes verehren, doch jener mahnt ihn, Gott allein anzubeten. Am Ende drängen die beiden Johannes, in ihrem Haus zu bleiben, damit er ihnen die Hoffnung auf seinen Gott, d.h. den Glauben, weiter vermittle. Johannes und seine Begleiter ändern ihre Pläne, verzichten auf das bereitete Quartier und bleiben bei Lykomedes. In seinem Haus, wo Johannes dann vor einer großen Menge predigt, geht die Erzählung weiter mit der Episode um das von Lykomedes in Auftrag gegebene Bildnis des Johannes (ActJoh 26-29). Im weiteren Erzählverlauf begegnen Lykomedes und Kleopatra als Helfer des Apostels (ActJoh 30), später sogar als seine Reisebegleiter (ActJoh 59). Die Handlung ist durch ausführliche Reden und Gebete auffällig gedehnt. Dadurch wird die erzählerische Spannung erhöht und zugleich – v.a. in den Worten des Johannes – die Deutung des Geschehens vermittelt (vgl. Sirker-Wicklaus 1988, 38 und 24-39): − − − − − −

die Rede des Lykomedes an Johannes (ActJoh 19), die Klage des Lykomedes angesichts seiner kranken Frau (ActJoh 20), die Ermahnung des Johannes an Lykomedes und die Klage des Johannes angesichts der Kraftlosigkeit des Lykomedes und der vermeintlichen Erfolglosigkeit seiner Mission (ActJoh 21), das Gebet des Johannes um die Manifestation der Macht Gottes in der Auferweckung der beiden (ActJoh 22), das Machtwort des Johannes an Kleopatra zu ihrer Heilung und seine Ermahnung an sie (ActJoh 23), das Gebet des Johannes angesichts der Trauer der Kleopatra um ihren toten Mann (ActJoh 24).

Erst gegen Ende (ActJoh 24f.) werden die wörtlichen Reden kürzer und die Handlung dichter. Es handelt sich hier um das erste Wunder der ActJoh, die erste Tat des Johannes in Ephesus. Dabei geht es zunächst auch um den Anfang der Mission: Johannes findet bei Lykomedes schließlich Unterkunft und die Basis für seine weitere Missionsarbeit. So ist es kompositionell begründet, wenn hier noch nicht die gesamte (v.a. ethisch-asketische) Botschaft der ActJoh zu finden ist, auf die das Werk dann hinführt und die in den späteren Episoden (v.a. der Drusiana-Episode, ActJoh 311

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

63-86) ausgeführt wird (vgl. Bolyki 1985, 16f.). Im Vergleich mit kanonischen Texten erscheint die Episode relativ lang und komplex, innerhalb der apokryphen Apostelakten finden sich freilich noch ausgedehntere Episoden wie z.B. die Erzählung um Drusiana und Kallimachos (ActJoh 63-86). In der komplexen Verschränkung von Figuren und Erzählmotiven zeigen sich Züge des antiken Romans. Ein beliebtes Schema antiker Literatur ist das Motiv »paralleler Offenbarungen an zwei verschiedene Personen(kreise)«, das hier (ActJoh 18) aufgenommen ist (vgl. Wikenhauser 1948, 100; vgl. neben Apg 9,10-16 und 10,1-11 noch ActThom 29-34). Des Weiteren sind im vorliegenden Zusammenhang zwei Figuren (mit parallelen Handlungen und z.T. gegensätzlichem Verhalten) und zwei Wunder verschränkt (Junod/Kaestli 1983, 439): Erst tritt Lykomedes mit Johannes in das Haus, wo seine Frau todkrank darniederliegt (ActJoh 20f.), wenig später tritt Kleopatra mit Johannes in das Zimmer, wo ihr Mann tot daliegt (ActJoh 24). Beide drücken ihren Schmerz intensiv aus, und Johannes begegnet dem mit der Aufforderung an Lykomedes, für seine Frau zu beten, bzw. an Kleopatra, ihren Mann zu erwecken. Doch während der Mann trotz der vorherigen Vision über die Hilfe durch Johannes in Schmerz versinkt und stirbt, bleibt die Frau in ihrem Schmerz stark und beherrscht. Während er angesichts ihrer Krankheit stirbt, erhält sie angesichts seines Todes sogar die Kraft, ihren Mann zum Leben zu erwecken. »Johannes ist nicht auf eigene Initiative unterwegs, eine höhere Macht lenkt seine Schritte und führt ihn an die Orte seiner Mission« (Plümacher 2004a, 207). Er selbst ist Werkzeug und Sendbote Gottes, gesandt zur Mission an den Ephesern, und bereit, seinem Willen zu dienen. So ist auch das erzählte Geschehen eingebettet in ein Gefüge göttlicher Zeichen, die das Geschehen letztlich in Gottes Plan verankern: Vorab (ActJoh 18) wird von einer Vision des Johannes berichtet, die seine Reise veranlasste, und einer zusätzlichen Audition auf dem Weg nach Ephesus, worauf er später in seiner Klage zurückverweist (ActJoh 21). Auch Lykomedes berichtet von einer Erscheinung, in der »jemand« zu ihm trat, wohl im Traum (Klauck 2009, 91), und ihm sagte, er habe einen Mann namens Johannes gesandt, der ihm seine Frau gesund wiedergeben werde. Wer dieser »jemand« ist, Gott oder Christus, bleibt offen. Doch kann Lykomedes zu Johannes sagen: »Der Gott, den du verkündigst, hat dich gesandt …« (ActJoh 19), wenngleich er nachher in seiner Trauer diese Botschaft nicht mehr fassen kann. Das erzählte Geschehen wird insofern von Anfang an als providentiell gekennzeichnet und auch im weiteren Verlauf von göttlichen Weisungen und Zeichen begleitet und gelenkt. Alles was geschieht, geschieht zur Förderung der Mission. Die Erzählung ist stark von Emotionen und Gesten geprägt. Der reiche Lykomedes fällt zu Beginn in seiner Bitte (ActJoh 19) Johannes zu Füßen. Er fasst seine Füße, als er über die Krankheit der Kleopatra klagt (ActJoh 20), und will später aus Dankbarkeit über seine Auferweckung Johannes erneut fußfällig verehren und die Füße küssen (ActJoh 24). Auffällig ist v.a. der Ausdruck von Klage und Trauer. Lykomedes klagt laut schreiend am Bett seiner Frau und bricht schließlich in Trauer tot zusammen (ActJoh 21). Auch Kleopatra zeigt heftige körperliche Zeichen des Schmerzes beim Anblick 312

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des toten Gatten: Zähneknirschen, Beißen auf die Zunge, Tränen (ActJoh 24). Sie gesteht, dass auch sie angesichts des toten Gatten nur sterben wolle (ActJoh 24). Auch darüber hinaus spielen Aspekte der Leiblichkeit im Lauf des Geschehens eine bedeutende Rolle: Johannes berührt Kleopatras Gesicht, als er zu ihr spricht (ActJoh 23), und fasst ihre Hand am Lager des Lykomedes (ActJoh 24). Demgegenüber ist auffällig, dass Kleopatra ihren Mann mit einem bloßen Befehlswort erwecken soll (ActJoh 24), und auch ihre Heilung erfolgt durch ein bloßes Machtwort. Die Klage (θρῆνος thrēnos) ist in der ersten Hälfte der Episode beherrschend: Nicht nur Lykomedes klagt über den Verlust der Geliebten, sondern auch Johannes weint und klagt, dass die Vision, die ihn hergebracht hat, trügerisch gewesen sei; er fürchtet um sein Leben, da er für den Tod des Lykomedes verantwortlich gemacht werden wird, und bittet Gott um sein Eingreifen, freilich nicht ohne den Hinweis, dass es letztlich nicht um die Rettung und Ehre des Johannes, sondern um Gottes Ehre und die Beschämung des Feindes (im Singular, also wohl des Teufels) geht, von dem gesagt wird, dass er »uns immer verlacht« (ActJoh 21) und am Leid des Johannes bzw. dem Misserfolg seiner Mission Freude haben, ja »fröhlich springen« und »tanzen« könnte (ActJoh 21). Thematische Beobachtungen: Zwei Auferweckungen? Erzählerisch bleibt relativ lange unklar, ob Kleopatra ›nur‹ krank oder sogar tot ist. »Diese Ambivalenz ist beabsichtigt und durchzieht den ganzen Text. Kleopatra tut in der Beschreibung des Lykomedes gleichsam ›ihren letzten Atemzug‹« (Klauck 2009, 91), in seiner intensiven Klage erscheint die Kranke wie tot, und Lykomedes kann sich auch selbst schon einen Toten nennen. Auch der Apostel spricht in seinem Gebet von der »Auferweckung der Entseelten« bzw. »Leichname« im Plural (ActJoh 22). Auch im Blick auf Lykomedes ist nicht sofort klar, ob er, als er zusammenbricht, wirklich tot oder ›nur‹ zu Tode verzweifelt ist. Erst als Johannes betet, der Mann liege ›entseelt‹ da, und als die Stadtbürger als Trauerbesucher zum Haus kommen (ActJoh 22), wird seine Situation deutlicher. Auch die Heilung der Kleopatra ist mit Zügen einer Auferweckung geschildert: Die Heilung erfolgt durch ein Machtwort im Namen Gottes, doch auch hier bleibt zweideutig, ob der Befehl »steh auf« (ἀνάστηθι anastēthi, ActJoh 22,20 und 23,6) an eine todkrank Daliegende (vgl. Apg 3,6) oder an eine Tote ergeht. Implizit ist damit auch die Heilung von unheilbarer Krankheit als eine Auferweckung vom Tod gezeichnet und zugleich einer symbolisch-spirituellen Deutung der Rettung vom Tod zum Leben geöffnet. Die Wunderhaftigkeit des Geschehens ist evident. Kleopatra ist unheilbar krank, Lykomedes tot. Die Auferweckung bietet dabei gegenüber der ›bloßen‹ Heilung noch eine Steigerung auch darin, dass diese durch die eben vom Krankenlager erweckte Kleopatra erfolgt. Auf unterstützende oder ›magische‹ Mittel wird in beiden Fällen konsequent verzichtet: Die Heilung erfolgt auf ein Gebet des Apostels hin, das schlicht auf Mt 7,7 verweist, und durch ein machtvolles Wort der Anrede an die Todkranke im Namen des Schöpfers und Weltherrschers. Lykomedes wird erweckt, als Kleopatra auf Geheiß des Johannes das ihr mitgeteilte Befehlswort ausspricht. Dass Johannes dazu Kleopatras Hand fasst, sich also nicht selbst dem Toten 313

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zuwendet, ist als eine Art Kraftübertragung zu verstehen (Sirker-Wicklaus 1988, 40). Kleopatra kann nun selbst – als Geheilte und (in ihrer Selbstbeherrschung erkennbar) Glaubende – das Wunder tun. Dabei geht es natürlich nur um diese eine Tat, nicht um eine fortgesetzte Wundertätigkeit, und weder die Wundertätigkeit der Kleopatra noch die Wunderkraft des Johannes werden eigens betont, vielmehr ist das Wunder allein Erweis der Macht Gottes, zu seinem Preis und zum Zeichen für die Nicht-Glaubenden: Kleopatras Heilung führt die ephesischen Stadtbürger zur Erregung über den unbegreiflichen Anblick, und auch die Auferweckung des Lykomedes geschieht zum Zeichen für die Menge (ActJoh 24). Das Wunder ist evident und völlig unzweideutig, eine Argumentation für seine ›Tatsächlichkeit‹ ist nicht erforderlich, wenngleich natürlich nicht alle (und nicht einmal Lykomedes sofort) aufgrund des Wunders glauben. Das ›Wunder‹ hat mehrere Wirkungen bzw. Folgen: Es versetzt in Staunen (und kann so bei einigen Glauben auslösen), es wehrt den Spott der Heiden ab und rettet auch Johannes selbst aus Lebensgefahr, vor allem aber dient es der Verherrlichung des Namens Gottes (ActJoh 18): Später wird dann berichtet, dass die Volksmenge wegen Johannes im Haus des Lykomedes zusammenkommt (ActJoh 26), womit der ›propagandistische‹ Effekt der Wunder und damit ihre zentrale Funktion in der hier geschilderten Mission noch einmal bekräftigt wird. Die Deutung des Geschehens erfolgt v.a. in den Worten des Johannes: Durch die Machttat Gottes soll Spott vermieden und dem Unglauben kein Vorwand geliefert werden, vielmehr sollen »Entseelte« (ActJoh 22) auferweckt, »Leichname« (ActJoh 21) zum Leben gebracht werden, und dadurch sollen auch einige, die davon erfahren, »gerettet« und als »Werkzeuge« für den Dienst Christi zubereitet werden (ActJoh 22). So bitten am Ende auch Lykomedes und Kleopatra um weitere Einweisung, wenn ihre Auferweckung nicht vergeblich sein soll (ActJoh 25), und Johannes bleibt mit seinen Begleitern bei ihnen, damit sie »beim Herrn bleiben« (ActJoh 25) können. Auffällig ist die Klage des Lykomedes, die sich um die Diskrepanz zwischen seiner Situation und seinem Verhalten in der Vergangenheit und der jetzt eingetretenen Situation dreht (Sirker-Wicklaus 1988, 44-47). Prominent ist dabei das Motiv der Gerechtigkeit: Angesichts des Glücks, die schöne Frau zu haben, wurde Lykomedes beneidet, gedemütigt und angefeindet; zugleich beteuert er, niemals anderen Unrecht getan zu haben. Die eingetretene unheilbare Krankheit der Kleopatra lässt ihn aber an der Gerechtigkeit verzweifeln, die nun personifiziert, als Göttin Dike, angesprochen wird: Lykomedes will sich Dike stellen und sie zur Verantwortung ziehen, da sie sein Leben zunichte gemacht hat. Darin zeigt sich – durchaus dem Genre des antiken Romans entsprechend – ein paganes Schicksalsverständnis, nach dem die Göttin nach wie vor sein Verhalten steuert und der Mensch der göttlich gesetzten Ordnung oder eben auch Willkür unterworfen ist (Sirker-Wicklaus 1988, 46). Dies steht im größeren Zusammenhang der Darstellungsweise dieses Textes: »Noch nicht Bekehrte bleiben in den Johannesakten auch dann, wenn ihnen die Wohltaten des von Johannes verkündeten Gottes bereits verheißen oder gar schon 314

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zuteilgeworden sind, noch ganz den Gewohnheiten jener Welt verhaftet, der sie bislang angehörten« (Plümacher 2004c, 270). Lykomedes beklagt daher sein Los »ganz so, wie es pagane Romanhelden in vergleichbarer Situation zu tun pflegen« (Plümacher 2004c, 270; vgl. Junod/Kaestli 1982, 516f.), er ist trotz der ihm zuvor zuteilgewordenen Erscheinung nicht in der Lage, die Worte des Zuspruchs zu fassen, und bricht in Trauer zusammen; als Auferweckter will er vor Johannes niederfallen und ihn anbeten, und später (ActJoh 26) lässt er im Unverstand ein Bildnis des Johannes malen, als wäre dieser eine pagane Gottheit oder ein irdischer Wohltäter, und wird dafür von Johannes getadelt. Sein ›Glaube‹ ist mit seiner Auferweckung noch keineswegs geformt, ja, in ActJoh 25 können er und seine Frau sogar sagen, dass sie (noch) keine Hoffnung auf den von Johannes verkündigten Gott haben und weitere Begleitung und Unterweisung benötigen. Interessant ist daher, wie in diesem Abschnitt von Glaube und Hoffnung gesprochen wird (vgl. analog zu den Phänomenen in den ActPlThecl auch Nicklas/ Niederhofer 2017). Zunächst spricht die vorausgehende Himmelsstimme (ActJoh 18) von denen, »die dort durch dich [sc. Johannes] glauben werden«, die maßlose Klage des Lykomedes wird als »ungläubig« getadelt (ActJoh 21), Krankheit und Tod gelten als »Vorwand für viele, die nicht glauben wollen« (ActJoh 23), und zu Kleopatra sagt Johannes, sie sei »gläubig geworden« an seinen Gott (ActJoh 23). Dabei ist noch unklar, worin dieser Glaube besteht; man kann hier an die Zuwendung zum Apostel und den Gehorsam gegenüber seinem Wort denken, vor allem auch an die selbstbeherrschte Unterdrückung der Trauer – im Unterschied zu dem sich »ungläubig« verhaltenden Lykomedes. Neben dem Glauben steht die Hoffnung: ›Christen‹ werden mit dem Ausdruck »Seelen, die zu hoffen und gerettet zu werden vermögen« (ActJoh 23) bezeichnet, und am Ende stellen Kleopatra und Lykomedes fest, dass sie noch »keine Hoffnung« (ActJoh 25) auf den Gott des Johannes haben, was wohl heißt, dass sie nach der Erfahrung des Wunders noch keine wirklich Glaubenden sind. Kleopatra wird auch nicht wegen des Glaubens ihres Mannes, noch gar aufgrund ihres eigenen Glaubens geheilt, sondern nach der Heilung bittet sie noch: »Rette deine Kleopatra!« (ActJoh 23). Das Wunder ist erst Anlass und Anfang ihrer Rettung, ebenso wie die Auferweckung des Lykomedes noch nicht unmittelbar seinen Glauben zur Folge hat. »Glaube« ist hier also einerseits als Frucht der Mission des Johannes verstanden und das Zum-Glauben-Kommen ist als ein längerer (Lern-)Prozess erfasst, doch bleibt der Glaube in diesem Text inhaltlich relativ unbestimmt: Es ist weder Glaube an die Möglichkeit des Wunders, noch Vertrauen auf das Heil in Christus, vielmehr ist Glaube formal zunächst als »Ausrichtung auf den Apostel« charakterisiert (Sirker-Wicklaus 1988, 15), auf sein Wort und sein Beispiel, und dann vor allem ethisch im Sinne der Unerschütterlichkeit angesichts von Krankheit und Tod gefasst. Kleopatra bleibt dem Apostel zugewandt und gehorcht seiner Anweisung. Das Wunder der Heilung bzw. Auferweckung ist hier nicht, wie in den Synoptikern, Frucht des vertrauenden Glaubens, sondern primär ein Zeichen, das bei den Erweckten selbst wie auch bei ihren Bekannten und den Stadtbürgern zu Glauben führen soll. Ohne diesen hinzutretenden Glauben wäre auch 315

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die Erweckung des Lykomedes und seiner Frau »umsonst« (ActJoh 25). Nach der Erfahrung des Wunders bedarf es deshalb der Unterweisung durch den Apostel, um diese Hoffnung wirklich zu erfassen und »beim Herrn [zu] bleiben« (ActJoh 25). Erst in der folgenden Episode, in der Lykomedes ein Bild des Johannes malen lässt (ActJoh 26f.), ist dann von seinem Glauben und seiner Gotteserkenntnis die Rede (ActJoh 26), wobei gleichzeitig sein Versuch, ein Bild des Johannes malen zu lassen und es in seinem Gemach geschmückt aufzustellen, von Johannes als eine heidnische Verehrungsweise getadelt wird (ActJoh 28). Schließlich erhält Lykomedes die Aufforderung, »ein guter Maler« zu werden und in seinem Leben den Apostel nachzuahmen (ActJoh 29). Interessanterweise ist im gesamten Zusammenhang dieser Missions- und Bekehrungsgeschichte nicht von Taufen die Rede, doch fehlt die Erwähnung der Taufe auch in den anderen Bekehrungsgeschichten der ActJoh (ActJoh 46f. und 48-53), ja mit Ausnahme des möglichen Einschubs ActJoh 57 in den ActJoh überhaupt (Klauck 2005, 32; Schäferdiek 1998, 582). Stattdessen ist nur von einer Initiation durch Handauflegung die Rede (ActJoh 46). Ebenso fehlen in den ActJoh auch dort, wo Spuren einer christlichen Gemeinschaftsbildung durchscheinen, wesentliche Züge einer kirchlichen Ämterordnung. Diese treten hinter der Gestalt des Johannes als des alles beherrschenden charismatischen ›Amtsträgers‹ zurück (Schäferdiek 1998, 581f.) Trauer und Seelenruhe. Dem Glauben stehen in der Erzählung v.a. die hoffnungslose Trauer und Klage gegenüber: Gleich zu Beginn sagt Lykomedes, dass er die Konsequenz aus der Krankheit seiner Frau ziehen wollte, womit wohl ein Suizid angedeutet ist, aber durch die Erscheinung davon abgehalten wurde. Obwohl er den Apostel gefunden und in sein Haus geführt hat, bricht er dann in seiner Trauer zusammen und stirbt (wenngleich nicht durch Suizid), weil er die ihm vorab vermittelte und durch Johannes erneut zugesagte Hoffnung nicht fassen kann. Auch Kleopatra würde in ihrer heftigen Trauer über seinen Tod am liebsten sterben, doch bleibt sie, wie betont wird, dem Apostel zugewandt und hält sich an seine Weisung, nicht außer sich zu geraten und gefasst zu bleiben. Hier zeigt sich eine auffällige Differenz zwischen den beiden Ehepartnern: Kleopatra ist die Beherrschtere, sie fasst Vertrauen zu Johannes, ist bereit, die Worte des Johannes nachzusprechen, und darf ihren Mann selbst aus dem Tod rufen. In ihrer Beherrschtheit bzw. der Kraft, in der Trauer nicht außer sich zu geraten, zeigt sich ein Reflex des stoischen Ideals der Seelenruhe, der Überwindung der Leidenschaften, speziell der Trauer, das zwar hier nicht direkt mit dem Glauben verbunden wird, aber doch als ethische Qualität gilt. Kleopatras Beherrschung im Leid löst bei Johannes Mitleid aus und motiviert ihn, ihr zu helfen; zugleich erweist sie sich darin als Schülerin des Apostels, die ihm gehorcht und seinem Vorbild nachfolgt, was dann auch Lykomedes aufgetragen wird, wenn er – nach der Bild-Episode – die Aufforderung bekommt, ein »guter Maler« zu werden (ActJoh 29), d.h. in der Nachahmung des Apostels zu leben. Der Gott Jesus Christus: Auffällig unklar ist die Christologie im vorliegenden Abschnitt: Offen bleibt, wer der ›jemand‹ ist, der im Traum zu Lykomedes spricht, 316

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und der ›Gott‹ ist, den Johannes verkündigt: Er selbst verwendet in seinen Gebeten zu Christus verschiedene Titel: κύριος (kyrios – Herr), Ἰησοῦς (Iēsous), Χριστός (Christos), βασιλεῦς (basileus – König) und auch Ἰησοῦς Χριστός (Iēsous Christos) in Verbindung (ActJoh 22). Auch der eher weltliche Begriff »Arzt« (ἰατρός iatros, ActJoh 22) tritt auf, in ActJoh 24 begegnet die Anrede Κύριε Ἰησοῦ (Kyrie Iēsou) und der Titel δεσπότης (despotēs – Gebieter). Mehrfach wird zudem der Ausdruck »Name« (ὄνομα onoma) im Blick auf Gott wie auf Christus gebraucht (ActJoh 21f. und 24). Im Ganzen bleibt das Verhältnis von Gott und Christus unklar, ebenso das Verhältnis des gegenwärtig Machttaten wirkenden Gottes Jesus Christus zu dem Jesus, dessen Worte (aus der Bergpredigt) immerhin im Gebet zitiert werden.

Sozial- und realgeschichtlicher Hintergrund Ephesus: Die Erzählung spielt im römischen Ephesus, das der Tradition nach als Zentrum der Mission des Johannes gilt. Lykomedes ist ein Angehöriger der städtischen Oberschicht, dessen Tod in Gegenwart des Johannes diesen zugleich in Verdacht und in Lebensgefahr bringen könnte. Bei bzw. in seinem Haus kommt eine große Menge zusammen, auch später, als Johannes dort predigt. Die Szenerie ist jedoch ganz allgemein gehalten, ohne dass eine nähere Kenntnis der Stadt Ephesus deutlich würde. Ein spezifisches Lokalkolorit und ein mehr als allgemeines Wissen um die Stadt ist hier wie auch in den anderen Episoden der ActJoh nicht erkennbar, weshalb eine Abfassung dort unwahrscheinlich ist. D.h., ein Autor, der die Gegend nicht kennt, bringt die machtvollen Anfänge der Mission in Ephesus zur Darstellung (wobei interessanterweise nicht vorausgesetzt ist, dass dort bei der Ankunft des Johannes schon verschiedene Gruppen von Jesusnachfolgern lebten, wie dies aus den Paulusbriefen bzw. der lukanischen Apostelgeschichte zu folgern wäre; 1Kor 15,29; 16,8; Apg 18,19-20,16; vgl. Frey 2013). Johannes und Ephesus: Die ActJoh übernehmen die in der 2. Hälfte des 2. Jh. ausgebildete kirchliche Johannestradition (Schäferdiek 1983, 258-260), derzufolge der Apostel Johannes, Sohn des Zebedäus, einer der von Jesus zuerst berufenen Jünger (Mk 1,16 etc.), der ›Lieblingsjünger‹ (Joh 13,23) und Autor des Johannesevangeliums (Joh 21,22-24), bis zur Zeit Trajans in Kleinasien gelebt (Iren. haer. 2,22,5; 3,3,4) und als Letzter der Evangelisten in Ephesus sein Evangelium verfasst hat (3,1,1), von dort nach Patmos verbannt wurde (Clem. Al. Div. 42,2; Tert. praesc. 36), wo er die Apokalypse geschrieben haben (Iust. dial. 81,4) und schließlich in Ephesus eines natürlichen Todes gestorben sein soll (Polykrates v. Ephesus bei Eus. h.e. 3,31,3). Die Weihe des Märtyrers bekommt er nach der kirchlichen Johannestradition nur durch zwei unbeschadet überstandene Martyrien, ein Ölmartyrium in Rom (Tert. praesc. 36; Hipp. demonstr. 36) und einen Giftbecher-Anschlag in Ephesus (Aug. sol. 22; vgl. Zahn 1880, cxvii und 237), doch spielt dies in den ActJoh keine Rolle. Während in der vorliegenden Episode der erste Besuch des Johannes und das erste Wirken in Ephesus geschildert wird, bildet der Tod des Johannes den Abschluss des 317

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Werks: Der greise Apostel lässt sich sein Grab ausheben und legt sich hinein (ActJoh 111-115). Neben dieser sehr einflussreich gewordenen Tradition vom natürlichen Tod gibt es freilich noch eine Konkurrenztradition in einem verstreut überlieferten Zitat des kleinasiatischen Sammlers Papias von Hierapolis, demzufolge der Zebedaide Johannes wie sein Bruder Jakobus »von den Juden getötet worden« sein soll (vgl. zu den Belegen Hengel 1993, 88-92). Diese Tradition, die nicht allein aus Mk 10,39 deduziert sein kann, wurde wohl durch die einflussreiche Tradition über den alten Johannes in Ephesus verdrängt, ist aber historisch durchaus ernst zu nehmen. Ob es sich bei dem alten Johannes in Ephesus um den Jesusjünger, Zebedaiden und Apostel handelt und ob Letzterer jemals tatsächlich in Ephesus war, ist daher historisch ausgesprochen zweifelhaft. Auch die (erst bei Dionysios v. Alexandrien, nach Eus. h.e. 7,25,16 erwähnte) Tradition von den zwei Johannesgräbern in Ephesus ist historisch kaum verifizierbar und deutet eher darauf hin, dass hier verschiedene Überlieferungen miteinander verschmolzen sind, die Tradition eines in Ephesus bzw. der Umgebung wirksamen und einflussreichen Lehrers (der presbyteros Johannes, nach Papias, bei Eus. h.e. 3,39,3) und des Apostels (Schäferdiek 1983, 257f.; Hengel 1993, 92-95; ausführlich Frey 2015). Die rätselhafte Verfasserangabe in 2 Joh 1 und 3 Joh 1 führt aber am ehesten zur Verbindung des Corpus Johanneum mit dem presbyteros, während die Annahme, dass das Evangelium vom Zebedaiden und Apostel verfasst ist, am ehesten aus Joh 1,39f. erschlossen werden konnte: Wenn man die ›Leerstelle‹ des ungenannten Jüngers als erste Erwähnung des sonst erst ab Joh 13,23 auftretenden ›Lieblingsjüngers‹ liest und – auf dem Hintergrund der Synoptiker – den Namenlosen mit einem der Erstberufenen aus Mk 1,16 verbindet, legt sich nur Johannes nahe. Obwohl also der Zebedaide Johannes höchstwahrscheinlich mit der Abfassung des Johannesevangeliums nichts zu tun hat und vermutlich nie in Ephesus war, hat die im 2. Jh. ausgebildete kirchliche Tradition das Evangelium und die Briefe und (unabhängig davon zuerst bei Justin) auch die Apokalypse dem ›alten Apostel Johannes von Ephesus‹ zugeschrieben. Der historische Wert der in den ActJoh berichteten Ereignisse wie überhaupt der Mission des Apostels Johannes ist insofern minimal. Oberschicht? Neben dem einflussreichen Lykomedes wird auch einer der Reisebegleiter, Kleobius, ausdrücklich als sehr reich charakterisiert. Er besorgt für Johannes und seine Begleiter ein angenehmes Quartier bei einem Verwandten (ActJoh 19), das diese dann allerdings (ActJoh 25) auf Bitten von Lykomedes und Kleopatra, d.h. aus missionsbezogenen Gründen, nicht aufsuchen. Insgesamt zeigt sich, dass der Apostel in den Johannesakten mehr in den Kreisen der lokalen städtischen Eliten verkehrt, zu denen neben Lykomedes auch Andronikos (ActJoh 31,7f.; 37,4f.), Antipatros (ActJoh 56,3) und Kallimachos (ActJoh 73,10) gehören (Plümacher 2004c, 229). Dabei wird über den bloßen Wohlstand hinaus bei diesen Eliten auch die Prägung durch pagane Religiosität (wie z.B. die Rede von der Göttin Dike zeigt) und durch Ideale der hellenistischen Philosophie (wie z.B. das stoische Ideal der Seelenruhe) zur Darstellung gebracht. Diese Figuren der Oberschicht erfahren – wie hier Lykomedes – eine Hilfe aus einer für sie schweren Notlage durch den von Johannes verkündigten Gott. Es ist unsicher, ob das Christentum zur Zeit der Ab318

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fassung der Akten tatsächlich schon so stark in diesen Kreisen verbreitet war oder nicht. Deutlich ist, dass der Verfasser offenbar auch diese Eliten ansprechen (Plümacher 2004c, 233) und den christlichen Glauben als eine angesehene, auch für diese Eliten attraktive Religion zeichnen will.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund In vielen Einzelzügen weist die Episode sprachliche und motivische Entsprechungen zu biblischen Texten auf. Besonders wichtig ist dabei die Apostelgeschichte, aber auch die Evangelien und z.T. speziell das Johannesevangelium bieten Material, das hier aufgenommen wird. Das Motiv der Doppelvision, mit dem die Episode eingeleitet zu sein scheint, hat Parallelen in der kanonischen Apostelgeschichte. Dort erfährt nicht nur Hananias eine Vision, er solle Paulus nach seiner Christusbegegnung aufsuchen, um ihm die Hände aufzulegen (Apg 9,10-22), sondern auch in Apg 10 erfahren Petrus und Kornelius korrespondierende Visionen, so dass Kornelius Petrus in sein Haus bittet und Petrus dieses aufsucht. Die vorliegende Episode folgt diesem Schema, das auch in der antiken Romanliteratur belegt ist (Wikenhauser 1948; vgl. Söder 1969, 171180). Wie in der Kornelius-Episode wirft sich auch hier der Heide dem Apostel zu Füßen (Apg 10,25f.; vgl. ActJoh 19 und 25), doch muss hier keine direkte Abhängigkeit vorliegen. Hier zeigt sich nur analog ein Zug paganer Religiosität (Junod/Kaestli 1983, 443). Eine andere Erzählung der Apostelgeschichte hat stärkere Spuren hinterlassen: ActJoh 22 bezieht sich in einigen Zügen sprachlich deutlich auf die Erzählung der Heilung des Lahmen und die folgende Predigt des Petrus in Apg 3 zurück. Offenkundig klingt der Satz »Jetzt ist die Zeit der Erquickung (καιρὸς ἀναψύξεως kairos anapsyxeōs)« in ActJoh 22,4 an die Wendung καιροὶ ἀναψύξεως (kairoi anapsyxeōs) in Apg 3,20 an, und das seltene Wort lässt eine bewusste Anspielung vermuten, wenngleich es hier nicht wie in Apg 3,20 im eschatologischen Sinn gebraucht, sondern auf den gegenwärtigen Moment bezogen ist (Lalleman 1998a, 93). Die Rede von Silber und Gold in ActJoh 22,12f. greift ebenfalls deutlich auf das Wort des Petrus in Apg 3,6 zurück. Der Befehl »Steh auf im Namen Jesu Christi!« (ActJoh 22,20) entspricht leicht modifiziert dem Befehl des Petrus an den Lahmen »Im Namen Jesu Christi, steh auf und geh umher!« in Apg 3,6, und auch die Rede vom »Zusammenlaufen« (συντρέχειν syntrechein) einer großen Menge in ActJoh 22,1f. hat eine Entsprechung in Apg 3,11. So sehr die Erzählung auch ohne die Wahrnehmung dieser Bezüge verständlich ist, erscheint sie doch strukturell von Apg 3 beeinflusst, was umso mehr plausibel ist, als ja in Apg 3 Johannes zusammen mit Petrus auftritt und somit als stiller Zeuge eben dieses Wunders gelten kann (Lalleman 1998a, 94). Zu beachten sind auch die biblischen Totenerweckungen – durch Jesus wie durch Apostel gewirkt –, die sachlich den Hintergrund für die apokryphen Toten319

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erweckungserzählungen bilden. Lykomedes fällt vor Johannes nieder wie Jaïrus vor Jesus (Mk 5,22), er bittet ihn in sein Haus wie der Hauptmann zu Kafarnaum (Lk 7,1-10), Petrus gebietet Tabita aufzustehen (Apg 9,40) wie Jesus die Tochter des Jaïrus (Mk 5,40f.) Doch sind diese Motive eher indirekt aufgenommen. Kaum zufällig findet sich die einzige echte Parallele in der johanneischen Erzählung von der Erweckung des Lazarus: Wo Johannes Kleopatra beauftragt, ihren Gatten zum Leben zu erwecken, wird gesagt, sie soll dies »der Menge wegen, die dabeisteht« (διὰ τὸν περιεστῶτα ὄχλον dia ton periestōta ochlon, ActJoh 24) und wegen ihrer Verwandten tun. Damit klingt Joh 11,42 an, freilich ist es dort das Gebet Jesu, das lediglich wegen der Menge und zum Zeugnis für sie laut ausgesprochen wird, was angesichts seiner Einheit mit dem Vater nicht erforderlich wäre (Frey 2000, 441f.). Dieser Aspekt, der im Evangelium die christologische Würde und Einzigartigkeit Jesu herausstellt, hat in der vorliegenden Erzählung keinen Platz, die Wendung ist aus ihrem Kontext herausgebrochen und bezeichnet hier nur die Zeugnisfunktion des Wunders für die Menge. Dennoch ist dieser Anklang an die einzige johanneische Totenauferweckung kaum zufällig. Andere kleinere biblische Anklänge lassen sich feststellen. Dass Gott Toten Tote wiedergibt (ActJoh 24), erinnert an das (dort negativ gewendete) Jesuswort »Lass die Toten ihre Toten begraben« (Mt 8,22 par.), und in seinem Gebet (ActJoh 22) zitiert Johannes explizit das Jesuswort »Bittet, so wird euch gegeben« (Mt 7,7 par.). Andererseits sind die Anklänge an die kanonische Apostelgeschichte wie auch an andere Texte im Gesamten der relativ ausgedehnten Episode doch eher spärlich, was zeigt, dass der Autor sehr klar einen eigenen Text schreiben wollte, und zwar in sprachlicher und theologischer Hinsicht (Lalleman 1998a, 96). Literarisch steht neben den biblischen Erzählungen insbesondere die Formenwelt des antiken Romans im Hintergrund (Sirker-Wicklaus 1988, 41). Zu erwähnen sind hier das Motiv der Offenbarung des göttlichen Willens durch Träume und Visionen, die ausgedehnte Klage des Lykomedes am Bett seiner Frau, der eine ebenfalls auffällig emotionale Klage des Johannes folgt, und das Motiv des Suizids aus Verzweiflung über den Tod der bzw. des Geliebten, das bei Lykomedes wie auch bei Kleopatra (ActJoh 24) begegnet. Damit ist aber zugleich der Kontext der paganen Umwelt zu betrachten, in der sich die christliche Botschaft nun ausbreitet. Hier stehen Anknüpfung und Abgrenzung eng nebeneinander: Die Adressaten der Erzählungen scheinen den Wundern keineswegs skeptisch gegenüberzustehen. Zumindest wird kaum für die ›Tatsächlichkeit‹ der Wunder argumentiert, vielmehr werden Wunder erbeten, erwartet und gewirkt, und dennoch bringen sie dann die Menge zum Staunen, stellen den Apostel ins Licht der Aufmerksamkeit und ziehen Bekehrungen nach sich. Das Wunder demonstriert die Macht und Ehre des von Johannes verkündeten Gottes, der damit auch in Singularität neben die paganen Götter tritt: Kleopatra und Lykomedes kann nur noch dieser eine Gott bzw. Jesus Christus helfen. Alle anderen Götter sind diesem einen Gott offenkundig unterlegen (wie insbesondere die Episode um den Artemistempel, ActJoh 39-44, verdeutlicht). Im vorliegen320

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den Rahmen steht der helfende Gott des Johannes dem Vertrauen auf die pagane Schicksalsgöttin Dike (ActJoh 20,14-19) ebenso wie dem Vertrauen auf irgendeine andere Heilgottheit wie z.B. Asklepios (ActJoh 22,5f.) exklusiv entgegen (Lalleman 1998a, 49). Die Heilung bzw. Auferweckung mit dem schlichten Machtwort lässt auch alle Formen magischer Intervention obsolet werden, und in der anschließenden Bild-Episode wird auch die Verehrung von Götter- oder auch WohltäterBildern (dazu Bremmer 1995b, 40f.) als letztlich unangemessen verworfen. Andererseits tritt der christliche Gott in den Wundern des Apostel in den Bereich des Sichtbar-Manifesten, ja, angesichts der Fülle der Wunder nahezu in den Bereich des »stets Verfügbaren und Greifbaren« (Sirker-Wicklaus 1988, 130), so dass die Anstößigkeit des unsichtbaren Gottes und seiner bildlosen Verehrung für paganes Denken erkennbar abgemildert ist. Eine deutliche Anknüpfung an pagane Philosophie und Ethik findet sich in der starken Betonung des Ideals der ›stoischen‹ Gelassenheit und der Zurückdrängung der Leidenschaften, hier v.a. der Trauer, als Zeichen des Glaubens. Ἡσυχάζειν (hēsychazein) ist ein terminus technicus zur »Beschreibung eines bestimmten Seelenzustandes: des Abgekehrtseins von aller durch weltliche Passionen hervorgerufenen Emotion und Ambition« (Plümacher 2004b, 188). Diese Tugend des Verzichts auf Leidenschaften, zu der Kleopatra ermahnt wird, ist einerseits als Folge und Inhalt des Glaubens verstanden, zugleich aber auch als notwendiges Zeichen christlicher Lebenshaltung. Damit sind – wie schon vorchristlich bei Philo (Abr. 216; sobr. 50) – Züge eines verbreiteten Philosophenbildes aufgenommen (Plümacher 2004b, 188). Noch stärker zeigt sich die Aufnahme philosophischer Topoi dann in der anschließenden Episode um das Portrait des Johannes (dazu Junod/Kaestli 1983, 448-452).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Machterweis und Zeichen: Die beiden Wunder, an deren Tatsächlichkeit für den Autor wie für seine Leserinnen und Leser wohl kaum ein Zweifel bestand, dienen nach den deutenden Worten des Johannes der Verherrlichung Gottes, dem Erweis seiner Macht und damit letztlich der Verbreitung des Glaubens in einem neuen Umfeld, d.h. dem Fortgang der Mission. Doch lässt die Darstellung ebenso deutlich erkennen, dass die Heilung einer Todkranken bzw. die Auferweckung eines Toten zum Bild werden für diesen Übergang vom Tod zum Leben, der sich im Glauben ereignet. »Tod« und »Leben« erscheinen so in einem weiteren, metaphorischen Sinn, bezogen auf die »Rettung«, die im Glauben geschieht. Dies zeigt sowohl die Bitte der eben erweckten Kleopatra an Johannes »Rette deine Kleopatra« (ActJoh 23), die verdeutlicht, dass zur Heilung noch etwas Wesentliches hinzukommen muss, wie auch die abschließende Bitte des Ehepaars um Unterweisung, damit die Auferweckung nicht vergeblich sei. Auch das rätselhafte Wort, dass Gott Toten Tote schenke (ActJoh 24), ist wohl dahingehend zu verstehen, dass Kleopatra und Lykomedes »als ehemals Tote in eine Welt zurückkehren, die von geistig toten Menschen bevölkert 321

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ist, und dass wahres Leben anders aussieht« (Klauck 2009, 92). Der Übergang vom Tod zum Leben geschieht damit ganz im Jetzt (vgl. Joh 5,24) und im Glauben bzw. im Gehorsam gegenüber dem Apostel. Die physische Auferweckung – neben ihrer Funktion als Machtdemonstration – ist ein Zeichen dieses spirituellen Lebensgewinns. Der Sinn des erzählten Geschehens erschöpft sich also nicht in der Heilung bzw. der Auferweckung, sondern »das Erwecktwerden vom Tod zum Leben wird in der Verknüpfung von Totenauferweckungs- und Bekehrungsgeschichten zu einem konstitutiven Element der Bekehrung«, so dass das Wunder der Auferweckung »ausgesprochenen Zeichencharakter« hat (Schäferdiek 1983, 265). Unterhaltsame und hintergründige Exempel: Johannes, ein glaubender Mann und in göttlichem Auftrag unterwegs, erweckt Lykomedes und verschafft so seinem Herrn Ruhm; erstaunlicherweise hat Kleopatra, von ihm erweckt, sogleich dieselbe Fähigkeit angenommen, wenn sie im Beisein und auf Anweisung des Johannes ihren Gatten wieder zum Leben verhilft. Von ihr ist nicht explizit als Glaubender die Rede, doch die Fähigkeit, Gott Macht und Ehre zu verschaffen, hat sie bereits angenommen. Allein durch ihren Gehorsam und gemeinsam mit ihrem Mann begibt sie sich dann auf den Weg, den Glauben, den Johannes verkündigt, besser kennen zu lernen. Die Episoden der ActJoh sind somit auch in ihrer Sequenz eine Reihe von Episoden, an denen beispielhaft deutlich wird, wie sich der Glaube im Kontext der paganen Umwelt äußern kann und welcher Habitus von Glaubenden – in der Unterscheidung zum vormaligen paganen Lebenswandel – erwartet wird (vgl. analog zu ActPlThecl Niederhofer, im Druck). Vorbild ist zunächst der Apostel selbst, aber auch das Verhalten Einzelner, wie Erzählungen über Figuren aus der städtischen Oberschicht, die in auswegloser Notlage von dem Gott, den Johannes verkündigt, Hilfe erfahren. Dies lässt diesen Gott und den Glauben an ihn als ein durchaus attraktives Lebensmodell auch für Menschen höheren Standes erscheinen. Dazu passt es, dass die ActJoh literarisch auf Elemente des antiken Romans und damit auf eine durchaus populäre und unterhaltsame Gattung zurückgreifen und diese zur missionarischen Propaganda nutzen (Bolyki 1995, 35). Man kann annehmen, dass die ActJoh zumindest »zeitweilig ein Erfolg waren und breitere Kreise, auch in einem gebildeten Milieu, erreichten« (Klauck 2009, 106), dem sie ihre Botschaft, letztlich die Vision völliger Enthaltsamkeit, »unterhaltsam und hintergründig zugleich« (Klauck 2009, 107) vermittelten. Gender-Aspekte: Die prominente Rolle von Frauen tritt hier (wie in den ganzen ActJoh) deutlich vor Augen (Bremmer 1995b, 37-56). Die Ehefrau des Markellus reist (offenbar ohne ihren Mann) im Gefolge des Johannes mit, und Kleopatra kommt (wie später auch Drusiana) die Führungsrolle in der Bekehrung des Ehepaars zu. Wie bei Drusiana (ActJoh 81,3) wird auch hier die Wunderkraft von dem Apostel an eine andere Person ›weitergegeben‹, und Kleopatra wird selbst zur Wundertäterin. Kleopatra erweist sich durch ihr Verhalten als die erste ›Glaubende‹: Nachdem Lykomedes in der Trauer über ihren vermeintlichen Tod (und damit auch im Unglauben) stirbt, wird die von ihrem Krankenlager Auferweckte, deren Glaube und Gehorsam gegenüber dem Apostel sich in ihrer Selbstbeherrschung manifestieren, selbst zur Vermittlerin neuen 322

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Die ersten Machttaten Gottes in Ephesus ActJoh 19-24

Lebens an ihren Mann. Anders als Lykomedes verzweifelt sie nicht am Tod des Partners, sondern folgt der Weisung des Apostels, bleibt beharrlich und verhilft ihm wieder zum Leben. Kleopatra ist die Glaubensstärkere, die auf den Apostel hört, während der angesehene Mann seinen Leidenschaften erliegt und auch nach seiner Auferweckung noch länger paganen Verhaltensweisen verhaftet bleibt. Dies mag – historisch durchaus treffend – das schnellere Vordringen des christlichen Glaubens in Kreisen höherer Frauen widerspiegeln. Dennoch besteht kein Grund zur Annahme, dass die ActJoh einem spezifisch weiblichen Milieu entstammen (vgl. Bremmer 1995b, 37f.). Zugleich fällt ins Auge, dass entgegen dem in den ActJoh zentralen Aufruf zur asketischen bzw. enthaltsamen Lebensweise (der dann z.B. in der Drusiana-Episode deutlich hervortritt), hier ein Bild der ehelichen Treue gezeichnet wird. Lykomedes wird verheißen, er solle seine Lebensgefährtin zurückbekommen, und Kleopatra bekommt ihren toten Mann lebendig wieder. Am Ende handeln beide vereint, bitten um weitere Unterweisung und unterstützen gemeinsam die Mission. Die Beziehung zwischen der gläubig gewordenen Kleopatra und dem Apostel tritt hier noch nicht in Konkurrenz zu der Beziehung zwischen ihr und ihrem Mann, und eine Aufforderung zur ehelichen Enthaltsamkeit findet sich in dieser ersten Episode der Mission des Johannes in Ephesus noch nicht.

Aspekte der Wirkungsgeschichte Die Johannesakten wurden schon in der Alten Kirche als häretische Fälschung gebrandmarkt. Ihre Rezeption bei den Manichäern hat ihre Wahrnehmung in der Großkirche weiter getrübt, wenngleich immer wieder – bis hin zu Photius im 9. Jh. – Spuren ihrer Kenntnis begegnen (dazu ausführlich Junod/Kaestli 1982). Die Wirkung der Szene um Kleopatra und Lykomedes beschränkt sich jedoch v.a. auf die anschließende Episode um das von Lykomedes in Auftrag gegebene und verehrte Bild des Johannes (ActJoh 26-29), die in den Diskussionen um die Bilderfrage eine Rolle spielte. Dieses Stück wurde auf der ›bilderfeindlichen‹ Synode von Hiereia 754 n. Chr. als Argument gegen die Bilderverehrung zitiert (Schäferdiek 1998, 567), und so wurde beim 7. ökumenischen Konzil, dem zweiten Nizänum (787 n. Chr.), auf dem die orthodoxe Bildertheologie fixiert wurde, u.a. aus ActJoh 27f. zitiert, um den häretischen Charakter der Johannesakten und damit die Unbrauchbarkeit ihres Einwands gegen die Verwendung von Bildern zu demonstrieren (Klauck 2005, 29; den Text bei Junod/Kaestli 1983, 361368). In die abendländischen Bilderzyklen der Johannesvita hat diese Episode – anders als andere Episoden aus den Johannesakten – keinen Eingang gefunden. Jörg Frey/Veronika Niederhofer

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Literatur zum Weiterlesen J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995a. R. A. Culpepper, John, The Son of Zebedee. The Life of a Legend, Columbia 2000. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005. T. Nicklas/V. Niederhofer, »Glaube« und »Glauben« in den apokryphen Akten des Paulus und der Thekla, in: J. Frey/B. Schliesser/N. Ueberschaer (Hg.), Glaube. Das Verständnis des Glaubens im frühen Christentum und in seiner jüdischen und hellenistisch-römischen Umwelt, WUNT 373, Tübingen 2017, 753-772. V. Niederhofer, Konversion in den Paulus- und Theklaakten. Eine narrative Form der Paulusrezeption, WUNT, Tübingen (im Druck). K. Schäferdiek, Herkunft und Interesse der alten Johannesakten, ZNW 74 (1983), 247-267.

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»Girls Day« (Die Heilung der alten Frauen in Ephesus) ActJoh 30-36 (30) Und nachdem er Verus, dem Bruder, der ihm diente, befohlen hatte, die alten Frauen, die in ganz Ephesus wohnten, zusammenzubringen, bereitete er sich mit Kleopatra und Lykomedes darauf vor, Fürsorge für sie zu leisten. Verus kam schließlich zu ihm und berichtete: »Johannes, von den alten Frauen, die es hier gibt, – sie sind über sechzig Jahre alt – habe ich nur vier in körperlich guter Verfassung gefunden. Von den anderen sind einige gelähmt, andere sind taub, andere haben Arthritis oder leiden an anderen Krankheiten.« Nachdem Johannes das gehört hatte, blieb er eine lange Zeit still und wischte sich dann das Gesicht. Dann sagte er: »Oh, solche Schlaffheit der Bewohner von Ephesus. Oh, solche Verfallenheit und Schwäche gegenüber Gott. O, Teufel, der du mit den Gläubigen von Ephesus lange Zeit dein Spiel getrieben hast. Jesus, der mir seine Gnade geschenkt hat und der mich das Geschenk des Vertrauen in ihn haben lässt, der spricht im Schweigen zu mir: Lass die alten, kranken Frauen suchen, geh mit ihnen ins Theater und heile sie durch mich. Denn einige sind unter denen, die zu diesem Schauspiel kommen, die ich durch diese Heilungen zu etwas Nützlichem bekehren will.« (31) Als die ganze Volksmenge sich bei Lykomedes wegen Johannes versammelt hatte, schickte Johannes alle wieder weg und sagte: »Kehrt morgen wieder ins Theater zurück, alle, die ihr auch die Macht Gottes sehen wollt.« Die Menge aber kam bereits in der Nacht zum Theater. Deshalb kam auch der Prokonsul persönlich, der davon erfahren hatte, und setzte sich zu der Menge. Andronikus aber, ein Heerführer, der Erste unter den Ephesern zu dieser Zeit, sagte laut, dass Johannes unmögliche und unglaubliche Dinge versprochen habe. »Falls Johannes aber in der Lage ist, so etwas zu tun, was ich gehört habe«, so sagte er, »dann soll er das öffentliche Theater, sobald es geöffnet ist, unbekleidet betreten und nichts in seinen Händen halten, und er soll jenen magischen Namen nicht aussprechen, den ich ihn schon sagen gehört habe.« (32) Als Johannes all das erfahren hatte, befahl er, berührt von diesen Worten, die alten Frauen in das Theater zu bringen. Nachdem alle Frauen – manche auf Liegen, andere in Ohnmacht – in die Mitte gebracht waren und die ganze Stadt zusammengekommen und ein großes Schweigen eingetreten war, öffnete Johannes den Mund und begann zu reden: (33) »Männer von Ephesus, ihr sollt zuerst erfahren, warum ich mich in 325

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eurer Stadt befinde … und welcher Art mein Wohlwollen euch gegenüber ist, das so groß ist, dass es auch dieser öffentlichen Versammlung erkennbar, euch allen, ist. Denn ich bin nicht aufgrund einer menschlichen Anweisung geschickt worden. Und ich bin auch nicht auf eine vergebliche Reise geschickt worden. Ich bin auch kein Händler, der mit Kauf- oder Tauschgeschäften beschäftigt ist. Im Gegenteil: Der, den ich verkündige, Jesus Christus, der barmherzig und gütig ist, euch alle, die ihr vom Unglauben beherrscht an böse Lüste verkauft seid, wird er bekehren und aus der Verirrung befreien. In seiner Kraft werde ich auch euren Heerführer aus dem Unglauben befreien, indem ich die aufstehen lasse, die vor euch liegen und an denen ihr alle seht, in welchem Zustand und wie krank sie sind. Dies ist mir jetzt aber nicht möglich, […] (34) Aber zunächst wollte ich das euch zu Gehör bringen: die Sorge um eure Seelen, wegen derer ich zu euch gekommen bin […] Glaubt nicht, dass diese Zeit ewig andauert, eine Zeit des Jochs. Sammelt nicht Schätze auf Erden, wo alles dahinschwindet. […] Glaubt auch nicht, wenn euch Kinder geboren wurden, dass ihr deshalb Ruhe habt. Versucht nicht, für sie zu rauben und zu betrügen. Seid auch nicht traurig, ihr Armen, wenn ihr nicht die Mittel habt, um eure Lüste zu erfüllen. Denn diejenigen, die die Mittel haben, preisen eure Gesundheit, wenn sie selbst krank sind. Freut euch auch nicht, ihr Reichen, mehr Besitz zu haben. Denn euer Besitz macht euch nur traurig, wenn er verloren geht, und wenn er noch da ist, habt ihr Angst, dass jemand euch wegen eures Besitzes angreift. (35) Und du: Du bist arrogant und stolz auf die Schönheit deines Körpers, schau doch auf das Ende der Verheißungen am Grab. Und du: Du brichst die Ehe und freust dich daran. Du musst aber wissen, dass sich Gesetz und Natur an dir rächen werden und zuvor noch das Gewissen. Und du: Du Ehebrecherin, du widersetzt dich dem Gesetz, du weißt nicht, wo du enden wirst. Und du: Du teilst deine Schätze nicht mit denen, die es nötig haben. Wenn du deinen Körper verlässt, dann wirst du im Feuer brennen, und du wirst Erbarmen nötig haben, aber keinen finden, der sich deiner erbarmt. Und du: Du bist cholerisch und zornig, du benimmst dich wie ein wildes Tier. Und du: Du Säufer und Intrigant, sieh ein, dass du deinen Verstand verloren hast und dass dich schändliche und schmutzige Lüste gefangen haben. (36) Und du: Du hast Gefallen an Gold und bist bezaubert von Elfenbein und Edelsteinen. Was liebst du aber, wenn die Nacht kommt? Und du: Du bist der Verlockung von ausgesuchten Kleidern erlegen. Wenn du stirbst, werden dir die Kleider auch dort nützen, wo du hingehst? Und du: Du Mörder, wisse, dass die verdiente Strafe für dich da doppelt vorgesehen ist, wo du hingehst. Das Gleiche gilt für dich, du Zauberer, du Magier, du Räuber, du Betrüger, du Päderast, du Dieb und alle, die in 326

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»Girls Day« ActJoh 30-36

dieser Reihe stehen. Ihr alle werdet von euren Werken verdammt in das unauslöschliche Feuer geführt, in die größte Finsternis, in den Abgrund der Bestrafung und zu den ewigen Bedrohungen. Deshalb: Männer von Ephesus, bekehrt euch. Denn ihr wisst außerdem: Die Herrscher und die Könige, die Tyrannen, die Angeber und die Kriegshelden werden all ihrer Erfolge beraubt, wenn sie sterben, und leiden dann in ewiger Qual.« Und nachdem Johannes diese Rede gehalten hatte, heilte er alle Krankheiten durch die Macht Gottes.

Sprachlich-narratologische Analyse Zunächst fällt die Länge der Erzählung ins Auge. Verglichen mit biblischen Wundergeschichten weist sie einen enormen Textumfang auf. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn beachtet wird, dass die Erzählung ein Fragment darstellt. Die eigentliche Heilung der alten Frauen dürfte verloren gegangen sein und so konstatiert nur ein abschließender Satz im vorliegenden Zustand das eigentliche Wunder. Da die Heilung der Frauen nicht ausgeführt wird, lässt der fragmentarische Text nur eine rudimentäre Wundererzählung erkennen. Deshalb verlagert sich das Gewicht der Episode ganz deutlich auf die Rede des Apostels. Sie steht im Zentrum der Episode, das Wunder flankiert die Rede nur und schafft dem Apostel den eigentlichen Anlass und die Gegebenheiten für seine Rede. Der Textabschnitt ist dementsprechend deutlich zu gliedern. ActJoh 30-33 bilden die Vorbereitung von Wunder und Rede. Die Rede wird in ActJoh 34-36 wiedergegeben und ein letzter Satz in ActJoh 36 führt die angefangene Erzählung zu einem summarischen Ende. Wichtig für die Redesituation, die das Gewicht der Erzählung trägt, ist deren Vorbereitung durch das Arrangement der Theaterszene. Johannes, die Hauptfigur der Erzählung, befiehlt, die alten Frauen von Ephesus im Theater zu versammeln, weil er sich um sie kümmern will. Dass es betont alte Frauen sind, verweist auf eine besondere Fürsorgepflicht der christlichen Gemeinde. Deren Zustand führt er auf teuflische Mächte zurück. Allerdings ist die Sorge um die Frauen nicht ohne Hintergedanken. Sie spielen keine aktive Rolle im Text, sondern sind lediglich Demonstrationsobjekt für die Kraft des Protagonisten und letztlich des Glaubens. Es geht also eher um die Mission derer, die dem Wunder beiwohnen sollen. Deshalb wird die eigentliche Heilung retardiert und in ActJoh 31 vom Haus des Lykomedes in das Theater der Stadt verlegt. So erlaubt das Szenario eine größere Menge an Zuschauern. Der Ort, also das Theater, konzentriert eine große Menge an passiven Personen (Publikum, Frauen), und schafft buchstäblich eine Bühne für den aktiven Johannes. Damit wird durch die gewonnene Erzählperspektive ersichtlich, dass der Apostel eine unglaublich große Zuversicht in seine Sendung hat, was dem Leser deutlich vor Augen führt, welche Kraft und welches Vertrauen der Glaube schenkt. Da die Gewichtung der Episode so deutlich auf ihr Zentrum verweist, muss sich eine Feingliederung vor allem auf die Rede konzentrieren. Hier ist eine An327

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lehnung an das sog. »Genus deliberativum« deutlich, an eine Beratungs- bzw. Entscheidungsrede. Ersichtlich ist dies zum einen durch die Absicht der Rede, wenn Johannes in ActJoh 33 und 36 davon spricht, dass er die Einwohner von Ephesus zur Bekehrung führen will. Damit nimmt er den Auftrag Jesu an, der in ActJoh 30 an ihn in der Stille ergeht. Zum Zweiten ist der Aufbau der Rede typisch für dieses Genus. Zunächst versucht der Redner in einer Einleitung (»exordium«) die Gunst des Publikums zu gewinnen. In ActJoh 33 versucht Johannes dies, indem er auf seine Fürsorge für seine Hörer(innen) verweist. Es folgt direkt im Anschluss die »narratio«, die Schilderung dessen, worum es sich in der Rede dreht. Johannes wehrt zunächst das ab, was seine Hörer(innen) im Theater erwarten können. Er verneint persönlich unlautere Interessen, indem er betont, kein Kaufmann und kein Bote menschlicher Mächte zu sein. So erwirbt er zum einen das Vertrauen seiner Hörer(innen) und steigert zum anderen die Spannung auf seine eigentliche Mission. Er löst diese in ActJoh 33f. auf, indem er positiv seinen Auftrag beschreibt und seinen Auftraggeber nennt. Er bezieht die Szenerie in seine Botschaft ein und benutzt die Demonstration seiner Macht als Beweis seiner Botschaft (ActJoh 33). Dabei ist generell die Bekehrung der Anwesenden im Blick, speziell aber die des Heerführers Andronikus, der seine Skepsis in ActJoh 31 offen zum Ausdruck bringt. Dadurch steigert der Text seine Spannung und personalisiert das Unbehagen der Stadt in ihrem Anführer. Indem Andronikus dem Apostel Einschränkungen auferlegt, ihm jegliche Hilfsmittel untersagt, wird das wundersame Wirken des Johannes weiter gesteigert und den Lesern verdeutlicht, dass der Apostel keine magischen Praktiken anwendet, sondern durch die Kraft Gottes Wunder tut. Durch den fragmentarischen Charakter des Textes wird diese Steigerung der Spannung nicht eingelöst; dass das Wunder gelingt und dass auch Andronikus bekehrt wird, zeigt der weitere Verlauf der ActJoh, da dort Andronikus als Schüler des Johannes auftritt. Dass Andronikus der Vorwurf in den Mund gelegt wird, Johannes habe »Unmögliches und Unglaubliches« versprochen (ActJoh 31), kennzeichnet die Heilung der alten Frauen als Bruch der angenommenen Realität. Dieser göttliche Einbruch in die Wirklichkeit stützt die Kraft der Rede und verleiht ihrem Sprecher und ihrem Inhalt die nötige Legitimation. Den längsten Teil der Rede nimmt die Argumentation in Anspruch (ActJoh 34-36). Zunächst fällt eine Reihung der negativen Anrede in der 2. Pers. Pl. auf. Johannes wendet sich an verschiedene Gruppen (Eltern, Arme, Reiche) und verwirft darin jegliches Bestreben nach Sicherung des eigenen Lebens. Einmal werden die Kinder als Basis der Lebenssicherheit verworfen, was nach antikem Verständnis die naheliegende Altersvorsorge darstellt, dann die Armen getröstet, die ihre Gelüste nicht stillen können, dann die Reichen getadelt, sich nicht an ihre Besitztümer zu klammern. Insgesamt läuft diese erste Reihe darauf hinaus, das zukünftige Gericht Gottes als Zielpunkt des Lebens zu zeichnen. Nur von diesem her lässt sich eine gelingende Lebenshaltung definieren. Dies zeigt sich in der zweiten Reihung, die individuell formuliert ist (2. Pers. Sg.). Wieder kontrastiert der Blick in die Zukunft die Gegenwart des Angeredeten. 328

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Derjenige, der jetzt auf seine körperliche Verfassung stolz ist und sein Selbstwertgefühl von daher bezieht, soll auf sein Ende im Grab blicken. Ehebrecher und Ehebrecherin werden vom Gesetz gerichtet werden. Der Geizige wird im Feuer brennen, der Choleriker, der Säufer, der Intrigant, der Zauberer und viele andere, die der Text als moralisch verwerflich kennzeichnet, werden dem Gericht verfallen. Das Schema bleibt dabei stets gleich. Immer wieder wird ein Kontrast zwischen der Gegenwart und der Zukunft des bösen Subjekts aufgezeigt, wobei die Zukunft immer eine Drohung enthält. Das Schicksal derjenigen, die jetzt nicht umkehren, ist entschieden und es führt sie direkt in das ewige Feuer (ActJoh 36). Die Peroratio folgt direkt an den Höhepunkt der allgemeinen Drohung in ActJoh 36. Sobald der Text als dunkle Klimax die Qualen der Zukunft darstellt (Feuer, Finsternis, Abgrund, Bedrohung), folgt das eigentlich positive Anliegen des Johannes. Er nimmt in seiner Konklusion den Anfang der Rede auf (ActJoh 33) und schafft durch die kurze Aufforderung zur Bekehrung eine Inklusion.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Wichtig sind zunächst der allgemeine und dann der spezielle Ort des Wunders. Ephesus ist als Hauptstadt der Provinz Asia Minor eine der führenden Metropolen der antiken Welt, zur erzählten Zeit des Textes ist sie die Residenz des römischen Statthalters (vgl. Phil 1,13) und Sitz der Provinzialverwaltung. Die Stadt verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit und eigene Zölle. Im 1. Jh. n. Chr. ist für Ephesus eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen. Aus machtpolitischen Gründen baut Claudius (41-54 n. Chr.) das hellenistische Theater nach römischem Vorbild um; der Flavier Domitian (81-96 n. Chr.) errichtet für seinen eigenen Kult einen Tempel, der den noch in Fundamenten erhaltenen Kaisertempel darstellt und den Kaiserkult manifestiert. Auffällig ist das Theater als Ort des Wunders. Das Theater in Ephesus soll 25.000 Menschen Platz geboten haben. Im Theater vergewissert sich die antike Gesellschaft ihrer Identität (»cultural perfomances«). Das ganze Leben kann als Theater aufgefasst werden, es kann in religiöse Feste einbezogen werden und gewinnt seine zentrale Rolle durch die kulturelle Kraft von Vorführung und Nachahmung. Auf der Bühne werden die zentralen gesellschaftlichen Spielregeln aufgeführt und so den Zuschauern zum Nachvollzug dargeboten. Das Theater wird demnach zum Ort, an dem sich eine Gesellschaft versammelt, um am politischen Leben teilzunehmen, aber auch um unterhalten und belehrt zu werden. Dabei unterläuft es Standesunterschiede und bekommt dadurch einen zentralen Platz in der Formung des kulturellen Selbstverständnisses. Wenn das Wunder, das der Apostel bewirkt, also ins Theater verlegt wird, dann wird dadurch betont, dass es in aller Öffentlichkeit stattfindet. Das Theater dient – wie bereits in Apg 19,29-40 – als der Ort, wo Dinge von gesellschaftlicher Relevanz verhandelt werden. Gerade da also, wo die öffentliche Meinung gebildet und das 329

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Selbstverständnis einer Gesellschaft geformt wird, tritt der Apostel auf. Das Wunder wird zur Schauveranstaltung. Dass das »Objekt« der Theaterszene, die alten Frauen, passiv bleibt, ist für den antiken Leser und die antike Leserin nicht verwunderlich. Da die Frau im Imperium Romanum unter einer asymmetrischen Geschlechterordnung lebt, wird sie in der Regel nur dann als positive Figur, die es also zu heilen lohnt, wahrgenommen, wenn sie eine eher passive und reagierende Rolle spielt. Deshalb erwarten die Leserin und der Leser der Erzählung von den alten Frauen keine aktive Mitarbeit von ihnen. Dass das »Objekt« der Heilung gerade alte Frauen sind, die in der Antike – vor allem als Witwen – eine äußerst prekäre soziale Situation aufweisen, lenkt die Interpretation in eine ekklesiologisch-ethische Perspektive.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Ephesus bietet in religiöser Hinsicht einen bunten Markt. Religiös ist die Stadt pluralistisch. Als eigentliche Stadtgöttin ist die »Artemis Ephesia« anzusprechen. Obwohl die Deutung der berühmten Statue schwierig ist (Fruchtbarkeitssymbole, Stierhoden), lässt sich ersehen, dass sie mit der griechischen Artemis verwandt ist und deshalb als Herrin der Tierwelt, als Göttin der Fruchtbarkeit und Liebhaberin der Tänze verstanden werden muss. Dieser Stadtgöttin droht allerdings von einer Vielzahl von »jungen« Kulten Gefahr, weshalb diejenigen, die an ihr verdienen (Devotionalienhandel, Kultpersonal, Gaststättengewerbe usw.) empfindlich auf diese Gefahr reagieren (vgl. Apg 19). Im ersten christlichen Jahrhundert dürften vor allem der Kaiserkult und verschiedene orientalische Gottheiten das Leben bestimmt haben. So ist ein Isistempel bezeugt, der auf ägyptischen Einfluss schließen lässt. Daneben sind es eine Vielzahl von Mysteriengemeinschaften, die die Menschen anziehen. Vor allem der Dionysos- und Demeterkult sind bereits ab 300 v.  Chr. in der Stadt nachweisbar. Für das Christentum wird der Kaiserkult schwierig. Vor allem die Offenbarung des Johannes ist von dieser Auseinandersetzung bestimmt. Anknüpfend an den weitverbreiteten Alexanderkult, der Alexander den Großen als den Begründer der hellenistischen Zeit verehrt, gestattete bereits Augustus die Verehrung seiner Person durch einen eigenen Kult. Vollends ist die Grenze zwischen menschlicher Herrschaft und göttlicher Verehrung von Nero und schließlich von Domitian aufgehoben worden. Von diesem Selbstbewusstsein zeugt sowohl die in Ephesus erbaute Tempelanlage, als auch das Kultbild in Cella. Religionsgeschichtlich ist vor allem das Verständnis des Wunders interessant. Während die kanonischen Evangelien, vor allem Markus und Matthäus, eine gewisse Distanz zum Mirakulösen wahren, ist dies hier – vielleicht durch den fragmentarischen Charakter des Textes bedingt – völlig aufgegeben. Gerade die markinische Tendenz, die Wunder Jesu nicht als Ausweis seines göttlichen Seins aufzufassen und 330

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sie deshalb oft den Augen der Zuschauer zu entziehen (vgl. Mk 2,1-12), bildet einen großen Kontrast zum vorliegenden Schauwunder des Johannes. Das Wunder sucht geradezu eine große Öffentlichkeit. Diese ist konstitutiv für die Auslegung der Erzählung. Die Zweideutigkeit wundersamer Taten, die den kanonischen Evangelien deutlich bewusst war (vgl. Mk 3,22), scheint hier zurückgenommen, und die Zurückhaltung gegenüber Wundern als Ausweis göttlicher Macht ist abgelegt. Eine weitere religionsgeschichtliche Linie, die in der Erzählung fortgeführt wird, ist die des öffentlichen Kampfes. Indem Johannes durch Andronikus herausgefordert wird, steht er genauso unter Zugzwang wie Elija, dem in 1 Kön 18 die Baalspriester gegenüberstehen. Die Situation der Konfrontation bildet ein Grundgerüst für die weiteren Missionserzählungen. Dabei ist der Protagonist mit einer an sich ablehnenden Umwelt konfrontiert. Petrus steht in Apg 2 einer verblüfften Pilgerschar gegenüber, Paulus sieht sich in Athen mit den Erwartungen einer pluralen Weltdeutung konfrontiert (Apg 17). Innerhalb der religiös bunten Stadt Ephesus steht nun Johannes den Erwartungen seines Publikums und deren Götterwelt gegenüber. Eine solche Konstellation scheint im Rahmen christlicher Missionstätigkeit also typisch. Im Detail werden einige biblische Topoi aufgenommen. Bemerkenswert ist hier z.B. die Wendung von ActJoh 34, wenn Johannes in Aufnahme von Mt 6,19 davon spricht, dass der Mensch auf Erden keine Schätze sammeln soll. Dies verbindet er mit dem Lohngedanken, der in Anlehnung an Mt 6,1 davon ausgeht, dass der irdische Besitz nichts zählt. Die radikale Ethik der Bergpredigt wird hier aufgenommen und konsequent eschatologisch betrachtet. Nur vom Ende her lässt sich das Tun in der Gegenwart beurteilen und motivieren. Deshalb sind die Armen den Reichen gegenüber im Vorteil, da sie sich nicht um vermeintliche Schätze sorgen müssen (ActJoh 34). Der Vorteil der Armen und die Kritik an den Reichen haben wiederum Vorbilder: Zunächst ist hier an die Seligpreisung der Armen zu denken (Mt 5,3; Lk 6,20), dann an die Warnung vor dem Reichtum (Spr 11,28) und an das Bildwort vom Kamel und dem Nadelöhr (Mk 10,25; Mt 19,24; Lk 18,25). Interessant ist besonders die psychologisch scharfsinnige Beobachtung, dass der Reichtum den Reichen nicht ruhig schlafen lässt, sondern ihn in Angst versetzt, seinen Reichtum zu verlieren. Dies hat eine direkte Parallele bei Kohelet, der bereits ähnlich über den Reichtum urteilt (Koh 5,9.11). Diese dem Reichtum durchaus kritisch gegenüberstehende Linie fließt also über hellenistisches Weisheitsdenken in die Theologie des Matthäus ein, der in Mt 6,19-21 ähnlich argumentiert. Die ActJoh nehmen diese Linie auf und führen sie weiter. Dabei scheint die matthäische Theologie besonders wichtig gewesen zu sein, da auch sie die ethische Weisung mit dem eschatologischen Ausblick, dem Weltgericht verbindet (Mt 25). ActJoh 36 malen die Drohung der ewigen Strafe allerdings eindrücklicher aus als z.B. Mt 25,41. Hier nimmt die Erzählung wahrscheinlich Anleihen aus Lk 16,19-31 auf, dem Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus, das ähnlich argumentiert wie der Apostel in den ActJoh. Die drohende Strafe dient auch hier der Abschreckung und Motivation der guten Tat. 331

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Insgesamt lässt sich also eine breite Kenntnis biblischer Überlieferung für die ActJoh ersichtlich machen. Sie stehen in deutlich christlichem Traditionsstrom und zeigen im Rahmen der vorliegenden Erzählung einen klaren ethischen Akzent.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erzählung will als Missionserzählung gelesen werden. Sie stellt einen Konnex zwischen einem Heilungswunder und der Bekehrung von Menschen her. Das Wunder dient der Demonstration der göttlichen Macht und Legitimation des Apostels und seiner Rede. Die Macht Gottes und die Macht Jesu werden also in erster Linie eindrucksvoll (und buchstäblich) in Szene gesetzt. Da dies im Theater geschieht, betritt das Christentum damit die Bühne einer quasi internationalen und multireligiösen Öffentlichkeit. Dass das Wunder genau an dem Ort stattfindet, wo die Anklage des Demetrius gegen die Christen verhandelt wird (Apg 19), zeigt die Tendenz der Überbietung. Wo Paulus aufgrund des Aufruhrs nicht hingehen konnte, demonstriert nun Johannes die Kraft Gottes. Dass das Wunder dabei geradezu zum Schauwunder gesteigert wird, lässt zum einen die Überlegenheit Gottes und seines Dieners deutlicher werden und zum anderen die Unterhaltsamkeit der Erzählung klarer hervortreten. Damit ist eine zweite Linie angesprochen, die nicht außer Acht gelassen werden sollte. Da dieser Text sicher vor allem von einem christlichen Publikum goutiert worden sein dürfte, geht es auch um religiöse Erbauung und Unterhaltung. (Ganz deutlich wird dies in ActJoh 60-61, der Geschichte von den gehorsamen Bettwanzen.) Da sich die christlichen Leser bewusst sind, dass das Wunder nicht ganz Ephesus zu einer christlichen Stadt gemacht hat, wäre es verfehlt anzunehmen, dass die Leser davon ausgingen, einen Tatsachenbericht vor sich zu haben. Von daher wird ersichtlich, dass die Pointe des Textes auch in der religiösen Selbstvergewisserung der christlichen Gemeinde zu suchen ist. Eine dritte Ebene betrachtet die »Objekte« der Heilung näher. Hier fließen ekklesiologische und ethische Aussageabsichten ineinander. Die Geschichte legt Wert darauf, dass es sich um alte Frauen handelt, denen die Fürsorge des Apostels gilt. Diese dürfen also von der Gemeinde nicht ausgegrenzt werden, sondern gehören zu ihr vollgültig dazu. Dass gerade der Zustand der alten Frauen Johannes in ActJoh 30 über die Schlaffheit, Verfallen und Schwäche der Bewohner von Ephesus klagen lässt, dürfte eine Kritik an der römischen Gesellschaft darstellen und gleichzeitig ekklesiologisch-ethisch zur Fürsorge für die Frauen aufrufen. Die ungewöhnlich zahlreiche Erwähnung der Witwen im Neuen Testament (Lk 2,36; 7,12; 1 Tim 5,11 u.ö.) spiegelt offensichtlich das Bemühen der christlichen Gemeinden, die hilfsbedürftigen Witwen zu unterstützen. Der Zustand eines Gemeinwesens kann also in gewissem Sinne am Zustand der alten Frauen abgelesen werden. Aus christlicher Perspektive ist es plausibel, vom schlechten Zustand der 332

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alten Frauen auf den schlechten Allgemeinzustand der Bewohner von Ephesus zu schließen. Das Motiv der Fürsorge verstärkt sich noch, wenn das ungewöhnlich hohe Alter der Frauen beachtet wird. Nimmt man eine durchschnittliche Lebensdauer von 36 Jahren für Frauen an, steigert sich das Wunder weiter. Wenn die Kraft Gottes sich den ganz Schwachen zuwendet, zeigt sich die unbedingte Güte Gottes sehr deutlich. Dadurch wird gleichfalls betont, dass das Alter an sich kein Zeichen der Schwäche ist, sondern dass auch die alten Frauen in der christlichen Gemeinde ihren von Gott gewollten Platz haben. Im Hinblick auf die soziale Struktur einer Gemeinde gilt den alten Frauen, gerade in einer Gesellschaft, die kein soziales Netz im modernen Sinne kennt, ein besonderes Augenmerk (vgl. Tit 2,3). Die Frauen können deshalb in pragmatischer Hinsicht als ein Hinweis verstanden werden, wonach sich die Leser mehr um diese Gruppe innerhalb der Gemeinde kümmern sollen. Es wäre als ethischer Appell zu verstehen, die Fürsorge insbesondere für Witwen zu intensivieren. Damit wäre eine erste pragmatische Absicht des Textes darin zu erblicken, die diakonische Anstrengung der Leser(innen) zu wecken oder zu intensivieren. Schließlich steht die Rede im Mittelpunkt: Die ethische Dimension des Textes tritt in den Vordergrund. Hier zeigen die ActJoh eine streng asketische und zugleich spiritualistische Ausrichtung. Das ganze Verhalten des Menschen soll sich am Ausblick auf das Ende seines Lebens und das Ende der Welt orientieren. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst die Aufzählung der Sünden und Laster, die Kritik an Sitten und sozialen Gegebenheiten, die dem Menschen das ewige Feuer einbringen werden. Positiv wird dagegen nur die Bekehrung gesetzt, durch die Menschen von Ephesus aus ihren Verirrungen befreit werden sollen. Das Wunder demonstriert dann, dass diese Bekehrung auch im irdischen Leben eine leiblich wohltuende Wirkung hat. Hier liegt die zweite, deutliche Absicht des Textes in pragmatischer Hinsicht vor. Indem er die negativen Beispiele benennt, erklärt er implizit das Gegenteil für angeraten. Die Leser(innen) sollen ihre Lebensführung an dieser Rede überprüfen und sich nach ihr richten. Paul Metzger

Literatur zum Weiterlesen J. Bolyki, Miracle Stories in the Acts of John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995, 15-35. J. N. Bremmer, Women in the Apocryphal Acts of John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995b, 37-56. H.-J. Klauck, Unterhaltsam und hintergründig. Wundertaten des Apostels in den Johannesakten, in: H. Grieser/A. Merkt (Hg.), Volksglaube im antiken Christentum. FS T. Baumann, Darmstadt 2009, 87-107. P. J. Lallemann, The Acts of John. A Two-Stage Initiation into Johannine Gnosticism, Leuven 1998a.

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen zu den Johannes-Akten. Untersuchungen zur Struktur, zur theologischen Tendenz und zum kirchengeschichtlichen Hintergrund der Acta Johannis, Bonn 1988.

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Lebens-entscheidender Wettstreit der Götter (Heilung vieler Krankheiten in Ephesus; Prodigium vor Artemisstatue) ActJoh 37-45 (37) Und die Brüder von Milet sagten zu Johannes: »Lange Zeit sind wir in Ephesus geblieben; wenn es dir gefällt, wollen wir auch nach Smyrna gehen. Schon hören wir nämlich, dass die Großtaten Gottes auch dort Fortschritte machen.« Und Andronikos sagte zu ihnen: »Wann auch immer der Lehrer will, wollen wir gehen.« Und Johannes sagte: »Zuerst wollen wir in den Tempel der Artemis gehen. Denn vielleicht werden auch dort, wenn wir erscheinen, die Knechte des Herrn gefunden werden.« (38) Es war also nach zwei Tagen das Geburtstagsfest des Götzentempels. Johannes ging, während alle weiß gekleidet waren, als einziger schwarz angezogen zum Tempel hinauf; und sie ergriffen ihn und versuchten, ihn zu töten. Und Johannes sagte: »Ihr seid von Sinnen, die ihr Hand an mich legt, Männer, an mich, einen Knecht des einzigen Gottes.« Und auf ein hohes Podest steigend sagte er zu ihnen: (39) »Ihr lauft Gefahr, Männer von Ephesus, bei der Art und Weise des Meeres zu verweilen. Jeder herabfließende Fluss und jede herabströmende Quelle, Regengüsse und auch schnell aufeinander folgende Wellen und felsige Wintergüsse werden wegen seines salzigen Gehalts ebenfalls salzig. So seid auch ihr unveränderlich bis heute für die (wahre) Frömmigkeit, die ihr zerstört werdet in euren alten Kulten. Wie viele Wunderzeichen habt ihr durch mich gesehen, wie viele Heilungen, und noch seid ihr verstümmelt an den Herzen und könnt nicht sehen. Was ist nun, Männer von Ephesus? Ich habe es gewagt und bin nun auch zu diesem eurem Götzentempel hinaufgegangen; ich werde euch überführen, die ihr gottlos seid und tot durch menschliche Denkweise. Siehe, ich stehe hier! Ihr alle sagt, dass ihr die Artemis für eine Göttin haltet. Betet also zu jener, dass ich als Einziger sterbe; sonst werde ich alleine, wenn ihr nicht fähig seid, dies zu tun, meinen eigenen Gott anrufen und euch wegen eures Unglaubens alle töten.« (40) Und die, die schon längst Erfahrungen mit ihm gemacht hatten und gesehen hatten, dass Tote auferweckt worden waren, schrieen (laut): »Nicht auf diese Weise töte uns, wir bitten dich, Johannes. Wir wissen ja, dass du es vermagst.« Und Johannes sagte zu ihnen: »Wenn ihr also nicht sterben wollt, soll euer Kult widerlegt werden. Und weshalb wird er widerlegt? Damit auch ihr euch entfernt von eurer alten Irreführung. Nun nämlich (gilt) ganz besonders: Entweder ihr werdet euch bekehren 335

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durch meinen Gott oder ich selbst werde sterben durch eure Göttin. Denn ich werde beten vor euren Augen, indem ich meinen Gott anrufe, dass ihr Erbarmen findet.« (41) Und als er dies gesagt hatte, betete er folgendermaßen: »Gott, der (du) über alle, die Gott genannt werden, Gott bist; der du bis heute in der Stadt der Epheser verworfen wirst; der du meinem Verstand eingegeben hast, an diesen Ort zu kommen, an den ich niemals im Sinn hatte (zu kommen).Der du allen Götzendienst widerlegen wirst durch die Bekehrung, die ausgeht von dir, dessen Name jedes Götzenbild flieht und jeder Dämon, Macht und auch jede unreine Natur. Auch jetzt, indem vor deinem Namen dieser Dämon hier flieht, der eine solche Menge in die Irre führt, zeige dein Erbarmen an diesem Ort, weil sie in die Irre geführt werden.« (42) Und zugleich, als Johannes dies sagte, zerfiel plötzlich der Altar der Artemis in viele Stücke und alle im Tempel aufgestellten (Weihegaben) fielen unversehens auf den Boden, und ihr Bogen zerbarst ebenso wie auch mehr als sieben der hölzernen Götterbilder, und die Hälfte des Tempels fiel nieder, so dass auch der Priester, als das Gewölbe herunterkam, mit einem einzigen Schlag getötet wurde. Da schrie die Menge der Epheser: »(Es ist nur) ein Gott, der des Johannes. (Es ist nur) ein Gott, der mit uns Erbarmen hat, denn du allein bist Gott. Jetzt haben wir uns bekehrt, weil wir deine Wundertaten sehen. Erbarme dich unser, Gott, wie du (es ja) willst, und aus der großen Irreführung rette uns!« Und die einen von ihnen lagen auf dem Gesicht und flehten, und die anderen beugten ihre Knie und beteten, wieder andere hatten ihre Kleider zerrissen und weinten, und wieder andere versuchten zu fliehen. (43) Und Johannes streckte die Hände in die Höhe und erhob die Seele und sprach zum Herrn: »Ehre sei dir, mein Jesus, der Wahrheit einziger Gott, weil du deine Knechte mit mannigfaltigen Mitteln empfängst.« Und als er dies gesagt hatte, sagte er zur Menge: »Steht auf vom Boden, Männer von Ephesus, betet zu meinem Gott, und erkennt seine verborgene Macht, die in der Öffentlichkeit sichtbar wird, und die wunderbaren Werke, die vor euren Augen geschehen. Artemis hätte sich selbst helfen müssen. Ihr Knecht hätte von ihr Hilfe erfahren müssen und er hätte nicht sterben dürfen. Wo ist die Macht des Dämons? Wo sind die Opfer? Wo sind die täglichen Geburtstagsfeste? Wo sind die Feiern? Wo sind die Bekränzungen? Wo ist die große Zauberkunst und die mit dieser verschwisterten Verwendung von Zaubermitteln?« (44) Und das Volk stand vom Boden auf, lief hin, riss den Rest des Götzentempels nieder und schrie dabei: »Den Gott des Johannes allein kennen wir, ihn beten wir auch weiter an, die wir Erbarmen erfahren haben von ihm.« Und als Johannes herabgestiegen war von dort, ergriff ihn eine große Menge und sie sagten: »Hilf uns, Johannes! Stehe 336

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ActJoh 37-45

uns bei, die wir sinnlos zugrunde gehen. Du siehst unsere Gesinnung! Du siehst die Menge, die sich an die Hoffnung auf deinen Gott hängt. Wir haben gesehen den Weg, auf dem wir in die Irre geführt wurden, als wir (ihn) verlassen haben. Wir haben gesehen, dass unsere Götter vergeblich aufgestellt worden sind. Wir haben gesehen das große und schimpfliche Hohngelächter über sie. Aber gestatte uns, wir bitten dich, dass uns, wenn wir in dein Haus kommen, ungehindert geholfen wird. Nimm uns an, die wir in Verlegenheit geraten sind.« (45) Und Johannes sagte zu ihnen: »Männer, glaubt, dass ich um euretwillen in der Stadt der Epheser geblieben bin, der ich die Absicht, nach Smyrna und in die übrigen Städte (zu gehen), gehabt habe, damit auch dort die Knechte Christi sich bekehren zu ihm. Aber da ich aufgejagt worden bin, obwohl ich noch nicht einmal über euch vollends zur Ruhe gekommen bin, bin ich geblieben, betete zu meinem Gott und habe ihn gebeten, dann aus Ephesus herauszugehen, wenn ich euch gefestigt haben werde. Und da ich sehe, dass dies geschehen ist und noch dazu mehr geschieht, werde ich mich nicht wegwenden von euch, bis ich euch wie Kinder von der Milch der Amme getrennt und auf einen festen Felsen gestellt haben werde.«

Sprachlich-narratologische Analyse Die Episode über die Zerstörung des Tempels der Artemis ActJoh 37-45 ist eingebettet in den Kontext der Erzählungen über das Wirken des Johannes in Ephesus (ActJoh 18-55 und 87-105). Von den dabei sieben angeführten Wundererzählungen handelt es sich hier nach der Auferweckung der Kleopatra und des Lykomedes (ActJoh 19-25) sowie nach der Heilung der alten Frauen (ActJoh 30-36) um das dritte Wunder. Da diese Heilungsgeschichte mit einer nur summarischen Notiz der Heilung in ActJoh 36 abbricht und dort eine Lücke entsteht, ist nicht sicher, welcher Inhalt unmittelbar vor den ActJoh 37-45 steht. Möglicherweise ging ActJoh 37 die Evangeliumsverkündigung des Johannes voran, die in der Ausgabe von Junod/Kaestli (1983) ActJoh 87-105 umfasst. Im Anschluss an ActJoh 45 folgt die vierte Wundererzählung über die Auferweckung des Artemispriesters (ActJoh 46f.), der im Zuge der Zerstörung des Artemistempels (ActJoh 42) erschlagen wird. Nach der Lücke zwischen ActJoh 36 bzw. ActJoh 105 und ActJoh 37 wird hier mit der Nennung der »Brüder von Milet« und dem Vorschlag, möglicherweise von Ephesus nach Smyrna zu gehen, der Beginn eines neuen Erzählabschnitts markiert. Diese Frage nach der Aufenthaltsdauer in Ephesus wird in ActJoh 45 mit dem Hinweis aufgegriffen, Johannes bleibe in Ephesus, bis er die bekehrten Epheser »auf einen festen Felsen« gestellt habe. Daran schließt dann die Notiz vom weiteren Verweilen des Johannes in Ephesus in ActJoh 46 (in Rückgriff auf ActJoh 37) an, weist 337

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aber auf den Anfang einer neuen Episode hin, denn es findet ein Ortswechsel vom zerstörten Artemistempel ins Haus des Andronikos statt. Der Text ist geprägt von vielen wörtlichen Reden, die zum Teil einen Dialog zwischen Johannes und seinen Schülern bzw. vor allem zwischen Johannes und den Artemisverehrern in Ephesus enthalten, zum größeren Teil aber auch Reden und Gebete des Johannes. Deutlich ist außerdem die chiastische Struktur des Textes (Bolyki 1995, 21), die folgender Überblick zeigt: A: Frage nach der Aufenthaltsdauer des Johannes in Ephesus und dem Fortziehen nach Smyrna. Entscheidung des Johannes, in Ephesus zu bleiben (ActJoh 37) B: Die Epheser wollen Johannes im Tempel der Artemis töten (ActJoh 38,1) C: Johannes wirft ihnen Gottlosigkeit vor, fordert sie zu einem ›lebensent scheidenden‹ Gebetswettkampf auf (Rede; ActJoh 38,2-39) D: Johannes bittet Gott, den Götzen bzw. Dämon zu verjagen (Gebet; ActJoh 40f.) X: Die Hälfte des Artemistempels stürzt ein, der Priester stirbt; die Ephe ser bekehren sich zum Gott des Johannes (Urteil, Ergebnis des Wett kampfs; ActJoh 42) D’: Johannes dankt Gott für das Wunder (Gebet; ActJoh 43) C’: Die Leute bekennen ihren Glauben an den Gott des Johannes (Rede; ActJoh 44) B’: Die Leute bitten Johannes um Hilfe, wollen, dass er bleibt (ActJoh 44) A’: Johannes bleibt auf die Bitte der Epheser hin (ActJoh 45) Im Zentrum der Episode steht also das entscheidende Ereignis, dass die Hälfte des Artemistempels einstürzt, dabei ein Priester stirbt und die Epheser daraufhin den Gott des Johannes um Erbarmen anrufen (ActJoh 42). Diese Szene kann als »Gerichtsurteil« (ebd.) und Wendepunkt verstanden werden, um den herum alle anderen Elemente in konzentrischen Kreisen angeordnet sind. So wird ActJoh 42 unmittelbar von zwei Gebeten des Johannes umschlossen, in denen er sich bittend (ActJoh 40f.) bzw. dankend (ActJoh 43) an Gott wendet. Um diese Gebete herum besteht eine Inklusion durch eine Rede bzw. ein Bekenntnis des Johannes (ActJoh 38,2-39 und 44). Einen noch weiter außen liegenden Kreis bilden die Berichte über das Verhalten der Epheser: Anfangs wenden sie sich gegen Johannes (ActJoh 38,1), am Ende gegen den Kult im Tempel (ActJoh 44). Auch die Anfangs- und Endszene bilden eine Klammer um die ganze Erzählung, denn sie handeln jeweils von der Aufenthaltsdauer des Johannes in Ephesus (ActJoh 37; 45). Im Einzelnen lassen sich folgende sprachlich-narratologischen Beobachtungen machen: Mit der Thematisierung der Aufenthaltsdauer in Ephesus wird in ActJoh 37 die Stadt Ephesus und dann genauer der Artemistempel als Handlungsort der nun folgenden Szene eingeführt. Zeitlich ereignet sich die Episode am »Geburtstagsfest des Götzentempels«, zwei Tage nach der in ActJoh 37 diskutierten Frage nach dem Verweilen in Ephesus (ActJoh 38). Insofern die Szene am 338

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ActJoh 37-45

zentralen Fest der Artemisverehrung stattfindet, wird deren Bedeutung hervorgehoben. Innerhalb der Figuren, die in ActJoh 37 eingeführt werden (»die Brüder von Milet«, Andronikos und Johannes), nimmt Andronikos eine Sonderstellung ein, da seine mahnenden Worte an die Brüder von Milet in direkter Rede vorliegen. Als Hauptperson tritt Johannes auf, was nicht nur daran deutlich wird, dass er von Andronikos als »Lehrer« (διδάσκαλος didaskalos) bezeichnet wird, sondern auch daran, dass die Brüder von Milet ihren Vorschlag zur Weiterreise nach Smyrna eher vorsichtig formulieren (εἰ δοκεῖ σοι ei dokei soi – wenn es dir gefällt) und sie von Andronikos zu einer Unterordnung unter die Entscheidung des Johannes ermahnt werden. Diese fällt zugunsten eines Bleibens in Ephesus aus mit der Aufforderung an seine Gesprächspartner, in den Tempel der Artemis zu gehen, um dort eventuell »Knechte des Herrn« zu finden. Auffälligerweise ist danach keine Rede mehr von den hier genannten Johannesschülern, sondern ausschließlich Johannes wird fokussiert, denn laut ActJoh 38 geht er als Einziger von ihnen zum Artemistempel. Dabei wird Johannes durch den Hinweis auf seine schwarze Kleidung den festlich weiß gekleideten Ephesern kontrastierend gegenübergestellt. Das damit angedeutete Spannungsverhältnis zwischen Johannes und den Artemisverehrern von Ephesus wird sofort durch den Versuch, ihn zu töten, bestätigt. Zwar wird in dieser Situation die Gegnerschaft des Johannes nicht näher beschrieben und auch der Grund für die Tötungsabsicht bleibt offen, aber zentral ist hierbei das offensichtlich bedrohliche Gegenüber einer unbestimmt großen, gewalttätigen Menge von Artemisanhängern einerseits und Johannes als Einzelnem andererseits. Zugleich wird Johannes trotzdem als überlegen dargestellt, denn er kann dieses Tötungsvorhaben durch eine Rede an seine Gegner (ActJoh 38f.) aufhalten und bezeichnet sie dabei mutig mit den Worten »ihr seid von Sinnen« (μεμήνατε memēnate), sich selbst dagegen als »Knecht des einzigen Gottes« (δοῦλος τοῦ μόνου θεοῦ doulos tou monou theou). Zusätzlich wird die überlegene Position des Johannes dadurch illustriert, dass er für den weiteren Redeverlauf auf ein hohes Podest steigt. Auch die Inhalte der Rede drücken seine Souveränität aus, denn er wirft seiner Gegnerschaft mit Hilfe eines Vergleichs aus der Natur Gottlosigkeit vor (ActJoh 39). Dass der Text stark mit Kontrasten arbeitet, zeigt sich auch im weiteren Verlauf der Erzählung. Der Gegenüberstellung von Johannes und den anwesenden Ephesern entspricht nämlich auch eine Kontrastierung des Gottes des Johannes einerseits und der Artemis andererseits, die das Zentrum der Episode bildet. So wird in der ersten Rede des Johannes an die Epheser (ActJoh 39) von der (wahren) Frömmigkeit (εὐσέβεια eusebeia) einerseits und den alten Kulten (θρησκεύματα thrēskeumata) der Epheser, die zerstörerisch wirken, andererseits gesprochen. Auch die Bezeichnung des Artemisions als »Götzentempel« (εἰδωλεῖον eidōleion) impliziert bereits die Meinung, Artemis sei ein Götze. Dies wird weiterhin in der ersten Formulierung des Gebetswettkampfes deutlich, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Epheser die Artemis für eine Göttin halten, und damit eine gewisse Skepsis dieser Meinung gegenüber ausgedrückt wird. Im Gegensatz zu dieser ver339

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meintlichen Göttin Artemis wird der Gott des Johannes von Anfang (ActJoh 38) an als »einziger Gott« (ὁ μόνος θεός ho monos theos) bezeichnet. Zentral für die kontrastierende Gegenüberstellung der beiden Götter ist vor allem der Gebetswettkampf, denn dabei geht es um die Frage nach ihrer jeweiligen Macht, die am extremen Fall ›Macht über Leben und Tod‹ ausgetragen werden soll. Es geht also um eine ›Lebens-Entscheidung‹, denn es steht entweder das Leben des Johannes oder das der anwesenden Epheser auf dem Spiel. Weiterhin zeigt sich der Kontrast zwischen Artemis und dem einzigen Gott des Johannes, wenn die Artemisverehrung als »alte Irreführung« abgewertet (ActJoh 40; 42; 44) oder diese »Irreführung« implizit als von Artemis bewirkt dargestellt (ActJoh 41) wird. Demgegenüber wird mit dem einzigen Gott des Johannes Erbarmen (ἔλεος eleos) verbunden (vgl. ActJoh 40; 41; 42; 44). Die negative Wirkung der Artemisverehrung und damit verbunden die negative Macht der Artemis werden nicht nur durch den Hinweis, damit sei »Irreführung« verbunden, ausgedrückt, sondern besonders im Gebet des Johannes um Gottes Erbarmen für die Epheser (ActJoh 41). Dort wird nämlich Artemis nicht nur mit einem Götzenbild (εἴδωλον eidōlon), einer Macht (δύναμις dynamis) und einer unreinen Natur (φύσις physis), sondern vor allem mit einem Dämon (δαίμων daimōn) gleichgesetzt. Es geht bei diesem Gebetswettkampf also eigentlich um einen ›Machtkampf‹ zwischen Gott, dessen Macht sich in Erbarmen (in Gestalt von Wundern) zeigt, und Artemis als einer Art Dämon, dessen Macht sich darin auswirkt, dass die Epheser in die Irre geführt werden. Betont wird bei der Gegenüberstellung von Gott und Artemis die Überlegenheit Gottes. Angedeutet wird diese schon im souveränen Auftreten des Johannes als »Knecht des einzigen Gottes« gegenüber seiner zahlenmäßig überlegenen Gegnerschaft (ActJoh 38) und in seiner Aufforderung zum Gebetswettkampf, bei dem er – im Vertrauen auf die Macht seines Gottes – sein Leben aufs Spiel setzt. Auch die Bitte der Epheser, Johannes solle sie nicht auf diese Weise töten (ActJoh 40), denn sie wüssten, dass er das könne, ist nicht nur Ausdruck des Zweifelns an der Macht der Artemis, sondern weist auch darauf hin, dass die Epheser sich der Macht Gottes, die in den Wundertaten des Johannes sichtbar wird, bewusst sind. Das erste Gebet des Johannes (ActJoh 41) formuliert in den litaneiartigen Anreden Gottes ausdrücklich dessen Überlegenheit über alle sogenannten Götter, die vor ihm fliehen. Die Umsetzung von Johannes’ Bitte in der Zerstörung des Artemistempels und der Tötung eines Artemispriesters (ActJoh 42) – evtl. als Hinweis darauf, dass der Artemiskult nun zerstört ist – veranschaulicht dann offensichtlich diese Übermacht Gottes. Darauf weist Johannes in seiner zweiten Rede an die Epheser (ActJoh 43) auch noch einmal hin, wenn er sie auffordert: »Erkennt seine unsichtbare Macht, die in der Öffentlichkeit sichtbar wird, und die wunderbaren Werke, die vor euren Augen geschehen«. Demgegenüber verdeutlicht Johannes in dieser Rede auch erneut ausdrücklich die Nichtigkeit der Artemis, die sich und ihrem Knecht, dem erschlagenen Priester, nicht geholfen hat. Auch die Menge, die Johannes in ActJoh 44 um Hilfe bittet, formuliert die Machtlosigkeit ihrer Götter. 340

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ActJoh 37-45

Diese Kontrastierung von Gott und Artemis unterstreicht also nicht nur die Ohnmacht der Artemis stellvertretend für alle Götzen, Dämonen u.Ä. (vgl. ActJoh 41), sondern auch das Bild von Gott, das der Text zeichnet. Es handelt sich um den einzigen Gott, wie gleich zu Beginn (ActJoh 38) konstatiert wird, der zu Großtaten (τὰ μεγαλεῖα τοῦ θεοῦ ta megaleia tou theou) fähig ist (ActJoh 37). Dass er der einzige Gott ist, wird auch im Gebet ActJoh 41 formuliert, denn er ist Gott über alle, die Gott genannt werden, und die Götzen und Dämonen fliehen vor ihm. Umso anstößiger ist, dass ihn die Epheser verwerfen (ActJoh 41). Die Fähigkeit Gottes, über Leben und Tod zu entscheiden, wird nicht nur im Vorschlag des Gebetskampfes deutlich, sondern auch in der Zerstörung des Artemistempels, bei der die Epheser unversehrt bleiben, wie von Johannes erbeten. Wiederholt zeigt sich auch, dass Gottes Macht in seinen Wundertaten bzw. denen des Johannes sichtbar wird (ActJoh 37; 39; 40; 42; 43), die wiederum Gottes Erbarmen zum Ausdruck bringen und illustrieren. Charakteristisch für die Darstellung Gottes ist weiterhin, dass er stellenweise mit Jesus Christus identifiziert wird. Angedeutet wird diese Gleichsetzung schon in der Erwähnung der »Knechte des Herrn« (τοῦ κυρίου οἱ δοῦλοι tou kyriou hoi douloi) in ActJoh 37. Während bis nach der Zerstörung des Artemistempels durchwegs von »Gott« im Gegenüber zu den Göttern die Rede ist, wird die Identifizierung von Gott und Jesus Christus in der Ehrerbietung des Johannes nach der Zerstörung des Artemisions und der Bekehrung der anwesenden Epheser (ActJoh 43) explizit, denn schon die Einleitung zu diesem Gebet nennt als Adressaten des Johannes den »Herrn« (κύριος kyrios), und Johannes spricht die Ehre dann ausdrücklich »meinem Jesus, der Wahrheit einzigem Gott« (Ἰησοῦ μου, ὁ τῆς ἀληθείας μόνος θεός Iēsou mou, ho alētheias monos theos) zu. Auch der Wechsel zwischen der Bezeichnung »Knechte des Herrn« (τοῦ κυρίου οἱ δοῦλοι tou kyriou hoi douloi) in ActJoh 37, »Knecht des einzigen Gottes« (δοῦλος τοῦ μόνου θεοῦ doulos tou monou theou) in ActJoh 38, »deine Knechte« (οἱ σοὺς δοῦλοι hoi sous douloi) in ActJoh 43 sowie »Knechte Christi« (οἱ δοῦλοι τοῦ Χριστοῦ hoi douloi tou Christou) in ActJoh 45 weist auf die Gleichsetzung von Gott und Jesus Christus hin. Interessant an der Schilderung Gottes ist weiterhin, dass er häufig als Gott des Johannes bezeichnet wird, nicht nur von den Ephesern aus der Außenperspektive (ActJoh 42; 44), sondern auch von Johannes selbst (ActJoh 39; 40; 43; 45). Damit wird nicht nur ein Gegenpol zu den Ephesern hergestellt, sondern vor allem auch auf eine besonders enge Beziehung zwischen Johannes und Gott hingewiesen. Diese ist bereits aus den vorangehenden Kapiteln der Johannesakten bekannt, denn von Beginn an wird betont, dass Johannes auf die Initiative Gottes hin von Milet nach Ephesus reist (vgl. ActJoh 18; 33). Auch im Gebet des Johannes (ActJoh 41) formuliert dieser deutlich seine Leitung durch Gott, wenn er bemerkt, dass Gott es ihm eingegeben habe, an diesen Ort, d.h. den Artemistempel, zu kommen, den Johannes selbst niemals von sich aus aufgesucht hätte. Weiterhin deutet ActJoh 45 in Verbindung mit ActJoh 37 die Führung des Johannes durch Gott und zugleich Johannes’ Unterordnung unter den Willen Gottes an. Im Rahmen der Frage nach der Aufenthaltsdauer des Johannes in Ephesus wird nämlich deutlich, 341

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dass Johannes den rechten Zeitpunkt für die Abreise in Einvernehmen mit Gott feststellt (vgl. Plümacher 2004a, 208-210). Die enge Verbindung von Gott und Johannes wird in ActJoh 37-45 weiterhin dadurch ausgedrückt, dass die Wunder des Johannes letztlich auf die Macht Gottes hinweisen (vgl. ActJoh 37; 39; 40; 43). Das Wunder, das in ActJoh 42 zu sehen ist, ist außerdem auf das Gebet des Johannes hin erfolgt, woran erkennbar ist, dass Gott seinen (treuen) Knecht Johannes erhört. Die Gebete des Johannes sind also Ausdruck funktionierender Kommunikation zwischen Gott und Johannes. Nicht nur das Verhältnis zwischen Johannes und Gott wird in ActJoh 37-45 thematisiert, zentral ist vor allem auch das Verhältnis zwischen den Ephesern und Gott und damit das Thema ›Bekehrung‹ (s.u. Verstehensangebote und Deutungshorizonte).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Offensichtlich ist die Szene geprägt von der Auseinandersetzung zwischen (jüdischchristlichem) Monotheismus und polytheistischen Kulten – hier dem Artemiskult –, die selbstverständlich Teil des (religiösen) Alltags frühchristlicher Gemeinden war. Deutlich wird mit Hilfe des Gebetswettkampfes der Artemiskult kritisiert und dabei für den christlichen Glauben an den einen Gott, der hier mit Jesus Christus identifiziert wird (ActJoh 43), geworben (vgl. Lalleman 1998a, 49). Dabei setzt der Text eine gewisse Kenntnis des Artemiskults voraus: So passt der Name des Festes γενέθλιος ἡμέρα (genethlios hēmera – Geburtstagsfest, ActJoh 38, 43) zum Glauben, dass Artemis in der Stadt Ephesus geboren wurde, und der Hinweis, dass die Epheser am Fest der Artemis weiß gekleidet waren (ActJoh 38), wird von einer Inschrift (IEph 907) bestätigt. Außerdem spiegelt die Polemik von ActJoh 43 Komponenten des Festes der Artemis (vgl. Lalleman 1998a, 263), und in der Beschreibung der Zerstörung des Artemisions deuten sich zentrale Elemente des Artemiskults an – etwa der Altar, die Weihegaben, der Bogen als Attribut der Artemis, hölzerne Götterbilder und ein Priester – (weiterführend zu Artemis und -kult vgl. Klauck 1996, 118-120; Strelan 1996, 41-82). Möglicherweise lässt der Text auch Rückschlüsse auf die Lage des Artemistempels zu. Die Notiz in ActJoh 38, Johannes gehe zum Tempel »hinauf« (ἀνα- ana-), kann nämlich auch als »flussaufwärts« oder »vorgelagert« übersetzt werden. Demnach würde Johannes ins Inland oder flussaufwärts gehen, was antiken Berichten entspricht, denen zufolge ein Fluss neben dem Artemistempel floss. Auch die Aussage in ActJoh 45, Johannes werde die Gläubigen auf einen festen Fels stellen, kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass das Artemision in einer niedrigen, feuchten Gegend gelegen war (vgl. Lalleman 1998a, 264). Sozialgeschichtlich gesehen, ist die Erzählung ActJoh 37-45 nicht besonders aufschlussreich. Mit Andronikos wird ein Mann genannt, der aus ActJoh 31 als »Stratege« (στρατηγός stratēgos) bekannt ist, also als einer, der eine gewisse Führungsposition innehat. Dies reiht sich in die Beobachtung ein, dass in den meisten 342

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Szenen wohlhabende Männer und deren Frauen, zum Teil sogar die Führerschaft der Stadt, dominieren (vgl. ActJoh 19; 31). Auch der Schauplatz Artemistempel entspricht der Tendenz der Johannesakten, die Wunder an bedeutenden Orten der Stadt zu lokalisieren (vgl. Bolyki 1995, 33). Ähnlich wie in anderen Wundererzählungen der Johannesakten scheint auch hier kein Interesse an kirchlichen Institutionen zu bestehen. Da nur die Rede von den »Brüdern« und von Johannes als »Lehrer« ist (ActJoh 37), entsteht der Eindruck, die christliche Gemeinschaft in Ephesus sei eine Gruppe von Einzelnen, die um Johannes versammelt sind (vgl. Lalleman 1998a, 36). Weiterhin lässt die Thematisierung der Aufenthaltsdauer des Apostels Johannes in Ephesus in ActJoh 37 und 45 realgeschichtliche Hintergründe erkennen. Die darin unterschwellig enthaltene Kritik, Johannes sei bereits zu lange in Ephesus geblieben und nicht nach Smyrna und in andere Städte aufgebrochen, wird zwar in ActJoh 45 mit dem Hinweis begegnet, Gott entscheide über den Zeitpunkt der Weiterreise, aber in ActJoh 55 wird trotzdem derselbe Vorwurf an Johannes herangetragen. In diesem Fall sind es die Smyrnäer, die ihm vorwerfen, »sich mit Vorliebe an einem Ort aufzuhalten«. Hierin spiegelt sich nicht nur die grundsätzliche Frage nach der angemessenen Verweildauer des Apostels an einer einzelnen seiner Wirkungsstätten, sondern auch die Rivalität zwischen Ephesus und Smyrna, die immer wieder neu aufbrach und darum weit bekannt war. Während Smyrna in der Regel dieselben Rechte, Titel und Privilegien besitzen wollte wie die Provinzhauptstadt Ephesus, geht es hier scheinbar um den Wunsch nach der Anwesenheit des Apostels, der durch Vermittlung neuer Gotteserkenntnis neue Hoffnung gewähren könnte (vgl. Plümacher 2004a, 210-215). Mit der Thematisierung der Aufenthaltsdauer des Apostels in einer Stadt, ohne andere zu benachteiligen, wird möglicherweise auf die ähnliche Problematik bezüglich der Verweildauer von Statthaltern auf ihren Assisereisen – d.h. jährliche Reisen, auf denen die Statthalter in ihrer Rolle als höchster Richter Städte besuchten, um Recht zu sprechen – durch die ihnen vom Kaiser zugeteilte Provinzen angespielt. Da mit dem Besuch der Statthalter ideelle und materielle Vorteile verbunden waren, konkurrierten die Konventstädte Pergamon, Smyrna und Ephesus in der zweiten Hälfte des 2. Jh. um einen möglichst langen Aufenthalt des Statthalters in ihrer Stadt, wie etwa die Rede bei Aelius Aristides über die Wiederherstellung der Eintracht dieser Städte (or. 23 [nach Keil 1898]) bezeugt. Dabei tadelt Aristides den Wunsch der Städte, den Statthaltern vorschreiben zu wollen, wie lange sie in ihrer Stadt jeweils bleiben sollte, nämlich möglichst lange (vgl. Plümacher 2004a, 217-222).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Das Thema (Gebets-)Wettkampf zwischen dem einen Gott des Johannes und der heidnischen Göttin Artemis zeigt Analogien zur Elija-Erzählung 1 Kön 18, wo von einem Wettkampf zwischen Gott und Baal am Berg Karmel erzählt wird. Insofern in beiden Texten der Hauptcharakter eine Rede hält, die die Verehrer einer paganen 343

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

Gottheit herausfordert (Lalleman 1998a, 142), kann Johannes als parallelisiert mit Elija betrachten werden. Im Unterschied zu 1 Kön 18 spielt in ActJoh 37-45 jedoch der Aspekt eine Rolle, dass der Gebetswettkampf zugleich über Leben bzw. Tod des Johannes und der Artemisanhänger entscheidet. Damit wird die Bedeutung der Bekehrung zu dem einen Gott im Vergleich zu 1 Kön 18 verstärkt. Weiterhin zeigt sich im Wettkampf zwischen den Göttern eine Parallele zu Dan 14,1-22 (vgl. Klauck 2005, 36). Dort steht der »lebendige Gott« (Dan 14,5) dem babylonischen Gott Bel gegenüber. Die bedeutendste Gemeinsamkeit zwischen Dan 14,1-22 und ActJoh 37-45 neben dem Thema des Wettkampfes dürfte darin liegen, dass auch in Dan 14,1-22 das Leben der jeweiligen Anhänger auf dem Spiel steht, da für den, der die Probe nicht besteht, Todesstrafe angedroht wird (Dan 14,8-9.22). Außerdem wird in Dan 14,22 von der Zerstörung des Gottes Bel und seines Heiligtums berichtet. Im Unterschied zu ActJoh 37-45 wird hier allerdings Daniel selbst als derjenige dargestellt, der diese Zerstörung vornimmt, während in ActJoh 37-45 die Zerstörung als Wundertat Gottes dargestellt wird. Dass alttestamentliche Schriften die Johannesakten mitbeeinflusst haben, selbst wenn sich keine direkten Zitate aus ihnen finden und der Begriff »Schrift« fehlt, zeigt an manchen Stellen auch das Vokabular. Beispielsweise verweist die Formulierung στερεὰν πέτραν (sterean petran – fester Fels) in ActJoh 45,9 auf Ps 39,3LXX und Jes 50,7. Allerdings könnte diese Wendung auch von frühchristlichen Gemeinschaften vermittelt sein, wie etwa 1 Kor 3,10 zeigt, wo sich ein ähnliches Motiv findet (vgl. Lalleman 1998a, 144). Einige Elemente von ActJoh 37-45 weisen darauf hin, dass der Text von der kanonischen Apostelgeschichte und anderen neutestamentlichen Texten geprägt ist. Am deutlichsten sieht man das wohl an der Bedeutung der Stadt Ephesus und der dort entstehenden Gemeinde, denn in der Apostelgeschichte nimmt das Wirken des Paulus in Ephesus ebenfalls relativ viel Raum ein. Dabei wird nicht nur von Wundertaten des Paulus in Ephesus erzählt (Apg 19,11-20), sondern insbesondere auch von der Auseinandersetzung mit dem in Ephesus zentralen Artemiskult (Apg 19,2140) im Rahmen des Aufruhrs der Silberschmiede. Im Unterschied zu diesem Text, in dem Gott der eigentlich Handelnde ist und Paulus kein Urteil von Gott erbittet, steht in ActJoh 37-45 Johannes selbst als Handelnder im Zentrum (vgl. Bolyki 1995, 160-162; Klauck 1996, 117-126). Selbst wenn das Thema »Ephesus« in den Johannesakten ähnlich zentral zu sein scheint wie in der Apostelgeschichte, fällt auf, dass die Johannesakten nie über die Kirche bzw. Gemeinde in Ephesus informiert. Genannt werden nur der Name der Stadt und der Tempel als zentrale Einrichtung, allerdings ohne nähere Beschreibung. Im Unterschied dazu gibt die Apostelgeschichte etwas nähere Informationen über die jeweiligen Städte und liefert zuweilen geographische und technische Details (Lalleman 1998a, 92f.). Weiterhin verweist die Wendung »Großtaten Gottes« (τὰ μεγαλεῖα τοῦ θεοῦ ta megaleia tou theou) in ActJoh 37 auf die Apostelgeschichte. Zwar ist dieser Ausdruck 344

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ActJoh 37-45

auch in Dtn 11,2 und Ps 70,19LXX zu finden, also typisch biblische Sprache, aber insbesondere spielt er wohl Apg 2,11 ein. Dort wird die Wendung ebenfalls vom Verb »hören« (ἀκούω akouō) begleitet, und der Kontext bietet eine Liste der Menschen, die die Jünger hören; darunter werden auch Bewohner der Provinz Asien genannt. So dürften die Nennung der Brüder von Milet und der Hinweis auf die Städte Smyrna und Ephesus (ActJoh 37) von der Erinnerung an Apg 2 inspiriert sein (vgl. a.a.O., 95). Neben Bezügen zur Darstellung des Wirkens von Paulus in der Apostelgeschichte findet sich in ActJoh 37-45 im Motiv des »Knechtes Christi/Gottes« eine Parallele zu paulinischer Literatur. So erinnert etwa die Bezeichnung des Johannes als »Knecht des einzigen Gottes« (ActJoh 37) an das Selbstverständnis des Paulus als »Knecht Christi«, das er an verschiedenen Stellen zum Ausdruck bringt, wie z.B. in Röm 1,1; Gal 1,10 u.a. Auch die Bezeichnung der Gläubigen als »Knechte Gottes/ des Herrn/Christi« (ActJoh 37; 43; 45) ist in der neutestamentlichen Literatur weitverbreitet und findet sich nicht nur in Paulusbriefen (vgl. Gal 4,7), sondern auch in etlichen anderen Texten (vgl. 1 Petr 2,16; Offb 19,5; 22,3 u.v.m.). Weiterhin erinnert die Aussage, Johannes werde in Ephesus bleiben, bis er die Gemeinde »wie Kinder von der Milch der Amme« getrennt haben werde, an 1 Kor 3,1-2. Dort vergleicht Paulus die Korinther mit unmündigen Kindern, denen er nur Milch geben könne. Die Präsentation des Gebetswettkampfes zwischen dem einzigen Gott des Johannes und der paganen Göttin Artemis als Wundererzählung reiht sich zwar grundsätzlich ein in die große Bandbreite von antik-christlichen Wundergeschichten (vgl. auch Bolyki 1995, 30-32). Aber dabei ist – im Unterschied zu anderen Wundererzählungen der Johannesakten – nicht ganz offensichtlich, welche Wunder-Gattung genau vorliegt. Zunächst ist an ein Strafwunder zu denken, da die Zerstörung des Tempels und der Tod des Priesters wie eine Strafe Gottes wirken. Gegen diese Auffassung spricht allerdings, dass der Priester in der nächsten Wundererzählung (ActJoh 4647) wieder auferweckt wird. Demnach dominiert nicht der Aspekt der Strafe, sondern vielmehr das Urteil, das von Gott kommt (vgl. auch 1 Kön 18; Apg 19,21-40), worauf schon alleine die chiastische Struktur mit dem Urteil als Wendepunkt (ActJoh 43) hinweist. Es handelt sich also eher um ein ›Demonstrationswunder‹ (a.a.O., 20-21), das die Macht des Evangeliums und die Wahrheit der missionarischen Predigt aufzeigen soll. Hier dient es dazu, den Kontrast des Gottes des Johannes zu den paganen Götzen zu demonstrieren. Für dieses Verständnis spricht beispielsweise die enge Verbindung des Wunders mit Gebeten und Reden, so dass es sich in ActJoh 39-40 eher um eine Missionspredigt handelt, die ein Wunder verspricht oder darin endet. Auch dafür gibt es verschiedene andere Beispiele in frühchristlicher Literatur (vgl. a.a.O., 30). Außerdem kann ActJoh 37-45 als Exorzismus verstanden werden, da Artemis in ActJoh 41 und 43 mit einem Dämonen identifiziert und daraufhin vernichtet wird (zu den Merkmalen von Exorzismen vgl. Theißen 1998, 94-98). In der Zerstörung des halben Artemistempels, von der ActJoh 42 berichtet, 345

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liegt eine Parallele zu den wohl etwas früher entstandenen Paulusakten vor. Dort wird nämlich in Kapitel 5 von der Zerstörung ebenfalls des halben Apollotempels in Sidon erzählt. Daneben zeigen sich weitere Parallelen zwischen den Johannes- und den Paulusakten, die eine starke Verbindung dieser beiden Texte miteinander bestätigen (vgl. Lalleman 1998a, 105).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die vorangegangenen Überlegungen enthalten verschiedene Verstehensmöglichkeiten der Episode ActJoh 37-45: Eine mögliche Deutung ergibt sich aus der Beobachtung des sozial- und realgeschichtlichen Hintergrunds zur Frage nach der Aufenthaltsdauer des Apostels Johannes in Ephesus (ActJoh 37; 45). Damit wird nämlich auf die Problematik bezüglich der Verweildauer von Statthaltern auf ihren Assisereisen angespielt, die darin besteht, dass die konkurrierenden Konventstädte den Statthaltern vorschreiben wollen, wie lange sie in ihrer Stadt bleiben sollen (vgl. Ael. Arist. or. 23 [nach Keil 1898]). Ähnlich geht es in ActJoh 37 und 45 (vgl. auch ActJoh 55) um die Frage, wie lange Johannes, der Inhaber eines ihm vom Kyrios anvertrauten Verwalteramtes, an den einzelnen Orten zu bleiben habe. Allerdings scheint die Sorge um die Aufenthaltsdauer des Apostels in den jeweiligen Städten in den Johannesakten als eine einvernehmliche Regelung geschildert zu werden, die allen Betroffenen gleich gerecht wurde, während Aristides diese Thematik als anmaßenden Eingriff in die Kompetenz der Statthalter durch die rivalisierenden Städte darstellt. Diese Parallelisierung der Missionsreise von Johannes mit der Assisetour der Prokonsuln dürfte einen polemischen Vergleich von vorbildlichem christlichem Verhalten – exemplarisch des Verhaltens des von Gott geleiteten Apostels – und dem Verhalten auf paganer Seite anzielen. Letztere dienen als Negativbeispiel dafür, bei der Frage nach der Aufenthaltsdauer der Statthalter ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein, statt sich nach dem Prinzip der Gleichbehandlung zu richten. Demnach liegt in ActJoh 37; 45 und 55 zumindest teilweise indirekte Polemik gegen bestimmte Verhaltensweisen der römischen Provinzialverwaltung vor. Umgekehrt wird hiermit zugleich ein positives Bild von Johannes gezeichnet: Anders als der ein oder andere Statthalter auf Assisetour benachteiligt Johannes keine der ihm anvertrauten Städte, sondern gewährt ihnen seine Anwesenheit in Einvernehmen und unter Leitung Gottes bzw. des Kyrios (vgl. ausführlich dazu Plümacher 2004a, 222-228). Aus form- und religionsgeschichtlicher Perspektive betrachtet, ist diese Episode über die Zerstörung des Artemistempels als Wundererzählung zu interpretieren. Das ist schon am für Wundertexte charakteristischen textimmanenten Signal zu erkennen (ActJoh 42), dass die Epheser laut schreiend, also für alle hörbar, ihre Bekehrung zum Gott des Johannes proklamieren und als Grund dafür angeben, 346

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ActJoh 37-45

sie hätten Gottes Wundertaten »gesehen«. Demnach wird die Zerstörung des Artemistempels hier von den Ephesern als Wundertat Gottes gedeutet. Auch Johannes interpretiert die Zerstörung des Artemisions in ActJoh 43 als Wunder, das die verborgene Macht Gottes »in der Öffentlichkeit sichtbar« macht. Deshalb liegt in dieser Episode ein sogenanntes ›Demonstrationswunder‹ (Bolyki 1995, 20f.) vor. Für eine Interpretation von ActJoh 37-45 als Wundererzählung spricht außerdem die plötzliche Zerstörung des Artemistempels ohne mit dem Verstand erklärbaren Grund (ActJoh 42), wodurch der Eindruck der Durchbrechung der Realität entsteht. Die in Wundertexten konsequente Reaktion auf diese unerklärliche Veränderung besteht dann in Staunen und Irritation, wie sie auch die Epheser in ActJoh 42 an den Tag legen. In einem weiteren Sinn kann die Episode auch als Exorzismus verstanden werden, da Artemis in ActJoh 41 und 43 als Dämon bezeichnet wird, von dem die Epheser in die Irre geführt werden. Dies kann mit dem typischen Merkmal von Exorzismen verglichen werden, dass der Mensch dem Dämon ausgeliefert ist. Der Gebetswettkampf erinnert an den für Exorzismen charakteristischen Kampf zwischen Dämon und Exorzist, wobei der Besessene, hier der Artemistempel, als Schlachtfeld erscheint (Theißen 1998, 97). Auch das dritte Element von Exorzismen, »die zerstörerische Tätigkeit des Dämons in der Natur«, die »teils in den sachgebundenden Exorzismen« sichtbar ist, »in denen Orte und Zeiten von dämonischem Treiben befreit werden« (a.a.O., 98), ist in ActJoh 37-45 erkennbar, nämlich in der Zerstörung des Artemistempels. Offensichtlich arbeitet der Text mit dem schematischen »Entweder-Oder«, das für Wundererzählungen der Johannesakten typisch ist (Bolyki 1995, 33), denn dem Gebetswettkampf zufolge gibt es nur die Alternativen entweder Bekehrung zum ›Gott des Johannes‹ oder Festhalten an der Artemisverehrung, die gleichbedeutend sind mit der Alternative Leben oder Tod. Auch die für die Wunder der Johannesakten charakteristische missionarische Intention (a.a.O., 34) ist in der Episode der Zerstörung des Artemistempels sehr deutlich, insofern die Bekehrung der Epheser eines der zentralen inhaltlichen Elemente des Textes bildet. Darüber hinaus zielt die Präsentation des Wunders in Form eines spannungsvollen Wettkampfes zwischen den Göttern, bei dem es um Leben und Tod geht, darauf ab, die Neugier der Leser zu wecken. Damit reiht sich ActJoh 37-45 in die Funktion der verschiedenen Wundererzählungen der Johannesakten ein, die in einer Interesse weckenden Einladung für den Leser zum zentralen ›Evangelium‹ ActJoh 87-102 besteht (vgl. Lalleman 1998a, 52). Eng verbunden mit der formgeschichtlichen Betrachtung der Episode sind auch kerygmatische und theologische Deutungen: Zentral ist, dass mit dem Wunder die Macht des Gottes demonstriert wird, den Johannes verkündet (vgl. Bolyki 1995, 20f.; Sirker-Wicklaus 1988, 131). Dieser »einzige Gott« erweist sich nicht nur als mächtig über die nichtigen Götzen und Dämonen, sondern auch als mächtig über Leben und Tod, wie der Gebetswettkampf und die Interpretation der Zerstörung des Artemistempels durch die Epheser (ActJoh 42) und durch Johannes (ActJoh 347

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43) zeigen. Auffälligerweise wird dieser »einzige Gott« immer wieder mit Jesus Christus identifiziert (ActJoh 43; vgl. auch ActJoh 37f.; 45), was für das Bild Gottes und Christi in den Johannesakten charakteristisch ist (vgl. Lalleman 1998a, 36). Zugleich dient das Wunder der Zerstörung des Artemistempels auch zur Darstellung des Johannes als Apostel genau dieses mächtigen Gottes bzw. Christi. Dies wird nicht nur in der Bezeichnung Gottes als »Gott des Johannes« und des Johannes als »Knecht Gottes/des Herrn/Christi« deutlich, sondern auch im Hinweis, die Epheser hätten viele Wundertaten durch Johannes gesehen (ActJoh 39). Weiterhin verkündigt Johannes in den Reden und Gebeten den machtvollen Gott und führt diesem ›allmächtigen‹ Gott gebührende Ehrerbietung (ActJoh 43) und Betitelungen (ActJoh 41) vor Augen. Auch hinsichtlich seines Vertrauens auf Gott bzw. Jesus Christus, das vor allem im Einsatz seines Lebens beim Gebetswettkampf zum Ausdruck kommt, und hinsichtlich seiner Leitung durch Gott bei der Frage nach der Aufenthaltsdauer in den ihm anvertrauten Städten (ActJoh 45), kommt der Gestalt des Johannes eine Vorbildfunktion zu. In ihm findet der Leser ein Beispiel höchsten Gottvertrauens und angemessener Unterordnung unter den Willen Gottes. Bedeutend ist außerdem die Beobachtung, dass ActJoh 37-45 ebenso wie die anderen Wunder der Johannesakten als »sichtbare Machttaten« Gottes im Zusammenhang mit Bekehrungen stehen. Bereits die erste Rede des Johannes an die Epheser (ActJoh 39) deutet dies mit dem Vorwurf an, sie seien »unveränderlich« für die (wahre) Frömmigkeit und »verstümmelt« an den Herzen, obwohl sie viele Wunder durch Johannes gesehen haben. Ausdrücklich wird das Thema Bekehrung dann in der revidierten Formulierung des Gebetswettkampfes in ActJoh 40 zur Sprache gebracht. Es geht hier um die Alternative des Todes des Johannes durch Artemis oder der Bekehrung durch Gott, während in der ersten Version des Gebetswettkampfes (ActJoh 39) das Leben des Johannes und auch das Leben der Epheser als Alternativen angeboten werden. Dass es sich bei der Bekehrung um eine ›lebens-wichtige‹ Entscheidung handelt, wird also dadurch unterstrichen, dass in der zweiten Version des Gebetswettkampfes das Leben bzw. der Tod der Epheser durch die Bekehrung zu Gott ersetzt wird. Die Bekehrung zu und durch Gott wirkt sich nicht nur lebenserhaltend für die Epheser aus, sondern auch für Johannes, dessen Leben als Alternative zur Bekehrung zur Verfügung steht. Die Formulierung »bekehren durch meinen Gott« (ἐπεστρέψατε διὰ τοῦ θεοῦ μου epestrepsate dia tou theou mou) weist darauf hin, dass die Bekehrung durch Gott selbst erwirkt wird, also keine eigentliche Handlung der Epheser ist. Ähnliches drückt sich auch im Gebet des Johannes ActJoh 41 aus. In der Reaktion der Epheser auf die Zerstörung des Artemisions sind es zwar die Epheser selbst, die sich bekehrt haben (ἐπεστρέψαμεν epestrepsamen, Indikativ Aorist aktiv), aber dennoch wird gezeigt, dass diese Bekehrung durch das Sehen der Wundertaten Gottes veranlasst wurde. Vermittler der von Gott erwirkten Bekehrung ist Johannes, insofern er durch seine Wundertaten die Macht Gottes zeigt, durch sein Gebet die Wundertaten Gottes den Ephesern in Erfahrung bringt und auch in andere Städte, etwa Smyrna, geht, damit dort die Menschen zu Christus bekehrt werden (ActJoh 348

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ActJoh 37-45

45). Deutlich ist auch, dass in den Aussagen der Epheser meist die Bekehrung mit dem Erbarmen Gottes in Verbindung gebracht wird, so dass der Eindruck entsteht, Bekehrung sei ein Ausdruck des Erbarmens Gottes bzw. umgedreht, Gottes Erbarmen wirke sich in Bekehrung aus. Selbst wenn in der Rede der Menge, die Johannes in ActJoh 44 um Hilfe bittet, der Begriff »Bekehrung« bzw. »bekehren« nicht vorkommt, weisen ihre Aussagen dennoch darauf hin, dass auch sie sich bekehrt haben. Dabei ist die Rede von einem Sehen bzw. Erkennen (εἴδομεν eidomen) der »Irreführung«, der Vergeblichkeit der Götter und des Hohngelächters über sie, was darauf schließen lässt, dass hier eine Art Umkehr bzw. Abkehr von den falschen Göttern erfolgt. Als Bekehrung kann die Szene auch insofern gedeutet werden, als sich die Epheser nach der Zerstörung des Artemisheiligtums zum Gott, den Johannes verkündet (ActJoh 42; 44), bekennen. Wenn Johannes als Grund für die Ehrerbietung Jesu Christi in ActJoh 43 anführt, dass Jesus seine Knechte empfängt, deutet er das Bekehrungsgeschehen als ein Empfangen der Knechte durch Jesus, so dass Jesus eine aktive Rolle in diesem Geschehen zugeschrieben wird. Ansonsten werden nur wenige Hinweise auf Voraussetzungen für das Christwerden genannt. Etwa deutet die Notiz über das Zerstören der zweiten Hälfte des Artemisions durch die neu Bekehrten selbst (ActJoh 44) an, dass die Gläubigen für ihr eigenes Heil mitverantwortlich sind und in gewisser Weise daran mitarbeiten (vgl. Lalleman 1998a, 105). Während die Bedingungen zur Bekehrung in den Hintergrund rücken, wird deren Bedeutung stark betont. Negativ deutet sich diese bereits im Vorwurf an, die Artemisanhänger in Ephesus hielten trotz der vielen Wunder, die durch Johannes sichtbar geworden sind, an der verkehrten Frömmigkeit fest (ActJoh 39), reagierten also nicht angemessen auf die Wunder (vgl. auch Sirker-Wicklaus 1988, 129). Insofern die Götzendiener im Grunde als »tot« anzusehen sind (ActJoh 39), wird deutlich, dass es in diesem Wunder letztlich um den Beginn eines neuen Lebens geht, das mit der Bekehrung zu Christus einhergeht. Positiv drückt sich dieser Aspekt darin aus, dass im Gebetswettkampf das Leben des Johannes und der Artemisanhänger aufs Spiel gesetzt wird, aber letztlich Gott gewinnt und es zur Bekehrung kommt, so dass sowohl das Leben des Johannes als auch das der Epheser unversehrt bleiben. Heike Hötzinger

Literatur zum Weiterlesen J. Bolyki, Miracle Stories in the Apocryphal Acts of John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995, 15-35. J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John. SAAA 1, Kampen 1995a. H.-J. Klauck, Magie und Heidentum in der Apostelgeschichte des Lukas, SBS 167, Stuttgart 1996. P. J. Lalleman, The Acts of John. A Two Stage Initiation into Johannine Gnosticism, SAAA 4, Leuven 1998a.

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E. Plümacher, Apostolische Missionsreise und statthalterliche Assisetour. Eine Interpretation von Acta Iohannis C.37.45 und 55, in: ders., Geschichte und Geschichten. Aufsätze zur Apostelgeschichte und zu den Johannesakten, hg. v. J. Schröter/R. Brucker, WUNT 170, Tübingen 2004a, 207-228. G. Sirker-Wicklaus, Untersuchungen zu den Johannes-Akten. Untersuchungen zur Struktur, zur theologischen Tendenz und zum kirchengeschichtlichen Hintergrund der Acta Johannis, Bonn 1988. R. Strelan, Paul, Artemis and the Jews in Ephesus, BZNW 80, Berlin et al. 1996.

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Bekehrung praktisch: Verwandtschaft mit Jesus (Totenauferweckung des Artemispriesters) ActJoh 46f. (46,1) Johannes blieb also bei ihnen und er lud sie ein in das Haus von Andronikus. (2) Unterdessen hatte einer von den dort Versammelten den toten Artemispriester vor dem Eingangstor niedergelegt und war mit den Übrigen hineingegangen; dabei achtete er darauf, sich nicht zu verraten, denn er war ein Verwandter von ihm. (3) Nach der Predigt zu den Brüdern, dem Gebet, dem Mahl und nach der Handauflegung auf jeden der Versammelten, sprach Johannes aus der Kraft des Geistes: »Unter denen, die hier sind, gibt es einen, der durch den Glauben an Gott zu diesem Haus geführt wurde, den Artemispriester vor dem Eingangstor niedergelegt hat und eingetreten ist. (4) Und im Verlangen seiner Seele, sich selbst zu seiner voranstehenden Sorge zu machen, bedachte er dieses bei sich: ›Es ist besser, mich um den Lebenden zu sorgen, als um meinen toten Verwandten. (5) Ich weiß nämlich, wenn ich mich zu dem Herrn bekehrt habe und meine Seele gerettet habe, wird Johannes nicht dagegen sein und den Toten wieder auferstehen lassen.‹« (6) Und Johannes stand auf von seinem Platz und ging dorthin, wohin der Verwandte des Priesters, der sich diese Dinge überlegt hatte, gegangen war, und nahm ihn bei der Hand und sprach: »Hast du diese Dinge überlegt, als du zu mir gekommen bist, mein Kind?« (7) Vor Zittern und Beben antwortete er: »Ja, Herr!«, und warf sich ihm zu Füßen. (8) Da sprach Johannes: »Unser Herr ist Jesus Christus, der seine Macht an deinem toten Verwandten erweisen wird, indem er ihn auferstehen lässt.« (47,1) Und er richtete den jungen Mann auf und nahm ihn bei der Hand und sprach: »Für den Mann, der über große Geheimnisse Macht hat, ist es nichts Großes, sich überdies in den kleinen Dingen zu bemühen. (2) Oder was soll daran gewaltig sein, wenn leibliche Krankheiten sich verflüchtigen?« (3) Und während er weiterhin den jungen Mann an der Hand hielt, sprach er: »Ich sage dir: Kind, geh’, erwecke selbst den Toten, sage nichts außer dies: ›Es sagt dir Johannes, der Diener Gottes, steh’ auf!‹« (4) Der junge Mann ging zu seinem eigenen Verwandten, sprach, wobei sich eine große Menschenmenge um ihn scharte, nur diese Worte, und mit ihm, dem Lebenden, ging er wieder hinein zu Johannes. (5) Als Johannes den Auferweckten aber sah, sprach er: »Nun, da du auferstanden bist, lebst du nicht wirklich, bist noch nicht Teilhaber und Erbe des wahrhaftigen Lebens. (6) Willst du zu dem gehören, durch dessen Namen und Macht du auferstanden bist? (7) Und nun glaube und du 351

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wirst leben in alle Ewigkeit.« (8) Der aber glaubte auf der Stelle an den Herrn Jesus und hielt nunmehr Johannes die Treue. Die hier eingefügten Kapiteluntergliederungen erfolgen nach Satz- bzw. Sinneinheiten und dienen der besseren Übersichtlichkeit.

Sprachlich-narratologische Analyse Das Textstück ist eingebettet in die größere Rahmenhandlung der Reise des Apostels Johannes nach Ephesus, wo er sich von ActJoh 19-55 aufhält. Das nähere Umfeld des Textstückes sind die Geschehnisse im Artemistempel in Ephesus (ab ActJoh 37). Dass der historische Aufenthalt in Ephesus stattgefunden hat, ist nicht unangefochten (Plümacher 1994, 261). Hörerinnen und Hörer wurden in ActJoh 45 informiert, dass Johannes seine Aufgabe der Stärkung der neu zu Gläubigen gewordenen erst zum Teil abgeschlossen hat. Der erste Satz von ActJoh 46 knüpft durch das Wort »also« (im Sinne von »folglich«) begründend an. Mit ActJoh 46f. liegt durch den Ortswechsel zum Haus von Andronikus eine neue Erzähleinheit vor, nebst einer sprachlich-inhaltlichen Anknüpfung an die größere Einheit der Geschehnisse im Artemistempel (ActJoh 45). Zum Ende hin ist das Textstück durch einen Zeitwechsel gekennzeichnet: Die Geschehnisse um die Begegnung mit dem Vatermörder finden am darauffolgenden Tag statt. Das Wunder von ActJoh 46f. reiht sich in den Kontext mehrerer geschilderter Wunder in Ephesus ein (ActJoh 19-25; 30-36). Analog zur Anwesenheit des Prokonsuls, dessen Anwesenheit das Prestige einer Stadt steigen ließ (a.a.O., 275), kann für die vorliegende Erzählung gemutmaßt werden, dass sie ein ähnliches Motiv evozieren will: Die Bekehrten von Ephesus scheinen die Wirkmächtigkeit Gottes an die Gegenwart des Wundertäters Johannes zu knüpfen. Insofern ist die Übertragung der Auferweckungsvollmacht gleichzeitig eine Vorbereitung auf die Abreise des Apostels. Er braucht dieses Wunder, um seine Abreise nach Smyrna vor den Ephesern rechtfertigen zu können (zu einer möglichen Rivalität zwischen Ephesus und Smyrna vgl. a.a.O., 267). Damit sie aber nach dessen Abreise nicht vom Glauben abfallen, ist gerade das Wunder von ActJoh 46f. mit der vorausgehenden Zerstörung des ›heidnischen Kultes‹ ein kraftvoller Aufweis der Mächtigkeit Gottes und eine Stärkung aller jüngst Bekehrten. Die Erzählung von der Totenerweckung ist gekennzeichnet durch eine Vierteilung: ActJoh 46,1-2 Exposition; ActJoh 46,3-47,3 Hinführung; ActJoh 47,4 Wunderhandlung; ActJoh 47,5-8 Reaktion auf die Wunderhandlung. Johannes hat sich nach der Zerstörung des Artemistempels im Haus von Andronikus, einem getreuen ephesischen Unterstützer, mit seinen Anhängern eingefunden. Unter seiner Anhängerschaft befindet sich inkognito ein Verwandter des soeben getöteten Artemispriesters. ActJoh 46,3-47,3 dient der Hinführung zum eigentlichen Wunder. Johannes, dem durch den Erzähler seherische Fähigkeiten zugeeignet werden, verfügt hierin über das Wissen um den inneren Monolog des jungen Verwandten und 352

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verbalisiert dessen Abwägungen. Dieser habe befunden, dass, sobald seine Seele gerettet sei, er, Johannes, den Artemispriester wieder auferstehen lassen würde. Überwältigt von solchen Fähigkeiten gibt der junge Verwandte alles zu (ActJoh 46,7) und wird von Johannes (ActJoh ab 47,1) bevollmächtigt, seinen Verwandten selbst aufzuerwecken. In ActJoh 47,4 wirkt der Handlungssouverän Johannes das Wunder. Gleichzeitig wird der Vollzug durch den jungen Verwandten selbst schemenhaft erkennbar. Das eigentliche Wunder ereignet sich hier und wirkt weit weniger spektakulär als die kunstvoll zelebrierte Rede des Johannes, die sich immerhin fast über ein ganzes Kapitel erstreckt. Das Wunder selbst begegnet als Summarium, obwohl es das zentrale Event der Geschichte ist. Der Erzähler lenkt dadurch den Blick auf die das Wunder umgebenden Geschehnisse, die somit als weitaus gewichtiger bezeichnet werden können. Mit den darauffolgenden Sätzen, die wieder von Johannes als dem Handlungssouverän gesprochen werden, erfährt die Wundergeschichte eine letzte Steigerung. Die Auferweckung dient nämlich nicht allein der Stärkung des Glaubens der umstehenden Menschenmenge, sondern hat über sich hinausweisenden Charakter. Die Auferweckung durch den jungen Verwandten und die Bekehrung des Artemispriesters als zweifacher Zielpunkt der Wundergeschichte hat nicht nur erbauliche Relevanz, sondern insbesondere eschatologische. Nicht so sehr ist die Erzählung als ein Aufweis der Wirkmächtigkeit des Apostels Johannes, sondern als Text mit dezidiert theologischer Aussage zu verstehen, die narrativ entwickelt wird: Der junge Verwandte mausert sich vom verunsichert wirkenden Heimlichtuer, der aber seiner Intuition folgt, zum direkten Schüler des Johannes, der ihm vollmächtig Kraft zur Auferweckung verleiht und insofern dessen Bekehrung bereits bestätigt. Der Artemispriester hingegen muss sein Bekenntnis erst noch sprechen, wodurch auch er dann in ein neues Verwandtschaftsverhältnis eintritt. Der Erzähler präsentiert die Wundergeschichte mit zahlreichen zeitlichen Verschiebungen (Anisochronien). Zunächst treten Analepsen auf, in denen Ereignisse nachgetragen werden, so insbesondere die vom Erzähler geschilderte Niederlegung des Leichnams des toten Artemispriesters, die dann nochmals in einer nächsten Szene nach der Predigt von Johannes selbst rednerisch wiederholt wird. Hierbei kommt repetitives Erzählen zum Tragen, dass sich auch in der dreimaligen Erwähnung des ›Bei-der-Hand-Nehmens‹ des jungen Verwandten äußert und dessen Verunsicherung unterstreicht. Neben dem Summarium von ActJoh 46,3a, in dem der Verlauf der gottesdienstlichen Feier umrissen wird, begegnet der ›Zeitraffer‹ ein weiteres Mal, ausgerechnet beim eigentlichen Wundergeschehen in ActJoh 47,4, um gleichsam nicht abzulenken vom eigentlichen Zweck der Erzählung, der dann folgenden Bekehrung des Artemispriesters, die aber ebenfalls nur summarisch begegnet. Szenisches und summarisches Erzählen ergänzen sich und erzeugen eine narrative Dynamik, die zu einer schnellen Lesegeschwindigkeit führt. Die direkte Rede des Johannes lässt ihn als Erzähler und den Erzähler der Geschichte selbst bisweilen fast ineinander verschmelzen, so dass dem Leser der Geschichte innerhalb kürzester Zeit und mit effektiven Mitteln ein direkter Zugang zu den psychischen Nöten des 353

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jungen Mannes gewährt wird, die wiederum den Grund für die Auferweckung und die Bekehrung des Artemispriesters verdeutlichen. Die Wundergeschichte begegnet im dramatischen Modus, der gekennzeichnet ist durch Unmittelbarkeit des Erzählstils. Diese erzeugt der Erzähler durch die direkte Figurenrede des Johannes, die kunstfertig und detailreich ist. Gleichzeitig ist es dem Erzähler (Subjekt bzw. focalizer) möglich, in die Figuren hineinzusehen (Nullfokalisierung, z.B. in ActJoh 46,2). Die Fokussierung liegt durch diese narratologischen Merkmale deutlich auf der Person des Johannes (Objekt bzw. focalized). Die eigentlichen ›Events‹ bilden nur den Hintergrund für die erzählerische Darstellung des Johannes. Besonders spannend ist, narratologisch gesehen, die indirekte Charakterisierung des Verwandten des toten Artemispriesters, der als »junger Mann«, dann wieder als »Kind« begegnet und durch seinen von Johannes transparent gemachten inneren Monolog charakterisiert wird. So begegnet der Verwandte des Artemispriesters als demütiger, aber noch hilfloser bzw. orientierungsloser jüngerer Mann, der noch ein »Kind« (ActJoh 47,3) (im Glauben?) ist, Johannes dank dessen übersinnlicher Fähigkeiten zu Füßen fällt, und von Letzterem erst noch aufgerichtet werden muss. Diesem eher schwach bis traurig, hilflos und demütig wirkenden Jüngling bürdet nun Johannes die Last auf, seinen Verwandten selbst aufzuerwecken – in der Logik der Erzählung eine Überforderung, die aber den jungen Mann hintergründig zu einem Helden des Glaubens werden lässt. Erneut die Erzählung auf die Figur des Johannes zuspitzend wirken die Umgebungsvariablen. Johannes der Apostel befindet sich durchgängig im Haus des Andronikus und scheint dies auch nicht zu verlassen. Das Wunder der Auferweckung hingegen findet außerhalb des Hauses vor dem Eingangstor statt. Direkt nach der Auferweckung gehen die zwei Verwandten wieder »hinein« zu Johannes, wo nun das Eigentliche, die Bekehrung des Priesters, stattfindet. Erzähltempus ist der Aorist neben vielen Partizipialkonstruktionen. Seine Dynamik gewinnt der Text durch den Verbalstil. Fragen kommen vor allem in der Hinführung zum Einsatz, spitzen die dominierende wörtliche Rede zu und steigern sie unter Verwendung der rhetorischen Frage (ActJoh 47,2) noch einmal: »Oder was soll daran gewaltig sein, wenn leibliche Krankheiten sich verflüchtigen?« Bolyki (1995, 23) hält die Frage: »Willst du zu dem gehören, durch dessen Namen und Macht du aufgestanden bist? Und nun glaube und du wirst leben in alle Ewigkeit« für ein Apophthegma, das mit seiner wenig provozierenden Art besteche und insofern an die Sprüche der johanneischen Dialoge anknüpfe. Durch verba dicendi wird die wörtliche Rede verknüpft und durch zahlreiche Konjunktionen und Proformen kommt teilweise ein komplizierter Satzbau zustande, der aber die einzelnen Sätze eng aneinanderzubinden und zudem die Interkonnektivität der einzelnen Ereignisebenen herzustellen vermag, so z.B. ActJoh 46,2; 46,6, oder auch ActJoh 47,4. Am Text lassen sich interessante semantische Beobachtungen machen. Zunächst sticht der Kontrast zwischen der Anrede »mein Kind« sowie der Bezeichnung des Verwandten des toten Priesters als »junger Mann« und der im selben Abschnitt (ActJoh 354

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46,3-47,3) begegnenden, häufig auftretenden Erwähnung des Toten hervor. Hierbei tritt vor allem in Zuspitzung ActJoh 47,3 hervor: »Ich sage dir: Kind, geh’ , erwecke selbst den Toten …«. Durch diese sprachlich erzeugte Opposition wird das Anfangsmotiv der Wundergeschichte wieder aufgegriffen, welches in ActJoh 46,3 durch liturgisches Vokabular begegnet: Das Setting, das der Wundergeschichte zugrunde liegt, ist eine gottesdienstliche Feier mit »Mahl«. Sofern es sich hierbei bereits um die Tradition des Mahls handelt, das Jesus kurz vor seinem zum Tode führenden Verrat mit seinen Jüngern feierte, kann insofern eine Aufnahme des Abendmahlsmotivs angenommen werden. Leben und Tod liegen nah beieinander – der Tod behält nicht das letzte Wort! Entgegen der begründeten Vermutung, dass der Handlungssouverän Johannes die einzig wichtige Figur der Erzählung darstellt, zeigt sich in dieser Wundererzählung, dass im Gegenteil die verwandtschaftliche Beziehung der zwei Protagonisten neben Johannes der Grund für die der Wundergeschichte vorausgehenden Handlung ist (Exposition ActJoh 46,1f.). Diese Dreierkonstellation auf der narratologischen Ebene spiegelt mehrere inhaltliche Pointen: Neue Verwandtschaft entsteht auf menschlicher Ebene und neue Verwandtschaft entsteht im Geist, durch das Bekenntnis zu Jesus Christus. Durch den Tod des Artemispriesters findet ein Abbruch des menschlichen Beziehungsverhältnisses statt. Um dieses zu retten, wendet sich der junge Verwandte einer neuen Verwandtschaft zu. Der Tod wirkt zunächst trennend. Doch damit ist es nicht getan: Ab ActJoh 47,4 und dem Beginn des eigentlichen Wunders inklusive Bekehrung des Artemispriesters begegnet nun wieder Sprache der Verwandtschaft (ActJoh 47,6; γενέσθαι genesthai). Es geht um die Begründung eines neuen Verwandtschaftsverhältnisses, dessen Begründer Jesus Christus, der Auferstandene, ist. Nicht nur ist diese Beziehung eine zu Jesus Christus als »Herr«, sondern zuletzt wird gesagt, dass der Artemispriester, der nun nur noch als »Lebender« bezeichnet wird, Johannes die Treue hält. In diesem Sinne ist das Totenauferweckungswunder paradigmatische Abendmahlstheologie mit gemeinschaftsstiftendem Charakter bzw. sozialer Erneuerung.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Stadt Ephesus bildet den geographischen und sozialen Rahmen von ActJoh 46f., wobei wegen des unklaren Abfassungsortes der Johannesakten offenbleiben muss, wie genau die Kenntnis des Verfassers der Wundergeschichte von der Stadt selbst gewesen ist. Ab dem 2. Jh. n. Chr. gewinnt die Rhetorik an immer größerer Bedeutung – Ephesus wird zu einem Zentrum der Sophistik. Interessant für die vorliegende Textstelle, die in einem Punkt auch auf die »leiblichen Krankheiten« anspielt, ist die herausgehobene Stellung von Ärzten in Ephesus. Sogar medizinische Wettkämpfe wurden abgehalten (Elliger 1992, 85f.). Der sozialgeschichtliche Hintergrund der ActJoh 46f. ist in eher wohlhabenden Kreisen der Metropole Ephesus zu suchen und knüpft an einen Trend an, der bereits aus der Apostelgeschichte und außerchristlichen Quellen zu erschließen ist 355

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– den stetigen Bedeutungsverlust und Niedergang der überlieferten Kulte. Möglich ist, dass es sich bei der vorliegenden Szenerie um eine Hausgemeinde handelt. Insofern nahm das Christentum es in Ephesus mit einem starken Konkurrenten auf: Neben ihm konnte offensichtlich nur die Artemis Ephesia den religiösen Sehnsüchten der Menschen entsprechen. Sie galt als Göttin, die sowohl über die Gabe als auch über das Nehmen von Leben zu bestimmen vermochte. Die berühmte Darstellung aus dem Tempel von Ephesus, in der sie als Göttin mit einer Vielzahl von Brüsten gezeigt wird, die andernorts auch als Stierhoden interpretiert werden, evoziert Vorstellungen eines Fruchtbarkeitskultes. Somit (a.a.O., 94) kam es in Ephesus zu einer klaren Frontstellung dieses Kultes mit dem neuen Glauben.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Mission des Johannes in den Johannesakten wird gemäß der ephesischen Johannestradition als überaus triumphal geschildert. Dass dem nicht bzw. nicht immer so war, schildert bereits der Autor des lukanischen Doppelwerks für die Mission des Apostels Paulus in Apg 19,23-40. Wenn auch zweifelhaft ist, ob Paulus die politischen und religiösen Konflikte in Ephesus selbst erlebt hat, so ist dennoch für die Zeit des Lukas anzunehmen, dass er von diesen Kenntnis besaß. Insofern bestehen Ähnlichkeiten, wenngleich von der Paulusmission nicht direkt auf die Johannesmission geschlossen werden sollte. Auch Plinius d. J. in seinem Brief an Trajan von 112 n. Chr. (Plin. ep. 10,86) deutet an, dass das Christentum begonnen hatte, den normalen Kultbetrieb ernsthaft zu bedrohen (Koester 1995, 130f.), sicherlich aber in einem anderen Rahmen, als die apokryphen Apostelakten es beschreiben. Vor dem Hintergrund der konfliktreichen religiösen Verhältnisse in Ephesus erscheint es bemerkenswert, wie erfolgreich und mit welch durchschlagender Konsequenz Johannes innerhalb weniger Kapitel dem gesamten Artemiskult den Garaus macht. Der tote Artemispriester aber bekommt eine zweite Chance. Die Vorstellung einer endzeitlichen Auferweckung von den Toten (z. T. allerdings nicht als Heilsereignis, sondern als Auferweckung zum Gericht) ist in vielen frühjüdischen Gruppierungen anzutreffen. Ein weiteres Motiv der ActJoh 46f., das mehrmalige ›bei-der-Hand-nehmen‹ sowie die Jugendlichkeit des Verwandten des toten Priesters, findet Entsprechungen bei den Synoptikern: Hier sind es u.a. Kinder, die auferweckt werden. Dem Befehl »steh’ auf« geht häufig das ›bei-der-Hand-nehmen‹ voraus. Die Johannesakten bieten eine Innovation, insofern Jesus bei den Synoptikern stets Kinder auferweckt, es in den Johannesakten aber ein »Kind« ist, das einen älteren Verwandten auferweckt. Die Hand bzw. das Berühren der zu heilenden oder aufzuerweckenden Person scheint ein wichtiger Faktor spezifisch christlicher Wundergeschichten zu sein (Lalleman 1997, 355-361), in Kombination mit einem wörtlichen Befehl (zum Motiv der Handauflegung vgl. Zimmermann 2013a, 15-18). Das in ActJoh 46f. immer wieder eindringliche »und er nahm ihn bei der Hand« gilt in diesem Zusammenhang als Übertragung der Wundervollmacht auf den jungen 356

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Verwandten. Zwar ist er es, der zu seinem eigenen Verwandten geht, dennoch gehen alle Handlungen vom Apostel Johannes selbst aus. Das Summarium in ActJoh 47,4 verrät nicht, ob es über die nachgesprochenen Worte hinaus auch zu einer Berührung kommt. Die Wunderhandlung ist insofern das Werk nicht nur eines, sondern zweier Personen, denen nacheinander die Bevollmächtigung durch den Glauben an Jesus Christus dazu erteilt wurde.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Religionsgeschichtliche Deutung: Während Lalleman (1997, 355f.) in ActJoh 46f. vor allem einen Rückgriff der Handlungen von Johannes auf die kanonischen Evangelien sowie die Apostelgeschichte des Lukas sieht, also im Kontext der Wunder Jesu, in denen die Wirklichkeit und Macht Gottes zum Ausdruck kommt, legt Bolyki (1995, 22-24) einen Schwerpunkt auf die pneumatische Deutung. Die Totenauferweckung von ActJoh 46f. sei im klassischen Sinne ein σημεῖον (sēmeion – Zeichen), wie es im Johannesevangelium begegne, da das Wunder der leiblichen Auferstehung über sich hinausweise auf die spirituelle Auferstehung. Hinzu kommt die religionsgeschichtliche Perspektive der Überwindung des Artemiskultes in Form und in Folge zweier Bekehrungen, die das eigentliche Wunder einrahmen. Das neue Leben des bekehrten ehemaligen Priesters hat in dieser Interpretation soteriologische bzw. eschatologische Relevanz. Er ist nun »Teilhaber und Erbe des wahrhaftigen Lebens«. Das »alte Leben« erweist sich als nicht-»wirkliches« Leben. Befreiungstheologisch-relationale Deutung: Durch den Tod des Priesters der Artemis findet ein Beziehungsabbruch statt. Dieser wird im Verlauf der Bekehrung durch die neue Zugehörigkeit zu Jesus Christus aufgewogen und schafft wiederum eine neue Beziehung zum Apostel Johannes, der es seinerseits vermag, den Toten auferstehen zu lassen. Nach dessen Auferstehung sorgt aber die Beziehung zu Jesus Christus als dem Herrn für eine neue Zugehörigkeit. Im neuen Glauben sind Verwandter und Priester nun einem größeren Kreis angehörig – dem Leib Christi. Die narrative Umsetzung dieser Sachlage spiegelt sich in der Frage: »Willst du zu dem gehören, durch dessen Namen und Macht du auferstanden bist?« in ActJoh 47,6 wider. Symbolisch-semiotische Deutung: Ein bisher noch nicht angesprochener Diskurs, der einen weiteren Hintergrund für ActJoh 46f. bietet, findet sich in ActJoh 46,4. Der junge Verwandte des toten Priesters beschloss, sich zuerst um sich selbst zu sorgen (ἑαυτοῦ ἐπιμέλειαν heautou epimeleian). Diese Formulierung löst zunächst Irritation aus, da sie einen gewissen Egoismus anzuklingen lassen scheint. Sie muss aber vor dem Hintergrund der »Sorge um sich« betrachtet werden, die spätestens seit Foucault als »altes Thema in der griechischen Kultur« (Foucault 1989, 60) den Sexualitätsdiskurs mitgeprägt hat. Als Teil der (τέχνη τοῦ βίου technē tou biou), der Kunst der Existenz, begegnet die Sorge um sich bereits bei den Platonikern und wirkt bis in das 2. Jh. n. Chr. fort: »Der Mensch […] muss auf sich selber achten […] 357

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weil der Gott wollte, daß er frei über sich verfügen könne, und ihn zu diesem Zwecke mit der Vernunft begabte« (a.a.O., 65). Mit der ἐπιμέλεια (epimeleia) ist indes nicht nur die Sorge um das Seelenheil gemeint, sondern auch eine Reihe von Tätigkeiten anderer Art, wie die des Hausherrn z.B. (a.a.O., 69). Im Rahmen dieser Überlegungen zur »Sorge um sich« und der vorangegangenen Beobachtungen zur Semantik der Verwandtschaft kann nun eine theologischsoziale Qualifizierung erfolgen: Die »Sorge um sich« führt dazu, dass der junge Mann nicht nur sein eigenes Seelenheil sichert, sondern auch die Auferweckung seines Verwandten ermöglicht. Sie ist als solche keine egoistische, sondern im Gegenteil eine altruistische Bestrebung, die sich aber erst durch die Handlung des Apostels Johannes zu einer solchen verwandelt. Dieser erkennt die psychischen Vorgänge des jungen Mannes, deutet sie, und allein dieser Akt ist bereits performativ. In Anknüpfung an die Bemerkungen zur Artemis Ephesia und den möglichen sexuellen Aspekten ihrer Darstellung in Ephesus ist zudem möglicherweise eine apologetische Haltung in der Erzählung zu vermuten: Es wurde nicht nur irgendein Kult, sondern ein fleischlich, diesseitig orientierter Kult zerstört. Die Artemis Ephesia, in die der junge Mann vermutlich zuerst seine Hoffnungen setzte und auf die er seine »Sorge um sich« richtete, ist am Ende der Geschichte als Kultobjekt der Lebensgabe und Fruchtbarkeit abgelöst von einem ewigen Leben und einer neuen ›Art‹ der Fruchtbarkeit: einer Verwandtschaft in Christus. Abzuleiten aus der Dreierkonstellation zwischen Johannes, dem jungen Mann und dem Artemispriester sowie der nun als altruistische Bestrebung qualifizierten »Sorge um sich« wäre zusätzlich eine ekklesiologische Dimension der Wundergeschichte: Die »Sorge um sich« ist die »Sorge um den anderen« als Praxis, in der Nächstenliebe tätig gelebt wird, die Bedingung, die der junge Mann in der Geschichte bereits erfüllt hat und die ihn dazu qualifiziert hat, selbst Teil der »neuen« Verwandtschaft mit Christus zu werden – die frühchristliche Variante der »Kunst der Existenz«. Almuth Peiper

Literatur zum Weiterlesen J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995a. H. Koester, Ephesos, Metropolis of Asia, Valley Forge 1995. E. Plümacher, Apostolische Missionsreise und statthalterliche Assisetour. Eine Interpretation von Acta lohannis C.37.45 und 55, in: ders., Geschichte und Geschichten. Aufsätze zur Apostelgeschichte und zu den Johannesakten, hg. v. J. Schröter/R. Brucker, WUNT 170, Tübingen 2004a, 207-228.

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Die fatalen Folgen eines Ehebruchs (Totenauferweckung des ermordeten Vaters) ActJoh 48-54 ActJoh 48-54 sind Teil der Rezension R der ActJoh (Codex Patm. 198, 14. Jh.; vgl. Rezension Q [Pergamenthandschrift Gr. 1468, Paris, 11. Jh.]; Lipsius/Bonnet 1959, 2/1) und dürfen damit wohl als echtes Gut der alten ActJoh gelten. In den lateinischen Übersetzungen, die ab Ende des 4. Jh. angefertigt wurden, sind ActJoh 48-54 nicht enthalten. Die Edition des griechischen Textes von Junod/Kaestli, die der aktuellen Übersetzung zugrunde liegt, stellt eine Kompilation aus mehreren Quellen dar.

(48) Am Tag darauf, nachdem Johannes einen Traum gesehen hatte, in welchem er drei Meilen außerhalb der Stadtmauern wandelte, ignorierte er das nicht, sondern stand in der Morgendämmerung auf und wanderte mit den Brüdern die Straße entlang. Und ein Landbewohner wurde von seinem Vater zurechtgewiesen, dass er nicht die Frau seines Arbeitskollegen für sich nehmen sollte, unter der Drohung, ihn zu töten. Der junge Mann ertrug die Zurechtweisung des Vaters nicht, schlug ihn und machte ihn stumm (i.e. tötete ihn). Als nun Johannes sah, was passiert war, sprach er zum Herrn: »Herr, hattest du mir deswegen aufgetragen, heute hierher hinauszugehen?« (49) Als nun der junge Mann den schnellen Tod wahrgenommen hatte, zückte er, in Erwartung seiner Festnahme, eine Sichel, die in seinem Gürtel steckte, und stürmte eilends zu seinem Landgut. Johannes trat ihm entgegen und sprach zu ihm: »Bleib stehen, du höchst unverschämter Dämon, und sage mir, wohin du so eilig die blutgierige Sichel trägst!« Da erstarrte der junge Mann, ließ das Eisen auf die Erde fallen und sprach zu ihm: »Ich habe etwas Schändliches und Unmenschliches getan, ich weiß das und habe beschlossen, mir selbst ein noch gewaltsameres und grausameres Unheil anzutun, nämlich ein für alle Mal zu sterben. Denn obwohl mich mein Vater immer zurechtgewiesen hatte, ein keusches und ehrbares Leben zu führen, habe ich es nicht ertragen, dass er mich zurechtwies, und so habe ich ihn niedergehauen und getötet. Als ich wahrgenommen hatte, was passiert war, wollte ich zu der Frau eilen, deretwegen ich zum Vatermörder wurde, und wollte sie töten samt ihrem Mann und mich selbst als Letzten von allen. Denn ich könnte es nicht ertragen, von dem Mann der Frau gesehen zu werden, wenn ich die Todesstrafe erleide.« (50) Johannes sprach zu ihm: »Damit ich nicht dem Raum gebe, der dich verlachen und verspotten möchte, indem ich mich zurückziehe und darüber hinwegsehe, dass ihr in Gefahr seid – komm mit mir und zeige mir, wo dein Vater liegt. Und wenn ich ihn für dich auferwecke, wirst du dann ablassen von der Frau, die dir gefährlich wurde?« Da sprach der 359

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junge Mann: »Wenn du mir den Vater lebendig hinstellst und ich ihn gänzlich lebendig reden sehe, werde ich von dem Anderen ablassen.« (51) Und während er dies sprach, gelangten sie an den Ort, wo der Tote lag, und viele Schaulustige standen an jenem Ort. Johannes aber sprach zu dem jungen Mann: »Du Elender, du hast dich nicht einmal vom Alter deines Vaters abhalten lassen!« Der aber weinte, raufte sich die Haare darüber und sagte, er bereue die Tat. Da sprach Johannes, der Diener des Herrn: »Du, der sich mir heute offenbart und mich an diesen Ort gesendet hat, du, der du wusstest, dass dieses geschehen sollte, du, vor dem man keine Tat im Leben geheim halten kann, du, der du mir jegliche Pflege und Heilung gewährst, gewähre nun auch, dass dieser Greis lebt, da du siehst, dass sein Mörder sich selbst zum Richter geworden ist. Schone nur du ihn, der seinen Vater, der das Beste für ihn wollte, nicht geschont hat.« (52) Nachdem er dies gesprochen hatte, ging er zu dem Greis und sprach: »Mein Herr ist nicht kraftlos, dass er nicht sein gütiges Erbarmen und sein Mitleid an dir entfalten könnte. Steh nun auf und gib Gott, der dieses Werk geschehen lässt, die Ehre.« Und der Greis sprach: »Ich stehe auf, Herr.« Und er stand auf. Als er sich aufgesetzt hatte, sagte er: »Du hast mich, der ich von einem äußerst schrecklichen Leben befreit worden war und der ich die vielen schrecklichen Freveltaten und die Lieblosigkeiten meines Sohnes ertragen hatte, zurückgerufen, Mann des lebendigen Gottes. Wozu?« Johannes sprach zu ihm: »Wenn du für eben diese Dinge auferstanden wärst, dann solltest du besser sterben. Aber stehe zu etwas Besserem auf!« Und er nahm ihn und führte ihn in die Stadt, während er ihm die Gnade Gottes verkündigte, so dass der Greis, noch bevor sie das Stadttor erreichten, zum Glauben kam. (53) Als der junge Mann der unvorhersehbaren Auferweckung des Vaters und seiner eigenen Rettung gewahr wurde, nahm er die Sichel, schnitt sich die Genitalien ab, eilte zu dem Haus, in welchem er seine Ehebrecherin hatte, warf sie ihr vor die Augen und sprach: »Deinetwegen wurde ich zum Mörder an meinem Vater, an euch beiden und an mir selbst. Hier hast du, was an allem schuld ist! Denn Gott hat sich erbarmt, und ich habe seine Kraft erkannt!« (54) Und er ging hinauf und berichtete Johannes vor den Brüdern das, was er getan hatte. Johannes aber sprach zu ihm: »Der, der dich heimlich anstiftete, junger Mann, deinen Vater zu töten und der Liebhaber einer fremden Frau zu werden, der hat dir auch das Abschneiden der lästigen Glieder als gerechtes Werk erscheinen lassen. Es wäre aber nötig gewesen, nicht die Anlässe verschwinden zu lassen, sondern die Gesinnung, die sich durch die Genitalien als schlecht zeigte. Denn es sind nicht die Organe den Menschen schädlich, sondern die unsichtbaren Quellen, durch die jede unanständige Regung erzeugt wird und zum 360

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Die fatalen Folgen eines Ehebruchs ActJoh 48-54

Sichtbaren hinstrebt. Wenn du nun aber, mein Kind, bereust und Satans Kniffe erkannt hast, dann hast du Gott als Helfer bei allem, was für deine Seele wichtig ist.« Der junge Mann aber schwieg, bereute seine früheren Sünden, so dass er Vergebung erlangte von Gottes Güte, und trennte sich nicht mehr von Johannes.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Episode der Begegnung mit dem Vatermörder steht im Rahmen der Schilderung von Ereignissen im Leben des Apostels Johannes, die in Ephesus lokalisiert werden (ActJoh 18-55). Bereits in ActJoh 30 wird über ein Wunder des Apostels berichtet (Massenheilung im Theater von Ephesus). In ActJoh 37-45 folgt ein an 1 Kön 18 erinnernder Gebetswettkampf am Geburtstag der Artemis, den Johannes für sich entscheidet und der in der Zerstörung des ephesinischen Artemistempels endet. Hier wie in der nachfolgenden Totenerweckung eines Artemispriesters (ActJoh 46) führt das Wunder zur Bekehrung der Augenzeugen. Im Anschluss an die Episode über den Vatermörder erhält der Seher Johannes einen Ruf nach Smyrna (ActJoh 55). Durch eine Traumvision wird der Apostel Johannes in die Begegnung mit einem Ehebrecher geführt, der infolge seines Ehebruchs zum Vatermörder wurde. Der scheint, in plötzlicher Erkenntnis des von ihm angerichteten Unheils, suizidgefährdet und zu einem Amoklauf bereit. In dieser Situation stellt Johannes, um schlimmeres Unheil zu verhüten, die Erweckung des ermordeten Vaters in Aussicht. Der Mörder bereut seine Tat, woraufhin der Vater zum Leben erweckt wird. Der Sohn des Erweckten erfährt Strafverschonung, kastriert sich aber aus Reue über seinen Ehebruch, der die Ursache alles Unheils war, selbst. Das wird von Johannes als vom Satan motivierte Handlung gesehen, die nicht den eigentlich wichtigen Gesinnungswandel ersetzen könne. Basisopposition: Die Wundererzählung weist zwei miteinander verschränkte Erzählebenen auf: Zum einen die Ebene des Apostels Johannes und seiner Glaubensbrüder, zum anderen die Ebene des Vatermörders und seiner Familie. Die Ausgangssituation ist durch die Wanderung des Johannes mit seinen Glaubensbrüdern bestimmt (Situation A, Ebene 1). Dem entspricht auf der Ebene 2 die Ermordung des Vaters (ActJoh 48). Die Endsituation wird auf Ebene 2 durch die Wiedererweckung des Vaters (ActJoh 52) markiert, auf Ebene 1 durch die Nachfolge des Vatermörders (ActJoh 54). Die Wundererzählung stellt sich somit als Nachfolgeerzählung dar. Das wird durch die Notiz der Bekehrung des erweckten Vaters (ActJoh 52) bestätigt. Die Leitfrage der Erzählung lautet: Wie kommt es zur Nachfolge der beiden Fremden? bzw. Welche Wirkung hat die Wunderhandlung des Apostels? Spannungsbögen/Plot: Der Hauptspannungsbogen verläuft von Situation A zu Beginn und Situation B zum Ende der Erzählung. Innerhalb dessen gibt es weitere Teilspannungsbögen. Auf Ebene 1 entsteht durch die expositionelle Notiz von der Wanderung des Apostels mit seinen Glaubensbrüdern (ActJoh 48a) eine erste Spannung: Wohin wird die Wanderung führen? Diese Frage wird erst einmal 361

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nicht beantwortet; stattdessen wird die Erzählung vom Vatermord eingeflochten (Ebene 2, ActJoh 48b). Wie die beiden Erzählstränge miteinander verbunden sind, wird direkt im Anschluss deutlich: Johannes erkennt prophetisch, was vorgefallen ist (ActJoh 48c). Damit ist das ursprünglich unbekannte Ziel der Wanderung des Apostels offenbar. Weitere Spannung entsteht zu Beginn von ActJoh 49; hier wird der Amokplan des Vatermörders angedeutet. Der folgende Verlauf ist vom Konflikt zwischen dem Vatermörder und dem Apostel geprägt. Johannes hat die Aufgabe, den Lauf des jungen Mannes zu stoppen, was ihm durch seine verbale Intervention auch gelingt. Die Identifikation des Mörders mit einem Dämon und der Hinweis auf die »blutgierige Sichel« machen die prophetische Begabung des Apostels deutlich. Dies verfehlt seine Wirkung nicht – der Vatermörder wird abrupt ausgebremst. Die bisherige Dynamik des Plots weicht einem ausgiebigen Schuldeingeständnis mitsamt der Offenlegung des Amokplans (ActJoh 49bc). Die Erzählung nimmt daraufhin eine überraschende Wendung: Der Apostel bietet eine Wundertat an, um den Vatermörder von seinem Plan abzubringen, was auch gelingt (ActJoh 50). Die Spannung richtet sich nun auf die Einlösung des Wunderversprechens. Mit der Notiz von der Reue des Mörders ist die eine Voraussetzung für den Wundervollzug geschaffen (ActJoh 51a). Die andere Voraussetzung wird im folgenden Gebet des Johannes genannt, die an Gott bzw. Christus gerichtete Bitte um Wunderkraft, gepaart mit einem Plädoyer für den Vatermörder (ActJoh 51b). Mit dem Wundervollzug (ActJoh 52a) erreicht die Wundererzählung ihr erstes Zwischenziel. Doch entsteht mit der Klage des erweckten Vaters sogleich neue Spannung, die auf die Frage nach dem Wozu des Wunders hinausläuft (ActJoh 52b). Anstelle einer direkten Antwort wird der Erweckte zu seinem Sohn geführt. Die Notiz von der Bekehrung des Vaters lässt auf eine Predigt des Apostels auf dem Weg dorthin schließen (ActJoh 52b). Die Reaktion des Sohnes auf das an seinem Vater vollzogene Wunder ist überraschend: Statt Freude oder Lobpreis Gottes, wie man es aus vielen neutestamentlichen Wundererzählungen kennt, schreitet der junge Mann zur Selbstkastration (ActJoh 53a). Der geplante Amoklauf richtet sich spontan nach innen; die Selbstbestrafung erscheint als Konsequenz seiner Gotteserkenntnis und als Bestrafung seiner Geliebten (ActJoh 53b). Deutlich wird die durch das Wunder ausgelöste Erkenntnis der Gnade und der Kraft Gottes (ActJoh 53c). Es bleibt die Spannung, wie der Akt der Selbstverstümmelung vom Apostel bewertet wird. Johannes erkennt und nennt Satan als die Triebfeder des selbstdestruktiven Tuns. Der äußerlich gerecht wirkenden Selbstverstümmelung stellt er die Erneuerung der inneren Gesinnung entgegen (ActJoh 54ab). Johannes wertet die Selbstkastration als Zeichen der Reue; die Notiz von der Sündenvergebung und der Nachfolge des jungen Mannes bringen die Spannung endgültig zum Abschluss (ActJoh 54c). Semantische Felder, Gegensatzpaare, Figurenanalyse: Die Wundererzählung ist von starken dynamischen Gegensätzen geprägt. Hier fällt zuerst die von dem jungen Mann ausgehende, impulsiv wirkende Aktivität auf, die semantisch von Verben 362

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der Bewegung und der Gewalt (eilen, stürmen, stürzen, zücken, schlagen, töten, abschneiden, werfen) sowie der Emotionen (Haare raufen, weinen, bereuen) getragen wird. Nur in Reaktion auf das Eingreifen des Apostels kommt er zur Ruhe (fallenlassen, erstarren, schweigen). Von Johannes geht eine dazu in Kontrast stehende Ruhe und Souveränität aus, die sich grammatikalisch in Imperativen (bleib stehen!; stehe auf!), Fragen (ActJoh 50) oder Vorwürfen äußern (ActJoh 51a). Er gibt den anderen Figuren die Richtung vor, er hat die meisten Redeanteile, erscheint damit als die oberste Instanz (abgesehen von Gott bzw. Christus). Dazu passt auch seine prophetische Begabung, die ihm sozusagen den Überblick über das Geschehen, die versteckten Motive und die Lösung des Problems verschafft. Der Vater erscheint im ersten Teil (ActJoh 48) als autoritäres Gegenüber seines Sohnes (Drohung, diesen zu töten!) und wird zum Opfer seines impulsiven Sohnes. Seine passive Rolle bestimmt auch den mittleren Teil – er lässt sich auferwecken (ActJoh 52). Sie schlägt allerdings in Aggressivität um, die sich in seinem lange vorgetragenen Vorwurf der »Anti-Erlösung« gegen Johannes niederschlägt (ActJoh 52b). Mit der Notiz von seiner Bekehrung endet sein Part in der Erzählung (ActJoh 52c). Weitere Figuren wie die »Brüder« (ActJoh 48; 54) oder die Geliebte des Vatermörders (ActJoh 53) dienen als Staffage ohne weitere Funktion. Als Autorität im Hintergrund fungieren Gott bzw. Christus, die die Wege der Kontrahenten lenken. Gott und Satan erscheinen als Gegenspieler, die mit der Opposition von äußerlichsichtbar (Organe) bzw. innerlich-unsichtbar (Gesinnung) konnotiert werden. Fazit: Angesichts der textlinguistischen Analyse sind folgende Beobachtungen festzuhalten: − Die Wundererzählung wirkt in sich kohärent und verschachtelt. − Im Mittelpunkt des Interesses steht die Auseinandersetzung zwischen dem impulsiven Vatermörder und dem ruhigen, souverän wirkenden Apostel. − Theologisch geht es um den Gegensatz von äußerlich-sichtbaren »Zeichenhandlungen« (Amoklauf; Selbstverstümmelung) und innerlicher Gesinnung (ἔννοια ennoia – Reue, sexuelle Kontrolle). − Hinter dem theologisch-ethischen Konflikt erscheint der kosmisch-ethische Dualismus zwischen Gott und Satan/Dämonen. − Vor diesem Hintergrund ist das äußerliche Wunder der Erweckung eine Durchkreuzung der Pläne und Methoden Satans – statt Amok, Rache und Selbstverstümmelung werden Erbarmen, Reue, Vergebung, Bekehrung und Nachfolge als Ziele Gottes bzw. Christi, die sich am Ende durchsetzen, inszeniert. − Das Wunder deutet auf die Allmacht Gottes bzw. Christi hin. Das Wunder zielt aber nicht auf göttliche Machtdemonstration, sondern auf das Heil der Betroffenen und ihrer Familie ab.

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Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Das Milieu, in dem ActJoh 48-54 zu sehen ist, ist asketisch-enkratitisch geprägt. Ein Hauptproblem der Episode ist der Umgang mit Sexualität. Außerehelicher Verkehr wird klar als Ehebruch gekennzeichnet, die fatalen Auswirkungen fehlgeleiteter Sexualität werden breit illustriert: Aus Sicht des Textes führt fehlgeleitete Sexualität nicht zu neuem Leben, sondern zu Mord, Suizid und schließlich Selbstverstümmelung und damit zur Zerstörung des gesellschaftlichen Miteinanders und der Moral. Enkratitische Tendenzen scheinen im 2. Jh. in verschiedenen christlichen Kreisen in zum Teil sehr unterschiedlichen Kontexten geradezu in Mode gewesen zu sein – man denke an Marcion, Tatian, die endzeitlich-prophetische Bewegung des »Montanismus«, die apokryphen Akten des Paulus und der Thecla, aber auch »gnostische« bzw. der »Gnosis« nahe stehende Literatur wie das Evangelium nach Thomas. Im Verzicht auf Ehe, Sexualität und andere leibliche Genüsse wird der Weg zu göttlicher Erkenntnis und zum (nahen) Himmelreich gesehen, gleichzeitig eine christliche »Kontrastgesellschaft« zu schaffen versucht. Unter Rückgriff auf schwierige Aussagen wie Mt 19,12 (»Eunuchen für das Himmelreich«) und die platonisch motivierte Abwertung alles Leiblichen wurde diese Haltung gepflegt und teilweise rigoristisch umgesetzt. Dabei wurden extreme Auswüchse von der werdenden Großkirche grundsätzlich kritisch gesehen, gleichzeitig entscheidende Aspekte asketischer Ideale vor allem in monastischen Bewegungen aufgefangen, denen ab dem 4. Jh. die wachsende Volkskirche gegenüberstand. Fragen nach der Rechtmäßigkeit des Suizids (in teilweise unterschiedlichen Kontexten) werden innerhalb der Bibel zunächst unterschiedlich beantwortet: Während etwa die Racheaktion Simsons an den Philistern (Ri 16,28-31), bei der der eigene Tod einkalkuliert ist, oder auch das Martyrium des gerechten Rasi (2  Makk 14,37-46), welcher sich seinen gottlosen Verfolgern nur durch Selbsttötung entziehen kann, sicherlich aufgrund der ganz außergewöhnlichen Situation der Protagonisten positiv bewertet werden, zeigt sich Saul in seinem Freitod (1 Sam 31,1-13) zwar noch einmal als tapfer, doch ist sein Ende als Strafe Gottes zu sehen. Im Neuen Testament schließlich wird der Suizid des Judas Iskariot (Mt 27,5) als tief verwerflich verurteilt. Dies ist nur eine Auswahl an Textstellen, die jedoch nicht den Blick darauf verstellen kann, dass die Bibel zunächst einmal überall den Wert und die Unverfügbarkeit des Lebens betont. In der griechisch-römischen Antike wird der Suizid im Phaidon und den Nomoi des Plato wie auch in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles abgelehnt, während die Stoa im Fall des Vorliegens vernünftiger Gründe sogar von einer Pflicht zum Suizid spricht. In der Alten Kirche finden sich noch lange Zeit vereinzelte Stimmen, die den Suizid in bestimmten Extremsituationen zulassen. Zu denken ist etwa an Ambrosius von Mailand (339-397 n. Chr.), der in seiner Schrift »Über die Jungfrauen« das Beispiel der Hl. Pelagia heranzieht, um zu beweisen, dass Jungfrauen sich selbst töten dürfen, wenn sie nur dadurch ihre sexuelle Unversehrtheit bewahren können. Diese Autoren bleiben jedoch Ausnahmen; durchgesetzt hat sich das strikte Urteil des Augustinus (354-430 n. Chr.), welcher 364

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den Suizid in ausführlichen Diskussionen verschiedenster Beispiele vor allem in seiner Schrift vom Gottesstaat als Verstoß gegen das 5. Gebot ausnahmslos verurteilt. Aufschlussreich ist auch die knappe Argumentation des Laktanz (ca. 250-nach 317 n. Chr.), der in seinen Excerpta schreibt, Gott habe den Menschen in die Wohnung des Fleisches eingeführt, damit dieser ihn bewohne; der Mensch dürfe nun nicht ohne Gottes Geheiß aus dieser Herberge wieder auswandern (Epit. 1,34). Ein (allzu) wörtliches Verständnis von Mt 19,12 wiederum führte zu einer überraschend breiten Debatte um die Erlaubtheit der Selbstverstümmelung: Die Tatsache, dass es sich offenbar um ein überraschend weitverbreitetes Problem gehandelt haben mag, zeigt sich darin, dass Selbstverstümmelung bei ganz verschiedenen Autoren erwähnt wird: So spricht etwa Justin in seiner Ersten Apologie (1 apol. 29,2; ca. 154/55 n. Chr.) vom Ansinnen eines (näher nicht genannten) Christen in Alexandrien, sich die Geschlechtsteile entfernen zu lassen, vergleicht Johannes Chrysostomus (344/49-407 n. Chr.) in der 62. Homilie seines Matthäuskommentars (zu Mt 19,12!) Selbstverstümmelung mit Mord und spricht von einer »Anfechtung Satans«. Bereits der Ton der Homilie macht deutlich, dass er es offenbar nicht mit einem rein theoretischen Problem zu tun hat. Die andere Seite der Medaille zeigt sich in den gegen Ende des 2. Jh. wohl in Alexandrien entstandenen Sentenzen des Sextus, wo wir in der 273. Sentenz lesen: »Man kann Menschen sehen, die um der Gesundheit des übrigen Körpers willen sich Glieder abhauen und wegwerfen. Um wie viel besser (geschähe das) um des Maßhaltens willen« (vgl. Plümacher 2004b, 201f.). Berühmt geworden ist schließlich der Bericht des Eusebius von Caesarea (h.e. 6,8,1-4) über die Selbstkastration des Origenes (185-254 n. Chr.), welcher selbst sich in späteren Texten explizit gegen jegliche Form derartiger Überaskese ausgesprochen hat (vgl. Mt 15; weiterführend Markschies 1999).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Explizite traditions- oder religionsgeschichtliche Prätexte für ActJoh 48-54 sind nicht auszumachen. Gleichwohl ist auf zahlreiche Motive aus zeitgenössischer Romanliteratur hinzuweisen (Junod/Kaestli 1997; Zusammenstellung bei Plümacher 2004b, 195); außerdem sind popularphilosophische Vorgaben zum Thema Enthaltsamkeit (σωφροσύνη sōphrosynē) erkennbar. So ist Enthaltsamkeit nach Philostrat (vit. Ap. 1,33) nicht durch Abschneiden von Körperteilen, sondern durch Standhaftigkeit den Begierden gegenüber zu erreichen (Plümacher 2004b, 193; hier und im Weiteren auch Hinweise auf Philo und die stoische Affektenlehre). Von der äsopischen Biberfabel her wird das in ActJoh 53,2-7 geschilderte Gebaren des frisch gebackenen Eunuchen erklärbar: Der junge Mann tut alles, um sich aus der Gefahrenzone der Geliebten bzw. des eigenen Sexualtriebs zu bringen (Plümacher 2004b, 197-200). Neben diesen religionsgeschichtlich aufschlussreichen Texten geben die biblischen Erweckungswunder den Verstehenskontext ab. Voraussetzung der Rede von 365

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Apostelwundern ist die Übertragung der Vollmacht zum Wundertun von Christus auf die Apostel (vgl. Mt 10,8; Mk 16,17; Apg 5,12-16; 9,36-43). Die neutestamentlichen Erweckungswunder sind allesamt deutlich straffer erzählt als ActJoh 4,48-54. Die Erzählungen münden, wie in ActJoh, regelmäßig in die Notiz über den Glauben der Augenzeugen bzw. den Lobpreis Gottes. Eine Totenerweckung zur Verhinderung von größerem Unglück ist neu, ebenso die Kombination mit dem Thema Ehebruch und Sexualität. Auch eine Beschwerde des Auferweckten ist den biblischen Erweckungswundern fremd. Allerdings gibt es auch Analogien wie z.B. das demonstrative Gebet des Wundertäters vor dem Wundervollzug (Joh 11,41f.). Die Fürbitte des Apostels für den Delinquenten hat in der Anwaltsfunktion des erhöhten Christus ein Pendant (Röm 8,34; 1 Joh 2,1). – Die ambivalent wirkende Notiz über Menschen, die um des Himmelreichs willen sich selbst kastrieren (Mt 19,12), entspricht der kritischen Haltung des Apostels in ActJoh 4.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Das Erweckungswunder ActJoh 48-54 setzt die neutestamentliche Tradition apostolischer Wundertaten fort. Wichtige Elemente wie der Effekt des Glaubens und der Nachfolge lassen ActJoh 4,48-54 als Beispiel gelungener Missionstätigkeit an Fremden erscheinen. Das eine Wunder bringt gleich zwei Menschen zum Glauben und – so darf gefolgert werden – zur Versöhnung miteinander. Im Mittelpunkt steht der Glaube an die Schöpfermacht Gottes, die selbst aus dem Tod heraus neues Leben schaffen kann. Deutlich ist auch, wie in den neutestamentlichen Wundererzählungen, der doppelte Boden des Wunderhandelns: Nicht nur wird ein Mensch physisch zum Leben erweckt, sondern zugleich im übertragenen Sinne zu neuem Leben gebracht. Kennzeichen des neuen Lebens sind Gotteserkenntnis sowie die Fähigkeit, zwischen äußerlichen Symbolhandlungen (Selbstkastration) und der geforderten inneren ethischen Haltung zu unterscheiden. Die Episode ist weiterhin Teil einer weitverbreiteten Auseinandersetzung um ein adäquates Verständnis von Mt 19,12. Wie in 1  Clem 38,2, bei Clemens von Alexandrien (paid. 3,4,26: Plädoyer für innere Tugendhaftigkeit), in den Pseudoklementinen (PsClem Ep. ad Virg. 1,1), bei syrischen Wanderasketen, aber auch in gnostischen Kreisen (Luz 2012, 104f., ausweislich Clem. Al. strom. 3,1 [1,4] und 3,13 [91,2]), wird die Selbstkastration zugunsten einer spirituellen Deutung von Mt 19,12 abgelehnt. Dabei spielt der Gegensatz von außen und innen eine entscheidende Rolle: Nicht das äußerliche Abschneiden von Gliedmaßen, sondern das innerliche Kappen einer unguten Gesinnung verhilft zum Heil. Die Selbstkastration wird als vom Satan inspirierte Handlung geschildert. Mit dieser Bewertung stellen ActJoh keine Absage an sexuelle Askese überhaupt dar, sondern an unsinnige Auswüchse derselben. Die Episode reiht sich damit ein in den altkirchlichen Diskurs um eine angemessene Sexualmoral. Die Antwort von ActJoh 48-54 lautet: Ehebruch und Selbstkastration sind satanisch motivierte 366

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Handlungen, gegen die nur die Stärkung einer guten, an Gerechtigkeit orientierten inneren Gesinnung hilft. Die Drastik der Darstellung lässt Ehebruch als Vergehen mit äußerst fatalen Folgen für die Gemeinschaft und die Selbstkastration als einen Irrweg, der aus dem zugrunde liegenden Problem sexueller Begierde nicht herausführt, erscheinen. Demgegenüber werden Reue, Klärung der inneren Gesinnung und Bitte um Vergebung als nachahmenswertes und zum Heil führendes Verhalten vor Augen gestellt. Konstitutiv für die ethische Intention der ActJoh erweist sich der Gegensatz von (vorbildlicher) innerer Ruhe (ἡσυχία hēsychia) und zum Bösen geneigter sexueller Gesinnung (πᾶσα κίνησις αἰσχρά pasa kinēsis aischra, ActJoh 54,8; vgl. die Wanzenepisode ActJoh 60f. und die Drusiana-Kallimachos-Episode ActJoh 63-86, dort jeweils als Leichtsinn [ῥᾳθυμία rhathymia] bezeichnet). Der Mensch steht dabei zwischen der Forderung nach Gerechtigkeit und satanischer Eingebung. Zu den überraschendsten Aspekten der Erzählung gehört die in ActJoh 52 beschriebene Reaktion des eben von den Toten auferweckten Vaters, der sich über das wieder gewonnene Leben nicht freut, sondern die Frage stellt, welchen Sinn es haben kann, zurück in sein altes, schreckliches Leben kehren zu müssen. Von hier aus lässt sich ein missionstheologischer Deutehorizont entfalten. Nicht nur der junge Mann kommt (über fatale Irrwege) schließlich zum rechten Glauben, sondern auch sein Vater, der im Sinne des Textes im Grunde zweifach zum Leben kommt – zunächst durch die Erweckung von den Toten, dann aber zu einem vollkommen veränderten, sinnvollen Leben in der Gnade Gottes. Wenn die Erzählung also so mit Tod und Leben spielt, illustriert sie gleichsam die Vorstellung, mit der in der Zuwendung zum Glauben vollzogenen Lebenswende geschehe gleichsam so etwas wie eine Neugeburt, der Beginn eines neuen, nun des wahren Lebens.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die ActJoh haben eine reiche Wirkungsgeschichte in der Liturgie der Ostkirche entfaltet. Die sogenannten Prochorusakten, eine aus dem 5. Jh. stammende Redaktion der alten ActJoh, sind vor allem in den altslavischen Handschriften weitverbreitet und wurden zusammen mit der kanonischen Johannes-Offenbarung tradiert (de Santos Otero 1978, 98, dort im Folgenden auch eine Übersicht über die wichtigsten Handschriften und die Sekundärliteratur). Die Diskussion um Enkratismus und Selbstkastration erlebten auf dem Konzil von Nizäa (Canon 1) einen weiteren Höhepunkt. Die in ActJoh propagierte moderate Form sexueller Askese hat sich auf lange Sicht hin durchgesetzt. Kurt Erlemann

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Literatur zum Weiterlesen S. Alkier, Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus. Ein Beitrag zu einem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung, Tübingen 2001. W. Bauer, Mt 19,12 und die alten Christen (1914), in: ders., Aufsätze und kleine Schriften, Tübingen 1967c, 253-262. D. F. Caner, The Practice and Prohibition of Self-Castration in Early Christianity, VigChr 51 (1997), 396-415. C. Markschies, Art. Enkratiten, RGG4 2 (1999), 1316f. E. Plümacher, Paignion und Biberfabel. Zum literarischen und popularphilosophischen Hintergrund von Acta Johannis 60f. und 48-54, in: ders., Geschichte und Geschichten, WUNT 170, Tübingen 2004b, 171-206. K. Schäferdiek, Herkunft und Interesse der alten Johannesakten, ZNW 74 (1983), 247-267.

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Bargeld nicht akzeptiert (Die Heilung der Söhne des Antipatros) ActJoh 56f. (56) So brachen wir also von Ephesus auf und kamen in die Stadt Smyrna. Auf die Kunde, dass Johannes da sei, kam die ganze Stadt zusammen, und ein Mann namens Antipatros, einer der Honoratioren unter den Smyrnäern, trat an Johannes heran und sprach: »Knecht Gottes, ich habe gehört, dass du in Ephesus viel Gutes und große Wunder gewirkt hast. Schau, ich gebe dir zehntausend Goldstücke. Ich habe nämlich zwei Jungen, Zwillingsbrüder, die gleich bei der Geburt von einem Dämon geschlagen wurden und bis heutigentags – sie sind 34 Jahre alt – furchtbar leiden, indem sie beide zur gleichen Zeit niederstürzen, so dass sie einmal im Badehaus, einmal im Wandelgang, häufig auch bei Tisch und dann wieder in der Bürgerversammlung der Stadt befallen werden. Du wirst selbst sehen, dass es hochgewachsene Männer sind, doch dahingesiecht unter der tagtäglich sie belastenden Krankheit. Ich bitte dich, steh meinem Alter bei. Ich erwäge nämlich, mir einen Entschluss aufzuerlegen; denn als sie kleine Kinder waren, litten sie in Grenzen, jetzt, da sie zu Männern herangewachsen sind, haben sie sich auch männlichere Dämonen zugezogen. Habe daher Erbarmen mit mir und ihnen!« Johannes sagte zu ihm: »Mein Arzt nimmt keinen Lohn von Silber, er heilt vielmehr umsonst und trägt dabei als Ernte die Seelen der Geheilten als Gegengabe gegen die Krankheiten ein. Wozu also bist du als Gegengabe für die Jungen willens, Antipatros? Wenn du Gott deine eigene Seele hingibst, wirst du auch deine Jungen durch die Macht Christi gesund erhalten!« Antipatros aber sagte: »Niemanden hast du bislang unbeachtet gelassen, auch nicht meine Söhne. Denn aller meiner Verwandten erwäge ich, sie des (erfahrenen) Spottes wegen mit Gift zu töten. Du aber hilf, der du herbeigekommen bist und als ihnen von Gott bestellter getreuer Arzt erstrahlst!« (57) So gebeten sprach Johannes zum Herrn: »Der du stets die Geringen tröstest und als Beistand gerufen wirst, der du niemals als Beistand gerufen zu werden brauchst, weil du nämlich selbst, bevor wir (damit) beginnen, zugegen bist – die unreinen Geister sollen von den Söhnen des Antipatros ausgetrieben werden!« Und sogleich fuhren sie von ihnen aus. Johannes aber ordnete an, dass die jungen Männer herbeikämen, und als ihr Vater sie bei Gesundheit sah, fiel er nieder und zollte Johannes fußfällige Verehrung. [Und nachdem er sie in den (Lehren) über den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist unterwiesen hatte, 369

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taufte er sie]. Und Johannes wies Antipatros an, den Bedürftigen Mittel zu geben und entließ sie, während sie Gott lobten und priesen. Übersetzung orthographisch angepasst nach Schäferdiek in Schäferdiek/Uiginn 1997.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Forschungsliteratur bietet für ActJoh 56f. zwei verschiedene Episoden an: Bei Lipsius/Bonnet findet sich die Rebhuhnepisode (aus Ps. Prochoros Handschrift Q), bei Junod/Kaestli dagegen die Heilung der Söhne des Antipatros (aus Handschriften L und S). Die Handschriften und der Inhalt deuten eher auf die Geschichte des Antipatros als Teil der frühen Johannesakten (vgl. Junod/Kaestli 1983, 145-158.369-375; Lalleman 1998a, 13f.). Auf jeden Fall gibt es im Text nach ActJoh 55 eine deutliche Lücke, die den Apostel in Ephesus zurücklässt, nachdem er eine Einladung von den Bürgern von Smyrna bekommen hat, um seinen Gott in Smyrna und in den umliegenden Städten zu verkündigen. Die Reise des Apostels nach Smyrna und seine Aktivitäten in der Gegend von Smyrna werden im bestehenden Text nirgends erwähnt; am Anfang von ActJoh 58 ist Johannes in Laodicea und plant seine Rückkehr nach Ephesus. Unsere Episode beginnt, als Johannes in Smyrna ankommt, so dass sie sich in die vorhandene Lücke logisch einfügt. Der Exorzismus/die Heilung findet an einem ziemlich bekannten Ort statt: Die ganze Stadt ist zusammengekommen, um Johannes willkommen zu heißen, und Antipatros ist einer der Honoratioren der Stadt. Die Bitte eines Vaters im Namen seines Kinds ist ein häufiges Thema in Wundererzählungen. Dementsprechend bittet auch hier ein Vater den Apostel um Hilfe für seine erwachsenen Söhne, Zwillingsbrüder im besten Alter, die von Geburt an von Dämonen geplagt werden. Die Besessenheit zeigt sich unregelmäßig: Sie werden beim Bad, beim Laufen, am Tisch und manchmal sogar in öffentlicher Sitzung angegriffen. Sein Ruhm ist dem Apostel schon nach Smyrna vorausgeeilt. So hat Antipatros bereits gehört, dass Johannes viele Wohltaten und große Wunder (πολλὰ ἀγαθὰ καὶ μεγάλα θαυμασία polla agatha kai megala thaumasia) vollbracht hat. Deshalb bittet er Johannes um Hilfe für seine Söhne. Antipatros bietet dem Apostel 100.000 Goldstücke (eine enorme Summe zu jeder Zeit) für die Austreibung der Dämonen und äußert seine Bitte auf verschiedene Weise: Antipatros ersucht den Apostel, »hilf [seinem] Alter«, und deutet an, dass er selbst, wenn der Apostel die Dämonen nicht austreiben kann, die Leiden seiner Söhne mit Gift beenden wird. Seine erste Äußerung diesbezüglich (»Ich erwäge nämlich, mir einen Entschluss aufzuerlegen«) ist etwas unklar; Junod/Kaestli schlagen als alternative Übersetzung Folgendes vor: »je cherche à me faire entendre raison« (Junod/Kaestli 1983, 240). Die zweite Äußerung (»[…] erwäge ich, sie […] mit Gift zu töten«) macht den Sinn aber klar. Bemerkenswert ist, dass der Apostel ihn auf dieses ziemlich schockierende Eingeständnis nicht anspricht. Stattdessen erklärt Johannes, dass sein Arzt, Christus, keinen Lohn in Form von Bargeld akzep370

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tiert, sondern die Seelen der Geheilten als Gegengabe erntet. Er bittet aber nicht für die Seelen der Zwillinge, sondern für die Seele des Antipatros. Antipatros stimmt nicht ausdrücklich zu, aber bittet, dass der Apostel mit dem Exorzismus fortfährt. Obwohl Johannes von Christus als Arzt gesprochen hat, redet Antipatros von Johannes als von Gott ernanntem Arzt. Johannes bittet den Herrn, die unreinen Geister auszutreiben, erinnert sich aber, dass der Herr nie angerufen werden muss, sondern immer da ist. Auffälligerweise werden die Zwillinge nie namentlich genannt. Vielmehr erbittet Johannes, dass die unreinen Geister »aus den Söhnen des Antipatros« ausgetrieben werden. Die Zwillingsbrüder haben überhaupt keine sprechende Rolle in der Episode, sie sind rein passiv, ja, es wirkt so, als seien sie gar nicht anwesend, als ihr Vater mit Johannes spricht. Erst als die Dämonen ausgetrieben werden, ruft Johannes die Brüder zu sich, und erst dann erkennt Antipatros das erfreuliche Resultat des Exorzismus. Von der Menge, die am Anfang der Episode erwähnt ist, lesen wir merkwürdigerweise nichts mehr, denn es wird außer der des Antipatros keine Reaktion auf das Wunder erwähnt. Die Episode kommt zu ihrem Ende, als Johannes befiehlt, das Geld den Armen zu geben. Die Episode bietet zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die Durchführung des Wunders, die in der Rede des Antipatros sowie des Johannes formuliert werden. In Antipatros’ Bitte um Hilfe wird Christus nicht erwähnt: Er nennt Johannes den »Knecht Gottes« und »von Gott bestellter getreuer Arzt«. Johannes hingegen sieht nicht sich selbst als den Arzt, sondern nennt Christus »meinen Arzt«; zudem verlangt er von Antipatros, »seine Seele Gott hinzugeben«, während es die »Macht Christi« ist, die seine Söhne gesund machen wird. Es scheint, als ob Johannes zu Christus im Gebet als »Herr« anspricht, nicht als »Gott«, wenn er ihn – »Der du stets die Geringen tröstest und als Beistand gerufen wirst, der du niemals als Beistand gerufen zu werden brauchst, weil du nämlich selbst, bevor wir (damit) beginnen, zugegen bist« – bittet, die unreinen Geister auszutreiben. Auch als seine Söhne geheilt sind, spielt für Antipatros Christus keine Rolle; stattdessen verehrt er Johannes und preist Gott. Die Aussage des Antipatros zu Beginn der Episode, in der er Johannes als Arzt anspricht, wird somit durch die Aussage des Johannes implizit korrigiert, der Christus als mächtigen Arzt bezeichnet. Jedoch scheint Antipatros dies auch zum Ende der Episode noch nicht verstanden zu haben, denn er sieht Johannes als die Quelle der machtvollen Heilungstat (und verehrt ihn). Die Episode bietet folglich zwei unterschiedliche Perspektiven auf das Wunder: die des Antipatros, der in Johannes den Arzt sieht, und die des Johannes, der Christus als Arzt bezeichnet. M.E. ist diese Ambiguität, diese Überschneidung der Handlungsmacht, die im Unklaren belässt, ob die Macht des Wundertuns vom Apostel oder von Christus ausgeht, sowohl intendiert als auch typisch für die apokryphen Apostelakten. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass Junod/Kaestli mit Recht den Satz über die Dreifaltigkeit als sekundäre Ergänzung identifiziert haben (Junod/Kaestli 1983, 242). Zweifellos hat ein späterer Redaktor, vielleicht aufgrund der als unzulänglich empfundenen Ambiguität, die Chance genutzt, an diesem Punkt die Rolle Christi mit Hilfe der Dreifaltigkeitslehre eindeutig zu definieren. 371

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Diese Episode befasst sich mit mehreren Aspekten der sozialen Lebenswelt der Antike. So ist beispielsweise bemerkenswert, dass die Dämonen die Zwillinge bei der Bürgerversammlung angreifen. Da die Fähigkeit, in der Stadt eine führende Position einzunehmen, von den Zwillingssöhnen eines wohlhabenden Prominenten zu erwarten war, versteht der antike Leser sofort die Beschämung, die entsteht, wenn die Zwillinge in dieser wichtigen Situation zu Boden geschlagen und auf verschiedene Weise von unsichtbaren Kräften gequält werden. Man denkt an andere wohlbekannte Zwillingsbrüder der Antike (z.B. Kastor und Pollux, Romulus und Remus, Jakob und Esau) sowie an die Ehre und den Stolz, die sie den Eltern brachten (z.B. Kleobis und Biton, von denen Herodot erzählt, Hdt. 1,31), und stellt sich vor, wie peinlich und beschämend für Vater und Söhne das Leiden war. Dass Antipatros um »Hilfe für sein Alter« bittet, zeigt, dass er schon zu alt ist, um noch mehr Söhne zu zeugen und großzuziehen (vgl. die Witwen in 1 Kön 17,17-24; Lk 7,11-17). Der hohe Geldbetrag, den er bezahlen würde, und die Androhung, seine eigenen Kinder mit Gift zu töten, betonen die Verzweiflung des Vaters. Zwar ist Todesandrohung typisch für christliche Exorzismuserzählungen (z.B. Mk 9,22), aber dass sie von einem Verwandten kommt, ist nur sehr selten. Ein ähnliches Beispiel findet man allerdings in ActJoh 19: Lykomedes droht, Selbstmord zu begehen, weil seine Frau Kleopatra gelähmt und dem Tode nahe ist (s.u.). Auffälligerweise ist der Text bezüglich des Initiators dieses Giftplans unklar. Antipatros erwähnt zwar die Zustimmung der Familie, sagt aber nicht, ob seine Söhne irgendetwas davon wissen. Aber da die Zwillinge, wie schon erwähnt, in der Episode fast gar keine aktive Rolle spielen, muss auch die Tatsache, dass ihre Kenntnis des Plans nie erwähnt wird, nicht bedeuten, dass sie tatsächlich in Unkenntnis sind. Generell ist es nicht besonders ungewöhnlich, dass ein Verwandter Gift für den Leidenden erwirbt und ihm verabreicht (s.u.). Die Ethik des Selbstmords oder des Gnadentodes angesichts einer schweren Krankheit wurde bereits in der Antike diskutiert. Obwohl der Hippokratische Eid Sterbehilfe zu verbieten scheint, führen die Hippokratischen Autoren keine ausdrücklichen Argumente dagegen an (Carrick 1985, 155). Außerdem gibt es, besonders aus der römischen Zeit, klare Hinweise dafür, dass Ärzte den Patienten oder deren Verwandten vergiftete Getränke zur Verfügung stellten (vgl. z.B. Apul. Met. 10,9-11). Die Haltungen verschiedener antiker philosophischer Gruppen zum Suizid unterschieden sich durchaus voneinander. So lehnten die Pythagoreer Suizid oder Gnadentod in der Regel ab; Platon aber hielt ihn für vertretbar, weil die Einzelperson von geringerem Wert sei als ihre Fähigkeit, im Staat zu funktionieren. Aristoteles lehnte den Suizid aus moralischen wie politischen Gründen ab, hielt aber den Gnadentod bei unvollkommenen Neugeborenen für erlaubt. Im Unterschied dazu erlaubten die Anhänger der Stoa Suizid und Gnadentod angesichts einer schweren oder zum Tode führenden Krankheit, solange der Patient gründlich Möglichkeiten und Konsequenzen seiner Tat erwogen hatte (Carrick 1985, 148-150; vgl. z.B. Sen. ep. 70,14-18; Tac. ann. 60-63; Plin. ep. 1,12.22). Diogenes Laertius schreibt in seiner Biographie über Zeno: 372

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Bargeld nicht akzeptiert ActJoh 56f.

Sie sagen, dass der Weise sich selbst rational aus dem Leben entfernen wird, entweder für seinen Staat oder für Freunde, oder wenn er bitteren Schmerz hat oder gelähmt ist oder unter einer tödlichen Krankheit leidet (εὐλόγος τέ φασιν ἐξάξειν ἑαυτὸν τοῦ βίου τὸν σοφὸν καὶ ὑπὲρ πατρίδος καὶ ὑπὲρ φίλων, κἄν ἐν σκληροτέρᾳ γένηται ἀλγηδόνι ἢ πηρώσεσιν ἢ νόσοις ἀνιάτοις eulogōs te phasin exaxein heauton tou biou ton sophon kai hyper patridos kai hyper philōn, kan en sklērotera genētai algēdoni ē pērōsesin ē nosois aniatois; D.L. 130).

Wie schon erwähnt, ist die erste Äußerung des Antipatros zu einer »logischen Lösung« (λογισμόν logismon) ziemlich unklar; sie passt aber gut in den Kontext der stoischen Einstellung zu Suizid bzw. Gnadentod. Der heroische Suizid ist ein häufiges Thema im griechischen Drama: Aias, das klassische Beispiel, der sich aus Schande und Beschämung ins Schwert stürzt (Sophokles, Aias), ist insofern vergleichbar mit den Söhnen des Antipatros, als die öffentliche Beschämung, die mit ihrem Zustand einhergeht, unerträglich ist. Ein weiteres klassisches Beispiel ist Herakles (in Soph. Trach.), der seinen Sohn Hyllus bittet, seinen Schmerz (von dem vergifteten Mantel) zu beenden. Zuerst lehnt Hyllus ab und sagt: »Ach, was fragst du mich, Vater/, dich zu ermorden und dein Blut auf mich zu nehmen«, worauf Herakles antwortet: »Nein, sondern Heiler meiner Krankheit zu sein, und allein der Arzt meiner Agonie«. Wie auch bei den Söhnen des Antipatros übernimmt hier ein Familienmitglied die Verantwortung, um das Leiden eines Einzelnen zu beenden; zudem wird auch hier die Sprache von Arzt und Medizin für die Menschen und Mittel verwendet, die dem Leiden ein Ende bereiten können. Obwohl der Apostel die Androhung des Antipatros nie ausdrücklich erwähnt, ist dieses Element mit der Sprache der Ärzte und der Medizin, die das Wunder durchzieht, verknüpft. Antipatros kann sich zwei Lösungen des Problems vorstellen: Entweder einen Arzt zu finden, der die Krankheit gegen Bezahlung heilen kann, oder einen Arzt, der Gift verabreichen kann, damit das Leiden durch freiwilligen Tod beendet wird. Johannes bietet etwas Neues an: einen Arzt, der jede Krankheit heilen kann, aber kein Bargeld akzeptiert.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Zwei interessante Aspekte der griechisch-römischen und früh-christlichen Dämonologie sind in dieser Episode im Spiel. Der erste ist die Verbindung der Dämonen mit dem Bad. Dass das Bad einer von den Orten ist, an dem die Dämonen die Zwillinge angreifen, ist nicht ohne Bedeutung, denn das Bad war in der Antike wohlbekannt als ein Ort, an dem Dämonen leben und den Menschen angreifen (z.B. Tert. bapt. 5; Eun. vit. soph. 4,1; vgl. Bonner 1932, passim). Der zweite Aspekt besteht darin, dass die Kraft der Dämonen wächst, als die Zwillinge älter und kräftiger werden. In den Briefen des Antonius etwa finden wir die Idee, dass Menschen als Körper der Dämonen fungieren (vgl. ep. 6,51). Dass die Dämonen an der physischen Kraft der Menschen teilhaben, passt gut zu dieser Idee von der symbiotischen Beziehung zwischen Dämon und Besessenen. 373

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

Außerdem fällt auf, dass verzweifelte Ehepartner oder Eltern, Androhungen des Selbstmords und die Rettung im letzten Moment häufige Elemente in griechisch-römischen Romanen sind. Diese wunderbare Episode in den Johannesakten hat denn mit der wohlbekannten Beziehung zwischen apokryphen Apostelakten und antiker Romanliteratur zu tun. Ein Beispiel findet man in Char. Kall. 2,9,3: Callirhoe, die ihren Mann tot glaubt, denkt an Selbstmord und/oder die Abtreibung ihres Kindes, und vergleicht ihre Überlegungen mit dem »logischen Denken Medeas« (Μηδείας … λογισμούς Μēdeias […] logismous). Hier finden wir also eine Äußerung, die fast identisch mit der »logischen Lösung« des Lykomedes und des Antipatros ist. Letztlich betont diese Episode die Darstellung Jesu als »treuer« Arzt, der kein Geld verlangt, und knüpft dabei an die neutestamentlichen Beschreibungen Jesu als Arzt an (z.B. Mk 2 bzw. Lk 4). Außerdem sind mit dieser Episode die neutestamentlichen Texte verbunden, die darstellen, dass die Kraft Jesu nicht gekauft oder verkauft werden kann (z.B. Apg 8,9-24).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Zusätzlich zu den schon diskutierten Themen könnte diese wunderbare Episode im Zusammenhang eines weiteren interessanten Phänomens gelesen werden, das mit der Darstellung familiärer Beziehungen zu tun hat, wie sie in vielen antik-christlichen Schriften begegnet. Einerseits folgen die apokryphen Apostelakten dem neutestamentlichen Vorbild, das den Abbruch der natürlichen familiären Beziehungen, die gegen die neuen Verbindungen der christlichen Gemeinde eingetauscht werden, fordert (z.B. Mk 1,19-20; 3,31-35). Andererseits sind die apokryphen Apostelakten – viel mehr als die kanonischen Evangelien und die Apostelgeschichte – bis zum Rand gefüllt mit Erzählungen über Familien und ihre Mitglieder, die sich lieben und die – sei es vom Leiden eines Kindes, eines Partners, eines Bruders oder durch eine Spaltung, die durch die Bekehrung eines Mitglieds zum Christentum verursacht ist – gequält werden. Zwar lösen sich diese familiären Beziehungsprobleme nicht immer (z.B. bei Thekla und ihrer bösen Mutter Theokleia oder Maximilla und ihrem Mann Aegeates), häufiger jedoch werden die Familienmitglieder durch die schließlich gemeinsame Bekehrung zum Christentum wieder zusammengeführt. In ActJoh 19-25 und 56f. kann die Rettung der angegriffenen Person nur durch den Glauben erreicht werden. Wenn die Liebe des Familienmitglieds auf das Vertrauen auf Christus ausgerichtet wird, dann werden beide am Ende gerettet. Demnach zeigen diese Wunder, dass der christliche Glaube nicht auf die Zerstörung von Familien abzielt (wie gewisse neutestamentliche Texte vielleicht suggerieren), sondern auf ihre Bewahrung. Obwohl dieses Wunder mit den Reichen und Prominenten zu tun hat, zeigt eine sozialgeschichtliche Analyse eine starke Sorge für die Armen. Diese Episode macht die Angreifbarkeit der Reichen sehr deutlich: Krankheit oder Besessenheit von Dämonen kann jeden Mensch treffen; Geld und Einfluss sind wertlos, wenn man wahre Heilung sucht. Der einzige »treue« Arzt – der Arzt, der wahre Gesundheit bietet, nicht 374

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Bargeld nicht akzeptiert ActJoh 56f.

nur eine Linderung der Schmerzen – akzeptiert keine Bezahlung mit Geld oder Gold. Man kann sich mit dem verzweifelten Vater identifizieren, solange er alles tun würde, um seinen Söhnen zu helfen. Dass Antipatros sie lieber töten würde, und dass seine Verzweiflung zum Teil besonders mit dem öffentlichen Charakter der Besessenheit von Dämonen zusammenzuhängen scheint, rückt diesen Mann in ein negatives Licht. Darin liegt möglicherweise eine subtile Kritik an den Grundwerten der Reichen. Wie oben bereits dargelegt, präsentiert die Episode zwei unterschiedliche Perspektiven darauf, wer für das Wunder verantwortlich zeichnet: Ist Christus oder ist Johannes der Arzt? Während m.E. diese Ambiguität intendiert ist und den Status des Apostels zu einer christusgleichen Figur erhöht, so ist doch zu betonen, dass nicht gleichzeitig eine Erniedrigung des Status Christi vermittelt wird. Vielmehr spricht der Apostel von Christus als »der du niemals als Beistand gerufen zu werden brauchst, weil du nämlich selbst, bevor wir (damit) beginnen, zugegen bist« und erinnert mit dieser Charakterisierung an die hohe Christologie des Johannesprologs.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Wie bereits erwähnt, findet sich die nächste Parallele zu dieser Episode, besonders hinsichtlich des Selbstmords/Gnadentods, in ActJoh 19-25 und beschreibt die wunderbaren Heilungen von Lykomedes und Kleopatra. Hier treten mehrere gemeinsame Themen auf: In jeder Episode ist der Mann ein reicher Prominenter der Stadt; er ist verstört, am Rande einer undenkbaren Tat, weil ein Verwandter leidet. Antipatros gibt zu, dass er über eine »logische Lösung« (λογισμός logismos) nachdenkt; später erklärt er, dass er seine Söhne mit Gift töten wird. Lykomedes hat auch eine »logische Lösung« (λογισμός logismos) im Sinn; später erklärt er, dass er Selbstmord begehen wird. In jeder Episode wird Jesus als »der Arzt, der kostenlos heilt« (ἰατρὸς δωρεὰν ἰώμενος iatros dōrean iōmenos) (ActJoh 22; 56) dargestellt. Janet E. Spittler

Literatur zum Weiterlesen C. Bonner, Demons of the Bath, in: S. R. K. Glanville (Hg.), Studies Presented to F. Ll. Griffith, London 1932, 203-208. P. Carrick, Medical Ethics in Antiquity. Philosophical Perspectives on Abortion and Euthanasia, Dordrecht/Boston/Lancaster 1985. P. J. Lalleman, The Acts of John. A Two Stage Initiation into Johannine Gnosticism, SAAA 4, Leuven 1998a. R. Rathmayr, Zwillinge in der griechisch-römischen Antike, Wien et al. 2000.

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Der Herr der Wanzen (Die gehorsamen Wanzen) ActJoh 60f. (60) Als wir aber am ersten Tag in einer einsamen Herberge angelangten und wegen eines Bettes, in dem der selige Johannes ruhen sollte, in Verlegenheit waren, erlebten wir einen Scherz (paignion) von ihm. Es stand dort irgendwo ein Bett ohne Decken, darauf breiteten wir die Mäntel, die wir bei uns hatten, und forderten ihn auf, sich daraufzulegen und auszuruhen, während wir Übrigen alle auf dem Boden schliefen. Als er sich nun niedergelegt hatte, wurde er von zahllosen Wanzen belästigt; und als sie ihm immer lästiger wurden und die Nacht schon zur Hälfte fortgeschritten war, sagte er zu ihnen, während wir alle es hörten: »Ich sage euch, ihr Wanzen, seid allesamt einsichtig, verlasst augenblicklich eure Heimstatt, verhaltet euch ruhig an einem Ort und bleibt fern von den Sklaven Gottes!« Und während wir lachten und uns noch länger unterhielten, ergab sich Johannes dem Schlaf. Wir aber sprachen nur noch leise und fielen ihm nicht lästig. (61) Als aber der Tag heraufdämmerte, stand ich schon als Erster auf und mit mir Verus und Andronikos; und da sahen wir an der Türe des Raumes eine Menge Wanzen. Während wir über den Anblick ihrer großen Menge außer uns waren und auch alle Brüder sich ihretwegen erhoben hatten, schlief Johannes noch. Und als er erwacht war, zeigten wir ihm, was wir sahen. Er aber richtete sich im Bett auf, sah sie und sagte zu den Wanzen: »Da ihr sehr einsichtig wart und euch vor meiner Strafe gehütet habt, geht wieder an euren Platz.« Und als er das gesagt hatte und vom Bett aufgestanden war, rannten die Wanzen von der Tür und eilten zum Bett, stiegen an dessen Beinen empor und schlüpften in die Fugen. Und Johannes sagte wiederum: »Dieses Lebewesen hörte die Stimme eines Menschen und hielt sich einsam für sich, ohne den Befehl zu übertreten. Wir aber hören die Stimme Gottes und überhören seine Gebote und sind leichtfertig – und wie lange?«

Sprachlich-narratologische Analyse Es liegt eine komödiantische Doppel-Wundergeschichte vor. Sieben Ereignis-Sequenzen gliedern beide Wunder. Den Mittelpunkt bildet Sequenz 4 mit dem Au376

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Der Herr der Wanzen ActJoh 60f.

genzeugenbericht des Erzählers zum ersten Wunder (ActJoh 61). Zwei namentlich genannte weitere Augenzeugen und die Gesamtschar der Brüder, die auch die Schwestern miteinschließen, sichern zusätzlich das Geschehen als faktual wahr ab. Der aufwändige Chorschluss dient zugleich als Überleitung zum folgenden zweiten Wunder. Die gesamte Handlung spielt sich im Raum der Herberge ab. Bei der Figurenkonstellation fällt auf, dass Tiere und nicht nur Menschen oder Dämonen wie in den neutestamentlichen Wundergeschichten als Opponenten gegen den Protagonisten Johannes und seine Helfer auftreten. Zeitangaben leiten die erste Geschichte ein, bestimmen deren Mittelteil (Nacht, Tag) und leiten zur zweiten Geschichte über; deren Zeitverlauf wird allein von der linearen Ereigniskausalität erzeugt. Die einleitende Zeitangabe erster Tag (= Herrentag) knüpft an den Aufbruch des Apostels Johannes von Laodizea in Richtung Ephesus auf seiner zweiten Reise nach Ephesus an (ActJoh 58). Der Erzähler spricht fiktiv als Mitglied der Wir-Gruppe; sie begleitet Johannes. Es handelt sich um Schüler(innen) und deren Hilfspersonal (ActJoh 59). Doch diese Faktualität ist nur vorgetäuscht, also fingiert. Die Wandergruppe benötigt eine Übernachtung und sucht eine einsame und verlassene Herberge auf. Die Komplikation mit dem leer geräumten Haus bietet den Anlass für eine komödiantische Wundergeschichte. Es findet sich nur noch ein Bett ohne Decken. Die Begleiter legen einige Mäntel als Unterlage und Decke für Johannes darauf und bereiten für sich selbst auf dem Boden das eigene Nachtlager. Die räumliche Distanz zwischen dem seligen (μακάριος makarios) Johannes und den Schülern und Schülerinnen wird ausdrücklich als neuer Zustand betont. Johannes legt sich auf dem Bett zur Ruhe und wird von Wanzen belästigt. Im Unterschied zu den Begleitern halten die Wanzen die räumliche Distanz nicht ein. Daraufhin gibt er ihnen mitten in der Nacht laut den Wunder-Befehl, sich an einem einzigen Ort fern von den Knechten Gottes zu versammeln. Hier gibt es eine interessante Text-Variante. Die Übersetzung orientiert sich weitgehend an Schäferdiek/Uiginn (1997, 178f.). Mit Junod/Kaestli (1983) wird der Begriff Wanze (κόρις koris) gegen die ältere Textausgabe von Lipsius/Bonnet (1959, 2/1) durchgehend beibehalten, während diese im ersten Johanneswort einen einmaligen Wechsel zu Mädchen (κόρη korē) vorschlagen. Dieser Wechsel macht als (sekundäre) erotische Anspielung Sinn (Klauck 2008e, 104f.). Κόρις (koris – Wanze) klingt ähnlich wie κόρη (korē – Mädchen). Die sonstigen Differenzen zwischen den beiden Textausgaben sind für die narrative Gestalt dieser Wundergeschichte unerheblich. Die Jüngergruppe ist Ohrenzeuge dieses Befehls. Der Erfolg wird zunächst nur angedeutet. Der Erzähler berichtet lediglich die heitere Reaktion der Schülergruppe und lässt dann kurz einfließen, dass Johannes tatsächlich Schlaf findet. Denn die Schülergruppe fällt Johannes mit ihren leisen Gesprächen nicht lästig. In der Morgendämmerung wird der Erzähler zusammen mit der ganzen Gruppe Augenzeuge für den Wunder-Erfolg. Die Wanzen haben sich an der Tür des Raumes versammelt, so dass Johannes noch immer schlafen kann. Nach Klauck erzeugt 377

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diese vierte Sequenz die antike »Kleingattung Paraklausithyron, die nächtliche Klage des verschmähten Liebhabers draußen vor der Tür« (a.a.O., 105; Prop. eleg. I 1,148). Allerdings staunt vordergründig die Jüngergruppe über die große Menge der Wanzen, nicht über deren vermutliche Klage. Nach seinem Erwachen bewirkt Johannes das zweite Wunder. Er erlaubt den Wanzen die Rückkehr in das Bettgerüst. Zugleich lobt er ihre Einsicht. Sie erkennen ihn als Herrn an, fürchten seine Strafe und gehorchen deshalb. Die übliche Strafe wäre das Zerquetschen gewesen. Diesem Tod sind die Wanzen durch Gehorsam entkommen. So eilen sie nach dem Wunderbefehl und Aufstehen von Johannes zum alten Platz zurück. Anschaulich wird der Augenzeugenbeweis vom Hochsteigen an den Beinen des Bettes und dem Verschwinden in den Fugen geschildert. Johannes schließt beide Wunder mit einer theologischen Anwendung ab. Die Tiere erkennen den Menschen als Herrn an, gehorchen seinen Befehlen und halten sich in Einsamkeit auf. Der Begriff Einsamkeit umschließt die Doppelgeschichte. Auch der Mensch hört die Stimme Gottes, seines Herrn, gehorcht aber nicht seinen Befehlen und lebt nicht einsam, so muss der Leser ergänzen. Die Schlussfrage wie lange? ist eine Ermahnung für die Schüler, für alle zukünftigen Hörer des Johannes und für alle Leser seiner Akten, sogleich zu Gottes Willen umzukehren und einsam zu leben.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Wandergruppe des Johannes ist wohlhabend und führt eigene Leute als Bedienung mit (ActJoh 59). Gasthäuser waren außerhalb von Städten sehr selten. Daher muss die Gruppe in einer leer stehenden, vorher gewerblich betriebenen Herberge (πανδοχεῖον pandocheion) übernachten; sie hat kein Quartier in einem Haus eines Gastfreundes (καταλύματα katalymata) gefunden. Gewerbliche Herbergen standen in der Antike im schlechten Ruf; allerdings konnte es auch solide Betriebe geben (Lk 10,34f.; Zimmermann 2007, 545f.). Das Vorhandensein eines einzigen Bettgestells ist ein Zufall. Da keine Haussklaven mehr für die Sauberkeit des Bettes sorgen, konnten sich Wanzen einnisten. Der Biss der Bettwanze ist unangenehm. Da sie nicht gleich beim ersten Stich das Blut ihres Opfers trifft, hinterlässt sie Reihenstiche. Über die Wanzenplage in Herbergen mit schlecht gewarteten Betten spottet die antike Literatur: »Indes, warum ich also kostümiert, dein Ebenbild, hierher [Weg zur Unterwelt, D.D.] kam: – sag mir deine Bekannten, für den Notfall, bitt’ ich, die du dort gesprochen, als den Kerberos du [Herakles, D.D.] einst geholt, auch Häfen, Bäckerläden, Lustgärten und Bordelle, Städte, Brunnen, Gasthäuser, Nachtquartiere, wo der Wanzen nicht allzu viel« (Ar. Ra. 115; vgl. Richter 1979, 1348). Der Grieche Dionysos, der mutig den Weg in die Unterwelt wagt, begegnet Herakles und will von ihm die Namen von Bekannten für eine Unterstützung in der Unterwelt erfahren. Es folgt eine Auflistung von berüchtigten Orten lasterhafter Begegnungen von Herakles, zu denen auch die Herbergen gehören, die sich zusätzlich durch die Anwesenheit von Wanzen auszeichnen. Auch über die 378

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Der Herr der Wanzen ActJoh 60f.

verwanzten Betten von Armen, wenn diese mit eigener Kraft sie nicht mehr reinigen und sich auch kein Personal für die Hygiene leisten können, mokiert sich die Antike. Der Nichtbesitz von Wanzen ist sogar Zeichen äußerster Bedürftigkeit, da der oder die Betreffende noch nicht einmal ein Bett besitzt: »Keine Toga hast du, keinen Herd, kein von den Wanzen gern besuchtes Bett« (Mart. epigr. 11,32). Komödiantisch wird für Johannes zugespitzt, dass die arme, verlassene Herberge wenigstens ein verwanztes Bett besitzt. Die Wanze galt andererseits medizinisch als hilfreich, besonders gegen Schlangengift und Krämpfe (Plin. nat. 28,61-64). Die Sorge für das Wohlergehen der Wanzen lässt sich von der Medizin, aber auch von der Theologie her erklären.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Anspielungen auf die neutestamentlichen Wundergeschichten sind deutlich zu erkennen. Wie Jesus in wunderbarer Weise Herr über die Fische ist (Lk 5,1-11; Joh 21,1-14; Mt 17,24-27), so ist Johannes Herr über die Wanzen. Denn Jesus hatte während seines irdischen Wirkens den Aposteln die Wundervollmacht verliehen, die nach Ostern weitergeht (Mk 6,7-12 parr.; ActJoh 19-26). Während die Schüler Jesu die Fische an Land ziehen und verbrauchen, sorgt Pythagoras für die Freilassung der gefangenen Fische (Iamb. vit. Pyth. 8). Nach der pythagoräischen Schule darf kein Lebewesen getötet werden. Die Schüler sollen vielmehr friedlich mit der Natur umgehen und die Menschen für einen solch neuen Frieden mit der Natur gewinnen (Söder 1969, 63f.; Junod/Kaestli 1983, 538; Spittler 2008, 99-110). Die Johannesakten sind Ende des 2. Jh. oder Anfang des 3. Jh. verfasst worden. Sie sind von den Enkratiten geprägt. Diese enthalten sich des Genusses von Fleisch und Wein und üben sexuelle Enthaltsamkeit. So wird in den Johannesakten betont, dass der Schülerkreis des Apostels aus Männern und Frauen besteht und sogar gemeinsam wandern und übernachten kann, ohne dass die antiken Keuschheitsregeln verletzt werden (ActJoh 59); vielmehr unterhält sich hier die Gruppe bis lang in die Nacht in philosophisch-theologischer Weise. Der Schutz der Schöpfung zeigt sich in der Freilassung und Erduldung der Wanzen. Wie bei den Pythagoräern wird auf die Tötung von Lebewesen verzichtet. Gnostisches Gedankengut fehlt. Die Unterhaltsamkeit der Doppelgeschichte erinnert auch an die antike Reise- und Romanliteratur. Die einleitende Bemerkung Scherz verweist auf eine antike Kleingattung, und zwar auf das παίγνιον (paignion – Scherz). Paignien sind kurze Erzählungen oder mimische Darbietungen von »zum Lachen reizende(n) Vorgänge(n) oder Handlungen« (Plümacher 2004b, 178). Lukian (ca. 120-ca. 180) bietet in der kürzeren Fassung »Lucius oder der magische Esel« des zeitgleichen Romans von Apuleius (ca. 125-ca. 180) »Der goldene Esel« eine deutliche Parallele zum Wanzenwunder (a.a.O., 171-191). In menschlicher Weise kann der in einen Esel verwandelte Lucius menschliche Speisen essen und löst damit bei den Beobachtern Gelächter aus (Luc. asin. 47). Die anschließende Dressur, der der menschliche Esel zum 379

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ersten Mal freiwillig gehorcht, bietet ihm die Gelegenheit, in scherzhafter Weise an das Gegenmittel zu gelangen und wieder die menschliche Gestalt zurückzuerhalten (Luc. asin. 48-54). Beim Wanzenwunder wird die Gattung der neutestamentlichen Wundergeschichte mit dem antiken komödiantischen Paignion vermischt. Die Schlussanwendung entspricht den alttestamentlichen prophetischen Gleichnissen. Wie Ochs und Esel ihren Herrn kennen und ihm gehorchen (Jes 1,3), so gehorchen die Wanzen dem Apostel Johannes. Doch die menschlichen Hörer folgen der Stimme Gottes und Jesu Christi in Johannes nicht, so wie Israel Gott, den Herrn, verlassen hat und auf seine Propheten nicht hört (Jes 1,4). In der Weisheitsliteratur werden Tiere ebenfalls zum Vorbild, z.B. der Fleiß der Ameise gegenüber der Faulheit der Menschen (Spr 6,6).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Weisheitlich-christologische Deutung: Die Wanzen-Wundergeschichte atmet den Geist gehobener Unterhaltungsliteratur für wohlhabende, gebildete Leser (Schäferdiek/Uiginn 1997, 152-155; Moreschini/Norelli 2007, 76-79). Allerdings wird auch die alte Position noch immer vertreten, dass das Wanzenwunder ein besonders drastisches Beispiel für die Geschwätzigkeit und Fabuliersucht der apokryphen AktenLiteratur sei (Jarǒs 2008, 294). Diese Abwertung berücksichtigt aber zu wenig das Einwirken der neutestamentlichen Tier-Wundergeschichten und der komödiantischen Paignion-Geschichten auf die Johannesakten. Jeder damalige Leser kennt die Plage mit den Wanzen und weiß, dass nur aufwändige Hygiene für die Freiheit vom Ungeziefer sorgt. So muss der Sonderfall einer Übernachtung außerhalb der Stadt in einem leeren Haus konstruiert werden, um den Apostel Johannes mit Wanzen in Verbindung zu bringen. Der anschließende Scherz wird sogleich angekündigt, um die Spannung zu erhöhen. Auch der Apostel Johannes muss unter Ungeziefer leiden, kann ihm aber mit Scherzen beikommen. Jesus konnte z.B. Dämonen in eine Schweineherde jagen und sie in den ertrunkenen Schweinen für immer einkerkern (Mk 5,1-20 parr.), und er konnte mit so vielen Fischen die Netze füllen, dass sie zu zerreißen drohten (Lk 5,1-11; Joh 21,1-14). Es lässt sich Johannes als machtvoller Wanderapostel von seinen Schülern mit deren Mänteln das Bett machen und die Wanzen zudecken, so wie Kleider als Sattel über das Reittier Jesu gelegt wurden (Mk 11,1-11 parr.). Der hoheitsvolle Umgang Jesu mit Tieren findet in dieser Geschichte seine Fortsetzung. Schöpfungstheologisch-eschatologische Deutung: Mit Ausnahme der Beschaffung der Tempelsteuer Jesu (Mt 17,24-27) und der drei Befreiungswunder der Apostel (Apg 5,17-26; 12,1-11; 16,23-40) kennt das Neue Testament allerdings kein Selbsthilfewunder. Doch auch hier liegt nur vordergründig ein Selbsthilfewunder vor. Johannes braucht den langen Schlaf genauso wenig wie seine Begleiter. Er demonstriert aber seine Herrschaft über die Tiere als Gleichnis für sein vollmächtiges Verkünden des Wortes Gottes (Söder 1969, 64) und für seine Haltung des 380

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Ruhens. Die vielen Fische bei der Berufung des Petrus und beim nachösterlichen Mahl mit dem Auferstandenen und der hoheitsvolle Esel beim königlichen Einzug Jesu in Jerusalem werden mit den kleinen, lästigen Wanzen ausgetauscht. Der Apostel Jesu hat auch über das unscheinbare Ungeziefer die Herrschaft, hat deren Überleben zu sichern und zugleich für sein eigenes Ruhen und das der Anhänger zu sorgen. So wird die Wanzen-Geschichte zu einer wunderbaren Zeichenhandlung. Da die Wanzen einsichtig sind und gehorchen, werden sie nicht getötet. Das Lachen der Schüler(innen) bezieht sich auf das menschliche Verhalten der Wanzen. Diese wollen die Strafe der Tötung vermeiden und begreifen zugleich, dass sie sich nicht neue Opfer suchen dürfen. Sie interpretieren den Plural Sklaven Gottes richtig. Die Stelle an der Tür markiert, dass auch die Schüler(innen) auf dem Fußboden von den Wanzen unbelästigt bleiben. Wo der Apostel herrscht, ist der Frieden auch mit dem kleinsten Tier für die gesamte Schöpfung angebrochen (Jes 11,6-8). Die Ruhe des Philosophen, der Schülergruppe, der Wanzen und die Sonntagsruhe Gottes, die die alttestamentliche Sabbatruhe ablöst, erfüllen die Herberge. Nach Beendigung der Ruhe dürfen die Tiere zu ihrem gewohnten Platz zurückkehren und ihre Verstecke einnehmen. Das abschließende Wort von Johannes verleiht den Wanzen ausdrücklich den Rang menschlicher Vorbilder. Sie hören den Befehl eines Menschen und greifen ihn und seine Begleiter nicht mehr an. Sie sorgen für getrennte, einsame Plätze und Ruhe. So kann nach dem Vorbild der Wanzen Frieden entstehen, wenn die Hörer (Wir) nach Gottes Geboten gehorsam handeln. Es wird eine präsentische Eschatologie verkündet. Enkratitisch-symbolische Bedeutung: Die Wundergeschichte kann auch als hintergründige Parodie erotischer Geschichten gelesen werden. Antike Biographien, Geschichtsschreibungen und politische Reden bieten erotische Skandalgeschichten in Fülle. Nicht nur einsame gewerbliche Herbergen, auch einsame Villen oder Orakelstätten sind bevorzugte Plätze für Ausschweifungen von Spitzenpolitikern (Cic. Phil.), Kaisern (Tiberius auf Capri nach Suet. Tib.), normalen Wanderern und Bittstellern (Luc. Alex.). Die Aufmerksamkeit des Lesers wird am Anfang gleich zweimal auf den nächtlichen Ruheort von Johannes gelenkt. Die Schülergruppe muss ein Bett besorgen und findet als einzigen Gegenstand der leeren, einsamen Herberge tatsächlich ein Bett vor. Es erfolgt das Ablegen der Oberbekleidung der Schüler und Schülerinnen für die Polsterung des Bettes. Johannes wird zum Hinlegen und Ausruhen aufgefordert. Die Erwartung für eine erotische Bettszene ist aufgebaut. Doch dann bricht die Entkleidungsszene abrupt ab. Die Schülergruppe legt sich zum Schlafen auf den Boden. In der folgenden Sequenz 2 legt auch Johannes sich hin und wird prompt die halbe Nacht belästigt, aber nicht von der Schülergruppe, sondern von zahllosen Wanzen, die parodistisch die geflügelten Eroten oder die Pfeile ersetzen, mit denen Eros seine Opfer peinigt. Wie in der Fabel symbolisieren die Wanzen menschliche Verhaltensweisen. Die halbe Nacht wird Johannes von erotischen, phallokratischen Erwartungen geplagt. Die Textvariante Mädchen deckt mit dem ungewollten Versprecher 381

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den erotischen Hintergrund auf. Eigentlich erwartet Johannes von seiner Gruppe den Beischlaf, bei dem sich die jungen Frauen und Männer passiv wie Mädchen Johannes gegenüber zu verhalten haben. Doch die Stimme Gottes in Johannes befiehlt das Gegenteil (Röm 7,14-25). Mit lauter Stimme, die auch die Schülergruppe hört, befiehlt er den Wanzen Einsicht, das Verlassen ihrer gegenwärtigen Bettgemeinschaft mit ihm, räumliche Ferne zur Schülergruppe und ruhiges Verhalten an dem neuen Ort. Da die Schülergruppe das Prädikat Sklaven Gottes erhält, wird für den Leser deutlich, dass die Gruppe das Liegen auf dem Boden bisher nicht für den Eros genutzt hat und durch den Befehl von Johannes vom Eros weiterhin unbesiegt bleibt. Sequenz 3 führt dazu aus, dass die jungen Leute nach dem Befehl von Johannes weiterhin leise mit Unterhaltungen ihr erotisches Verlangen sublimieren. Johannes fühlt sich von dem philosophischen Zeitvertreib auch nicht belästigt und findet endlich Schlaf. Beim Erwachen bei der Morgendämmerung liegen Johannes oder die Nachbarin oder der Nachbar nicht in den Armen des Ich-Erzählers oder der anderen Mitglieder, sondern sie alle stehen allein auf und sehen nacheinander mit Erregung an der Türschwelle die große Menge der Wanzen. Ohne Befehl des Apostels wären sie alle deren Opfer geworden, hätte Eros nach vielen schmerzhaften Kämpfen gesiegt, hätte eine leichtfertige Orgie stattgefunden (2  Makk 6,4). Dann erfolgt das Erwachen des allein schlafenden Johannes. Er erlaubt den Wanzen die Rückkehr zu ihrem Platz. Sequenz 6 erzählt anschließend detailgenau, dass der Ort der Wanzen das Bettgestell, aber nicht der Leib des Johannes ist. In der Schlusssequenz 7 betont Johannes das Leben in Einsamkeit. Die Schülergruppe hat es noch nicht geschafft, dass jeder für sich allein Ruhe findet. An der Erreichung dieses Ziels muss die Gruppe noch arbeiten. Ob die sexuelle Enthaltsamkeit und die Ruhe im Allein-Leben die Ehe ausschließen, wird in dieser Geschichte in keiner Weise angedeutet. Autor und Leserschaft dieser Geschichte sind keine verkrampften Rigoristen, sondern suchen vorbildlich den Eros in ihre Gesamtpersönlichkeit zu integrieren. Sie haben die antike Moralphilosophie um eine gelungene humoristische, doppelbödige Parodie erotischer Geschichten und Phantasien bereichert: Da diskutieren und schlafen christliche Philosophen und Philosophinnen nachts in einsamen Häusern und keine sexuellen Ausschweifungen passieren (vgl. Apg 20,7-12).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Für die Ende des 3. Jh. einsetzende Mönchsbewegung wurde die Sorge für die Schöpfung ein Grundprinzip. Es galt für viele Einsiedeleien und Klöster, die Tötung von Tieren zu vermeiden, sowohl für die Ernährung als auch für das leibliche Wohlbefinden. Simon der Säulensteher (geb. 390) soll nach Theodoret (h. rel. 26) 20 Wanzen an seinem Bein lange Zeit ertragen haben (Weisser 2011, 53). Ruhe (ἡσυχία hēsychia) ist bis auf den heutigen Tag ein Grundprinzip mönchischen Lebens. In der 382

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Bewegung der Hesychasten wird für das späte mittelbyzantinische Reich die Grundhaltung Ruhe dominierend. Goethe lässt im »Faust« nicht einen Apostel, sondern den Teufel »Mephisto« für die Studenten in »Auerbachs Keller«, vielleicht in Erinnerung an das Wanzenwunder, ein satirisches Gedicht über den Floh vortragen, der mit seinen Reihenstichen eine enge Parallele zur Wanze hat: Es war einmal ein König, Der hatt’ einen großen Floh, Den liebt’ er gar nicht wenig, als wie seinen eignen Sohn. Da rief er seinen Schneider, Der Schneider kam heran; »Da, miß dem Junker Kleider Und miß ihm Hosen an!« In Sammet und in Seide War er nun angetan, Hatte Bänder auf dem Kleide, Hatt’ auch ein Kreuz daran, Und war sogleich Minister, Und hatt einen großen Stern. Da wurden seine Geschwister Bei Hof auch große Herrn. Und Herrn und Fraun am Hofe, Die waren sehr geplagt, Die Königin und die Zofe Gestochen und genagt, Und durften sie nicht knicken, Und weg sie jucken nicht. Wir knicken und ersticken Doch gleich, wenn einer sticht (Goethe 1965, 66).

Die moderne Tiefenpsychologie hat die Macht des Sexualtriebs eindrucksvoll herausgearbeitet, u.a. mit der Traumanalyse. Trotz aller Beteuerung des Augenzeugenbeweises gehört diese Wundergeschichte wie auch Goethes Satire nicht der faktualen, sondern der fiktionalen Erzählebene an. Mit der Erzählfigur Wanze können Elemente des Traumes mit der Erzählung assoziiert werden. Sowohl im Traum als auch in der fiktionalen Erzählwelt findet eine positive Bearbeitung des Sexualtriebs statt. Detlev Dormeyer

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Literatur zum Weiterlesen H.-J. Klauck, Die apokryphe Bibel, Tübingen 2008b, 95-105. E. Plümacher, Paignion und Biberfabel. Zum literarischen und popularphilosophischen Hintergrund von Acta Johannis 60f. und 48-54, in: ders., Geschichte und Geschichten. Aufsätze zur Apostelgeschichte und zu den Johannesakten, hg. v. J. Schröter und R. Brucker, WUNT 170, Tübingen 2004b, 171-207. J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/247, Tübingen 2008. D. Weisser, Seelsorge von der Säule herab, WUB 60 (2011), 48-53.

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»Stirb, damit du lebst!« (Die Totenauferweckungen des Kallimachos, der Drusiana und des Fortunatus) ActJoh 63-86, bes. 74-84 Die drei Auferweckungserzählungen sind integraler Teil der romanhaften DrusianaKallimachos-Geschichte in ActJoh 63-86, in der sie eine unverwechselbare Funktion besitzen. Wer sie verstehen will, muss die Geschichte als ganze zur Kenntnis nehmen. Wegen ihrer Länge paraphrasieren wir sie im Folgenden, bieten die eigentlichen Erweckungserzählungen aber im Wortlaut, überdies Passagen mit besonderer literarischer Qualität in kolometrischer Gliederung. Grundlage unserer Übersetzung ist die kritische Edition des griechischen Textes (samt französischer Übersetzung) von Junod/Kaestli (253-293). Vorgeschichte: Von Andronikus, dem Mann der Drusiana, wird schon anlässlich des ersten Aufenthalts des Johannes in Ephesus erzählt (ActJoh 31). »Zu jener Zeit« war er als »Strategos« »der Erste der Epheser« und widersetzte sich in dieser Funktion zunächst dem Wirken des Johannes. Das zwischen ActJoh 36 und 37 verloren gegangene Textstück muss von seiner Bekehrung erzählt haben, denn in ActJoh 37 erscheint er auf einmal als Schüler des Johannes, der ihm und den Brüdern in seinem Haus Gastfreundschaft gewährt (ActJoh 46). Anschließend begleitet er mitsamt seiner Frau Drusiana sowie weiteren Personen Johannes auf seiner Rundreise durch die kleinasiatischen Städte (ActJoh 46, 59). Nach ihrer Rückkehr wird sein Haus wiederum Mittelpunkt der Gemeinde in Ephesus (ActJoh 62). Hier setzt unsere Erzählung ein. Das erwähnte verlorene Textstück muss aber noch mehr über Andronikus und Drusiana erzählt haben. Die »persönliche Heilsanamnese« (Schäferdiek 1997, 162) der Drusiana in ActJoh 82 (s.u.) sowie weitere Rückblenden (ActJoh 63; 87,2f.) setzen nämlich voraus, dass zuerst sie (veranlasst wohl durch das vorangegangene Wunder der Heilung der alten Frauen [ActJoh 30-36]) zum Glauben gelangt war und sich nach dem Vorbild des Johannes zu sexueller Enthaltsamkeit in ihrer Ehe entschieden hatte. Andronikus wollte sie durch Gefangensetzung zur Aufgabe ihres Entschlusses zwingen, doch Drusiana – unter wunderbaren Umständen aus dem Gefängnis befreit (der Herr war ihr im Grab »wie ein Jüngling« erschienen) – verstand es, auch ihren Mann zu ihrer Lebensform zu bekehren, so dass beide fortan wie »Bruder« und »Schwester« (ActJoh 74,4f.; 82,8) lebten. Ihre Enthaltsamkeit muss Drusiana in der Kallimachos-Geschichte jetzt ein zweites Mal verteidigen. Die Handlung (ActJoh 63-86): (63) Ein vornehmer junger Mann namens Kallimachos stellt Drusiana leidenschaftlich nach. Seine Freunde erzählen ihm, wie Drusiana sogar ihrem eigenen Mann gegenüber, als er sie durch Gefangensetzung von ihrer Lebensform abbringen wollte, standhaft geblieben sei, können ihn von der Aussichtslosigkeit seiner Leidenschaft aber nicht überzeugen. (63-65) Drusiana erbittet 385

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vom Herrn den Tod, um »rein« zu bleiben und an der Verirrung des jungen Mannes nicht mitschuldig zu werden. Sie stirbt, »betrübt über die seelische Zerrüttung jenes (Menschen)« (64fin.). Johannes, in Unkenntnis ihres Konflikts, tröstet Andronikus, der weiß, dass sie »rein« aus dem Leben schied, damit, dass sie »zu einer besseren Hoffnung hingegangen« sei. (66-69) Nach ihrem Begräbnis erfährt Johannes von Andronikus den Grund ihres Todes. »Ob der Übergriffe des Feindes« gerät er in tiefe Trauer. In Anwesenheit aller Brüder, die sich bei ihm versammeln, hält er eine Leichenrede (laudatio funebris). Er rühmt aber nicht die Tote, sondern spricht in vielen Bildern von der Notwendigkeit, trotz aller Hindernisse im Leben den Glauben bis zuletzt zu bewahren. (70) In der Zwischenzeit besticht Kallimachos, der »das Versagte« wenigstens »am toten Leib« der Drusiana vollführen will, den Verwalter des Andronikus namens Fortunatus, dass er ihm die Grabkammer öffnet. Beide entkleiden die Leiche bis aufs Hemd (71). Bevor es zum Schlimmsten kommt, erscheint eine riesige Schlange, tötet den Verwalter durch einen Biss und ringt Kallimachos zu Boden, um sich auf ihm niederzulassen. (72) Am anderen Morgen macht sich Johannes mit Andronikus und den Brüdern auf den Weg zum Grab, um dort das Brot zu brechen. Als die Schlüssel zur Grabkammer nicht auffindbar sind, erklärt Johannes dem Andronikus, dass Drusiana nicht in der Grabkammer sei, sie aber dennoch hingehen müssten. (73) Dort angekommen, öffnen sich auf Befehl des Johannes die Türen der Grabkammer. Im Inneren treffen sie auf einen »schönen Jüngling«, der Johannes kundtut, dass er wegen Drusiana, die er auferwecken will, gekommen sei und »um dessentwillen, der nahe bei ihrer Grabstätte seinen Geist aushauchte«. Als der Jüngling zum Himmel aufsteigt, entdeckt Johannes auf der anderen Seite der Grabkammer den Kallimachos samt der riesigen auf ihm schlafenden Schlange und den toten Fortunatus. (74) Andronikus durchschaut, was geschehen ist, als er »jene Toten« und die nur mit ihrem Hemd bekleidete Drusiana sieht. Er teilt Johannes das Schreckliche mit und deutet die Worte des »schönen Jünglings« im Grab als Befehl, Drusiana und Kallimachos aufzuerwecken. Er schließt mit den Worten: Über den anderen aber [Fortunatus] weiß ich, dass er der Rettung nicht würdig ist. Doch um dieses eine bitte ich dich: Wecke zuerst den Kallimachos auf, und er wird uns das Geschehene bekennen. (75) Johannes aber blickte auf den Leichnam und sprach zu der giftigen Schlange: Entferne dich von dem, der Jesus Christus dienen wird! Stehend betete er so: O Gott, dessen Name von uns würdig verherrlicht wird (τὸ ὄνομα δοξάζεται to onoma doxazetai)! O Gott, der du jede böse Macht besiegst! O Gott, dessen Wille sich vollendet (τὸ θέλεμα τελειοῦται to thelēma teleioutai), der du uns allezeit erhörst! 386

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»Stirb, damit du lebst!« ActJoh 63-86, bes. 74-84

Und jetzt vollende sich (τελειούσθω teleiousthō) die Gnadengabe (ἡ δωρεά hē dōrea) über diesem jungen Mann! Und wenn irgendein Heilswerk (τις […] οἰκονομία tis […] oikonomia) durch ihn ge schehen soll, dann zeige uns dieses an (ἐμφάνισον ἡμῖν emphani son hēmin), wenn er erweckt ist (ἐγηγερμένου αὐτοῦ egēgermenou autou). Und sofort stand der junge Mann auf und blieb eine ganze Zeit lang still (ἡσυχάζεν hēsuchazen). (76) Zur Besinnung gekommen, bestätigt Kallimachos, was Andronikus über die Vorkommnisse im Grab erschlossen hat, setzt aber hinzu: Nicht eigentlich die Schlange habe ihn daran gehindert, den Leichnam der Drusiana zu schänden, sondern der schöne Jüngling, der ihn »tot hinstreckte«. Den Leichnam der Drusiana habe er mit seinem Mantel bedeckt, zu ihm aber gesagt: »Kallimachos, stirb, damit du lebst!« Dieses Wort sei nun erfüllt, denn »der Gottlose« sei schon »gestorben«, auferweckt aber der, der gläubig werden und vom Apostel die Wahrheit hören wolle. (77) Daraufhin spricht Johannes einen großen Lobpreis und Dank an Jesus Christus für seine Errettung, (78) »nimmt Kallimachos und küsst ihn« als Ausdruck gewonnener Gemeinschaft im Glauben und schließt einen weiteren kurzen Lobspruch an. Dem Wort des »schönen Jünglings« gemäß folgt die Erweckung der Drusiana: (79) Als nun Andronikus den Kallimachos sah – von den Toten auferweckt (und) gläubig –, da bat er samt den Brüdern den Johannes, dass er auch die Drusiana auferwecke, mit den Worten: Johannes, möge sie nun auferstehen und möge zurechtgebracht werden ihr kurzes [Leben], das sie verabschiedete, trauernd, Drusiana um Kallimachos wegen, in der Meinung, sie sei ihm zum Ärgernis geworden; und wenn der Herr will (ὁπότε ὁ κύριος θέλει hopote ho kurios thelei), wird er sie [zu sich] holen (παραλήψομαι paralēpsomai) Und Johannes trat, ohne zu zögern, an ihr Grab, ergriff die Hand der Drusiana und sprach: Der du der einzige Gott bist, dich rufe ich an, den Größten, den Unaussprechlichen, den Ewigen; dem jede Macht von Archonten unterworfen ist, dem jede Herrschaft sich gebeugt hat, 387

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vor dem jeder Hochmut gedemütigt und zunichte wird, vor dem die Dämonen, ihn hörend, erzittern (vgl. Jak 2,19), den erfahrend, die ganze Schöpfung Maß hält, um den das Fleisch nicht weiß und den das Blut nicht kennt; verherrlicht werde dein Name von uns. So wecke die Drusiana auf, damit Kallimachus noch mehr in dir bestärkt wird, der du zwar für die Menschen Unerreichbares und Unmögli ches verfügt hast – Rettung und Auferstehung –, möglich aber für dich allein, auch damit Drusiana nunmehr Ruhe findet, weil sie, da der junge Mann umgekehrt ist, auch nicht das kleinste Hindernis mehr mit sich trägt, hinstrebend zu dir. (80) Und nachdem er dies gesprochen hatte, sagte Johannes: Drusiana, steh auf! Sie aber stand auf der Stelle auf und kam aus dem Grab. Und als sie sich nur in einem Hemd sah, war sie ratlos in dieser Lage. frohlockte (ἠγαλλιᾶτο ēgalliato) auch sie ebenso, (Gott) lobpreisend (δοξάζουσα doxazousa). (81) Drusiana kleidet sich an, sieht den Fortunatus da liegen und spricht zu Johannes: Vater, auch dieser soll auferstehen, auch wenn er gar sehr versucht hat, mein Verräter zu werden. Dagegen protestiert Kallimachos, weil die Stimme in der Grabkammer, die er gehört habe, nicht des Fortunatus »gedacht«, sondern nur von Drusiana gesprochen habe. »Wenn er nämlich gut wäre, hätte Gott sich leicht auch seiner erbarmt und ihn durch den seligen Johannes auferweckt. Er tat also kund, dass der Mann eines schlimmen Todes gestorben sei.« Das korrigiert Johannes, indem er ihm erklärt: »Wir haben nicht gelernt, mein Kind, Böses mit Bösem zu vergelten« (vgl. Röm 12,17; 1 Thess 5,15; 1 Petr 3,9), und ihn eindrücklich daran erinnert, dass auch Gott so an »uns« gehandelt hat, da er sich derer erbarmte, die gelästert haben, so auch des Kallimachos selbst. »Wenn du es deshalb mir nicht zugestehst, Fortunatus aufzuerwecken, so ist es Sache der Drusiana.« (82) Sie aber trat ohne zu zögern im Frohlocken des Geistes und der Freude (ihrer) Seele zum Leichnam des Fortunatus und sprach: 388

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»Stirb, damit du lebst!« ActJoh 63-86, bes. 74-84

Gott der Zeiten, Jesus Christus, Gott der Wahrheit, [1] der du mir gewährt hast, Zeichen und Wunder zu sehen, [2] der du mir die Gnade geschenkt hast, Teilhaberin deines Na mens zu werden, [3] der du dich mir in vielgestaltigem Aussehen (τῇ πολυμόρφῳ ὄψει tē polymorphō opsei) gezeigt und dich auf alle mögliche Wei se (meiner) erbarmt hast, [4] der du mich, als ich von meinem einstigen Ehemann Andro nikus unter Druck gesetzt wurde, durch deine große Güte be wahrt hast, [5] der du mir deinen Knecht Andronikus als Bruder gegeben hast, [6] der du mich rein bewahrt hast bis jetzt als deine Dienerin, [7] der du mich, als ich gestorben war, durch Johannes, deinen Diener (θεράποντος therapontos), auferweckt hast, [8] der du mir auch, nachdem ich auferweckt wurde, den vom Ärgernis befreit gezeigt hast, der dem Ärgernis verfallen war, [9] der du mir Ruhe bei dir in vollkommener Weise geschenkt und mich vom verborgenen Wahn (μανίας manias) erleichtert hast, [10] du, den ich als Freund gewonnen habe und liebe (ἐφίλησα καὶ ἠγάπησα ephilēsa kai ēgapēsa): Ich bitte dich, Jesus Christus, weise nicht ab deine Drusiana, die dich darum bittet, dass Fortunatus aufersteht, auch wenn er gar sehr versucht hat, mein Verräter zu werden. (83) Und sie ergriff die Hand des Toten und sprach: Stehe auf, Fortunatus, im Namen Jesu Christi unseres Herrn, auch wenn du der schlimmste Feind der Dienerin Gottes bist. Fortunatus aber stand auf, sah Johannes in der Grabkammer sowie Andronikus und Drusiana von den Toten auferweckt, und Kallimachos, zum Glauben gekommen, und die übrigen Brüder, die Gott priesen, und sprach: O, bis wohin sind die Kräfte dieser furchtbaren Menschen ge drungen! Ich wünschte, nicht auferweckt worden, sondern lieber tot zu sein, um sie nicht zu sehen! Und als er das gesagt hatte, ergriff er die Flucht und lief hinaus aus der Grabkammer. 389

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(84) Daraufhin verwünscht Johannes den Satan und befiehlt ihm, denen fern zu bleiben, »die auf den Herrn hoffen« – überzeugt davon, dass ihm Christus keine Macht über sie einräumen wird. (85) Johannes holt Brot in die Grabkammer, »um es zu brechen«, und spricht das Eucharistiegebet. (86) Nachdem er »allen Brüdern an der Eucharistie des Herrn Anteil gegeben hat«, verlässt er mit ihnen die Grabkammer und kehrt in das Anwesen des Andronikus zurück. Dort weissagt er ihnen, dass Fortunatus im Begriff sei zu sterben. Einer von den jungen Leuten sucht und findet ihn auch und kommt wieder, um Johannes zu melden, »dass er seit drei Stunden tot sei«. Die Erzählung schließt mit dem Wort des Johannes: »Da hast du dein Kind, o Teufel!«

Sprachlich-narratologische Analyse Die komplexe Handlung entwickelt sich wie ein kleines Drama. Sie besteht aus einer vorbereitenden Handlung samt erstem Konflikt (I + II), einer Spannung erzeugenden weiteren Verwicklung samt überraschender Wende (III), einer endgültigen Lösung in drei Schritten (IV) und einem kurzen Schluss (V); zusammengefasst: aus einem ersten vorbereitenden Teil I–III, einem Hauptteil IV und einem kurzen Schluss V. Auf der Vorderbühne des kleinen Dramas agieren fünf Einzelpersonen: Kallimachos, Drusiana, Andronikus, Johannes, Fortunatus (in der Folge ihres Auftretens) und zwei Personengruppen: »die Brüder« (d.h. die Christen von Ephesus; vgl. 18) und die Freunde des Kallimachos. Von der hinteren Bühne aus agieren transzendente Mächte: auf der dunklen Seite der Satan, der sich des Kallimachos und des Fortunatus bedient, auf der hellen Seite ein »schöner Jüngling« (= Jesus). Mit der himmlischen Welt steht vor allem Johannes in Kontakt, wie die drei ihm in den Mund gelegten Gebete zeigen, aber auch Drusiana mit ihren zwei Gebeten (zu den Gebeten und Reden vgl. Sirker-Wicklaus 1988, 23-30). In der Peripetie von ActJoh 71 fällt die entscheidende Rolle einem Tier zu, einer Schlange, die hier aber nicht mit dem Satan, sondern mit der himmlischen Welt im Bunde steht. Nicht umsonst fällt in der effektvollen Erzählung zweimal das Stichwort »Schauspiel« (73,14: θέαμα theama; 77,2: θεωρία theōria; vgl. auch 74,8: δραματουργία dramatourgia): Die Leser bekommen einiges »zu sehen«: Seltsames bis Wunderbares. Das in der Szene vom Gang zum Grab ActJoh 72f. (vgl. bereits ActJoh 62) sich zu Wort meldende »wir« verleiht der Erzählung den Charakter eines Augenzeugenberichts (Junod/Kaestli 1983, 531). Die »Wir« sind die Begleitergruppe des Johannes, zu der seit seinem ersten Ephesusaufenthalt auch Andronikus und Drusiana gehören. Struktur der Drusiana-Kallimachos-Geschichte

I. Frühzeitiger Tod der Drusiana infolge von Nachstellungen eines Mannes (63-65) Der Liebhaber der Drusiana und die Warnrede seiner Freunde (63) Nachstellungen des Liebhabers und Tod der Drusiana (64) Trauer des Andronikus und Trost des Johannes (65) 390

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»Stirb, damit du lebst!« ActJoh 63-86, bes. 74-84

II. Leichenrede des Johannes vor den »Brüdern« in Ephesus im Anschluss an das Begräbnis der Drusiana (66-69) III. Versuch des Liebhabers, sich an der toten Drusiana zu vergehen, unter Mithilfe des Aufsehers des Andronikus (70-71) 1. Öffnung der Grabkammer und Entkleidung der Leiche durch die beiden Männer (70) 2. Tötung des Aufsehers und Außergefechtsetzung des Liebhabers durch eine Schlange (71) IV. Grabbesuch des Johannes in Begleitung des Andronikus und der Brüder (72-85) 1. Wunderbare Öffnung der Grabkammer und Erscheinung eines »schönen Jünglings« (72-73) 1.1 Auf dem Weg zum Grab (72) 1.2 Eintritt ins wunderbar geöffnete Grab und Botschaft des »Jünglings« (73) 2. Die Erweckung des Kallimachos und seine Bekehrung (74-78) 2.1 Die Rede des Andronikus mit der Bitte um Erweckung des Kallimachos (74) 2.2 Erweckung des Kallimachos durch Johannes (75) 2.3 Erzählung des Kallimachos und seine Bekehrung (76) 2.4 Gebet des Johannes (77) 2.5 Begrüßung des Kallimachos durch Johannes (78) 3. Die Erweckung der Drusiana (79-80) 3.1 Bitte des Andronikus um Erweckung der Drusiana und Gebet des Johannes (79) 3.2 Erweckung der Drusiana durch Johannes (80) 4. Die Erweckung des Fortunatus und seine Flucht aus dem Grab (81-83) 4.1 Bitte der Drusiana um Erweckung des Fortunatus und Reaktionen des Kallimachos und Johannes (81) 4.2 Gebet der Drusiana samt persönlicher »Heilsanamnese« (82) 4.3 Erweckung des Fortunatus durch Drusiana und seine Flucht aus der Grabkammer (83) 4.4 Bannrede des Johannes gegen den Satan (84) 5. Das »Brot brechen« in der Grabkammer (85) 5.1 Das »Brotbrechen« mit den Brüdern (85) 5.2 (Eucharistie-)Gebet des Johannes (85) V. Abschließende Szene im Haus des Andronikus (86) Aus der Grabkammer in das Haus des Andronikus Weissagung des Todes des Fortunatus durch Johannes samt ihrer Bestätigung durch 391

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einen jungen Mann, der den Leichnam auffindet samt letztem Wort des Johannes (»Du empfängst dein Kind, Teufel!«) Ort und Zeit: Die in sich gerundete Handlung beginnt im Haus des Andronikus (ActJoh 62, 64-69), verlagert sich in Szene III zur Grabkammer, in der der Hauptteil der Erzählung mit den drei Totenerweckungen spielt (Szenenfolge IV), und kehrt am Ende wieder zum Haus des Andronikus zurück (= V). Von der Zeitstruktur her läuft alles auf den »dritten Tag« (ActJoh 72) zu. Drusiana, der Kallimachos nachstellt, erbittet sich vom Herrn »nach zwei Tagen« (ActJoh 64,4) den Tod und stirbt auch sogleich. Nach ihrer Bestattung, die wohl am Todestag selbst erfolgt (Dölger 1922, 556f.), hält Johannes eine Leichenrede, in der er »die vergänglichen Dinge zu verachten« (ActJoh 70,2f.) lehrt, währenddessen Kallimachos den Fortunatus mit viel Geld besticht. In ActJoh 72 heißt es, dass sich Johannes mit Andronikus und den Brüdern »Tags drauf« (nachdem Kallimachos und Fortunatus in die Grabkammer eingestiegen sind) am frühen Morgen zum Grab begeben, »da Drusiana den dritten Tag hatte«. Gemeint ist der dritte Tag nach ihrem Todestag (s.u.). Die Totenerweckungen folgen unmittelbar aufeinander und füllen jenen Morgen aus, der im »Brotbrechen« der Brüder im Grab, bereits das Ziel ihres Ganges dorthin, gipfelt (das »Brotbrechen« legt eine Klammer um IV: ActJoh 72, 85). Auch der Schluss der Erzählung im Haus des Andronikus, »drei Stunden« nach dem Tod des Fortunatus (der wohl unmittelbar nach seiner Flucht eintrat), gehört noch zu diesem Tag. Die Erzählfiguren: Die beiden Gegenspieler Kallimachos und Fortunatus werden ohne ihre Namen eingeführt; erst in ActJoh 73, als Johannes die beiden in der Grabkammer liegen sieht, nennt der Erzähler ihre Namen; erst dort hören wir auch, dass Kallimachos »ein junger Mann« ist, »einer der Vornehmsten der Epheser«. Eingeführt wird Kallimachos in ActJoh 63 als »ein Gesandter des Satans«. Schon im ersten Satz der Erzählung sticht er als leidenschaftlicher »Liebhaber« einer verheirateten Frau von der gepriesenen großen Agape (ἀγάπη agapē – Liebe) unter den Brüdern ab. Dann aber macht die Erzählfigur eine erstaunliche Entwicklung mit. Schreckt Kallimachos zunächst sogar vor Nekrophilie nicht zurück, so sieht er sich nach seiner Erweckung als einen Menschen, der vom Satan »in die Irre geführt worden war« (ActJoh 76), und wird gläubig. Die Totenerweckung steht hier nicht in sich selbst, sondern dient dem »Heilswerk« Gottes (ActJoh 75). Ganz anders Fortunatus, der Verwalter. Er verschafft Kallimachos nicht nur Eingang in die Grabkammer, sondern stachelt ihn auch noch zu seiner Tat an. Als »geldgierig« (ActJoh 70) und »Verräter« der Drusiana (ActJoh 81,3; 82,16: προδότης prodotēs) charakterisiert, fällt der Schatten des Judas auf ihn. Ist Kallimachos nur ein »Gesandter des Satans«, so Fortunatus sein »Kind« (ActJoh 86,10). Noch im entscheidenden Augenblick in der Grabkammer ermutigt er jenen zu seiner Tat. Seine Erweckung, die bezeichnenderweise nicht Johannes wirkt, kann deshalb auch nur das Vorspiel seines endgültigen Todes sein, von dem konsequenterweise erst im Nachspiel – nach der eucharistischen Danksagung der Brüder (von der er zuvor in 392

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»Stirb, damit du lebst!« ActJoh 63-86, bes. 74-84

84 »exkommuniziert« wurde [Roldanus 1995, 75f.] – erzählt wird (sein Leichnam »aufgedunsen und die Schwärze um sich fressend«). Drusiana war schon einmal in einer »Grabkammer« eingeschlossen (ActJoh 63,7f.) – damals von ihrem eigenen Mann und auch schon wegen ihrer Entscheidung zu sexueller Enthaltsamkeit. Diesmal erleidet sie um dieser Entscheidung willen sogar den Tod, wird aber von Johannes erweckt. Erschien ihr schon beim ersten Mal ein »Jüngling« im Grab, so bringt dieser auch jetzt die Rettung (zu weiteren Parallelen zur Vorgeschichte Junod/Kaestli 1983, 544f.). Wenn Drusiana den toten Fortunatus erweckt, scheint ihr Einsatz für ihren »Verräter« lediglich die vorangehende Botschaft des Johannes, »Böses nicht mit Bösem zu vergelten« (ActJoh 81), zu veranschaulichen. Andronikus fungiert in der Erzählung als Begleiter des Johannes (ActJoh 72), aber auch als zweifacher Bittsteller um die Auferweckung des Kallimachos und der Drusiana. Johannes gegenüber besitzt er in zwei Situationen einen Wissensvorsprung: Er weiß, was zum Tod seiner Frau führte (ActJoh 65), und durchschaut den Versuch der Schändung ihrer Leiche (ActJoh 74). Gerade Letzteres lässt Johannes fragen, »warum« der Herr ihm dies nicht »offenbart« hat (ActJoh 73), eine Frage, die ihn als seinen Diener und gerade nicht als selbstherrlichen Wundertäter erscheinen lässt. Wenn er die Toten auferweckt, ist es der Herr selbst, der dies bewirkt, wie er in Gestalt des schönen Jünglings im Grab kundtut (ActJoh 73). Erzähltechniken: Die Handlung wird ausgesprochen raffiniert erzählt. Folgende Mittel kommen zum Einsatz: Spannungserzeugung (z.B. der Protest gegen und Befürwortung der Erweckung des Fortunatus); Vorankündigungen (z.B. die Ankündigung des »jungen Mann« im Grab: ActJoh 73); nachgereichte Informationen (etwa der Namen der vorher schon charakterisierten Personen); narrative Verschränkungen (etwa die bewusste Zeitgleichheit von II und III); Multiperspektivität: So sagt der Erzähler in ActJoh 71 lediglich, die Schlange habe Kallimachos (wie einst Laokoon) außer Gefecht gesetzt und sich (wie ein Wächter) auf ihn gesetzt, während ActJoh 75 von seinem »Leichnam« spricht (ActJoh 73: »der aushauchte«); der Gedanke an einen Scheintod ist deshalb nicht fern (Klauck 2009, 101: »totenähnliche Starre«). Kallimachos selbst bietet in seinem Rückblick (ActJoh 76) eine andere Version der Geschichte mit ergänzenden Details (vgl. Junod/Kaestli 1983, 546f.), vor allem erklärt er, der »wohlgestaltete Jüngling« (in dem er einen Engel Gottes zu erkennen meint) habe ihn dadurch »tot hingestreckt«, dass er zu ihm sprach: »Kallimachos, stirb, damit du lebst!« Diese Version enthält, wie noch zu zeigen sein wird, die eigentliche Botschaft des Textes. Abgrenzung und kontextuelle Einbettung der Totenauferweckungen: Folgende Elemente wiederholen sich bei den drei Geschichten (die Bolyki 1995, 27-31, zu Unrecht zusammenzieht, um sie als »the seventh miracle« der ActJoh zu deuten): Bitte um Erweckung (zweimal von Andronikus, einmal von Drusiana geäußert); Gebet vor der Erweckung; das Ergreifen der Hand des oder der Toten, verbunden mit dem Befehlswort: »steh auf!« (nicht bei Kallimachos); eine Vollzugs-Notiz: »er/sie stand (sogleich) auf«; schließlich Lobpreis und Dank nach der Erweckung (so bei 393

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Die Wundererzählungen in den Johannesakten

Kallimachos, aber auch ganz am Ende beim Brotbrechen; bei Fortunatus stattdessen eine Bannrede gegen den Satan). So heben sich die Erzählungen zwar einigermaßen deutlich von ihrer Umgebung ab, sind aber andererseits (vor allem durch das eröffnende Element der Bitte um Erweckung) derart in sie verwoben, dass der Eindruck entsteht: Nicht nur der Hauptteil der Erzählung (= IV), schon die Szenen vom Sterben zuvor stehen alle im Spannungsfeld dieser Erweckungsgeschichten.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Sozialer Kontext: Von Johannes abgesehen, gehören die namentlich genannten Figuren aufgrund von Vermögen und beruflicher Stellung (Andronikus ist Strategos, der auch über einen »Verwalter« verfügt) der gesellschaftlichen Oberschicht an (vgl. Schäferdiek/Uiginn 1997, 155; Plümacher 2004a, 227). Bei Andronikus zeigt sich das auch an der Grabanlage (μνῆμα mnēma bzw. μνημεῖον mnēmeion: ActJoh 73,9 u.ö.) seiner Familie, die so groß ist, dass hier alle Brüder von Ephesus Platz zum Gottesdienst haben. ActJoh unterscheiden zwischen dieser verschließbaren Grabanlage und den einzelnen Gräbern in ihrem Innern, von denen freilich nur das der Drusiana Erwähnung findet (vgl. 71,6: τάφος taphos) (Freistedt 1928, 3; Dölger 1922, 566 Anm. 1). Christliche Trauerkultur: Sie ist jüdisch und von der paganen Umwelt her geprägt. In ActJoh 70f. (vgl. auch ActJoh 74, 80) ist von »Totengewändern« der Drusiana über ihrem Hemd die Rede (Johannes [111; 115] behält im Grab seine alltäglichen Kleider), wobei eine einfache Beerdigung ohne jede Extravaganz vorausgesetzt ist (Rush 1941). Wie im Judentum üblich (vgl. Theobald 2010), werden den Trauernden – hier Andronikus – Trostworte zugesprochen (ActJoh 65). Nach dem Begräbnis hält Johannes eine Leichenrede, die keine christliche Erfindung, sondern ein aus Rom stammender Brauch (laudatio funebris) ist, der von den Griechen übernommen wurde. »The natural and unforced manner in which the oration is introduced leads to the probability that it was a practice at that time to speak an oration over the dead« (Rush 1941, 264). Die Rede enthält mit dem Bild vom Schiff und seinem Steuermann auch einen Topos, der in der antiken Literatur die Reise nach dem Tod assoziiert. »The symbol of the ship was adapted by the Christians to express their belief in death as a Migratio ad Dominum« (Rush 1941, 56). Hinter der Eucharistie im Grab (ActJoh 72) steht wohl die hier zum ersten Mal bezeugte Sitte, »am dritten Tage nach einem Todesfalle, der zugleich der dritte Tag nach der Bestattung war, am Grabe des Gestorbenen zusammenzukommen, um ›das Brot zu brechen‹« (Freistedt 1928, 2). Später verbot man ein solches eucharistisches Totengedächtnis an den Gräbern (Dölger 1922, 563), wobei in den Canones des Basilius für Ägypten »offen ausgesprochen« wird, »dass man (damit) gegen den überkommenen ägyptischen Totenkult angehen will« (Freistedt 1928, 23). Neben den Erzählungen von der Auferweckung Jesu »am dritten Tag« dürften deshalb auch griechisch-pagane Vorstellungen auf das Totengedenken am dritten Tag eingewirkt haben, da »bereits 394

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im 5. Jh. v. Chr. in Griechenland das Totenopfer in der Frühe des dritten Tages (vor Sonnenaufgang) üblich« war (Dölger 1922, 561; vgl. auch Freistedt 1928, 88). Eucharistie der Enkratiten: Entsprechend der Gewohnheit der Enkratiten, nicht nur sexuelle Enthaltsamkeit, sondern auch Nahrungs-Askese (kein Fleisch und Wein) zu praktizieren, enthält die im Grab gefeierte Eucharistie nur eine Brotkommunion. Die Theologie der Eucharistie steht im Kontext der Totenerweckungen (vgl. auch Apg 20,7-12) und hat mit dem Dank für geschenktes Leben zu tun.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Evangelientradition: Offenkundig knüpft der Hauptteil der Erzählung mit seinen Elementen »Gang zum Grab am dritten Tag«, »Begegnung mit einem jungen Mann in der Grabkammer« und »Auferstehungsbotschaft des himmlischen Boten im Grab« an die Tradition von der Auffindung des leeres Grabes Jesu in den Evangelien an, ohne eines von ihnen zu bevorzugen; die Rede vom »jungen Mann« setzt aber Mk 16,5 voraus. Zu dieser Evangelientradition passt das verbreitete Motiv von der wunderbaren »Türöffnung«, das an den weggewälzten Verschlussstein vor der Grabkammer Jesu erinnert. Pervo (1992, 56) erkennt im Bericht des Kallimachos, der die Totengewänder der Drusiana faltet und sorgfältig ablegt, eine Parodie auf Joh 20,5-7. Der Hauptteil der Erzählung mit seinen drei Erweckungserzählungen lässt sich insgesamt als Relecture der Ostertradition lesen. Die Figur des »Verräters« Fortunatus, der einen »bösen Tod« (ActJoh 81,9) stirbt, erinnert an Judas (Klauck 2009, 102 mit Anm. 54, verweist auf den »Topos vom schrecklichen Tod des Gottesverächters«). Hinzu kommt die Lazaruserzählung Joh 10: Wenn Johannes vor der Erweckung des Kallimachos von Gott als dem spricht, »der uns allezeit erhört« (ActJoh 75,5f.), assoziiert er die Erhörungsgewissheit Jesu vor der Erweckung des Lazarus (vgl. Joh 11,42); auch die Rede von der »Verherrlichung des Namens« (ActJoh 75,3f.; 79,14; vgl. auch 77,7) könnte an Joh anschließen (Joh 12,28; vgl. auch 11,4.40). »Johanneisch« ist auch die spiritualisierende Deutung der Erweckungen (Pervo 1992). Weitere Reminiszenzen an ntl. Texte lassen sich registrieren: 79,6 (vgl. Jak 4,15 etc.; außerdem Joh 14,3); 82,6f. (Joh 20,29), 79,12f. (Jak 2,19) etc. Motive des antiken Romans: »Aucun des épisodes conservés des AJ n’est aussi riche en parallèles avec le roman que l’histoire de Callimaque et Drusiane« (Junod/ Kaestli 1983, 547). Dabei konzentrieren sich die Parallelen auf die Szenen I und III, die das Drama in Gang bringen und vorantreiben (Verliebtheit des Kallimachos, Abwehr der Drusiana; Figur des Fortunatus: Junod/Kaestli 1983, 547-551; vgl. Söder 1969). Motive der paganen Umwelt: Das »giftige Reptil«, das den Bösewicht Fortunatus tötet und Kallimachos außer Gefecht setzt – »serpent funéraire«, »protecteur du cadavre ou de la sépulture« (Junod/Kaestli 1983, 266 Anm. 2; vgl. ebd. 550) – handelt hier ganz im Sinne Christi, wie sich auch sonst Götter der Schlangen bedienen, z.B. Athene gegen Laokoon (Spittler 2008, 114f.; vgl. auch Num 21,1-9). Mit der Schlange als Inbegriff des Bösen hat das Reptil hier nichts zu tun. 395

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Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die in den drei Totenerweckungen kulminierende Erzählung lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln lesen. Vor allem will sie mit ihren romanhaften Zügen die Leselust anstacheln und Emotionen wecken. Wenn sie diese in ihrer Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit regelrecht »inszeniert« (einerseits die ungebändigte sexuelle Begierde, andererseits die Erfahrung von »Freude«), dient sie ihrer Abklärung: Die einen sucht sie zu stärken, die anderen zu neutralisieren. So gesehen eignet ihr ein pädagogischer Impetus. Sie setzt zwar naive Wundergläubigkeit voraus, benutzt diese aber literarisch geschickt, um eine bestimmte Anschauung von Mensch und Welt im Licht des Glaubens zu propagieren. Gerade Gebildete scheint sie ansprechen zu wollen. Johannes als Totenerwecker: Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Apostel Johannes. Die Tendenz, ihn zu heroisieren – ActJoh 62 erzählt z.B., wie »die Brüder« in Ephesus seine Füße und Hände sowie seine Kleider zu berühren suchen (vgl. auch ActJoh 76,31) – wird zugleich vereitelt: Erstens weiß Johannes längst nicht alles im Voraus, sondern wird von neuen Ereignissen überrascht; zweitens wird er als Beter porträtiert, der das Wunder aus der Hand seines Gottes erwartet, und drittens stellt die Botschaft des schönen Jünglings im Grab (= Christus) von vorneherein klar, dass er es ist, der die Toten erweckt (und auch nur die, die er will). Weg und Wirken des Johannes kommen somit als »Leitung des Apostels allein durch Gott« zur Darstellung (Plümacher 2004a, 207), wobei Christus für die ActJoh der »einzige Gott der Wahrheit« (ActJoh 43) ist, sein Bild mit dem des Schöpfers im Sinne eines »Christomonismus« (Schäferdiek 1983, 266f.) verschwimmt. »Stirb, damit du lebst!«: Die neben Johannes für den Fortgang des Dramas wichtigste Figur ist die des Kallimachos. Mit seiner ungezügelten Begierde löst er den Konflikt nicht nur aus und treibt ihn voran, sondern erfährt – im Hauptteil – selbst eine grundlegende Wandlung, wie sie in seiner Erweckung samt anschließender Bekehrung zum Ausdruck kommt. Dabei besitzt seine Geschichte – so abstrus sie den Lesern zunächst erscheinen mag – bei näherem Hinsehen doch auch eine paradigmatische Bedeutung. Was es an ihr zu »betrachten« gibt, ist »das ganze Schauspiel der Errettung des Menschen« (ActJoh 77,1f.). Das Wort, das der »schöne Jüngling« an Kallimachos in der Grabkammer richtet und das dieser in seiner Erzählung von der Begegnung mit ihm (dem Zentrum der ganzen Erzählung!) noch einmal wiederholt, richtet sich eigentlich an den Leser: »Stirb, damit du lebst!« (ActJoh 76,19f.37). Bei seiner Wiederholung wird die Paradigmatik unübersehbar: »Jener, der Ungläubige, der Zuchtlose, der Gottlose ist gestorben; ich aber bin von dir auferweckt worden, der ich gläubig, gottesfürchtig sein will, der ich die Wahrheit erkennen will, deren Kundgabe ich von dir erbitte« (ActJoh 76,38-40). Was bedeutet das Grundsymbol der Totenerweckung im Wertekosmos der ActJoh konkret? Da die Grenze zwischen Leben und Tod in den ActJoh verschwimmt, stellt sich immer wieder neu die Frage (vgl. bereits ActJoh 24; 39,10f.; 52): Wer ist eigentlich tot, wer am Leben? Erweckung zu neuem Leben als Freiheit von Emotion und Passion: Kallimachos ist das Musterbeispiel eines von Leidenschaften und »Wahn« (μανία mania: ActJoh 396

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63,13f.; 78,5; vgl. auch 82,13) beherrschten Menschen; seine Begegnung mit dem »schönen Jüngling«, die ihn tötet und wiedererweckt, bringt ihn in einen Zustand der »Ruhig-Seins« (ActJoh 75,9; vgl. 79,12). ἡσυχάζω hēsuchazō ist terminus technicus zur »Beschreibung eines bestimmten Seelenzustandes: des Abgekehrtseins von aller durch weltliche Passionen hervorgerufenen Emotion und Ambition« (Plümacher 2004b, 188) (vgl. auch die Rede von der ἀνάπαυσις anapausis – Unterbrechung etc. ActJoh 63,14; 78,6; 82,12). Das ist stoisch beeinflusst, geht im enkratitischen Kontext der Verwerfung des Geschlechtsverkehrs als »schmutzige Lust« (ActJoh 69,21; vgl. auch 63,10f. etc.) aber weit darüber hinaus, ohne freilich gnostisch zu sein (nicht grundlos schützt der »schöne Jüngling« den toten Leib der Drusiana mit seinem Mantel). Andererseits fällt von den gnostisch beeinflussten Kapiteln der ActJoh (94-102) her Licht auch auf die Auferweckungserzählungen: »Die von Anfang an transparent angelegten Auferweckungswunder z.B. geben nun die Einsicht frei, dass Auferstehung hier und jetzt, mitten im Leben, immer dort geschieht, wo jemand zur Erkenntnis gelangt« (Klauck 2005, 54). Doch die Befindlichkeit des durch Jesus zu neuem Leben erweckten Menschen geht nicht in der »Ruhigstellung« seiner Emotionen und Passionen auf. Der »Traurigkeit« (ActJoh 65,3f.; 70,16; 74,14) und »Verzagtheit« (ActJoh 64,5) treten »Freude« (ActJoh 63,1; 77,1) und »Jubel« in Gott (ActJoh 80,6; 106,1f.) gegenüber (vgl. Junod/Kaestli 1983, 545), den auch die zahlreichen Gebete beim Leser hervorrufen und stärken wollen. Fortschreibung christlicher Ethik im paganen Kontext: Gegen Kallimachos und dessen Ressentiments gegen Fortunatus befürwortet Johannes, dass auch dieser erweckt wird. Für den Autor der Erzählung ist dies die Gelegenheit, die christliche Ethik vom Verzicht auf Vergeltung des Bösen mit Bösen (vgl. ActJoh 81,10 mit seiner Anspielung auf Röm 12,17) eindrucksvoll vom Apostel vortragen zu lassen. Seine Botschaft ist die vom barmherzigen Gott, der unterschiedslos allen Menschen seine Gnade zukommen lässt.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die Drusiana-Geschichte hat, soweit die Quellen ein Urteil erlauben, eine beachtliche Wirkungsgeschichte entfaltet – dies, obwohl die ActJoh spätestens auf dem 2. Konzil von Nizäa 787 (vgl. schon das Schreiben von Papst Innozenz I. vom 20. Februar 405: DH 213) als häretisch verworfen wurden. Drei Stationen dieser Wirkungsgeschichte lassen sich erkennen: (1) »Eine auf wenige Zeilen gekürzte, zu einer farblosen Wundergeschichte umgestaltete Fassung, die alle Anstöße der Vorlage gründlich beseitigt und mit ihr nur den Namen der Drusiana und das Motiv einer Totenauferweckung gemeinsam hat« (Schäferdiek 1985, 372; PG 5,1241CD-1242B), findet sich in der ursprünglich wohl griechisch abgefassten, aber nur lateinisch überlieferten Passio Johannis eines Melito von Laodikeia (kaum vor der Mitte des 5. Jh.). Dass sich ihr Autor in seinem 397

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Vorwort ausdrücklich von den ActJoh absetzt (Schneemelcher/Schäferdiek 1997, 90), verwundert bei seiner »Distanz verkirchlichender Rezeption« der Acta (Schäferdiek 1985, 375) nicht. (2) Die mit der Passio Johannis direkt (Schäferdiek 1985, 374) oder indirekt verwandten (Junod/Kaestli 1983, 770f.794) Virtutes Iohannis – Teilstück einer umfangreicheren Sammlung von Virtutes Apostolorum – könnten im Gallien des späten 6. Jh. »redigiert« worden sein (Schäferdiek 1985, 376). Dieses hagiographische Werk enthält eine Reihe von Stoffen aus den ActJoh, darunter die Drusiana-CallimachusGeschichte in einer Fassung, die der griechischen der ActJoh trotz einiger Varianten wieder erstaunlich nahesteht (Kap. 4; Text: Junod/Kaestli 1983, 803-814). (3) Auf Kap. 4 der Virtutes Iohannis basiert das lateinische Drama Calimachus der Roswitha von Gandersheim (* ca. 935) aus der zweiten Hälfte des 10. Jh. Roswitha war Nonne des dortigen Reichsstifts, stammte aus sächsischem Adel und ist »die erste deutsche Dichterin, deren Werke fast vollständig auf uns gekommen sind« (Homeyer 1973, 23). Ihre Resuscitatio Drusianae et Calimachi – so der ursprüngliche Titel des Dramas (= Bibliotheca hagiographica latina 4325) – ist eine von insgesamt sechs Dramatisierungen religiöser Stoffe aus ihrer Feder, die sie (auch ausweislich der Vorrede) nach ihrem großen Vorbild, dem römischen Komödiendichter Terentius († 158/9 v. Chr.), gestaltet hat. Die Umformung von Erzählstoffen in diese Gattung war in der christlichen Literatur ein Novum, wobei sich der Callimachus-Stoff dazu besonders eignete. Zurecht erklären Junod/Kaestli: »Ce drame a de grandes qualités littéraires« (Junod/Kaestli 1983, 252 Anm. 2). Zum Vorlesen im Stift gedacht, sollte es der Erbauung dienen, wobei ihre Autorin laut Vorwort um das Risiko des Stoffes weiß – »den verabscheuungswürdigen Wahnwitz derer, die unerlaubter Liebe frönen« (Homeyer 1973, 176,4). Ihr Ziel geht dahin, mit dem Drama das jungfräuliche Ideal ihres Standes zu stärken, wobei sie im Vorwort ihren Stolz anklingen lässt, »wenn weibliche Schwachheit siegt und männliche Kraft schändlich unterliegt« (Homeyer 1973, 176,5). Die Gestalt der Drusiana bekommt bei ihr besondere Leuchtkraft. Vom lateinischen Text macht Roswitha von Gandersheim freien Gebrauch. Sie bewahrt indes den Handlungsfaden, den sie in neun Szenen einteilt, deren letzte mit den drei Auferweckungsepisoden die weitaus längste ist. Wie in den ActJoh steht auch hier das Wort des Jünglings: »Calimachus, stirb, um zu leben!« im Mittelpunkt (9,13). Über die ActJoh hinaus aber wird der Bußgedanke verstärkt. Keine Erweckung zum wahren Leben ohne Bekenntnis und wirkliche Umkehr! Dabei dient das unterschiedliche Geschick des Calimachus und des Fortunatus dazu, die Gerechtigkeit des Richter-Gottes zu thematisieren (9,6.33): Jenem, der »aus Unwissenheit« sündigte, wird wahres Leben gewährt, dieser, der aus »Bosheit« handelte (9,5) und nach seiner Erweckung die ihm angebotene Gnade aus »Hochmut« und »Neid« (9,29.32) zurückweist, erfährt »zweifachen Tod« (9,32). In der Erweckung zum Leben gehen somit göttliche Gnade und menschliche Freiheit zusammen. Ein Hang zum Rationalen ist unübersehbar. Entsprechend den Virtutes Iohannis ist auch die Relation Gott-Jesus Christus dogmatisch abgeklärter: Die Erweckungen geschehen 398

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im Namen Christi durch Gottes schöpferische Kraft. »Das Stück ist keine Liebestragödie, sondern ein Bekehrungsdrama, in dessen Mittelpunkt das Schuld- und Sühneproblem und seine christliche Lösung steht« (Homeyer 1973, 211). Michael Theobald

Literatur zum Weiterlesen J. Bolyki, Miracle Stories in the Apocryphal Acts of John, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995, 15-35. H. von Gandersheim, Calimachus, in: dies., Werke in deutscher Übertragung. Mit einem Beitrag zur frühmittelalterlichen Dichtung von H. Homeyer, München/Paderborn/Wien 1973, 210-221. H.-J. Klauck, Unterhaltsam und hintergründig. Wundertaten des Apostels in den Johannesakten, in: H. Grieser/A. Merkt (Hg.), Volksglaube im antiken Christentum. FS T. Baumeister, Darmstadt 2009, 87-107. R. I. Pervo, Johannine Trajectories in the Acts of John, Apocrypha 3 (1992), 47-68.

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Hinführung zu den Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla Die handschriftliche Überlieferung und Theorien der Entstehung der Paulusakten Die Paulusakten waren im frühen Christentum weitverbreitet und wurden viel gelesen. Manche Autoren zitierten sie als unverdächtige Autorität (Origenes, Hippolyt) oder zur Illustration in der Predigt (Chrysostomos), andere polemisierten heftig gegen sie (Tertullian, Hieronymus), wieder andere ließen sich von ihnen inspirieren zu weiteren, noch phantastischeren Erzählungen über die Apostel (Akten der Titus, Brief der Pelagia, Akten der Polyphena und Xanthippe) oder zu Kunstwerken aller Art (vgl. Nauerth/Warns 1981; Luther, Wunder der Apostel in der [früh]christlichen Kunst in diesem Band). Eine Schwierigkeit bei der Beurteilung des Einflusses der Paulusakten ist zugleich ein Problem ihrer Interpretation überhaupt: Sie sind nicht als vollständige Schrift auf uns gekommen, auch zirkulierten mindestens drei, vielleicht vier Teilabschnitte als eigenständige Schriften mit einer eigenen Überlieferungsgeschichte: sicher die Akten des Paulus und der Thekla (ActThecl), der dritte Korintherbrief(wechsel) und das Martyrium des Paulus (MartPl), weniger eindeutig ist die Abschrift einer einzelnen »Tat des Paulus«, nämlich der Erlebnisse in Ephesus, im Papyrus Bodmer 41. Schätzungsweise ein Drittel des ursprünglichen Textes muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt als verloren betrachtet werden, wenn die antiken stichometrischen Angaben im Codex Claromontanus (6. Jh., 3560 Zeilen) und bei Nicephorus von Konstantinopel (9. Jh., 3600 Zeilen) als vertrauenswürdige Zeugen für die ursprüngliche Form gelten können (zum Vergleich: die kanonische Apostelgeschichte zählt zwischen 2600 und 2800 Stichen). Durch diesen komplizierten Stand der Überlieferung ist nicht immer deutlich, auf welche Schrift allgemeine Aussagen der Kirchenväter über die »Taten des Paulus« (oder gelegentlich: die Wanderungen des Paulus [manchmal: und der Thekla]) zu beziehen sind, zumal verschiedene Versionen der Gesamtakten im Umlauf gewesen zu sein scheinen. Alle Rekonstruktionsversuche der Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte auf Basis des vorhandenen, teils höchst fragmentarischen handschriftlichen Materials entbehren einer letzten Verifizierbarkeit. Auch gibt es anno 2017 noch immer keine kritische Edition. Darum ist zunächst eine Übersicht über das wichtigste vorhandene älteste Quellenmaterial zu geben: Papyrus Hamburg (P.Hamb., ediert durch Schmidt 1936): ein griechischer Papyrus, um 300 n. Chr. entstanden, an dessen Beginn Text verlorengegangen ist und der auf 11 erhaltenen Seiten die vier letzten Passagen der Paulusakten enthält, bestehend aus einem Teil der Ephesusepisode, gefolgt von einem vierzigtägigen Aufenthalt mit Abschiedsmahl des Paulus in Korinth, der Reise nach Italien und dem Martyrium in Rom (ActPl 9.12-14). Teile des Textes von P.Hamb. haben Parallelen 403

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in einigen kleineren Papyrusfragmenten. P.Hamb. zeigt eine auffällige Lücke im Erzählverlauf, da eine Abreise von Ephesus nach Mazedonien (wichtigste Stadt: Philippi!) erzählt wird (P.Hamb. 5,15-16), aber kein Aufenthalt dort. Die folgende Episode in Korinth beginnt mit den Worten: »Als Paulus von Philippi nach Korinth kam« und verweist zurück auf das, »was er in Philippi in den Werkstätten erlitten hatte« (P.Hamb. 6,2.5). Es ist daher möglich, dass dieser älteste Zeuge der Paulusakten bereits eine gekürzte Form der Erzählung bot, vielleicht weil der Inhalt – nach P.Heid. ein apokrypher (dritter) Brief an die Korinther! – als anstößig galt (Schmidt 1936, 98; Schneemelcher/Kasser 1997, 207)? Papyrus Bodmer 41 (ediert durch Kasser/Luisier 2004, 281-384): ein koptischer Papyrus aus dem 4. Jh., der (mit Lücken) die gesamte Ephesusperikope, einschließlich der als Rückblick erzählten Taufe eines Löwen kurz nach der Bekehrung des Paulus enthält und daher eine wichtige Ergänzung zum P.Hamb. darstellt. Papyrus Heidelberg (P.Heid., ediert durch Schmidt 1905): ein koptischer Papyrus des 5. oder 6. Jh., leider stark zerstört, von vielen Seiten sind nur noch Bruchstücke erhalten, was die Zuordnung und Etablierung der Reihenfolge von Texten nicht in allen Fällen ermöglicht. Gleichwohl ist der Heidelberger Papyrus ein extrem wichtiger Zeuge, da er als einziger Fragmente aus allen Abschnitten der umfangreichen Schrift erhält und die Rekonstruktion eines Gesamtaufrisses ermöglicht. Die Schrift begann mit der Bekehrung des Paulus in Damaskus und enthielt als weitere gesicherte Elemente sein Auftreten in Antiochien, den Theklazyklus mit Thekla als Hauptperson (Ikonium – Antiochien – Myra), verschiedene Episoden mit diversen Wundererzählungen in Myra, Sidon und Tyrus, dann eine Episode in Philippi, in die ein Briefwechsel mit der Gemeinde von Korinth integriert ist und das Abschiedsmahl in Korinth, Reise nach und Martyrium in Rom. Auffällig ist das Fehlen von Textmaterial aus der in P.Hamb. und P.Bod. 41 überlieferten umfangreichen Ephesusperikope. Wie bereits erwähnt, haben drei Komplexe, die in einem oder beiden ältesten Zeugen (P.Hamb., P.Heid.) in die Paulusakten integriert sind, nämlich die Paulus- und Theklaakten, der dritte Korintherbrief und das Martyrium des Paulus eine handschriftlich gut bezeugte Geschichte als selbständige literarische Einheit bzw. eigenständige Schrift. Für den dritten Korintherbrief wird häufiger erwogen, dass er sekundär in die Paulusakten aufgenommen wurde, da mit Papyrus Bodmer 10 aus dem 3. Jh. ein sehr früher Zeuge den Briefwechsel ohne erzählerische Rahmung bietet (ediert durch Testuz 1959; für den sekundären Charakter plädieren Klijn 1963; Luttikhuizen 1996; Pervo 2014, 253-255). Allerdings lassen sich auch plausible Argumente für die ursprüngliche Zugehörigkeit des Briefwechsels zu den Paulusakten anführen (Zwierlein 2010a). Der dritte Korintherbrief spielte im syrischen und armenischen Christentum eine wichtige Rolle als Teil der kanonischen (!) Paulusbriefsammlung (Hovhanessian 2000). Für die Paulus- und Theklaakten, das Martyrium und auch die in P.Bod. 41 isoliert überlieferte Ephesusperikope gilt, dass die meisten Ausleger von einer sekundären Ausgliederung aus den umfangreichen Akten ausgehen, was eine individuelle mündliche oder auch literarische Vorgeschichte der Stoffe 404

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Hinführung

natürlich nicht ausschließt. Die noch immer plausibelste Theorie der Entstehung der Paulusakten ist, dass ein vermutlich kleinasiatischer Autor um 160-180 n. Chr., basierend auf mündlichen und vielleicht auch bereits schriftlich fixierten Paulustraditionen, ein umfangreiches Werk über die Taten des Paulus komponiert hat, das von der Berufung des Apostels in Jerusalem bis zu seinem Martyrium reichte (vgl. hierzu das unten zitierte Zeugnis des Tertullian). Auf dieser Theorie basieren die Rekonstruktionen der Paulusakten in Schneemelchers Ausgabe der neutestamentlichen Apokryphen (1989) und die in Details und Kapitelzählung abweichende neuere Rekonstruktion durch W. Rordorf, P. Cherix und R. Kasser in der französischen Ausgabe Écrits apocryphes chrétiens (1997), die auch der erwarteten kritischen Edition (in der Serie Corpus Christianorum Series Apocryphorum) zugrunde liegen wird und deren neuere, konsequente Einteilung in Kapitel und Verse im Kompendium übernommen wurde (vgl. die Tabelle zu diesem Textbereich zum Vergleich mit der älteren Zählung von Schneemelcher). Demgegenüber hat Glenn E. Snyder darauf hingewiesen, dass die handschriftliche Überlieferung und die allgemeinen Aussagen der Kirchenväter die Existenz einer solchen frühen Langform der Akten nicht beweisen können, und die alternative Theorie entwickelt, dass das Martyrium des Paulus den Ausgangspunkt der Entwicklung geformt habe. Zu der erweiterten »Passionsgeschichte des Paulus« (bestehend aus Abschied in Korinth, Reise nach Rom und Martyrium, ActPl 12-14) seien in der Überlieferung verschiedene lokal überlieferte einzelne Taten des Paulus oder kurze Erzählzusammenhänge (wie die Paulus- und Theklaakten, die Ephesusstory) hinzugefügt worden. Nach Snyder sind die beiden wichtigsten Zeugen, P.Hamb. aus dem frühen 4. und P.Heid. aus dem 6.  Jh. voneinander unabhängige Varianten des Zusammenfügens von diversen Paulustraditionen ohne Überlappung außerhalb des Martyriums (Snyder 2013, bes. 190-216, 257-259). Snyder kommt das Verdienst zu, aufmerksam gemacht zu haben auf unbewiesene Vorannahmen, die in der Vergangenheit die Rekonstruktion der Originalfassung der Paulusakten geleitet haben. Er hat damit die gängige Forschung herausgefordert, ihre Hypothesen besser zu begründen. Doch überzeugt Snyders Entwurf als ganzer nicht. Das liegt v.a. an den zahlreichen thematischen, sprachlichen und theologischen Querverbindungen zwischen Abschnitten, die nach seiner Rekonstruktion nicht Teil einer frühen zusammenhängenden Erzählung gewesen sein sollen. Um bei einem Selbstwiderspruch von Snyder zu beginnen: Er postuliert wegen der unübersehbaren thematischen und theologischen Parallelen zwischen der Thekla- und der Ephesuserzählung (er nennt das Löwenthema und die enkratitische Tauftheologie, man müsste auf jeden Fall die auffälligen Übereinstimmungen in der Schilderung von Thekla und Paulus als Christusfiguren in den Martyriumserzählungen hinzufügen), dass eine frühe Sammlung, genannt »Lion Cycle«, existiert haben könnte, die nicht in den vorhandenen Manuskripten reflektiert werde (Snyder 2013, 225-232). Dies ist eine unnötige und in sich unplausible Theorie, weit besser wird der Sachverhalt erklärt durch die traditionelle Annahme, dass die Theklaakten Teil des verlorengegangenen Anfangs des Hamburger Papyrus waren und die Parallelen sich bewusster auktorialer Komposition verdanken. Als 405

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weitere Analogie zu den Parallelen zwischen Thekla- und Ephesuserzählung (ActPl 3f.9) nennt Pervo Parallelen zwischen der Bekehrung der Thekla in ActPl 3 und des Patroklus im Martyrium ActPl 14 (Pervo 2014, 61.309). Vielsagend ist auch die durch Merz (2008) untersuchte, in keiner anderen urchristlichen Schrift begegnende theologisch bedeutsame Formel »Tränken/Nähren mit dem Wort«, die sich nicht nur im Papyrus Hamburg findet (P.Hamb. 4,5; 7,6; par. P.Bod. 41,3,14-15), sondern auch in einer nicht sicher zuzuordnenden Predigt des Paulus in P.Heid. 60,10-11. Die gleichförmigen Einleitungen der meisten Abschnitte nach einem festen Itinerarschema, das erst die Stadt nennt, die der Apostel verlässt, und dann die Stadt, in der die folgende Episode spielt, teils doppelt wiedergegeben in Text und (verkürzt als) Zwischenüberschrift innerhalb der drei ältesten Handschriften, weisen ebenfalls auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt von P.Hamb. und P.Heid. Pervo ist zuzustimmen: »The extant material points to a single work developed by a single author on the basis of various sources and ideas« (Pervo 2014, 61). Das schließt verschiedene Editionen der offenkundig vielgelesenen Akten nicht aus, und es ist denkbar, dass sowohl Erweiterungen (dritter Korintherbrief) als auch Verkürzungen (Auslassung der Ephesusperikope im P.Heid.?, Auslassung der Philippiperikope im P.Hamb.) vorgekommen sind, noch abgesehen von der literarischen Ausgliederung einzelner Abschnitte zu liturgischem oder erbaulichem Gebrauch.

In der Antike berühmt und berüchtigt, in der Moderne lange unterschätzt Die früheste Erwähnung der Paulusakten verdanken wir Tertullian, der in einer heftigen Polemik gegen Taufpraktiken, die er ablehnt, auf sie zu sprechen kommt: Die weibliche Frechheit, die sich anmaßte zu lehren, möge nicht auch noch das Recht zu taufen an sich reißen, damit nicht neue Bestien [= Häretikerinnen] kommen, die der früheren ähneln [die »frühere Bestie« ist eine christliche Prophetin, die den Wasserritus bei der Taufe für nebensächlich hielt]: So wie jene die Taufe abschaffte, könnte nun womöglich irgendeine andere sie aus eigener Vollmacht erteilen! Wenn gewisse Frauen jene zu Unrecht »Paulusakten« genannte Schrift und das Beispiel Theklas verteidigen im Hinblick auf das Recht der Frauen, zu lehren und zu taufen, so mögen sie wissen, dass in Asien der Presbyter, der diese Schrift verfasst und dabei seine eigene Erfindung Paulus untergeschoben hat, zugab, er habe dies aus Liebe zu Paulus getan, und von seinem Amt zurücktrat. Wie sollte man wohl glauben, dass jener der Frau die Vollmacht erteilt haben soll, zu lehren und zu taufen, der nachdrücklich nicht einmal der Ehegattin erlaubte, sich belehren zu lassen? »Schweigen sollen sie«, sagte er, »und zu Hause ihre Männer fragen« (Übersetzung Jensen 1995, 71f.).

Leider werfen die handschriftliche Überlieferung und damit der genaue Wortlaut dieser Stelle einige Probleme auf (vgl. hierzu Hilhorst 1996), doch worum es Tertullian im Kern geht, ist unmissverständlich. Um Frauen, die sich für das Recht, die Taufe zu vollziehen, auf das in den Paulusakten beschriebene Verhalten der Thekla beriefen, die Argumentationsgrundlage zu entziehen, enthüllt er, dass der Autor der 406

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Paulusakten, ein kleinasiatischer Presbyter, der Fälschung überführt worden und von seinem Amt zurückgetreten sei. Eine besondere Ironie liegt darin, dass Tertullian zum weiteren »Beweis« der Fälschung ein Pauluszitat, nämlich das berühmte mulier tacet in ecclesia (1 Kor 14,34f.) anführt, das in der modernen Exegese häufig als sekundäre Interpolation (und somit als literarische Fälschung) gedeutet wird. Tertullian ist damit nicht nur der älteste Zeuge für die Paulusakten, sondern auch der erste direkte Zeuge für die polemische Verwendung paulinischer und deuteropaulinischer Schriften sowie narrativer Traditionen über den Apostel in der kirchenpolitisch umkämpften Frage der Amtsausübung von Frauen (Esch 2008; Merz 2007; dies. 2009; dies. 2012). Das Zeugnis des Tertullian weist auf das letzte Drittel des 2. Jh. als terminus ante quem der Entstehung der Paulusakten, wobei die zitierte Stelle theoretisch auch die Schlussfolgerung erlaubte, dass er allein die Theklaakten vor Augen hatte. Das ist aus drei Gründen wenig wahrscheinlich: Erstens wäre der Name Acta Pauli dann nicht wirklich passend, denn in den Theklaakten ist Paulus nur zu Beginn der unangefochtene Held, bald muss er die Bühne Thekla überlassen und spielt zeitweise sogar die Rolle des Verräters (in einer subtilen Adaption der petrinischen Verleugnung Jesu, vgl. Merz 2012a). Zweitens weist die dem Presbyter in den Mund gelegte Entschuldigung, er habe es »aus Liebe zu Paulus« getan, auf eine Schrift, die der Verherrlichung der Taten des Paulus gewidmet war, was man von den Theklaakten nicht sagen kann. Drittens zeigt Tertullian an anderer Stelle Vertrautheit mit dem Martyrium des Paulus. Ob man den Aussagen, die Tertullian über den als Fälscher überführten Autor macht, trauen kann, wird verschieden beurteilt (sehr kritisch Pervo 2014, 71). Konzentriert man sich nur auf das, was die Akten selbst über ihren impliziten Autor verraten, dann kann man feststellen, dass sie eine hohe Vertrautheit mit frühchristlichen Schriften, insbesondere den später kanonisch gewordenen vier Evangelien und einer die Pastoralbriefe umfassenden Paulusbriefsammlung aufweisen. Mit diesen Schriften und höchstwahrscheinlich auch mit der Apostelgeschichte (vgl. Rordorf 1997; Bauckham 1993; ders. 1997; Hills 1994; ders. 1997; Pervo 1995; Marguerat 1997; Büllesbach 2001) führen sie einen ständigen intertextuellen Dialog, indem sie vertraute Formulierungen und bekannte Handlungssequenzen aufnehmen und variieren. In der Vergangenheit hat man diese Kompositionstechnik als bewusste Verfälschung neutestamentlicher Texte zu illustrativem Zweck verurteilt (Schmidt 1905, 198-217). Erst allmählich setzt sich die Einsicht durch, dass wir es in den Paulusakten mit einer hochgradig intertextuell strukturierten narrativen Theologie zu tun haben, die klare Ziele verfolgt. Dies wurde am Beispiel des Verhältnisses zur Paulustradition und insbesondere zu den Pastoralbriefen bereits umfassend gezeigt; im Streit um die maßgebende Interpretation der paulinischen Texte, insbesondere was die Fragen der Askese und die Rolle von weiblichen Asketen betrifft, setzten die Acta Pauli der an gesellschaftlicher Normalität orientierten, antiasketischen und frauenfeindlichen Interpretation der pseudepigraphen Pastoralbriefe ihre eigene enkratitische und imperiumskritische Deutung entgegen (MacDonald 1983; Esch-Wermeling 2008b; Merz 2004; dies. 2007; dies. 2012). Im folgenden Abschnitt 407

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wird für den Umgang mit der frühchristlichen Wundertradition gezeigt werden, dass die narrative Theologie der Wunder ebenfalls eine wichtige intertextuelle Komponente hat. Die generelle Absicht der durchgängigen intertextuellen Bezogenheit auf vertraute urchristliche Schriften ist dabei m.E. eine doppelte: durch die bekannten Formulierungen Vertrauen zu wecken für die teilweise doch recht radikale und neue Botschaft der Akten und dieser damit den Weg zu bahnen in die Herzen der Hörerinnen und Hörer. Letztlich unternehmen die Paulusakten den Versuch, eine umfassende Darstellung des Lebens des Apostels zu geben, die frühere, weniger komplette und aus der Perspektive der Akten theologisch defizitäre Versuche ersetzen möchte (Merz 2012a; Pervo 2014, 67f.). Die weitere Rezeptionsgeschichte in der Antike bestätigt die bei Tertullian und dem von ihm bekämpften Presbyter bereits angedeutete Ambivalenz normalkirchlicher Autoren angesichts der nicht evident häretischen, in vielen theologischen Aspekten »gut katholischen« Akten und ihren theologisch radikalen und literarisch exzentrischen Aspekten. Was zum Beispiel sollte man von dem getauften und sprechenden Löwen in der Ephesusperikope halten? Das Alte Testament kennt schließlich auch Löwen, die Märtyrer verschonen, und sprechende Tiere. Doch kann Hieronymus »der ganzen Fabel vom getauften Löwen« nichts abgewinnen (vir. ill. 7), während Hippolyt apologetischen Honig aus der bei seinem Publikum offenbar beliebten Erzählung zu saugen versucht (Hipp. Dan. 3,29). Die Paulusakten haben sich lange als semi-kanonische Schrift behaupten können, nicht zuletzt wahrscheinlich auch wegen der großen Bedeutung des der heiligen Thekla gewidmeten Kultes in Seleukia und an anderen Orten (Albrecht 1986; Davis 2001), deren wichtigstes literarisches Zeugnis die Schrift Leben und Wunder der heiligen Thekla ist, die in einem eigenen Abschnitt in diesem Band des Kompendiums besprochen wird (vgl. Kollmann, Hinführung Wunder der Thekla, in diesem Band). Letztendlich jedoch gerieten die Paulusakten zusammen mit den anderen großen Apostelakten in den Generalverdacht der Häresie, wurden nicht mehr abgeschrieben und für Jahrhunderte vergessen. Erst zu Beginn des 20. Jh. erwachte mit der Publikation des Papyrus Heidelberg erneut das Interesse an ihnen und mitbedingt durch die schlechte Überlieferungssituation sind sie trotz anhaltenden Interesses noch lange nicht erschöpfend ausgewertet. Verständlicherweise standen lange vor allem die Theklaakten im Zentrum des Interesses, nicht zuletzt, weil sie einen faszinierenden Einblick in die Welt urchristlicher Asketinnen und Asketen bieten. Diese haben eine erstaunliche Transformation antiker Gendernormen zustande gebracht, die eine echte Alternative zum Status quo in Familie und Gesellschaft darstellen (Jensen 1995; Davis 2001; Wehn 2006; Merz 2012a). Doch die Paulusakten haben auch theologisch viel zu bieten. Eine gründliche Analyse der Wunderüberlieferung beispielsweise ist bisher monographisch nicht erfolgt. Der folgende Abschnitt will zumindest in großen Linien andeuten, was hier an Stoff für weitere Forschung bereitliegt und einige Hypothesen für die weitere Diskussion präsentieren.

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Wunder in den Acta Pauli Wundererzählungen und Reflexion über Wunder stellen wichtige Bauelemente beinahe aller Teilerzählungen der Acta Pauli dar. Die narrative Theologie der Wunder bildet darum einen wichtigen Bestandteil ihrer Botschaft. Das hat bereits Carl Schmidt, der Herausgeber beider Hauptmanuskripte der Acta Pauli, Papyrus Heidelberg und Papyrus Hamburg, erkannt. Er zeigt allerdings wenig Wertschätzung für die zentrale Bedeutung der Wunder in den Akten: Auf einer schmalen geschichtlichen Basis aufgebaut, reiht sich Legende an Legende; nirgendwo bietet sich ein Lichtblick auf einen sicheren historischen Boden; alles ist in den Nebel der Dichtung eingehüllt. Was die Apostelgeschichte noch mit gewissem Takt zurückgestellt hat, nämlich die Wundermacht der Apostel in Namen Jesu Christi, ist hier zum Leitmotiv für das ganze Werk geworden. Das phantastisch Wunderbare ist für unseren Verfasser das Alltägliche, Totenauferweckungen sind gang und gäbe. Dieses Produkt ist aber nicht an dem bösen Baume der Gnosis oder des antiken Romans, sondern an dem guten Baum der Kirche gewachsen. Die Wurzeln liegen in den kanonischen πράξεις τῶν ἀποστόλων (praxeis tōn apostolōn) (Schmidt 1905, 215).

Zur »Entschuldigung« des Verfassers führt Schmidt im weiteren Verlauf die Wundergläubigkeit der ungebildeten Masse der Christen an, die bar jeder historischen Kritik, dem Geschmack der damaligen Zeit verfallen, in religiöser Erbauungsliteratur derartige »Gauklerkunststücke« »mit den Augen der frommen Scheu« lesen wollten (Schmidt 1905, 216). Was die im Kompendium vertretene Herangehensweise von derjenigen Schmidts vor allem unterscheidet, ist eine höhere Wertschätzung der Erzählung als solcher bei der Vermittlung der theologischen Botschaft (»narrative Theologie«) und eine Abkoppelung der historischen Frage von der Wahrheitsfrage. Für Schmidt kann nur bedeutsam sein, was Anspruch auf Historizität erheben kann, alles andere gehört an den »bösen Baum« des antiken Romans und bekommt das Label der »Fälschung«. Bei weitem nicht alle Wunder der Paulusakten können im Kompendium ausführlich besprochen worden, zumal der sehr fragmentarische Zustand vieler Abschnitte die Analyse erschwert. Im Folgenden wird ein Überblick gegeben über alle zur Wunderthematik gehörenden Texte und ihre Einbettung in den Erzählverlauf. Die Übersetzung folgt Schneemelcher (Schneemelcher/Kasser 1997), wo nicht anders angegeben, die Zählung der Kapitel und Verse dagegen Rordorf, Cherix und Kasser 1997. Texte, die eine ausführliche Kommentierung im Kompendium empfangen, werden nur summarisch behandelt. Abschließend werden die wichtigsten Elemente der Wundertheologie der Paulusakten zusammengestellt. Das erste, nur fragmentarisch erhaltene Wunder der Paulusakten ist die Auferweckung eines jungen Mannes und möglicherweise später auch seiner Mutter Philia durch Paulus in (vermutlich dem syrischen) Antiochien (ActPl 2). Der Vater des Jungen legt ein Bekenntnis zu Jesus Christus ab, woraufhin die (jüdische?) Bevölkerung Paulus misshandelt und aus der Stadt jagt (vgl. Apg 14,18-20). Daraufhin folgt der Theklazyklus (ActThecl 1-43), der die Bekehrung und Bewährung der Thekla in zwei von Wundern durchzogenen Martyrien schildert und 409

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Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla

der in zwei ausführlichen Beiträgen in diesem Band besprochen wird. Dieser Abschnitt enthält göttliche Wunder, die der Errettung der Thekla dienen (Hagel, der den Scheiterhaufen löscht, eine Vision der Thekla, Wunder an den Tieren in der Arena in Antiochien), keine Wundertaten des Paulus oder der Thekla. Zu Beginn der ersten Theklaepisode findet sich jedoch eine summarische Beschreibung der Predigt des Paulus gegenüber seinen beiden heuchlerischen Reisegefährten: Paulus aber, der einzig und allein die Güte Christi im Auge hatte, tat ihnen nichts Schlechtes, sondern liebte sie sehr, so dass er ihnen alle Worte des Herrn sowohl von der Geburt wie von der Auferstehung des Geliebten süß zu machen suchte und die großen Taten Christi (τὰ μεγαλεῖα τοῦ Χριστοῦ ta megaleia tou Christou) ihnen, wie sie ihm selbst offenbart worden waren, Wort für Wort erzählte (ActThecl 1).

Das Leben Jesu, hier Christus genannt, was nicht als Titel, sondern als Eigenname aufzufassen ist, wird in ganz groben Strichen gezeichnet; erwähnt werden Geburt, Auferstehung und seine großen Taten, wobei man an die Wundererzählungen der Evangelien denken wird. Wie wichtig die Wunderberichte bei der Verbreitung der Botschaft waren, zeigt exemplarisch die dem Theklazyklus (ActPl 3f.) folgende Erzählung, die in Myra situiert ist (ActPl 5). Ihr Text ist stark zerstört, aber die Einleitung ist relativ gut erhalten: Als Paulus (lehrte) in Myra das Wort Gottes, da (war) ein Mann mit Namen Hermokrates, der wassersüchtig war. Der stellte sich vor aller Augen hin und sagte zu Paulus: »Nichts ist unmöglich bei Gott, besonders aber (bei) dem, den du verkündigst; als er nämlich gekommen ist, hat er, dessen Diener du bist, viele geheilt. Siehe, ich und meine Frau (und) meine Kinder, wir werfen uns (dir) zu Füßen (…), damit auch ich gläubig werde, (wie) du gläubig geworden bist an den lebendigen Gott.« (Paulus) sprach zu ihm: »Ich werde dir geben (…) ohne Lohn, sondern (durch den) Namen Jesu Christi wirst du werden (gesund im Angesicht) vor allen diesen«.

Jesus wird hier indirekt genannt als »derjenige, dessen Diener du [Paulus] bist«, und die Erwartung ist deutlich, dass der Diener dem machtvollen Vorbild seines Herrn zur Krankenheilung folgen wird. Ein Jesuswort wird zitiert (»Nichts ist unmöglich bei Gott«), allerdings wird seine ursprüngliche Bedeutung als Abschluss der Begegnung mit dem reichen jungen Mann (Mk 10,27) ignoriert. Das Wort wird neu kodiert, wahrscheinlich im Lichte des Gesprächs von Jesus mit dem Vater des epileptischen Knaben, dem er geantwortet hatte: »Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt« (Mk 9,23). Zwei für die Paulusakten typische Tendenzen werden sichtbar: erstens der fortwährende Gebrauch von Worten und Satzteilen, die aus bekannten urchristlichen Schriften stammen, Schriften, die gegen Ende des 2. Jh. auf dem besten Wege waren, zu kanonischen Schriften zu werden (neben den beiden genannten Stellen aus Mk vgl. noch 1 Thess 1,9; Apg 3,6; 14,15). Dadurch klingt die Erzählung vertraut, auch wenn sie inhaltlich und theologisch eigene Akzente setzt. Zweitens verhüllt der Gebrauch neutestamentlicher Formulierungen durch Hermokrates hier zwei signifikante Unterschiede zum NT: Glaube wird zum einen als Folge des Wunders verstanden, während Jesus in den Evangelien oft betont, dass es der Glaube 410

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des oder der Geheilten ist, die das Wunder bewirkte (Mk 5,34 u.ö.). Zum anderen repräsentiert die Art, wie über Gott und Christus gesprochen wird, einen unreflektierten Modalismus, der Gott und Jesus als verschiedene Erscheinungsformen Gottes verstand, was in einer volksnahen Schrift des späten 2. Jh. nicht allzu sehr überrascht. Die Erzählung nimmt im Weiteren einen komplizierten Verlauf; nachdem Hermokrates geheilt ist und mit seiner Frau die Taufe empfangen hat, werden weitere Familienmitglieder in das Bekehrungs- und Heilungsdrama verwickelt, der fragmentarische Charakter des Textes erschwert die Interpretation des Geschehens. Zwei Söhne des Hermokrates treten auf, der jüngere Dion hört Paulus gern, stirbt aber (durch einen Fenstersturz?) und wird nach Intervention der Mutter Nympha durch Paulus wieder zum Leben erweckt. Der ältere Sohn Hermippus dagegen ist dem Paulus gegenüber feindselig gesinnt, da er auf ein frühes Erbe gehofft hatte, das jetzt durch Hermokrates’ Freigebigkeit gegenüber den Witwen in Gefahr kommt. Er kommt mit einer Horde junger Männer mit Schwertern und Stöcken bewaffnet, um Paulus zu töten, der ihnen vorhält, er sei kein Räuber, und prophezeit, dass das Schwert in seine Scheide gewendet werde (diverse Anklänge an die Gethsemaneperikope sind unüberhörbar). Paulus ist durch eine nächtliche Vision vorgewarnt und bittet Gott um Beistand. Der Angreifer wird mit Blindheit geschlagen, bereut sein gottloses Handeln und erkennt und verkündet, dass Welt, Gold und Besitz nichts wert sind. Als blinder Bettler weint er vor dem Haus seiner Eltern und bittet Besucher um Fürbitte, indem er ihre Füße umklammert, auch die seiner Eltern, während drinnen die Gläubigen und Witwen mit Paulus ein Agapemahl feiern. Dies ist eine exemplarische Szene, die in Erzählung umsetzt, was Tertullian (paenit. 9,4) als angemessenes Verhalten eines Büßers beschreibt (Pervo 2014, 194). Letztendlich wird Hermippus durch Handauflegung des Paulus (direkt oder in einer Vision? vgl. Apg 9,12) geheilt und legt ein Bekenntnis ab. Das Ende der Perikope ist nicht erhalten. Deutlich ist wiederum, dass urchristliche Wundererzählungen Pate gestanden haben, Paulus übernimmt die Rolle des heilenden Jesus und wird wie er in Gethsemane verfolgt, Hermippus schlüpft in der Rolle des christenverfolgenden Paulus, wird wie dieser geblendet und schließlich gerettet. Die folgende Episode ActPl 6 spielt in Sidon und hat die Auseinandersetzung mit der polytheistischen Religion und ihren Opferfeiern zum Thema (Merz 2008, 278-280). Die Auseinandersetzung entzündet sich bei einem aus Brot bestehenden Mahl des Paulus und seiner Begleiter, zweier zum asketischen Leben bekehrten Ehepaare aus Perge, die mit ihm reisen. Sie halten ihre Mahlzeit unter einem Baum; gerade als Paulus »Amen« sagen will, entspinnt sich eine Debatte mit anderen, die offenbar bei einem Heiligtum am selben Ort ein Opfermahl halten wollen. Paulus warnt mit aus 1 Kor 8,1-10,21 entlehnten Worten, die den Duktus der paulinischen Passagen allerdings nicht adäquat wiedergeben, vor dem »Tisch der Dämonen«, vor Götzenbildern und der damit assoziierten Befleckung und Unreinheit, vor der Christus rettet. Nach einer hitzigen (stark zerstörten) Debatte werden Paulus und seine Begleiter im Tempel des Apollo inhaftiert, wo sie der Versuchung widerstehen, von den aufgetischten kostbaren Speisen zu essen (zweifellos wiederum Fleisch und 411

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Wein, deren Genuss die Paulusakten durchweg ablehnen). Auf das Gebet des Paulus hin stürzt der Tempel des Apollo zur Hälfte ein, wobei das Götterbild zerstört wird. Während einige Zeugen dies als Taten von »Menschen eines starken Gottes« beurteilen und verkündigen: »Der Gott der Sidonier, der Apollo, ist gefallen und die Hälfte seines Tempels« (ActPl 6,5), überzeugt die aufgebrachte Menge die Strategen, Paulus und seine Begleiter ins Theater zur Hinrichtung zu bringen. Eine Textlücke von zwei Seiten erlaubt keine Aussage darüber, wie die Rettung und Gewinnung der Menge für Paulus zustande kam. Am Ende aber wird Paulus von einer Menge begleitet, die den Gott preist, der »gesandt hat Paulus …, damit wir nicht sind des Todes« (ActPl 6,6/P.Heid. 61). Die Wundermacht Gottes wird in diesem Text demonstrativ für ein Schauwunder eingesetzt, wobei auf alttestamentliche Beispiele zurückgegriffen wird; man denke an Simson, der anlässlich eines Festes für den Gott Dagon das Haus seiner Gegner über ihnen zusammenfallen lässt (Ri 16,23-31), an 1 Sam 5, wo die Anwesenheit der Bundeslade das Standbild des Gottes Dagon umstürzen und zerbrechen lässt, und an die Auseinandersetzung zwischen Elia und den Baalspropheten in 1 Kön 18. Es geht darum, durch ein Wunder die Macht des stärkeren Gottes zu beweisen (anders Pervo 2014, 200, der hier ein Befreiungswunder nach Vorbild von Apg 16,25-39 sehen will). Die Johannesakten bieten in Kapitel 37-45 eine in vieler Hinsicht parallele Erzählung über die Zerstörung des Tempels der Artemis in Ephesus durch Johannes. Die folgende Episode (ActPl 7) spielt in Tyrus und ist so zerstört, dass eine inhaltliche Interpretation nur unter Vorbehalt möglich ist. Paulus wird bei seiner Ankunft von einer jüdischen Menge aufgesucht und predigt, möglicherweise über die Großtaten Gottes (so die naheliegende Textergänzung bei Schmidt 1905, 62). Dann erfolgt eine Dämonenaustreibung an Amphion, der Frau des Chrysippus. Von den stilgemäßen Elementen einer Wundererzählung sind bruchstückhaft vorhanden die Bitte um Rettung, das Fliehen der Dämonen und ein Chorschluss, in dem die Menge Gott und seinen Diener Paulus preist. Es schließt sich direkt eine weitere Heilungserzählung an, von der nur das Auftreten des Bittstellers, Vater eines stumm geborenen Sohnes, erhalten ist. ActPl 9, lokalisiert in Ephesus, ist die nächste Episode, in der zahlreiche Wunder erzählt werden, darunter die Taufe eines Löwen, der später mit Paulus in der Arena erneut zusammentrifft und ein Gespräch mit ihm führt, ferner Türöffnungsund Befreiungswunder, die durch eine Lichtgestalt vollzogen werden, die Erweckung der bei ihrer Taufe (!) zu Tode gekommenen Artemilla durch Paulus, ein weiterer gottgesandter Hagel, der die Tierhetze beendet und Paulus vor dem Tod in der Arena rettet, und die Heilung des vom Hagel abgeschlagenen Ohres des Statthalters durch den leuchtenden Jüngling. Diese umfangreiche Episode wird im vorliegenden Kompendium in zwei Beiträgen behandelt. Die Philippi-Perikope (ActPl 10-11) beginnt nach einer verlorenen Einleitung mit dem Korintherbriefwechsel, dessen Hauptthema die Auferstehung des Fleisches ist. In diesem Zusammenhang werden in ActPl 10,5 alttestamentliche Wunder zur Illustration der Macht Gottes zur Auferweckung von Menschen herangezogen, 412

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nämlich Jonas Errettung aus dem Walfisch und die Erweckung von Toten durch die Gebeine des Propheten Elisa (2 Kön 13,21). Der Text des zweiten Teils der in Philippi lokalisierten Episode ist wiederum teilweise stark zerstört, wodurch der Plot nicht mit letzter Sicherheit zu rekonstruieren ist. Paulus befindet sich in den Minen, wohl auf Betreiben des mächtigen Longinus zu Strafarbeit verurteilt, soll dann aber zusammen mit Phrontina, der auf unbekannte Weise zu Tode gekommenen Tochter des Longinus und der Phirmilla, lebendig von einem Felsen gestürzt werden (ist der Tod der von Paulus »verführten« Phrontina ihrer grausamen Hinrichtung zuvorgekommen?). Die Bahre der Phrontina wird von den Mitgefangenen des Paulus getragen, von der ganzen Stadt und den trauernden Eltern begleitet. Wir finden hier eine seltsame Mischung von Erzählzügen: einerseits die z.B. aus Lk 7,11-17 und Philostrats Vita Apollonii (4,45) bekannte Szene eines von Trauernden begleiteten Leichenzuges, der auf einen Wundertäter stößt, andererseits den an den Kreuzweg Jesu mahnenden letzten Weg eines zum Tode verurteilten Wundertäters, der trotz seiner eigenen beklagenswerten Situation nicht an sich selbst, sondern an andere denkt (Lk 23,28-31). Wie es dazu kommt, dass Paulus bei Phrontina niederkniet, sie in die Arme nimmt und zum Herrn Jesus Christus für sie bittet, ist aufgrund einer Lücke im Text nicht mehr zu rekonstruieren. Das Mädchen wird auferweckt und Paulus geleitet sie ins Haus ihres Vaters unter der Akklamation der Menge: Einer ist Gott, der geschaffen hat den Himmel und die Erde, der gegeben hat das Leben der Tochter (im Angesichte? durch Einwirkung?) des Paulus (ActPl 11/P.Heid. 42,20-22, mögliche Textergänzungen nach Schmidt 1905, 71 und Pervo 2014, 277).

Dieses volle Bekenntnis zu dem einen Gott, dem Schöpfer von Himmel und Erde, der auch die Macht hat, Tote zu erwecken, passt gut als Abschluss der Philippi-Episode, an deren Beginn die Nachricht über das Auftreten von Simon und Kleobius stand, die in Korinth unter anderem lehrten, »dass es keine Auferstehung des Fleisches gäbe«, und von der Welt sagten, »dass Gott sie nicht geschaffen habe« (ActPl 10,1). Nach der theoretischen Widerlegung in Form des Briefes an die Korinther dient die Auferweckung der Phrontina der erzählerischen Illustration und Unterbauung der bodenständisch antignostischen Botschaft der Paulusakten. Oben wurde bereits erwähnt, dass der dritte Korintherbriefwechsel möglicherweise sekundär eingefügt wurde. Wenn das zutrifft, muss konstatiert werden, dass der Interpolator entweder einen passenden Zusammenhang gewählt hat oder gezielt Anpassungen an der nachfolgenden Erzählung vorgenommen hat. Vielleicht ist jedoch die hier aufgewiesene Übereinstimmung eher als Indiz zu werten, dass von einer ursprünglichen kompositionellen Einheit auszugehen ist (mit Zwierlein 2010a, der es allerdings unterlässt, die Verbindungen zwischen dem Briefwechsel und der nachfolgenden Wundergeschichte zu untersuchen). Von Philippi reiste Paulus nach Korinth (ActPl 12), der letzten Station vor seinem Aufbruch nach Rom. Er wird im Hause des korinthischen Christen Stephanos aufgenommen (der Name ist schwer lesbar, Rekonstruktion mit Rordorf et al. und 413

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1 Kor 1,16; 16,15.17 gegen Schmidt 1936, 44f., der Epiphanius liest). Dort empfangen ihn »alle die Unsrigen« mit Freude und vergießen Tränen angesichts des von Paulus Erlittenen. Er predigt 40 Tage lang »das Wort der Standhaftigkeit«: an welchem Orte ihm etwas zugestoßen und welche Großtaten [μεγαλεῖα megaleia] ihm gegeben worden waren, so dass bei jeder Erzählung er pries den allmächtigen Gott und Christum Jesum, der Wohlgefallen gehabt an Paulus an jedem Orte (P.Hamb. 6,11-15; Übers. Schmidt 1936).

Rückwirkend fasst Paulus damit seine Aposteltätigkeit unter zwei Hauptkategorien zusammen: sein apostolisches Leiden und seine Wundertätigkeit. Snyder weist zurecht darauf hin, dass der Erzähler durch die einleitende Beschreibung der Empfänger der Predigt des Paulus mit »alle die Unsrigen« subtil dafür sorgt, dass der gesamte bis zu diesem Zeitpunkt erzählte, geographisch strukturierte Inhalt der Paulusakten indirekt auf Paulus selbst zurückgeführt wird (Snyder 2013, 200f.). Pervo suggeriert: »One function of the length (40 Tage ununterbrochene Erzählung!) is to imply that the stories narrated in the text are but a sample of a large repertoire« (Pervo 2014, 284). Dann folgt durch den Mund des geisterfüllten Propheten Kleobius die Ankündigung, dass Paulus zur vollständigen Erfüllung des Heilsplans Gottes nach Rom abreisen, dort das Wort verkündigen und als Märtyrer sterben muss (ActPl 12,3). Der Abschied wird zelebriert mit einem letzten Abendmahl im Rahmen einer die ganze Nacht umfassenden Agapefeier. Bei der Opferung des Brotes geschieht ein Wunder, das anschließend von der Prophetin Myrte als »Zeichen« bezeichnet und gedeutet wird (Merz 2008, 285-292). Leider ist der koptisch und griechisch überlieferte Text ausgerechnet dort, wo das Wunder beschrieben wird, lückenhaft bzw. schlecht lesbar und dadurch nicht sicher zu rekonstruieren. Wahrscheinlich ist zu lesen: Da Paulus aber (von Schmerz) durchbohrt war und das Fasten mit ihnen ablegte [= beendete], und als ein Opfer von Paulus dargebracht wurde … von selbst in Stücke (?) [und sie fragten?] was denn dieses [Zeichen] bedeute. (…) Aber der Geist kam über die Myrte, so dass sie sagte: »Brüder, warum [seid ihr erschreckt beim Anblick dieses Zeichens?] Paulus, der Diener des Herrn wird viele in Rom erretten und er wird viele mit dem Wort nähren, so dass es keine Zahl gibt (sie zu zählen), und er (?) wird sich offenbaren mehr als alle Gläubigen (d.h. er wird alle Gläubigen überragen), und groß wird die Herrlichkeit [… kommen] über ihn, so dass eine große Gnade sein wird in Rom« (ActPl 12,4/P.Hamb. 6,36-7,2; 7,4-8).

Vermutlich ist das Brot bei der Vorbereitung zum Opfer von selbst in Stücke gebrochen (anders Snyder 2013, 202, der ohne Anhalt am Text mit einem Milchwunder rechnet). Dass es sich um ein »Zeichen« handelt, ist jedenfalls durch den koptischen Text gesichert, der syntaktisch jedoch leicht abweicht. Die vom Heiligen Geist erfüllte Prophetin Myrte deutet das Zeichen auf den bevorstehenden Besuch des Paulus in Rom. Predigt und Martyrium dort sind nötig, um »viele mit dem Wort zu nähren« und eine unzählbare Menge an Gläubigen zu retten. Die geschilderte Situation des letzten Mahls des Paulus provoziert Vergleiche mit dem letzten Abendmahl Christi, man sollte allerdings angesichts der weithin fehlenden Deutung des Todes 414

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Jesu als Opfer in den Paulusakten zurückhaltend sein mit einer opfertheologischen Deutung. Eine christologisch-weisheitstheologische Interpretation des Mahles und seiner Elemente ist im theologischen Gesamtduktus der Akten eher geboten (Merz 2008, 285-289.293f.). Auch in den beiden letzten Abschnitten der Paulusakten werden Wunder erzählt und hält der Apostel eine umfangreiche Predigt, in der die Wunder Jesu eine herausragende Rolle spielen. Zunächst wird eine Variante der aus den Evangelien bekannten Seewandelerzählung kombiniert mit einer vom Apostel zurückgewiesenen Leidensansage geboten (ActPl 13,1-2/P.Hamb. 7,24-35). Paulus ist, erschöpft vom Fasten und den Nachtwachen in Korinth, auf dem Schiff nach Italien in Schlaf gefallen. Jesus kommt wandelnd über das Wasser und weckt ihn mit den Worten »Steh auf und sieh!« (P.Hamb. 7,28). Paulus erkennt den Herrn und legt ein formales Bekenntnis im Stil der bekannten Bekenntnisse des Petrus und anderer Jüngerinnen und Jünger ab: »Du bist mein Herr, Christus Jesus, der König (der Himmel?)« (P.Hamb. 7,29; vgl. Mt 14,33; 16,16; Joh 6,69; 11,27). Dann fragt Paulus, warum Jesus so niedergeschlagen aussehe, und der Herr antwortet ihm mit der Variation einer Leidensansage: »Paulus, ich bin im Begriff, von Neuem gekreuzigt zu werden.« (P.Hamb. 7,39) Paulus reagiert zunächst (wie in den Evangelien Petrus) mit Entsetzen: »Nicht möge geschehen, Herr, dass ich dies sehe« (P.Hamb. 7,40; die Verse 39f. sind vom Schreiber versehentlich ausgelassen, am Ende der Seite nachgetragen und mit einem diakritischen Zeichen versehen, das auch am Ende von 7,31 steht, wo der Text einzufügen ist). Pervo konstatiert die kontrastive Verwendung des Verbums ›sehen‹ in der Begegnung und kommentiert: »Paul is invited to ›see‹ the risen Christ but does not want to contemplate Christ crucified. That view needs to be corrected. The saying relates to martyrdom as imitation of Christ« (Pervo 2014, 296). Paulus bekommt dann den Auftrag, in Rom – wo im folgenden Kapitel die durch Nero angeordnete Christenverfolgung stattfinden und wo er auch selbst den Tod finden wird – die Brüder und Schwestern zu ermahnen/trösten, dass sie in der Berufung zum Vater bleiben. Nach diesem Auftrag geht der Herr dem Schiff über dem Wasser voran und zeigt ihm den Weg wie ein Stern (vgl. Mt 2,1-12) bis es an seine Bestimmung kommt (P.Hamb. 7,32-35). Lange vor der Entdeckung und Publikation des Hamburger Papyrus 1936 war die Kernaussprache dieser Erzählung (»ich bin im Begriff von neuem gekreuzigt zu werden«) als Zitat des Origenes aus den Paulusakten bekannt (Comm. in Jo. 20,12). Viel Diskussion hat in der Forschung dann das Verhältnis zu der schon länger und besser bekannten Quo-vadis-Szene aus den Petrusakten erfahren (eine Übersicht über die Diskussion gibt Pervo 2014, 290-292). Dort flieht Petrus zunächst aus der Stadt, trifft auf Jesus, der auf dem Weg in die Stadt ist und ihm sagt, er müsse erneut gekreuzigt werden, woraufhin Petrus reuevoll zurückkehrt und mit dem Kopf nach unten gekreuzigt wird (ActPetr 35-41). Die Diskussion, welcher der beiden Stellen literarkritisch Priorität zukommt, ist nicht sicher zu entscheiden, da beide Erzählungen narrativ stimmig sind und beide eine erzählerische Variation dersel415

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Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla

ben theologischen Grundaussage bieten: In jedem Märtyrer wird Christus erneut gekreuzigt (siehe Moss 2010). Der besondere Akzent in den Paulusakten liegt im intertextuellen Spiel mit dem Seewandelwunder und der zurückgewiesenen Leidensankündigung, sowie in dem erzählerisch plastisch ausgemalten Detail, dass Christus dem Paulus und all den anderen, die in Rom den Märtyrertod sterben werden, als Gekreuzigter und Auferstandener vorangeht und den Weg weist. In Rom angekommen hält Paulus im Hause des Claudius seine letzte, wörtlich wiedergegebene Rede vor einer versammelten Gemeinde. Diese Predigt unterscheidet sich von den anderen Reden darin, dass sie ausführlich auf die Taten, die Jesus zu seinen Lebzeiten vollbrachte, und auf seine Gespräche mit den Jüngern zu sprechen kommt. Ein solches »embedded Gospel« (Pervo 2014, 292.299) finden wir auch in den Petrus- und Johannesakten, dort allerdings in Ich-Form (ActPetr 20; ActJoh 88-102). Der Hamburger Papyrus wird hier durch weitere griechische Papyrusfragmente (Papyrus Michigan 1317 und 3788; Papyrus Berolinensis 13893) und P.Heid. 79f. ergänzt, trotzdem sind Abschnitte der Rede nur fragmentarisch erhalten. Nach einem Rückblick auf die Rettungstaten Gottes an Israel in der Heilsgeschichte und auf die Abweisung der Propheten (die ihre Verkündigung mit Hilfe »eines Teiles des Geistes Christi« vollbrachten) durch Israel (ActPl 13,5f.) beginnt die eigentliche Evangeliumsverkündigung: Einen Geist der Kraft hat Gott am Ende der Zeiten um unsertwillen ins Fleisch herabgesandt, das heißt in Maria die Galiläerin, gemäß dem prophetischen Wort, der als Leibesfrucht getragen und geboren wurde von ihr, bis sie entband und gebar (Jesus,) den Christus, unseren König, aus Bethlehem in Judäa, aufgezogen in Nazareth, hingehend aber nach Jerusalem und lehrend ganz Judäa: »Das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen! Lasst ab von der Finsternis, ergreifet das Licht, die ihr im Dunkel des Todes dahinlebt. Ein Licht ist euch aufgegangen!« Und er tat große und wunderbare Dinge, so dass er sich aus den Stämmen zwölf Männer erwählte, die er in Verständnis und Glauben mit sich hatte, Tote erweckend und Krankheiten heilend, Aussätzige reinigend und Blinde heilend, Krüppel gesund machend und Gelähmte gehend machend, Besessene reinigend (…) (ActPl 13,7f./P.Hamb. 8,25-36).

Der folgende Text ist fragmentarisch, er enthielt nach dem Ende der Aufzählung Paraphrasen einzelner Heilungswunder, u.a. der Blutflüssigen und wahrscheinlich des in Gräbern hausenden Geraseners. Dann erfolgt ein Übergang zu einem von Paulus berichteten Dialog zwischen den Jüngern und Jesus über die Bedeutung der Wunder. Dieser Textabschnitt, den Carl Schmidt zunächst als Fragment eines unbekannten Evangeliums identifiziert hatte (1905, 236-240), liest sich in der Tat wie ein Flickenteppich synoptischer und johanneischer Texte zur relativen Bedeutung der Wunder und dem größeren Wert des Glaubens. Leider bricht das Fragment ab, bevor der Höhepunkt der Argumentation erreicht ist. Jesus beginnt mit einer Frage: Warum wundert ihr euch, (dass ich auferwecke) die Toten, oder dass (ich mache die Lahmen) gehen, oder dass ich reinige (die Aussätzigen) oder aufrichte die (Kranken, oder dass ich habe) geheilt die Paralytischen und die Dämonischen, oder dass ich verteilt habe wenig Brote und viele gesättigt, oder dass ich gewandelt bin auf dem Meer,

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oder dass ich den Winden geboten habe. Wenn ihr dieses glaubt und (überzeugt seid,) so seid ihr groß. Denn wahrlich (ich sage) euch: Wenn ihr sagt zu (diesem Berge:) Hebe dich weg und stürze dich (ins Meer,) ohne dass ihr gezweifelt habt in (eurer Seele), so wird es euch geschehen (ActPl 13,9/P.Heid. 79,5-19).

Simon antwortet zunächst, dass die Werke, die Jesus tut, wahrhaft groß sind (ActPl 13,10), ein Bekenntnis, das mehr an Joh 6,60-69 denken lässt als an die synoptischen Bekenntnisse, jedoch mit Mt 16,16-19 die Gemeinsamkeit hat, dass ihm als Folge ein neuer Name, Petrus, verliehen wird (ActPl 13,10f.). In seiner nicht ganz sicher zu rekonstruierenden Antwort unterscheidet Jesus dann zwischen Werken, die er jetzt tut, und anderen, die er in der Zukunft tun wird. Von ersteren sagt er: »Diese nämlich tue ich (wegen?) einer augenblicklichen Rettung in der Zeit, wo sie sind an diesen Orten, damit sie glauben an den, der mich gesandt hat« (ActPl 13,11/P.Heid. 80,6-10). Petrus bringt sein Unverständnis zum Ausdruck: Er (Petrus) sprach: (»Was ist denn) das Werk, das größer ist als diese (…außer) Totenerweckung (und Ernähren) einer derartigen Menge?« Sprach der Herr zu ihm: »Es gibt, was (größer) ist (als diese); und selig sind die, welche geglaubt haben mit ganzem Herzen« (ActPl 13,11/P.Heid. 80,15-20).

Der Dialog wird mit einem Einwand des Philippus fortgesetzt, sein Ende ist leider nicht erhalten. Trotz des fragmentarischen Zustands ist dieser Dialog zwischen Jesus und seinen Jüngern aus dem Munde des Paulus wegen seines hohen Reflexionscharakters bedeutsam. Er stellt drei theologische Einsichten heraus. Erstens, dass die durch Paulus in den Paulusakten vollbrachten Wunder Beweise seines festen Glaubens sind. Zweitens, dass die Wunder bei Jesus (und auch bei Paulus) geschehen und berichtet werden, um Menschen zum Glauben an den einen Gott zu bringen, der Jesus (und seinen Diener Paulus) gesandt hat. Drittens, dass ein allein auf Wundern basierender Glaube der Zeitlichkeit und dem Materialismus verhaftet bleibt und defizitär ist. Selig sind allein die wahrhaft Glaubenden, die darum auch nicht zögern, für diesen Glauben in den zeitlichen Tod zu gehen. Diese letzte Schlussfolgerung wird im vorhandenen Text nicht explizit gezogen, ergibt sich aber mit Notwendigkeit aus dem Abschluss und Höhepunkt der Paulusakten, dem Martyrium des Paulus (ActPl 14 = MartPl). Auch dieses beginnt zunächst wieder mit einer Totenerweckung; es ist Patroklus, der Mundschenk des Kaisers Nero, der bei der langen Predigt des Paulus aus dem Fenster fällt (vgl. Apg 20,7-12), stirbt und durch das Gebet des Paulus und der Anwesenden zum Leben erweckt wird (MartPl 1). Da Nero aber bereits von dem Geschehen gehört hat, kommt es zum Showdown zwischen dem Herrn der vergänglichen Welt und Paulus, dem Anführer der »Soldaten« des wahren Königs, Christus (MartPl 2-6). Die Hinrichtung ist von einem Wunder begleitet, Milch, nicht Blut fließt bei der Enthauptung des Paulus, und wie vorausgesagt erscheint der auferstandene Paulus dem Nero, um ihm die Strafe Gottes anzusagen. Diese Erzählung wird in einem eigenen Beitrag ausführlich kommentiert. Hier sei allein noch die Antwort des Paulus wiedergegeben, als ihm das Angebot gemacht wird, zu entfliehen: 417

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Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla

Ich bin kein Fahnenflüchtiger Christi, sondern ein dem Gesetz gehorsamer Soldat des lebendigen Gottes. Wenn ich wüsste, dass ich tot bliebe, so würde ich es tun, Longus und Cestus. Da ich aber Gott liebe und mich selbst liebe, so gehe ich zum Herrn, damit ich mit ihm (wieder) komme in der Herrlichkeit seines Vaters (ActPl 14,4/MartPl 4).

Überblicken wir am Ende dieses Durchgangs die Rolle der Wunder in den Paulusakten, dann lässt sich die Theologie der Wunder in den Paulusakten zusammenfassend folgendermaßen beschreiben: (1) Paulus imitiert in seinem Wunderhandeln und seinem Leiden und Auferstehen seinen Herrn Jesus Christus. Die Erzählung unterstreicht das auf allerlei Weise, vor allem durch zahlreiche Anspielungen auf den Wortlaut bekannter Evangelientexte in den Wundererzählungen und durch Parallelen im Plot, bis hin zur Erscheinung des auferstandenen Paulus bei Nero und vor Titus am Ende. Eine breite Palette an Wundererzählungen wird präsentiert, beinah alle synoptischen Heilungstypen sind präsent: ein Wassersüchtiger, von Dämonen Besessene, ein Blinder, ein stummgeborener Sohn, ein abgeschlagenes Ohr (das allerdings wahrscheinlich durch Jesus selbst geheilt wird). Es ist deutlich, dass in den verlorenen Textpartien weitere Wunder berichtet wurden. Es ist daher sehr zu Recht hervorgehoben worden, dass die Acta Pauli, die unzweifelhaft das Genre der Praxeis/Taten der Apostel repräsentieren, sich stärker als andere apokryphe Akten an der Erzählstruktur der Evangelien orientieren (Brock 1994; Pervo 2014, 64-66). (2) Im Vergleich zu den Evangelien liegt ein starkes Übergewicht bei den Totenerweckungen, außerdem fällt eine Stapelung von Wundern in manchen Erzählungen auf. Beides kann auf moderne Leserinnen und Leser abstrus wirken. Ohne kulturelle und literarische Einflüsse in Abrede stellen zu wollen – Schmidts zu Beginn dieses Abschnittes zitierter wundergläubiger Zeitgeist – sollte man doch die theologischen Gründe hierfür stärker gewichten. Die Überfülle an Wundern dient der Versicherung göttlicher Fürsorge und Macht (Pervo 2011). Die Prominenz der Totenauferweckungen ist nach Pervo ein Hinweis auf die bewusste symbolische Interpretation der Wundertradition: Auferweckungen vom Tod sind die sinnfälligste Symbolisierung der Neugeburt, des neuen Lebens, das mit der Bekehrung zum christlichen Glauben erlangt wird (Pervo 2014, 74). Die im Kommentar zu ActPl 9,16-21 im Kompendium gegebene Interpretation der Taufe der Artemilla bestätigt diese Deutung. (3) Auffällig ist die Koppelung von Totenerweckungen, Strafwundern und Rettungswundern an monotheistische Bekenntnisformeln und Referenzen an den Schöpfungsglauben. Wunder haben eine wichtige apologetische Funktion im Streit der neuen, christlichen Religion gegen den Glauben der Umwelt. Gelegentlich kommen auch innerchristliche Frontstellungen in den Blick, wenn etwa alttestamentliche Wunder gegen gnostische Leugner der Auferstehung des Fleisches angeführt werden. (4) Interessant ist, sofern der fragmentarische Überlieferungsstand hierfür nicht verantwortlich zu machen ist, eine erkennbare Zurückhaltung bei den sogenannten Geschenkwundern, es findet sich keine Parallele zur Verwandlung von 418

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Hinführung

Wasser in Wein (Joh 2) und zu den synoptischen Speisungswundern. Dies ist umso auffälliger, als der Erzähler in der Beschreibung des frugalen Mahls des Paulus und der Thekla mit der Familie des Onesiphorus (ActPl 3,23-25 = ActThecl 23-25) mehrmals deutlich auf Speisungswunder der Evangelien anspielt (auf den Wortlaut von Joh 6,5 wird angespielt: »sie hatten nichts, um Brote zu kaufen«; man hält das Mahl mit fünf Broten). Die Speisungserzählungen werden, passend zur enkratitischen Tendenz der Akten, in asketischer Relecture erzählt (Merz 2008, 276f.). (5) Ein Wunder, das innerhalb der Paulusakten Jesus vorbehalten bleibt, ist der Seewandel, der im Rahmen der kompletten synoptischen Sequenz Seewandel – Bekenntnis – Leidensankündigung – Widerspruch – Aufforderung zur Leidensnachfolge rezipiert wird, was in der bisherigen Forschung nicht gesehen und gewürdigt wurde. In der allgegenwärtigen, teilweise subtilen, teilweise offensichtlichen intertextuellen Bezogenheit auf die Evangelien zeigt sich die Intention, die Geschichte des Paulus als re-enactment der Geschichte Jesu und damit als Nachfolge im vollen Sinne darzustellen. Diese Erzähltechnik kann sich berufen auf den Auftrag des Apostels, der in 1 Kor 11,1 an die Gemeinde geschrieben hatte: »Werdet meine Nachahmer, wie auch ich ein Nachahmer Christi bin.« (6) Paulus tut und erfährt allerdings auch Wunder, die nicht von Jesus erzählt werden: Er tut Strafwunder und er tauft einen sprechenden Löwen, wird (wahrscheinlich sogar mehrfach) aus einem Gefängnis befreit und vor dem sicheren Tod gerettet, Milch spritzt bei seiner Hinrichtung auf die Kleider der Soldaten. Teilweise sind diese Weiterentwicklungen der Wundertradition in der kanonisch gewordenen Apostelgeschichte bereits angelegt, insbesondere der sprechende Löwe führt allerdings literarisch in Neuland (vgl. Merz zu ActPl 9,1-15.22-26 und Neureiter/ Spittler, Tiere und Monster in diesem Band), was man nicht negativ bewerten muss (Schmidts »böser Baum« des antiken Romans), sondern als Zeichen einer bewussten Zuwendung zur antiken Mehrheitsgesellschaft und ihrer Literatur wertschätzen kann. (7) Es ist sicher kein Zufall, sondern theologisch wohldurchdacht, dass die letzte große Rede des Paulus in Italien das Wunderthema breit entfaltet und in der Form des Berichts von einem Dialog zwischen Jesus und seinen Jüngern die Relativität der zeitlichen Wunder und die Überlegenheit des Glaubens nachdrücklich festhält. Aus dem Munde Jesu selbst wird in Erinnerung gerufen, dass die Wunder ein Vehikel des Glaubens sind, nicht mehr. Im Vertrauen auf und Glauben an das letztlich nicht verifizierbare Wunder der Auferweckung geht Paulus in den Tod. Zwar erfahren die Leserinnen und Leser sofort von seiner Auferweckung und den Erscheinungen vor Freund und Feind. Doch nicht alle Personen haben Teil an diesem Wissen. Die letzte Szene der Paulusakten ist eine tiefgründig komische Taufszene: Bevor Longus und Cestus das Siegel im Herrn empfangen können, müssen sie erst die Täufer, Titus und Lukas, die voller Angst weggelaufen sind, einholen und überzeugen, dass Augenblicke zuvor Paulus selbst betend zwischen ihnen stand, während sie sich von ihrer Angst überwältigen ließen. Dies Wunder, das nur von einem Teil der Anwesenden gesehen wird, gibt vielleicht die subtilste Antwort auf die Frage nach der 419

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Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla

Bedeutung der Wunder in den Paulusakten: Die Beweise für die Macht Gottes sind immer da, aber nicht immer können selbst wahrhaft Glaubende sie sehen. Wunder müssen erzählt werden, um die Furcht und den Unglauben immer wieder aufs Neue zu überwinden. Annette Merz

Literatur zum Weiterlesen Textausgaben und Übersetzungen R. Kasser/P. Luisier, Le Papyrus Bodmer XLI en Édition Princeps l’Épisode d’Éphèse des Acta Pauli en Copte et en Traduction, Le Muséon 117 (2004), 281-384. R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, Bd. 1, Darmstadt 1959 (Nachdr. der Ausgabe Leipzig 1891). R. I. Pervo, The Acts of Paul. A New Translation with Introduction and Commentary, Eugene 2014. W. Rordorf/P. Cherix/R. Kasser, Actes de Paul, Écrits apocryphes chrétiens 1, Paris 1997, 1115-1177. C. Schmidt, Acta Pauli aus der Heidelberger koptischen Papyrushandschrift Nr. 1, Leipzig 2 1905 (Nachdr. Hildesheim 1965). C. Schmidt, (unter Mitarbeit von W. Schubert), ΠΡΑΞΕΙΣ ΠΑΥΛΟΥ. Acta Pauli. Nach dem Papyrus der Hamburger Staats- und Universitäts-Bibliothek, Glückstadt/Hamburg 1936. W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd. 2: Apostolisches. Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 61997a (dort S. 193-241: W. Schneemelcher zu den Paulusakten und S. 241-243 R. Kasser zu »einem bisher noch nicht edierten koptischen Papyrus«, abgekürzt PG = P.Bod. XLI). M. Testuz, Papyrus Bodmer X-XII, Genève 1959, 7-45.

Weitere Literatur J. W. Barrier et al. (Hg.), Thecla. Paul’s Disciple and Saint in the East and West, SECA 12, Leuven 2017. C. Büllesbach, Das Verhältnis der Acta Pauli zur Apostelgeschichte des Lukas. Darstellung und Kritik der Forschungsgeschichte, in: F. W. Horn (Hg.), Das Ende des Paulus, BZNW 106, Berlin/New York 2001, 215-237. M. Ebner (Hg.), Aus Liebe zu Paulus? Die Akte Thekla neu aufgerollt, SBS 206, Stuttgart 2005. E. Esch-Wermeling, Thekla – Paulusschülerin wider Willen? Strategien der Leserlenkung in den Theklaakten, NTA N.F. 53, Münster 2008b. S. E. Hylen, A Modest Apostle. Thecla and the History of Women in the Early Church, Oxford 2015. A. Jensen, Thekla. Die Apostolin. Ein apokrypher Text neu entdeckt, Freiburg i. Br. 1995.

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Hinführung

A. Merz, Amore Pauli: Das Corpus Pastorale und das Ringen um die Interpretationshoheit bezüglich des paulinischen Erbes, Tübinger Theologische Quartalsschrift 187 (2007), 274-294. Dies., Tränken und Nähren mit dem Wort. Der Beitrag der Mahlszenen zur narrativen Theologie der Paulusakten, in: J. Hartenstein/S. Petersen/A. Standhartinger (Hg.), »Eine gewöhnliche und harmlose Speise?« Von den Entwicklungen frühchristlicher Abendmahlstraditionen, Gütersloh 2008, 269-295. Dies., Gen(de)red power: die Macht des Genres im Streit um die Frauenrolle in Pastoralbriefen und Paulusakten, HTS 68 (2012a). G. E. Snyder, Acts of Paul. The Formation of a Pauline Corpus, WUNT 2/352, Tübingen 2013. R. F. Stoops (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles in Intertextual Perspectives, Semeia 80, Atlanta 1997.

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Tabelle: Wunder in den Akten des Paulus und der Thekla Nr.

Erzählfaden Acta Pauli (nach Papyrus Heidelberg und Papyrus Hamburg)

Titel

Alternative Zählungen in den wichtigsten Ausgaben (Schneemelcher vs. Rordorf/ Cherix/Kasser) Wichtigste alte Handschriften

davon kommentiert im Kompendium

1

ActPl 2

Erweckung eines jungen Mannes durch Paulus in Antiochien (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 2 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl II P.Heid. 1-6 (9-13 C)

Hinführung ActPl

2

ActThecl 1-25 (= ActPl 3,1-25)

Die Feuertaufe der Thekla (Erstes Martyrium der Thekla)

Schneemelcher ActPl 3,1-25 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl III,1-25 P.Heid. 6-20

ActThecl 1-25

3

ActThecl 26-37 (= ActPl 3,2643/4,1-18)

Thekla – die Herrin der Tiere (Zweites Martyrium der Thekla)

Schneemelcher ActPl 3,26-43 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl IV,1-18 P.Heid. 20-28

ActThecl 28-37

4

ActPl 5,1-6

Verschiedene Wunder in Myra (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 4 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl V,1-6 P.Heid. 28-35 (38-40.43-46.49 C)

Hinführung ActPl

5

ActPl 6,1-6

Strafwunder am Apollotempel von Sidon (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 5 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl VI,1-6 P.Heid. 35-39 (49-61 C)

Hinführung ActPl

6

ActPl 7

Dämonenaustreibungen in Tyrus (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 6 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl VII P.Heid. 40 (62 C)

Hinführung ActPl

7

ActPl 9,1-15.22-26

Bestialische Menschen und ein frommes Tier (Löwentaufe und Löwenkampf)

Schneemelcher ActPl 7 + Anhang Rordorf/Cherix/Kasser ActPl IX,1-15.22-26 P.Hamb. 1,3-2,8; 4,6-5,36 (griech.) P.Bod. 41,1-8.14-18 (kopt.)

ActPl 9,115.22-26

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Tabelle: Wunder in den Akten des Paulus und der Thekla 8

ActPl 9,16-22

First Lady trifft Paulus (Die Taufe der Artemilla als Mysterieninitiation)

Schneemelcher ActPl 7 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl IX,16-22 P.Hamb. 2,8-4,5; 5,19-36 (griech.) P.Bod. 41,13-14.17-18 (kopt.)

ActPl 9,1621.27f.

ActPl 10,5

Briefwechsel mit den Korinthern (3 Kor) über die Auferstehung mit Beweis nach atl. Wundern

Schneemelcher ActPl 8 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl X P.Heid. 45-50 P.Bod. 10

Hinführung ActPl

9

ActPl 11

Auferweckung der Phrontina in Philippi (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 8 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl XI P.Heid. 41-42 (117-119 C)

Hinführung ActPl

10

ActPl 12

Wunder am Brot beim Abschiedsmahl in Korinth (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 9 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl XII,1-6 P.Hamb. 6-7 P.Heid. 51, 52, 71

Hinführung ActPl

11

ActPl 13

Reise nach Italien mit Erscheinung des Auferstandenen und »embedded Gospel« (Wundersummarium und Dialog über Bedeutung der Wunder)

Schneemelcher ActPl 10 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl XIII P.Hamb. 7-8 P.Heid. 79-80 (129-130 C)

Hinführung ActPl

12

MartPl (= ActPl 14)

Martyrium des Paulus mit diversen Wundern: Milch statt Blut (Tod des Paulus und Erscheinungen des Paulus)

Schneemelcher ActPl 11,1-7 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl XIV,1-7 P.Hamb. 9-11 P.Heid. 53-58

MartPl 5-7

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Die Feuertaufe der Thekla (Erstes Martyrium der Thekla) ActThecl 1-25 Die Übersetzung basiert auf der Heidelberger koptischen Papyrushandschrift (P.Heid. 6-20) in der Ausgabe von Carl Schmidt 1965 (Nachdr. der Ausgabe von 1905). Fehlende Zeilen sind durch Kursivdruck kenntlich gemacht und nach der Rekonstruktion von Schmidt bzw. der Ausgabe des griechischen Textes von Lipsius/Bonnet (1959, 1, Nachdr. der Ausgabe von 1891) ergänzt. Aus dieser Ausgabe stammt auch die Paragraphenzählung.

(1) Als Paulus aber im Begriff war nach Ikonion hinaufzugehen – nach seiner Flucht aus Antiochia – marschierten Demas und Hermogenes, der Schmied, mit ihm. Erfüllt mit Verstellung (ὑπόκρισις hypokrisis), indem sie dem Paulus schmeichelten, als ob sie ihn liebten. Paulus aber erblickte allein das Gute Jesu Christi. Er tat ihnen nichts Böses, sondern er liebte sie sehr, so dass er sie die Worte des Herrn wissen ließ, und die Lehre und die Auslegung und die Geburt und die Auferstehung des Geliebten und die Großtaten Christi. Wie sie ihm offenbart waren, sagte er sie ihnen, dass Christus geboren ist aus Maria, der Jungfrau und aus dem Samen Davids. (2) Ein Mensch mit Namen Onesiphorus hatte gehört, dass Paulus hinauf nach Ikonion käme. Er ging mit seinen Söhnen Simias und Zenon und seiner Frau Lekta heraus, um Paulus zu treffen, dass er ihn zu sich einlade. (…) (5) Nachdem Paulus aber in das Haus des Onesiphorus hineingegangen war, entstand (dort) große Freude. [P.Heid. hat hier eine Lücke von 15 Zeilen] man kniete sich nieder, brach das Brot und hörte das Wort Gottes von der Enthaltsamkeit und Auferstehung, indem Paulus sprach: »Selig sind die Reinen im Herzen, denn sie werden Gott sehen. Selig sind die, die ihr Fleisch enthaltsam halten, denn sie werden ein Tempel Gottes sein. Selig sind die Enthaltsamen, denn zu ihnen wird Gott sprechen. Selig sind die, die sich abgewandt haben von dieser Welt, denn sie werden Wohlgefallen bei Gott finden. Selig sind, die Frauen haben, als hätten sie keine, denn sie werden Gott beerben. Selig sind die, die Gottesfurcht haben, denn sie werden Engel Gottes werden. (6) Selig sind die, die sich vor den Worten des Herrn fürchten, denn sie werden getröstet werden. Selig sind die, die die Weisheit Jesu Christi empfangen haben, denn sie werden Söhne des Höchsten genannt weden. 424

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Die Feuertaufe der Thekla ActThecl 1-25

Selig sind die, die die Taufe bewahrt haben, denn sie werden ausruhen bei dem Vater und dem Sohn. Selig sind die, die in sich aufgenommen haben die Klugheit Jesu Christi, denn sie werden sein in dem Licht. Selig sind die, die herausgekommen sind aus dem Schein dieser Welt durch die Liebe zu Gott, denn sie werden die Engel richten und sie werden stehen zur Rechten des Vaters und den Tag des bitteren Gerichts werden sie nicht sehen. Selig sind die Körper der Jungfrauen, denn sie werden Gott gefallen und der Lohn ihrer Reinheit wird nicht verloren gehen. Denn das Wort des Vaters wird ihnen ein Werk der Rettung sein an dem Tag seines Sohnes. Und sie werden Ruhe empfangen bis in Ewigkeit.« (7) Während aber Paulus dieses inmitten der Versammlung im Hause des Onesiphorus sagte, saß Thekla, eine junge Frau – deren Mutter Theoklia war und die verlobt war mit Thamyris – auf einem nahen Fenster des Hauses [P.Heid. hat hier eine Lücke, Schmidt ergänzt:] indem sie schaute viele Frauen hineingehen zu Paulus. Sie wünschte, selbst eine Rede des Paulus zu hören. Denn sie hatte ihn noch nicht von Angesicht gesehen, sondern hörte allein seine Rede. (8) Da sie sich aber nicht vom Fenster erhob, schickte ihre Mutter zu Thamyris. Der aber kam erfreut, als ob er sie sofort empfangen und heiraten würde. Thamyris sprach: »Theoklia, wo ist Thekla, die die Meine ist, dass ich sie sehe?« Theoklia erwiderte: »Ich habe dir eine neue Geschichte zu berichten. Seit drei Tagen nämlich und drei Nächten steht Thekla nicht vom Fenster auf, weder zum Essen noch zum Trinken, sondern sie starrt auf dieses wie die, die sich erfreuen. Sie neigt sich zu einem fremden Mann hin, der trügerische Worte lehrt, die viele sind und eitel, so dass ich mich sehr wundere, dass diese Jungfrau in der Weise (so) mit Schande bedrückt wird. (9) Thamyris, dieser Mensch verwirrt die Stadt der Ikonier und auch deine Thekla, denn alle Frauen und jungen Männer gehen zu ihm hinein, indem sie lernen, sich vor Gott zu fürchten, dem einen und einzigen, und in Reinheit zu leben. Und auch meine Tochter ist (wie) eine Spinne geworden, am Fenster sitzend und an die Worte gefesselt, ergriffen von einer neuen Begierde und einer neuen Leidenschaft, indem sie auf das starrt, was er sagt. Die Jungfrau, sie ist gefallen. Aber geh zu ihr und sprich mit ihr, denn du bist verlobt mit ihr.« (10) Und Thamyris näherte sich ihr, einerseits liebte er sie, andererseits fürchtete er sich vor ihr, wie abwesend sie geworden war. Er sprach: »Thekla, die mir verlobt ist, was ist also? Und welche Leidenschaft ist es, die dich erfasst, dass du starrst? Schäme dich und kehre zu mir, deinem Thamyris zurück.« Und auch ihre Mutter sagte dieses zu ihr: »Warum blickst du in dieser Weise hinunter, sitzt und antwortest nichts, sondern starrst?« Und sie weinten sehr innerhalb des Hauses: Thamyris, weil er keine Frau erlangte; Theo425

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Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla

klia aber um ihre Tochter und die Dienerinnen um ihre Herrin. Und eine große Verwirrung geschah in dem Haus, in dem sie trauerten. Und während diese so taten, wandte sich Thekla nicht zu ihnen, sondern sie starrte auf die Rede des Paulus. (Thamyris verbündet sich mit Demas und Hermogenes, erfährt von ihnen mehr über die Lehre des Paulus und lässt ihn unter Mithilfe der Menge verhaften). (16) Und er [Thamyris] stand schreiend vor dem Richterstuhl: »Oh, Prokonsul, dieser Mensch, von wo er ist, wissen wir nicht, dieser, der die Jungfrauen nicht heiraten lässt, er möge dir sagen, weshalb er dieses lehrt.« Demas und Hermogenes aber sprachen zu Thamyris: »Sage, dass er Christ ist und er wird schnell sterben.« Aber der Prokonsul richtete seinen Verstand auf. Er rief Paulus (und) sprach zu ihm: »Wer bist Du und was lehrst Du? Denn sie verklagen Dich arg.« (17) Paulus erhob seine Stimme (und) antwortete: »Wenn ich heute verhört werde wegen des Inhalts meiner Lehre, hört, o Prokonsul. Der lebendige Gott, der Gott der Strafen, der Gott, der nichts bedarf außer der Rettung der Menschen, er schickte mich, damit ich sie errette vor dem Verderben und der Befleckung und aller Lust und dem Tod, damit sie nicht mehr sündigen. Deswegen hat Gott seinen Sohn gesandt, den ich verkündige und lehre, damit die Menschen Hoffnung haben in Jenen, der allein Mitleid hatte mit der verirrten Welt, damit die Menschen sich nicht mehr unter dem Gericht befinden, sondern den Glauben und die Gottesfurcht und die Erkenntnis der Heiligkeit und die Liebe zur Wahrheit erlangen. Wenn ich also das, was Gott mir offenbart hat, lehre, was tue ich Böses? Sag’s, Prokonsul!« Der Prokonsul aber, nachdem er gehört hatte, befahl, dass Paulus gebunden und in das Gefängnis geworfen werde, bis dass er Zeit hätte, ihn ausführlicher anzuhören. (18) Thekla aber nahm in der Nacht die Armbänder heraus und gab sie dem Türwärter, er öffnete ihr die Tür. Sie ging vor das Gefängnis und gab dem, der auf die Gefangenen (aufpasste), einen silbernen Spiegel. Sie ging zu Paulus hinein, setzte sich zu seinen Füßen und lauschte den Großtaten Gottes. Paulus aber fürchtete nichts, sondern agierte in der Zuversicht Gottes wie ein freier Bürger. Sie selbst nahm zu in ihrem Glauben. Und sie küsste seine Fesseln. […] (20) [Der Statthalter] befahl, Paulus vor den Richterstuhl zu bringen. Aber Thekla wälzte sich im Gefängnis an der Stelle, an der Paulus lehrend gesessen hatte. Der Statthalter befahl, dass auch sie herausgeführt würde vor den Richterstuhl. Sie aber kam mit Freude, vor allen jubelnd. Die Menge aber schrie noch mehr, als Paulus aus dem Gefängnis herausgeführt wurde: »Er ist ein Magier, führt ihn weg.« Der Prokonsul hörte ihm mit Freuden zu, wegen der heiligen Dinge. Er beriet sich aber, rief Thekla, und der Statthalter sprach zu ihr: »Weshalb heiratest du den Thamyris nicht gemäß dem Gesetze der Ikonier?« Sie aber stand 426

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Die Feuertaufe der Thekla ActThecl 1-25

da und starrte auf Paulus. Als sie nicht antwortete, da schrie Theoklia (und) sprach: »Verbrenne diese Gesetzlose, o Statthalter, verbrenne diese, die keine Braut ist, inmitten des Theaters, damit alle Frauen, die von diesem belehrt wurden, sich fürchten mögen!« (21) Der Statthalter war sehr betrübt. Und als er den Paulus gegeißelt hatte, schickte er ihn aus der Stadt. [P.Heid. hat hier eine Lücke von 15 Zeilen]. Thekla aber verurteilte er, verbrannt zu werden. Sofort erhob sich der Statthalter und ging ins Theater. Und die gesamte Menschenmenge ging hinaus zu dem unvermeidlichen Schauspiel. Thekla aber, wie ein Lamm in der Wüste nach dem Hirten Ausschau hält, so suchte jene den Paulus. Und sie schaute in die Menge und sah den Herrn sitzen als Paulus (in Gestalt des Paulus). Und sie sprach: »Als ob ich nicht standhaft genug wäre, ist Paulus gekommen, um nach mir zu schauen«. Und sie betrachtete ihn unverwandt, er aber entschwand in die Himmel. (22) Die Kinder und die Jungfrauen brachten Holz und Heu, damit Thekla verbrannt würde. Als sie nackt hereingeführt wurde, brach der Statthalter in Tränen aus und bewunderte die Stärke in ihr. Die Henker schichteten das Holz auf und befahlen ihr, den Scheiterhaufen zu besteigen. Indem sie die Form des Kreuzes machte, stieg sie auf das Holz. Sie aber entzündeten das Feuer. Und trotz eines großen Feuers, das aufleuchtete, berührte das Feuer sie nicht. Denn Gott erbarmte sich und veranlasste ein unterirdisches Grollen und von oben überschattete eine Wolke voll mit Wasser und Hagel und ihr ganzer Inhalt entlud sich, so dass viele in Gefahr gerieten und starben. Das Feuer aber wurde gelöscht und Thekla wurde gerettet. (23) Paulus aber fastete mit Onesiphorus, dessen Frau und den Kindern in einer offenen Grabanlage, die sich an der Straße befand, auf der man von Ikonion nach Daphne gelangt. […] (24) Als sie aber zu dem Grabe herauskam, kniete Paulus und betete, indem er sprach: »Vater Jesu Christi, lass das Feuer Thekla nicht berühren, sondern rette sie, denn sie ist dein.« Sie aber stand hinter ihm und schrie, indem sie sprach: »Vater, der du den Himmel und die Erde erschaffen hast, Vater des heiligen Kindes, ich preise dich, dass du mich gerettet hast, damit ich Paulus wiederum sehe.« Als Paulus sich aber erhob, sah er sie und sprach: »Gott, Herzenskenner, Vater Jesu Christi, ich preise dich, dass du mir schnell gegeben hast, was ich erbeten habe.« (25) In der Grabkammer war aber viel Liebe. Paulus jubelte und Onesiphorus und alle. Sie hatten aber fünf Brote, Gemüse und Wasser. Und sie freuten sich über die heiligen Werke Jesu Christi. Thekla sprach zu Paulus: »Ich werde mich scheren und dir folgen zu dem Ort, wohin auch du gehst.« Er aber erwiderte: »Die Zeiten sind schlimm und du bist schön. Damit nicht eine andere Versuchung – schlimmer als die erste ‒ dir geschehe, und du nicht widerstehen kannst, sondern furchtsam 427

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wirst.« Thekla sprach: »Gib du mir nur das Siegel im Herrn und keine Versuchung wird mich berühren.« Paulus sprach zu Thekla: »Habe Geduld und du wirst die Taufe empfangen.«

Sprachlich-narratologische Analyse Das erste Martyrium der Thekla (ActThec 21f.) bildet den Höhe- und Wendepunkt in der Bekehrungserzählung der späteren Mitapostolin des Paulus. Das LehrerSchülerin-Verhältnis zwischen Paulus und Thekla mündet in Theklas Bekehrung, illustriert durch ihr Martyrium, und leitet ein im Anschluss an das Martyrium in Antiochien entfaltetes gleichberechtigtes Verhältnis der beiden als Lehrer des christlichen Glaubens ein (vgl. E. Esch-Wermeling zu ActThecl 26-43 in diesem Band). Die Entwicklungslinien der beiden Hauptfiguren, Paulus und Thekla, sind ab dem Zeitpunkt, an dem sie seine Lehre hört (ActThecl 7), komplementär aufeinander bezogen. Dabei verkörpert Paulus den Lehrer einer christlichen Lehre mit starkem enkratitischen Einschlag. In zwei Drittel der Kapitel des Ikonionzyklus (ActThecl 1-25) lehrt Paulus (vgl. Büllesbach 2003, 131) in unterschiedlichen Situationen und gegenüber wechselnder Zuhörerschaft. Er lehrt auf dem Weg seine ihm feindlich gesonnenen Begleiter (ActThecl 1); Paulus predigt im Haus des Onesiphorus (ActThecl 5f.); er legt vor dem Prokonsul seine Lehre dar (ActThecl 17) und lehrt auch im Gefängnis (ActThecl 18; 20). Den inhaltlichen Schwerpunkt seiner Lehren offenbaren die Makarismen (ActThecl 5-6), die Anspielungen auf die Bergpredigt und Paulusbriefe enthalten (Merz 2012a, 5f.). Die enkratitische Ausrichtung seiner Lehre, in der Betonung der Reinheit des Körpers, Enthaltsamkeit und Entsagung von der Welt, akzentuiert eine christliche Lebensweise asketischer Enthaltsamkeit in der Form einer »Relecture von Jesus- und Paulusworten« (Merz 2012a, 6). Im Erzählverlauf wird die Attraktivität einer christlich-asketischen Lebensweise für junge Frauen mit den gesellschaftspolitischen Konventionen der römischen Gesellschaft des 2. Jh. n. Chr. kontrastiert. Wirkung und Konsequenzen der paulinischen Lehre werden am Beispiel der Bekehrung Theklas im weiteren Erzählverlauf von ActThecl 7-25 narrativ entfaltet. Die Grundlinien der narrativen Entfaltung sind durch die Rollenverteilung der beiden Hauptfiguren als Lehrer und Schülerin und der Geschlechterunterscheidung als Mann und Frau gegeben. Weitere Strukturmerkmale sind Kontraste in den Personenkonstellationen (Onesiphorus/Thamyris und Statthalter/Mutter), in den Orten (Haus des Onesiphorus ActThecl 5f./Haus des Thamyris ActThecl 13) sowie in der Öffnung vom intimen Bereich des Hauses bis zur Öffentlichkeit im Theater. Wird die Aufnahme der christlichen Botschaft über lange Strecken einzig durch die passive Rolle der lauschenden Schülerin geschildert, so kommt diese rein empfangende Entwicklung im Martyrium zu einem Ende. Bis zu ihrem Martyrium bleibt Thekla stumm und agiert kaum. Einzig zum Zwecke, Paulus zuzuhören, unternimmt sie ungewöhnliche Schritte. Sie sitzt am Fenster und lauscht der Predigt des Paulus (ActThecl 7), sie reagiert nicht auf die Reden von Mutter und Verlobtem 428

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(ActThecl 8-10). Erst nach der Gefangennahme des Paulus wird Thekla selbst aktiv. Sie besticht die Aufseher mit Schmuck und geht zu Paulus ins Gefängnis. Diese bis dahin ungewöhnliche Aktivität der Thekla unterstreicht ihre Entschlossenheit und Konsequenz in der Annahme der christlichen Lehre. Durch die Übergabe des Schmucks verzichtet sie auf ökonomische Sicherheit, um im Gefängnis als Schülerin zu Paulus’ Füßen zu sitzen und seinen Ausführungen über die Großtaten Gottes (ActThecl 18) zu lauschen. Ab diesem Besuch im Gefängnis zeichnen die ActThecl ein dynamischeres Verhalten von Paulus’ Schülerin. Dieses drückt sich zunächst in ihrer Körpersprache aus. So küsst sie die Füße des Paulus (ActThecl 18); nachdem er erneut vor den Richterstuhl geführt wird, wälzt sie sich an der Stelle, an der Paulus gesessen hat, am Boden und lässt sich jubelnd vor den Richterstuhl führen (ActThecl 20), bevor sie dort wieder in Stummheit versinkt. Das Wort, das Theklas anstößiges Verhalten umschreibt, lautet: ειωƿӎ (eiōrem – scharf blicken), starren bzw. ἀτενίζειν (atenizein). Dieses Verb drückt Faszination und Abhängigkeit aus. Im Neuen Testament findet sich der Gebrauch von ἀτενίζειν (atenizein) im lukanischen Doppelwerk und dem zweiten Korintherbrief und beschreibt ein Schauen und besonderes Blicken, ausgelöst durch das Objekt des Betrachtens (Lk 4,20; 22,56; Apg 1,10; 7,55; 10,4; 11,6; 13,9; 14,9; 2 Kor 3,7.13). Von dem Zeitpunkt an, als Thekla die Predigt des Paulus von ihrem Fenster aus hört, bestimmt ειωƿӎ (eiōrem)/ἀτενίζειν (atenizein), kombiniert mit Schweigen, ihr verändertes Verhalten (ActThecl 8-10). Dieses Verhaltensmuster erstreckt sich bis zum Martyrium. Auch dort sucht sie Blickkontakt zu Paulus in der Menge, sieht aber den Herrn in Gestalt des Paulus (ActThecl 21). Hier nun fällt die erste verbale bzw. gedankliche Äußerung der Thekla. In ihr spiegelt sich noch immer das enge Lehrer-Schülerin-Verhältnis wider, gleichzeitig deutet sich jedoch in ihrem leicht vorwurfsvollen Gedanken (»Als ob ich nicht standhaft genug wäre, ist Paulus gekommen, um nach mir zu schauen«) eine Änderung dieses Verhältnisses an. Szenisch drückt sich das in Theklas Versuch aus, den Herrn in Gestalt des Paulus mit dem gewohnten Blick zu fixieren (wiederum ειωƿӎ [eiōrem]/ἀτενίζουσα [atenizousa]), doch er entschwindet vor ihrem Blick in die Himmel. Das Martyrium (ActThecl 21f.) bildet den Wendepunkt im Erzählverlauf. Thekla spricht bzw. denkt und handelt selbständig und unabhängig von ihrem Lehrer, der während ihres Martyriums physisch nicht anwesend ist. Das Bild vom suchenden Lamm in der Wüste drückt einerseits die Sehnsucht der unsicheren Schülerin nach Orientierung aus, andererseits deutet sich in der Aktivität der Suche des Lamms nach Christus bereits die Begrenztheit des Lehrer-Schülerin-Verhältnisses an. Das Bild ist doppeldeutig. Theklas Verhalten angesichts des Todes auf dem Scheiterhaufen reflektiert das Ende ihrer Laufbahn als Katechumenin. Sie bedarf keiner weiteren Belehrung, sondern besteigt als Nachfolgerin Christi in der Form des Kreuzes den Scheiterhaufen. Ihre Stärke und ihr Mut im Angesicht des bevorstehenden Feuertodes leiten über zu einer neuen Verhältnisbestimmung, die sich nach ihrer Rettung und ihrem Bekenntnis zum Schöpfergott in dem Wunsch ausdrückt, die Taufe als äußeres Zeichen ihres Christseins zu empfangen sowie Paulus als Verkünder der 429

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christlichen Lehre zu begleiten (ActThecl 25). Sie kommt das erste Mal mit ihrem Lehrer Paulus ins Gespräch, ohne ins Starren zu verfallen, und verlangt, ein Paulus vergleichbares christliches Leben zu führen. Die narrative Entwicklung der Bekehrungserzählung läuft zielstrebig auf das Martyrium zu und nimmt von dort an eine andere Richtung. Vorangetrieben werden Entwicklung und Dynamik des Erzählverlaufs besonders durch Nebenfiguren wie Theklas Mutter und ihren Verlobten. Sie wirken wie Katalysatoren. Ihre Interpretation des veränderten Verhaltens der Thekla führt zur Anklage des Paulus und letztlich zu Theklas Verurteilung. Nicht der Statthalter, sondern Theklas Mutter leitet mit ihrer Forderung der Verbrennung der eigenen Tochter als Warnung für andere Frauen mit asketischen Ambitionen zu Verurteilung und Martyrium über. Parallel zu der fortschreitenden Bekehrung und Eigenständigkeit Theklas als innerem Entwicklungsprozess zeichnet sich extern die Entwicklung eines familiären Problems zu einem öffentlich-gesellschaftlichen Problem ab. Denn Theklas Faszination von der enkratitisch geprägten Lehre des Paulus führt zur Ablehnung ihrer vorgezeichneten Rolle als Ehefrau und stellt so die gesellschaftliche Struktur von Ehe und Familie in Frage. Dies ist ein ernstes gesellschaftspolitisches Problem, das vor dem Richterstuhl des Statthalters verhandelt wird. Dem entsprechen Handlungsorte mit steigender öffentlicher Bedeutung: vom Fenster im Haus der Thekla, auf die Straße, in das Haus des Verlobten und des Onesiphorus, vor den Richterstuhl des Statthalters, ins Gefängnis und schließlich in das Theater zum Vollzug des Todesurteils durch Verbrennen. Die Annahme der christlichen Lehre ist nicht nur eine private Entscheidung, sondern besitzt gesellschaftspolitische Implikationen.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Auf dem Hintergrund von ActThecl 1-25 sind sowohl Strukturen frühchristlicher Mission und Bekehrung als auch frühchristlichen Gemeindelebens zu erkennen. Analog zu der Schilderung der Jünger im Neuen Testament, die als Wandercharismatiker die Lehre Christi verbreiten, geschieht die Verbreitung der Lehre in den ersten zwei Jahrhunderten durch wandernde Missionare, hier durch den Apostel Paulus, der aus Antiochia flieht und nach Ikonion kommt. Anders als in den Aussendungsbefehlen der Evangelien angedeutet, reflektiert ActThecl bereits eine christliche Infrastruktur, auf die Paulus für seine Missionstätigkeit zurückgreifen kann. Hier in Person des Onesiphorus, der auch in 2 Tim 4,19 erwähnt wird, und seiner Familie sowie dem Informanten Titus, der diesem das Aussehen des Paulus beschreibt (ActThecl 2-4). Das vorausgesetzte Modell christlichen Gemeindelebens ist das städtische Milieu der Hausgemeinden, die aus der Apostelgeschichte (Apg 14f.; 40 [Lydia]; Apg 18,7), den Paulusbriefen (1 Kor 16,19; Röm 16,3-5; Kol 4,15) und den Pastoralbriefen geläufig sind. In der Organisationsform der Hausgemeinde kommt dem Vorsteher oder der Vorsteherin die Rolle des pater (bzw. mater) familias zu und entspricht darin den gesellschaftlichen Konventionen. In ActThecl 5f. 430

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fungiert die Hausgemeinde, der Onesiphorus vorsteht, als Ort der Zusammenkunft von Männern und Frauen zu Gebet und Lehre des göttlichen Wortes. Sie bietet eine ideale Plattform für die Lehrpredigt des Paulus. Ist die Hausgemeinde als Ort der Predigttätigkeit zur Festigung innergemeindlichen Glaubens ein städtischer Missionstyp, so stellt die Tätigkeit des Paulus als Wanderprediger die ideale Form der Missionierung in entfernten Gebieten dar. Beide Formen der Verbreitung der christlichen Botschaft betonen die »Priorität des Wortes« (Esch-Wermeling 2008b, 253). Den beiden christlichen Organisationsformen Hausgemeinde und Wanderprediger entsprechen die beiden unterschiedlichen, aber nicht widersprüchlichen Lebensformen (Markschies 2012, 142) der Ehe und der Existenz des Asketen. Thematisiert der Autor der ActThecl in der Lehre des Paulus und ihrer Wirkung auf Thekla hauptsächlich den Aspekt der ehelichen Enthaltsamkeit, so wird die eheliche Lebensform doch nicht verworfen, wie das Beispiel des Onesiphorus und seiner Familie beweist. Vielmehr bewähren sich beide Lebensformen auf jeweils unterschiedlichen Aufgabengebieten. Der Tätigkeit des Wanderpredigers kommt die Askese und eheliche Enthaltsamkeit entgegen, während der Vorsteher einer Hausgemeinde die Rolle des pater familias übernimmt. Diese Arbeitsteilung in den ActThecl zeichnet für Thekla mit ihrer Annahme der paulinischen Lehre der Enthaltsamkeit den Weg der Wanderpredigerin vor. Anklage, Verurteilung und Hinrichtung von Christen durch die römische Obrigkeit bilden im 2. Jh. eine historische Realität. Die Hinrichtungsarten, die die römische Herrschaft gegen Kriminelle von niedrigem Stand als elementare Bestrafung (summa supplicia) vorsah, waren: Aussetzen vor wilden Tieren, die Kreuzigung und die Verbrennung bei lebendigem Leib (Kyle 1998, 53). Da Thekla einer Familie höheren gesellschaftlichen Rangs angehörte, entspricht ihre Verurteilung zum Tod durch Verbrennen nicht der römischen Hinrichtungspraxis der Zeit. Mag das Todesurteil gegen Thekla historisch betrachtet im Rahmen willkürlicher Verurteilungen und Hinrichtungen von Christen durch die römische Obrigkeit im 2. Jh. n. Chr. verständlich erscheinen, so fehlt ein narrativer Anhaltspunkt für diesen Zusammenhang. Denn die Anklage zielt nicht auf die christliche Überzeugung der Beklagten. Thamyris klagt Paulus nicht wegen seiner christlichen Überzeugung an – gegen den Rat der beiden Heuchler Demas und Hermogenes –, sondern wegen dessen Heiratsverbot für die jungen Frauen (ActThecl 16). Der Statthalter lässt Paulus zwar ins Gefängnis werfen, doch ist dies keine Anerkennung seiner Schuld, sondern ein Aufschub seines Verfahrens (ActThecl 17). Bei seinem erneuten Erscheinen vor dem Richterstuhl hört der Statthalter den paulinischen Ausführungen über die heiligen Werke Christi mit Freuden zu (ActThecl 20), obwohl das Volk ihn als Zauberer anklagt. Gegenüber der gemäßigten Behandlung des Paulus, der als Hauptangeklagter mit einer körperlichen Züchtigung und einem Verweis aus der Stadt davonkommt, erscheint Theklas Verurteilung konstruiert (Jensen 1995, 97). Ihr Vergehen, die Verweigerung der Ehe mit Thamyris, kann trotz einer gesetzlich festgelegten Heiratspflicht (Lex Iulia 18 v. Chr.; Lex Poppaea 9 n. Chr.) nicht als todeswürdiges Verbrechen gedeutet werden. Zwar kann dieser Widerstand gegen die 431

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gesellschaftliche Konvention mögliche negative ökonomische und gesellschaftspolitische Folgen durch Nachahmung bewirken, was, im historischen Kontext betrachtet, jedoch nicht die Todesstrafe zu rechtfertigen scheint. Eine andere Möglichkeit zum Verständnis der Diskrepanz zwischen Vergehen und Strafe wäre die von Merz (Merz 2011) vorgeschlagene Annahme eines intertextuellen Referenztextes. Danach könnte in der Formulierung »Gesetz der Ikonier« (ActThecl 20) eine Anspielung auf das »Gesetz der Perser und Meder« in Est 1,19 bestehen, das weibliche Enthaltsamkeit bzw. Verweigerung, wie von Waschti praktiziert (Est 1,11f.), verhindern sollte. Dafür spricht auch die Analogie in der Argumentation von Theklas Mutter, die Bestrafung der Tochter als Warnung für andere Frauen durchzuführen, und den Ausführungen des Beraters von König Ahasverus (Est 1,16-19). Waschtis Weigerung, vor dem König zu erscheinen, die in der rabbinischen Interpretation (EstR 4,7.9.12; LevR 12,1) als Bewahrung der Keuschheit interpretiert und mit dem Tode bestraft wird, wäre somit ein positives Vorbild für Theklas Verhalten und Einbettung in die biblische Geschichtsschreibung. Zu bedenken bleibt jedoch die Schwierigkeit der Datierung rabbinischer Quellen. Nimmt Theklas Verurteilung erzähltechnisch ihre Annahme des christlichen Glaubens vorweg? Wird sie im Kleid der christlichen Märtyrerin als Christin vorgestellt? Der historische Rahmen einer im 2. Jh. verbreiteten Sensationslust römischer Bürger an dem Schauspiel des Todeskampfes von Verurteilten kann nicht ausgeblendet werden. Dies drückt die Formulierung: τὴν ἀνάγκην τῆς θεωρίας (tēn anagkēn tēs theōrias) – zur Notwendigkeit des Schauspiels in V. 21 aus. Ihre Verurteilung zum Tode durch Verbrennen soll ein warnendes Beispiel sein.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Verbindung zwischen apokryphen Apostelakten und dem antiken Roman ist eine altbekannte These in der Forschung. In ActThecl 1-25 lassen sich Motive aus dem antiken Liebesroman erkennen (vgl. den Themenartikel zum antiken Roman von Dormeyer in diesem Band). Dessen wichtigste Strukturelemente sind: Vorstellung von Held und Heldin; Betonung der Schönheit; erste Begegnung der beiden bei einem Götterfest; Liebe auf den ersten Blick, gefolgt von Liebeskrankheit. Die Vereinigung oder Hochzeit der beiden Liebenden heilt die Liebeserkrankung. Daneben wird das Glück der Liebenden durch Trennung und leidvolle Abenteuer mit Todesnähe getrübt. Doch am Ende winken Rettung, Erfüllung der Sehnsucht, Wiedervereinigung und Heimkehr. Fast alle diese Elemente des antiken Liebesromans finden sich auch in ActThecl 1-25 (Übersichtstabelle bei Esch-Wermeling 2008b, 108f.). Dabei sind die beiden Protagonisten Paulus und Thekla kein klassisches Liebespaar, sondern in ihrer Liebe zu Christus verbunden. Die Verwendung der bekannten Elemente des antiken Liebesromans und die Betonung der Askese in den ActThecl haben unterschiedliche Deutungsversuche hervorgebracht. Überwiegende Zustimmung kommt der »inversive romance«-Theorie zu, wonach die Elemente des 432

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antiken Liebesromans zur Stützung antiker Institutionen, Ehe, Familie und Polis, am Beispiel der Thekla zugunsten des christlichen Ideals der Enthaltsamkeit umgekehrt werden (vgl. Cooper 1996, 43f.). Ähnlich auch der Deutungsansatz der bewussten Verwirrung des Lesers und Kenners des antiken Liebesromans (vgl. Aubin 1998, 257). Die Anklänge an die Elemente des Genres des antiken Liebesromans in ActThecl 1-25 sind vielfältig. Eindeutig dazu gehören die Liebe auf den ersten Blick oder, im Falle Theklas, auf den ersten Ton, die sie vollkommen in den Bann zieht und die daraus resultierende Liebeserkrankung in Form von Schlaflosigkeit und Nahrungsverweigerung (ActThecl 8; 10). Aus Sehnsucht zu Paulus besticht sie die Türwärter des Gefängnisses und geht zu ihm, setzt sich zu seinen Füßen, lauscht der Lehre und küsst seine Füße (ActThecl 18). Diese Vereinigung währt nicht lange, sie werden erneut getrennt. Paulus wird vor den Richterstuhl geführt und sie wälzt sich an der Stelle, an der er gepredigt hat. Die erotische Konnotation dieser Szene ist deutlich. Thekla ist durch Liebe an Paulus gefesselt (ActThecl 19). Auch während und kurz nach ihrem überstandenen Martyrium sucht und strebt sie zu Paulus (ActThecl 21; 23). Nach ihrer Wiedervereinigung mit Paulus in der Grabkammer herrscht dort viel Liebe (ἀγάπη agapē). Die Doppeldeutigkeit einiger Passagen und erotische Konnotation der Sprache mag nicht nur auf einen männlichen Verfasser deuten, sondern auch als bewusstes Stilmittel eingesetzt sein, um die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser zu erhalten und Spannung zu wecken. Die sexualisierten Bilder lassen den Leser im Unklaren darüber, ob in Thekla eine liebeskranke Heldin dargestellt ist, die allein Paulus begehrt, oder ihre Liebe zur christlichen Lehre betont werden soll, oder beides. Die Betonung der christlichen Botschaft der Enthaltsamkeit mittels Liebesmetaphorik schafft einen reizvollen Kontrast. Außer den Motiven der antiken Liebesromane sind Märtyrerakten ein wichtiges Traditionselement für die Schilderung des ersten Martyriums der Thekla in ActThecl 21f. und ihrer wundersamen Errettung. Dabei kommen sowohl Elemente paganer als auch jüdischer Märtyrerberichte zum Tragen (Esch-Wermeling 2008b, 121-136). Während die paganen Märtyrerberichte einen Schwerpunkt in der Schilderung des Prozesses mit Verhör und Bekenntnis des Märtyrers aufweisen, bieten jüdische Märtyrerberichte ausführlichere Schilderungen der Urteilsvollstreckung (2  Makk 6,18-31; 7; 4  Makk 5,14-6,30) und der Leiden der Märtyrer. Motive aus Märtyrerberichten in ActThecl sind: das Verhör des Paulus (ActThecl 16f.), die Bekenntnisrede (ActThecl 17), die Verhinderung der Urteilsvollstreckung durch göttliches Eingreifen (ActThecl 22) und die Bereitschaft zum Sterben. Dennoch sind auch deutliche Abweichungen von den Märtyrerberichten zu erkennen. So ist Paulus als bekennende Person nicht identisch mit der zum Tode verurteilten und das Martyrium überlebenden Thekla. Ein Grund für die Unterscheidung zwischen der Bekenntnisrede durch Paulus und der Verurteilung und dem Martyrium Theklas mag darin bestehen, dass in ihrem Fall Martyrium und Bekehrungsvollendung zusammenfallen, so dass Paulus die Bekenntnisrede übernehmen muss. 433

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Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla

Das Errichten des Scheiterhaufens, die Aufforderung des Henkers an Thekla hinaufzusteigen, ihr Hinaufsteigen in Kreuzespose sowie die Aussage, dass das Feuer sie nicht berührt, entspricht der Schilderung christlicher Märtyrerakten. So wird im Bericht über die Verbrennung des Bischofs Polykarp von Smyrna (156 n. Chr.) berichtet, dass er nackt auf dem Scheiterhaufen festgebunden wurde – Thekla wurde nackt ins Theater geführt – und das Feuer verbrannte ihn nicht, so dass man ihn mit dem Dolch durchbohren musste (MartPol 14-16). Neben den Motiven und Elementen christlicher Märtyrerberichte mag hier auch auf die drei Freunde im Feuerofen (Dan 3,8-27) angespielt sein, die sich weigerten, ein goldenes Standbild anzubeten, und das Feuermartyrium überlebten. Die drei Männer gelten schon sehr früh als Vorbilder der Märtyrer.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Nachfolgerin Christi – »das Spiel mit anderen Texten«: Ein Deutungshorizont, der bislang kaum angesprochen wurde, sind die intertextuelle Dimension oder das Jonglieren mit anderen Texten, d.h. besonders mit Texten der biblischen Überlieferung. Die Evangelien wie die Paulusbriefe stellen einen wichtigen Bezugsrahmen zum Verständnis der ActThecl dar. Die intertextuelle Verflochtenheit mit der Passionserzählung ist offensichtlich. Nicht nur bildet jedes Martyrium die Passion Jesu nach, sondern ActThecl verweist in der Charakterisierung von Personen auf die Passionserzählungen der Evangelien. So kann das Schweigen Theklas vor dem Richterstuhl (ActThecl 20) als Anspielung auf Mt 26,63 gedeutet werden. Die Person des Statthalters, der als unsicherer Richter skizziert ist, erinnert unwillkürlich an die Person des Pilatus. Theoklia, Theklas Mutter, die ihre Tochter als gottlos bezeichnet, erscheint in der Rolle der Ankläger (Merz 2011). Der Deutungshorizont des »Spiels mit anderen Texten« bietet ein großes Potential, das hier nur angedeutet werden kann. Bekehrung als Emanzipationsgeschichte: Die wundersame Errettung Theklas vor dem Feuertod offenbart einen wichtigen Entwicklungsschritt in ihrer Bekehrung zum Christentum vor dem Hintergrund eines fast symbiotischen Lehrer-SchülerinVerhältnisses. Mit Hilfe von Motiven der Märtyrerberichte wird eine Prüfungssituation arrangiert, in der sonst Christinnen und Christen ihren Glauben bestätigen. Für Thekla fallen öffentliches Bekenntnis ihres neuen Glaubens und die Zeugenschaft zusammen. Das Martyrium des drohenden Feuertodes in ActThecl 21f. beinhaltet eine doppelte Prüfungssituation: Theklas öffentliches Bekennen zum lebendigen Gott und die Anerkennung und Durchsetzung der enkratitisch beeinflussten Lehre des Paulus. Im Bild des Lehrer-Schülerin-Verhältnisses formuliert, geht es um die Überprüfung sowohl des christlichen Glaubens der Schülerin als auch der Lehre ihres Lehrers Paulus. Das Wunder, durch das Thekla vor dem Feuertod bewahrt wird, akzentuiert im Blick auf Thekla den Abschluss ihres Bekehrungsprozesses. Im Blick auf Paulus bestätigt es seine Lehre (vgl. Calef 2006, 163-185), die den Abenteuer- und Prüfungsaspekt betont. 434

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Die Feuertaufe der Thekla ActThecl 1-25

Betrachten wir das Wunder aus der Perspektive des Bekehrungsprozesses der Thekla. Theklas Fixierung auf den Lehrer Paulus äußert sich zum einen in dem Bildwort vom Lamm in der Wüste, das seinen Hirten sucht, wie auch in ihrem suchenden Blick nach Paulus. In diesem Bild ist das Motiv vom verlorenen Schaf und dem guten Hirten (Lk 15,3-7) angedeutet. Bemerkenswert ist die im Vergleich zum Neuen Testament umgekehrte Motivik. Lässt der gute Hirte im Neuen Testament seine 99 Schafe in der Wüste zurück und sucht nach dem einen verlorenen Schaf, so ist nach ActThecl 21 das eine Schaf (Thekla) in der Wüste und sucht nach seinem guten Hirten. Anders als im Neuen Testament kommt Paulus scheinbar die Rolle des guten Hirten zu. Diesen guten Hirten, ihren Lehrer, sucht Thekla in der Menge. Ihre Suche symbolisiert die Frage einer unsicheren Schülerin nach Halt und Bestätigung. In der Menge erblickt sie den Herrn und hält ihn für Paulus. Die Doppelidentität des Paulus – als Mittler der christlichen Lehre und als Verkörperung der Lehre selbst –, die besonders in den erotischen Anspielungen zutage tritt (ActThecl 19), wird hier kurz angedeutet, doch dann szenisch aufgehoben. Die folgende Reaktion der Thekla widerspricht ihrem Bild der wehr- und hilflosen Schülerin (gegen Esch/Leinhäupl-Wilke 2005, 49). Ihre erste aktive Reaktion, seitdem sie der Lehre des Paulus lauschte, ist eine kritische Anmerkung zu Paulus’ Einschätzung ihrer Glaubensstärke: »Als ob ich nicht standhaft genug wäre, ist Paulus gekommen, um nach mir zu schauen«. Darin verbirgt sich das emanzipatorische Potential einer Schülerin, die das Bild, das ihr Lehrer von ihr hat, durchschaut und durchbricht. Im Folgenden erweist sie ihre Glaubensstärke, indem sie ohne Zögern den Scheiterhaufen besteigt. Diese Stärke bewundert selbst der Statthalter, der in Tränen ausbricht. Auf dem Scheiterhaufen handelt sie unabhängig von Paulus, denn der, den sie für Paulus hält, entschwindet in den Himmel. Sie steigt allein, ohne Beistand auf den Scheiterhaufen. Das Wunder ihrer Errettung und damit ihre Blutoder besser Feuertaufe bewirkt Gott selbst. Als Schöpfer des Himmels und der Erde befiehlt er den Naturgewalten in Gestalt eines unterirdischen Grollens und eines Unwetters. Das göttliche Handeln erweist Thekla als Christin. Ihre Bewahrung vor dem Feuer durch den von Gott heraufgeführten Hagelsturm symbolisiert die durch Gott gewährte Wasser- und Feuertaufe. Die Bekehrung der Thekla im Ikonionzyklus beschreibt eine doppelte Emanzipation: zum einen die Emanzipation von gesellschaftlichen Konventionen als Ehefrau und Mutter durch die asketisch geprägte christliche Lehre eines zölibatären Lebens, zum anderen den Beginn eines Emanzipationsprozesses von der Schülerin des Paulus zur gleichrangigen Lehrerin des Glaubens. Der Weg von der lauschenden Schülerin zur selbstbewussten Verkündigerin im Antiochiazyklus (ActThecl 2639) führt über das Martyrium (ActThecl 22) und das Bekenntnis zum Schöpfergott (ActThecl 24) zu dem Wunsch einer christlichen Lebensführung als Wandercharismatikerin (ActThecl 25). Die Suche des Schafes nach dem Hirten drückt einerseits den Wunsch nach Anleitung und Führung aus, andererseits betont dieses Bild in der Umkehr des Motivs vom guten Hirten auch die Aktivität des Lammes. Das Lamm sucht selbständig nach dem Hirten, der letztlich Christus ist und nicht Paulus. 435

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Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla

Das Wunder als Wirkmacht Gottes: In der kerygmatisch-theologischen Deutung betont das Wunder die machtvolle Tat des Schöpfergottes. Gott erbarmt sich und setzt »Himmel und Hölle« in Bewegung, um Thekla zu retten. Er mobilisiert die Naturgewalten zugunsten Theklas. Interessant ist der Kontrast zwischen Feuer und Wasser wie auch die Tatsache, dass für Theklas Rettung der Tod anderer Menschen in Kauf genommen wird. Die Betonung des Wunders Gottes als Bestätigung ihres Glaubens birgt die Gefahr eines Widerspruchs zum Vorbehalt des Paulus. Gott errettet sie vor dem Feuer durch sein mächtiges Handeln, dennoch verweigert Paulus ihr die Taufe. Dieser Widerspruch offenbart den Unterschied von Gott und Mensch. Gott kennt das volle Potential des Menschen und handelt an Thekla als Christin ohne Vorbehalte. Das Wunder offenbart Gottes Wirkmacht und Vertrauen.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die Wirkungsgeschichte der Theklaakten und ihrer Protagonistin im frühen Christentum ist nicht gering einzuschätzen. Ihre Spuren lassen sich bis ins Mittealter und bis in unsere Zeit hinein verfolgen. Dabei überrascht die Vielfalt der Zeugnisse, die literarischer, liturgischer und ikonographischer Art sind. Die Verehrung Theklas und der daraus entstehende Kult breiteten sich rasch aus und florierten besonders im 4. und 5. Jh. Zwei thematische Schwerpunkte des Ikonionzyklus (ActThecl 1-26) haben wirkungsgeschichtliche Beachtung erfahren. Das ist zum einen das Lehrer-Schülerin-Verhältnis von Paulus und Thekla und zum anderen Theklas Rettung vor dem Feuertod auf dem Scheiterhaufen. Das Lehrer-Schülerin-Verhältnis bzw. Theklas gebannte Aufmerksamkeit gegenüber der Predigt des Paulus bilden die sogenannten »Lehrszenen« ab. Das älteste Zeugnis findet sich in der Paulusgrotte in Ephesus, der heutigen Türkei. Das aus dem 4./5. Jh. stammende Fresko zeigt Paulus als Lehrenden, erkennbar an Buch und dem erhobenen Zeigefinger. Rechts von ihm ist Thekla zu sehen, die von ihrem Fenster aus der Predigt des Paulus lauscht. Die bildliche Darstellung zeigt Thekla als aufmerksame Zuhörerin der Predigt des Paulus, der zwischen ihr und ihrer Mutter Theoklia steht. Die Figurenkonstellation bildet die beginnende Distanzierung Theklas von der Mutter aufgrund der Lehre des Paulus ab. Dies zeigt sich auch in dem möglicherweise warnenden Gestus der Mutter, der aufgrund der geschwärzten Hand (Pillinger 2005, 57) nicht eindeutig ist. Dennoch ist die Rezeption der Predigt des Paulus und der aufmerksamen Annahme durch Thekla aus ActThecl 7 deutlich erkennbar. Das Motiv der lauschenden Thekla und des lehrenden Paulus ist ein beliebtes Motiv in der christlichen Kunst (vgl. Nauerth/Warns 1981, 1-5.9-11.85; Abb. 1 [Tafel 1]; Abb. 3,4 [Tafel II]; Abb. 32 [Tafel XVI]; Davis 2001, Fig. 20). Überwiegend illustrieren die Lehrszenen das naturgemäß ungleiche Verhältnis zwischen Lehrer und Schülerin. Eine Ausnahme scheint die Wandmalerei in der Friedenskapelle von El-Bagawat in der Charga Oase der ägyptischen Wüste ca. 600 km südlich von Kairo in Ägypten zu sein. Seit dem 3. Jh. n. Chr. gibt es an diesem 436

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Abb. 19: Thekla lauscht der Predigt des Paulus, Fresko aus der Paulusgrotte in Ephesus, 4./5. Jh.

Ort, der in römischer Zeit auch als Verbannungsort diente, Christen. Einer der berühmten Verbannten war Athanasius von Alexandrien (295-373 n. Chr.). Von der christlichen Vergangenheit zeugen der Friedhof El-Bagawat und die archäologischen Reste des Klosters Ain Mustafa Kaschif (4./5.  Jh.). Die »Lehrszene« der Wandmalerei der Friedenskapelle in El-Bagawat, die in das 5. oder 6. Jh. zu datieren ist, verblüfft durch interessante Details.

Im Zentrum der Darstellung sitzen sich Thekla und Paulus auf gleicher Höhe gegenüber. Thekla als Schreibende erweckt eher Assoziationen an die Darstellung der Evangelisten als an die einer Schülerin des Paulus. Auch Paulus hält einen Stift in der Hand, den er auf die Schreibunterlage Theklas richtet (Nauerth/ Warns 1981,10f. Abb. 3 [Tafel II]; Davis 2001, Fig. 20). Die Wandmalerei vermittelt den Eindruck einer Zusammenarbeit der beiden, die durch die Inschriften über ihren Köpfen eindeutig identifiziert werden. Interessant ist auch die Flankierung durch Eva und Maria. Verkörpern diese beiden Frauen die Ehe (Eva) und das asketische Leben einer Jungfrau (Maria), wofür die Taube auf der Schulter Marias links von Paulus spricht, als christliche Lebensentwürfe? Trifft diese Deutung zu, dann relativiert das Wandbild die besondere Betonung des zölibatären Lebens des Ikonionzyklus der ActThecl. Vielmehr Abb. 20: Thekla und Paulus als Lehrende, Wandmalerei könnte hier eine bildliche Illustrati- in der Kapelle von El-Bagawat, 5./6. Jh. on der paulinischen Lehre von Ehe und Ehelosigkeit nach 1 Kor 7,1-7.25-38 vorliegen, die von Paulus und Thekla als gleichberechtigte Lehrer vertreten wird. Die Berechtigung des Ehestandes neben dem zölibatären Leben Theklas findet sich auch in einer Lobrede (Panegyrikum) in Erinnerung an Thekla aus dem 5./6. Jh., die irrtümlich Johannes Chrysostomus 437

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(† 407 n. Chr.) zugeschrieben wurde (Ps.-Chrysostomus, PG 50,745-748; Aubineu 1975, 351f.; MacDonald/Scrimgeour 1986, 154-157; Johnson 2006, 231-234). Theklas zölibatäres Leben bleibt von Bedeutung, doch jeder müsse das ihm gemäße Leben wählen. Theklas Rettung vor dem Feuertod als eines der beiden Martyrien, die sie erleidet, findet sich in bildlicher Darstellung an wenigen Objekten. Hier erwähnt sei die Abbildung auf einer Glasschale mit »ehemals über zwanzig verschiedenen Medaillons« (Nauerth/Warns 1981, 22) aus dem 4. Jh., entdeckt in einem Gräberfeld in Köln. Das Glasmedaillon zeigt eine nackte Thekla, die Arme seitlich ausgestreckt und flankiert von züngelnden Flammen (Nauerth/Warns 1981, Abb. 8 u. 9 [Tafel III]). Die bildliche Darstellung als Emblem rezipiert ActThecl 22. Zusammen mit anderen biblischen und außerbiblischen Figuren, die auf der Glasschale erscheinen, fungiert diese Darstellung als Beispiel göttlicher Rettung vor dem Tode. Das Gräberfeld als Fundort der Glasschale mit den Rettungsbeispielen lässt die Gewissheit der eschatologischen Rettung vor dem Tod bzw. die Gewissheit der Auferstehung der Verstorbenen als Deutungsperspektive erkennen. Die wirkungsgeschichtliche Deutung des Motivs der Rettung Theklas vor dem Feuertod als eschatologische Hoffnung der Rettung VerstorbeAbb. 21: Theklas Rettung vor dem Feuer als Urbild der Rettung vor dem Tod, Umzeichnung des Wandbildes in der Kapelle von El-Bagawat, 5./6. Jh. ner ist ein durchaus gängiges Motiv. So weist die Exodus-Kapelle von El-Bagawat, eine Grabkapelle aus dem 4. Jh. in der bereits erwähnten Charga Oase in Ägypten, eine naiv anmutende Illustration der betenden Thekla auf dem Scheiterhaufen auf, der in Anlehnung an ActThecl 22 durch herabfallenden Hagel zu erlöschen droht. Direkt darunter, unter den Wurzeln eines Baumes oder unter der Erde, ist eine fast identische Figur in Gebetshaltung zu sehen (Nauerth/Warns 1981, Umzeichnung zu Abb. 5 [Tafel IV]. Vermutlich handelt es sich bei der zweiten Figur um die Verstorbene der Grabkapelle (eine ausführliche Interpretation der gesamten Bildkomposition bei Davis 2001, 154-170). Durch ihre Gebetshaltung, die derjenigen Theklas entspricht, betet sie vermutlich um die Rettung vor dem Tod, in Anlehnung an die Rettung der Protomärtyrerin Thekla vor dem Feuertod. In der Westkirche sind vergleichbare wirkungsgeschichtliche Akzente durch die Aufnahme in das Sterbegebet »Libera« vorhanden (Leibbrand 1994, 433). Thekla, die vor Feuer und wilden Tieren gerettet wurde, wurde im Sterbegebet erwähnt und avancierte so zur Sterbepatronin. Mit dem II. Vatikanum entfernte man das Sterbegebet »Libera« aufgrund einer einseitigen Betonung des Ge438

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richts (Heinz 1997, 884) aus den katholischen Liturgiebüchern, analog zu der Streichung des Festes der heiligen Thekla aus dem Römischen Martyrologium. Claudia Losekam

Literatur zum Weiterlesen C. Büllesbach, ›Ich will mich rundherum scheren und dir folgen‹. Begegnungen zwischen Paulus und Thekla in den Acta Pauli et Theclae, in: K. Greschat/H. Omerzu (Hg.), Körper und Kommunikation. Beiträge aus der theologischen Genderforschung, Leipzig 2003, 125-146. S. J. Davis, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity, Oxford Early Christian Studies, Oxford 2001. M. Ebner (Hg.), Aus Liebe zu Paulus? Die Akte Thekla neu aufgerollt, SBS 206, Stuttgart 2005. E. Esch/A. Leinhäupl-Wilke, Auf die Spur gekommen. Plädoyer für eine leserorientierte Literarkritik in den ActThecl, in: M. Ebner (Hg.), Aus Liebe zu Paulus? Die Akte Thekla neu aufgerollt, SBS 206, Stuttgart 2005, 30-51. E. Esch-Wermeling, Paulus lehrt – Thekla lauscht? Annäherungen an textstrategische Phänomene in den Theklaakten, Lectio difficilior 2 (2008a), www.lectio.unibe.ch. Dies., Thekla – Paulusschülerin wider Willen? Strategien der Leserlenkung in den Theklaakten, NTA 53, Münster 2008b. S. E. Hylan, A Modest Apostle. Thecla and the History of Women in the Early Church, Oxford 2015. A. Jensen, Thekla. Die Apostolin. Ein apokrypher Text neu entdeckt, Freiburg i. Br. 1995. A. Merz, Die Apostolin und Protomärtyrerin Thekla. Veränderungen ihrer Repräsentation im kollektiven Gedächtnis/Thecla, the Apostle and Protomartyr. Changes within her Representation in the Collective Memory, Spirale der Zeit/Spirale of Time 8 (2010), 18-24.

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Thekla – die Herrin der Tiere (Zweites Martyrium der Thekla) ActThecl 28-37 (28,1) Beim Aufzug der Tiere band man Thekla an eine wilde Löwin (2) und die Königin Tryphäna heftete sich an ihre Fersen. (3) Die Löwin, auf der Thekla saß, leckte ihr die Füße (4) und die ganze Volksmenge war außer sich vor Staunen. (5) Als Schuldspruch war zu lesen: Tempelräuberin. (6) Und wieder schrien die Frauen – diesmal mit ihren Kindern: (7) »O Gott, ein gottloses Urteil wird in dieser Stadt vollstreckt!« (8) Nach dem Aufzug nahm Tryphäna Thekla wieder zu sich. (9) Ihre verstorbene Tochter Phalkonilla hatte sie nämlich im Traum gebeten: (10) »Mutter, die schutzlose Fremde, Thekla, soll meinen Platz einnehmen, (11) damit sie für mich beten kann und ich an den Ort der Gerechten versetzt werde.« […] (33,1) Man entriss Thekla der Hand Tryphänas, entkleidete sie, gab ihr einen Schurz und stieß sie in die Arena. (2) Dann wurden Löwen und Bären auf sie gehetzt. (3) Eine wilde Löwin lief auf Thekla zu und legte sich ihr zu Füßen. (4) Die Menge der Frauen schrie laut auf. In dem Moment griff eine Bärin Thekla an. (5) Die herbeigelaufene Löwin stellte sich ihr entgegen und zerriss die Bärin. (6) Als nächstes ging ein Löwe Alexanders, den dieser gegen Menschen abgerichtet hatte, auf Thekla los. (7) Löwin und Löwe verbissen sich ineinander und kamen beide zu Tode. (8) Die Frauen klagten noch lauter, da mit der Löwin auch Theklas Schutz gestorben war. (34,1) Nun wurden immer mehr wilde Tiere in die Arena getrieben. (2) Thekla aber stand da, die Hände zum Gebet ausgebreitet. (3) Als sie ihr Gebet beendet hatte, drehte sie sich um, sah eine große Wassergrube und sagte sich: (4) »Jetzt ist der richtige Moment gekommen, mich zu baden.« (5) Und sie sprang hinein mit den Worten: (6) »Im Namen Jesu Christi sei ich am letzten Tag getauft!« (7) Als ihnen die Situation klar wurde, fingen die Frauen und die ganze Volksmenge an zu weinen und riefen: (8) »Spring doch nicht selbst ins Wasser!« (9) Sogar der Statthalter vergoss Tränen bei der Vorstellung, die Robben würden eine solche Schönheit fressen. (10) Aber sie sprang ins Wasser im Namen Jesu Christi. (11) Die Robben sahen noch das Aufleuchten eines feurigen Blitzes – und schwammen tot an der Wasseroberfläche. (12) Thekla dagegen war eingehüllt in eine Feuerwolke, so dass die Tiere sie nicht angreifen konnten und ihre Nacktheit den Blicken (der Zuschauer) entzogen war. (35,1) Als noch mehr Furcht einflößende Tiere in die Arena getrieben wurden, überschlugen sich die Stimmen der Frauen (2) und die einen 440

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warfen Blätter, andere Narde, Kassia oder Amomum, so dass ein Gemenge von (starken) Düften entstand. (3) Die Tiere in der Arena waren dadurch wie betäubt und griffen sie nicht an. (4) Prompt schlug Alexander dem Statthalter vor: (5) »Ich habe Stiere, die noch mehr Furcht einflößen. (6) An die können wir die Tierkämpferin binden.« (7) Missmutig stimmte der Statthalter zu: (8) »Tu, was du nicht lassen kannst.« (9) Man band sie zwischen die Stiere, mit je einem Fuß an ein Tier. (10) Unter die Geschlechtsteile der Tiere legte man glühende Eisen, damit sie – bis aufs Äußerste gereizt – die Verurteilte töten sollten. (11) Die Stiere stürmten zwar wirklich los, aber die Feuerwolke, die die Tierkämpferin umgab, verbrannte die Stricke (12) und es war, als sei sie nie gefesselt gewesen. […] (37,1) Der Statthalter ließ Thekla aus den Reihen der Tiere zu sich rufen. (2) »Wer bist du?«, fragte er sie. (3) »Und was umgibt dich, dass keines der Tiere dir etwas angetan hat?« (4) Sie antwortete: »Ich bin Sklavin des lebendigen Gottes. (5) Und was mich umgibt: Ich habe an den geglaubt, an dem Gott sein Wohlgefallen gefunden hat, an seinen Sohn. (6) Er hat dafür gesorgt, dass keines der Tiere mir etwas angetan hat. (7) Denn er allein ist der Inbegriff von Rettung und Fundament unsterblichen Lebens. (8) (Denn) Sturmgepeitschten ist er Zuflucht, Bedrängten Tröstung, Hoffnungslosen Schutz. (9) Wer aber nicht an ihn glaubt, wird nicht leben, sondern tot sein in Ewigkeit.« Da die Editionen der ActThecl keine Zeilenzählungen bieten, wurde zur besseren Orientierung in dieser Übersetzung eine Untergliederung von der Autorin eingefügt.

Sprachlich-narratologische Analyse Der große Rahmen: die Gesamterzählung. Nachdem Thekla durch den Apostel Paulus zum Christentum gefunden hat (ActThecl 5-7), ist sie derart Feuer und Flamme für ihren neuen Glauben – und in einem keuschen Sinne auch für Paulus (!) –, dass sie für Christus auf den Scheiterhaufen statt ins Ehebett zu ihrem ehemaligen Verlobten steigt (ActThecl 21f.). Doch das erste Martyrium Theklas nimmt einen glücklichen Ausgang, da Gott sich ihrer erbarmt und einen Wolkenbruch bewirkt, der das Feuer löscht. Daraufhin verlässt Thekla ihre Heimat und nach ihrer glücklichen Wiedervereinigung mit Paulus ziehen die beiden zusammen nach Antiochia (ActThecl 24-26). Dort wird Thekla in einen weiteren Konflikt mit einem Mann verstrickt, der sie erneut das Leben kosten soll – doch es kommt wieder anders. Im Einzelnen: Bei der Ankunft in Antiochia wird Thekla von dem mächtigen Alexander umworben. Er versucht zunächst, mit Paulus um Thekla zu feilschen. Als dieser eine Verbindung zu Thekla abstreitet, versucht Alexander, ihr auf offener Straße Gewalt anzutun. Thekla schaut sich kurz nach ihrem Meister um – doch Paulus ist wie vom Erdboden verschwunden. Daraufhin schreitet sie 441

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selbst zur Tat: Mit verbalem und handfestem Gegenangriff wendet sie das Blatt. Sie zerfetzt Alexander das Staatsgewand und reißt ihm die Krone vom Kopf (ActThecl 26). Diese Demütigung lässt der mächtige Mann nicht auf sich sitzen und erreicht daraufhin beim Statthalter das Todesurteil gegen die Tempelschänderin. Bis sie in der Arena mit den wilden Tieren kämpfen muss, bleibt Thekla auf eigene Bitte in Schutzhaft bei der reichen Witwe Tryphäna. Die Frauen der Stadt stehen geschlossen hinter Thekla und verurteilen den Richterspruch aufs Schärfste. Und noch ein anderes Wesen erweist Thekla seine Reverenz: Während des Umzugs der Tiere durch die Stadt leckt die wilde Löwin, an die Thekla gefesselt ist, der Christin ehrerbietig die Füße. Während des Tierkampfes setzten sich die außergewöhnlichen Ereignisse fort. Die Löwin verteidigt Thekla mit dem eigenen Leben gegen andere angreifende Tiere. Als Thekla in ein Wasserbecken springt, um sich am letzten Tag selbst zu taufen, werden die gefährlichen Robben, die darin schwimmen, durch einen Blitz getötet. Auch die wilden Stiere des Alexander können ihr nichts anhaben, da eine Flamme Theklas Fesseln durchtrennt. Abgebrochen wird der Tierkampf allerdings nicht durch diese Ereignisse, sondern aufgrund des Scheintodes Tryphänas: Sie bricht in der Ehrenloge plötzlich zusammen und die ganze Stadt fürchtet die Rache des Kaisers, da die reiche Witwe seine Verwandte ist. Nach einer kurzen Anhörung zu den Ereignissen in der Arena, die Thekla zu einer eindringlichen Bekenntnisrede nutzt, wird sie durch den Statthalter freigelassen. Damit hat sie nach den Ereignissen von Ikonion im ersten Teil der ActThecl nun schon das zweite Martyrium überlebt. Vor der Arena trifft sie anschließend wieder auf Tryphäna, die allem Anschein nach völlig gesund ist und nun an das ewige Leben glaubt. Zurück im Haus Tryphänas lehrt Thekla das Wort Gottes und gewinnt auch die Mehrzahl der Dienerinnen für die christliche Sache. Dann kommt ihr Paulus wieder in den Sinn. Sie reist ihm nach Myra hinterher und berichtet ihm von den Ereignissen in Antiochia und von ihrer Taufe (ActThecl 40). Paulus hört sie bewundernd an und erteilt ihr nun den offiziellen Lehrauftrag, dem sie bis zu ihrem friedlichen Tod in Seleukia nachkommt (ActThecl 41f.). Dies ist in aller Kürze der Aufriss des Gesamttextes der ActThecl. Im Folgenden wird allerdings fast ausschließlich der Teil der Erzählung im Mittelpunkt des Interesses stehen, der in Antiochia spielt. Da es gute Gründe zu der Annahme gibt, dass dieser zweite Teil der Erzählung ursprünglich eine eigene Tradition darstellte und erst sekundär in die ActThecl eingearbeitet wurde, liegt dieses Vorgehen nahe (vgl. Jensen 1995; sowie weiterführend Esch-Wermeling 2008b, bes. 71-148). Der kleine Rahmen: Abgrenzung der Wundererzählung. Die staunenswerten Ereignisse während der πομπή (pompē – Aufzug, Umzug, Prozession) bilden den Anfang der Wunder Theklas in Antiochia, die allesamt an wilden Tieren demonstriert werden. Nach der handgreiflichen Auseinandersetzung mit dem mächtigen Alexander und der anschließenden Verurteilung wurde Thekla zunächst auf eigenen Wunsch in Schutzhaft zu Tryphäna gegeben (ActThecl 27). In ActThecl 28,1 trifft sie nun zum ersten Mal auf eines der wilden Tiere. Darauf folgen drei Kapitel (ActThecl 29-31), die sich im Haus Tryphänas abspielen und die eigentliche Wunderhandlung 442

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unterbrechen. Diese setzt in ActThecl 33 wieder ein, als Thekla in die Arena gestoßen wird und erneut mit den wilden Tieren zusammentrifft. Abgeschlossen werden die eigentlichen Wunder-Ereignisse in ActThecl 35,12. Darauf folgt in ActThecl 36 erneut eine Passage, in der Tryphäna im Mittelpunkt steht. Die Deutung der wundersamen Vorkommnisse nimmt Thekla dann in ihrer Bekenntnisrede vor, die sie auf Nachfrage des Statthalters ablegt (ActThecl 37). Die Figurenkonstellation: Durch die Betrachtung der Figurenkonstellation wird sehr schnell deutlich, dass der Antiochia-Teil der Theklageschichte durch eine klare Geschlechteropposition gekennzeichnet ist. Thekla steht als Heldin im Zentrum, umringt von einer männlichen Opponenten- und einer weiblichen Adjuvantinnengruppe. Innerhalb dieser beiden Gruppen gibt es jeweils Rollen, die sich entsprechen und somit diametrale Paare bilden: der einflussreiche Alexander vs. die Königin Tryphäna; die Männer der Stadt vs. die Frauen mit den Kindern; der wilde Löwe Alexanders (und andere wilde Tiere) vs. die wilde Löwin, die Thekla beschützt (vgl. dazu ausführlich Esch-Wermeling 2008b, 153-158). In dieser Erzählung stehen sich also explizit Frauen und Männer bzw. weibliche und männliche Wesen gegenüber. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Helferinnen Theklas einerseits keine Christinnen und andererseits sozial höhergestellt sind (vgl. hierzu Esch-Wermeling 2008b, 157f.). Eine Sonderrolle innerhalb der Thekla-feindlichen Männerriege nimmt die ambivalente Figur des Statthalters ein, der sich nicht eindeutig zuordnen lässt, da er einerseits für die Verurteilung Theklas verantwortlich ist, schlussendlich aber sehr interessiert Theklas Ausführungen lauscht und die Christin freilässt. Und Paulus? Der Apostel als zentrale Figur der Gesamterzählung spielt im Antiochia-Teil der AtcPlThec überhaupt keine Rolle. Er verschwindet während des Übergriffs durch Alexander, ohne dass der Text ein Wort darüber verlieren würde. Und erst nachdem der Antiochia-Teil mit der Bekehrung des Großteils der Dienerinnen Tryphänas zu einem Abschluss gekommen ist, kommt Thekla ihr Lehrer Paulus wieder in den Sinn und sie macht sich auf die Suche nach ihm. Für die folgenden Ausführungen spielt er deshalb keine Rolle. Der Handlungsablauf: Den Auftakt der wundersamen Ereignisse von Antiochia bildet, wie gesagt, die πομπή (pompē – Aufzug, Umzug, Prozession), bei der die Todeskandidatin Thekla, gefesselt an ein Raubtier, der Stadtöffentlichkeit präsentiert wird. Eigentlich inszeniert als Demütigung der Gefangenen und als eine erste Einstimmung auf die blutrünstigen Tierkämpfe, wird dieser Aufzug der Tiere zu einem Vorgeschmack auf die göttliche Macht Theklas und die wundersamen Begebenheiten, die noch folgen werden. Die Leserinnen und Leser können sich hier mit der staunenden Menge identifizieren und dürfen gespannt sein auf den Fortgang der Ereignisse. Denn nachdem die wilde Löwin Thekla ehrerbietig die Füße geleckt hat, steht zu vermuten, dass auch der Tierkampf wahrscheinlich nicht ganz nach Alexanders Plan verlaufen wird. Gleichzeitig steht die reale Todesbedrohung durch den Ausruf der Frauen ganz konkret im Raum. Mit Hilfe dieses Kontrastes wird der Spannungsbogen aufgebaut und im nächsten Kapitel noch verstärkt, da die Stimmung durch die verzweifelte Wut Tryphänas, die sie Alexander entgegenbringt, emotional noch stärker aufgepeitscht 443

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wird (ActThecl 29-31). In ActThecl 32 leisten sich außerdem die Männer und Frauen der Stadt ein fulminantes Wortgefecht, das die Leserinnen und Leser in die aufgeheizte Stimmung der Tierkampfarena hineinholt und sie gleichzeitig vor die Frage stellt: »Auf welcher Seite stehe ich? Bin ich für oder gegen Thekla?« Dann wird Thekla in die Arena gestoßen und der Tierkampf mit den wundersamen Ereignissen nimmt seinen Lauf – denn es kommt alles anders als es der Veranstalter und Ankläger Alexander geplant hat. Wider Erwarten ist es nicht Thekla, die stirbt, sondern die wilden Tiere, die sie töten sollten. Drei aufeinanderfolgende, parallele Aktionen lassen sich festhalten. Erste lebensbedrohliche Situation mit unerwartetem Ausgang (ActThecl 33): Löwen und Bären werden auf Thekla gehetzt. Doch nicht Thekla stirbt, sondern die Löwin zerreißt die Bärin und stirbt im anschließenden Kampf mit dem Löwen. Thekla lebt. Zweite lebensbedrohliche Situation mit unerwartetem Ausgang (ActThecl 34): Thekla springt in das Robbenbecken. Doch nicht sie wird gefressen, sondern die Robben sterben und Thekla lebt. Dritte lebensbedrohliche Situation mit unerwartetem Ausgang (ActThecl 35f.): Thekla wird zwischen die Stiere gebunden. Doch nicht die Tierkämpferin wird zerrissen, sondern Tryphäna stirbt (zum Schein) und Alexander, der Statthalter und die gesamte Stadt fürchten wegen der möglichen Rache des Kaisers um das eigene Leben. Thekla lebt immer noch. Mit Blick auf die Wunderdefinition des Kompendiums ist in diesem Zusammenhang folgende Beobachtung bemerkenswert: Die wirkende Person bleibt in diesen Szenen zunächst offen. Thekla selbst ist nicht eindeutig die Wundertäterin, sondern in erster Linie die Nutznießerin der übernatürlichen und unerklärlichen Ereignisse. Auch ein passivum divinum liegt nicht vor, so dass Gott zunächst nicht zwangsläufig als Wirkgrund der Wunder angenommen werden kann. Konkreter Auslöser für die folgende Befragung und Freilassung Theklas ist außerdem kein Wunder, sondern der scheinbare Tod Tryphänas, der Alexander veranlasst, seine Tötungsabsicht aufzugeben, um die eigene Haut zu retten. Die Frage des Statthalters nach ihrer Identität nutzt Thekla als Gelegenheit für ihr Selbstbekenntnis. Mit ihrer kurzen, aber sehr prägnanten Rede rückt sie die vorangegangenen Ereignisse in ein neues Licht und bringt eine theologische Deutung ins Spiel. Während der Ereignisse in der Tierkampfarena war der christliche Gott mit Ausnahme des Tauf-Sprunges, den Thekla im Namen Jesu Christi vollführte (ActThecl 34,6.10), mit keinem Wort erwähnt worden. Nun aber erklärt Thekla, dass ihr Glaube an den Sohn Gottes sie gerettet habe, und erklärt ihn zum Urheber der wunderbaren Ereignisse – eine Tatsache, die der Text bis dahin in der Schwebe gelassen hatte.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Viele der im Text geschilderten oder angedeuteten Ereignisse um den Tierkampf in Antiochia entsprechen durchaus antiken Realia. Die Arena war in der Antike der Ort, an dem das Volk auf die Herrschenden traf; sie war Kristallisationspunkt für Kulturelles, Politisches, Gesellschaftliches, Ideologisches, aber auch Unterhaltsames. 444

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Dort fanden Gladiatorenkämpfe, Spiele und Hinrichtungen statt. Die Erwähnung der πομπή in ActThecl 28 deutet an, dass in der Stadt öffentliche Festspiele stattfanden. Der Ablauf eines solchen Agons sah folgendermaßen aus: 1. Bekränzung der Teilnehmer, 2. Prozession/Umzug (πομπή), 3. Opfer, 4. Gebet, 5. Festlied, 6. Festmahl, 7. Spiele, dazu gehörten auch Tierhetzen!, 8. Reden (Herz 1997, 239.245). Auch das erwähnte Inventar an Tieren entspricht den historischen Schilderungen des antiken Tierkampfes. Unter den wilden Tieren, die in der Arena eingesetzt wurden, gehörten Löwen, Bären und Stiere zu den grausamsten und meist gefürchteten (vgl. Esch 2005, 164; rechtliche Hintergründe der Verurteilung: Wehn 2006, 196216; Esch-Wermeling 2008b, 159-161; einschränkend Barrier 2009, 159f.). Soweit die plausiblen Rahmenbedingungen der Erzählung. Einige spezielle Vorkommnisse sollten allerdings genauer unter die Lupe genommen werden: Die Robben: Neben den bereits genannten Tieren, werden im Text auch die Robben als bedrohliche Tiere dargestellt, die offenbar Menschen fressen (ActThecl 43,711). Diese Tatsache erscheint insofern verwunderlich, als die Harmlosigkeit dieser eher trägen Tiere bereits in der Antike bekannt war (vgl. etwa Plin. nat. 9,42). Homer allerdings zeichnet in der Prometeusgeschichte ein sehr abstoßendes Bild der Robbe, indem er sie als stinkende Meerungeheuer bezeichnet (Hom. Od. 4,360-580). Außerdem wird im 15. Buch der Odyssee die getötete Schützin Artemis den Robben als Beute vorgeworfen (Hom. Od. 15,478-480). Darüber hinaus machte man sich in Rom die angenommene natürliche Feindschaft zwischen Robben und Bären zu Nutze und ließ sie bei Zirkusspielen gegeneinander kämpfen (Schneider 2001; Esch 2005, 164f.). Die helfende Löwin: Hier haben wir es mit einem ganz besonderen Tier und dessen ungewöhnlichem Verhalten zu tun, das auch von der Volksmenge im Text mit Staunen quittiert wird (ActThecl 28,4). Zwar gibt es verwandte Geschichten, in denen Verurteilte in der Arena von wilden Tieren nicht angegriffen wurden – aber in diesen Fällen handelt es sich stets um eine Gegenleistung der Tiere, die ihre Opfer bereits kannten und ihnen zu Dank verpflichtet waren. Beispielgeschichten dafür sind Ael. nat. 3,21 und 7,48; Plin. nat. 8,57 sowie die in Ephesus lokalisierte Episode der Acta Pauli (ActPl 9), in der Paulus in der Arena auf einen Löwen trifft, den er zuvor getauft hatte. Als der Löwe ihn erkennt, verschont er ihn. Ein solches Verhalten war antiken Menschen durchaus verständlich, da die antike Vorstellung der Tiervernunft einschloss, dass Tiere sich dankbar gegenüber Wohltaten zeigten (vgl. Toynbee 1983, 55f.; Dierauer 1977, 267-273; Spittler 2008, 173-176.187-189; EschWermeling 2008b, 171f.). Gerade dies trifft in der Thekla-Geschichte allerdings nicht zu. Obwohl die Löwin Thekla zu keinerlei Dank verpflichtet ist, unterwirft sie sich der verurteilten Christin und verteidigt sie mit dem eigenen Leben. Dass Thekla beim Aufzug der Tiere auf der Löwin sitzt, erinnert im antiken Kontext an eine »fatal charade«, die Hinrichtung einer Verbrecherin, vollzogen im Rahmen der Inszenierung griechisch-römischer Mythen. Diese grausame wie publikumswirksame Praxis war antiken Leserinnen und Lesern sicherlich vertraut (vgl. auch 1 Clem 6,2). Thekla könnte hier ganz konkret die Rolle der Kybele oder der Dirke verkörpern, die auf einer Löwin ritt bzw. an einen Stier gebunden wurde (vgl. Coleman 445

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1990, 44.65f.; Spittler 2008, 170.178-180) – wobei natürlich anzumerken ist, dass die mythologische Inszenierung im Falle Theklas seine eigentliche Wirkung gründlich verfehlt, da ihr die Tiere nichts anhaben können oder wollen. Insgesamt können die tierischen Ereignisse in und um die Arena als Hinweise auf den göttlichen Schutz verstanden werden, unter dem Thekla steht bzw. auf die göttliche Aura, die sie umgibt (vgl. die Feuerwolke, die Thekla in ActThecl 34,12; 35,11 umschließt). Auf jeden Fall unterstreicht das außergewöhnliche Verhalten der Löwin die Besonderheit und herausragende Stellung Theklas (vgl. Spittler 2008, 176.188). Die Frauensolidarität: In Antiochia setzt sich nicht nur die Löwin für Thekla ein, sondern auch die Frauen der Stadt protestieren lautstark gegen die Verurteilung und die Hinrichtung Theklas. Ähnlich wie im Fall der Löwin gibt es zwar antike Fälle von öffentlicher »Zusammenrottung« und Protest von Frauen, aber diese sind immer (auch) eigennützig und keine Handlungen gegen die übrige Stadtöffentlichkeit. Gegen die Lex Oppia etwa, die Luxus und Goldschmuck für Frauen nach dem Punischen Krieg größtenteils verbot, gingen die reichen Römerinnen um 195 v. Chr. geschlossen und erfolgreich vor (Liv. 34,1-9). Und als das Triumvirat des Antonius, Octavianus und Lepidus zur Kriegsfinanzierung gegen die Mörder Caesars eine Sondersteuer von den reichen Römerinnen forderte, wehrten sich die Frauen ebenfalls mit Erfolg (App. Bell. Civ. 4,32-34). Im Gegensatz zu diesen Beispielen ziehen die Frauen in Antiochia keinerlei persönlichen Nutzen aus ihrem gemeinsamen Einsatz für Thekla. Das Engagement der Frauen – die nicht einmal Christinnen waren (!) – ist demnach ebenso bemerkenswert wie das Verhalten der Löwin (vgl. Hemelrijk 1987, 217-220; Jensen 1995, 86-88; Esch-Wermeling 2008b, 157f.).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Über die Ebene der Realia hinaus stehen die wilden Tiere in verschiedenen Traditionslinien und sind, auf einer metaphorischen Ebene betrachtet, bemerkenswert. Nach dem antiken Volksglauben lag die Besonderheit der Robben darin, dass sie ein einzigartiges Fell besaßen, dank dessen sie die einzigen Lebewesen waren, die niemals vom Blitz getroffen werden konnten. Belege dafür finden sich bei Plinius (nat. 2,146), bei Plutarch (quaest. 2,6 [664C; 687C]) und Sueton (Aug. 90) (vgl. Schneider 2001, 54f.; Keller 1909, Bd. 1, 407f.; Esch 2005, 172). Bedeutsam ist diese Tatsache deshalb, weil die Robben in der Wassergrube der Tierarena in dem Moment durch einen Blitz getötet werden, als Thekla hineinspringt, um sich zu taufen. Offensichtlich macht Thekla bzw. ihr Gott möglich, was nach paganem Glauben unmöglich war. Außergewöhnlich ist auch der Taufakt, den Thekla eigenmächtig durchführt, da er ohne einen Taufspender vollzogen wird. Ein solcher Taufspender als Gegenüber des Täuflings ist in der christlichen Tradition eigentlich konstitutiv und eine explizite Selbsttaufe weder in der kanonischen noch in der apokryphen Literatur 446

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bezeugt (vgl. Jensen 1995, 95; sowie die Korrektur bei Esch-Wermeling 2008b, 85). Einschränkend sollte allerdings auf die grammatikalische Besonderheit hingewiesen werden, dass die im Text verwendete Verbform βαπτίζομαι (baptizomai) medial oder passivisch sein kann und somit zwei Übersetzungen möglich sind: »ich taufe mich« oder »ich werde getauft«. Im letzteren Fall würde zumindest auf einen unbestimmten Taufspender verwiesen werden. Darüber hinaus spielen noch andere Aspekte eine Rolle: Einerseits kann argumentiert werden, dass der Taufakt Theklas nicht unbedingt notwendig erscheint, da ein Martyrium – als Bluttaufe – die Wassertaufe ersetzen konnte (vgl. Tert. bapt. 16; weiterführende literarkritische und textstrategische Überlegungen bei Esch-Wermeling 2008b, 84-88.290-295), andererseits wird die Dramatik der Ereignisse durch den Akt der spektakulären Selbsttaufe gesteigert und erhält eine besondere Ironie durch die Tatsache, dass der Statthalter, der eigentlich Theklas Tod besiegelt hatte, unfreiwillig zum Taufhelfer/-diakon wird, weil er durch die Übergabe der neuen Kleider – sinnbildlich für das Anziehen Christi bzw. des neuen Menschen (vgl. Gal 3,27; Kol 3,10; Eph 4,24) – den Taufritus nach urchristlicher Vorstellung beschließt (vgl. dazu Merz 2012b, 3-7). Wobei Thekla es sich in dieser Szene nicht nehmen lässt, selbst den theologischen Schlussakzent zu setzen und Zeugnis über ihren Glauben abzulegen. Doch zurück zu den Tieren: Neben den Robben weisen auch die anderen wilden Tiere, die in der Arena von Antiochia auftreten, Besonderheiten auf. Sie sind allesamt entweder Begleiter oder Repräsentanten paganer Gottheiten. Das Zusammenspiel von Tieren und Göttern war in der Antike durchaus gängig. Um einerseits die Macht und die Erhabenheit der Gottheiten zu unterstreichen, wurden ihnen wilde Tiere zugeordnet, die für die Menschen eine Gefahr oder Bedrohung darstellten. Andererseits ist das wilde Tier Kraftträger der göttlichen Macht und kann zur Abbreviatur der Gottheit werden. Löwe und Löwin standen sinnbildlich für die Macht und Herrschaft der höchsten griechischen Gottheiten; explizit war das Tier der kleinasiatischen Göttermutter Kybele – der »Löwengöttin« des klassischen Altertums –, aber auch Hera, Athene und Apollon zugeordnet (Keller 1909, Bd. 1, 50.53; Cahn 1950). Die populäre Göttin Artemis, die Herrin der Tiere, wurde u.a. als Bärengöttin bezeichnet; teilweise wurde ihr ein Bär zugeordnet und beim Kult der Göttin wurden Bärenmasken verwendet (Toynbee 1983, 90; Graf 1997a, 55). Und das Machtsymbol Stier spiegelt sich in den Hörnerkappen mesopotamischer Gottheiten und der Verwendung des Stiers als Podest der Götter wider (Keel 1977, 76; Esch 2005, 168-174). In der Arena von Antiochia herrscht folglich eine religiös-mythologisch höchst aufgeladene Atmosphäre, die antike Zeitgenossen sicherlich an die Inszenierung der oben bereits erwähnten »fatal charades« (vgl. Coleman 1990) denken ließ.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Eine werbewirksame Machtgeschichte: Der große Rahmen des wundersamen Martyriums Theklas in Antiochia ist die Auseinandersetzung zwischen Christentum und 447

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griechisch-römischer Götterwelt, in der das Christentum den symbolischen Sieg über den paganen Glauben davon trägt. Denn nicht die verurteilte Christin stirbt, sondern die scheinbar so machtvollen Tiere, die symbolisch für die pagane Götterwelt stehen. Repräsentiert durch die wilden Tiere wird somit der Untergang der paganen Götter in der Arena inszeniert. Wer die Tiermetaphorik zu deuten weiß, dem wird glasklar vor Augen geführt, dass die alten Götter ausgedient haben und gegen die Übermacht des christlichen Gottes nichts aufbieten können. Die vermeintliche Todesstunde der Christin wird zur Sternstunde des christlichen Gottes. Am Ende des Tierkampfes kann Thekla vor der gesamten Stadtöffentlichkeit verkünden, dass ihr Gott »allein Inbegriff der Rettung und Fundament unsterblichen Lebens« (ActThecl 37,7) sei und »wer aber nicht an ihn glaubt, wird nicht leben, sondern tot sein in Ewigkeit« (ActThecl 37,9) – und wird dafür vom Statthalter mit allen Ehren freigelassen. Über diese Machtdemonstration des Christentums hinaus vermittelt der Text aber gleichzeitig die Botschaft bzw. die Einladung an die nichtchristliche Umwelt, an diesen lebendigen Gott zu glauben; denn wer an ihn glaubt, wird niemals verloren sein, sondern gemeinsam mit ihm den Sieg des Lebens über den Tod davontragen. Beispielhaft wird dies an der Figur Tryphänas gezeigt, die die »frohe Botschaft« erhält und am Ende sagen kann: »Nun glaube ich, dass Tote auferweckt werden. Nun glaube ich, dass mein Kind lebt« (ActThecl 39). Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Antiochia-Teil der ActThecl eine Art »Werbefeldzug« im paganen Milieu darstellt. Dieser ist besonders überzeugend, da sich der Text in die Metaphorik der paganen Umwelt und Götterwelt kleidet. Thekla, die von der Löwin beschützt wird und der kein wildes Tier etwas anhaben kann, steht selbst im Dunstkreis der paganen Götter und kann somit auch von paganer Seite als überzeugende Identifikationsfigur, als »neue Herrin der Tiere« wahrgenommen werden (vgl. Esch-Wermeling 2008b, 171-178.224-228.299-302). In diesem Zusammenhang spielt auch die (Selbst-)Taufe eine prägnante Rolle: Sie erscheint »als ein mächtiges Ritual, in dem der eine, lebendige Gott seine Macht über alle irdische Gewalt und ihre Götzen demonstriert« (Merz 2012b, 16). Mit Hilfe der Taufe überwindet Thekla die todbringenden Tiere, und am Ende ist es der Statthalter, der Thekla wie ein christlicher Diakon die neuen Kleider bringen lässt und damit das Ritual vollendet. Der Text spielt hier offensichtlich kreativ und auf Kosten der paganen Umwelt mit dem der christlichen Leserschaft bekannten Taufritus. Eine tierische Spiegelgeschichte: Neben dem erwähnten großen Deutungsrahmen ergeben sich auch auf der innertextlichen Ebene interessante Deutungsmöglichkeiten. Da die wilden Tiere in der Arena ganz bewusst für oder gegen Thekla Partei ergreifen, liegt die Vermutung nahe, dass sich die Aktionen der Menschen in den Ereignissen mit den Tieren widerspiegeln. Die Löwin als »Königin der Tiere« weist starke Parallelen mit der Königin Tryphäna auf. Der wilde Löwe und die Stiere werden explizit als Alexanders Eigentum bezeichnet. Während Tryphäna alle Kräfte aufbietet und sich mit Alexander auseinandersetzt (ActThecl 30f.), kämpft die Löwin gegen den Löwen; während die Löwin den Löwen tötet und dabei selbst stirbt, um Thekla zu beschützen, reißt Tryphäna durch ihren (Schein-)Tod den mächtigen 448

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Alexander ins Verderben und erreicht den Abbruch der Tierkämpfe. Während Alexander Thekla auf offener Straße (sexuell) überfällt, aber an ihr scheitert (ActThecl 26), sollen die Stiere Thekla von den Genitalien aufwärts zerreißen, aber die Aktion wird vereitelt. Die wundersamen Ereignisse in der Tierkampfarena nehmen folglich Geschehenes auf und führen es weiter oder deuten Ereignisse voraus (vgl. Esch 2005, 166-169; zur sexuellen Konnotation der Übergriffs- und der Stierszene vgl. Wehn 2006, 196-237; Esch-Wermeling 2008b, 272-290). Eine erbauliche Liebesgeschichte: Eine bislang noch unerwähnt gebliebene Traditionslinie ist die der antiken Liebesromane. Bezüge zwischen den antiken Liebesromanen und den ActThecl (bzw. den gesamten Apostelakten) werden in der Sekundärliteratur bereits seit Langem diskutiert (Söder 1969; Burrus 1987, 44-60; Pervo 1996, 685-709; Aubin 1998, 260-272; Klauck 2005, 14-21; Betz 2007, 140-145).Vor diesem Hintergrund können die Ereignisse von Antiochia als ein leidvolles Abenteuer der getrennten Liebenden Thekla und Paulus gedeutet werden (»liebend« hier allerdings in einem enkratitisch-gekehrten Sinne!). Dieses Abenteuer bringt Thekla ebenso wie die Liebenden aus den Romanen in eine lebensgefährliche Situation. Aber so eine Liebesgeschichte hat letztendlich dann doch ein »Happy End«, auch wenn der Spannung zuliebe die Rettung erst in letzter Minute erfolgt (vgl. EschWermeling 2008b, 97-136). Eine ausgesprochene Frauengeschichte: Wenn ein Text dieses Bandes es gebietet, unter einer Gender-Perspektive beleuchtet zu werden, dann ist es wohl dieser. Denn der Antiochia-Teil der ActThecl ist eine explizite Frauengeschichte. Nicht nur, dass das Geschlecht das entscheidende Differenzkriterium in dieser Erzählung darstellt, in der alle positiv konnotierten Rollen mit Frauen besetzt sind (diese Besonderheit unterscheidet die Antiochia-Geschichte von allen anderen apokryphen Apostelakten). Im Gegensatz zu vielen anderen biblischen und apokryphen Texten ist es sogar so, dass die Männer, abgesehen von den Opponenten-Rollen, keinerlei Erwähnung finden und lediglich die Rolle von Statisten einnehmen – eine Funktion, die sonst häufig den Frauen zukommt, da sie allein aus grammatikalischen Gründen der inklusiven Sprache in der Masse der Männer verschwinden (vgl. Esch-Wermeling 2008b, 154-157.184-186). Die Gruppe der weiblichen Wesen in Antiochia setzt sich aus sehr heterogenen Mitgliedern zusammen, die weder Status, noch Religionszugehörigkeit oder Herkunft verbindet – gemeinsam ist ihnen lediglich ihr Geschlecht und die daraus resultierende untergeordnete rechtliche und soziale Stellung innerhalb der männlich dominierten Gesellschaft. In diesem Sinne ist der Text eine ganz besondere Hoffnungsgeschichte für die Schwachen und Unterdrückten in der androzentrisch strukturierten Gesellschaft, denen sonst keine Stimme verliehen wird. Auf beeindruckend kreative und unkonventionelle Weise zeigen Theklas Helferinnen, wie effektiv ihre uneigennützige Kooperation sein kann. Zur Befreiung Theklas tragen sie einen »Löwen«-Anteil bei: Die Löwin verteidigt Thekla mit dem eigenen Leben. Die Frauen betäuben die wilden Tiere in der Arena durch starke Aromata. Tryphänas (Schein-)Tod stellt den eigentlichen Auslöser für die Freilassung Theklas dar und ihre Dienerinnen machen sich nützlich, indem sie den Tod der Königin 449

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lautstark verkünden. Gemeinsam senden sie die klare Botschaft aus: Die Umkehrung der Verhältnisse ist möglich! Inwieweit hieraus auf soziale Realitäten von Frauen in der Antike geschlossen werden kann, wird in der Forschung allerdings durchaus kontrovers diskutiert: Während einige Autorinnen und Autoren den Text als Manifestation von Frauenwiderstand im frühen Christentum und Ausdruck einer spezifischen Frauen-Welt sehen (vgl. Davies 1980; MacDonald 1983; ders. 1984; Burrus 1987; Kraemer 1992), warnen andere davor, von den Texten der apokryphen Apostelakten vorschnell auf eine soziale Realität von Frauen zu schließen, und sehen hinter den Texten eher Konflikte zwischen Männern um Autorität und soziale Ordnung (Cooper 1992; dies. 1996). Jüngere deutschsprachige Publikationen sehen hinter der fiktiven Gestalt Theklas und ihrer Geschichte aber durchweg eine Spiegelung gelebter und diskutierter Realitäten antiker Frauen (vgl. Schottroff 1993; dies. 1995; Sutter Rehmann 2000; Büllesbach 2003; Wehn 2006).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Historisch Greifbares wissen wir fast nichts über Thekla, aber in ihrer Geschichte begegnen wir einer faszinierenden Frauenfigur der Frühkirche, die zwischen eigenständiger Apostolin und treuer Paulusschülerin, zwischen mutiger Verkündigerin des einen Gottes und siegreicher Tierkämpferin im Dunstkreis griechischer Gottheiten, zwischen keuscher Jungfrau und begehrenswerter Schönheit changiert. Auch wenn die heilige Protomärtyrerin Thekla heute kaum noch bekannt ist und ihr Name seit dem II. Vatikanum sogar aus dem offiziellen Römischen Martyrologium gestrichen wurde, weil ihre Geschichte zu unsicher sei, als dass man ein Fest der Gesamtkirche darauf begründen könne (vgl. Jensen 1995, 7f.), so gibt es eine ganze Reihe von unterschiedlichen Zeugnissen ihrer Wirkungsgeschichte. Im Folgenden wird lediglich eine Auswahl präsentiert, die mit der Darstellung Theklas aus dem Antiochia-Teil der ActThecl zusammenhängt (zu weiteren Aus- und Nachwirkungen vgl. Albrecht 1986, 239-326; Davis 2001; Esch-Wermeling 2008b, 11-13.308-310). An erster Stelle ist der polemische Kommentar Tertullians zu nennen, dem die spektakuläre Selbsttaufe Theklas im Robbenbecken und dessen Auswirkungen offenbar ein Dorn im Auge waren. Der Kirchenschriftsteller aus Karthago wettert um 200 n. Chr. in seinem Traktat Über die Taufe gegen diesen Text, die Frauen, die sich auf ihn berufen, und den Verfasser, der ein Fälscher sei (Tert. bapt. 17,5; vgl. Schleyer 2006, 204f.). Was er uns damit liefert, sind wertvolle Informationen. Denn neben dem terminus ante quem der Abfassung der ActThecl belegt er, dass sich Frauen als Legitimationsbasis für ihre Lehr- und Tauftätigkeit auf die ActThecl beriefen – und zwar nicht nur in Kleinasien, sondern offensichtlich auch in Tertullians Heimat in Nordafrika! (Vgl. Schleyer 2006, 280-287; Borleffs 1948, 196-198; Rordorf 1993b; Hilhorst 1996.) 450

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Die Polemik Tertullians konnte ebenso wenig verhindern, dass bereits im 4. Jh. n. Chr. in Seleukia, dem heutigen Selifke an der türkischen Südküste, eine eindrucksvolle Kultstätte für Thekla errichtet wurde (Hagia Thekla), deren magnetische Wirkung weit über die Grenzen Kleinasiens hinausreichte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Heiligtum an der Stelle errichtet wurde, an der zuvor die Göttin Athene kultisch verehrt worden war (vgl. Dagron 1978, 56). Auf einem Kalksteinrelief aus Ägypten (4./5. Jh.) ist Thekla fast unnahbar und erhaben zwischen zwei Löwen dargestellt, an die sie gefesselt ist, flankiert von zwei Engeln. Dieses Relief steht offenbar in der Tradition paganer Göttinnen-Darstellungen und macht Thekla auch ikonographisch zur »neuen Herrin der Tiere« (vgl. die Ausführungen und Darstellungen bei Esch 2005, 176-179). Ganz in diesem Sinne erheben insbesondere die ersten vier Wundererzählungen aus dem Leben und den Wundern der heiligen Thekla (5. Jh. n. Chr.) die Christin explizit zur Siegerin über die paganen Götter (vgl. Dagron 1978, 81-84.285-297; Gotter 2003, 193-201; vgl. dazu Ebel zu Wunder der heiligen Thekla 1 in diesem Band). Der Kirchenvater Gregor von Nazianz (4. Jh. n. Chr.) stellt Thekla neben Elias, Daniel, Jona, Susanna und Johannes den Täufer und schreibt in seinen Mahnungen an die Jungfrauen: »Wer hat Thekla aus dem Feuer gerettet und wer band die große Kraft der wilden Tiere? Oh großes Wunder! Die Parthenia bringt wilde Tiere zur Ruhe, und sie erdreisten sich nicht, den heiligen Körper der Jungfrau mit ihren Kinnbacken zu entweihen.« (Greg. Naz. carm. 1,2,2 [Z.190-194]; vgl. Albrecht 1986, 239-246) Hier wird die Wirkmacht Theklas auf ihre konsequente Jungfräulichkeit zurückgeführt, die im Gesamtduktus der ActThecl deutlich betont wird, im Antiochia-Teil der Akten aber überhaupt keine Rolle spielt. Die starke Zuspitzung der Wahrnehmung ihrer Person als Jungfrau ist der These Anne Jensens zufolge auch der Grund für Theklas abnehmende Popularität in den späteren Jahrhunderten und letztendlich für ihre jahrhundertelange Unbekanntheit. Denn neben der Jungfrau par excellence, der Gottesmutter, konnte Thekla auf Dauer nicht bestehen und wurde immer mehr ins Abseits gedrängt. Dem vermehrten Interesse an apokrypher Literatur im Allgemeinen und der neueren Frauenforschung im Speziellen ist es sicher zu verdanken, dass Thekla heute kein solches Schattendasein mehr fristet. Inzwischen gibt es eine Fülle von Thekla-Literatur, die diese bemerkenswerte Figur des frühen Christentums – berechtigterweise! – wieder ins Gespräch gebracht und zum Gespräch gemacht hat. Eine (zugegebenermaßen) kleine Auswahl aus der Vielzahl von Veröffentlichungen findet die interessierte Leserin und der neugierig gemachte Leser im Folgenden. Elisabeth Esch-Wermeling

Literatur zum Weiterlesen S. J. Davis, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity, Oxford Early Christian Studies, Oxford 2001.

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M. Ebner (Hg.), Aus Liebe zu Paulus? Die Akte Thekla neu aufgerollt, SBS 206, Stuttgart 2005. E. Esch-Wermeling, Paulus lehrt – Thekla lauscht? Annäherungen an textstrategische Phänomene in den Theklaakten, Lectio difficilior 2 (2008a), www.lectio.unibe.ch. Dies., Thekla – Paulusschülerin wider Willen? Strategien der Leserlenkung in den Theklaakten, NTA 53, Münster 2008b. A. Jensen, Thekla. Die Apostolin. Ein apokrypher Text neu entdeckt, Freiburg i. Br. 1995. A. Merz, Die Apostolin und Protomärtyrerin Thekla. Veränderungen ihrer Repräsentation im kollektiven Gedächtnis/Thecla, the Apostle and Protomartyr. Changes within her Representation in the Collective Memory, Spirale der Zeit/Spirale of Time 8 (2010), 18-24. J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/247, Tübingen 2008, 156-189. B. Wehn, ›Vergewaltige nicht die Sklavin Gottes!‹ Gewalterfahrungen und Widerstand von Frauen in den frühchristlichen Thekla-Akten, Königstein/Taunus 2006.

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Bestialische Menschen und ein frommes Tier (Löwentaufe und Löwenkampf) ActPl 9,1-15.22-26 (9,1) [P.Bod. 1] Als Paulus dies gesagt hatte, verließ er Smyrna, um nach Ephesus zu gehen. Und er trat in das Haus von Aquila und Priszilla, voller Freude; indem er aber die Brüder und Schwestern sah – welche er, Paulus, liebte –, wie sie sich selbst ebenfalls freuten und sprachen, da wurden sie würdig, dass Paulus seinen Fuß in ihr Haus setze (?). Und es entstand Jubel und große Freude. (2) Nun verbrachten sie die Nacht wachend im Gebet, prüfend [den Willen Gottes], um [ihr] Herz zu stärken, und [beteten] alle einmütig in allerlei Weise. Der Engel des Herrn trat in das Haus des Aquila und stellte sich vor sie alle. Er redete mit Paulus in einer Weise, dass sie alle bestürzt wurden: [dieser Engel] zwar, der da stand, ließ sich sehen (wörtl. offenbaren); die Worte aber, die er zu Paulus sagte, hörten die [Dabeistehenden] nicht. (3) Als der Engel aufgehört hatte, mit Paulus in Zungen zu reden, gerieten sie in Furcht und wurden bestürzt und verstummten. Aber Paulus blickte die Brüder und Schwestern an und sagte: [P.Bod. 2] »(Ihr) Männer (und) Brüder! Der Engel des Herrn ist zu mir gekommen, wie ihr alle es gesehen habt, und er hat mir gesagt: ›Ein großer Brand wird zu Pfingsten über dich kommen [der Rest der Rede des Engels ist stark zerstört, Paulus wird darin aufgefordert, in der kommenden Prüfung sein Vertrauen auf den Gott Jesus Christus zu setzen]«. (4) Paulus konnte nun aber nicht schwermütig (?) sein wegen Pfingsten, denn es war eine Art von Fest für (?) die, die an Christus glauben, die Katechumenen sowohl wie die Gläubigen; vielmehr gab es große Freude und eifrige Liebe und Psalmen und das Lob für Christus, und um die Hörer zu bestärken. (5) Paulus sagte: »(Ihr) Männer (und) Brüder! Vernehmt, was mir widerfuhr, als ich zu Damaskus war, zu der Zeit, als ich den Glauben an Gott verfolgte; als (dann) der Geist mich traf, vom Vater her, der mir seinen Sohn ankündigte, damit ich [P.Bod. 3] in ihm lebe, denn es gibt kein Leben außer dem, das in Christus ist. Ich trat in eine große Kirche ein, durch (?) den seligen Judas, den Bruder des Herrn, der mir von Anfang an die hohe Liebe des Glaubens gegeben hat. (6) Ich führte meinen Wandel in der Gnade, durch (?) den seligen Propheten, und in der Enthüllung des Christus, desjenigen, der vor [allen] Zeiten erzeugt ward. Während man ihn mir predigte, erfreute ich mich in dem Herrn, genährt durch seine Worte. Als ich es dann vermochte, wurde ich [für] würdig [befunden] zu reden; ich 453

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sprach zu den Brüdern (und Schwestern) – Judas trieb mich dazu – dergestalt, dass ich geliebt wurde von denen, die mich hörten. (7) Als es Abend geworden war, verließ ich die Agape, die die Witwe Lemma und ihre Tochter Ammia bereitet hatten. Während ich in der Nacht ging, um Jericho in Phönizien zu erreichen, legten wir große Strecken zurück. Als der Morgen dämmerte, folgten mir Lemma [P.Bod. 4] und Ammia, sie, die […] Liebe, denn ich (?) geliebt von [ihrem Herzen?], so sehr, dass sie sich nicht von mir (?) entfernten. Ein großer und schrecklicher (oder: hungriger) Löwe kam aus dem Tal des Feldes der Gebeine. Wir jedoch, wir waren so sehr im Gebet (?) [vertieft], dass Lemma und Ammia durch das Gebet […] das Tier [unverständliche Stelle]. Als ich mit meinem Gebet zu Ende war, hatte sich das Tier zu meinen Füßen geworfen. Ich ward voll Heiligen Geistes, sah es an und sagte zu ihm: ›Löwe, was willst du?‹ Da sagte er: ›Ich möchte getauft werden.‹ (8) Ich lobte Gott, der dem Tier Sprache verliehen hatte und seinen Dienern das Heil. Nun gab es an diesem Ort einen großen Fluss; ich stieg dort hinein, indem dieser [Löwe] mir folgte. Wie Tauben (?), sich vor Adlern (?) fürchtend, in ein Haus fliehen, um gerettet zu sein, so war es mit Lemma und Ammia, die nicht aufhörten (?), demütig anzubeten, bis ich lobgepriesen und Gott gerühmt hatte. Ich selbst war in Furcht (und) Verwunderung, indem ich daran war, den Löwen wie einen Ochsen zu führen und ihn ins Wasser zu tauchen. Ich aber stand am Ufer, [P.Bod. 5] (ihr) Männer (und) Brüder, und schrie mit folgenden Worten: ›Der, der in den obersten [Orten] wohnt, der seinen Blick auf die Demütigen richtet, der, der den Erschöpften die Ruhe gegeben hat, der, der das Maul der Löwen bei Daniel verstopft hat, der mir unseren Herrn Jesus Christus gesandt hat, [o du], gib, dass wir […] entkommen (?) dem Tier, und den Plan den [du festgelegt] hast, erfülle ihn!‹ (9) Nachdem ich mit diesen Worten gebetet hatte, nahm ich den [Löwen] bei seiner Mähne und im Namen Jesu Christi tauchte (?) ich ihn dreimal unter. Als er dem Wasser wieder entstieg, schüttelte er seine Mähne zurecht und sagte zu mir: ›Gnade sei mit dir!‹ Und ich sagte ihm: ›Desgleichen mit dir!‹ Als der Löwe nun zu dem Feld davonlief, voller Jubel – das wurde mir ja im Herzen offenbar –, begegnete ihm eine Löwin, und er wandte sein Gesicht nicht zu ihr hin, sondern er […] er lief davon … (10) Siehe nun, ihr selbst, Aquila und Priszilla, an den lebendigen Gott seid ihr gläubig geworden; und indem ihr belehrt (?) worden seid, habt ihr das Wort (?) gepredigt« (alternative Rekonstruktion nach KasserLuisier 2004: »… das, was ihr empfangen habt, predigt wie ich.«) (11) Als Paulus das sagte, wurde eine große [P.Bod. 6] Menge zum Glauben hinzugetan, so dass es eine Eifersucht gab und der Magistrat von 454

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ganz Asien (?) sich gegen Paulus wandte, damit er sterbe. Es gab in der Tat (?) eine Frau in der Stadt, die viele [gute] Werke für die Epheser verfertigte: ihr Name war Prokla. Paulus taufte sie, sie und all die Ihrigen. Und es war da der Ruf der Gnade und vielfaches Lob zwischen […] und Pfingsten. Der Kranz Christi vervielfältigte sich, so dass das (heidnische) Volk (?) in der Stadt ein großes Ansehen erfuhr (?). [Man sagte], dass »dieser Mensch die Götter zerstört hat durch sein Reden: ›Ihr werdet sie sehen, wie sie alle vom Feuer verzehrt werden!‹« (12) Als Paulus hinausging, hielten ihn die Leute aus der Stadt […]fest (?), führten ihn zum Theater und verlangten, dass der Statthalter komme. Als er nun kam, fragte er Paulus und sagte: »Warum sagst du das und lehrst die Lehren, die von den Königen verurteilt und von der Welt verworfen und von uns nicht gelernt werden? Du erhöhst (?) ja deinen Gott, wie man (?) [P.Bod. 7] es gehört hat, um (?) die [Götter] der Römer und der [Leute hier?] zu zerstören. Wiederhole [jetzt], was du gesagt hast, als du die Menge überredetest!« (13) [P.Hamb. 1] Paulus aber sagte zu ihm: »[Tue was du willst]. Denn du hast keine Macht über mich, [außer über] meinen Leib, meine Seele aber wirst du nicht [töten können]. [Höre] aber, wie du gerettet werden sollst. [Es folgt eine stark zerstörte, aber in ihrer Grundbedeutung rekonstruierbare anklagende Beschreibung des Zustands der Menschen: Sie wurden durch Reichtum und Laster geknechtet und sind dem Tode verfallen; in P.Hamb. 1,11 werden Gold, Silber und kostbare Steine als Mittel der Versklavung der Menschen genannt].

Jetzt nun, da der Herr will, dass wir leben in Gott wegen des Irrwahnes in der Welt [und nicht] sterben in Sünden, rettet er durch die heiligen [Männer], die verkündigen, auf dass ihr euren Sinn ändert und glaubt, [dass es nur einen Gott gibt] und einen Christus Jesus und kein anderer vorhanden ist. Denn eure Götter sind aus [Erz] und Stein und Holz; sie können weder Nahrung aufnehmen noch sehen noch hören, ja nicht einmal stehen. Fasst einen guten Vorsatz und lasst euch retten, damit nicht Gott erzürnt werde und euch in unauslöschlichem Feuer verbrenne und euer Gedächtnis vergehe.« (14) Und als der Statthalter dieses hörte […] im Theater mit dem Volke, sagte er: »Ihr Männer von Ephesus, dass dieser Mann gut gesprochen hat, weiß ich, ebenso aber, dass […] keine Zeit ist, dass ihr dieses lernt. Was ihr nun wollt, entscheidet!« Die einen sagten, man solle ihn verbrennen […], die Goldgießer aber sagten: »Vor die Tiere mit dem Mann!« Und da sich eine große [Unruhe] erhob, verurteilte Hieronymus ihn zum Tierkampf, nachdem er ihn hatte geißeln lassen. Die Brüder (und Schwestern) nun, da es Pfingsten war, weinten nicht und beugten auch nicht die Knie, sondern frohlockten und beteten [stehend]. (15) 455

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Nach sechs Tagen aber machte Hieronymus einen [Umzug] der Tiere, [so dass] alle Zuschauer die Größe [der Tiere] bestaunten. [P.Hamb. 2] Während Paulus gefangen saß […stark zerstörter Text: Paulus hört in seinem Gefängnis die Vorgänge beim Umzug]. Und [als der Löwe] an die Seitentür des Stadions kam, [wo Paulus] gefangen war, brüllte er laut, so dass alle […] riefen: »Der Löwe!«; denn er brüllte heftig und grimmig, [so dass auch Paulus] erschreckt vom Gebet abließ. [Hier folgen ActPl 9,16-21/P.Hamb. 2,8-4,6, eine eingeschobene Szene, in der die Handlung rund um den Tierkampf unterbrochen wird und die Begegnung der Statthaltersgattin Artemilla mit dem Apostel im Gefängnis sowie ihre Taufe bei Nacht erzählt werden, die gesondert im nächsten Beitrag besprochen wird, vgl. dazu Merz zu ActPl 16-21.26-28 in diesem Band. Paulus wird zwischenzeitlich aus dem Gefängnis befreit, kehrt aber zurück und hat, durch die wunderbaren Ereignisse der Nacht gestärkt, seinen Gleichmut wiedergefunden, der durch das Gebrüll des Löwen angetastet worden war. Der letzte Satz der Zwischenszene zeigt Paulus im Gebet.]

(22) [P.Hamb. 4] Am Morgen aber geschah ein Geschrei von den Bürgern: »Lasst uns zur Schau gehen! Wir wollen den Mann mit den Tieren kämpfen sehen, der Gott besitzt.« Hieronymus selbst aber trat hinzu, teils wegen des Verdachts gegen seine Frau, teils auch weil er (Paulus) nicht geflohen war; er befahl dem Diophantes und den übrigen Sklaven, den Paulus in das Stadion zu führen. Er (Paulus) aber wurde hineingeschleppt, sagte nichts, sondern beugte sich herunter und seufzte, dass er zum Gespött wurde der Stadt. Und fortgeführt wurde er sogleich in das Stadion geworfen, so dass alle sich über die Würde des Paulus ärgerten. Da aber Artemilla und Eubula in Krankheit und in äußerste Gefahr fielen wegen des Untergangs des Paulus, war Hieronymus nicht wenig traurig über seine Frau, aber auch weil sich schon das Gerücht in der Stadt verbreitete und er seine Frau nicht bei sich hatte. (23) Als er nun Platz genommen hatte, befahl der [Obertierwart?], einen sehr wilden Löwen, der vor kurzem gefangen worden war, auf ihn loszulassen. [Der folgende Text ist wieder stark zerstört. Paulus betet und lässt sich darin nicht unterbrechen. Wahrscheinlich betet der Löwe auch. Der Löwe legt sich an des Paulus Schenkeln nieder »wie ein Lamm wohlgezogen«]

Und als er beendet hatte das Gebet, [wie aus dem Traume] erwachend, sprach er zu Paulus mit menschlicher [Stimme: »Gnade sei] mit dir.« Paulus aber erschrak nicht, sondern [sagte] gleichfalls: »[Gnade sei] mit dir, Löwe!« und legte [ihm] die Hand auf. [Und das ganze Volk] schrie: »Fort mit dem Zauberer, hinweg mit dem [Giftmischer!]« (24) Der Löwe aber] blickte Paulus an und Paulus [den Löwen. Da] merkte Paulus, dass dies [der] Löwe [sei], [P.Hamb. 5] der gekommen und getauft worden war. Und vom Glauben getragen, sprach Paulus: »Löwe, warst du der, den ich getauft habe?« Der Löwe antwortete und 456

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sprach zu Paulus: [»Ja«] Paulus aber sprach von Neuem zu ihm: »Und wie wurdest du gefangen?« Der Löwe sprach mit einer [(?), eventuell nach Klauck (vgl. Spittler 2008, 182) zu verbessern in: mit göttlicher] Stimme: »Wie auch du, Paulus!« (25) Als Hieronymus viele wilde Tiere losließ, damit Paulus getötet werde, und gegen den Löwen Bogenschützen, damit auch jener getötet werde, da bei heiterem Himmel schoss ein dichtes, übergewaltiges Hagelwetter herab vom Himmel, so dass viele umkamen und die übrigen alle die Flucht ergriffen. Nicht tastete es aber an den Paulus noch den Löwen, sondern die andern Tiere kamen um unter der Masse des Hagels, (der so heftig war), dass auch dem Hieronymus das Ohr getroffen und abgerissen wurde, und das Volk flüchtend schrie: »Rette uns, Gott rette uns, Gott des Menschen, der mit den wilden Tieren gekämpft hat!« (26) Und nachdem Paulus Abschied genommen hatte vom Löwen, ohne dass dieser noch etwas sagte, verließ er die Arena und ging hinab zum Hafen und bestieg das Schiff, das fuhr nach Macedonien, denn zahlreich waren die Fahrenden, da der Untergang der Stadt bevorstände. So stieg nun auch er mit auf wie einer der Flüchtlinge. Der Löwe ging aber ab ins Gebirge, wie es seiner Natur entsprach. [Es folgt ActPl 9,27-28 die Schlussszene, in der die zwei Erzählstränge der Taufe der Artemilla und des Löwenkampfes zusammengeführt werden. Zunächst werden die Frauen in ihrer Trauer um Paulus von einem Jüngling (?) getröstet, dann heilt dieser das verletzte Ohr des Hieronymus und bekehrt auch diesen zu dem Gott, »der dem Menschen geholfen hat, der mit den Tieren gekämpft hat«. Diese Passage ist abgedruckt bei Merz zu ActPl 9,16-21 in diesem Band]. Der Text von ActPl 9,1-15.22-26 ist teils koptisch (in P.Bod. 41,1-8.14-18) und teils griechisch überliefert (in P.Hamb. 1,3-2,8; 4,6-5,36), mit Überschneidungen in ActPl 9,13-14.22-26. Die Übersetzung folgt Kasser und Schneemelcher (in Schneemelcher/Kasser 1997), wobei in ActPl 9,1-12 der Kopte, danach der griechische Text leitend ist. Gelegentlich wird auf Basis der Ausgaben von Schmidt/Schubert (1936) und Kasser/Luisier (2004) korrigiert oder ergänzt, ohne dass der Versuch unternommen worden wäre, einen eigenen kritischen Text zu erstellen. Die Einteilung in Paragraphen folgt der französischen Übersetzung in der Bibliothèque de la Pléiade (W. Rohrdorf, P. Cherix, R. Kasser), die auch der französischen Übersetzung des koptischen Papyrus Bodmer 41 (in Kasser/Luisier 2004) und der noch nicht publizierten Kritischen Edition zugrunde liegt. In eckigen Klammern sind die Seiten des koptischen Papyrus Bodmer 41 und des griechischen Papyrus Hamburg zugefügt, hierauf wird im Text mit Seiten und Zeilenzählung verwiesen. Anmerkung zum inklusiven Sprachgebrauch: Der Text spricht durchgängig von »Brüdern«, obwohl – im Haus von Aquila und Priszilla! – mit Sicherheit eine gemischtgeschlechtliche Gruppe vorauszusetzen ist. Die Übersetzung wählt eine Zwischenlösung: Wo Geschehen beschrieben wird, ergänze ich die Schwestern, wo Paulus die »Männer (und) Brüder« anspricht, wird jedoch der androzentrische Sprachgebrauch beibehalten, weil Paulus sich sprachlich eindeutig nur an die Männer richtet.

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Sprachlich-narratologische Analyse In der koptischen Handschrift Papyrus Bodmer 41 ist die in Ephesus spielende Episode aus dem Leben des Paulus sekundär als selbständige Einzelerzählung überliefert, während sie im griechischen Papyrus Hamburg eingebunden ist in die Erzählung von den Reisen und Taten des Paulus und der Thekla. Der einleitende Satz bezieht sich zurück auf eine nicht überlieferte Rede des Paulus in Smyrna und berichtet summarisch von der Reise nach Ephesus. Die dort angesiedelten Erlebnisse umfassen mehrere Episoden, die kunstvoll arrangiert sind. Hier folgt zunächst eine Übersicht über die Hauptszenen, bevor diese dann in einiger Ausführlichkeit analysiert werden: ActPl 9,1-10: Missionarische Rede im Haus von Aquila und Priszilla mit Angelophanie, Rückblick auf Berufung des Paulus und Taufe des Löwen (ActPl 9,5-9). ActPl 9,11-15: Missionarische Erfolge und Widerstand gegen Paulus, Befragung im Theater resultierend in Verurteilung zum Tierkampf. ActPl 9,16-21: Zwischenszene: Nacht voller Wunder und Epiphanien mit Taufe der Artemilla (separat besprochen bei Merz zu ActPl 9,16-21 in diesem Band). ActPl 9,22-26: Tierkampf im Theater, Wiederbegegnung mit dem Löwen, Rettung durch Hagel; Flucht von Paulus und dem Löwen. ActPl 9,27-28: Heilung (und Bekehrung?) des Statthalters durch Epiphanie Christi (?).

In ActPl 9,1-4 beginnt Paulus seine Wirksamkeit in Ephesus, indem er zu der im Hause von Aquila und Priszilla versammelten Gemeinde stößt, er ist demnach nicht als Gründer der ephesinischen Gemeinde vorgestellt. Man verbringt die Nacht, wie in den Acta Pauli üblich (vgl. P.Hamb. 7,12-13) wachend im Gebet. Ein Engel erscheint und spricht in Zungen zu Paulus, der den Brüdern und Schwestern den Inhalt der Offenbarung nachträglich auslegt (historisierende Applikation von 1 Kor 14,6.13-19?). Der Engel kündigt dem Paulus unter dem Bild eines großen Feuers eine schwere Prüfung »zu Pfingsten« an, die er bestehen kann, wenn er sein Vertrauen auf den Gott (!) Jesus Christus setzt. Gemeint ist mit dieser chronologischen Angabe, dass die Verfolgung noch vor Ablauf der liturgischen Freudenzeit zwischen Ostern und Pfingsten hereinbrechen wird, wie es dann auch geschieht. Paulus und die versammelte Gemeinde lassen sich von dieser Voraussicht nicht in ihrer pneumatischen Hochgestimmtheit beeinträchtigen, sie setzen die nächtliche Feier fort, die durch Bezeugungen von Freude und Liebe, sowie durch das Singen von Psalmen und Christuslob gekennzeichnet ist (vgl. die ausführlichere Beschreibung einer solchen Feier in P.Hamb. 6,16-7,13 und Merz 2008). Dann hält Paulus eine Rede, in der er zunächst von seiner eigenen Bekehrung berichtet (ActPl 9,5-6) und dann von der sich daran direkt anschließenden Taufe des Löwen. Neben den auch aus der kanonischen Apostelgeschichte und dem Galaterbrief bekannten Details – den Christenverfolger Paulus trifft unverhofft eine Offenbarung Christi, Damaskus als Ort der Bekehrung, ein Gläubiger mit Namen Judas führt Paulus in die Gemeinde ein (vgl. Apg 9,1-19; 22,1-21; 26,12-23 und den 458

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Vergleich bei Snyder 2013, 82-90) – werden auch charakteristische eigene Akzente gesetzt (zur Frage des Verhältnisses vgl. Rordorf 1997; Bauckham 1997; Hills 1997; Marguerat 1997; Büllesbach 2001). Der in Apg 9,11 nicht näher charakterisierte Judas wird als der »Bruder des Herrn« (Mk 6,3) identifiziert und tritt als Traditionsgarant und Lehrer (»seliger Prophet«) neben die direkte Offenbarung Christi, erst als Judas ihn dazu ermutigt, beginnt Paulus selber zu predigen. Er wird auf diese Weise in die bestehende Ordnung und Lehre der Kirche integriert (Czachesz 2007b, 89-91). Die Taufe des Paulus wird übrigens von ihm hier nicht erwähnt, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass der vorliegende Bericht im Rückblick nur eine verkürzte Zusammenfassung der an anderer Stelle in den Acta Pauli ausführlicher beschriebenen Bekehrung des Paulus gibt. Der fragmentarische Zustand des Papyrus erschwert die Rekonstruktion des Wortlauts und die Interpretation der folgenden Szene, die ebenfalls im Rückblick erzählt wird (ActPl 9,7-9). Nach seiner Aufnahme in die »große Kirche« macht er sich auf den Weg nach »Jericho in Phönizien«, vermutlich eine Fehlübersetzung aus dem griechischen Original, wo die Palmenstadt Jericho genannt gewesen sein dürfte (griech. φοῖνιξ phoinix – Palme). Paulus wird begleitet von zwei Frauen, der Witwe Lemma und ihrer Tochter Ammia, die durch ihr Verhalten (nachfolgen, lieben, Paulus nicht aus den Augen lassen, sein Verhalten mit Gebet begleiten) als Jüngerinnen charakterisiert und zu Zeuginnen der Begegnung mit dem Löwen werden. Während Paulus und seine Begleiterinnen im Morgengrauen in intensives Gebet vertieft sind, nähert sich »aus dem Tal des Feldes der Gebeine« (wohl eine Anspielung auf Ez 37,1) ein schrecklicher Löwe, wird jedoch zunächst vom Apostel gar nicht wahrgenommen, was als eine eindrucksvolle Demonstration seines Erfülltseins mit dem Heiligen Geist zu deuten ist. Die geistgewirkte Freiheit von menschlicher Furcht verfehlt ihre Wirkung auf die Kreatur nicht. Als Paulus sich der Wirklichkeit wieder zuwendet, hat sich das Tier zu seinen Füßen geworfen. Vom Geist getrieben fragt Paulus den Löwen nach seinem Begehr und dieser antwortet: »Ich möchte getauft werden.« Paulus kommentiert das zunächst mit dem Satz »Ich lobte Gott, der dem Tier Sprache verliehen hatte und seinen Dienern das Heil« und beschreibt dann seine Vorbereitung der Taufhandlung – er steigt in den Fluss – und die begleitenden Gefühle von Angst vor und Verwunderung über den Löwen, der ihm folgt und sich anschickt, sich »wie ein Ochse« von ihm führen und ins Wasser tauchen zu lassen. Bevor es aber dazu kommt, zitiert Paulus wörtlich das Gebet, das er bei dieser denkwürdigen Gelegenheit an Gott richtete. Es besteht aus vier Anrufungen Gottes und einer zweifachen abschließenden Bitte: Gott wird angerufen (1) als derjenige, der in den höchsten Regionen des Himmels wohnt, jedoch seinen Blick auf die Demütigen, die Niedrigsten richtet, (2) als derjenige, der den Erschöpften Ruhe gegeben hat, (3) als derjenige, der einst das Maul der Löwen bei Daniel verschloss, und (4) als derjenige, der dem Paulus »unseren Herrn Jesus Christus« gesandt hat. Gebeten wird erstens um Errettung »vor dem Tier« – die allgemeine Formulierung ermöglicht Assoziationen die weiter reichen als zu dem in der Szene anwesenden Löwen – und zweitens um Erfüllung des von Gott festgelegten 459

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Heilsplanes, wobei die aufmerksame Leserin sich fragen mag, ob bzw. wie die Taufe eines Tieres sich zu diesem Ziel verhält. Dann erfolgt die Beschreibung der eigentlichen Taufhandlung, die als kuriose Verbindung von etabliertem kirchlichen Ritus (s.u.) und der außerordentlichen Situation geschuldeten Details beschrieben wird, wodurch ein komischer Effekt erzielt wird, wenn z.B. der Löwe zuerst das Wasser aus seiner Mähne schüttelt, bevor er feierlich zu Paulus sagt: »Gnade sei mit dir!« Paulus beendet seine Rede mit zwei Feststellungen, die seinen Zuhörerinnen und Zuhörern (und der Leserschaft der Akten) Hinweise geben auf die Bedeutung der wunderbaren Begebenheit. Zunächst bezeugt Paulus, wie die Taufe das Verhalten des Löwen radikal verändert hat, wobei er dies nicht als direkte Beobachtung wiedergibt, sondern als Wissen, das ihm im Herzen offenbart wurde. Der Löwe traf nämlich eine Löwin und lief davon, anstatt sich mit ihr zu paaren, lebte also fortan asketisch (Pervo 2014, 221: »a model of postbaptismal existence«)! Der die Rede abschließende, leider nicht sicher zu rekonstruierende Satz spricht Aquila und Priszilla auf ihr eigenes Gläubigwerden und ihre Verkündigungspraxis an. Worin genau der Vergleichspunkt besteht, ist nicht mit letzter Sicherheit zu sagen; doch es spricht viel dafür, hier an ein dauerhaft asketisch lebendes Paar von Verkündigern zu denken (mit Pervo 2014, 221). Nach dieser langen, wörtlich wiedergegebenen Rede des Paulus werden die folgenden Ereignisse stark gerafft erzählt (ActPl 9,11-15), im Zentrum steht wiederum eine längere Paulusrede, nun vor der versammelten Stadt im Theater. Einerseits berichtet der Text von Massenbekehrungen, andererseits wächst der Widerstand gegen Paulus, dem »Zerstörung der Götter« vorgeworfen wird. Paulus wird gefangen genommen, ins Theater gebracht und vom Statthalter befragt, hält eine furchtlose Bußpredigt, in der er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe (»Du erhöhst deinen Gott […], um die Götter der Römer und der Leute hier zu zerstören«) bestätigt. Gott wird als alleiniger Schöpfer bezeugt, der Abfall der Menschen durch moralisches Versagen, Luxusleben und Götzendienst angeprangert, Rettung durch Gott in Jesus Christus wird angeboten und den nicht dafür Empfänglichen das Gericht durch vernichtendes Feuer und Anheimgeben an ewiges Vergessen angedroht. Der Statthalter ist beeindruckt, überlässt das Urteil jedoch der Menge; der Erzähler hat hier wohl Anleihen bei den Evangelien gemacht, in denen Pontius Pilatus ähnlich abhängig von der Volksmeinung gezeichnet wird, wodurch die Christusnachfolge des Paulus unterstrichen wird. Während einige Verbrennung »vor dem Tempel«, d.h. dem ephesinischen Haupttempel der Diana, fordern, setzen sich die Goldgießer mit der Forderung »vor die Tiere mit dem Mann« durch. Wie Jesus wird auch Paulus nach der Verurteilung gegeißelt. Interessant ist die erzählerische Schwerpunktlegung. Die Geißelung wird mit einem einzigen Wort berichtet, alle Aufmerksamkeit wird gerichtet auf die Gemeinde, deren Reaktion ausführlich (mit 17 Worten) beschrieben wird. Sie verhält sich vorbildlich, indem sie sich durch das Schicksal des Paulus nicht etwa zu Trauergesten hinreißen lässt, sondern an ihrem liturgischen Brauch festhält, zwischen Ostern und Pfingsten jubelnd und stehend zu beten, womit der Sieg über den Tod gefeiert und symbolisiert wird (s.u.). Die geistige Überlegenheit der Christen wird jedoch im folgenden Abschnitt ausgerechnet durch das Verhalten des Paulus in Zweifel gezogen, wodurch ein enor460

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mes Spannungsmoment entsteht. Nach sechs Tagen lässt der Statthalter Hieronymus einen Umzug der Tiere veranstalten, die für das Spektakel in der Arena vorgesehen sind, darunter als Hauptattraktion ein gewaltiger Löwe. Als dieser auf einem Wagen an der Seitentür der Arena vorbeigefahren wird, wo Paulus eingekerkert ist und anhaltend betet, kommt es zu einer ersten akustischen Begegnung zwischen den beiden: Der Löwe lässt ein gewaltiges Brüllen hören, das die Bevölkerung zu Schreckensäußerungen bringt, aber auch – und darauf kommt es an – dafür sorgt dass Paulus »vom Gebet abließ [wörtlich: abfiel], weil er feige geworden war« (P.Hamb. 2,8). Narrative Komposition und Wortwahl lassen keinen Zweifel daran, dass Paulus hier tatsächlich eine unerwartete Schwäche zeigt. Hatte er doch den Ephesern noch nicht lang zuvor erzählt, wie er sich auf dem Weg nach Jericho vom Herannahen eines Löwen nicht vom Gebet abhalten ließ! Und nun fällt er aus dem unangreifbaren Stand, den das unaufhörliche Gebet ihm verschaffte, heraus (Gal 5,4; 1 Petr 3,17 verwenden dasselbe Verb). Und nicht allein das, der Erzähler vermeldet auch ausdrücklich, dass Paulus voller Angst war, das hier verwendete Verb (δειλόομαι deiloomai) ist sehr negativ konnotiert und lässt an Feigheit denken. Worte vom selben Stamm werden verwendet von Deserteuren, »die Angst hatten und der Hilfe Gottes nicht trauten« (2 Makk 8,13); ein standhafter Märtyrer dagegen hält seinem Peiniger entgegen: »Das Feuer … brennt nicht so gewaltig, dass es mich feige machen könnte« (4 Makk 10,14). Besonders wichtig sind die folgenden zwei Parallelen. In einer früheren Episode der Paulusakten hatte sich Paulus geweigert, Thekla zu taufen, weil ihr eine Prüfung bevorstehe, in der sie nicht standhalten, sondern feige werden könnte (ActThecl 25); nun widerfährt ihm selbst, was er für Thekla unbegründeter Weise fürchtete! Im Polykarpmartyrium wird von einem gewissen Quintus berichtet, der sich zunächst selbst als Christ angezeigt hatte, dann aber »die Tiere sah und sich fürchtete«, woraufhin er beim Kaiser schwor und opferte und damit Christus verleugnete (MartPol 4). Die erste Begegnung mit dem Löwen, der Paulus töten soll, endet somit mit einer zutiefst beunruhigenden Situation der Schwäche des Paulus. Leserinnen und Leser werden sich fragen, ob er seine Stärke wiedergefunden haben wird, wenn es zur entscheidenden Konfrontation kommt. Sie mögen sich vielleicht auch getröstet fühlen: Selbst der furchtlose Apostel Paulus, der es wagte, einen Löwen zu führen »wie einen Ochsen«, wird von einer Anfechtung heimgesucht. Der bisher leitende Handlungsstrang wird an diesem Punkt hoher Spannung unterbrochen durch eine lange Zwischenszene (ActPl 9,16-21), in der zwei Frauen, die Statthaltergattin Artemilla und ihre Freigelassene Eubula, den Paulus des Nachts im Gefängnis aufsuchen (vgl. Merz zu ActPl 9,16-21 in diesem Band). Ironischerweise kommt Artemilla, um »das Gebet des Tierkämpfers zu hören«, und nach einer Reihe von wunderbaren Erscheinungen und Geschehnissen ist Paulus auch tatsächlich wieder ganz der Alte. Als der Tierkampf am folgenden Morgen beginnt und Paulus von den Sklaven des Statthalters ins Stadion geworfen wird, nehmen »alle an der würdevollen Haltung des Paulus Ärgernis« (ActPl 9,22). Die Begegnung zwischen Paulus und dem Löwen ist aufgrund des fragmentarischen Zustands des Textes nicht in allen 461

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Einzelheiten zu rekonstruieren. Deutlich ist aber, dass das Verhalten des Paulus als Gegenbild seiner schwachen Performance vom Vorabend gezeichnet ist. Er lässt sich diesmal nicht abhalten vom Gebet und findet nach dessen Beendigung den Löwen »wie ein Lamm« neben seinen Schenkeln liegend vor. Als der Löwe zu ihm spricht, hebt der Text hervor, dass Paulus nicht erschrickt, sondern wie selbstverständlich antwortet. Die Menge beschuldigt ihn daraufhin wütend, ein Zauberer zu sein, und fordert seine Vernichtung. Paulus und der Löwe erkennen einander als Täufer und Täufling und führen ein kurzes, recht banales Gespräch (ActPl 9,23-24). Die Handlung wird vorangetrieben durch höhere Mächte. Zunächst lässt der Statthalter weitere wilde Tiere auf Paulus und Bogenschützen auf den Löwen los; dann schickt Gott ein Hagelwetter, das Paulus und den Löwen unversehrt lässt, die anderen Tiere tötet und dem Statthalter ein Ohr abschlägt – wieder eine Anspielung auf die Passionsgeschichte der Evangelien (Merz 2006). Die flüchtende Menge, die am Morgen spottend gerufen hatte: »wir wollen den Mann mit den Tieren kämpfen sehen, der Gott besitzt« (ActPl 9,22), fleht nun um Rettung bei dem »Gott des Menschen, der mit den Tieren gekämpft hat« (ActPl 9,25), womit die Arenaszene passend eingerahmt (Pervo 2014, 248) und die Frage nach dem wahren Gott einmal mehr zugunsten des christlichen Gottes beantwortet ist. Paulus verlässt im Schutz der fliehenden Menge Ephesus und begibt sich zu Schiff nach Mazedonien, der Löwe entkommt ins Gebirge (ActPl 9,26). Die letzte Szene der Erzählung (ActPl 9,27f.) spielt im Palast des Statthalters und ist in beiden Zeugen, die hier auch zu divergieren scheinen, stark zerstört. Hieronymus wird offenbar von demselben geheimnisvollen Jüngling (Christus?), der bei der Taufe der Artemilla assistierte, geheilt, nachdem auch er zum Gott des Paulus gebetet hat (»rette mich, Gott, der dem Menschen geholfen hat, der mit den Tieren gekämpft hat«). Nach dem Exzerpt des Nicephorus Callistus (s.u.) empfingen Hieronymus und die bei ihm waren ebenfalls die Taufe.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Der historische Paulus hat höchstwahrscheinlich keinen Tierkampf in der Arena zu bestehen gehabt und sicher keine Tiere getauft. Die beiden zentralen Ereignisse unserer Erzählung, die Taufe des Löwen und das Überleben eines Tierkampfes mit eben diesem Löwen, sind spektakuläre legendarische Ausmalungen der paulinischen Biographie. Die Erzählung ist hierin wahrscheinlich inspiriert von einer ganzen Reihe von jüdischen, frühchristlichen und allgemein antiken Traditionen, die im nächsten Abschnitt zur Traditions- und Religionsgeschichte besprochen werden sollen. Doch lohnt es sich, auch nach den Elementen der Erzählung zu fragen, die einen Anhalt im Leben des Paulus haben, und nach Reflexen antiker Praxis, die der Erzählung in all ihrer Unwahrscheinlichkeit auch für antike Ohren Wirklichkeitsnähe verleihen, sowie nach Elementen aus dem frühchristlichen Gemeindeleben, die verwendet werden, um der Erzählung Realitätsnähe zu verleihen. 462

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Paulus in Ephesus: Wir wissen aus den Paulusbriefen, dass Paulus in Ephesus Christus verkündigt und Gemeinden in der Stadt und ihrer Umgebung gegründet hat. An die Korinther schrieb er: »In Ephesus will ich bis Pfingsten bleiben. Denn mir wurde eine Tür geöffnet, weit und wirksam, doch es gibt auch viele Widersacher« (1 Kor 16,8f.). Etwas später richtet er den Korinthern noch Grüße aus von Aquila und Priska und ihrer Hausgemeinde (1  Kor 16,19). Diese Verse passen mit den genannten Personen (Aquila und Priska), der Konstellation (Erfolg und Widersacher) und der Datumangabe »bis Pfingsten« so gut in die Ausgangssituation der Ephesusepisode der Acta Pauli, dass man die einfachste Erklärung, der Verfasser habe die hier genannten Details als Material bei der Abfassung seiner Erzählung verwendet, für zutreffend halten sollte. Auch dass Paulus bei seinem Aufenthalt in Ephesus und Umgebung in (mindestens) eine lebensbedrohliche Situation geriet, ist in den echten Paulusbriefen verbürgt. Am explizitesten ist 2 Kor 1,8-10a: Wir wollen euch die enormen Schwierigkeiten nicht verschweigen, liebe Brüder und Schwestern, in die wir in Asien geraten sind, die uns weit über unsere Kraft so sehr belasteten, dass wir schließlich nicht mehr leben wollten. Wir hatten uns tatsächlich schon innerlich mit dem Todesurteil abgefunden. (Das geschah aber, rückblickend geurteilt,) damit wir unsere Zuversicht nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt. Er, der uns (dann in der Tat) aus so großer Todesgefahr gerettet hat, wird uns (auch zukünftig) retten.

Worin die Schwierigkeiten, in die Paulus geraten war, genau bestanden, ist dem Text nicht sicher zu entnehmen, es wird mit θλῖψις (thlipsis) ein Wort im Singular genannt, das eine nicht spezifizierte Bedrängnis, Drangsal, Not beschreibt, hervorgerufen z.B. durch Verfolgung, Krieg, körperliche Leiden. Paulus war jedenfalls in Todesgefahr und dass diese in einem (schon gesprochenen oder zu erwartenden?) Todesurteil bestand, ist eine mögliche Interpretation des Textes (diverse Deutungen bespricht Trebilco 2004, 75-81). Vielleicht ist es gerade die Offenheit dieses Textes gewesen, die dazu führte, dass die Geschehnisse in Ephesus in der mündlichen Paulusüberlieferung in verschiedene Richtungen weiterentwickelt wurden. Apg 18,1820,1 behandelt die Anfänge der christlichen Gemeinde in Ephesus und weist einige Übereinstimmungen mit der Ephesusepisode der Acta Pauli auf, insbesondere in der Erzählung vom Aufruhr der Silberschmiede in Apg 19,23-40. Das Verhältnis beider Texte zueinander ist in der Forschung notorisch umstritten (zur Forschungsgeschichte Büllesbach 2001), neben Unabhängigkeit von der Erzählung der Apg (Rordorf 1997) wird deren kreative Benutzung postuliert (Marguerat 1997; Pervo 2014, 228). Wenigen, allerdings signifikanten Übereinstimmungen stehen große Unterschiede im Geschehensablauf gegenüber. Gemeinsam ist beiden Erzählungen eine tumultarische Szene im Theater, deren Anlass die monotheistische Verkündigung des Paulus mit ihrer Kehrseite, der Götzenpolemik, ist; die gefährlichsten Gegner des Paulus sind die Silberschmiede unter Demetrius (Apg 19,24f.38), denen in P.Hamb. 1,28 die Goldgießer zu entsprechen scheinen, die fordern: »vor die Tiere mit dem Mann«. Es handelt sich um Vertreter einer Berufsgruppe die nach Apg 463

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19,24-26 ökonomische Interessen am Verkauf ihrer Devotionalien der Göttin Diana hatte und darum eine (bereits eingetretene oder befürchtete) Abwendung der Massen vom städtischen Hauptkult bekämpfen musste. In den Acta Pauli ist dieses Motiv nicht explizit benannt. Die Feindschaft der Goldgießer wird nicht erläutert, allerdings nennt Paulus Gold in seiner Bußpredigt als eines der versklavenden Elemente, die zum Tode führen (Pervo 2014, 228). Der Ablauf der Geschehnisse und die anderen handelnden Personen sind in beiden Erzählungen sehr verschieden. Paulus ist nach der Darstellung der Apg gar nicht im Theater anwesend, wird auch nicht angeklagt und gefangen gesetzt, reist aber vorsichtshalber sofort ab, nachdem sich der Tumult gelegt und die vom Stadtschreiber beruhigte Volksmenge sich verlaufen hat. Der Apg zufolge ist der Statthalter gar nicht involviert, einige der Asiarchen stehen auf Seiten des Paulus und sind um Deeskalation bemüht (Apg 19,30f.). Während es umstritten, aber nicht undenkbar ist, dass die Darstellung der Apg abzüglich einiger lukanischer Übertreibungen und theologischer Zuspitzungen teilweise auf verlässlicher historischer Information beruht (Trebilco 2004, 155-172), lässt sich ein unabhängiger Rückbezug auf historische Fakten in der Erzählung der Acta Pauli nur schwer wahrscheinlich machen; das einzige Element, das hier möglicherweise genannt werden kann, ist ein Gefängnisaufenthalt in Ephesus, doch selbst dieser bleibt letztlich historisch ungesichert (Trebilco 2004, 83-87). Eine literarische Bekanntheit mit der Apg kann aufgrund der großen Unterschiede im Personeninventar und Erzählverlauf weder ausgeschlossen noch positiv nachgewiesen werden. Die überzeugendste Erklärung für die »historischen Elemente« innerhalb der Ephesusperikope ist Anknüpfung an bekannte Fakten aus den im Urchristentum viel gelesenen Paulusbriefen (1 Kor 16,8f.19; 2 Kor 1,8-10); diese wurden kombiniert mit der wörtlich verstandenen Aussage des Paulus, er habe in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft (1 Kor 15,32, s.u.). Die einzig wirklich auffällige Übereinstimmung mit der kanonischen Apostelgeschichte ist die Gegnerschaft der Silberschmiede/Goldgießer, die auch in der nachpaulinischen Briefliteratur nachklingt (2 Tim 4,14) und auf verschiedene Weise erklärt werden kann: als historische Reminiszenz oder einprägsames Erzählmotiv, das unter Umständen auch losgelöst von der Ursprungserzählung tradiert werden und in neue narrative Kontexte integriert werden konnte. Wirklichkeitsnahe Elemente in der Erzählung: Während die zentrale Begegnung und das Gespräch zwischen Paulus und dem Löwen in der Arena ins Reich der Fabeln gehören, ist die (leider textuell stark zerstörte) umgebende Erzählung wirklichkeitsgetreu wiedergegeben. Geschildert wird eine (übliche) Kombination von Hinrichtung ad bestias und Tierhetzen (das griechische Äquivalent des lateinischen terminus technicus venationes begegnet in unserem Text in ActPl 9,16, 17, 19: θηριομαχῖα thēriomachia – wörtlich: Tierkämpfe). Beide gehörten – zusammen mit Gladiatorenkämpfen – zum Standardprogramm römischer Volksbelustigung und waren eine Mischung aus blutigem Gemetzel, Kampf- und Jagdsport und auch Show mit gezähmten Tieren und Akrobaten (Kyle 1998; Epplett 2001; Wiedemann 2001). Für Hinrichtungen gab es zwei Basisvarianten: Bei der ersten wurde der Verurteilte 464

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als wehrloses Opfer z.B. an einem Pfahl festgebunden von den hungrigen Tieren bei lebendigem Leibe zerfleischt. Ein kaiserzeitliches Mosaik aus Zliten in Nordafrika (Aurigemma 1926; Hönle 1982) zeigt diese Variante (Abb. 22 und 23), die antiken Quellen zufolge bei der Hinrichtung von Christinnen und Christen angewendet wurde (z.B. Eus. h.e. 5,1,41: »Blandina wurde an einem Pfahl aufgehängt, um den wilden Tieren zur Speise zu dienen«).

Abb. 22: Zlitenmosaik

Abb. 23: Umzeichnung

Paulus ist jedoch für die zweite Hinrichtungsvariante vorgesehen, er soll als »Tierkämpfer« (θηριομάχος thēriomachos) auftreten, was bedeutet: als nackte Karikatur eines echten Tierkämpfers. Ein solcher war nämlich mit Schutzkleidung versehen, mit Schwert oder Speer bewaffnet und heutigen Matadoren vergleichbar darauf trainiert, wilde Tiere wie Stiere, Löwen oder Bären in der Arena zum Angriff zu reizen und schließlich zu töten. Der Nervenkitzel bei einem echten Tierkampf bestand darin, dass die Tiere eine gewisse Chance hatten, den Tierkämpfer zu töten, während dies bei einer Hinrichtung ausgeschlossen war, da der Todeskandidat unbewaffnet war und bewaffnete Helfer bereitstanden, um dafür zu sorgen, dass das blutige Spektakel seinen Gang nahm. Das genannte Zliten-Mosaik zeigt auch diese Variante (Abb. 24). Ein nackter Mann, dessen ganze Körperhaltung seine Todesangst und sein Zurückweichen ausdrückt, wird von einem Helfer, der ihn mit der linken Hand brutal am Haar gepackt hält und mit der rechten eine Peitsche schwingt, nach vorne gestoßen, auf den heranstürmenden Löwen zu.

Abb. 24: Zlitenmosaik

Diese Szene, die ohne Zweifel schonungslos die bekannte Realität solcher »Tierkämpfe« zeigt, illustriert verschiedene Aspekte der Beschreibung der Acta Pauli. Dort lesen wir: »Er (Paulus) aber wurde hineingeschleppt, sagte nichts, sondern beugte sich herunter und seufzte, dass er zum Gespött wurde der Stadt. 465

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Und fortgeführt wurde er sogleich in das Stadion geworfen, so dass alle sich über die Würde des Paulus ärgerten« (ActPl 9,22). Paulus wird wie jeder Todeskandidat hart angepackt, aber er »sagt nichts«, was eine subtile Anspielung auf Jesus sein kann (Mk 14,61; so Pervo 2014, 246), aber auf jeden Fall auch bedeutet, dass er nicht, wie viele in dieser Situation, seine Angst durch Schreien oder Fluchen verrät, und nachdem er ins Stadion gestoßen wurde, zeigt er eine Haltung von Würde, die die Zuschauer erstaunt und ärgert. Die Wut der Zuschauer steigert sich, als der Löwe sich gänzlich unlöwenhaft, nämlich wie ein »wohlgezogenes Lamm« verhält, was vielleicht meint, wie ein von Menschen aufgezogenes und daher besonders zutrauliches Lamm, da er sich dem Paulus zu Füßen legt. Daraufhin kommt Plan B zur Ausführung: Mehr wilde Tiere werden auf Paulus losgelassen und Bogenschützen auf den Löwen. Die Hinrichtung war demnach wie üblich als Auftakt zu weiteren Tierhetzen geplant. Dabei wurden allerlei Sorten von z.T. exotischen Tieren aufeinander gejagt und von Menschen mit verschiedenen Bewaffnungen niedergestreckt. In diesem Fall kommen Bogenschützen zum Einsatz. Das erklärt, warum die Erzählung schließlich mit einem weiteren Wunder, einem heftigen Hagelgewitter, aufwarten muss, damit Paulus und der Löwe lebend aus der Arena entkommen können. Dieses weitere Wunder hat eine in der blutigen Realität der Arena verhaftete rationale Notwendigkeit. Dass die wilden Tiere nicht so aggressiv reagierten, wie erwartet, kam offensichtlich öfter vor. Es wird als Zeichen göttlichen Einwirkens gedeutet bei Eus. h.e. 8,7,1-6, von den Zuschauern im Stadion jedoch als Zeichen, dass Paulus über magische Kräfte verfügt (sie schreien: »Fort mit dem Zauberer«, P.Hamb. 4,35). Manchmal überlebten Verurteilte den ersten Tag einer Hetze, um zu einem späteren Zeitpunkt erneut in die Arena gebracht zu werden (Blandina im Bericht über die Märtyrer von Lugdunum bei Eus. h.e. 5,1,41f.53). Ignatius von Antiochien, der zu Beginn des 2. Jh. zum Tierkampf in Rom verurteilte Bischof von Antiochien, der seinem Martyrium glühend entgegenfieberte, schreibt: Möchte ich doch Freude erleben an den wilden Tieren, die für mich bereitstehen, und ich wünsche, dass sie sich mir gegenüber schnell entschlossen erweisen; ich will sie dazu verlocken, mich schnell entschlossen zu verschlingen, nicht so, wie es bei einigen geschah, die sie aus Feigheit nicht anrührten. Wollen sie aber freiwillig nicht, so werde ich Gewalt gebrauchen (IgnRöm 5,2).

Natürlich können die genannten wirklichkeitsnahen Elemente nicht die Historizität des Berichteten beweisen. Wie verschiedene der im nächsten Kapitel zu besprechenden literarischen Traditionen spielt die Erzählung mit bekannter Realität, um eine die Wirklichkeit transzendierende Aussage zu machen. Erkennbare Elemente aus der frühchristlichen Liturgie und dem Gemeindeleben: Die Erzählung datiert das Geschehen mehrfach unter Bezug auf den christlichen liturgischen Kalender. Der Engel verkündigt Paulus, ein »Brand« werde »zu Pfingsten« über ihn kommen (ActPl 9,3); nach der Verhaftung und Verurteilung des Paulus wird berichtet, dass die Gemeinde nicht etwa, wie zu erwarten wäre, fastet und Gott auf Knien für Paulus bittet, vielmehr heißt es: »Die Brüder und Schwestern 466

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nun, da es Pfingsten war, weinten nicht und beugten auch nicht die Knie, sondern frohlockten und beteten [stehend]« (ActPl 9,14). Pfingsten (πεντεκοστή pentekostē) bezeichnet hier die Periode von 50 Tagen zwischen Ostern und dem Pfingstfest (übernommen aus dem jüdischen Kalender: zwischen Passah und Wochenfest). Der Brauch, in dieser Freudenzeit nicht zu knien, ist bei den Kirchenvätern vielfach bezeugt (Ohm 1948, 352f.); der Beleg hier in den Acta Pauli gehört auf jeden Fall zu den frühesten Erwähnungen dieses liturgischen Brauchs, der in den orthodoxen Kirchen noch immer ausgeübt wird. Die in ActPl 9,4 erwähnte Unterscheidung zwischen Katechumenen und Gläubigen ist ebenfalls als anachronistische Rückdatierung späterer Praxis zu verstehen. Das »Gespräch« zwischen Paulus und dem Löwen vor der Taufe und der Taufritus selbst folgen vermutlich der Taufpraxis, die zur Zeit der Abfassung der Acta Pauli in den Adressatengemeinden üblich waren. Gerade weil durch den tierischen Protagonisten eine enorme Verfremdung entsteht, wird das liturgische Formular mit Taufbegehren, Taufformel und Gnadengruß genauestens befolgt, um das Erkennen und damit den Reiz des literarischen Spiels zu erhöhen. Paulus stellt dem Täufling die Frage: »(Löwe), was willst du?« und dieser antwortet: »Ich möchte getauft werden« (ActPl 9,7). Die Taufe selbst erfolgt durch dreimaliges Untertauchen (löwenspezifisch: Der Kopf wird dabei an der Mähne festgehalten) und auf den Namen Jesu Christi. Danach folgt ein formvollendeter liturgischer Gruß. Der Löwe sagt: »Gnade sei mit dir!« und Paulus antwortet: »Desgleichen mit dir!« (ActPl 9,9, ähnlich bei der Begegnung in der Arena ActPl 9,23).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Drei Themenkreise sind hier kurz zu besprechen, bevor einige dann im Rahmen der Deutungshorizonte weitergehend entfaltet werden: alt- und neutestamentliche Texte, die den direkten Anlass für die Entstehung der Erzählung vom Überleben eines Löwenkampfes gegeben haben; Löwen in Erzählungen, insbesondere ein bekannter Legenden-/Fabeltyp, der die Freundschaft zwischen einem Löwen und einem Menschen und das Erzählelement ihrer Wiederbegegnung in der Arena enthält und das Phänomen sprechender Tiere in der antiken Literatur. Den neutestamentlichen Haftpunkt der Legende vom Überleben eines Löwenkampfes bildet die wörtlich aufgefasste Aussage des Paulus in 1 Kor 15,32: »Wenn ich nach Menschenweise in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft habe (ἐθηριομάχησα ethēriomachēsa), was nützt mir das? Wenn die Toten nicht auferstehen, dann ›lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot‹«, vielleicht unterstützt durch 2 Tim 4,17, wo der inhaftierte Paulus vom Verlauf seines Prozesses sagt: »Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Botschaft vollendet würde und alle Heiden sie hören, und ich wurde errettet aus dem Rachen des Löwen.« Beide Aussagen sind ursprünglich übertragen gemeint, denn wie im vorangegangen Abschnitt gezeigt wurde, hätte Paulus vermutlich nicht überlebt, wäre er tatsächlich ad bestias verurteilt wor467

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den, auch hätte er einen Tierkampf kaum in seinen Peristasenkatalogen verschwiegen (2 Kor 11,23-33; 6,4-10). Übertragener Gebrauch von θηριομαχεῖν (thēriomachein – mit wilden Tieren kämpfen) und θηριομάχος (thēriomachos – Tierkämpfer) kam in der moralphilosophischen Literatur der griechisch-römischen Welt vor. So wurde die Sage von Herkules, der den nemeischen Löwen tötete, allegorisch gedeutet auf den Kampf gegen die Lust; dies passt gut zur Deutung der Erzählung in den Acta Pauli (s.u.), weniger gut jedoch zu 1 Kor 15,32 (gegen Malherbe 1968, richtig Schrage 2001, 244). Dort wird Paulus wohl eher einen lebensgefährlichen Kampf mit Gegnern seiner Verkündigung meinen, die gern und regelmäßig als wilde Tiere bezeichnet werden (Lindemann 2000, 352); man vergleiche Phil 3,2; Tit 1,12; Apg 20,29 und IgnRöm 5,1: »von Syrien bis Rom kämpfe ich mit wilden Tieren […], an zehn Leoparden [= Soldaten] gefesselt«. Dieser Sprachgebrauch begegnet auch im hellenistischen Judentum für die Unterdrücker der Juden in Ägypten (Philo Mos. 1,43f.) und im Zusammenhang von Kriegshandlungen im Bürgerkrieg bei App. Bell. Civ. 2,61. Die Ausdrucksweise von 2 Tim 4,17 (»ich wurde errettet aus dem Rachen des Löwen«) steht v.a. in der Tradition alttestamentlicher Texte (Merz 2004, 46-57): einerseits der bekannten Erzählung von der Rettung des Daniels aus der Löwengrube (Dan 6,15-28; aufgenommen als Vorbild u.a. in 1 Makk 2,60), andererseits der Gebetssprache, in der Rettung aus Todesgefahr stereotyp als Rettung vor Löwen (und anderen wilden Tieren) erbeten wird (vgl. 1 Sam 17,37; Ps 7,2f.; 22,17.21f.; 35,17; 91,13; 1QH 13[5*],9.11.13f.18). Diese Traditionslinie wird in den Acta Pauli aufgenommen und narrativ entfaltet (vgl. die erste unten vorgestellte Deutung). Generell gilt der Löwe in der Antike als Urbild von Mut, todbringender Kraft und ungezügelter Sexualität; Löwenmetaphern kommen daher in allerlei Formen vor (schon Aristoteles verwendete »Archill ist ein Löwe« als Standardvorbild der Metapher). Eine Reihe antiker Traditionen beschäftigen sich mit der Großmütigkeit von Löwen und besonders mit ihrer Dankbarkeit gegenüber anderen Tieren oder Menschen, die ihnen Gutes getan haben (Bartelink 1979; Spittler 2008, 172-176). Als nächste Parallele zu den Acta Pauli wird meist die von Apion (1. Jh. n. Chr.) in den Aigyptiaca berichtete Erzählung von Androkles und dem Löwen genannt, die bei Gell. Noct. Att. 5,14 erhalten ist (eine Variante bei Ael. nat. 7,48) und in Auszügen zitiert werden soll. Interessant ist zunächst die Vorbemerkung, die Gellius gegenüber seiner Quelle im Allgemeinen und der Erzählung von Androkles im Besonderen macht: In seinen Schriften […] liefert er [Apion Plistionices] eine ausführliche Beschreibung fast aller merkwürdigen Wunderdinge, die in Ägypten zu sehen und zu hören sind. Mag er nun auch vielleicht in mancher Hinsicht bei einigen Dingen, die er entweder gehört oder gelesen haben will, aus dem fehlerhaften Bestreben, Wunderdinge aufzutischen, oft etwas zu redselig werden …, um seine Kenntnisse an den Mann zu bringen, aber eine Begebenheit ist es besonders, die unsere Aufmerksamkeit verdient, weil, wie er im fünften Buche seiner ›Ägyptens Merkwürdigkeiten‹ betreffenden Schriften aufgezeichnet hat, er behauptet, sie nicht durch Hörensagen oder aus Büchern zu wissen, sondern in Rom mit seinen eigenen Augen gesehen zu haben (Gell. Noct. Att. 5,14,2-4; Übers. nach Weiss 1875, leicht modernisiert).

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Gellius hat demnach Vorbehalte gegenüber der Darstellung des Apion, die oft zu wunderbar ist, um wahr zu sein, und deutet dem Leser wohl auch einen gewissen Verdacht gegenüber der Glaubwürdigkeit des folgenden Augenzeugenberichtes an. Er habe, so Apion, eine der beliebten Tierhetzen besucht. Die Art, wie im Folgenden der Löwe beschrieben wird, weist Übereinstimmungen mit der Schilderung der Acta Pauli auf: Allein vor allen erregte besonders die wilde Wut der Löwen Erstaunen und Bewunderung und unter diesen allen (besonders) wieder ein (gewaltiger) Löwe. Einzig in seiner Art, zog dieser durch seine Leibesstärke, durch seine (furchtbare) Größe, durch sein entsetzliches, durchdringendes Gebrüll, durch seinen Muskelbau, durch seine über den Nacken herabwallenden Mähnen die Aufmerksamkeit und die Blicke aller auf sich (Gell. Noct. Att. 5,14,8-9, man vergleiche in der obigen Übersetzung v.a. ActPl 9,15.23).

Es kommt zu einer unerwarteten Begegnung in der Arena: Unter vielen anderen Unglücklichen wurde auch ein Sklave, das Geschenk eines gewesenen Konsuls, zum Zweck des Kampfes mit diesen wilden Tieren verdammt, vorgeführt. Der Name dieses Sklaven war Androkles. Sobald der Löwe diesen von ferne erblickte, blieb er plötzlich, gleichsam voller Verwunderung stehen, dann näherte er sich langsam und bedächtig diesem Menschen, als wolle er sich genau überzeugen, ob er auch recht sehe. Dann wedelt er nach Gewohnheit und Art schmeichelnder Hunde freundlich, liebkosend und schön tuend mit dem Schweife, schmiegt sich an des Menschen Seite an und leckt sanft mit der Zunge dem beinah schon vor Furcht Entseelten Hände und Beine. Unter diesen Liebkosungen von Seiten des wilden Tieres gewinnt dieser Androkles seine (fast) verlorene Besinnung wieder, wendet seinen Blick allmählich auf den Löwen, um sich ihn genauer zu betrachten. Nun aber, fuhr er fort, hättest Du, gleichsam nach wechselseitig erfolgter Wiedererkennung, sie beide sehen sollen, den Menschen und den Löwen, wie sie erfreut waren und in Glückwünschen sich ergingen (Gell. Noct. Att. 5,10-14, man vergleiche in der obigen Übersetzung ActPl 9,23f.).

Im Folgenden erzählt der Sklave dem Kaiser, wie er auf der Flucht vor seinem ungerechten und grausamen Herrn Zuflucht in einer Höhle suchte, diese sich als Behausung des Löwen erwies, der durch einen Splitter in der Pfote verwundet zurückkehrte, woraufhin Androkles den Splitter entfernte, die Wunde versorgte und für drei Jahre Höhle und Beute mit dem dankbaren Löwen teilte. Danach verließ er die Höhle, wurde gefangen, in Rom zum Tode verurteilt und traf in der Arena auf den Löwen, der ebenfalls gefangen worden war (5,14,15-28, zum gemeinsamen Schicksal vgl. oben ActPl 9,24). Androkles wird daraufhin freigelassen und bekommt den Löwen geschenkt. Apion erzählt abschließend, dass der Mann mit dem zahmen Löwen an der Leine regelmäßig in den Straßen Roms zu sehen war und stets wieder Bewunderung hervorrief (5,14,29f.). Diese letzte Bemerkung ermöglicht eine Hypothese über den Wahrheitsgehalt dieser Erzählung: Apion wird um des rhetorischen Effekts als selbsterlebt geschildert haben, was er tatsächlich von Hörensagen wusste, und er könnte dabei einem Raubtiertrainer aufgesessen sein, der auch noch Geschichtenerzähler war! Die Erzählung liest sich nämlich wie eine historisierende Adaption einer bekannten Fabel, 469

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in der ein Löwe einen Hirten um Hilfe bittet und später den zu Unrecht verurteilten in der Arena rettet (Text bei Perry 1965, 526 Nr. [563]), und Seneca erzählt von einem Raubtiertrainer, der (als Kämpfer oder Verurteilter?) in der Arena von einem seiner ehemaligen Schützlinge beschützt wurde (benef. 2,19). Die Fabel steht der Ephesusperikope in einem Punkt noch näher als die Androkleserzählung: In ihr spricht der verwundete Löwe zum Hirten, er äußert die Bitte, geheilt zu werden, und versichert, dass er nicht darauf aus ist, den Menschen zu verschlingen, was eine gewisse Parallele zur Äußerung des Taufbegehrens darstellt (Pervo 2014, 248). Die Androklesvariante wiederum hat mit der Acta Pauli Episode gemeinsam Elemente der historischen Verankerung, indem sie Zeit, Ort und Namen der (angeblich) beteiligten Personen vermeldet. Ob eine der genannten Erzählungen als direkte literarische Vorlage gelten kann, bleibt zweifelhaft, da es zahlreiche Varianten des Erzähltyps »Mensch hilft Löwe und Löwe erweist sich als dankbar« gibt (etliche bereits gesammelt in Plin. nat. 8; auch in der Spätantike bei christlichen Heiligen, vgl. Bartelink 1979). Dass die Erzählung zunächst als mündliche Legende überliefert wurde (so MacDonald 1983, 21-23.29f.), ist denkbar, aber letztlich unbeweisbar. Wie bereits am Beispiel der Fabel vom Löwen und dem Hirten deutlich wurde, begegnen sprechende Tiere in der Antike häufig in Fabeln, welche im Schulunterricht eine wichtige Rolle spielten und daher allgemein bekannt waren (Matthews 1999, 217f.). Pervo (2014, 2018) formuliert dann auch pointiert. »When a lion drops by for a chat, one knows that a fable is probably under way«. Hieronymus bestätigt diese Leserhaltung, wenn er die »Wanderungen des Paulus und der Thekla und die ganze Fabel (!) des getauften Löwen« als apokryph verwirft (vir. ill. 7). Daneben ist jedoch ein biblischer Hintergrund der sprechenden Tiere in Rechnung zu stellen. Die Schlange spricht im Paradies (Gen 3,1-5) und Bileams Esel spricht in Gegenwart von Gottes Engel zum Propheten (Num 22,28-30). Die sprechenden Esel der Thomasakten (ActThom 39-42; 68-81) werden sogar in eine genealogische Beziehung zu Bileams Esel gebracht, was die Beziehung explizit macht (vgl. ActThom 40 und dazu Spittler 2008, 199-221). In der Ephesusperikope reflektiert Paulus selbst über den Status des Wunders des sprechenden Löwen: »Ich lobte Gott, der dem Tier Sprache verliehen hatte und seinen Dienern das Heil.« (ActPl 9,8/P.Bod. 41,4,14-16) Adamik (1996, 71f.) weist darauf hin, dass ein späterer frühchristlicher Autor, Commodian (3.? Jh.), in seinem Carmen Apologeticum dieses und drei weitere Wunder als Beweis der Allmacht Gottes aufzählt: Bileams Esel, den sprechenden Hund, den Petrus zu Simon Magus schickte, und den sprechenden Säugling, ebenfalls aus den Petrusakten (Zeile 623-630). Spittler erwägt drei Deutungen des sprechenden Löwens: als Übernahme und vielleicht Überbietung des sprechenden Hundes aus den Petrusakten, als zur Taufe gehöriges Element, da die Sprache den Löwen aus dem Bereich der nicht-menschlichen Kreatur heraushebt, und als Adaption des Sprachwunders zu Pfingsten (Spittler 2008, 185f.). Als literarisches Stilmittel begegnet ein (zum Leser) sprechender Esel in einem in zwei Versionen überlieferten antiken Roman (Apuleius, Metamorphosen [lat.]; Pseudo-Lukian, Der Esel [griechische Kurzfassung eines im Original verloren gegangenen Werks, das die Vorlage für Apuleius war]). Der 470

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Ich-Erzähler wird zu Beginn durch eine Zaubersalbe in einen Esel verwandelt und erlebt vielerlei Abenteuer. In der durch Apuleius von Madauros (2. Jh.) adaptierten lateinischen Variante gehört dazu auch eine Einweihung in die Mysterien der Isis, die er als Esel mit einem siebenfachen Untertauchen (!) im Meer beginnt und als Mensch vollendet (Apul. Met. 11). Auch diese humorvolle Integration eines tierischen Protagonisten in Unterhaltungsliteratur, die etwa zeitgleich zu den Paulusakten entstanden ist, wird in der Interpretation zu berücksichtigen sein.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Das exzentrische Erzählelement der Taufe ausgerechnet eines Löwen in den Acta Pauli hat viele Deutungen provoziert, die man nicht als einander ausschließende Alternativen verstehen sollte. Der Löwe ist in der Antike ein Symbol mit vielerlei Bedeutungen, und der Text macht m.E. bewusst Gebrauch von mehreren mit dem Löwen verbundenen Assoziationen und spielt mit verschiedenen literarischen Konventionen und Prätexten. Eine heilsgeschichtlich-politische Deutung: In der narrativen Gesamtkonzeption der Ephesusperikope dient die Erzählung vom Löwen klar dem Erweis der alles übersteigenden Macht des einen Gottes, der wie Paulus in seinem Bericht von der Taufe des Löwen kommentiert, »dem Tier Sprache verliehen hatte und seinen Dienern das Heil« (ActPl 9,8/P.Bod. 41,4,14-16), und gegen dessen Schützlinge weder Gefängnismauern, noch die wütende Menge, noch die politischen Autoritäten mit ihren Zwangsmitteln etwas ausrichten können, wie die Tierkampfepisode eindrücklich vor Augen stellt. Anspielungen auf alttestamentliche Texte sind an erster Stelle zu nennen, denn hier haben wir es mit intendierter, klar kommunizierter Intertextualität zu tun. Der Löwe kommt zu Paulus aus dem Tal des Feldes der Gebeine (P.Bod. 41,4,5-6), wohl eine Anspielung auf Ez 37,1; der Löwe symbolisiert offensichtlich den Tod (Drijvers 1990b). Direkt vor der Taufe ruft Paulus über dem Täufling Gott an u.a. mit den Worten: »…der, der das Maul des Löwen bei Daniel verstopft hat […] gib, dass wir […] entkommen dem Tier und den Heilsplan, den du festgelegt hast, erfülle ihn!« (P.Bod. 41,5,5-10). Der Verweis auf Daniel ist zunächst ein unmissverständlicher Hinweis auf Gottes Macht über alle Kreatur, die er in der Geschichte Israels immer wieder in Wundern erwiesen hat, um seine Frommen zu bewahren. Die Durchsetzung von Gottes Heilsplan (οἰκονομία oikonomia, hier als griechisches Lehnwort im koptischen Text) gegen die gottfeindlichen Mächte dieser Welt ist ein feststehendes theologisches Konzept in den Acta Pauli (P.Bod. 41,5,9; 13,4 [?];17,23; P.Hamb. 3,23; 5,27; 6,26). Löwen sind, bei Daniel und auch in den Acta Pauli, die bevorzugten Tötungsmaschinen der antigöttlichen Herrschaft. Im Licht des weiteren Erzählverlaufes hat daher die Bitte um Errettung vor »dem Tier« vielleicht auch politische Obertöne. Dass eine solche Deutung für antike Leserinnen und Leser nicht weit hergeholt war, zeigt Eusebs Kommentar zu 2 Tim 4,17 in seiner Kirchengeschichte, wo er schreibt: »Durch diese Worte gibt er [Paulus] deutlich zu erkennen, dass er 471

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das erste Mal […] aus dem Rachen des Löwen, womit er wohl Nero wegen seiner Grausamkeit bezeichnete, befreit wurde« (Eus. h.e. 2,22,4). Die erbetene Erfüllung des Heilsplans dürfte sich auf die Erlösung der ganzen Schöpfung von Tod und Gewalt beziehen (Schneemelcher 1964b; vgl. Jes 11,6-8); die Anspielung auf den eschatologischen Tierfrieden wird später noch expliziert durch den Vergleich des Löwen, der sich »wie ein Lamm« zu Paulus’ Füßen legt (Pervo 2014, 246). Als paulinischer Bezugstext könnte Röm 8,19-23 dem Verfasser vor Augen gestanden haben (Kurfess 1939). Das Reden des Löwen mit menschlicher Stimme hat in Bileams Eselin auf jeden Fall auch ein biblisches Vorbild. Die Wiederbegegnung zwischen Paulus und dem Löwen in der Arena bringt einen besonderen Akzent, eine christliche Variante, in das der traditionellen Erzählung vom Androklestyp eigene Motiv der gegenseitigen Rettung von Mensch und Tier: Paulus rettete mit der Taufe den Löwen vor dem (ewigen) Tod, dieser bewahrt später den Apostel aus irdischer Not (Spittler 2008, 184f.). Eine individualistisch moralphilosophisch-asketische Deutung: Der Löwe gilt im Altertum als Verkörperung ungezügelter Sexualität (Adamik 1996, 67) und in der platonischen Philosophie symbolisiert er einen Teil der menschlichen Seele, die Begierde (Jackson 1985). Die Akten des Paulus propagieren eine sexualrigoristische Form des Christentums, bei der das »Bewahren der Taufe« so heilskonstitutiv ist, dass Paulus sich weigerte, die sexuell attraktive Thekla zu taufen. Die Bekehrung eines Löwen zur Enthaltsamkeit erscheint dem Autor ein überzeugender Beweis zu sein für die Überwindung des als gottfeindlich betrachteten Sexualtriebs und daher schließt Paulus seinen Bericht von der Taufe des Löwen mit einer beispielhaften Demonstration der sexualasketischen Haltung des Leu: »Als der Löwe nun zu dem Feld davonlief, voller Jubel – das wurde mir ja im Herzen offenbar –, begegnete ihm eine Löwin, und er wandte sein Gesicht nicht zu ihr hin, sondern er […] lief davon […]« (P.Bod. 41,5,18-24). W. Rordorf (2003) hat eine Variante der u.a. durch H. J. W. Drijver (1990) vorgetragenen mehr allgemein sexual-asketischen Deutung vorgelegt, indem er die ganze Ephesusepisode deutet als Auseinandersetzung des Paulus mit seiner eigenen Sexualität. Ein eindeutiges narratives oder semantisches Signal dafür gibt es m.E. nicht, aber der Text ist sicher offen für eine solche Interpretation. Unmittelbar vor dem Erscheinen des Löwen wird von der großen Liebe der Paulus begleitenden Witwe Lemmia und ihrer Tochter Ammia zu ihm berichtet, die so intensiv ist, dass sie sich keinen Moment von Paulus entfernten. Genügt dies, um mit Rordorf anzunehmen, dass die Erscheinung und Bändigung des Löwen in der Taufe eine Reaktion sein muss auf die bei Paulus vorauszusetzende, aber im Text nicht verbalisierte Versuchung? Dass bei der Beschreibung weiblicher Anhänger des Paulus die Sprache der Liebesromane Pate gestanden hat, ist an anderen Passagen, speziell in den Theklaakten schon oft beobachtet worden. Aber der Apostel scheint durchgängig unempfänglich für die ihm erwiesene Hingabe zu sein. Nie wird eine affektive Reaktion von seiner Seite berichtet. Dass in der Ephesusperikope trotzdem die Sexualität des Paulus thematisiert wird, könnte man mit Rordorf begründen mit der 472

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vorausgesetzten Platzierung innerhalb der Biographie des Paulus. Die Taufe des Löwen wird im Rückblick berichtet als erste Tat, die Paulus nach seiner Bekehrung in Damaskus vollzog und sie geschieht in der Wüste. Da die Biographie Jesu auch sonst häufig als Modell der Apostelleben dient und Jesus bekanntlich nach seiner Taufe in der Wüste vom Satan versucht wird und mit wilden Tieren lebt (Mk 1,13), kann man in der Tat annehmen, dass auch hier eine Versuchungsszene geschildert wird (Pervo 2014, 219f.). Der im Erzählverlauf bereits zuvor geschilderte Kampf zwischen dem Löwen des Alexander und der Löwin der Thekla könnte als zusätzliche Evidenz angeführt werden: Der Löwe ist als Symbol zu überwindender sexueller Begierde den Leser(innen) bereits begegnet. Eine literarisch-intertextuelle Deutung: das Tier als Spiegel menschlicher Inhumanität: Ich möchte diesen Deutungen noch eine weitergehende intertextuelle Lektüre an die Seite stellen, die Ernst macht mit dem eigentümlich tierisch-menschlichen Protagonisten, den der Löwe vorstellt. Er bleibt ein Löwe, aber er verhält sich wie ein Mensch, spricht sogar die menschliche Sprache, betet und kennt die religiösen Gebräuche gut genug, um ein formvollendetes Taufbegehren und einen liturgischen Gruß zu formulieren. Er weigert sich, zwei Handlungen zu vollziehen, die für den Löwen typisch sind, nämlich sich fortzupflanzen und in der Arena zu töten. Ein tierisch-menschlicher Protagonist, der mit dem Löwen der Acta Pauli viel gemeinsam hat, ist der Esel im griechischen Eselsroman und in dessen lateinischer Adaptation in den Metamorphosen des Apuleius von Madauros. Auch in diesem Roman werden die Grenzen des Tierischen und des Menschlichen bewusst verwischt, indem die Hauptperson sich vom Menschen zum Esel verwandelt und die Haupthandlung als menschlich reflektierender Esel erlebt. Auf dem Höhepunkt der Handlung wird der Esel dazu ausersehen, in der Arena eine »fatal charade« (Coleman 1990) zu vollziehen, die bestialische Paarung mit einer zum Tode verurteilten Verbrecherin, die die Rolle der Pasiphae spielen musste (zum kulturkritischen Impetus von Apuleius und den apokryphen Akten vgl. Perkins 1997). Durch Sueton sind wir davon unterrichtet, dass die im Eselsroman vorausgesetzte Perversität tatsächlich schon unter Nero im Amphitheater vollzogen wurde (Nero 12,2). Während die Menschen diese Vorstellung vorbereiten, macht sich das menschlich empfindende Tier daran, die Bestialität zu verhindern. Beide Varianten der Erzählung weisen Gemeinsamkeiten mit den Acta Pauli auf. In der griechischen Epitome verwandelt sich der Esel im Stadion zurück in den Menschen. Daraufhin fordert ein Teil der Zuschauer, »dass ich als ein Zauberer, der von dieser Kunst, alle Gestalten anzunehmen, einen sehr gefährlichen Gebrauch machen könnte, auf der Stelle verbrannt werden sollte« (Luc. asin. 54). Auch in den Acta Pauli fordern die Zuschauer, direkt nachdem Paulus und der Löwe eine Unterhaltung in menschlicher Sprache geführt haben: »Fort mit dem Zauberer, fort mit dem Giftmischer« (P. Hamb. 4,35-36, zum Vorwurf der Magie generell vgl. Poupon 1981; eine enge Parallele dazu findet sich auch in Aelianus’ Variante der Androklesgeschichte in nat. 7,48, vgl. Spittler 2008, 175). Noch eindrücklicher sind die Parallelen mit der lateinischen Fassung des Romans: Hier entkommt der Esel unbemerkt aus der Arena und läuft zum Strand von Kenchräa. Damit endet 473

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Die Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla

das 10. Buch und bereitet die Szenerie für die Rückverwandlung des Esels und seine Einweihung in die Isismysterien im 11. Buch. Noch als Esel wendet sich Lucius mit einem langen formvollendeten Gebet an Isis (Apul. Met. 11,2,1-4), nicht ohne sich zuvor siebenmal in den Meeresfluten gereinigt zu haben, »hat doch der begnadete Pythagoras diese Zahl gerade in kultischen Dingen für besonders passend erklärt« (Apul. Met. 11,1,4). Auch dieses Tier beherrscht liturgische Sprache und Riten souverän. Chronologisch ist es nicht unmöglich, dass der Autor der Acta Pauli mit dem Eselsroman oder den Metamorphosen vertraut war, aber eine direkte Bekanntschaft anzunehmen ist für den Punkt, auf den es mir hier ankommt, nicht unbedingt nötig. Die für den Kirchenvater Hieronymus so anstößige Grenzüberschreitung zwischen Tier und Mensch wurde nachweislich in der Romanliteratur ganz gezielt literarisch eingesetzt. Warum sollte man dem Autor der Acta Pauli nicht zutrauen, dies probate literarische Mittel auf eine im Übrigen viel zurückhaltendere Weise benutzt zu haben?

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die Wirkungsgeschichte der Erzählung von der Taufe des Löwen und der späteren Wiederbegegnung von Paulus und dem Löwen in der Arena zu schreiben ist aufgrund der fragmentarischen Überlieferung des Ausgangstextes nur bedingt möglich. Wir wissen z.B. nicht, ob der in der Ephesusperikope von Paulus selbst gegebene Rückblick auf die Taufe des Löwen kurz nach seiner eigenen Berufung die einzige Erwähnung innerhalb der Acta Pauli darstellte oder ob Berufung mit anschließender Löwentaufe mehrfach berichtet wurde, was angesichts der dreimaligen Erwähnung der Berufung in der kanonischen Apostelgeschichte nicht undenkbar ist. Auch ist nicht auszuschließen, dass verschiedene Versionen der Begebenheit im Umlauf waren. Generell kann man festhalten, dass die Ephesusperikope im Vergleich zu anderen Teilen der Acta Pauli (insbesondere dem Theklazyklus und dem Martyrium) viel weniger häufig erwähnt oder verarbeitet wird. Auch fällt auf, dass manche antike und byzantinische Quellen sich entweder nur auf die Taufe des Löwen beziehen oder nur auf den Tierkampf in Ephesus, obwohl beide Erzählungen in den heute vorliegenden Handschriften (P.Hamb.; P.Bod. 41) klar miteinander verflochten sind. Hippolyt beispielsweise setzt um das Jahr 203 in seinem Kommentar zum Buch Daniel voraus, dass seine Leser(innen) die Erzählung vom Tierkampf in Ephesus als vertrauenswürdige Überlieferung kennen, wenn er schreibt: »Wenn wir glauben, dass der auf den zum Tierkampf verurteilten Paulus gehetzte Löwe sich zu seinen Füßen legte und ihn beleckte, warum sollen wir nicht das, was mit Daniel geschehen ist, (auch) glauben?« (Dan 3,29; Übers. Schneemelcher in Schneemelcher/Kasser 1997, 195). Hieronymus (347-420) dagegen hält die Akten des Paulus und der Thekla und die »ganze Fabel vom getauften Löwen« für unglaubwürdig, unter anderem weil er meint, es sei nicht vorstellbar, dass Lukas, der Reisebegleiter des Paulus und Autor der kanonischen Apostelgeschichte, eine solche Geschichte 474

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Bestialische Menschen und ein frommes Tier ActPl 9,1-15.22-26

verschwiegen hätte (vir. ill. 7). Mit diesem Argument setzt sich offenbar auch Nicephorus Callistus (ca. 1256-1335) auseinander, der in seiner Kirchengeschichte eine Zusammenfassung der Ephesusperikope (unter Einbeziehung der Taufe von Eubula und Artemilla) gibt, in der die Taufe des Löwen und die besonders anstößige Fähigkeit zu menschlicher Rede jedoch fehlen, wie bei Hippolyt (s.o.) und Nicetas von Paphlagonien (10. Jh., vgl. Pervo 2014, 55). Nicephorus Callistus zufolge sei es keineswegs erstaunlich, dass Lukas diesen Kampf mit den Tieren nicht erwähnt habe, auch in den Evangelien finde man doch die Auferweckung des Lazarus allein bei Johannes (h.e. 2,25, zitiert in Pervo 2014, 56f). In verschiedenen jüngeren Apostelgeschichten wurde die Erzählung der Acta Pauli eindeutig als Vorlage verwendet, so z.B. in den Titusakten, die den Löwenkampf in Kapitel 6 aber nur summarisch erwähnen (Pervo 2014, 333) und in einem äthiopisch bewahrten Apokryphon, das den Titel »Brief der Pelagia« trägt und in dem die Erzählung sich mit einigen Vergröberungen (der Löwe ist jetzt so groß wie ein Pferd) an einem anderen Ort (Cäsarea) und mit anderen Nebendarstellern (der Grund für die Verurteilung ist die Bekehrung der Pelagia, Tochter des Königs, zur Enthaltsamkeit) in den einzelnen Erzählschritten vergleichbar entwickelt. Das Ende der Geschichte ist allerdings verändert: Die Menge bekehrt sich, als sie den Löwen mit Paulus sprechen sieht, und lässt beide frei. Die weiterhin die Ehe verweigernde Pelagia soll allerdings in einer eisernen Kuh verbrannt werden. Das Feuer wird durch einen Sturzregen gelöscht, der Ehemann bringt sich aus Verzweiflung über die Entschlossenheit seiner Frau selbst ums Leben (Text bei Goodspeed 1904). Annette Merz

Literatur zum Weiterlesen H. J. W. Drijvers, Der getaufte Löwe und die Theologie der Acta Pauli, in: P. Nagel (Hg.), Carl-Schmidt-Kolloquium an der Martin-Luther-Universität 1988, Halle 1990b, 181189. R. I. Pervo, The Acts of Paul. A New Translation with Introduction and Commentary, Eugene 2014. W. Schneemelcher, Der getaufte Löwe in den Acta Pauli, Mullus. FS T. Klausner, JAC Ergänzungsband 1, Münster 1964b, 316-326 (Nachdr. in Gesammelte Aufsätze zum NT und zur Patristik, Thessaloniki 1974, 223-239). J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/247, Tübingen 2008.

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First Lady trifft Paulus (Die Taufe der Artemilla als Mysterieninitiation) ActPl 9,16-21.27f. Der Text von ActPl 9,16-21.27-28 ist auf Griechisch (P.Hamb. 2,8-4,5; 5,19-36) und teilweise auf Koptisch (P.Bod. 41,13-14.17-18) überliefert, die Übersetzung folgt dem griechischen Text in der Ausgabe von Schmidt/Schubert (1936), wo dieser lesbar ist. Die Einteilung in Paragraphen folgt der französischen Übersetzung in der Bibliothèque de la Pléiade (W. Rohrdorf, P. Cherix, R. Kasser), die auch der Übersetzung des koptischen Papyrus Bodmer 41 und der noch nicht publizierten Kritischen Edition zugrunde liegt. In eckigen Klammern sind die Seiten des Papyrus Hamburg zugefügt, hierauf wird im Text mit Seiten und Zeilenzählung verwiesen. Die arabischen Buchstaben a-g verweisen auf meine szenische Gliederung.

Vorgeschichte: Paulus befindet sich nach Verhör, Verurteilung und Geißelung in Ephesus im Gefängnis und erwartet seine Hinrichtung in der Arena. Ein gewaltiger Löwe hat den Apostel durch sein Gebrüll so erschreckt, dass er sein Gebet unterbrechen musste. (a) (16) [p. 2, Z. 8ff.] Es war aber ein Mann, ein gewisser Diophantos, ein Freigelassener des [Statthalters] Hieronymus, dessen Frau war eine Jüngerin des Paulus und saß Tag und Nacht bei ihm, so dass Diophantos eifersüchtig wurde und (die Vorbereitungen für) den Tierkampf mit großem Eifer vorantrieb. Und Artemilla, die Frau des Hieronymus, wollte Paulus beten hören und sagte zu Eubula, der Frau des Diophantos: »[Lass uns gehen?], das Gebet des Tierkämpfers zu hören.« Und sie ging hin und meldete es dem Paulus und von Freude erfüllt antwortete Paulus: »Führe sie herbei!« Sie aber kam zu ihm mit Eubula, nachdem sie dunklere Kleider angezogen hatte. (b) (17) Paulus jedoch seufzte, als er sie sah, und sagte: »Frau, Herrscherin über diese Welt, Gebieterin über viel Gold, Bürgerin großen Luxuslebens, stolze Zurschaustellerin von (kostbaren) Kleidern, setz dich auf den Boden und vergiss den Reichtum und deine Schönheit und (deinen prahlerischen [von Korrektor gestrichen]) Schmuck. Nichts nämlich wird dir dies nützen, wenn du nicht Gott anbetest, der als Dreck ansieht, was hier gewaltig ist, jedoch gnädig schenkt, was dort (in der jenseitigen Welt) an Wunderbarem ist. Gold wird vernichtet, Reichtum verzehrt sich, Kleider werden aufgetragen, Schönheit altert und große Städte verfallen, und die Welt wird verbrannt im Feuer wegen der Gesetzlosigkeit der Menschen. Gott allein aber bleibt und die von ihm gegebene Kindschaft (wörtl. Sohnschaft), (Gott), durch den man gerettet werden muss. Und nun, Artemilla, hoffe auf Gott, dann wird er dich retten, hoffe auf Christus, dann wird er dir Vergebung der Sünden geben und dir den Freiheitskranz aufsetzen, auf dass du nicht mehr Götzenbildern dienst 476

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und den Wohlgerüchen der Opfer, sondern dem lebendigen Gott und Vater Christi, dem die Ehre sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.« Und nachdem sie dieses gehört hatte, bat Artemilla zusammen Eubula, dass er sie nunmehr in Gott (?) wasche (= taufe). (c) Und für morgen war der Tierkampf (angesetzt). (18) [p. 3] Und Hieronymus hörte von Diophantes, dass die Frauen Nacht und Tag bei Paulus saßen, und er wurde von keinem geringen Zorn erfasst gegen Artemilla und die Freigelassene Eubula. Und nachdem er zu Abend gegessen hatte, zog Hieronymus sich früher (als üblich) zurück, um (am folgenden Morgen) schnell die Tierhetze ins Werk zu setzen. (d) Sie aber (sc. die Frauen) fragten Paulus: »Willst du, dass wir einen Schmied holen, damit du uns im Meer waschen (= taufen) kannst, befreit (sc. von den Fesseln)?« Paulus aber antwortete: »Das will ich nicht, ich habe nämlich Vertrauen in Gott, der die ganze Welt aus Fesseln errettet hat.« (19) Und Paulus rief zu Gott am Sabbat, während der Herrentag herannahte an dem Tag, an dem Paulus mit den Tieren kämpfen sollte, und er sagte: »Mein Gott, Christus Jesus, der du mich gerettet hast aus so vielem Unheil, gib, dass vor Artemilla und Eubula, die Dein sind, die Fesseln von meinen Händen zerrissen werden.« Und während Paulus dies noch beschwörend vorbrachte, kam ein Jüngling herein, sehr schön und anmutig, und löste die Fesseln des Paulus, wobei der Jüngling lächelte, und zog sich sogleich wieder zurück. Als Folge der Erscheinung aber, die dem Paulus zuteilgeworden war, und des ausgezeichneten Zeichens an den Fesseln verschwand seine Traurigkeit wegen des Tierkampfes und er sprang jubelnd umher, als ob er ins Paradies versetzt wäre. [Der Text der folgenden Passagen ist sowohl im griechischen als auch im koptischen Text stark zerstört, der Zusammenhang ist erkennbar, Sicherheit über manche Details ist trotz der durch den koptischen Zeugen verbesserten Textgrundlage nicht zu erlangen. Die hier gegebene Übersetzung orientiert sich am griechischen Text und ergänzt auf Basis des Kopten, sie weicht daher an einigen Punkten von der Schmidt/Schubertschen Rekonstruktion ab].

(20) Und er nahm Artemilla bei der Hand und ging heraus aus dem engen …(und dunklen Ort, wo die?) Eingeschlossenen bewacht wurden […] die Wächter […] in Sicherheit […] Paulus (betete?) zu seinem Gott und sagte: »[…] deine Heilsveranstaltung […] damit Artemilla eingeweiht werde mit dem Siegel im Herrn und […]« Die Türen öffneten sich im Namen Gottes […], die Wächter aber waren in tiefem Schlaf versunken. Und die Matrone ging hinaus und der selige Paulus […] Dunkelheit […] und ein Jüngling ging ihnen voran, der dem Paulus glich und leuchtete, nicht mit einer Lampe, sondern durch die Heiligkeit (?) seines Körpers, bis sie sich dem Meer näherten. (e) (21) Und der Leuchtende stellte sich gegenüber (?) und Paulus betete 477

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und legte Artemilla die Hand auf und [stieg in ? ] das Wasser im Namen Jesu Christi, so dass das Meer wie Feuer leuchtete (?) und Artemilla von großer Furcht ergriffen wurde und beinahe in Ohnmacht fiel [und sogar fast gestorben wäre? Und Paulus war voller Furcht] und sagte: »Du Leuchtender und Scheinender, hilf (?), damit nicht die Heiden sagen, [p. 4] der gefangene Paulus ist geflohen, nachdem er Artemilla getötet hat.« Und während der Jüngling wiederum lächelte, kam die Matrone zu Atem und kehrte ins Haus zurück, als der Morgen bereits graute. (f) Als sie aber hineingegangen war(en), während die Wächter schliefen, brach er [Paulus] das Brot und opferte Wasser, tränkte mit dem Wort und entließ sie zu ihrem Mann Hieronymus. Er selbst aber betete. [ActPl 9,22-26: Tierkampf des Paulus und Wiederbegegnung mit dem getauften Löwen in Abwesenheit der Frauen, Flucht des Paulus]

(g) (27) [p. 5, Z. 19ff] Artemilla und Eubula trauerten nicht wenig und fasteten […] was mit Paulus geschehen war. Als es Nacht wurde, kam [ein Jüngling?] sichtbar in das Schlafzimmer, wo sie einander (trösteten […]) Hieronymus eiterte aus dem Ohr wegen des Hagels, der es verletzt hatte, und Artemilla war nicht zu ihm gegangen wegen ihrer Trauer. Der Engel sagte zu ihnen: »Macht euch keine Sorgen und seid nicht krank, sondern seid gesund und gerettet im Namen Jesu Christi und in seiner Macht! Denn Paulus, der Diener Christis, der Gefangene, ist nach Makedonien gegangen, um den Heilsplan zu erfüllen, der ihm anvertraut ist. […]« (Eine große) Ekstase kam über sie. [Hieronymus aber, der schon] nüchtern geworden war des Nachts in Schmerzen, [sprach: …] »Gott [der geholfen hat? ] […] dem Tierkämpfer, rette (mich).« (28) […] die Ärtze […][Der Engel?] rief laut: »Durch den Willen Jesu Christi, (heile?) das Ohr!« Und es wurde gesund. Dann befahl ihm [der Jüngling]: »Mit Honig behandele [dich selbst?].«

Sprachlich-narratologische Analyse Die Szene im Kontext: Die von etlichen Wundern begleitete Erzählung von der Bekehrung und Taufe der Artemilla bildet die Mittelepisode der umfangreichen Erzählung von Paulus’ Aufenthalt in Ephesus. Diese Episode ist in zwei fragmentarischen Texten, dem griechischsprachigen Papyrus Hamburg (um 300 n. Chr.) und dem koptischen Papyrus Bodmer 41 (4. Jh.) überliefert. Die Gesamterzählung, die ihrer Reichhaltigkeit wegen in zwei verschiedenen Beiträgen besprochen wird, besteht aus einer Missionspredigt des Paulus mit Rückblick auf die Taufe eines Löwen (ActPl 9,1-10), Massenbekehrung, die zur Inhaftierung führt (ActPl 9,11f.), Verteidigungsrede und Verurteilung (ActPl 9,13f.), Gefängnisaufenthalt (ActPl 9,15) mit zwischenzeitlicher Befreiung und Taufe der Artemilla (ActPl 9,16-21), Tierkampf 478

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mit Wiederbegegnung mit dem getauften Löwen, Rettung durch Hagel, Abreise nach Makedonien (ActPl 9,22-26) und nachklappender Heilung und Bekehrung des Statthalters (ActPl 9,27f.). Innerhalb dieser sehr bewegten Ereignisabfolge bildet die ausführliche Beschreibung der Geschehnisse in der Nacht vor dem Tierkampf ein retardierendes Element. Die Leserschaft erwartet gespannt, wie die öffentliche Konfrontation des Paulus mit der Staatsmacht und ihren Instrumenten des Terrors, den zum Töten eingesetzten wilden Tieren, ausgehen wird; doch der Erzähler unterbricht die laufende Erzählung, führt einige neue Personen ein (Diophantes und Eubula, Artemilla) und lässt die Leser(innen) teilhaben an der geheimen und an wunderbaren Geschehnissen reichen nächtlichen Begegnung des Apostels mit der Frau des Stadthalters. Diese intime Szene, die die Bekehrung und Taufe einer ranghohen Einzelperson beschreibt, bildet einen eindrucksvollen Gegensatz zu der davor beschriebenen öffentlichen Lehre des Paulus, den darauf folgenden Massenbekehrungen und der Anklage, Verteidigung und Verurteilung vor großem Publikum im Theater wie auch zu der nachfolgenden wiederum öffentlichen Tierkampfszene, die in einer von einem Hagelsturm ausgelösten Massenpanik mit Toten und Verletzen und Massenflucht aus Ephesus endet. Artemilla wird in der weiteren umrahmenden Erzählung von der missglückten Hinrichtung des Paulus dann noch zweimal erwähnt. Als Paulus am Morgen nach der Taufe zur Hinrichtung im Rahmen der Tierhetze geführt wird, erscheinen die beiden Frauen nicht an der Seite ihrer Männer, sondern bleiben krank zu Hause. Der Text erwähnt, dass Hieronymus sich vor allem darum sorgt, dass das Verhalten seiner Frau öffentlich diskutiert wird (ActPl 9,22). Nachdem Paulus durch den ihm ergebenen Löwen und einen gottgesandten Hagel nach Makedonien entkommen ist, Hieronymus aber durch den Hagel am Ohr getroffen krank darnieder liegt, haben zunächst die immer noch leidenden und fastenden Frauen eine Engelvision in ihrem Schlafgemach, die sie über das Schicksal des Paulus aufklärt; dann erkennt auch der Statthalter selbst, dass ihm Hilfe nur kommen kann vom »Gott des Tierkämpfers« und er wird geheilt (ActPl 9,27f.). Leider ist der Text in beiden Textzeugen so zerstört, dass viele Einzelheiten dieser Heilung unklar bleiben (zumal die beiden Erzählungen auch nicht in allen Details übereinzustimmen scheinen), die obige Übersetzung von ActPl 9,27f. bietet eine mögliche Rekonstruktion der Ereignisse. Der Plot der Taufszene: Die Gesamtszene ist kunstvoll gestaltet, wobei durch vielerlei erzählerische Mittel die durchgängige Antithese zwischen der Lebens- und Überzeugungswelt des Hieronymus und der Artemilla auf der einen und des Paulus auf der anderen Seite dargestellt wird. Thema der Erzählung ist jedoch nicht dieser immer wieder betonte Gegensatz, sondern seine Überwindung, die Transformation der Artemilla, die sich wandelt von einer Repräsentantin der Machtelite der imperialen Welt, die dem Tod verfallen ist, zu einer Gläubigen, die den Tod überwunden hat. Diese Verwandlung vollzieht sich in einem mehrstufigen Prozess, bestehend aus (a) Anbahnung der Begegnung mit Kleiderwechsel; (b) Bußpredigt des Paulus resultierend in Taufbegehren der Artemilla; (c) + (d) Parallele Schilderung der Bemühungen der antagonistischen Akteure: Vor-

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bereitungen zum Tierkampf auf der einen Seite, von Gebet und Wundern begleitete Vorbereitungen zur Taufe auf der anderen. (e) Taufe resultierend in todesähnlichem Zustand der Artemilla, Gebet und Wiederbelebung, (f) Rückkehr und Abendmahlsfeier, Entlassung der Artemilla, Gebet des Paulus.

(a) Die Anbahnung der Begegnung geschieht durch Vermittlung einer Paulusschülerin namens Eubula, die über ihren Mann Diophantos eingeführt wird, der als Freigelassener des Statthalters Hieronymus in dessen Auftrag den Tierkampf vorbereitet. Eubulas zeitintensive Hingabe an den Apostel (sie saß Tag und Nacht bei ihm) macht ihren Mann eifersüchtig. Während Diophantos seine Bemühungen zur Vernichtung des Apostels intensiviert, ist seine Frau damit beschäftigt, ihrer Herrin, der Frau des Statthalters, Zugang zum Apostel zu verschaffen. Artemilla hatte den Wunsch geäußert, »das Gebet des Tierkämpfers zu hören«. Dies erklärt sich durch den Bericht, den Paulus zu Beginn der Ephesusepisode von seiner ersten großen Wundertat nach seiner Bekehrung gegeben hatte. Durch sein vollmächtiges Gebet wurde ein Löwe gezähmt und begann gar zu sprechen und begehrte von Paulus die Taufe, die dieser ihm auch gewährte (vgl. die gesonderte Auslegung dieser Perikope in diesem Band). Paulus willigt in eine Begegnung mit Artemilla ein und diese kommt, nachdem sie »dunklere Kleider angelegt hatte«, eine Bemerkung, deren Intention zu prüfen sein wird. Das Gebet des Tierkämpfers jedoch hört Artemilla zunächst nicht, vielmehr wird ihr erst eine rhetorisch durchstilisierte Bußpredigt zuteil (b), in der ihr luxuriöser Lebensstil angeprangert, als nutzlos, vergänglich und dem göttlichen Gericht ausgeliefert charakterisiert wird. Dem wird die Rettung durch den lebendigen Gott und Christus als Ausweg gegenübergestellt. Artemillas Wunsch, getauft zu werden, gibt ihr volles Einverständnis mit Paulus zu erkennen. (c) und (d) Nachdem Leserinnen und Leser durch die Predigt des Paulus vor den Frauen einen detaillierten Einblick auf die christliche Weltsicht bekommen haben, präsentiert der Erzähler als Kontrast und zur Erhöhung der Spannung einen kurzen Blick auf das gleichzeitig stattfindende Komplott der Antagonisten. War von Diophantes noch lediglich »Eifersucht« als Reaktion auf das »Tag und Nacht bei Paulus Sitzen« seiner Frau erzählt worden (P.Hamb. 2,10f.), reagiert der Statthalter Hieronymus nun auf den Bericht über das »Tag und Nacht bei Paulus Sitzen« beider Frauen mit »nicht geringem« Zorn (P.Hamb. 3,1-3) über Artemilla und Eubula und ist umso fester entschlossen, den Tierkampf am folgenden Tag unverzüglich durchzuführen. Im Gefängnis werden Schritte unternommen, noch in der Nacht die Taufe zu ermöglichen. Die Frauen machen den pragmatischen Vorschlag, einen Schmied zu holen, um Paulus von den Fesseln befreien zu lassen. Paulus jedoch antwortet, er habe sein Vertrauen gesetzt in Gott, »der die ganze Welt aus Fesseln befreit hat« (P.Hamb. 3,7). Nun bekommt Artemilla die zuvor von ihr gewünschte Kostprobe des wundermächtigen Gebetes des Tierkämpfers. Angerufen wird »mein Gott, Jesus Christus«. Paulus erbittet, dass »vor Artemilla und Eubula, die dein sind, die Fesseln von meinen Händen zerrissen werden« (P.Hamb. 3,10-12). Es erscheint 480

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ein anmutiger Knabe, der lächelt, die Fesseln löst und sich zunächst sofort wieder zurückzieht. Diese »Erscheinung« – (ὀπτασία optasia – ein aus dem NT bekannter Ausdruck für u.a. Erscheinungen von Christus, vgl. 2 Kor 12,1; Apg 26,19) und das »vortreffliche Zeichen an den Fesseln« (σημεῖον sēmeion, ebenfalls neutestamentlich) vertreiben die Trauer des Paulus und führen dazu, dass er geisterfüllt einen regelrechten Freudentanz aufführt (»jubelnd sprang er wie im Paradies«, P.Hamb. 3,17f.). Dann geleitet er Artemilla aus dem Verlies, sie kommen unbemerkt an den Wächtern vorbei, noch aber hindern sie die verschlossenen Tore. Wiederum greift Paulus zum wunderwirkenden Gebet: Hatte er im ersten Gebet an Gottes Verantwortung für Artemilla und Eubula appelliert (»die dein sind«), wird nun der göttliche Heilsplan (die οἰκονομία oikonomia, P.Hamb. 3,23; P.Bod. 41,13,4) ins Feld geführt, der darin zur Erfüllung kommen muss, »dass Artemilla eingeweiht werde mit dem Siegel im Herrn« (P.Hamb. 3,23f.). Über die religionsgeschichtliche Einordnung dieser Stelle wird unten noch ausführlicher zu handeln sein, hier sei zunächst darauf hingewiesen, dass das im Hamburger Papyrus verwendete Verbum μυεῖν myein ein terminus technicus für eine Einweihung in Mysterienkulte ist, während der koptische Zeuge ein viel blasseres Verb bietet und Paulus bitten lässt, »dass Artemilla erhalte das Siegel im Herrn« (vgl. P.Bod. 41,13,6 und Kasser/Luisier 2004, 306). Die Türen öffnen sich »im Namen des Herrn«, und die Gefangenen passieren die tief schlafenden Wächter (vgl. Apg 20,9), wobei die Dunkelheit sie unsichtbar macht und ihnen ein aus sich selbst heraus leuchtender Jüngling zum Meer voranzieht. Dieser wird im folgenden, stark zerstörten Text noch zweimal als »Leuchtender« erwähnt, bzw. von Paulus im Gebet als »Leuchtender und Scheinender« angesprochen, was darauf schließen lässt, dass es sich um Christus selbst handelt, der in den apokryphen Apostelakten in vielerlei Gestalt (»polymorph«) erscheint. (e) Die Taufe selbst ist leider in beiden Textzeugen nur fragmentarisch erhalten. Deutlich ist, dass Paulus der Artemilla zuerst die Hand auflegt und dass dann etwas mit dem Wasser geschieht, dem koptischen Zeugen zufolge wurde es wie Feuer, und dass Artemilla in eine todesähnliche Starre verfällt. Paulus bittet daraufhin den »Leuchtenden und Scheinenden« um Hilfe, »damit nicht die Heiden sagen, der gefangene Paulus ist geflohen, nachdem er die Artemilla getötet hat« (P.Hamb. 3,264,1). Der rätselhafte Angesprochene lässt als einzige Reaktion ein Lächeln sehen¸ woraufhin die vornehme Dame zu sich kommt und ins Haus zurückgeht. Der Text ist hier grammatisch und erzähllogisch nicht ganz in Ordnung. Die Anwesenheit der Eubula scheint vergessen zu sein, da sie im Schlussabschnitt nicht mehr vorkommt. (f) Die Rückkehr ins Haus wird im griechischen Text nur von einer Person erzählt (zwei Verben der dritten Person Singular, die dem Satzverlauf entsprechend auf Artemilla zu beziehen sind), dann aber berichtet der folgende Satz unvermittelt eine Handlung des Paulus. Der koptische Text kann wegen einer Lücke nur für das zweite Verb korrigierend herangezogen werden, er bietet den erzähllogisch erforderlichen Plural. Der Ablauf ist trotz dieser Unebenheiten gut erkennbar: Im Morgengrauen kehren die Entflohenen zurück und kommen unbemerkt an den schla481

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fenden Wächtern (vgl. Mt 28,13) vorbei. In einem kurzen Satz wird erzählt, dass das Abendmahl gefeiert wird, wobei die Wortwahl »er brach das Brot, opferte Wasser und tränkte mit dem Wort« wegen der hier zum Ausdruck kommenden eigenständigen Abendmahlsdeutung bemerkenswert ist (Merz 2008). Die Szene wird damit abgeschlossen, dass das Handeln beider Protagonisten nach dem Abendmahl mit wenigen Worten beschrieben wird. Artemilla verlässt die Szene nicht auf eigene Initiative, sie wird vielmehr von Paulus »zu ihrem Mann« Hieronymus »entlassen«. Dieser auf den ersten Blick unschuldige Satz ist möglicherweise doppelbödig, da das Verbum ἀπολύω apoluō (entlassen, wegschicken) verschiedene Konnotationen haben kann und die Absicht des Zurückschickens zum Ehemann nicht eindeutig zu erkennen ist. Verschiedene mögliche Interpretationen werden im Folgenden zu besprechen sein. Unzweideutig ist der letzte Satz, der die Szene abschließt: »Er selbst (Paulus) aber betete« (P.Hamb. 4,6). Hiermit wird eines der Leitthemen der ganzen Ephesusperikope, das vollmächtige Gebet des Apostels, erneut ins Bewusstsein gerückt und ist ein passender vorläufiger Abschluss erreicht.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Erzählung spielt in den höchsten Kreisen und teilt damit das der Trivialliteratur aller Zeiten gemeinsame Interesse am Leben der Reichen und Schönen. Es ist die Frau des römischen Statthalters selbst, die Paulus bekehrt und tauft. Keinesfalls kann man die Erzählung als historisch verlässliche Quelle für eine Episode im Leben des Paulus heranziehen, vor allem die genannten Namen sind offenkundig frei erfunden. Einen Statthalter mit dem griechischen Namen Hieronymus hat es beispielsweise in der infrage kommenden Zeit nicht gegeben, alle Statthalter unter den Kaisern Claudius und Nero tragen, wie bei Angehörigen der Senatsaristokratie zu erwarten, alte dreigliedrige römische Namen. Der Name der Frau des Statthalters Artemilla (»kleine Artemis«) ist ebenfalls griechisch, selten bezeugt und soll vermutlich eine Verbindung zum Artemiskult suggerieren, dessen berühmtes Zentrum Ephesus in der Antike war. Auch die anderen Personen der Erzählung tragen »sprechende Namen«, Hieronymus (»heiliger Name«) und Diophantos (»der Zeus offenbart«) weisen wie Artemilla auf die Sphäre der antiken Religion, Eubula dagegen benennt eine wünschenswerte Charaktereigenschaft, sie ist »die Wohlberatene« – die sich als Erste von Paulus belehren lässt. Das Verhältnis der Ephesusperikope in den Acta Pauli zur Erzählung vom Aufstand der Silberschmiede in Apg 19 wurde bereits in der Auslegung der umrahmenden Tierkampferzählung besprochen (vgl. die Auslegung in diesem Band), es handelt sich m.E. bei beiden Erzählungen um voneinander unabhängige Kompositionen auf der Basis einiger weniger allgemein bekannter Fakten aus dem Leben des Paulus, vor allem inspiriert von 1 Kor 15,32 (das Tierkampfmotiv) und 1 Kor 16,8 (die Datierung am Pfingstfest), kombiniert mit allgemein bekanntem Wissen um die religiöse Bedeutung des Artemis-/Dianakultes in Ephesus. 482

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Historisch verlässliche Details aus dem Leben des Paulus können wir also von der Erzählung nicht erwarten, wohl aber erlaubt sie faszinierende Einblicke in die sozialen Interaktionen der Elite, so wie Verfasser und Leser(innen) im 2. Jh. diese aufgrund ihrer eigenen Kenntnis der sozialen Etikette imaginierten. Es geht dabei nicht um faktisch Geschehenes, wohl aber um (cum grano salis) wirklichkeitsgetreu wiedergegebenes imaginiertes Geschehen. Aufgrund der prominenten Rolle der weiblichen Protagonisten in ihrem Verhältnis zu den männlichen Mitspielern erhalten wir vor allem Informationen über geschlechtsspezifisches Verhalten (»doing gender«), in der Konstellation der zwei Paare (Hieronymus-Artemilla, DiophantosEubula) sehen wir außerdem das antike Patronatssystem am Werk. Patronat im Alltag: Sowohl Hieronymus als auch Artemilla werden in ständiger Begleitung ihres bzw. ihrer vertrauten Freigelassenen gezeichnet (Diophantes wird als ἀπελεύθερος apeleutheros – Freigelassener des Hieronymus bezeichnet in P.Hamb. 2,9; Eubula als ἀπελευθέρα apeleuthera – Freigelassene in P.Hamb. 3,3). Es handelt sich bei Diophantos und Eubula um einen ehemaligen Sklaven und eine ehemalige Sklavin, die sich im Dienst bewährt hatten und freigelassen worden waren. Mit der Freilassung waren sie keineswegs frei, ihrer Wege zu gehen, es bestand nach römischem Recht nach der Freilassung eine generelle Loyalitätspflicht, die im Einzelfall auch schriftlich spezifiziert werden konnte. Im vorliegenden, durchaus typischen Fall versahen beide Ex-Sklaven weiterhin Dienste für ihre/n ehemalige(n) Herr(i)n, der/die nun als Patron(in) fungierte. Der Vorteil der Freilassung bestand für die Patrone darin, dass Freigelassene im sozialen Miteinander nicht mehr als Sache, sondern als Person (minderen Ranges) galten. Dadurch konnten sie größere Verantwortung übernehmen als Sklav(inn)en und auch komplexere Dienstleistungen selbständig erbringen. Das Organisieren des Tierkampfes etwa, das Diophantos im Auftrag des Hieronymus besorgt, bestand aus einer Vielzahl von Einzelaufgaben, beginnend bei der Beschaffung der wilden Tiere bei darauf spezialisierten Händlern bis hin zur Bekanntmachung des Events in der Öffentlichkeit. Außerdem übernimmt er in der Erzählung auch die Rolle dessen, der Hieronymus Informationen zuträgt, z.B. über das Verhalten der beiden Frauen. Die Aufgaben der Eubula sind nicht so deutlich beschrieben; man wird aber den Verlauf der Erzählung vielleicht dahingehend interpretieren dürfen, dass auch sie als die den Blicken der Öffentlichkeit nicht so stark Ausgesetzte sich zunächst als Kundschafterin ihrer Patronin betätigt hatte, um deren Neugier den Apostel betreffend zu befriedigen. Jedenfalls wird sie bereits als Jüngerin des Paulus vorgestellt, die all ihre Zeit bei dem Apostel verbringt, Tag und Nacht, mindestens eine volle Woche lang (vgl. die in P.Hamb. 1,34 genannten 6 Tage zwischen der Verurteilung des Paulus und dem Umzug der Tiere am Vorabend des Tierkampfes). Dann übernimmt sie die Rolle der Vermittlerin, die den Wunsch ihrer Herrin, den Apostel zu sehen, diesem übermittelt, die positive Antwort des Paulus überbringt und Artemilla dann auch begleitet. Während der ganzen Erzählung kommunizieren die beiden Ehepaare kein einziges Mal miteinander oder mit anderen Menschen ihrer eigenen Schicht; Patron und Freigelassener und Patronin und Freigelassene bilden verschworene Paare, die fest entschlossen ihr 483

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jeweiliges Ziel verfolgen. Darin wird man ein erzählerisches Mittel sehen dürfen, das aber durchaus einen Anhalt haben kann in der sozialen Wirklichkeit. Das Patronat verband als sozialer Kitt Menschen über Schichtgrenzen hinweg, und Solidarität unter Geschlechtsgenoss(inn)en wird verbreitet gewesen sein. Diese soziale Struktur ermöglichte die Ausbreitung von religiösen Bewegungen durch Aufstieg auf der sozialen Leiter, hier an der Weitergabe des Glaubens von Eubula an Artemilla illustriert (Pervo 2014, 233). Geschlechtsspezifische Verhaltensweisen lässt die Erzählung in vielerlei Weisen erkennen. Dabei ist deutlich, dass der soziale Rang ebenfalls eine entscheidende Variable darstellt. Eubula kann sich viel freier in der Öffentlichkeit bewegen als Artemilla, sie kann es sich erlauben, ununterbrochen im Gefängnis bei Paulus zu sein, was ihren Mann zwar wütend und eifersüchtig macht, was er ihr aber nicht verbieten kann (vielleicht, weil sie dies auch im Auftrag ihrer Herrin tat?). Artemilla dagegen steht unter viel genauerer Beobachtung, sie muss sich im Schutze der Dunkelheit heimlich zum Apostel begeben. Dient das Anlegen dunklerer Kleider vor dem Besuch dazu, sie unauffälliger zu machen, wie häufig vermutet wird (z.B. Schmidt/Schubert 1936, 89; Snyder 2013, 72), oder ist es als Zeichen einer der Bekehrung vorauslaufenden Bußübung zu deuten (s.u.)? Von Artemilla wird als Statthaltersgattin auch erwartet, dass sie bei repräsentativen Anlässen in der Öffentlichkeit an der Seite ihres Mannes auftritt. Auch Hinrichtungen gehören zu solchen Pflichtveranstaltungen, und es bedarf dann schon eines schwerwiegenden Anlasses wie einer ernsthaften Erkrankung, um die Teilnahme abzusagen. Was aber die Gerüchteküche sofort zum Kochen bringt und dem Statthalter eine Beschämung seiner männlichen Ehre in der Öffentlichkeit einbringt, die seine Wut über den »Konkurrenten« wiederum erhöht (P.Hamb. 4,14-18). Wir sehen Männer und Frauen in der Erzählung, die typischen »Waffen« ihres Geschlechts einsetzen. Die Männer leben ihre Aggression in der Öffentlichkeit aus, Diophantes widmet sich den Vorbereitungen (P.Hamb. 2,11), Hieronymus geht am Abend zuvor extra früh schlafen, damit der Tierkampf umso schneller stattfinden kann (P.Hamb. 3,4), und lässt es sich nicht nehmen, selbst den Befehl zu geben, Paulus zum Tierkampf in die Arena schleifen zu lassen (P.Hamb. 4,8-11). Beide, Diophantos und Hieronymus steigern sich regelrecht in ihre Eifersucht und Wut auf den Apostel und ihre Frauen hinein. Die Frauen dagegen müssen zu heimlichen Handlungen greifen (Besuch in der Nacht) und verweigern ihre Mitarbeit an der öffentlichen Hinrichtung, indem sie Zuflucht nehmen zu einer Krankheit. Dies sind typische subversive Verhaltensweisen, derer sich unterdrückte Gruppen bedienen mit dem Ziel, Kontrolle (agency) auszuüben, wenn diese offiziell nicht ausgeübt werden darf. P. W. Dunns Analyse, die den Frauen Passivität und widerstandslosen Gehorsam bescheinigt, übersieht diese Nuancen und kann darum nicht überzeugen (Dunn 1996, 54). Besonders umstritten ist die Frage, ob die Artemillaerzählung (auch) als Enthaltsamkeitsgeschichte zu lesen ist. P.W. Dunn hat das energisch bestritten (Dunn 1996, 72-74), geht aber in seiner berechtigten Kritik an einer eindimensional asketischen Interpretation dann m.E. zu weit, wenn er überhaupt bestreitet, dass die 484

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Aufforderung zur Enthaltsamkeit ein Thema der Erzählung ist. Zum einen ignoriert er eindeutige Textsignale, die aus anderen apokryphen Enthaltsamkeitsgeschichten bekannt sind und bei mit diesem Genre bekannten Leser(inne)n die Erwartung geweckt haben müssen, es wiederum mit einer solchen Erzählung zu tun zu haben. Zwar ist richtig, dass der Grund der Verhaftung des Paulus in Ephesus nichts mit der Enthaltsamkeitsthematik zu tun hat, sondern in dem Gegensatz zwischen dem Glauben der Epheser an ihre lokalen Götter und dem Gott des Paulus gesehen wird. Aber die Folge der Verhaftung des Paulus ist dann doch, dass Eubula tage- und nächtelang zu des Paulus Füßen sitzt und ihr Mann eifersüchtig wird. Diese Frau praktiziert Enthaltsamkeit, wenn sie sich ihrem Mann für mindestens eine Woche entzieht, und die Beschleunigung des Tierkampfes hat in der Perspektive des Diophantos das Ziel, diesen unkomfortablen Zustand so schnell wie möglich zu beenden. Auch vom Statthalter wird berichtet, dass er wütend ist über die nächtliche Aktivität der Frauen und dass er seine Frau verdächtigt, vermutlich der Unkeuschheit (P.Hamb. 4,9). Nun führt Dunn als Hauptargument ins Feld, dass Paulus nach Taufe und Abendmahl die Artemilla zu ihrem Mann Hieronymos entlässt (P.Hamb. 4,5), womit er Dunn zufolge »an implicit approval of the married state, but this time between a Christian woman and a pagan man« gibt (Dunn 1996, 74). Ich bezweifle stark, dass hiermit die Intention des Textes richtig getroffen wird. Zunächst ist die Formulierung »er entließ sie bzw. ihn (sg.) oder sie (pl.)« eine Standardformulierung, die insbesondere zum Abschluss neutestamentlicher Heilungs- und Speisungsgeschichten verwendet wird, um die Empfänger des Wunders transformiert nach Hause zu schicken (Mk 8,9; Lk 8,38; 14,4). Damit kann die Erwartung verbunden sein, dass der Geheilte zu Hause über das empfangene Wunder berichtet (Lk 8,38f.); auch von Artemilla kann das erwartet werden. In der Ephesusperikope setzt jedenfalls die abschließende Bekehrung des Statthalters den Schlusspunkt (ActPl 9,27: Anrufung des Gottes des Paulus). Wie das eheliche Leben von Hieronymus und Artemilla nach der Bekehrung beider ausgesehen hat, darüber berichtet die Erzählung nichts; doch wurde die programmatische Predigt des Paulus in Ikonium »von der Enthaltsamkeit und der Auferstehung« nirgends widerrufen, in der es unmissverständlich hieß, dass »selig sind, die Frauen haben, als hätten sie nicht« (ActThecl 5). Auch sollte das als Eingangsszene breit entfaltete Beispiel des getauften Löwen, der nach seiner Taufe die Löwin verschmähte (P.Bod. 41,5,19-24), nicht vergessen werden. Ziel der Entlassung der Artemilla zu ihrem Mann ist daher im Gesamt der narrativen Theologie der Paulusakten ganz sicher auch dessen Bekehrung zu einem asketischen Leben! Die Enthaltsamkeitsthematik steht nicht im Vordergrund der Artemillaperikope, aber sie ist im Hintergrund und Rahmen doch erkennbar anwesend. Auffallendstes Thema der Predigt des Paulus an Artemilla ist, darin ist Dunn Recht zu geben, die Besitzkritik, die passenderweise an eine Vertreterin der reichen städtischen Oberschicht gerichtet wird. Die Kritik am Reichtum wird jedoch nicht um ihrer selbst willen und auch nicht etwa aus sozialen Erwägungen heraus vorgetragen, sondern ist mit Religionskritik in Form von Götzenpolemik verbunden. Sie verfolgt damit eine strikt theologische Absicht und ist darin eminent politisch in 485

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dem Sinne, dass sie die Legitimität des herrschenden von der Religion gestützten politischen Systems fundamental unterminiert. Paulus beginnt damit, seine Zuhörerin anzusprechen auf das, was sie in seinen Augen ist und darstellt. Er reiht in einer asyndetischen Aufzählung vier Attribute aneinander, die jeweils gebildet werden aus einem Partizipium oder Substantiv mit vorangestelltem Genitivattribut: »dieser Welt Herrscherin, des vielen Goldes Gebieterin, vieler Schwelgerei Bürgerin, der Gewänder Zur-Schau-Stellerin«. Hiermit wird der Status und Lebensstil der Artemilla zutreffend gezeichnet. Sie gehört der herrschenden Schicht an; sie kann über beträchtliches Vermögen frei verfügen; sie ist Bürgerin, und zwar eine solche, die nicht hart für ein kärgliches Auskommen arbeitet, sondern deren Leben aus der Teilnahme an Empfängen und Gastmählern besteht, bei denen Überfluss an kostspieligen Genüssen die Regel ist, und ihr Reichtum wird unter anderem durch das Tragen kostbarer Gewänder demonstrativ zur Schau gestellt. Was Paulus hier anprangert, ist der normale Lebensstil einer Politikersgattin mit Repräsentationspflichten. Nichts daran ist ungewöhnlich, doch Paulus bewertet dieses Leben als rundheraus verfehlt, wie der Gebrauch negativ konnotierter Wörter (etwa »Schwelgerei«; »Protzerin«) und die Fortsetzung zeigen. Den vier Charakterisierungen der Artemilla werden im Verlauf des Satzes vier jeweils durch καί (kai – und) verbundene Aufforderungen gegenübergestellt, deren erste dadurch besonders hervorgehoben ist, dass sie einen vollständigen Satz bildet (»setz dich auf den Boden«), wogegen die anderen drei von einem Verb regiert werden (»und vergiss den Reichtum und deine Schönheit und [deinen prahlerischen] Schmuck«). Die vier Aufforderungen sind deutlich auf die vier Charakterisierungen bezogen. Der Herrschersgattin, die in der Antike traditionell erhöht auf Podesten und kostbaren Sitzmöbeln steht oder sitzt, wird zugemutet, sich in eine Position zu begeben, die für Gefangene, von einer höheren Gewalt zu Boden Geworfene oder sich selbst vor Göttern oder Menschen demütigende Personen bestimmt ist. Artemilla wird aufgefordert, Reichtum, Schönheit und Schmuck zu vergessen, Attribute ihres auf Status und dessen Demonstration in der Öffentlichkeit bedachten Lebens. Der folgende Satz begründet und verallgemeinert die radikale Haltung des Paulus. »Nichts nämlich wird dir dies nützen, wenn du nicht Gott anbetest, der als Dreck ansieht, was hier gewaltig ist, jedoch gnädig schenkt, was dort (= in der jenseitigen Welt) an Wunderbarem ist.« Die Formulierung, dass die genannten Dinge »nichts werden nützen«, erinnert sprachlich und sachlich an jesuanische und paulinische Aussagen (Mk 8,36 par; Joh 6,63; 1 Kor 13,3; Röm 2,25; Gal 5,2; Hebr 4,2), die drastische Metapher vom »für Dreck halten« ist deutlich Phil 3,8 entnommen. Dass in den Augen Gottes wertlos ist, was in dieser Welt als großartig gilt, ist mit anderen Worten durch Paulus in 1 Kor 1,18-31 breit entfaltet worden. Ohne Parallele und nicht ganz einfach zu verstehen ist die Aussage, dass Gott aus Gnaden schenke, was dort an Wunderbarem sei. »Dort« ist als Antithese zu »hier (auf Erden)« und »alles Wunderbare« (θαυμάσια thaumasia) als Gegensatz zum »hier Großartigen« konstruiert; es wird inhaltlich zunächst nicht weiter konkretisiert, sollte aber m.E. als Vorverweis auf die später in der Erzählung folgenden Wunder gelesen werden. 486

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Paulus widmet sich im Folgenden erneut dem Erweis der Nichtigkeit alles Irdischen, indem er wiederum eine nunmehr sechsgliedrige Aufzählung bietet, in der die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit von fünf bereits zuvor genannten Größen (Gold, Reichtum, Kleider, Schönheit, Kosmos) und einer weiteren (große Städte) festgestellt wird. Während die ersten vier relativ trivial sind und eher dem Bereich der Erfahrungsweisheit zugehören – Gold wird vernichtet, Reichtum verzehrt sich, Kleider werden aufgetragen, Schönheit altert – sind die letzten beiden längeren Glieder der Aufzählung interessant. Als fünftes wird ein neues, im Zusammenhang unerwartetes und erklärungsbedürftiges Element eingeführt: »und große Städte verfallen«; auch möglich ist die Übersetzung »sind der Veränderung unterworfen«. Zwei Deutungen bieten sich an. Entweder ist in Analogie zu den ersten vier Elementen eine allgemeingültige historische Erfahrung angesprochen, dass nämlich selbst bedeutende Städte irgendwann untergehen. Oder der Satz ist in Verbindung mit dem folgenden, abschließenden Element der Aufzählung zu verstehen als eine Warnung an die Großmacht Rom und ihre Verbündeten, die unter dem Gericht Gottes stehen, der jederzeit eine große Stadt vernichten kann im Vorgriff auf das kommende Endgericht. Im Verlauf der Erzählung erhält diese zweite Deutung eine erzählerische Aktualisierung, denn viele Epheser fliehen angesichts des verheerenden Hagels einen Tag später, da sie denken, dass »die Zerstörung der Stadt (durch Gott) bevorstehe« (P.Hamb. 5,16f.). Der abschließende Satz der Aufzählung spricht definitiv nicht mehr von allgemeingültigen Erfahrungen der Vergänglichkeit, sondern von Gottes Endgericht mit Feuer über die Welt, das wegen der Gesetzlosigkeit der Menschen kommen wird. Der Apostel beginnt demnach bei allgemein verifizierbaren Erfahrungen der Vergänglichkeit und endet mit der Ansage des bevorstehenden, alles vernichtenden Weltenbrands. Diese düstere Analyse ruft natürlich nach einem Ausweg und den hat Paulus auch zu bieten. »Allein Gott bleibt und die von ihm verliehene Kindschaft, (Gott) in dem man gerettet werden muss.« Artemilla wird aufgefordert, auf Gott und Christus zu hoffen, »Vergebung der Sünden« und den »Freiheitskranz« (vgl. 1 Kor 9,25; 2 Tim 4,8) zu erlangen, »auf dass du nicht mehr Götzenbildern dienst und den Wohlgerüchen der Opfer, sondern dem lebendigen Gott und Vater Christi, dem die Ehre sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.« Über die hier verarbeiteten paulinischen Tauftraditionen und die rezipierte traditionell jüdisch-christliche Götzenpolemik folgt unten mehr; wichtig ist, im realgeschichtlichen Kontext darauf hinzuweisen, dass die Kombination von Reichtumskritik, Endgerichtsansage und Götzenpolemik, an die Adresse der Statthaltersgattin gerichtet, besondere politische Brisanz hat. Es sind die Mitglieder der Elite, die eine hervorgehobene Rolle in den staatstragenden Kulten und ihren öffentlichen Opfern spielen und damit öffentlich ihren Beitrag für das Wohlergehen des Gemeinwesens leisten. Man denke etwa an die Ara Pacis in Rom, auf der die ganze kaiserliche Familie in einer festlichen Opferprozession abgebildet ist. In der Provinz kam dem jeweiligen Statthalter die Funktion zu, neben den lokalen Kultusfunktionären die Einheit des Reiches zu repräsentieren und den Segen der Götter im Kultgeschehen zu erbitten. Die Aussage, dass Artemilla den 487

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Götzenbildern nicht mehr »dienen« soll, hat angesichts ihrer öffentlichen Funktion daher weitgehende Implikationen. Wenn sie am nächsten Morgen nicht zu dem anberaumten Tierkampf erscheint, entzieht sie sich nicht nur einem gesellschaftlichen Ereignis, sondern auch den daran gekoppelten religiösen Vollzügen, was angesichts der gegen Paulus erhobenen Vorwürfe – er wolle die Götter der Römer und der lokalen Bevölkerung zerstören (ActPl 9,12, P.Bod. 41,6,27-7,2) – schwer wiegt. Für Artemilla tritt das aus Wasser und Brot bestehende und im kleinen Kreis gefeierte Abendmahl an die Stelle der öffentlichen Kultzeremonien.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Erzählung schöpft aus einer Vielzahl von Traditionen, die im Zusammenhang mit Bekehrung und Taufe stehen und jüdisch-frühchristliche, aber auch pagane Wurzeln haben. Die diversen Wunder (Lösen der Fesseln, Öffnung der Türen, Engel-/Christus- und Lichterscheinungen, »Auferweckung« der Artemilla) sind dem Bekehrungs- und Taufkontext dienstbar gemacht und dienen der Ausgestaltung der Taufhandlung zu einer christlichen Mysterienfeier, die den Leser(innen) die Überwindung des Todes als eigentliche Bedeutung des Sakraments überdeutlich vor Augen stellt, wobei Befreiung und Erleuchtung begleitende Heilsgüter darstellen. Umsetzung von religiösen und philosophischen Überzeugungen und Riten in Erzählungen findet sich auch in anderen antiken Romanen, in denen die Religion oder die Philosophie eine zentrale Rolle spielen. In den folgenden Abschnitten werden vor allem Parallelen besprochen zu den Metamorphosen des Apuleius, die eine Einweihung in den Isiskult zum Höhepunkt haben und zum jüdisch-hellenistischen Bekehrungsroman Josef und Aseneth, der den Übertritt einer ägyptischen Priesterstochter zum Judentum erzählt. Die befreiende Macht des Gebets/Gottes (Türöffnungswunder): Türöffnungsund Befreiungswunder, mit denen eine in der Mehrheitsgesellschaft nicht akzeptierte Gottheit und/oder ihr irdischer Vertreter seine Macht über potente Gegner und Wächter des status quo beweist, kennt die hellenistische Antike in allerlei Formen (Weinreich 1929; Kratz 1979, 351-541). Als »kontextorientierte Gattung« (Kratz 1979, 443) begegnen sie fast immer eingebettet in größere Erzählzusammenhänge und finden ihre Deutung weniger in den einzelnen, oft stereotypen (und auch in anderen Zusammenhängen begegnenden) Elementen als in übergeordneten theologischen Ideen. Dionysische, hellenistisch-jüdische, neopythagorische und frühchristliche Erzählungen thematisieren Befreiung aus Gefangenschaft mit wunderbarer Lösung von Fesseln und Öffnung von Türen, um nachzuweisen, dass ihr Gott allen irdischen und himmlischen Gegenspielern überlegen ist und seine Anhängerinnen und Anhänger zu schützen vermag. Im Lichte dieser Tradition interpretiert G. Poupon die Taufe der Artemilla als wahre Befreiung im Gegenüber zu den durch heidnische Götter, insbesondere Dionysos gewährten Befreiungen (1981, 86-93). Anhand der durch Kratz zusammengestellten Motivtabelle kann man diesen Befund objekti488

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vieren (1979, 444f.). Von den dort genannten gattungstypischen Motiven begegnen immerhin die folgenden: A. Einleitung: (1) Auftritt eines Gottesanhängers (Paulus), (2) Auftritt eines Gegenspielers (Hieronymus); B. Exposition: (3) Charakterisierung der Not: (a) Gefangenname, (b) sichere Verwahrung, (c) Fesselung, (d) Aufbietung von Wächtern, (4) Missgunst (der Gegenspieler), hier doppelt motiviert durch Götterkritik des Paulus und Eifersucht auf ihn wegen Entzugs der Frauen, (9) Gebet (Paulus); C. Zentrum: (10) Szenische Vorbereitung: Nachtzeit, (11) Epiphanie eines Gottesboten (lächelnder Jüngling), (12) Begleiterscheinung der Epiphanie: Licht, (14) Wunderbare Fessellösung (durch den lächelnden Jüngling), (15) Wunderbare Türöffnung. Die finalen Motive sind durch den Taufkontext bedingt variiert, auf Seiten der Anhänger findet sich (17) die Furchtreaktion und (18) das Niederfallen, allerdings als Reaktion auf erneute Epiphaniemotive beim Taufvollzug. Möglicherweise muss man das »Entlassen« der Artemilla zu ihrem Mann als gattungstypisches Element (21), nämlich als Sendung auffassen. Reaktionen der Gegner fehlen, da der befreite Paulus nach der Taufe der Artemilla zurückkehrt und die Wächter alles verschlafen haben. Nach dem wunderhaften Überleben des Tierkampfes folgen nachklappend noch die für ein Befreiungswunder typischen Schlussmotive: (25) Strafwunder am Gegenspieler (das abgeschlagene Ohr des Hieronymus) und (26) dessen Bekehrung. Die individuelle Ausgestaltung verbindet die Perikope enger mit einigen wenigen anderen Erzählungen desselben Genres, ohne dass jedoch eine literarische Abhängigkeit sicher erwiesen werden könnte. Auch die Befreiung von Paulus und Silas in Apg 16 und von Thomas in ActThom 119-122 geschieht zur Ermöglichung von nächtlichen Taufen und endet mit selbstgewählter Rückkehr ins Gefängnis (vgl. unten zur Wirkungsgeschichte). Die Befreiung ist innerhalb der Acta Pauli deutlich als narrative Verifikation eines umfassenden theologischen Anspruchs gekennzeichnet. In seiner Bußpredigt an Artemilla hatte Paulus dieser als Ziel der Rettung den »Kranz der Freiheit« verheißen, »auf dass du nicht mehr Götzenbildern dienst und den Wohlgerüchen der Opfer, sondern dem lebendigen Gott und Vater Christi« (P.Hamb. 2,32f.), und auch in der Verteidigungsrede des Paulus vor dem Statthalter war die Rettung als das Gegenteil der vorfindlichen Versklavung durch materielle 489

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Güter und Laster bezeichnet worden (P.Hamb. 1,16.21). Als die Frauen anbieten, Paulus durch einen Schmied befreien zu lassen, lehnt dieser ab mit den Worten: »Das will ich nicht, ich habe nämlich Vertrauen in Gott, der die ganze Welt aus Fesseln errettet hat.« Er erbittet dann im Gebet, »dass vor Artemilla und Eubula, die Dein sind, die Fesseln von meinen Händen zerrissen werden«, woraufhin der lächelnde Jüngling erscheint und die Fesseln löst (P.Hamb. 3,5-15). Auf ein weiteres vollmächtiges Gebet des Paulus hin öffnen sich die Türen »im Namen Gottes« (P.Hamb. 3,24f.), woraufhin die Taufe vollzogen wird. Warum aber kehrt Paulus nach geglückter »Befreiung« der Artemilla, für die seine Befreiung aus dem Kerker Vorzeichen und Vorbedingung war, wieder in sein Gefängnis zurück? Eine doppelte Antwort bietet sich an. Die narrative Logik erfordert seine Anwesenheit zu noch größeren Wundern, die am folgenden Tag in der Arena eine Massenbekehrung und schlussendlich auch die Bekehrung des Statthalters selbst zur Folge haben werden. Auch in zeitgenössischen jüdischen Traditionen findet sich die Weigerung, sich von Menschen (oder sogar Engeln!) befreien zu lassen im Vertrauen auf die Macht Gottes, eine noch größere Rettung bewerkstelligen zu können (Abraham in Lib. Ant. 6 und in späteren Abrahamlegenden, vgl. Beer 1859, 15-17). Theologisch wird man darauf hinweisen müssen, dass Freiheit in den Acta Pauli nicht das höchste Gut ist. Die explizit formulierte Folge der Befreiung der Artemilla ist, dass sie von nun an dem lebendigen Gott und Vater Jesu Christi dient. Ein solcher Gedanke ist übrigens nicht spezifisch christlich. Auch im Bekehrungsroman des Apuleius wird Lucius nach seiner durch Isis ermöglichten (Rück-)Verwandlung vom Esel zum Menschen aufgefordert: »Weihe dich nunmehr als Jünger unserem Glauben und nimm freiwillig das Joch des Dienens auf dich! Denn hast du die Knechtschaft bei der Göttin begonnen, dann wirst du doppelten Gewinn an Freiheit spüren!« (Met. 11,15,5). Überwindung des Todes im Sakrament: Buße, Bekehrung, Taufe und Taufeucharistie: Die Erzählung setzt frühchristliche und besonders paulinische Deutungen der Taufe um in ihre Schilderung von einer außergewöhnlichen Taufe mit anschließender Taufeucharistie. Dass die Initiation »als regelrechter Taufgottesdienst in der Nacht vom Sabbat auf den Sonntag« (so Weidemann 2014, 126) gezeichnet wäre, halte ich nicht für korrekt, dazu sind die wunderhaften Elemente (abfallende Fesseln, sich von selbst öffnende Türen, eine kommende und gehende Lichtgestalt, die die Finsternis erleuchtet, Manipulation – Licht, Aufwallen? – am Wasser sowie Ohnmacht und Wiederbelebung der Initiantin) zu sehr betont. Doch ist richtig, dass regelgerechte rituelle Elemente, nämlich der Beginn der Zeremonie mit einer als Absage an die Vergangenheit zu verstehenden Bußübung (angedeutet durch die Bußpredigt mit ihrer Reichtumskritik und Götzenpolemik, das dunkle Kleid und das auf dem Boden Sitzen) und der Formulierung des Taufbegehrens, der Zeitpunkt, der Ritus des Untertauchens, das Sprechen von Gebeten und der Formel »im Namen Jesu Christi« und die Kombination der Taufe mit der Eucharistiefeier am Sonntagmorgen die Leserinnen und Leser erinnern sollen an die bekannte christliche Taufpraxis. Die außerordentlichen Elemente dienen erstens dazu, den im Gebet des Paulus explizit als »Einweihung« bezeichneten Vorgang auch äußerlich 490

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an nächtliche Mysterienfeiern anzugleichen, wie sie aus Mysterienkulten bekannt waren (Merz 2008, 281-283). Zugleich dienen sie der theologischen Deutung des Geschehens als Erleuchtung und Befreiung von Sünde durch symbolischen Tod und Auferweckung zu neuem Leben in der von Christus geschenkten Kindschaft. Dahinter steht vor allem paulinische Tauftheologie, wie sie in Röm 6,1-23; 8,1-17; 1 Kor 6,9-11; Gal 3,26-4,20; 5,1-6; Eph 5,3-14 nachzulesen ist. Die nächste literarische Parallele zu dieser unter Anleihen bei Mysterienreligionen in Szene gesetzter (narrativen) Theologie bietet der jüdische Bekehrungsroman Joseph und Aseneth. Hier finden sich eine ganze Reihe von Parallelen zwischen den die Taufe der Artemilla begleitenden Geschehnissen und den Handlungen, die Aseneth als Ausdruck ihrer Bekehrung zum Gott Israels vollzieht (JosAs 1017). Aseneth legt ihr golddurchwirktes königliches Kleid aus Byssos ab und legt ein schwarzes Gewand an, sie streut Asche auf den Grund und demütigt sich, indem sie sieben Tage lang auf dem Boden kniet und liegt, sie trennt sich von all ihren Reichtümern und ihren Göttern und sucht als Kind ihre Zuflucht im Gebet bei dem einzigen wahren Vater, Gott, bei dem allein ewiges Leben und Rettung zu finden ist. Auch sie wird von einem Engel besucht, der durch geschlossene Türen schreitet, von himmlischem Lichtglanz umgeben ist und als Liturg des Transformationsgeschehens auftritt, durch das sie zu einem neuen Menschen wird. In den Acta Pauli ist die Handlung in eine extrem kurze Zeitspanne zusammengepresst und ist der Handlungsanteil der Artemilla im Vergleich zu Aseneth viel geringer, da Paulus das Reden und Deuten übernimmt. Trotzdem sind die strukturellen und inhaltlichen Parallelen beeindruckend, zumal im Zentrum beider Texte eine Besiegelung durch eine furchterregende geheimnisvolle Zeremonie steht (das Essen von einer himmlischen Honigwabe bei Aseneth, das Untertauchen im Wasser, das wie Feuer ist, bei Artemilla), durch welche die Initiantin Anteil an der himmlischen Realität erhält. Beide Texte erzählen vom Übertritt zum Judentum bzw. Christentum, indem sie die Atmosphäre nächtlicher Mysterienweihen heraufbeschwören, und verwenden vergleichbare Terminologie. Als Abschluss der Taufzeremonie hält Paulus mit Artemilla das Abendmahl, wobei die Wortwahl aufhorchen lässt: Paulus »brach das Brot, opferte (!) Wasser und tränkte Artemilla mit dem Wort« (ἔκλασεν ἄρτον ὕδορ τε προσήνεγκεν ἐπότισεν ῥήματι eklasen arton hydor te prosēnegken epotisen rhēmati). Diese im griechischen Text aus nur 7 Worten bestehende Beschreibung erschließt eine den Paulusakten eigene, profilierte Abendmahlsauffassung, die in der Literatur noch kaum wahrgenommen wurde (ausführlich Merz 2008, 283-289.293f.). Zunächst ist die ungewöhnliche Kombination von Brotbrechen, was im christlichen Sprachgebrauch eindeutig eine Abendmahlsfeier signalisiert, und dem Opfern von Wasser zu beachten, was an ein Trankopfer denken lässt, das allerdings üblicherweise mit Wein vollzogen wurde. Jedenfalls passt der Ausdruck nicht zum Abendmahl, wo im Ritus nichts ausgegossen wurde. Manche Übersetzungen entschärfen diese provokative Aussage, indem sie die opfertechnische Bedeutung von προσφέρειν (prospherein – ein Opfer darbringen) ignorieren und auf die alltagssprachliche, im Kontext jedoch nichtssagende Bedeutung 491

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»bringen« zurückgreifen (Paulus »brachte das Wasser«: Schmidt/Schubert 1936, 35; Schneemelcher in Schneemelcher/Kasser 1997, 229, richtig dagegen: »offrit l’eau« in W. Rordorf, W. Cherix und R. Kasser 1997, 1158). Da in der Rede des Paulus die Polemik gegen Götzenbilder und Opferdämpfe den Höhepunkt seiner Kritik am heidnischen Leben bildete, wird man in der so unkonventionell beschriebenen Mahlfeier, die die Taufinitiation abschließt, den christlichen Ersatz für die heidnischen Opfermahle beschrieben finden und die Kombination von christlicher und paganer Opferterminologie für eine bewusste Wahl des Verfassers halten. Er zeigt damit an, dass die christliche Taufe an den Platz der Mysterien getreten ist und an die Stelle des die Initiation abschließenden Opfers ein Mahl aus Brot und Wasser. Dazu passt, dass die Acta Pauli wie viele Schriften des 2. Jh. an anderer Stelle den Ausdruck προσφορά (prosphora – Opfer, das dem Verbum προσφέρειν prospherein zugehörige Substantiv) für das Abendmahl verwenden (P.Hamb. 6,37f.). Ein fleisch- und weinloses Opfer nimmt demnach den Platz der im kleinen oder großen Kreis gefeierten heidnischen Opfer ein, die für Christusgläubige tabu waren. Innerhalb der Paulusakten wird prinzipiell Verzicht auf Wein und Fleisch geleistet (vgl. die vegetarische Mahlzeit in ActThecl 23-25 und das Verweigern »kostbarer Speisen« in P.Heid. 37,20-38,3), vermutlich weil frei verkäufliches Fleisch meist von kultischen Schlachtungen stammte und bei der Produktion von Wein immer irgendwo ein Opfer an Dionysos vollzogen wurde. Das Abendmahl mit Wasser und Brot symbolisiert daher die äußerste Konsequenz des Verbotes, am Kult teilzunehmen (alle Belege innerhalb der Acta Pauli werden besprochen in Merz 2008). Wir besitzen im 96. Brief des Plinius an Kaiser Trajan eine aus dem frühen 2. Jh. stammende römische Quelle, die zeigt, dass der massenhafte Übertritt zum Christentum in seinem Zuständigkeitsbereich Bithynien und Pontus mit dem Zurückgang traditioneller Kultfeiern und mit dem Verzicht auf Genuss von Opferfleisch einherging. Plinius leitete eine Abschreckungs- und Gegenkampagne ein und meldete dem Kaiser seine Erfolge: »Auf jeden Fall beginnt man erwiesenermaßen, die schon beinah verödeten Tempel wieder zu besuchen und die lange unterbrochenen feierlichen Opfer wieder aufzunehmen und überall wieder Opferfleisch zu verkaufen, für das sich bis jetzt nur sehr selten ein Käufer fand« (ep. 10,96, Übers. Lambert 1969). McGowan, der den »ascetic eucharists« diverser frühchristlicher Gruppen eine ausführliche Untersuchung gewidmet hat, ordnet diese übrigens in einen breiteren kulturellen Zusammenhang ein. Er bewertet das aus Brot als Hauptsättigungselement bestehende Mahl ohne Fleisch und Wein, das manchmal von anderen vegetarischen Speisen begleitet wurde und bei dem in vielen Fällen Wasser als Getränk genannt ist, als Ausdruck einer gegenkulturellen Orientierung von »dissident groups«, zu denen z.B. auch die kynische und pythagoreische Bewegung oder bei den Juden die Therapeutinnen und Therapeuten gehören. Sie alle entzogen sich in gewissem Umfang den dominanten kulturellen Werten, Normen und Verhaltensweisen und brachten dies dadurch zum Ausdruck, dass sie beim Mahl auf Fleisch und Wein verzichteten, die als »most ritually and socially significant food« der antiken Gesellschaft gelten müssen (McGowan 1999, 271). 492

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Die Radikalität der Paulusakten scheint jedoch noch weiter zu gehen als die weitverbreitete christliche Zurückhaltung gegenüber der Teilnahme an den Opferfeiern der Mehrheitskultur und sich auch auf die Deutung des Todes Jesu als Opfer zu beziehen, an dessen sühnender Wirkung die Gläubigen nach weitverbreiteter Vorstellung im Abendmahl Anteil gewinnen durch den Genuss von Leib und Blut Christi, die symbolisch oder realpräsent in den Abendmahlselementen anwesend gedacht wurden. Hier muss nun die erklärungsbedürftige Formulierung, dass Paulus Artemilla »mit dem Wort tränkte« näher untersucht werden. Wiederum ist zunächst ein irreführender Verbesserungsversuch am Text zurückzuweisen. H.U. Weidemann hat vorgeschlagen, den Text so zu verstehen, dass Paulus Wasser bringt, Artemilla zu trinken gibt und sie dann »mittels eines Wortes« zu ihrem Mann »entlässt« (2011, 1500 Anm. 83). Diese Übersetzung ist zurückzuweisen, da sie übersieht, dass die Rede vom »Tränken mit dem Wort« als theologisch gefüllter Begriff gelten muss, dem in den Acta Pauli drei Vorkommen der parallelen Ausdrücke »Nähren mit dem Wort« und »genährt durch seine (des Herrn) Worte« an der Seite steht (P.Bod. 41,3,14-15; P.Heid. 60,10-11; P.Hamb. 7,6), wobei nur die letzte Stelle einen (indirekten) eucharistischen Bezug hat. »Nähren mit dem Wort« beschreibt in den Paulusakten allgemein die apostolische Verkündigung, welche die Zuhörenden rettet und im Glaubensstand erhält. Über den traditionsgeschichtlichen Hintergrund und die Bedeutung lässt sich folgendes erschließen: Diese Metaphorik steht in der Linie der alttestamentlichen Tradition von der zum Mahl rufenden Weisheit, die im hellenistischen Judentum und Urchristentum vielfältig rezipiert wurde. Entscheidend ist, dass im Gefolge hellenistisch-jüdischer Weiterentwicklung dieser Tradition, wie sie bereits anhand des Honigmysteriums im Asenethroman zur Sprache kam, die Weisheit bzw. der Logos zunehmend nicht nur als Spender, sondern auch als die Gabe selbst verstanden wurden. Das nährende Wort ist demnach wahrscheinlich nicht allein die Verkündigung von Christus, sondern zugleich auch Christus selbst als das Wort, das, mit dem Johannesprolog gesprochen, im Anfang bei Gott war, durch das die Welt geschaffen ist, das in Christus Fleisch wurde und in die Welt kam. Dann wird verständlich, dass der Ausdruck ›nähren bzw. tränken mit dem Wort‹ auch als Interpretation der sakramentalen Mahlzeit Verwendung finden konnte, denn in diesem Kontext sind λόγος bzw. ῥήμα kaum anders denn als christologisch gefüllte Begriffe zu verstehen. Ich meine also, dass in den Acta Pauli eine weisheitstheologische Interpretation des Mahles und seiner Elemente vorliegt. Beim Genuss von Brot und Wasser wird die Leben stiftende Gegenwart Christi erfahren, vergegenwärtigt und angeeignet; dabei ist es in pointierter Weise Christus als das »Wort des Vaters«, das den Enthaltsamen »zum Werk der Rettung« wird, wie es der letzte Makarismus der Theklaakten formuliert (ActThec 6), nicht sein Opfer, sein Fleisch/Leib oder Blut. […] [Denn auffälligerweise fehlt in den Acta Pauli] jeglicher Hinweis darauf, dass im Abendmahl des Opfers Jesu gedacht wurde. Die Mahlelemente werden nicht mit dem Leib/Fleisch Jesu und seinem Blut in Verbindung gebracht. Offenbar wird das gewöhnliche Opferwesen so radikal abgelehnt, dass selbst eine vergeistlichte Opfervorstellung unakzeptabel ist. Der Paulus der Akten steht darin in einem scharfen Kontrast zum historischen Paulus! (Merz 2008, 288f.293, vgl. auch Sandelin 1986; McGowan 1999, 273).

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Verstehensangebote und Deutungshorizonte Aufbauend auf den Beobachtungen der vorangehenden Abschnitte lassen sich drei Hauptzugänge zur Interpretation der Erzählung finden: Eine mysterientheologische und eine religionspolitische Deutung ergeben sich aus dem Hauptthema und der Konstellation der Figuren. Drittens ist es interessant, nach dem Beitrag dieser Erzählung zur Ausgestaltung des Paulusbildes zu fragen. Neuinterpretation der paulinischen Theologie im Roman – Taufe als Mysterieninitiation: Die apokryphen Apostelakten machen auf verschiedene Weise Anleihen bei der ihrerseits vielgestaltigen antiken Romanliteratur. Oft sind die Bekehrungen von Frauen unter Gebrauch von Klischees geschildert, die vor allem in Liebesromanen begegnen. Die Taufe der Artemilla jedoch lässt sich vor allem mit Erzählungen vergleichen, in denen die Bekehrung zu einer neuen Religion thematisiert wird (Lucius’ Metamorphosen, Joseph und Aseneth). Dabei vermischen sich Elemente aus der alltäglichen Religionsausübung mit parodistischen und fiktiven, teils überdeutlich symbolischen Erzählelementen. Die Verzauberung des Lucius in einen Esel und seine Rückverwandlung in einen Menschen im Verlauf seiner Transformation zu einem treuen Diener der Isis übermittelt, die nicht misszuverstehende Botschaft, dass es darauf ankommt, das tierische Stadium zu überwinden und wahrhaftig zu einem der Göttin würdigen Menschen zu werden. Der Taufe der Artemilla geht innerhalb der Ephesusperikope die Taufe des sprechenden Löwen (Symbol der Triebhaftigkeit) voran, die in einem eigenen Abschnitt ausgelegt wird, aber hier insofern miteinbezogen werden muss, als auch sie zeigt, dass der Autor gern starke und unmissverständliche Symbolik einsetzt, um seiner Botschaft Nachdruck zu verleihen und theologische Wahrheiten narrativ in Szene zu setzen. Das geschieht innerhalb der Erzählung vielfach. Wenn etwa betont wird, dass Paulus statt auf einen Schmied sein Vertrauen setzt in Gott, »der die ganze Welt aus Fesseln errettet hat«, und dann die Angabe hinzugefügt wird, dass Paulus um Befreiung von seinen Fesseln bat »am Sabbat, während der Herrentag herannahte« (τῷ σαββάτῳ ἐπερχομένης τῆς κυριακῆς tō sabbatō eperchomenēs tēs kuriakēs, P.Hamb. 3,8), dann ist deutlich: »In dieser Nacht, da Christus von den Toten auferstanden ist, hat er den ganzen Kosmos von den Fesseln befreit. Das ist die leicht verständliche Symbolik des Textes« (Peterson 1949, 148f.). Das in der Nacht der Gruppe Vorangehen des leuchtenden Jünglings und die Lichterscheinung bei der Taufe verweisen auf die verbreitete Anschauung von der Taufe als Erleuchtung, und der todesähnliche Zustand der Artemilla nach der Taufe soll aller Wahrscheinlichkeit nach die paulinische Überzeugung vom Sterben mit Christus (Röm 6,3) narrativ inszenieren. Häufig wird diese »vulgäre« Form der Darstellung kritisiert (z.B. Pervo 2014, 240). Doch sollte man bedenken, dass die real vollzogenen antiken Mysterieninitiationen teilweise noch erheblich drastischer waren. Man denke etwa an das Taurobolium im Attiskult, bei dem über dem Mysten, der sich in einer mit einem Gitter bedeckten Grube befand, ein Stier geschlachtet wurde, oder an Scheintötungen, z.B. durch Vermittlung der Illusion einer Durchbohrung mittels eines Theaterschwerts, die im Mithraskult nachgewiesen 494

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sind (Klauck 1995; 110f.123 mit Anm. 91). Da, wie oben nachgewiesen, die Paulusakten die Taufe der Artemilla als christliche Mysterieninitiation beschreiben, dürfen antike Leserinnen und Leser in der Häufung von Elementen, deren symbolischer Charakter offensichtlich ist und die extreme Freude und starke Furcht hervorrufen, typische Züge einer nächtlichen Mysterienweihe erkannt haben. Die Anlehnung an eine anerkannte Form paganer Religiosität verschleiert allerdings christlicherseits einen zentralen Differenzpunkt zu den antiken Mysterien, denen Exklusivität fremd war und die in der Regel keinen Gegensatz zwischen Geheimkult und öffentlichem Kult kannten. Dies bringt uns zur zweiten Deutung. Macht trotz Ohnmacht – Widerstandsliteratur einer verleumdeten Bewegung: Zwei Formen von Mahlzeiten symbolisieren innerhalb der romanhaften Ephesusperikope der Paulusakten und in der Amtskorrespondenz des Plinius mit Kaiser Trajan den unversöhnlichen Gegensatz zweier Welten: Opferfeier und Abendmahl. Auf der einen Seite steht die herrschende Staatsmacht mit ihren lokalen und reichsweiten Göttern, die in Götterstatuen repräsentiert und in öffentlich vollzogenen Opfern kultisch verehrt wurden und deren gemeinschaftserhaltender Wirksamkeit in den anschließenden Festessen dankbar gedacht wurde, was seitens der Erzählung in bewährter götzenpolemischer Tradition als »den Götzenbildern und den Wohlgerüchen der Opfer dienen« bewertet wird. Als Gegenbild propagieren die Paulusakten den Dienst am »lebendigen Gott und Vater Christi«, der die Seinen tränkt und nährt mit dem Wort, symbolisiert durch das im kleinen Kreis vollzogene Abendmahl von Wasser und Brot. Welches Wort, welcher Gottesdienst ist es, der den Menschen wahrhaftig nährt und ihm/ihr Anteil am ewigen Leben gibt? Auf diese Frage geben die Akten aus der Perspektive der unterdrückten und verfolgten christlichen Minderheit Antwort. Die Erzählung demonstriert die Überwindung der mächtigen Staatsmacht und ihrer religiösen und juridischen Institutionen durch den Apostel und seine mutig, aber bedacht operierenden Sympathisantinnen. Paulus war wegen seiner als Bedrohung für das öffentliche Wohl eingestuften Äußerungen durch Schläge gedemütigt, im Gefängnis unsichtbar und mundtot gemacht und für ein abschreckendes Hinrichtungsspektakel vorgesehen. Bilder von gegenwärtigen Menschenrechtsschändungen, begangen beispielsweise an regimekritischen Bloggern oder unabhängig berichtenden Journalisten in totalitären Staaten, drängen sich als aktuelle Parallelen geradezu auf. Frauen aus den höchsten Kreisen, aus den Schaltzentren der Macht verweigern ihre Loyalität gegenüber ihren Ehemännern, die für diese schändliche Behandlung verantwortlich sind und nehmen sogar heimlich Teil an den »staatsgefährdenden« Aktivitäten des Verurteilten. Die Öffentlichkeit bekommt Wind davon – die Damen verweigern die Teilnahme an der Hinrichtung, sie sollen die ganze Nacht bei dem Verurteilten gewesen sein, und jetzt sind sie angeblich »krank« – der Imageschaden für den Statthalter und seinen Intimus ist kaum mehr zu reparieren. Wie zu erwarten, wird noch mehr Repression aufgeboten, doch die jeglichen Realismus entbehrende Erzählung kontert mit himmlischen Machterweisen im Multipack (sprechender Löwe, tödlicher Hagel, Massenpanik). Am Ende wird der örtliche Potentat selbst zum neuen Glauben bekehrt, von seiner Verletzung 495

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geschwächt und den nicht endenden Machterweisen (schon wieder ein geschlossene Türen durchschreitender himmlischer Bote!) in die Knie gezwungen. Das hat beinah etwas Komisches. Solche Literatur hatte vermutlich kompensatorische Funktion für Christinnen und Christen, die jederzeit mit Verfolgung rechnen mussten. Man denke an die im Brief des Plinius an Trajan geschilderte Situation zahlreicher Angeklagter jeglichen Alters und Standes und auch beiderlei Geschlechts, von denen viele bereits hingerichtet worden waren, obwohl alles, was Plinius neben »minderwertigem Aberglauben« an Belastendem finden konnte, das Singen von Hymnen an Christus, eine Selbstverpflichtung zur Enthaltung von Unrecht und ein »gewöhnliches und unschuldiges Mahl« vor Sonnenaufgang war. Plinius’ Brief repräsentiert übrigens auch die Gegenpropaganda der Staatsmacht, die sich in der Verbreitung von Erfolgsmeldungen übte, über deren Wahrheitsgehalt keine sicheren Schlüsse zu ziehen sind: Viele haben dem Kaiserbild und den Götterstatuen geopfert, Tempel werden wieder besucht, Opfer finden wieder statt, Opferfleisch findet überall Käufer. Fiktive Erzählung und – möglicherweise – geschönter Brief erweisen sich als ideologische Waffen in einem Streit, in dem die glaubensstarken Machtlosen stärker sind, als die Herrschenden zugeben mögen. Ist es Zufall, dass in beiden Dokumenten Frauen zu den sogenannt Machtlosen gehören, die zur Verbreitung der neuen Bewegung beitragen? Über die Freigelassene Eubula gelangte der neue Glaube zur Gattin des Statthalters, bevor dieser selbst schließlich bekehrt wird. Plinius erwähnt zwei ministrae, Diakoninnen, die er zum Zwecke der Informationsbeschaffung foltern ließ und die, bleibende »Verstocktheit« vorausgesetzt, zweifellos wie die anderen am Ende den Tod fanden. Es waren Frauen wie diese beiden ministrae, die das Herz der vitalen frühchristlichen Bewegung formten, und es waren Frauen wie Eubula und Artemilla, die deren Phantasie beflügelten und ihnen Mut in ihrem widerständigen Tun gaben. Paulus als exemplarischer Verkündiger, Mystagoge und die Angst überwindender Beter: Die in den beiden vorigen Abschnitten beschriebenen Deutungen lassen sich natürlich auch im Paulusbild der Erzählung wiederfinden, das erstaunlich viele Facetten aufweist. Paulus ist erstens ein überzeugender Verkündiger des Evangeliums, was sich zunächst in einer wirksamen Bußpredigt äußert, in der Artemilla von den unbeständigen Dingen dieser Welt weg zu Gott gerufen wird, der allein Bestand hat und ewige Heilsgüter anbietet. Nach erfolgter Initiation geschah stärkende Verkündigung im Rahmen der Taufeucharistie; Paulus »tränkte« Artemilla »mit dem Wort« und vollzog damit exemplarisch an einer Einzelperson, was die Prophetin Myrte in der Abschiedsszene in Korinth als seine gottgewollte Bestimmung in Rom offenbart: Dort werde er »viele nähren mit dem Wort, so dass es keine Zahl gibt (sie zu zählen)« (P.Hamb. 7,6). Zweitens ist er auch ein potenter Liturg und Mystagoge, der seine Initiantin Schritt für Schritt von ihrem nur oberflächlich glamourösen Leben »im Dreck« durch diverse Grenzüberschreitungen hindurch (das Passieren verschlossener Türen, Durchschreiten der Dunkelheit und die Beinahe-Todeserfahrung der Taufe) zur Rettung geleitet, die als Freiheit/Befreiung, Erleuchtung, Versiegelung (zum ewigen Leben) und Annahme als Kind des lebendigen Gottes definiert wird. 496

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Befähigt wird er dazu drittens, und das ist vielleicht der überraschendste Zug, nicht durch ihm eigene konstant übermenschliche Fähigkeiten, sondern durch anhaltendes vollmächtiges Gebet, das imstande ist, vorübergehende menschliche Schwachheit zu kompensieren. Paulus wird in der Ephesusperikope nämlich auffallend menschlich gezeichnet. Unmittelbar vor dem Einsatz der Artemilla-Szene war berichtet worden, dass Paulus, beim Gebrüll des für ihn zum Henker bestimmten Löwen »erschreckt« (oder sogar: »feige geworden«), »vom Gebet abließ« (ActPl 9,15/P.Hamb. 2,8). Das ist nun eine keineswegs harmlose Aussage, wenn sie auch meist in den Kommentaren übergangen und in ihrer narrativen Funktion nicht angemessen gewürdigt wird. »Betet ohne Unterlass« ist eine bekannte paulinische Mahnung (1 Thess 5,17). Die in Ephesus im Hause von Priszilla und Aquila versammelte frühchristliche Gemeinde zeichnet sich dann auch durch anhaltendes Gebet aus (ActPl 9,2/P.Bod. 41,1,12-13), und der Apostel selbst übertraf seiner eigenen rückblickenden Schilderung zufolge alles normalerweise Menschenmögliche, als er sich durch das Herannahen eines schrecklichen Löwen nicht vom Gebet abhalten ließ und durch diese Glaubenskraft den Löwen lammfromm werden ließ (ActPl 9,79/P.Bod. 41,4-5). Nun jedoch ist er in Gefahr, die Konfrontation mit dem Löwen nicht zu bestehen wegen seiner Angst. Was hier im Raume steht, ist die erschreckende Möglichkeit, dass Paulus angesichts des drohenden Martyriums vom Glauben abfallen könnte, wie er selbst es der Thekla als Gefahr vor Augen gestellt hatte (ActThecl 25; vgl. auch 4 Makk 10,14 und die Auslegung zu ActPl 9,15/P.Hamb. 2,8 im Rahmen des Löwenkampfes in diesem Band). Als Artemilla zu Paulus kommt, »um das Gebet des Tierkämpfers« zu hören, wird sie zunächst enttäuscht. Nach ihrem Taufbegehren jedoch besinnt sich Paulus auf seine alte Stärke, sein Vertrauen zu Gott (P.Hamb. 3,7), und erbittet unter Erinnerung an frühere Rettungstaten die Lösung der Fesseln (P.Hamb. 3,1012). Als daraufhin Christus in Gestalt des lächelnden Jünglings erscheint, berichtet der Text, dass Paulus seine allzu menschliche Schwäche überwunden hat: »Als Folge der Erscheinung aber, die dem Paulus zuteilgeworden war, und des ausgezeichneten Zeichens an den Fesseln verschwand seine Traurigkeit wegen des Tierkampfes und er sprang jubelnd umher, als ob er ins Paradies versetzt wäre« (P.Hamb. 3,15-18). Ein weiteres Gebet öffnet Türen (P.Hamb. 3,21-25) und eine letzte Krise – der todesähnliche Zustand der Artemilla nach der Taufe – wird ebenfalls durch ein Gebet des Paulus überwunden. Wie Snyder (2013, 73) richtig bemerkt hat, dienen all diese Wunder nicht allein der Befreiung der Artemilla, »but also as a symbol of Paul’s own release from fear and imprisonment (to the body and its passions)«. Nachdem die Initiation mit Taufeucharistie und Verkündigung abgeschlossen wurde, lässt Artemilla Paulus so zurück, wie es dem Apostel gebührt, betend. Im weiteren Verlauf der Erzählung wird er sich keine Sekunde mehr durch Furcht ablenken lassen. Für die Leser(innen) übermittelt diese Erzählung die tröstliche Botschaft, dass nicht einmal Paulus selbst gänzlich frei war von Furcht und zeitweisem Versagen und dass dies der Treue Gottes und der Erfüllung des göttlichen Heilsplans letztlich nicht im Weg stehen konnte. Vielleicht können sie sogar die Lehre daraus ziehen, dass der entste497

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hende Glaube eines/r Neubekehrten der verkündigenden Person selbst über eine Glaubenskrise hinweghelfen kann, eine psychologische Wahrheit der Erzählung, die zutrifft, auch wenn sie nicht als bewusst intendierte Botschaft nachzuweisen ist.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die Erzählung von der Taufe der Artemilla ist als Teil der Paulusakten erst im 20. Jh. bekannt geworden durch Erschließung des griechischen Papyrus Hamburg (publiziert 1936) und des koptischen Papyrus Bodmer 41 (deutsche Übersetzung in Schneemelcher 1997a, kritische Edition: Kasser/Luisier 2004). Davor kannte man nur einen summarischen Bericht aus der byzantinischen Kirchengeschichte des Nicephorus Callistus (14. Jh.) über die in Ephesus spielende Episode; er beruft sich hierbei auf eine Schrift mit dem Titel »Reisen des Paulus« (h.e. 2,25; zitiert in Pervo 2014, 56f., griechischer Text bei Schmidt 1905, 111). Es ist nicht sicher, ob die genannte Schrift eine überarbeitete Version der Ephesusperikope der Acta Pauli enthielt, oder ob es sich bei den »Reisen des Paulus« um einen anderen Namen für die Acta Pauli handelt und die vergleichsweise geringen Unterschiede zurückzuführen sind auf einen nicht detailgetreuen Prozess der Überlieferung bzw. eine ungenaue Widergabe des Nicephorus (oder seiner Quelle). Vielleicht waren auch verschiedene Versionen der Acta Pauli in Umlauf. Diesem Kurzbericht zufolge taufte Paulus Eubula und Artemilla, die ohne Statusunterschied als »Ehefrauen herausragender ephesinischer Männer« eingeführt werden, zugleich im Meer; begleitet wurden Paulus und seine Jüngerinnen von Engeln (Plural), welche die Nacht durch ihre Lichtgestalten erleuchten. Der Hauptunterschied liegt demnach in der Doppeltaufe und darin, dass der lächelnde und scheinende Jüngling, der als Christuserscheinung zu deuten ist, durch Engel ersetzt wurde. Neben der Bestätigung des komplexen Handlungsverlaufs (Einbindung des nächtlichen Taufgeschehens am Meer in die Löwenkampfepisode mit zwischenzeitlicher Befreiung und Rückkehr des Paulus ins Gefängnis und Erwähnung der nachklappenden Heilung und Bekehrung des Hieronymus) ist die wichtigste theologische Übereinstimmung darin zu sehen, dass auch Nicephorus die Taufe als Einweihung nach Analogie einer Mysterieninitiation deutet, indem er eindeutige, aber vom Text der Acta Pauli abweichende Mysterienterminologie verwendet. Ihm zufolge kam Paulus, »um jene einzuweihen (τελέσαι telesai) mit der göttlichen Taufe«. Wahrscheinlich hat die Artemillaepisode auch als literarisches Vorbild für verschiedene Abschnitte der Thomasakten gedient. Die Ansprache des Thomas, gerichtet an die zu seinen Füßen niedergefallene Mygdonia, die Frau des Charis, eines Verwandten des Königs in ActThom 88,9-21, weist eindeutige literarische Überschneidungen mit der an Artemilla gerichteten Bußpredigt des Paulus auf: Steh auf von der Erde und besinne dich. Denn zu nichts wird dir dieser angelegte Schmuck nützen noch die Schönheit deines Körpers noch deine Kleider. Weder der Ruf von dem dich umgebenden Ansehen noch die Macht dieser Welt noch dieser schmut-

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zige Verkehr mit deinem Mann wird dir nützen, wenn du des wahrhaftigen Verkehrs beraubt bist. Denn der Prunk des Schmuckes wird vernichtet, und der Köper altert und verändert sich, und die Kleider veralten, und die Macht und Herrschaft geht vorüber … Es vergeht aber auch die Gemeinschaft des Kinderzeugens, da sie eben ein Gegenstand der Verachtung ist. Jesus allein bleibt immer und die, so auf ihn hoffen (ActThom 88,921).

Weitere Anklänge an dieselbe Passage finden sich in ActThom 55,5f.; 203,10f.; 227,14f.; hinzu kommen in den Kapiteln 118-122 und 150-162 zwei in vielen Details parallele Berichte von einer nächtlichen Taufe, verbunden mit Türöffnungswundern, Lichterscheinungen und Erscheinungen des polymorphen Christus in Gestalt des Apostels. Allerdings haben diese Berichte eine literarisch weitaus kunstvollere Struktur und sind theologisch erheblich komplexer durch Verwendung von subtiler Symbolik und Typologie, die auf ein gelehrtes Milieu weisen, und von Elementen spezifisch syrischer Theologie und Sakramentenlehre (u.a. geht der Taufe eine Salbung voraus und ist der Text durch eine extreme Sexualfeindlichkeit gekennzeichnet). Darum sind Versuche, die narrativ und theologisch einfachere Artemillaerzählung als Imitation der Acta Thomae (so Peterson 1949, 145f.) oder auf den Acta Thomae basierenden sekundären Einschub in die Ephesusperikope der Acta Pauli zu erklären (so Pervo 2014, 234-236), nicht überzeugend. Letzte Sicherheit ist in solchen Fragen angesichts unserer fragmentarischen Quellenkenntnis nicht zu erlangen; aber die Tatsache, dass zwei der frühesten Handschriften (P.Hamb. und P.Bod. 41) und eine spätere Epitome die Taufe der Artemilla im Zusammenhang mit der Löwenkampfepisode überliefern und dass, wie gezeigt, die Sakramentstheologie (Tränken mit dem Wort!) exakt dieselbe ist wie in anderen Teilen der Paulusakten, sprechen doch deutlich für einen ursprünglichen Zusammenhang. Annette Merz

Literatur zum Weiterlesen A. Merz, Tränken und Nähren mit dem Wort. Der Beitrag der Mahlszenen zur narrativen Theologie der Paulusakten, in: J. Hartenstein/S. Petersen/A. Standhartinger (Hg.), ›Eine gewöhnliche und harmlose Speise?‹. Von den Entwicklungen frühchristlicher Abendmahlstraditionen, Gütersloh 2008, 269-295. R. I. Pervo, The Acts of Paul. A New Translation with Introduction and Commentary, Eugene 2014.

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Milch statt Blut (Tod des Paulus und Erscheinungen des Paulus) MartPl 5-7 (5) Noch als sie dies sagten, schickte Nero einen gewissen Parthenius und Pheretas, um zu sehen, ob Paulus schon enthauptet worden sei, sie aber fanden ihn noch lebend. Der aber sprach sie an und sagte: »Kommt zum Glauben an den lebendigen Gott, der mich und alle, die an ihn glauben, von den Toten auferweckt. Sie aber sagten: Wir gehen jetzt zu Nero. Wenn du aber stirbst und auferstehst, dann werden wir an deinen Gott glauben. Als aber Longus und Cestus um ihre Rettung baten, sagte er zu ihnen: »Wenn ihr am frühen Morgen zu meinem Grab eilt, werdet ihr dort zwei betende Männer finden, Titus und Lukas: Jene werden euch das Siegel im Herrn geben.« Darauf stellte sich Paulus gegen Osten gerichtet und betete lange und, nachdem er während des Gebets hebräisch mit den Vätern gesprochen hatte, streckte er, ohne zu sprechen, den Hals vor. Als aber der Henker seinen Kopf abschlug, spritzte Milch auf die Gewänder des Soldaten. Der Soldat aber und alle, die dabeistanden und es sahen, wunderten sich und priesen Gott, der dem Paulus solche Ehre schenkte. Sie gingen fort und berichteten dem Kaiser das Geschehene. (6) Als jener sich wunderte und in großer Verlegenheit war und als um die neunte Stunde viele beim Kaiser standen, Philosophen und der Hauptmann, kam Paulus vor alle und sagte: »Kaiser, sieh, Paulus, der Soldat Gottes, ich bin nicht gestorben, sondern lebe (A: in meinem Gott). Dir aber wird dafür, dass du das Blut der Gerechten vergießt, viel Schlimmes geschehen – nicht viele nach diesen Tagen.« Der aber befahl bestürzt, dass die Gefangenen befreit würden, auch Patroklus und die Leute des Barsabas. (7) Und wie Paulus angeordnet hatte, machten sich Longus und der Hauptmann Cestus voller Furcht früh am Morgen auf und kamen zum Grab des Paulus. Als sie aber hintraten, sahen sie zwei Männer beten und in der Mitte Paulus, so dass sie außer sich gerieten (A: »als sie das außergewöhnliche Wunder sahen«), dass aber Titus und Lukas, von menschlicher Furcht ergriffen, sich zur Flucht wandten. Als sie sie aber verfolgten und sagen: »Wir verfolgen euch nicht zum Tode, sondern um des Lebens willen, damit ihr es uns gebt, wie Paulus, der vor kurzem mitten unter euch betete, es verheißen hat.« Als die aber das hörten, freuten sie sich und gaben ihnen das Siegel im Herrn, sie priesen den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, ihm sei Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen. 500

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Sprachlich-narratologische Analyse Anders als die kanonische Apostelgeschichte enden die apokryphen Paulusakten mit einer ausführlichen Schilderung des Martyriums des Apostels und daran anschließenden Erscheinungsgeschichten. Die Szene ist folgendermaßen in den Gesamtkontext eingebettet: Nach seiner Ankunft in Rom trifft Paulus auf Lukas und Titus. Seine Lehre ist so erfolgreich, dass es selbst im Haus des Kaisers zu Bekehrungen kommt. In Relecture von Apg 20,7-12 (zum Verhältnis Paulusakten – Apg überzeugend Marguerat 1997) erzählt MartPl 1 von Tod und Auferweckung des kaiserlichen Mundschenks Patroklus. Als der auferweckte Patroklus und andere Mitglieder des Kaiserhauses gegenüber Nero Jesus Christus als »König der Äonen« bekennen, lässt dieser alle Christen, derer er habhaft werden kann, verhaften. Im Verhör erscheint Paulus wie ein Befehlshaber, der Soldaten für Christus, den großen König, rekrutiert. Nero verurteilt Paulus zum Tode durch Enthauptung, dieser aber prophezeit, dass er zum Beweis dafür, dass Jesus Christus der Herr der Erde sei, dem Kaiser nach seinem Tode als Auferstandener erscheinen werde. Obwohl ihm durch den Präfekten Longus und den Hauptmann Cestus, die durch das Auftreten des Apostels bekehrt werden, die Möglichkeit zur Flucht gegeben würde, geht Paulus in den Tod. Interessant ist das Spiel des Textes einerseits mit Begriffen und Motiven, die im Zusammenhang mit Krieg stehen: Dass Paulus nicht einfach ein gewöhnlicher Gefangener des Kaisers ist, zeigt sich an seinem ganzen Auftreten. Als »Soldat Christi« geht er aufrecht in den Tod und verweigert die ihm gewährte Möglichkeit der »Fahnenflucht« (MartPl 4). Andererseits bietet der Text immer wieder interessante sprachliche Variationen in der Darstellung der Reaktionen auf sinnlich erfahrene wunderbare Ereignisse: Die wunderbaren Ereignisse um den Tod des Paulus werden in der Reaktion der Umstehenden bestätigt, die »sehen« (ἰδόντες idontes), »sich wundern« (θαυμάζω thaumazō) und – obwohl der Text nicht erzählt, wer von ihnen bereits bekehrt ist – Gott lobpreisen (δοξάζω doxazō); eindeutig ist dabei der Gott der Christen gemeint. Das Geschehen wiederum wird dem Kaiser berichtet, der nun allerdings, wie erwartet, nicht zum Lobpreis Gottes durchdringt, sondern sich zunächst ebenfalls »wundert« (θαυμάζω thaumazō) und »in Verlegenheit gerät« (διαπορόω diaporoō). Ähnliches lässt sich auch in der Schlussszene beobachten: So geraten Longus und Cestus als Folge ihrer Vision außer sich (ἐκπλήσσω ekplēssō); eine Handschrift des Textes (A) fügt hier hinzu: »als sie das außergewöhnliche Wunder sahen« (ἰδόντας τὸ παράδοξον θαῦμα idontas to paradoxon thauma). Pragmatisch ist damit gesagt: Wunderbare Ereignisse führen nicht immer zum Glauben, aber immer zu den Zeugen tief bewegenden Reaktionen. Mehrere Beobachtungen sind narrativ interessant: Die eingangs erzählte Prophezeiung des Paulus, dass er nach seinem Tode erscheinen wird, wird am Ende wörtlich erfüllt. Paulus erscheint so in jeder Situation als der absolute Handlungssouverän, der ohne jegliche Furcht in seinen Tod geht und über sein Schicksal nach dem Tode vollkommene Sicherheit hat. 501

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Als Paulus, wie vorhergesagt, auferweckt vor dem Kaiser erscheint, verbindet sich diese Epiphanie wiederum mit der Prophezeiung an den Kaiser, dass das unschuldige Blut, das er vergossen habe, gerächt werde. Bestätigt wird so die Vorhersage des Paulus über sein eigenes Schicksal nach dem Tode. Auf dieser Basis und im Munde eines von Gott Auferweckten muss auch die Glaubwürdigkeit der Prophezeiung vom Schicksal Neros, das zudem aus der Perspektive des Lesers in dessen Suizid bereits lange eingetroffen ist, nicht mehr besonders hervorgehoben werden: Der eigentlich zum Tode Verurteilte ist nun nicht mehr Paulus, der auch nach seinem Tode Lebende, sondern Nero, der Christenverfolger: Die in MartPl 3 erzählte Szene des gefangenen Paulus vor Nero wird in ihr Gegenteil verkehrt. Zwar wird der Text selbst nicht mehr vom Eintreffen dieser Prophezeiung sprechen – das dramatische Ende des Nero dürfte aber als bekannt vorausgesetzt sein. Das Gegenüber in der Personenkonstellation allerdings bestimmt sich nicht als Paulus – Nero; Paulus ist vielmehr Vertreter des eigentlichen »großen Königs« (MartPl 3), Christus, der so als Sieger im Kampf um die Herrschaft der Welt beschrieben werden kann. Im Zusammenhang mit den verschiedenen wunderbaren Ereignissen schließlich ist jeweils eine Zahl von Zeugen erwähnt, um das Wunderbare umso glaubwürdiger zu machen. Dies wiederum ist pragmatisch wichtig, da der Text Wunder und Glauben vor allem am Beispiel der Bekehrung des Longus und Cestus eng miteinander verbindet.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Der Text zeigt auch aufgrund seines bereits in Ansätzen hagiographischen Charakters kein allzu ausgesprochenes Interesse an realgeschichtlichen Details. Als Erinnerung im Hintergrund steht die Christenverfolgung durch Kaiser Nero, deren präziser historischer Umfang aber umstritten ist (zur Bedeutung des Textes als Quelle hierzu vgl. Rordorf 1993a). Dass dabei auch der Apostel Paulus das Martyrium erlitt, ist wahrscheinlich, aber nicht mit allerletzter Sicherheit nachzuweisen; dass er, anders als Jesus, nicht gekreuzigt wird, hat damit zu tun, dass er römischer Bürger ist und die Kreuzigungsstrafe vor allem Sklaven und Aufrührern aus den Provinzen vorbehalten ist. Außer Paulus und Nero sowie Titus und Lukas, den auch aus kanonischen Texten bekannten Paulusbegleitern, dürften alle anderen Figuren der Erzählung fiktiv sein. Trotzdem dürfte der Text – wie andere Märtyrerliteratur – in den Rahmen der z.T. tödlich gefährlichen Auseinandersetzung, mit der das junge Christentum gegenüber dem Römischen Reich konfrontiert war, hineinzustellen sein. Dann wird gegen alle historischen Machtverhältnisse und Plausibilitäten der Sieg der Randgruppe »Christentum« gegen die Übermacht des Imperiums vorweggenommen.

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Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Das Motiv der militia Christi bzw. des miles Christianus, das im Text aufgegriffen ist, wird mit Paulus erstmals in den Pastoralbriefen (2 Tim 2,3; als weiteres sehr frühes Beispiel vgl. 1 Clem 37,2f.) in Verbindung gebracht. Gerade im Zusammenhang mit Martyrien kann es versuchen, den Lebenseinsatz christlicher Glaubenszeugen als Einsatz im Kampf für Christus zu verstehen. Dabei wird einerseits das tapfere Auftreten von Christen mit dem von Soldaten verglichen, andererseits aber muss die Vorstellung, dass der Tod durch Hinrichtung unehrenhaft sei, transformiert werden. Anders als bei vielen Märtyrern wird im vorliegenden Text kaum auf die Christusgleichheit des Apostels abgehoben (weiterführend Moss 2010). Während dieser Gedanke hier zurücktritt, wird besonders der Kontrast zum römischen Imperium, seinen Vertretern und den von ihnen propagierten Wertesystemen herausgearbeitet: Paulus tritt dem Nero wie ein General eines großen Königs, dessen Reich selbst die Grenzen des römischen Reichs überschreitet, entgegen, ja, mit der Bezeichnung Christi als »König der Äonen« (βασιλεὺς τῶν αἰώνιων basileus tōn aiōnōn; MartPl 2) ist womöglich schon an die Ablösung des römischen Imperiums durch die Macht Christi gedacht (Rordorf 1993a, 368), der zudem σωτηρία (sōtēria), d.h. »Rettung« und »Heil« (MartPl 5) verheißt – eigentlich ein Anspruch des römischen Kaisers. Interessant ist das Motiv, dass bei der Erscheinung des auferweckten Paulus vor Nero auch Philosophen (MartPl 6) erwähnt werden, die im weiteren Verlauf der Erzählung keine Rolle spielen. Will man dieses Detail nicht als überflüssig erachten, so ist die Zuordnung von Philosophen zum Kaiser vielleicht in den Kontext von Debatten des 2. Jh. um die Frage einzuordnen, wie sich das Christentum gegenüber paganen Philosophien verhalte. Das Motiv wäre dann verwandt mit Polemiken gegen die Grenzen philosophischer Erkenntnis, wie sie sich v.a. in apologetischen Schriften oder in Texten, die Gebildete für das Christentum werben wollen, finden. Ein schönes Beispiel hierzu wäre die in der zweiten Hälfte des 2. Jh. (womöglich) in Alexandrien entstandene Schrift An Diognet, wo wir lesen: »Akzeptierst du etwa die hohlen und albernen Aussagen jener ›vertrauenswürdigen‹ Philosophen, von denen die einen sagen, Gott sei Feuer – wohin sie selbst gelangen werden, das nennen sie Gott! – die anderen: Wasser, die anderen: irgendein anderes der Elemente, die doch geschaffen worden sind von Gott? Freilich, wenn irgendeine dieser Aussagen akzeptabel ist, könnte auch jegliches der übrigen Geschöpfe gleichermaßen Gott (zu sein) offenbaren. Aber das ist alles Blendwerk und Täuschung der Betrüger« (D. L. 8,2-4; Übers. Lindemann/Paulsen). Was mit der »Milch« ausgedrückt werden soll, die bei der Enthauptung des Paulus fließt, ist nicht ganz einfach zu entscheiden. Dass damit die Besonderheit des Sterbens des Apostels zum Ausdruck gebracht ist, ist klar. Der Gedanke geht aber sicherlich nicht weit genug. Ist die anstatt des das Leben symbolisierenden Blutes aus dem Leib des Paulus fließende Milch als Symbol der Unsterblichkeit gedacht (so Tajra 1994, 130)? Doch warum findet sich gerade dieses Symbol dann beim Tode des Paulus? Auch wo ein Bezug zum gekreuzigten Jesus, aus dessen Seitenwunde nach 503

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Joh 19,34 auf wunderbare Weise Blut und Wasser fließen, hergestellt wird, ist noch nicht erklärt, warum von »Milch« die Rede ist. So liegt es nahe, einen Bezug zum Schrifttum des Paulus selbst zu sehen, der in 1 Kor 3,2 davon spricht, in seiner Mission die als »unmündige Kinder« (1 Kor 3,1) bezeichnete Gemeinde mit »Milch« statt fester Speise genährt zu haben (ähnlich Hebr 5,12-14; vgl. Bolyki 1995, 101f.): Der Tod des Paulus wird dann als Fortsetzung und Schlusspunkt seiner Mission gesehen, deren Auswirkungen, wie der Text durch Longus und Cestus andeuten wird, auch über seinen Tod hinausreichen. Diese Deutung wird noch stärker, wenn man hier einen Bezug zur Prophetie der Myrte in der Abschiedsszene der Paulusakten in Korinth sehen will. Diese sagt voraus, Paulus werde in Rom viele mit dem Wort nähren: Auch mit seinem Tod ist diese Funktion des Paulus nicht beendet. Überraschend unspektakulär beschrieben ist die Szene, in der der auferstandene Paulus vor dem Kaiser auftritt. Anders als etwa in den kanonischen Ostererzählungen lässt nichts an der Art des Auftretens des Apostels vermuten, dass sein neues Leben anders sei als das frühere. Es fehlen sämtliche Aussagen über eine womöglich veränderte Leiblichkeit des Apostels, Hinweise auf verschlossene Türen, durch die er eingetreten wäre, oder Ähnliches. Dies mag aber vielleicht schon deswegen nicht nötig sein, weil einem antiken Leser bewusst ist, dass der Zugang zum Kaiser normalerweise streng kontrolliert ist, diese Kontrollen hier aber offenbar versagen. Auffallend ist zudem, dass anders als in den Ostererzählungen des Neuen Testaments, vergleichbar aber vielleicht der Auferstehungsszene des apokryphen Petrusevangeliums, die hier erzählte Epiphanie sich vor Ungläubigen ereignet. Während im Petrusevangelium Vertreter des Judentums sowie römische Soldaten zu Zeugen der Auferstehung Jesu werden, erscheint der auferweckte Paulus hier vor dem Kaiser selbst. Epiphanie wird so zur Demonstration der Macht des Leben schaffenden Gottes der Christen, der damit gleichzeitig aber auch das Leben des den Tod der Christen bringenden Kaisers in seiner Hand hält. Trotzdem ist von einer Reaktion der Umstehenden keine Rede, diese spielen nur als Zeugen des Ereignisses eine Rolle, sind aber als Figuren selbst nicht von Interesse. Wie ihnen von Paulus angeordnet wurde, gehen Longus und Cestus nun früh am Morgen zum Grab des Paulus, dessen Existenz einfach als bekannt vorausgesetzt wird, ohne dass von einem Begräbnis die Rede war. Dass die beiden mit einem wunderbaren Ereignis rechnen, wird durch das üblicherweise mit Epiphanien verbundene Motiv ihrer Furcht (μετὰ φόβου meta phobou) angedeutet. Der Text erinnert damit natürlich an die Grabeserzählungen der Evangelien des Neuen Testaments; es kommt allerdings nicht zu einer Angelophanie, auch scheinen nur Longus und Cestus zu Zeugen der Epiphanie zu werden, während Titus und Lukas die Situation missdeuten.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Szene bietet eine Reihe von Deutungshorizonten, die in den vorangegangenen Überlegungen z.T. schon angeklungen sind. 504

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In der Erzählung vom Tode des Paulus wird (aus der Sicht der Paulusakten) im Grunde so etwas wie die Summe seines Lebens darzustellen versucht. Paulus stirbt nicht nur vollkommen furchtlos und in der vorbildhaften Geste des Märtyrers, der zugleich Soldat Christi ist; im Milchwunder wird ihm von Gott her gleichzeitig eine Ehre zuteil, die auf sein Missionswerk im Ganzen verweist. Paulus wird so als der große, in allem vorbildhafte Heilige gezeichnet, an dem sich christliche Leserinnen und Leser auch späterer Zeiten orientieren können. Dass dies tatsächlich eine Rolle spielt, zeigt sich sicherlich auch in der mit dem Martyrium verbundenen Glaubensgeschichte des Longus und Cestus, die beide die Frage stellen, wie sie denn nach dem Tode des großen Glaubensvorbilds Paulus leben sollen. Mit Hilfe der Vision am Grabe verweist der Text sie letztlich einerseits auf die bleibende Präsenz und Bedeutung des Apostels auch nach seinem Tode, andererseits aber gibt er sie in die Hände der Paulusbegleiter, die nun die Aufgabe des Apostels übernehmen werden. So kann die Erzählung auch Orientierungshilfe für Christen späterer Generationen sein, die keinen direkten Zugang zu den frühesten Zeugen des Glaubens mehr haben: Das Vorbild des Paulus bleibt auch über seinen Tod hinaus, Zugang zu Christus ist nun in der Taufe auch über die nächste(n) Generation(en) möglich. Die Tatsache, dass das in diesem Text kreierte Vorbild des Paulus sich besonders auf ein vorbildliches Sterben und die damit verbundene Gewissheit der Auferweckung bezieht, lässt die Erzählung auch als Ermahnung verstehen, im Zusammenhang mit möglichen Verfolgungssituationen nicht schwach zu werden, weil Christus an der Seite der Glaubenszeugen – seiner »Soldaten« – steht und Leben schafft. Als entscheidendes, die verschiedenen einzelnen hier erwähnten wunderbaren Ereignisse verbindendes Motiv erscheint mir aber das im Text erkennbare Ringen um das Verhältnis zum das Leben der Christen bedrohenden römischen Staat und seinen Vertretern zu sein. Während die Christenverfolgungen des Kaisers auf den »Bösen« selbst (MartPl 3) zurückgeführt werden, setzt sich die Wahrheit des Christentums hier nicht nur bis an die »Enden der Erde« (Apg 1,8) durch, sondern findet nun auch in nahezu allen Schichten – bis ins Kaiserhaus hinein – Anklang. In den Wundern setzt sich der Gott des Lebens gegen das Tod bringende Prinzip des Bösen, das im Kaiser seinen Repräsentanten findet, durch; Jesus Christus, der »König der Äonen« (MartPl 3), überwindet und verurteilt durch seinen Streiter Paulus den Kaiser des römischen Reiches zum Tode: Als der Lebendige verschafft er denen, die sich an ihn binden, »Heil«.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Als apokrypher Text hat das Martyrium des Paulus natürlich keine solch breite Nachgeschichte erfahren wie viele Passagen des Neuen Testaments; zu erinnern ist immerhin jedoch an spätere apokryph-hagiographische Literatur wie die Akten des Ps-Marcellinus oder Acta Petri et Pauli 52f. Eventuell gehört auch die bei Philostra505

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tos erzählte Szene über die Erscheinung des paganen Wundertäters Apollonius von Tyana nach seinem Tode (vit. Ap. 8,31,1-3) in die Rezeptionsgeschichte der Schlussszene unseres Textes. Obwohl jedoch auch Apollonius aufgrund seiner Erscheinung einen »Ungläubigen« von der Unsterblichkeit der Seele überzeugt, ist literarische Abhängigkeit nicht sicherzustellen. Wenn in der christlichen Ikonographie ab dem Mittelalter Paulus immer wieder mit dem Schwert dargestellt ist, so ist damit auf sein Martyrium Bezug genommen, aber nicht unbedingt auf den konkreten, hier vorliegenden Text; antike Darstellungen wie etwa die auf dem Sarkophag des Junius Bassus (gest. 359 n. Chr.; vgl. Cartlidge/Elliott 2001, 143-145) bieten die Festnahme, aber nicht das eigentliche Martyrium des Apostels; eine Darstellung des Apostels Paulus, der sich auf seine Enthauptung vorbereitet, findet sich auch in der Kirche San Marco zu Venedig, die in unserer Szene enthaltenen wunderbaren Elemente aber sind nicht angedeutet (Cartlidge/Elliott 2001, 178). Tobias Nicklas

Literatur zum Weiterlesen D. R. Cartlidge/J. K. Elliott, Art and the Christian Apocrypha, London/New York 2001. D. Marguerat, The Acts of Paul and the Canonical Acts. A Phenomenon of Rereading, Semeia 80 (1997), 169-183. C. Moss, The Other Christs. Imitating Jesus in Ancient Christian Ideologies of Martyrdom, New York/Oxford 2010. W. Rordorf, Die neronische Christenverfolgung im Spiegel der apokryphen Paulusakten, in: ders., Lex orandi – Lex credendi. Gesammelte Aufsätze, Paradosis 36, Fribourg 1993a, 368-377. H. W. Tajra, The Martyrdom of St. Paul. Historical and Judicial Context, Traditions and Legends, WUNT 2/67, Tübingen 1994. L. Vouaux, Les Actes de Paul et ses Lettres Apocryphes, Paris 1913.

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Hinführung zu den Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla Die Person der Thekla und die Theklatradition Die Paulusschülerin Thekla kommt im Neuen Testament nicht vor und wird zuweilen für eine fiktive Romanfigur gehalten (vgl. Jensen 1995, 41-43). Dennoch zählt sie zu den prominentesten Frauengestalten aus der Frühzeit der Kirche (Greschat 2015, 17-28) und hat nicht nur tiefe Spuren in der frühchristlichen Kunst hinterlassen (Nauerth/Warns 1981; Warns 1986), sondern auch einen eigenen Kult begründet (Davis 2001). In der altkirchlichen Tradition fand Thekla breite Beachtung (Hayne 1994; Pesthy 1996; Hylen 2015, 91-113). Sie galt als vorbildhafte Märtyrerin, auch wenn sie der Überlieferung zufolge in Ikonion wie Antiochia den Händen ihrer Peiniger entronnen war, und wurde zugleich zum wichtigsten Rollenmodell für die Gelehrsamkeit und asketische Lebensführung von Frauen. Methodius von Olympus macht Thekla um 300 n. Chr. zu einer der Hauptfiguren in seinem von Platons gleichnamigem Werk inspirierten Symposion, wo sie als eine von zehn Jungfrauen die sexuelle Enthaltsamkeit preist (Streete 2009, 93f.). Epiphanius von Salamis stellt Thekla in eine Reihe mit dem Propheten Elia, dem Apostel Johannes und der Jungfrau Maria (pan. 79,5). Eine Johannes Chrysostomos zugeschriebene Homilie mit dem Titel »Loblied auf die Heilige Protomärtyrerin und Apostolin Thekla« rühmt ihre Jungfräulichkeit und Leidensbereitschaft (MacDonald/Scrimgeour 1986, 151159). Severus von Antiochia widmet Thekla ebenfalls eine Homilie und erhebt sie zum Symbol für die Kirche (Pesthy 1996, 173-175; Burris 2006). Die als Leben und Wunder der Heiligen Thekla bezeichnete Schrift (BHG 1717/1718) ist neben den im 2. Jh. n. Chr. als Teil der Paulusakten entstandenen und später eigenständig überlieferten Theklaakten die Hauptquelle für die Theklalegende. Der exakte Titel lautet in den besten Handschriften »Taten und Wunder der heiligen Apostolin und Märtyrerin Christi Thekla« (πράξεις τῆς ἁγίας ἀποστόλου καὶ μάρτυρος τοῦ Χριστοῦ Θέκλας καὶ θαύματα praxeis tēs hagias apostolou kai martyros tou Christou Theklas kai thaumata). Es handelt sich um ein Doppelwerk, das zunächst in enger Anlehnung an die Theklaakten das Leben der Thekla beschreibt (VitThecl) und dann eine exemplarische Zusammenstellung der viele Jahrhunderte später von Thekla im südlichen Kleinasien in der Region um Seleukia gewirkten Wunder bietet (MirThecl). Der Verfasser »verlängerte die bekannte Biographie der Thekla mit einer Erzählung ihrer zeitgenössischen Wundertaten in die Gegenwart, um die Wundertätigkeit der Thekla seinen Zuhörern in einem gegenwärtigen Zeitpunkt und einer limitierten geographischen Zone näherzubringen« (Feld 2005, 45). Die zuweilen geäußerte These, dass er die Bedeutung Theklas als Apostolin abgeschwächt oder verwässert habe, um der Heiligen größere Akzeptanz bei den Kirchenvätern zu verschaffen, lässt sich nicht erhärten (Hylen 2014). Das Leben der Thekla ist in Handschriften auch unabhängig von seiner Fortsetzung überliefert. Das lange nur in der Patrologia Graeca 509

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(PG 85,477-617) zugängliche Doppelwerk liegt seit geraumer Zeit in einer kritischen Edition mit französischer Übersetzung vor, die alle relevanten Handschriften berücksichtigt (Dagron 1978). Für die Wunder der Thekla kann zudem auf eine englische Übersetzung mit Beifügung des griechischen Textes der Edition von G. Dagron zurückgegriffen werden (Johnson 2012).

Aufbau und Inhalt Im Prolog des Lebens der Thekla, dem ersten Teil des Doppelwerks, stellt der Verfasser sich in die historiographische Tradition von Herodot und Thukydides. Als weiteres Vorbild führt er Lukas an. Zugleich legt er Rechenschaft über seine Vorgehensweise ab und verweist auf seine enge Orientierung an einer älteren Quelle, die er an einzelnen Stellen in Übereinstimmung mit ihrer Intention erweitert habe. Bei dieser Quelle handelt es sich zweifellos um die Theklaakten, deren Plot im Leben der Thekla eins zu eins wiederbegegnet und die der Verfasser durch sein Werk offenkundig zu überbieten sucht. Thekla lebt in Ikonion bei ihrer Mutter Theoklia und ist mit Thamyris verlobt. Als Paulus in die Stadt kommt und im Nachbarhaus lehrt, lauscht Thekla am offenen Fenster seiner Keuschheitspredigt und wird von ihr in den Bann gezogen. Der vor Eifersucht rasende Thamyris sorgt dafür, dass der Statthalter Kestillios den Apostel inhaftiert. Da sich Thekla durch Bestechung der Gefängniswärter Zutritt zu Paulus verschafft, führt man auch sie vor den Richterstuhl und verurteilt sie wegen der Weigerung, Thamyris zu heiraten, zum Tod durch die Flammen. Auf dem Scheiterhaufen wird Thekla durch einen plötzlichen Gewitterregen vor dem Feuertod bewahrt und begleitet Paulus nach Antiochia. Dort versucht der Oberpriester Alexander, sie zu vergewaltigen, woraufhin Thekla ihm das Priestergewand zerfetzt und die Priesterkrone vom Kopf reißt. Zur Strafe wird sie vom Statthalter zum Tod durch die Bestien verurteilt, überlebt aber erneut auf wunderbare Art und Weise. In der Arena können ihr weder Bären noch Löwen etwas anhaben. Auch den mit ihrer Selbsttaufe verbundenen Sprung in ein Robbenbecken und den Tierkampf mit Stieren übersteht Thekla unbeschadet. Nach ihrer Freilassung bekehrt Thekla in Antiochia eine mit Kaiser Claudius verwandte Frau namens Tryphaina, in deren Haus sie Unterkunft gefunden hatte, zum Christentum. Später trifft sie in Myra nochmals auf Paulus, kehrt dann nach Ikonion zu ihrer Mutter zurück und begibt sich schließlich nach Seleukia. Diese Rahmenhandlung der Theklaakten erfuhr im Leben der Thekla eine Reihe von Erweiterungen (vgl. Johnson 2006, 15-66). Dazu zählen in erster Linie umfänglichere Gebete oder Reden von Paulus und Thekla. In diesem Zusammenhang ist anachronistisch davon die Rede, dass Thekla von Paulus die nizänische Trinitätslehre erlernt (VitThecl 13; 26). Bei der letzten Begegnung in Myra sendet Paulus sie als Apostolin zum Dienst am Evangelium aus (VitThecl 26). Thekla rückt damit auf eine Stufe mit Timotheus oder Titus und gewinnt als Mitarbeiterin des Paulus eine Bedeutung, die sie in den Theklaakten noch nicht besitzt. Zudem rühmt der Verfasser Thekla als Protomärtyrerin, die Stephanus in nichts nachsteht (VitThecl 1). Neue 510

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Hinführung

Akzente werden auch im Blick auf das Ende der Thekla gesetzt. Während die Theklaakten in der ältesten Textüberlieferung mit der Kurznotiz schließen, dass Thekla in Seleukia viele Menschen durch das Wort Gottes erleuchtete und eines sanften Todes entschlief, malt das Leben der Thekla ihren Dienst am Evangelium in Seleukia breiter aus und vergleicht ihn mit dem Wirken des Petrus in Antiochia, des Paulus in Athen und des Johannes in Ephesus (VitThecl 28). Der wichtigste Unterschied liegt aber darin, dass Thekla anders als in den Theklaakten nicht stirbt, sondern am Ende ihres Erdenlebens in eine unterirdische Kammer hinabsteigt und fortan von dort allen Heilung bringt, die sie darum bitten. Im Prolog des zweiten Teils seines Doppelwerks grenzt sich der Verfasser scharf von den Wundersammlungen ab, die über Orakel oder Heilkuren der griechischen Gottheiten Zeus, Apollon und Asklepios in Umlauf sind. Während es sich bei ihnen um Mythen und Phantasiegebilde handele, hätten die christlichen Heiligen mit der Hilfe Gottes wirkliche Wunder vollbracht. Die größte dieser Heiligen aber sei Thekla, die ihre Wunder nicht auf die Zeit begrenzte, als sie unter den Menschen weilte. Davon will der Verfasser im zweiten Teil seines Werks berichten, wobei er sich nach eigenem Bekunden auf eine kleinere Auswahl solcher Wunder beschränkt, welche die Heilige in der jüngeren Vergangenheit und zu seiner eigenen Zeit vollbrachte. Zudem betont er die Glaubwürdigkeit seiner Gewährsleute. Insgesamt werden 50 Wundererzählungen geboten, in denen sich Thekla als Heilerin und Helferin in unterschiedlichsten Lebenslagen, aber auch als unerbittliche Rächerin bei ethischem Fehlverhalten zeigt. Mehrere dieser Wunder will der Verfasser am eigenen Leib erfahren haben. Die Wunder der Thekla sind nicht aus einem Guss (Dagron 1978, 1719). Bei dem von der Bewahrung des Verfassers vor Exkommunikation handelnden Wunder in MirThecl 12 könnte es sich um einen Nachtrag handeln. Am Ende des Werks zeigt sich ein deutlicher Bruch, der auf eine spätere Ergänzung hindeutet. In MirThecl 44 setzt der Verfasser mit der Beschreibung des Dosithea widerfahrenen Wunders ein, verwendet dann aber das rhetorische Stilmittel der Aposiopese: Er bricht bewusst mitten im Satz ab und sagt, dass es nun mit der exemplarischen Auflistung der Wunder Theklas reiche. Abschließend preist er die Märtyrerin dafür, dass sie eine Vielzahl von Männern wie Frauen zum asketischen Leben führte. Nach diesem formellen Schluss führt er unvermittelt zwei weitere Wunder Theklas an (MirThecl 45f.) und lässt sein Werk mit einem Epilog ausklingen. Den Auftakt der Sammlung bilden vier Wunder, die von der Vertreibung paganer Gottheiten aus Seleukia handeln. Thekla bringt den Sarpedonischen Apollon zum Schweigen und vertreibt ihn aus seinem Heiligtum (MirThecl 1), stellt den bis dahin von Athene kontrollierten Berg Kokysion unter das Regiment Christi (MirThecl 2), jagt Aphrodite aus der Stadt (MirThecl 3) und wandelt den Zeustempel in Seleukia in einen Erinnerungsort für den Apostel Paulus um (MirThecl 4). In diesen Wundergeschichten spiegeln sich Entwicklungen nach der Konstantinischen Wende wider, als das unter Kaiser Theodosius I. faktisch zur Staatsreligion erhobene Christentum mit Billigung der Behörden die paganen Kulte verdrängte und deren Kultstätten zerstörte. Der Verfasser von »Leben und Wunder der Heiligen Thekla« 511

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erhellt in einzigartiger Weise »die Transformation einer regionalen paganen Sakraltopographie in eine christliche« (Gotter 2003, 211). Unter den danach geschilderten Wundertaten stechen knapp 20 Krankenheilungen heraus, mit denen Thekla an ihrem Wallfahrtsort das Erbe von Asklepios antritt: »Proficient in the application of miraculous medicine, Thecla wore the mantle of Asclepius, now in the guise of a female saint« (Cox Miller 1994, 117). Anstelle der paganen Heilgottheit agiert nun die christliche Heilige mit denselben heilenden Fähigkeiten und Gaben. Wie Asklepios erscheint Thekla in vielen Fällen den Kranken im Schlaf und bringt entweder sofort Heilung oder erteilt Weisungen, deren Befolgung die Genesung nach sich zieht. Die Theklawunder sind somit ein Paradebeispiel dafür, wie die Inkubationsheilungen der antiken Tempelmedizin im byzantinischen Heiligenkult ihre Fortsetzung erfuhren (Pratsch 2013, 68-73). Während aber an den Asklepiosheiligtümern die Tempelmedizin eine fruchtbare Symbiose mit der wissenschaftlichen Heilkunst einging, dominieren in den Theklaakten Polemik und Abgrenzung. Mit dem stereotypen Vorwurf des Ärzteversagens (MirThecl 11f.; 14; 23-25; 38) wird die Überlegenheit Theklas gegenüber der vermeintlich inkompetenten wissenschaftlichen Heilkunst zum Ausdruck gebracht. Zudem erfolgt eine scharfe Verurteilung aufwändiger Heilkuren und kostspieliger Pharmazeutika der Ärzte (MirThecl 8; 18). Wenn Thekla Heilmittel verordnet, dann handelt es sich um einfache Dinge wie geweihtes Öl, Erde, Asche, Seife oder das heilkräftige Wasser aus den Zisternen der Kultstätte. Die von Thekla geheilten Krankheiten oder Verletzungen umfassen eine auf dämonisches Wirken zurückgeführte Halswirbelverrenkung (MirThecl 7), gebrochene Beine (MirThecl 8; 17f.), einen Tumor am Hals (MirThecl 11), Milzbrand (MirThecl 12), Augenentzündungen oder Blindheit (MirThecl 23-25; 37), Nierenbeschwerden (MirThecl 40), vereiterte Ohren (MirThecl 41) und eine durch Gift hervorgerufene Gesichtsentstellung (MirThecl 42). Vereinzelt bleibt das Leiden unbestimmt oder wird ohne nähere Erläuterung als lebensbedrohlich bezeichnet (MirThecl 14; 38f.). Bei etlichen Wundern Theklas liegen klassische Inkubationsheilungen vor: Der Verfasser des Werks, dessen einer Zeigefinger von Anthrax (Milzbrand) befallen ist, sieht im Heilschlaf Wespen, die den stechenden Schmerz in der Hand verursachen. Nachdem Thekla die Wespen totgetreten hat, ist er geheilt und entgeht der von den Ärzten geplanten Amputation des Fingers (MirThecl 12). Das zertrümmerte Bein des vom Gerüst gestürzten Steinmetzes Leontios heilt Thekla nachts durch einen kräftigen Tritt (MirThecl 17). Tigriane empfängt im Schlaf den Befehl Theklas, im Heiligtum herumzulaufen, und ist sofort von ihrem gebrochenen Bein kuriert (MirThecl 18). Dem Verfasser des Werks entfernt die Heilige bei ihrer nächtlichen Epiphanie Eiter aus dem Ohr und befreit ihn damit von seinen schweren Ohrenschmerzen (MirThecl 41). In anderen Fällen wird den Kranken oder deren Angehörigen im Traum zumindest der Weg der späteren Heilung offenbart (MirThecl 7; 11; 25; 38f.). Ähnlich zahlreich wie Krankenheilungen sind unter den Wundern Theklas Rettungen aus unterschiedlichsten Notsituationen vertreten. In den betreffenden 512

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Erzählungen wird deutlich, dass das Wunderwirken Theklas nicht an das Heiligtum gebunden ist, sondern sich weit darüber hinaus erstreckt. Thekla rettet mehrfach Städte vor der Einnahme durch Belagerer und erweist sich damit als Schutzheilige der gesamten Region. In Seleukia, Ikonion und Dalisandos erscheint sie am Himmel und schlägt die Feinde durch Kriegsgeschrei in die Flucht (MirThecl 5f.; 26). Den Bewohnern der Küstenstadt Selinous befiehlt sie einen Kirchenbau, dessen Fundamente einen den Belagerern bekannten Geheimweg in die Stadt blockieren und damit deren Eindringen verhindern (MirThecl 27). Dem Bischof Menodoros von Aigai, der selbst schon einen Toten auferweckt haben soll und dem eine reiche Witwe ihr gesamtes Vermögen vermachte, verhilft Thekla durch Sendung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung der Erbansprüche und rettet ihm zudem in Konstantinopel das Leben, indem sie ihn vor dem Abbrennen seiner Unterkunft warnt (MirThecl 9). Der Verfasser der Wunder der Thekla wird dank Theklas Eingreifen von der Exkommunikation durch Bischof Basilius bewahrt (MirThecl 12). Dem General Satornilos hilft die Heilige beim Erringen militärischer Siege (MirThecl 13), einem Eilboten der kaiserlichen Armee sendet sie zum Schutz gegen Wegelagerer eine Eskorte (MirThecl 16). Als sich während eines Unwetters das an der Küste Seleukias vor Anker liegende Schiff von Festpilgern aus Zypern losreißt und auf das offene Meer hinaustreibt, rettet Thekla die beiden an Bord befindlichen Schiffswachen vor dem sicheren Tod: Sie stillt den Sturm, ergreift das Ruder, setzt die Segel und bringt das Schiff samt Insassen wohlbehalten an seinen Ankerplatz zurück (MirThecl 15). Die unter der sommerlichen Hitze leidende und zudem schwangere Bassiane wird von Thekla am Sprung in eine der Zisternen des Heiligtums gehindert, der angesichts des Temperaturschocks einen Kreislaufzusammenbruch und den sicheren Tod durch Ertrinken nach sich gezogen hätte. Zur Abkühlung benetzt Thekla Stirn und Schultern Bassianes mit Wasser und lässt einen leichten Wind aufkommen (MirThecl 19). Der Frau des Generals Bitianos rettet Thekla die Ehe, indem sie ihren treulosen Ehemann dazu bringt, sich von den Prostituierten abzuwenden und seiner Ehefrau wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken (MirThecl 20). Auch die Heilung der Kalliste, der die Geliebte ihres Ehemanns durch Verabreichung von Gift das Gesicht entstellt hat und die nun dank Thekla ihr attraktives Aussehen zurückgewinnt, dient letztlich der Rettung ihrer Ehe (MirThecl 42). In drei Fällen sorgt Thekla für die Wiederbeschaffung von Diebesgut, indem sie direkt oder indirekt von der Tat betroffenen Personen im Schlaf das Versteck der Beute und die Identität der Diebe offenbart (MirThecl 21f.; 43). Dabei geht es um ein Goldband, mit dem das Hochzeitsbett eines Brautpaars verziert war, um ein aus der Theklakirche entwendetes Kreuz und um den Goldschmuck der am Heiligtum bestohlenen Bassiane. Als sich aufgrund der sommerlichen Schwüle in der Region von Seleukia eine Seuche verbreitet, an der bereits zahlreiche Tiere verendeten, lässt Thekla aus einer Quelle ihres Heiligtums Heilmittel für die Tiere sprudeln (MirThecl 36). Eher ein Geschenkwunder als ein Rettungswunder liegt vor, wenn die Analphabetin Xenarchis dank Theklas Hilfe plötzlich lesen kann (MirThecl 45) und damit dem von der Theklatradition propagierten Bild der gelehrten Frau gerecht wird. 513

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Die Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla

Thekla erweist sich allerdings nicht nur als Heilerin und Retterin, sondern vollbringt auch Strafwunder, die normwidriges Verhalten ahnden und meist tödlich ausgehen. Diese Art von Wundern trägt der Tatsache Rechnung, dass antike Menschen bei der Durchsetzung von Normen ungleich stärker auf Angst vor Strafe als auf Verstärkung durch Anerkennung setzen (vgl. Theißen 1998, 117). Diebe aus Laistrygonia, die das Heiligtum bestohlen haben, führt Thekla auf entlegene Irrwege, wo sie von Straßenräubern massakriert werden (MirThecl 28). Der Bischof Marianos aus Tarsus erleidet den Tod, weil er den Gläubigen seiner Gemeinde die Teilnahme am Theklafest in Seleukia untersagt hatte (MirThecl 29). Orention von Eirenoupolis bezahlt die von ihm verbreitete Lügengeschichte, Thekla habe ihm im Traum eine attraktive Jungfrau zugeführt, mit dem Leben (MirThecl 33). Zwei ebenfalls aus Eirenoupolis stammende Männer, die sich am Heiligtum betranken und eine Jungfrau verführen wollten, werden von Thekla verscheucht und verunglücken auf dem Heimweg tödlich (MirThecl 34). Der Ratsherr Pappos aus Eirenoupolis empfängt im Schlaf von Thekla das Todesurteil, weil er nach dem Ableben seines Geschäftspartners Aulerios dessen Kinder um ihr Erbe prellte. Obwohl Pappos sein Unrecht bekennt und die Erben ausbezahlt, muss er sterben (MirThecl 35). Nur selten gehen Strafwunder glimpflich aus. Der wegen Verhöhnung Jesu Christi von Thekla mit schwerer Krankheit geschlagene und von den Ärzten bereits aufgegebene Hypsistios aus Claudiopolis wird geheilt, nachdem er das christliche Glaubensbekenntnis gesprochen hat (MirThecl 14). Totengräber, die auf Anweisung des Bischofs Maximos in der Theklabasilika gegen den Willen der Heiligen eine Grabstätte für einen der Honoratioren Seleukias einrichten wollen, macht Thekla vorübergehend bewegungsunfähig, lässt sie aber mit dem Leben davonkommen (MirThecl 30). Mehrere Taten Theklas, die Dogmen untermauern oder Lehren legitimieren, kann man schließlich im weiteren Sinne den »begründenden Normenwundern« (Theißen 1998, 114) zurechnen. Als ein Steinmetz auf Befehl des arianischen Bischofs Symposios im Theklaheiligtum eine Inschrift mit dem nizänischen Bekenntnis der Wesenseinheit (Homoousie) von Gottvater, Sohn und Heiligem Geist entfernen will, sorgt Thekla dafür, dass die Inschrift auf wunderbare Weise Hammer und Meißel standhält. Am Ende lässt sie den Steinmetz auch noch von der Leiter fallen und schwerste Verletzungen davontragen (MirThecl 10). Dem Verfasser der »Wunder der Thekla« zeigt sich Thekla am Schreibtisch, liest mit Vergnügen das bis dahin über sie Geschriebene und ermutigt ihn zum Weitermachen (MirThecl 31). Später erscheint sie ihm mehrfach nachts mit einem Buch oder einem Blatt Papier in der Hand, um sein schriftstellerisches Wirken gutzuheißen (MirThecl 41). Als Bischof Dexianos den Schatz der Theklabasilika aus Sicherheitsgründen nach Seleukia auslagern lässt, erscheint ihm Thekla im Traum, bringt ihr Missfallen über dieses Vorgehen zum Ausdruck und bewegt ihn dazu, die Maßnahme rückgängig zu machen (MirThecl 32). Eine Frau namens Dionysia, die Ehemann und Kinder verlassen hatte, um sich dem klösterlichen Leben am Theklaheiligtum zu verschreiben, wird im Schlaf von Thekla in die Arme genommen und damit in ihrer Entscheidung zur Askese positiv bestätigt (MirThecl 46). 514

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Hinführung

Im Epilog des Doppelwerks spricht der Verfasser die Heilige Thekla direkt an. Er bedient sich des für antike Lobreden (Enkomien) typischen Stilelements, dass er der Größe der ihm gestellten Aufgabe eigentlich nicht gewachsen ist, und verbindet dies mit der Hoffnung, dass die Heilige dennoch Gefallen an seinem Buch findet. Zudem dankt er Thekla für die ihm in der Vergangenheit erwiesenen Wundertaten und bittet sie um Beistand in den Anfeindungen, die ihm in der Gegenwart von Seiten des Bischofs Porphyrius von Seleukia zuteilwerden.

Literarischer Charakter Das Doppelwerk zählt zum literarischen Genre der byzantinischen Hagiographie, dem Schrifttum über die Heiligen. Das auf den Theklaakten basierende »Leben der Thekla« bietet die Lebensgeschichte der Heiligen unter Einbeziehung der ihr in Ikonion und Antiochia widerfahrenen Wunder und macht, wie es sich bereits im griechischen Titel widerspiegelt, Anleihen bei der antiken Praxeis-Literatur. Als Praxeis werden romanhafte Biographien bezeichnet, die eine Aneinanderreihung wunderbarer Taten berühmter Persönlichkeiten bieten. Ein bekanntes Beispiel ist der wohl im 3. Jh. n. Chr. entstandene Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes. Indem das Leben der Thekla eine Neubearbeitung der Theklaakten darstellt, ist es zugleich vor dem Hintergrund der Geschichte der Paraphrase in der Antike zu betrachten (Johnson 2006, 9f. 67-112). Die literarische Paraphrase genoss in den gebildeten Schichten des Judentums und Christentums hohes Ansehen, um einen Text zu erklären und zu interpretieren. Paraphrasiert wurden in erster Linie Werke, denen man eine besondere Autorität beimaß. Der Verfasser des Lebens der Thekla erhebt die Theklaakten durch die Paraphrase geradezu in den Rang der kanonischen Quelle über das Leben der Heiligen Thekla und macht die in ihnen enthaltene Tradition durch die Neuinterpretation zum Gründungsmythos des Theklakults in Seleukia. Dies zeigt sich vor allem in seiner Version vom Ende der Thekla. Indem er leidenschaftlich den Tod der Thekla in Abrede stellt und das Fortdauern ihres Wirkens betont, arbeitet er die zeitgenössische Bedeutung der Theklageschichte heraus: »Thekla’s apostolic history should be (and is) claimed by the citizens of Seleukeia as their own apostolic imprimatur« (Johnson 2006, 10). Die als Fortsetzung des Lebens der Thekla konzipierten Wunder der Thekla widmen sich den Taten der Heiligen nach ihrem Erdenleben und repräsentieren die literarische Gattung der Wundersammlung, die sich in der byzantinischen Hagiographie großer Beliebtheit erfreut (Efthymiadis 2014, 103-142). Es handelt sich bei den Wundern der Thekla um eine mehr oder weniger wahllose Aneinanderreihung von Wundergeschichten, ohne dass diese nach einem bestimmten Gliederungsprinzip in einen übergeordneten Erzählrahmen mit dramaturgischer Entwicklung eingebettet würden. Einzelne Blöcke sind thematisch miteinander verknüpft, beispielsweise die von der Vertreibung paganer Gottheiten aus Seleukia handelnden Geschichten (MirThecl 1-4), die an Missetätern aus Eirenoupolis vollzogenen Strafwunder 515

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Die Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla

(MirThecl 33-35) oder die Grammatiklehrern und Sophisten zuteilgewordenen Heilungswunder (MirThecl 38-41). Spätere christliche Parallelen zu den Wundern der Thekla sind Sammlungen wie Die Wunder des Heiligen Artemios, Die Wunder von Kosmas und Damian oder das Werk des Sophronius über die Wunder von Cyros und Johannes, in denen es ebenfalls um die von christlichen Märtyrern posthum an ihrem Kultort gewirkten Wundertaten geht. Anknüpfungspunkte und Vorbilder für die byzantinischen Wundersammlungen boten die inschriftlichen Heilungsberichte des Asklepioskults, von denen der Verfasser sich im Prolog kritisch absetzt. In den Inschriften von Epidauros wurden analog zur Sammlung der Wunder der Thekla eine Vielzahl posthumer Wundertaten des Asklepios ohne tiefergehendes Gliederungsprinzip oder narrativen Rahmen aneinandergereiht. Allerdings sind die Erzählungen in Wunder der Thekla wesentlich ausführlicher als die knapp gehaltenen Wunderberichte aus Epidauros. Zudem bewegen sie sich literarisch auf ungleich höherem Niveau, zumal der Verfasser immer wieder Zitate aus den Werken Homers und anderer griechischer Schriftsteller (Narro 2012) in die Darstellung einfließen lässt. Byzantinische Wundersammlungen wie die Wunder der Thekla verfolgten im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen stärkte die Lektüre dieser Geschichten, so ist jedenfalls anzunehmen, beim Kranken das Vertrauen in die Wunder wirkenden und heilenden Kräfte des jeweiligen Heiligen, zum anderen erwiesen erst erfolgreiche Wunder die Heiligkeit eines Verstorbenen und begründeten dessen Heiligenkult (Pratsch 2013, 69).

Der Kult der Thekla in Meriamlik bei Seleukia Das im Süden Kleinasiens im Mündungsbereich des Kalykadnos in das Mittelmeer gelegene Seleukia (Silifke) war in der Spätantike die wichtigste Stadt Isauriens (Feld 2005, 25f.). Seleukia trug ursprünglich den Namen Hyrria und verdankte seine Umbenennung Seleukos I. Nikator, der in der Zeit der Diadochenkämpfe um das Erbe Alexanders des Großen das syrische Seleukidenreich begründete. Nach dem Sieg des Pompeius über die Piraten, die vor den Küsten Isauriens ihr Unwesen trieben und den Handel Roms mit dem Osten gefährdeten, kam Seleukia 67 v. Chr. unter römische Herrschaft (Plut. pomp. 28,1). Kaiser Diokletian machte Seleukia Ende des 3. Jh. im Zuge seiner Verwaltungsreformen zur Hauptstadt der neugeschaffenen Provinz Isauria und stationierte dort zwei Legionen. Seleukia war früh Bischofssitz und im Jahr 359 Schauplatz einer Synode von etwa 160 Bischöfen. Es handelte sich um den östlichen Teil der Doppelsynode von Seleukia und Rimini, mit der Kaiser Konstantius II. durch das homöische Reichsdogma den Streit um das Bekenntnis von Nizäa zu beenden versuchte (Hausammann 2003, 72-77). Die Wallfahrtsstätte der Thekla befand sich ungefähr einen Kilometer südlich von Seleukia auf einem Hochplateau. Sie wird auch als Ayatekla bezeichnet, ist aber besser unter dem Namen Meriamlik bekannt, da das Gelände in osmanischer Zeit der Jungfrau Maria geweiht war. Ursprünglich könnte sich dort eine pagane 516

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Hinführung

Kultstätte befunden haben, die im 4. Jh. christianisiert wurde. Im Jahr 1907 unterzog man die Ruinen von Meriamlik einer eingehenden archäologischen Untersuchung, deren Ergebnisse erst mehr als zwanzig Jahre später veröffentlicht wurden (Herzfeld/Guyer 1930, 1-89). Ausgangspunkt des Kults der Thekla war eine Höhle im Süden des Bezirks, in die Thekla am Ende ihres Lebens hinabgestiegen sein soll (VitThecl 28). Ein mit »Erfolgreiche Taten (κατορθώματα katorthōmata) der heiligen Apostolin und Protomärtyerin Thekla in Myrseon« überschriebener Text (BHG 1718m; Dagron 1978, 416-421; Johnson 2012, 184-201; vgl. Streete 2009, 98f.) und Ergänzungen zu den Theklaakten (Elliott 1999, 372-374; Bovon/Bouvier 2013, 91-110) berichten davon, dass Thekla in dieser Höhle vornehme Frauen Seleukias unterwies und eine Vielzahl von Kranken heilte. Als ihr die missgünstig gewordenen Ärzte Seleukias Vergewaltiger auf den Hals hetzten, um sie ihrer Jungfräulichkeit und damit ihrer Heilkräfte zu berauben, sei sie von einem sich öffnenden Fels verschlungen worden und aus dieser Welt entschwunden. Das Heiligtum der Thekla ist erstmals in der Autobiographie des Gregor von Nazianz erwähnt, der sich 379 während der turbulenten Kämpfe um das Bekenntnis von Nizäa für drei Jahre dorthin zurückgezogen hatte, um dem Bischofsamt von Sasima zu entfliehen (Greg. Naz. vit. 545-551). Gregor hatte sich auf Drängen des Basilius von Cäsarea zur Übernahme des Amts bereiterklärt, sah aber keine Möglichkeit, sich in Sasima gegen seine arianischen Widersacher durchzusetzen. Im Frühjahr 384 stattete die Pilgerin Egeria auf dem Rückweg von Jerusalem in den Westen dem Theklaheiligtum einen Besuch ab: Am dritten Tag kam ich in eine Stadt, die Seleukia in Isaurien heißt. Nach meiner Ankunft besuchte ich den wahrhaft heiligen Bischof, der aus dem Mönchsstand war, und ich sah auch eine sehr schöne Kirche in dieser Stadt. Da es von dort bis zur Heiligen Thekla – einem Ort, der außerhalb der Stadt auf einem oben ebenen Hügel liegt – nur etwa 1500 Schritte sind, zog ich es vor, bis dorthin weiterzuziehen, um da den Halt zu machen, den ich geplant hatte. Dort gibt es bei der heiligen Kirche nichts als unzählige Einsiedeleien von Männern und Frauen. […] Es gibt dort also sehr viele Einsiedeleien auf dem Hügel selbst und in der Mitte eine große Mauer, die die Kirche umgibt, in der sich das Martyrium befindet, und dieses Martyrium ist sehr schön. Die Mauer zum Schutz der Kirche wurde wegen der Isaurier angelegt – denn sie sind sehr schlecht und begehen häufig Raubüberfälle –, damit sie nichts gegen die Klostersiedlung unternehmen können, die dort dazugehört. Als ich dort schließlich im Namen Gottes ankam, betete ich am Martyrium, las die Akten der Heiligen Thekla und dankte unendlich Christus, unserem Gott, der so gnädig war, mir Unwürdiger, die es nicht verdient hatte, alle meine Wünsche zu erfüllen (Peregr. Eger. 23,1-5).

Das von Egeria erwähnte Martyrium bezeichnet wohl die zu einer unterirdischen Basilika ausgebaute Höhle, in der man den letzten Aufenthaltsort Theklas vor ihrem Entschwinden aus der Welt vermutete und die schon zu jener Zeit als Krypta in einen weitläufigeren Kirchenbau integriert war. Im 5. Jh. besuchten die Asketinnen Marana und Kyra »das Heiligtum der siegreichen Thekla in Isaurien, um den Brand der göttlichen Liebe von allen Enden her anzuzünden« (Thdt. h. rel. 29). In unmittelbarer Umgebung der Theklabasilika befanden sich Zisternen, die dem Heilbetrieb dienten. Zu 517

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den Attraktionen des Heiligtums zählten auch ein Myrtenhain (Myrseon) und ein Vogelpark (MirThecl 23f.). Dort soll einer der Vögel einem Jungen, der auf einem Auge erblindet war, nach Anweisung Theklas in das betroffene Auge gepickt und mit diesem quasi chirurgischen Eingriff die Sehkraft wiederhergestellt haben (MirThecl 24). Unter Zeno (vgl. Weber 2001, 412-415; Feld 2005, 278-331), dem einzigen römischen Kaiser aus Isaurien, kam es zu einer prachtvollen Ausgestaltung der überregional bedeutsamen Wallfahrtsstätte, die vom Boom des nach der Konstantinischen Wende explosionsartig einsetzenden Pilgerwesens in den Osten profitierte (Brands 2003, 15-26). Zeno war am Hof in Konstantinopel zum Günstling von Kaiser Leo I. aufgestiegen, der ihm seine Tochter Ariadne zur Frau gab. Nach dem Tod Leos im Jahr 474 kam Zeno angesichts seiner isaurischen Herkunft nicht für die Thronfolge in Betracht und musste sich mit der Rolle des Mitregenten seines fünfjährigen Sohnes Leo II. begnügen. Die Isaurier galten allgemein als räuberisches und unzivilisiertes Bergvolk, das eine Gefahr für die römische Ordnung im südlichen Kleinasien darstellte. Als Leo II. bald darauf starb und Zeno überraschend doch zum Alleinherrscher wurde, fiel er einem Komplott seiner Schwiegermutter Berina zum Opfer, die ihrem Bruder Basiliskus auf den Thron verhalf. Zeno gelang im Januar 475 mit Mühe die Flucht in seine isaurische Heimat, wo ihn gegnerische Truppen belagerten. Von Isaurien aus eroberte er den Thron zurück, nachdem er eine Erscheinung der Thekla empfangen hatte: Als Zeno, wie man sich erzählt, in einer Vision die heilige und in vielen Kämpfen erprobte Protomärtyrerin Thekla gesehen hatte, die ihn ermunterte und ihm die Wiedereinsetzung in die Herrschaft versprach, zog er mit einem Heer gegen Byzanz, nachdem er seine Belagerer durch Geschenke für sich gewonnen hatte. Er vertrieb Basiliskus, der seine Herrschaft im zweiten Jahr ausübte, und gab ihn, als er in heiligen Bezirken Schutz gesucht hatte, den Feinden preis. Dieser Zeno stiftete der Protomärtyrerin Thekla in der Nähe von Seleukia, das in Isaurien liegt, ein sehr großes Heiligtum, das an Bedeutung und Schönheit herausragt. Er schmückte es mit einer Vielzahl kaiserlicher Weihegaben, die bis heute erhalten sind (Evagr. h.e. 3,8).

Die Traumvision Theklas ermutigte Zeno entscheidend dazu, mit seinen Truppen nach Konstantinopel zu ziehen und die Rückeroberung des Throns in Angriff zu nehmen (Weber 2000, 229f.; dell’Osso 2017, 17-31). Der Usurpator Basiliskus fand nach seinem Sturz zunächst Kirchenasyl in der Reichshauptstadt, wurde dann aber mit seiner Familie nach Kappadokien verschleppt und dort umgebracht. Nach der für die Zeitgenossen durchaus überraschenden Rückkehr auf den Thron brachte Zeno mit der prachtvollen Ausgestaltung des Theklaheiligtums von Seleukia seine Dankbarkeit gegenüber der Märtyrerin zum Ausdruck. Über dem Martyrium wurde unter Einbeziehung des Vorgängerbaus eine neue Basilika errichtet (Hill 1996, 217-225; Mietke 2009, 37-56), die mit einer überbauten Fläche von etwa 2000 m2 die größte bekannte Kirche im südlichen Kleinasien war und in Überresten erhalten blieb. Nordöstlich der Theklabasilika entstand die sogenannte Kuppelkirche (Hill 1996, 226-234). Zudem kamen im Rahmen der von Zeno in Auftrag gegebenen Baumaßnahmen neue Zisternen hinzu, die über ein Aquädukt mit Wasser versorgt 518

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Hinführung

wurden (Peschlow 2009, 57-80). Im 6. Jh. baute man aufgrund der stark ansteigenden Pilgerströme nördlich und nordwestlich der Kuppelkirche zwei weitere Kirchen und erhöhte nochmals die Zahl der Zisternen. Der Theklakult florierte nicht nur im südlichen Kleinasien, sondern auch in Ägypten (Davis 2001, 81-194). Von dort sind allerdings keine Wunderberichte überliefert.

Verfasser und Abfassungszeit Das zweiteilige Werk Leben und Wunder der Heiligen Thekla wird in den mittelalterlichen Handschriften dem Bischof Basilius von Seleukia zugeschrieben, der in den christologischen Auseinandersetzungen des 5. Jh. eine zentrale Rolle spielte (Grillmeier 1979, 761f.; ders. 1986, 241-243.260-262). Basilius hatte das Bischofsamt von Seleukia ab 448 bis zu seinem Tod in 468 inne. Er verfasste für die Synode von Konstantinopel, die Bischof Flavian 448 zur Verurteilung des Eutyches einberief, ein Glaubensbekenntnis, demzufolge der eine Herr Jesus Christus sowohl in einer göttlichen als auch in einer menschlichen Natur erkannt wird. Als Teilnehmer an der 449 abgehaltenen »Räubersynode« von Ephesus stimmte Basilius dagegen für die Rehabilitierung des Eutyches und unterschrieb die monophysitische Glaubensformel von der allein göttlichen Natur Christi. Zwei Jahre später vollzog Basilius auf dem Konzil von Chalcedon, wo sein dyophysitisches Symbolon von 448 erneut verlesen wurde und entscheidend zur Beilegung des Eutychianischen Streits beitrug, abermals eine Kehrtwende und bekannte sich nun wieder zur Lehre von den zwei Naturen Christi. Basilius galt offenkundig schon früh als der Verfasser von »Leben und Wunder der Heiligen Thekla«, denn Photius (9. Jh.) führt unter den Schriften des Bischofs neben 15 Homilien auch eine Abhandlung über die »Werke, Taten und Siegeszeichen der Protomärtyrerin Thekla« an (Phot. bibl. 168). Die Zuschreibung des Doppelwerks an Basilius von Seleukia erweist sich allerdings als Fiktion, denn der Autor selbst berichtet, dass Basilius ihn aus der Gemeinde ausschloss und die Exkommunikation dank des Eingreifens der Heiligen Thekla wieder aufgehoben wurde (MirThecl 12). An anderen Stellen gibt der Autor weitere Informationen über seine Person preis. Er rechnete sich zur Zunft der Grammatiklehrer und Sophisten (Krueger 2004, 82f.), war Redner beim alljährlich im September gefeierten Theklafest und wurde später in das Kollegium der Kirchenlehrer und Priester aufgenommen (MirThecl 41). Aus dem Epilog geht hervor, dass er auch mit Bischof Porphyrius, der Basilius von Seleukia im Amt nachfolgte, in Konflikt geriet. Das Doppelwerk wurde demnach von einem namentlich nicht bekannten Kleriker des Theklaheiligtums verfasst, der sich durch besondere Fähigkeiten auf dem Gebiet der Rhetorik auszeichnete und bei den Kirchenoberen in Seleukia immer wieder aneckte. Dass er über ein hohes Bildungsniveau verfügte, zeigt neben dem guten Griechisch auch die gehäufte Verwendung von Zitaten aus den Werken Homers, Platons und anderer griechischer Schriftsteller. Theologisch tritt der Verfasser für die im Nizänum festgeschriebene Wesenseinheit von Gottvater und Sohn ein (VitThecl 26; MirThecl 519

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Die Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla

10) und spricht in Übereinstimmung mit dem Bekenntnis von Chalkedon von Maria als Gottesgebärerin (MirThecl 14). Seine Darstellung der meist tödlich ausgehenden Strafwunder Theklas ist von einem unreflektierten Vergeltungsdenken geprägt. Die Abfassungszeit des zweiteiligen Werks fällt in das 5. Jh., da der Verfasser sich als Zeitgenosse der Bischöfe Basilius und Porphyrius von Seleukia zu erkennen gibt. Das Leben der Thekla und der Grundstock der Wunder der Thekla stammen aus der Amtszeit des Basilius von Seleukia (448-468) oder wurden noch vor dessen Einsetzung in das Bischofsamt verfasst, sofern es sich bei der Basilius-Episode (MirThecl 12) um einen späteren Nachtrag handeln sollte (Dagron 1978, 17f.). Die Endredaktion, bei der zwei weitere Wunder Theklas und der Epilog angefügt wurden, muss zwischen 468 und 475 erfolgt sein. Einerseits wird im Epilog Porphyrius als Nachfolger des 468 verstorbenen Basilius im Bischofsamt von Seleukia erwähnt. Andererseits spiegeln sich die ab 475 mit Zeno verbundenen Ereignisse in dem Werk noch nicht wider. Dass die Heilige Thekla dem entmachteten isaurischen Kaiser zur triumphalen Rückkehr auf den Thron verhalf und dieser im Gegenzug das Theklaheiligtum prachtvoll ausbauen ließ, hätte der Verfasser seinen Leserinnen und Lesern mit Sicherheit nicht vorenthalten. Bernd Kollmann

Literatur zum Weiterlesen Textausgaben und Übersetzungen G. Dagron, Vie et Miracles de Sainte Thècle. Texte grec, Traduction et Commentaire, SHG 62, Brüssel 1978. S. F. Johnson, Miracles of Saint Thekla, in: A.-M. Talbot/S. F. Johnson (Hg.), Miracle Tales from Byzantium, Dumbarton Oaks Medieval Library 12, Cambridge/London 2012, 1-202.415-429.

Weitere Literatur J. W. Barrier et al. (Hg.), Thecla. Paul’s Disciple and Saint in the East and West, SECA 12, Leuven 2017. S. E. Hylen, The »Domestication« of Saint Thecla, JFSR 30 (2014), 5-21. S. F. Johnson, The Life and Miracles of Thekla. A Literary Study, Hellenic Studies 13, Cambridge/London 2006. D. Krueger, Writing and Holiness. The Practice of Authorship in the Early Christian East, Philadelphia 2004, 79-93. Á. Narro, The Portrait of Seleukeia in the Miracles of Saint Thekla, in: A. de Francisco Heredero/D. A. Hernández de la Fuente/S. Torres Prieto (Hg.), New Perspectives on Late Antiquity in the Eastern Roman Empire, Cambridge 2014, 64-80. T. Pratsch, ›… erwachte und war geheilt‹. Inkubationsdarstellungen in byzantinischen Heiligenviten, ZAC 17 (2013), 68-86.

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Tabelle: Wunder in Leben und Wunder der Heiligen Thekla Nr.

MirTheclFaden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

MirThecl 1

Zum Schweigen gebracht (Vertreibung des Apollon Sarpedonios aus seinem Heiligtum)

MirThecl 1

2

MirThecl 2

Vertreibung der Athene vom Berg Kokysion

Hinführung MirThecl

3

MirThecl 3

Vertreibung der Aphrodite aus Seleukia

Hinführung MirThecl

4

MirThecl 4

Vertreibung des Zeus aus Seleukia

Hinführung MirThecl

5

MirThecl 5

Rettung Seleukias vor dem Angriff der Hagarener

Hinführung MirThecl

6

MirThecl 6

Bewahrung Ikonions vor Angreifern

Hinführung MirThecl

7

MirThecl 7

Heilung des Bischofs Dexianos von einer Halswirbelverrenkung

Hinführung MirThecl

8

MirThecl 8

Heilung des gebrochenes Beins von Dexianos

Hinführung MirThecl

9

MirThecl 9

Hilfe für Bischof Menodoros in einem Erbstreit

Hinführung MirThecl

10

MirThecl 9

Bewahrung des Menodoros vor einem Hausbrand

Hinführung MirThecl

11

MirThecl 10

In Stein gemeißelt (Wunderbare Bewahrung einer Inschrift)

MirThecl 10

12

MirThecl 11

Die wandernde Geschwulst (Heilung des Aurelios von einem Halstumor)

MirThecl 11

13

MirThecl 12

Heilung des Verfassers von Milzbrand am Zeigefinger

Hinführung MirThecl

14

MirThecl 12

Bewahrung des Verfassers vor Exkommunikation

Hinführung MirThecl

15

MirThecl 13

Unterstützung des Generals Satornilos in Schlachten

Hinführung MirThecl

16

MirThecl 14

Bestrafung des Hypsistios mit Krankheit und spätere Heilung

Hinführung MirThecl

17

MirThecl 15

Thekla setzt die Segel (Rettung von zwei Jünglingen aus Seenot)

MirThecl 15

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Die Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla 18

MirThecl 16

Rettung des kaiserlichen Eilboten Ambrosios vor Straßenräubern

Hinführung MirThecl

19

MirThecl 17

Ein kräftiger Tritt von der Märtyrerin (Heilung des zertrümmerten Beins des Steinmetzes Leontius)

MirThecl 17

20

MirThecl 18

Heilung des gebrochenen Beins von Tigriane

Hinführung MirThecl

21

MirThecl 18

Heilung des gebrochenen Beins von Aba Hinführung MirThecl

22

MirThecl 19

Rettung der Bassiane vor Tod im Wasser Hinführung MirThecl

23

MirThecl 20

Abwendung des Generals Bitianos von Prostituierten

24

MirThecl 21

Offenbarung des Verstecks eines gestoh- Hinführung MirThecl lenen Goldbandes

25

MirThecl 22

Wiederbeschaffung eines aus dem Heiligtum gestohlenen Kreuzes

Hinführung MirThecl

Hinführung MirThecl

26

MirThecl 23

Heilung des erblindeten Pausikakos

Hinführung MirThecl

27

MirThecl 24

Heilung eines erblindeten Jungen

Hinführung MirThecl

28

MirThecl 25

Heilung zahlreicher Bewohner Seleukias von Augenentzündung

29

MirThecl 26

Wunder in Dalisandos, u.a. Bewahrung der Stadt vor Eroberung

30

MirThecl 27

Bewahrung der Stadt Selinous vor Eroberung

Hinführung MirThecl

31

MirThecl 28

Tod nach Tempelraub (Strafwunder an Dieben aus Laistrygonia)

MirThecl 28

32

MirThecl 29

Tödliches Strafwunder an Bischof Marianos von Tarsus

Hinführung MirThecl

33

MirThecl 30

Verhinderung der Einrichtung einer Grabstätte in der Theklakirche

Hinführung MirThecl

34

MirThecl 31

Ermutigung des Verfassers zur Fortsetzung seines Werks

Hinführung MirThecl

35

MirThecl 32

Verhinderung der Auslagerung des Kirchenschatzes

Hinführung MirThecl

36

MirThecl 33

Tödliches Strafwunder an Orention aus Eirenoupolis

Hinführung MirThecl

37

MirThecl 34

Tödliches Strafwunder an zwei Betrunkenen aus Eirenoupolis

Hinführung MirThecl

38

MirThecl 35

Tödliches Strafwunder an dem Ratsherrn Pappos aus Eirenoupolis

Hinführung MirThecl

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Tabelle: Wunder in Leben und Wunder der Heiligen Thekla 39

MirThecl 36

Rettung der Tiere Seleukias vor tödlicher Sommerhitze

Hinführung MirThecl

40

MirThecl 37

Heilung eines reichen Zypriers von Augenkrankheit

41

MirThecl 38

Heilung des Grammatiklehrers Alypios von tödlicher Krankheit

Hinführung MirThecl

42

MirThecl 39

Heilung des Sophisten Isokasios aus Aigai

Hinführung MirThecl

43

MirThecl 40

Heilung des Sophisten Aretarchos von einem Nierenleiden

Hinführung MirThecl

44

MirThecl 41

Heilung des Verfassers von einem Ohrenleiden

Hinführung MirThecl

45

MirThecl 41

Regelmäßige Ermutigung des Verfassers Hinführung MirThecl durch Erscheinungen

46

MirThecl 42

Heilung des entstellten Gesichts der Kalliste

47

MirThecl 43

Wiederbeschaffung des Goldschmucks der Bassiane

48

MirThecl 44

Nicht näher definiertes Wunder an Dosithea

Hinführung MirThecl

49

MirThecl 45

Wunderbare Befähigung der Analpabetin Xenarchis zum Lesen

Hinführung MirThecl

50

MirThecl 46

Nächtliche Umarmung der Asketin Dionysia

Hinführung MirThecl

Hinführung MirThecl

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Zum Schweigen gebracht (Vertreibung des Apollon Sarpedonios aus seinem Heiligtum) MirThecl 1 (1) Niemand kennt diesen Sarpedonischen (Apollon) nicht, wir kennen nämlich die sehr alte Legende über diesen aus den Geschichten und aus den Büchern. Einige aber wissen – noch in schlechter Weise ebenso gottlos wie schon von alters her –, dass dieser Mann einst sowohl fremd als auch zugewandert war, als er von der Suche nach seiner eigenen Schwester gefangen und über das Meer in hiesigen Gefilden vor Anker gegangen war; und dass er in Unwissen über die örtlichen Gegebenheiten, in Unwissen über den damals Herrschenden – dieses war Kilix, sein Onkel und der Bruder seines Vaters – getötet wurde, weil er irgendwie die Einwohner betrübt und in schlechte Stimmung versetzt hatte, und dass er an dieser Meeresküste begraben wurde. Diesen, der den Titel eines Dämons und den Ruf eines Wahrsagers und Sehers erhalten hatte und deshalb bei den Törichten als Gott galt – vieles Derartiges bringt nämlich eine lange Zeit hervor, Menschen nehmen es ungeprüft an und machen Götter durch Mythen –, sobald also die Jungfrau gegen dieses Gebiet vorgerückt war, dessen Grenzen angegriffen und dessen Gipfel eingenommen hatte, beschränkte sie ihn wieder und brachte ihn zum Schweigen. Und bis in die heutige Zeit verwandelte sie in ein nun ganz und gar stummes das vielstimmige Orakel, indem sie jenes gebietende und königliche Wort ihm als Bollwerk errichtete: »Schweig, verstumme!« Darum also schweigt es und liegt brach und ist niedergerissen. Er ging weg, glaube ich, sowohl von seinem Grab als auch von dem Gebiet, den armen und einfältigen Menschen, die sich durch Gebete und Bitten näherten, räumte er diese (Stätte) – mag man sie Grab, mag man sie Tempel nennen wollen – nunmehr als Herberge Gottes. Dieses (war) das Vorspiel der Wunder der Märtyrerin, das niemand mehr bezweifelt, gesehen haben es die Menschen dort, alle Menschen aber staunen darüber.

Sprachlich-narratologische Analyse Dieses Wunder eröffnet nach einem längeren Prolog die in »Wunder der Thekla« zusammengestellten Erzählungen über mehr als 40 Taten der christlichen Märtyrerin. Bereits am Ende des »Leben der Thekla« war davon die Rede, dass die Heilige sich nach dem Vorbild Elias, der auf dem Karmel den Baalskult bekämpfte, auf einem Berg nahe Seleukia niederlässt, um von dort gegen den an der Mittelmeerküste 524

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ansässigen Sarpedon und die Athena Krieg zu führen (VitThecl 27). Die ersten vier Erzählungen der »Wunder der Thekla« berichten in Anknüpfung an diese Notiz davon, wie sich Thekla des Gebietes und der Heiligtümer paganer Gottheiten bemächtigt, und bilden insofern eine Erzähleinheit: Auf die Vertreibung des Sarpedon aus seinem Heiligtum (MirThecl 1) folgt die Eroberung von Heiligtümern der Athene, der Aphrodite und des Zeus (MirThecl 2-4), wobei auffälligerweise die erste und die abschließende Auseinandersetzung männliche Gottheiten betreffen und weitaus ausführlicher erzählt werden als die zwei mittleren Berichte über die Inbesitznahme von Heiligtümern weiblicher Gottheiten. Das erste Wunder nimmt innerhalb dieser vier Erzählungen eine Sonderstellung ein, weil nur hier Thekla als unmittelbar Handelnde erscheint, während sie in den drei folgenden mittelbar inspirierend oder schützend für die direkt Agierenden wirkt. Der Sieg über Sarpedon kann somit als »Begründungswunder ihrer Macht« (Gotter 2003, 193) angesehen werden. Thekla, die den Leserinnen und Lesern aus den vorangehenden Teilen des Werks hinlänglich bekannt ist, erscheint erst im zweiten Teil der Erzählung und wird ohne Nennung ihres Namens als »die Jungfrau« (ἡ παρθένος hē parthenos) bezeichnet. Wie die Gliederung deutlich belegt, wird zunächst dem paganen Orakel und seiner Vorgeschichte viel Raum gegeben, bevor dann die Wundertäterin Thekla in Aktion tritt: Einführung des Sarpedon (Z. 1 [Zeilenzählung nach der textkritischen Ausgabe von Dagron 1978]), Rückblick auf Leben und Vergöttlichung des Sarpedon (Z. 1-13), Angriff und Sieg Theklas (Z. 14-20), Brachliegen des Orakels und Umwandlung in eine christliche Stätte (Z. 20-23), Einordnung dieser Tat in das Wirken Theklas (Z. 23-25). Die Rahmung der Tat Theklas durch eine Beschreibung sowohl der Vorgeschichte des Orakels als auch seines Zustandes zur Zeit der Abfassung der Schrift (μέχρι τοῦ νῦν mechri tou nyn – bis in die heutige Zeit) verleiht dieser Wundererzählung einen großen zeitlichen Rahmen von der mythischen Vorzeit bis in das 5. Jh. n. Chr. Bedingt durch diese ausführlichen Informationen zum Orakel umfasst die eigentliche Wunderhandlung, die Auseinandersetzung zwischen dem paganen Gott und der christlichen Heiligen Thekla um die Orakelstätte und das umgebende Gebiet, nur einen geringen Teil der Erzählung. Sie wird vom Verfasser in zwei Schritten dargestellt: Zunächst (Z. 14f.) wird das Geschehen geradezu als Feldzug inszeniert, indem für die Aktionen Theklas mehrfach militärische Terminologie verwendet wird: So »rückt« die christliche Heilige gegen das von der feindlichen Gottheit beanspruchte Gebiet »vor« (προσελαύνειν proselaunein), »greift« dessen Grenzen »an« (ἅπτεσθαι haptesthai) und »nimmt« den Gipfel »ein« (καταλαμβάνειν katalambanein). Ganz im Sinne einer militärischen Auseinandersetzung wird das Jesus-Zitat aus der Sturmstillung (Mk 4,39) als »Bollwerk« gegen das Orakel »eingesetzt« (ἐπιτειχίζειν epiteichizein). Auf diese »Eroberung« folgt im wahrsten Sinne des Wortes die Stilllegung des Orakels, die mit typischen Elementen einer Dämonenaustreibung beschrieben wird (Z. 15-20): Aus dem Schweigebefehl, der als einzige wörtliche Rede in der gesamten Erzählung großes Gewicht erhält, resultiert das »Ausfahren« (ἐξέσθη exesthē) des Sarpedon aus seinem Grab und generell dem von ihm besetzten Gebiet. Dieses, nämlich der Rückzug, ist die einzige Handlung, die Sarpedon in der Auseinandersetzung mit Thekla vollzieht, die 525

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Rollen der aktiven Angreiferin und des nur reaktiven Verlierers könnten kaum deutlicher verteilt sein. Dem Verstummen eines Orakels angemessen wird diese Passage von Verben und Adjektiven aus den Wortfeldern »Stimme« und »Schweigen« dominiert: Mit dem Schweigebefehl »Schweig, verstumme!« (σιώπα, πεφίμωσο siōpa, pephimōso), den Thekla als gebieterisches und königliches »Wort« (φωνή phōnē) erteilt, lässt sie das Orakel »verstummen« (κατασιγᾶν katasigan und σιωπᾶν siōpan). Dieses wird so von einem »vielstimmigen« (πολυφωνότατος polyphōnotatos) zu einem »stimmlosen« (ἀφωνότατος aphōnotatos) Orakel.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Das Orakel des Apollon Sarpedonios, das in dieser Wundererzählung von Thekla stillgelegt wird, ist lediglich aus zwei literarischen Quellen bekannt; archäologische Überreste, die eine exakte Lokalisierung ermöglichen, gibt es nicht (vgl. Immisch 1992, 396400; Zwicker 1921, 35-47; MacKay 1990, 2110-2113; Feld 2005, 48; Gotter 2003, 195f.). Es befand sich südlich vom kilikischen Seleukia in der Nähe der Bucht Taşuçu beim in der Antike sogenannten Kap Sarpedon, das heute Incekum Burun heißt. Das ältere der beiden schriftlichen Zeugnisse (Diod. Sic. 32,10,2f. [Phot. bibl. 337-379B]) berichtet von einer Anfrage des Alexander Balas, der den seleukidischen Thron anstrebte, und belegt damit einen Betrieb des Orakels in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. Der zweite Beleg stammt dann erst aus dem 3. Jh. n. Chr., genauer aus dem Jahr 271 und damit aus der Regierungszeit des römischen Kaisers Aurelian (Zos. 1,57,2-4: Anfrage einer Gruppe aus Palmyra bezüglich Zenobia). Falls das Orakel in der Zwischenzeit permanent in Betrieb war, ergibt sich so eine Betriebszeit von mindestens 420 Jahren. Einen noch längeren Zeitraum suggeriert eine vermutlich anachronistische Notiz in der koptischen Heiligenvita des Athanasius von Alexandria: Bei Kulthandlungen im Tempel des Apollon Sarpedon im 4. Jh. n. Chr. soll es zu einem Felsensturz gekommen sein, bei dem alle Heiden ihr Leben verloren (Hellenkemper/Hild 1986, 44-47; Feld 2005, 48).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Den Gott, der von Thekla vertrieben und dessen Orakel von ihr stillgelegt wird, bezeichnet der Verfasser der »Taten und Wunder der Thekla« mit dem Adjektiv »sarpedonisch« (Σαρπηδόνιος Sarpēdonios). Wie die folgenden Anspielungen auf die Gründungslegende des Orakels verraten, soll Sarpedon auf der Suche nach seiner nicht namentlich genannten Schwester in diese Gegend gekommen sein, von der er nicht wusste, dass sie von Kilix, seinem Onkel väterlicherseits, als König regiert wurde; Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung sollen dann zu seiner Ermordung und Beisetzung geführt haben. Diese Legende findet keine Bestätigung in weiteren Quellen. Insgesamt bieten die antiken Zeugnisse über Sarpedon ein verwirrendes Bild, da zwischen Orts- und Personentraditionen und bei den Letztgenannten wiederum zwischen dem homeri526

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schen Sarpedon in der Ilias, dem thrakischen Sarpedon und dem kilikischen Sarpedon zu unterscheiden ist (vgl. Immich 1909-1921; Gehrke 2005, 53-60): Die Suche nach der Schwester ist aller Wahrscheinlichkeit nach eine Anspielung auf Europa (Dagron 1978, 85f.; MacKay 1990, 2112), die aber nach Ps.-Apollodorus eine Schwester des Kilix ist, während Sarpedon ihr von Zeus stammender Sohn ist (Ps.-Apol. bibl. 3,1-4.6). Solche genealogischen Feinheiten spielen hier keine Rolle, das Augenmerk des Textes richtet sich auf die Stellung des Heiligtums zur Zeit Theklas: Der erwähnten schlechten Behandlung der ortsansässigen Menschen zum Trotz erlangte Sarpedon den Status einer Gottheit, deren Kult aus der Sicht des Verfassers der »Taten und Wunder der heiligen Thekla« als paganer Irrglaube anzusehen ist und deshalb harsch kritisiert wird. Er selbst wählt aus diesem Grund für Sarpedon wie auch für die anderen paganen Götter die abwertende Bezeichnung »Dämon« (δαίμων daimōn; vgl. dazu Davis 2001, 7578), schreibt einen solchen Glauben ausdrücklich den »Törichten« (ἀνόητος anoētos) zu und spricht vernichtend von »Menschen«, die »Götter machen« (ἄνθρωποι θεοποιοῦσι anthrōpoi theopoiousi). Nach den Informationen, die in diesem Wunderbericht gegeben werden, gilt der »Dämon« Sarpedon als »Wahrsager« (χρησμῳδός chrēsmōdos) und »Seher« (μάντις mantis). Aus einem späteren Text der Wundersammlung (MirThecl 11) geht hervor, dass ihm auch große Heilkräfte zugeschrieben werden (»bester Arzt« ἰατρικώτατος iatrikōtatos). Allerdings wird berichtet, dass erst Thekla dem Aurelios Heilung bringt, während ihm Sarpedon nicht helfen konnte. Die Suche nach Hilfe bei Theklas Konkurrenten Sarpedon setzt sich damit gemäß der Abfolge innerhalb der Schrift auch noch nach der Eroberung seines Heiligtums durch die christliche Heilige fort, wozu das vorsichtige eingeschobene »glaube ich« (οἶμαι oimai) des Verfassers in Bezug auf Sarpedons tatsächliches Verlassen des Grabes und des Gebietes passt. Da in den antiken Quellen das Heiligtum und das Orakel Apollon zugeordnet werden, ist zu vermuten, dass die lokale Sarpedon-Tradition mit dem etablierten griechischen Gott verschmolzen ist. Der Lokalpatriotismus des Verfassers der »Wunder und Taten der heiligen Thekla« und sein Bemühen, die alte lokale Gottheit durch eine neue christliche Identifikationsfigur zu ersetzen (Gotter 2003, 193-201), könnten Gründe dafür sein, dass er konsequent nur vom »Sarpedonischen« spricht (VitThecl 27; MirThecl 1; 11; 18; 40) bzw. nur behutsam einen Bezug zu Apollon herstellt (MircThecl 40, Z. 30f.: »Sarpedon oder Apollon«). Die antike pagane Orakelpraxis (vgl. Rosenberger 2001), die auch schon im Alten Testament exemplarisch mit dem Besuch Sauls bei der Totenbeschwörerin von Endor in 1 Sam 28 kritisiert wird, ist auch den Vertreterinnen und Vertretern der neuen christlichen Botschaft von Anfang an ein Dorn im Auge. Erste Spuren dafür finden sich bereits in der Apostelgeschichte: Paulus treibt den Geist der wahrsagenden Sklavin in Philippi aus (Apg 16,16-22; vgl. die Auslegung des Textes in diesem Band). Ebenso wie die philippische Sklavin wird auch das sarpedonische Orakel zum Schweigen gebracht, indem der für die Orakel verantwortliche Dämon »ausfährt« (ἐξέσθη exesthē hier, ἐξῆλθεν exēlthen in Apg 16,18). Anders als in der Philippi-Perikope ist es jedoch kein kongruenter Ausfahrbefehl, der den Dämon vertreibt, sondern ein Schweigebefehl. Bei der Aufforderung »Schweig, verstumme!« (σιώπα, πεφίμωσο siōpa, pephimōso) 527

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handelt es sich um ein wörtliches Zitat aus der Sturmstillung Jesu (Mk 4,39). Obwohl es an sich zwischen dem geforderten Schweigen und dem folgenden Verlassen von Grab und Gebiet einen Bruch gibt, ist der Schweigebefehl hier ebenso wie beim tosenden See Gennesaret dennoch situationsgerecht gewählt, da es sich bei Theklas Gegner um ein »vielstimmiges« (πολυφωνότατος polyphōnotatos) Orakel handelt.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Im Fokus einer feministischen Auslegung dieser Wundererzählung steht sicherlich die Tatsache, dass es sich bei Thekla um eine weibliche Wundertäterin handelt – also um einen Typus, der in den neutestamentlichen Schriften zumindest in so ausgestalteter Form nicht vorkommt. Dabei ist zum einen hervorzuheben, dass Thekla in dieser Erzählung keineswegs zurückhaltend und defensiv, sondern offensiv und geradezu angriffslustig dargestellt wird. Geschlechterstereotypen werden hier bewusst auf den Kopf gestellt, indem Theklas Verhalten pointiert unter Verwendung militärischen Vokabulars beschrieben wird. Ihr aggressives Vorgehen, das üblicherweise Männern vorbehalten ist, drängt die männliche Gottheit Sarpedon und damit ausgerechnet den vergöttlichten Heerführer der Lykier in der Ilias in die passive Rolle. Zu bedenken ist jedoch, dass Thekla in dieser Passage ausdrücklich als »die Jungfrau« (ἡ παρθένος hē parthenos) bezeichnet wird. Daraus kann gefolgert werden, dass der Verfasser nicht jeder Frau das Potential zu einem solchen männlichen, d.h. aus seiner Sicht besseren Verhalten zuschreibt, sondern nur denjenigen, die wie Thekla einen asketischen Lebensstil annehmen (vgl. zu diesem Frauenideal des Verfassers von »Leben und Wunder der heiligen Thekla« Davis 2001, 50-54). Zum anderen stellt das Zitat des Schweigebefehls, den Jesus bei der Sturmstillung ausspricht (Mk 4,39), Thekla in die direkte Nachfolge Jesu. Diese greift nicht nur auf jesuanische Worte zurück, sondern verfügt auch wie Jesus über die Vollmacht, laut tönende dämonische Mächte in ihre Schranken zu weisen und zum Schweigen zu bringen. Mit ihrer Tat stellt sie nicht nur ihre persönliche Stärke heraus, sondern erweist auch die Übermacht des Gottes, in dessen Sinne sie handelt. Im Fall des Sarpedon bedeutet das nicht nur, dass er sich als der schwächere Gott erweist; das »wieder« (αὖθις authis) deutet vielmehr an, dass der vermeintlich vergöttlichte Held erneut den Status »einfacher« Mensch erhält (Johnson 2006, 125). Die hier anklingende Degradierung paganer Gottheiten leitet zu einer missionstheologischen Auslegung der Wundererzählung über: Die pagane Gottheit wird nicht nur terminologisch zu einem Dämon und zu einem von törichten Menschen gemachten Gott herabgestuft, sondern erweist sich auch im direkten Duell mit der streitbaren Vertreterin des Christentums als unterlegen (MirThecl 1-4; vgl. Johnson 2006, 123-130). Die Frage, wer ein wahrer Gott ist und über wirkliche Macht verfügt, wird aus Sicht des Verfassers eindeutig beantwortet. Dabei stehen der Kampf um die Kultstätte und deren Einnahme durch die siegreiche Christin Thekla exemplarisch für die Auseinandersetzung zwischen etablierten paganen Kulten und dem neu aufkommenden Christentum: Bei dieser geht es nicht um eine Koexistenz, sondern um die völlige Verdrängung der 528

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unterlegenen alten Religionen. Da Thekla in dieser Wundererzählung eine bedeutende lokale Gottheit vertreibt, wird zugleich der Grundstein dafür gelegt, dass von nun an das Christentum und speziell die Märtyrerin Thekla das Lokalkolorit prägen (Davis 2001, 75-78; Gotter 2003, 193-201). Nicht mehr Sarpedon und sein Orakelheiligtum an der Meeresküste, sondern Thekla und ihre christliche Pilgerstätte auf dem Berg sollen für die Gegend um Seleukia maßgeblich sein und Gläubige von nah und fern anziehen. In diesem Sinne ersetzt der Bericht über die Eroberung Theklas die alte Gründungslegende des Heiligtums und Orakels des Sarpedon, die gewissermaßen als Relikt aus alter Zeit fragmentarisch in die christliche Erzählung eingebunden ist. Der Wunderbericht erhält somit eine ätiologische Funktion: Er erklärt, wie die auf einem Berg gelegene Thekla-Pilgerstätte zwar nicht den exakten Ort am Meer okkupierte, an dem vormals die Lokalgottheit Sarpedon verehrt wurde, aber dessen Leitfunktion für Seleukia und dessen Umgebung übernommen hat. Selbstredend nutzt der christliche Verfasser diese Gelegenheit, um mit vielfältigen rhetorischen Mitteln den Inhaber des zeitlich früheren Heiligtums herabzusetzen und das Licht Theklas hell strahlen zu lassen. Mit diesem Vorgehen definiert der Verfasser zugleich auch seine eigene Rolle: Er setzt sich bewusst in ein Konkurrenzverhältnis zu den »Priestern und Dienern der dämonischen Orakel« (ὑποφῆται καὶ ὑπηρέται δαιμόνων χρησμολόγων hypophētai kai hypēretai daimonōn chrēsmologōn), die Orakelsprüche und Heilungen ihrer Gottheiten schriftlich dokumentiert haben und von denen er gleich zu Beginn des Prologs seiner Sammlung der Wunder Theklas schreibt (Davis 2001, 75).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Eine direkte Wirkungsgeschichte oder eine Parallelüberlieferung dieser Wundererzählung liegen nicht vor. Eva Ebel

Literatur zum Weiterlesen S. J. Davis, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity, Oxford Early Christian Studies, Oxford 2001. U. Gotter, Thekla gegen Apoll. Christianisierung von Sakraltopographie und lokaler Konflikt in der Spätantike, Klio 85 (2003), 189-211. S. F. Johnson, The Life and Miracles of Thekla. A Literary Study, Hellenic Studies 13, Cambridge/London 2006. T. Pratsch, ›... erwachte und war geheilt‹. Inkubationsvorstellungen in byzantinischen Heiligenviten, ZAC 17 (2013), 68-86. V. Rosenberger, Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte, Darmstadt 2001. A.-M. Talbot/S. F. Johnson, Miracle Tales from Byzantium, Dumbarton Oaks Medieval Library 12, Cambridge/London 2012.

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In Stein gemeißelt (Wunderbare Bewahrung einer Inschrift) MirThecl 10 (10,1) Weil uns aber Symposios in Erinnerung gekommen war, (ist es) keineswegs gut, mit Schweigen jenes Werk zu übergehen, das sehr großartig und der Märtyrerin würdig ist: (2) Entlang einer der Mauern des Heiligtums der Märtyrerin, (jener Mauer,) die auch gegenüber der inneren, zweiten Tür der heiligen Umwallung steht – (3) (das ist die Tür), die auch geradewegs hinführt zum Heiligtum und den heiligen (Orten) und den Gemächern der Jungfräulichen –, (4) (dort) hat man eine Inschrift aus feinem, goldenem Mosaik eingelassen, die allen Menschen die Wesenseinheit der heiligen und erhabensten Dreiheit/Trias verkündet. (5) Diese Inschrift befahl Symposios, als er noch arianisch und von Bischöfen gleichen Glaubens durch Handzeichen zum Bischof gewählt worden war, ausmeißeln zu lassen, (6) weil sie nicht mit deren (arianischem) Frevel übereinstimmte. (7) Der aber, dem dies aufgetragen wurde, nahm Hammer und Meißel und einen ganzen Tag harrte er verbissen aus – hämmernd und meißelnd –, wobei er mit allen Mitteln versuchte, sie (die Inschrift) zu zerstören. (8) Die Inschrift jenes seligen Bekenntnisses veränderte er aber überhaupt nicht; weder konnte er (etwas) aufprägen, noch – wie Homer sagt – (etwas) einritzen. (9) Denn jene unbefleckte, unberührte, jungfräuliche Hand schirmt sie (die Inschrift) offenbar ab und beschützt sie – (10) wie königliche Siegel, wie Fundamente und Schutzmittel des ganzen Glaubens und des Heiligtums und der menschlichen Natur. (11) Zuletzt wurde aber auch selbst jener, der die göttliche Inschrift bekämpfte, zerschmettert, indem er von der Leiter herunterfiel. (12) Vollkommen zu recht und umgehend bezahlte er (auf diese Weise) die Strafe für das, was er gewagt hatte. (13) Symposios aber, der dann sofort seine verkehrte Meinung änderte, sagte, rief aus, stimmte zu (und) verkündete öffentlich und sichtbar, was die zuvor bekämpfte Inschrift lehrte: (14) Die Dreiheit als wesenseins (ἡ Τριὰς ὁμοούσιος hē Trias homoousios). Die textkritische Edition von G. Dagron bietet nur eine Zeilenzählung des Textes (Z. 1-25); die in diesem Beitrag zur besseren Textorientierung eingefügte Untergliederung stammt vom Autor.

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In Stein gemeißelt MirThecl 10

Sprachlich-narratologische Analyse Mitten hinein in theologische, christologische und trinitarische Auseinandersetzungen des 3.-5. Jh. n. Chr. führt die Leserinnen und Leser das 10. Kapitel der Wundergeschichtensammlung über Thekla. Mit einem knappen, zäsurierenden Rückverweis auf das 9. Kapitel, in dem schon von Symposios, der Hauptfigur unserer Wundergeschichte, die Rede war, hebt der Erzähler zum Bericht über ein weiteres Wunder an. Diese Wundergeschichte umfasst etwa die Hälfte des 10. Kapitels der Sammlung, da nach der finalen Bekehrung des Symposios ein nachdrücklich markierter Themenwechsel erfolgt (Z. 26f.: »Wohlan denn, wechsle das Thema!« – das sagt [mir] Homer. Mir aber scheint es angeraten zu sein, nunmehr im Vorbeigehen weitere Wunder zu streifen …). Unsere Erzählung weist eine planvolle Struktur und Komposition auf. Nachdem MirThecl 10,1 im Sinne einer Überleitung den Beginn eines neuen Abschnittes anzeigt, wird in MirThecl 10,2-4 das lokale Terrain geschildert – und zwar im Blick auf das Zentralobjekt der Wundergeschichte: eine Inschrift (γράμματα grammata – Buchstaben/Inschrift), die die Wesenseinheit der Dreiheit (Trinität) proklamiert und deren möglichst exakte Verortung dem Text ein Anliegen ist. Letzteres geschieht in einem Dreischritt (die Inschrift auf der Mauer, die Lage der Mauer im Verhältnis zur zweiten Tür der heiligen Umwallung, die zweite Tür im Rahmen der Gesamtanlage), an dessen Ende die Inschrift im Blick auf Material (goldenes Mosaik) und Inhalt beschrieben wird. Dabei rückt im griechischen Text der entscheidende Begriff τὸ ὁμοούσιον (to homoousion – die Wesenseinheit) betont an das Ende der langen Satzkonstruktion. Ist so das Setting bereitet, folgt in MirThecl 10,5-14 die eigentliche Wundergeschichte. Sie weist eine eindrückliche Ringkomposition auf, die sich angesichts der handelnden Figuren ergibt. In MirThecl 10,5f. und MirThecl 10,13f. ruht der Fokus jeweils auf Bischof Symposios, dessen Glaube als »Frevel« (MirThecl 10,6) bzw. als »verkehrte Meinung« (MirThecl 10,13) charakterisiert wird (äußerer Ring). Den Befehl des Symposios, die Mosaikinschrift auszumeißeln, sie also ganz zu entfernen oder zumindest inhaltlich zu verändern, führt ein anonymer »Handwerker« aus, dessen vergebliches Bemühen und hartes Geschick in MirThecl 10,7f. bzw. MirThecl 10,11f. erzählt werden (innerer Ring). Im so doppelt gerahmten Zentrum stehen MirThecl 10,9f., die das Wirken Theklas als Begründung für den Misserfolg des Handwerkers ins Wort bringen. Die durch eine dreigliedrige und z.T. alliterative Adjektivreihe qualifizierte Hand steht an dieser Stelle pars pro toto für die Heilige: Sie schützt die Inschrift vor dem Angriff des Handwerkers. Der sich anschließende Vergleich (MirThecl 10,10) kann sich entweder auf den Inhalt der Inschrift beziehen (dann wird die Inschrift mit schützenswerten Siegeln, Fundamenten und Schutzmitteln für Glauben, Heiligtum und menschliche Natur verglichen) oder auf den Schutzvorgang (dann wird der Schutz Theklas mit schützenden Siegeln, Fundamenten [vgl. dazu Lk 6,48f.] usw. verglichen); beide Varianten scheinen inhaltlich und grammatikalisch möglich zu sein. Der gesamte Text ist von einer grundlegenden Oppositionsstruktur geprägt, anhand derer sich Inhalt wie Aktanten der Erzählung gut erfassen lassen. Sichtbar 531

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Die Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla

gegenüber stehen sich auf der Erzählebene der mit Hammer und Meißel ausgerüstete Handwerker und die Inschrift. Ihr rückt er mit seinem Ansinnen, die Inschrift ganz oder in Teilen zu zerstören (ἀνορύττειν anoryttein – eigentlich: ausgraben, aufhacken, sprengen) zu Leibe. Hinter der versuchten Zerstörung verbirgt sich hier natürlich ein Konflikt um eine christologisch-theologische Streitfrage (s.u.). Auf der einen Seite steht eine vom Erzähler als arianisch markierte Position, vertreten durch den scheinbaren Handlungssouverän, Bischof Symposios, der durch MirThecl 10,5 in das Kollektiv arianischer Bischöfe eingebunden wird (zu χειροτονέω cheirotoneō – eigentlich: durch Handzeichen wählen – vgl. Apg 14,23; 2 Kor 8,19). Auf der anderen Seite findet sich unmittelbar keine Figur, sondern der Inhalt der Inschrift. Der Erzähler lässt keine Zweifel aufkommen, wie er sich selbst in dieser Auseinandersetzung positioniert. Die Charakterisierungen des einen Bekenntnisses als »Frevel« (MirThecl 10,6) bzw. »verkehrte Meinung« (MirThecl 10,13) sowie der Inschrift und ihres bekenntnishaften Inhalts als göttlich (MirThecl 10,11), heilig und erhaben (MirThecl 10,4) sowie selig (MirThecl 10,8) sprechen hier eine klare Sprache. Und natürlich protegiert die Wundertäterin, Thekla, die tatsächliche Handlungssouveränin, die Inschrift. Sie schützt deren Bekenntnis gegen jeden Angriff und steht damit unverbrüchlich zu den theologischen Positionen, die sie während ihres irdischen Lebens von ihrem Lehrer Paulus gelernt hat (vgl. die Rede Theklas an Paulus in VitThecl 26 und dazu Pesthy 1996, 169-171). Thekla und Paulus – beide werden durch die Wundergeschichte und die Gesamterzählung für das Bekenntnis zur Wesenseinheit der Dreiheit eingespannt, zu der sich am Ende auch der nunmehr bekehrte ehemalige Arianer bekennt. Stilistisch bedient sich der Erzähler einer zum Teil überbordenden und leicht gekünstelt wirkenden Erzählweise. Dazu gehören etwa Adjektivketten (in MirThecl 10,1.4.9) sowie die pleonastisch anmutende Verwendung einer Vielzahl von recht bedeutungsähnlichen Verben, die unmittelbar aneinandergereiht werden (z.B. in MirThecl 10,13). Eigentümlich wirkt auch das eigens gekennzeichnete Homerzitat in MirThecl 10,8 (ganz ähnlich das Zitat in Z. 26), das nur aus dem Wort ἐπέγραψε (epegrapse – auf etwas schreiben/etwas einritzen) besteht. Abgesehen davon, dass sich angesichts des Verweises auf Homer eher die Bedeutung »ritzen« denn »schreiben« für ἐπέγραψε in unserem Kontext nahelegt (in den Parallelstellen der Il. 4,139; 11,388; 21,166, wird das Verb zur Bezeichnung von leichten Verletzungen durch Waffen verwendet), dürfte es sich um ein ornamentales Zitat handeln, das den Erzähler als mit griechischer Bildung bestens vertraut erweisen soll (zu weiteren Homerzitaten im Gesamtwerk vgl. Dagron 1978, 157; Krueger 2004, 82 bezeichnet die Homerzitation passend als »pedantic«).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Mit der Schilderung des Thekla-Heiligtums bei Seleukia (heute Silifke/Türkei), dem heute Meriamlik genannten Hauptort der Theklaverehrung, in MirThecl 10,2f. prä532

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sentiert uns der Text eine interessante Realie. Aus der Erzählung erfahren wir, dass das eigentliche Heiligtum von einer mit mehreren Türen ausgestatteten Umwallung, also einer Mauer, umgeben war. Ihr gegenüber muss eine weitere Mauer verlaufen sein, an der auch die für unseren Text zentrale Mosaikinschrift angebracht war. Letztere ist bei Ausgrabungen bisher nicht gefunden worden (vgl. Herzfeld/Guyer 1930). Eine solche Umwallung (περίβολος peribolos – Umwallung, Ringmauer, Umzäunung) schützt nicht nur den eingeschlossenen Bereich, sondern trennt in gewisser Weise auch zwischen den Bereichen profan und heilig (mit diversen religionsrechtlichen Folgen). Sie findet sich an vielen Tempeln und Heiligtümern. Innerhalb des heiligen Bezirks befindet sich nun nicht nur das Heiligtum selbst, sondern auch andere Gebäude, unter anderem auch Gemächer für Jungfräuliche (zur archäologischen Situation, die in der Tat mehrere Gebäudekomplexe aufweist, vgl. Davis 2001, 36-39.210-212 [Karten]). Die hier gewählte geschlechtsneutrale Übersetzung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Begriff παρθένος (parthenos – Jungfräuliche/Jungfräulicher) ohne Artikel sowohl Männer als auch Frauen bezeichnen kann (vgl. etwa Offb 14,4; JosAs 4,7; 8,1, weitere Belege bei Esch-Wermeling 2008b, 261 Anm. 507; Elm 1996, 47f.). Der im Text verwendete Ausdruck παρθενῶνας (parthenōnas – Wohnräume für Jungfräuliche) kann also Wohnräume für Menschen beiderlei Geschlechts bezeichnen. Das deckt sich im Übrigen mit der Beschreibung des Bezirks im Reisebericht der Egeria, die auf der Rückreise von Jerusalem nach Konstantinopel Seleukia und das Theklaheiligtum besucht. Die Reisebeschreibung zeichnet die Situation gegen Ende des 4. Jh., also knapp 100 Jahre vor unserem Text, nach. In Seleukia angekommen, macht sie sich auf den Weg zur »heiligen Thekla«, »einem Ort, der außerhalb der Stadt auf einem Hügel liegt, der oben aber flach ist«. »Dort bei der heiligen Kirche stehen nur unzählige Einsiedeleien von Männern und Frauen […]«. Das Theklaheiligtum hat also offensichtlich dauerhaft Menschen beiderlei Geschlechts an sich gezogen. Egeria fährt fort: »Es gibt dort also sehr viele Einsiedeleien auf dem Hügel selbst und in der Mitte eine große Mauer, die eine Kirche einschließt, in der sich das Martyrium befindet […]. Als ich dort schließlich im Namen Gottes am Martyrium angekommen war, betete ich am Martyrium, las die gesamten Akten der heiligen Thekla und dankte endlos Christus […]« (Peregr. Eger. 23,1f.4f.; Übers. Röwekamp). Was Egeria hier liest, sind die Theklaakten, die uns heute als Teil der Paulusakten überliefert sind (vgl. dazu die Auslegungen von Wundergeschichten aus ActThecl in diesem Band). Ob die von Egeria angesprochene Mauer einer der Mauern in unserem Text entspricht, lässt sich angesichts des gegenwärtigen Ausgrabungsstandes, der eine sukzessive Erweiterung der Anlage über Jahrhunderte nahelegt, nicht entscheiden (noch immer grundlegend: Herzfeld/Guyer 1930, 1-89; vgl. auch zuletzt Brands 2003, 21-26).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Dreiheit als wesenseins, das ist der zentrale Streitpunkt, der in der Wundergeschichte verhandelt wird. Worum geht es dabei? Arianismus und das Bekenntnis zur 533

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Wesenseinheit der drei trinitarischen Größen (Gott als Vater, Gott als Sohn, Gott als Geist) sind Antwortversuche auf zentrale theologische Fragen, die im 3.-5. Jh. n. Chr. heftig diskutiert wurden. Sehr verkürzt gesagt, geht es um eine Verhältnisbestimmung zwischen dem Sohn, dem Vater und dem Heiligen Geist – zwischen Einheit und Dreiheit –, die sowohl einem strengen Monotheismus als auch Würde und Wesen des Sohnes (und des Geistes) gerecht wird. Zugespitzt im Blick auf Jesus formuliert: Ist Jesus Gott? Und wenn ja, wie lässt sich dies monotheistisch denken und dabei auch das Menschsein des Sohnes bewahren? Und als was ist der Heilige Geist zu bestimmen? Die Antwortversuche auf dieses komplexe Problem sind in der frühen Kirche sehr vielfältig (vgl. Hausammann 2003, 1-154). Unser Text aus der 2. Hälfte des 5. Jh. schaut schon auf einige dieser Diskussionen zurück, ohne dass sich die letztlich als orthodox anerkannte Position der Konzilien von Nizäa (325 n. Chr.) und Konstantinopel (381 n. Chr.) bereits überall durchgesetzt hätte. Einige Positionen des Diskurses werden in unserem Text zumindest rudimentär sichtbar bzw. mit einem aus dem Diskurs bekannten Label gebrandmarkt. Letzteres gilt für den Arianismus (das Codewort fällt in MirThecl 10,5), der auf Arius, einen Presbyter in Alexandrien zu Beginn des 4. Jh., zurückgeht. Gott-Vater und Sohn sind für ihn wesenhaft verschieden. Der Sohn ist das erste Geschöpf des Vaters, nicht gleichewiglich wie der Vater, ihm also untergeordnet. Der Sohn ist funktionaler Mittler des Vaters im Blick auf Schöpfung und Offenbarung, aber er ist allenfalls in einem übertragenen Sinne »Gott« (vgl. Frank 1997, 244). Diese Lehre des Arius, der von seinem Bischof Alexander aus der Ortskirche ausgeschlossen wurde, fand glühende Anhänger und ebenso leidenschaftliche Gegner. Einen ersten Höhepunkt des Streits stellt das Konzil von Nizäa dar. In der Frage, ob der Sohn als Logos auf der Seite der Geschöpfe oder des Schöpfers steht, definiert das Konzil, dass der Logos Schöpfer und nicht Geschöpf sei. Die Formel, der Sohn sei »gleichen/eines Wesens mit dem Vater« (ὁμοούσιον τῷ πατρί homoousion tō patri), versucht, das auf den Punkt zu bringen. Die gegenteilige Position des Arius und seiner Parteigänger verwirft das Konzil von Nizäa als häretisch. Der Erfolg dieser Konzilsformel, die vor allem danach strebte, die kirchliche Einheit wiederherzustellen, war zunächst mäßig, weil sich am Verständnis des Begriffs homoousios die Geister schieden (Frank 1997, 247). Zudem wurde der Konflikt noch dadurch verschärft, dass die Gottheit des Geistes, der dritten trinitarischen Person, ebenfalls umstritten war. So gab es, für unseren Text bedeutsam, im Jahr 359 eine antinizänisch dominierte Teilsynode in Seleukia, dem Ort unserer Wundergeschichte, die sich gegen die Verwendung des Begriffs homoousios aussprach und stattdessen – letztlich vor allem unter dem Einfluss von Kaiser Konstantius II. – den Begriff homoios wählte: Vater und Sohn seien »gleich/ähnlich (homoios) gemäß den biblischen Schriften«. Es handelte sich hier um den östlichen Teil der Doppelsynode von Seleukia und Rimini, mit der Kaiser Konstantius II. durch das homöische Reichsdogma den Streit um das Bekenntnis von Nizäa zu beenden versuchte (Hausammann 2003, 72-77). Klarheit schuf dann im Jahr 381 das Konzil von Konstantinopel, das die in der Formel von Nizäa anklingende Wesenseinheit (Homousie) von 534

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Vater und Sohn bekräftigte und vereindeutigte, durch eine pneumatologische Erweiterung auch den Geist in diese Verhältnisbestimmung mit hineinnahm und die Homousie innerhalb der Trinität mit Hilfe der Drei-Hypostasen-Lehre (»ein Wesen – drei Existenzweisen«) präzisierend interpretierte (vgl. Frank 1997, 159-162.241260; Brox 1998, 171-197). Mit dem Konzil von Konstantinopel und dem dort beschlossenen Bekenntnis, dem Nicäno-Constantinopolitanum, war der trinitarische Streit prinzipiell abgeschlossen. Allerdings gab es trotz staatlicher Verfolgungsmaßnahmen weiterhin einflussreiche arianische oder antinizänische Strömungen, die in vielen Kirchenprovinzen Bischöfe stellten, wie es sich auch in unserer im 5. Jh. angesiedelten Wundergeschichte widerspiegelt. Die Versuche des arianischen Bischofs Symposios, das in Stein verewigte Bekenntnis der Wesenseinheit (Homousie) von Vater, Sohn und Geist zu zerstören oder umzuformulieren (vielleicht lässt sich die Rede vom »aufprägen« bzw. »einritzen« [MirThecl 10,8] dahingehend verstehen, dass der Wortlaut der Inschrift an entscheidender Stelle, eben beim Begriff homoousios, abgeändert werden sollte), bleiben allerdings erfolglos, weil Thekla als Retterin der nizänischen Rechtgläubigkeit eingreift. Formkritisch handelt es sich bei unserer Erzählung insofern um ein Rettungswunder. In Rettungswundern wird etwas bzw. jemand in einer eigentlich aussichtslosen Situation durch ein überraschendes Eingreifen einer dritten Größe geschützt oder gerettet. Rettungswunder finden sich in den Varianten Seenotrettung und Befreiungswunder sowohl im Alten als auch im Neuen Testament (grundlegend zu Gattung und Texten: Kratz 1979). Und auch in den Theklaakten, die der Verfasser unseres Textes im ersten Teil seines Doppelwerks verarbeitet, finden sich zwei Rettungswundergeschichten. In ihnen wird Thekla jeweils aus unterschiedlichen Notsituationen gerettet. In einer Rede vor dem Statthalter von Antiochia (in Pisidien) bekennt sie Gott als ihren Retter: Ich bin Sklavin des lebendigen Gottes […]. Ich habe an den geglaubt, an dem Gott sein Wohlgefallen gefunden hat, an seinen Sohn. Er hat dafür gesorgt, dass keins der Tiere mir etwas angetan hat (ActThecl 37 [vgl. Esch-Wermeling zu ActThecl 26-43 in diesem Band]).

Liest man unsere Wundergeschichte vor diesem Hintergrund, scheint es fast so, als ob sich Thekla für ihre Rettung gleichsam revanchieren würde. Nun schützt sie das orthodoxe Bekenntnis zu dem Gott, den sie selbst als ihren Retter bekannt hat. Gattungstypisch ist dabei in unserer Geschichte in MirThecl 10,7f. die Charakterisierung der Not anschaulich und ausgefaltet erzählt (Theißen 1998, 108). Untypisch hingegen ist (vgl. insofern auch die alternative Gattungszuordnung »begründendes Normenwunder« in der Einleitung von Bernd Kollmann), dass das gefährdete Objekt – etwa im Gegensatz zu den neutestamentlichen Rettungswundern (Mk 4,35-41; Apg 5,17-42; 12,1-19; 16,16-40; 27,6-44) – kein Mensch, sondern mit der Inschrift und ihrem Inhalt ein Gegenstand ist (entsprechend wird auch keine Rettungsbitte seitens der »Bedrohten« erzählt). Als Opponent und Gegenspieler, vor dessen Angriff die Inschrift geschützt werden muss, fungieren Symposios und der Handwerker, im übertragenen Sinne je535

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doch alle Anhänger des arianischen Bekenntnisses. Dieses erhält damit die Rolle des geradezu widergöttlichen Gegenspielers, die etwa in Mk 4,35-41; Apg 27,6-44 von der Chaosmacht »Sturm« ausgefüllt wird. Dass dieser arianische Ansturm die Inschrift nicht verändern kann (MirThecl 10,8: in diesem Vers wird die Konstatierung des Wunders erzählt), beruht auf dem rettenden Eingreifen Theklas. Ihr kommt die Rolle der Wundertäterin zu, die indes nicht in einer für die Gattung typischen Epiphanie auftritt, sondern schon je an ihrem Heiligtum anwesend zu sein scheint. Auffällig ist dabei die Rede von ihrer »unbefleckten, unberührten, jungfräulichen Hand«. Diese Betonung der Hand (die enkratitisch anmutenden Adjektive passen gut in die Theklatradition, in der Thekla oft zur reinen Jungfrau stilisiert wird) greift ein geprägtes Motiv auf: So findet sich im Alten und Neuen Testament die Redeweise von der »Hand Gottes« (etwa Jes 48,13; Apg 7,50), eine Metapher, die die Handlungs- und Schöpfungsmacht Gottes umschreibt (zu den orientalischen Wurzeln und zur Symbolik der Hand bzw. des Fingers [Lk 11,20!] vgl. Schroer/Staubli 2005, 123-144; vgl. auch Groß 1985). In diese Linie machtvollen Wirkens, in der im Neuen Testament auch Jesus steht (vgl. etwa Mk 1,41; 6,2 u.ö.), wird nun auch Thekla eingeordnet. Für Leserinnen und Leser, die vor diesem gesamtbiblischen Hintergrund die Wundergeschichte lesen, ist damit klar: Thekla steht auf der Seite des einen, schlechthin mächtigen Gottes; und dieser Gott bekennt sich letztlich selbst durch die Rettungstat der Thekla zur Inschrift. Er approbiert geradezu ihren Inhalt. Gattungskritisch interessant sind auch MirThecl 10,11f.13f., die die Wundergeschichte beschließen. MirThecl 10,11f. realisiert das im Rahmen der Gattung »Rettungswunder« mögliche Motiv »Strafwunder am Gegenspieler« (Kratz 1979, 445, im Blick auf die Untergattung Befreiungswunder). Dass dabei die Bestrafung wirklich erfolgt und auf die gleiche Instanz zurückgeht, die letztlich auch die Rettung bewerkstelligt hat (die Aorist-Passiv-Form συνετρίβη synetribē – er wurde zerschmettert, kann man als Passivum divinum verstehen), unterscheidet die Erzählung von neutestamentlichen Rettungswundern, bei denen in zwei Fällen ebenfalls dieses Motiv zu finden ist, es aber doch in seiner Zuspitzung anders realisiert wird. So wird in Apg 12,18f. zwar die Bestrafung derer erzählt, die Petrus bewachen sollen, aber nicht der rettend eingreifende Gott oder sein Engel vollziehen die Bestrafung, sondern Herodes Agrippa I. Und will in Apg 16,27 derjenige, der Paulus und Silas bewachen soll, sich selbst umbringen (!), so verhindern sogar die beiden »Gefangenen« diese Kurzschlussreaktion. Die darauf erzählte Bekehrung des gerade noch zum Selbstmord Entschlossenen ist, bei aller Motivvarianz (in unserer Geschichte sind der bestrafte und der bekehrte Gegenspieler nicht identisch), im Übrigen eine gewisse Parallele zur in MirThecl 10,13f. abschließend erzählten Bekehrung des Symposios. Diese Bekehrung eines Gegenspielers (auch das ist nach Kratz 1979, 445 ein typisches Motiv) kann man im Blick auf die Grundgattung »Rettungswunder« vielleicht auch als Motivvariante der klassischen Motive Admiration oder Akklamation verstehen, in deren Rahmen klassisch der Wundertäter und/oder die hinter ihm stehende Macht/Gottheit bewundert, verehrt oder auch angebetet werden. 536

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Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erforschung der Gesamtschrift »Leben und Wunder Theklas« steckt, trotz einer Reihe von Einzelbeiträgen, noch in den Anfängen. Entsprechend rar sind die deutenden Aussagen speziell zu dieser Wundergeschichte. In Reaktion darauf möchte ich abschließend fünf knapp umrissene und vorläufige Thesen zum Verständnis und zur Deutung unseres Textstückes formulieren, die sich alle aus der Grundfragehaltung nach der pragmatischen Funktion einer solchen Erzählung im Horizont von Verfasser und Adressaten speisen. Das Wunder als Verteidigung eines rechtgläubigen Bekenntnisses: Auf einer sehr grundsätzlichen Ebene verteidigt unser Text (und die Gesamtschrift) das Bekenntnis der Konzilien von Nizäa und Konstantinopel vor den auch handgreiflichen Angriffen von »Häretikern«. Als Verteidiger werden Thekla, der hinter ihr stehende Gott und im Blick auf die Gesamterzählung auch der Apostel Paulus in die Pflicht genommen (vgl. Hayne 1994, 213f.). Gott selbst bestätigt die Formeln der Konzilien, sie entsprechen seinem Willen; und diese sind nicht eine neue Erfindung, sondern schon von Paulus gelehrt worden. Wer so erzählt, der bekennt sich zu dieser Glaubensformel und verortet sich eindeutig in einer gerade im Osten auch im 5. Jh. noch umstrittenen Frage: Symposios und seine arianischen Bischofskollegen mögen in der hier erzählten Form fiktiv sein, denkbar ist das Auftreten arianischer Bischöfe auch am Ende des 5. Jh. noch (vgl. Frank 1997, 242.259). Das Wunder als Beleg für die Rechtgläubigkeit eines umstrittenen Verfassers: Der Verfasser der Gesamtschrift ist anonym, doch wissen wir zumindest, dass er ein mit Thekla und ihrem Heiligtum besonders verbundener Priester war (durch die Gesamtschrift wirkt er geradezu wie der Prophet Theklas, vgl. dazu Krueger 2004, 80.90), der in Konflikt mit seinem Bischof (Basilius von Seleukia bzw. Porphyrius) und vielleicht auch weiteren Bischöfen stand (vgl. Klauck 2005, 88; Dagron 1978, 13-19.319). In dieser Situation betont der Verfasser durch unsere Wundergeschichte nachdrücklich seine Rechtgläubigkeit und seine antiarianische Haltung (so auch Pesthy 1996, 171). Man wird in dieser Linie fragen dürfen, ob Symposios mit den Seinen nicht eine Art Chiffre für die bischöfliche Gegenpartei unseres Autors ist (vgl. dazu die Schilderung des Konflikts des Autors mit seinem Bischof in MirThecl 12, die durch Stichwortverbindungen [etwa die Rede von der wunderwirkenden Hand und die Wahl eines Bischofs durch Handzeichen] eng mit MirThecl 10 verbunden ist [zu den Träumen und Trauminterpretationen des Autors in MirThecl 12 vgl. Krueger 2004, 79-92; Johnson 2006, 163-166.168]): Bischöfe haben, das kann man dieser Wundergeschichte entnehmen, eben nicht immer Recht. Bischöfe können gefährlich irren. Und – Gott und Thekla sei Dank – Bischöfe können sich bekehren, wenn der rechte Wunderimpuls von außen ergeht, denn die Bekehrung des Symposios wie auch die erträumte Rekonziliation des anonymen Autors durch seinen Bischof in MirThecl 12 gehen auf das Konto der wunderwirkenden Thekla. Das Wunder und die am Theklaheiligtum Lebenden: Durch den Beginn der Erzählung (MirThecl 10,2-4) fällt auch etwas Licht auf die am Heiligtum Leben537

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den, zu denen der Verfasser gehört haben mag (Klauck 2005, 88). Implizit sagt die Geschichte auch über sie: Die, die hier leben, sind rechtgläubig, ja, sie haben ihren Glauben und ihr Bekenntnis zur Wesenseinheit der Dreiheit sogar in Stein verewigt und sich dies etwas kosten lassen (vergoldetes Mosaik). Nach der arianisch-homöisch geprägten Synode von Seleukia im Jahr 359 bekennt sich hier also eine Gruppe am gleichen Ort nachdrücklich zur damals unterlegenen Position. Das wirkt beinahe wie eine Reminiszenz an den Vorwurf des Gregor von Nazianz (In laude Athanasii 22 [= or. 21]), der im Rückblick auf die Synode von Seleukia festhält, dass diese üble Versammlung Seleukia den guten Namen, der der Stadt von der »heiligen und jungfräulich schönen Thekla« her zukomme, geraubt habe. Gregor selbst hat im Übrigen nach 374 n. Chr. für einige Jahre im Theklaheiligtum gelebt (vgl. Greg. Naz. vit. 545-549, und dazu Elm 1996, 186f.). Ein Lob der Rechtgläubigkeit und Wunderkraft Theklas: Die Wundergeschichte belegt zweifellos die Wirkmacht Theklas, einer der prominentesten Heiligen der frühen Kirche. Sie wirbt für Thekla und für ihr Heiligtum als Wunderort. Zugleich zeichnet die Erzählung Thekla als rechtgläubig, denn ihre schützende Hand ist auch ein Bekenntnis. Sie steht zu den Entscheidungen der Konzilien und ordnet sich damit in die Strukturen der Kirche ein. Mit Thekla lässt sich folglich nicht (mehr) gegen den kirchlichen Mainstream kämpfen – wie dies offensichtlich noch mit Thekla als literarischem Beispiel auf der Basis der Theklaakten geschehen ist (und zwar etwa von Frauen, die für das Recht zur Taufe und Lehre kämpften [Tert. bapt. 17,5]; vgl. dazu Esch-Wermeling 2008b; Estévez 2010, 152-156). Vielfältige Appellstruktur: Ermutigung – Warnung – Widerstand: Allen Anhängern des Bekenntnisses zur Wesenseinheit der Dreiheit spricht die Erzählung Mut zu: »Auch wenn du angefeindet wirst, wenn sogar Bischöfe deinen Glauben bekämpfen, du kannst dir sicher sein, dass du auf der richtigen Seite stehst. Denn Gott, Paulus und Thekla stehen wirkmächtig auf deiner Seite.« Umgekehrt lässt sich die Geschichte paränetisch auch als Warnung und Ermutigung zur Bekehrung hin zum orthodoxen Glauben lesen, frei nach dem Motto: »Lern von Symposios und lass nicht einen anderen für deinen falschen Glauben leiden.« Schließlich: Aus dem Geschick des anonymen und daher für eine Leseridentifikation offenen Handwerkers lässt sich lernen, dass es besser sein kann, sich dem Befehl eines häretischen Bischofs zu widersetzen. Die Folgen können sonst gefährlich werden. Markus Lau

Literatur zum Weiterlesen G. Dagron, Vie et Miracles de Sainte Thècle. Texte grec, Traduction et Commentaire, SHG 62, Brüssel 1978. S. J. Davis, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity, Oxford Early Christian Studies, Oxford 2001, 36-80. L. Hayne, Thecla and the Church Fathers, VigChr 48 (1994), 209-218.

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S. F. Johnson, The Life and Miracles of Thekla. A Literary Study, Hellenic Studies 13, Cambridge/London 2006. D. Krueger, Writing and Holiness. The Practice of Authorship in the Early Christian East, Divinations. Rereading Late Ancient Religion, Philadelphia 2004, 79-92.

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Die wandernde Geschwulst (Heilung des Aurelios von einem Halstumor) MirThecl 11 (11) Wenn wir das Wunder, das mit Aurelios geschah, unerwähnt ließen, täten wir der Rangordnung Unrecht, jedenfalls wenn es so ist, dass man Priester den Priestern und geistliche Kinder ihren geistlichen Vätern zuordnen muss. Das [nämlich ein geistliches Kind] war Aurelios für die vorher Erwähnten [vgl. MirThecl 10], und er war auch Mitbürger des letztgenannten [Symposios] und sogar, wie ich glaube, dessen Verwandter. Als dieser [Aurelios] noch ein junges Kind war, wurde er von einem Leiden betroffen, das von den Asklepiaden Halsdrüsengeschwulst genannt wird. Diese Geschwulst entwickelte sich um den Hals des Kindes und schwoll allmählich rundum mehr und mehr auf, bis sie in Höhe und Dicke zu einem so enormen Tumor angewachsen war, dass sie ihn nahezu erstickt hätte. Obwohl die Ärzte die Krankheit mit allerlei Mitteln bekämpft hatten, unterlagen sie dennoch der Bösartigkeit der Krankheit. Daraufhin wurde [der Gott/Dämon] Sarpedonios, der den Ruf hatte, weitaus der beste Arzt zu sein, von der Großmutter des jungen Kindes angefleht, so wie ein Dämon von einer dämonisch besessenen Frau angefleht wird, doch sogar er konnte kein Heilungsmittel nennen, entweder weil er völlig schwieg oder – wie es bei ihm üblich war – weil er die Frau betrogen und mit leeren Händen weggeschickt hatte, nachdem er ihr etwas Rätselhaftes oder eine Fabel oder überhaupt nichts gesagt hatte. Die Märtyrerin jedoch, die wahre Stütze und kräftige Hilfe, die immer in allen Hinsichten bestrebt ist, das Gute zu tun, lachte zwar über die alte Frau, erbarmte sich jedoch nach ihrer Gewohnheit des Kindes, als ob es ihr eigenes wäre und auch weil es ein Kind gläubiger Eltern war, und sie beeilte sich, die Genesung zu bewirken. Alle anderen übergehend erschien sie der alten Frau selber, nicht nur weil die Frau für das Kind wie seine eigene Mutter war, sondern auch – meiner Vermutung nach – um die Tatsache, dass sie sich einem Dämon zugewandt hatte, zu verspotten. Sobald sie sich ihr genähert hatte, zeigte sie ihr gleich, wie die Genesung erreicht werden konnte. Sie sagte: »Liebe alte Frau, nimm sanfte Wolle und rolle sie auf bis zur Länge des Kindes, wenn es aufrecht steht. Fange also an beim Kopf und gehe bis zu den Füßen. Verbrenne dies [den Wollfaden] danach, mische die Asche davon mit dem Heilmittel – das nannte sie ihr auch – und appliziere das auf den kranken Teil des Halses. So wirst du das Kind von seinem schrecklichen Leiden befreien.« Nachdem sie das gesagt hatte, ›floh sie davon wie eine Taube‹, wie ein Dichter es gesagt haben könnte. Nach diesen Worten stand die alte Frau auf, 540

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weil sie schon nur aufgrund ihres Äußeren wusste, wer es war, die ihr erschienen war und zu ihr gesprochen hatte – denn es war ja so, dass sie [Thekla] in Gestalt und Größe ihrer Tochter, der Mutter des Kindes, die auch selber Thekla hieß, sehr ähnlich war. Sie war deprimiert und böse wegen dieser Erscheinung, weil sie diese Auskunft nicht von ihrem eigenen Dämon bekommen hatte. Trotzdem führte sie den Auftrag aus, um das Kind zu schonen. Danach konnte man sich über die Unverschämtheit des Leidens und zugleich die kräftige Wirksamkeit der Hilfe wundern. Denn als das Heilmittel auf die Weise, wie es die Märtyrerin befohlen hatte, angebracht worden war, verschwand die Geschwulst von der Stelle, wo sich das Heilmittel befand, verlagerte sich dann jedoch zu einer anderen Stelle am Halse; und als das Heilmittel auch auf diesen Teil verbracht wurde, sprang die Geschwulst wieder anderswohin. Es sah letztendlich aus wie eine Hirschjagd mit Hunden, bei der die einen die Flucht ergriffen, während die anderen sie verfolgten. Schließlich ließ der beste Arzt, wer immer er auch war, das Heilmittel in großer Menge produzieren – meiner Meinung nach dazu inspiriert von der Märtyrerin – und wickelte den ganzen Hals damit ein. So zwang er die abscheuliche Geschwulst, zum Bauch herunterzuwandern und von dort über die Därme den Leib zu verlassen. Wir haben all dieses vom geheilten Kranken selber gehört; er sprach nämlich des öfteren darüber und verherrlichte dabei die Märtyrerin für das, was an ihm geschehen war.

Sprachlich-narratologische Analyse Wie in anderen Wundererzählungen der Wunder der Thekla wird auch hier mit der Bemerkung begonnen, es wäre ein Unrecht, das jeweilige Wunder nicht zu erwähnen. Dieses Prinzip hatte der Autor schon am Anfang (in MirThecl 6) recht programmatisch formuliert. Indem er von Bischof Aurelios sagt, er sei (wie) ein geistliches Kind für die vorher erwähnten Geheilten (darunter Symposios) gewesen, schafft der Verfasser eine Verbindung mit dem Vorangehenden (MirThecl 10). Dieser Aurelios war als junges Kind sehr ernsthaft krank gewesen: Skrofulose (χοιράδες choirades – aggressive Drüsenschwellungen im Hals) hatte ihn nahezu erstickt; aber Thekla befreite ihn davon, nachdem der von ihr in Kapitel 1 als erster überwundene Gott Sarpedon darin gescheitert war. Sarpedon wird hier ›Dämon‹ genannt, mit dem Terminus, den der Autor stereotyp für pagane Gottheiten wie Zeus, Apollo oder Athena gebraucht (vgl. MirThecl 1-4; dazu Davis 2001, 75-78). Die Protagonisten sind, außer Thekla, der junge Aurelios, seine Großmutter, der Dämon Sarpedon und einige nicht namentlich genannten Ärzte. Auffällig dabei ist, dass von einem mehrfachen Scheitern die Rede zu sein scheint – auf nahezu personifizierende Weise redet der Autor von der Bösartigkeit, wörtlich: ›Unverschämtheit‹, der Krankheit: Anfänglich hatten einige Ärzte sich vergebens bemüht, die Wucherung 541

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zu beseitigen, wobei das Versagen von Ärzten ein Standardmotiv in vielen antiken Heilungswundern ist (vgl. Lk 8,43). Danach bat die Großmutter des Kindes den Gott/ Dämon Sarpedon, dasselbe zu tun, jedoch wiederum vergebens. Als danach Thekla die Großmutter – direkt, nicht in einem Traum! – beauftragt, die Heilung nach einer sehr spezifischen Vorschrift und Handlungsweise herbeizuführen, stellt sich jedoch heraus, dass auch dies nicht ausreicht: Die Geschwulst entweicht zu einer anderen Stelle des Körpers, aber verschwindet nicht, was durch den nahezu komischen Vergleich mit einer Hirschjagd mit Hunden ausdrücklich vor Augen gestellt wird. Schließlich greift ein (anonymer) Arzt ein. Er erhöht die Dosis des von Thekla vorgeschriebenen Heilmittels und wendet es im gesamten Halsbereich an; erst dann reicht es zur Heilung aus. Der Verfasser beeilt sich hinzuzufügen, er sei ziemlich sicher, dass dem Arzt dieses Verfahren von der Märtyrerin suggeriert worden war. Mit diesem letzten Element will natürlich zweierlei gesagt sein: Erstens trifft Thekla keine Schuld daran, dass sich zunächst bei der Heilung nur ein Teilerfolg einstellt (eine treffende biblische Parallelle ist die anfängliche Teilgenesung des Blinden durch Jesus in Mk 8,22-26). Sie hat alles doch zu einem guten Ende gebracht und die Regie bleibt bis zum Schluss in ihren Händen. Zweitens ist die Märtyrerin nicht grundsätzlich gegen ärztliche Eingriffe. Ärzte, die auf sie und ihre Befehle vertrauen, können sehr gute Heiler sein. Schön ist der Rückverweis auf das erste Kapitel, wo Thekla den Sarpedon zum Schweigen bringt (κατεσίγασε katesigase): Hier redet er nicht mehr oder höchstens Unsinn. Umso auffälliger ist die Geschichte in MirThecl 40, wo ein Geheilter auch nach seiner explizit von Thekla bewirkten Genesung daran festhält, dass er von Sarpedon geheilt worden ist. Bemerkenswert ist die Formulierung ›sie [Thekla] floh davon wie eine Taube‹, wobei die zugefügte Bemerkung ›wie ein Dichter es gesagt hätte‹ deutlich macht, dass unser Autor bewusst eine homerische Anspielung macht. Es handelt sich nicht um ein genaues Zitat, sondern eine freie Kombination aus Il. 2,71 (»im Fluge schwand er hinweg«) und 21,493 (»Weinend floh die Göttin beiseite, der Taube vergleichbar«); eine Anspielung auf den Heiligen Geist in der Form einer Taube (Mt 3,16 parr.) dürfte dagegen kaum vorliegen. Interessant ist dabei, dass der Autor sich hier, vielleicht mit einem Augenzwinkern, an ein mehr oder weniger gebildetes Publikum zu richten scheint, das die Anspielung verstehen kann (anderswo werden auch Hesiodus, Herodot, Aischylos, Euripides und Plato zitiert oder alludiert). Es ist kaum zufällig, dass der Autor in MirThecl 38 (wo der erkrankte Grammatiklehrer Alypios Thekla mit einem Zitat aus Hom. Il. 1,365 begrüßt) die Märtyrerin als Liebhaberin der Literatur und der Künste (φιλόλογος καὶ φιλομοῦσος philologos kai philomousos), eine richtige ›amie des Lettres‹ (Dagron 1978, 99), chrakterisiert.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Aurelios leidet nach MirThecl 11 an einer Krankheit, die von den Asklepiaden als χοιράδες choirades bezeichnet wird. Bei den Asklepiaden handelt es sich um die wissenschaftlichen Ärzte der griechisch-römischen Welt, die sich als Söhne des Askle542

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pios in der Tradition des großen Heilgottes sahen und ihn als Ahnherrn ihrer Künste verehrten. Choirades sind eigentlich Felskämme oder Riffe. In der hippokratischen Medizin bezeichnete man mit choirades (lat. strumae) Geschwulste, die durch Drüsenschwellungen hevorgerufen und zu den typischen Krankheiten des Kindesalters gerechnet wurden (Hippocr. Aph. 3,26). Sie treten vor allem im Halsbereich auf und gelten in der Antike als nur schwer heilbar (Cels. med. 5,28,7). Der entsprechende Fachbegriff der modernen Medizin lautet Skrofulose (Halsdrüsengeschwulst). Unheilbare Krankheiten gab es unzählige in der Antike. Viele Individuen und Familien müssen unter großer Verzweiflung gelitten haben, als sie bemerkten, dass bei bestimmten Krankheiten ihre Ärzte machtlos waren. Immer weiter wachsende Geschwülste (Krebs oder nicht) gehörten unzweifelhaft zur Kategorie der schwer zu heilenden oder unbehandelbaren Krankheiten. In solchen Fällen war es nicht ungewöhlich, eine Gottheit zu Rate zu ziehen, vor allem natürlich den Gott der Medizin, Asklepios, dessen Name noch durchklingt in der hier vermutlich etwas ironisch gemeinten Bezeichnung ›die Asklepiaden‹ für die scheiternden Ärzte (vgl. für den ironischen Gebrauch von ›Asklepiaden‹ auch MirThecl 18). Inkubation in den Tempeln des Asklepios, zumal denen in Epidauros und Pergamon, war ein viel verwendetes Mittel, zu Heilung zu gelangen (vgl. Edelstein/Edelstein 1945, Bd. 2, 145-158); man bedenke, dass es im Altertum kaum Krankenhäuser oder Hospitale gab. Auch aus diesem Grunde gibt es so viele – wahre oder falsche – Geschichten über übernatürliche Wunderheilungen aus der alten Welt (vgl. Weinreich 1909). Die Suche nach nicht-ärztlicher Heilung unterschiedlichster Qualen und Krankheiten muss sehr weitverbreitet gewesen sein. Auffällig ist hier auch, dass die Großmutter eine bedeutende Rolle spielt, die Eltern jedoch nur ganz nebenbei erwähnt werden: Es ist von zwei christlichen Eltern die Rede, obwohl die Großmutter keine Christin war, und der Name der Mutter ist sogar ein deutlich christlicher Name: Thekla. Was der Autor hiermit sagen will, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich will er jedoch andeuten, dass beide Eltern des kranken Kindes nicht mehr lebten und dass es die Mutter des Vaters war, die für das Kind sorgte. Frappant ist, dass der Autor nirgendwo sagt, dass die Großmutter, obwohl sie in der Erscheinung die Märtyrerin erkannt hat und auch Zeuge der Wunderheilung ist, ja dabei sogar selbst aktiv wird (sie macht den Wollfaden), nicht zur Bekehrung kommt (in Gegensatz zum ungläubigen Maximinos im nächsten Abschnitt MirThecl 17). All diese Elemente deuten darauf hin, dass wir es hier mit einer Erzählung zu tun haben, die noch Erinnerungen an tatsächliche Gegebenheiten festhält.

Traditions-und religionsgeschichtlicher Hintergrund Dass Thekla hier die Großmutter des Kindes beauftragt, einen Wollfaden von der Länge des Kindes zu verbrennen und dessen Asche mit einem nicht näher bestimmten Medikament zu mischen, mutet uns merkwürdig an. Die Prozedur ruft unmittelbar Rezepte in Erinnerung, die man in der antiken Magie findet. Plinius beispielsweise empfiehlt 543

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die mit Wasser verrührte Asche von der Wolle eines Widders als Heilmittel gegen Entzündungen (Plin. nat. 30,22). Dass Magie in allen Schichten der Bevölkerung des Römischen Reiches (pagan, jüdisch, christlich) weitverbreitet war, allen (auch kirchlichen) Verboten zum Trotz, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. In den sogenannten Iamata (auf Stein beschriebenen Heilungen), die in den Inkubationstempeln von Asklepios in Epidauros, Lebena und Rom gefunden worden sind (Edelstein/Edelstein 1945; LiDonnici 1995), aber auch in den Vorschriften, die dieser Gott seinem berühmtesten Adepten, Aelius Aristides (117-ca. 181 n. Chr.), im Traum mitteilte (vgl. seine fünf Hieroi Logoi; vgl. Schröder 1986), findet man des Öfteren ähnliche Anweisungen, die wir magisch zu nennen gewöhnt sind. Es sollte uns nicht wundern, Derartiges nun auch aus dem Munde einer christlichen Heiligen zu hören. Zumal in der christlichen Volksfrömmigkeit waren magische Praktiken gang und gäbe (Grieser/Merkt 2009). Es wäre jedoch falsch, wenn nun der Eindruck entstünde, dass die Wunder der Heiligen Thekla hauptsächlich eine Sammlung von Heilungswundern sei, denn das ist bestimmt nicht der Fall: Weniger als 20 von den 50 Wundern sind Heilungen. In den übrigen Erzählungen wird Theklas Macht auf vielerlei anderen Gebieten demonstriert, z.B. in Strafwundern und zumal der Überwindung paganer Götter (MirThecl 1-4). Der an erster Stelle erwähnte Sieg über pagane Gottheiten ist der über Sarpedon, vom Autor konsequent Sarpedonios, d.h. ›der Sarpedonier‹ oder ›der von Sarpedon‹ genannt (worin möglicherweise geringschätzige Untertöne mitschwingen, obwohl es auch möglich ist, dass ›der Sarpedonische‹ kurz für ›Apollo‹ steht; vgl. Dagron 1978, 86). Sarpedon war als lokale/regionale Gottheit (Sohn des Zeus nach Homer; vgl. Nünlist 2001) Theklas wichtigster Opponent. Ihm wurden auch Heilungskräfte zugeschrieben. Dass die Großmutter des Kindes auch nach der Vertreibung des Gottes durch Thekla doch noch ihre Zuflucht zu ihm nimmt, gibt dem Autor die Gelegenheit zu sagen, dass Thekla darüber überlegen lachen kann, da sie weiß, dass ihre Überwindung des Sarpedon eine reale ist. Nochmals wird somit Sarpedons definitive Entkräftung und Entthronung unterstrichen (vgl. auch MirThecl 40; für das überlegene Lachen auch MirThecl 22).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Missionstheologische Deutung: Wie in den vorangehenden Abschnitten beschrieben, ist das Kräftemessen zwischen dem einheimischen Gott Sarpedon und der christlichen Märtyrerin Thekla – der einzigen »wahren Stütze und kräftigen Hilfe« – das dominanteste Thema dieser Wunderschichte. Die christliche Heilige entthront – im Namen ihres Gottes, was allerdings mehr impliziert als deutlich ausgesprochen wird – den lokalen Heilgott. Der Geheilte, auf dessen eigenes Zeugnis die Überlieferung des Wunders zurückgeht, wird als Bischof zu einer Autoritätsfigur der neuen Religion und ihrer Heiligen. Genderbewusste Deutung: Es fällt auf, dass in dieser Erzählung Frauen eine dominante Rolle spielen. Obwohl Aurelios »Kind gläubiger Eltern« war, bleibt der 544

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Vater ungenannt, die Mutter trägt den Namen der heiligen Thekla und die Märtyrerin erscheint der Großmutter in der Gestalt der (vermutlich verstorbenen) Mutter. Der Kampf zwischen alter und neuer Religion wird demnach ausgetragen zwischen Großmutter und Mutter, die Weitergabe bzw. Veränderung des Glaubens liegt – wie die Sorge um die Gesundheit des Kindes – ausschließlich in den Händen von Frauen. Man wird nicht fehlgehen, hierin eine der Realität abgeschaute typische Konstellation zu sehen. Der zum Dämon depotenzierte männliche Gott Sarpedon ist machtlos, auch die Ärzte, bis auf den letzten, der sich in den Dienst der Märtyrerin stellt. Diakonische Deutung: Die existentielle Not des Kindes wird in der ausführlichen Beschreibung der Schwere der Krankheit deutlich zur Sprache gebracht, und seine Rettung hat sowohl für die Märtyrerin als auch für die Großmutter Priorität. Trotz des Unglaubens der Großmutter erbarmt sich die Märtyrerin des Kindes, und trotz ihres Unmuts über die unerwünschte Einmischung Theklas führt die Großmutter den Auftrag aus, »um das Kind zu schonen«. Ärzte, Pflegerin und Märtyrerin arbeiten Hand in Hand mit allen verfügbaren Mitteln und Tricks und lassen sich von den zahlreichen Rückschlägen nicht entmutigen. Vorangetrieben wird die Handlung nicht durch die vordergründig und erzählerisch dominanten theologischen Machtspiele, sondern durch den unermüdlichen Kampf gegen das Leid des Kindes. Wie sehr sie auch in den Dienst theologischer Polemik gestellt werden, letztendlich bleiben Wundergeschichten vor allem eins: ein schriftgewordener Protest gegen menschliches Leid und Ermutigung, sich nicht mit ihm abzufinden.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Es gibt weder eine direkte Wirkungsgeschichte noch eine Parallelüberlieferung innerhalb der Wunder der Heiligen Thekla. Außerhalb der wenigen mittelalterlichen Handschriften kommt diese Geschichte nirgendwo vor. Pieter W. van der Horst

Literatur zum Weiterlesen G. Dagron, Vie et Miracles de Sainte Thècle. Texte grec, Traduction et Commentaire, Brüssel 1978. S. J. Davis, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity, Oxford Early Christian Studies, Oxford 2001. S. F. Johnson, The Life and Miracles of Thekla. A Literary Study, Hellenic Studies 13, Cambridge/London 2006.

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Thekla setzt die Segel (Rettung von zwei Jünglingen aus Seenot) MirThecl 15 (15,1) Was bei den Zyprern noch heute als Erzählung zu hören ist, werde auch ich jetzt erzählen. (2) Irgendeiner der Adeligen und Frommen nämlich, nachdem er einst ein Lastschiff bestiegen hatte, fuhr eilends zu der Märtyrerin, (3) um zu ihr zu beten und weil er das Fest anschauen wollte, das die Bürger (πολῖται politai) und Mitbewohner (σύνοικοι synoikoi) der Märtyrerin jedes Jahr betreiben und das alle Menschen wertschätzen. (4) Nachdem er aber am Ufer von diesem Isaurien vor Anker gegangen und ausgestiegen war, machte er sich sofort auf den Weg und die Reise zum Martyrion, zusammen mit denen, die er mit sich heranführte: Diese waren seine Gattin und Kinder und Diener. (5) Die meisten der Seeleute aber oder sogar alle folgten im Verlangen nach dem heiligen Volksfest, während sie nur zwei Sklaven oder vielmehr dem Schicksal (καιρός kairos) selbst die Bewachung des Schiffes überließen. (6) Es war nämlich keine der vom Winter herrührenden Härten zu vermuten, da eine große Sicherheit von allen Seiten her erschien. (7) Es war nämlich noch Sommer und Gesang der Zikaden und Schweigen der Wellen und eine Windstille, die mit einer milden Brise dem Meer zulächelte. (8) Plötzlich kam jedoch irgendwoher ein starkes, wildes und dunkles Unwetter auf und bewegte aus der Meerestiefe heraus zugleich jede kleine Woge, türmte Wellen auf Wellen, wobei die einen direkt auf den Strand und die Felsen schmetterten, die anderen sich aber noch darüber wölbten, wieder andere von irgendwo innen heraus mitten aus der hohen See heraufbrodelten und herausbrachen, wie allerhöchste Berge, die sich über höchste noch erheben. (9) Nachdem es aber das hilflose Schiff mit fortgerissen und von den Seilen abgeschnitten hatte, schleuderte es dieses mitten in die hohe See zusammen mit den Jünglingen, die in Jammer ausbrachen, nur die Hände zum Himmel erhoben und das drohende Ertrinken erwarteten, die aber nicht im Geringsten dagegenzuhalten oder Abhilfe zu schaffen vermochten. (10) Da sich dies nun so verhielt und das Unwetter überdies auf das Meer krachend niederstürzte, siehe, da erschien die Jungfrau bei dem Schiff, das vom Sturm umhergeworfen wurde und schon zu sinken drohte. (11) Sie machte den Jünglingen, die schon verzweifelten, Mut, packte das Ruder, zurrte die Taue, setzte die Segel, machte dem Sturm Vorwürfe und tat all das, was Matrosen und Steuerleuten ansteht und ebenso einem Apostel, Märtyrer und einer allseits befähigten . (12) Und indem sie so den Sturm besänftigte und das Schiff stabilisierte, ließ sie dieses in jener 546

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Gegend vor Anker gehen, von wo jener gläubige und bewundernswerte Mann anfangs in See gestochen war (sc. Zypern). (13) Infolgedessen sahen auch einige Diener derjenigen, die auf das Volksfest gefahren waren, das Schiff, erschraken, befragten die Jünglinge und erfuhren alles, was durch das Unwetter und die Märtyrerin geschehen war. (14) Und so nahm sie von dort das wieder auf, eilte und ließ es wieder an jenem Ort ankern, von wo es das Unwetter fortgerissen hatte, das stärker als Anker und Seile geworden war. (15) So wurde die ganze Insel Zypern erfüllt dieses Wunders, und auch diese des Seleukos erfuhr das Wunderbare (παράδοξον paradoxon), nachdem die jungen Sklaven hier und dort alles erzählt hatten. (16) Jene aber, die am Volksfest teilnahmen, d.h. die Besatzung des Lastschiffes, waren zunächst in Unkenntnis des großen , und feierten, wie es Brauch ist, mit Vergnügen. (17) Bei ihrer Rückkehr aber fanden sie das Schiff, hörten vom Wunder und gelangten sicher nach Hause, (18) wobei sie diese Dinge ebenso gern erzählten wie hörten und die Märtyrerin für alle diese Dinge bewunderten und verherrlichten. (19) Aber die Märtyrerin stand nicht nur den auf dem Meer in Unwetter Geratenden so bereitwillig bei, sondern brachte auch ihre Kraft keineswegs träger für diejenigen zum Einsatz, die auf dem Land reisten und Gefahr liefen. Diese hat nämlich auch folgendes gewirkt. Die Untergliederung zur besseren Textorientierung in der Übersetzung stammt vom Verfasser.

Sprachlich-narratologische Analyse MirThecl 15 hat innerhalb der Wundererzählungen eine Art Überleitungsfunktion (vgl. Johnson 2006, 141). Es folgt auf ein sehr langes, kompliziertes Heilungs- und Konversionswunder des Hypsistios und steht vor einer ganzen Reihe kürzerer Heilungswunder. MirThecl 15,19 bietet sogar eine direkte Überleitung zu den weiteren Wundern. Möglicherweise soll durch MirThecl 15 wie auch andere Rettungswunder eine größere Struktur zusammengebunden werden. Die Heilungswunder werden jedenfalls durch das Rettungswunder in gewisser Weise aufgelockert und der Übergang von dem langen Bericht über eine konkrete Person zur parataktischen Reihung mehrerer Adressaten von Heilung hergestellt. Es handelt sich auch bei MirThecl 15 um eine »zentralbetonte Komposition« (Kratz 1979, 120). Gerahmt wird das Wunder durch die Schilderung der Erzählsituation. Sowohl in MirThecl 15,1 als auch in MirThecl 15,15 wird betont, dass das Wunder auf Zypern tradiert wurde. Die Ausführungen schildern gleichsam, wie der Wunderbericht in Zypern aufgekommen ist, und haben dadurch gewissermaßen eine ätiologische Funktion. Verschränkt ist, die Betonung der zyprischen Erzähltradition mit den Ausführungen über die Pilger zum Theklaheiligtum, die ebenfalls als Tradenten des Wunderberichts tätig wurden (MirThecl 15,2-5.16-18). Die 547

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eigentliche Wunderdarstellung beginnt mit einer Einleitung, die den Rahmen der Wunderhandlung eröffnet (MirThecl 15,6-7), und der Schilderung der Notsituation (MirThecl 15,8-9). Durch die Darstellung einer vollkommen plötzlich und unerwartet einbrechenden Not wird die Spannung in der Erzählung enorm gesteigert. Im Zentrum steht die Rettungsszene, die dramatisierend gestaltet ist (MirThecl 15,1014). An deren Anfang steht – hellenistischer Erzähltradition entsprechend – die Epiphanie Theklas in höchster Not (vgl. Theißen 1998, 109). Zur Dramatisierung trägt die plerophore Aneinanderreihung zahlreicher synonymer Attribute bei, mit denen z.B. das Unwetter in MirThecl 15,8 beschrieben wird. Die Erzählung hat insgesamt einen überbordenden, leicht künstlichen Charakter. Es geht dem Autor dementsprechend nicht um einen nüchternen Bericht historischer Fakten. Vielmehr schildert er sprachlich sehr gekonnt, fast poetisch, das Geschehen. Johnson (2006, 31) spricht dementsprechend generell von poetischer Rhetorik in der Schrift Leben und Wunder der Heiligen Thekla. Entsprechend der Gattung von Wundergeschichten wird auch hier die Not anschaulich geschildert (vgl. Theißen 1998, 108). Kennzeichnend ist im vorliegenden Wunder der parataktische Stil, der demjenigen Herodots ähnelt (vgl. Johnson 2006, 114). Überhaupt stehen die Wunderberichte in der Nähe zur hellenistischen Paradoxographie, also zu einer Art Realitäten transzendierenden Wundergeschichten (a.a.O., 174). Solche Paradoxographie lässt sich bereits bei Herodot, insbesondere aber bei Kallimachos von Kyrene beobachten. Paradoxographie war – anders als die Sammlung von Heilungen (ἰάματα iamata) des Asklepios – eben durch phantasievolle und supranaturalistische Teratologie geprägt (a.a.O., 197). Auch im vorliegenden Wunder geht es vor allem um die Illustration von Theklas besonderer Macht, die sie kontingent in Naturzusammenhänge eingreifen lässt. Dieses Paradoxon, d.h. wörtlich: das sich jenseits der sinnlich-beobachtbaren Welt Ereignende, wird tradiert (MirThecl 15,15). Johnson (a.a.O., 140) hat zu Recht betont, dass es in dem Wunder nicht um die Beseitigung individueller Nöte, also z.B. von Krankheit oder Bedrängnis durch andere geht. Vielmehr wendete sich Thekla den bedrängten Jünglingen und dem Schiff zu, um dem reichen Zyprer eine gelungene Pilgerfahrt sicherzustellen und ihre eigene Macht zu demonstrieren.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Der Wunderbericht ermöglicht Einblicke in die Pilgerpraxis der Spätantike. Das Heiligtum der Thekla bestand nachweislich bereits seit dem 4. Jh.. Von Besuchen vor Ort berichten Gregor von Nazianz (Greg. Naz. vit. 545-551), der dort immerhin drei Jahre verbracht hat, und Egeria (Peregr. Eger. 23,1-5). Im 5. Jh. besuchten die Asketinnen Marana und Kyra die Kultstätte (Thdt. h. rel. 29). Das Heiligtum ist also nicht nur von Isauriern, sondern auch von Pilgern aus Kappadokien, dem Westen des römischen Reiches, und vor allem aus Zypern (MirThecl 15,1f.) besucht worden. Die Ruinen der Basilika über der Thekla-Höhle sind neuerdings relativ eindeutig ins 548

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4. bzw. 5. Jh. datiert worden (vgl. Mietke 2009, bes. 54). Die vorliegende Erzählung ist um 470 n. Chr. entstanden (Johnson 2006, 5), also etwa in der Zeit, in der das Pilgertum hier eine der größten in Kilikien nachweisbaren Kirchen erhalten hat, von der noch heute Reste der Apsis zu sehen sind. Die Bedeutung des Heiligtums wurde nicht nur durch die herausragenden Bauten, sondern auch durch die 50 in »Leben und Wunder der Thekla« aufgeführten Wunder unterstrichen. Dem vorliegenden Wunder ist zu entnehmen, dass dort jährlich in großem Stil eine Panegyris, also eine Art Kirchweihfest gefeiert wurde (MirThecl 15,3). Diese Panegyris war durchaus mit Vergnügen (ἡδονή hēdonē) verbunden (MirThecl 15,16). Feiern und persönliches Gebet am Heiligtum waren eng miteinander verknüpft (MirThecl 15,3). Die Panegyris wurde von den Bewohnern Seleukias (diese sind wohl mit den πολῖται politai gemeint) und den Asketinnen und Asketen vor Ort (so sind wohl die σύνοικοι synoikoi zu interpretieren) durchgeführt (MirThecl 15,3). Die Thekla-Basilika lag etwas entfernt vom Hafen auf einem Hügel (MirThecl 15,4), wo sich noch heute die Überreste weithin sichtbar erhalten haben. Bereits Johnson (2006, 155) hat beobachtet, dass ein großer Teil der Wunder Theklas für reiche und prominente Leute durchgeführt wurde, und dementsprechend die Adressatengruppe des gesamten Textes in der Oberschicht verortet. Dies trifft auch für das vorliegende Wunder zu (MirThecl 15,2). Hier ist allerdings weniger die intellektuelle Elite angesprochen als vielmehr die reiche, zyprische Oberschicht. Diese pilgerte nicht nur mit den unmittelbaren Verwandten, sondern der ganzen Hausgemeinschaft inklusive Dienerschaft zum Heiligtum (MirThecl 15,4).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die »rettende Epiphanie« war ein bekannter Topos in der griechisch-hellenistischen Literatur (vgl. Theißen 1998, 109). Rettungswunder aus Seenot sind im paganen Bereich besonders von den Dioskuren berichtet (Jaisle 1907). Theklas Eingreifen in der Seenot lässt sich vor dem Hintergrund der Dioskurentradition verstehen, wenn auch keine direkten literarischen Abhängigkeiten ausgemacht werden können. Ähnlich wie bei den Dioskuren (vgl. Kratz 1979, 86) ist jedenfalls das Theklawunder mit einer Epiphanie der Heiligen verbunden. Vorbilder für Rettung aus der Seenot gab es allerdings auch bei weiblichen Gottheiten, insbesondere bei Isis und Venus (vgl. Kratz 1979, 94). Möglicherweise boten derartige Berichte noch eher den traditionsgeschichtlichen Hintergrund von MirThecl 15. Auch hier lassen sich allerdings direkte literarische Bezüge nicht mehr herstellen. Bei der vorliegenden Erzählung handelt es sich der Gattung nach um ein Rettungswunder. Seenotrettungswunder sind bereits in der Bibel häufig anzutreffen und basieren u.a. zunächst auf der Vorstellung orientalischer Chaoskampfmythen, dann auch auf derjenigen vom siegreichen Kampf gegen dämonische Mächte (vgl. Kratz 1979, 14-350). Der bekannteste Bericht im Alten Testament über eine Ret549

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tung aus der Seenot findet sich in der Jonageschichte (Jona 1). Im Neuen Testament ist die Rettung aus Seenot vor allem mit dem Motiv der Sturmstillung verbunden (vgl. Kratz 1979, 119). Thekla greift gattungstypisch als Dritte unerwartet in einer vollkommen aussichtslosen, genau geschilderten Notsituation (vgl. Kratz 1979, 120f.) für das Schiff und die Restmannschaft in das Geschehen ein. Sie setzt sich mit dem Unwetter wie mit einem Dämon auseinander, indem sie ihm Vorwürfe macht (MirThecl 15,11, vgl. auch Ps 105,9LXX und Mk 4,39, wo dasselbe Verbum ἐπιτιμᾶν epitiman – anfahren oder bedrohen – verwendet wird). Gerade in Mk 4 finden sich auch weitere – gattungsbedingt leicht erklärbare – auffällige Parallelen zum Theklawunder. Auch in der neutestamentlichen Erzählung ist die Gefahr auffällig anschaulich geschildert. Ferner geht es dort darum, insbesondere das göttliche Wesen des Wundertäters Jesus zu enthüllen. Vergleichbar dient auch bei Thekla das Wunder nicht nur der Errettung der Bedürftigen in Not. Es offenbart vielmehr in erster Linie die wahren Qualitäten der Patronin des Heiligtums.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Johnson (2006, 8) hat insbesondere den »biographischen« ersten Teil von »Leben und Wunder der Heiligen Thekla« als »›patriographical‹ work« verstanden. Dementsprechend interpretiert er die Darstellung Theklas als »literary patron«. Patronatsfunktionen übernimmt die Heilige nicht nur in der Darstellung ihrer Vita, sondern auch in der vorliegenden Wundererzählung. Wie sich generell dem Text eine Tendenz entnehmen lässt, Thekla als Lehrerin und Predigerin (a.a.O., 43) sowie als Apostolin (a.a.O., 58.63f.) zu verstehen, so insbesondere auch im vorliegenden Kapitel. Hier wird sie jedenfalls auch als Begründerin oder vielmehr als Beschützerin einer apostolischen Ortstradition gezeichnet. Sie erscheint nämlich als Apostolin, Märtyrerin und allseits befähigte Frau (MirThecl 15,11). Durch das Wunder wird veranschaulicht, dass sie in besonderer Weise auch für die Aufrechterhaltung des Pilgerbetriebs verantwortlich ist. Anders als in der Dioskurentradition geht es bei der Schilderung in MirThecl 15 also nicht nur um den rettenden Eingriff, sondern auch um die Offenbarung der Macht der Heiligen, die mit eben dieser Macht den Erhalt des Heiligtums garantiert. Thekla konkurriert dementsprechend in den Wundergeschichten also nicht nur mit paganen Göttern in und um Seleukia (MirThecl 1f.; 40 u.a.), sie tritt auch nicht nur in Konkurrenz zu paganen Ärzten (MirThecl 12). Gerade mit ihrer Macht sichert sie in besonderer Weise den Bestand des Heiligtums. Sie wird dabei als eine »divine woman« von Gottes Gnaden stilisiert (Streete 2009, 98). Dementsprechend steht in der Theklawundergeschichte am Schluss eine Art Akklamation (vgl. Kratz 1979, 120) bzw. ein Übergang in den Bericht von der Werbung für die Heilige (MirThecl 15,18f.). Bewunderung und Verherrlichung zu evozieren und gleichzeitig für die Heilige als »wahrer Apostolin« und das Heiligtum zu werben ist die hauptsächliche Intention von MirThecl 15. Dabei steht sie in der Nachfolge Jesu (Mk 4,35-41) und tritt in 550

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Konkurrenz zu anderen Gottheiten, die aus Seenot zu retten wissen, womit weitere Deutungshorizonte angedeutet sind.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Vergleichbare Rettungswunder finden sich auch in weiteren Texten spätantiker hagiographischer Literatur. In zwei anderen hagiographischen Erzählkränzen existieren dementsprechend markante Beispiele der Rettung aus Seenot. An erster Stelle sind die Wunder von Kosmas und Damian zu nennen, deren Datierung durch die mehrfache Überarbeitung der Berichte allerdings nicht ganz leicht ist. Der Grundbestand der Wunderberichte stammt jedenfalls aus dem 6. Jh., ist also etwas jüngeren Datums als die Theklawunder. Zwei Berichte stellen hier eine Rettung aus der Seenot dar (Mir. Cosm. et Dam. 44f.; Deubner 1907, 202f.). Gerettet wird im Unterschied zu dem Theklawunder nicht das Boot von Pilgern, sondern explizit das Schiff des Klosters selbst. Eine literarische Abhängigkeit vom Theklawunder lässt sich nicht feststellen, wohl aber tauchen gemeinsame Motive auf. Noch etwas jüngeren Datums ist die zwischen 610 und 619 n. Chr. zu datierende Darstellung einer Rettung aus Seenot durch Sophronios von Jerusalem in den »Wundern der Heiligen Cyrus und Johannes« (Mir. Cyr. et Jo. 8 = PG 87/3, 3437B3440B). In diesem Wunder wird Christodoros, der Ökonom des Heiligtums des Cyrus und Johannes in Menouthis, auf dem Mareotis-See von einem Seesturm bedroht und durch die Heiligen vor dem Ertrinken gerettet (vgl. Booth 2014, 55f.). Anders als beim Theklawunder ruft Christodoros aber die Heiligen explizit an. Es handelt sich also nicht um den Eingriff der Heiligen nach ihrer unerwarteten Epiphanie, sondern um die Erhörung einer Bitte um Rettung. Die Heiler Cyrus und Johannes in Menouthis werden demnach als Retter dargestellt, sofern man sie anruft. Dadurch unterscheiden sie sich deutlich von Thekla. Eine literarische Abhängigkeit der jeweiligen Wundererzählungen voneinander lässt sich auch darüber hinaus nicht feststellen. Es ist eher davon auszugehen, dass Rettungen aus Seenot auf eine allgemeine Erzähltradition zurückgehen, die – wie bereits geschildert – wohl schon in der paganen antiken Literatur angelegt ist. Sowohl bei Kosmas und Damian als auch bei Kyros und Johannes werden jedenfalls in den Wunderberichten Bezüge zu der Dioskurentradition hergestellt. Im Mir. 45 von Kosmas und Damian (Deubner 1907, 203) haben die Heiligen nachts – ähnlich wie die Dioskuren – Lichter zur Rettung von Seeleuten in der Hand. Auch in der mittelbyzantinischen hagiographischen Literatur sind Rettungswunder aus Seenot noch häufiger zu beobachten (vgl. Pratsch 2005, 257-259.278-280). Andreas Müller

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Literatur zum Weiterlesen G. Brands, Pilgerfahrt und Wallfahrtsstätten im spätantiken Orient, in: S. Gralla (Hg.), Oriens Christianus. Geschichte und Gegenwart des nahöstlichen Christentums, Münster/Hamburg/London 2003, 15-41. S. J. Davis, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity, Oxford Early Christian Studies, Oxford 2001, 36-80. S. F. Johnson, The Life and Miracles of Thekla. A Literary Study, Hellenic Studies 13, Cambridge/London 2006. R. Kratz, Rettungswunder. Motiv-, traditions- und formkritische Aufarbeitung einer biblischen Gattung, EHS 123, Frankfurt a.M. et al. 1979. T. Pratsch, Der hagiographische Topos. Griechische Heiligenviten in mittelbyzantinischer Zeit, Millenium-Studien 6, Berlin/New York 2005. G. P. C. Streete, Redeemed Bodies. Women Martyrs in Early Christianity, Louisville 2009.

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Ein kräftiger Tritt von der Märtyrerin (Heilung des zertrümmerten Beins des Steinmetzes Leontius) MirThecl 17 (17) Wenn wir das mit Leontios geschehene Wunder unerwähnt ließen, dann denke ich, dass wir etwas sehr Unfrommes tun würden, die wir noch immer mit unseren eigenen Augen von seinen Meisterwerken genießen können. Denn das Ensemble von Marmorplatten, mit denen die Wände [der Märtyrerkirche] bekleidet sind, und auch die Schönheit des Pflasterbodens, der in seiner Vielförmigkeit allmählich zum Zentrum zusammenläuft, ist die Frucht der Arbeit seiner Hände. Dieser Mann erschuf nämlich ein ähnliches Meisterwerk im Haus eines der reichen Männer der schönen Großstadt Antiochien. Als er sich dort eifrig mit den Mauern beschäftigte, arbeitete er zusammen mit vielen anderen in der Höhe, als auf einmal das hölzerne Baugerüst zusammenstürzte, das ihnen als Fußboden diente und ihnen die Arbeit in der Höhe in Sicherheit ermöglichte. Er stürzte herunter mit allen anderen, aber nur er überlebte es, obwohl sein Bein so ernsthaft zersplittert war, dass auch er unter die Toten gerechnet wurde. Dies Geschehen bekümmerte damals Maximinos sehr, den Besitzer des Hauses. Dieser achtete ihn [Leontios] sehr hoch, nicht nur wegen seines fachmännischen Könnens, sondern auch und zumal wegen seiner sehr freundlichen, gütigen und ruhigen Art. Als die Zeit fortschritt und zudem sich das Leid verschlimmerte und die Hoffnung auf Besserung schwand, bat Leontios den Maximinos, ihm zu erlauben, nach Seleukia zu reisen, um dort das Martyrium der Thekla zu besuchen. Maximinos gestand ihm das, aber lächelte dabei, als ob die Sache mit der Märtyrerin überholter Quatsch sei – er gehörte nämlich zu den noch immer Ungläubigen. Leontios kam hierher und ging hinauf zum Martyrium, wobei er von den Händen und Füßen anderer Gebrauch machen musste. Noch keine drei Tage später war Leontios von seinem Leiden befreit, sein Bein fand die alte Kraft wieder, und seine zersplitterten Knochen waren wieder zusammengefügt. Er ging zu Fuß nach Antiochien zurück, ohne Beschränkungen laufend, und er eilte so geradewegs wieder zu Maximinos. Als er [Maximinos] ihn sah, war er – so sagt man – perplex, nicht nur wegen des Wunders, sondern auch wegen dessen Schnelligkeit, und aus diesem Grunde wurde er Christ. Gerade das war natürlich auch von vornherein die Absicht der Märtyrerin gewesen, als sie das Wunder bewirkte: ihn daran zu erinnern, dass sein Lächeln zu Unrecht gewesen war, und ihn zu Christus zu bringen. 553

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Die Märtyrerin bewirkte das Wunder übrigens folgendermaßen (es ist nämlich nicht richtig, über die Weise der Heilung zu schweigen, auch wenn diese etwas Lustiges hat): Leontios schlief in der Kirche, während es Nacht war, und er fühlte sich sehr unglücklich, weil er nicht mehr gut laufen konnte. Die Märtyrerin besuchte ihn, ohne etwas zu sagen und sich ihm zu zeigen, vielmehr trat sie mit ihrem eigenen Fuß auf sein erkranktes Bein, und zwar so hart, dass Leontios wegen des schrecklichen Schmerzes plötzlich emporsprang und auf seinen Füßen stand. Dann begann er zum ersten Mal, wieder zu laufen und zu rennen. Er wurde so leicht von seinem Leiden befreit, dass er unmittelbar die Reise über Land nach Antiochien begann und dem Meer, den Schiffen und den Wellen Lebewohl zurief.

Sprachlich-narratologische Analyse Diese Erzählung gehört zu einer Gruppe von Wundern der Heiligen Thekla, die Johnson »healing miracles leading to conversion« getauft hat (2006, 153). Weil die Bekehrung des Maximinos genau die Mitte der konzentrischen Ringkomposition bildet, bekommt sie ein großes Gewicht. Thekla heilt nicht nur Leiber, sondern auch (und zumal) Seelen, wie der Autor mehrfach betont. Wie bei anderen Wundererzählungen in Wunder der Heiligen Thekla wird auch hier wieder gleich am Anfang gesagt, dass es schlimm wäre, das zu erzählende Wunder unerwähnt zu lassen. Dies Motiv wird hier sogar innerhalb derselben Erzählung noch einmal wiederholt, wenn der Autor, nachdem er die erfolgreiche Heilung schon vorweggenommen hat (wie öfter in seinem Werk), sagt, dass die Weise, wie die Heilung zustande kam, auch dann nicht verschwiegen werden darf, wenn diese von etwas komischer Art war. Das Komische ist in diesem Falle, dass die Heilige sich ungewöhnlicherweise nicht sehen lässt, auch nichts sagt, sondern völlig unerwartet dem armen Leontios sehr aggressiv auf sein verletztes Bein tritt. Der heftige Schmerz bringt seine Heilung herbei. Diese wunderbare Genesung e contrario ist zwar bizarr, so impliziert der Autor, aber darf deswegen doch nicht verschwiegen werden. Auch in MirThecl 18 werden gebrochene Beine zweier Frauen auf wunderbare Weise geheilt. Vor allem das zweite Beispiel weist große Parallelen zur Heilung des Leontios auf, einerseits wegen der Schwere des Bruches (der Knochen stach heraus), andererseits weil die Heilung mit der Bekehrung der Verletzten einhergeht und ebenfalls 3 Tage dauert. Nachdrückliche Hinweise auf die Schnelligkeit der Wunder finden sich des Öfteren in unserer Schrift. Auch das komische oder humoristische Element findet sich wiederholt in diesen Wundererzählungen, z.B. auch in MirThecl 24 und 28, wo sich der Autor als bestimmt nicht humorloser Mensch zeigt (vgl. Dagron 1978, 100). Das erste Beispiel (MirThecl 24) – ein erblindetes Kind jagt die zahmen Vögel der Märtyrerin, wird ins Auge gepickt und dadurch geheilt – ist auch nach heutigen Begriffen lustig und dem Wunder des Leontios darin vergleichbar, dass der Schmerz zunächst kurzzeitig stärker wird. 554

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Ein kräftiger Tritt von der Märtyrerin MirThecl 17

Bemerkenswert im Vergleich mit anderen Wunderheilungen in Wunder der Heiligen Thekla ist die totale Abwesenheit irgendeiner Detailbeschreibung der Heilung. Wesentlich ist hier nur, dass das skeptische Lächeln des Maximinos auf seinen Lippen erstarb und er ein gläubiger Christ wurde. Dass seine Bekehrung das zentrale Motiv der ganzen Erzählung ist, wird unterstrichen durch die nach Vollzug der Wunderheilung platzierte Bemerkung des Autors, dass Thekla schon von vornherein den Plan hatte, Maximinos’ negative Ideen über ihren Kultus und Heilungskraft (»überholter Quatsch!«) in Gläubigkeit zu verwandeln. Ein weiterer Punkt, der unsere Aufmerksamkeit verdient, ist, dass der Unfall nicht in (oder in der Nähe von) Seleukia stattfindet, sondern im fernen Antiochien (am Orontes), »der schönen Großstadt« (vgl. VitThecl 15). Ungeachtet des Abstandes sucht Leontios seine Zuflucht (nach vergeblichem Warten auf natürliche Genesung, mit oder ohne ärztliche Hilfe) bei Thekla im isaurischen Seleukia, was über Land eine Reise von wenigstens 300 Kilometer durch gebirgiges Terrain bedeutete. Die narrative Funktion dieser geographischen Gegebenheit ist einerseits, dass sie das völlige Gelingen der Heilung hervorhebt, denn am Ende wird nicht umsonst gesagt, dass Leontios sich unerwartet schnell wieder bei Maximinos meldete, obwohl er die ganze Reise zu Fuß gemacht und die viel kürzere und schnellere Möglichkeit einer Seereise (ca. 150 bis 200 Kilometer) abgelehnt hat – so gesund und stark war sein Bein wieder! Andererseits wird hier jedoch auch wieder an die alte ›Rivalität‹ zwischen beiden Städten erinnert, vergleichbar derjenigen von Seleukia und Tarsus, von der der Autor in MirThecl 4 schon ausführlich gesprochen hat.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Leontios war ein Künstler, der die schönen Mosaiken an den Wänden der Märtyrerkirche Theklas verfertigt hatte (für die betreffenden Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen an Ort und Stelle vgl. Dagron 1978: 55-79). Wohl zu Recht bemerkt der Herausgeber des Textes (Dagron 1978: 337 Anm. 4), dass Leontios vermutlich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Maximinos stand, weil der Text nicht umsonst sagt, dass Leontios den Maximinos bat, »ihm zu erlauben, nach Seleukia zu reisen um dort das Martyrium der Thekla zu besuchen«. Mit großer Skepsis gibt Maximinos dem Leontios, der mutmaßlich sein Knecht oder Sklave war, Zustimmung. Diese Skepsis ist bei einem wohlhabenden Antiochener im 5. Jh. nicht befremdlich. In dieser Zeit gab es im Römischen Reich, zumal in den sozial höheren Schichten, noch viele, die den traditionellen Gottheiten anhingen (siehe Trombley 1994, 120-129). Nun darf man nicht ohne Weiteres annehmen, dass unser anonymer Autor hier eine historisch zuverlässige Nachricht über Leontios und seinen Herrn übermittelt. Zumindest die Beschreibung der Verletzung klingt übertrieben (»obwohl sein Bein so ernsthaft zersplittert war, dass auch er unter die Toten gerechnet wurde«). Auch muss man die ausdrücklich hervorgehobene Absicht der Thekla in Rechnung stellen, den Maximinos zum christlichen Glauben zu bringen. Es ging dem Autor mit anderen 555

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Worten um den erbaulichen Effekt der Erzählung, und Erbaulichkeit und Historizität gehen nur selten Hand in Hand. Trotzdem ist es bestimmt nicht undenkbar, dass der Kult von Thekla in Seleukia einen beträchtlichen Beitrag zur Christianisierung des Südostens Kleinasiens geleistet hat, genauso wie etwas östlicher in Nord-Syrien das Auftreten Simeons des Styliten die Christianisierung Nord-Syriens sehr gefördert hat. Schon am Ende des 4. Jh. bezeugt die Pilgerin Egeria die große Popularität des Martyriums (oder Märtyrerkirche) der Thekla in Seleukia (Peregr. Eger. 23; vgl. Johnson 2006, 1-5). Die Notiz über Leontios’ Wohnort, Antiochien, soll wahrscheinlich den Lesern deutlich machen, dass sogar Bewohner dieser Metropole, die ihre eigene blühende Paulustradition pflegte, sich nach dem isaurischen Seleukia begaben, um bei Thekla Heilung zu suchen (tatsächlich war der Theklakult bis nach Ägypten verbreitet; vgl. Davis 2001, 81-194).

Traditions-und religionsgeschichtlicher Hintergrund Der in der Fachliteratur des Öfteren begegnende Vergleich der Wundergeschichten in Wunder der Heiligen Thekla mit den ›Iamata‹ in den Heiligtümern des griechischen Gottes Asklepios – Stelen mit Inschriften, die individuelle Heilungserzählungen enthalten (vgl. Edelstein/Edelstein 1945; LiDonnici 1995) – ist insofern irreführend, als man die bei Asklepios gewöhnliche Prozedur der Inkubation im Martyrium der Thekla kaum findet (vielleicht in MirThecl 38f.). Die Leontiosgeschichte bildet eine Ausnahme, hier handelt es sich klar um eine Inkubation: Der Kranke schläft nachts in ihrer Märtyrerkirche, aber Thekla zeigt sich ihm nicht und spricht ihn nicht an, das wird ausdrücklich festgestellt. Das impliziert natürlich, dass Leontios doch eine Vision oder einen Befehl der Thekla erwartete. Thekla macht sich allerdings bemerkbar, wenn auch auf ungebräuchliche Art, sie tritt ihm äußerst peinlich auf das verwundete Bein und weckt ihn damit aus dem Schlaf. Wie sollen wir diese Aktion der Thekla einordnen? Zwei unterschiedliche Deutungen bieten sich an, Überbietung oder Persiflage. Auch unter den Asklepioswundern von Epidaurus finden sich zwei Heilungswunder, in denen schmerzhafte Manipulationen an erkrankten Gliedern vorgenommen werden, an gelähmten Fingern (Nr. 3, Herzog 1931, 9f.) und gelähmten Knien (Nr. 38, Herzog 1931, 25). In Wunder Nr. 3 träumt der Kranke, dass der Gott ihm auf die Hand gesprungen sei und ihm die Finger ausgestreckt habe. Einen noch dramatischeren Traum berichtet der Kranke in Inschrift 38: Der Gott sei in einem Pferdegespann dreimal um ihn herumgefahren und dann hätten die Pferde auf ihm herumgetrampelt. Bernd Kollmann (mündlich) schlägt daher vor, davon auszugehen, dass Thekla den Asklepios, der »nur« Lähmungen auf diese Weise kurieren kann, überbietet, indem sie sogar ein zersplittertes Bein heilt. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied in den Erzählungen, der vielleicht eine andere Deutung empfiehlt. In den Inkubationswundern findet die Manipulation an den kranken Gliedern im Traum statt, der Träumende sieht den 556

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Gott die Handlung vollziehen und ist am nächsten Morgen geheilt. Thekla dagegen gibt sich nicht zu erkennen und weckt den Kranken mit ihrem schmerzhaften Fußtritt. Das vermittelt den Eindruck, dass die Märtyrerin hier eine nahezu komische Persiflage auf (und deshalb Polemik gegen) die bekannte pagane AsklepiosInkubation inszeniert. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Inkubation eine in der Antike auch von vielen Ärzten anerkannte Heilungsprozedur war (vgl. Edelstein 1967). Nicht Asklepios (oder Sarpedon, siehe die Auslegung von MirThecl 1 in diesem Band), sondern nur Thekla kann verzweifelt kranken Menschen noch einen Ausweg bieten, so lässt unser Propagandist uns wissen. Obwohl Johnson (2006) zuzustimmen ist, dass die Wunder der Heiligen Thekla nicht der Gattung der Iamata zuzuordnen sind, scheint seine eigene These, die Schrift gehöre vielmehr zur Gattung ›Sammlung von Paradoxa‹, mir ebenso irreführend, weil im ganzen uns bekannten paradoxographischen Schrifttum des Altertums nie von wunderbaren Heilungen die Rede ist und auch nicht von Wundertaten nur einer Person (vgl. Giannini 1965). Literarische Sammlungen von Wundern scheinen mir doch eher eine typisch frühbyzantinische Neuschöpfung zu sein (Efthymiadis 1999; siehe auch die zurückhaltende Beurteilung Johnsons These bei Honey 2006). Ein weiterer Aspekt, der Aufmerksamkeit verdient, ist, dass in Wunder der Heiligen Thekla Unfälle an sich neutral sind. In unserer Geschichte ist ein Unfall mit ernsthaften Folgen zugleich Anleitung zu einer Bekehrung, während anderswo in unserer Schrift Unfälle gerade Strafe für die Sünde sind (ohne Bekehrungsmöglichkeit). Zumal in der Reihe von (bisweilen grausamen) Strafwundern in MirThecl 29-35 (31 ausgenommen) wird deutlich, wie hart und erbarmungslos Thekla auftreten kann. Die Märtyrerin kann also dieselben Mittel zum Guten und zum Bösen anwenden. Das betont ihre himmlische Souveränität. Sie handelt wie eine souveräne Gottheit, wie nach ihr Maria tun wird.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Dies heitere, fast spielerische Wunder in MirThecl 17 lässt sich in verschiedene Richtungen interpretieren, je nachdem ob man die missionarische, die polemische oder die kultätiologische Dimension betont. Die wunderbare Heilung eines Gläubigen, der seiner Sache so sicher ist, dass er alle Heilkünste und Heiligtümer der Großstadt gegen das abgelegene Heiligtum der Thekla eintauscht, wird zur wirkungsvollen Werbung für das Christentum. Ausgeführt wird die Heilung durch eine souveräne, nicht mehr irdische Wundertäterin, die die Inkubationsrituale des Asklepios und seiner Kultgemeinden in ihrem eigenen Heiligtum überbietet und auf unsanfte Weise lächerlich macht. Nicht zuletzt bekommen die wunderschönen Marmorarbeiten im Heiligtum der Thekla eine Geschichte zugewiesen: Selbst die Steine erzählen von der Wunderkraft der Thekla. Alle diese Dimensionen des Wunders stehen im Dienst der Ausbreitung des Christentums in seiner am Heiligtum der Thekla in Seleukia repräsentierten Form. 557

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Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Es gibt weder eine direkte Wirkungsgeschichte noch eine Parallelüberlieferung. Außerhalb der wenigen mittelalterlichen Handschriften kommt diese Geschichte nirgendwo vor. Pieter W. van der Horst

Literatur zum Weiterlesen G. Dagron, Vie et Miracles de Sainte Thècle. Texte grec, Traduction et Commentaire, Brüssel 1978. S. J. Davis, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity, Oxford Early Christian Studies, Oxford 2001. L. Edelstein, Greek Medicine in Its Relation to Religion and Magic, in: ders., Ancient Medicine, Baltimore 1967, 205-246. S. Efthymiadis, Greek Byzantine Collections of Miracles. A Chronological and Bibliographical Survey, Symbolae Osloenses 74 (1999), 195-218. S. F. Johnson, The Life and Miracles of Thekla. A Literary Study, Hellenic Studies 13, Cambridge/London 2006. F. R. Trombley, Hellenic Religion and Christianization, c. 370-529, 2 Bde., Leiden 1993/1994.

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Tod nach Tempelraub (Strafwunder an Dieben aus Laistrygonia) MirThecl 28 (28,1) Wie sie auch folgendes Wunder tat, das mir fast entgangen wäre, nicht absichtlich, weil ja Vergessen den Gedanken umfing. (2) [Ich] fand nämlich nicht alle [Wunder] zugleich, noch alle an einer Stelle, noch alle versammelt. (3) Und indem ich nach Art der Goldgräber zunächst Strauchwerk und Erde abtrug, sammelte [ich] auch im Verlauf der Rede die Wunder, die durch die Zeit und das Vergessen verblasst und irgendwie dunkel und undeutlich geworden waren, und sich deswegen der Erinnerung, der Ordnung, dem Ort und dem Wie des Geschehens entzogen hatten. (4) Ich muss gleichwohl sagen, was ich, nachdem ich es mühsam und mit viel Eifer erforscht und aufgespürt, gefunden habe, wovon ich mit Erstaunen wahrnahm und recherchierte und mit Mühe ausfindig machte, dass es für sie und ihren eigenen Tempel geschehen war. (5) Es wird nämlich gesagt, dass die auf schlechte Weise bei uns wohnenden Frevler (ἁλιτήριοι halitērioi), die bald nach Feindesart die Dinge hier plündern, bald aber in der Rolle von Despoten und Tyrannen alles ausplündernd sich zu eigen machen, einmal auch diese Kirche (ναός naos) bestürmten, sie einnahmen und sich ihrer bemächtigten, weil sie reich an Gold und mit unermesslichem anderen Reichtum geschmückt war. (6) Und nachdem sie die heiligen Schätze genommen hatten, stürmten sie ins [Land] der Laistrygonen, [ihr] eigenes Land, (7) indem sie auf diese beiden Dinge stolz waren und sich darüber freuten, dass sie einerseits die Märtyrerin besiegt hatten und dass sie andererseits mächtig reich geworden waren. (8) Nachdem aber die Jungfrau kurzzeitig den kühnen Taten nachgegeben hatte, so dass [jene] eintraten und raubten und den heiligen Schmuck abnahmen und sich aufluden und herausgingen und wegliefen, unternahm sie spielerisch einen Feldzug gegen jene. (9) Nachdem sie nämlich mit großem Eifer losgestürzt und wieder zu ihrer [Heimat] Laistrygonia geflohen waren, welche westlich von uns und auch dem gesamten östlichen Land liegt und abgetrennt ist durch viele Berge, die an die Wolken reichen, und insbesondere der Zufluchtsort ihrer Tollheit ist, (10) und nachdem sie (sc. Thekla) ihre Blicke und ihre Meinung verändert hatte und sie verwandelt hatte und sie gegen Osten zu dem Feld, das ihr zu Füßen liegt, ohne Mühe und Lärm alle zugleich zusammengedrängt hatte, bereitete sie [sie] für die Soldaten zu einem Blutbad vor. (11) Diese [sc. die Soldaten] wurden, nachdem sie von dem Ereignis erfahren hatten, mit Trauer und Raserei erfüllt, umzingelten die Orte, 559

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über die ich gesprochen habe, die eben und auch für Reiterei geeignet waren, und schlachteten alle im waffenfähigen Alter ab, und das mit einer derartigen Schnelligkeit, dass Anfang und Ende ein und desselben Tages den Mord an so vielen Menschen umfassten, und das Siegeszeichen aufgestellt wurde, (12) und sei es der heilige Schmuck, sei es der Reichtum der Märtyrerin wieder zurückgebracht wurden von denen, die gesiegt hatten. (13) Indem diese aber den Jubelgesang anstimmten und tanzten und Hymnen und Siegeslieder sangen, stellten sie der Märtyrerin ihre Sachen wieder auf, mit Bewunderung und Erschrecken darüber, dass sie nicht einmal eine sehr kurze Zeit lang die Verwegenheit jener ruchlosen Missetäter ausgehalten hatte. (14) Mögest Du diese auch jetzt nicht ertragen noch gestatten, dass ihre Gewalttätigkeit und Tollheit sich gegen uns, Deine Schützlinge, weithin ausbreitet! (15) Die (sc. gegenwärtigen) schlechten Zustände sind für uns nämlich weder erträglich noch tragbar. (16) Wir haben uns alle schon zur Verderbnis und zum gänzlichen Untergang geneigt, und es sind einerseits die Kirchen auf die Knie gesunken, andererseits die Städte und die Landgüter und die Dörfer und die Häuser. (17) Alle klagen von allen Seiten her, indem sie alle noch diese eine Hoffnung im Blick haben, deinen Beistand und die Hilfe deines Bräutigams und Königs Christus. (18) Dass sie aber mit der Gnade und der Kraft, die sie innehat, um denen zu helfen, die der Hilfe bedürfen, weiß, auch die Betrübenden wieder zu betrüben, und zwar keineswegs maßvoll zu betrüben, insbesondere diejenigen, von denen sie wahrnimmt, dass sie sich unmäßig vergehen und gottlos handeln und an irgendeinem ihrer Kleinode, sei es dass sie die Seele oder auch die Liturgie betreffen, dafür bieten die soeben berichteten Dinge einen keineswegs geringen Beweis. (19) Wie nämlich die Feinde herantraten und wieder weggingen, ohne dass es ihnen gestattet wurde, jemanden zu hinterlassen, der das Leid ihren Verwandten erzählen oder kundtun würde [vgl. Il. 12,73; MirThecl 6]. (20) Wie nämlich die Märtyrerin denen gegenüber, die irgendetwas im Leben gut vollbringen, Gutes zu tun weiß, weiß sie auch, die Unfrommen zu strafen und diejenigen, die gottlose Dinge in Angriff nehmen. (21) Sie ahmt dabei, glaube ich, [das Beispiel] des Königs Christus nach, von dem her viele Werke der Menschenliebe und Zeichen des Zornes gegen die Menschen einst geschehen sind und auch jetzt noch nachweislich geschehen. (22) Ein Werk der Menschenliebe an der ganzen, stark bevölkerten Stadt Ninive, die aufgrund weniger Tränen der Buße errettet und erhöht worden ist, ein Werk des Zornes demgegenüber an den Städten der Sodomiter und Gomorrer, an einem ganzen Feld, das zu einer gänzlichen Zerstörung verurteilt worden ist wegen seiner für Warnungen unempfänglichen und unveränderlichen Schlechtigkeit. (23) Und jene Dinge, die ich gesagt habe, sind zwar ausreichende Zeug560

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nisse über die Märtyrerin. (24) Es ist aber auch zu anderen [Zeugnissen] überzugehen, von denen her sie auch als zürnende zu sehen ist und als eine solche, die die Strafen nach dem Maß der Verfehlungen oder Verwegenheiten bemisst, und so entweder zur Vernunft und in Ordnung bringt, oder auch gänzlich vom Leben fortreißt und zu guter Letzt diejenigen straft, bei denen das Böse für Warnungen unempfänglich geworden ist und nicht zur Besonnenheit gebracht werden kann. (25) Und, wenn es [gut] scheint, wohlan, so wollen wir das einstmals bei uns geschehene Wunder in Erinnerung rufen, damit mir das Zeugnis zur Rede hinzukommt, und nahe beieinander sind diejenigen, die [auf der Rednerbühne] auftreten und die zeugen werden. (26) Diese aber sind nicht drei noch vier – irgendeine kleine und verdächtige Zahl –, sondern ganze Städte und ganze Bürgerschaften, die bis zu uns vom Orient her liegen, und wiederum diejenigen, die sich von uns her bis zur Asia erstrecken. (27) Und über sie alle hin ist das Wunder [sc. die Kunde von dem Wunder] geeilt, und das Schaudern und das Erstaunen, die unmittelbar nach dem Wunder geschehen sind. Die Unterteilungen zur besseren Textorientierung in der Übersetzung stammen vom Verfasser.

Sprachlich-narratologische Analyse Dem vorliegenden Wunder gehen andere Berichte von der Schutzmacht Theklas voraus. In MirThecl 26 verteidigt sie die isaurische Stadt Dalisandos, in MirThecl 27 Selinous. Dabei fallen die Feinde in der Regel aus den umliegenden Bergregionen ein. MirThecl 28 ist ferner eng verbunden mit anderen Strafwundern wie z.B. MirThecl 6, in dem ebenfalls davon die Rede ist, dass von den die Stadt Ikonion bedrohenden Feinden keiner mehr übrig blieb, um von der Strafe zu erzählen (vgl. Johnson 2006, 135). Auch beim MirThecl 28 liegt eine »zentralbetonte Komposition« (Kratz 1979, 120) vor. Die eigentliche Wunderhandlung ist eingebettet in Ausführungen auf der Ebene des Metatextes. Der Autor schildert nämlich zunächst die Auffindung des Wunders (MirThecl 28,1-4). Dabei macht er deutlich, dass er noch während der Abfassung seiner Sammlung vergessene Wunder aufzufinden vermochte, zu denen auch das vorliegend Berichtete gehört. Die Betonung der Wiederentdeckung des Wunders verweist auf dessen stark fiktiven Charakter. Auf der Ebene des Metatextes ist auch die Ausführung am Schluss von MirThecl 28 anzusiedeln (MirThecl 28,23-27). Diese leitet bereits zu den folgenden Wundern über, in denen die Protagonistin ebenfalls als Zürnende und Strafende vorgestellt werden soll (MirThecl 28,24). Dabei wird das folgende Wunder als ein solches eingeleitet, das von vielen Zeitgenossen bezeugt werden kann (MirThecl 28,25f.). Innerhalb des metatextlichen Rahmens ist die eigentliche Wunderhandlung klar gegliedert. Zunächst wird von einem Diebstahl im Heiligtum Theklas berichtet (MirThecl 28,5f.). Daraufhin 561

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wird die Entscheidung der Jungfrau referiert, Rache an den Dieben zu nehmen (MirThecl 28,8-10). Im Zentrum der Komposition steht schließlich der eigentliche Wunderbericht, der die Umsetzung der Rache bzw. die Strafe für die Heiligtumsschändung schildert (MirThecl 28,11-13). Kommentiert wird diese Rache zunächst mit einem Gebet zu der Märtyrerin, in dem zukünftiger Schutz und Beistand erfleht wird (MirThecl 28,14-17). Ein solches Gebet fällt aus dem üblichen Wunderbericht heraus. Es ist nicht notwendig, darin eine sekundäre Ergänzung des Textes zu vermuten. Die Funktion der Heiligen als Schutzpatronin, auch für die Gegenwart, soll aber durch einen solchen Einschub deutlich hervorgehoben werden. Die Aussicht des Gebets auf Erhörung wird schließlich in einem letzten Abschnitt des eigentlichen Wunderberichts kommentiert, indem die hier zu beobachtende Rache und Bestrafung als Beweis für die zukünftig wirkende Gnade und Kraft der Thekla interpretiert werden. Der zentrale Wunderbericht ist also von jeweils zwei inhaltlichen Abschnitten und darüber hinaus von jeweils einem Abschnitt auf der Ebene des Metatextes gerahmt. Der Autor selber charakterisiert MirThecl 28 als eine Art Strafwunder. U.a. in MirThecl 28,18-22 reflektiert er ausführlich den Charakter der Erzählung als Bericht über ein Strafwunder. In MirThecl 28,20 hält er dementsprechend fest, dass die Heilige »die Unfrommen zu strafen« weiß »und diejenigen, die gottlose Dinge in Angriff nehmen«. Strafwunder können nach Theißen als eine Form von Normenwundern verstanden werden, die heilige Forderungen durchsetzen wollen (Theißen 1998, 114). Bestrafende Normenwunder basieren auf der Angst vor Strafe (Theißen 1998, 117). Die Aussicht auf Strafe bei Übertreten der Regeln des Thekla-Heiligtums wird in dieser Erzählung jedenfalls radikal formuliert. MirThecl 28 hat einen überbordenden, leicht künstlichen Charakter. Dazu trägt u.a. die plerophore Sprache bei. Dieselben Inhalte werden häufig mit derart vielen Wörtern im Griechischen umschrieben, dass sie im Deutschen nicht wiedergegeben werden können. Es handelt sich jedenfalls auch hier keineswegs um eine nüchterne historische Darstellung, sondern wie generell in den Wunderberichten (vgl. Johnson 2006, 31) um eine sprachlich anspruchsvolle, fast poetisch wirkende Erzählung, die nach Dagron sogar Elemente attischer Redner aufnimmt (Dagron 1978, 367 Anm. 14). Der Autor bedient sich dabei auch an Bildern aus Homers Ilias (MirThecl 28,6.9.19), die die poetisch-deutende Dimension des Textes verstärken. Das vorliegende Wunder hebt die Bedeutung der Märtyrerin als Schutzmacht stark hervor. Damit steht es in ausgeprägter Nähe zu anderen Wundern in der Sammlung (vgl. u.a. MirThecl 5f., 26f.). In MirThecl 22 ist dabei ebenfalls von einem Diebstahl im Thekla-Heiligtum die Rede, der von der Heiligen selber geahndet wird. Hervorgehoben wird bereits in diesem Wunder, dass Theklas Augen nichts entgeht. Die Betonung der besonderen Aufmerksamkeit der Jungfrau für ihr Heiligtum zieht sich durch die gesamten Wunderberichte hindurch (vgl. Johnson 2006, 122). Der hellenistischen Paradoxographie (a.a.O., 174) entsprechend ist auch dieses Wunder durch phantasievolle und supranaturalistische Teratologie geprägt (a.a.O., 197), um die besondere Macht Theklas zu illustrieren. Hier greift sie nicht in das Naturgesche562

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hen, aber dennoch kontingent in innerweltliche Ereignisse ein, indem sie wider alles Erwarten die Tempelräuber doch noch bestraft.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Wundererzählungen spielen in einer Zeit, in der Isaurien durch zahlreiche Aufbrüche und Unruhen geprägt war (vgl. Shaw 1990, 242-251; Feld 2005, 138-173). Die neuere Forschung setzt die Niederschrift der Berichte auf die Zeit zwischen 444 und 448 n.  Chr. an. Mehrere Wunder stammen allerdings aus früherer Zeit, das älteste ist wohl in das Jahr 353 n. Chr. zu datieren (Davis 2001, 41; Feld 2005, 45 datiert zwischen 430 und 470). Im 4. Jh. waren plündernde Truppen im Umfeld des Thekla-Heiligtums keine Seltenheit. Ammianus Marcellinus berichtet von mehreren Aufständen isaurischer Banditen in den Jahren 354, 359 und 368 n. Chr., die dabei auch unmittelbar vor die Tore von Seleukeia kamen (Amm. 14,2; 19,13; 27,9,6f.). Auch das Heiligtum der Thekla dürfte in der Folge solcher Raubzüge, die sich auch zwischen den Jahren 397 und 408 n. Chr. beobachten lassen (vgl. die Übersicht Feld 2005, 352), zahlreichen Gefährdungen ausgesetzt gewesen sein. Bereits dem Pilgerbericht der Egeria kann man entnehmen, dass das Pilgerzentrum zwei Kilometer vor den Toren Seleukeias (vgl. zum Pilgerzentrum u.a. Feld 2005, 26f.) angemessen geschützt wurde. Egeria beschreibt das Heiligtum relativ detailliert: Es gibt dort sehr viele Einsiedeleien auf dem Hügel selbst und in der Mitte eine große Mauer (murus ingens), die eine Kirche einschließt, in der sich das Martyrium befindet. Das Martyrium ist sehr schön. Die Mauer zum Schutz der Kirche wurde angelegt wegen der Isaurier – denn sie sind sehr schlecht (mali) und begehen oft Diebstähle (frequenter latrunculantur) – damit sie nicht versuchen, irgendetwas gegen die Klostersiedlung, die dort dazugehört, zu unternehmen (Peregr. Eger. 23,4; Übers. Röwekamp).

Der Bau einer Mauer zum Schutz vor Diebstahl bzw. der Klostergemeinschaft ist damit bereits im ausgehenden 4. Jh. belegt. Dem Wunderbericht dürften somit reale Bedrohungen des Heiligtums zugrunde gelegen haben (vgl. Feld 2005, 158f.). Im Bericht der Egeria ist davon die Rede, dass das eigentliche Martyrium der Pilgeranlage sehr schön gewesen sei. Es ist somit davon auszugehen, dass es auch entsprechend ausgestattet war. MirThecl 28 zeugt von einem »Tempelschatz« am Pilgerheiligtum der Thekla. Es ist nicht nur von heiligen Schätzen die Rede (MirThecl 28,6), sondern auch von reichem Goldschmuck und Reichtum im Heiligtum (MirThecl 28,5). Dabei wird auch erwähnt, dass heiliger Schmuck aufgehängt gewesen sei (MirThecl 28,8.12), wahrscheinlich an Bildern der Heiligen. Wenn sich auch die Art der Anbringung aus dem Wunderbericht nicht mehr genau ermitteln lässt, so ist wahrscheinlich an eine Art Tamata, d.h. Votivgaben, zu denken, wie sie noch heute an Ikonen im ostkirchlichen Raum befestigt werden. Es ist in jedem Fall festzuhalten, dass die Plünderung des Heiligtums nicht nur als ein Sieg über die Heilige, sondern auch als ein Akt enormer Bereicherung interpretiert werden konnte (vgl. MirThecl 28,7). 563

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Die Wundererzählungen in Leben und Wunder der Heiligen Thekla

Die Heimat der frevlerischen Diebe wird in der Erzählung Laistrygonia genannt. Diese Herkunfts-Bezeichnung ist allerdings topisch. So finden sich bereits in der Odyssee Homers Hinweise auf die Laistrygonen als ein märchenhaftes, räuberisches Volk (Od. 10,80-132). Ein Land im Osten von Isaurien mit Namen Laistrygonia ist jedenfalls in der Spätantike nicht lokalisierbar. Wahrscheinlich handelte es sich bei den topisch so beheimateten Banditen vielmehr um Isaurier aus dem an die Küstenebene angrenzenden Hochland. Diese waren anscheinend militärisch so stark, dass sie sich sogar wie Tyrannen gebärden konnten (MirThecl 28,5; vgl. Shaw 1990, 246). Sie hingen in der Spätantike z.T. noch ihrer heidnischen Religion an (Feld 2005, 46). In der Forschung ist ihr Widerstand gegen Rom häufig mit ihrer Religiosität in Verbindung gebracht worden. Wenn auch eindeutige Urteile über die religiöse Dimension der Konflikte nicht zu fällen sind, da Teile der Isaurier bereits erfolgreich christianisiert waren (vgl. Feld 2005, 46f.), legt sich in der vorliegenden Erzählung dennoch eine solche Dimension nahe. Die als Laistrygonen charakterisierten »Nachbarn« werden schließlich in dem Bericht als Frevler (ἁλιτήριοι halitērioi) bezeichnet. Neben den ökonomischen Interessen dürften bei der Plünderung daher gerade nach MirThecl 28 auch kultische Interessen von Bedeutung gewesen sein (gegen Feld 2005, 47), die allerdings nicht bei allen Isauriern der Zeit zu vermuten sind. MirThecl 28 berichtet von einer Art Militärschutz des Heiligtums (vgl. MirThecl 13). Dieser wurde wohl durch die Militäreinheit ausgeübt, die in der benachbarten Provinzhauptstadt Seleukeia stationiert gewesen ist. In Isaurien lagen zeitweise bis zu drei Legionen, die sich allerdings nicht nur in Seleukeia aufhielten (so Shaw 1990, 241), sondern wahrscheinlich auf küsten- und straßennahe Orte verteilt waren. Die Legionen hatten sich auch mit den isaurischen Banditen auseinanderzusetzen, die die Küstenregionen bedrohten (vgl. Feld 2005, 93). Der Militärschutz kam nicht nur dem Heiligtum, sondern auch den Pilgern zugute. Dabei gehen die Wunderberichte allerdings immer davon aus, dass der militärische Schutz nichts anderes als eine Art Erweiterung der schützenden Rolle der Heiligen selber ist (vgl. Davis 2001, 69).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Bereits in Epidauros wurden Strafwunder berichtet, um die im Tempelbezirk geltenden Normen durchsetzen zu helfen (vgl. Theißen 1998, 117). Diese Strafwunder betreffen allerdings nicht Tempelraub, sondern allenfalls die Unterschlagung einzelner für Asklepios bestimmter Dankesgaben, und enden nicht tödlich. Oft wird die Strafe auch zurückgenommen. Ein Vergehen wie Tempel- oder Kirchenraub tangierte nach antiker Vorstellung die heilige Macht und zog somit Unheilvolles nach sich. Dass Antiochus III. beim Versuch, sich den Schatz des Bel-Tempels in der südwestiranischen Landschaft Elymais anzueignen, von Einheimischen erschlagen wurde, galt als Strafe der Götter (Diod. Sic. 29,5,131). Die jüdische Heliodorlegende berichtet davon, dass 564

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Tod nach Tempelraub MirThecl 28

Gott den seleukidischen Kanzler Heliodor bei dem Versuch, sich auf Befehl von Seleukos IV. den Jerusalemer Tempelschatz anzueignen, mit Blindheit strafte und so am Tempelfrevel hinderte (2 Makk 3,1-40). Antiochus IV. soll nach Darstellung des Polybius zur Strafe für die Plünderung des Artemistempels in Elymais tödlich erkrankt sein (Polyb. Hist. 31,9) und laut Josephus auf dem Sterbebett sein Leiden zudem als Strafe für die Schändung des Jerusalemer Tempels gedeutet haben (Flav. Jos. Ant. 12,354-359). Im römischen Recht konnte Tempelraub als sacrilegium mit der Hinrichtung geahndet werden. Die Rechtssammlung Ulpians plädiert für die Todesstrafe, wenn Diebe nachts in das Heiligtum eingedrungen sind und der Gottheit geweihte Geschenke geraubt haben. Bei kleineren Diebstählen, die tagsüber erfolgten, wird dagegen Deportation oder Zwangsarbeit als hinreichende Strafe für die Missetäter angesehen (Ulp. dig. 48,13,7; vgl. Frateantonio 2008, 71-73). Das Handeln Theklas, mit dem schwerer Tempelraub geahndet wird, widerspricht demnach nicht dem römischen Rechtsempfinden, sondern kommt ihm geradezu entgegen. Besonders beachtenswert ist in dieser Erzählung auch die Tatsache, dass Thekla als weibliche Patronin einen spielerischen Feldzug gegen die das Heiligtum plündernden Laistrygonen, die sogar mit Despoten gleichgesetzt werden (MirThecl 28,5), führt. Sie setzt dabei ihr ergebene Soldaten gleichsam als Feldherrin gegen die Diebe ein. Dieser Aspekt ist im Blick auf die Gender-Perspektive bemerkenswert, die bei der Analyse der Thekla-Wunder auch an dieser Stelle noch deutlicher hervorgehoben werden kann, als bisher geschehen. Während über Gender-Aspekte in den Thekla-Akten nämlich selbst in ostkirchlich-orthodoxem Umfeld zumindest diskutiert wird (vgl. Dunn 2010), fehlen entsprechende Hinweise im Blick auf die Wunderberichte weitgehend. Die stark beschützenden Züge der weiblichen Heiligen können religionsgeschichtlich erklärt werden. Karl Feld vermutet wohl zu Recht, dass Thekla Züge der vormaligen Schutzgöttin Seleukeias trug: Wie einst Athena stand nun die Märtyrerin nicht nur ihrem Heiligtum, sondern auch der Stadt selber bei. Dadurch erschien nach den Miracula die Stadt wehrhafter als andere in der Umgebung (vgl. Feld 2005, 45). Gregor von Nazianz hat Thekla bereits mit Athena verglichen und ihr Heiligtum sogar als »Parthenon« bezeichnet (vgl. Greg. Naz. carm. 1,547). Johnson vermutet in der Erzählung vor dem Hintergrund der politischen und sozialen Wirren, denen Isaurien vom 4.-6. Jh. ausgesetzt war, auch einen prophetisch-apokalyptischen Hintergrund (Johnson 2006, 135). Darauf würde u.a. die Bezeichnung der Gruppe um den Autor als Schützlinge respektive Kinder verweisen (vgl. MirThecl 28,14).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erzählung hat zwei Intentionen. Einerseits dient sie als bestrafendes Normwunder dazu, das Heiligtum zu schützen. Durch die Verbreitung von Wunderberichten wird die Heilige als Beschützerin von Heiligtum und Stadt stilisiert, deren Rache 565

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man sich nicht aussetzen sollte. Somit dient die Geschichte als Warnung für potentielle Tempelräuber. Anderseits soll den Lesern selber, die durch eine Art Gebet in den Wunderbericht eingebunden werden, Hoffnung im Blick auf die eigene bedrohte Gegenwart gegeben werden (vgl. Johnson 2006, 135). Der auffällige Einschub des Gebetes, aber auch die Betonung der Rachsucht der Heiligen bei Verstoß gegen ihre Regeln und der Fürsorge für die Frommen unterstreichen diese Intention des Berichtes. Thekla wird dabei als Nachfolgerin Christi charakterisiert, da auch durch ihn »viele Werke der Menschenliebe und Zeichen des Zornes gegen die Menschen einst geschehen sind und auch jetzt noch nachweislich geschehen« (MirThecl 28,21). Auch mit Christi Beistand rechnet der Verfasser und macht dementsprechend seinen Lesern in einer Situation der Bedrohung Mut. Der Bericht bestätigt also in erster Linie Theklas übernatürliche, von Gott her abgeleitete Macht (vgl. MirThecl 28,17), die Hoffnung auslöst. Diese macht sich eben gerade auch an der Fähigkeit Theklas fest, ihr Heiligtum gegen alle möglichen Gefahren zu schützen (vgl. Davis 2001, 73).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Ähnliche Strafwunder unter Einsatz von Soldaten wie in MirThecl 28 finden sich auch in späteren Wunderberichten häufig, so. z.B. in der Vita von Theodor von Sykeon 34 und in den Wundern des Heiligen Demetrios 1,13 (PG 116,111). Der Herausgeber Dragron bezeichnet das vorliegende daher als ein »miracle très habituel« (Dagron 1978, 363 Anm. 7). Strafwunder sind auch in der späteren mittel-byzantinischen Literatur zu finden (Pratsch 2005, 266-269). In seinem Überblick verweist Pratsch allerdings nicht auf Strafaktionen bei Heiligtumsschändungen. Andreas Müller

Literatur zum Weiterlesen S. J. Davis, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity, Oxford Early Christian Studies, Oxford 2001. D. J. Dunn, ›Her That Is No Bride‹. St Thecla and the Relationship Between Sex, Gender, and Office, SVTQ 53 (2010), 37-68. K. Feld, Barbarische Bürger. Die Isaurier und das Römische Reich, Millenium-Studien 8, Berlin/New York 2005. S. F. Johnson, The Life and Miracles of Thekla. A Literary Study, Hellenic Studies 13, Cambridge/London 2006. B. D. Shaw, Bandit Highland and Lowland Peace. The Mountains of Isauria-Cilicia, JESHO 33 (1990), 199-233.237-270.

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Hinführung zu den Wundererzählungen in den Petrusakten Text und Textentstehung Der genaue Umfang der Petrusakten ist umstritten. Die früheste Erwähnung des Textes der Petrusakten (Πράξεις Πέτρου Praxeis Petrou) findet sich bei Euseb (h.e. 3,3,2) in einer Zusammenstellung von Schriften über den Apostel, die als unkanonisch abgelehnt werden (vgl. Schneemelcher 1997b, 244-250; Klauck 2005, 94). Im Allgemeinen werden verschiedene eigenständig überlieferte Texte und Textfragmente zu den Petrusakten gerechnet: (1) Der Großteil der Petrusakten ist in lateinischer Übersetzung in den sog. Actus Vercellenses (ActVerc) überliefert, einer in der Kapitelsbibliothek in Vercelli (Italien) aufbewahrten Handschrift aus dem 6./7.  Jh. Diese berichtet von der Abreise des Paulus aus Rom, dem daraufhin erfolgten Abfall der Gemeindeglieder vom Glauben durch den Einfluss des Simon Magus sowie von der Restitution der Gemeinde und dem Konflikt zwischen Simon und Petrus und endet mit dem Martyrium des Petrus (vgl. Hilhorst 1998, 148-160). Der Text der Actus Vercellenses wurde mit den (nicht erhaltenen) ursprünglich griechisch verfassten Petrusakten identifiziert, scheint in diesem Fall jedoch nur etwa zwei Drittel des ursprünglich griechischen Textes wiederzugeben, dessen Umfang die Stichometrie des Nicephorus mit 2.750 Stichoi anzeigt. Die Identifizierung wird dadurch unterstützt, dass sich zu einigen Passagen der Actus Vercellenses Parallelen in der griechischen Vita des Bischofs Abercius von Hierapolis aus dem 4. Jh. finden (ActPetr 2; 7; 20f.; vgl. Klauck 2005, 94). Jedoch ist die These, dass die Actus Vercellenses den ursprünglichen griechischen Text der Petrusakten enthalten, umstritten: Poupon (1988) hält die lateinische Fassung für eine im 3. Jh. in Nordafrika entstandene interpolierte Version des ursprünglich griechischen Textes. Baldwin (2005) dagegen betrachtet den lateinischen Text als einen im späten 4. Jh. im Zusammenhang mit der Übersetzung aus dem Griechischen entstandenen eigenständigen Neuentwurf. (2) Ein weiterer Text, der zu den Petrusakten gezählt wird, ist das Martyrium des Petrus. Dieser Text war wahrscheinlich ursprünglich Teil der ActPetr, kursierte aber bald als eigenständiger Text, war insbesondere im liturgischen Kontext von Relevanz und wurde in alle altorientalischen Liturgiesprachen übersetzt (vgl. Klauck 2005, 94). Er liegt in drei griechischen Handschriften von unterschiedlichem Textumfang aus dem 9.-11. Jh. vor (eine setzt mit ActVerc 30 ein, zwei mit ActVerc 33; vgl. Schneemelcher 1997b, 250f.). (3) Zwei weitere Fragmente werden häufig zu den Petrusakten gezählt: Eine einzelne, im Papyrus Berolinensis 8502 (= BG 4) auf Koptisch überlieferte »Tat des Petrus«, deren griechische Vorlage in der Forschung häufig im verlorenen Anfangsteil der Petrusakten verortet wird. Der Text enthält eine eigenständige Wundererzählung um die Tochter des Petrus, die von Augustinus (c. Adim. 17,5) zusammen 569

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mit einer inhaltlich ähnlichen Erzählung von der Tochter eines Gärtners genannt wird, welche im Brief des Ps.-Titus enthalten ist (vgl. Klauck 2005, 118f.). In der Forschung ist umstritten, ob die beiden Erzählungen zu den Petrusakten zu rechnen sind (vgl. Schmidt 1924; dagegen Molinari 2000; vgl. zudem Schenke 2003a, 845853; zur Entwicklung des Textes der ActPetr vgl. Thomas 1999; 2003). In der Forschung werden v.a. die Actus Vercellenses, das Martyrium des Petrus und die beiden Fragmente mehrheitlich für die Rekonstruktion des Textes der ursprünglich auf Griechisch entstandenen »alten Petrusakten« herangezogen. Jedoch ist zu betonen, dass der Textumfang stark umstritten ist und auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass verschiedene Versionen der Petrusakten mit abweichendem Textumfang im Umlauf waren. Im vorliegenden Kompendium soll keine der in der Forschung vertretenen Positionen hinsichtlich des Textbestandes favorisiert werden, vielmehr werden alle Wunderepisoden der genannten Texte, die eventuell zum Textbestand der Petrusakten zu rechnen sind, behandelt. Im Allgemeinen wird die Entstehung der griechischen Petrusakten am Ende des 2. Jh. n. Chr. (Bremmer 1998b, 16-19), spätestens um 250 n. Chr. angesetzt (vgl. Schmidt 1930, 150-155; Klauck 2005, 95f.), Anhaltspunkte für die Datierung liefert v.a. ihr Verhältnis zu den Paulus- und Johannesakten (vgl. Lalleman 1998b, 161-168; Rordorf 1998, 178-191). Die Übersetzung ins Lateinische datiert wahrscheinlich in die zweite Hälfte des 4. Jh. (Bremmer 1998b, 19). Der Entstehungsort der Petrusakten ist umstritten, am wahrscheinlichsten ist Kleinasien, Syrien oder Rom anzunehmen (vgl. Bremmer 1998b, 14-16). Auch die Schriften des Clemens von Alexandria, Hippolyt, Origenes, Commodian, die Didaskalia u.a. zeugen von der Kenntnis mündlicher, eventuell auch schriftlicher Traditionen über den Apostel Petrus, doch ist häufig nicht eindeutig, worauf sich die antiken Autoren beziehen, da es neben den genannten Texten noch weitere apokryphe Petrustraditionen gab, z.B. die Taten des Petrus und der zwölf Apostel (NHC VI,1; vgl. Schenke 2003b, 443-453), das Kerygma Petri (vgl. Klauck 2005, 121f.), die Petrusapokalypse (NHC VII,3; vgl. Havelaar 2003, 591-600) oder auch die Pseudoklementinen. Diese Schriften finden im Rahmen des Kompendiums jedoch keine Berücksichtigung.

Tradition, Legende, Fiktion – kanonische vs. apokryphe Petruswunder Bereits in den kanonischen Evangelien wird die Wundertätigkeit der Jünger vorausgesetzt (Mk 3,14f. parr.; 6,7 parr.; Mk 6,12f. parr.; Mk 9,18.28f. parr.), doch werden die Jünger primär als Zeugen der Wunder Jesu präsentiert. In den Wundererzählungen, die Jesus als Wundertäter zeichnen, kommt Petrus wiederholt eine besondere Stellung zu: zum Ersten, wenn die Wunderhandlung ihn unmittelbar betrifft, z.B. als es sich bei der Geheilten um seine Schwiegermutter handelt (Mk 1,30f. parr.) oder als bei der Gefangennahme Jesu das von Petrus dem Knecht des Hohepriesters abgeschlagene Ohr geheilt wird (Joh 18,10f.; Lk 22,50f.). Zum Zweiten, wenn er mit 570

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Hinführung

Jakobus und Johannes aus der übrigen Jüngergruppe ausgesondert wird, um der Auferweckung der Tochter des Jairus beizuwohnen (Mk 5,37 parr.). Zum Dritten wird im Matthäus- und im Lukasevangelium von drei Wundern berichtet, in denen Petrus – neben dem eigentlichen Wundertäter Jesus – eine zentrale Rolle spielt: der Versuch des Petrus, über das Wasser zu gehen (Mt 14,28-31), sein wunderbares Auffinden einer Doppeldrachme in einem Fisch (Mt 17,24-27) sowie der wunderbare Fischzug (Lk 5,1-11). Die kanonische Apostelgeschichte überliefert einige Erzählungen, die Petrus als eigenständigen Wundertäter darstellen (vgl. dazu Kollmann, Hinführung zur Apg in diesem Band): die Heilung eines gelähmten Bettlers im Jerusalemer Tempel (Apg 3,1-10), der Straftod des Hananias und der Sapphira (Apg 5,1-11), die Heilung des lahmen Äneas in Lydda (Apg 9,32-35), die Auferweckung der Tabitha in Joppe (Apg 9,36-43) und die wunderbare Befreiung aus dem Gefängnis (Apg 12,1-11). Das Summarium in Apg 5,12-16, das von den durch die Apostel gewirkten Zeichen und Wundern spricht, verweist auf die besondere Bedeutung des Petrus, denn schon der Schatten des Apostels galt als heilmächtig (Apg 5,15). Die Petrus in der Apg im Rahmen seiner missionierenden Tätigkeit zugeschriebenen Wunder charakterisieren ihn als Wundertäter, doch wird seine Macht explizit auf die Macht Gottes zurückgeführt, z.B. wenn er im Namen Jesu heilt (Apg 3,6; 9,34), durch Gebet auferweckt (Apg 9,40) oder wenn Gott durch wunderhafte Ereignisse in die Handlung um Petrus eingreift (Apg 5,5.10; 12,7-11). Die Petrusakten lassen Referenzen auf die biblischen Texte und Traditionen erkennen: In ActPetr 7 und 10 weist der Apostel im Rahmen der Figurenrede z.B. auf die Erzählung vom Seewandel hin (Mt 14,28-31). Insbesondere in Bezug auf die Kontroverse mit Simon Magus sind einige Parallelen zwischen der Erzählung der ActPetr und dem Bericht der Apg zu erkennen, wobei als christlicher Kontrahent des Magiers in ActPetr der Apostel Petrus präsentiert wird, nicht Philippus wie in der Darstellung der Apg (Apg 8,9-24; vgl. Stoops 1997, 65-71; Thomas 1997, 195198; zur Apg vgl. Marguerat 2003a, 115-123): »Thus Simon is introduced in Acts of Peter 4 as a miracle worker who claims to be the ›great power of God,‹ the very title attributed to Simon by the Samaritans according to Acts 8:10« (Matthews 1997, 210). Matthews weist darauf hin, dass neben dem Titel (vgl. auch ActPetr 10; 31f.) weitere, bereits in der Apg angeklungene Aspekte aufnimmt und ausbaut, z.B. das Interesse großer Menschenmassen (Apg 8,10f./ActPetr 4; 6; 12), die Ausübung von magischen Praktiken (Apg 8,9.11/ActPetr 5f.; 17; 23; 28; 31; in den ActPetr auch Zeichen und Wunder in diesem Rahmen, vgl. z.B. ActPetr 12; 23; 31f.), der missbräuchliche Umgang mit Geld (Apg 8,18f./ActPetr 17; 23) und die boshaften Absichten des Simon (Apg 8,22f./ActPetr 6; 12; 17; 23) (vgl. Matthews 1997, 210). Jedoch kann man trotz dieser Überschneidungen »nicht von Parallelerzählung und auch nicht von Fortsetzung sprechen, sondern kann die APt eher als eine Ergänzung der Apg im Blick auf die Person des Petrus bezeichnen« (Schneemelcher 1997b, 254). Die ActPetr sind als eigenständige literarische Komposition zu lesen, die mehrfach überarbeitet wurde (vgl. dazu Thomas 1997). Dabei gilt jedoch: »it is 571

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quite feasible to posit the operation of an ›intertextual‹ process behind the Acts of Peter that included the canonical Acts in a manner that is much more complex than any notion of direct literary dependence« (vgl. Matthews 1997, 211).

Formen und Pragmatik der Wundererzählungen in ActPetr Die Petrusakten berichten von unterschiedlichen Wundern, von Heilungen, Exorzismen und Totenerweckungen, sie bieten Naturwunder, Wunder an Objekten und sprechende Tiere, Strafwunder und Summarien. Im Zusammenhang mit den Wundertaten wird zudem von Epiphanien, Metamorphosen und wundersamem Vorherwissen erzählt (vgl. dazu Lapham 2003, 55). Die ActPetr erwähnen verschiedene Krankenheilungen, z.B. die Blindenheilungen im Haus des Marcellus (ActPetr 20f.): Petrus trifft auf eine Witwe, der er durch Wort und Handauflegung das Augenlicht zurückgibt (ActPetr 20), woraufhin ihn eine Gruppe blinder Witwen um ebensolche Heilung bittet. Der Apostel verweigert sich diesem Wunsch zunächst und verweist auf die größere Bedeutung des Sehens mit den inneren Augen, das die Erkenntnis Christi ermöglicht. Doch als die Witwen ihren Glauben bezeugen, heilt Petrus sie durch ein Gebet (ActPetr 21). Das Wunder erfolgt durch einen Blitz, den zunächst nur die im Raum anwesenden Sehenden erfassen, während die Blinden eine Epiphanie erleben: Jesus erscheint ihnen in je unterschiedlicher Gestalt und heilt ihre Augen durch Berührung (ActPetr 21). Beide Heilungsepisoden sind eingebunden in die Predigt des Apostels hinsichtlich der Bedeutung geistlicher Erkenntnis und des Sehens mit den inneren Augen. Die Wundertaten stehen nicht im Zentrum der Erzählung, sondern dienen der Bestärkung der Lehre. Dieser Aspekt spielt auch in der Erzählung um die Tochter des Petrus (Kopt. Pap. Berlin 8502, S. 128-132 und 135-141), die an einer halbseitigen Lähmung leidet, eine zentrale Rolle. Sie wird auf Wunsch der Umstehenden von Petrus in einem Schauwunder geheilt und fällt danach wieder in ihre Krankheit zurück, die ihr als Schutz vor sexuellen Übergriffen und zum Erhalt ihrer Keuschheit »dient«. Der Akzent liegt auch hier nicht auf der Heilung als Veränderung eines negativen in einen positiven (körperlichen) Zustand, sondern vielmehr auf dem Aufweis der Macht Gottes, die sich in der Wundermacht des Apostels zeigt, seine Lehre und missionierende Predigt beglaubigt und die Anwesenden zum Glauben führen oder im Glauben bestärken soll. Im Kontext der Erzählung um Marcellus, der durch Simon vom Glauben abgekommen war und aufgrund der Wunder des Petrus erneut umkehrt, berichtet ActPetr 11 von einem Exorzismus. In der Menge der Umstehenden, die der Umkehr des Marcellus beiwohnen, erkennt Petrus in einem jungen Mann einen Dämon und befiehlt ihm auszufahren. Der Besessene stürmt in die Vorhalle des Hauses, prophezeit die bevorstehenden Ereignisse im Haus des Simon und die Predigt des Hundes und fährt aus; dies wird dadurch demonstriert, dass der ausfahrende Dämon eine marmorne Kaiserstatue umwirft und zertrümmert. Marcellus reagiert entsetzt: »Als Marcellus das sah, schlug er sich an die Stirn und sprach zu Petrus: ›Ein großes Ver572

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brechen ist geschehen; wenn nämlich das der Kaiser durch einen der Spitzel erfährt, wird er uns schwer bestrafen‹« (Zitate hier und im Folgenden nach Übers. Schneemelcher 1997b). Petrus wertet dies als ein Zeichen dafür, dass Marcellus – der zuvor behauptet hatte, sein ganzes Vermögen für die Errettung seiner Seele hergeben zu wollen – noch nicht vollständig auf Gott vertraut und Angst um sein Leben hat. Der Apostel erlegt ihm daher die Aufgabe auf, seine Glaubensstärke zu erweisen, indem er selbst ein Wunder vollbringt: Marcellus soll die Bruchstücke der Statue durch Besprengung mit Wasser wieder zusammenfügen. Er vollbringt das Wunder mit Hilfe eines Gebets. Das Wunder dient nicht nur dem Erweis der Macht Gottes, sondern auch dem Aufweis der Glaubensstärke des Wundertäters, dem es nur möglich ist, ein Wunder zu vollbringen, wenn er stark genug daran glaubt, dass Gott das Wunder zu vollbringen vermag – selbst das Unmögliche (ActPetr 11). Wiederum steht nicht das Wunder an sich im Fokus, sondern der Aufweis der Glaubensstärke des Wundertäters. Ein zweiter »Exorzismus« fungiert als Metapher für den Sieg des Petrus über Simon und beschreibt den Wettkampf der beiden Kontrahenten im Bild der Enthauptung eines Dämons (ActPetr 22). Marcellus berichtet von einem Traumbild: »ein sehr häßliches Weib, ihrem Aussehen nach eine Äthiopierin, keine Ägypterin, sondern eine ganz schwarze, in schmutzige Lumpen gehüllte (Person), (sah ich) tanzen, eine eiserne Kette um den Hals und Ketten an den Händen und Füßen«. Mit dem »wahren Schwert«, Jesus Christus, wird dieser Dämon zur Strecke gebracht. Marcellus deutet den Traum als Beschreibung des nahenden Sieges des Petrus über Simon bzw. der göttlichen Kraft in Petrus über die dämonische Macht in Simon, denn »alle Kraft Simons und seines Gottes ist die, die da tanzt« (ActPetr 22). Auch ein Strafwunder dient der Bestärkung im rechten Glauben und der rechten Lehre: Während einer Eucharistiefeier, an der Rufina teilnehmen möchte, erkennt Paulus durch den Heiligen Geist, dass »du dich von der Seite nicht eines Ehemannes, sondern eines Ehebrechers erhoben hast« (ActPetr 2). Für dieses Vergehen wird Rufina damit bestraft, halbseitig gelähmt und stumm zu verbleiben. Dies führt die Umstehenden zur Erkenntnis ihrer Sünden und endet in einer Predigt des Paulus, der die Menschen zu »Frieden, Gleichmut, Milde, Glaube, Liebe, Erkenntnis, Weisheit, Bruderliebe, Gastfreundschaft, Barmherzigkeit, Enthaltsamkeit, Keuschheit, Güte [und] Gerechtigkeit« ermutigt (ActPetr 2). Das Strafwunder bietet ein negatives Beispiel eines Tun-Ergehen-Zusammenhangs und dient, in Verbindung mit einer expliziten Warnung vor dem »verzehrenden Feuer« und der »äußeren Finsternis« »in alle Ewigkeit«, der ethischen Ermahnung. Es ist die Befreiung von ethischem Fehlverhalten und bereits begangenen Sünden, d.h. die seelische Heilung, die als erstrebenswert betrachtet wird, nicht die körperliche Heilung der bestraften Sünderin. Denn Paulus kündigt ihr lediglich die Vergebung ihrer Sünden an, wenn sie ihr Tun bereut, von einer darauffolgenden Heilung wird nicht berichtet. Die Kontroverse mit Simon Magus gilt als »wesentliches Motiv« der ActPetr (Schneemelcher 1997b, 253), und die damit verbundenen Wundererzählungen nehmen einen breiten Raum ein. Simon selbst bezeichnet sich als »Kraft Gottes« (ActPetr 4), die Menge hält ihn für »Christus selbst«, für »Gott« und »Heiland« (ActPetr 573

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4), die Erzählung stellt ihn in einen engen Zusammenhang mit dem Teufel (ActPetr 4), die Stimme Gottes nennt ihn einen »Zauberer« (ActPetr 5), und Petrus erkennt ihn als »Feind und Gegner des Herrn« (ActPetr 5). Um die Macht Gottes zu demonstrieren und um aufzuzeigen, »dass dieser [Simon] ein Verführer und Verfolger des Guten sei« (ActPetr 7), sowie um die Gläubigen zu stärken, vollbringt Petrus eine Reihe von Wundern: Bereits auf der Anreise flacht der Wind, der das Schiff des Petrus nach Rom führt, sechs Tage und Nächte lang nicht ab (ActPetr 5), die ersten Annäherungen an den Gegner sind von Wundern begleitet, der Wachhund des Marcellus spricht und predigt (ActPetr 9; 12), ein toter Fisch wird lebendig (ActPetr 13) und ein Säugling spricht (ActPetr 15). Im Gegenüber zu dem sprechenden Hund und dem sprechenden Säugling wird auch die plötzliche Sprachlosigkeit des Simon Magus als Wunder präsentiert (vgl. Bremmer 1998b, 12). Alle diese – im weitesten Sinne als Naturwunder zu bezeichnenden – Begebenheiten dienen als Schauwunder der Unterstützung der apostolischen Predigt und Lehre. Die antike Literatur bietet reichlich Material zu Hunden und Fischen (vgl. Spittler 2008, 141-145. 150-154), das unter Einbindung christlicher Motive in den Tierwundern der Apostelakten rezipiert wurde. In ActPetr 9 sucht Petrus den Simon im Haus des Marcellus auf. Als dieser sich durch den menschlichen Türhüter, der Petrus nicht erkennt, verleugnen lässt, nimmt Petrus kurzerhand den Wachhund des Marcellus von seiner Kette, der daraufhin eine menschliche Stimme annimmt und den Apostel als Diener Gottes bekennt. Diese Gegenüberstellung der menschlichen und tierischen Wache (vgl. Spittler 2008, 143) rekurriert auf das Motiv, dass Tiere eine »innate ability […] to perceive the divine« besitzen und daher die ActPetr auch keinen Zweifel »in the participation of animals in the power of the gospel as it advances throughout the world« lassen (Matthews 1999, 231). Petrus sendet den Hund ins Haus, um Simon zu holen. Als dieser sich wiederum verleugnen lässt, macht ihm der Hund Vorhaltungen und prophezeit ihm die Verdammnis (ActPetr 12). Der Hund kehrt zu Petrus zurück und bevor er sich zum Sterben niederlegt, prophezeit er dem Apostel den siegreichen Kampf gegen Simon und seinen Tod. Das Wunder des sprechenden Hundes bewirkt die erneute Umkehr des Marcellus, der sich aufgrund dessen beeindruckender Wunder zeitweilig dem Simon angeschlossen hatte (ActPetr 10), dann auch die Umkehr der versammelten Menge (ActPetr 12). Spittler liest die Erzählfigur des Wachhundes als eine urbanisierte Metapher des guten Hirten, der die Herde (der Gläubigen) zusammenhält (vgl. Spittler 2008, 145). Der Tod des Hundes ist m.E. zudem in Analogie zum Tod des sprechenden Esels in ActThom 40f. zu sehen: Auch dort stirbt ein sprechendes Tier nach Ausführung seines Auftrags, da er den ihm zugedachten Dienst und somit seine Lebensaufgabe erfüllt hat (vgl. dazu Luther 2014b, 570f.). Als zweites Tierwunder wird in ActPetr 13 von der Wiederbelebung eines Fisches berichtet: The Christian themes alluded to in this episode are clear: the resurrection of the dead is represented in the resurrection of the fish; Peter’s first career as fisherman and second life as a ›fisher of men‹ are referenced; the bath of baptism has its counterpart in the

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Hinführung

revivifying plunge taken by the sarda; and the use of the fish as a symbol of both Christ and Christians is surely at play (Spittler 2008, 149).

Dieses Schauwunder wird dadurch gesteigert, dass es sich nicht lediglich um ein totes Tier handelt, sondern um einen Fisch, der bereits getrocknet und gesalzen wurde – »It simply doesn’t get any deader than that« (Spittler 2008, 149) – und der dann lebendig wird, umherschwimmt und das ihm angebotene Brot frisst (vgl. Spittler 2008, 149 zum Vergleich mit Lk 24,41-43). In beiden Tierwundern kündigt Petrus jeweils zuerst ein Wunder an bzw. geht auf die Zeichenforderung der Menge ein, dann sieht er (respiciens) die Tiere und »benutzt« diese für seine Wunder: »The narrator presents Peter as working with what is at hand – he improvises. And as in any good improvisational performance, seemingly random or haphazard material becomes precisely what is needed at the moment« (Spittler 2008, 154). Die Kontroverse mit Simon Magus stellt den zentralen Konflikt der ActPetr dar und umfasst ActPetr 8-32, doch erst in ActPetr 23-29 kommt es zum Kampf auf dem Forum, der als Glaubenskampf (agonem fidei, ActPetr 16) bezeichnet wird: Der Präfekt Agrippa fordert die beiden Wundertäter dazu auf, ihre Kunst durch die Auferweckung von Toten unter Beweis zu stellen. Simon soll einen Menschen töten, Petrus ihn wieder zum Leben erwecken. Doch bevor Petrus die Auferweckung vornehmen kann, lässt eine Frau ihren verstorbenen Sohn auf das Forum bringen und bittet Petrus um dessen Auferweckung (ActPetr 25). Agrippa, der in dieser Situation auf die noch ausstehende Auferweckung des von Simon Getöteten hinweist, wird von Petrus delegiert, den Toten selbst durch die Berührung seiner Hand »durch meine Stimme mit deiner Kraft« zu erwecken (ActPetr 26). Petrus erweckt danach den Sohn der Witwe durch ein Gebet und die Worte »steh auf und wandle!« zu neuem Leben (ActPetr 27); doch da tritt die Mutter eines soeben verstorbenen Senators auf den Plan und bittet um dessen Auferweckung. Petrus überlässt diese Aufgabe zunächst Simon, als dieser durch Zauberei aber nur eine scheinbare Wiederbelebung des jungen Mannes zu vollbringen vermag, erweckt Petrus den Nikostratos zum Leben, indem er dessen Seite berührt und ihm zuruft »steh auf!«. Durch diese Wunder kommen nicht nur die Zuschauer zum Glauben oder werden im Glauben gestärkt, sondern auch Petrus selbst wird »noch mehr im Herzen befestigt durch den Beistand des Herrn« (ActPetr 28; vgl. dazu Thomas 1998). Zudem bieten die ActPetr auch eine Reihe von Summarien (z.B. ActPetr 29; 31), die nicht nur die umfängliche Heilungstätigkeit des Apostels bestätigen, sondern auch den mit seiner Wundertätigkeit einhergehenden missionarischen Erfolg: Sie brachten aber auch die Leidenden am Sabbat zu ihm und baten, sie möchten von ihren Krankheiten geheilt werden. Und es wurden viele Gelähmte und von Gicht Geplagte und solche, die halbdrei- und viertägiges (?) Fieber hatten, geheilt, und von aller körperlichen Krankheit wurden geheilt, die an den Namen Jesu Christi glaubten, und viele wurden an jedem Tage zu der Gnade des Herrn hinzugetan (ActPetr 31).

Die Wunder sind nicht leicht als einzelne Wundererzählungen aus dem Kontext herauszulösen, sie treten mehrfach gehäuft auf und sind z.T. ineinander verflochten; 575

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so wird z.B. von zwei miteinander verknüpften Blindenheilungen erzählt, von drei Totenauferweckungen auf dem Forum und von zwei Agonen zwischen Simon und Petrus. In Anlehnung an die Definition der Gattung »Wundererzählung« (wie in Bd. 1 des Kompendiums vorgelegt, vgl. Zimmermann 2013a), lassen sich die Wundererzählungen der ActPetr (im Gegenüber zur Magie des Simon Petrus) wie folgt beschreiben: Es handelt sich um narrative Texte, die den Anspruch erkennen lassen, als faktuale Erzählungen wahrgenommen zu werden (1), die eine »sinnlich wahrnehmbare, aber zunächst unerklärliche Veränderung« auslösen (3) und die explizit »auf das Einwirken göttlicher Kraft zurückgeführt« werden (4). In Hinsicht auf den Wundertäter (2) in den ActPetr ist eine Spezifizierung notwendig; denn zwar ist der Apostel, ein Jesusanhänger, als Wundertäter handelnd tätig, doch ist er durchwegs als Mittler der Wundermacht Gottes gekennzeichnet. Durch ihn wirkt die Macht Gottes, ohne die er nichts ausrichten könnte, denn »(d)espite all the thaumaturgic power that is invested in him, the apostle always depends on his Master, who – in the final analysis – is the real author of the miracle« (Bovon 2003, 260). In ActPetr 27 erwirkt Petrus die Auferweckung z.B. durch ein Gebet, durch die Anrufung seines Herrn; die Erzählung spricht davon, dass die Umstehenden »die Kraft eines Menschen [bewunderten], der mit seinem Worte seinen Herrn anrief« – die Trennung zwischen dem menschlichen Wundertäter und der Macht Gottes ist fließend. Petrus selbst versucht, dies zu klären: richtet euer Augenmerk nicht auf mich, als ob ich durch eigene Kraft täte, was ich tue, sondern (es geschieht durch die Kraft) meines Herrn Jesus Christus, der Richter ist über die Lebenden und die Toten. Im Glauben an diesen, von ihm gesandt, wage ich es, ihn anzurufen (ActPetr 28).

Doch letztlich »verehrten sie [die bei der Auferweckung auf dem Forum anwesende Menge] ihn [Petrus] wie einen Gott«. Der Text lässt keine Kritik an diesem Verhalten erkennen. Obgleich die wunderwirkende Kraft von Gott ausgeht, spricht der Text z.T. dem Apostel die Vollbringung des Wunders zu, ohne explizit auf den Ursprung der Wundermacht einzugehen. Zumeist wird im Kontext der einzelnen Wundererzählung jedoch auf Gebete oder die Anrufung des Herrn verwiesen, durch die ein Wunder erwirkt wird. Der Apostel ist daher weniger als θεῖος ἀνήρ (theios anēr – göttlicher Mensch) zu betrachten (Herczeg 1998, 33-35), als vielmehr in der Nähe der jüdischen Wundercharismatiker anzusiedeln. Die Wunder haben primär die Aufgabe, »zum Glauben bzw. zu einer Verhaltensänderung zu bewegen (5c)«, und zwar indem sie die durch den Apostel vermittelte Lehre bestärken, die Beteiligten und Umstehenden zum Glauben führen oder im Glauben bestärken oder zu einem bestimmten ethischen Verhalten motivieren.

Theologische Tendenzen der Wundererzählungen in ActPetr In einer nächtlichen Erscheinung vor Petrus benennt Jesus die Pragmatik der Wunder:

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Hinführung

Schon ist der größte Teil der Brüder durch dich und durch die Zeichen, die du getan hast in meinem Namen, zu mir zurückgekehrt. Du wirst aber einen Glaubenskampf haben am kommenden Sabbat, und es werden sich (noch) viel mehr von den Heiden und von den Juden in meinem Namen zu mir, dem Beschmähten, Verspotteten, Angespieenen bekehren. Denn ich will mich dir zeigen, wenn du um Zeichen und Wunder (signa et prodigia) bittest, und du wirst viele bekehren, aber du wirst Simon als Widersacher haben infolge der Werke seines Vaters (per opera patris sui). Aber all sein Tun wird als Zauberspruch und magischer Trug (carmina et magica figmenta) an den Tag kommen. Jetzt aber zögere nicht, und du wirst alle, die ich dir zuschicken werde, auf meinen Namen gründen (ActPetr 16).

Die Wunder dienen primär der Verstärkung der missionarischen Predigt des Apostels und der Umkehr zum Glauben an Gott (vgl. auch Misset-van de Weg 1998). Dabei liegt »[…] the emphasis on the miracles as capable of awakening faith. Indeed, they seem to be indispensable to making the Christian message believable« (Achtemeier 2008, 186f.). Dies zeigt sich insbesondere im Konflikt zwischen Simon und Petrus, denn der Gott des Siegers wird als der wahre Gott anerkannt werden. Der Text zeichnet dies an der Figur des Marcellus nach, der sich zunächst durch Simons mächtige Zeichen beeindrucken lässt, dann aber durch die Wunder des Apostels zum Glauben an Gott zurückfindet. Petrus hebt die Bedeutung der Kombination von Lehre und Wundern gegenüber bloßem, leerem Reden hervor: »Nicht den Worten dürfen wir Glauben schenken, sondern den Werken und Taten« (ActPetr 17; Achtemeier 2008, 188-191). Die Wunder stehen daher in direktem Zusammenhang mit den Worten des Apostels: »The word of the apostle becomes here a corrective and a vector of sense. It underlines the figurative character of the thaumaturgic gesture and gives meaning to the miraculous event; in other words, there is something beyond the tangible gesture« (Bovon 2003, 261). Demgegenüber stehen die Wundertaten des Simon Magus in der Darstellung der ActPetr nicht im Kontext seiner Lehre und haben daher keinen Bestand, denn der allein durch Wunder hervorgerufene Glaube ist ein schwacher Glaube (vgl. Bovon 2003, 256f. mit Verweis auf ActPetr 10-13, 17, 26f.). Im Zusammenhang mit dem letzten Wunder des Simon, dem Flugwunder an der Via Sacra, betont Petrus nochmals explizit die Funktion der Wunder, wenn er angesichts des erfolgreichen Fluges des Simon betet: »Wenn du diesen tun lässt, was er unternommen hat, so werden jetzt alle, die an dich [Jesus] gläubig geworden sind, angefochten werden, und es werden die Zeichen und Wunder, die du ihnen durch mich gegeben hast, unglaubwürdig sein« (ActPetr 32). Die Wunder dienen dem Aufweis des wahren Gottes und dessen Macht im Gegenüber zu Simons Zauberei und dessen teuflischer Macht. Wie auch in der kanonischen Apostelgeschichte und anderen apokryphen Apostelakten positionieren die ActPetr den Apostel als einen durch die Macht Gottes agierenden Wundertäter im Gegenüber zu seinem Konkurrenten Simon, der der Magie bezichtigt wird (vgl. dazu Kollmann, Hinführung zur Apg sowie Hoffmann zu ActPetr 4-15 in diesem Band). Daher lässt sich beobachten, dass »[a]lmost as if to disprove any charge against the apostles as sorcerers or magicians, the apocryphal acts never describe their miracles in such a way as even to hint at the use of herbs or incantations, or mag577

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ical devices« (Achtemeier 2008, 185). Petrus wird als herausragender Heiler und Wundertäter dargestellt, der mit Hilfe der Macht Gottes den paganen Magier überbietet und der diese Macht auch an andere delegieren kann, z.B. an Agrippa oder Marcellus: »The text focuses not on Peter as a miracle worker so much as on Peter, Christ’s intermediary in healing. Peter repeatedly ascribes his power to Christ, and his actions demonstrate that anyone, even a Roman prefect, can heal with Christ’s help« (Perkins 1995, 128). Diese Darstellung steht im Dienste missionarischer Bestrebungen des frühen Christentums, denn dadurch wird »the Christian community as a community of healers and the healed« akzentuiert (Perkins 1995, 129), während zugleich gilt: »those outside the community are pseudo-healers« (Perkins 1995, 128). Zugleich aber gilt: The Acts of Peter not only shows a community deeply committed to Christianity’s superior healing potential, but it displays a community with a structure ready for understanding suffering if healing should fail. Suffering, the narrative emphasized, can be profitable in itself. The narrative repeatedly makes the point that infirmity is part of God’s plan and can even be beneficial (Perkins 1995, 129).

Denn obgleich die ActPetr wiederholt betonen, dass Gott ›überall für die Seinen sorgt‹ (ActPetr 22), zeigt der Text auch auf, dass sich die menschliche Vorstellung davon, was für eine Person gut und förderlich ist, nicht immer damit in Einklang bringen lässt, was Gott für einen Menschen bestimmt (vgl. dazu Misset-van de Weg 1998; Luther 2015). Als Beispiele dafür können zwei Erzählungen angeführt werden, die sexuelle Enthaltsamkeit und Keuschheit propagieren oder die ethisches Fehlverhalten aufzeigen und durch Einsatz drastischer Mittel davor warnen. In der Erzählung von der Tochter des Petrus (Kopt. Pap. Berlin 8502, S. 128-132 und 135-141) sprechen die Umstehenden Petrus darauf an, dass er bereits diverse Heilungen bewirkt hat, sich jedoch nicht um seine verkrüppelte Tochter, die in einer Ecke des Raums liegt, kümmert. Petrus bezeichnet die Erkrankung seiner Tochter daraufhin als in Übereinstimmung mit Gottes Willen, heilt sie aber trotzdem, »damit […] die Anwesenden noch mehr glauben« (S. 129). Doch sobald die Menge der Umstehenden in dieser Wundertat die Macht Gottes erkennt, befiehlt Petrus seiner Tochter, sich wieder in die Ecke zu legen und weiterhin mit ihrer Krankheit zu leben, denn »dieses ist dir und mir nützlich« (S. 131). Der Apostel begründet dies mit der Geschichte der Erkrankung, die sich ihm so darstellt, dass der schöne, jungfräuliche Körper seiner Tochter durch das Eingreifen Gottes und der Verwandlung in einen gelähmten und verdorrten Leib, das Mädchen vor sexuellen Übergriffen schütze, ebenso wie diejenigen, die der Schönheit ihres Körpers zu verfallen drohten. Im Gegenüber dazu steht die Erzählung der Auferweckung der Tochter des Gärtners (Ps.-Titus, De dispositione sanctimonii, Z. 83ff.). Ihr Fall ist noch drastischer, denn auf ein Gebet mit der Bitte, dass Gott dem Mädchen schenken möge, was ihrer Seele nütze, bricht diese tot zusammen. Auf Wunsch ihres Vaters, der in der Erzählung als unverständig und ungläubig gezeichnet wird, wird sie wieder zum Leben erweckt und wird in der Folge darauf verführt und verschleppt. Die Erzählungen betonen, dass Krankheit, körperliches Leid und sogar der Tod nutzbringend sein können 578

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Hinführung

und jederzeit sexuellen Versuchungen und Handlungen vorzuziehen sei. Keuschheit und Enthaltsamkeit werden als zentrale ethische Normen präsentiert. Dass gerade in Kontext dieser Thematik Frauenfiguren eine zentrale Rolle spielen, scheint dem Duktus der Akten zu entsprechen, denn obgleich die ActPetr keine prominenten Frauenfiguren aufweisen wie z.B. ActJoh oder ActThecl, nehmen die Wunder der ActPetr doch häufig Frauen in den Blick: Jungfrauen, Mütter (ActPetr 29), arme Witwen (ActPetr 8; 19-21; 22; 27; 28f.) und reiche Herrinnen (Eubola, ActPetr 17; Chryse, ActPetr 30); auch der im Traumbild für Simon Magus stehende Dämon präsentiert sich in Gestalt einer Frau (ActPetr 22; vgl. Bremmer 1998b, 1-9). Wiederholt werden in Wundererzählungen Besitz und Besitzverzicht thematisiert: Die Erzählung von der Tochter des Petrus beinhaltet die Bemerkung, dass der Verehrer der Tochter ihr einen Acker vermacht habe, den Petrus für die Erkrankte verwalte. Offensichtlich hat er die Gabe angenommen, wenn auch betont wird, dass er allen Erlös den Armen gebe (S. 139; vgl. ActMarMag 2,24). Ebenso wird in der Erzählung vom wundersamen Wiederauffinden des Besitzes der Eubola (ActPetr 17) hervorgehoben, dass das von Simon gestohlene und durch Gottes Eingreifen in Form eines Traums und dessen Bewahrheitung der wohlhabenden Frau wiedergebrachte Vermögen dennoch zum Besitzverzicht führt: Nachdem sie ihr ganzen Eigentum wieder erhalten hatte, schenkte [sie] es zum Dienst an den Armen; sie glaubte an den Herrn Jesus Christus und wurde (im Glauben) gestärkt, verachtete und sagte dieser Welt ab, gab (Almosen) an Witwen und Waisen, kleidete die Armen, und nach längerer Zeit erlangte sie die ewige Ruhe (ActPetr 17).

Ähnliches berichtet der Text über Marcellus, der sein Vermögen an die Armen gibt (ActPetr 8), dies später bereut, als er, durch Simon verführt, vom Glauben abfällt und nach seiner erneuten Umkehr durch Petrus um der Errettung seiner Seele willen wiederum sein Vermögen an die Armen zu geben bereit ist (ActPetr 10.19). Weiterhin wird von der Witwe, deren Sohn Nikostratos Petrus zum Leben erweckt, erzählt, dass sie verspricht, das Geld, das für dessen Begräbnis gedacht war, an die ehemaligen Sklaven zu geben, die beim Tod des Sohnes und zu dessen Ehren freigelassen wurden; augenscheinlich handelt es sich um eine beträchtliche Summe, denn Petrus schlägt vor, dass der verbleibende Rest an die Witwen gegeben werden soll (ActPetr 28). Obgleich Petrus dieses Wunder im Kontext der Kontroverse mit Simon wiederum als Gelegenheit für die Missionspredigt nutzt, wird nicht berichtet, dass Mutter oder Sohn zum Glauben kommen. Nur implizit wird diese Verbindung hergestellt, denn die Predigt des Petrus in ActPetr 28 lehrt u.a. den Verzicht auf Begierde, direkt im Anschluss daran schenkt die Frau Petrus zweitausend Goldstücke; ihr Sohn verdoppelt diese Summe, als er selbst viertausend Goldstücke an Petrus gibt. In ActPetr 30 erhält Petrus zehntausend Goldstücke von der reichen, aber als Prostituierte in ganz Rom berühmt-berüchtigten Chryse, die die Spende aufgrund einer nächtlichen Erscheinung Jesu darbringt. Der Apostel schlägt alle moralischen Bedenken und Warnungen der Anwesenden in den Wind und nimmt das Geld an, das Chryse »als Schuldnerin Christi« den »Dienern Christi« übergibt (ActPetr 30). 579

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

In den ActPetr lassen sich unter diesem Aspekt keine explizit enkratitischen Tendenzen ausmachen, Armutsethik und Besitzverzicht werden nicht grundsätzlich propagiert; vielmehr werten die ActPetr Besitz und Reichtum positiv, sofern sie der christlichen Gemeinschaft und den Armen zur Verfügung gestellt werden. Susanne Luther

Literatur zum Weiterlesen Textausgaben und Übersetzungen J. K. Elliott, The Apocryphal New Testament. A Collection of Apocryphal Christian Literature in an English Translation based on M. R. James, Oxford 1999. B. Lang, Die Daten des Petrus, übers. und eingel. von B. Lang, Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur, Göttingen 2015. R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, Bd. 1, Darmstadt 1959 (Nachdr. der Ausgabe Leipzig 1891). G. Poupon, Actes de Pierre, in: F. Bovon/P. Geoltrain, Écrits apocryphes chrétiens, Bd. 1, Paris 1997, 1039-1114. W. Schneemelcher, Petrusakten, in: ders. (Hg.), Neustestamentliche Apokryphen, Bd. 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 61997b, 243-289. L. Vouaux, Les Actes de Pierre, Introduction, Textes, Traduction et Commentaires, Les Apocryphes du Nouveau Testament, Paris 1922.

Weitere Literatur F. Bovon, Miracles, Magic, and Healing in the Apocryphal Acts of the Apostles, in: ders., Studies in Early Christianity, WUNT 161, Tübingen 2003, 253-266. J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, SAAA 3, Leuven 1998a. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005, 93-124. D. Marguerat, Magic and Miracle in the Acts of the Apostles, in: T. E. Klutz (Hg.), Magic in the Biblical World. From the Rod of Aaron to the Ring of Solomon, JSNT.S 245, London/New York 2003a, 100-124. C. Matthews, The Acts of Peter and Luke’s Intertextual Heritage, Semeia 80 (1997), 207-222. R. F. Stoops, The Acts of Peter in Intertextual Context, Semeia 80 (1997), 57-86. Ders., The Acts of Peter, ECA 4, Salem 2012. C. M. Thomas, The Acts of Peter, Gospel Literature, and the Ancient Novel. Rewriting the Past, Oxford/New York 2003. Dies., Canon and Antitype. The Relationship Between the Acts of Peter and the New Testament, Semeia 80 (1997), 185-205.

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Tabelle: Wunder in den Petrusakten Nr.

ActPetr-Faden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

Kopt. Pap. Berlin 8502, 128

Summarium

Hinführung ActPetr

1

Kopt. Pap. Berlin 8502, 128132, 135-141

Vom Nutzen der Krankheit (Heilung vieler Kranker und Verweigerung der Heilung der Tochter des Petrus)

Kopt. Pap. Berlin 8502, 128-132, 135-141; Hinführung ActPetr

2

Ps.-Titus, De dispositione sanctimonii, Z. 83ff.

Auferweckung der Tochter des Gärtners durch Petrus

Hinführung ActPetr

3

ActPetr 1-3

Oder wollt ihr, dass es euch geht wie Rufina? (Paulus in Rom, Strafwunder an Rufina beim Abendmahl)

ActPetr 1-3; Hinführung ActPetr

4

ActPetr 4

»Die Stadt ist zu klein für uns beide!« (Wunder des Petrus und Zauberei Simons)

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

5

ActPetr 5

Wunder auf der Seereise des Petrus nach Rom

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

6

ActPetr 9.12

Erste Begegnung mit Simon Magus: Ein sprechender Wachhund predigt dem Simon Magus

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

7

ActPetr 11

Dämonenaustreibung und Wiederherstellung einer zerbrochenen Statue im Haus des Marcellus

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

8

ActPetr 13

Erste Begegnung mit Simon Magus: Ein geräucherter Fisch wird wieder lebendig

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

9

ActPetr 15

Erste Begegnung mit Simon Magus: Ein sprechender Säugling predigt dem Simon Magus

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten 10

ActPetr 16

Die Matrone Eubola und der Perlenraub: reich – gerettet – diakonisch (Der Sieg des Petrus über Simon in Judäa) Erscheinung des Auferstandenen vor Petrus

ActPetr 16-18; Hinführung ActPetr

11

ActPetr 17f.

Auffindung des durch Simon gestohlenen Besitzes der Eubola

ActPetr 16-18; Hinführung ActPetr

12

ActPetr 19-21

Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen (Wunder im Hause des Marcellus)

ActPetr 19-22; Hinführung ActPetr

13

ActPetr 25-29

Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? (Eine dreifache Totenerweckung auf dem Forum Iulium; Wunder während des Kampfes mit Simon)

ActPetr 25-29; Hinführung ActPetr

ActPetr 29

Summarium

ActPetr 25-29; Hinführung ActPetr

ActPetr 30-32

Missglückte Himmelfahrt (Letzte Auseinandersetzung mit Simon)

ActPetr 30-32; Hinführung ActPetr

ActPetr 31

Summarium

Hinführung ActPetr

14

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Vom Nutzen der Krankheit (Heilung vieler Kranker und Verweigerung der Heilung der Tochter des Petrus) BG/Kopt. Pap. Berlin 8502,4 (p. 128-132.135-141) An vierter und letzter Stelle findet sich im Papyrus Berolinensis Gnosticus 8502 die dort auch so betitelte Schrift »Die Tat des Petrus« (BG 4: ActusPt). Es handelt sich um die koptische Kopie einer ursprünglich wohl griechisch verfassten Schrift; sie ist zugleich der einzig erhaltene antike Textzeuge (zu den indirekten antiken Zeugnissen für diesen Text s.u. Wirkungsgeschichte). In den dezidiert gnostischen Berliner Papyruscodex 8502 (er enthält ansonsten das Evangelium nach Maria, das Apokryphon des Johannes und die Sophia Jesu Christi) passt dieser vierte – nicht gnostische – Text nicht sonderlich gut hinein. Allenfalls das hier vertretene Enthaltsamkeitsideal, wie es auch für viele gnostische Originaltexte, allerdings nicht in der hiesigen Zuspitzung, typisch ist, könnte BG 4 für die Rezipienten der übrigen Texte interessant gemacht haben. Ja, es hat den Anschein, als habe der Text gewissermaßen nur als Füllmaterial für versehentlich frei gebliebene Seiten gedient, weil sich der Schreiber bei der Berechnung des Platzbedarfes vertan hatte. Frühzeitig hat sich daher die auf Carl Schmidt zurückgehende communis opinio etabliert, wonach ActusPt ein nur hier selbständig überliefertes Stück vom ansonsten verloren gegangenen Anfang der Petrusakten, einer der fünf großen, alten apokryphen Apostelakten, sei. Diese communis opinio ist in jüngster Zeit von Andrea Molinari (Molinari 2000) mit beachtenswerten Argumenten in Frage gestellt worden; nach Molinari ist der ActusPt ein von den Petrusakten unabhängiger und selbständig überlieferter Text. Für die hiesige Interpretation ist das insofern von Belang, als auf der im ActusPt berichteten Wundererzählung, wenn Molinari Recht hätte, natürlich ein viel größeres Gewicht läge, als wenn sie nur Teil des Anfangs der Petrusakten gewesen wäre. Andererseits ist die Frage »Eigenständiger Text oder Teil der alten Petrusakten?« mindestens in zweierlei Hinsicht akademisch: Zum einen gibt es die Tat des Petrus in Gestalt von BG 4 eben tatsächlich als selbständig überlieferten Text, in dem nun einmal das ganze Gewicht auf der einen berichteten Wundererzählung ruht; zum anderen darf man sich die Entstehung der alten Apostelakten wohl ohnehin nicht zu statisch vorstellen. Man muss sie vielmehr als einen dynamischen Prozess begreifen, in dem einerseits die Akten aus einzeln überlieferten Taten zusammengewachsen sind, einzelne Taten aber andererseits auch wieder aus dem komponierten Zusammenhang gelöst und einzeln überliefert werden konnten. Letzteres wird u.a. belegt durch den Papyrus Copt. Utrecht 1 (Quispel 1956), der ein separat überliefertes Stück der Andreasakten enthält, und zwar unter dem Titel »Die Tat des Andreas«. Auch der »Brief des Petrus an Philippus« (NHC VIII,2 und Codex Tchacos 1) lässt sich zumindest als (ursprünglicher) Teil alter Philippusakten verstehen. 583

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

(p. 128) Am ersten Tag der Woche, der der Herrentag ist, versammelte sich eine Menge und man brachte zu Petrus viele Kranke, damit er sie heile. Einer aber aus der Menge wurde übermütig und sagte zu Petrus: »Petrus, siehe, in unserer Gegenwart hast du bewirkt, dass viele Blinde sehen und die Tauben hören und die Lahmen gehen. Und du hast den Schwachen geholfen und ihnen Kraft gegeben. Warum hast du deiner jungfräulichen, zu einer Schönheit herangewachsenen Tochter, die (p. 129) zum Glauben an den Namen Gottes gefunden hat, nicht geholfen? Denn siehe, ihre eine Seite ist gänzlich gelähmt, und sie liegt dort behindert in der Ecke. Man sieht die, die du heilst – deine eigene Tochter hast du vergessen!« Petrus aber lächelte und sprach zu ihm: »Mein Sohn, Gott allein ist es offenbar, warum ihr Körper nicht gesund ist. Wisse also, dass Gott nicht zu schwach oder ohnmächtig wäre, meiner Tochter seine Gabe zu gewähren. Damit aber deine Seele überzeugt werde und die Anwesenden noch mehr glauben: –.« (p. 130) Er blickte nun seine Tochter an und sprach zu ihr: »Steh auf von deinem Platz, ohne dass dir jemand hilft außer Jesus allein, geh vor allen diesen Leuten gesund umher und komm zu mir!« Sie aber stand auf und ging zu ihm hinunter, und die Menge jubelte über das, was geschehen war. Petrus sprach zu ihnen: »Siehe, euer Sinn ist überzeugt worden, dass Gott nicht ohnmächtig ist bezüglich aller Dinge, um die wir ihn bitten.« Da freuten sie sich noch mehr und priesen Gott. Petrus sprach (p. 131) zu seiner Tochter: »Geh an deinen Platz, setz dich hin und sei erneut in deiner Krankheit! Denn dies ist es, was dir und mir nützlich ist.« Wiederum ging das Mädchen fort, setzte sich an seinen Platz und wurde wieder wie vorher. Die ganze Menge weinte, und man bat Petrus, dass er sie gesund mache. Petrus sprach zu ihnen: »So wahr der Herr lebt, dies ist ihr und mir nützlich. Denn an dem Tag, da sie mir geboren wurde, sah ich eine Vision und der Herr sagte zu mir: ›Petrus, dir ist heute eine große (p. 132) Versuchung geboren worden. Denn dieses Mädchen wird viele Seelen verletzen, wenn sein Körper gesund bleibt.‹ Ich nun dachte, dass diese Vision mich verspotte. Als aber das Mädchen zehn Jahre alt war, wurde es vielen zur Anfechtung. Und ein reicher Mann namens Ptolemäus, als er das Mädchen gesehen hatte, wie es mit seiner Mutter badete, schickte nach ihm, um es sich zur Frau zu nehmen, doch die Mutter des Mädchens ließ sich nicht überzeugen. Er schickte viele Male nach ihm und konnte nicht mehr aufhören, [ …] Die Seiten 133 und 134 fehlen. Der Inhalt der verloren gegangenen Seiten kann folgendermaßen rekonstruiert werden: Ptolemäus lässt das Mädchen schließlich entführen, um es zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Auf ein Gebet des Petrus hin wird seine Tochter jedoch gelähmt und bewahrt ihre Jungfräulichkeit. Daraufhin lässt Ptolemäus das Mädchen zurückbringen. 584

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Vom Nutzen der Krankheit BG/Kopt. Pap. Berlin 8502,4 (p. 128-132.135-141)

[… brachten Leute des] (p. 135) Ptolemäus das Mädchen, legten es an der Haustür nieder und gingen weg. Als ich und seine Mutter aufmerksam wurden, gingen wir hinunter und fanden das Mädchen, dessen eine Körperseite von den Zehen bis zum Kopf ganz gelähmt und verdorrt war. Wir hoben es auf und priesen den Herrn, der seine Dienerin vor Schändung, Befleckung und [Verderben] bewahrt hatte. Dies ist der Grund dafür, dass das Mädchen in diesem Zustand [geblieben ist] bis auf den heutigen Tag. Nun aber gebührt es euch, die (weiteren) Taten des Ptolemäus zu erfahren. (p. 136) Er fing an, Tag und Nacht sich zu grämen und zu trauern über das, was ihm geschehen war. Und wegen der vielen Tränen, die er vergoss, wurde er blind. Während er überlegte, aufzustehen und sich zu erhängen – siehe, um die neunte Stunde jenes Tages, als er allein in seiner Schlafkammer war –, sah [er] ein großes Licht, das das ganze Haus erleuchtete, und er hörte eine Stimme, die zu ihm sagte (p. 137): ›Ptolemäus, die Gefäße (d.h. die Frauen) hat Gott nicht zum Verderben und zur Befleckung gegeben.* Dir selbst gebührte es nicht, nachdem du zum Glauben an mich gefunden hattest, meine Jungfrau zu schänden, die du vielmehr als deine Schwester erkennen sollst, da ich doch euch beiden als ein und derselbe Geist zuteil geworden war. Aber steh auf, geh eilends zum Haus des Apostels Petrus, so wirst du meine Herrlichkeit schauen und er wird dir die Augen öffnen bezüglich dieser Angelegenheit.‹ Ptolemäus aber zögerte nicht und befahl seinen Leuten, (p. 138) ihn hinzuführen, und so brachten sie ihn zu mir. Als er aber zu mir heraufgekommen war, berichtete er alles, was ihm geschehen war durch die Kraft Jesu Christi, unseres Herrn. Darauf konnte er wieder sehen mit den Augen seines Fleisches und den Augen seiner Seele. Und viele hofften daraufhin auf Christus und er erwies ihnen Gutes. Und er schenkte ihnen die Gabe Gottes. Danach starb Ptolemäus; er schied aus dem Leben und ging zu seinem Herrn. (p. 139) Als [er] aber sein Testament [machte], überschrieb er ein Stück Acker auf den Namen meiner Tochter, weil er ihretwegen zum Glauben an Gott gefunden hatte und gerettet worden war. Ich aber, dem die Verwaltung anvertraut worden war, habe sie sorgfältig geführt. Ich habe den Acker verkauft – und Gott allein weiß: weder ich noch meine Tochter – und ich habe nichts von dem Erlös des Ackers beiseitegelegt, sondern das ganze Geld unter die Bedrängten verteilt. Wisse nun, o Diener Christi Jesu, dass Gott (p. 140) [für die] Seinigen [sorgt] und einem jeden das Gute bereitet – wir aber denken, dass Gott uns vergessen hat. Nun also, Brüder, lasst uns trauern, wachsam werden und beten, so wird die Güte Gottes auf uns blicken. Und wir blicken ihr entgegen.« Und noch viele andere Reden hielt Petrus vor ihnen allen. Er pries den Namen (p. 141) des Herrn Christus und gab ihnen allen vom Brot. Als er ausgeteilt hatte, stand er auf und ging hinauf in sein Haus. 585

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten * Anm. zur Übersetzung: Der Text lautet an dieser Stelle wörtlich: »Die Gefäße Gottes hat er nicht gegeben zur …«, was nicht nur eine holprige Satzkonstruktion darstellt, sondern im Zusammenhang auch wenig Sinn ergibt. In der hier bevorzugten Übersetzung ist vorausgesetzt, dass der Schreiber mit einer falschen Konjugationsbasis vor »Gott« begonnen und dann neu eingesetzt hat. »Gott« ist hier also von vornherein Subjekt des Satzes (so auch die Textauffassung bei Till/ Schenke 1972).

Sprachlich-narratologische Analyse Die Geschichte von der Heilung der Petrustochter (und deren Rückgängigmachung) ist zunächst wie eine klassische Wundergeschichte aufgebaut. Sie beginnt mit einer Zeitangabe und der Vorstellung des Wundertäters Petrus mittels eines kurzen Summariums: Der Sonntag ist offenbar der Tag, an dem Petrus gewohnheitsmäßig zu heilen pflegt, und zwar die üblichen Empfänger von Heilungswundern, nämlich Blinde, Taube und Lahme. Der Heilung der Petrustochter geht eine Petitio voraus, hier in Gestalt einer vorwitzigen Bemerkung eines Anwesenden. Die Heilung des Mädchens wird zur Demonstration göttlicher Allmacht vollzogen und durch den Lobpreis der Volksmenge beglaubigt. Bis hierhin folgt die Geschichte gewissermaßen der »normalen« Struktur von Heilungswundererzählungen. In einer nur ganz knappen und auf das Wesentliche beschränkten zweiten Demonstration wird nun aber das Heilungswunder an der gelähmten Petrustochter durch eine Art »Umkehrwunder« rückgängig gemacht. Auch dieses Wunder wird von der Volksmenge bestätigt, allerdings nicht durch Lobpreis, sondern durch Weinen, das in eine erneute Petitio zur Heilung des Mädchens mündet, der der Wundertäter aber nicht nachkommt. Wie häufig auch in neutestamentlichen Wundergeschichten, etwa im Markusoder Johannesevangelium, wird das Wunder hier nicht um seiner selbst willen erzählt, sondern dient als Aufhänger für die eigentliche Botschaft (vgl. z.B. in Mk 2,1-12 die Erörterung der Vollmachtsfrage zur Sündenvergebung im Zusammenhang mit der Heilung eines Gelähmten oder die Brotrede im Anschluss an die Speisung der 5.000 in Joh 6). In der hiesigen Geschichte dient die Heilung der gelähmten Tochter samt Umkehrung der Heilung als Ausgangspunkt für die Propagierung eines verschärften Enthaltsamkeitsideals, das die körperliche Unversehrtheit eines Menschen der »Unbeflecktheit« durch Geschlechtsverkehr unterordnet. Dies geschieht mit beachtlichem literarischem Geschick, nämlich durch eine zweiteilige Rückblende, in der zuerst die Geschichte des Mädchens und anschließend die Geschichte ihres potentiellen Vergewaltigers Ptolemäus erzählt wird. In beide Teile ist –jedenfalls soweit sich der nicht vollständig erhaltene Text inhaltlich rekonstruieren lässt – jeweils ein (vermutlich knapper) weiterer Wunderbericht integriert, zum einen die wunderbare Erkrankung des Mädchens, die es sexuell »unbrauchbar« macht, zum anderen die Heilung des erblindeten Ptolemäus. Die Struktur der gesamten, in sich geschlossenen Erzählung lässt sich folgendermaßen darstellen: 586

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Exposition (ab p. 128) Zeitangabe Heilungssummarium mit Einführung des Wundertäters Petitio (durch einen aus der Volksmenge) mit Einführung der Adressatin des Wunders Demonstration I (p. 129-130)

Heilung der gelähmten Tochter als Erweis göttlicher Allmacht Bestätigung durch die Volksmenge

Demonstration II (p. 131)

Umkehrung des Wunders Bestätigung durch die Volksmenge mit erneuter Petitio

Explanation (ab p. 131)

Geschichte des Mädchens Geschichte des Ptolemäus

Schlussbemerkung mit Ortsangabe (p. 141)

Aus der Betrachtung der Erzählstruktur ergibt sich unmittelbar, dass wesentliche Elemente einer Wundergeschichte vorhanden sind. Petrus ist der Wundertäter, der gleich zu Anfang durch ein Heilungssummarium als solcher vorgestellt wird. Das ausführlich erzählte Wunder wird durch eine – hier etwas vorwitzige – Petitio durch einen aus der Volksmenge, durch die erzählerisch auch die Adressatin des Wunders eingeführt wird, in Gang gesetzt. Die versammelte Volksmenge bestätigt das Wunder. Die Erzählung der Rückgängigmachung des Wunders folgt im Prinzip denselben Erzählkonventionen, nur eben mit umgekehrten Vorzeichen. Auffällig ist, dass die Adressatin des Wunders in der gesamten Erzählung reines Demonstrationsobjekt und keine selbständig handelnde Akteurin ist: Sie bleibt in der gesamten Erzählung, sogar in der Explanation, stumm.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Erzählung spielt in unmittelbarer Nähe des Hauses des Petrus. Die Ortsangabe muss allerdings aus dem allerletzten Satz des überlieferten Textes erschlossen werden, in dem berichtet wird, dass Petrus in sein Haus »zurückkehrt«. Da es sich um eine apostolische und also nachösterliche Wundergeschichte handelt, dürfte an das Haus des Petrus in Jerusalem gedacht sein. Die neutestamentliche Überlieferung erwähnt allerdings nur ein Haus des Petrus in Kafarnaum (Mk 1,29). Dafür bietet gleich der erste Satz eine Zeitangabe: Die Geschichte spielt am »Herrentag«, also am Sonntag, dem ersten Tag der (jüdischen) Woche, an dem sich die frühchristliche Gemeinde im Gedenken an Jesu Auferstehung zum Gottesdienst zu versammeln 587

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pflegte (vgl. Did 14,1: »Herrentag« für die frühchristliche Versammlung und EvPetr 9,35 und 12,50: »Herrentag« für den Tag der Auferstehung Jesu). Hier ist der Tag offenbar zugleich als Tag (gewohnheitsmäßigen) apostolischen Heilens vorgestellt. Dass das Heilungswunder an einer Verwandten des Wundertäters geschieht, ist ungewöhnlich. So besagt auch das in EvThom 31 im Munde Jesu überlieferte Sprichwort: »Ein Arzt heilt nicht die, die ihn kennen«. Auch in Mk 6,5 wird konstatiert, dass Jesus in seiner Heimatstadt Nazareth, also unter Verwandten und Bekannten, nur wenige Heilerfolge gelangen. Ein Heilungserfolg in der Verwandtschaft des Petrus, allerdings durch Jesus, nicht durch Petrus, wird immerhin in Mk 1,29-31 berichtet: die Heilung der Schwiegermutter des Petrus. Zu beachten ist, dass das Entsetzen der Volksmenge sich am konkreten Einzelfall, dem Umkehrwunder an der Tochter, entzündet; grundsätzlich befindet sich die hier ausgeübte Verfügungsgewalt des Hausvaters über seine Tochter im Einklang mit der Sitte der Zeit. So schloss im spätantiken Kontext die Verfügungsgewalt des Hausvaters selbst das postnatale Aussetzen unerwünschten Nachwuchses mit ein. Exemplarisch hierfür ist der berühmte Brief eines zum Militärdienst eingezogenen Mannes an seine Frau (P.Oxy. 744, 1. Jh. v. Chr.): »Wenn du […] gebierst, wenn es männlich war, lass es (leben); wenn es weiblich war, setze es aus« (Barrett/Thornton 1991, Nr. 36). Archäologische Funde zeigen, dass Kindsaussetzung ebenso bei unerwünschten männlichen Neugeborenen möglich und üblich war. Das hellenistische Judentum folgte dieser Praxis allerdings nicht, wie selbst Tacitus in seinem antijüdischen Exkurs in den Historien zähneknirschend anerkennen muss (hist. 5,5). Das frühe Christentum ist dem Judentum hierin gefolgt, der Diognetbrief nutzt die Tatsache, dass Christen ihre Kinder nicht aussetzen, apologetisch (D. L. 5,6): »Sie (die Christen) heiraten wie alle, bringen Kinder hervor; aber sie setzen die Neugeborenen nicht aus.« Zwischen dem Hausvater Petrus und dem reichen Mann Ptolemäus ist offensichtlich ein Machtgefälle vorausgesetzt. Der Reiche kann sich gegenüber dem Juden einfacher Herkunft scheinbar alles erlauben; Petrus schaltet zur Wiedergewinnung seines entführten Kindes nicht die staatlichen Behörden ein (jedenfalls soweit wir das aus dem fragmentarischen Text erschließen können), sondern weiß sich nur durch ein Gebet zu helfen: Ausdruck von (Voll-)Macht und Ohnmacht zugleich. Auch das Motiv der Bewahrung der Jungfräulichkeit, sei es durch Krankheit, Entstellung oder glückliche Umstände ist zeittypisch; es findet sich vielfach im spätantiken Roman (vgl. z.B. Xen. Eph., wo die Heldin Anthia, zur Prostitution gezwungen, ihre Jungfräulichkeit u.a. durch einen vorgetäuschten epileptischen Anfall bewahrt).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die hiesige Geschichte von der Heilung eines gelähmten Mädchens gehört natürlich zunächst in den breiten Strom frühchristlicher, insbesondere neutestamentlicher Heilungsberichte, des näheren zu Heilungen von Gelähmten durch Jesus oder die Apostel (vgl. z.B. Mk 2,1-12 par.; Mt 8,5-13; Apg 3,1-10). Zwar dient auch in den 588

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neutestamentlichen Wunderberichten das erzählte Wunder häufig als Aufhänger für etwas Anderes, Weiterführendes (z.B. in Mk 2,1-12 zur Diskussion der Frage nach der Vollmacht zur Sündenvergebung); das Wunder selbst, insbesondere ein Heilungswunder, geschieht aber doch in jedem Falle unmittelbar zum Wohle des Wunderempfängers. Das ist hier nicht der Fall. Das Wunder – samt seiner Rückgängigmachung – ist vielmehr ganz funktional gefasst und dient hier lediglich als Illustration eines auf die Spitze getriebenen sexuellen Enthaltsamkeitsideals. Der »Nutzen« der Nicht-Heilung für die Wunderempfängerin erschließt sich nur indirekt über die in der Erzählung über Ptolemäus entfaltete enkratitische Ideologie. Ein Umkehrwunder – allerdings in entgegengesetzter Richtung – findet sich auch im sogenannten Protevangelium des Jakobus: ein Strafwunder (brennende Hand) wird mittels Berührung des göttlichen Kindes ungeschehen gemacht (Protev 20,1-3). An etlichen Stellen zeigt der Text, dass der Autor mit der neutestamentlichen Tradition wohlvertraut ist: Auf Motive und Geschichten wird teils angespielt, teils werden sie aufgenommen und gegebenenfalls neu kodiert. Die Rede von der Frau als »Gefäß« findet sich schon 1 Thess 4,4 vorgebildet. Der Tatsache, dass Petrus verheiratet war (Mk 1,30; 1  Kor 9,5), kann sich auch dieser Text nicht verschließen, obwohl sie der hier verfochtenen Ideologie im Wege steht, und rückt daher Petrus und seine Frau, die ausschließlich als »die Mutter des Mädchens« firmiert, sprachlich möglichst weit auseinander. Visionsschilderungen des Petrus finden sich schon in Apg 10,10-16, und die Beschreibung des Petrus als treusorgenden Ackerverwalter – der als patriarchaler Hausvater selbstverständlich über das Vermögen seiner Tochter verfügt – ist ein Gegenentwurf zur Episode von Hananias und Sapphira in Apg 5,1-11.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Der vorliegende Text hat bei einigen Auslegern, die sich näher mit ihm befasst haben, wegen der Zeichnung des Petrus als patriarchalen Haustyrannen, der sein Kind als bloße Verfügungsmasse behandelt, und wegen der tränenreichen Bekehrung eines potentiellen Vergewaltigers gelegentlich starken Widerwillen hervorgerufen (Tardieu 1984; Molinari 2000). Während Tardieus Kritik sich vor allem an der Gestalt des Petrus und seinem seine Macht als Hausvater missbrauchenden Umgang mit seiner Tochter entzündet, nimmt Molinari vor allem Anstoß an der Gestalt des reichen Verführers Ptolemäus und seiner billigen Buße (»cheap forgiveness«), wobei Molinari explizit moderne Maßstäbe anlegt (Molinari 2000, 168f.). Auch wenn man die Gelassenheit und die nüchterne Distanz des Historikers, der Zeitumstände und religionsgeschichtliche Hintergründe in Rechnung stellt, an den Text anlegt, lässt sich die vorgebrachte Kritik nicht einfach von der Hand weisen. Tatsächlich besteht zwischen der hier aufscheinenden patriarchal geprägten Frauenverachtung und einem in der Spätantike weitverbreiteten Ideal sexueller Enthaltsamkeit kein notwendiger Zusammenhang. Im Gegenteil konnte sexuelle Enthaltsamkeit gerade 589

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von Frauen, zumal wenn sie in religiösen Bewegungen sozial aufgefangen waren, durchaus als Chance begriffen werden, da sich ihre potentielle Lebenserwartung – den medizinischen Risiken des Reproduktionsprozesses entzogen – signifikant erhöhte. Die Attraktivität gnostischer Bewegungen, die nach dem Zeugnis der Originalquellen tendenziell enkratitisch geprägt waren, für Frauen dürfte eben hierin eine ihrer Ursachen haben. Die libertinistischen Verunglimpfungen solcher Bewegungen durch die großkirchlichen Ketzerbekämpfer (vgl. z.B. die Schilderung der »Gnostiker« bei Epiphanius mit ihrer Kultmahlzeit aus Sperma und Menstruationsblut, Epiph. haer. 26,4,5-8) dürften ebenso den Konventionen spätantiker Polemik zugehören wie umgekehrt die Schilderung großkirchlicher Orgien im Altarraum im gnostischen Judasevangelium (EvJud p. 38). In (spätantiken) Gesellschaften, in denen Partnerschaften homosexuell liebender Menschen als Praxis nicht toleriert wurden, konnte ein nach außen hin enthaltsamer Lebenswurf überdies – als Notbehelf – einen gewissen Schutzraum kreieren. Dezidiert frauenverachtend ist in der »Tat des Petrus« die Rede von den Frauen als »Gefäßen« in p. 137,1 (nämlich eigentlich zur Aufnahme des männlichen Samens – jedenfalls legt der Kontext dieses Verständnis nahe; vgl. auch 1  Thess 4,4 und Roy 1987, 217f.). Sämtliche weibliche Figuren in dieser Geschichte sind stumm. Nicht auflösen kann der Text den Widerspruch, dass er einerseits ein extremes sexuelles Enthaltsamkeitsideal propagiert, andererseits der Propagandist dieses Ideals selbst, Petrus, diesem jedenfalls nicht allezeit entsprochen hat, da das Demonstrationswunder ja an seiner eigenen Tochter vollzogen wird. Zumindest scheint der Widerspruch im Text insoweit reflektiert, als zwischen Petrus und seiner Frau sprachlich eine maximale Distanz hergestellt wird, indem diese immer nur »die Mutter des Mädchens« genannt wird. Die auch neutestamentlich mehrfach bezeugte Tatsache, dass der »Apostelfürst« Petrus verheiratet war (Mk 1,30; 1 Kor 9,5), ließe sich immerhin im ökumenischen wie auch im innerkatholischen Dialog fruchtbar machen, etwa in der Diskussion um den Zölibat oder die Funktion des Papstamtes, das ja gern auch als »Petrusdienst« apostrophiert wird. Dass die Entfaltung der positiven Aspekte eines sexuell enthaltsamen Lebensentwurfs unmittelbar an die »Tat des Petrus« anschließen könnte, scheint dagegen ausgeschlossen. Zu beachten ist allerdings, dass zu den geistesgeschichtlichen Voraussetzungen des Textes die in der Spätantike vorherrschende dualistische Anthropologie von Seele und Leib gehört, die der Seele Vorrang vor allem Leiblichen einräumt. Diese Hierarchie der Werte ist ja nicht »an sich« falsch, sondern nur uns Heutigen fremd und befremdlich, sofern wir in einer körperfixierten, übersexualisierten (westlichen) Kultur leben. Den ursprünglichen Adressaten und Adressatinnen der »Tat des Petrus« wäre unsere Wertehierarchie vermutlich ebenso befremdlich erschienen wie uns die ihre. Problematisch wird unser Text erst dadurch, dass er den Topos »Reinheit der Seele« mit dem Topos der Sexualität – im Sinne von »Befleckung (der Seele) durch Geschlechtsverkehr« – verknüpft, Sexualität letztlich mit Schmutz in eins setzt und allenfalls als notwendiges Übel akzeptiert. Virginität wird so zum unmittelbaren Ausdruck von Seelenreinheit, ein gedankliches Konstrukt, das auch im spätantiken Kontext keineswegs zwingend ist. Fragwürdig ist weiterhin die 590

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Gleichsetzung von (Körper-)Behinderung mit sexueller Unattraktivität – in zweierlei Hinsicht. Zum einen dürfte die implizite Behauptung, von Behinderten (wo genau verläuft eigentlich die Grenze zwischen »behindert« und »nicht-behindert«?) gehe keinerlei sexuelle Attraktion aus, empirisch leicht zu widerlegen sein, zum anderen negiert die genannte Gleichung das Recht »behinderter« Menschen auf eine eigene Sexualität. Letzteres ist freilich ein moderner Gesichtspunkt.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte In der Alten Kirche lassen sich verschiedentlich Bezüge und Anspielungen auf die hiesige Wundergeschichte nachweisen. So fasst z.B. Augustinus in c. Adim. 17,5 die Geschichte von der Lähmung der Petrustochter und vom Tod der Gärtnerstochter (s.u.) zusammen: »… und von der auf das Gebet des Vaters hin gelähmt gewordenen Tochter eben dieses Petrus’ und von der Gärtnerstochter, die auf das Gebet von eben diesem Petrus hin gestorben ist«. In den ActNerAch 15 findet sich die Geschichte weiterentwickelt und mit Motiven aus der Geschichte von der Gärtnerstochter angereichert (Schenke 2003a, 846f.). Eine Zusammenfassung der Erzählung bieten auch die Philippusakten (ActPhil 36,38-42) mit deutlicher Akzentuierung der Reserviertheit des Petrus gegenüber Frauen: »Und deshalb floh unser Bruder Petrus von jedem Ort, an dem sich eine Frau befand. Weiterhin nahm er auch Anstoß an seiner eigenen Tochter und betete zum Herrn: und ihre Seite wurde gelähmt, auf dass sie nicht verführt werde«. Deutliche Verwandtschaft zur Geschichte von der gelähmten Tochter des Petrus zeigt auch die folgende Geschichte von der Gärtnerstochter aus dem Pseudo-Titusbrief (Ps.-Titus, De dispositione sanctimonii Z. 83ff.; Übers. Schneemelcher 1997b, 258): Ein Gärtner hatte ein Mädchen, das Jungfrau war. Das war auch seine einzige Tochter und deshalb bat er Petrus, für sie ein Gebet zu verrichten. Nachdem er gebetet hatte, sagte er dem Vater, der Herr würde ihr schenken, was für ihre Seele angebracht sein sollte. Das Mädchen fiel alsbald tot um. O würdiger und gottgefälliger Gewinn, der Unverschämtheit des Fleisches zu entfliehen und den Stolz des Blutes zu brechen! Aber dieser misstrauische Greis, da er den Wert der himmlischen Gnade, d.h. die göttlichen Wohltaten verkannte, bat wiederum, dass seine einzige Tochter auferweckt würde. Und einige Tage später, nachdem sie auferstanden war, kam jemand, der sich als gläubig ausgab, in das Haus des Greises, um bei ihm zu wohnen. Und anschließend verführte er das Mädchen, und beide erschienen nicht mehr wieder.

Uwe-Karsten Plisch

Literatur zum Weiterlesen A. L. Molinari, ›I never knew the man‹. The Coptic Act of Peter (Papyrus Berolinensis 8502.4). Its Independence from the Apocryphal Acts of Peter, Genre and Legendary Origins, BCNH.É 5, Québec/Leuven/Paris 2000.

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U.-K. Plisch, Verborgene Worte Jesu – verworfene Evangelien. Apokryphe Schriften des frühen Christentums, Brennpunkt: Die Bibel 5, Berlin 22002, 165-170. H.-M. Schenke, Die Tat des Petrus (BG 4), in: H.-M. Schenke/H.-G. Bethge/U. U. Kaiser (Hg.), Nag Hammadi Deutsch, GCS NF 12, Bd. 2, Berlin 2003, 845-853 (gekürzt in: dies. [Hg.], Nag Hammadi Deutsch, Studienausgabe, Berlin 22010, 575-579). W. Schneemelcher, Petrusakten, in: ders. (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2: Apostolisches und Verwandtes, Tübingen 61997b, 243-289.

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Oder wollt ihr, dass es euch geht wie Rufina? (Paulus in Rom, Strafwunder an Rufina beim Abendmahl) ActPetr 1-3 (2) Man brachte Paulus das Opfermahl in Form von Brot und Wasser, damit der es nach dem Gebet jedem Einzelnen austeile. Unter ihnen war auch eine Frau namens Rufina, die ebenfalls die Eucharistie aus Paulus’ Händen empfangen wollte. Als diese herantrat, sagte ihr Paulus, vom Geist Gottes erfüllt: »Rufina, du trittst an den Altar Gottes als eine, die dessen nicht würdig ist, weil du dich nicht von der Seite deines Mannes, sondern eines Liebhabers erhebst und doch die Eucharistie zu erhalten suchst. Sieh nun: Satan wird dich, nachdem er dein Herz zermalmt hat, vor den Augen aller, die an den Herrn glauben, niederstrecken, damit ihnen in Sehen und Glauben bewusst wird, dass sie an den lebendigen Gott glauben, der die Herzen erforscht. Wenn du jedoch dein Tun bereust, dann wird er, der deine Sünden zunichtemachen kann, sich als treu erweisen, indem er dich von dieser Sünde befreit. Wenn du aber nicht bereust, solange du noch in deinem Körper weilst, werden dich in alle Ewigkeit das vertilgende Feuer und die Finsternis draußen umfangen.« Und prompt fiel Rufina linksseitig vom Kopf bis zu den Zehenspitzen gelähmt zu Boden. Auch das Sprachvermögen büßte sie ein: Ihr wurde die Zunge geschnürt. Als die Gläubigen und die Jungbekehrten dies sahen, schlugen sie sich an die Brust, bekannten dabei ihre früheren Sünden und wehklagten lauthals mit den Worten: »Wir wissen nicht, ob Gott uns die Sünden vergibt, die wir früher begangen haben.« Da gebot Paulus Schweigen und sagte: »Ihr lieben Brüder, die ihr nun einen Beginn gemacht habt mit dem Glauben an Christus, wenn ihr nicht in euren früheren Werken und denen der Tradition eurer Väter verharrt und euch fernhaltet von allem Betrug, von Zorn, Unbeherrschtheit, Ehebruch und Befleckung, sowie von Arroganz und Eifersucht, verächtlicher Abneigung und Feindseligkeit, dann wird euch Jesus, der lebendige Gott, vergeben, was ihr im Unwissen getan habt. Deshalb, ihr Gottesdiener, wappnet euch, ein jeder für sich, an eurem inneren Menschen mit Frieden, Gleichmut, Sanftmut, Glaube, Nächstenliebe, Erkenntnis, Weisheit, Liebe zu den Mitchristen, Gastfreundschaft, Erbarmen, Enthaltsamkeit, Keuschheit, Güte und Gerechtigkeit. Dann werdet ihr in alle Ewigkeit als euren Anführer den Erstgeborenen aller Kreatur haben und Unbescholtenheit im Frieden mit unserem Herrn.« Nachdem sie diese Worte von Paulus vernommen hatten, baten sie ihn, im Gebet für sie einzutreten. Übersetzung auf Basis der Actus Vercellenses in der Edition von Vouaux 1922.

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Sprachlich-narratologische Analyse Das Wunder im größeren Kontext: Das Strafwunder an Rufina bildet eine Episode im größeren Zusammenhang der ersten drei Kapitel des lateinischen Codex von Vercelli, die Ereignisse rund um die Abreise des Paulus aus Rom nach Spanien erzählen. Im ersten Kapitel befindet sich Paulus in Rom unter Bewachung, kann sich aber offenbar recht frei bewegen. Durch seine Predigttätigkeit kommt eine Frau namens Candida zum Glauben und durch sie wiederum ihr Mann Quartus, der zu den Bewachern des Paulus gehört. Der bringt erstmalig das Thema Abreise aufs Tapet, indem er Paulus nahelegt wegzugehen. Doch Paulus will erst den Willen Gottes in Erfahrung bringen. Tatsächlich erhält er in der folgenden Szene bei einem dreitägigen Fasten in einer Vision den Auftrag zur Abreise nach Spanien. Nun ist Paulus augenblicklich dazu bereit und erstattet den »Brüdern« Bericht. Recht breiten Raum nimmt die Schilderung der Reaktion ein: Die Gemeinde fürchtet, Paulus nicht wiederzusehen, äußert ihre Bestürzung in Trauergebaren, erinnert sich an seine Auseinandersetzungen mit jüdischen Gelehrten und beschwört ihn schließlich, doch binnen der Jahresfrist zurückzukommen, da sie sonst wie »Kindlein ohne Mutter« wären. Die Rückkunft wird von höchster Stelle zugesichert, doch auch die Todesahnungen werden bestätigt. Paulus, der Diener Gottes, so eine mächtige Himmelsstimme, werde in Rom unter ihren Augen in den Händen Neros sein Leben lassen. Das zweite Kapitel setzt ein mit einer neuen Szene, die sich offenbar zeitlich unmittelbar an das erste Kapitel anschließt: Mit Wasser und Brot wird das Mahl gefeiert. Hierbei ereignet sich der Vorfall mit Rufina. Die Lähmung, die sie als Strafe für ihr nicht eucharistietaugliches Sexualleben erhält, führt zur entsetzten Reaktion offenbar vor allem der noch nicht gefestigten Junggläubigen. Mit einer Mahnpredigt, die vorwiegend auf zu unterlassende Sünden und zu praktizierende Tugenden abhebt, gelingt es Paulus, sie zu beruhigen. Seine anschließende ausführliche Fürbitte erinnert nach der feierlichen Anrufung Gottes mit biblischen Worten an seine eigene Wandlung vom Lästerer zum Gelästerten. Nach einer Mahnung zum Glauben ersucht er die Gemeinde um ihre Fürbitte für sich selbst. Diese erfolgt unmittelbar aus dem Mund der »Brüder« und umfasst auch die Bitte um seine wohlbehaltene Rückkehr angesichts ihrer eigenen Schwachheit. Das dritte Kapitel, das die Abfahrt selbst erzählt, setzt mit einem Ortswechsel ein. Eine große Menge Frauen begleitet Paulus weinend und kniefällig zum Hafen. Einige der namentlich aufgeführten hochstehenden Personen unter den Anhängern des Paulus wären sogar bereit, ihm überallhinzu folgen. Ein drohender Seesturm erweist sich als retardierendes Moment, das dazu genutzt wird, die Gemeindeglieder, die mit den verschiedensten Beförderungsmitteln zum Hafen kommen, dreieinhalb Tage lang weiter im Glauben zu festigen. Dann erst segelt Paulus unter Begleitung zweier junger Männer und mit allem Nötigen ausgestattet los. Das Thema dieser ersten drei Kapitel sind der Abschied des Paulus und seine Hinterlassenschaft. Rufinas Straflähmung hat in diesem Rahmen die Funktion eines 594

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Exempels, anhand dessen die Richtlinien für ein Leben im Glauben auch in der Zeit der dauerhaften Abwesenheit des Paulus aufgezeigt werden. Das Wunder: Innerhalb der Erzählung vom Strafwunder an Rufina dominiert die direkte Rede. Auf eine kurze Exposition, die in einem ersten Satz die Mahlfeier als szenischen Kontext skizziert und in einem zweiten Rufina einführt, und zwar ausschließlich anhand ihres Anliegens, am Mahl teilzunehmen, folgt eine mehr als doppelt so lange Wortmeldung des Paulus. Diese besteht (a) aus der Nennung ihres Vergehens, (b) der Ankündigung der Strafe und ihres Zweckes, (c) dem Hinweis auf die Möglichkeit der Reue und deren Folgen sowie (d) dem Hinweis auf die Konsequenzen etwaiger Unbußfertigkeit. Für die anschließende Beschreibung der prompt erfolgenden Strafe braucht der Schreiber weniger Worte als für den Chorschluss, der die Bestürzung vor allem der der Vergebung ihrer Sünden ungewissen Jungbekehrten beschreibt. In weniger als der Hälfte des zweiten Kapitels ist damit die eigentliche Wundergeschichte erzählt. Ob Rufina tatsächlich zur Reue gefunden hat und eine Heilung erfolgte, bleibt ebenso offen wie ihre Herkunft, ihr Alter, ihr sozialer Stand, die Umstände ihrer Beziehung zu dem »Ehebrecher« usw. Das Interesse des Verfassers gilt nicht ihrer Person oder ihrem Schicksal, sondern denen, die Rufinas Beispiel zum Überdenken ihres eigenen Lebens anstoßen soll. Die Aussparung eines Ausblicks auf Rufinas weiteres Schicksal und die von Paulus in Aussicht gestellte Möglichkeit der Buße zwingen den Leser gewissermaßen zu der Überlegung, was Rufina – und mit ihr jeder andere in einer vergleichbaren Situation – tun müsste, um ihrem Schicksal eine Wendung zum Guten zu geben. Die narrative Leerstelle erweist sich somit als ein Instrument der Leserlenkung. Dieser findet seine eigene Bestürzung wieder in der Reaktion der Jungbekehrten und wird mit diesen auch in der folgenden Predigt durch Paulus angesprochen. Der Chorschluss der Jungbekehrten ist also gar kein wirklicher Schluss, trägt er doch in deren Furcht und Ratlosigkeit schon die Notwendigkeit einer Fortsetzung in sich: Erzähllogisch muss diese einen möglichen Ausweg aufzeigen. Vielmehr bildet er den Auftakt zur Predigt des Paulus, die, wie erwartet, aufzeigt, was Not tut, um ein unbescholtenes Leben zu führen, das die Gläubigen bei Gott hält. Deren zweiter, in die Fürbitte eingebettete Teil, erhellt das Thema des Kapitels: Es geht, so zeigt das Beispiel der wahren und nachhaltigen Bekehrung des Paulus, um die Stabilität einer Lebensführung nach den moralischen Normen des christlichen Glaubens, die die Abkehr von möglichen anderen Wertmaßstäben notwendigerweise einschließt. Rufina ist innerhalb dessen nicht mehr als ein Beispiel für das falsche Verhalten, das Strafwunder an ihr nur der Ausgangspunkt für die Predigt des Paulus von Buße und christlicher Lebensführung. Auf dieser Predigt ruht das ganze Gewicht des Kapitels. Entsprechend dieser Funktion einer Chiffre wird ihr auch keine Redezeit gegeben, wie überhaupt die direkte Rede in diesen drei Kapiteln männlichen Akteuren vorbehalten ist. Auch unter den Jungbekehrten scheint sich keine Frau zu befinden, gebraucht Paulus doch nicht einfaches fratres (Brüder) als Anrede, das sich noch als Frauen einschließend verstehen ließe, sondern ergänzt es durch viri (Männer).

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Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Frauen treten in den Actus Vercellenses anders als etwa in den Acta Pauli nur episodisch auf, nicht aber über weitere Strecken des Gesamtwerkes. Doch dort, wo sie eine Rolle bekommen, bestimmen sie häufig das Bild oder geben Anlass und Anstoß für den weiteren Handlungsverlauf. Dies gilt für Candida (ActPetr 1) und die Frauen, die Paulus zum Hafen begleiten (ActPetr 3), ebenso wie für Rufina und später die reiche Chryse (ActPetr 30). Die Frauen der Actus Vercellenses gehören verschiedenen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten an, sind Jungfrauen oder Witwen, Arme oder Reiche. Stärker als in anderen apokryphen Apostelakten sind Frauen aus höheren Gesellschaftsschichten vertreten, so werden etwa unter den Begleiterinnen des Paulus zum Hafen zwei matronae aus dem Kaiserhaus genannt (vgl. Bremmer 1998b, 1-9). Vielleicht darf man Rufina hier einreihen, doch sicher ist das nicht. Ihr Name lässt nicht zwingend auf ihren sozialen Stand schließen. Eine Rufina, die unter Septimius Severus (193-211 n. Chr.) mit dem Senator Cocceius Cassianus im Konkubinat lebte, war eine Freigeborene, aber womöglich von nicht allzu guter Abkunft (vgl. Evans-Grubbs 2002, 154). Inschriftlich sind mehrere Frauen mit dem Namen Rufina im Senatorenstand belegt (CIL 6,1355; 6,1449 u.ö.). Einen geographischen oder ethnischen Hinweis gibt der Name nicht: Martial rühmt eine aus Britannien stammende Rufina, die die von einer Römerin erwarteten Tugenden par excellence repräsentiert (Mart. epigr. 11,53); in Smyrna ist für das 2. Jh. eine Synagogenvorsteherin namens Rufina bezeugt (vgl. Kraemer 1998, 46-72). Namen von Handlungsträgern in den Apostelakten können zurückgehen auf Namen von Personen aus der Umgebung des jeweiligen Apostels im Neuen Testament. Zuweilen können sie jedoch auch auf andere historisch bezeugte Personen verweisen (vgl. Ficker 1904, 408); deren Lebenszeit braucht dann nicht der in den jeweiligen Akten erzählten Zeit zu entsprechen. Ob im Falle der Rufina die oben genannte Konkubine des Senators Cocceius Cassianus aus der potentiellen Entstehungszeit der Petrusakten als unfreiwillige Namensgeberin herangezogen werden kann, bleibt spekulativ.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Der gesamte Textabschnitt vom Abschied des Paulus aus Rom (ActPetr 1-3) nimmt zahlreiche Züge nicht nur aus der Apostelgeschichte, sondern auch aus anderen später kanonisch gewordenen Schriften auf (vgl. Thomas 2003, 108f.). Diese Aufnahmen reichen von der Nachahmung »biblischer« Diktion über Einzelmotive bis zur Gestaltung von Szenen. Sie machen die Kenntnis der aufgenommenen Texte nicht zur Voraussetzung für das Textverständnis der Acta Petri, doch mit den aufgenommenen Texten vertraute Rezipientinnen und Rezipienten dürften sich an diese erinnert fühlen (vgl. Stoops 1994, 390-404). Das erste Kapitel knüpft erzählerisch an 596

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die Schlussszene der Apostelgeschichte an: Paulus befindet sich unter Bewachung in Rom und setzt sich inhaltlich mit den dortigen Juden auseinander. Die Absicht, über Rom nach Spanien zu reisen, äußerte Paulus selbst schon in Röm 15,28; ein Quartus wird auch in Röm 16,23 genannt, freilich nicht als Mitglied der Wachmannschaft. Die emotionale Reaktion auf die Ankündigung von Paulus’ Abreise hin dürfte dem Abschied des Paulus von den ephesinischen Presbytern zu Milet nachempfunden sein, umso mehr als hier wie dort die Furcht bzw. Gewissheit, Paulus nicht wiederzusehen, als Auslöser genannt wird (Apg 20,38). Über gattungstypische Merkmale von »bestrafenden Normenwundern« (Theißen 1998, 117-120) hinaus erinnert die Rufinaerzählung in Einzelzügen an die Episode von Hananias und Sapphira in Apg 5. In beiden Texten wird von einer Gemeinschaftssituation (Grundverkauf und Gütergemeinschaft, Mahlfeier) übergeblendet auf einzelne Gemeindeglieder, deren Verhalten den Gruppennormen nicht entspricht. Hier wie dort bekommen die Abweichler keine (Hananias, Rufina) oder kaum (Sapphira) Redezeit. Ihr Verhalten wird nicht erläutert. Der jeweils wissende Apostel, Paulus hier, Petrus dort, dominiert die Szene und verweist auf das Handeln Satans am »Herzen« der zu strafenden Übertreter der Gruppennorm. Gattungsgemäß steht die Furcht der Zeugen am Ende des Strafvollzuges. Über Apg 5 hinaus verweisen die Acta Petri ausführlich auf die Möglichkeit der Buße; offenbar liegt hier die Botschaft des Autors an die intendierten Rezipienten. Paulus’ Ankündigung, der Satan werde Rufina niederstrecken, dürfte eine weitere konkrete textuelle Wiederaufnahme zugrunde liegen. Satan in der Rolle des Strafvollstreckers ist zwar ein weiter verbreitetes Motiv (Vouaux 1922, 235 verweist auf Mt 25,41), doch dass Satan gerade bei einem Vergehen gegen die sexuelle Gruppennorm die Strafe am Übertreter vollzieht, hat seine direkte Parallele bei Paulus. Dieser verlangt, dass der Schuldige »dem Satan überantwortet« wird »zum Verderben des Fleisches« (1 Kor 5,5). Was der historische Paulus den Korinthern schreibt, spricht der Paulus der Actus Vercellenses Rufina gegenüber direkt aus. Anders als im Corpus Pastorale (1 Tim 1,20) wird 1 Kor 5 in der Rufinaepisode nicht mittels wörtlicher Anklänge rezipiert, sondern als narratives Enactment (so A. Merz, mündlich). In der Mahlszene zeigen sich verschiedene frühchristliche Traditionen. Die Kultterminologie in den Begriffen »Opfermahl« (sacrificium) und »Altar Gottes« (altarium Dei) charakterisiert die Mahlfeier als Akt der kultischen Verehrung Gottes. Die Vorstellung der Mahlfeier als Opfer ist womöglich in der Didache (Did 14,3) belegt; allerdings dominiert hier die Deutung eines an moralischen Normen orientierten Lebenswandels als Selbstopfer (vgl. Bradshaw 2004, 39-42.79). Moralische Implikationen oder Voraussetzungen der Teilnahme am Mahl kennt das frühe Christentum bereits seit Paulus (1 Kor 11,27-29; 1 Kor 5,11); die Rufinaerzählung kann als deren szenische Umsetzung gesehen werden (vgl. Vouaux 1922, 46f.) mit der Absicht, die eigene theologische Zielrichtung durch Rekurs auf die Tradition als in deren Linie liegend darzustellen. Auch andere Züge der Mahlszene entsprechen gängiger Praxis: Die Bezeichnung eucharistia für das Mahl ist seit Ignatius (IgnPhld 4) eine der gebräuchlichen; die Darbringung (offerre) von Brot und Trank an 597

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den Gemeindevorsteher und dessen anschließendes Dankgebet beschreibt erstmalig Justin (1 apol. 65,3). Überhaupt gehört ein Dank- oder Segensgebet zu jeglicher Form von Eucharistiefeier, so unterschiedlich sie auch sonst gewesen sein mögen (McGowan 1999, 12). Die Darreichung von Brot und Wasser statt Brot und Wein ist außer in den Apostelakten auch sonst zuweilen in den ersten Jahrhunderten als Form der Eucharistie bezeugt, vor allem für Syrien und Kleinasien: oft, aber nicht ausschließlich für Gruppen, die als nicht orthodox galten (vgl. McGowan 1999).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Ein erster Deutungshorizont ergibt sich aus dem »Vergehen« der Rufina, ihrem Verstoß gegen die Normen der »Keuschheit« (ἁγνεία hagneia, ActPetr 33). Im Sinne der Acta Petri und anderer Apostelakten bezeichnet »Keuschheit« konkret die Forderung, mit der Zuwendung zum Glauben und dem Zutritt zur Gemeinde als unpassend empfundene sexuelle Beziehungen zu beenden. Dies betrifft sowohl den Konkubinat (ActPetr 33) als auch die Ehe (ActPetr 34) mit Ungläubigen. Meist sind es gläubig gewordene Frauen, die die Trennung vornehmen. Für sie kann die Zuwendung zu Glauben und »Keuschheit« einen Autonomiegewinn bedeuten, einen Ausbruch aus der ihnen traditionell zugewiesenen Rolle in einer patriarchalisch strukturierten Gesellschaft (vgl. Burrus 1986). Dieser positiven Deutung der neuen Normen für sexuelle Beziehungen steht die Rufinaerzählung komplementär gegenüber. Das Ende ungeeigneter Lebensbeziehungen ist nicht nur Chance, es ist Voraussetzung für die volle Zugehörigkeit zur Gemeinschaft. Dem Verlust der »Keuschheit« ist Krankheit oder Tod vorzuziehen (vgl. Bremmer 1998b, 3). Eine Frau, die den »Keuschheits«-Normen nicht genügt, kommt zwar als Spenderin für karitative Zwecke in Frage (ActPetr 30), zur Mahlfeier kann sie jedoch nicht zugelassen werden (ActPetr 2; Misset-Van de Weg 1998, 104f.). Rufina ist eine narrative Illustration dieser Botschaft, ein Negativbeispiel, anhand dessen die moralischen Normen der Acta Petri aufgezeigt werden. Vermutlich verdankt sie allein dieser Funktion ihre Existenz. Sollte aber doch eine Reminiszenz an eine historische Persönlichkeit vorliegen, so ist diese Person degradiert zum Predigtbeispiel. Einen weiteren Zugang zum Text bietet das Thema »Buße«. Paulus stellt Rufina diese Möglichkeit vor Augen, doch bleibt offen, ob Rufina sie ergriffen hat. Diese narrative Leerstelle bezieht den Leser in die Entscheidung zur Buße ein. Sollte er sich zur Buße und zum Bruch mit dem althergebrachten Normen der nichtchristlichen Gesellschaft (»eure früheren Werke und die der Tradition eurer Väter«) entscheiden, so darf er sich in der Schar der Jungbekehrten sehen, denen Paulus die Vergebung zuspricht. Damit ist implizit gesagt, dass die Rufinaepisode auch als Illustration eines Normenkonflikts gelesen werden kann. Die Ideale der christlichen Gemeinschaft der Actus Vercellenses in Bezug auf Beziehung und Sexualität sind eine unversöhnbare Alternative zu den in der Gesellschaft geltenden Normen für Ehe und Konkubinat. Sie tragen somit ein Konfliktpotential in sich, das nicht nur die Gemeinschaft in 598

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diesem Punkt aus der Gesellschaft herauslöst, sondern den Einzelnen unweigerlich vor die Entscheidung für entweder die eine oder die andere Lebensweise stellt. Liest man schließlich die Rufinaepisode auf der Folie der kanonischen Notizen in den Paulus- und Pastoralbriefen, wo jeweils Männer dem Satan zur Bestrafung übergeben werden, so wächst Rufina die Rolle eines weiblichen Gegenbildes zu. Wie Männer werden auch Frauen vom Satan bestraft, wenn sie sich nicht den sexuellen Normen der christlichen Gemeinschaft unterwerfen, so wäre eine mögliche, die Geschlechterrollen egalisierende Lesart. Während jedoch der pastorale Paulus erzählt, er habe Hymenäus und Alexander tatsächlich dem Satan zur Bestrafung übergeben, und der historische Paulus den Korinthern seinen Beschluss mitteilt, dies zu tun, wobei es dem Leser überlassen bleibt, sich selbst ein Bild von der Art und Weise dieses Vorgangs zu machen, wird diese Leerstelle bei Rufina narrativ mit einer anschaulichen Beschreibung der Straflähmung gefüllt.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Das Nachleben Rufinas entspricht ihrem literarischen Leben in den Acta Petri, es ist eine Geschichte des Desinteresses an ihrer Person. Ende des 4. Jh. entsteht die Vita des Aberkios, eines Bischofs von Hierapolis aus dem 2. Jh. Diese machte ausgiebig Gebrauch von Textpassagen aus dem zweiten Kapitel der Acta Petri (vgl. Baldwin 2005, 197-241; Nissen 1908). Rufina selbst wird darin nicht erwähnt, nur die angstvolle Frage der Anwesenden nach der Vergebung ihrer früheren Sünden und Teile aus der anschließenden Predigt des Paulus erhalten in teilweise wörtlicher Übereinstimmung mit der heute verlorenen griechischen Vorlage der Actus Vercellenses ein zweites Zuhause. Sie schildern nunmehr die Reaktion auf drei Exorzismen durch Aberkios und werden Teil von dessen Predigt. Die katholische Tradition kennt mehrere Märtyrerinnen mit dem Namen Rufina. So sollen in Rom um 260 n. Chr. eine Rufina und eine Secunda den Märtyrertod erlitten haben, in Sevilla ebenfalls im 3. Jh. eine Justa und eine Rufina und im heutigen Serbien um 400 n. Chr. Rufina von Sirmium, um nur einige zu nennen. Im Gedenken Roms lebt v.a. die römische Rufina zusammen mit ihrer Schwester Secunda fort. Im Baptisterium von San Giovanni in Laterano ist den Schwestern eine Kapelle geweiht, und in Trastevere erhebt sich über deren angeblichem Elternhaus die Chiesa delle Sante Rufina e Seconda. Für die Rufina aus den Petrusakten blieb offenbar daneben kein Raum im kollektiven Gedächtnis. Dass jemand sie mit einer der Märtyrerinnen in Verbindung gebracht und damit die Erzählung der Actus Vercellenses um ihre Bekehrung ergänzt haben könnte, ist eine reizvolle Denkmöglichkeit, für die ich allerdings keinen Beleg finden konnte. Rufinas Demütigung erstreckt sich bis in die wissenschaftliche Literatur des 21. Jh., wo sie in einer der neusten Monographien zu den Actus Vercellenses als Rufilla auftaucht (vgl. Baldwin 2005, 200). Martin G. Ruf 599

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Literatur zum Weiterlesen J. N. Bremmer, Aspects of the Acts of Peter. Women, Magic, Place and Date, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, SAAA 3, Leuven 1998b, 1-20. S. Davies, The Revolt of the Widows. The Social World of the Apocryphal Acts, Carbondale/ London 1980. A. McGowan, Ascetic Eucharists, Food and Drink in Early Christian Ritual Meals, Oxford 1999.

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»Die Stadt ist zu klein für uns beide!« (Wunder des Petrus und Zauberei Simons) ActPetr 4-15 (9) Als Petrus dies mit großem Schmerz seiner Seele sprach, wurden weit mehr, die an den Herrn glaubten, hinzugefügt. Die Brüder aber baten den Petrus, dass er sich mit Simon in einen Kampf einlassen möge und ihm nicht zugestehe, dass er noch länger das Volk aufhetze. Als Petrus unverzüglich die Versammlung verließ, ging er zum Hause des Marcellus, wo Simon wohnte. Es folgten ihm aber große Volksmengen. Als er aber zur Tür kam, rief er den Türhüter und sprach zu ihm: »Geh, sag dem Simon: ›Petrus, um dessen willen du aus Judäa geflohen bist, erwartet dich an der Tür.‹« Der Türhüter antwortete dem Petrus: »Ob du Petrus bist, weiß ich nicht, Herr. Ich habe aber einen Befehl: Er erfuhr nämlich, dass du gestern in die Stadt gekommen bist; da sagte er mir: ›Sei es bei Tag oder bei Nacht, und zu welcher Stunde er auch kommen sollte, sag, dass ich nicht drinnen bin.‹« Petrus aber sagte zu dem Jüngling: »Du hast gut gesprochen, dass du das verkündigt hast, von ihm gezwungen.« Und als Petrus sich zum Volk wandte, das ihm folgte, sprach er: »Ihr werdet ein großes und wunderbares Zeichen sehen.« Und als Petrus hinter sich schaute, sah er einen großen Hund, der an einer großen Kette gebunden war, ging auf ihn zu und band ihn los. Als aber der Hund losgebunden war, nahm er menschliche Stimme an und sprach zu Petrus: »Was befiehlst du mir zu tun, du Diener des unaussprechlichen, lebendigen Gottes?« Petrus sprach zu ihm: »Geh hinein und sag dem Simon inmitten seiner Gesellschaft: ›Petrus sagt dir: Komm hervor in die Öffentlichkeit; du bist der Grund, dass ich nach Rom gekommen bin, du Unsittlicher und Aufwiegler schlichter Seelen.‹« Und auf der Stelle rannte der Hund los und ging hinein, machte einen Ansturm in die Mitte derer, die um Simon versammelt waren, erhob seine Vorderfüße und rief mit einer lauten Stimme: »Du Simon, Petrus, der Diener Christi, der an der Tür steht, sagt dir: ›Komm hervor in die Öffentlichkeit; deinetwegen bin ich nach Rom gekommen, du Unsittlichster und Aufwiegler schlichter Seelen.‹« Als Simon das hörte und die unglaubliche Erscheinung sah, verschlug es ihm die Worte, mit denen er die Umstehenden verführt hatte; alle (aber) staunten. […] (11) Das sagte Petrus und umarmte den Marcellus, (dann) wandte Petrus sich der Menge zu, die bei ihm stand, und sah in der Menge einen lächeln; in dem war ein sehr liederlicher Dämon. Zu dem sprach Petrus: »Wer auch immer du bist, der du gelacht hast, zeige dich offen allen Umstehenden!« Nachdem der Jüngling dieses gehört hatte, stürzte er 601

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in die Vorhalle des Hauses und rief mit lauter Stimme, schlug gegen die Wand und sagte: »Petrus, es herrscht ein gewaltiger Streit zwischen Simon und dem Hund, den du geschickt hast: denn (dieser) Simon sagt zu dem Hund: ›Streite ab, dass ich hier bin!‹ Diesem aber sagt der Hund noch mehr, als du ihm befohlen hast. Und nachdem er die geheimnisvolle Sache, die du ihm verordnet hast, erledigt haben wird, wird er vor deinen Füßen sterben.« Petrus aber sprach: »Und du nun, was auch immer du für ein Dämon bist, im Namen unseres Herrn Jesu Christi fahre aus dem Jüngling heraus, ohne ihm zu schaden; zeige dich allen Umstehenden.« Als der Jüngling das gehört hatte, fuhr er aus, wobei er eine große Marmorstatue, die in der Vorhalle des Hauses stand, ergriff, und er zertrümmerte sie mit Fußtritten. Es war nämlich eine Statue des Kaisers. Als Marcellus das sah, schlug er sich an die Stirn und sprach zu Petrus: »Ein großes Verbrechen ist geschehen; denn wenn das der Kaiser durch irgendeinen der Spione erfährt, wird er uns schwer bestrafen.« Petrus aber sagte zu ihm: »Ich sehe, dass du nicht so bist wie vor kurzem; du sagtest nämlich, dass du bereit bist, deinen ganzen Besitz hergeben zu wollen, auf dass du deine Seele rettest. Aber wenn du wahrlich Buße tust und aus ganzem Herzen an Christus glaubst, so fange das herabspringende Wasser mit deinen Händen auf und bete zum Herrn und sprenge es in seinem Namen über die Bruchstücke der Statue, und sie wird unversehrt sein, wie zuvor.« Marcellus aber zweifelte nicht, sondern glaubte aus ganzem Herzen und, bevor er das Wasser mit seinen Händen auffing, sprach er, den Blick zum Himmel gerichtet: »Ich glaube an dich, Herr Jesus Christus. Denn von deinem Apostel Petrus werde ich gerügt, dass ich nicht recht an deinen heiligen Namen glaube. Darum nehme ich das Wasser in meine Hände auf und in deinem Namen besprenge ich jene Steine, damit die Statue wieder unversehrt werde, wie sie vorher war. Wenn es also, Herr, dein Wille ist, dass ich im Körper bleibe und ich nicht irgendetwas vom Kaiser erleide, so möge dieser Stein wieder heil werden, wie er vorher war.« Und er sprengte Wasser über die Steine, und die Statue wurde wieder heil. Petrus war daher stolz, dass er nicht zweifelte beim Gebet an den Herrn, aber auch Marcellus wurde im Geiste erhoben, weil dieses erste Wunder unter seinen Händen geschehen war. Er glaubte daher aus seinem ganzen Herzen an den Namen Jesu Christi, des Sohnes Gottes, durch den alle unmöglichen Dinge möglich. […] (13) Petrus aber drehte sich um, sah einen Räucherfisch an einem Fenster hängen, ergriff ihn und sagte zum Volk: »Wenn ihr nun diesen im Wasser wie einen Fisch schwimmen seht, werdet ihr dann an den glauben, den ich predige?« Jene aber sagten einträchtig: »Wahrlich, wir werden dir glauben!« Weil dann ein Fischteich (zum Schwimmen?) [pisciniae adiacenti natatoriae] danebenlag, so sagte er nun: »In dei602

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»Die Stadt ist zu klein für uns beide!« ActPetr 4-15

nem Namen, Jesus Christus, an den bis jetzt nicht geglaubt wird, werde vor Augen all dieser hier lebendig und schwimme wie ein Fisch!« Und er warf den Räucherfisch in den Teich, und er lebte und er fing an, zu schwimmen. Als aber die Menge sah, dass der Fisch schwamm, machte er, damit nicht gesagt würde, es sei ein Trugbild, dass er nicht nur zur selben Stunde, sondern noch länger schwamm, so dass er von überall Scharen anlockte und zeigte, dass der Räucherfisch ein richtiger Fisch geworden war; und (es ging) so weit, dass mancher aus dem Volk ihm Brot zuwarf, und sie (alle) sahen ihn ganz. Als sie das sahen, folgten ihm sehr viele und glaubten an den Herrn, und sie kamen Tag und Nacht im Hause des Presbyters Narcissus zusammen. Petrus erörterte ihnen die prophetischen Schriften und die Dinge, die unser Herr Jesus Christus vollbracht hatte in Wort und Taten. […] (15) Es wurde aber dem Petrus gemeldet, dass Simon dieses gesagt hätte. Petrus schickte zu ihm eine Frau mit einem Säugling und sagte zu ihr: »Geh schnell hinab, und du wirst jemanden sehen, der mich sucht. Du bist es allerdings nicht, die ihm antworten soll; vielmehr bewahre Schweigen und höre, was das Kind, das du hältst, zu ihm spricht.« Die Frau ging also hinab. Das Kind aber, das sie säugte, war sieben Monate alt. Und es nahm eine männliche Stimme an und sprach zu Simon:»O du Abscheulicher vor Gott und den Menschen, du Vernichter der Wahrheit und der Verderbnis schlimmster Same, du unfruchtbare Frucht der Natur! Aber nur für eine sehr kurze Zeit sollst du dich zeigen, und dann erwartet dich eine ewige Strafe. Von einem schamlosen Vater stammst du ab, der du niemals dem Guten, sondern in Gift Wurzeln treibst, ungläubiger Nachkomme und von aller Hoffnung Verlassener: Obwohl ein Hund dich widerlegte, hat es dich nicht erschüttert; nun werde ich, ein Kind, von Gott gezwungen, zu reden, und du wirst auch jetzt noch nicht rot vor Scham. Aber auch, wenn du nicht willst, wird am kommenden Sabbat ein anderer dich auf das Julische Forum bringen, damit bewiesen wird, was in dir ist. Gehe daher aus der Tür hinaus, an der Spuren der Heiligen erhalten sind. Denn nunmehr wirst du keine unschuldigen Seelen verderben, die du zugrunde gerichtet und irre gemacht hast an Christus. Darum wird sich deine ganz schlechte Natur zeigen und deine List wird vernichtet werden. Jetzt aber sage ich dir das letzte Wort: Jesus Christus sagt dir: ›Verstumme unter dem Zwang meines Namens und verlasse Rom bis zum kommenden Sabbat.‹« Unmittelbar darauf aber verstummte er, und gezwungen verließ er Rom bis zum Sabbat und er blieb in einem Stall. Die Frau kehrte mit ihrem Kind zu Petrus zurück und berichtete ihm und den übrigen Brüdern, was das Kind zu Simon gesagt hatte. Aber jene priesen den Herrn, der dies den Menschen offengelegt hatte. […]. Übersetzung in Auszügen, überarbeitet, nach Schneemelcher 1997b, 267-271.

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

Sprachlich-narratologische Analyse Kontext: Die im vorgenannten übersetzten Wundererzählungen stehen in einem breiteren narrativen Zusammenhang (ActPetr 4-15), der im Folgenden paraphrasiert wiedergegeben wird. In diesem Abschnitt der Acta Petri treten zwei bekannte Gestalten auf, die uns aus weiteren Texten des frühen Christentums bekannt sind: zum einen der Apostel Petrus, zum anderen der Magier Simon, mit dem die Leser dieses Textes bereits durch Apg 8,9-24 vertraut sind. Alleine durch das Auftreten dieser Figuren dürfte beim Leser bereits eine erste Reaktion hervorgerufen werden: Denn aus den biblischen Texten (etwa Mt 16,13-20 u.v.a.) kennen die Leser natürlich die Gestalt des Petrus als hervorragenden Jünger Jesu und dürften somit positive Assoziationen mit ihm verbinden. Simon der Magier hingegen kommt in den biblischen Geschichten zwar nur einmal vor, hier jedoch eindeutig schon mit einer gewissen negativen Konnotation. Denn dort versucht der in Samaria als Zauberer wirkende Simon, den ihm hier begegnenden Aposteln die Kraft, Wunder zu wirken, abzukaufen. Dieses Ansinnen Simons wird von Petrus scharf abgelehnt und Simon leistet reumütig Abbitte (Apg 8,18-24). Die Ereignisse ab ActPetr 4 bieten also gewissermaßen die Fortsetzung jener Ereignisse, die in der Apostelgeschichte ihren Anfang genommen haben: Nun entsteht in der Gemeinde in Rom eine Unruhe durch die Ankunft des Zauberers Simon. Dieser tritt in Rom mit geradezu epiphanen Elementen auf – er lässt sich »Kraft Gottes« nennen (vgl. Apg 8,9f.; vgl. auch Klauck 1996, 24-28; Derrett 1982, 5268 und Eckey 2011, 250-266) – und erscheint feuerstrahlend mit einer Wolke. Die Akklamationen durch das Volk und die imposante Erscheinung verunsichern die in Rom wohnenden Brüder, zumal christliche Autoritäten (Paulus, Timotheus oder Barnabas) nicht anwesend sind. Daraufhin wenden sich erste Gemeindemitglieder vom christlichen Glauben ab und Simon zu. Neben dieser Anfechtung wird zugleich das Wirken Pauli nun durch seine Gegner auch als Zauberei interpretiert. Dass ausgerechnet die Anhänger Simons Paulus der Zauberei und Gaukelei bezichtigen, erinnert an den Vorwurf der Gegner Jesu in Lk 11,14-23, er treibe Dämonen mit dem Beelzebul aus (vgl. dazu auch Garrett 1989, 43-46 und Ingram 2007, 65f.). Entsprechend wird hier bereits thematisch ein Konflikt zwischen Zauberei und Wundertätigkeit eingeleitet. Auf die mit dem christlichen Glauben offensichtlich konkurrierende Gefahr, die von Simon bzw. dem Abfall von Gemeindegliedern vom christlichen Glauben ausgeht, reagieren die römischen Christen mit Gebeten für eine schnelle Rückkehr des Paulus, der mittlerweile »nach Spanien« abgereist ist (ActPetr 4). Die Gebete der Gemeinde werden von Gott schnell beantwortet, allerdings ist es nicht Paulus, sondern Petrus, der von Gott auf den Weg nach Rom geschickt wird. Dieser bekommt den Auftrag, den zuvor schon von ihm besiegten und als Zauberer entlarvten Simon, der nunmehr als mit der »Kraft Satans« ausgestattet gilt, erneut in Rom zu bezwingen. Schon auf dem Weg nach Rom ereignen sich erste wunderähnliche Phänomene: Theon, der Kapitän des Schiffes, mit dem Petrus reist, wird des Nachts durch eine göttliche Stimme über die Bedeutung des Petrus informiert. Während einer Wind604

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»Die Stadt ist zu klein für uns beide!« ActPetr 4-15

stille, die die Weiterfahrt nach Rom verhindert, wird Theon von Petrus getauft und nimmt anschließend an einem eucharistischen Mahl teil. Sofort danach kommen wieder günstige Winde auf und die Fahrt nach Rom kann fortgesetzt werden (ActPetr 5). Nach Ankunft verbreitet sich die Kunde vom Eintreffen des Petrus schnell (ActPetr 6). Eine große Menge kommt zusammen, um Petrus zu sehen. Dieser redet den Versammelten zu, den Versuchungen des Teufels nicht nachzugeben. Dabei versucht er, die Macht von Versuchungen angesichts des erlösenden Handelns Christi zu relativieren (u.a. durch den Hinweis auf Christi Sendung in die Welt, analog zu Joh 3,17), wobei er auch seine eigenen Schwächen einräumt (vgl. seine Verleugnung Christi in Mk 14,66-72 par.). Dabei beschreibt er sich als »von schlechten Hunden umgeben« (vgl. Ps 21,17LXX). Ferner will er die Vollmacht Christi auch durch die Erwähnung von »Zeichen und Wundern« betonen, bei denen Petrus selbst (vgl. Mt 14,22-33) teilweise zugegen war (ActPetr 7). Petrus wird nun gebeten, Simon zu überwinden, der mit seinen Zaubereien auch den Senator Marcellus dazu gebracht hat, sich von seinem christlichen Glauben abzuwenden. Petrus sieht hierin die Kräfte des Teufels am Werk, die zuvor schon Judas zum Verrat bewegten (vgl. Lk 22,3) und die Herzen des Pharao (vgl. Ex 4,21-14,8) und Herodes verstockt hatten (ActPetr 8). Unter den Augen einer großen Menge begibt sich Petrus zum Haus des Marcellus, in dem sich auch Simon aufhält. Da er keine Erlaubnis bekommt, das Haus zu betreten, beschließt er, ein Zeichen zu bewirken, und lässt einen Hund mit menschlicher Stimme sprechen und Simon zum Herauskommen auffordern. Simon und die Menge reagieren darauf mit Erstaunen (ActPetr 9). Marcellus wirft sich daraufhin Petrus zu Füßen und bereut seine Taten, dabei bekennt er seine eigene Schuld und gesteht, Simon als Kraft Gottes anerkannt zu haben und ihm eine Statue errichtet zu haben, deren Inschrift diesen als Gott bezeichnet. Petrus bittet daraufhin den Herrn, Marcellus wieder in Gnaden aufzunehmen (ActPetr 10). Als Petrus sich der Menge wieder zuwendet, erkennt er, dass ein junger Mann von einem Dämon besessen ist. Nachdem er diesen Dämon im Namen Jesu Christi exorziert hat, fährt dieser aus dem jungen Mann aus und zerstört dabei eine Statue des Kaisers. Marcellus ist hierüber entsetzt, weil er die Strafe des Kaisers befürchtet; doch Petrus redet ihm zu, Buße für seine Vergehen zu tun und zum Herrn zu beten, dann würde die Statue wieder durch Übergießen mit Wasser ganz werden. Als Marcellus dann inbrünstig betet und Gott um Gnade bittet und darauf frei von jeglichem Zweifel die Statue mit Wasser besprenkelt, wird diese tatsächlich wieder heil (ActPetr 11). Währenddessen unterhält sich Simon im Haus des Marcellus mit dem Hund und will diesen mitteilen lassen, dass er nicht anwesend sei. Der Hund teilt Simon mit, dass seine Antwort sinnlos sei und dass er gegen Petrus machtlos wäre und er als Feind Christi sogar »im ewigen Feuer geprüft« werde. Anschließend berichtet der Hund Petrus von Simons Antwort und prophezeit den Sieg des Petrus über Simon nach einem schweren Kampf, bevor er verstirbt. Petrus wird von der Menge aufgefordert, Zeichen zu zeigen, denn nur wegen der Zeichen des Simon sei man diesem gefolgt (ActPetr 12). 605

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

Petrus nimmt einen geräucherten Fisch (lat. sarda; möglicherweise eine Anspielung auf Petrus als Menschenfischer, vgl. Lk 5,1-11) und lässt diesen nach Anrufung Christi in einem Teich schwimmen. Der Fisch erweist sich dadurch, dass Petrus ihn lange schwimmen lässt und dass er sogar zugeworfenes Brot isst (vgl. zum Essen als Erweis der Lebendigkeit Lk 24,41-43), als tatsächlich wieder lebendig. Durch diese Wundertat überzeugt, lässt sich eine große Menge von Petrus unterrichten, was Jesus tat und lehrte (ActPetr 13). Marcellus wird durch die Zeichen des Petrus gestärkt und lässt daraufhin Simon aus seinem Haus werfen; die Haussklaven nehmen dabei Rache an Simon und verprügeln ihn, da sie lange durch seine Zauber gebunden waren; Simon lässt Petrus nun ausrichten, dass er bereit sei, ihm zu begegnen (ActPetr 14). Petrus bittet eine Frau mit einem Säugling auf dem Arm, Simon aufzusuchen, dabei aber zu schweigen. Die Frau tut, worum Petrus sie bittet. Als sie Simon findet, spricht der Säugling zu ihm, dass er viel Unrecht getan habe und nun im Namen Christi verstummen solle bis zum folgenden Sabbat. Simon verstummt tatsächlich, die Frau aber kehrt zu Petrus zurück und berichtet von diesen Ereignissen (ActPetr 15). Narratologische Analyse: Sprachlich und narrativ ist der Bericht von der Ankunft des Simon und des Petrus in Rom und ihre erste Auseinandersetzung konsequent gestaltet: Denn auf inhaltlich-narrativer Ebene wird der Konflikt zwischen Simon und Petrus weitergeführt, der sich bereits im den Lesern dieses Textes bekannten Kontext der Begegnung Simons mit den Aposteln in der Apostelgeschichte angedeutet hat. Jedoch steht hier nicht eine Unkenntnis der Taten der Apostel seitens Simons im Vordergrund. Vielmehr sind Simon und Petrus nun mit der Kraft ihres jeweiligen Gegners bereits etwas vertraut. Anspielungen darauf finden sich innerhalb von ActPetr 4-15 entsprechend häufig. Besonders zeigt sich die Ablehnung des Simon in dem Vorwurf, dass er Apostel und andere Christen mit seinen Taten zur Abkehr von Christus bewegen wolle (vgl. ActPetr 12 und 14). Insgesamt zeigt sich aber der ganze Kontrast von Simon und Petrus schon vollständig in der narrativen Gestaltung dieses Textabschnitts. Besonders auffällig ist die große Anzahl an wundersamen Ereignissen, die in der Gegenwart des Petrus stattfinden: − − − − − − − −

Sendung des Petrus nach Rom nach dem Gebet der dortigen Gemeinde (ActPetr 4-5) Offenbarung des Petrus an Theon und dessen Taufe sowie die Erscheinung eines Jünglings und Aufkommen von Wind zur Fortsetzung der Reise (ActPetr 5) Petrus lässt einen Hund sprechen (ActPetr 9 und 12) Exorzismus des Dämons und Instandsetzung der Statue (ActPetr 11) Prophezeiung des Hundes (ActPetr 12) Wiederbelebung des Fisches (ActPetr 13) Lösung des Bannes der Haussklaven (ActPetr 14) Prophezeiung des Säuglings und Verstummen des Simon (ActPetr 15).

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»Die Stadt ist zu klein für uns beide!« ActPetr 4-15

Bei der Sendung des Petrus nach Rom und der Epiphanie nach der Taufe handelt es sich in diesem Zusammenhang nicht um Wundererzählungen. Dennoch sind diese Ereignisse im Zusammenhang mit den nachfolgend geschilderten Wundern in ihrer Bedeutung wichtig, da sie im narrativen Verlauf des Berichts das korrekte Handeln des Petrus und der Gemeinde in Rom demonstrieren. Denn die wundersamen Geschehnisse schließen direkt an Gebete bzw. Eucharistie- (im Gegensatz zur unwürdigen Einnahme des Herrenmahls in ActPetr 2) und Taufhandlung an. Entsprechend wird also hier bereits dem Leser ein in jeder Hinsicht positiv dargestelltes »kultisch einwandfreies« Verhalten vor Augen gestellt, das ganz im Gegensatz zu den magischen Handlungen des Simon zu verstehen ist. Dass es sich bei einigen Wunderdarstellungen innerhalb von ActPetr 4-15 tatsächlich um Wundererzählungen handelt, ist kaum zu bestreiten, denn die meisten Episoden, die die wunderhaften Aktivitäten des Petrus beschreiben, entsprechen quasi ausnahmslos dem Aufbau frühchristlicher Wundererzählungen (vgl. Zimmermann 2013a, 32). Im Sinne dieses Aufbaus sind das Sprechen des Hundes (ActPetr 9), das Instandsetzen der Statue (ActPetr 11), die Wiederbelebung des Fisches (ActPetr 13) und das Sprechen des Säuglings (ActPetr 15) eindeutig als Wundererzählungen zu verstehen. ActPetr

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Mehrgliedrige Erzählstruktur

11

13

15

a) Ankündigung a) Auffordeb) Durchführung rung c) Wirkung b) Durchführung c) Wirkung

a) Zeichenforderung b) Durchführung und Beweis c) Wirkung

a) Provokation b) Ankündigung und Durchführung c) Wirkung

Handlung an

Hund

Statue

Fisch

Säugling bzw. Simon

Wirkung durch

nicht spezifiziert

Besprenkeln mit Wasser

Berühren

Befehl

Veränderung

Hund spricht

Statue repariert

Fisch lebt

Säugling spricht

Bezug zu Gott

explizit durch Hund

Gebet zu Christus

Anrufung Christi

Bezug auf Christus

Erkenntnis bzw. Verhaltensänderung

Staunen und Sprachlosigkeit Simons

Erstarken des Glaubens

Nachfolge

Verstummen Simons und Lobpreis der Christen

Tab. 5: Wundererzählungen in den ActPetr 9-15 nach Gattungskriterien

In ActPetr 9 kündigt Petrus ein wunderbares Zeichen an, bevor er dann dem Hund befiehlt, Simon seine Botschaft mitzuteilen Das Sprechen des Hundes (der Petrus als Diener Gottes bezeichnet) bewirkt, dass es Simon die Sprache verschlägt; die Umherstehenden versetzt das Sprechen des Hundes in Staunen. Sehr ähnlich verläuft die Darstellung vom Wunder des sprechenden Säuglings, denn auch hier will 607

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Petrus nach der massiven Provokation durch Simon selbst ein Zeichen setzen. Auch der Säugling bezieht sich in seiner Ansprache an Simon auf Christus und Simon verstummt. Anstatt des Staunens der Menge wird hier der Herr gepriesen. Beim Wunder der Instandsetzung der Statue (ActPetr 11) wird das Zerbrechen der Statue durch den exorzierten Dämon ausführlich als Bedrohungssituation für Marcellus beschrieben (da es sich bei der Statue um eine Abbildung des Kaisers handelt, dem das Zerbrechen seines Bildes missfallen würde). Unter Anleitung des Petrus betet Marcellus zu Christus, und durch das anschließende Besprenkeln der Statue mit Wasser (das an die Taufe erinnert, vgl. Klauck 2005, 103) wird diese offensichtlich wieder heil. Der Erfolg des Wunders zeigt sich auch darin, dass Petrus stolz auf Marcellus ist, während Marcellus selbst im Glauben an Christus gestärkt wird. Auch das Wiederbeleben des Fisches (ActPetr 13) hat eine glaubensfördernde Wirkung, wobei hier von den Bürgern Roms auch ein Zeichen gefordert wird. Die Durchführung des Wunders wird hier allerdings nur sehr knapp umrissen, während die Wirksamkeit bzw. Wirklichkeit im Gegensatz dazu recht genau beschrieben wird, da die Tatsache, dass der Fisch tatsächlich wieder lebt, sehr betont erzählt wird. Die Wunder, die Petrus bewirkt, werden allesamt uneingeschränkt positiv bewertet. Die durchgängig gute Beurteilung der petrinischen Wunder zeigt sich darin, dass sie jeweils Gebete beantworten, der Verbreitung des christlichen Glaubens dienen oder den Zweck haben, den eindeutig als Widersacher angesehenen Simon zu bezwingen. Die positive Evaluierung von Wundern erweist sich besonders in den Referenzen zum Namen Jesu oder zu Gott selbst, in deren Namen die Wundertaten bewirkt werden: So bekennt beispielsweise die Menschenmenge, die Zeugen von Simons Taten in Rom sind, zuerst die Taten Jesu und der Apostel, wie Totenauferweckungen und Krankenheilungen (ActPetr 4). Um das Eingreifen Gottes wird dann von den Christen Roms auch gebeten (ActPetr 4), welches sich anschließend durch Gottes Sendung des Petrus manifestiert. Obwohl die Gemeinde um die Rückkehr des Paulus gebeten hatte, ist es Petrus, den Gott selbst durch Nachtgesichte beauftragt, nach Rom zu reisen (ActPetr 5). Ferner widerfährt auf dem Reiseweg Petrus und dem Kapitän des Schiffes, Theon, eine wundersame Erscheinung. Denn während der Windstille wird Theon von Petrus getauft und nach einer anschließenden Eucharistiefeier erscheint ein Jüngling (von Petrus als Jesus gedeutet), und sofort setzen Winde ein, die eine Weiterfahrt des Schiffes ermöglichen (ActPetr 5). Entsprechend wird also das Aufkommen des Windes als legitimes und somit positives Wunderwirken interpretiert. Auch in seiner ersten Predigt in Rom geht Petrus thematisch auf Wunder ein, und zwar auf von Jesus gewirkte Wundertaten. Entsprechend sind die Wunder, die Petrus nun wirken möchte, ebenfalls mit guten Absichten verbunden, denn sie sollen zur Überzeugung der zweifelnden Gemeindeglieder dienen (ActPetr 7). Vor der anstehenden Auseinandersetzung mit Simon wird Petrus zudem ausdrücklich von Gemeindegliedern aus Rom darum gebeten, den Kampf mit Simon aufzunehmen (ActPetr 9). Die Beschreibung der Wunder als göttlich legitimierte Taten zeigt sich dann auch in der Anrede des Petrus durch den Hund, dessen Sprechfähigkeit zuvor wundersam bewirkt wird: Denn der Hund 608

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erkennt die Autorität und bezeichnet Petrus als Diener des unaussprechlichen, lebendigen bzw. wahren Gottes (ActPetr 9 und 12). Diese Autorität wird auch vom ehemals abgefallenen Gemeindemitglied Marcellus anerkannt, denn er erfleht, dass Petrus bei Gott um Gnade für ihn bittet (ActPetr 10). Die anschließenden Wundertaten geschehen ebenfalls eindeutig unter Anrufung Jesu: Der Dämon, der den jungen Mann besessen gemacht hat, wird im Namen Jesu exorziert. Auch die von einem Dämon zerstörte Statue wird – nach Aufforderung von Petrus – von Marcellus unter Anrufung Jesu Christi wieder wundersam zusammengesetzt (ActPetr 11). Weiter zeigt sich die Größe der Wunder des Petrus auch in der Reaktion der Zeugen. So reagieren diejenigen, die die Wunder sehen, damit, dass sie die Wunder des Dieners Gottes als größer anerkennen als die des Simon. Auch das Sprechen des Säuglings, das Petrus vorhersagt, wird durch Lobpreis derer beantwortet, die davon erfahren (ActPetr 15). Zusammenfassend erweist sich also in all diesen Wundern die Wirkmächtigkeit Gottes bzw. Jesu; sie appellieren an die Leserschaft, sich wie die bewundernde Menge auch auf die Seite des Apostels zu stellen. Demgegenüber werden alle Taten Simons eindeutig negativ beschrieben: Zunächst wird von Simon bekannt, dass seinetwegen Unruhen in der römischen Gemeinde entstehen und Gemeindemitglieder ihren Glauben verwerfen. Zum Teil wird er fälschlicherweise sogar mit Christus oder Gott gleichgesetzt. Dies zeigt sich in der Frage, ob er der Christus selbst sei (ActPetr 4), in der Akklamation, er sei in Italien Gott (ActPetr 4), oder in Form der Statue, die Simon, »dem jugendlichen Gott«, errichtet wird (ActPetr 10). Eindeutig wird Simon auch mit dem Satan assoziiert: So wird Simon in der nächtlichen Vision des Petrus bereits als Kraft Satans bezeichnet, durch die die Christen abtrünnig gemacht werden (ActPetr 5). Die Abtrünnigkeit der Brüder erwirkt Simon dabei durch Zauberei (ActPetr 6) als Verführer und Verfolger des Guten (ActPetr 7) sowie als Verderber von Seelen (ActPetr 14; vgl. grundsätzlich zum Magievorwurf als Zeichen der Irreführung auch Garrett 1989, 13-36). Die Beschreibungen der Taten Simons sind entsprechend in pejorativen Schilderungen dargestellt: Marcellus etwa ist nicht aus eigenem Antrieb kurzfristig auf die Seite Simons gewechselt, sondern wurde vielmehr von den Zaubersprüchen des Simon beschwatzt (ActPetr 8). Auch die Dienerschaft des Marcellus hatte Simon verzaubert, doch diese kann sich aus dem Bann des Simon lösen und rächt sich an Simon mit Schlägen (ActPetr 14). Die wirkliche Gefahr, die von Simon ausgeht, beschränkt sich im Textabschnitt ActPetr 4-15 primär darauf, die Christen Roms zu blenden und zu verführen. Ansonsten ist in diesem Abschnitt der Erzählung von Simons Zauberfähigkeiten nicht allzu viel zu erkennen. Er vermag, in einer Staubwolke in Rom zu erscheinen ActPetr 4). Sonst wird von Simon nur erwähnt, dass er nicht weiter bestimmte Wunder gewirkt hat (ActPetr 4 und 12). Den Wundern des Petrus gegenüber scheint er machtlos zu sein; dem sprechenden Hund, vor dem er zunächst sprachlos ist, trägt er sogar auf, seine Anwesenheit zu verleugnen (ActPetr 9 und 12). Die Unterstreichung der eigentlichen Wirkungslosigkeit des Simon kulminiert in der Begegnung 609

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Simons mit der Frau und ihrem Säugling: Der scheinbar schwache Säugling lässt Simon in Christi Namen verstummen (ActPetr 15). Zusammenfassend zeigt dieser Abschnitt der Petrusakten also den Konflikt der römischen Gemeinde in Hinsicht auf ihren Glauben und auf ihre als Handlungsalternativen verstandenen Ideen, besonders der durch Simon gewirkten Zaubereien. Die Beurteilung des Konfliktes fällt dabei eindeutig aus: Die Taten des Petrus werden eindeutig immer positiv und als Wunder interpretiert. Ein auffälliges Detail bei der Darstellung der Wunder und der wundersamen Ereignisse besteht darin, dass diese stets auf göttliche bzw. Jesu Intervention zurückzuführen sind. Sie weisen Gott und seine Bevollmächtigten als in jeder Hinsicht überlegen aus. Zudem erfolgt durch den Hinweis auf Gottes Wirken, das in den meisten Fällen dieser Episode durch Bitte und Gebet erfleht wird, eine unumstrittene Zuweisung des Wundertäters Petrus auf die göttliche Seite (vgl. zur Kontrastierung von Magie und Wundern auch Dalgaard 2013, 169-180 und Ferreiro 2005, 74-80). Die Taten Simons hingegen werden allesamt negativ beurteilt: Generell ist Simon Verführer der christlichen Gemeinde. Seine Kraft, die Christen zu Abtrünnigen zu machen, beruht auch auf seiner Fähigkeit, Zaubereien zu bewirken. Allerdings kann sein Bann, den er auf einige Christen ausübt, in dieser Episode der Acta Petri immer wieder gebrochen werden. Ferner wird Simon so dargestellt, dass er eine echte Konfrontation (zunächst) scheut, da er seine Anwesenheit vom sprechenden Hund verleugnen lassen will und mit Petrus selbst keine Unterhaltung führt. Zudem werden in ActPetr 4-15 die wunderhaft anmutenden bzw. mit Zauberei bewirkten Taten nur sehr kryptisch erzählt. Die Beschreibung der Taten Simons ist innerhalb dieser Episode darauf beschränkt, dass Simon Rom auf beinahe epiphane Weise betritt (denn er erscheint aus einer staubigen Wolke) und dass er die Christenheit der Stadt mit seiner Macht verführen kann. Dies wird vor allem geschildert durch die Macht, die er über Marcellus und seine Dienerschaft hat. Mit Hilfe dieser Darstellung schildert diese Episode einerseits klar die Überlegenheit göttlicher Wunder über widergöttliche Tätigkeiten des Simon, die zugleich als »Zauberei« verworfen werden. Andererseits wird darüber hinaus auch Sympathie- bzw. Antipathiebildung der Leserschaft dieses Textabschnitts gefördert. Naturgemäß werden sich potentiell christliche Leser mit Petrus (und den anderen Aposteln) identifizieren wollen, da die positiv dargestellten Wunder des Petrus eine positive Assoziation erwecken. Unterstützend bei der Lenkung der Leser, sich die Apostel und nicht etwa Figuren wie Simon zum Vorbild zu nehmen, wirkt auch das Verhalten der in diesem Abschnitt handelnden Personen: Denn Simon setzt nicht nur die negativ bewertete Zauberei ein, sondern erscheint darüber hinaus auch sehr feige, da er einer Konfrontation ausweicht und sich sogar verleugnen lässt. Bei Petrus hingegen wird eine positive Identifikation nicht nur erreicht durch die »erlaubten« Wundertaten, die ihn klar auf die Seite Gottes stellen, sondern darüber hinaus zeichnet er sich durch Mut und Entschlossenheit aus, da er sich gerade der Auseinandersetzung mit widergöttlichen Mächten (Simon selbst, aber auch Dämonen) stellt. Auch bei der Auswahl der jeweiligen Klientel von Simon und Petrus zeigt sich 610

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eine negative Bewertung des Simon, denn dieser scheint sich eher den reichen Bürgern verbunden zu fühlen, wie etwa dem reichen Marcellus, während Petrus das Wohl aller Bürger Roms im Auge hat (vgl. Reimer 2002, 193). Die Tendenz unterschiedlicher Bewertungen bei der Darstellung der beiden Hauptfiguren ist auch bei der Schilderung ihres Todes zu beobachten, denn im Gegensatz zum schmachvollen Tod des Simon in ActPetr 32 stirbt Petrus einen würdevollen Märtyrertod in ActPetr 40 (vgl. zur Gegenüberstellung von Simon und Petrus auch Luttikhuisen 1998, 3951). Betrachtet man den eigentlichen Verlauf der Wunder, so stellt sich heraus, dass diese sehr knapp erzählt werden: Sowohl bei den Darstellungen des sprechenden Hundes und des sprechenden Säuglings, als auch beim Exorzismus und der nachfolgenden Instandsetzung der Statue oder der Reanimation des Räucherfisches sind umfangreiche Details einer Beschreibung des jeweiligen Wunders zu entdecken. Dem Hund bzw. der Mutter des Säuglings wird von Petrus lediglich befohlen, was sie zu tun haben. Ähnlich ist auch der Bericht der Ereignisse im Garten des Marcellus gestaltet, denn auch hier wird dem Dämon befohlen, den jungen Mann, den er besessen hält, zu verlassen, bzw. Marcellus wird von Petrus angeleitet, wie (und mit welcher inneren Haltung) er die Statue durch Besprenkeln mit Wasser zu reparieren hat. Ebenso wirkt die Durchführung des wundersam wiederbelebten Fisches sehr gerafft, denn auch hier beschränkt sich die Darstellung des Wunders darauf, dass Petrus dem Fisch befiehlt, wieder lebendig zu sein. Im Gegensatz dazu wird auffällig viel Wert auf die Ausgestaltung wörtlicher Rede gelegt, die sich besonders in der umfangreichen Predigt des Petrus (ActPetr 5) zeigt, aber auch in den Reden des Hundes (ActPetr 9 und vor allem 12) und des Säuglings (ActPetr 15). Der Kontrast zwischen den knapp dargestellten Wundern und den ausführlichen Reden und der damit einhergehenden Divergenz zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit zeigt bereits, worauf es dem Erzähler von ActPetr 4-15 ankommt: Die Wunder unterstreichen letztlich den Inhalt der Aussagen des Petrus, denen somit eine größere Bedeutung in den Petrusakten zukommt, da der Rechtmäßigkeit der Forderungen des Petrus nach Standhaftigkeit im Glauben bzw. der Abkehr von den Werken Simons zurück zum christlichen Glauben durch die Wunder stets Nachdruck verliehen wird. Diese Tendenz zeigt sich besonders in der Episode der zerbrochenen Statue, da hier Petrus Marcellus anleitet, die Statue durch die Kraft seines wiedererweckten Glaubens instand zu setzen. Ähnlich muss auch das Wunder vom wiederbelebten Fisch gedeutet werden, denn das Wunder, das im Namen Christi ausgeführt wird, soll eindeutig zum Glauben führen, da nach Aussage des Petrus »bis jetzt« viele dies noch nicht tun. Dass die Wunder im Rahmen der Erzählung von ActPetr 4-15 eine Rückführung zum christlichen Glauben (und der damit konsequent einhergehenden Abkehr von Simon und seinen Irrlehren) bewirken sollen, zeigt sich auch an jeweils verschiedenen Figurenkonstellationen innerhalb der Wundergeschichten dieses Erzählabschnitts. Bei der Verleihung der Sprachfähigkeit von Hund und Säugling ist eine spezifische Figurenkonstellation nicht einmal vorausgesetzt. Es geht hier le611

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diglich um den Machtbeweis all denjenigen gegenüber, die umherstehen und Zeuge dieses Wunders werden. Weiterer Details zu diesen Zeugen bedarf es hierbei auch nicht. Ähnlich unspezifisch bleiben die Aussagen zu den Zeugen des Wunders vom wiederbelebten Fisch – wir erfahren lediglich, dass immer noch Menschen erhebliche Zweifel an Petrus und Christus haben und allem Anschein nach durch dieses Wunder eines Besseren belehrt werden, was sich besonders darin zeigt, dass viele Zeugen zu Anhängern Christi werden. Bei der Instandsetzung der Statue lässt sich hingegen eine aufschlussreiche Konstellation der handelnden Figuren ersehen. Denn während sonst eindeutig Petrus die alleinige Hauptfigur bei der Ausführung der Wunder in ActPetr 4-11 darstellt, so übernimmt er bei der Episode über die Statue nach dem Exorzismus des Dämons die Rolle eines Anleiters, der Marcellus zeigt, wie die Statue allein durch die Kraft des Glaubens (und das Besprenkeln mit Wasser) wieder zu reparieren ist. Entsprechend repräsentiert Marcellus hier diejenigen, denen Petrus auf narrativer Ebene als positive Leitfigur dient (und spricht somit den Leser selbst an).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Auseinandersetzungen und Konflikte in der römischen Gemeinde werden neben dieser auf rein narrativer Ebene stattfindenden Streitigkeit zwischen Simon und Petrus (als einer Art in Rom erfolgender Fortsetzung des Konfliktes aus der Apostelgeschichte) auch auf einen (zumindest scheinbaren) realgeschichtlichen Boden gestellt. Als bekannte »Tatsache« darf der Aufenthalt des Petrus in Rom gewertet werden, wie er etwa im 1. Petrusbrief (vgl. 1 Petr 5,13) oder bei Irenäus von Lyon (haer. 3,1-3; Dionysius von Korinth, zitiert bei Eus. h.e. 2,25,8) belegt und dann in späteren Texten breit bezeugt wird. Auch die Figur des Simon ist im frühen Christentum nicht nur als purer Gegenspieler der Apostel bekannt, sondern auch dafür, dass er seine falschen Lehren in Rom verbreitet. Für Justin (1 apol. 26; vgl. dial. 120) gilt Simon als Betrüger, der in Rom für seine Magie als falscher Gott verehrt wird. Bei Irenäus (haer. 1,23) wird Simon als Gegner der Apostel (gemäß Apg 8) identifiziert, der (wie zuvor bei Justin) Irrlehren verbreitet und zudem Gründer einer häretischen Sekte ist. Die Verführung des Simon anderer durch Magie zeigt sich sonst auch noch bei Hippolyt (haer. 6,218), in den Pseudo-Klementinen (PsClem R 2,5 und H 2,25) und (in latenter Form) bei Epiphanius (pan. 21; vgl. Haar 2003, 83-131; Lüdemann 1975, 55-104; Busch 2006a, 140-153; Ingram 2007, 31f.). Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die Statue, die Simon errichtet worden ist und diesen als »Gott« ausweisen sollen (ActPetr 10). Denn auch diese Vorstellung begegnet bei Justin (1  apol. 26) und Irenäus (haer. 1,23). Das historische Zutreffen von der Errichtung einer Statue, die Simon Magus als Gottheit verehrt, ist allerdings höchst umstritten. Denn es wurde zwar im 16. Jh. eine Statue auf einer Insel im Tiber entdeckt, jedoch dürfte diese tatsächlich für 612

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die Gottheit Semo Sanctus aufgestellt gewesen sein. Möglicherweise hat die Weiheinschrift dieser Statue zu einer Identifikation von Semo als »Simon« geführt und dessen Darstellung als Verführer, der sich als Gottheit verehren lässt, beeinflusst (vgl. dazu Beyschlag 1974, 11 Anm. 11; Eckey 2011, 260-262; Klauck 2005, 101f.; Lüdemann 1975, 50). Somit erscheint die Vorstellung von der Verehrung Simons in Form einer Statue zwar nicht »historischer Wahrheit« zu entsprechen, reflektiert aber anscheinend sehr wohl ein frühes Missverständnis, das ab Justin zu kursieren scheint und durch die Wahrnehmung seiner Missetaten konsequent auf ihn und seine angeblich verbreiteten Irrlehren bezogen wurde (zu den Acta Petri als »historischem Roman« vgl. sonst Thomas 2003, bes. 101-103). Man könnte versucht sein, in den beiden Statuen, die in den Petrusakten erwähnt werden, auch Anspielungen auf Magie und Trickbetrügereien zu vermuten, die in Bezug auf Simons Täuschereien vielleicht angemessen wären. Tatsächlich spielen Statuen auch in den PGM mitunter eine gewisse Rolle: So wird beispielsweise mit Wachsfiguren versucht, Einfluss auf andere auszuüben (etwa im Liebeszauber PGM IV,296-466) oder bei Defixionen mit durchstochenen Puppen und Statuetten (die gerne fälschlicherweise als »Voodoo-Puppen« bezeichnet werden) andere zu binden (analog zur der Puppe beigebrachten »Verletzungen« und Bindungen; vgl. dazu bes. Graf 1996, 122-133; Ogden 1999, 1-90; ders. 2002, 245-260). In christlichen Texten wird ebenfalls auf solche Defixionspuppen eingegangen, deren lähmende Wirkung dann durch Entfernung der Nägel und Fesseln beseitigt wird (z.B. bei Sophr. nar. mir. 35). In den PGM sind auch andere Bezüge zu Statuen und Figuren zu sehen, wie die Vergöttlichung von Wachsstatuetten für magische Zwecke (PGM IV,3125-3171), die Belebung von Bildern (PGM XII,301-333) oder die Selbstidentifikation eines Betenden (PGM XII,235) bzw. die Identifikation eines Skarabäus (PGM LXI,36) als Abbild der Götter. Zu den »magischen« Betrügereien in Hinsicht auf Statuen gehört auch die Vortäuschung von Sprache oder Taten von Götterstatuen. Bekannt sind solche Schwindeleien etwa durch den Septuagintazusatz zum Danielbuch (Bel), in dem Daniel die Fähigkeit einer Götterstatue, nachts zu essen, als Scharlatanerie der Priester aufdeckt (vgl. dazu auch Wysny 1996, 154), bei Lukian (Alex. 26), der den Betrug einer sprechenden Orakelstatue mit einem Sprachrohr darstellt, oder bei Minucius Felix (Oct. 27), der Orakel von Göttern als Betrug von Priestern entlarvt, die aus hohlen Statuen sprechen. Zahlreiche Zeugnisse zu dieser Form des Betrugs (oder Aberglaubens) sind von der Antike bis ins 19. Jh. auszumachen (vgl. Schmitz 2011, 16-112; vgl. ferner Pekáry 2007, 85-99; Friese 2012, 7-15; Brückner 2013, 181193; Tóth 2012, 99-119; Naether 2010, 52-54). Darüber hinaus waren unzählige Geschichten über »spukende« oder »lebendige« Statuen im Umlauf, wie etwa von Lukian (philops. 18-22), Pausanias (6,11,6), Dion von Prusa (or. 31,95f.), Phlegon von Tralleis (lib. 3), Josephus (Ant. 19,9, eine wunderwirkende Statue; vgl. für einige dieser Belege und weitere Hinweise auch Ebner 2002, 49f.; Tóth 2012, 99-106; Thomas 2010, 72-81) oder die wesentlich spätere Legende vom Golem (vgl. zum Golem und den theologischen Aspekten Idel 2007, 41-71 und Fossum 1985, 241613

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256). Solche »lebendigen Statuen« bzw. die Erschaffung von Lebewesen aus Lehm sind sonst bei christlichen Autoren Privileg Gottes oder – im Falle der von Jesus aus Lehm geschaffenen Vögel im Kindheitsevangelium des Thomas 2 – sonst nur Jesus erlaubt. Zaubereien und Betrügereien mit Statuen entsprechen allerdings nicht dem Bericht von Simon aus ActPetr 4-15 (zu Simon und sprechenden Statuen vgl. auch Simons Rolle in den Legenda Aurea und in den Pseudoklementinen unter »Wirkungsgeschichtliche Aspekte«). Doch weder die Statue des Simon noch die zerbrochene Statue des Kaisers sprechen oder bewegen sich. Die wesentlichen Elemente, die hier demonstriert werden sollen, sind die Anmaßung Simons, sich als Gott verehren zu lassen und die wundersame Instandsetzung der zerbrochenen Kaiserstatue. Dabei wird die Verehrung des Kaisers durch Errichten der Statue überhaupt nicht kritisiert. Wahrscheinlich wird durch die Ehrfurcht dem Kaiser gegenüber lediglich die Notwendigkeit einer Reparatur begründet (zum respektlosen Umgang mit Kaiserstatuen vgl. die Belege bei Klauck 2005, 102). Dass diese Statue zuvor von einem Dämon im Verlaufe des Exorzismus umgeworfen wird, hat allerdings weitere Entsprechungen: Auch von Philostrat (vit. Ap. 4,20) wird berichtet, wie ein Dämon bei einem Exorzismus durch Apollonius von Tyana eine Statue umwirft. In beiden Fällen stellt also das Umwerfen der Statue einen Effekt des Exorzismus dar, der diesen Vorgang den Umherstehenden auch sichtbar vor Augen führt (vgl. ähnlich das Aufstellen eines Gefäßes mit Wasser, das bei Austreibung des Dämons von diesem umgeworfen wird, bei Flav. Jos. Ant. 8,48 und das Einfahren der Dämonen in die Schweineherde und deren Sturz in Mk 5,1-20). Die Fähigkeit Simons, Statuen wandeln zu lassen, ist (neben anderen besonderen Tätigkeiten wie Fliegen oder Gestaltwandel) erst in späteren Texten zu beobachten (s.u.).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Innerhalb der in Acta Petri 4-15 beschriebenen Wunder gibt es zudem weitere Vorstellungen in Form von Anspielungen auf biblische (oder z.T. auf apokryphe) Texte, die ein frühchristlicher Leser aus anderen ihm vertrauten Texten erkennen dürfte. Besonders auffällig ist hier vermutlich die Darstellung des sprechenden Hundes (ActPetr 9 und 12). Während Petrus in ActPetr 7 zuvor noch als »von schlechten Hunden umgeben« (Ps 21,17LXX, vgl. auch die fast grundsätzlich negativ gehaltenen Aussagen zu Hunden in biblischen Texten, wie in 1 Kön 21,19; 22,38; Phil 3,2 und besonders Offb 22,15, wo auffälligerweise Hunden und Zauberern der Zutritt ins Neue Jerusalem verwehrt bleibt) beschrieben wird, wirkt er danach das Wunder, dass ein Hund sprechen kann, und versucht, zwischen ihm und Simon zu vermitteln (vgl. zur Bedeutung des Hundes auch Spittler 2008, 142-145; Klauck 2008e, 116-119; Ferreiro 1998, 45-89). Die Vorstellung, dass Tiere zu Menschen sprechen, erinnert zunächst an den Bericht von Bileam und seiner Eselin aus Num 22,21-33. Denn auch dort spricht die Eselin zu Bileam, der auf seinem Weg Gott nicht wahrzuneh614

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men vermochte, während die Eselin dem Engel Gottes aus dem Weg gehen wollte und dafür von ihrem Herrn geschlagen wird. Während im biblischen Bericht zur Eselin über deren Schicksal nicht weiter berichtet wird, erfährt man über den Hund in den Petrusakten, dass dieser nach Erfüllung seines Auftrags verstirbt (ActPetr 12). In erweiterter Form berichtet auch NumR 20,4, dass Bileams Eselin nach ihrer Rede verstirbt, damit sie nicht zum Objekt einer Verehrung wird (vgl. Spittler 2008, 137). Entsprechend mag die Analogie eines »sprechenden Tieres« eine gewisse Übereinstimmung zwischen Bileam und Simon anzeigen, die beide in ihrer Verblendung Zauberei betreiben, dabei aber die wahre Macht Gottes nicht mehr wahrnehmen können und durch Tiere auf ihre Fehler aufmerksam gemacht werden. Allerdings kann Bileam Gott schließlich sehen und bereut sein Handeln, während Simon nach Darstellung der Petrusakten bei seinen Fehlern bleibt. Entsprechend ist es auch konsequent, dass ausgerechnet Simon als »reißender Wolf« bezeichnet wird (ActPetr 8), während der Hund, der ja im Auftrag des Petrus handelt, nicht negativ bewertet wird. Dass ausgerechnet ein Hund zu Simon spricht, könnte darüber hinaus geradezu als sehr schlechtes Vorzeichen für Simon verstanden werden, da Hunde in den meisten biblischen Erzählungen eher negativ beschrieben werden; eine der wenigen Ausnahmen hierzu stellt vermutlich das Tobitbuch dar. Die Vorstellung von einem sprechenden Hund als Vorboten des Todes begegnet darüber hinaus noch bei der Beschreibung des Todes des römischen Tyrannen Tarquinius Superbus in der Epitome Historiarum des Johannes Zonaras (die allerdings erst im 11. Jh. entsteht). Dort wird dem römischen Tyrannen der Tod prophezeit, wenn er einen Hund in Menschensprache reden hört. Ähnlich wie Simon hört Tarquinius (in seinem Fall nach der Verbannung aus Rom) den Hund sprechen, und er stirbt. Die Darstellung eines sprechenden Hundes im Zusammenhang mit dem Tod des Tarquinius dürfte aber wesentlich älter sein, denn auch Plinius (nat. 8,63) erwähnt diese Vorstellung schon. Entsprechend könnte hier eine ähnliche Vorstellung in den Petrusakten aufgenommen worden sein (vgl. zu sprechenden Tieren auch Spittler 2008, 138-140). Das Wunder des sprechenden Hundes wird in Form des nachfolgenden Wunders eines sprechenden Säuglings latent wiederholt. Eine Vorlage für dieses zweite Wunder, in dem eine wunderhafte Sprachfähigkeit verliehen wird, ist so nicht auszumachen. Die zweifache Verleihung von Sprache an sonst nicht sprachbegabte Wesen (Hund und Säugling) dürfte dennoch keine pure Wiederholung darstellen, sondern unterstreicht die Fähigkeit des Petrus, nicht zu erwartenden Wesen Sprache zu verleihen, um die Auseinandersetzungen in der Gemeinde zu beenden. Zugleich sind diese Wunder wohl als eine Art Gegensatz zum Verhalten Simons zu verstehen, dem es quasi buchstäblich die Sprache verschlagen hat und der sich einer Konfrontation gerade nicht stellen will. Der von Petrus ausgeführte Exorzismus greift nicht nur auf die von Jesus selbst ausgeführten Exorzismen zurück (vgl. Mk 1,23-28/Lk 4,33-37; Mk 5,1-20/Mt 8,2834/Lk 8,26-39; Mk 7,24-30/Mt 15,21-28; Mk 9,14-29/Mt 17,14-21/Lk 9,37-42; Mt 9,32-24/Lk 11,14), sondern reflektiert die aus der Apostelgeschichte bekannte Vor615

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stellung, dass auch die Apostel Dämonen austreiben können (vgl. Apg 16,16-22), und zwar in Jesu Namen (vgl. dazu vor allem auch Apg 19,12-16). Bereits bei der Reise nach Rom ereignet sich ein Wunder, das allerdings nur latent an bekannte Wundergeschichten aus dem Jonabuch und Mk 4,35-41 erinnert. Denn während es bei Jona und der Perikope der Sturmstillung eben darum geht, dass hier die auftretenden Personen durch Stürme (d.h. zu viel Wind) in Gefahr geraten, so widerfährt Petrus bei seiner Reise eine Windstille, die droht, seine Reise scheitern zu lassen. Erst nach der Taufe des Theon durch Petrus (bei der Petrus erstaunlich zuversichtlicher wirkt und deutlich weniger Angst vor dem Wasser zeigt als noch in Mt 14,22-33), einer epiphanen Erscheinung Jesu und einer Art Mahlfeier setzen wieder günstige Winde ein. Ein Zusammenhang zwischen Taufe, Mahlfeier und einem Naturwunder scheint jedoch in dieser Form sonst nicht belegbar zu sein. Auch andere Wunder des Petrus (z.B. das Zusammensetzen einer zerbrochenen Statue durch das Gebet des Marcellus) bleiben zwar ohne Analogie, wobei allerdings vermutlich ein grundsätzliches Thema einer Wiederherstellung des alten Zustands aufgegriffen wird. Ähnlich restaurativ wie die Zusammensetzung der zerbrochenen Statue durch ein Gebet des Marcellus (ActPetr 11) ist wohl auch die Lösung des Bannes der Haussklaven (ActPetr 14) zu werten: Hier werden der ursprüngliche Zustand von Statue und Haussklaven wiederhergestellt und die durch Magie und Zauberei angerichteten Schäden beseitigt. Diese Tendenz zeigt sich auch in der Episode von der Wiederbelegung eines Räucherfisches, die Petrus im Namen Jesu bewirkt und hinter der sich mehr verbirgt als eine bloße Anspielung auf den Fischzug des Petrus (Lk 5,1-11, vgl. auch Klauck 2005, 103). Dass Petrus im Gegensatz zu Jesus, der Tote auferwecken kann (vgl. die Auferweckung der Tochter des Jairus in Mk 5,21-43, die Auferweckung des Jünglings zu Naïn in Lk 7,11-17 und die Auferweckung des Lazarus in Joh 11,1-45), lediglich einen Fisch reanimiert, bedeutet hier selbstverständlich nicht, dass Petrus dieses Wunder Jesu nicht nachahmen kann. Dies wird aus dem nachfolgenden Bericht über die Totenerweckung des Jünglings durch Petrus in ActPetr 25f. deutlich. Die Auferweckung toter Tiere an dieser Stelle ist höchst ungewöhnlich und dient vermutlich dazu, die Wirksamkeit der Wunder des Petrus zu untermauern: Denn die Auferweckung eines wahrlich toten, bereits geräucherten Fisches kann nur als wirkliches Wunder verstanden werden. Die Lebendigkeit des Fisches wird als Teil dieses Wunders noch besonders durch den Hinweis betont, dass er für längere Zeit schwimmt und vor allem durch die Aussage, dass der wiederbelebte Fisch keine geisterhafte Erscheinung oder ein Trugbild ist, sondern, im Gegenteil, dieser sogar essen kann. Dieser Hinweis greift vermutlich auf Ideen zurück, nach denen Geistwesen und Engel nicht essen können, wie etwa in Tob 12,19 (und in Teilen der Überlieferung auch Tob 6,6) bei der Beschreibung des Essens eines Fisches zu sehen ist. Denn während Tobias einen gefangenen Fisch isst, wird der Engel Raphael hier nämlich so dargestellt, dass er nur so tut, als ob er dieses Essen zu sich nimmt. Ähnliches lässt sich auch in Auslegungen zu Gen 18 beobachten, wo die Gäste Abrahams, in denen man Engel sieht, in einigen Auslegungen lediglich nur zu essen scheinen (Flav. Jos. 616

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Ant. 1,196f.; Philo Abr. 117f.; TestAbr 4,9 und die Targume TNeofiti und TPsJ zu Gen 18; vgl. grundsätzlich zum Thema Essen in Bezug auf Engel und Geistwesen Bakker 1933, 255-265). Für das Verständnis von ActPetr 13 ist diese Vorstellung demnach relevant, da der wiederbelebte Fisch im Gegensatz zu Engeln eben kein Trugbild ist, sondern dessen Lebendigkeit durch seine Beschreibung, dass er essen kann, unterstrichen wird. In diesem Zusammenhang ist dann vermutlich entsprechend auch Lk 24,3743 bedeutend, denn auch hier wird die Tatsache, dass Jesus wahrhaftig auferstanden ist, noch gesondert dadurch betont, dass er einen Fisch isst. Auch Jesus ist in diesem Bericht durch diese Beschreibung so herausgestellt, dass er eben kein Trugbild, sondern ein lebendiger Mensch ist. Der Fisch in ActPetr 13 scheint also in gewisser Hinsicht einen geradezu »anti-doketischen Fang« des Petrus darzustellen. Dass Petrus bei diesem Wunder ausgerechnet einen Fisch wieder zum Leben erweckt, mag ebenso auf die Vorstellungen aus dem Tobitbuch und Lk 24,37-43 zurückzuführen sein, da dort die Fähigkeit zu essen bzw. nicht zu essen mit einem Fisch als Nahrung geschildert wird (zu weiteren Vorstellungen in Bezug auf wiederbelebte Fische vgl. auch Spittler 2008, 148-153 und Klauck 2008e, 119-121). Des Weiteren ist auch das Verstummen des Simon nach seiner Begegnung mit dem sprechenden Säugling ein erzählerisches Element, das Lesern der Acta Petri zumindest in abgewandelter Form vertraut sein dürfte. So gilt Stummheit etwa als Attribut von Götzen, da diese eben nicht sprechen können (Hab 2,18; 1 Kor 12,2; ähnlich Dtn 4,28). Möglicherweise spielt der Hinweis auf das Verstummen des Simon und dessen Aufenthalt in einem Stall auch auf die Geburt Jesu im Stall und das Verstummen des Zacharias (Lk 1f.) an, wodurch Simon dann in den Petrusakten als wahrhafter »Antichrist« erscheint (vgl. Klauck 2005, 104). Inhaltlich erinnert das Verstummen Simons ferner an die Auseinandersetzung zwischen Paulus und Bar Jesus (bzw. Elymas) in Apg 13,6-11, bei der Paulus seinen Widersacher zur Strafe für sein Verhalten allerdings blendet, statt ihn verstummen zu lassen. In beiden Berichten sind die zaubernden Gegner der Apostel übereinstimmend Juden (Simons Herkunft aus Samaria spielt allerdings in ActPetr keine Rolle) und stehen mit dem Teufel in enger Verbindung (vgl. ActPetr 5 und 8; Apg 13,10). Eine ablehnende Haltung zum Thema Magie allgemein ist in diversen biblischen (und darüber hinaus apokryphen) Schriften auszumachen. Magie und ähnliche Phänomene werden beispielsweise in Ex 22,17; Lev 20,6; Num 23,23; Dtn 18,9-11; 1 Sam 28,3-25; Jer 27,9 Mi 5,9-14; Mal 3,5; 2 Kön 21,6/2 Chr 33,5f./AscIsa 2,5; 1 Hen 7f.; Jub 10,7-14; 2 Bar 66,1-3; Apg 19,12-19; Gal 5,20; Offb 9,21; 21,8; 22,15; Did 3,1-6; 5,1; Barn 20,1 u.v.a. recht eindeutig verworfen. Daher ist entsprechend das grundsätzliche Thema von ActPetr 4-15, in der ein Apostel (als Vertreter des »richtigen Glaubens«) mit einem Magier (als Satansanhänger und Vertreter von Häresie und Irrglauben) streitet, an sich nichts Ungewöhnliches. Doch auch insgesamt erinnert die Auseinandersetzung zwischen Simon und Petrus in ActPetr 4-15 an ähnlich konkrete Schilderungen von Auseinandersetzung zwischen Gottesmännern und ihren Gegnern, die als Magier und Zauberer 617

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dargestellt werden. Als vergleichbarer biblischer Text ließe sich hier auf die Auseinandersetzung zwischen Moses (und Aaron) und den ägyptischen Zauberern des Pharao in Ex 7-9 verweisen. Ähnlich wie in ActPetr 4-15 entwickelt sich der Konflikt dermaßen, dass die von Gott Beauftragten Moses und Aaron Wunder und Plagen bewirken können, die bis zu einem gewissen Grade von den Ägyptern noch imitiert werden können (z.T. in abgeschwächter Form wie in Ex 7,1012; Ex 8,3.14), bis diese letztlich unterliegen und an den von Moses verursachten Blattern sterben (Ex 9,11). Noch ähnlicher erscheint die Auseinandersetzung von ActPetr 4-15 den Ereignissen der apokryphen frühjüdischen Schrift »Jannes und Jambres«, in der die Auseinandersetzung zwischen Moses und zwei nunmehr namentlich genannten Magiern Jannes und seinem Bruder Jambres erzählt werden. Das Apokryphon geht zwar auch literarisch auf die Ereignisse von Ex 7-9 zurück, gestaltet die Figuren von Jannes und Jambres und ihren Konflikt mit Moses aber noch detaillierter aus, so dass die Auseinandersetzung zwischen den Parteien hier noch etwas persönlicher erscheint. In späteren Versionen und Nacherzählungen des Textes wird eine weitere Ähnlichkeit zu den Geschehnissen in den Acta Petri erkennbar: So wie in ActPetr der Konflikt zwischen Simon und Petrus dadurch entschieden wird, dass der über Rom fliegende Simon in ActPetr 32 durch ein Gebet des Petrus abstürzt (und kurz darauf verstirbt), so schildern auch die ChrJera 48,13, JalqR (zu Ex 15,7), JalqS (zu Ex 14,27) und MWaj (zu Ex 15,10) das Ende von Jannes und Jambres so, dass diese fliegen und dann zum Absturz gebracht werden (durch Engel oder durch Gott, im Fall der ChrJera 48,13 durch die Anrufung des göttlichen Namens; vgl. zu den Darstellungen von Jannes und Jambres Pietersma 2013, bes. 14-19). Wenngleich diese frühjüdischen Texte sehr spät zu datieren sind, so ist die Übereinstimmung in der Darstellung eines eskalierenden Konflikts, der mit dem Abstürzen von Magiern bei der Zurschaustellung von Flugkünsten einhergeht, auffällig. Welche Darstellung allerdings Vorlage war und inwiefern sich diese Darstellungen gegenseitig beeinflusst haben, ist unklar. Die Vergleichbarkeit der Auseinandersetzung zwischen Moses und den ägyptischen Zauberern (ob die Figuren Jannes und Jambres gemeint sind, ist nicht erkennbar) und Moses mit dem Konflikt zwischen Simon und Petrus wird grundsätzlich zumindest auch in den Pseudo-Klementinen (PsClem R 3,56) anerkannt. Vom Absturz fliegender Menschen vor dem römischen Kaiser (bei Zirkusspielen) berichtet sonst noch Sueton (Nero 12), hier allerdings ohne auf eine Auseinandersetzung eines Magiers mit Gottesmännern einzugehen. Eine weitere Auffälligkeit in Hinsicht auf den Flug des Simon stellt auch seine Beschreibung als »stehend« dar: In ActPetr 4 steht Simon mitten im Volk, um sich bewundern zu lassen. Ähnlich steht er auch in ActPetr 32 an einem hohen Ort, bevor er zu fliegen beginnt, und auch sein Standbild (ActPetr 10) stellt ihn wohl in stehender Pose dar. Ausdrücklich bezeichnet er selbst sich zudem als »Stehender« in ActPetr 31. Diese Aussagen könnten mit den Aussagen bei Clemens von Alexandria (strom. 2,11,52,2), Hippolyt (haer. 6,9; 13; 17,1 und 18) oder in den PseudoKlementinen (PsClem H 2,22; PsClem R 2,7) korrespondieren (vgl. zum »Stehen« 618

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des Simon Lahe 2012, 136f.; Lüdemann 1975, 97-100; Tuzlak 2002, 420f.; Beyschlag 1974, 59-61). Das »Stehen« wird verschieden interpretiert als Anzeichen (angemaßter) Unsterblichkeit, Unveränderlichkeit oder gar Göttlichkeit und könnte auf samaritanische Aussagen (wie in Memar Marqa aus dem 4. Jh. reflektiert) zurückgehen, wobei sonst in Hinsicht auf Simon in den Petrusakten die Herkunft aus Samaria keine Rolle spielt (vgl. zu den samaritanischen Ursprüngen der Bezeichnung »Stehender« vor allem Fossum 1985, 112-129). Alle diese Attribute werden von den späteren christlichen Autoren kritisiert. Die Petrusakten widersprechen ebenfalls all diesen Deutungsversuchen bzw. karikieren diese, denn Simon kann schließlich nach seinem Sturz nicht mehr stehen, sondern muss – als Parodie auf das »Stehen« – aus der Stadt getragen werden (ActPetr 32).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte ActPetr 4-15 als Bericht über einen Sieg über die Magie: Der Bericht über die Auseinandersetzung zwischen Simon und Petrus knüpft stark an einige den Lesern bekannte Geschichten an. Wie bereits mehrfach erwähnt, stellt ActPetr 4-15 die Fortsetzung eines Konfliktes dar, der in Apg 8,9-24 stattfindet. Während Simon dort noch mit einer scharfen Verwarnung davonkommt, bricht der Konflikt mit den Aposteln (Petrus) durch das widergöttliche Handeln Simons (Verführung der Gemeinde in Rom, Ausübung von Zauberei) erneut auf. ActPetr 4-15 bildet dabei hier eine Art Vorgeschichte, da ein echtes Aufeinandertreffen in dem Abschnitt 4-15 noch nicht erfolgt, sondern hier lediglich die Vorbereitungen auf die endgültige Beendigung des Konflikts (ActPetr 16-32) dargelegt werden. Vergleichbar mit Widersachern in einem Wildwest-Film wird der von Anfang an bestehende Konflikt zwischen Simon und Petrus größer, so dass es am Ende zu einer Art Duell bzw. »Showdown« kommen muss, da die Stadt Rom eben »zu klein« für die beiden Kontrahenten bzw. ihre gegensätzlichen Lehren ist. Im Wesentlichen ist daher die Erzählung der Auseinandersetzung zwischen Simon Magus und dem Apostel Petrus, die zwar endgültig erst in ActPetr 32 gelöst wird, deren Ausgang jedoch proleptisch schon in ActPetr 4-15 durch die Überlegenheit der petrinischen Wunder gegenüber der Zauberei Simons (und auch durch die Prophezeiungen des sprechenden Hundes und des sprechenden Säuglings) angedeutet wird, eine Darstellung der Überlegenheit christlichen Glaubens über die Magie: Die Erfolge, die Petrus in diesem Abschnitt der Acta Petri erzielen kann in Form von verschiedenen Wundern (Wunderbares Einsetzen des Windes in ActPetr 5, Petrus lässt den Hund sprechen in ActPetr 9, die Instandsetzung der zerbrochenen Statue in ActPetr 11, die Wiederbelebung des Fisches in ActPetr 13), einem Exorzismus (ActPetr 11), der Auflösung des Bannes über die Dienerschaft des Marcellus (ActPetr 14) zeigen bereits proleptisch, wie die Auseinandersetzung zwischen dem Zauberer Simon und dem Apostel Petrus enden wird. Denn in den verschiedenen Wundern geht es einerseits vor allem um die Wiederherstellung des durch Simons Magie angerichteten Schadens, während 619

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weitere Wunder schon die Vollmacht des Petrus, der seine Wunder im Namen Jesu wirkt, unterstreichen. Dabei wird teilweise auch gesondert auf die permanente Wirkung und die Wirklichkeit der petrinischen Wunder hingewiesen. So wird bei der unmöglich erscheinenden Wiederbelebung des geräucherten Fisches gezielt darauf eingegangen, dass dieser für lange Zeit umherschwimmt und Nahrung zu sich nehmen kann, was seine Lebendigkeit besonders betont. Im Gegensatz dazu werden die scheinbaren Erfolge Simons als sehr vergänglich beschrieben. Denn sein durch Zauberei erlangter Einfluss über römische Gemeindemitglieder kann durch Petrus leicht gebrochen werden. Insgesamt ist dieser Abschnitt der Erzählung nicht nur die literarische Ausarbeitung eines Konflikts, sondern zeigt zugleich (aus einer christlichen Perspektive heraus) die grundsätzliche Haltung gegenüber Magie als Form des Irrglaubens. Diese Episode der Petrusakten könnte entsprechend geradezu als Musterbeispiel für eine Unterscheidung zwischen Magie und (christlicher) Religion dienen, wie etwa die problematische Deutung, die Klauck und Goode vornehmen (vgl. Klauck 1995, 174f. und Goode 1949, 172-182). Eher allerdings zeigt die Darstellung von Simon und Petrus in ActPetr 4-15 exemplarisch die gruppeneigene Wahrnehmung von Magie und Wundern aus einer christlichen Binnenperspektive, in der Christen (»wir«) Wunder bewirken, während Magie das ist, was Außenstehende (Simon stellvertretend für »die anderen«) praktizieren (vgl. zur Betrachtung von »Magie und Wundern« als binnenperspektivischen Beschreibungen Garrett 1989, bes. 5-36 und 101-109; Reimer 2002, 8-10; Stratton 2007, 107-141). ActPetr 4-15 als Werbe- und Erfolgsgeschichte: Neben einer offensichtlichen Ablehnung von Magie werden zugleich wesentliche christliche »Handlungsalternativen« aufgezeigt, die alle den magischen Handlungen Simons (und auch seinen falschen Lehren) in jeder Hinsicht überlegen sind. So sind im Zusammenhang mit den Wundern des Petrus auch Hinweise auf Taufe und Eucharistie (ActPetr 5) und ein Exorzismus (ActPetr 11) erwähnt. Besonders in der Taufe und der Eucharistie deutet sich vielleicht schon eine Gemeinschaftsbildung durch die Annahme des christlichen Glaubens an, dem die Kontrolle anderer durch die Zauberei Simons als schlechtes Beispiel gegenübersteht. Noch wesentlicher ist in diesem Zusammenhang auch, dass Petrus gerade keine mit Magie vergleichbaren Handlungen ausübt, sondern seine Wunder und den Exorzismus im Namen Jesu (ActPetr 11; 13) und durch Gebete wirkt (ActPetr 11, vgl. dazu besonders ActPetr 32) und er seine Anhänger dadurch und durch Verkündigung und Predigt (ActPetr 5; 7) erreicht. Damit erscheint der christliche Glaube – nicht nur durch eine Gegenüberstellung mit Simons fast wirkungsloser Magie – insgesamt schon anziehend und wirkmächtig. Entsprechend wird man der Darstellung von ActPetr 4-15 also auch einen gewissen missionarischen Charakter zuschreiben können. ActPetr 4-15 als (tierische?) Spiegelgeschichte: Auffällig erscheint im Bericht von ActPetr 4-15 auch, dass Petrus einen Teil seiner Wunder gerade an Tieren (dem sprechenden Hund in ActPetr 9; 12 und dem geräucherten Fisch in ActPetr 13) und einem Säugling (ActPetr 15) bewirkt. Somit macht Petrus in seinen Wundern das Unmögliche gerade an unscheinbaren Wesen möglich. Diese Beobachtung ist 620

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in zweifacher Hinsicht interessant: Denn zum einen demonstriert Petrus an den unscheinbaren Tieren und dem Säugling seine Kraft, Wunder zu wirken, während Simon so dargestellt wird, dass er eine »Kraft« zu sein scheint (ActPetr 5; vgl. Apg 8,10), während er eigentlich gar nichts ausrichten kann. Die großen Wunder an den schwachen Wesen scheint demnach in einem Kontrast zu der Unfähigkeit Simons zu stehen, dessen auf Satan zurückgeführte Kräfte hier geradezu als Scheinmacht enttarnt werden (ähnlich wie bereits in Apg 8,4-25, vgl. dazu ausführlich bei Garrett 1989, 61-78). Zum anderen zeigen die Wunder, die ausgerechnet an Fisch, Hund und Säugling ausgeführt werden, eine enge Verbindung zur Gestalt des Petrus selbst. Denn dieser spielt explizit in ActPetr 7 auf seine eigenen Schwächen an (wie beim Seewandel in Mt 14,22-33 und vor allem bei seiner Verleugnung Jesu in Mk 14,6672 par). Doch trotz dieser scheinbaren Schwäche kann Petrus in ActPetr 4-15 große Wunder – wenn auch teilweise an unscheinbaren Wesen – vollbringen (analog zu den Aussagen in 2 Kor 12,9, vgl. auch die Erwähnung des Wurms in Jona 4,7). Analog zu diesem Gegensatz ist vielleicht auch eigentlich bestehende Namensgleichheit der beiden Hauptfiguren zu beurteilen. Allerdings wird auf den gemeinsamen Namen von Simon Petrus und Simon Magus allenfalls latent angespielt, wobei sich in der Kontrastierung der beiden Figuren in der Erzählung Petrus wahrlich als Rettung bzw. »Fels« der Gemeinde erweist (Mt 16,18), während Simon in seiner Eigenschaft als Magier als Bedrohung für die Gemeinde dargestellt wird. Beide Charaktere werden also eher durch den Namenszusatz in ihrer Bedeutung bestimmt. Der Name Simon scheint im Falle des Petrus entsprechend keine Bedeutung mehr zu haben und scheint in Acta Petri 4-15 geradezu vermieden worden zu sein.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte In wirkungsgeschichtlicher Hinsicht hat die Darstellung der Auseinandersetzung zwischen Petrus und Simon zu einer breiten literarischen und kunstgeschichtlichen Rezeption geführt (vgl. zu kunstgeschichtlichen Darstellungen auch Ferreiro 2005, 261-336). Allerdings spiegelt sich in einer Vielzahl der Berichte über die Begegnung von Petrus mit Simon ein schwer zu überblickender literarischer Prozess wider. So wird das Auftreten Simons als Verführer zwar recht breit bezeugt und Simon und Petrus treten als Widersacher in diversen Texten wie bei Irenäus (haer. 1,23), Tertullian (praesc. 1,3-5; an. 34; 57; idol. 9,6), Hippolyt (haer. 6,2-18), Epiphanius (pan. 21) oder in den Pseudo-Klementinen (PsClem H 3,3; 3,33; 3,52; PsClem R 1,74; 3,56) auf (vgl. zu den verschiedenen Überlieferungen zu Simon Magus vor allem Haar 2003, passim, bes. die Synopse, 118-131; Klauck 2008d, 229-266; Adamik 1998, 5264); allerdings zeigt sich hier keine literarische Abhängigkeit von den Acta Petri und ihrem Bericht über die petrinischen Wunder vor der Konfrontation zwischen Petrus und Simon. Zudem fällt auf, dass in einer Vielzahl von Berichten in Übereinstimmung mit kunstgeschichtlichen Wiedergaben nur eine grundsätzliche Darstellung einer Auseinandersetzung zu sehen ist, oft wird dabei auch auf den Flug und Ab621

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sturz des Simon eingegangen, doch Anspielungen auf den vorausgehenden Konflikt, wie er in ActPetr 4-15 geschildert wird und besonders die petrinischen Wunder, sind nur sehr selten auszumachen. Lediglich einzelne Erzählelemente dieser Episode sind in einigen späteren Texten und Vorstellungen auszumachen. Dabei besteht allerdings das Problem, dass die Erzählelemente über Simon als Erzschurken und verführerischen Magier sehr frei und lebendig umgestaltet werden. Dieser freie Umgestaltungsprozess ist vergleichbar mit den verschiedenen Geschichten über die Zauberer Jannes und Jambres. Bei der o.a. Darstellung von Magiern, die durch verschiedene Formen göttlicher Intervention zum Absturz gebracht werden, ist der Ursprung dieser Idee und eine literarische Abhängigkeit bei dieser Darstellung beispielsweise nicht nachzuweisen. Die Tendenz, dass die Geschichten über Magier als Gegenspieler göttlicher Agenten immer weiter literarisch ausgestaltet werden, zeigt sich auch in den berühmten Legenda Aurea des Jacobus de Voragine, in der – neben diversen Bezügen zu anderen Magiern – auch Teile aus ActPetr 4-15 ansatzweise erhalten sind. In der Legenda Aurea tritt Simon (der sich als »Höchste Kraft« bezeichnet wie in ActPetr 8 und auch in Apg 8,10, Pseudo-Klementinen [PsClem H 2,22,3; PsClem R 2,7] und Irenäus haer. 1,23) überraschenderweise schon in Jerusalem auf. Von ihm wird berichtet, dass er ein Feld aberntete, indem er die Sense bezauberte, dass sie von selbst arbeitete (vgl. dazu die Zauber des Pankrates bei Lukian, Philospseudeis 34-36, der Besen und andere Haushaltsgeräte so verzaubert, dass sie Arbeiten verrichten können). Zudem kann er durch seine Magie Schlangen beherrschen (vgl. Ex 7,9-12), steinerne Bilder zum Lachen und Hunde zum Singen bringen (vgl. zu den lebenden Statuen auch die o.a. Belege). Die Erwähnung von Hunden und steinernen Bildern mag auf den ersten Blick an ActPetr erinnern, jedoch werden sie hier im Zusammenhang mit der Wundertätigkeit des Petrus aufgeführt und nicht auf Zaubereien Simons bezogen. Die Darstellung von der Beherrschung der Hunde dürfte eher auf Magier wie Pankrates bezogen sein, der über Krokodile und andere Tiere gebietet (vgl. Luc. philops. 34), die lachenden Statuen erinnern latent an Simons Erschaffung eines Homunculus in den Pseudo-Klementinen (PsClem H 2,26). Viele der besonderen Fähigkeiten Simons, die in den Legenda Aurea genannt werden, wie die Gabe, Statuen gehen zu lassen oder Haushaltsgeräte zu »beleben«, sind direkt aus den Pseudo-Klementinen (PsClem H 2,32) übernommen worden. In Jerusalem wird Simon von Petrus widerlegt, wirft seine Zauberbücher ins Meer (vgl. das Verbrennen der Zauberbücher in Apg 19,19) und flieht nach Rom, wo er durch Tricks und Zauberei (u.a. eine imitierte Wiederauferstehung, vgl. ähnlich Apollonius von Tyana bei Philostr. vit. Ap. 8,30f.) viele Anhänger gewinnen kann. Im Gegensatz zu den Acta Petri ist in den Legenda Aurea auch Paulus in Rom zugegen (d.h. eine Reise des Paulus nach Spanien wie in ActPetr 1 wird hier nicht mehr vorausgesetzt), so dass sich beide Apostel mit Simon auseinandersetzen können. An ActPetr 4-15 erinnert allerdings bei der Schilderung der folgenden Ereignisse lediglich der Hinweis darauf, dass Simon zu Ehren eine Statue errichtet wird (deren Ursprung allerdings schon ab Justin anzunehmen ist und somit nicht zwingend auf den Einfluss von ActPetr 10 schließen lässt). Eine 622

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Analogie zu der Darstellung in den Acta Petri ließe sich dann noch in dem Bericht über die Hunde vermuten, wobei allerdings Petrus hier keinen Hund zum Sprechen bringt, sondern lediglich die von Simon kontrollierten Hunde so abwehren kann, dass diese ihren Meister angreifen und nicht Petrus. Dieser Teil der Darstellung entspricht dabei eindeutig der Schilderung der Ereignisse in der Passio Petri et Pauli (vgl. Ferreiro 1998, 45-51). Insgesamt ist der Bericht in den Legenda Aurea so stark überarbeitet worden, dass sich ein direkter Bezug zu ActPetr 4-15 kaum noch zeigt. Lediglich Teile der nachfolgenden Erzählung in den Legenda Aurea zeigen noch Verbindungen zu den Petrusakten, wie die Episode über die Auferweckung eines Toten (ActPetr 28) und der Sturz des Simon (ActPetr 32). Diese dürften eindeutiger auf eine literarische Abhängigkeit deuten, wenngleich auch hier starke Überarbeitungen sichtbar sind (z.B. entspricht der sofortige Tod des Simon in der Legenda Aurea gerade nicht der Darstellung in den Petrusakten). Entsprechend zeigen sich in der Legenda Aurea allenfalls Spuren der Petrusakten, die sehr frei (und vielleicht in Anlehnung an die Darstellung anderer bekannter Zauberer) ausgeführt worden sind. Eindeutigere wirkungsgeschichtliche Spuren von ActPetr 4-15 sind nur in wenigen Fällen nachzuweisen. Im Carmen apologeticum des Commodian treten sowohl der zu Simon sprechende Hund als auch der sprechende Säugling auf. Darin zeigt sich zwar nicht zwingend, dass Commodian die Acta Petri vollständig bekannt waren, wohl aber die Wunder vom sprechenden Hund und vom sprechenden Säugling (vgl. Klauck 2005, 101; Schneemelcher 1997b, 243-255). Ferner könnte die Darstellung vom Sturz Simons auch die Apostolischen Konstitutionen (ConstAp 6,79) beeinflusst haben, die in ihrer Schilderung der Ereignisse den Petrusakten sehr entsprechen. Eine weitere Analogie zu ActPetr 13 ist zudem vielleicht noch in der mittelalterlichen, vor allem in Schweden bekannten Legende vom Stalljungen St. Staffan erhalten: In dieser Legende prophezeit der Stalljunge Staffan dem Herodes nach Schau der Sterne die Geburt eines Messias. Herodes entgegnet, am Tische sitzend, dass eher das vor ihm liegende gebratene Huhn wieder zum Leben erwache, als dass dies geschehe, woraufhin das Huhn vor ihm wieder lebt und »Christus natus est« (analog zum sprechenden Hund in ActPetr 9 und 12) ruft. Staffan wird daraufhin durch Herodes zum Tode verurteilt und gesteinigt. Auch hier zeigt sich eine starke Vermischung verschiedener Traditionen, vor allem der Christus in Feindschaft begegnende Herodes (analog zu Mt 2), die Hinrichtung des Stephanus (analog zu Apg 7), die Ankündigung der Geburt des Messias, die Sterne als Vorzeichen (analog zu Mt 2) und die Auferweckung eines toten und bereits zum Verzehr zubereiteten Huhns, die möglicherweise auf den geräucherten Fisch und dessen Wiederbelebung aus ActPetr 13 zurückgeht. Matthias Hoffmann

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

Literatur zum Weiterlesen T. Adamik, The Image of Simon Magus in the Christian Tradition, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, SAAA 3, Leuven 1998, 52-64. P. Busch, Magie in neutestamentlicher Zeit, FRLANT 21, Göttingen 2006a. K. Dalgaard, Peter and Simon in the Acts of Peter. Between Magic and Miracles, in: H. R. Jacobus/A. K. de Hemmer Gudme/P. Guilaume (Hg.), Studies on Magic and Divination in the Biblical World, Biblical Intersections 11, Piscataway 2013, 169-180. A. Ferreiro, Simon Magus, Dogs, and Simon Peter, in: ders. (Hg.), The Devil, Heresy and Witchcraft in the Middle Ages, Leiden et al. 1998, 45-89. Ders., Simon Magus in Patristic, Medieval and Early Modern Traditions, Studies in the History of Christian Traditions 125, Leiden 2005. M. Idel, Der Golem. Jüdische magische und mystische Traditionen des künstlichen Anthropoiden, Frankfurt a.M. 2007. G. P. Luttikhuisen, Simon Magus as a Narrative Figure in the Acts of Peter, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, SAAA 3, Leuven 1998, 39-51. G. Scholem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik, stw 13, Frankfurt a.M. 142015. A. Tuzlak, The Magician and the Heretic. The Case of Simon Magus, in: P. Mirecki/M. Meyer (Hg.), Magic and Ritual in the Ancient World, Religions in the Graeco-Roman World 141, Leiden/Boston/Köln 2002, 416-426.

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Die Matrone Eubola und der Perlenraub: reich – gerettet – diakonisch (Der Sieg des Petrus über Simon in Judäa) ActPetr 16-18 Die Actus Vercellenses sind für alle Angaben die Textgrundlage. Die vorliegende Übersetzung folgt dem lateinischen Text bei Lipsius/Bonnet (1959, 1, 62-66). Sie stimmt zu großen Teilen mit der Übersetzung in der Dissertation von M. Döhler (2016) überein, die jedoch ihrer Arbeit eine eigene Edition zugrundelegt.

Vorgeschichte: Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln (ActPetr 12 und 15) der Wunderkampf zwischen Petrus und Simon Magus in Rom vorausgesagt worden war, stellen ActPetr 16-18 die erste Etappe der Hinführung zum finalen Wettstreit dar. (16) Als aber die Nacht herankam, sah Petrus Jesus, der eine Umhüllung aus Licht trug und lächelte und zu ihm, der bis jetzt gewacht hatte, sagte: »Schon ist der größte Teil der gläubigen Gemeinschaft [fraternitas Brüderschaft] zurückgekehrt durch mich und den, durch den du Wunder vollbracht hast in meinem Namen. Du wirst aber einen Wettstreit des Glaubens haben am kommenden Sabbat und noch viele mehr von den Heiden und den Juden werden bekehrt werden in meinem Namen zu mir, dem Verschmähten, Verspotteten, Bespeiten. Denn ich werde mich dir, dem um Zeichen und Wunder Bittenden, zeigen, und du wirst viele bekehren, aber du wirst Simon als Gegner haben durch die Werke seines Vaters. Aber alle seine Lieder und magischen Sprüche werden entlarvt werden. Nun aber weiche nicht, und welche auch immer ich dir senden werde, in meinem Namen wirst du sie befestigen.« Als nun Tag wurde, erzählte er den Gläubigen [fratres Brüdern], dass ihm der Herr erschienen sei und was er ihm aufgetragen hatte. (17) »Glaubt mir aber, o Männer und Gläubige [fratres Brüder], ich habe diesen Simon aus Judäa vertrieben, der viel Böses getan hat durch Zauberspruch, als er sich in Judäa in der Nähe einer gewissen Frau namens Eubola aufhielt, die überaus angesehen war in dieser Welt, denn sie hatte reichlich Gold und Perlen von nicht geringem Wert. Dieser Simon schlich sich mit zwei Spießgesellen bei ihr ein. Jene zwei sah von den Hausgenossen niemand, mit Hilfe von Zauberkünsten nur Simon allein. Sie schleppten alles Gold der Frau fort und verschwanden. Eubola aber, nachdem sie die Tat bemerkt hatte, begann, ihr Hausgesinde zu foltern und sagte: ›Unter der Gelegenheit des gottähnlichen Menschen habt ihr mich beraubt, weil ihr gesehen habt, dass er zu mir eintrat, um einer einfachen Frau die Ehre zu erweisen; sein Name aber ist Herr.‹ 625

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Nachdem ich drei Tage gefastet und gebetet hatte, dass die Tat ans Licht gelange, sah ich in einer Vision Italicus und Antulus, die ich im Namen des Herrn unterwiesen hatte, und einen nackten gefesselten Jungen, der mir ein Weizenbrot gab und zu mir sagte: ›Petrus, harre zwei Tage aus, und du wirst die großen Werke Gottes sehen. Die Dinge nämlich, die aus dem Haus der Eubola verschwunden sind, hat Simon unter Anwendung von Zauberkunst und durch die Entstehung eines Trugbildes mit zwei anderen geraubt. Diese wirst du sehen am dritten Tag um die neunte Stunde vor dem Tor, welches nach Neapel führt, wie sie einem gewissen Goldschmied mit Namen Agrippinus einen zwei Pfund schweren goldenen Satyriscus verkaufen, der in sich einen kostbaren Stein trägt. Du bist aber nicht der, der ihn berührt, damit du nicht befleckt wirst, sondern es sollen einige von den Sklaven der Matrone mit dir sein. Du aber wirst die Werkstätte des Goldschmiedes zeigen und dich von ihnen entfernen. Wegen dieser Tat nämlich werden viele an den Namen des Herrn glauben. Die Dinge nämlich, die jene wegen ihrer Verschlagenheit und Schlechtigkeit häufig geraubt haben, werden öffentlich übergeben werden.‹ Als ich das hörte, ging ich zu Eubola und fand sie sitzend, mit zerrissener Kleidung, wirrem Haar und in Trauer. Ich sagte zu ihr: ›Eubola, steh auf von deiner Trauer, richte dein Gesicht her, stecke dein Haar auf, nimm dir ein Kleid, das sich für dich ziemt, und bete zum Herrn Jesus Christus, der jede Seele richtet. Er selbst nämlich ist der unsichtbare Sohn Gottes, in dem du auf jeden Fall gerettet wirst, wenn du nur deine früheren Sünden aus ganzem Herzen bereust; und empfange Stärke von ihm. Denn siehe, durch mich spricht der Herr zu dir. Alles, was du verloren hast, wirst du finden. Und nachdem du diese Dinge erhalten haben wirst, mach, dass er [Christus] dich findet, auf dass du dieser gegenwärtigen Welt abschwören und den ewigen Trost suchen kannst. Daher sollst du dieses hören: Einige von den Deinen werden an dem Tor, welches nach Neapel führt, achtgeben. Am übernächsten Tag, etwa um die neunte Stunde, werden sie zwei Jünglinge sehen, die einen goldenen Satyriscus von zwei Pfund Gewicht , eingeschlossen von Edelsteinen, so wie es mir eine Vision gezeigt hat, welchen sie einem gewissen Agrippina zum Verkauf anbieten, einem Anhänger der Frömmigkeit und des Glaubens an den Herrn Jesus Christus. Durch diesen wird dir gezeigt, dass du dem lebendigen Gott glauben sollst und nicht dem Magier Simon, einem schwankenden Dämon, der wollte, dass du in Trauer verharrst und dass deine unschuldige Dienerschaft gequält werde, der dich nur mit Schmeichelrede verführte, und nur mit dem Mund Gottesfurcht verkündete, während er selbst voll von Gottlosigkeit war. Als du nämlich glaubtest, einen heiteren Tag zu begehen und das Götzenbild aufstelltest und es schmücktest und du alle Schmuckstücke auf 626

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dem Prunktisch aufstelltest, kam jener aber mit zwei eingeschleusten Jünglingen, die niemand von euch sah, und er sagte einen magischen Spruch und nachdem deine Schmuckstücke geraubt worden waren, verschwanden sie. Aber seine List hatte keinen Bestand. Denn mein Gott machte es mir bekannt, damit du nicht getäuscht wirst und nicht in der Hölle zugrunde gehst, was immer du gottlos und feindselig unternommen hast gegen Gott, der voll der ganzen Wahrheit ist und ein gerechter Richter über die Lebenden und die Toten. Und es gibt keine andere Hoffnung für die Menschen auf Leben als durch ihn, durch den dir bewahrt wurde, was du verloren hattest. Und nun gewinne du deine Seele.‹ Jene aber warf sich vor meine Füße nieder und sagte: ›O Mensch, wer immer du bist, ich weiß es nicht, jenen hatte ich wie einen Diener Gottes aufgenommen, und was immer er von mir gefordert hat im Dienste der Armen, habe ich vielfach gegeben durch seine Hand und jenem habe ich außerdem vieles gegeben. Was für Schaden erlitt er von mir, dass er meinem Haus eine so große Zerstörung zufügte?‹ Petrus sagte zu ihr: ›Nicht in Worte soll man vertrauen, sondern in Werke und Taten.‹ Aber es muss von Anfang an erzählt werden. Ich ging darauf von ihr fort und kam an mit zwei Hausverwaltern der Eubola, und ich gehe zu Agrippinus und sage ihm: ›Sieh zu, dass du diese wiedererkennst. Am morgigen Tag nämlich werden zwei Jünglinge zu dir kommen, die dir einen goldenen, von Edelsteinen umschlossenen Satyriscus verkaufen wollen, welcher ihrer Herrin gehört. Du aber wirst das Werk des Künstlers annehmen, gleichsam um es in Augenschein zu nehmen und zu loben. Nachdem diese beiden gekommen sind, wird Gott das Übrige zum Beweis beitragen.‹ Am andern Tage nun kamen die Bediensteten der Matrone etwa um die neunte Stunde, und jene Jünglinge wollten dem Agrippinus den goldenen Satyriscus verkaufen. Nachdem man sie sogleich ergriffen hatte, wurde dies der Matrone gemeldet. Jene aber gelangte mit verwirrtem Sinn zu dem Statthalter, und mit sehr lauter Stimme berichtete sie, was ihr widerfahren war. Als der Statthalter Pompeius sie sah mit verwirrtem Sinn, die niemals an die Öffentlichkeit gegangen war, erhob er sich sofort von seinem Richterstuhl, ging in das Prätorium und befahl, dass sie herbeigeführt und verhört würden. Jene aber, als sie gefoltert wurden, bekannten, dass sie dem Simon, der sie mit Geld verführt habe, einen Dienst erwiesen hätten. Und noch länger verhört, bekannten sie, dass alles, was Eubola verloren hatte, unter der Erde in einer Höhle außerhalb der Stadttore gelagert wurde und anderes mehr. Sobald Pompeius dieses hörte, erhob er sich, um zum Tor zu gehen, nachdem jene beiden mit zweifachen Ketten gefesselt worden waren. Und siehe, Simon trat zum Tor herein und suchte sie, weil sie so langsam handelten; und er sah die große Menge herankommen 627

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und jene in Fesseln gelegt. Sofort verstand er und ergriff die Flucht und wurde in Judäa nicht mehr gesehen bis zu diesem Zeitpunkt. Nachdem aber Eubola all das ihre zurückerhalten hatte, gab sie es hin für den Dienst an den Armen. Sie aber glaubte an den Herrn Jesus Christus und wurde gestärkt und verachtete diese Welt und schwor ihr ab, gab den Witwen und Waisen und kleidete die Armen, und nach langer Zeit empfing sie die Ruhe. Dies aber, geliebteste Gläubige [fratres Brüder], geschah in Judäa, daher ist von dort vertrieben worden der Engel des Satans, wie er genannt wird. (18) Teuerste und sehr geliebte Gläubige [fratres Brüder], lasst uns fasten und gemeinsam zum Herrn beten. Der ihn von da vertrieben hat, vermag ihn auch hier auszurotten. Und er möge uns Kraft geben, ihm zu widerstehen und seinen magischen Sprüchen und ihn als Engel des Satans zu erweisen. Am Sabbat nämlich wird ihn, auch wenn er nicht will, unser Herr auf das Julische Forum führen.«

Sprachlich-narratologische Analyse Die Eubola-Erzählung ist eine Rückblende in der Gestalt eines Berichts des Petrus. Im Unterschied zum restlichen überlieferten Text spielt diese Episode in Judäa. Aufgrund der Lokalisierung wurde dieser Textabschnitt innerhalb der Petrusaktenforschung als Beweis für ein erstes verloren gegangenes Drittel der Petrusakten herangezogen, von dem man annimmt, dass es in Judäa gespielt hat (vgl. Vouaux 1922, 33f.; Schneemelcher 1997b, 252). Diese Schlussfolgerung ist aber nicht zwingend, da Rückblenden als erzählerisches Mittel auch sonst in diesen wie in anderen apokryphen Akten (etwa im Bericht von der Taufe des Löwen in der Ephesusperikope der ActPl 9) begegnen. Mit ActPetr 17 wird eine Replik auf die Zeit geboten, die Gott Petrus für die Mission in Jerusalem vorgeschrieben hatte (vgl. Beginn ActPetr 5). In Rom hat Paulus unterdessen die Gemeinde im Glauben gefestigt. Nachdem er durch eine Vision nach Spanien berufen wurde und die Gemeinde damit ohne »Glaubensautorität« zurückgeblieben ist, tritt der Magier Simon in Rom auf und verführt die Gemeinde zum Abfall vom Glauben. Um die Gemeinde zu retten und Simon zu vertreiben (vgl. Beginn ActPetr 5), erhält Petrus in einer Vision den göttlichen Befehl, nach Rom zu reisen. Ein Verweis darauf, dass Petrus dies in Judäa bereits einmal gelungen ist, findet sich schon in ActPetr 5. Die Erzählung der Rettung der Eubola (ActPetr 17) stellt eine ausführliche Rückschau auf die vormals erfolgte Flucht des Simon Magus vor Petrus dar, der Simons Umtriebe in Judäa als Magier entlarvt hatte. Die Szene, auf die im Text immer wieder Bezug genommen wird (Schneemelcher 1997b, 252), fungiert im Duktus des Gesamttextes somit als Rückblick und zugleich als Vorausschau auf die letztendliche Überwindung des Simon durch Petrus. Die Eubola-Erzählung wird mit einer Erscheinung des lächelnden Jesus im Lichtkleid vor Petrus (ActPetr 16) eingeleitet. In der Vision verweist Jesus darauf, 628

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dass durch die vorangegangenen Wunder bereits ein Teilerfolg erreicht ist. Zugleich enthält seine Rede an Petrus einen kurzen Abriss einer Wunderlehre: nämlich eine Differenzierung in Schaden hervorrufende Wunder durch Simon (Zauberspruch und magischer Trug) und heilbringende Wunder, die Bekehrung und Glauben bewirken, im Namen Jesu durch Petrus. Der finale Wunderkampf zwischen Simon und Petrus am Sabbat sowie der Sieg des Petrus werden angekündigt. Das gesamte folgende Kapitel 17 besteht aus dem Bericht des Petrus über die Vorgänge in Judäa und die dortige Entlarvung der trügerischen Machenschaften des Simon: Simon, der gastlich von der reichen Matrone Eubola, die ihn für einen gottähnlichen Menschen hält, aufgenommen wird, beraubt diese ihrer irdischen Schätze (Gold, Perlen) unter Verwendung von Täuschung und Magie sowie mit Hilfe zweier während des betrügerischen Vorgangs unsichtbar gemachter Helfer. In einer Vision werden Petrus der Tathergang und eine Anleitung zur Aufdeckung des Betrugs offenbart. Gemäß der Vorhersage werden die Hintergründe des Raubes aufgedeckt, die Täter überführt und infolgedessen das geraubte Eigentum an Eubola zurückgegeben. Eubola, die durch die Ereignisse ihres Verstandes beraubt wurde, legt mit der Rückerstattung ihres Besitzes ihre Verwirrung ab, gelangt zum Glauben und wendet das Wiedererlangte zur Versorgung der Armen auf. Die Geschichte wird mehrfach (vier Varianten mit jeweils differierenden Schwerpunkten), aus unterschiedlichen Perspektiven und auf verschiedenen Erzählebenen vorgestellt. Innerhalb des Petrusberichts wird wiederum häufig in Form von Dialogen und Visionsberichten (auffälligerweise jeweils in direkter Rede) erzählt, wodurch Unterebenen entstehen. Zunächst erfolgt eine kurze Darstellung der Ereignisse durch Petrus an die Gläubigen in Rom über den in Judäa vorgefallenen Raub an Eubola (1). Danach gibt er im Wortlaut die empfangene Vision, die ihm zur Aufdeckung der Tat gewährt wurde, wieder (2). Nun berichtet Petrus der römischen Gemeinde von seinem nach der Vision erfolgten Besuch bei Eubola, indem er seine Rede an sie sowie den Dialog mit ihr referiert. Ziel seines Besuches bei ihr sind Aufklärung des Raubs, ihre Abwendung von Simon und ihre Hinführung zum Glauben an den lebendigen Gott (3). Nachdem die Aufklärung bereits innerhalb der Vision und anlässlich des Besuchs bei Eubola in Aussicht gestellt wurde, erzählt Petrus nun die eigentliche Überführung der Tat in zwei Etappen: zunächst noch einmal als Handlungsanweisung an einen an der Aufklärung beteiligten Christen, wobei die vorausgesagten Ereignisse an der Porta Neapolitana, dem Nordtor von Jerusalem (vgl. Vouaux 1922, 323), lokalisiert werden, und schließlich als tatsächliche Aufdeckung öffentlich und vor Gericht, deren Konsequenz in der unmittelbaren Flucht des Simon aus Judäa besteht (4). Im Abschluss seiner Rede wird Eubolas Bekehrung bezeugt. Mit den Passagen um Eubola wird das Hauptthema der Petrusakten, nämlich der Abfall der römischen Gemeinde und ihre Wiedergewinnung im Kleinen nachgezeichnet. So wie die Gemeinde abfällt und wiedergewonnen wird, durchläuft Eubola eine Phase der Zuwendung zu Simon und eine daraus folgende Geistesverwirrung. Mit der Wiedererlangung ihres Besitzes und der Erkenntnis der wahren Natur 629

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Simons überwindet sie die Sinnesverwirrung und findet schließlich zum Glauben. Auf diese Weise wird hier die entscheidende Frage nach dem wahren Gott und der Hinwendung der Menschen zu ihm ausgeführt. Welche Gefahr eine Anhängerschaft an Simon mit sich bringt, wird in der Erzählung des Raubes an Eubola exemplarisch vor Augen geführt. Ebenso wird gezeigt, dass der Gott des Petrus in jeder Situation Rettung zu bringen vermag. Wie die Vision in ActPetr 16 deutlich gemacht hat, liegt es in Gottes eigenstem Interesse, dass sich die Menschen zu ihm bekehren. In dieser durchaus gegenseitigen Bezogenheit fungiert Petrus als Mittler.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Eubola als wohlhabende Matrone und Gastgeberin: Eubola wird im Text mehrfach als wohlhabende und angesehene Matrone bezeichnet (ähnlich Artemilla in der Ephesusperikope der ActPl 9). Sie verfügt über ein Hauswesen mit Bediensteten sowie ein Vermögen, bestehend auch aus Gold und Perlen. Die Selbstbezeichnung im Text als »einfache Frau« (mulier simplex) ist lediglich ein Bescheidenheitsgestus. Über Eubolas Familienstand erhalten wir keine näheren Informationen. Als Haushaltsvorstand obliegt es ihr, die Folter verdächtiger Bediensteter zu veranlassen. Zudem tritt sie im Zuge der Aufklärung des juristischen Sachverhalts öffentlich vor Gericht auf. Sie wird als Gastgeberin von Simon eingeführt und auch Petrus geht zu ihr (zu Gastfreundschaft allgemein vgl. Hiltbrunner 2005; zu Frauen und christlicher »Hauskirche« vgl. Schüssler Fiorenza 1988, 225-235). Eubola ist »religiös interessiert« und somit auch offen für das Christentum, wenn auch allem Anschein nach zunächst noch nicht Christin. Diese Offenheit entspricht der Situation einer großen religiösen Vielfalt im Römischen Reich dieser Zeit, die sowohl nichtchristliche Religionen und Kulte sowie unterschiedliche Ausprägungen des Christentums betrifft (zur Pluralität und deren Grenzen im frühen Christentum vgl. Markschies 2007, 373-383). Die Vielfalt (innerhalb) des Christentums manifestiert sich gerade in den apokryphen Schriften sehr deutlich (Markschies 2012b, bes. 74-80). Durch den Betrug des Simon, den Eubola für einen »gottähnlichen Menschen« hält, wird sie schwer erschüttert. Eine Folge dieser Enttäuschung ist eine gänzliche Sinnesverwirrung, die auch in der Öffentlichkeit sichtbar wird. Mit der Aufklärung der Tat erfolgt ihre Hinwendung zum Christentum, die mit der Aufgabe ihres Besitzes für die Armen bekräftigt wird. In den apokryphen Apostelakten finden sich zahlreiche Hinweise zu vermögenden Männern und Frauen, die entweder schon Christen sind oder ähnlich wie Eubola für das Christentum gewonnen werden sollen (vgl. z.B. Tryphaina, ActThec 27-39; vgl. auch die Geschichte um König Gundafor und seinen Bruder Gad, ActThom 17-27). Die Hinführung der wohlhabenden Oberschicht zum Christentum sowie die Nutzung ihres Einflusses, ihrer geistigen und materiellen Ressourcen für die christliche Gemeinschaft sind ein wichtiger Aspekt innerhalb der apokry630

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phen Apostelakten. Es geht hier ausdrücklich nicht um Reichtumskritik, sondern um die richtige Nutzung von Vermögen im Sinne der christlichen Gemeinschaft und insbesondere um die Versorgung der Bedürftigen. Das Motiv wohlhabender Frauen, die ihre Gastfreundschaft religiösen Repräsentanten zuteilwerden lassen, findet sich bereits in der Apostelgeschichte. So schließt sich zum Beispiel Lydia in Apg 16,13-15 der Verkündigung des Paulus an und nimmt ihn in ihr Haus auf. Ebenso finden sich Belege, nach denen Frauen prominenten Vertretern des Christentums unter anderem in Bedrohungssituationen Zuflucht gewährt haben (zu Origenes ist z.B. überliefert, dass er von der Jungfrau Juliana aufgenommen wird, die zwei Jahre für seinen Lebensunterhalt sorgt, vgl. Pall. h. Laus. 64; ähnlich wird über Athanasius berichtet, dass er während seiner Verfolgung sechs Jahre im Haus einer Jungfrau verbringt, Pall. h. Laus. 63). Eine häufig auftretende Gemeinsamkeit dieser reichen Christinnen ist, dass sie unverheiratet sind beziehungsweise wir nichts von einem Ehemann erfahren (Wallinger 1994, 226). Da wohlhabende Frauen zunächst in größerer Zahl zum Christentum übergetreten sind, war es für sie schwierig, einen sozial ebenbürtigen christlichen Partner zu finden (Lampe 1989, 96-99). Ebenfalls finden sich bereits in den neutestamentlichen Schriften Hinweise auf Frauen, die ihr Vermögen für die Gemeinschaft zur Verfügung stellen (Lk 8,3). Die Aufgabe von Vermögen und die Fürsorge an den Armen insbesondere auch seitens reicher Frauen ist ein vielfach belegtes Motiv. Dieses findet sich zum Beispiel in Bezug auf die aus einer aristokratischen Familie stammende Diakonin Olympias (Pall. h. Laus. 56) oder reiche Römerinnen, wie die aus konsularischer Familie stammende Melania die Jüngere (Pall. h. Laus. 61; vgl. Jensen 2006, 88-98). Die Darstellung der Eubola entspricht diesem Schema einer wohlhabenden Christin. Folter und Gericht: In ActPetr 17 ist mehrfach von der Anwendung der Folter zur Erwirkung eines Geständnisses die Rede. Als Folge des Raubs foltert Eubola die ihr verdächtigen eigenen Hausangestellten (familia). Petrus macht sie auf diese Qual Unschuldiger aufmerksam. Außerdem werden in der Öffentlichkeit die Helfer des Simon gefoltert, die so zu einem Geständnis gebracht werden. Die Gerichtsszene macht den öffentlichen Charakter der Überführung des Simon und seiner Spießgesellen deutlich. Dies wird durch den Hinweis unterstrichen, dass Eubola, die sonst nie in der Öffentlichkeit auftritt, sich an ein weltliches Gericht wendet. Weltliche Rechtsprechung wird in den apokryphen Apostelakten häufiger herangezogen (z.B. ActThecl 15-22 erster Prozess in Ikonion, 27-38 zweiter Prozess in Antiochien; mit einer Schwerpunktsetzung auf Gewalterfahrungen und Widerstand von Frauen vgl. Wehn 2006, 157-189.233-266). Die Anwendung der Folter ist eine für die Spätantike übliche Maßnahme, um Geständnisse zu bewirken (Krause 1996, 291-295). Die Apostelakten liefern unter anderem auch mit dieser Stelle ein authentisches Bild des Ablaufs einer Gerichtsszene. Der Statthalter Pompeius, den Eubola an seinem Amtssitz (praetorium) aufsucht, nimmt seine Verantwortung für die zivile Rechtsprechung umgehend wahr. Das Gerichtsverfahren findet öffentlich statt (Ausbüttel 1998, 54-61; dazu, dass eine 631

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wichtige Aufgabe des Statthalters einer Provinz in der Rechtsprechung bestand, vgl. z.B. Eck 1995, 335f.). Versorgung von Armen, Witwen und Waisen: Eubola, die durch die wundersame Wiedererlangung ihres Vermögens zum Christentum gefunden hat, setzt ihren Reichtum für die Versorgung von Witwen, Waisen und Armen ein und realisiert somit ein im Text entworfenes christliches Ideal (vgl. z.B. ActPetr 28-29). Dieses klingt auch in ActPetr 8 an, wo Marcellus als jemand dargestellt wird, der christlichen Witwen Zuflucht gewährt, Waisen ernährt und ein Schutzherr/Patron der Armen ist. Aus diesem Grund wird sein Haus auch als das »der Fremden und Armen« bezeichnet. Damit wird der antike Patronatsgedanke in den Petrusakten christlich umgedeutet (vgl. Stoops 1986 und 1992), worin sich in besonderer Weise die soziale und religiöse Verpflichtung der ersten Gemeinden gegenüber Armen und Bedürftigen äußert (vgl. Schwer 1950). Die Versorgung von Bedürftigen, so zum Beispiel auch von alten Frauen (ActJoh 30) und Witwen (zur strukturierten und organisierten Witwenversorgung siehe z.B. ActThom 59) wird in den apokryphen Apostelakten ebenso thematisiert wie die Aufwendung von Besitz für die Armen (z.B. ActThom 19). In unserem Text reichen die Wichtigkeit dieser sozialen Verpflichtung sowie ihre öffentliche Anerkennung so weit, dass sogar Simon, der Gegenspieler des Petrus, sich selbst damit in Verbindung bringt und unter anderem dadurch Eubolas Vertrauen gewinnen kann (ActPetr 17: »was immer er von mir gefordert hat im Dienste der Armen, habe ich vielfach gegeben durch seine Hand«). Witwen als eigener Stand sind bereits in den Pastoralbriefen belegt (1 Tim 5,3; Liste der Witwen: 1 Tim 5,9-11). Angehörige des Witwenstandes wurden in der Forschung vereinzelt sogar als Verfasserinnen der apokryphen Apostelakten angenommen (Davies 1980; dagegen MacDonald 1984). Inwiefern Witwen Funktionen in der Kirche ausgeübt haben, ist umstritten (Krause 1995, 52 mit Anm. 2). Dass sie für ihre Dienste in der Gemeinde ein Honorar erhielten, ist nicht auszuschließen (Krause 1995, 56; Jensen 2002, XXXII). Dass es verschiedene Arten von Witwen (Witwen, die dem »Witwenstand« angehören, und Witwen im klassischen Sinne) gab, legt schon 1 Tim 5,1-16 nahe. Dass dem »Witwenstand« ein Platz in der kirchlichen Ämterreihenfolge zukam, belegt die ›Apostolische Überlieferung‹ (Hipp. trad. ap. 10: Vidua autem cum instituitur non ordinatur sed eligitur ex nomine/Wenn eine Frau in den Witwenstand aufgenommen wird, wird sie nicht geweiht, sondern sie wird namentlich erwählt). In dieser Kirchenordnung werden Bischof (Kap. 2-3), Presbyter, Diakone, Bekenner, Witwen, Lektoren, Jungfrauen, Subdiakone und Menschen mit Gaben der Heilung (Kap. 7-14) aufgelistet. In der syrischen Didaskalia dagegen wird der Witwenstand nach dem Bischof, dem Diakon, der Diakonin und den Presbytern als letzter in der kirchlichen Hierarchie genannt (Kap. 9). Die Reglementierungen, so zum Beispiel das Verbot zu taufen und zu lehren als Tätigkeiten von Witwen, treten in der Didaskalia besonders ausführlich zutage (Kap. 15). Ihre Aufgaben werden auf das Gebet beschränkt. Ihre Tätigkeit wird mit der Position des Altars in der Kirche verglichen und damit argumentiert, dass sie nicht »umherschweifen« sollen in den Häusern der 632

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Gläubigen (Didasc. 15, vgl. Methuen 1998; zur Auswertung epigraphischer Befunde siehe Eisen 1996, 138-153). Häufig werden in den Quellen Witwen und Waisen, entsprechend dem hebräischen Verständnis der Verpflichtungen der Gemeinde ihnen gegenüber, als zu versorgende Gruppen gemeinsam genannt (zur kirchlichen Witwenversorgung z.B. Hipp. trad. ap. 20; 24; 30; vgl. Lampe 1989, 103f.). Interessanterweise ist dies jedoch nicht immer der Fall. So nennt z.B. Tertullian in seiner Auflistung unterstützungsbedürftiger Personen seitens der Gemeinde in seiner Schrift zur Verteidigung des Christentums (apol. 39,6) Witwen nicht, jedoch Kinder (pueris ac puellis) ohne Eltern und ohne Vermögen, die es zu unterstützen gilt, ebenso wie alt gewordene Dienerschaft (domestici seni) und weitere unterstützungsbedürftige Gruppen (Felber 2008; Krause 1995, 56; Schöllgen 1984, 305-307 nimmt für Karthago eine Art »Gehalt« für Witwen an).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Träume und Visionen: Visionen und Träume sind in der paganen wie christlichen antiken Literatur ein häufig beschriebenes Phänomen. Innerhalb der unterschiedlichen Kategorien von Träumen gibt es auch solche, die die Zukunft offenbaren. Man ging davon aus, dass Träume einen Zugang zur überirdischen Welt ermöglichen können. Sie boten somit eine Art Zwischenwelt, in der sich göttliche und menschliche Sphäre begegnen konnten. Allerdings stellte diese Öffnung auch eine Gefahr des Einfalls von schädigenden Mächten (Dämonen) dar (Dörnberg 2008; Miller 1998). Die Visionen in den Petrusakten üben stets einen entscheidenden Einfluss auf die Handlung aus, sei es, um zu bestimmten Handlungen aufzufordern, Unklarheiten aufzudecken oder in wichtigen Momenten zu bestärken (zu Visionen allgemein vgl. Frenschkowski 1995/1997 und Benz 1969; zu Visionen in den Petrusakten vgl. Stoops 1983). Während einer Nachtwache sieht Petrus Jesus als lächelnde Lichtgestalt (ActPetr 16). In der Vision gibt sich Jesus selbst zu erkennen. Für die Wundertaten des Petrus attestiert er eine Hierarchie von Zuständigkeiten. Gott bewirkt die Wunder, im Namen Jesu werden sie vollbracht, Petrus führt sie aus, und das Volk reagiert auf sie, indem es zum Glauben zurückkehrt. Jesus versichert Petrus seines Beistandes und knüpft diesen an das Bitten des Petrus um Zeichen und Wunder. Die Vision schließt mit der Verheißung, dass Petrus Simon und seine Werke überwinden wird. In den kanonisch gewordenen Evangelien sind uns keinerlei Verweise auf einen lächelnden Jesus überliefert (vgl. Mazucco 2007). Die darauf basierende Skepsis gegenüber dem Lachen in der antiken christlichen Literatur wird in den Petrusakten aufgeweicht. Hier verweist der lächelnde Jesus auf den zukünftigen Sieg über Simon. Ähnlich erscheint in den Paulusakten (ActPl 9) ein lächelnder Jüngling, der mit Christus in Verbindung gebracht werden kann. Die Lichtsymbolik sowie Christus als Lichtgestalt findet sich in den neutestamentlichen wie antiken christlichen Schriften und ist auch in den Petrusakten an 633

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weiteren Stellen präsent (vgl. die Lichterscheinung in ActPetr 5 nach der Taufe des Theon; zum Lichtkleid vgl. z.B. Malmede 1986, 155-169 und Benz 1969, 341-352). Die implizite Anweisung, um das Wunder zu bitten, die Petrus in der Vision (ActPetr 16) von Jesus erhält, führt er dergestalt aus, dass er fastet und darum betet, dass der Betrug an Eubola aufgedeckt wird. Fasten und Beten sind hier wie an anderen Stellen (z.B. ActPetr 18) in den Petrusakten Voraussetzung für die Vision, die zum Wunder hinführt. Die Vorbereitung durch Fasten, Schlafentzug und Gebet zur Erlangung einer Vision entspricht der jüdisch-christlichen Tradition (Frenschkowski/Mette 2003, 129). Petrus wird die erbetene Vision zuteil, in der ein nackter gefesselter Junge Petrus ein Weizenbrot reicht und die Umstände des Betrugs wie die notwendigen Schritte zur Aufdeckung der Tat offenbart (vgl. Benz 1969, 351). Das Weizenbrot bringt Stoops mit der Eucharistie in Verbindung. Eine Verbindung des Jungen mit Christus ist naheliegend (vgl. Stoops 1983, 115), eine Identifikation aber zu weit gegriffen. magnalia dei: Die Rede von den Großtaten Gottes (magnalia dei), die zu sehen Petrus in der Vision angekündigt werden, bezieht sich hier auf die Überführung des Simon. Die in Kapitel 17 auf ein punktuelles Ereignis bezogenen magnalia dei werden zum Beispiel auch in Apg 2,11 sowie in den Paulusakten (ActPl 12,1; P. Hamb. 6,13; μεγαλεία τοῦ θεοῦ megaleia tou theou) genannt, dort jedoch absolut gebraucht. Dies entspricht dem Duktus der Eubolaszene, dass im Kleinen etwas ausgeführt wird, das auf ein Großes und Ganzes verweist (vgl. unter Sprachlich-narratologischer Analyse die Parallelisierung der Wiedergewinnung von Eubola und der Gemeinde). Mann Gottes/göttlicher Mensch: Die Spuren der Tradition vom ›göttlichen Menschen‹ (homo dei bzw. θεῖος ἀνήρ theios anér), finden sich in immer wieder anderen Variationen in den Petrusakten (z.B. ActPetr 5 die Anrede des Kapitän Theon an Petrus: Mensch oder Gott? [deus es aut homo]). Während im restlichen Text diese Konzeption stets an Petrus herangetragen wird, verbindet Eubola in der Phase ihrer Zuwendung den Gedanken eines von Gott geschickten Menschen mit Simon (homo deificus – hier: gottähnlicher Mensch) und nennt ihn sogar ›Herr‹. Zum Phänomen des theios anēr (θεῖος ἀνήρ) vgl. ausführlich Bieler 1976; du Toit 1997. constans deus – instabilis daemon: In den Petrusakten ist eine duale Konzeption erkennbar: Petrus und dem Gott, den er verkündigt, wird Simon mit den Werken seines Vaters gegenübergestellt. Petrus und Simon verkörpern jeweils das ihnen eigene Prinzip – das Gute und das Böse, was sich in ihren Taten und deren Konsequenzen widerspiegelt. Der Gott des Petrus (ActPetr 21: constans deus – beständiger Gott) wird als barmherziger Gott vorgestellt (z.B. ActPetr 20: deus misericors), der durch Petrus Wunder bewirkt, um die Menschen zu retten. Dabei wird die Unfassbarkeit Gottes mehrfach betont, hier in ActPetr 17 mit der Bezeichnung »unsichtbarer Gott« (invisibilis deus), welche freilich sowohl der paganen philosophischen als auch der biblischen Tradition vertraut ist (zu Letzterer vgl. z.B. Joh 1,18; Kol 1,15); zur Idee vom unsichtbaren Gott in der philosophischen Tradition siehe z.B. Norden 1913, 24-30). 634

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Im Gegensatz zu den rettenden Wundern des Petrus bewirkt Simon Zerstörung und Verwirrung (ActPetr 17: instabilis daemon – schwankender Dämon) durch List, magische Kunst, Trugbilder und Zaubersprüche (zur Gegenüberstellung von instabilis daemon und constans deus vgl. Ficker 1914, 452). Simon wird im Text mehrfach als Engel/Bote des Satan (angelus satanae) bezeichnet (ActPetr 17; 18; 32). Ihm wird Petrus als Engel/Bote Gottes (angelus dei) gegenübergestellt (ActPetr 12: angelus et apostolus dei veri – Engel/Bote und Apostel des wahren Gottes). Die Bezeichnung Engel/Bote (angelus) wird hier neutral, sowohl für gute wie für böse Mittlergestalten, verwendet. In der Antike waren die Begriffe angelus wie daemon stellen- und zeitweise in beide Richtungen hin offen (zur Vielschichtigkeit des Begriffs daemon siehe z.B. Platons Gebrauch von δαίμων daimõn als Bezeichnung für ein niederes göttliches Wesen, die Seele eines besonderen Menschen und für Mittlerwesen zwischen den Menschen und den Göttern (vgl. dazu Vrugt-Lentz 1976, 613f.; vgl. auch die beratende Funktion des δαιμόνιον (daimonion) des Sokrates: z.B. Platon apol. 31D.E). Für die Petrusakten trifft die gewisse Offenheit des Begriffs nur auf die Bezeichnung angelus zu (vgl. Offb 12,7-9; 2  Kor 12,7), daemon ist jeweils eindeutig der bösen Sphäre zugeordnet (zur Einengung auf die negative Verwendung von daemon für böse Geister vgl. z.B. für das NT Böcher 1981). Gleich zu Beginn der Rede des Petrus an die Gemeinde in Rom ordnet er Simon dem negativen/bösen Bereich zu, dessen Wunder auf Magie beruhen (Otto 2011). Seine Zauberkunst ermöglicht Betrug, bewirkt, dass Unschuldige gefoltert werden sowie Trauer und Verzweiflung bei Eubola, deren Vertrauen und Gastfreundschaft er missbraucht hat. Die in ihn gesetzte Hoffnung als göttlichen Menschen enttäuscht er schändlich, Eubola verliert darüber ihre Vernunft, was äußerlich in ihrer Erscheinung mit zerrauftem Haar und zerrissener Kleidung, nach Art eines Trauergestus, sichtbar wird. Nachdem Eubola zunächst auf seine Aufforderung hin Vermögen für die Armen und für ihn selbst aufgewendet hat, beraubt er sie schließlich mit Hilfe zweier unsichtbarer Helfer ihrer Schätze (Perlen und Gold). Die Vorstellung von Zaubersprüchen, die Unsichtbarkeit verleihen, ist für die Antike nicht ungewöhnlich (vgl. z.B. PGM I,229-256). Die Lagerung des Raubguts in einer Höhle unter der Erde entspricht dem bösen und dunklen Bereich, dem Simon und seine Spießgesellen angehören. Auch die Helfer des Simon werden von Petrus durch Verschlagenheit und Schlechtigkeit (astutia et malitia) charakterisiert. Beide werden jedoch am Ende der Eubolaepisode überführt, zweifach in Ketten gebunden und dadurch unschädlich gemacht. Petrus, der durch die Vision über das Vorgefallene unterrichtet wird, kommt die Rolle zu, alles Verwirrte und Zerstörte wiederherzustellen und das Verschwundene wiederzubeschaffen. Dadurch werden Rettung und Bekehrung möglich und schließlich erlangt. Petrus bewirkt dies, indem er zunächst Eubola zur äußeren Ordnung ermahnt und sie mit für Wundertraditionen üblichen Worten, die der Auferstehungstermi635

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nologie entsprechen, auffordert: »Steh auf (von deiner Trauer)« (surge [a luctu]; vgl. Lk 7,14; Joh 5,8 da für eine Totenerweckung und eine Krankenheilung verwendet). Simons Schmeichelrede und seine vorgetäuschte Gottesfurcht überführt Petrus Eubola gegenüber als Gottlosigkeit.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Kapitel 16-18 sind eine Trias, wobei das knappe Kapitel 16 als eine Art Einleitung fungiert, Kapitel 17 den ausführlichen Hauptteil mit den Ereignissen um Eubola in Judäa darstellt und Kapitel 18 eine Form von Ausleitung und Überleitung ist. Alle drei Kapitel verweisen mit unterschiedlicher Akzentsetzung – in Form einer Vision (16), einer exemplarischen Erzählung vom Wunder der Rettung der Eubola (17), über das Petrus und die römische Gemeinde bestärkende Gebet (18) – auf den zukünftigen Sieg des Petrus über Simon Magus und damit auf den Sieg des wahren Glaubens an den wahren Gott. Somit sind die Kapitel 16-18 eng miteinander verwoben und stellen gleichzeitig eine wichtige Etappe auf dem Weg zur endgültigen Überwindung des Magiers Simon dar (vgl. von Haehling 2003, 54). Der Wunderglaube und die damit verbundenen Visionen, welche ihrerseits eine Art »Eigenleistung« – Wachen, Fasten und Beten – erfordern, sind für die Geschehnisse innerhalb der drei Kapitel grundlegend: Jesus in der Vision bestätigt Petrus in seiner Fähigkeit, Wunder zu vollbringen, und in seinem Vermögen, Simon zu überwinden (ActPetr 16); Petrus belegt die Macht seines Gottes, durch ihn Wunder zu wirken, indem er um eine Vision bittet und sie erhält und das Unwesen des Simon aufdeckt (ActPetr 17); Petrus fordert auch die Gemeinde zum Fasten und Beten auf. Er bittet um Stärke (virtus) für sich und die Gemeinde, auch künftig Simon und seinen magischen Sprüchen zu widerstehen (ActPetr 18). Die Hinführung zum wahren christlichen Glauben wird in der Eubolaepisode fast psychologisch dargestellt. Das äußere Geschehen, der Verlust ihrer Schätze und die äußeren Umstände werden eng mit innerem Befinden und inneren Vorgängen, die schließlich zum Glauben führen, verflochten. Die Aufdeckung der äußeren Umstände durch den Gott des Petrus bewirkt Eubolas inneren Wandel hin zum Glauben. Diese Verwobenheit wird wie eine Pendelbewegung erzählt, z.B. indem Petrus zu Eubola sagt: »Alles, was du verloren hast [gemeint sind die geraubten Schätze], wirst du finden [äußerer Vorgang]. Und nachdem du diese Dinge erhalten haben wirst, mach, dass er [Christus] dich findet [innerer Vorgang].« Die Aufforderung des Petrus an Eubola, ihre äußere Erscheinung zu ordnen, geht einher mit seinem Bemühen, ihre innere Ordnung herzustellen: Das Gespräch, das mit der Ermahnung begonnen hat »Eubola, steh auf von deiner Trauer, richte dein Gesicht her, stecke dein Haar auf, nimm dir ein Kleid, das sich für dich ziemt …«, endet mit den Worten »und nun gewinne du deine Seele«. Letztlich wird sich an 636

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Die Matrone Eubola und der Perlenraub: reich – gerettet – diakonisch ActPetr 16-18

Eubola der von Petrus in der Rede vorgestellte innere und äußere Prozess der Rettung tatsächlich vollziehen. Dabei wird Eubola von Petrus aufgefordert, für den wahren Gott offen zu sein und die von ihm kommende Stärke (virtus) anzunehmen (accipe virtutem ab eo – empfange Stärke von ihm), nachdem Simon, der sich selbst als virtus dei (Kraft Gottes, ActPetr 4) vorstellt, lediglich ihre Verwirrung bewirkt hat. Mit den abschließenden Worten des Petrus im Gespräch mit Eubola wird ein zentrales Thema der Bergpredigt aufgegriffen (vgl. Schlussbild vom Hausbau, Mt 7,24-27): »Nicht in Worte soll man vertrauen, sondern in Werke und Taten«. Der hier zum Ausdruck gebrachte Gedanke der hohen Bedeutung von Taten wird lehrhaft fast in der Art eines Vermächtnisses formuliert. Dies sowie die Übereinstimmung von Worten und Taten sind auch ein im Gesamttext wesentlicher Aspekt (z.B. ActPetr 7). In der Eubolaepisode vollzieht sich eine zunehmende »Sichtbarmachung« des Simon und seiner unsichtbaren (!) Helfer, die auf Gottes wunderhaftes Eingreifen zurückgeht. Die Szene nimmt einen Verlauf von der Vision nur an Petrus bis hin zu einer öffentlichen Gerichtsszene. Die bösen Machenschaften, die sich im begrenzten häuslichen Bereich abgespielt haben, werden somit am Ende öffentlich gemacht. All das vermag der Gott des Petrus zu bewirken.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Eine unmittelbare Wirkungsgeschichte der Eubolaszene außerhalb der Petrusakten ist schwerlich festzumachen. Die Bedeutung der Episode liegt innerhalb des Textes, und zwar darin, dass sie anders als die restliche Handlung in Judäa spielt. Aus diesem Grund hat sich in der Forschung die Meinung herausgebildet, dass dieser Textabschnitt in einem ersten verloren gegangenen Drittel der Petrusakten gestanden habe, für das man Judäa als Hauptschauplatz annimmt (z.B. Vouaux 1922, 33f.; Schneemelcher 1997b, 252). Das Wiederauffinden wertvoller verschwundener Gegenstände auch in Verbindung mit Visionen und Träumen ist auch in der jüdischen und paganen antiken Literatur überliefert. So berichtet beispielsweise Flavius Josephus von einem samaritanischen Propheten, der seinem Volk die Wiedererlangung der verschollenen Tempelgeräte auf dem Berg Garizim verheißt und damit einen bewaffneten Konflikt bewirkt (Flav. Jos. Ant. 18,85-87; Theißen 2011, 278). Ebenso finden sich mehrere Inschriften von Asklepios- (z.B. Epidauros Inschrift 46, 63) und auch Apollonheiligtümern, die das Wiederauffinden von Verlorenem oder Gestohlenem zum Inhalt haben. Auch hier werden in Träumen Hinweise zur Auffindung gegeben und durch den Gott der glückliche Ausgang offenbart (Herzog 1931, 113). Marietheres Döhler/Livia Neureiter

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

Literatur zum Weiterlesen J. N. Bremmer, Aspects of the Acts of Peter. Women, Magic, Place and Date, in: J. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, SAAA 3, Leuven 1998b, 1-20. S. L. Davies, The Revolt of the Widows. The Social World of the Apocryphal Acts, Carbondale/Edwardsville 1980. A. Jensen, Gottes selbstbewusste Töchter. Frauenemanzipation im frühen Christentum?, Theologische Frauenforschung in Europa 9, Münster/Hamburg/London 22003. J.-U. Krause, Witwen und Waisen im frühen Christentum, HABES 19, Stuttgart 1995. D. R. MacDonald, The Role of Women in the Production of the Apocryphal Acts of the Apostles, The Iliff Review 40 (1984), 21-38. R. F. Stoops, Patronage in the Acts of Peter, Semeia 38 (1986), 91-100. Ders., Miracle Stories and Vision Reports in the Acts of Peter, PhD Dissertation, Harvard University 1983.

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Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen (Wunder im Hause des Marcellus) ActPetr 19-22 (19,1) Nachdem Petrus dieses gesagt hatte, da kam auch Marcellus hinzu und sagte: (2) »Petrus, ich habe mein ganzes Haus für dich von den Spuren des Simon gereinigt und (alle Reste) seines schändlichen Staubes beseitigt. (3) Denn ich habe Wasser genommen und unter Anrufung des heiligen Namens Jesu Christi, habe ich mit meinen übrigen Dienern, die ihm [Christus] zugehören, mein ganzes Haus und alle Speisezimmer und jeden Säulengang bis hinaus vor die Tür besprengt. (4) Und ich sagte: ›Ich weiß, dass du, Herr Jesus Christus, rein und von aller Unreinheit unberührt bist, so dass mein Feind und Gegner vor deinem Anblick vertrieben wird.‹ (5) Und jetzt, Glückseligster, habe ich befohlen, dass Witwen und Alte in mein allen gemeinsames Haus zu dir kommen, damit sie mit uns beten. (6) Sie sollen aber um des Dienstes willen je ein Goldstück erhalten, damit sie wirklich Christi Dienerinnen (und Diener) genannt werden können. Im Übrigen ist alles zum Dienst vorbereitet. (7) Ich bitte dich daher, glückseligster Petrus, ihre Bitten zu besiegeln, damit auch du ihre Gebete, die sie für mich sprechen, schmückst. (8) So wollen wir gehen. Wir wollen auch den Narcissus und alle hier befindlichen Brüder mitnehmen.« (9) Da Petrus nun seiner Aufrichtigkeit beistimmte, ging er mit ihm und den übrigen Brüdern, um seinen Wunsch zu erfüllen. (20,1) Petrus aber trat ein und sah eine von den alten Frauen, eine Witwe, die blind war, und ihre Tochter, die ihr die Hand gab und sie in das Haus des Marcellus führte. (2) Und Petrus sprach zu ihr: »Komm hierher, Mutter; dir gibt Jesus von heute an seine rechte Hand, (Jesus,) durch den wir ein unzugängliches Licht haben, das die Finsternis nicht verdeckt. (3) Er spricht durch mich zu dir: ›Öffne die Augen und sehe und gehe selbstständig!‹« (4) Und sofort sah die Witwe, wie Petrus ihr die Hand auflegte. (5) Petrus aber ging in das Speisezimmer und sah, dass das Evangelium gelesen wurde. (6) Er rollte es zusammen und sagte: »Ihr Männer (und Frauen), die ihr an Christus glaubt und hofft, ihr sollt erfahren, wie die heilige Schrift unseres Herrn verkündet werden muss. (7) Was wir nach seiner Gnade, soweit wir es verstanden haben, niedergeschrieben haben, erscheint euch zwar bisher noch schwach; dennoch (haben wir es geschrieben) gemäß unseren Kräften, soweit es erträglich ist, es in menschliches Fleisch zu bringen. (8) Wir müssen also zuerst Gottes Willen oder (seine) Güte kennenlernen, da ja einst 639

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

der Betrug weitverbreitet war und viele Tausende von Menschen in das Verderben stürzten, und (darum) der Herr in seiner Barmherzigkeit veranlasst war, sich in anderer Gestalt zu zeigen und im Bilde eines Menschen zu erscheinen, bezüglich dessen weder die Juden noch wir in der Lage sind, würdig erleuchtet zu werden. (9) Denn jeder von uns sah (ihn), wie er es zu fassen vermochte, je nachdem er es konnte. (10) Jetzt aber will ich euch erklären, was euch gerade vorgelesen worden ist. (11) Unser Herr wollte mich seine Herrlichkeit auf heiligem Berge sehen lassen; als ich aber mit den Söhnen des Zebedäus den Glanz seines Lichtes sah, fiel ich wie tot nieder und schloss meine Augen und hörte seine Stimme so, wie ich es nicht beschreiben kann; (12) ich glaubte, dass ich von seinem Glanze erblindet sei. (13) Und als ich ein wenig aufatmete, sprach ich zu mir; ›Vielleicht hat mein Herr mich hierher führen wollen, um mich des Augenlichts zu berauben.‹ (14) Und ich sagte: ›Und wenn das dein Wille ist, Herr, dann widerspreche ich nicht.‹ (15) Und er gab mir die Hand und richtete mich auf. (16) Und als ich aufstand, sah ich ihn wiederum so, wie ich ihn fassen konnte. (17) So also, geliebteste Brüder (und Schwestern), hat der barmherzige Gott unsere Schwachheiten getragen und unsere Sünden auf sich genommen, wie der Prophet sagt: (18) ›Er trägt unsere Sünden und für uns leidet er Schmerzen; wir aber glaubten, dass er in Schmerzen sei und von Wunden geplagt würde.‹ (19) Denn ›er ist ja im Vater und der Vater in ihm‹; (20) er selbst ist auch die Fülle aller Herrlichkeit, der uns alle seine Güte gezeigt hat. (21) Er hat gegessen und getrunken unsertwegen, obwohl er weder hungrig noch durstig war, (22) er hat ertragen und Beschimpfungen erduldet unsertwegen, (23) er ist gestorben und auferstanden um unsertwillen. (24) Er, der auch mich, als ich sündigte, verteidigt und gestärkt hat in seiner Größe, wird auch euch trösten, auf dass ihr ihn liebt, diesen Großen und ganz Kleinen, den Schönen und Hässlichen, Jüngling und Greis, (25) in der Zeit erscheinend und (doch) in Ewigkeit gänzlich unsichtbar, (26) den eine menschliche Hand nicht gehalten hat und der von seinen Dienern gehalten wird, (27) den das Fleisch nicht gesehen hat und der jetzt gesehen wird, (28) der kein Gehör gefunden hat, der aber jetzt bekannt und das gehörte Wort geworden ist; (29) dem die Leiden fremd waren und der jetzt gleichsam wie wir gezüchtigt ist, er, der niemals gezüchtigt war, ist jetzt gezüchtigt; (30) der vor der Welt ist und in der Zeit wahrgenommen wurde, (31) aller Herrschaft großer Anfang und (doch) den Fürsten ausgeliefert; (32) schön, aber unter uns niedrig und hässlich erschienen, aber voller Fürsorge: (33) Diesen Jesus habt ihr, Brüder (und Schwestern): (34) (er ist für euch) die Tür, das Licht, der Weg, das Brot, das Wasser, das Leben, die Auferstehung, der Trost, die Perle, der Schatz, der Samen, die Sättigung, das Senfkorn, der Weinstock, der Pflug, die Gnade, der Glaube, das Wort. (35) Dieser ist 640

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Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen ActPetr 19-22

alles, und es ist kein anderer größer als er. (36) Ihm sei Lob in alle Ewigkeit, Amen.« (21,1) Und als die neunte Stunde abgelaufen war, erhoben sie sich, um zu beten. (2) Und siehe, plötzlich riefen einige der alten blinden Witwen, die da saßen ohne Wissen des Petrus und nicht aufgestanden waren, (3) und sprachen zu Petrus; »Wir sitzen hier zusammen, Petrus, hoffen auf Christus Jesus und glauben (an ihn). (4) Wie du nun eine von uns sehend gemacht hast, so bitten wir, Herr Petrus, gibt auch uns Anteil an seiner Barmherzigkeit und Liebe!« (5) Petrus aber sprach zu ihnen: »Wenn in euch Glauben an Christus ist, wenn er in euch befestigt ist, so sehet mit dem Geiste, was ihr mit den Augen nicht sehet; (6) und eure Ohren sind verschlossen, aber in eurem Geiste innen mögen sie offen sein. (7) Diese Augen werden wiederum geschlossen werden, die nichts anderes sehen als Menschen, Rinder und stumme Tiere, Steine und Holz; aber Jesu Christus sehen (nur) die inneren Augen. (8) Aber jetzt, o Herr, möge dein süßer und heiliger Name jenen zu Hilfe kommen; berühre ihre Augen, denn du hast die Macht, dass sie mit ihren Augen sehen können.« (9) Als aber von allen das Gebet gesprochen worden war, da erstrahlte das Zimmer, in dem sie waren, als wenn es blitzt, (und zwar so) wie es in den Wolken zu sein pflegt. (10) Aber es war nicht solch ein Licht, wie es am Tage (sichtbar) ist, unbeschreiblich, unsichtbar, wie es kein Mensch beschreiben kann, ein solches Licht, das uns so blendete, dass wir von Sinnen kamen, zu dem Herrn riefen und sprachen: (11) »Erbarme dich über uns, deine Knechte, o Herr! (12) Was wir ertragen können, o Herr, das teile uns zu; denn dies können wir weder sehen noch ertragen.« (13) Als wir aber so dalagen, standen nur jene Witwen aufrecht, sie waren ja blind. (14) Das helle Licht aber, das uns erschien, drang in ihre Augen und machte sie sehend. (15) Zu ihnen sprach Petrus: »Berichtet, was ihr gesehen habt.« (16) Sie sagten: »Wir haben einen älteren Mann gesehen, der solches Aussehen hatte, wie wir es dir nicht erzählen können.« (17) Andere aber (sagten): »Wir haben einen heranwachsenden Jüngling gesehen.« (18) Andere aber sagten: »Wir haben einen Knaben gesehen, der unsere Augen zart berührte, so sind uns die Augen geöffnet worden.« (19) Petrus nun pries den Herrn und sprach: »Du allein bist Gott der Herr, dem Lob darzubringen ist. (20) Wie viele Lippen haben wir nötig, damit wir dir gemäß deiner Barmherzigkeit Dank sagen können? (21) So (ist es), liebe Brüder, wie ich kurz vorher berichtet habe: sicherlich größer ist Gott als unsere Gedanken, wie wir es von den alten Witwen erfahren haben, wie sie in verschiedener Gestalt den Herrn gesehen haben.« (22,1) Und er ermahnte alle, den Herrn aus ganzem Herzen zu erkennen; (2) dann begann er, mit Marcellus und anderen Brüdern den Jungfrauen des Herrn zu dienen und bis zum Morgen auszuruhen. (3) Zu ihnen 641

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

(sc. den Jungfrauen) sprach Marcellus: »Ihr heiligen und unversehrten Jungfrauen des Herrn, hört: Ihr habt, wo ihr wohnen könnt. (4) Denn was als mein Eigentum gilt, wem sollte es sonst gehören als euch? (5) Geht nicht fort von hier, sondern erholt euch; denn am morgigen Sabbattage, der kommen wird, hat Simon einen Kampf mit Petrus, dem Heiligen Gottes. (6) Wie nun der Herr immer mit ihm gewesen ist, so möge auch jetzt Christus der Herr ihm als seinem Apostel beistehen! (7) Petrus nämlich verharrt (im Gebet) und nimmt nichts zu sich, sondern fastet, um den bösen Feind und den Verfolger der Wahrheit des Herrn zu besiegen. (8) Denn seht, da sind meine jungen Leute gekommen und berichten, sie hätten gesehen, wie auf dem Forum stufenförmige Gerüste aufgebaut (9) würden, und die Menge sage (dazu): ›Hier haben morgen nach Tagesanbruch zwei Juden einen Streit auszufechten wegen der Anrufung Gottes.‹ (10) Darum lasst uns jetzt bis zum Morgen wach bleiben und beten und unseren Herrn Jesus Christus bitten, er möge unsere Gebete für Petrus erhören.« (11) Marcellus aber schlief für kurze Zeit ein, (12) und als er aufgewacht war, sprach er zu Petrus: »Petrus, Apostel Christi, mutig wollen wir an unser Vorhaben gehen. (13) Als ich nämlich jetzt für kurze Zeit eingeschlafen war, sah ich dich auf einem erhöhten Platz sitzen und vor dir eine große Menschenmenge; (14) und ein sehr hässliches Weib, ihrem Aussehen nach eine Äthiopierin, keine Ägypterin, sondern eine ganz schwarze, in schmutzige Lumpen gehüllte (Person), (sah ich) tanzen, (15) eine eiserne Kette um den Hals und Ketten an den Händen und Füßen. (16) Als du sie sahst, sagtest du mit lauter Stimme zu mir: ›Marcellus, alle Kraft Simons und seines Gottes ist die, die da tanzt: Enthaupte sie!‹ (17) Und ich sagte zu dir: ›Bruder Petrus, ich bin ein Senator von vornehmer Herkunft, und niemals habe ich meine Hände befleckt, und ich habe nicht einmal einen Sperling getötet.‹ (18) Und als du das gehört hattest, fingst du an, noch lauter zu rufen: ›Komm, unser wahres Schwert, Jesus Christus, und haue diesem Dämon nicht nur den Kopf ab, sondern zerschlag ihm auch alle seine Glieder, in Gegenwart all jener, die ich in deinem Kriegsdienst erprobt habe.‹ (19) Und sofort nahm einer, der dir, Petrus, glich, das Schwert und hieb sie ganz zusammen, so dass ich mein Augenmerk auf euch beide richtete, auf dich und auf jenen, der jenen Dämon zusammenhieb, (die) so ähnlich waren, zu meiner großen Verwunderung. (20) Nachdem ich erwacht bin, berichte ich dir dies Zeichen Christi.« (21) Als Petrus dies gehört hatte, wurde er noch mehr ermutigt, weil Marcellus dies gesehen hatte; denn der Herr sorgt überall für die Seinen. Übersetzung leicht überarbeitet nach Schneemelcher 1997b, 274-278.

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Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen ActPetr 19-22

Sprachlich-narratologische Analyse In den Acta Petri wird der Glaube an den lebendigen Gott eindrücklich gestaltet und legitimiert durch Worte und Taten, und ganz besonders durch letztere. Wie Petrus in ActPetr 17 programmatisch formulierte: Non est in verbis habenda fides, sed in operibus et factis – »Nicht Worten dürfen wir Glauben schenken, sondern Werken und Taten« (ActPetr 17). Deshalb verwundert es nicht, dass viele Szenen durch Wunder ausstaffiert werden. Wundertaten sind sozusagen die Waffen im Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen – zwischen dem Repräsentanten des Guten, Petrus, und dem Repräsentanten des Bösen, Simon Magus, zwei Protagonisten, die beide für sich in Anspruch nehmen, die Kraft Gottes zu besitzen. Der Konflikt zwischen diesen beiden Männern, die Engel Gottes und Engel Satans genannt werden, strukturiert die Erzählung bis zum Martyrium. Bevor es zu den drei Wundern im Hause des Marcellus kommt, die in dieser Auslegung behandelt werden, ist bereits viel passiert zwischen den beiden Kontrahenten. Vom Moment der Ankunft des Petrus in Rom ist seine Überlegenheit über Simon vor allem durch außergewöhnliche Wunder demonstriert worden. So hat Petrus dem Simon durch einen sprechenden Hund und ein sprechendes Baby den Kampf ansagen lassen und die Menge für sich und Christus zurückgewonnen, indem er einen Dörrfisch wieder zum Leben erweckte (ActPetr 9-13). Das vorläufig letzte Wort des Petrus verurteilte Simon im Namen Jesu Christi zum Schweigen und verbannte ihn bis zum folgenden Sabbat aus Rom (ActPetr 15). Während der Rivale so zeitweilig außer Gefecht gesetzt ist, gewinnt Petrus die abgefallenen Gläubigen von Rom zurück. Dem dient u.a. der ausführliche Bericht von der Vertreibung Simons aus Judäa (ActPetr 16f.), der mit einem Gebet abgeschlossen wird, das deutlich die Funktion hat, die Leser vorausblickend zu beruhigen und thematisch – über Worte aus dem metaphorischen Feld des Sehens – einzustimmen auf die kommenden Ereignisse: Der, welcher ihn [Simon] von dort vertrieben hat, ist auch mächtig, ihn von hier auszutreiben. … Daher wollen wir unsere Knie vor Christus beugen, der uns erhört, auch wenn wir nicht gerufen haben. Er ist es, der uns sieht, auch wenn er nicht mit diesen Augen gesehen wird; aber er ist unter uns. Wenn wir wollen, wird er nicht von uns weichen. … wenn wir nur mit den Augen zuwinken, so ist er bei uns (ActPetr 18).

Die Szenen seit ActPetr 18 sind wechselnd lokalisiert in den Häusern und rund um die Häuser des Marcellus und des Presbyters Narcissus. Jetzt, in ActPetr 19, bewegt die Erzählung sich erneut zum Hause des römischen Senators und Patrons Marcellus. Marcellus war einstmals die Zuflucht von Witwen, Waisen und Armen gewesen, hatte danach sein Wohltun bereut und Simon in sein Haus aufgenommen, um nach der Begegnung mit dem sprechenden Hund voll Reue wieder zu Christus zurückzukehren. Er wurde rehabilitiert durch den Beweis seines Glaubens, als er Christus, ohne zu zweifeln, um die Wiederherstellung einer zerbrochenen Kaiserstatue bat, und nachdem dies »erste Wunder unter seinen Händen geschehen war«, glaubte er 643

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

»an den Namen Jesu Christi, des Sohnes Gottes, durch den alles Unmögliche möglich ist« (ActPetr 11). Jetzt möchte er sein Haus erneut öffnen für die christliche Gemeinschaft und teilt Petrus mit, dass er eine magisch rituelle Reinigung durchgeführt hat, um sein Haus von allen Spuren des Simon zu reinigen und es zum Dienst vorzubereiten. Nach der Reinigung seines Hauses lässt (iussi) Marcellus die Witwen und Alten kommen, damit sie beten, und er bittet (rogo) Petrus, sich zusammen mit Narcissus und den übrigen Brüdern (und vermutlich auch Schwestern, s.u.) dieser Gesellschaft anzuschließen unter dem höflichen Deckmantel, »ihre Bitten zu besiegeln«. Nach diesem einführenden kurzen Kapitel (ActPetr 19) folgen vier Szenen im Haus des Marcellus, die insgesamt eine Zeitspanne von etwas weniger als einem Tag umfassen (den restlichen Tag, die Nacht und den folgenden Sabbatmorgen), bis zum Aufbruch des Petrus zum Forum, wo in den Kapiteln 22-29 und 30-32 der Showdown mit Simon stattfinden wird. Die Szenenabfolge besteht aus einem kurzen Heilungswunder an einer Witwe (ActPetr 20,1-4), einer Rekapitulation und Deutung des Verklärungswunders in einer Predigt des Augenzeugen und Schreibers Petrus selbst (ActPetr 20,5-36), einer dem Verklärungswunder in vielen Elementen korrespondierenden Heilung vieler anwesender blinder Witwen (ActPetr 21,1-21) und einem als wunderbare Voraussage der kommenden Wunder gedeuteten Traum des Marcellus (ActPetr 20,1-21). Das erste Wunder: Als Petrus das Haus betritt, sieht er, wie eine Tochter ihre blinde Mutter, eine Witwe, hineinführt. Er macht die Frau mittels Handauflegung sehend. Das Thema sehen/nicht sehen, das der Erzähler schon in ActPetr 18 eingeführt hatte, wird von jetzt an ein Leitmotiv sein. Drei Aktanten – Petrus, eine Witwe und ihre Tochter – spielen eine Rolle, und zwei narrative Elemente – »Hände« und das Thema »Sehen« – strukturieren diese kurze Szene, das erste Wunder dieses Teilstücks 19-22, das beinahe beiläufig erzählt wird. Beim Hereingehen sieht Petrus, wie eine Tochter ihrer Mutter der Hand gibt und sie ins Haus führt. Obwohl er keinen direkte Anlass hat, das zu tun – weder die Frau noch ihre Tochter sprechen oder fragen ihn etwas –, sagt Petrus, dass Jesus der Mutter von heute ab seine rechte Hand gibt, und spricht in seinem Auftrag zu ihr: »Öffne die Augen und sehe und gehe selbstständig!« Die Tochter, die ihre Mutter bei der Hand führte, übergibt die Mutter »zu treuen Händen«: Jesus wird ihre Stelle übernehmen, und das wird aktualisiert durch die Worte und die vielsagende Geste des Petrus, der der Frau die Hand auflegt, was diese bezeichnenderweise nicht fühlt, sondern sieht. Petrus verknüpft in seiner kurzen Rede die Überwindung des »ohne Augenlicht«-Seins der Frau mit ihrer Anteilhabe an Jesu/Gottes unzugänglichem Licht, das die Finsternis (Blindheit!) nicht zu bedecken imstande ist. Damit betont er einerseits die höchste alleinige Souveränität Gottes, der zu Hause ist in unzugänglichem Licht – lucem inhabitat inaccessibilem (er wohnt in unzugänglichem Licht: 1 Tim 6,16) –, andererseits kommt hier, durch das Wort inaccessus (unzugänglich), das begrenzte menschliche Wahrnehmungsvermögen in den Blick, ein durchlaufendes Thema unseres Abschnitts, das in den folgenden Szenen vertieft werden wird. 644

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Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen ActPetr 19-22

Die Witwe, die zuerst blind ist und passiv von Hand zu Hand geht, erfährt, als sie vom Nicht-Sehen zum Sehen kommt, eine grundsätzliche Verwandlung von Passivität zu Aktivität. Am Ende sieht die Witwe, dass Petrus ihr die Hand auflegt. Dieses Sehen der Witwe kann als Akklamation oder Bestätigung des Wunders aufgefasst werden. Jedenfalls endet die Szene mit der Feststellung dieses Sehens. Charakteristische Elemente wie Anerkennung, Freude, Glaube, Dankbarkeit usw., die Wundererzählungen manchmal prägen, fehlen hier. Es ist, als ob die einfache Struktur nur die Aufmerksamkeit auf die zentrale Thematik »sehen« und die unentbehrliche Hand Gottes in jedem Wunder oder jeder Heilung lenken will: Petrus

sieht

Hand Tochter

Petrus

spricht

Hand Jesu

Witwe

sieht

Hand Petrus

 sieh und gehe selbstständig!



Die Rekapitulation und Auslegung des Verklärungswunders: Nachdem Petrus die Witwe sehend gemacht hat, geht er ins Speisezimmer, wo er sieht (!), dass das Evangelium vorgelesen wird, und zwar die aus den Evangelien und dem zweiten Petrusbrief bekannte Passage von der Verklärung auf dem Berg in Anwesenheit von Petrus, Johannes und Jakobus (Mk 9,2-10 par; 2  Petr 1,18). Nachdem Petrus das Evangelium zusammengerollt hat, beginnt er eine längere Rede (ActPetr 20,6-36). Er wendet sich an die »Männer, die ihr an Christus glaubt«, wobei die Anwesenheit von Frauen durch den Erzählverlauf vorausgesetzt ist und die Anrede »Männer« daher als Frauen einschließend verstanden werden muss. Zunächst erklärt er, wie »wir« das Evangelium – »die heilige Schrift unseres Herrn« – geschrieben haben: einerseits unter dem Einfluss göttlicher Gnade, andererseits soweit es menschenmöglich war. Diese Relativierung, die die menschliche Unmöglichkeit benennt, den Herrn zu erkennen oder wirklich zu sehen, wird hier erneut und auch in den folgenden Abschnitten nochmals akzentuiert. In seiner Barmherzigkeit, so erklärt Petrus, musste der Herr sich in anderer Gestalt zeigen, im Bilde eines Menschen, um Gottes Willen und Güte bekannt zu machen, aber jeder sah ihn nur so, wie er es zu fassen vermochte (ActPetr 20,5-10). So auch hat Petrus selber die Herrlichkeit Jesu auf dem Berg nur sehen können, soweit er es fassen konnte, und daher kann er nicht wirklich beschreiben, was er dort erfahren hat. Vom Glanz des Lichts geblendet, sei er niedergefallen wie tot und habe gedacht, dass er erblindet sei, doch dann habe der Herr ihm die Hand gegeben und ihn aufgerichtet und er sah ihn wiederum so, wie er ihn fassen konnte (ActPetr 20,11-16). Danach unterstreicht Petrus die Barmherzigkeit Gottes, id est Jesus, denn, so Petrus, »er ist ja im Vater und der Vater in ihm« – der unsere Schwachheiten getragen und unsere Sünden auf sich nahm, der gelebt, gelitten, ertragen und erduldet hat unsertwillen und unsertwillen gestorben und auferstanden ist. Dieser Gott der in seiner Größe und Güte Sünder stärkt – Petrus erinnert ausdrücklich auch an sein ei645

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genes Versagen (ActPetr 20,24) –, wird die Brüder und Schwestern trösten, auf dass sie ihn lieben. Es folgt eine akklamatorische Beschreibung des Unbeschreiblichen in einer Reihe einander entgegengesetzter Begriffe (der Große und ganz Kleine; Schöne und Hässliche; Jüngling und Greis; in der Zeit erscheinend und in Ewigkeit gänzlich unsichtbar etc.), kulminierend in einer Liste von Prädikaten Jesu aus der allgemeinen christlichen Tradition: Tür, Licht, Weg, Brot … Gnade, Glaube, Wort. Petrus fasst seine Predigt zusammen mit dem Bekenntnis: »Dieser ist alles, und es ist kein anderer größer als er« (ActPetr 20,17-36). Verschiedene der hervorgehobenen Erzählelemente, das Thema Sehen, Licht, Gottes Barmherzigkeit, die verschiedene Gestalten des Herrn und die Erfahrungen des Petrus auf dem Berg weisen voraus und bilden gewissermaßen den Auftakt für das nächste Wunder. Das zweite Wunder: Diese Szene findet ebenfalls im Speisezimmer im Haus des Marcellus statt und ist eingebettet in das Gebet der Gemeinde zur neunten Stunde (s.u.). Alle Personen sind jetzt anwesend – sogar der Erzähler meldet sich unvermutet zu Wort, indem er mitten in der Erzählung dazu übergeht, aus der Perspektive des aktiv Beteiligten (in der 1. Person Plural) zu beschreiben, was sich abspielt. Das Gebet und insbesondere das Thema Sehen tragen und strukturieren die Szene, wie eine kurze Übersicht illustriert: Am Anfang erheben sich die Anwesenden, um zu beten

Die blinden Witwen sitzen, rufen, erbitten, ebenfalls sehend gemacht zu werden Petrus spricht von Sehen mit den inneren Augen/ruft den Herrn an, sie sehend zu machen Nachdem das gemeinsame Gebet gesprochen worden war,

erstrahlte das Zimmer mit einem unbeschreiblichen, unfassbaren, unerträglichen Licht, so dass »wir« zu dem Herrn rufen Während »wir« daliegen, stehen die Witwen aufrecht

das Licht macht sie sehend die Witwen sprechen von dem, was sie gesehen haben Petrus preist den Herrn, erinnert an das, was die Witwen gesehen haben.

Das erste und zweite Wunder korrespondieren in vielen vergleichbaren und einigen gegensätzlichen Erzählelementen, wodurch eine Vertiefung der ersten Szene erreicht wird. Während in der ersten Szene der Apostel sieht und die blinde Witwe sich passiv führen lässt, bemerkt in der zweiten Szene Petrus nicht, dass die Frauen da sind. Die in einer Gruppe zusammensitzenden, übersehenen Frauen werden selbst aktiv, rufen und bitten um Gehör. Sie appellieren an ihren Glauben und hoffen 646

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auf Christus Jesus, seine Barmherzigkeit und Liebe, von der Petrus in seiner Predigt gesprochen hat, und sie berufen sich auf der Präzedenzfall, der geschaffen ist, als eine von ihnen sehend gemacht wurde. Das Thema Glaube, das wie andere Elemente beim ersten Wunder fehlt, haben die Frauen eingebracht; es wird dann durch Petrus aufgenommen und zunächst auf eine Weise akzentuiert, die der Bitte der Frauen ins Gesicht zu schlagen scheint. Petrus fordert sie auf, im Glauben mit dem Geist zu sehen, was die Augen nicht sehen, und innerlich zu hören, was taube Ohren nicht hören. Augen an sich und Sehen an sich sind nicht wichtig: »Jesus Christus sehen nur die inneren Augen«. Doch zeigt der folgende Satz, in dem Petrus den Herrn anfleht, den Frauen mit seiner Macht zu Hilfe zu kommen, dass Blindheit als körperliches Problem mit schweren sozialen Folgen durchaus ernst genommen wird. Für Blindheit, diese damals wohl häufige Behinderung, gab es kein Heilmittel, nur übernatürliche Kräfte konnten die Lösung bieten. Daneben lebte in der Antike die Idee, dass Blindheit geistige Wahrnehmung steigert; ein Seher zu sein wird verbunden mit der Fähigkeit, mit dem inneren Auge zu sehen (z.B. Dio Chrys. or. 36). Es könnte sein, dass der Erzähler dies in Gedanken hatte. Jedenfalls bereitet das Gebet des Petrus den weiteren Verlauf der Erzählung vor, in dem die Frauen Jesus später tatsächlich mit inneren Augen sehen. Das unsichtbare, unerträgliche Licht, dass die sehenden Anwesenden nicht ertragen können und das sie zu Boden wirft, macht die Frauen sehend, und während des Vorgangs erfahren sie, wie Jesus sich ihnen in verschiedener Gestalt zeigt, als älterer Mann, heranwachsender Jüngling und Knabe. Vieles ist schon gesagt und geschrieben worden in Bezug auf das Phänomen der Polymorphie (Vielgestaltigkeit), deswegen kann ich mich beschränken auf die Funktion, die das Motiv hier hat. Es bringt menschlichen Mangel zum Ausdruck. Es ist Menschen nicht möglich, Gott zu kennen oder zu sehen. In seiner Barmherzigkeit hat Jesus sich deswegen in verschiedenen Gestalten gezeigt, im Bilde eines Menschen, um Gottes Willen und Güte bekannt zu machen, aber dennoch sieht jede/r nur, was sie oder er zu fassen vermag. Petrus fasst diesen Gedanken nochmals zusammen in seinem Gebet: »Sicherlich größer ist Gott als unsere Gedanken«. Zum Schluss sei noch gesagt, dass der Ablauf des Wunders wirkt wie ein »replay« von Petrus’ eigener Erfahrung auf dem Berge. Alle Bestandteile sind anwesend: Glanz, das unbeschreibliche Licht, erblindet sein, Gottes Hand, Barmherzigkeit, niederfallen und vor allem Gott/Jesus nur sehen können, wie jeder es persönlich fassen kann. Die zentrale Funktion des Wunders wird durch diese klare intertextuelle Verortung unterstrichen. Das dritte »Wunder« dramatisiert den Übergang zur nächsten Episode, dem Kampf zwischen »dem Heiligen Gottes« und »dem Verfolger der Wahrheit des Herrn« auf dem römischen Forum. Eine zentrale Rolle ist hier Marcellus vorbehalten, oder genauer gesagt: seinem Traum. Die Szene besteht aus einer narrativen Einleitung, dem visionären Traumbericht und dessen Bewertung durch Petrus. 647

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Nach Abschluss des Gebetes wird erzählt, dass der Apostel, Marcellus und die anderen »Brüder« den Jungfrauen des Herrn »dienen«, wobei wahrscheinlich an Tischdienst gedacht ist (s.u.). Der Hausherr spricht den Jungfrauen, die hier ohne Erklärung eingeführt werden und wahrscheinlich mit der Gruppe der Witwen identisch sind (s.u.), zu. Er versichert den Frauen, dass all sein Eigentum auch ihnen gehört: Sie sollen nicht fortgehen, sondern sich in seinem Haus erholen. Marcellus teilt mit den Frauen auch seine Sorgen wegen Petrus, der seinem Kampf mit Simon entgegenblickt, indem er im Gebet verharrt und fastet. Marcellus spornt die Frauen an, mit ihm wach zu bleiben und für Petrus zu beten. Direkt nachdem diese Aufforderung berichtet ist, lässt der Erzähler jedoch ohne weitere Bewertung wissen, dass Marcellus für kurze Zeit einschlief. Da Marcellus’ Leben erkennbar und durchgehend als Neuinszenierung von Episoden aus dem Leben des Petrus geschildert wird (Verleugnung, Reue und Bekehrung, Lichterscheinung parallelisiert mit der Verklärung, Berufung zum Dienst), mögen sich aufmerksame Leserinnen und Leser an die Nacht in Gethsemane erinnert fühlen, doch dieser Verweis bleibt anders als die früheren vom Erzähler unkommentiert. Direkt nach dem Erwachen teilt Marcellus dem Petrus seine traumvisionäre Erfahrung mit, die inhaltlich ein Gegenbild zu den Erfahrungen der Frauen ist: Den Metamorphosen von Christus wird nun eine Metamorphose Satans gegenübergestellt. Marcellus sieht im Schlaf, wie Petrus auf einem erhöhten Platz sitzt und vor ihm eine große Menschenmenge – der Leser sieht das Forum vor sich. Ebenfalls anwesend ist »ein sehr hässliches Weib«, eine Äthiopierin, ganz schwarz, in schmutzige Lumpen gehüllt, die tanzt und Ketten um den Hals und an den Händen und Füßen hat. Das Bild appelliert an eine heutzutage zu Recht problematisierte, vom Verfasser aber als universal gültig eingeschätzte negative Symbolik: Negative Werte wie Finsternis, Dummheit, Faulheit, Hässlichkeit, Gewalt, Schmutzigkeit, Teufel, Heidentum, usw., werden mit schwarzen Bevölkerungsgruppen in Verbindung gebracht; dass es sich um eine Frau handelt, vervollständigt die Negativität des Bildes, das die Kraft Simons und seines Gottes reflektiert. Die Ketten können Bezug nehmen auf Magie, auf magische Kräfte, die Menschen binden und fest im Griff haben; hier würden sie dann die Kraft Simons demonstrieren, der verstickt und zur Inaktivität verführt. Allerdings stehen Ketten in der Spätantike, gerade in Träumen und Visionen, auch allgemein im negativen Sinn für festgebunden sein und Ängste. Marcellus hört im Traum, wie Petrus ihm aufträgt, die Frau zu enthaupten. Er ist nicht imstande, es zu tun, woraufhin Petrus Jesus Christus als »unser wahres Schwert« anruft und ein Doppelgänger des Petrus den Kopf des Dämons abschlägt und ihn in Stücke haut. Mit anderen Worten: Petrus hat die Frau/den Dämon/Simon völlig vernichtet. Der Traum wird von Marcellus selbst als ermutigendes Zeichen Christi gedeutet, das Klarheit verschafft über die bevorstehende Vernichtung des Dämons, Simon. Häufig markiert in den apokryphen Apostelakten eine Vision oder ein Traum den Übergang zu einer neuen Szene oder führt die Missionare von Ort zu Ort und funktioniert als Ermutigung und Bekräftigung für die Gläubigen oder den Apostel. Der 648

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Traum ist daher im antiken Verstehen als ein drittes Wunder zu bewerten, das – wie im Erzählerkommentar explizit festgehalten wird – Petrus ermutigt, beglückt und erquickt, da er es als Zeichen dafür versteht, dass der Herr überall für die Seinen sorgt! So gerüstet, geht er zum Forum Iulium, um die Konfrontation mit Simon zu bestehen.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Erzählung hat kaum interessante Realien aus dem römischen Alltagsleben zu bieten, gewährt aber dafür umso mehr Einblicke in die Organisationsstruktur und sozialen Interaktionen frühchristlicher Gemeinden und in ihr religiöses Leben. Wir besprechen im Folgenden die Rolle von Gemeindepatronen, die anhand der Figur des Marcellus Profil gewinnen, und die Rolle von Witwen als Gruppe von Schutzbefohlenen mit besonderem Status und möglicherweise sogar einem Amt in der Gemeinde. Die Einblicke, die der Text in das gottesdienstliche Leben als solches gewährt, sollen im folgenden Abschnitt besprochen werden. Die Zuteilung der Abschnitte zu den Überschriften Sozial-/Realgeschichte und Traditions-/Religionsgeschichte ist im Falle der zu behandelnden Themen einigermaßen arbiträr. Der Patron – eine Schlüsselfunktion im Leben der Gemeinde: Marcellus, Mitglied der Senatselite und damit der kleinen Gruppe der Superreichen und Einflussreichen Roms zugehörig, hat sich bekehrt von seiner Simonverehrung und jede Spur des Simon aus seinem Haus getilgt, wobei die Beschreibung der Reinigungsaktion zugleich einen Einblick in die Größe seiner Stadtvilla vermittelt, die mehrere Triclinia (Speisesäle) und diverse Säulengänge besitzt. Er entwickelt sich vom Patron Simons zum Schutzherrn der christlichen Gemeinde und verhält sich so, wie es von einem Schutzherrn erhofft wurde. Er öffnet sein Haus für die Gemeinde, nennt es selbst »das gemeinsame Haus« (ActPetr 19,5) und sagt in 22,4, dass alles, was sein genannt werde, Eigentum der Jungfrauen sei. In seinem Haus, das er gereinigt hat und wo alles zum Dienst vorbereitet ist, versammelt sich auf sein Bitten die christliche Gemeinde. Marcellus partizipiert auch in den Aktivitäten der Gemeinde, im Gebet und im Dienst an den Jungfrauen. Diese Einführung einer Person der Elite mit deutlichem Wohltäterprofil diente vermutlich dem Zweck, christliche Patroninnen und Patrone zu stimulieren, ihre Pflichten gegenüber den sozial Schwächeren zu erfüllen. Als weitere Absicht darf man vermuten, dass der Gemeinde gezeigt werden sollte, dass sie nicht zögern möge, Unterstützung auch dann zu akzeptieren, wenn es ehemals abtrünnige Menschen betrifft, wie Chryse (ActPetr 30) und Marcellus. Marcellus kümmert sich, wie schon gesagt, um die Bedürftigen und funktioniert auf diese Weise als ein Instrument Gottes. Seine Sorge für die Witwen stimmt überein mit oder ist zu verstehen als eine der Arten und Weisen, wie Gott für die Seinen sorgt. Die auffallende Bemerkung von Marcellus »Sie [die Witwen und Alten] sollen aber 649

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um des Dienstes willen je ein Goldstück erhalten, damit sie wirklich Christi Diener genannt werden können«, kann vielleicht in Verbindung gebracht werden mit dem Unterschied zwischen Besitzen und Schenken, der wichtig war in der spätrömischen Welt: Schenken veranschaulichte Status, Position, Würdigkeit. Das erinnert an die Weise, wie der ntl. erste Brief an Timotheus seine Reichtumsparänese formuliert: Die Reichen »sollen Gutes tun, reich sein an sozialem Engagement (wörtlich: »guten Werken«), gern mit anderen teilen und so das gemeinschaftliche Leben fördern« (1 Tim 6,18). Vielleicht versetzte Marcellus die Witwen mit dem Goldstück auch in die Lage, ihrerseits Wohltätigkeit zu üben und damit eine (gleich)würdige Position einzunehmen. Überdies erfüllt Marcellus auch die Funktion eines Mediums; er übermittelt die im Traum erhaltene Nachricht dem Petrus und nimmt damit Einfluss auf den weiteren Gang der Ereignisse. Allerdings deutet der Traum auch eine interessante Rollenverteilung an: Den Auftrag, sich selber »die Hände schmutzig zu machen« in der Vernichtung des Dämons, weist der Senator unter Verweis auf seine vornehme Herkunft zurück. Das »Schwert zu führen« bleibt dem Doppelgänger des Apostels vorbehalten. Der Presbyter Narcissus, der eigentliche Amtsinhaber, der als einer der wenigen nicht zu Simon übergelaufen war, bleibt demgegenüber bemerkenswert blass. Bernhard Lang skizziert das Verhältnis folgendermaßen: Der Apostel Petrus, Narcissus und Marcellus bringen die drei Kräfte zur Anschauung, die das frühe Christentum bewegen und zum Erfolg führen: Petrus steht für das drängende, ungestüme und nicht wiederholbare charismatische Prinzip, das vor allem in der Stunde des Anfangs wirksam ist; Narcissus verkörpert das Kontinuität stiftende, aber auch schwache Amt, das die Gemeinde in Zeiten der Krise immerhin am Leben hält; Marcellus schließlich steht für den angesehenen Laien, der als Meinungsführer und Geldgeber die Gemeinde zur Blüte führt, ihr aber auch zum Verhängnis werden kann. Die Taten des Petrus schildern eine Situation, in der das Amt zu schwach ist, um eine Krise zu bewältigen. Dazu bedarf es der Arbeitsgemeinschaft des Charismatikers mit dem angesehenen Laien. Wir können den Petrusroman als nostalgischen Rückblick auf jene frühe Zeit der Kirche lesen, in der die Gemeinde auf zwei Säulen ruhte: den Aposteln und den führenden Laien (Lang 2015, 14).

Im Allgemeinen sei hier noch bemerkt, dass die Stellung zu Besitz und Reichtum ambivalent ist. Einerseits wird Reichtum kritisiert, andererseits profitierte die Gemeinde von wohlhabenden Frauen und Männern wie Eubola und Marcellus. Auch damals konnte man nicht von Idealen existieren (vgl. Theißen 1978, 40). Witwen, alte Frauen, Jungfrauen des Herrn: Meist werden in der Literatur die Schutz- und Hilfsbedürftigkeit der Witwen betont und beklagt. Die Witwe ist der Urtyp eines Wesens, das schwach ist, und sozial gesehen besteht sie kaum oder gar nicht. Dieses Schicksal teilt die Witwe mit den Waisen und Armen – in der Bibel werden sie deswegen auch nebeneinandergestellt; auch werden, anderen antiken Schriften vergleichbar, die strukturelle Ungerechtigkeit den Witwen gegenüber, die erlittene Gewalt und die geringe Achtung, die sie erfahren, unter Kritik gestellt (vgl. Stählin 1973, 432-435). Ein eindeutiges Bild kann aber daraus nicht abgeleitet werden, denn die 650

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Position und die Rechte von Witwen waren von Land zu Land, Ort zu Ort, von Kultur zu Kultur verschieden. Vieles spricht jedenfalls dafür, dass der Status einer »Witwe« nicht per definitionem Bedürftigkeit im materiellen Sinne impliziert. Der Begriff der »Witwe«, sei es eine hebräische ‫( ַאלְמָנָה‬almanah), eine griechische χήρα (chēra), oder eine lateinische vidua deutet im Allgemeinen darauf hin, dass es eine Frau betrifft, die »allein« ist. Das soziale Merkmal »allein sein« kann vielfältige Bedeutungsfacetten annehmen – unverheiratet sein, ohne Ehemann sein, weil dieser gestorben ist, ohne Familie dastehen, geschieden sein – darf aber nicht in jedem Fall im Sinne von sozialem Abstieg oder materieller Notsituation verstanden werden. Bestimmt befanden manche Frauen sich in einer schwierigen Situation, nachdem ihr Ehemann gestorben war. Manchmal aber konnten sie – abhängig vom Alter – wieder heiraten, oder zurückfallen auf eine wohlhabende Familie, oder über eigene materielle Ressourcen verfügen, wie z.B. über einen Teil der Brautgabe. Frauen die sich schon immer selbständig um den Haushalt gekümmert hatten, waren kompetent, das weiterhin zu tun, wenn ihr Ehemann starb. Es gibt in der Bibel einige herausragende Beispiele von wohlhabenden, tatkräftigen, starken Witwen –Tamar, Abigajil, Judit, Tabitha, Lydia, usw. (Gen 38; 1 Sam 25,39-42; Jdt 8,1-7; Lk 18,2-5; Apg 9,36-43; 16,14f.; usw.). In der frühchristlichen Literatur spielen Frauen, die ohne einen Mann leben, ebenfalls wichtige Rollen als Schutzpatroninnen oder Sympathisantinnen – z.B. die Königin Tryphaena in den Acta Theclae. Sie repräsentiert gewissermaßen die wohlhabende »Witwe«, bei der Asketinnen oder/und Witwen Schutz und Sicherheit fanden. Peter Brown weist in seinem Buch Body and Society (Brown 1988, 265) basierend auf Palladius (h. Laus. 1,4; 5,3; 67,1) und Theodoret (h.e. 3,14) nach, welche zentrale Rolle Witwen aus der Oberschicht in frühchristlichen Gruppenbildungen spielten. Sie nahmen manchmal in ihre Häuser Gruppen von fünfzig oder mehr Frauen auf. Doch auch Männer boten »Witwen« Schutz und Sicherheit –, man denke an Familienangehörige oder asketische Seelenverwandte – wie es in den Acta Petri narrativ gestaltet wird. Aus der Verschiebung des Focus von (alten) Witwen (viduae) zu Jungfrauen (virgines) in der Erzählung kann man schließen, dass hier mindestens teilweise an eine asketisch motivierte Gruppe gedacht ist. Ignatius von Antiochien bezeugt, dass zu Beginn des 2. Jh. in der kleinasiatischen Stadt Smyrna eine Gruppe zur Gemeinde gehörte, die er eines eigenen Grußes für würdig achtete: »Grüßt die Jungfrauen, die bei euch Witwen heißen« (IgnSm 13,1). Dies führt uns zu der Frage, ob es sich bei den Witwen der Acta Petri um Mitglieder eines sogenannten ordo (Stand) der Witwen handelt und ob eine festumrissene Vorstellung von einem Witwenamt zugrunde liegt. In den ersten zwei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung vereinigten Witwen sich in Lebensgemeinschaften, die als Vorläufer der späteren Mönchsorden betrachtet werden können. Diese Gruppen hatten ein bestimmtes Profil, feste Struktur und Funktion; ihre Existenz ist beurkundet in Kirchenordnungen, z.B. im Testamentum Domini (ca. 350) und den Constitutiones Apostolicae (ca. 370). Das Amt der Witwe entstand 651

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in der Periode, in der gemeindliche Aufgaben in festumrissene Ämter überführt wurden. Für das Witwenamt gibt es dafür schon im Neuen Testament, in 1 Tim 5,3-16, eine Reihe von Qualifikationen. Daraus wird ersichtlich, dass Witwen eine starke Stellung in christlichen Gemeinden gehabt haben. Das asketisch und charismatisch orientierte Witwenamt besaß für Frauen eine hohe Attraktivität, da diese Lebensform die Möglichkeit zu selbständiger religiöser Betätigung in einer anerkannten Form eröffnete. Unbestritten ist diese Form gemeindlicher Beteiligung jedoch nie gewesen. Einerseits wird diesen Frauen eine Ehrenstellung zugeschrieben aufgrund ihrer besonderen Gottesbeziehung, die sich insbesondere im Gebet manifestierte. Andererseits aber zeigen Lehrverbote, scharfe Zurechtweisungen und Verdächtigungen, Aufträge zur Ortsfestigkeit, zur Zurückhaltung Männern gegenüber usw., die sowohl im Neuen Testament (Pastoralbriefe) wie später z.B. in der syrischen Didaskalia, oder den Briefen des Ignatius von Antiochien und dem Polykarpbrief zu finden sind, dass das anfangs mit hohem Prestige versehene Amt umgedeutet wurde. Dieser Statusrückgang hängt zusammen mit Institutionalisierungsprozessen der Kirche. Weil das zentrale Charakteristikum der Witwe das Gebet war, bekleideten diese Frauen eine geistliche Leitungsposition, die im Laufe der Zeit als eine untergeordnete Position gedeutet wird, auf die die Frauen dann auch beschränkt wurden. So werden in der Didasc. 3,5f. die Witwen angesprochen: »Denn ihr Frauen und besonders ihr Witwen seid nicht eingesetzt zu lehren, sondern zu beten und Gott den Herrn zu bitten.« Dieser Text ist noch aus einem anderen Grund interessant – so Ernst Dassmann –, weil scharfe Zurückweisungen in Kirchenordnungen immer ein Zeichen dafür sind, dass es das, was verboten bzw. angeprangert wird, gegeben hat. Überdies wurden, so zeigt Ulrike Wagener (Wagener 1994, 239), Frauen in zunehmendem Maße auf die Rollen als Ehefrau, Hausverwalterin und Mutter festgelegt, um als ehrenhafte Gemeindeglieder gelten zu können, womit dem Witwenamt die Fähigkeit abgesprochen wird, einen geachteten Status zu vermitteln. Damit wird den als charismatischen Beterinnen und Prophetinnen ursprünglich hoch geachteten Witwen der geehrte Status und das Prestige verweigert, das dem Bischofs- und Diakonenamt ausdrücklich zugesprochen wird. Wie verhält sich diese Entwicklung nun zu den Acta Petri? Dass es sich dort um eine Versammlung von Witwen handelt mit charismatischen und asketischen Kennzeichen, scheint mir evident. Dass sie im Rahmen der Lichterscheinung Christusvisionen haben, die der Deutung durch den Apostel bedürfen, dass sie auf die besondere Fähigkeit ihres »inneren Auges« angesprochen werden, sind deutliche Hinweise hierauf. Das zentrale Charakteristikum »beten« ist ebenfalls gut bezeugt. Wie »institutionalisiert« diese Aufgabe war, ob man von einem etablierten Witwenamt sprechen kann und ob die Witwen in Gruppen zusammenlebten, kann aber aufgrund dieser Episode nicht festgestellt werden. Marcellus hat einerseits anscheinend das Recht, den Frauen zu befehlen (ActPetr 19,5), andererseits aber »dienen« die Männer (Petrus, Marcellus und aliis fratribus – die anderen Brüder) den Jungfrauen 652

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des Herrn, was bestätigen könnte, dass diese Frauen tatsächlich eine geistliche Leitungsposition bekleideten als Dienerinnen Christi, die aber zugleich eine untergeordnete Position ist. Die Gemeinde: Weil die Witwen als Gruppe neben den Protagonisten Petrus und Marcellus eine so zentrale Rolle spielen, bleibt die Gemeinde als ganze, die trotz der durchgängigen Anwesenheit von Frauen mit rein männlichen Begriffen beschrieben und angesprochen wird (viri – Männer, fratres – Brüder), im Text unterbestimmt. Die Gemeinde lässt sich am Anfang dieser Episode ohne Widerstand dazu bewegen, ihre Versammlungen vom Haus des Presbyters Narcissus in das offenbar bedeutend größere Haus des statushöheren Marcellus zu verlegen. Sie ist ansonsten Zeuge von allem, was mit den Frauen passiert. Alle erfahren das unbeschreibliche, unsichtbare und unerträgliche Licht und sind erschüttert. Einige »Brüder« helfen Narcissus und Marcellus beim Bedienen der Jungfrauen. Gegen Ende der Episode ist nicht mehr deutlich, ob das nächtliche Fürbittengebet für Petrus durch die Jungfrauen allein oder die ganze Gemeinde geleistet wird.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Anrufung des Namens Christi: Die Anrufung des Namens Christi spielt eine wichtige Rolle in unserem Text (und darüber hinaus in den Petrusakten). Bei der zentralen Blindenheilung bittet Petrus den Herrn: »Möge dein süßer und heiliger Name jenen zu Hilfe kommen; berühre ihre Augen, denn du hast die Macht, dass sie mit ihren Augen sehen können.« Zuvor hatte Marcellus sein Haus von Spuren des Simon gereinigt, indem er es mit Wasser besprengt hatte unter Anrufung des heiligen Namens Jesu Christi. Nach Aussage von Origenes in Cels. 1,24 hatten die Christen nicht die wirksame Anwendung von Gottesnamen für sich gepachtet. Gelehrte in Altägypten, Persische Magier, altindische Philosophen usw. hatten schon immer mächtige Namen verwendet. Die Anrufung »im Namen Jesu Christi« bezeugt, laut François Bovon (Bovon 2009d, 27), den Glauben der Christen, dass Jesus Christus einen neuen und heilbringenden Aspekt Gottes offenbarte; das Gebet des Psalmisten »Gott, in deinem Namen befreie mich!« (Ps 54,3) war in Jesus aktualisiert. Eine credoartige Beschwörungsformel findet sich schon im Apg 3,6: »Im Namen Jesu aus Nazareth, des Gesalbten: Steh auf und geh!« In der Apg wird stark akzentuiert, dass »das Heil in keinem anderen zu finden ist, und dass kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben ist, durch den wir gerettet werden sollen« (Apg 4,12). Später betont z.B. Justinus, in 1 apol. 6, dass Heilungen und Wunder immer im Namen Jesu Christus vollzogen werden. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die lange Liste mit Heilsprädikaten, die Petrus als exklusive Namen Jesu Christi versteht in 20,34. Einblicke in eine frühchristliche Gebetsveranstaltung: Unser Text ist leider nicht sehr präzise, was Zeit und Abfolge der von Marcellus anberaumten Gebetsveran653

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staltung in seinem neu an Christus geweihten Haus angeht. Doch können wir vier Bestandteile deutlich voneinander unterscheiden: Schriftlesung (mit Auslegung), Gebet zur neunten Stunde (mit dramatischem Wunder), Dienst an den Jungfrauen, nächtliche Gebetswache (mit Traumvision). Nachdem Petrus beim Betreten des Hauses die erste Blindenheilung vollbracht hat, kommt er ins Triclinium, wo gerade »das Evangelium« vorgelesen wird. Welche Schriftrolle hier vorgelesen wurde, lässt sich nur raten – die Passage von der Erscheinung auf einen Berg zirkulierte offensichtlich weit und kommt z.B. auch vor in den Johannesakten und Thomasakten. Wichtiger ist, dass die Passage überhaupt gelesen wird, denn in den Debatten zur Zeit der Entstehung des christlichen Kanons war es entscheidend, dass ein Werk sich eignete, während offizieller Gottesdienste gelesen zu werden. Interessant ist, dass der Apostel »das Evangelium« zusammenrollt und das Geschriebene erklärt, ergänzt und aktualisiert. Christine Thomas (Thomas 1992, 159) hat gezeigt, wie hier mündliche Überlieferung eingesetzt wird und wie sich das Zusammenspiel von mündlichen und schriftlichen Modi der Auslegung im frühen Christentum manifestiert. Man kann fragen, ob es von Bedeutung ist, dass die Schriftlesung im Speisezimmer stattfindet. Ist hier ein Zusammenhang angedeutet mit einer Mahlgemeinschaft? Manche Neutestamentler sind der Meinung, dass christliche Schriftensammlungen zurückzuführen sind auf die jüdische Lesekultur und das Thorastudium in Synagogen. Andere aber vertreten die Meinung, dass die christlichen Versammlungen den nicht-christlichen Symposia ähnelten, wo vor oder nach der Mahlzeit Literatur gelesen wurde. Ebenso wie nicht-christliche Gruppen in ihren Symposia praktizierten die Christen damals öffentliche Lesungen von Propheten, Evangelien und anderen Gattungen in ihren Versammlungen (Alikin 2010, 105-110). Die leider nicht erzählerisch entfaltete spätere Notiz, dass Petrus, Marcellus und andere Brüder den Jungfrauen des Herrn »dienen«, könnte diesen Dienst (in Anlehnung an Apg 6?) als eine Mahlzeit kennzeichnen, die den Frauen angeboten wird. Doch bevor es zu dieser Mahlzeit kommt, findet das offensichtlich zeitlich festgelegte gemeinsame Gebet statt, zu dem alle sich nach der Schriftlesung erheben. Die neunte Stunde – d. h. mitten am Nachmittag – ist hier wie im Neuen Testament (Apg 3,1; 10,3.30) verbunden mit dem Gebet, vielleicht in Analogie zur jüdischen Zeitplanung für die Gebete – die 9. Stunde war (ungefähr) die Zeit des Minchah-Gebets. Nach der nur angedeuteten Mahlzeit – an der Petrus nicht teilnimmt, da er fastet – folgt eine gemeinsam im Gebet durchwachte Nacht, doch dies scheint der Ausnahmesituation vor dem Kampf mit Simon geschuldet zu sein.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erzählung als Teil der Petrusgeschichte, zur Nachahmung empfohlen: Die vier behandelten Kapitel der Acta Petri bilden ein kurzes, künstlich herausgelöstes Stück 654

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Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen ActPetr 19-22

aus dem frühchristlichen Roman, dessen Protagonist Petrus ist. Marcellus und die Witwen haben in den untersuchten Szenen wichtige Rollen, die, im Gesamtbuch gelesen, auch dazu dienen, die Rolle Petrus herauszuarbeiten. Petrus aber ist beides: unerreichbarer Held und nachzuahmendes Vorbild. Als Apostel des Herrn ist Petrus wie alle Apostel der apokryphen Akten ein von normalen Sterblichen nicht erreichbarer Held des Glaubens. Seine Anwesenheit wird ersehnt, denn ohne ihn droht Abfall vom Glauben, eine Gefahr, die immer zuschlägt, wenn der Apostel sich verabschiedet, wie es zum Beispiel am Anfang der Erzählung auch geschah, als Paulus Rom verließ. Eben das war der Grund, weshalb Petrus nach Rom geschickt wurde. Was die Aktivitäten des Petrus betrifft, kann gesagt werden, dass sie zumeist bestehen aus Sprechen in Form von Verkündigung, u.a. der Auslegung seiner eigenen Geschichte, und in Form von Gebeten zur Ehre Gottes und unter Anrufung der Namen Jesu Christi. Und, nicht zu vergessen, er wirkt Wunder. Apostolisches Charisma erfordert, dass der Leiter gelegentlich seinen Anspruch auf Macht und Leitung, sowie die Wahrheit seiner Verkündigung bestätigt. Wunderwirken erfüllt diesen Zweck, so auch in dieser Erzählung. Den Witwen vermittelt er die Liebe und Barmherzigkeit des Herrn und gibt ihnen ihr Augenlicht zurück. Das im Traum vollzogene Wunder weist voraus auf Kommendes: Selbstverständlich wird dieser »Engel Gottes« in Bälde den »Engel Satans« zerschlagen und damit das Bild des perfekten Apostels vervollkommnen. Das erfordert, dass heilige Diener Gottes erfolgreich und effektiv auftreten. Zugleich bleibt Petrus in der Darstellung als ein fehlbarer und unvollkommener Mensch sichtbar, was zur Identifikation mit ihm einlädt. Er betont wiederholt, dass Menschen als fleischliche Wesen Gott nicht erkennen können, dass auch er selbst auf dem Berg der Verklärung nicht in der Lage war, den Glanz Gottes zu ertragen und später eine adäquate Beschreibung davon zu geben. Alle menschliche Weisheit fasst er zusammen in den Worten »Sicherlich ist Gott größer als unsere Gedanken«. Vergebung und Trost sind Kernworte seiner Botschaft und er erinnert daran, dass er selbst sie erfahren hat. In vorangehenden Kapiteln hatte Marcellus sich auf dieses Vorbild des Petrus berufen, um sein eigenes Versagen und seine Umkehr zu begründen und Gewissheit seiner Vergebung zu erlangen. Ohne den Beistand des Herrn kann Petrus den Simon nicht besiegen, darum durchwacht er selbst die Nacht im Gebet und wird darin von seinen Glaubensgeschwistern unterstützt. Im Traum hatte Petrus den Marcellus aufgefordert, den Dämon zu töten, dieser aber war dazu nicht imstande. Einer, der dem Petrus ähnlich sah, vernichtete den Dämon im Traum. Eine Aufforderung, es Petrus gleichzutun? Wie Tertullian (spec. 8) meinte: totum saeculum satanas et angeli eius repleverunt – Satan und seine Engeln füllen die ganze Welt! Deshalb dienen die Wunder, die das Auftreten und den Streit der Apostel legitimieren, auch als eine allgemeine Ermutigung, den Streit gegen das Übel/den Bösen anzugehen und auszuhalten. Andererseits könnte man auch argumentieren: Es scheint so, als wäre es nicht des Marcellus Aufgabe, den Dämon zu zerstückeln, denn er wird für seine Weigerung nicht getadelt. An diesem Punkt bleibt die Erzählung ambigue. 655

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

»Jesus Christus sehen nur die inneren Augen«: Die drei Wunder und die Auslegung des Wunders der Verklärung im vorliegenden Abschnitt wollen eine Sehschule des Glaubens sein, wie vor allem die sprachliche Analyse gezeigt hat. Wahres Sehen ist Christus in seiner Unfassbarkeit sehen. Christus zeigt sich in einer Vielzahl von Erscheinungen und Bildern, darunter sind sehr ungewöhnliche und auch ein sehr anstößiges. Wir haben heutzutage berechtigte Vorbehalte gegenüber einer Bezeichnung von Christus als »unser wahres Schwert« und von Christinnen und Christen als solchen, die sich im Kriegsdienst Christi erproben wollen und dabei Dämonen in Gestalt schwarzer Frauen zerstückeln. Nicht alle Metaphern sind heilsam! Aber Christus wird auch als Inbegriff allen Trostes gepriesen, als Pflug, als Sättigung, als Samen. Das sind relativ unverbrauchte Metaphern, die Wirklichkeit neu erschließen können. Das gilt auch von der schönen Verbindung der Metaphern von Licht und Hand im ersten Wunder: Wer von Christus zum Sehen gebracht wird, fühlt sich von ihm geleitet und hat Anteil an einem unzugänglichen Licht, das die Finsternis nicht auslöschen wird. Magda Misset-Van De Weg

Literatur zum Weiterlesen A. Ferreiro, Simon Magus in Patristic, Medieval and Early Modern Traditions, Studies in the History of Christian Traditions 125, Leiden 2005. J.-U. Krause, Witwen und Waisen im frühen Christentum. Witwen und Waisen im Römischen Reich IV, Stuttgart 1995. A.-J. Levine (mit M. M. Robbins), A Feminist Companion to the New Testament Apocrypha, Feminist Companion to the New Testament and Early Christian Writings 11, London/ New York 2006. R. F. Stoops, Patronage in the Acts of Peter, Semeia 38 (1986), 91-100. C. M. Thomas, The Acts of Peter, Gospel Literature, and the Ancient Novel, Oxford 2003. U. Wagener, Die Ordnung des ›Hauses Gottes‹. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe, WUNT 2/65, Tübingen 1994. G. Weber, Kaiser, Träume und Visionen in Prinzipat und Spätantike, Historia Einzelschriften 143, Stuttgart 2000.

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Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? (Eine dreifache Totenerweckung auf dem Forum Iulium; Wunder während des Kampfes mit Simon) ActPetr 25-29 Die Actus Vercellenses sind für alle Angaben die Textgrundlage. Die vorliegende Übersetzung folgt dem lateinischen Text bei Lipsius/Bonnet (1959, 1, 72-78). Sie stimmt zu großen Teilen mit der Übersetzung in der Dissertation von M. Döhler (2016) überein, die jedoch ihrer Arbeit eine eigene Edition zugrundelegt.

(25) Der Präfekt aber wollte ihnen beiden Geduld widerfahren lassen, damit er nicht pflichtvergessen zu handeln scheine; der Präfekt führte nun einen von seinen Dienern hervor und sprach so zu Simon: »Diesen nimm, übergib ihn dem Tode.« Zu Petrus sagte er: »Du aber erwecke ihn wieder.« Und zum Volk sagte der Präfekt: »Es ist nun an euch zu urteilen, wer von ihnen von Gott angenommen ist, der tötet oder der lebendig macht.« Und sofort redete Simon dem Jungen ins Ohr, und ohne ein vernehmbares Wort brachte er ihn zum Schweigen und ließ ihn sterben. Als aber ein Gemurmel im Volk anhob, schrie aber eine von den Witwen, die sich bei Marcellus erholte und hinter der Menge stand: »Petrus, Diener Gottes, mein Sohn ist tot, der einzige, den ich hatte.« Das Volk aber machte ihr Platz und sie führten sie zu Petrus. Jene aber warf sich ihm zu Füßen und sagte: »Einen einzigen Sohn hatte ich; er hat mir mit seinen Armen Nahrung verschafft, er hat mich aufgeheitert, er hat mich getragen. Da dieser nun tot ist, wer wird mir die Hand reichen?« Zu ihr sagte Petrus: »Vor diesen Zeugen richte dich auf und bringe deinen Sohn heran, damit die, die sehen, glauben können, dass er durch die Kraft Gottes auferstanden ist.« Als jene das aber sah, fiel sie nieder. Petrus aber sagte zu den jungen Männern: »Hier sind junge Männer vonnöten, außerdem solche, die glauben wollen.« Und sogleich standen dreißig junge Männer auf, die bereit waren, jene zu tragen und ihren toten Sohn herbeizuschaffen. Kaum aber war die Witwe wieder zu sich gekommen, hoben die jungen Männer sie auf. Und sie rief laut und sagte: »Siehe, Sohn, der Diener Christi hat nach dir geschickt«, während sie sich die Haare und das Angesicht verwüstete. Die jungen Männer aber, die kamen, überprüften die Nasenlöcher des Jungen, ob er wirklich tot sei. Als sie aber sahen, dass er tot war, trösteten sie seine Mutter und sagten: »Wenn du wirklich an den Gott des Petrus glaubst, heben wir ihn auf und bringen ihn zu Petrus, damit er ihn erweckt und dir zurückgibt.« (26) Nachdem die jungen Männer dies gesagt hatten, blickte nun der Präfekt auf dem Forum Petrus an und sprach: »Was sagst du, Petrus? 657

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

Siehe, der Junge liegt tot da, den auch der Kaiser gern hat, und ich habe ihn nicht geschont. Ich hatte durchaus auch einige andere junge Männer, aber im Vertrauen auf dich und deinen Herrn, den du verkündigst, wenn ihr wirklich sicher und wenn ihr wahrhaftig seid – daher wollte ich, dass dieser stirbt.« Petrus aber sagte: »Gott soll weder versucht noch beurteilt werden. Aber der als der Liebste aus (ganzer) Seele verehrt werden muss, wird die erhören, die würdig sind. Aber weil jetzt unter euch versucht wird Gott und mein Herr Jesus Christus, wird er so große Zeichen und Wunder durch mich vollbringen zur Bekehrung derer, die gegen ihn sündigen. Und nun, im Angesicht aller, erwecke du den, Herr, den Simon durch Berührung getötet hat, durch meine Stimme mit deiner Kraft.« Und Petrus sagte zu dem Herrn des Jungen: »Geh, halte seine rechte Hand und du wirst ihn lebend haben und er wird mit dir gehen.« Der Präfekt Agrippa aber lief herbei und kam zu dem Jungen, und indem er seine Hand hielt, erweckte er ihn. Als die Menschenmenge das aber sah, schrien alle: »Das ist der einzige Gott, der einzige Gott ist der des Petrus.« (27) Unterdessen wurde auch der Sohn der Witwe von den jungen Männern auf einem Ruhebett herbeigetragen, und nachdem das Volk ihnen Platz gemacht hatte, brachten sie ihn zu Petrus. Petrus aber erhob die Augen zum Himmel, streckte auch seine Hände aus und sprach so: »Heiliger Vater deines Sohnes Jesus Christus, der du uns deine Kraft gezeigt hast, damit wir durch dich bitten und etwas bewirken und alles, was in der Welt ist, verachten und dir allein folgen, der du von wenigen gesehen wirst und von vielen erkannt werden willst, strahle rings umher, Herr, leuchte, erscheine, erwecke den Sohn der alten Witwe, die sich nicht selbst erhalten kann ohne Sohn. Und das Wort meines Herrn Christus aufnehmend, sage ich dir: Junger Mann, steh auf und geh mit deiner Mutter, solange du ihr nützlich bist, danach aber wirst du für mich frei sein für einen höheren Dienst, im Amt des Diakons und des Bischofs.« Und sofort erhob sich der Gestorbene, und die Menge sah es und wunderte sich und das Volk schrie: »Du, Gott, Retter, du Gott des Petrus, unsichtbarer Gott und Retter.« Und sie sprachen unter sich, sich wahrhaft verwundernd über die Kraft eines Menschen, der durch das Wort seinen Herrn anruft, und sie nahmen es auf in Heiligung (sanctificatio). (28) Während nun das Gerücht durch die ganze Stadt flog, kam die Mutter eines Senators heran, stürzte mitten durch die Menge und fiel zu den Füßen des Petrus nieder, wobei sie sagte: »Ich habe von den Meinen erfahren, dass du ein Diener des barmherzigen Gottes bist und seine Gnade allen mitteilst, die nach diesem Licht verlangen. Teile also auch dem Sohn das Licht mit, denn ich habe erkannt, dass du auf niemanden neidisch bist; wenn eine Mutter (matrona) dich bittet, kannst du 658

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Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? ActPetr 25-29

dich nicht abwenden.« Petrus sagte zu ihr: »Wirst du an meinen Gott glauben, durch den dein Sohn wieder lebendig werden wird?« Die Mutter aber sagte mit lauter Stimme unter Tränen: »Ich glaube, Petrus, ich glaube.« Das ganze Volk rief: »Schenke der Mutter den Sohn.« Petrus aber sagte: »Er werde hierhergetragen vor den Augen all dieser.« Und zum Volk gewandt sagte Petrus: »Männer von Rom, auch ich, weil ich einer von euch bin, trage menschliches Fleisch und bin ein Sünder, aber ich habe Barmherzigkeit erlangt, wendet euch also nicht an mich, als ob ich durch meine Kraft bewirke, was ich bewirke, sondern meines Herrn Jesus Christus, der der Richter ist über die Lebenden und die Toten. An ihn glaubend, von ihm selbst gesendet, habe ich das Vertrauen, ihn anzurufen, die Toten zu erwecken. Geh also auch du, Frau, und sorge dafür, dass dein Sohn hierhergebracht werde und wieder auferstehe.« Die Frau aber stürzte mitten durch die Menge und sie ging hinaus auf die Straße, eilend mit großer Freude, und gläubig im Geist gelangte sie zu Hause an, und mit Hilfe ihrer Diener brachte sie ihn heran und kam zum Forum. Sie sagte aber zu den Dienern, dass sie Filzkappen für ihre Köpfe nehmen und vor die Liege treten sollten, und was immer sie für den Leichnam ihres Sohnes aufzuwenden vorhatte, solle vor seine Bahre gebracht werden, damit Petrus, wenn er es sieht, Mitleid bekäme mit dem Leichnam und mit ihr. Während aber alle trauerten, gelangte sie zum Volk; es folgte aber eine Menge von Senatoren und Matronen und sie sahen die Wunder Gottes. Sehr vornehm aber und im Senat sehr geschätzt war Nicostratus, der gestorben war. Ihn brachten sie heran und legten ihn vor Petrus. Petrus aber bat um Stille und sagte mit sehr lauter Stimme: »Männer von Rom, nun erfolge ein gerechtes Urteil zwischen mir und Simon und schätzt ein, wer von uns an den lebendigen Gott glaubt, dieser oder ich. Wird dieser aber den niedergelegten Leichnam erwecken, dann glaubt auch jenem gleichsam als einem Boten Gottes. Wenn er es aber nicht vermag, werde ich meinen Gott anrufen, ich werde den lebenden Sohn der Mutter wiedergeben; und glaubt dann, dass dieser ein Zauberer und ein Verführer ist, der bei euch gastlich aufgenommen wird!« Als dies aber alle hörten, erschien es ihnen gerecht, was Petrus gesagt hatte. Sie forderten Simon heraus und sagten: »Nun, wenn etwas in dir ist, zeige es öffentlich. Überführe ihn oder du wirst überführt. Was stehst du herum? Los, fang an!« Als aber Simon sah, dass alle ihn hart bedrängten, stand er schweigend da. Nachdem er gesehen hatte, dass das Volk schwieg und auf ihn blickte, rief Simon aus und sprach: »Männer von Rom, wenn ihr gesehen haben werdet, dass der Tote auferstanden ist, werdet ihr Petrus dann aus der Stadt werfen?« Und das ganze Volk sprach: »Wir werden ihn nicht nur hinauswerfen, sondern zur selben Stunde den Flammen übergeben.« Simon ging an das Haupt des Toten heran und er neigte 659

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

sich dreimal und als er sich aufgerichtet hatte, zeigte er dem Volk, dass der Kopf (des Toten) sich hebe und bewege, und dass er die Augen öffnete und sich leicht zu Simon neige. Sofort begannen sie, Holz und Reisig zu fordern, um Petrus in den Flammen zu verbrennen. Petrus aber, der die Kraft Christi empfangen hatte, erhob seine Stimme, wandte sich gegen die Schreienden und sagte: »Nun sehe ich, römisches Volk, dass es mir nicht erlaubt ist zu sagen, dass ihr närrisch und eitel seid, solange eure Augen und eure Ohren und Herzen verblendet sind. Solange euer Sinn verdunkelt ist, seht ihr nicht, dass ihr gottlos seid, so wie ihr denkt, dass der Tote auferstanden ist, der sich nicht erhoben hat. Mir würde es genügen, Männer von Rom, zu schweigen und im Schweigen zu sterben und euch mit den Trugbildern dieser Welt zurückzulassen. Aber ich habe die Strafe des unauslöschlichen Feuers vor Augen. Wenn es euch also recht erscheint, soll der Tote sprechen, soll er aufstehen; wenn er lebt, soll er mit seinen Händen das festgebundene Kinn lösen, soll er seine Mutter rufen und soll er euch Schreienden sagen: ›Was schreit ihr?‹ Mit seiner Hand soll er euch zuwinken. Wollt ihr aber sehen, dass er tot ist und ihr schuldig geworden seid, dann soll sich der (Simon) vom Lager entfernen, der euch überredet hat, euch von Christus zu entfernen, und ihr werdet jenen so sehen, wie ihr ihn gesehen habt, als er herbeigetragen wurde.« Der Präfekt Agrippa aber verlor die Geduld, erhob sich und schlug Simon mit seinen Händen. Und so lag der Tote abermals genau wie zuvor. Das Volk aber, das sich in Raserei von der Magie des Simon abwandte, begann aufzuschreien: »Höre, Kaiser, wenn der Tote nicht mehr aufsteht, dann soll Simon für Petrus brennen, weil er uns wahrlich verblendet hat.« Petrus aber sprach mit ausgestreckter Hand: »O Männer von Rom, zeigt noch Geduld. Ich sage euch nicht, dass, nachdem der Junge erweckt wurde, Simon brennen soll; wenn ich es nämlich sagen werde, werdet ihr es tun.« Das Volk brüllte: »Auch wenn du es nicht willst, Petrus, werden wir es tun.« Petrus sagte zu ihnen: »Wenn ihr darauf beharrt, wird sich der Junge nicht erheben. Wir kennen es nämlich nicht, Schlechtes für Schlechtes heimzuzahlen, sondern wir haben gelernt, unsere Feinde zu lieben und für unsere Verfolger zu beten. Wenn nämlich auch dieser Gelegenheit zur Reue hat, ist es besser. Denn Gott wird sich an die bösen Taten nicht erinnern. Er soll also in das Licht Christi kommen. Wenn er es aber nicht vermag, soll er das Erbteil seines Vaters, des Teufels, erhalten. Eure Hände aber sollen nicht befleckt werden.« Und als er das zum Volk gesagt hatte, ging er zu dem Jungen, und bevor er ihn erweckte, sagte er zu dessen Mutter: »Diese jungen Männer, denen du zu Ehren deines Sohnes die Freiheit geschenkt hast, können als Freie ihrem lebendigen Herrn Gehorsam erweisen; ich weiß nämlich, dass ihr Herz verletzt ist, wenn sie deinen Sohn haben auferstehen sehen 660

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Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? ActPetr 25-29

und ihm dann wiederum dienen sollen. Sie mögen doch alle frei bleiben und Nahrung erhalten, wie sie sie zuvor erhalten haben, denn dein Sohn wird auferstehen, und sie sollen mit ihm sein.« Und länger beobachtete Petrus, was sie wohl denken möge. Und die Mutter des Jungen sprach: »Was könnte ich anderes tun? Ich sage deshalb im Angesicht des Präfekten: ›Was immer ich für den Leichnam meines Sohnes aufgewendet hätte, sie selbst sollen es besitzen.‹« Petrus sagte zu ihr: »Das Übrige soll an die Witwen verteilt werden.« Petrus aber, der sich von Herzen freute, sprach im Geist: »Herr, der du barmherzig bist, Jesus Christus, erscheine deinem Petrus, der dich anruft, so wie du immer Barmherzigkeit und Güte walten ließest. In Anwesenheit all dieser, die die Freiheit wünschen, um dienen zu können, möge sich Nicostratus nun erheben.« Und Petrus, indem er die Seite des Jungen berührte, sagte: »Steh auf.« Und der Junge erhob sich, nahm seine Kleidung auf und setzte sich hin, löste sein Kinn, erbat andere Kleider, stieg von dem Lager herunter und sprach zu Petrus: »Ich bitte dich, Mensch, lass uns zu unserem Herrn Christus gehen, den ich mit dir sprechen sah; er sagte zu dir, indem er mich dir zeigte: ›Führe mir diesen heran, denn er ist mein.‹« Als Petrus das von dem Jungen hörte, wurde er durch die Hilfe des Herrn noch mehr im Geist gestärkt, und Petrus sagte zum Volk: »Männer von Rom, so stehen Tote wieder auf, so sprechen sie, so laufen sie herum; und nachdem sie auferstanden sind, leben sie bis zu der Zeit, die Gott festgesetzt hat. Die ihr nun aber zu dem Schauspiel zusammengekommen seid, wenn ihr euch nicht von euren schlechten Taten abkehrt und von all euren selbst erfundenen Göttern und von jeder Unreinheit und Begierde, . Empfangt daher die Gemeinschaft Christi, indem ihr glaubt, auf dass ihr in Ewigkeit das Leben erlangt.« (29) (Zusammenfassung): Petrus wird wie ein Gott verehrt und vollbringt viele weitere Heilungen. Als Folge des Erweckungswunders spendet die Mutter des erstandenen jungen Mannes 2000 Goldstücke für die Jungfrauen, die Christus dienen. Der Erweckte schenkt daraufhin seinerseits 4000 Goldstücke und sich selbst als sprechendes Dankopfer.

Sprachlich-narratologische Analyse Narrative Einbettung in den Kontext der Petrusakten: Das Hauptthema der Petrusakten (Actus Vercellenses) ist der Kampf zwischen Petrus und Simon, die jeweils das gute und das böse Prinzip verkörpern. Im Verlauf des Erzählganges versuchen beide Protagonisten, die Römer für sich zu gewinnen. Petrus möchte den Glauben an den wahren christlichen Gott verbreiten und damit die Menschen in einem umfassenden Sinn zum Leben führen. Die Aktivität des Simon besteht vor allem darin, die Gläubigen vom Christentum abzubringen und die Gemeinschaft zu zerstören. Dieser Kampf wird durch Wunder ausgefochten, an einigen Stellen durchsetzt von Predigten des Petrus. 661

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

Der Wunderwettstreit erreicht mit den Totenerweckungen der Kapitel 2528 seinen Höhepunkt, auf welchen der gesamte Text seit dem Auftreten des Simon mit zunehmendem Nachdruck hinführt. Mit diesen finalen Kapiteln wird deutlich, was bei dem Kampf auf dem Spiel steht: die Entscheidung für Tod oder Leben. Der Sieg über Simon wird in den vorangegangen Episoden mehrfach vorweggenommen. So wird zum Beispiel in der Eubolaepisode die Vertreibung des Simon aus Judäa geschildert (ActPetr 17). Kurz zuvor erzählt Marcellus einen Traum, in dem das Gefährliche und Böse in der Gestalt einer tanzenden schwarzen Frau auftritt. Ein dem Apostel Ähnlicher tritt in dem Traum auf, schlägt der tanzenden Frau den Kopf ab und zerstückelt sie, womit der Dämon vollständig überwunden ist (ActPetr 22). Ab ActPetr 23 werden die Vorbereitungen auf das folgende Spektakel geschildert. Das Publikum nimmt die Plätze ein und äußert von sich aus den Wunsch nach dem Beweis für den wahrhaften Gott. Es finden sich in ActPetr 23 zwei einleitende Reden des Petrus und des Simon. Petrus berichtet von seinen früheren Begegnungen mit Simon, um dem Publikum den Charakter des Simon vor Augen zu führen. Petrus verweist gegen Ende seiner Rede auf seinen Gott, durch den er Simons magische Künste zerstören wird. Simon führt einige diskreditierende und nicht besonders originelle Argumente gegen Jesus an, die in der Kritik des Christentums nicht unüblich sind. Petrus widerspricht mit Verweis auf Prophetenworte (ActPetr 24). Schließlich fordert Petrus Simon auf, seine Fähigkeit, Wunder zu wirken, unter Beweis zu stellen, und lässt ihm dabei den Vortritt. Der offizielle Akt der Entscheidungsszene wird mit der Anrede des Simon an den Präfekten »Wenn es der Präfekt erlaubt« eingeleitet. Sprachlich-narratologische Analyse (ActPetr 25-29): Im Zuge des finalen Kampfes zwischen Simon Magus und Petrus auf dem Forum Iulium werden in den Kapiteln 25-28 drei Totenerweckungen geschildert. In den drei Episoden wird in Variationen die Überwindung des Todes erzählt und damit das Anliegen der gesamten Passage (ActPetr 25-28), nämlich die Lebensthematik, aufgefächert dargestellt. Dass es um eine Entscheidung zwischen Leben und Tod geht, ist von Anfang an deutlich und steht im ganzen Textabschnitt im Vordergrund. Der Präfekt Agrippa leitet den entscheidenden Wunderkampf ein, indem er den Auftrag an Simon erteilt, einen Günstling des Kaisers dem Tode zu übergeben, und Petrus auffordert, den Toten wiederzuerwecken (Beginn ActPetr 25). Er vertritt damit die weltliche Autorität. Dem Volk wird die Entscheidung anheimgestellt, zu beurteilen, wer von beiden »von Gott angenommen ist, der tötet oder der lebendig macht« (ActPetr 25); auch dadurch wird der öffentliche Charakter des Entscheidungskampfes unterstrichen (vgl. von Haehling 2003, 61f.). Sobald Simon der Aufforderung nachgekommen ist und den jungen Mann durch Flüstern ins Ohr getötet hat, wird die Szene unterbrochen, indem eine Witwe die Menge durchbricht und Petrus um die Erweckung ihres einzigen Sohnes anfleht. Sie bekommt den Auftrag, den Sohn heranzubringen, damit er erweckt werde, vermag dies jedoch nicht, verharrt in ihrer Trauer und fällt zu 662

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Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? ActPetr 25-29

Boden. Ihr Glaube wird zur Voraussetzung dafür, dass ihr und ihrem toten Sohn Hilfe zuteilwird. Dreißig junge Männer finden sich bereit, sie aufzuheben und den Sohn herbeizutragen. Nach diesem Einschub wird auch diese Szene von der Rede des Präfekten unterbrochen, der die Aufmerksamkeit erneut auf den getöteten Günstling des Kaisers lenken will (Beginn ActPetr 26). Petrus kommt dem nach, indem er Gott um Hilfe anruft. Petrus trägt dem Präfekten auf, die rechte Hand des jungen Mannes zu halten und ihn so zu erwecken. Die Auferweckung gelingt und die Menge jubelt. Mit dem erfolgreichen Abschluss der ersten Erweckung (Günstling des Kaisers) endet dieser Teilabschnitt, und die Handlung um die Wiedererweckung des Sohnes der Witwe wird erneut aufgegriffen (Beginn ActPetr 27). Die alte Witwe und ihr Sohn werden herbeigebracht. Petrus spricht ein Gebet, in dem er um die Erweckung des Sohnes bittet und diesem eine Zukunft als Diakon und Bischof voraussagt. Sogleich erhebt sich der junge Mann und wieder schreit das Volk begeistert. Damit ist auch die zweite Erweckung erfolgreich abgeschlossen. Nachdem sich das Gerücht über die Erweckungen verbreitet hat, fällt die Mutter eines jungen verstorbenen Senators Petrus mit der Bitte um die Auferweckung ihres Sohnes zu Füßen, womit die dritte Totenerweckung eingeleitet wird. Die Szene erfährt durch die beiden bereits erfolgreich durchgeführten Erweckungen eine Steigerung und erreicht mit dieser dritten ihren Höhepunkt und gleichzeitig das Finale im Wunderkampf der gesamten Petrusakten. Auch in dieser Szene ist das Glaubensmotiv zentral. Petrus sagt der Matrone die Auferweckung ihres Sohnes unter der Voraussetzung, dass sie an seinen Gott glaubt, zu. Sogleich bekundet sie ihren Glauben. Auf die Aufforderung des Petrus wird der Sohn, Nicostratus, mit allem, was für sein Begräbnis aufgewendet werden soll, von der Dienerschaft zu Petrus gebracht. Die Aufforderung des Präfekten nach dem Urteil des Volkes (Beginn ActPetr 25) wiederholt Petrus, damit übernimmt er die Regie des Geschehens. Erst jetzt erfolgt die eigentliche Gegenüberstellung von Petrus und Simon. Petrus macht ab jetzt den Sieg davon abhängig, wer es vermag, den Toten zu erwecken. Simon beginnt. Simon geht an den Toten heran, verneigt sich dreimal und erreicht, dass der Tote den Kopf hebt. Daraufhin hält das Volk Simon für siegreich und verlangt die Verbrennung des Petrus. Dieser wendet sich an die Schreienden und führt ihnen ihre Verblendung vor Augen, indem er ihnen nachweist, dass der Tote nicht wirklich erweckt ist. Unruhe bricht aus, der Präfekt schlägt Simon, und das Volk schreit nun nach dessen Verbrennung. Nachdem Petrus aber Feindesliebe anmahnt, übernimmt er die Erweckung des jungen Senators. Vor der Erweckung erwirkt Petrus die Zusage der Mutter, dass die bei seinem Tod freigelassenen Sklaven auch nach seiner Auferweckung frei bleiben und für diese dennoch weiterhin gesorgt wird. Die Mutter verspricht dies im Angesicht des Präfekten. Petrus betet, berührt den toten Sohn, spricht ihn an und verlangt von ihm aufzustehen. Der junge Mann erhebt sich, stellt seine Lebendigkeit unter Beweis und bekundet seine Hinwendung zu Christus. 663

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Die Wundererzählungen in den Petrusakten

Von da an wird Petrus wie ein Gott verehrt und viele Kranke werden ihm zur Heilung gebracht (ActPetr 29). Nach der dritten Auferweckung, bei der sich Petrus im direkten Vergleich mit Simon als siegreich erwiesen hat, wird der Erfolg des Petrus dadurch bestätigt, dass der erweckte junge Senator noch mehrfach seine Anhängerschaft an ihn bekräftigt und ebenso wie seine Mutter große Geldmengen spendet. Die drei ineinander verschachtelt erzählten Erweckungen weisen eine ähnliche sprachliche Grundstruktur auf. Sie sind geprägt von direkter Rede in Form von Dialogen sowie Einzelreden der jeweiligen Akteure. Fast durchgehend werden an bestimmten Stellen Aufforderungen platziert, die Handlung motivieren: So gibt Petrus bei allen drei Erweckungen Anweisungen, deren Befolgung die Voraussetzung für das jeweilige Gelingen darstellen. Die direkten Reden werden durch kurze Erzählabschnitte, die Handlungsstränge verknüpfen, verbunden.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Reiche römische Oberschicht: Die reiche römische Oberschicht nimmt im gesamten Text der Petrusakten eine wichtige Rolle ein. Dem entspricht auch die Beschreibung des am Wunderkampf teilnehmenden Publikums, das unter anderem auch aus Präfekten, Senatoren und Beamten besteht (vgl. Publikumszusammensetzung, Beginn ActPetr 23). Die Bedeutung der wohlhabenden Römerinnen und Römer schlägt sich in auffälliger Weise auch in ActPetr 25-29 nieder: So ist für die Moderation des Wettstreits der Präfekt Agrippa vorgesehen. Der erste Tote ist ein Diener des Präfekten und Günstling des Kaisers. Der dritte Tote (Nicostratus) ist ein vornehmer und im Senat sehr geschätzter Senator, dessen Mutter als Matrone auftritt. Ihnen folgt eine Menge aus Senatoren und Matronen, deren Zurkenntnisnahme der Wunder Gottes im Text noch einmal extra betont wird. Als absolute Steigerung wird schließlich sogar der Kaiser vom Volk angerufen und somit der höchste Repräsentant weltlicher Würde inkludiert. Entsprechend dieser Tendenz nehmen die Statussymbole der Oberschicht einen breiten Raum ein. Mit der Erweckung des Senators wird die Frage nach Freilassung und Versorgung seiner Sklaven untrennbar verbunden (s.u. Sklavenbefreiung). Selbst mit den überaus großzügigen Geldspenden wird ein entsprechender Status repräsentiert, wobei die Spender im Erwartungshorizont des antiken Patronatsgedankens handeln, der allerdings umgedeutet wird (vgl. Stoops 1986 und 1992, s.u.). Das christliche Ideal, Vermögen für die Armen aufzuwenden, begegnet mehrfach im Gesamttext, etwa in Gestalt des Senators Marcellus (ActPetr 8; 10; 11 etc.) sowie der Matrone Eubola (ActPetr 17). Die Matrone und der Senator vertreten ähnliche Typen (Poupon 1988, 4376). Beide sind reich, religiös interessiert und begegnen zunächst sowohl Simon als auch Petrus mit Offenheit (zur Pluralität und deren Grenzen im frühen Christentum vgl. Markschies 2007, 373-383), um sich schließlich Petrus und dessen Gott endgültig zuzuwenden und dies mit der Aufwendung ihres Vermögens für Bedürftige zu bestätigen (s.u.). 664

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Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? ActPetr 25-29

Die Lebenswelt der reichen römischen Oberschicht, die sich dem Christentum zuwendet, ist auch sonst in der antiken christlichen Literatur präsent. Kennzeichnend für sie ist die Bereitschaft, ihren Besitz in den Dienst der christlichen Gemeinschaft zu stellen. Ein Beispiel für eine solche reiche Römerin ist Melania die Jüngere (Pall. h. Laus. 61), die Teile ihres unermesslichen Vermögens für die Kirche zur Verfügung stellt sowie 8.000 Sklaven (einen Teil der Gesamtzahl) in die Freiheit entlässt (weitere Beispiele vgl. Jensen 2006, 88-98). Freilassung von Sklaven: Den Sklaven des verstorbenen Senators wurde von der Matrone zur Ehre ihres Sohnes die Freiheit geschenkt. Petrus macht es zur Voraussetzung für die Erweckung des Nicostratus, dass die Sklaven den Freigelassenenstand beibehalten können. Anders werden die Vorgänge von Callon gedeutet, die hier die Form der παραμονή-Freilassung vermutet, welche ein fortgesetztes Arbeitsverhältnis der Freigelassenen zur Folge haben würde (Callon 2012, 812-816). Im Text wird deutlich, dass im frühen Christentum die Probleme, mit denen Sklaven nach ihrer Freilassung konfrontiert waren, präsent sind. Daher fordert Petrus an dieser Stelle: »Sie mögen doch alle frei bleiben und Nahrung erhalten, wie sie sie zuvor erhalten haben«, und bringt damit authentisch zum Ausdruck, dass Sklaven nach ihrer Freilassung häufig Schwierigkeiten hatten, eine Lebensgrundlage unabhängig von ihrem früheren Herrn zu finden (Waldstein 1986; Lampe 1989, 100f. mit Anm. 302, da auch Angaben zu Quellen und weiterer Literatur). Ein Beleg für diese Problematik ist die Schilderung der Freilassung der Sklaven Melanias. Teile ihrer Sklavenschaft verweigern die Freilassung und ziehen es vor, deren Bruder zu dienen (Pall. h. Laus. 61). Die Filzkappen (pileus oder pilleus), die die Matrone als Kopfbedeckung der Sklaven fordert, konnten sowohl Zeichen für den Tod des Herrn als auch für Freilassung sein (für die Freilassung vgl. Liv. 24,32,9). Diese Kappen waren kegel- oder halbrundförmig und konnten zum Beispiel aus Wolle oder Fell bestehen (Selinger 2010). Unter den frühchristlichen Texten, die sich mit der Sklaverei beschäftigen, gibt es solche, die die Verwirklichung des urchristlichen Prinzips von Gal 3,28 im Auge zu haben scheinen (wie Phlm, 1 Kor 7,21-24) und andere, die deutlich das Wohlergehen der Sklavenhalter berücksichtigen (z.B. Kol 3,21-4,1 und vor allem die Pastoralbriefe). In Tit 2,9f. findet sich zum Beispiel eine »Tugendliste«, die die gängigen Vorurteile von Sklavenhaltern gegenüber Sklaven unproblematisiert reproduziert (widersprechen, stehlen, …). Hier in den Petrusakten findet sich keinerlei Polemik; im Gegenteil wird auf die prekäre Situation von Sklaven hingewiesen, ihre Absicherung nach der Freilassung eingefordert und sogar darauf geachtet, dass ihre persönliche Würde gewahrt wird (ActPetr 28: scio enim quorundam animum ledi, quod viderint filium tuum surrexisse, quod iterum servituri sunt illi – ich weiß nämlich, dass ihr Herz verletzt ist, wenn sie deinen Sohn haben auferstehen sehen und ihm dann wiederum dienen sollen). Witwen und Jungfrauen: Der Witwen- wie der Jungfrauenstand als Lebensform werden in ActPetr 25-29 mehrfach thematisiert, wobei auffällig ist, dass 665

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insbesondere die Notwendigkeit ihrer Versorgung sowie die damit verbundenen Aufwendungen den Schwerpunkt bilden. So wird die Mutter des zweiten Toten als Witwe vorgestellt, die sich bei Marcellus erholt. Nach dem Verlust ihres Sohnes bleibt sie völlig unversorgt zurück (ActPetr 25). Von der reichen Matrone, der Mutter des dritten Toten, fordert Petrus einen gewissen Teil des Vermögens für die Witwen ein (ActPetr 28). Zusätzlich bietet sie Petrus ihrerseits 2000 Goldstücke zur Verteilung unter den im Hause des Marcellus dienenden (ministrare) Jungfrauen an (ActPetr 29; vgl. zu Witwen auch Döhler/Neureiter zu ActPetr 16-18 in diesem Band).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Erweckungen: Die drei ineinander verschachtelten Totenerweckungen sind durchaus ungewöhnlich. Die erste wird vom Präfekten in Auftrag gegeben, obwohl es zunächst gar keinen Toten gibt. Das hat zur Folge, dass Simon jemanden dem Tod übergeben muss, hierfür wählt der Präfekt einen Günstling des Kaisers. Simon tötet den jungen Mann durch ins Ohr geflüsterte Worte, was wie eine magische Praktik anmutet. Petrus benennt in dem Gebet, das der Erweckung vorangeht, das Vorgehen des Simon, jedoch mit der Diskrepanz von Flüstern ins Ohr und Berührung: »Erwecke du den, Herr, den Simon durch Berührung getötet hat, durch meine Stimme mit deiner Kraft« (ActPetr 26). Die Ausführung des Wunders überträgt Petrus dem Präfekten, indem er ihn auffordert, die rechte Hand des jungen Mannes zu halten, und ihm dessen Erweckung verheißt. Das Wunder gelingt. Die zweite und dritte Totenerweckung weisen deutlich stärkere Parallelen auf. Sie laufen im Prinzip nach dem gleichen Schema ab: Eine Mutter (arme alte Witwe/reiche Matrone) bricht durch die Menge, wendet sich an Petrus und schildert ihm jeweils ihre Not. Petrus reagiert in beiden Fällen mit der Forderung nach einer Eigenleistung (Glaube und Heranbringung des Sohnes). Unter Zuhilfenahme von Dritten (30 Freiwillige/Dienerschaft) werden die Söhne auf das Forum gebracht. Petrus leitet die Erweckung jeweils mit einem Gebet ein. Als Auferweckungsformel dienen in beiden Szenen die aus neutestamentlichen Texten bekannten Worte: »Steh auf!« (z.B. Joh 5,8; Lk 7,14). Das Wunder wird dadurch bestätigt, dass die Jünglinge, indem sie sich erheben, ihre Lebendigkeit beweisen. Den Abschluss bilden einmal die begeisterte Verwunderung des Volkes (zweimal mirari) und einmal eine Rede des Petrus, in der er das Vorangehende (die Erweckungsszenerie) als Schauspiel (spectaculum) bezeichnet, passend zur Reaktion der Verwunderung beim Volk. Während Simon in der Szene mit der alten Witwe überhaupt keine Rolle spielt, wird in der dritten Erweckung der eigentliche Wettkampf zwischen Petrus und Simon ausgetragen. Simon versucht sich als Wundertäter, wird jedoch der Anwendung nur sehr partiell wirksamer Magie überführt: »Simon ging an das Haupt des 666

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Toten heran und er neigte sich dreimal und als er sich aufgerichtet hatte, zeigte er dem Volk, dass der Kopf (des Toten) sich hebe und bewege, und dass er die Augen öffnete und sich leicht zu Simon neige« (ActPetr 28). Die Erweckung durch Simon ist also bloße Täuschung. Für die magische Bedeutung der Dreizahl auch im Kontext einer Totenerweckung vgl. Ov. fast. 6,753f. (pectora ter tetigit, ter verba salubria dixit – er berührte dreimal die Brust, er sagte dreimal heilbringende Worte), wo Aesculap einen jungen Mann namens Hippolytus wieder erweckt, dessen Körper bei einem tödlichen Unfall mit seinem Wagen stark beschädigt worden war. Das Motiv der Witwen, deren Söhne erweckt werden, ist der Leserschaft aus biblischen Schriften bekannt (im AT z.B. 1 Kön 17,17-24 Elija und im NT z.B. Lk 7,12-17). Das unicus filius-Motiv findet später auch in die hagiographische Literatur Eingang. Von Tod und Erweckung einer dem Kaiser nahestehenden Person wird zum Beispiel noch im Martyrium Pauli 1f. berichtet (Patroklos, der Mundschenk Neros). Homo dei (göttlicher Mensch): Nach den drei erfolgreich durchgeführten Erweckungen gipfelt der Ruhm des Petrus als Wundertäter darin, dass er von da an wie ein Gott verehrt wird (adorabant eum tamquam deum) und ihm die Kranken zur Heilung zu Füßen gelegt werden (Beginn ActPetr 29). Während der Auftrag zu Heilungen der Nachfolge Jesu entspricht (z.B. Aussendung der zwölf Apostel, Mk 6,7; Mt 10,1.8; Lk 9,1f.; Mk 3,14f.; Aussendung der Zweiundsiebzig, Lk 10,9, vgl. Achtemeier 2008), lehnen die Apostel die Vergöttlichung ihrer Person ab (z.B. ActPetr 28: »auch ich, weil ich einer von euch bin, trage menschliches Fleisch und bin ein Sünder […] wendet euch also nicht an mich, als ob ich durch meine Kraft bewirke, was ich bewirke, sondern meines Herrn Jesus Christus«). Belege für eine solche Zurückweisung finden sich auch sonst in den Apostelakten, so z.B. in den Johannesakten, worin Johannes die Verehrung seiner Person durch die Errichtung eines Bildes zurückweist (ActJoh 26-29). Die Konzeption vom göttlichen Menschen (homo dei bzw. theios anēr [θεῖος ανήρ]) klingt in den Apostelakten mehrfach an. An verschiedenen Stellen kommt sie in Variationen auch in den Acta Petri vor (vgl. ActPetr 5 die Anrede des Kapitäns Theon an Petrus: Mensch oder Gott? [deus es aut homo], vgl. du Toit 1997). Christliche Ethik: Da Simons Erweckungsversuch missglückt ist, fordert das Volk seine Verbrennung. Petrus weist das zurück und fordert als Bedingung für die Erweckung des jungen Senators, dass Simon geschont wird. Er proklamiert für die christliche Gemeinschaft, dass sie auf Vergeltung verzichtet und Feindesliebe übt: »Wir kennen es nämlich nicht, Schlechtes für Schlechtes heimzuzahlen; sondern wir haben gelernt, unsere Feinde zu lieben und für unsere Verfolger zu beten« (ActPetr 28; zur biblischen Grundlage vgl. Mt 5,44; Lk 6,27.35; Röm 12,17; 1 Petr 3,9; 1 Thess 5,15). Auch innerkanonisch findet sich die pädagogische Verknüpfung von Feindesliebe und Wunder im Handeln Jesu gegenüber Gegnern (vgl. Lk 22,51; vgl. dazu Pichler 2007, 199-200). Die Thematik der Feindesliebe ist auch sonst in der christlichen Antike breit belegt (Bauer 1967a, 240-246). Es wurde diskutiert, ob das Gebot der Feindesliebe 667

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als etwas spezifisch Christliches (vgl. Unnik 1966) oder als eine Ausformung der in der Antike üblichen Form von Menschenfreundlichkeit (Philanthropia) zu betrachten ist (Whittaker 1979, 218-222; zur Feindesliebe speziell bei Athenagoras vgl. Heil 2010). Auch in jüdischen Schriften wird das Ideal der Feindesliebe als friedenbringendes Element vorgestellt. So wird zum Beispiel im zweiten Teil der Erzählung Joseph und Aseneth, einem den Petrusakten vergleichbaren Genre, eine narrative Demonstration der Zentralität des Feindesliebegebots gegeben (JosAs 23,9; 28,10.14; vgl. Gerber 2009, 204f.). In ActPetr 28 wird dem Gebot der Feindesliebe ein hoher Stellenwert zugemessen, indem das entscheidende Wunder, nämlich die Erweckung des jungen Mannes, an die Forderung der Einhaltung dieses Gebots an die Menge geknüpft wird (vgl. Bauer 1967a, 248). Somit wird auch die christliche Spitzenforderung der Feindesliebe zu den Dingen gezählt, die Leben verheißen.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die magische Dreizahl: In den Kapiteln 25-28 geht es um die Verdeutlichung des Lebensanliegens. In Varianten wird dasselbe Thema, die Überwindung des Todes und der Sieg des Lebens, dreifach ausgeführt und gesteigert, woraus eine Vielfalt an Verstehenszugängen resultiert. Gleich zu Beginn des Abschnitts (ActPetr 25) wird mit der Aufforderung an Simon, einen Günstling des Kaisers dem Tod zu übergeben, eine Grundspannung erzeugt. Die zunehmende Steigerung wird auch dadurch bewirkt, dass die Erweckung des jungen Kaisergünstlings verzögert und eine andere Totenerweckung eingeschoben wird. Sie gipfelt in der dritten – am ausführlichsten erzählten – Erweckung, in der der eigentliche Wettkampf zwischen Petrus und Simon stattfindet. Eine besondere Dramatik wird in ihr dadurch erreicht, dass mit der schwankenden Sympathie des Volkes abwechselnd für Simon und Petrus das Verbranntwerden in Aussicht gestellt wird. Sogar den Kaiser ruft das Volk an. Die Menge als Motor: Überhaupt ist die Menge von Beginn an wichtiger Handlungsträger. So erfolgt eine »Einsetzung« des Volkes als Instanz, die ein Urteil fällen soll, durch den Präfekten: »Es ist nun an euch zu urteilen, wer von ihnen von Gott angenommen ist, der tötet oder der lebendig macht!« (ActPetr 25). Die Menge ist durchgehend intensiv beteiligt, was sich an ihren Kommentaren und unmittelbaren, auch sehr emotionalen Äußerungen zum Geschehen zeigt. Ihre Reaktion auf die einzelnen Szenen wird unterschiedlich ausführlich ausgeführt und findet in Kapitel 28 mit den Verbrennungsforderungen ihren Höhepunkt. Das Unverständnis, das in den Äußerungen des Volkes vielfach zutage tritt, wird von Petrus mit deutlichen Worten getadelt: »Solange euer Sinn verdunkelt ist, seht ihr nicht, dass ihr gottlos seid« (ActPetr 28). Zunächst bleibt das Volk unbeeindruckt, doch mit der Forderung nach Feindesliebe verstummt es. Glaube als Grundlage: Der Glaube ist durchgehend zentral für die Wunder und deren Gelingen und damit für das Fortschreiten der Handlung. Erweckungen 668

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benötigen und bewirken Glaube. Besonders deutlich kommt dies im Wortwechsel zwischen Petrus und der Matrone zum Ausdruck: Petrus sagt zu ihr: »Wirst du an meinen Gott glauben, durch den dein Sohn wieder lebendig werden wird?« Die Mutter aber sagt mit lauter Stimme unter Tränen: »Ich glaube, Petrus, ich glaube« (ActPetr 28). Durch den Prozess des Sterbens und Erwecktwerdens durchlaufen die jungen Männer der zweiten und dritten Erweckung eine Wandlung, die zum Glauben führt und darüber hinaus in die Zukunft weist, zum Beispiel indem der zweite erweckte Junge für das Diakonat und Bischofsamt bestimmt wird (ActPetr 27). Todesverständnis: Die Wandlung vom Tod zur Erweckung kann auch ein Bild dafür sein, dass das Leben ohne Glauben Tod bedeutet und Hinwendung zum Glauben im weiteren Sinn Leben verheißt. Dass in unserem Abschnitt auch ein innerweltliches Todesverständnis zutage tritt, kommt mit den folgenden Worten des Petrus zum Ausdruck: »So stehen Tote wieder auf, so sprechen sie, so laufen sie herum; und nachdem sie auferstanden sind, leben sie bis zu der Zeit, die Gott festgesetzt hat« (ActPetr 28; vgl. Döhler 2016, 60). In den Psalmen zeigt sich in ähnlicher Weise ein deutlich weiter gefasstes dynamisches Todesverständnis, welchem nicht der Tod als »point of no return« (Fischbach 1992, 98) allein zugrunde liegt. Todeserfahrungen werden in den Psalmen als Erfahrungen von Not und Bedrängnis (z.B. Krankheit, Armut, Einsamkeit, Ablehnung, Anfeindung, Verfolgung, …) und Wiederbelebung wird als Befreiung und Rettung aus einer Not- und Grenzsituation formuliert – somit gibt es bereits in der irdischen Welt Bereiche, in denen der Tod als spürbare und sichtbare Macht wirksam ist (vgl. ausführlich dazu Fischbach 1992, 98-111; Steins 2011, 256 charakterisiert Wunder als »Beziehungstat« nach Ps 107). Die paganen wie christlichen Einstellungen zum Tod und zur Form der Auferstehung, etwa dazu, ob nur die Seele aufersteht oder ob Körper und Seele auferstehen, werden in den ersten christlichen Jahrhunderten erörtert, was schließlich zur Herausbildung eines vereinheitlichten Auferstehungsglaubens unter den Christen führt (vgl. Markschies 2012a, 85-93). Was die praktischen Rahmenbedingungen betrifft, schildert Markschies entsprechend unserem Text, dass der Familie des Verstorbenen die Pflicht zukommt, sich um die Bestattung zu kümmern (Markschies 2012a, 89). Soziale Verantwortung: Auffällig ist, dass hier in besonderer Weise soziale Verantwortlichkeiten gemäß Stand und Status mit den Erweckungen und dem sich daran anschließenden weiteren Leben untrennbar verbunden sind. Der in den Texten präsente Patronatsgedanke wird dahingehend transformiert, dass die Klientel zwar die Aufwendungen des Geldgebers entgegennimmt, ihre Anhängerschaft aber nicht dem weltlichen Patron, sondern Christus gehört, der diese Umverteilung lenkt. Dadurch ist die Verwendung von Vermögen nicht mehr nur eine rein innerweltliche Angelegenheit, sondern nimmt den Weg über den Glauben (Stoops 1986 und 1992). So wird die Erweckung des jungen Senators an den Glauben seiner Mutter sowie an ihre Zusage, seine Sklaven freizulassen und auch künftig zu versorgen, gekoppelt. Nach der Erweckung zeigt sich der da669

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durch noch einmal gestärkte Glaube darin, dass die Matrone und ihr Sohn von sich aus große Mengen des Geldes für die christliche Gemeinschaft (Jungfrauen) spenden. In anderer Weise wird die Erweckung des Sohnes der armen alten Witwe an soziale Verantwortung geknüpft, indem sie zunächst ihre existentielle Not angesichts des Verlustes ihres Sohnes erklärt: »Einen einzigen Sohn hatte ich; er hat mir mit seinen Armen Nahrung verschafft …« (ActPetr 25). Petrus thematisiert die Situation der Witwe sogar im Gebet um die Erweckung des Sohnes: »Erwecke den Sohn der alten Witwe, die sich nicht selbst erhalten kann ohne den Sohn« (ActPetr 27) und nimmt die Versorgung der Mutter als Auftrag an den jungen Erweckten mit in die Auferweckungsformel hinein: »Junger Mann, steh auf und geh mit deiner Mutter, solange du ihr nützlich bist …« (ActPetr 27). Über diese innerfamiliäre Verpflichtung hinaus legt Petrus die Zukunft des Jungen in der christlichen Gemeinschaft fest, indem er ihm das Amt des Diakons und Bischofs aufträgt. Somit haben die Auferweckungswunder die Funktion, zunächst die Verbindung von christlichem Glauben und Leben herauszustellen, zum Glauben zu führen, ihn zu vermehren und Nachfolge zu bewirken. Mit der zweiten Erweckung erfolgt die Berufung des erweckten armen jungen Mannes zum Diakon und zum Bischof (ActPetr 27). Die dritte Erweckung bewirkt die Selbstberufung des erweckten reichen Senators zum sprechenden Dankopfer (ActPetr 29). Damit wird hier eine an Röm 12,1 anklingende Ausdrucksweise gewählt, um die Hinwendung zu(m) Gott (des Petrus) zu bekräftigen und ein grundlegendes Kennzeichen des frühen Christentums zu betonen, nämlich, dass es nicht wie in der paganen antiken Umwelt darum geht, verschiedenste kultische Opfer darzubringen, sondern darum, dass das Leben der Gläubigen eine Form von Gottesdienst ist.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Teile der eben behandelten Kapitel existieren in griechischer Überlieferung, auf einem einzelnen erhaltenen Blatt, dem wohl aus dem frühen 4. Jh. stammenden P.Oxy. 849 (ediert und beschrieben von Grenfell/Hunt 1908). Möglicherweise liegt mit dem darin erhaltenen griechischen Text ein Stück aus der Vorlage der Actus Vercellenses vor. Da das Textstück so klein ist, kann jedoch nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, ob eine direkte Abhängigkeit vorliegt oder es sich doch eher um eine Zwischenstufe handelt. P.Oxy. 849 enthält Teile aus Kapitel 25 und 26 der Actus Vercellenses und somit Elemente der ersten beiden Totenerweckungen; ob der griechische Text auch die dritte Totenerweckung enthielt, muss im Dunkeln bleiben (für eine ausführliche Gegenüberstellung des Fragments und des parallelen Textes der Actus Vercellenses vgl. Baldwin 2005, 242-251; Vouaux integriert den griechischen Text an den entsprechenden Stellen im Apparat seiner Edition, Vouaux 1922, 374-377). Die prominente Stellung unserer Totenerweckungen zeigt eine auch sonst 670

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recht umfängliche Überlieferung und Rezeption innerhalb weiterer Schriften wie der Akten des Nereus und Achilleus sowie der Historia des Pseudo-Hegesippus (vgl. dazu ausführlich Thomas 1998). Marietheres Döhler/Livia Neureiter

Literatur zum Weiterlesen M. C. Baldwin, Whose Acts of Peter? Text and Historical Context of the Actus Vercellenses, WUNT 2/196, Tübingen 2005. M. Döhler, ›Vom Tod zum Leben‹ – Totenerweckungen in den Acta Petri (Actus Vercellenses) und ihrem antiken Umfeld, Das Altertum 61 (2016/1), 51-61. S. M. Fischbach, Totenerweckungen. Zur Geschichte einer Gattung, FzB 69, Würzburg 1992. R. von Haehling, Zwei Fremde in Rom. Das Wunderduell des Petrus mit Simon Magus in den Acta Petri, RQ 98 (2003), 47-71. J.-U. Krause, Witwen und Waisen im frühen Christentum, HABES 19, Stuttgart 1995. R. F. Stoops, Christ as Patron, Semeia 56 (1992), 143-157. Ders., Patronage in the Acts of Peter, Semeia 38 (1986), 91-100. C. M. Thomas, Revivifying Resurrection Accounts. Techniques of Composition and Rewriting in the Acts of Peter cc. 25-28, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, SAAA 3, Leuven 1998, 65-83. W. Waldstein, Operae libertorum. Untersuchungen zur Dienstpflicht freigelassener Sklaven, FAS 19, Stuttgart 1986.

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Missglückte Himmelfahrt (Letzte Auseinandersetzung mit Simon) ActPetr 30-32 (31) [Simon Magus vollbringt vor großem Publikum allerlei Scheinwunder.] Petrus aber, der all dies im Auge behielt, entlarvte Simon vor den Zuschauenden. Als der so in eine immer peinlichere Lage geriet, vom einfachen Volk der Römer mit Hohngelächter bedacht wurde und sie ihm ihr Vertrauen entzogen, weil ihm das, was zu tun er zugesichert hatte, nicht gelang, da sagte er schließlich zu ihnen: »Ihr Römer, nun meint ihr, Petrus habe mich besiegt, als vermöchte er mehr auszurichten als ich; und da schlagt ihr euch lieber auf seine Seite. Aber ihr liegt falsch. Morgen nämlich werde ich, derweil ich euch, ihr gänzlich gottlosen Frevler, zurücklasse, hinauffliegen zu dem Gott, dessen – wenn auch geschwächte – Kraft ich bin. Wenn ihr also gestrauchelt seid, siehe: Ich bin der Stehende. Und ich werde zum Vater hinaufgehen und zu ihm sagen: ›Auch mich, deinen Sohn, den Stehenden, wollten sie in die Knie zwingen. Aber ich habe mich nicht an ihre Seite gestellt; ich bin wieder zu mir selbst aufgefahren.‹« (32) Und bereits am folgenden Tag lief das Volk in noch größeren Scharen auf der Via Sacra zusammen, um ihn fliegen zu sehen. Petrus aber kam auf eine Vision hin zu der Stelle, um ihn auch hierin zu entlarven. Denn bereits bei seiner Ankunft in Rom hatte er [Simon] die Menschenmengen durch seinen Einflug in helle Aufruhr versetzt. Doch damals hatte sich Petrus, der ihn überführte, noch nicht in Rom aufgehalten, das jener mit seinem Trug derart zum Narren hielt, dass einige sich von ihm betören ließen. Simon hatte sich also auf einem erhöhten Ort in Stellung gebracht. Sobald er Petrus erblickt hatte, begann er zu sprechen: »Petrus, gerade jetzt, da ich vor den Augen all dieser Menschen hier auffahre, sage ich dir: Wenn dein Gott, den Juden umgebracht haben – sie, die ja auch euch, die von ihm Auserwählten, gesteinigt haben –, dazu in der Lage ist, dann soll er zeigen, dass der Glaube an ihn Glaube an Gott ist; daran soll sich erweisen, ob dieser Glaube Gottes würdig ist. Denn indem ich auffahre, will ich mich all diesen Leuten hier als der erweisen, der ich wirklich bin.« Und tatsächlich: Er wurde in die Höhe gehoben und alle sahen, wie er hoch oben über ganz Rom schwebte, über all seinen Tempeln und den Bergen. Da schauten die Gläubigen auf Petrus. Und als Petrus das seltsame Schauspiel sah, rief er zum Herrn Jesus Christus: »Wenn du ihn ausführen lässt, was er in Angriff genommen hat, dann werden jetzt alle, die zum Glauben an dich gekommen sind, darin verunsichert werden, und die Zeichen und Wunder, die du 672

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Missglückte Himmelfahrt ActPetr 30-32

ihnen durch mich gegeben hast, werden in ihnen unglaubwürdig sein. Eilends, Herr, erweis deine Gnade und, wenn er dann von oben herabstürzt, so möge er verletzt überleben und nicht sterben, sondern er soll seiner Wirkkraft beraubt werden und seinen Schenkel an drei Stellen brechen.« Tatsächlich brach er sich bei seinem Fall aus der Höhe seinen Schenkel an drei Stellen. Daraufhin ging ein jeder nach Hause, nachdem man erst noch Steine auf ihn geworfen hatte. Fortan hörten sie alle auf Petrus. [Aufgrund dieses Ereignisses bekehrt sich der Simonanhänger Gemellus zu Christus.] Übersetzung auf Basis der Actus Vercellenses in der Edition von Vouaux 1922.

Sprachlich-narratologische Analyse In ActPetr 23 waren die beiden Kontrahenten Petrus und Simon Magus in aller Öffentlichkeit und in Anwesenheit verschiedener Funktionsträger aufeinandergetroffen. Zwischen beiden hatte sich ein in Form von Wundern ausgetragener Wettkampf entsponnen (ActPetr 23-29), dessen Finale das Flugwunder des Simon Magus darstellt (ActPetr 31-32). Dazwischen tritt als retardierendes Moment eine in sich abgeschlossene Episode (ActPetr 30): Die als wenig wählerische Prostituierte verrufene und sagenhaft reiche Chryse (»Goldine«) stellt Petrus eines Sonntags einen überaus großzügigen Betrag zur Verfügung. Auf die kritische Anfrage, ob man von »so einer« überhaupt Geld annehmen dürfe, verweist Petrus auf die Fürsorge Christi, die sich in der Gabe der Frau zeige. Der Neueinsatz zu Beginn des folgenden Kapitels (ActPetr 31) wird augenfällig durch den Wechsel von erzählter Zeit (konkreter Sonntag in ActPetr 30 – regelmäßig am Sabbat in ActPetr 31), Erzählweise (Dialog am Ende von ActPetr 30 – imperfektische Situationsbeschreibung in ActPetr 31) und Personeninventar (Neueinführung von Kranken und deren Versorgern in ActPetr 31). Petrus und Simon Magus sind nun die Hauptakteure; zwischen ihnen stehen gleichsam im Spannungsfeld zwischen zwei Polen Anhänger unterschiedlicher Standfestigkeit. Der Verlauf der Ereignisse wird ihre Ausrichtung zugunsten des Petrus entscheiden; die Anziehungskraft Simons erlischt mit seinem Sturz. Das Nachhausegehen der Zuschauer, die Konversion des ehemals treuen Simonanhängers Gemellus und Simons Tod in Terracina lösen die Szenerie des Flugwunders abschließend auf (Ende ActPetr 32). Das folgende Kapitel (ActPetr 33) wird Petrus im Kreise der Anhänger in Rom zeigen. Der Erzählungskomplex vom Flug und Sturz des Simon gliedert sich in drei Teile, nämlich ein ausführliches Vorspiel, das berichtet, wie es überhaupt zu Simons Flugprojekt kommen konnte (ActPetr 31), die Ereignisse um das Flugwunder selbst und ein zweifaches Nachspiel, nämlich die Bekehrung des Gemellus und Simons Tod (ActPetr 32). Das Vorspiel zeigt eine oszillierende Struktur: Summarischer Bericht von den allsabbatlichen Heilungen des Petrus – Intervention Simons – summarischer Bericht von den Scharlatanerien Simons – Intervention 673

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des Petrus – Reaktion Simons. Nur die letzte Szene ist als direkte Rede gestaltet; in den ersten vier Abschnitten führt ausschließlich der Erzähler das Wort. Es ist jedoch nicht nur das Spiel von actio und reactio der beiden Antagonisten, das klimaktisch zu Simons Ankündigung seiner Auffahrt zu Gott am Folgetag führt. Vielmehr drängt die Reaktion anonymer Personengruppen zum jeweils nächsten Schritt: Die durch Petrus erfolgenden Heilungen führen zu einem spektakulären Gemeindewachstum: Tagtäglich werden scharenweise Menschen »der Gnade des Herrn hinzugeführt« (s.u.). Dies veranlasst Simon zu der Ankündigung, er werde zeigen, dass Petrus nicht an den wahren Gott, sondern ein Trugbild glaube. Die Wunder, die er daraufhin verrichtet, entbehren freilich allesamt entweder der Realität oder der Nachhaltigkeit. Petrus entlarvt sein Tun, so dass nicht mehr nur die Standhaften unter den Gläubigen ihn auslachen, sondern ihn das gesamte einfache Volk angesichts seiner Misserfolge verhöhnt. Erst diese negative Resonanz, der drohende Verlust der Anhängerschaft, treibt Simon zum Äußersten, nämlich zu der Ankündigung seiner Himmelfahrt. Damit erweist sich die Auseinandersetzung zwischen Petrus und Simon wie in den gesamten Acta Petri als ein Streit um geistliche Autorität und die Ausrichtung des Glaubens. Die Kontrahenten sind einander freilich keineswegs ebenbürtig, der Wettkampf nicht ausgewogen. Der Erzähler lässt keine Gelegenheit aus, Simons Position zu diskreditieren: Er wird als Magier (μάγος magos) eingeführt, seine Wunder sind nur Trugbilder (φαντασίαι fantasiai), die Geister, die er ruft, nicht echt (οὐκ ὄντα ἀληθῶς ouk onta alēthōs), die vorübergehend wiederhergestellte Gesundheit das Resultat von Magie (μαγία magia). Er wird ausgelacht, verhöhnt. Bei Simons Ankündigung seiner Auffahrt zu Gott angelangt, haben die Leserinnen und Leser keinerlei Chance mehr, noch mit dem Erfolg des Vorhabens rechnen zu dürfen, sondern sind innerlich durch die lexikalische Gestaltung und den Handlungsverlauf schon auf sein zwangsläufiges Scheitern eingestimmt. Das Flugwunder selbst beginnt mit einer Exposition, die am folgenden Tag die Volksscharen als Publikum zum Ort des Geschehens, der Sacra Via, bringt. Hierauf folgt eine thematisch motivierte Rückblende: Schon der Einzug Simons in Rom (vgl. ActPetr 4) war auf fliegende Weise erfolgt. Da damals Petrus noch nicht in Rom war und folglich nicht intervenieren konnte, gelang es Simon, Eindruck zu machen und Anhänger für sich – und das heißt: gegen den Glauben an den wahren Gott – zu gewinnen. Doch jetzt ist Petrus da. Ein zweimaliger Hinweis auf die Rolle des Petrus als ›Überführer‹ (ἐλέγχειν elengchein) lässt keinen Zweifel über den weiteren Handlungsverlauf: Petrus will und wird den Scharlatan entlarven. Der Leser kann jetzt schon aufatmen. Das zentrale Erzählstück besteht aus dem Vollzug des Wunders und seinem Scheitern; die beiden so einander entgegengesetzten Teile sind parallel strukturiert. Auf das gesprochene Wort eines der Antagonisten folgt jeweils der auktoriale Bericht von den Geschehnissen. Eine Ansprache Simons an Petrus geht seinem Flug voraus, dann folgt die Peripetie: Ein Gebet des Petrus führt zum Sturz des Magiers, der mit einem umgekehrten Chorschluss quittiert wird. Die anwesende Menge steinigt den gescheiterten Wundertäter, geht nach Hause und glaubt Petrus. 674

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Missglückte Himmelfahrt ActPetr 30-32

Der erste der beiden Nachträge hat die narrative Funktion, die Tiefe von Simons Fall zu illustrieren: Sie ist definitiv. Selbst ein Anhänger, der die Sache Simons mit Geld unterstützt hat, wendet sich von Simon und dessen Gott ab und ersucht um Aufnahme in das Gefolge des Petrus, die dieser ihm großmütig gewährt. Die letzten Sätze sind dem weiteren Geschick Simons gewidmet. Der wird bei Nacht erst nach Aricia gebracht, dann nach Terracina zu einem Zauberkollegen, wo Simon an den Folgen einer Operation stirbt. Der Erzähler versäumt nicht, bei der letzten Erwähnung des Magiers noch einmal auf seine Identität zu verweisen: Er war ein Engel des Teufels. Damit ist wieder Raum für das friedliche Wachstum der Gemeinde zu Rom. Und genau damit wird das neue Kapitel einsetzen (ActPetr 33).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die geographische Verortung der Flugszene bleibt vage. Die Menschenmenge strömt auf der Sacra Via zusammen, der Straße über das Forum schlechthin, auf der sich große öffentliche Ereignisse wie Prozessionen, Begräbnisse, Triumphzüge u.Ä. abspielen. Dem Lexikographen Festus zufolge variiert der Sprachgebrauch bezüglich ihrer Erstreckung. Allgemein werde oft nur ein (etwa 160 Meter langes) Stück zwischen der regia (vor dem Tempel des Antoninus und der Faustina) und dem Haus des rex sacrorum (auf der Velia, etwa beim Titusbogen) als Sacra Via bezeichnet, doch müsse man die gesamte Strecke vom Heiligtum der Strenia (wohl östlich des Kolosseums) bis hinauf auf das Kapitol im Westen mit diesem Namen belegen (Festus 372). Erst mit dem Neronischen Brand nimmt die Sacra Via den heute noch teilweise erkennbaren monumentalen Charakter und geradlinigen Verlauf in direkter Verlängerung des Tempels der Venus und der Roma an (vgl. Coarelli 1999, 227), der den Hintergrund für die Flugszene in den Acta Petri darstellen könnte. Ob der »erhöhte Ort«, von dem aus Simon seinen Flugversuch unternommen haben soll, entsprechend der langen Definition auf den clivus Capitolinus weist oder ob damit ein hohes Bauwerk angedeutet ist, bleibt unklar, wie es überhaupt nicht ersichtlich wird, ob dem Verfasser ein konkretes Bild der Topographie Roms vor Augen stand. Die Hügel und Tempel, über denen Simon schwebt, könnte nahezu jeder Bewohner des Reiches mit Rom assoziiert haben.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Das Fliegen von Menschen hat in der Antike einen festen Platz im Repertoire von Magiern, Hexen und anderen übernatürlich Begabten. So kann einem Thaumaturgen neben der Fähigkeit zu fliegen, auf dem Wasser zu gehen, Geister zu zitieren, Tote aufzuerwecken usw. auch das Fliegen zugeschrieben werden (Luc. philops. 13). Der Verdacht, eine Hexe zu sein, geht einher mit der Unterstellung nächtlicher Flugaktivitäten (Luc. dial. 1,2). Und unter den wünschenswerten Eigenschaften magi675

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scher Ringe befinden sich nicht nur das Verleihen von Gesundheit und Vitalität, die Gabe der Unsichtbarkeit, unermesslicher Stärke oder allseitiger Beliebtheit, sondern eben auch die Befähigung zum Fliegen (Luc. nav. 42). In der griechischen Mythologie ist die wohl berühmteste Erzählung vom gescheiterten Flugversuch eines Menschen die von Daedalus und seinem Sohn Ikarus (Ov. met. 8,183-235). Da ihnen See- und Landweg verwehrt sind, fliehen beide mit Hilfe von Flügeln aus mit Wachs verbundenen Vogelfedern aus Kreta. Unterwegs findet der junge Ikarus Gefallen an dem Flugabenteuer, wird unvorsichtig und steuert allzu kühn der Sonne entgegen. Durch die Wärme schmilzt die wächserne Flügelkonstruktion; Ikarus stürzt ab. Die Motivkombination von anfänglich erfolgreichem Flug und anschließendem Absturz entspricht dem Verlauf von Simons Projekt, auch die übermütige, sich selbst überschätzende Haltung spielt mutatis mutandis in beiden Fällen eine Rolle; hierin auch dem Mythos von Phaëton vergleichbar, der in jugendlichem Leichtsinn seinem Vater Helios die Erlaubnis abtrotzt, einen Tag lang den Sonnenwagen lenken zu dürfen, dabei aber nicht nur desaströse Klimastörungen verursacht, sondern auch selbst zu Tode stürzt (Ov. met. 1,747-2,400). Doch bleiben diese Verbindungen auf der Ebene allgemeiner Motivverknüpfungen. Der Vorschlag, dass eine Aufführung des Ikarusmythos unter Nero, bei der der Kaiser mit dem Blut des abstürzenden Ikarus bespritzt wurde (Suet. Nero 12), den Anstoß zur Entstehung der Erzählung vom Absturz Simons (vgl. Giani 1924, 64) gegeben habe, entbehrt nicht eines gewissen Charmes, lässt sich aber schwerlich erhärten. Ebenso wenig konkrete Schlussfolgerungen erlaubt ein (hypothetisches?) Beispiel des Dio Chrysostomos (or. 21,9) für die Macht des Geldes in Herrschaftsverhältnissen am konkreten Fall Neros: Selbst wenn dieser einem Mann befohlen habe zu fliegen, so habe niemand ihn auf die Unmöglichkeit dieses Unterfangens hingewiesen, sondern man habe diesen Mann im Glauben, er werde fliegen, eine Zeit lang im kaiserlichen Haushalt ausgehalten. Von Simons erster Bezeugung an werden seine magischen Künste – je nach Perspektive – auf göttliche oder dämonische Wirkmacht zurückgeführt. Bereits der auctor ad Theophilum erwähnt, Groß und Klein in Samarien habe Simon den Titel »die große Kraft Gottes« beigelegt (Apg 8,10). Irenäus zufolge lehrte Simon selbst, er sei die »allerhöchste Kraft« (haer. 1,23,1). Diese Tradition wird in den Acta Petri aufgenommen, wenn sie Simon ankündigen lassen, er werde zu Gott fliegen, dessen Kraft er sei (ActPetr 31). Dass im selben Atemzug dieser Anspruch durch Simons Eingeständnis, derzeit Gottes geschwächte Kraft zu sein, lächerlich gemacht wird, entspricht der literarischen Technik der Acta Petri. Keine Gelegenheit bleibt ungenutzt, Simons Tun als trügerisch und seine Selbstprädikation als gegenstandslos oder anmaßend zu denunzieren, weder in Passagen auktorialer Narration noch in der direkten Rede der Protagonisten. Ausgehend von der Idee einer göttlichen Kraft, mit der Simon begabt war, zieht die Tradition die Linie weiter zu Vorstellungen einer Epiphanie oder Inkarnation. Irenäus erläutert an genannter Stelle, »allerhöchste Kraft« (sublimissima Virtus) bedeute nichts anderes als »der Vater der über allem steht« (qui sit super omnia pater). Simon habe in Bezug auf sich selbst gelehrt, er sei »unter den Juden als Sohn erschie676

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nen (quasi Filius apparuerit), in Samaria als Vater herabgefahren (quasi pater descenderit) und zu den anderen Völkern als der Heilige Geist gekommen (quasi Spiritus sanctus adventaverit)«. Dass Simon göttliche Verehrung zuteilwurde, hatte schon Justin mehrfach behauptet (1 apol. 26,2; 56,2). Auf diesem Hintergrund erhellen die Worte Simons bei der Ankündigung seines Fluges. Nicht nur, dass die Vater-SohnMetaphorik hier zum Einsatz kommt (»ich werde zum Vater hinaufgehen«; »mich, deinen Sohn, wollten sie in die Knie zwingen«); vielmehr ist die angekündigte Auffahrt nichts anderes als die Gegenbewegung zu der »Herabkunft«, von der Irenäus spricht. Nimmt man die Simon zugeschriebene göttliche Identität hinzu, wird deutlich, warum er seine Ankündigung pointiert beschließen kann mit den Worten »Ich bin wieder zu mir selbst aufgefahren«. Den Titel »der Stehende« (ἑστώς hestōs) entlehnt der Verfasser der Acta Petri ebenfalls der Simontradition. Um 200 berichtet Clemens von Alexandrien, die Anhänger Simons verehrten den hestōs, dem sie ähnlich zu werden versuchten (strom. 2,11,52), und Hippolyt verweist mehrfach auf die Dreiheit »der steht, gestanden hat, stehen wird« (ὁ ἑστώς στὰς στησόμενος ho hestōs stas stēsomenos) in den Anschauungen Simons (Hipp. haer. 6,9.12.17). Auch mit diesem Titel spielen die Acta Petri, wenn sie Simon sagen lassen, er als der Stehende habe sich nicht in die Knie zwingen lassen (Ende ActPetr 31). Selbst die Formulierung, dass Simon an einem erhöhten Ort stand (στάς stas; ActPetr 32), mag nicht gänzlich ohne Absicht gewählt sein; dass Simon sich im Verlauf der Erzählung als der Fallende erweist, ist dann ein ironischer Zug. Wie viel der Verfasser der Acta Petri von der angeblichen Lehre des Simon Magus verstanden hat, ist nicht entscheidend, um seine literarische Schaffensweise zu begreifen: Offensichtlich nimmt er zur Ausgestaltung der Erzählung vom Flug Simons Schlagwörter aus der mit ihm verbundenen Lehre auf und entwertet sie durch narrative Widerlegung – der Stehende wird zum Fallenden – oder treibt seinen Spott mit Wortspielen: Die große Kraft ist geschwächt. Biblische Motive und Anklänge finden sich auch über die Bezeichnung Simons als »Kraft Gottes« hinaus. Die abschließende Bemerkung zur summarisch geschilderten Heilungsaktivität des Petrus, dass nämlich sehr viele »tagtäglich der Gnade des Herrn hinzugeführt« wurden, ist wörtlich von Apg 2,47 inspiriert (vgl. Thomas 1997, 193): In Rom herrschen ähnlich ideale Zustände wie in den allerersten Zeiten der Jerusalemer Urgemeinde, solange nur Petrus wirkt und Simon nicht dazwischenfunkt. Auch Simon zeigt Vertrautheit mit biblischen Motiven – und christlicher Polemik, wenn er von der Ermordung Jesu und der Steinigung seiner Auserwählten durch »die Juden« spricht (ActPetr 32). Zumindest in der zweiten Hälfte dürfte konkret Mt 23,37 anklingen. Doch was dort ein Klageruf Jesu über Jerusalem war, wird im Munde Simons zu einem Argument gegen die wahre Gottheit Jesu: Wer so getötet wird und wessen Erwählte solche Schicksale zu erleiden haben, ist kein glaubwürdiger Gottesprätendent. Zu dem wahren Gott, so die Simon in den Mund gelegte Theologie, passt kein Scheitern, zu seinen Jüngern keine sich im Leiden spiegelnde Erfolglosigkeit. Die für das Flugwunder freilich entscheidende intertextuelle Bezugnahme auf biblische Literatur ist der Ausweis von Simons Flugversuch als missglückte Imitati677

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on von Jesu Himmelfahrt (vgl. Luttikhuizen 1998, 48). Hierfür spricht schon die an Apg 1,9 erinnernde Wortwahl für das Auffahren in ActPetr 32 (vgl. Zwierlein 2010b, 68). Die Ankündigung Simons, er werde »zum Vater gehen« (ActPetr 31), ist, wenn auch kein Zitat, so doch eine deutliche Wiederaufnahme johanneischer Formulierungen wie in Joh 13,1; 14,12.28; 16,10.27.28; 20,17. Dies ist umso deutlicher, als auch der johanneische Denkrahmen gegeben ist: Simon will dahin zurückkehren, von wo er ausgegangen ist (»zu mir selbst aufgefahren«). Auf diesem Hintergrund erscheint Simons Aussage, dass sich in dieser Rückkehr zum Vater bzw. zu sich selbst erweisen wird, wer er wirklich ist (ὅστις εἰμί hostis eimi), als eine Anspielung auf die johanneischen Ich-bin-Worte (ἐγώ εἰμί egō eimi). In dieser versuchten Himmelfahrt zeigt sich einmal mehr, dass Simon die Rolle eines direkten Konkurrenten zu Christus erhält. So will er sich in den Acta Petri selbst sehen, so beschreibt ihn aber auch der Erzähler. Zwar gehen seine Vorhaben nicht auf und hat seine Prätention letztlich keinen Anhaltspunkt in der Wirklichkeit, doch in seinem Werben um Anhänger stellt er eine Zeit lang eine bedrohliche Alternative zum Glauben an den wahren Gott dar.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Menschen fliegen nicht. Das Fliegen eines Menschen gehört nicht nur in der Antike in den Bereich des Unmöglichen, Unwirklichen, der Träume, des Märchenhaften. Es widerspricht der gleichsam natürlichen Begrenzung des Menschen. Wer fliegen will, zeigt, dass er solche Grenzen nicht akzeptiert, dass er die Startbedingungen des Menschseins erweitern, seine Lebensmöglichkeiten ausdehnen und über sich hinauswachsen will. Menschliche Anlagen und Begabungen können in den Dienst solchen Strebens gestellt werden: Kunst und Technik sind gewissermaßen legitime Mittel, Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Ein genialer Konstrukteur wie Daedalus wird nicht seiner Findigkeit gerügt. Dies ändert sich, wo der Bereich jenseits scheinbarer oder echter menschlicher Grenzen mit dem Verdikt des Verbotenen belegt wird, etwa weil er (angeblich) in die ausschließliche Zuständigkeit anderer, göttlicher oder widergöttlicher Mächte fällt. Was die täglich erfahrbare Realität, das Normale übersteigt, wird unwillkürlich mit Menschen verbunden, die mit dem Göttlichen oder Paranormalen in Verbindung stehen. Hexen fliegen oder Götterboten. Levitation, das Schweben von Menschen oder Gegenständen, gehört in die Trickkiste von Magiern und Illusionisten. Oder in den Erfahrungsbereich besonderer Religiosität. Teresa von Ávila berichtet von Levitationserlebnissen; im 17. Jh. sind die Flüge des Franziskaners Joseph von Corpertino belegt; yogisches Fliegen ist eine Technik transzendentaler Meditation. Will jemand in solche Bereiche vorstoßen, kann ihm das als Hybris ausgelegt werden, als Aneignung von Möglichkeiten, die dem Göttlichen oder Dämonischen vorbehalten sind. So im Falle Simons. Sein Flug als Versuch, Jesu Himmelfahrt nachzuahmen, ist keine unschuldige Anwendung besonderer Fähigkeiten, sondern ein letztes verzweifeltes Beharren auf seiner präten678

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dierten Göttlichkeit, in das er sich angesichts des Verlustes seiner Anhängerschaft treiben lässt. Das Paranormale ist für ihn Mittel zur Einflussnahme auf Menschen. Ein anderer Zugang ergibt sich, wählt man als Ausgangspunkt den Standpunkt der Acta Petri in der vorliegenden Erzählung im Gegenüber zu anderer Literatur, die sich mit Simon auseinandersetzt. Wie bereits die Apostelgeschichte, Justin und Irenäus verweisen die Petrusakten auf die Verführungskünste Simons durch seine magischen Praktiken. Simon erscheint als Erzrivale des Petrus, wie er andernorts als einer der Erzhäretiker und somit Gegner der Orthodoxie aufgeführt wird. Soweit (angebliche) Lehren Simons aufgenommen sind, werden sie wie bei anderen Kirchenschriftstellern als strukturelle Konkurrenz zu christlichen Lehren beschrieben (Herabkunft Simons von Gott) und durch ihre narrative Entwertung ebenso als inakzeptabel gekennzeichnet wie im Kontext einer Häresiologie. Kurzum, die Acta Petri erweisen sich als Beitrag zur Auseinandersetzung mit nichtorthodoxer Konkurrenz unter Verwendung eines narrativen literarischen Genres. Die Fluggeschichte ist unter diesem Gesichtspunkt nichts weiter als eine erzählerische Form der Bestreitung von Simons Göttlichkeit und der Konkurrenzfähigkeit seiner Lehre.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Flugwunder und Absturz sind nicht die einzige dem Simon zugeschriebene Todesform. Im ersten Drittel des 3. Jh. erzählt Hippolytus, Simon habe sich nach etlichen anderen Zaubereien, bei denen Petrus sich ihm wiederholt entgegenstellte, dazu verstiegen, seine Auferstehung am dritten Tage anzukündigen, wenn man ihn denn lebendig begrabe. Seine Anhänger hätten getan, wie ihnen geheißen, doch seine Auferstehung sei ausgeblieben (Hipp. haer. 6,20). Unverkennbare motivische und strukturelle Ähnlichkeiten mit den Acta Petri zeigen sich in der Verführung einer beträchtlichen Schar durch die Kunststückchen des Magiers, im entlarvenden Widerstand des Petrus und als Höhepunkt im Scheitern Simons beim Versuch, die heiligen Ereignisse in Christi »Biographie« zu imitieren, hier die Auferstehung, dort die Himmelfahrt. Die pseudomarcellinischen Acta Petri et Pauli verwenden beides. So trägt Simon dem Nero seine Enthauptung auf; seine Auferstehung am dritten Tage werde seine Gottheit erweisen. Mit Hilfe eines Widders, der Simons Gestalt annimmt und an seiner Statt geköpft wird, gelingt die Täuschung (52f.). Simon stirbt hier unmittelbar beim Absturz vom missglückten Himmelfahrtsversuch; er zerschellt in vier Teile. Nero bewahrt diese daraufhin drei Tage lang in der Hoffnung, Simon werde doch noch auferstehen (77f.). Bei Arnobius im 4. Jh. führt nicht der Flug schon zum Tode, vielmehr stürzt sich Simon, von Schmerzen und Scham erschöpft, von einem hohen Gebäude aus erneut in die Tiefe (adv. nat. 2,12,4). An die Stelle eines als Strafe interpretierbaren Todes ist hier der Freitod dessen getreten, der den Wettstreit gegen (den Vertreter) Gott(es) verloren hat. 679

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Kanonische wie apokryphe Petrusgeschichten haben schon früh Eingang gefunden in die christliche Kunst (vgl. Stuhlfauth 1925). Eine frühe bildliche Darstellung vom Flug und Sturz des Simon Magus ist für den Beginn des 8. Jh. bezeugt. Im Jahre 707 weihte Papst Johannes VII. der Heiligen Jungfrau eine Kapelle in Alt-St. Peter. Von einem heute verlorenen Mosaik auf deren Außenwand sind zwei Skizzen erhalten. Demnach zeigte es in fünf Bildern Stationen aus dem Leben des Petrus; die ersten drei seine Predigttätigkeit in Jerusalem, Antiochien und Rom, die letzten beiden die Auseinandersetzung mit Simon Magus. Im vierten Bild steht Petrus mit Paulus vor dem Thron Neros, in einigem Abstand Simon. Das fünfte Bild enthält zwei Szenen, nämlich den Flug und Fall Simons sowie die Kreuzigung des Petrus und die Hinrichtung des Paulus mit dem Schwert. Zwischen beiden Teilen erhebt sich ein Turm. Dieser Darstellung liegt eine Version der Fluggeschichte zugrunde, wie sie etwa in den pseudomarcellinischen Acta Petri et Pauli berichtet wird. Dort ist das Personeninventar um Nero und Paulus erweitert und das Flugwunder um viele Züge angereichert: Simon bittet Nero, einen Turm bauen zu lassen, von dem aus ihn Engel zum Vater emportragen würden. Der Turm sei nötig, weil die Engel sich natürlich nicht unmittelbar auf die Erde unter Sünder begeben könnten (50f.). Diese Tendenz zur Konkretisierung des Fluges zeigt sich (wenigstens in bildlicher Sprache) auch bei Arnobius: Man habe Simon (wie Elija, vgl. 2 Kön 2,11; Sir 48,9) in einem Wagen mit Feuersquadriga gesehen, die durch den Atem des Petrus – eine Anspielung auf die Kraft seines Gebetes – auseinandergetrieben worden sei (adv. nat. 2,12,4). Der um Nero und Paulus erweiterten Fassung war weitaus größerer Erfolg beschieden als der schlankeren Variante der Acta Petri. Dies belegt neben der breiten handschriftlichen Bezeugung der Passio sanctorum apostolorum Petri et Pauli bzw. der Acta Petri et Pauli (vgl. Klauck 2005, 120) auch die Darstellung in der bildenden Kunst, wo oft Paulus und Nero bei der Flugszene zugegen sind. Die künstlerische Wiederaufnahme der Gestalt Simons im 19. und 20. Jh. greift nur teilweise auf das Flugmotiv zurück. In Arrigo Boitos (1842-1918) unvollendeter Oper »Nerone« scheitert Simon beim Versuch, Nero zu hintergehen. Der Kaiser zwingt ihn, von einem hohen Turm aus zu ›fliegen‹ (vierter Akt): »Vola! Se sai volar! … Icaro vola!« Ein französisch-ungarischer Film von Ildikó Enyedi (*1955) mit dem Titel »Simon Mágus« greift 1999 das Motiv des Wettstreits auf, wählt jedoch nicht die Fluggeschichte, sondern die Version des Hippolyt als Ausgangspunkt: Im zeitgenössischen Paris gelingt es dem Budapester Simon aufgrund seiner seherischen Eigenschaften, eine Mordsache aufzuklären. Daraufhin wird er von seinem Rivalen Péter zu einem Duell herausgefordert: Ein beidseitiger dreitägiger Verbleib im Grab soll ihre magischen Qualitäten messen. Die Begegnung mit einer Französin hat jedoch mittlerweile Simons Prioritäten verändert. Er entledigt sich seiner Magieridentität und wird gewöhnlicher Mensch. Martin G. Ruf

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Literatur zum Weiterlesen M. C. Baldwin, Whose Acts of Peter?, WUNT 2/196, Tübingen 2005. R. von Haehling, Zwei Fremde in Rom. Das Wunderduell des Petrus mit Simon Magus in den Acta Petri, RQ 98 (2003), 47-71. R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, Bd. 1, Darmstadt 1959 (Nachdr. der Ausgabe Leipzig 1891). G. P. Luttikhuizen, Simon Magus as a Narrative Figure in the Acts of Peter, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism, SAAA 3, Leuven 1998, 39-51. G. Stuhlfauth, Die apokryphen Petrusgeschichten in der altchristlichen Kunst, Berlin/Leipzig 1925. O. Zwierlein, Petrus in Rom. Die literarischen Zeugnisse mit einer kritischen Edition der Martyrien des Petrus und Paulus auf neuer handschriftlicher Grundlage, Berlin/New York 22010b, 43-74.

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VI. Die Wundererzählungen in den Thomasakten

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Hinführung zu den Wundererzählungen in den Thomasakten Zwar werden die apokryphen Thomasakten zusammen mit Petrus-, Paulus-, Johannes- und Andreasakten zu den fünf großen und alten apokryphen Apostelakten der antiken Kirche gerechnet. Aufgrund ihrer doppelten Texttradition – die Thomasakten sind in syrischer und griechischer Sprache überliefert –, aber auch der Tatsache, dass sie anders als die anderen vier vollständig erhalten sind, nehmen sie jedoch eine gewisse Sonderstellung ein. Als die Apostel darum losen, welcher von ihnen sich in seiner Mission welcher Weltgegend zuwenden soll, fällt das Los des Thomas, im Text bezeichnet als »Judas Thomas, der auch Zwilling genannt wird« (Textzitate nach Drijvers 1997), auf Indien. Als sich Thomas gegen diesen Entscheid wehrt, wird er von Christus als Sklave an einen Kaufmann aus Indien verkauft, der für den indischen König Gundafor einen Zimmermann sucht. Der weitere Text erzählt vom Weg des Thomas nach Indien und den teilweise phantastischen Ereignissen rund um seine dortige Mission. Der Text der Thomasakten gliedert sich in insgesamt dreizehn größere Episoden (»Taten« des Thomas), an die sich die Erzählung vom Tode des Apostels anschließt. Die Schlussszene (ActThom 170) schließlich greift über den Tod des Apostels hinaus und steht stellvertretend für die bis hinein in die Textüberlieferung Auswirkungen zeigende kreative Weiterentwicklung der Thomastradition (vgl. auch den Überblick bei Klauck 2005, 161-186), für die eine Reihe von meist mit Ostsyrien verbundenen Texten stehen, in denen Thomas eine entscheidende Rolle spielt: Als sicherlich bekannteste dieser Schriften kann das Thomasevangelium gelten, ein in seiner vorliegenden Form wohl auf das 2. Jh. zurückgehendes Spruchevangelium, das normalerweise in 114 Jesuslogien untergliedert wird. In diese Gruppe einzuordnen ist zudem das in Codex II der Bibliothek von Nag Hammadi überlieferte Buch des Thomas (NHC II,7), ein inhaltlich schwer zugänglicher Text in Form eines Dialogs zwischen Jesus und Judas Thomas, in dem es um Fragen der Ethik und der Eschatologie geht (weiterführend Schenke 2012, 1107-1121). Dagegen sollten die Paidika, besser bekannt als Kindheitserzählung des Thomas (wohl 3. Jh.), eher nicht der engeren Gruppe der antiken Thomas-Literatur zugeordnet werden: Die (pseudonyme) Verfasserangabe spielt für den Inhalt des Textes, welcher keine tieferen Bezüge zu den eben genannten Schriften aufweist, keine Rolle. Die genaueren Umstände der Entstehung der Thomasakten werden diskutiert: Eine Reihe von Indizien im Text selbst (z.B. der Name einer der Protagonistinnen, Mygdonia) wie auch die an diesem Ort lokalisierten Thomastraditionen sprechen dafür, dass der Text im östlichen Syrien, wahrscheinlich Edessa, verfasst wurde. Als Entstehungszeit ist an die erste Hälfte des 3. Jh. zu denken; Jan Bremmer plädiert konkreter für die Zeit nach der Absetzung König Abgars von Edessa (212/213 n. Chr.) und vor dem Jahr 241, als Edessa zu einer römischen Kolonie umgewandelt wurde (Bremmer 2001a, 74-77). 685

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

Auch die Frage, ob die griechische oder die syrische Textform die ältere sei, wurde lange Zeit kontrovers diskutiert. Mit einiger Wahrscheinlichkeit entstand die griechische Textform zwar später als die syrische; die erhaltenen griechischen Textzeugen bewahren aber in vielen Fällen eine ursprünglichere Textform als die syrischen – so sind bei Untersuchungen des Textes also grundsätzlich beide Textformen zu befragen (weiterführend z.B. Attridge 1990). Wie in den anderen apokryphen Apostelakten spielen auch in diesem Text Erzählungen von wunderbaren Taten des Apostels wie auch andere wunderbare Ereignisse eine große Rolle. Diesen wiederum kommt ganz unterschiedliche Funktion zu:

Besonderheiten der Thomasakten Besonderheiten der »erzählten Welt« der Thomasakten: Neben dem, was im engeren Sinne unter die Rubrik »Wunder der Apostel« fällt, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Thomasakten eine erzählte Welt kreieren, in der geradezu selbstverständlich eine Vielzahl von wunderbaren Geschehnissen möglich ist. Der Apostel (und mit ihm Leserinnen und Leser des Textes) wird mit Drachen (bzw. Schlangen) und sprechenden Eseln konfrontiert; immer wieder lauern Dämonen, erzählt wird von wunderbaren Erscheinungen Christi, einer Höllenreise oder dem Bau eines himmlischen Palastes. Dass der Apostel mit Königen, Prinzen und Prinzessinnen wie Würdenträgern aus fernen Welten zu tun hat, mag heutige Leser eher an Märchen aus tausendundeiner Nacht erinnern als an frühchristliche Literatur. Tatsächlich legt der Text sicherlich nicht allzu großen Wert auf die detailgetreue Rekonstruktion historischer Ereignisse. Dabei aber ist er durchaus »anspruchs«-voll: In ein unterhaltsame narrative Form gekleidet, werden theologische Gedanken vermittelt. Besonderes Interesse zeigt der Text an Fragen der Christologie, der Taufe und Buße, vor allem aber an einem asketisch-enkratitischen Lebensideal. Thomas als Zwilling Jesu: Intertextualität: Der Text lebt von der Idee, dass Judas Thomas der Zwillingsbruder Christi sei und so in einer ganz besonderen Weise mit diesem in Beziehung stehe. Dies spielt zumindest auch bei einigen der erzählten Wundergeschichten als Thema mit herein: Wenn in ActThom 6 davon die Rede ist, dass der Apostel bei der Hochzeit der Königstochter von Andrapolis sich einen Kranz aufs Haupt setzt, einen Rohrzweig in der Hand hält und schließlich vom Mundschenk »einen Backenstreich« erhält, so ist damit bewusst an Szenen der Verspottung Jesu bei seiner Passion erinnert; vielleicht spielt selbst die anschließende Rede des Apostels auch auf die lukanische Szene um die beiden Schächer am Kreuz an (Lk 23,39-43). Die Tat des Mundschenks aber wird durch ein vom Apostel angekündigtes Strafwunder (vgl. ActThom 6 und 8) vergolten: Dieser wird wenig später von einem Löwen getötet und seine rechte Hand, die den Apostel geschlagen hatte, von einem Hund weggetragen. 686

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Hinführung

Die Wundererzählungen in den Thomasakten Die Wunder des Zwillings als Wunder Jesu: Wichtig für das Verständnis der Wunder in den Thomasakten ist sicherlich ActThom 34: Thomas zwingt einen teuflischen Drachen (bzw. laut syrischem Text: eine schwarze Schlange), der bzw. die einen schönen jungen Mann durch sein Gift zu Tode gebracht hat (zur Szene auch Adamik 2001; Spittler 2008, 193-199), aus diesem das Gift wieder auszusaugen. Der Drache stirbt und der Jüngling kommt wieder zum Leben. Er bezeichnet den Apostel als einen »Mensch, der zwei Gestalten hat«: Neben ihm sei ein Mann gestanden, Christus, und habe gesprochen: »Ich habe viele Wunder durch dich zu zeigen und habe große Werke durch dich zu vollbringen, durch welche du Lohn gewinnen wirst, und wirst viele zum Leben erwecken, und sie werden in Ruhe im ewigen Lichte sein als Kinder Gottes«. Damit ist einiges über das Wunderverständnis der Thomasakten gesagt: Wo Thomas ein Wunder vollbringt, dort ist es im Grunde also Christus, der durch ihn, seinen Zwilling, handelt. Durch seine Wunder und die entsprechenden Taten wird Thomas für sich selbst Lohn erwerben, vor allem aber »Leben« für diejenigen, an denen diese geschehen und die zu Gotteskindern werden. Wunder und Konversion: Herrschaftswechsel und Übergang vom Tod zum Leben: So überrascht es nicht, dass eine große Zahl von Wundern, die in den Thomasakten erzählt werden, auf Bekehrungen hinführen. Dies ist bereits in der erwähnten Szene aus der »dritten Tat« des Apostels, dem Sieg über Drachen bzw. Schlange (ActThom 30-38), der Fall: Nicht nur der Jüngling bekennt sich zu Christus, sondern auch eine große Volksmenge, der der Apostel geradezu eine Art kurzer »Bergpredigt« (ActThom 37) hält. Tatsächlich bauen sich einige, wenn auch nicht alle »Taten« des Apostels nach einem vergleichbaren Schema auf: Eine Einzelperson oder Gruppe befindet sich in großer, geradezu aussichtsloser Not, die mehrfach mit einer Bedrohung durch eine oder mehrere dämonische Gestalten einhergeht. Durch das Handeln des Apostels kommt es zur Rettung bzw. wird der Dämon besiegt und der bzw. die Gerettete (und gerne mit ihm eine Gruppe weiterer Menschen) kann getauft werden: Die Wunder des Apostels bilden also geradezu organisch einen Teil seines Missionsauftrags. Vor allem in den Exorzismen, die der Text erzählt, ist dann geradezu von einem Herrschaftswechsel die Rede: Der Mensch wird aus der Macht des Bösen befreit, die immer wieder auch in Zusammenhang mit sexuellem Verlangen gebracht wird, und in den Herrschaftsbereich Christi geführt, der gerne in den Zusammenhang mit dem Ideal sexueller Enthaltsamkeit gestellt wird – man denke etwa an die fünfte Tat des Apostels (ActThom 42-50), die in deutlichem Anklang an die Erzählung vom wirkmächtigen Tag Jesu in Kafarnaum (Mk 1,21-28 par.) den Exorzismus an einer Frau schildert, die vom »Widersacher« vergewaltigt wird. Eine ähnliche Funktion nehmen einige Erzählungen der Wiederbelebung von Toten ein – auch in ihnen geht es im Grunde um den Übergang von Tod zum Leben, der 687

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

in der Bekehrung zu Christus vollzogen wird. Beispiel hierzu ist die in der dritten Tat (ActThom 30-38) erzählte Befreiung und Auferweckung eines Jünglings vom teuflischen Drachen, aber auch die in der sechsten Tat (ActThom 51-60) berichtete Erweckung einer jungen Frau. Diese wird von einem jungen Mann, der sie liebt, der aber aufgrund der Predigt des Apostels keinen Sexualverkehr mit ihr haben möchte, mit einem Schwert getötet, unter Aufsicht des Apostels aber vom Jüngling selbst wiederbelebt (ActThom 53f.), ein Motiv, das so in kanonischen Texten nicht begegnet. Nun kann sie von ihrer Höllenfahrt und den Folgen leiblicher Begierden und weltlicher Vergehen erzählen – und aufgrund ihrer Erzählung eine große Volksmenge bekehrt werden. Ethisierung der Wundererzählungen: Mit dem bei der Konversion zu Christus ermöglichten Herrschaftswechsel bzw. dem Übergang aus der Sphäre des Todes ins Leben in engem Zusammenhang steht die Tendenz, die Wunder in Bezug zur ethischen Unterweisung der (stark enkratitisch geprägten) Thomasakten zu stellen. Die Wunder führen so nicht nur zur ethischen Verkündigung, die durch die Lebenswende einer der Figuren der erzählten Welt notwendig gemacht ist, vielmehr werden den zu Einzelerzählungen ausgeformten Wundergeschichten der ActThom […] in unterschiedlicher Weise und Funktion ethische Lesarten eingeschrieben, die den Rezipienten Ideale, Normen, Beispiele und Vorbilder für christlich-ethisches Verhalten bereitstellen, dieses begründen und die Folgen menschlichen Handelns aufzeigen (Luther 2014b, 582).

Weitere Formen von Wundererzählungen: Als der eben erwähnte Jüngling, der seine Geliebte getötet hat, die Eucharistie empfangen will, verdorren seine Hände und werden anschließend, als er bereut, in geweihtem Wasser wieder geheilt. An zwei Stellen (ActThom 122 und 154) finden sich Türöffnungswunder, und der Schluss des Textes (ActThom 170) zeigt, dass auch den sterblichen Überresten des Apostels wunderbare Heilungskräfte zugeschrieben werden. Der sprechende Esel: Auch wenn ActThom 39-41 kein Wunder des Apostels erzählen, sollte diese Szene, die vierte Tat des Thomas, in einer Diskussion »wunderbarer Ereignisse« doch nicht unerwähnt bleiben: Auf der Landstraße begegnet dem Apostel ein sprechendes Eselfohlen, das ihn als Zwillingsbruder Christi erkennt und ihn bittet, auf ihm in die Stadt zu reiten. Der Esel stellt sich als Nachkomme des Esels Bileams (vgl. Num 22,21-23) und Verwandter des Esels vor, auf dem Jesus in Jerusalem eingezogen ist (ActThom 40). Nach einigem Zögern folgt der Apostel dem Drängen des Esels, worauf dieser ihn zu den Stadttoren bringt und dort verendet. Die anwesende Volksmenge bittet Thomas, den Esel wieder zum Leben zu erwecken; doch dieser verweigert dies mit der Begründung, dass gerade sein Tod dem Esel helfe und nütze (ActThom 41). »Wunderbares« begegnet in dieser Szene im Grunde zweimal: einmal in der Tatsache, dass ein Esel (ohne nä688

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Hinführung

here Einführung) durch besondere Gnade Christi sprechen kann, dann aber auch darin, dass der Apostel die Möglichkeit einer Erweckung des Esels durchaus zugesteht, das Wunder aber verweigert. Auch diese Szene will symbolisch verstanden werden. H.-J. Klauck schreibt: Den Schlüssel zu dieser Episode gibt eine Zeile aus dem Dankgebet an die Hand, das Thomas in § 39 an den Herrn richtet. Er redet ihn an als ›unser Erlöser und Ernährer, der du uns bewahrst und auf fremden Körpern ruhen lässt‹. Unter dem ›fremden Körper‹ kann man auch den Leib des Apostels verstehen, der seine Seele an ihr irdisches Ziel transportiert. Der Tod des Füllens nähme dann als erzählerische Prolepse das Sterben des Apostels in den Schlussparagraphen vorweg (Klauck 2005, 169; weiterführend zur Szene auch Spittler 2008, 199-223).

Tobias Nicklas

Literatur zum Weiterlesen Textausgaben und Übersetzungen H. W. Attridge, The Acts of Thomas, ECA 3, Santa Rosa 2010. H. J. W. Drijvers, Thomasakten, in: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 61997, 289-367. A. F. J. Klijn, The Acts of Thomas. Introduction, Text, and Commentary, NT.S 153, Leiden/ Boston 22003. R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, Bd. 2/2, Darmstadt 1959 (Nachdr. der Ausgabe Leipzig 1903). W. Wright, Apocryphal Acts of the Apostles, Bd. 1: syr. Text (171-333), Bd. 2: engl. Übers. (146-298), Amsterdam 1968 (Nachdr. der Ausgabe London 1871).

Weitere Literatur T. Adamik, The Serpent in the Acts of Thomas, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001, 115-124. H. W. Attridge, The Original Language of the Acts of Thomas, in: ders. et al. (Hg.), Of Scribes and Scrolls, Lanham/New York 1990, 241-250. J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001b [mit umfangreicher Bibliographie]. Ders., The Acts of Thomas. Place, Date and Women, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001a, 74-90. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005. S. Luther, Die ethische Signifikanz der Wunder. Eine Relecture der Wundererzählungen der apokryphen Thomasakten unter ethischer Perspektive, in: B. Kollmann/R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014b, 559588.

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J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/247, Tübingen 2008.

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Tabelle: Wunder in den Thomasakten Nr. ActThom-Faden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

ActThom 6-9

Die kommende Welt schlägt zurück (Strafe des Mundschenks)

ActThom 6-9; Hinführung ActThom

2

ActThom 21f.

Auferweckung des verstorbenen Bruders des Königs

3

ActThom 31-33

Geplatzt vor Bosheit! (Himmlischer Bräutigam besiegt altbösen Feind)

ActThom 31-33; Hinführung ActThom

4

ActThom 39-41

Das sprechende Eselsfüllen

Hinführung ActThom

5

ActThom 42-50

Thomas und der dämonische Lüstling (Dämonenvertreibung)

ActThom 42-50; Hinführung ActThom

6

ActThom 51f.

Die verdorrten Hände des Mörders

ActThom 53f.; Hinführung ActThom

7

ActThom 53f.

Beziehungsstress, Mord – und ein Happy End ActThom 53f.; (Die Auferweckung eines ermordeten jungen Hinführung ActThom Mädchens)

8

ActThom 65.7577.80f.

Die schwarzen Dämonen

ActThom 68-81

9

ActThom 68-81

»Du wirst große Wunder sehen!« (Wildesel, Exorzismus und Erweckung)

ActThom 68-81

10

ActThom 119-122

Das Siegel öffnet für das Heil (Das Türöffnungswunder mit Mygdonias Taufe)

ActThom 119-122; Hinführung ActThom

11

ActThom 140f.

Überschwemmung während der Folter des Apostels

12

ActThom 154

Ausbruch aus den Kerkern – Fluchthelfer ungesehen wieder verschwunden (Der unsichtbare Jüngling)

ActThom 154; Hinführung ActThom

13

ActThom 170

Knochen und Staub: die Kraft der heiligen Reliquien (Heilung des Sohnes)

ActThom 170; Hinführung ActThom

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Die kommende Welt schlägt zurück (Strafe des Mundschenks) ActThom 6-9 Der Apostel Judas Thomas nimmt auf dem Weg nach Indien an einem Hochzeitsbankett in Andrapolis teil. Eine hebräische Flötenspielerin bleibt dort vor ihm stehen und lenkt so die Aufmerksamkeit auf Thomas (ActThom 5). (6) Während der Apostel zu Boden sah, streckte einer der Weinschenke seine Hand aus und ohrfeigte ihn. Der Apostel aber hob seine Augen, richtete sie auf den, der ihn geschlagen hatte, und sprach: »Mein Gott wird dir in der kommenden Welt dieses Verbrechen vergeben, in dieser Welt jedoch wird er seine Wundertaten zeigen; ich aber werde gleich sehen, wie die Hand, die mich geschlagen hat, von Hunden herbeigeschleppt wird.« Nachdem er dies gesagt hatte, begann er, zu singen und folgendes Lied vorzutragen: Hier folgt ein Brautlied; vgl. dazu Drijvers 1997, 295f.305f.

(8) Als er den Lobgesang und das Lied beendet hatte, beobachteten ihn alle dort Anwesenden; doch er schwieg beharrlich. Sie beobachteten, wie sich auch sein Äußeres veränderte, aber seine Worte verstanden sie nicht, da er doch ein Hebräer war und seine Worte auf Hebräisch gesagt waren; nur die Flötenspielerin hatte alles gehört, denn sie war von hebräischer Abstammung. Während sie von ihm wegging, spielte sie den anderen vor, besah und beobachtete ihn aber fortgesetzt; denn sie hatte sich sehr in ihn verliebt, da er ihr Landsmann war und dazu schöner aussah als alle Anwesenden. Als die Flötenspielerin mit dem Vorspielen aller (Lieder) geendet hatte, setze sie sich ihm gegenüber, wobei sie ihn weiterhin ansah und anschaute. Er aber sah überhaupt niemanden an und beachtet keinen, sondern hielt seine Augen starr zu Boden gerichtet und wartete ab, wann er von dort aufbrechen könnte. Der Weinschenk aber, der ihn geohrfeigt hatte, ging zur Quelle hinab, um Wasser zu schöpfen. Es traf sich aber, dass dort ein Löwe war. Der tötete ihn und ließ ihn am Ort liegen, nachdem er seine Gliedmaßen in Stücke gerissen hatte. Augenblicklich nahmen Hunde seine Gliedmaßen; unter ihnen war auch ein schwarzer Hund, der seine rechte Hand mit dem Maul in den Festsaal hineintrug. (9) Aber alle, die das sahen, waren bestürzt und forschten, wer von ihnen hinausgegangen war. Als es bekannt wurde, dass es des Weinschenks Hand ist, der den Apostel geschlagen hatte, zerbrach die Flötenspielerin ihre Flöten und warf sie hin; sie ging zu den Füßen des Apostels und 692

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setzte sich und sprach dabei: »Dieser Mensch ist entweder ein Gott oder ein Apostel Gottes. Denn ich habe gehört, wie er auf Hebräisch zum Weinschenk sprach: ›Gleich werde ich sehen, wie die Hand, die mich geschlagen hat, von Hunden herbeigeschleppt wird.‹ – Das habt auch ihr nun gesehen! Denn wie er gesagt hat, ist es auch eingetroffen.« Zwar glaubten ihr einige, andere jedoch nicht.

Sprachlich-narratologische Analyse Textliche Probleme: Obige Übersetzung orientiert sich an der griechischen Version des Texts (Lipsius/Bonnet 1959, 2/2, 108.111-113); die syrische Fassung (Wright 1968, 176-178 [syr.] und 150-153 [Übers.], vgl. Klijn 2003, 28-42 [Übers. mit Komm.]) bietet demgegenüber eine Reihe von kleineren Abweichungen, von denen einige, die für die Deutung relevant sind, genannt seien: (1) Die syrische Fassung betont die geistige Versenkung des Thomas stärker. Der erste Satz von ActThom 6 lautet: »Und obwohl (die Flötenspielerin) lange Zeit über ihm gestanden hatte, wandte Judas (Thomas) sein Gesicht nicht auf […]« (ähnlich auch in ActThom 8). Die Ohrfeige des Mundschenken wird durch diese Schilderung besser motiviert, da sie als Mittel des Mundschenken erscheint, Thomas aus seiner geistigen Abwesenheit zurückzuholen. (2) In der syrischen Textfassung werden die angekündigten Wunder (ActThom 6) auf die Hand des Mundschenken bezogen: »(Gott) wird seine Wunder an der Hand zeigen, die mich geschlagen hat«. Dies korreliert einerseits Vergehen und Strafe enger als in der griechischen Version; anderseits geht der weitere Bezug auf alle Wunder, die in den Thomasakten erzählt werden, verloren. (3) Die griechische Version betont das Nicht-Handeln des Thomas stärker, indem sie es anders als die syrische Fassung durch den Zusatz »doch er schwieg« (nach dem Brautlied ActThom 8) ausdrücklich thematisiert. (4) Am Ende von ActThom 8 wiederholt die syrische Fassung die Freveltat des Weinschenks: »Ein schwarzer Hund trug die rechte Hand fort, die er (der Mundschenk) gegen Judas (Thomas) erhoben hatte …«. Auf diese Weise werden Verbrechen und Strafe erneut stärker miteinander verbunden. (5) Nach dem syrischen Text vermutet die Flötenspielerin nicht nur, dass Thomas ein Apostel Gottes sei, sondern sogar der Apostel Gottes (ActThom 9), und steigert so dessen Bedeutung. Kontext: Formgeschichtlich lassen sich die hier erzählten »Wunderdinge« (θαυμάσια thaumasia, ActThom 6) als Strafwunder einordnen. Ähnliche Strafwunder begegnen auch im weiteren Verlauf der Thomasakten, so zum Beispiel in ActThom 21f. und ActThom 51-54. Das Strafwunder unseres Abschnitts ist das erste in der Reihe der ›Wundertaten‹, von denen die Thomasakten erzählen. Es markiert den Beginn des Wirkens von Thomas und ereignet sich wie beim johanneischen Jesus (Joh 2,1) auf einer Hoch693

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zeitsfeier. Thomas nimmt in der »Männerstadt« (ἀνδράπολις andrapolis) an einem Bankett anlässlich der Hochzeit der Königstochter teil. Er steht dabei von Anfang an als Ausländer (ξένος καὶ ἐξ ἀλλοδαπῆς ἐλθὼν γῆς xenos kai ex allodapēs elthōn gēs, ActThom 4) im Zentrum der Aufmerksamkeit. Verwunderlich ist auch sein Verhalten. Während alle feiern, trinkt und isst Thomas nichts (ActThom 5). Stattdessen salbt er sich Kopf, Nase, Ohren, Mund und Brust (siehe LaFargue 1985, 79-82), setzt sich einen geflochtenen Kranz auf und nimmt einen Rohrstock in die Hand – über die Wörter μύρον (myron – Myrrhe), ἀλείφειν (aleiphein – salben), στέφανον (stephanon – Kranz) und κάλαμος (kalamos – Rohrstock) wird hier deutlich auf die Passion Jesu angespielt (vgl. Mt 26,6-13 und 27,28-30). Eine hebräische Flötenspielerin bleibt bei Thomas stehen und musiziert vor ihm. Hieran schließt sich unsere Episode von der Freveltat und Bestrafung des Weinschenks an (ActThom 6-9). Nach dem grausamen Strafwunder wird Thomas als Wundertäter vom König ins Brautgemach geführt, um dort für die Neuvermählten zu beten (ActThom 9). Der Apostel tut dies widerwillig und verlässt dann mit allen anderen den Raum (ActThom 10f.). Als der Bräutigam den Vorhang zur Brautkammer zurückschlägt, sieht er Jesus dort stehen; Jesus erscheint in der Gestalt des Thomas und nennt sich Bruder des Thomas. Er gibt den Brautleuten den eindringlichen Rat, sich des »schmutzigen Umgangs« und der »schmutzigen Begierden« zu enthalten (ActThom 11f.), woran sich diese auch zu halten versprechen (ActThom 13-15). Der König ist über die enkratitische Bekehrung seiner Kinder entsetzt und lässt nach dem »Zauberer« (φαρμακός pharmakos, ActThom 16) Thomas suchen, der sich allerdings bereits eingeschifft hat. Die von Thomas traurig zurückgelassene Flötenspielerin wird auf die Kunde der Bekehrung der Brautleute hin wieder froh (ActThom 16). Sprachlich-narrative Beobachtungen: Unser Textabschnitt beginnt ActThom 6 damit, dass einer der Weinschenke Thomas ohrfeigt, was erneut auf die Passion Jesu anspielt (ῥαπίζειν rhapizein und ῥάπισμα rhapisma, Mt 26,65-68; 27,28-30; Joh 18,22; 19,3). Die auch im Kontext zu erkennende Christustypologie ist folglich auch für unsere Episode ein bestimmendes Merkmal. Thomas kündigt dem Weinschenk eine Strafe für diese ἀδικία (adikia – Unrecht, Beleidigung, Verletzung, Freveltat) an und weist sich selbst die Rolle des Zuschauers zu: Er werde schon gleich sehen, wie Gott den Weinschenk grausam bestrafe. Dieser Ereignisstrang wird jedoch zunächst durch ein langes Brautlied dispensiert (ActThom 6f.) und rückt im Anschluss sogar noch weiter in den Hintergrund; es wird wieder von der Flötenspielerin erzählt, die sich in Thomas verliebt hat und ihren Blick nicht von ihm wenden kann (ActThom 8; vgl. Strelan 1999, 244-247). Doch so unvermittelt, wie der Konflikt mit dem Weinschenk in den Hintergrund geraten ist, rückt er auch wieder in den Vordergrund. Nachdem der Weinschenk beim Wasserschöpfen von einem Löwen überfallen und getötet wird, schleppt ein schwarzer Hund seine abgebissene Hand in den Festsaal und erfüllt damit, was Thomas angekündigt hatte. Die Erzählung reicht jetzt allerdings recht umständlich nach, dass die Festteilnehmer die Strafankündigung gegen den Weinschenk nicht hatten verstehen können, da Thomas ein Ausländer, ein Hebräer sei (ActThom 8, 694

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vgl. LaFargue 1985, 86; vgl. ActThom 1). Erst die ebenfalls hebräische Flötenspielerin setzt sie über die Strafankündigung in Kenntnis (ActThom 9); das Wunder wirkt folglich verzögert auf die Anwesenden. Die Flötenspielerin bekennt abschließend, dass Thomas entweder ein Gott oder ein (syr: der) Apostel Gottes sei. Chorschlussartig wird noch erzählt, dass einige den Ausführungen der Flötenspielerin Glauben schenken, andere jedoch nicht. Was Thomas betrifft, fällt auf, dass er im Verlauf dieser Episode kaum handelt. Er wird geohrfeigt, worauf er zwar verbal reagiert, jedoch in einer den anderen unverständlichen Sprache. Nach der Strafankündigung und dem Lied (ActThom 6f.) sitzt er nur mehr schweigend da und ignoriert sowohl das Interesse des Festpublikums im Allgemeinen als auch die Zuneigung der Flötenspielerin im Besonderen. Die Hochzeitsgäste werden dabei zu Zeugen des Nicht-Handelns des Apostels, indem sie den still dasitzenden und zu Boden blickenden Apostel nicht aus den Augen lassen (ἀπέβλεπον apeblepon, [Ipf.!] ActThom 8). Selbst im Tumult, den die abgebissene Hand auslöst, regt sich Thomas nicht; mithin erscheint er als fixer Ruhepol, um den herum alles Weitere angeordnet ist. Durch das ostentative Nicht-Handeln des Thomas stellt sich die Frage nach dem Wundertäter des Wunders. Die Leerstelle füllt die Strafankündigung des Thomas, der zufolge Gott seine Wundertaten zeige (ActThom 6). Der Anteil des Thomas an diesem Strafwunder wird insgesamt so gering gehalten, dass er noch nicht einmal um das Eintreten des Strafwunders bittet, sondern es lediglich im Voraus konstatiert. Wie schon die Aussendung des Thomas nach Indien zeigt (ActThom 1-3), wird Thomas in allem vom Herrn geführt (vgl. Pesthy 2001). Thomas figuriert als Agent einer fremden Macht; er ist ein »Fremder aus dem Ausland« (ActThom 4, s.o.), ein »fremder Mann« (ξένος ἀνήρ anēr, ActThom 15), der sich nicht im Geringsten um Anpassung an seine Umwelt bemüht; er benimmt sich gleichsam, als sei er von einer anderen Welt. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass Thomas selbst vom »zukünftigen Weltalter« spricht, das im Gegensatz zu »dieser Welt« stehe (ὁ μέλλων αἰών ho mellōn aiōn bzw. ὁ κόσμος οὗτος ho kosmos houtos, ActThom 6). Einzig die Flötenspielerin, als Frau und als Hebräerin ebenfalls am Rand der Gesellschaft, kann ihn erkennen. Pragmatik: Schon früh gibt sich die Episode den Leserinnen und Lesern als Wundererzählung zu erkennen, da Thomas ein göttliches Strafwunder gegen den Mundschenk ankündigt. Dabei ist im weiteren Verlauf der Erzählung jedoch nicht ohne Weiteres auszumachen, worin das Wunderbare genau liegt. Ist es der Umstand, dass das Vergehen des Weinschenks so unmittelbar gerächt wird? Oder besteht das Wunderhafte darin, dass Thomas über prophetisches Wissen verfügt und den »Unfall« des Weinschenks voraussagen kann? Unklar bleibt dabei insbesondere, welchen Anteil Thomas am Wunder hat. Die Leser(innen) werden gegenüber den textinternen Festteilnehmern mit einem deutlichen Informationsvorsprung ausgestattet. Während nämlich die Leser die in der Textlogik auf Hebräisch erfolgte Strafankündigung von Anfang an verstehen, wird diese den Festteilnehmer erst post festum von der Flötenspielerin übersetzt. 695

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Die Lesenden erfahren zudem von den Ereignissen an der Wasserquelle, an der sich dem Erzähler zufolge aber außer dem Weinschenk und den Tieren niemand anders aufgehalten habe. Die Festteilnehmer blicken daher nur indirekt und nachträglich auf die »Wunderdinge«; erst mit Hilfe der Erklärungen der Flötenspielerin wird es ihnen möglich, die abgebissene Hand als Wirkung eines Strafwunders gegen den Mundschenk zu erkennen. Für die Leser stellt diese Erklärung jedoch nicht nur eine Doppelung des Erzählten dar, sondern auch eine Engführung der Deutung, durch welche der Text einiges an Reiz einbüßt.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Im Ganzen spielen realienkundliche Hintergründe für die Struktur der Episode eine eher untergeordnete Rolle. Dies wird besonders daran deutlich, dass die Erzählung ohne weitere Problematisierung darauf aufbaut, dass in unmittelbarer Nähe zu einem königlichen Festbankett ein Löwe samt einer Rotte Aas fressender Hunde frei herumläuft, ohne dass dagegen wenigstens im Anschluss an das Unglück etwas unternommen würde. Entscheidender ist auf einer eher symbolischen Ebene, dass es sich um einen besonders schimpflichen, durch Tiere bewirkten tierischen Tod handelt. Der Weinschenk wird nicht nur von einem Löwen getötet (vgl. EvThom 7), sondern auch post mortem zerrissen; anschließend werden die Leichenteile von Hunden zerpflückt, die besonders biblisch als verachtete Tiere gelten (vgl. 1  Sam 17,43; Mt 7,6; Phil 3,2; Offb 22,15): »Von den Hunden auf der Straße oder von den Vögeln auf dem Felde gefressen zu werden ist das Zeichen eines besonderen Gerichtes Gottes« (Michel 1938b, 1100). So prophezeit Elija seinem Widersacher Ahab: »An der Stätte, wo Hunde das Blut Nabots geleckt haben, sollen Hunde auch dein Blut lecken« (1 Kön 21,19; weitere Beispiele: 1 Kön 14,11; 16,4; 21,24; 22,38, vgl. Lk 16,21). Hinzu kommt auf symbolischer Ebene die Farbe schwarz, die in den Thomasakten und auch allgemein negativ konnotiert ist (vgl. ActThom 55; 64, dazu Bremmer 2001a, 82). Erwähnenswert ist schließlich noch die selbstbewusste Rolle, die die Flötenspielerin als Frau auf einem öffentlichen Bankett mit hochrangigen Gästen spielt (vgl. Joh 12,1-8). Entgegen der berufsbedingt geschürten Erwartung, dass es sich bei ihr um eine moralisch zweifelhafte Frau handeln müsse (vgl. Eus. Theoph. 4,22 [PG 24,685-688]; weitere Belege bei Klijn 2003, 28; vgl. Lk 7,36-50), versteht und begrüßt sie als Einzige die von Thomas repräsentierte asketische Haltung (vgl. ActThom 16).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund In unserem Textabschnitt wird ein »Tun-Ergehen-Zusammenhang« beschrieben, der gerade für alttestamentliche Texte charakteristisch ist (vgl. Grund 2005). Die Episode erzählt von einer frevelhaften Tat, der eine prompte Strafe folgt, wobei Tun 696

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und Ergehen exakt miteinander korrelieren: Die Hand, die das Vergehen begangen hat, wird abgebissen und von einem Hund im Maul herumgeschleppt (ActThom 6; 9). Obwohl die unmittelbare Bestrafung von Gewalttaten ein elementares Merkmal von Gerechtigkeit darstellt, widerspricht diese Episode unserem modernen Empfinden von Gerechtigkeit; wie auch in einigen biblischen Texten (vgl. 1 Kön 21,1-14; 2 Kön 2,23-25; Apg 5,1-11) erscheint die Strafe als unangemessen grausam (vgl. in paganer Literatur Hom. Il. 6,130f.; Hdt. 4,205; Flav. Jos. Ant. 17,168f.; Flav. Jos. Bell. 1,656). Unsere Erzählung ist darüber hinaus gespickt von Anspielungen auf biblische Texte, vor allem die Passion Jesu. Neben den bereits oben genannten Anspielungen zitiert Thomas in seiner Strafankündigung (ActThom 6) Teile aus Lk 23,39-43 und festigt so die Christustypologie. Die Veränderung seines Äußeren (ActThom 8) erinnert ferner an die Verklärung Jesu (Mt 17,2 par.), der Wunsch nach Aufbruch (ActThom 8) an die Himmelfahrt Jesu (Joh 20,17; Apg 1,2). Der Text lässt einen Gegensatz zwischen »dieser Welt« und dem »kommenden Weltalter« erkennen (ὁ μέλλων αἰών ho mellōn aiōn, ActThom 6). Der Apostel würdigt die hiesige Welt buchstäblich keines Blickes: Obwohl die Flötenspielerin vor ihm besonders eindringlich aufspielt, blickt er zu Boden (ActThom 6; 8). Angesichts des Treibens auf der Feier bekennt Thomas ausdrücklich (ActThom 5): »Für etwas Größeres (διὰ μεῖζόν τι dia meizon ti) als Essen und Trinken bin ich hierhergekommen«. Da er als Held der Geschichte Essen, Trinken, Gesellschaft, Erotik und Ehe so ostentativ verachtet, ergibt sich im Ganzen eine Abwertung der hiesigen, irdischen Welt. Dem steht die Vorstellung der »anderen Hochzeit« (ἕτερος γάμος heteros gamos, ActThom 14), das heißt der »unvergänglichen und wahren Hochzeit« (ὁ γάμος ὁ ἄφθορος καὶ ἀληθινός ho gamos ho aphthoros kai alēthinos, ActThom 12) gegenüber. Diese Vorstellung korreliert mit der gnostisch belegten Vorstellung der »heiligen Hochzeit« (ἱερὸς γάμος hieros gamos). Zusammen mit der besonders in ActThom 11-15 erkennbaren asketischen Ethik (vgl. dazu Nicklas, Hinführung zu den Thomasakten in diesem Band) spiegelt dies das frühsyrische Christentum des später als Häretiker verurteilten Tatian wider (vgl. Drijvers 1997, 300-302; Klauck 2005, 187-190). Die enkratitische Ethik haben die Thomasakten überdies mit den Manichäern gemeinsam (Driijvers 1997, 302f.).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Einordnung dieser Episode als Strafwunder impliziert einen ethisch-kerygmatischen Sinn der Geschichte: Es geht um das »Unrecht« (ἀδικία adikia, ActThom 6) des Weinschenks und dessen Bestrafung. Das dahinterstehende Theologumenon formuliert unter anderem Röm 12,19: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr« (vgl. Dtn 32,35 und Hebr 10,30). Der Herr greift ein, um Gerechtigkeit herzustellen, wo die Seinen von Ungerechtigkeit bedroht werden. Thomas muss dabei nicht selbst um seine Gerechtigkeit kämpfen, sondern vertraut darauf, dass der 697

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

Herr ihm Gerechtigkeit verschaffen wird. Der Apostel ist folglich nicht wegen seines Handlungsvermögens vorbildlich, sondern darin, dass in und an ihm der Herr handelt. In ActThom 6 spricht Thomas von »meinem Gott«. Wen meint er damit? Von Anfang der Thomasakten an wird das Verhältnis von Thomas zu Jesus thematisiert. Vor diesem Hintergrund ist die Nennung von »Gott« in ActThom 6 durch Thomas christologisch aufschlussreich. Der Gott des Thomas ist der Herr und Heiland Jesus, ohne dass das Verhältnis Jesu zu Gottvater thematisiert würde. Zu seinem Gott Jesus hat Judas Thomas eine besonders innige Beziehung, da er dessen (Zwillings-)Bruder (ActThom 11; 34, vgl. Mk 6,3) und alter Ego ist, der gleich aussieht (ActThom 11; 34; 45; 57; 151-153) und das gleiche Schicksal erleidet (ActThom 31; 39; 123, zu den Anspielungen von ActThom 5f. auf die Passion Jesu siehe oben). Der von Thomas ins Spiel gebrachte Gegensatz von »kommender« und »dieser Welt« legt eine allegorische Interpretation nahe. Der Ausländer Thomas handelt dabei als Agent des »zukünftigen Weltalters« (ὁ μέλλων αἰών ho mellōn aiōn, ActThom 6). Er nimmt nicht an den Aktivitäten »dieser Welt« (ὁ κόσμος οὗτος ho kosmos houtos, ActThom 6) teil, das heißt, er isst und trinkt nicht und blickt starr auf die Erde, während um ihn herum gefeiert wird. Der Weinschenk, wörtlich »Weingießer« (οἰνοχόος oinochoos), der den Wein nicht nur zu den Feiernden trägt, sondern bereits etymologisch im Namen, symbolisiert das Laster (vgl. ActThom 76f.). Durch die Ohrfeige versucht er, gewaltsam auf Thomas zuzugreifen und ihn aus dessen Welt in seine hinüberzuziehen. Er ist durch seine Verbindung zu Wein, ausgelassenen Feiern und Gewalt als Negativbeispiel präsentiert, dessen grausames Ende wie zwangsläufig aus seinem Lebenswandel resultiert. Doch Thomas gibt dem Laster nicht nach, sondern bleibt unbeirrt in seiner Welt. Er kündigt in der unverständlichen Sprache und dem Wissen des »zukünftigen Weltalters« die Strafe des Weinschenks an. Als »Mitgeheimnisträger« Jesu (συμμύστης summystēs, ActThom 39) singt er anschließend von der wahren Hochzeit des kommenden Äons (ActThom 6f.). Seine Entrückung ins Jenseits wird sinnlich wahrnehmbar, da sich sein Äußeres ändert (ActThom 8). ActThom 11f. wird die Verbindung von Thomas zur himmlischen Welt weiter zementiert, indem der erscheinende Jesus wie Thomas aussieht und sich als dessen Bruder zu erkennen gibt. Was Thomas in unserer Szene von der »kommenden Welt« singt, kann nur die in »dieser Welt« gering geachtete Flötenspielerin aufnehmen. Dies ist ihr möglich, weil sie vom selben »Geschlecht«, von derselben »Art« (γένος genos, ὁμόεθνος homoethnos, ActThom 8, vgl. 1 Petr 2,9) wie Thomas ist; »hebräisch« steht folglich als Sprache des Herrn für die himmlische Welt, von der die irdische Welt nichts versteht: Erst die Flötenspielerin, die in ihrer Art Thomas und damit dem »zukünftigen Äon« gleicht, vermittelt zwischen den Welten und erklärt den irdisch Feiernden die Geschehnisse (ActThom 9, vgl. 16). Sie ist von Thomas, das heißt der kommenden Welt, angezogen und kann ihren Blick nicht von ihm wenden (ActThom 5; 8); sie hat sich in ihn verliebt (ἠγάπησεν ēgapēsen, ActThom 8). Doch diese Verbindung ist kaum zweiseitig und am allerwenigsten erotisch bestimmt, da Thomas nicht einmal 698

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Die kommende Welt schlägt zurück ActThom 6-9

den Blick erwidert; er schaut weiterhin zur Erde (ActThom 6; 8). Die sich hieran anschließenden Ereignisse im Brautgemach, wo Jesus-Thomas angesichts der irdischen Ehe die »unzerstörbare und wahre Ehe« verkündet (ActThom 12 s.o.) und die Brautleute diese »andere Ehe« annehmen (ActThom 14 s.o.), bestätigen die Haltung des Thomas auf dem Festbankett. Das Strafwunder gegen den Weinschenk symbolisiert, dass die hiesige, lasterhafte Welt keine Macht auf die kommende Welt ausüben kann.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Augustinus zitiert diese Episode mehrfach ihrer grausamen Strafe wegen und versucht an ihr den Charakter der Manichäer zu demonstrieren, welche die Thomasakten hochschätzten (c. Adim. 17,2; c. Faust. 22,79; s. dom. m. 1,20.65; vgl. Klijn 2003, 30). Karl Weyer-Menkhoff

Literatur zum Weiterlesen J. N. Bremmer, The Acts of Thomas. Place, Date and Women, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leiden 2001a, 74-90. M. La Fargue, Language and Gnosis. The Opening Scenes of the Acts of Thomas, Cambridge 1985, bes. 82-90. A. Grund, Art. Tun-Ergehen-Zusammenhang (biblisch), RGG4 8 (2005), 654-666. A. F. J. Klijn, The Acts of Thomas. Introduction, Text, and Commentary, Brill ²2003, bes. 28-42. R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, Bd. 2/2, Darmstadt 1959 (Nachdr. der Ausgabe Leipzig 1903). O. Michel, Art. κύων, ThWNT 3 (1938b), 1100-1104. M. Pesthy, Thomas, the Slave of the Lord, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leiden 2001, 65-73. R. Reitzenstein, Hellenistische Wundererzählungen, Darmstadt ³1974, 134-150. R. Strelan, Strange Stares. ATENIZEIN in Acts, NovTest 41 (1999), 235-255.

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Geplatzt vor Bosheit! (Himmlischer Bräutigam besiegt altbösen Feind) ActThom 31-33 Der griechische Text weicht an zahlreichen Stellen vom längeren syrischen Text ab. Dort ist von einer schwarzen Schlange die Rede, im griechischen Text von einem δράκων (drakōn), hier mit »Schlange« wiedergegeben (zur Begründung s.u.). Auf weitere ausgewählte Unterschiede wird jeweils zur Stelle hingewiesen. Die 3. Praxis setzt damit ein, dass Thomas die Leiche eines Jünglings findet. Er bittet Gott, dem Toten seine Herrlichkeit zu zeigen. (31) Und als er dies gesagt hatte, kam eine große Schlange aus einer Höhle heraus. Sie stieß mit ihrem Kopf auf und schlug ihren Schwanz auf die Erde, und mit lauter Stimme sagte sie zu dem Apostel: »Ich werde vor dir sagen, aus was für einem Grund ich jenen getötet habe. Denn dazu bist du gekommen, meine Werke zu überführen«. Und der Apostel sagt: »Ja, sprich«. Und die Schlange: »Eine jugendschöne Frau wohnt in der Siedlung gerade gegenüber. Und als sie an mir vorbeiging, sah ich sie und begehrte sie, und ich folgte ihr und beobachtete sie. Und ich fand diesen Jüngling, der sie herzlich küsste. Er hatte auch Verkehr mit ihr, vollführte auch andere schändliche Dinge mit ihr. Und freilich wäre es mir leicht, diese Dinge vor dir auszusprechen*; ich weiß nämlich, dass du Zwilling des Christus bist, der du stets unsere Natur vernichtest. Da ich nun diese [Frau] nicht verwirren wollte, tötete ich ihn zu derselben Stunde nicht. Vielmehr wartete ich auf ihn, und als er am Abend vorbeikam, schlug und tötete ich ihn; und besonders deshalb, weil er sich nicht gescheut hatte, dies am Herrentag zu vollbringen.« Aber der Apostel fragte sie aus und sagte: »Sage mir, von was für einem Samen und von was für einem Geschlecht du bist.« (32) Und sie sagte zu ihm: »Ich bin ein Kriecher von Kriechernatur und ein Schädiger mit der Natur eines Schädigers. Ich bin ein Sohn dessen, der die vier stehenden Brüder verletzt und geschlagen hat. Ich bin ein Sohn dessen, der auf dem Thron sitzt [als Herrscher] über das, was unter dem Himmel [ist; ein Sohn] dessen, der sein Eigentum nimmt von denen, die borgen. Ich bin ein Sohn dessen, der die Erdkugel umgürtet. Ein Verwandter dessen aber bin ich, der außerhalb des Okeanos ist, dessen Schwanz in seinem eigenen Munde liegt. Ich bin der, der durch die Einfriedung hineinging in das Paradies und mit Eva alles redete, was mein Vater mir aufgetragen hatte, mit ihr zu reden. Ich bin der, der Kain entzündete und entflammte, dass er den eigenen Bruder töte, und um meinetwillen sind Dornen und Disteln aufgewachsen auf der 700

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Geplatzt vor Bosheit! ActThom 31-33

Erde. Ich bin der, der die Engel von oben herniederschleuderte und sie mit den Begierden nach den Frauen fesselte, damit erdgeborene Kinder aus ihnen erzeugt würden und ich meinen Willen durch sie vollbringen möge. Ich bin der, der das Herz des Pharao verhärtete, damit er die Kinder Israels ermorde und sie im harten Joch versklave. Ich bin der, der die Menge in der Wüste irreführte, als sie das Kalb machten. Ich bin der, der Herodes entflammte und Kaiphas entzündete bei der betrügerischen Lüge vor Pilatus. Das nämlich ziemte mir. Ich bin der, der Judas entzündete und erkaufte, damit er Christus dem Tode übergebe. Ich bin der, der den Abgrund des Tartarus bewohnt und in seiner Gewalt hat; der Sohn Gottes aber hat mir wider [meinen] Willen Unrecht zugefügt und die Seinigen bei mir herausgesucht. Ich bin ein Verwandter dessen, der vom Aufgang kommen wird, dem auch Macht gegeben wird zu tun, was immer er selbst will auf der Erde.« (33) Und als jene Schlange dies gesagt hatte, wobei die ganze Menge zuhörte, hob der Apostel seine Stimme auf in die Höhe und sagte: »Höre fernerhin auf, Unverschämteste, und schäme dich, du ganz Abgestorbene. Denn dein Ende, der Untergang, ist rasch gekommen. Und wage nicht zu sagen, was du ausgeführt hast durch die, die dir untertan geworden sind. Ich befehle dir aber im Namen jenes Jesus, der bis jetzt einen Kampf gegen euch führt um der ihm eigenen Menschen willen, dass du dein Gift, das du in diesen Mann hineingelegt hast, aussaugst und, wenn du es heraufgesogen hast, aus ihm herausnimmst.« Die Schlange aber sagte: »Keineswegs ist der Zeitpunkt unseres Endes rasch gekommen, wie du sagtest. Was nötigst du mich, zu nehmen, was ich in jenen hineingelegt habe, und vor der Zeit zu sterben? Denn auch das Ende meines Vaters tritt dann ein, wenn er heraufziehen und aussaugen wird, was er auf die Schöpfung geschleudert hat.« Der Apostel aber sagte zu ihr: »Zeige also nun die Natur deines Vaters.« Und die Schlange trat hinzu, legte den Mund auf die Wunde des Jünglings und saugte die Galle aus ihm heraus. Und binnen Kurzem wurde die Haut des Jünglings, die wie Purpur war, weiß; die Schlange aber schwoll an. Als aber die Schlange die ganze Galle in sich hineingesaugt hatte, sprang der Jüngling auf und stellte sich hin, und er lief und fiel nieder zu den Füßen des Apostels. Die Schlange aber, angeschwollen, platzte und starb, und ihr Gift und die Galle wurden ausgeschüttet. An dem Ort aber, wo ihr Gift ausgeschüttet wurde, entstand eine große Kluft, und jene Schlange wurde verschlungen. Der Apostel aber sagte zum König und seinem Bruder: »Bringt Arbeiter herbei und füllt jenen Ort auf, und legt Fundamente und erbaut darüber Häuser, damit eine Behausung für die Fremden entsteht.« * Der syrische Text hat hier den Zusatz: »aber ich wage es nicht«.

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

Sprachlich-narratologische Analyse Unsere Episode gehört zum Anfangsteil der Thomasakten. Hier stehen drei Praxeis (Taten) voran, die das enkratitische Anliegen der ActThom verdeutlichen. Die 1. Praxis zeigt das Werben des Thomas für Jungfräulichkeit und Enthaltsamkeit zugunsten der Vermählung mit dem himmlischen Bräutigam Christus, die 2. Praxis handelt vom Besitzverzicht zugunsten himmlischen Reichtums, und in der 3. Praxis (ActThom 30-38) werden Sexualität und Konkupiszenz als teuflisches Gift und Folge des Sündenfalls in den Blick genommen. Komplementär zur Auferweckung eines Jünglings in ActThom 33 zeigt die 5. Praxis (ActThom 42-50), die eingangs auf die 3. Praxis verweist, die dämonische Natur des Sexuellen am Geschick einer Frau auf. Die 3. Praxis verortet das Wirken des Apostels im Rahmen von Christologie und Soteriologie. Sie ist vielfach mit ihrem Kontext verklammert. Durch Verweise auf Orte, Zeiten und Personen, die aus dem Kontext bekannt sind, erzeugen die ActThom den Eindruck einer fortlaufenden Handlung. So greift die 3. Praxis am Ende der Wundererzählung (ActThom 33) mit der Erwähnung des Königs und seines Bruders auf die vorangehende 2. Praxis zurück. König Gundafor und sein Bruder (ActThom 26f.) sind offenbar unter »denen, die ihm [Thomas] folgen« (ActThom 30). Auch die zeitliche Einordnung der 3. Praxis nimmt auf den Kontext Bezug. Die Handlung der Praxis wird am Vorabend des Sonntags vorbereitet (ActThom 29). Im 31. Kapitel heißt es, die Schlange habe den Jüngling und die Frau getötet, weil diese am »Herrentag« sündigten. Mit ActThom 62 wird dieser Handlungszusammenhang wieder verlassen. Zwar wird in ActThom 30-61 kein kontinuierlicher Tagesablauf geschildert. Dennoch entsteht im Übergang von der 2. zur 3. Praxis der Eindruck fortlaufenden Geschehens. Schlüssiger noch ist die Abfolge der Ortsangaben. Thomas verlässt den Königshof Gundafors und geht zum Schauplatz der 3. Praxis (ActThom 29f.). Darauf nähert er sich der nächsten Stadt (36), kommt ihr nochmals näher (39f.) und betritt sie (41f.), wobei auf die 3. Praxis verwiesen wird (42). Die weitere Handlung bis einschließlich ActThom 61 scheint in der Stadt stattzufinden. Es ensteht der Eindruck einer Handlungsfolge. Doch beschränken sich die Verklammerungen mit dem Kontext in der 3. Praxis auf die Rahmenteile; in der Wundererzählung selbst treten die dort erwähnten Personen und Orte zurück. Figur und Wesen der Schlange stehen im Mittelpunkt der Wundererzählung ActThom 31-33. Die beiden Vorkommen des Wortes δράκων (drakōn – Schlange) zu Beginn von ActThom 31 und am Ende von ActThom 33 grenzen sie ein. Die Gestalten des Jünglings und der Frau bleiben dagegen blass. Der Jüngling spielt in ActThom 34-37 nochmals eine Rolle; die Frau kommt nicht zu Wort. Sie tritt nach der kurzen Erwähnung in ActThom 31 nicht mehr auf. Die Schlange ist, was die Redeanteile angeht, dominant, doch tritt sie in den übrigen Teilen der 3. Praxis nicht mehr in Erscheinung. Handlungselemente finden sich konzentriert in ActThom 31 in der rückblickenden Schilderung der Schlange und in ActThom 33 im Bericht über ihre Vernichtung. Das tritt aber gegenüber dem dialogischen und monologi702

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Geplatzt vor Bosheit! ActThom 31-33

schen Element in den Hintergrund. Denn überwiegend entfaltet sich die Erzählung im Dialog zwischen Schlange und Apostel, zunächst in einer Art Verhör, auf das im Schlussteil des 33. Kapitels die Auferweckung des getöteten Jünglings und die Vernichtung der Schlange folgen. Dazwischen steht in ActThom 32 ein Monolog der Schlange. Er hebt sich als wörtliche Rede in der 1. Person Sg. ab und ist als Abfolge von Sätzen gestaltet, die jeweils mit »Ich bin der, welcher« eingeleitet werden und auf Vergangenes (zum Schluss einmal auf Zukünftiges) blicken. Schon am Ende des 30. Kapitels verweisen die Worte des Apostels über die Schlange als das dem Feind untertänige Tier auf die Geschichte der Schlange, besonders auf die Sündenfall-Geschichte Gen 3 und damit zugleich auf ActThom 32. Zugleich verweist die Auseinandersetzung in ActThom 33 über den Vater der Schlange und über sein Gift thematisch auf ActThom 32 zurück. Dieses Kapitel steht hervorgehoben in der Mitte der Erzählung. Zudem lenkt der Apostel mit der Frage nach Art und Wesen der Schlange in ActThom 31 das Interesse auf diese Gestalt. Die ausführliche Auskunft, die er erhält, bestätigt die Intention der Erzählung, eben diese Frage zu beantworten. Die Bedeutung der Schlange zeigt sich ferner darin, dass wir aus der Wundererzählung über keine andere Gestalt annähernd so viel wissen wie über sie: Wir erfahren nicht nur ihre Geschichte und Identität, sondern auch ihre Gefühle (»ich begehrte sie« und, in der syrischen Überlieferung, »ich wage es nicht«, beides in ActThom 31). Auf die Enthüllung der Identität der Schlange in ActThom 32 antwortet in ActThom 33 erhöhter rhetorischer und emotionaler Aufwand: Thomas erhebt die Stimme; er redet die Schlange superlativisch als »Unverschämteste« an. Überwogen zuvor Aussagesätze, so spricht Thomas hier gehäuft in Befehlssätzen. Nur hier kommt es zu explizitem Widerspruch (»keineswegs«). Schließlich findet sich hier die einzige der grammatischen Form nach futurische Aussage der Erzählung (dem Inhalt nach steht auch am Ende des 32. Kapitels eine Aussage über Zukünftiges). Auf diesen Höhepunkt folgt die auffällig kurz erzählte Vernichtung der Schlange. Mit ihrem Ende verschwindet die Gestalt, die im Mittelpunkt der Erzählung stand; die Weisung an Gundafor und seinen Bruder am Ende des 33. Kapitels lenkt zum Personeninventar des narrativen Rahmens zurück. Die Begegnung des Apostels und der Schlange entspricht in mancher Hinsicht der Topik von Exorzismen: Das Auftreten des Exorzisten provoziert den Dämon, der hervortritt und sich zu wehren sucht. Kenntnis und Benennung seiner Person haben ursprünglich apotropäische Funktion. Der Dämon erkennt, dass der Exorzist von Gott gesandt ist und ihn überwindet. Der Exorzist äußert sich in knappen Fragen und Befehlen. Er zwingt den Dämon zur Preisgabe seiner Identität und gewinnt damit Macht über ihn. Am Ende kann die lobende Reaktion der Zuschauer stehen. Die Übereinstimmung von ActThom 31-33 mit dieser Konvention liegt auf der Hand. Zugleich weicht unsere Wundererzählung von der Erzählkonvention ab bzw. entwickelt sie fort. So ist das verhörartige Gespräch zwischen Apostel und Schlange stark erweitert, besonders durch den Monolog der Schlange. Dass ein Tier spricht, ist in den Apokryphen nicht ungewöhnlich (Matthews 1999). So lassen ActThom 39-41 einen Nachfahren von Bileams Eselin (Num 22,21-33) auftreten. Das Sprechen der 703

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

Tiere wird nicht als wunderhafte Besonderheit inszeniert oder kommentiert (Spittler 2008, 198). Auffällig ist aber, dass in ActThom 32 der Dämon als sprechendes Tier auftritt. Es gibt dafür in der biblischen Tradition nur ein Vorbild, die Sündenfallerzählung Gen 3. Darauf nimmt nicht nur der Monolog der Schlange, sondern auch die Bemerkung des Apostels an seine Begleiter in ActThom 30 (»kein anderes Tier […] als durch das ihm untertänige«) Bezug. So werden über die Konvention hinaus biblische Kontexte in die Wundererzählung eingespielt. Bemerkenswert ist auch die Verknüpfung der Wundererzählung mit ActThom 34-38. Die Erzählung steht zwar unter dem Vorzeichen, die δόξα (doxa – Herrlichkeit) Christi zu erweisen, und Glaubensverkündigung und -unterweisung durch den Apostel schließen sich an. Dennoch fehlt nach der Auferweckung des Jünglings und der Vernichtung der Schlange jede lobende Reaktion der Begleiter. Auch wird der Erweis rettender Macht nicht als Motivation des Glaubens zur Geltung gebracht (die syrische Fassung trägt beides in ActThom. 33f. nach). Vielmehr schließt sich in ActThom 34 eine Visionsschilderung an. Ähnlich folgt auf die Wundererzählung von ActThom 53f. der Visionsbericht ActThom 55-57. Das irdische Geschehen verweist auf die transzendente Wirklichkeit. Das weist darauf hin, dass unsere Erzählung nur in zweiter Linie um des Wunders willen, primär dagegen als Inszenierung übergreifender Deutungszusammenhänge gelesen werden will, in die sie erzählerisch eingebunden ist. Trotz ihrer relativen Selbständigkeit sind die Wundererzählung und die übrigen Teile der Praxis miteinander verklammert. Schon die Wundererzählung transportiert jene enkratitische Sicht der Sexualität (Zimmermann 2001a, 544-554), die in den lehrhaften Kapiteln 34-38 wiederkehrt. Hinzu kommen Querbeziehungen zu weiteren Teilen der ActThom: Auch im Perlenlied (ActThom 108f., 111) kommt eine Schlange vor; in ActThom 44 ist von der Bosheit der Schlange die Rede; Geschlechtsverkehr und Konkupiszenz sind Werk der Schlange in ActThom 52. Auch spielt der auferweckte Jüngling aus ActThom 31-33 als Gesprächspartner des Apostels in ActThom 34f. eine neue Rolle. Schließlich ist das für die Einheitlichkeit der Praxis zentrale Element zu benennen. Es wird in der Wundererzählung (ActThom 31-33) nur in knappen Verweisen angesprochen. Liest man die Praxis aber im Zusammenhang, so tritt als die bestimmende Größe die Gestalt Christi hervor. Seine Erscheinung im Traum und seine Anweisungen im 29. Kapitel setzen die Handlung in Gang. Das scheinbar unvermittelte Auftreten der Schlange in ActThom 31 und die weitere Handlung werden durch das Gebet des Apostels in ActThom 30 hervorgerufen. Sie stehen damit unter der Leseanweisung, dem Erweis der δόξα (doxa – Herrlichkeit) Christi zu dienen. In die Reden des Jünglings und des Apostels in ActThom 34f. ist Lichtmetaphorik eingestreut (»Licht«, »Lichtgestalt«, »erleuchten«, »glänzend«), die auf das Stichwort δόξα verweist. ActThom 34 verdeutlicht nochmals, dass Thomas mit seinem irdischen Handeln der Weisung des himmlischen Christus folgt. Die Praxis endet in ActThom 38 mit einem Aufruf zum Glauben an Christus (die vorangehende Rede der Menge über den neuen Gott bezieht sich auf die Worte des Apostels über Jesus Christus in ActThom 37 zurück). In ActThom 31 wird Thomas von der Schlange, in ActThom 34 von dem Jüngling als Zwilling Christi erkannt. Es 704

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zeigt sich: In der 3. Praxis werden zwei zunächst verborgene Identitäten enthüllt: die der Schlange als Sohn des kosmischen Ouroboros und irdischer Repräsentant des Teufels und die des Apostels als Zwilling und irdischer Doppelgänger Christi. Dementsprechend gibt sich die Auseinandersetzung zwischen Thomas und der Schlange als eine Episode des die Heilsgeschichte durchziehenden Antagonismus zwischen Christus und dem Teufel zu erkennen (ActThom 31: »Zwilling des Christus […], der du stets unsere Natur vernichtest«, ActThom 33: »im Namen jenes Jesus, der bis jetzt einen Kampf gegen euch führt«). Die christologischen und soteriologischen Aussagen umschließen die Wundererzählung aber nicht nur als deutender Rahmen. Sie sind bereits ihrem Zentrum, dem Monolog der Schlange (ActThom 32), eingeschrieben. Hier schreibt die Schlange sich selbst Episoden der biblischen bzw. parabiblischen Tradition, von der Urgeschichte bis zur Hadesfahrt Christi, zu. Die »er«-Anteile über den Vater bzw. Verwandten der Schlange dagegen beziehen sich auf die himmlische Dimension, die über den, »der vom Aufgang kommen wird« – den Antichrist – auf das Eschaton. Wie das Ende des 32. Kapitels auf eschatologische Ereignisse vorausblickt, so ist auch der rhetorische und emotionale Höhepunkt der Erzählung in ActThom 33, wie wir sahen, u.a. durch eine futurische Aussage markiert, welche die Vernichtung der Schlange mit der endzeitlichen Vernichtung des Teufels verknüpft. Die Auseinandersetzung zwischen Thomas und der Schlange wird zur irdischen Vorwegnahme des eschatologischen Kampfes Christi gegen Sünde und Teufel. Die 3. Praxis erweist sich als kompositorisch geschlossene Einheit. Die Wundererzählung in ActThom 31-33 will als Teil dieses Ganzen verstanden sein.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Während im syrischen Text von einer Schlange die Rede ist, spricht der griechische Text von einem δράκων (drakōn). Die Terminologie ist mehrdeutig. LXX übersetzt in Jes 27,1 ‫( ִלְו ָיָתן‬liwjātān – Leviathan) und ‫( ַּתִּנין‬tanīn – Seeschlange, Ungeheuer) gleichermaßen mit δράκων (drakōn), bezeichnet dasselbe Wesen aber auch als ὄφις (ophis – Schlange). Auch in der außerbiblischen Literatur können die Wörter δράκων (drakōn) bzw. draco allgemein als Bezeichnung für Schlangen oder synonym mit anderen Bezeichnungen für Schlangen verwendet werden (Hom. Il. 12,202.209; Hes. Theog. 322.825; Ov. met. 4,575f.599.603). Indien gilt als besonders schlangenreich (Strab. geogr. 15,1,45). Die antike Zoologie kennt eine Vielzahl von Schlangenarten. Hier ist δράκων (drakōn) die Bezeichnung für die Python- oder Riesenschlange (Bremmer 2001d, 179f.; Neumann 1975, 14). Als ihre Heimat gilt Indien (Strab. geogr. 15,1,28; Philostr. vit. Ap. 3,6-9; vgl. Arr. Ind. 15). Sie soll so groß sein, dass sie mit Elefanten (Ael. nat. 2,21; 6,21; Philostr. vit. Ap. 3,8; Plin. nat. 8,11) und Stieren kämpfen kann (Strab. geogr. 16,4,16; kritisch 2,1,9). Wir übersetzen δράκων (drakōn) daher mit »Schlange«. Für die Behandlung von Schlangenbissen kennt die antike Medizin Mittel wie Ausbrennen, Aussaugen und Ausschneiden (Neumann 1975, 15f.). 705

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Erzählung, besonders ActThom 32, ist durchzogen von Verweisen auf biblische und frühjüdische Kontexte (Attridge 1997). Es entsteht eine Unheilsgeschichte von der biblischen Urgeschichte bis zum Kommen des Antichrist, die insgesamt der Schlange bzw. ihrem Vater angelastet wird. Aus den kanonisch gewordenen Schriften Israels werden erwähnt: die auf der Erde kriechende, ins Paradies eindringende und Eva zur Sünde verführende Schlange (Gen 3,1-15; der syrische Text erwähnt auch die Sünde Adams), die Verfluchung der Erde (Gen 3,17f.), der Brudermord Kains (Gen 4,8), die Verbindung der ‫( ְב ֵני־ָהֱאֹלִהים‬Benē ha-Elohīm – Gottwesen) mit menschlichen Frauen und die gemeinsamen Nachkommen (Gen 6,1-4), die Verstockung des Pharao (Ex 4,21 u.ö., wo aber Gott es ist, der verstockt) und der Abfall zum Goldenen Kalb (Ex 32). Das Platzen der Schlange (ActThom 33) erinnert an Bel et Draco 25-27, wo Daniel einer Schlange (δράκων drakōn) Pech, Fett und Haare zu fressen gibt und sie dadurch zum Bersten bringt. Aus den kanonisch gewordenen frühchristlichen Schriften ist die Identifikation von drakōn, Schlange (ὄφις ophis), Teufel (διάβολος diabolos) und Satan (σατανᾶς satanas) in Offb 12,9 mitzuhören. In Offb 12,7-9 geht es allerdings um den endzeitlichen Sturz des Teufels und seiner Engel (Dochhorn 2012), während es beim urzeitlichen Engelfall nach ActThom 32 gerade der δράκων (drakōn) ist, welcher die Engel aus dem Himmel wirft. Vom Teufel als Herrscher der Welt sprechen etwa Joh 12,31; 2 Kor 4,4; außerkanonisch u.a. AscJes 1,3; 2,4; IgnEph 17,1; IgnMagn 1,3. Hinzu treten die Auslieferung Jesu durch Judas (Mt 26,14-16.47-50 u.ö.) und die Anklage und Verurteilung Jesu durch Kaiphas und Pilatus (Mt 26,59-66; 27,1.11-26 u.ö.). Jud 6 greift den Mythos von Gen 6,1-4 auf; vom Tartarus als Strafort der Engel spricht 2 Petr 2,4. Offb 9,11 spricht vom Engel des Abgrunds als König dämonischer Wesen. Die Hadesfahrt Christi und die Befreiung der Seinen (in der syrischen Fassung nicht erwähnt) werden in den kanonisch gewordenen Schriften und in den frühesten Taufsymbolen noch nicht erwähnt, doch 1  Petr 3,19f., die Predigt an die Geister im Gefängnis, gehört in die Vorgeschichte dieser Tradition, die auch in OdSal 42,11-20 belegt ist. Das Platzen der Schlange erinnert ferner auch an das Aufplatzen des Judas nach Apg 1,18 (dort wird dasselbe Wort, ἐλάκησεν elakēsen, verwendet). Der, welcher »vom Aufgang kommen wird«, der Antichrist, wird mit unterschiedlichen Bezeichnungen auch 1 Joh 2,18f. u.ö., 2 Thess 2,3 erwähnt, ohne dass diese Stellen hier aufgenommen wären. Daneben stehen Verweise auf parabiblische Traditionen. Eine eindeutige Zuordnung ist nicht immer möglich. Keine Deutung der »vier stehenden Brüder«, die »verletzt und geschlagen« wurden (im syrischen Text nicht erwähnt), überzeugt (vier Erzengel, vier Elemente u.a., vgl. Bornkamm 1933, 26f.; Klijn 2003, 93f.; Adamik 2001, 119-122). Die Bezeichnung der Schlange als »der, welcher sein Eigentum nimmt von denen, die borgen«, klingt an eine ähnliche Formulierung in ActThom 29 an; damit wird die dort angesprochene leibliche Verfasstheit und Bedürftigkeit des Menschen mit der Schlange in Verbindung gebracht. In der griechisch über706

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lieferten Mose-Apokalypse (ApkMos 16f.) findet sich die Verbindung von Schlange und Teufel sowie die Einfriedung des Paradieses, durch welche die Schlange eindringt. In der Vita Adae et Evae, einer frühjüdischen (nach manchen christlichen) erweiterten Bearbeitung der ApkMos, spricht VitAd 12-17 (lat.) von einem Antagonismus zwischen Satan und Adam (Gäbel 2006, 138-142.158-161, Dochhorn 2007, 483-492). Auch hier ist das Motiv verbunden mit dem Satanssturz (im Gegensatz zum Sturz der Engel nach ActThom 32). Ein Antagonismus zwischen Christus und dem Teufel findet sich sodann in ActThom 31-33 in der Verbindung des Sündenfallgeschehens mit der Feindschaft von Christus und der Schlange bzw. dem Teufel. Eine breite Wirkungsgeschichte hat auch die genannte Tradition aus Gen 6,1-4 entfaltet. Dort war lediglich von der Verbindung der Gottwesen (‫ ְב ֵני־ָהֱאֹלִהים‬Benē ha-Elohīm) mit Töchtern der Menschen die Rede. Nach 1  Hen 6-11 weckt die Schönheit der Frauen die Begierde von Engeln, die sich mit ihnen sexuell »verunreinigen« und sie Zauber, Beschwörung und Waffengebrauch lehren (vgl. Losekam 2010). Die Nachkommen von Engeln und Frauen sind menschenfressende Riesen (vgl. γίγαντες gigantes Gen 6,4LXX; Flav. Jos. Ant. 1,73). Nach 1 Hen 15f. werden sie nach ihrem Tod zu Dämonen. Auffällig ist in ActThom 32 die Bezeichnung der Kinder von Engeln und menschlichen Frauen als erdgeborene (γηγενεῖς gēgeneis). Die Antike leitet γίγας (gigas – Riese) von γηγενῆς (gēgenēs – erdgeboren) her (Mussies 1999, 343). Ikonographisch sind Schlangenleiber bzw. schlangenförmige Beine und Füße charakteristisch für Riesen (Charlesworth 2010, 142-145). Von ihnen weiß die hellenistischrömische Mythologie, sie seien in den Tartarus gestürzt worden. Dort lebe seit dem Sieg des Zeus auch der schlangenförmige Typhon. Und im Tartarus lokalisiert, wie erwähnt, 2 Petr 2,4 die Engel, welche nach Gen 6,1-4 sündigten. In Gen 6,1-4LXX ist ebenfalls von Giganten (γίγαντες gigantes) die Rede. Dieselbe Stelle ist in ActThom 32 aufgegriffen, und dort ist der Tartarus der Herrschaftsbereich der Schlange. Eine knappe Formulierung genügt, um Elemente biblischer und hellenistisch-römischer Mythologie aufzurufen und, soweit nicht längst geschehen (Bremmer 2008), miteinander zu verschmelzen. Geschichten um Schlangen spielen in der hellenistisch-römischen Mythologie eine große Rolle. Cadmus findet seine Gefährten von einer großen Schlange getötet, die er überwinden kann; am Ort des Kampfes wird später Theben gegründet (Ov. met. 3, 24-137; vgl. die Bauanweisung am Schluss unserer Praxis). Perseus rettet Andromeda vor einem Meerungeheuer (met. 4, 663-771). Näher bei der Handlung unserer Erzählung steht Luc. philops. 11f.: Ein Chaldäer heilt einen von einer Schlange gebissenen Gärtner durch Zauber, ruft dann alle dort lebenden Schlangen herbei und vernichtet sie durch Anhauchen. Auch verliebte Schlangen sind aus der hellenistisch-römischen Literatur bekannt. Aelian berichtet von einer Schlange, die ihre menschliche Geliebte besuchte und liebkoste (nat. 6,17). Im Märchen von Amor und Psyche wird der verliebte Amor mehrfach mit einem schlangenförmigen, geflügelten Ungeheuer verglichen (Apul. Met. 4,33,1f.; 5,17,3f.; 5,22,2; vgl. Merkelbach 1962, 10-12; Busch 2006b, 194). ActThom verschmelzen Motive der biblischen Tradition 707

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und der hellenistisch-römischen Literatur (Spittler 2008, 197f.), spielen aber auch mit Leseerwartungen, die sie einerseits wecken, von denen der weitere Verlauf der Handlung dann aber abweicht. Die Entweihung des »Herrentages« durch Geschlechtsverkehr nach ActThom 31 erinnert an Kultregeln über Zutritt zu paganen Heiligtümern und Teilnahme an Kultvollzügen. Beides ist nur denen gestattet, die frei von kultischer Verunreinigung, u.a. durch Sexualität, sind (Vahrenhorst 2008, 73-113). Eine Parallele bietet wieder Ov. met. 10, 686-704: Von Venus angestachelt, entweihen Hippomenes und Atalanta einen Tempel durch ihr Beilager. Zur Strafe werden sie in Löwen verwandelt. Hellenistisch-römische und alttestamentlich-jüdische Reinheitsvorstellungen (Gäbel 2006, 364-366.435-445) sind hier weithin deckungsgleich. Mit der Beschreibung des Vaters der Schlange als der, »der die Erdkugel umgürtet«, und seines Verwandten als der, »der außerhalb des Okeanos ist, dessen Schwanz in seinem eigenen Munde liegt« (syrisch: »dessen Maul geschlossen ist«), nehmen die ActThom das Motiv des Ouroboros auf, der Schlange, die ihren eigenen Schwanz im Maul hält und den Weltkreis umgibt. Sie steht für die Einheit des Seins und der Zeiten, die mit Kronos und Aion sowie mit dem Agathos Daimon gleichgesetzt werden kann. Mit ihnen verschmelzen Helios und Serapis und in römischer Zeit auch Mithras. Diese können schlangenförmig bzw. mit Schlangen als Attributen dargestellt und als »große Schlange« u.Ä. angerufen werden (Leisegang 1939, 156209; Sasse 1950; Lindsay 1970, 261-265, 310f.).

Abb. 25: Ouroboros-Schlange mit Beischrift ἕν τὸ πᾶν (hen to pan) – Abb. 26: Gemme mit Ouroboros-Schlange und Beischrift ΙΑΩ ΑΒΡΑΣΑΞ (Iaō Abrasax)

Eine Begegnung mit einem Ungeheuer schildert in der außerkanonischen frühchristlichen Literatur schon Herm vis IV, 1-3 (22,1-24,7; um 140-150). Eine ähnliche Episode bietet Mitte/Ende des 4. Jh. auch die 9. Praxis der ActPhil. Ähnlich wie in ActThom 31-33 begegnen die Protagonisten in Herm und ActPhil einem Ungeheuer, das sie bedroht. Bei Herm wird es mit einem Meerungeheuer (κῆτος kētos) verglichen, in den ActPhil als Schlange (δράκων drakōn) bezeichnet. Die Protagonisten überwinden die Ungeheuer durch den Glauben und den Gottesnamen (Herm vis IV,2 [23,4]) bzw. durch das Gebet und Lustration (ActPhil 9,3-5; vgl. Peterson 1959a). Für uns kommt es darauf an, dass auch ActPhil die Konkupiszenz bekämpfen und 708

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Enthaltsamkeit propagieren (Peterson 1932a; Klauck 2008e, 135-137): Schlangen stehen für Sünde und (vor allem sexuelle) Begierde (MartPhil 5). Der Kampf gegen die Schlange begegnet auch im Perlenlied (ActThom 108-113): Ein Königssohn wird gesandt, um eine von einer Schlange bewachte kostbare Perle zu finden; es gelingt ihm, die Schlange zu bezaubern und die Perle zu erlangen. Die Akten des Kyriakos und der Julitta (BHO 193f.) enthalten in ihrer syrischen Rezension ein Gebet des Kyriakos (Dillmann 1887; Greßmann 1921; Reitzenstein 1921, 77-83); hier ist von der Schlange mit Worten die Rede, die sich bis in Einzelheiten mit deren Selbstvorstellung in ActThom 32 berühren: Sie hat die Engel durch Leidenschaften zum Verlassen des Himmels verleitet, Adam irregeführt, Kain entflammt, das Herz der Riesen ausgelöscht usw. Es folgen weitere Episoden, die teils auch in ActThom 32 angeführt werden. Doch enthält ActThom 32 Aspekte, die im Gebet des Kyriakos keine Entsprechung finden, und umgekehrt: Die Schlange der ActThom differenziert zwischen sich und ihrem Vater bzw. Verwandten; sie spricht von der kosmischen Schlange rings um den Okeanos, von Jesus und dem Antichristen. So fügen die ActThom die traditionelle Unheilsgeschichte der Schlange in einen kosmischen und eschatologischen Rahmen, geben ihr eine christologische Wendung und verbinden sie mit der Wundererzählung. Mit ihrer Feindschaft gegen Sexualität und Konkupiszenz fügen sich die ActThom in die enkratitische Tendenz des syrischen frühen Christentums ein. Dabei trägt das Motiv des Schlangenbisses spezifische Bedeutung. Nach Fragmenten des Buches Elchasai soll der Biss eines tollwütigen Hundes (Hipp. haer. 9,15,4-16,1) bzw. einer Schlange (Epiph. haer. 30,17,4) durch Untertauchen im Wasser geheilt werden. Dies ist als Hinweis auf die Sünde, zumal die Konkupiszenz, und ihre Überwindung durch die Taufe zu verstehen, wie PsClem H (4,21,4; 11,18,1; vgl. 10,5,1; 11,11,4) zeigen. Der Hunde- bzw. Schlangenbiss steht für sexuelle Sünde bzw. für Sünde im Herzen. Die Flucht zum Wasser (der Taufe) sei die Rettung vor der Flamme (der Leidenschaft), heißt es PsClem H 11,26,4. Auch in ActThom 52 werden der »wahnwitzige Geschlechtsverkehr« und die Begierde als Schlangenwerk angesprochen. Dort wird, wie bei Elchasai und in den PsClem H, eine Waschung als Mittel gegen das Schlangenwerk angewandt. Ähnlich erklärt Ambr. sacr. 3,7 die Fußwaschung des Mailänder Taufrituals mit der Bemerkung, dadurch solle das Gift der Schlange abgewaschen werden, die Adam in die Füße gebissen habe (Gäbel 2006, 393-401; Peterson 1959b). Die Deutung des sexuellen Begehrens als von Dämonen gestiftet findet sich auch in TestSal 14. Dort erscheint ein Dämon in Gestalt einer geflügelten Schlange und rühmt sich des Verkehrs mit Frauen, aus dem Eros hervorgegangen sei (Busch 2006b, 191-200). Unsere Erzählung greift diese Symbolik auf: Der Schlangenbiss der Konkupiszenz trifft den Jüngling, der eine sexuelle Beziehung eingegangen war.

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Theodoret erwähnt h. rel. 21 eine Vision eines himmlischen, feurigen Ouroboros und anschließend ein marcionitisches Dorf, in dem die Schlange als Feindin des Weltschöpfers verehrt worden sei. Auch kultisch verehrte Schlangenbilder habe es dort gegeben. Als Himmelskönig verehrten nach Epiph. haer. 1,37,5 die Ophiten die Schlange. In ihrer Eucharistiefeier habe sich eine Schlange im eucharistischen Brot gewälzt, bevor dieses verzehrt Abb. 27: Alabasterschale mit Darstellung einer Kultszene (?) wurde. Entsprechendes berichtet Thdt. haer. 1,14 über die Marcioniten. Schlangenverehrer waren nach Hipp. haer. 5,9 auch die Naassener. Von einer himmlischen Schlange sprachen nach ihm haer. 5,16 die Peraten. Hier findet der himmlische Ouroboros von ActThom 32 seine Erklärung. Referate von Kirchenschriftstellern kennen, wie ActThom 32, Reihen von Taten, die der Schlange bzw. schlangenartigen Wesen zugeschrieben werden. Die erwähnte himmlische Schlange wirkte nach der Meinung der Peraten in der Verführung Evas und im Reden Evas im Paradies, im Mal Kains, bei Esau usw. sowie im Kommen Christi (Hipp. haer. 5,16). Nach ihm setzten die Peraten die Schlange dem Logos gleich, durch den alles Gewordene entstanden ist. Auch konnte nach Iren. haer. 1,30,15 (vgl. Or. Cels. 6,28; Epiph. haer. 1,37,5; Thdt. haer. 1,14.24) die Verführung durch die Schlange als Kundgabe überlegener Weisheit verstanden werden.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Unsere Erzählung eröffnet intertextuelle Lektüren und will selbst intertextuell gelesen sein. Sie legt der Schlange einen Monolog in den Mund, der sich in wesentlichen Punkten mit häresiologischen Referaten von Kirchenschriftstellern, aber auch mit traditionellen Reihen von »Taten der Schlange« sowie mit Motiven der spätantiken Religionsgeschichte berührt. Das dürfte, unabhängig von der historischen Korrektheit jener Referate, beabsichtigt sein; es kann als Kritik an einem Christentumsverständnis gedeutet werden, das in polemischer Umdeutung kanonischer und parabiblischer Traditionen die Schlange und ihre Taten für sich in Anspruch nimmt. Die Verankerung in der himmlischen Gegenwelt und die Ausrichtung auf den himmlischen Bräutigam sind charakteristisch für das frühe syrische Christentum, dessen theologisches Profil in den ActThom hervortritt (Drijvers 1997, 294-296.300710

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302; Klauck 2008e, 122-133). Die Handlung wird zur Einkleidung spiritueller Wahrheit, sie verweist auf jenseitige Realität (Bovon 2003). Unsere Wundererzählung und die 5. Praxis der ActThom lassen sich als Darstellungen der dämonischen Natur des Sexuellen lesen (Czachesz 2001). Die Forschung beschäftigt die soziale und politische Dimension der sexuellen Askese (Brown 1988, 83-102): Körper und die Sexualität werden aus der Dienstbarkeit für die Polis und ihre Institutionen gelöst. Irdischer Verzicht kann zweckfreie Lebensräume und Zugänge zur himmlischen Gegenwelt eröffnen (Perkins 1997). Enthalten die apokryphen Akten also Erzählungen von und für Frauen, die gewandelte weibliche Rollen- und Verhaltensmodelle vorstellen (Davies 1980, 50-94; Burrus 1987)? Dagegen bleibt nach Germond 1996 das männliche gender dominant. Dann könnten Askese und Sexualverzicht als Ausweis moralischer Überlegenheit gerade auf den Statusgewinn des männlichen Helden (des Apostels) zielen (Cooper 1996, 45-67; Überblick Jacobs 2006).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die fünf bekanntesten apokryphen Apostelakten wurden von den Manichäern geschätzt; die ActThom erfuhren eine manichäische Bearbeitung (Nagel 1973, 152f, 171f.). Die negative Beurteilung der Schlange in manichäischen Texten erinnert an die ActThom und an andere frühchristliche Schriften. Nach CMC 94-97 soll Mani in seinen frühen Jahren Mitglied einer Täufergruppe gewesen sein, die von einem Alchasaios gegründet oder geleitet wurde. Kenntnis der im Buch Elchasai vertretenen Anschauungen ist aber nicht nachweisbar (Luttikhuizen 1985, 163f.; 222-224; 227f.; Lieu 1992, 38-44). Die negative Beurteilung der Schlange in manichäischen Schriften hat ihren Ursprung in frühchristlich-enkratitischem Einfluss (Nagel 1973, 163-165, 181). Das Motiv des Kampfes gegen die Schlange ist weitverbreitet (Merkelbach 1959, 232-245; Söder 1969, 91f.). Unter den späteren Apokryphen hat das PhilippusMartyrium der ActPhil den Kampf gegen die Schlange und die Schlangenverehrung breit ausgeführt. Das Motiv des Schlangen-/Drachenkämpfers wurde, auf Heilige übertragen, vielfältig ausgestaltet (Günter 1906, 55-58; Merkelbach 1959, 245-250). Abb. 28: Christus kämpft gegen Schlange und Löwe (vgl. Ps 91,13)

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Literatur zum Weiterlesen C. Auffarth/L. T. Stuckenbruck (Hg.), The Fall of the Angels, Leiden 2004. F. Bovon, Miracles, Magic, and Healing in the Apocryphal Acts of the Apostles, in: ders., Studies in Early Christianity, WUNT 161, Tübingen 2003, 253-266. P. Brown, Body and Society. Men, Women, and Sexual Renunciation in Early Christianity, New York 1988 (dt.: Die Keuschheit der Engel, München 1991). J. H. Charlesworth, The Good and Evil Serpent. How a Universal Symbol became Christianized, New Haven 2010. J. Dochhorn, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, ZThK 109 (2012), 3-47. A. S. Jacobs, Her Own Proper Kinship, in: A.-J. Levine (Hg.), A Feminist Companion to the New Testament Apocrypha, London/New York 2006, 18-46. H.-J. Klauck, Die apokryphe Bibel, Tübingen 2008b. N. Koltun-Fromm, Hermeneutics of Holiness. Ancient Jewish and Christian Notions of Sexuality and Religious Community, Oxford 2010. A. Mastrocinque, From Jewish Magic to Gnosticism, STAC 24, Tübingen 2005. R. Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, Darmstadt 1969 (Nachdr. der Ausgabe Stuttgart 1932). J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/247, Tübingen 2008.

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Thomas und der dämonische Lüstling (Dämonenvertreibung) ActThom 42-50 (42) Der Apostel ging in die Stadt, und die ganze Menge folgte ihm. Er erwog aber, zu den Eltern des Jünglings zu gehen, den er lebendig gemacht hatte, nachdem er von einem Drachen getötet worden war. Denn sie baten ihn sehr, zu ihnen zu kommen und in ihr Haus einzutreten. Da rief plötzlich eine sehr schöne Frau mit lauter Stimme: »Apostel des neuen Gottes, der du nach Indien gekommen bist, und Knecht jenes heiligen und allein guten Gottes – denn durch dich wird dieser als Erlöser der Seelen derer, die zu ihm kommen, verkündigt, und durch dich werden die Leiber derer geheilt, die von den Feinden gezüchtigt werden, und du bist für alle Ursache zum Leben geworden, die zu ihm umkehren –, befiehl, dass ich vor dich geführt werde, damit ich dir erzähle, was mir widerfahren ist, und mir vielleicht von dir Hoffnung werde und diese, welche bei dir stehen, mehr in der Hoffnung auf den Gott, den du predigst, befestigt werden! Denn ich werde von dem Widersacher schon während einer fünfjährigen Zeitdauer nicht wenig gequält. Als Frau saß ich früher in Ruhe, und von allen Seiten umgab mich Friede, und ich sorgte um nichts. Denn ich kümmerte mich auch um keinen anderen. (43) Es geschah aber an einem Tage, als ich das Bad verließ, da begegnete mir verwirrt und bestürzt war. Seine Stimme und seine Antwort erschienen mir sehr dünn und schwach zu sein. Und er sprach, indem er mir gegenüber trat: ,Ich und du wollen in einer Liebe sein und wollen miteinander zusammen sein, wie ein Mann mit (seiner) Frau verkehrt.‹ Und ich antwortete und sprach zu ihm: ›Mit meinem Verlobten habe ich keinen Verkehr gehabt, weil ich die Heirat ablehnte, und wie sollte ich mich dir ausliefern, der du wie im Ehebruch mit mir zusammen sein willst?‹ Und als ich dies gesagt hatte, ging ich (an ihm) vorbei. Zu dem Mädchen, das bei mir war, sagte ich: ›Sahst du den Jüngling und seine Unverschämtheit, wie er ohne Scham frei mit mir redete?‹ Sie aber sprach zu mir: ›Ich sah einen Alten mit dir reden.‹ Als ich aber in mein Haus gekommen war und das Mahl gehalten hatte, gab mir meine Seele einen gewissen Argwohn ein, besonders deshalb, weil er in zwei Gestalten erschien. Und während ich dies im Sinn hatte, schlief ich ein. In dieser Nacht nun kam er und pflegte seinen schmutzigen Verkehr mit mir. Ich sah ihn aber auch, als es Tag war, und floh vor ihm. In der ihm verwandten Nacht aber kam er und missbrauchte mich. Und jetzt, wie du siehst, werde ich schon fünf Jahre von ihm belästigt, und er ließ nicht von mir ab. Aber ich weiß und bin über713

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zeugt, dass auch Dämonen, Geister und Unholde dir Untertan sind und vor deinem Gebet in Zittern geraten. Bete also für mich und vertreibe den mich fortwährend belästigenden Dämon von mir, auch ich frei und zu meiner ursprünglichen Natur versammelt werde und die Gabe empfange, die meine(n Verwandten) geschenkt ist!« (44) Der Apostel sprach aber: »O nicht zu bändigende Bosheit; o Unverschämtheit des Feindes; o Neidischer, der niemals ruhig ist; o Hässlicher, der die Schönen unterwirft; o Vielgestaltiger – wie er will, erscheint er, sein Wesen kann aber nicht verändert werden –; o über den Verschlagenen und Treulosen; o bitterer Baum, dem auch seine Früchte gleichen; o über den Verleumder, der um die Fremden kämpft; o über den Betrug, welcher Unverschämtheit anwendet; o über die Bosheit, die wie eine Schlange kriecht und !« Als der Apostel dies gesagt hatte, kam der Feind und trat vor ihn, ohne dass jemand außer der Frau und dem Apostel ihn sah, und sprach, allen vernehmlich, mit lautester Stimme: (45) »Was haben wir mit dir zu schaffen, Apostel des Höchsten? Was haben wir mit dir zu schaffen, Knecht Jesu Christi? Was haben wir mit dir zu schaffen, Berater des heiligen Sohn Gottes? Weshalb willst du uns verderben, da doch unsere Zeit noch nicht gekommen ist? Weshalb willst du unsere Macht nehmen? Denn bis zur jetzigen Stunde hatten wir Hoffnung und überbleibende Zeit. Was haben wir mit dir zu schaffen? Du hast Macht in deinem (Bereich) und wir im unsrigen. Weshalb willst du gegen uns Gewaltherrschaft anwenden, besonders da du selbst andre lehrst, keine Gewalt zu brauchen? Weshalb begehrst du also das Fremde wie einer, der mit dem Eigenen nicht zufrieden ist? Weshalb stellst du dich ganz dem Sohne Gottes gleich, der uns Unrecht zugefügt hat? Denn du gleichst ihm sehr, als wärst du von ihm geboren. Denn wir glaubten, auch ihn zu unterjochen wie die übrigen. Er aber wendete sich und hielt uns in seiner Gewalt. Denn wir kannten ihn nicht. Er täuschte uns aber durch seine ganz hässliche Gestalt und durch seine Armut und Bedürftigkeit. Denn als wir ihn so sahen, glaubten wir, dass er ein mit Fleisch umkleideter Mann sei, ohne zu wissen, dass er es ist, der die Menschen lebendig macht. Er gab uns aber Macht, in unserem (Bereich) und während unsrer Zeit das Unsrige nicht preiszugeben, sondern darin zu verweilen. Du aber willst über das Erforderliche und dir Eingeräumte hinaus erwerben und uns vergewaltigen!« (46) Als der Dämon dies gesagt hatte, weinte er und sprach: »Ich lasse dich, meine schönste Gemahlin, die ich gefunden und bei der ich ausgeruht habe. Ich verlasse dich, meine geliebte, zuverlässige Schwester, an der ich Wohlgefallen hatte. Was ich tun oder wen ich anrufen soll, dass er mich erhöre und mir beistehe, weiß ich nicht. Ich weiß, was ich tun soll: Ich werde an Orte gehen, zu denen die Kunde 714

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Thomas und der dämonische Lüstling ActThom 42-50

von diesem Mann nicht gedrungen ist; und für dich, meine Geliebte, werde ich vielleicht eine mit anderem Namen finden.« Und seine Stimme erhebend sprach er: »Bleibe in Frieden, die du Zuflucht zu dem genommen hast, der größer ist als ich. Ich aber werde fortgehen und eine dir Ähnliche suchen, und wenn ich sie nicht finde, kehre ich wieder zu dir zurück. Denn ich weiß, dass du, solange du diesem Mann ganz nahe bist, zu ihm Zuflucht nimmst, wenn er sich aber entfernt, wirst du wieder sein wie du warst, bevor er erschien, und wirst ihn vergessen, für mich aber wird wieder günstige Zeit und Freimut werden. Jetzt aber fürchte ich den Namen dessen, der dich geschützt hat.« Und als der Dämon dies gesagt hatte, wurde er unsichtbar, man sah aber nach seiner Entfernung nur Feuer und Rauch, und alle, die dort dabeistanden, gerieten vor Staunen außer sich. (47) Als aber der Apostel es sah, sprach er laut zu ihnen: »Jesus, verborgenes Geheimnis, das uns geoffenbart wurde, du bist es, der uns sehr viele Geheimnisse bekanntgemacht hat, der du mich von allen meinen Genossen ausgesondert und mir drei Worte gesagt hast, von denen ich glühe, die ich aber andern nicht sagen kann, Jesus, Mensch, Getöteter, Toter, Begrabener; Jesus, Gott aus Gott und Erlöser, der die Toten lebendig macht und die Kranken heilt; Jesus, der du bedürftig bist wie und erlösest wie einer, der keinen Mangel leidet; der du die Fische fängst für das Frühstück und die Hauptmahlzeit, der du alle mit wenigem Brot sättigst; Jesus, der du von der Anstrengung der Reise ausruhst wie ein Mensch und auf den Wogen wandelst wie ein Gott; (48) höchster Jesus, Stimme, die (der Sonne gleich) vom vollkommenen Erbarmen aufgeht; Heiland aller, rechte Hand des Lichts, die den Bösen durch seine eigene Natur niederwirft, und der du seine ganze Natur an einem Ort versammelst; Vielgestaltiger, der du der Eingeborene bist, der Erstgeborene vieler Brüder; Gott vom höchsten Gott und Mensch, der bis jetzt verachtet wird; Jesus Christus, der du uns in dem, worum wir dich anrufen, nicht vernachlässigst; der du geworden bist; der du um unsertwillen gerichtet und ins Gefängnis geworfen wirst, während du die dir Eigenen von der Verführung erlösest – ich bitte dich für diese, welche (hier) stehen und an dich glauben. Denn sie begehren, deine Gaben zu erlangen, indem sie frohe Hoffnung auf deine Hilfe setzen und Zuflucht zu deiner Majestät nehmen. Sie halten ihre Ohren offen, von uns die Worte zu hören, die zu ihnen gesagt werden. Es komme dein Frieden und wohne in ihnen, und er erneuere sie von ihren früheren Taten, und sie mögen den alten Mensch samt seiner Taten aus- und den neuen Menschen anziehen, der ihnen jetzt von mir verkündigt wird!« (49) Und er legte die Hände auf sie, segnete sie und sprach: »Die Gnade unseres Herrn Jesus sei auf euch in Ewigkeit!« Und sie sprachen: 715

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

»Amen.« Es bat ihn aber die Frau und sprach: »Apostel des Höchsten, gib mir das Siegel, damit jener Feind sich nicht wieder zu mir wende!« Da ließ er sie nahe an sich herantreten, legte seine Hände auf sie und siegelte sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Aber auch viele andere wurden mit ihr versiegelt. Der Apostel befahl seinem Diener (Diakon), zur Seite einen Tisch aufzustellen. Und sie stellten eine Bank hin, die sie dort fanden. Und er breitete ein linnenes Tuch darüber und legte das Brot des Segens darauf. Und der Apostel trat hinzu und sprach: »Jesus, der du uns gewürdigt hast, an der Eucharistie deines heiligen Leibes und Blutes teilzunehmen, siehe, wir erkühnen uns, zu deiner Eucharistie zu treten und deinen heiligen Namen anzurufen; komm und habe mit uns Gemeinschaft!« (50) Und er begann zu sagen: » Komm, vollkommene Barmherzigkeit; Komm, Gemeinschaft mit dem Männlichen;

Komm, Kennerin der Geheimnisse des Auserwählten; Komm, Teilnehmerin an allen Kämpfen des edlen Athleten;

Komm, Ruhe (Schweigen), Die du die Großtaten der ganzen Größe offenbarst; Komm, die du Verborgenes enthüllst Und die Geheimnisse kundtust; Heilige Taube, Die die Zwillings-Jungen gebiert; Komm, verborgene Mutter; Komm, die du durch deine Taten offenbart bist und Freude spendest Und Ruhe für alle, die dir verbunden sind; Komm und nimm mit uns teil an dieser Eucharistie, Die wir in deinem Namen begehen, Und an dem Liebesmahl, Zu dem wir auf deinen Ruf versammelt sind.« Und als er dies gesagt hatte, schnitt er auf das Brot das Kreuz ein, brach es und fing an auszuteilen. Und zuerst gab er der Frau, indem er sprach: »Gereiche dir dies zur Vergebung von Sünden und ewigen Vergehungen!« Und nach ihr gab er auch den anderen allen, die das Siegel empfangen hatten. Zur Textrekonstruktion und Übersetzung vgl. Drijvers 1997, 321-324.

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Thomas und der dämonische Lüstling ActThom 42-50

Sprachlich-narratologische Analyse Der Text erzählt von der fünften Wunder-Tat, die der Apostel Thomas auf seiner Missionsreise nach bzw. in Indien vollbracht haben soll. Im Zentrum der Szene stehen diesmal drei Personen, nämlich Thomas, sein dämonischer Gegenspieler und eine Frau, die von Letzterem sexuell genötigt bzw. missbraucht wird. Der ganz im Geiste der Thomasakten sehr ausführlich gestaltete Text schließt unmittelbar an die vorhergehende Erzählung von der Überwindung eines Drachen an, insofern der Apostel nun die Eltern des dabei geretteten Sohnes aufsucht. In dieser Situation wird die für die folgende Erzählung zentrale Person eingeführt. Dabei handelt es sich um eine Frau, die aufgrund ihrer Schönheit seit fünf Jahren von einem Dämon besessen ist und von diesem sexuell missbraucht wird. Diese Frau, die im Gegensatz zu vielen weiteren Episoden der Thomasakten nicht eigens namentlich identifiziert wird, bittet Thomas darum, dass er sie von jenem Dämon befreit, damit sie wiederum ein Leben führen kann, das von Askese und sexueller Enthaltsamkeit geprägt ist. Dieses für die Thomasakten fundamentale Lebensideal soll die anonyme Frau bereits zuvor praktiziert haben, insofern sie selbst mit ihrem Verlobten streng enthaltsam lebte. Auf diese Anfrage hin nimmt Thomas einen Exorzismus vor. Erzählanalytisch betrachtet ist bemerkenswert, wie die weitere Handlung beschrieben wird. Zunächst legen der bzw. die Autoren dieses Textes Thomas ein ausführliches Gebet bzw. eine Anrufung Jesu in den Mund, die aufgrund einer Vielzahl von Christus-Prädikationen für die Christologie der Thomasakten aufschlussreich ist (s.u. die Beobachtungen zum traditions- und religionsgeschichtlichen Hintergrund). Es folgt eine vergleichbar ausführliche Klagerede des Dämonen, die ihrerseits das Verständnis der soteriologischen Dimensionen des Wirkens Jesu bzw. des Apostels Thomas ergänzt. Nach dem erfolgreichen Exorzismus bittet die von dem Dämon befreite Frau Thomas darum, sie mit einem Siegel davor zu beschützen, dass der Dämon zurückkehren kann. Diesen Wunsch gewährt Thomas der Frau und allen Anwesenden, um anschließend mit ihnen die Eucharistie zu feiern. Dabei bleiben der (bzw. die) Verfasser dieses Textes ihrer Erzählstrategie treu. Sie integrieren in den Introitus des rituellen Vollzugs eine dritte lange Rede des Apostels, in der wiederum die soteriologischen und christologischen Konzeptionen zutage treten, die den Thomasakten zugrunde liegen.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Ebenso wie bei den gesamten Traditionsstoffen der Thomasakten ist es auch bei der fünften Tat des Apostels Thomas schwer, präzise den sozial- und realgeschichtlichen Kontext dieser Erzählung zu erfassen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die »Thomasüberlieferung […] eine sehr rätselhafte apostolische Tradition mit völlig disparaten Traditionssträngen« ist (Tubach 2006, 109). Der Text bietet selbst keine Indizien, die speziell die fünfte Tat des Apostel Thomas genauer veror717

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tet. Geographisch und chronologisch betrachtet, können die Thomasakten generell angesichts der frühen syrischen Textfassungen und der thematischen Berührungen mit syrischer Theologie bzw. Philosophie (v.a. Tatian und Bardaişan) wahrscheinlich im östlichen Syrien des frühen 3. Jh. verortet werden (Drijvers 1997, 290; ders. 1966, 15 bzw. 96f.). Bemerkenswert ist dabei, in welcher Weise die Thomasakten einen Einblick in missionstheologische und ekklesiologische Entwicklungen in diesen Gebieten gewähren. Thomas wird nicht nur als derjenige dargestellt, der unter den Aposteln Jesu Indien als Missionsgebiet zugeordnet bekommt (ActThom 1), sondern er wird auch zum Gründer christlicher Gemeinden stilisiert, der selbst die ersten Presbyter und Diakone eingesetzt hat (ActThom 169). Entsprechend werden im Erzählverlauf der Thomasakten fortwährend Abendmahl und Taufe als essentielle christliche Identitätsmerkmale angesprochen (vgl. u.a. ActThom 27; 121; 132f.; 150; 157). In Bezug auf ActThom 49f. stellt sich dabei die Frage, inwieweit die textinternen Erzählungen von dem Vollzug der Eucharistie rituelle Gegebenheiten der textexternen Kultpraxis widerspiegeln. Besondere Beachtung verdient in diesem speziellen Text das Motiv, dass in das Brot des Abendmahls ein Kreuz eingeschnitten wird (zur Stellung dieses Motivs im Spektrum altkirchlicher bzw. syrischer Liturgie Murray 1975, 69f. bzw. Klijn 2003, 12f.). Ein besonders markantes Thema, welches durch diesen Text in das Zentrum des argumentativen Interesses gerückt wird, ist jedoch die Frage des Umgangs von Männern und Frauen in der Öffentlichkeit im Generellen und das Phänomen sexueller Nötigung, geschweige denn Vergewaltigung im Speziellen, deren Präsenz und Gestaltung in der antik-mediterranen Welt vielfach und in verschiedenen Formen dokumentiert ist (vgl. Doblhofer 1994, passim). Die vorliegende Szene der Thomasakten konzentriert sich dabei auf die spezielle Situation einer bereits verlobten Frau, die noch sexuell enthaltsam lebt. Dem asketischen Lebensideal der Thomasakten entsprechend wird Sexualität weitestgehend diskreditiert und mit einer dämonischen Besessenheit in Verbindung gebracht.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Erzählung von der fünften Tat des Apostels Thomas bietet eine Fülle von traditions- und religionsgeschichtlich bemerkenswerten Facetten, von denen im Folgenden lediglich eine kleine Auswahl exemplarisch hervorgehoben werden kann. Ebenso wie für die gesamten Thomasakten ist auch für die Episode ActThom 42-50 die Forderung nach einem asketischen, von sexueller Enthaltsamkeit geprägten Leben ein zentrales Anliegen. Diese ethische Haltung, die sich in verschiedenen Traditionsbereichen des syrischen Christentums beobachten lässt, geht jedoch nicht mit einer prinzipiellen Diskreditierung der Schöpfung bzw. der körperlich-materiellen Dimension menschlicher Existenz einher. Im Geiste zeitgenössischer mittelplatonischer Konzeptionen wird z.B. eine körperliche Schönheit zwar als eine potentielle Irritation für ein vernunftgeleitetes Leben verstanden, aber nicht als dämonische 718

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Macht (vgl. neben ActThom 42 auch u.a. ActThom 30; 53; entsprechend Luttikhuizen 2001, 110-112). Eine gnostische Leibfeindlichkeit, die mit einer kategorischen Ablehnung der Schöpfung einhergeht, liegt den Thomasakten nicht zugrunde (vgl. Drijvers 1997, 301). Für die Christologie der Thomasakten sind insbesondere die längeren RedePassagen aufschlussreich, die der Apostel und sein dämonischer Kontrahent in den Mund gelegt bekommen. Während in den Thomasakten generell ein breites Repertoire christologischer Hoheitstitel vorliegt (vgl. u.a. ActThom 27f.; 49; 132; 149), ist in Bezug auf ActThom 42 bemerkenswert, dass der Dämon einerseits Jesus im Sinne der jesajanischen Gottesknechtslieder als eine »hässliche Gestalt« bezeichnet, die während ihres irdischen Wirkens nicht in ihrer eigentlichen Dignität erkannt werden konnte. Andererseits verdient es hervorgehoben zu werden, in welcher Weise der Dämon sich gegen Thomas bzw. Jesus argumentativ zu wehren versucht. Er hebt nämlich hervor, dass ihm durch den Exorzismus Gewalt angetan wird, was eigentlich mit dem jesuanischen Gebot der Feindesliebe nicht zu vereinbaren sei. Auch weitere Aussagen erweisen – wenn dies etwas salopp formuliert werden darf – den Dämon als einen ›schriftgelehrten Gesprächspartner‹, was prinzipiell den synoptischen Erzählungen von der Versuchung Jesu entspricht. Als er sich von der Frau, die er fünf Jahre lang beherrscht hatte verabschiedet, warnt er sie, dass er zurückkehren werde, wenn sie Thomas bzw. die christliche Botschaft vergessen würde. Dieses Motiv entspricht der bereits in der Logienquelle tradierten Warnung, dass eine dämonische Besessenheit noch schlimmere Ausmaße annehmen kann, wenn lediglich ein Exorzismus vorgenommen wird, ohne dass der Befreite eine neue Erfüllung durch seinen Glauben erfährt (vgl. Q 11,24-26). Die Mahnung mündet in die Vergabe des ›Schutzsiegels‹, welches eine bleibende Errettung gewährleisten soll und im Rahmen einer Eucharistiefeier verliehen wird (zur Eigentümlichkeiten entsprechender liturgischer Vollzüge in syrischen Traditionen vgl. Murray 1975, 69f.).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Ebenso wie viele Episoden der Thomasakten fordert implizit auch die Erzählung ActThom 42-50 zu einem asketischen Lebensideal auf. Die Begründungen der soteriologischen Bedeutung dieser Forderungen können sehr unterschiedlich ausfallen. Besonders eindrücklich tritt dies in dem Brautlied (ActThom 6f.) zutage, das ebenso wie das Perlenlied (ActThom 108-113) ursprünglich eine eigenständige Dichtung des syrischen Christentums war und durch die Einbettung in die legendarische Erzählung der Worte und Taten des Apostels eine neue theologische Ausrichtung erfuhr (vgl. Kruse 1984, 291f.; Zimmermann 2001a, 547-549). In diesem Zusammenhang kann die fünfte Tat des Apostels Thomas als ein weiterer Appell zur sexuellen Enthaltsamkeit verstanden werden, der ein Argument einführt, das so zuvor noch nicht formuliert wurde. Der Text konstatiert, dass die namentlich nicht benannte Frau eigentlich ein enkratitisches Lebensideal anstrebt, dies jedoch nicht praktizie719

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ren kann, weil sie dämonisch besessen ist. Dieses Motiv kann jedoch auch schlicht als eine indirekte Dämonisierung sexueller Begierde verstanden werden. Gegen eine solche negative Beurteilung der menschlichen Geschlechtlichkeit kann freilich theologisch kritisch angefragt werden, inwiefern hierbei eine fundamentale Überzeugung eines biblischen Schöpfungsverständnisses in Frage gestellt wird, demzufolge die Differenz von Mann und Frau und die menschliche Fortpflanzung von Gott gewollt und somit positiv zu bewerten sind. Exemplarisch sei verwiesen auf die priesterschriftliche Schöpfungsvorstellung Gen 1,28f., derzufolge die Fortpflanzung des Menschen nicht erst durch einen Sündenfall und einen dadurch bedingten Verlust eines paradiesischen Urzustandes des Menschen provoziert wird. Für die priesterschriftliche Anthropologie wird die Fortpflanzung des Menschen vielmehr von Gott selbst geboten und sie steht unter seinem Segen (vgl. Hieke 2003, 257-263). Gleichwohl bietet der Text selbst ein Verstehensangebot, in welcher Situation ein solches asketisches Lebensideal erstrebenswert sein kann. In ihrer ersten Rede betont die anonyme Frau, dass sie in jener Zeit, in der sie sexuelle Enthaltsamkeit praktiziert hatte, in Ruhe leben konnte, weil sie sich um nichts sorgen bzw. für keinen anderen Menschen Verantwortung tragen musste. An diesem erzählerischen Detail wird ein Aspekt erkennbar, der die Differenz zwischen den sozialen Herausforderungen der antiken Welt, aus denen heraus dieser Text entstanden ist und in die hinein er wirken möchte, und der Situation heutiger Lesern dieser Episode zutage tritt. Im Gegensatz zu heutigen Gegebenheiten gab es in der antiken Welt zumeist nicht die Möglichkeit, Sexualität auszuleben, ohne mit der Konsequenz von möglichem Nachwuchs zu rechnen. In sozial schwachen Lebenskontexten konnte die Verantwortung für Kinder leicht zu massiven gesellschaftlichen Benachteiligungen führen. Im Zusammenhang mit einem christlichen Missionsideal, welches das gesamte Leben auf die Verbreitung der Botschaft Jesu ausrichtet, kann eine solche Okkupation mit familiären Aufgaben hinderlich sein. Eine solche Einschätzung steht auch der schon bei Paulus bzw. seinen korinthischen Adressaten zu beobachtenden Haltung nahe (vgl. insbesondere 1 Kor 7,32f.), die jedoch im Kontrast zu den Thomasakten wesentlich deutlich von einer massiven Erwartung der nahen Wiederkunft Jesu geprägt ist (zum Spektrum unterschiedlicher Deutungsmöglichkeiten von 1 Kor 7,19.25-33 vgl. Gundry-Volf 1996, 519-541). Darüber hinaus kann gefragt werden, in welcher Weise die Aspekte dieser Erzählung einen Einblick in konkrete missionarische Verhaltensweise gewähren. Auch wenn sich in den Thomasakten die Ebenen legendarischer Stilisierungen und Deskriptionen historischer Gegebenheiten kaum solide differenzieren lassen, so vermitteln gerade die missionstheologisch relevanten Aspekte der vorliegenden Erzählung den Eindruck, dass hier Verhaltensweisen bzw. Riten beschrieben werden, die so in entsprechenden Gemeinschaften vollzogen wurden (vgl. v.a. die Beschreibung der Versiegelung gegen dämonische Versuchungen [ActThom 49] und das im Zusammenhang der Eucharistiefeier tradierte Gebet [ActThom 50]; zur Siegelmetapher vgl. Zimmermann zu ActThom 119-122 in diesem Band).

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Thomas und der dämonische Lüstling ActThom 42-50

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte ActThom 42-50 weist eine bemerkenswerte Parallele zu dem wohl bekanntesten Zeugnis der Thomastradition auf, nämlich zum Thomasevangelium. In seiner zweiten Appellation an Jesus (ActThom 47) hebt Thomas hervor, dass Jesus ihm ›drei Worte‹ anvertraut habe, von denen er »glühe, die […] (er) aber andern nicht sagen kann«. Diese Aussage wird im Zusammenhang der Thomasakten nicht genauer erläutert und scheint somit den Lesern der Thomasakten bekannt zu sein. Es handelt sich hierbei nämlich um eine Rezeption von EvThom 13, wo mit diesem Motiv die Sonderstellung des Thomas im Kreise der Nachfolger Jesu begründet wird. Auch wenn unmittelbar zuvor dem Herrenbruder Jakobus eine zentrale Bedeutung für die hierarchischen Strukturen der sich sukzessive entwickelnden kirchlichen Gemeinschaften zugestanden wird (EvThom 12), ist Thomas derjenige, dem die geheime Botschaft Jesu anvertraut wird, deren Deutung ewiges Leben vermittelt (vgl. EvThom Incipit bzw. EvThom 1-2; zur Bedeutung dieses Motivs für die Thomastraditionen vgl. Popkes 2007, 88-90). Gleichwohl lässt die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Jesus und Thomas in diesen beiden Zeugnissen der Thomastraditionen Akzentunterschiede erkennen. Während im Thomasevangelium von Jesus explizit betont wird, dass Jesus nicht bzw. nicht mehr der Lehrer des Thomas sei (EvThom 13) und jeder seiner Nachfolger mit ihm wesenseins werden kann (EvThom 108), wird in den Thomasakten deutlich zwischen der Dignität des auferstandenen Gottessohnes Jesus und der seines Apostel Thomas unterschieden (zum Spektrum christologischer Hoheitstitel vgl. neben ActThom 49 u.a. ActThom 27f.; 132; 149). Die enkratitisch-asketischen Appelle der Thomasakten entfalteten nicht nur im syrischen Christentum bzw. bei den sogenannten indischen Thomaschristen eine breite Wirkungsgeschichte (vgl. Van Den Bosch 2001, 125f.), sondern v.a. auch im Manichäismus. An diesem Phänomen lässt sich paradigmatisch ablesen, wie fließend die Übergänge zwischen gnostisch-manichäischen und nicht-gnostischen Traditionsbildungen sein konnten (vgl. Klauck 2005, 189f.). Entsprechend betont Nagel (1973, 171) zu Recht, dass die Thomasakten im Generellen und deren asketisch-enkratitischen Züge im Speziellen »unmittelbar in die Vor- und Frühgeschichte des Manichäismus […]« gehören. Enno Edzard Popkes

Literatur zum Weiterlesen J. N. Bremmer, The Acts of Thomas. Place, Date and Women, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001a, 74-90. I. Czachesz, The Bride of the Demon. Narrative Strategies of Self-definition in the Acts of Thomas, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001, 36-52. J. M. Gundry-Volf, Controlling the Bodies. A Theological Profile of the Corinthian Sexual Ascetics, in: R. Bieringer (Hg.), The Corinthian Correspondence, BEThL 125, Leuven 1996, 519-541.

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P. J. Hartin, The Search for the True Self in the Gospel of Thomas, the Book of Thomas and the Hymn of the Pearl, HTS 55 (1999), 1001-1021. Ders., The Role and Significance of the Character of Thomas in the Acts of Thomas, in: J. A. Asgeirsson/A. D. De Conick/R. Uro (Hg.), Thomasine Traditions in Antiquity. The Social and Cultural World of the Gospel of Thomas, NHMS 59, Leiden et al. 2006, 239-253. G. P. Luttikhuizen, The Hymn of Jude Thomas, the Apostle, in the Country of the Indians (ATh 108-113), in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001, 101-114. P. Sellew, Thomas Christianity. Scholars in Quest of a Community, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001, 11-35.

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Beziehungsstress, Mord – und ein Happy End (Die Auferweckung eines ermordeten jungen Mädchens) ActThom 53f. Die sechste Tat des Apostels Thomas (ActThom 51-61) wird bereits durch ein wunderbares Ereignis ausgelöst. Als er die Eucharistie empfangen will, vertrocknen einem jungen Mann beide Hände. Thomas erkennt, dass dies Zeichen einer schweren Sünde sein muss. Vom Apostel angesprochen, fällt der Jüngling auf die Knie und gibt seine Schuld zu. Er hat – nach griechischem Text – eine junge Frau, die er liebte, die sich aber von ihm nicht zu einem gemeinsamen Leben in sexueller Enthaltsamkeit überreden ließ, mit dem Schwert getötet (ActThom 51). Deutlich anders ist die Darstellung des Ereignisses im syrischen Text, wo es heißt, dass der Jüngling mit ihr geschlafen und sie dabei getötet habe, damit sie mit keinem anderen Mann Verkehr haben könne. Dem entsprechen wiederum unterschiedliche Darstellungen der Reaktion des Apostels: Während dieser laut griechischer Version zwar sexuelle Begierde als Teufelswerk anklagt, aber dem jungen Mann letztlich keinen Vorwurf macht, ist die Schuld des jungen Mannes in der syrischen Version durchaus thematisiert. Daraufhin werden zunächst die Hände des jungen Manns in geweihtem Wasser geheilt (ActThom 52). Zusammen mit dem Jüngling macht der Apostel sich nun auf die Suche nach dem Leichnam des Mädchens. Die Erzählung fährt folgendermaßen fort (Übersetzung nach Lipsius/Bonnet 1959, 2/2, 169-171): (53) Der Apostel aber sprach zu ihm [= dem Jüngling, TN]: »Komm, gehen wir zu der Herberge, wo du dieses Werk vollbracht hast, und sehen wir uns das Geschehene an!« Da ging der Jüngling dem Apostel voraus auf den Weg. Als sie in der Herberge waren, fanden sie sie liegen. Wie aber der Apostel sie so sah, begann er den Mut zu verlieren: Das Mädchen war nämlich von schöner Gestalt. Und er befahl, sie in die Mitte des Gasthauses zu tragen. Sie legten sie auf eine Bahre, trugen sie hinaus und legten sie in die Mitte des Hofs der Herberge. Es legte ihr aber der Apostel seine Hand auf und begann zu sprechen: »Jesus, der du uns immer erscheinst – denn du willst es, dass wir dich immer aufsuchen; auch hast du selbst uns diese Vollmacht gegeben zu bitten und zu empfangen, und nicht nur dies hast du uns erlaubt, sondern auch das Beten hast du uns gelehrt – du, der du nicht gesehen wirst von den leiblichen Augen, der du denen unserer Seele jedoch nicht gänzlich verborgen bist, der zwar dem Anschauen nach verborgen ist, uns jedoch den Werken nach offenbar, wir haben dich an deinen vielen Taten, so wie wir (sie) erfassen, erkannt. Du selbst aber hast uns ohne Maß deine Gaben gegeben und gesagt: ›Bittet und es wird euch gegeben werden, sucht und 723

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ihr werdet finden, klopft an und es wird euch geöffnet werden.‹ Wir bitten also, weil wir wegen unserer Sünden Furcht haben. Wir bitten dich aber nicht um Reichtum, nicht um Gold, nicht um Silber, nicht um Besitz und nicht um etwas anderes von den Dingen, die von der Erde kommen und wieder zur Erde zurückkehren, wir bitten dich vielmehr darum und rufen dich an, dass du diese, die hier liegt, in deinem heiligen Namen auferweckst mit deiner Kraft zu (deiner) Ehre und zum Glauben der Umstehenden.« (54) Und er sprach zu dem Jüngling, nachdem er ihn besiegelt hatte: »Geh, nimm ihre Hand und sag zu ihr: ›Ich habe dich mit meinen Händen durch Eisen getötet, mit meinen Händen erwecke ich dich aufgrund des Glaubens an Jesus.‹« Es ging also der Junge hinzu, trat zu ihr und sagte: »Ich bin zum Glauben an dich, Christus Jesus, gekommen.« Und während er auf Judas Thomas, den Apostel, blickte, sagte er zu ihm: »Bete für mich, damit mein Herr mir zu Hilfe komme, den auch ich anrufe.« Und er legte seine Hand auf ihre Hand und sagte: »Komm, Herr Jesus Christus, gewähre ihr das Leben, mir aber das Handgeld des Glaubens an dich.« Und sofort, als er ihre Hand zog, sprang sie auf und setzte sich, sie blickte auf die große Menschenmenge, die dabei stand. Sie erblickte aber auch den Apostel, der ihr gegenüber stand, verließ die Bahre, sprang vor seine Füße, fiel nieder, fasste seine Kleider und sagte: »Ich bitte dich, mein Herr, wo ist jener andere, der mit dir ist, der mich nicht in jenes furchtbare Land voll Qual zurückließ, sondern mich dir übergab und sagte: ›Nimm du diese an, damit sie vollendet werde und dann in ihr Land versammelt werde.‹« Der Apostel bittet nun das wieder zum Leben gekommene Mädchen, den Ort zu beschreiben, an dem sie gewesen sei. Über mehrere Kapitel (ActThom 55-57) folgt die Beschreibung einer Hölle, die an Jenseitsbeschreibungen erinnert, wie wir sie etwa in der Offenbarung des Petrus und anderen frühchristlichen Texten finden (Klauck 2005, 171; vgl. auch Nicklas 2009). Noch mehr aber als vergleichbare Texte konzentriert sich dieser Abschnitt auf Strafen für sexuelle Verfehlungen, ja im Grunde für Sexualverkehr schlechthin. Der Apostel antwortet auf die Beschreibung der Hölle mit einer Ermahnung der Umstehenden (ActThom 58), die daraufhin zum Glauben kommen.

Sprachlich-narratologische Analyse Die oben angegebene Übersetzung orientiert sich an der griechischen Version des Textes, die syrische Fassung bietet demgegenüber eine Reihe von kleineren Abweichungen, von denen wenigstens die wichtigeren genannt seien (zum syrischen Text Wright 1968; zum synoptischen Vergleich auch Klijn 2003, 130-132): 724

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Beziehungsstress, Mord – und ein Happy End ActThom 53f.

(1) Anders als das Griechische spricht der syrische Text in ActThom 53 nicht von einem »Mädchen von schöner Gestalt«, sondern nur von einem »Mädchen«, was die Reaktion des Apostels schwerer erklärbar macht. (2) Anstelle der »Augen der Seele«, mit denen Christus erkennbar sei (ActThom 53), spricht der syrische Text von den »Augen der Erkenntnis». (3) Unterschiede ergeben sich auch im ersten Satz von ActThom 54. Der syrische Text ist hier deutlich länger. Thomas fordert den jungen Mann auf, sein Wesen auf den Herrn zu richten, und besiegelt ihn darauf hin mit dem Kreuz. Dass die griechische Version den Verlauf der Handlung in etwas ursprünglicherer Form bewahrt haben dürfte, zeigt die Tatsache, dass das folgende, vom jungen Mann verlangte Bekenntnis in beiden Versionen davon spricht, dass er das Mädchen mit Eisen getötet hat, was im syrischen Text, wo vorher nicht vom Schwert die Rede war, in der Luft hängt. (4) Eine Variante ergibt sich auch im Schlusssatz von ActThom 54, wo das Syrische von der Vollendung der jungen Frau »durch Glauben in ihrer Liebe« spricht. Zudem ist am Ende von »meinem Ort (bzw. Land)» anstelle »ihres« Landes die Rede. Der Bezug ist dann anders – es geht um das Land Christi. Über diese Einzelheiten hinaus zeigt der Text eine spannende Figurenkonstellation: Der junge Mann, der zum Mörder wird, ist (besonders deutlich in der griechischen Version) gefangen von dem Zueinander seiner Christusbeziehung und der Beziehung zu einer offenbar sehr schönen und gerade dadurch als problematisch empfundenen Frau, die er offenbar weder loslassen noch sie davon überzeugen kann, in einer Weise mit ihm zu leben, die für ihn (und damit für beide) eine aus Sicht der Thomasakten angemessene Christusbeziehung ermöglicht. So entscheidet er sich gegen den Sexualakt, aber für ihre Ermordung mit dem Schwert, zerstört damit aber, wie das Wunder bei der Eucharistie zeigt, auch seine Christusbeziehung. In dieser ausweglosen Situation tritt Thomas als Vermittler und geradezu Bild Christi auf den Plan. In seinem Gebet erinnert Thomas Christus an die verheißenen Möglichkeiten des Glaubens und bittet, die Ermordete »in seinem heiligen Namen aufzuerwecken«. So wird einerseits klar gemacht, dass es nur Christus sein kann, der in dieser Situation eine Lösung ermöglicht, andererseits die eigentliche Handlung vom Apostel auf den Jüngling selbst übertragen, der in seiner Bitte zu Christus und bei gleichzeitiger Berührung der Hand seiner Geliebten die Beziehung zu beiden zum Ausdruck bringt. Die Auferweckung lässt die junge Frau jedoch nun nicht einfach in ihr altes Leben zurückfallen – ihre Erfahrungen am höllischen Jenseitsort machen ihr deutlich, dass nun auch sie »vollendet« werden muss. Gleich an mehreren Stellen deutet der Text dem Leser an, dass dessen Deutung der Erzählung nicht einfach platt an der Oberfläche bleiben darf, wirken doch einzelne Details geradezu surreal: Wir lesen von einem jungen Mann, der seine Geliebte ermordet, dann aber offenbar mehr oder minder (offenbar ohne größere Gewissensbisse) zur Eucharistie eilt, von einem Apostel, der ihn dafür nicht sofort zutiefst verdammt, sondern mit ihm zur Herberge geht, wo die Leiche liegt, ohne dass irgendjemand etwas unternommen hätte. Dort wiederum verliert er nicht etwa 725

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deswegen den Mut, weil er sie tot liegen sieht, sondern weil sie schön ist. Fast aus dem Nichts heraus wird plötzlich eine »große Menschenmenge« als Zeugen der Szene geschildert – und auch aus dieser Menschenmenge verständigt niemand nach solch einer Untat die Behörden. Ungewöhnlicher könnte eine Morderzählung nicht geschildert werden. Überraschend ist nicht nur die überaus abrupte Reaktion der Verstorbenen, die geradezu vom Tod ins Leben aufspringt, ohne sich dessen bewusst zu sein, was mit ihr geschieht, ungewöhnlich und herausfordernd ist so im Grunde der ganze Plot, der sich ganz auf die Lösung des im Kern liegenden Beziehungsproblems richtet und so den Leser von der reinen Frage, wie denn eine Auferweckung von Toten möglich sei, auf tiefere Deuteebenen verweist.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Realienkundliche Hintergründe scheinen für die Deutung der Szene eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Dass der Text daran kaum ein Interesse zeigt, ist an einer Reihe von Punkten erkennbar: Weder wird die Frage gestellt, wie viel Zeit zwischen der Ermordung der jungen Frau und dem (versuchten) Empfang der Eucharistie vergangen ist, noch scheint es den Text zu interessieren, wie es möglich ist, dass der Leichnam des Mädchens in einem Gasthof zumindest über mehrere Stunden offenbar unbemerkt und unversehrt bleiben konnte. Auch die Tatsache, dass am Ende des Gebets von ActThom 53 unvermittelt eine Menge von »Umstehenden« als anwesend vorausgesetzt wird, spricht dafür, dass es dem Text kaum um eine Logik zu gehen scheint, die sich an historischen Plausibilitäten orientiert. Die Interpretation muss daher auf einer anderen, eher symbolischen Ebene ansetzen. Wichtig immerhin ist, dass der Text mit dem Eucharistieempfang geradezu magische Vorstellungen verbindet. Gleichzeitig aber entsteht erneut das logische Problem, ob der junge Mann bereits als getauft oder noch als ungetauft anzusehen ist, wenn er etwas später noch einmal (mit dem Kreuzzeichen; syr.) besiegelt werden muss. Insgesamt allerdings bezeugen die Thomasakten Formen sakramentaler Feiern, die sich von dem, was sich später als »großkirchlich« durchsetzte, unterscheiden (weiterführend Rouwhorst 1990).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund (1) Der Schlüssel für die Interpretation der Szene liegt sicherlich im Enkratismus der Thomasakten (weiterführend Tissot 1988), für die jegliche Form des sexuellen Verkehrs oder sexuellen Verlangens als Sünde gilt. So wird zumindest in der griechischen Version im Grunde nicht ganz klar, wer die größere Sünde begangen hat – der Jüngling oder das junge Mädchen. Der Jüngling hat zwar das Mädchen mit einem Schwert getötet, doch sie damit offensichtlich zumindest vor der Sünde des Ehebruchs bewahrt. Seine ursprünglichen Absichten mit ihr waren ja – aus der Sicht der 726

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Thomasakten – ganz rein. Interessanterweise trifft ihn von Seiten des Apostels auch kaum ein Vorwurf, dieser gilt vielmehr der menschlichen Sexualität, die als Werk einer Schlange (und damit des Teufels; vgl. Adamik 2001) angeklagt wird (ActThom 52). Die junge Frau dagegen musste wegen ihrer sexuellen Begierden eine Höllenreise erfahren, aus der sie durch Christus aufgrund der Fürbitte des Apostels (und schließlich auch ihres Geliebten) gerettet wird. Anders ist sicherlich die syrische Version zu deuten, wo beide als schwer schuldig verstanden sind. – Damit zusammenhängend ist sicherlich auch der zumindest in der griechischen Version erkennbare Gedanke, dass der Apostel den Mut zu verlieren droht (ἀθυμέω athymeō), als er den Leichnam des Mädchens erblickt. Dies scheint weniger daran zu liegen, dass sie tot ist, als an ihrer schönen Gestalt, die sexuelle Begierden hervorrufen kann. (2) Die Form der Jenseitsreise – gerne mit einem besonderen Schwerpunkt auf eschatologischen Straforten – findet ihre ältesten jüdischen Vertreter bereits im 1. Buch Henoch; der älteste christliche Text, der zumindest von einer Vision von Paradies und Hölle spricht, ist die ursprünglich griechische Offenbarung des Petrus aus der ersten Hälfte des 2. Jh., an deren Darstellungen der Hölle ActThom 55f. offenbar deutlich angelehnt ist. (3) An einer Reihe von Stellen spielt der Text zudem auf Passagen aus den Schriften des Neuen Testaments an: So mag das Motiv der verdorrten Hand an die in Mk 3,1-6 (par. Mt 12,9-14; Lk 6,6-11) erzählte Sabbatheilung erinnern. Der Gedanke, dass sich die Bluttat des jungen Mannes beim Verzehr der Eucharistie auf wunderbare Weise offenbart, wiederum mag an paulinische Aussagen aus 1 Kor 11 erinnern, wo dieser dazu ermahnt, die Eucharistie in »würdiger Weise« zu essen und zu trinken, um sich nicht »das Gericht zuzuziehen« (1 Kor 11,30). In seinem Gebet wiederum verweist der Apostel auf Aussagen der Bergpredigt zum Gebet (vgl. Mt 6,5-15), ja er erinnert Christus geradezu an seine eigenen Aussagen über die Macht des Gebets und zitiert dabei explizit Mt 7,7.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Für eine angemessene Deutung des Textes sind verschiedene Beobachtungen von Interesse. (1) Dem eigentlichen Wunder wird ein ausführliches Gebet zu Christus, dem Zwilling des Apostels, vorausgeschickt. Thematisiert wird dabei einerseits die Frage des angemessenen Betens, andererseits aber auch das Gegenüber der Unzugänglichkeit bzw. Verborgenheit Christi gegenüber den leiblichen Augen und der Erkennbarkeit für die Augen der Seele bzw. der Erkenntnis, die aufgrund seiner Taten möglich wird. Dieses Gegenüber entspricht im Grunde dem Gegenüber des sichtbaren Apostels, dem »Zwilling« Christi, der für jedermann erkennbar handelt, und dem eigentlich wunderbaren Handeln des unsichtbar anwesenden Christus, der die junge Frau aus der Unterwelt befreit. Dass tatsächlich Christus, für die Umstehenden unsichtbar, gehandelt hat, zeigt sich in der Frage, die das auferweckte Mädchen 727

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an den Apostel richtet (ActThom 54). Gleichzeitig ergibt sich als eine Funktion des Wunders, den Umstehenden das Handeln des unsichtbaren, verborgen wirkenden Christus offenbar zu machen. (2) Auch wenn es sicherlich falsch wäre, in ActThom 54 den jungen Mann als »Wundertäter« zu bezeichnen, so ist doch interessant zu sehen, dass er es ist, der die tote junge Frau an der Hand nimmt und sie nach Anleitung des Apostels – und aufgrund des Handelns Christi – wieder erweckt. Dabei wird mehrfach das Motiv des »Glaubens an Christus« hervorgehoben. Gleichzeitig entsteht, wenn hier mehrfach das Ineinander bzw. die Berührung der Hände der beiden betont wird, der starke Eindruck, dass hier tatsächlich so etwas wie die vom jungen Mann in ActThom 51 gewünschte Hochzeit stattfindet. Diese Form der Hochzeit aber, die nun im Glauben offensichtlich als ganz frei von jeder Form sexuellen Verlangens gesehen wird, ist dann gleichzeitig als Übergang vom Tod zum Leben verstanden. (3) Als wie schlimm jede Form sexueller Verfehlung, ja sexuellen Verlangens gedeutet wird, zeigt gleichzeitig die kurze Erzählung einer Jenseits- bzw. konkreter einer Höllenreise (ActThom 55f.): Soeben von den Toten auferweckt, kann die junge Frau – sozusagen aus »erster Hand« – von den furchtbaren jenseitigen Strafen, die bei sexuellen Verfehlungen drohen, berichten. So lässt sich die Wundererzählung auf unterschiedlichen Ebenen verstehen: Offenbart werden soll das unsichtbare Wirken Christi, dessen Bild im sichtbaren Zwilling Thomas erkennbar wird. Dieses Wirken ist auch da Leben schaffend, wo der Tod gesiegt zu haben scheint. Diese Leben schaffende Kraft Christi wiederum wird hier in ein konkretes Gegenüber zum menschlichen Verlangen nach Sexualität gebracht: Diese wird nicht als das Zueinander zweier Liebender erfüllend und dabei neues Leben ermöglichend, sondern als Tod bringend und letztlich teuflisch verstanden. Der Text ist hier so extrem, dass er nicht einfach nur bestimmte sexuelle Praktiken verurteilt, sondern jede Form sexuellen Verlangens. Beide Versionen des Textes gehen im Grunde so weit, einen engen narrativen Zusammenhang zwischen Sexualakt und Mord herzustellen. Selbst die im griechischen Text berichtete Tötung der jungen Frau mit dem Schwert (als Phallussymbol) könnte Assoziationen mit einem Sexualakt erwecken. Der über den Apostel vermittelte Glaube an Christus wiederum ermöglicht den Übergang auch der jungen Frau von ihrer Todverfallenheit zum Leben. Ihre Wiederbelebung ist deswegen geradezu wie eine Art von Eheschließung, jedoch eine in der Form, wie sie der junge Mann nach ActThom 51 wünschte, inszeniert. Die Tatsache, dass ein konkreter Einzelfall in der drastischen Weise, wie dies hier geschieht, erzählt wird, ermöglicht so einerseits, dass die wiederbelebte junge Frau zur Zeugin der zu erwartenden Höllenstrafen gemacht werden kann. Andererseits zeigt sich bereits an der Tatsache, dass weder der junge Mann, noch das Mädchen einen Namen erhalten, die Offenheit der Erzählung: Es geht auch typologisch um das Verhältnis zwischen jungen Männern und Frauen allgemein (Czachesz 2001, 47) bzw. konkreter um die Frage, wie diese angemessen mit ihrer auch sexuell bestimmten Zuneigung umzugehen haben bzw. welche Lösungen der Glaube an Christus für 728

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Beziehungsstress, Mord – und ein Happy End ActThom 53f.

ein (aus Sicht des Textes) angemessenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen anbieten kann. Diese Lösung wird im Grunde schon in ActThom 51 angeboten: Erwartet wird ein Zusammenleben in absoluter Keuschheit, die alleine als eine Form von Reinheit verstanden wird, welche dem Christusglauben gerecht wird. Psychologisch gesehen, begegnen wir in diesem Text also einer aus heutiger Sicht sicherlich nicht unproblematisch erscheinenden Verarbeitung menschlicher Sexualität. Sozialgeschichtlich betrachtet, scheint eine christliche Gruppe, die sich aufgrund extrem asketisch-enkratitischer Praktiken von ihrer (paganen wie vielleicht auch christlichen) Umwelt abgrenzen möchte, dies auf den Willen Christi und seines Zwillings, des Apostels Thomas, zurückzuführen und damit gleichzeitig auch ihre eigene Verkündigung – unterstützt durch die drastischen Beschreibungen von Höllenstrafen – rechtfertigen zu wollen. Tobias Nicklas

Literatur zum Weiterlesen T. Adamik, The Serpent in the Acts of Thomas, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001, 115-124. I. Czachesz, The Bride of the Demon: Narrative Strategies of Self-Definition in the Acts of Thomas, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SECA 6, Leuven 2001, 36-52. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten, Stuttgart 2005. A. F. J. Klijn, The Acts of Thomas: Introduction, Text, and Commentary, NT.S 108, Leiden/ Boston 22003. R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, Bd. 2/2, Darmstadt 1959 (Nachdr. der Ausgabe Leipzig 1903). T. Nicklas, Als die Hölle christlich wurde – Metamorphosen des Jenseits, Blick in die Wissenschaft 21 (2009), 34-40. G. Rouwhorst, La célébration de l'eucharistie selon les Actes de Thomas, in: C. Caspers/M. Schneiders (Hg.), Omnes Circumadstantes: Contributions Towards a History of the Role of the People in the Liturgy, Kampen 1990, 51-77. Y. Tissot, L’Encratisme des Actes de Thomas, ANRW II, 25.6 (1988), 4415-4430. W. Wright, Apocryphal Acts of the Apostles, Amsterdam 1968 (Nachdr. der Ausgabe London 1871).

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»Du wirst große Wunder sehen!« (Wildesel, Exorzismus und Erweckung) ActThom 68-81 (78) Und die wilden Esel standen beieinander und trennten sich nicht voneinander; aber der wilde Esel, dem durch die Kraft des Herrn die Rede verliehen worden war, sprach zum Apostel, während alle schwiegen und hinsahen, was sie denn tun würden: »Wieso stehst du da nutzlos, Apostel Christi, des Höchstens, der auf dich hinsieht, dass du ihn um die schönsten Lehren bittest? Wieso zögerst du also? Denn dein Lehrer will seine Großtaten durch deine Hände zeigen. Warum stehst du einfach da, Herold des Verborgenen? Denn dein {Meister} will durch dich das Geheime bekannt machen, indem er es für die aufbewahrt, die er für würdig hält, es zu hören. Warum bist du stumm, der du große [Taten] im Namen des Herrn vollbringst? Denn dein Herr ermuntert dich, indem er Mut in dir erzeugt. Fürchte dich also nicht! Denn er wird deine Seele nicht verlassen, die dem Geschlecht nach zu dir gehört. Fang also an, ihn anzurufen, so wird er dich bereitwillig hören. Warum stehst du einfach da und bewunderst alle seine Taten und Wirkungen? Denn diese Dinge sind gering, die er durch sie gezeigt hat. Wie würdest du seine großen Gaben schon beschreiben? Du bist doch nicht imstande, sie zu erzählen. Warum wunderst du dich aber über seine körperlichen Heilungen, die er vollbringt, besonders da du die zuverlässige und bleibende Heilung kennst, die er denen, die [sein Eigentum] sind, gewährt? Und warum blickst du auf dieses zeitliche Leben hin, und über das ewige denkst du nicht nach?« (79) Euch aber, Volksmengen, die ihr dabeisteht und erwartet, dass die zu Boden gestreckten Frauen erweckt werden, sage ich: Glaubt dem Apostel Jesu Christi! Glaubt dem Lehrer der Wahrheit! Glaubt dem, der euch die Wahrheit zeigt! Glaubt an Jesus! Glaubt an Christus, der geboren wurde, damit die Geborenen durch sein Leben das Leben hätten, der auch ein Kind wurde und auferzogen ward, damit die vollkommene Menschheit durch ihn zur Erscheinung käme. Er lehrte seine eigenen Lehrer, denn er ist der Lehrer der Wahrheit und der Weiseste der Weisen, der auch im Tempel die Gabe darbrachte, um zu zeigen, dass alle Darbringung durch ihn geheiligt werde. Dieser da ist sein Apostel, der Offenbarer der Wahrheit. Dieser ist es, der den Willen dessen ausrichtet, der ihn gesandt hat. Es werden aber Lügenapostel und Propheten der Gesetzlosigkeit kommen, deren Ende nach ihren Taten sein wird, welche zwar predigen und Gesetz geben, dass man vor der Gottlosigkeit fliehen solle, selbst aber zu aller Zeit in Sünden befunden werden. Sie 730

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»Du wirst große Wunder sehen!« ActThom 68-81

sind zwar mit Schafsfellen bekleidet, inwendig aber sind sie reißende Wölfe; sie, welche mit einem Weibe nicht zufrieden, viele Frauen verderben; sie, welche sagen, dass sie Kinder verachten und viele Kinder zugrunde richten, für welche sie Strafe erleiden; die mit ihrem Besitz nicht zufrieden sind, sondern wollen, dass sie seine Jünger seien; und mit ihrem Munde reden sie so, in ihrem Herzen aber denken sie anders; den andern gebieten sie, sich vor den Schlechtigkeiten zu sichern, sie selbst aber vollbringen nichts Gutes; die für Mäßige gehalten werden und den anderen gebieten, sich der Hurerei, des Diebstahls und der Habsucht zu enthalten, heimlich aber alle diese Dinge selbst ausüben, während sie die andern lehren, sie nicht auszuüben.« (80) Als der Wildesel dies aussagte, blickten alle auf ihn. Und als er schwieg, sprach der Apostel: »Was ich über deine Schönheit denken und was ich über dich aussagen soll, weiß ich nicht. Vielmehr aber, ich vermag es nicht. Denn ich bin nicht imstande, es völlig auszusagen – du Christus, Ruhender und Einziger, der weise ist, der allein, was im Herzen ist, kennt und den Inhalt des Gedankens versteht. Dir sei Preis, Barmherziger und Gelassener; dir sei Preis, weises Wort; Preis sei deiner Barmherzigkeit, die über uns ausgegossen ist; Preis sei deinem Mitleid, das über uns ausgebreitet ist; Preis sei deiner Majestät, die sich um unsertwillen erniedrigt hat; Preis sei deiner Stärke, die um unsertwillen schwach wurde; Preis sei deiner Menschheit, die um unsertwillen starb, um uns lebendig zu machen; Preis sei deiner Auferstehung von den Toten, denn durch sie wird unsern Seelen Auferstehung und Ruhe zuteil; Preis und Ruhm sei deiner Auffahrt in den Himmel, denn durch sie hast du uns den Weg zur Höhe gezeigt, nachdem du uns versprochen hattest, dass wir zu deiner Rechten sitzen und mit dir die zwölf Stämme Israels richten sollten. Du bist das himmlische Wort des Vaters, du bist das verborgene Licht des Verstandes, du bist der, welcher den Weg der Wahrheit zeigt, o Verfolger der Finsternis und Vernichter des Irrtums!« (81) Als der Apostel dies gesagt hatte, trat er zu den Frauen hin und sprach: »Mein Herr und mein Gott, ich zweifle nicht an dir, noch rufe ich dich im Unglauben an, der du jederzeit unser Helfer und Beistand und Wiederaufrichter bist, der du uns deine Kraft einhauchst, uns ermutigst und deinen Knechten Freimut in Liebe gibst, ich bitte dich: Mögen diese Seelen geheilt aufstehen und so werden, wie sie waren, bevor sie von den Dämonen geschlagen wurden! Als er dies aber gesagt hatte, wendeten sich die Frauen und setzten sich. Und der Apostel befahl dem Offizier, dass seine Diener sie nähmen und hineinführten. Als sie aber hineingegangen waren, sprach der Apostel zu den Wildeseln: »Folgt mir!« Und sie folgten ihm bis außerhalb der Tore. Und als sie herausgegangen waren, sprach er: »Geht in Frieden auf eure Weideplätze!« Die Wildesel gingen nun bereitwillig fort. Der Apostel aber stand und ach731

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tete auf sie, damit ihnen nicht von jemand ein Unrecht zugefügt würde, bis sie, weit weg, unsichtbar wurden. Da kehrte der Apostel mit der Menge in das Haus des Offiziers zurück. Übersetzung überarbeitet nach Drijvers 1997.

Sprachlich-narratologische Analyse In dieser Passage finden sich zwei eng verwobene Wunder: (1) der Exorzismus/die Heilung der Frau des Offiziers, und (2) das wunderbare Verhalten der Wildesel verbunden mit der Tatsache, dass einer der Wildesel in menschlicher Sprache spricht. Das erste ist (abgesehen von den Wildeseln) ein typischer Exorzismus. Die Einführung der Tiere verlängert allerdings das Wunder um neunzehn Kapitel (ActThom 62-81), und dabei unterbricht und unterstreicht sie mehrere Abschnitte des Exorzismus. Die Ankunft des Offiziers, seine Beschreibung der Ursache der Besessenheit, und seine Bitte um Hilfe (ActThom 62-67) werden vom wunderbaren Gehorsam der Wildesel gefolgt (ActThom 68-71). Bei der Anreise zum Haus des Offiziers bittet der Apostel Jesus um Rat, was den ersten Schritt des Exorzismus darstellt (ActThom 72f.; er ruft aber sofort einen der Wildesel und befiehlt ihm, in das Haus zu gehen und die Dämonen herauszurufen, was der Wildesel dann auch macht (ActThom 73f.). Es folgt eine Auseinandersetzung zwischen dem Apostel und den Dämonen, die der Apostel natürlich gewinnt (ActThom 75-77); die Frauen (die anscheinend tot am Boden liegen) werden aber wenig beachtet. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Exorzismus in folgende zwei Teile geteilt ist: (1) die Austreibung des Dämonen gefolgt von (2) der Erweckung des anscheinend toten Besessenen. In diesem Fall erfolgt der zweite Teil nur mit dem Eingriff des Wildesels und dabei nur nach einer langen Rede (ActThom 78f.). Die Episode kommt schließlich nicht mit der Erweckung der Frau und der Tochter zum Ende (obwohl sie ja erweckt werden), sondern mit der Rückkehr der Wildesel in die Wüste, woher sie gekommen waren (ActThom 81). Der sprechende Wildesel und seine auf wunderbare Weise gehorsamen Freunde müssen näher untersucht werden. Die Wildesel betreten am Anfang der achten Tat die Bühne. Judas Thomas, der in der siebten Tat vom Offizier des Königs angesprochen wurde, hat sich bereit erklärt, mit dem Offizier nach Hause zu gehen, um die Frau und die Tochter, die von Dämonen angegriffen worden sind, zu heilen. Nach nur wenigen Meilen ermüden die Zugtiere und können sich nicht mehr bewegen. Der Offizier ist verzweifelt, aber Judas Thomas ermutigt ihn und sagt: »Glaube an Jesus Christus, den ich dir verkündigt habe, und du wirst große Wunder sehen« (πίστευσον εἰς Ἰησοῦν Χριστὸν, ὃν κατήγγειλά σοι, καὶ θαυμάσια ὄψει μεγάλα pisteuson eis Iēsoun Christon, hon katēngeila soi, kai thaumasia opsei megala, ActThom 69). Diese Wunder fangen sofort an: Der Apostel sieht am Straßenrand eine Herde Wildesel weiden, und sagt zum Offizier: »Geh zu jener Wildeselherde und sprich: ›Es sagt euch Judas Thomas, der Apostel Christi, des neuen Gottes, vier von euch sollen kommen.‹« Die Wildesel verstehen den Befehl und kommen sofort; allerdings 732

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»Du wirst große Wunder sehen!« ActThom 68-81

konkurrieren sie darum, eingespannt zu werden (ActThom 70). Die vier kräftigsten von ihnen werden eingespannt und finden ohne Führung den Weg zum Haus des Offiziers (ActThom 71). Dass der Gehorsam der Wildesel schon ein »Wunder« darstellt, wird durch die Reaktion der Mengen bestätigt: »Die ganze Stadt kam nun, nachdem sie die wilden Esel angejocht gesehen hatte« (ActThom 71). Warum ist so etwas ein Wunder? Eine Erklärung findet sich in der Literatur der antiken Naturkunde. Beispielsweise beschreibt Aelian (in seiner Tiergeschichte) den indischen Wildesel fast wie ein mythisches Wesen: Er hat eine erstaunliche Farbgebung (weißer Körper, violetter Kopf und dunkelblaue Augen) und ein riesiges Horn mitten in der Stirn; diesem Horn kommt magische Heilkraft zu (nat. 4,52 und 3,41; vgl. Philostr. vit. Ap. 3,2). Obwohl der Hausesel als faul und schwerfällig bekannt war, war der indische Wildesel für seine Geschwindigkeit berühmt; er war nämlich kräftig, sehr gefährlich und angeblich imstande, ein Pferd mit seinem Horn und mit einem Biss in zwei Stücke zu zerreißen (Ael. nat. 4,52). Dass das Tier kampflustig war, sieht man am Gebrauch des Wildesels als Krieger in indischen Arena-Wettkämpfen (Ael. nat. 15,15). Dass solch ein Tier dem Befehl eines Menschen gehorcht und freiwillig vor einen Wagen gespannt wird, ist in der Tat ein großes Wunder! Das wunderbare Verhalten eines der Wildesel setzt sich in ActThom 73 fort. Beim Haus des Offiziers angekommen, betet Judas Thomas zum Herrn und bittet, dass Jesus fordert, was geschehen soll. Der Erzähler sagt nichts über eine Antwort Jesu; Thomas dreht sich aber sofort um, spricht einen der Wildesel an und befiehlt dem Tier (ebenso wie schon der Offizier), in den Hof zu gehen und die Dämonen herauszurufen. Der Wildesel geht hinein, gefolgt von der Menge, macht seinen Mund auf und spricht. Der Apostel hat ihm gesagt, was er sagen soll, aber der Wildesel sagt nicht nur das, sondern noch mehr. Er improvisiert und fügt seine eigenen Worte hinzu. Die Rede hat die gewünschte Wirkung: Die besessene Mutter und Tochter kommen sofort heraus, dorthin, wo Judas Thomas die Dämonen austreibt. Wie schon erwähnt, ist der Exorzismus erfolgreich; die Mutter und Tochter sind wie tot zu Boden gefallen (vgl. Mk 9,26). Darüber hinaus spielt der Wildesel eine weitere Rolle. Als der Apostel ahnungsoder hilflos dasteht, hält der Wildesel eine Rede (vgl. Übersetzung). Der Wildesel ist verärgert und tadelt den Apostel wegen seines Nichttuns: »Warum stehst du einfach da und bewunderst alle seine Taten und Wirkungen?« Am Inhalt der Rede des Wildesels ist seine kritische Ankündigung von »Lügenaposteln und Propheten der Gesetzlosigkeit« am interessantesten. Sie sind heuchlerische Männer, die predigen, dass man vor der Gottlosigkeit fliehen soll, die aber selbst oft sündigen, indem sie Frauen und Kinder verderben. Erneut finden sich Erklärungen in der Literatur der antiken Naturkunde dazu, was diese Kommentare aus dem Mund des Wildesels hier bedeuten. Einigen Autoren zufolge ist das männliche Leittier der Herde ein extrem libidinöses Wesen. Jedes hat viele Eselinnen, die es eifersüchtig bewacht. Deswegen kastriert es mit einem Biss die neugeborenen männlichen Wildesel, damit es keine Konkurrenz hat (Opp. Cyn. 3,183-187; Plin. nat. 8,46; Physiologus 9). Das heißt, 733

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der Wildesel ist für genau das Verhalten berühmt, das unser sprechender Wildesel an den »Lügenaposteln und Propheten der Gesetzlosigkeit« kritisiert. Der Wildesel kastriert die Jungtiere (und zwingt sie damit, keusch zu sein), behält aber für sich selbst eine ganze Herde an Eselinnen. Er sagt das eine mit dem Mund (wörtlich mit dem Biss!), tut aber etwas ganz anderes. Ein männliches Leittier einer Herde ist also der ideale ironische Bote dieser Botschaft. Auffälligerweise sind unsere Wildesel πῶλοι (pōloi – Füllen). Demnach ist es durchaus möglich, dass diese Wildesel als eine Herde der Kastraten zu verstehen sind. Mit anderen Worten: Hier in der Welt der Natur findet man eine Gruppe von Eunuchen, die ein zurückgezogenes Leben in der Wüste führen. Als der Wildesel seine Rede beendet hat, betet Judas Thomas mit einer langen Doxologie zum Herrn, und bittet darum, dass »die Seelen der Frauen geheilt aufstehen« (ἰαθεῖσαι αἱ ψυχαὶ ἀναστήτωσαν iatheisai hai psychai anastētōsan). Demnach hat dieses Wunder, das tatsächlich nur den Abschluss des Exorzismus (in ActThom 77 angefangen) ist, deutliche Elemente einer Heilung und einer Auferweckung. Die Frauen richten sich sofort auf; die Diener des Offiziers führen sie wieder hinein. Der Apostel begleitet dann die Wildesel zum Stadttor und beobachtet, wie sie in Frieden auf ihre Weideplätze zurückkehren.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Wie schon erwähnt, wäre ActThom 62-81 ein typischer – wenn auch etwas längerer und unterbrochener – Exorzismus, würden die Wildesel nicht vorkommen. Der Exorzismus ist vergleichbar mit Texten wie z.B. Mk 9,14-29 oder Philostr. vit. Ap. 3,38 und 4,20. Die Frauen sind von Dämonen besessen, die sie auf typische Weise quälen: Die Dämonen werfen sie zu Boden und entblößen sie, so dass sie nicht mehr außer Haus gehen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können (ActThom 64). Ein verzweifelter Verwandter – hier der Mann und Vater – spricht den Apostel an; der Apostel fragt dann nach seinem Glauben, damit Jesus die Heilung wirklich vollbringen kann (ActThom 65; vgl. Mk 9,23-24). Der Apostel stimmt dann zu, den Besessenen zu helfen; er kämpft mündlich mit den Dämonen (ActThom 75-77), treibt sie aus (ActThom 75) und verbannt sie letztendlich von der menschlichen Welt (ActThom 77). Selbst wenn es typisch ist, dass der Besessene sofort nach dem Exorzismus tot zu sein scheint, haben wir es in diesem Fall nicht nur mit Scheintod zu tun. Denn der Erzähler berichtet: »Die Frauen aber lagen wie Tote hingestreckt; sie hatten keinen Atem und hatten keine Stimme mehr« (πεσοῦσαι αἱ γυναῖκες ἀπενεκρώθησαν οὔτε γὰρ πνεῦμα εἶχον οὔτε φωνὴν ἐδίδουν pesousai hai gynaikes apenekrōtēsan; oute gar pneuma eichon oute phōnēn edidoun, ActThom 77). Diese Tatsache sowie der zeitliche Ablauf von Exorzismus und Erweckung der Frauen hinterlässt den Eindruck, dass zwei verschiedene Wunder vollbracht werden: (1) der Exorzismus und (2) die Auferweckung. Das wohl außergewöhnlichste Element in dieser Episode ist allerdings die Rolle, die die Wildesel spielen. Bei jedem Schritt sind sie entscheidend: Sie bieten dem 734

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Offizier die Gelegenheit, seinen Glauben an Jesus zu beweisen (ActThom 69f.); sie ermöglichen die Fahrt des Apostels zu den besessenen Frauen (ActThom 70f.); der sprechende Wildesel ist der, der die Dämonen zuerst herausruft (ActThom 73f.); und dieser Wildesel ist es, der den Apostel motiviert, die Frauen letztendlich zu erwecken (ActThom 78f.). Wie bereits dargelegt, arbeitet der Autor dieser Episode mit antiken naturgeschichtlichen Kenntnissen über Wildesel; so legt er die Verkündigung des Enkratismus in den Mund des idealen Boten. Hier gibt es allerdings noch einiges mehr zu untersuchen und zu entschlüsseln. Der Gehorsam, die Begabung, der Verstand und die Barmherzigkeit des Wildesels stellen einen Gegensatz zum Verhalten der Menschen in dieser Episode dar. Nachdem Judas Thomas dem Offizier aufgetragen hatte, die Wildesel anzurufen, fürchtet sich dieser und zögert; dem Befehl des Offiziers, zu kommen und eingespannt zu werden, folgen die Wildesel einmütig, laufen schnell hin und drängeln, eingespannt zu werden. Den Auftrag von Judas Thomas, die Dämonen herauszurufen, setzt der sprechende Wildesel sofort um, sagt allerdings mehr, als der Apostel angeordnet hat (ActThom 74). Während die Dämonen dem Apostel Widerstand leisten (ActThom 75f.), gehorchen sie dem Wildesel sofort. Am skandalösesten ist letztendlich die Tatsache, dass bei der Austreibung der Dämonen, bei der allerdings die Frauen immer noch am Boden liegen, der Wildesel derjenige ist, der den Apostel zum Handeln zwingt. Obwohl Judas Thomas tatsächlich den Exorzismus und die Auferweckung vollbringt, ist somit der Wildesel der eigentliche Held dieser Episode. Hier finden wir also eine nicht besonders subtile Kritik an der Menschheit im Vergleich zur Tierwelt. Wie wir sehen werden, spielt dieses Thema in philosophischen und religiösen Debatten der Antike eine große Rolle.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Zwar ist die Rolle der Tiere in diesem Wunder ungewöhnlich; jedoch ist die Anwesenheit der Tiere typisch für apokryphe Apostelakten. Diese Texte sind voll von Tieren: gehorsame Wanzen, riesige Schlangen, ein seltsames Rebhuhn, ein sprechender Hund, ein wiederauferweckter Fisch, gefährliche Robben und zwei freundliche Löwen spielen wichtige Rollen in diesen Erzählungen (vgl. Spittler 2008, passim). In den Thomasakten selbst finden sich eine liebeskranke, mörderische Schlange und ein sprechender Esel. Diese »Tierepisoden« (d.h. narrative Passagen, in denen ein Tier eine entscheidende Rolle spielt) findet man auch überall in der populären Biographie, Historiographie und Romanliteratur der ersten Jahrhunderte n. Chr. (vgl. a.a.O., 65-72). Diese Tierepisoden hängen oft mit einer umfassenderen Diskussion und philosophischen Debatte über den Status der Tiere im Gegenüber zum Menschen zusammen – insbesondere mit der Frage, ob Tiere vernunftbegabt sind oder nicht (vgl. Spittler 2008, 15-26). In den Texten, die direkt mit der philosophischen Debatte zu 735

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tun haben (z.B. Plut. anim. oder Philo anim.), bieten Anekdoten über gehorsames Ungeziefer, intelligente Elefanten, freundliche Löwen usw. Beweise dafür, dass Tiere vernunftbegabt sind. Die gleichen Anekdoten – oder narrative Episoden, die darauf basieren – findet man auch in Biographien, Historiographien und Romanliteratur, wobei die Funktion dort eine andere ist. So beschreibt beispielsweise Iamblichos in seiner Biographie des Pythagoras die Fähigkeit des Philosophen, mit einem Ochsen zu kommunizieren, als Beweis seiner Göttlichkeit (Iamb. vit. Pyth. 13,61). In ähnlicher Weise deutet die wunderbare Fähigkeit Alexanders, als Kind das Menschen fressende Pferd Bukephalos sofort zu zähmen, die übermenschliche Großmut des Königs an (Hist. Alex. Rezension β 1,17). Die Fähigkeit des Judas Thomas, mit den Wildeseln zu kommunizieren, und auch ihr sofortiger Gehorsam erfüllen sicherlich eine ähnliche Funktion. Das Gleiche gilt auch für Johannes und die gehorsamen Wanzen (ActJoh 60f.), Petrus und den sprechenden Hund (ActPetr 9) und Paulus und den getauften Löwen (ActPl 9; P.Hamb. 4f.). Hier ist aber noch ein weiteres Thema zu entdecken. Man kann davon ausgehen, dass die apokryphen Apostelakten eine mannigfaltige Gruppe von Texten mit vielen verschiedenen Interessen darstellen; ein gemeinsames Thema ist allerdings Enkratismus, besonders sexuelle Enthaltsamkeit (sogar für Ehepartner). Tiere werden normalerweise mit Sexualität und Zeugung assoziiert; es gibt eine lange Tradition in der griechischen Literatur, die niederen Instinkte der Menschen als Tiere darzustellen (z.B. Plato rep. 588b-589b). Man erwartet also, dass die apokryphen Apostelakten, die sich so sehr für Enthaltsamkeit interessieren, die Tiere negativ präsentieren – entweder als die Gegenspieler, gegen die der Apostel kämpfen muss, oder als Metaphern für die negativen Eigenschaften der Menschen. Aber im Gegensatz dazu sind die Tiere in den apokryphen Apostelakten – und in erster Linie der sprechende Wildesel – größtenteils positive Beispiele des guten Verhaltens. Der Wildesel selbst verkündigt die Botschaft der Enthaltsamkeit und kritisiert sexuelle Sittenlosigkeit. Zwar werden die apokryphen Apostelakten manchmal als gnostisch charakterisiert, aber eine solche pauschale Verurteilung ist in der Forschungsliteratur mittlerweile nicht mehr besonders oft zu finden (vgl. Plümacher 1978, 54). Allerdings kann behauptet werden, dass sich die Thomasakten am Rande des Dualismus bewegen, insofern als die materielle, erschaffene Welt abgelehnt wird. In diesem Kontext ist es sicherlich bedeutend, dass Wildesel, die sonst als Vertreter der natürlichen Welt verstanden werden, so positiv dargestellt werden.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Günther Bornkamm, der mit Recht den Wildesel als Doppelgänger des Esels in der vierten Tat betrachtet, hat dargelegt, dass die Bedeutung der beiden Episoden nicht in den Wundern liegt (d.h. in der Tatsache, dass die Tiere sprechen können), sondern in der mythischen Darstellung der Himmelsreise – der mythologischen Reise 736

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der Seele in den Himmel. Bornkamm schreibt: »Das Reittier soll offenbar nichts anderes sein als ein Sinnbild des Leibes, der die Seele trägt, aber die Erlösung nicht selbst erlangen kann« (1933, 34). Klijn stimmt zwar grundsätzlich zu, dass der von Wildeseln gezogene Wagen eine Darstellung der Himmelsreise ist, aber lehnt die Esel-Körper-Typologie ab. Er ist der Meinung, dass der Esel vielmehr für die Menschheit steht (a.a.O., 110). Es ist gut möglich, entsprechend Bornkamms Ansicht, dass beide, der Esel und die Wildesel, den menschlichen Körper repräsentieren, d.h. die beide Episoden sich für eine symbolische Interpretation eignen. Wenn es eine symbolische Bedeutung gibt, so muss man über die Unterschiede zwischen dem Esel und den Wildeseln nachdenken: Warum weigert sich der Apostel, auf dem Esel zu reiten und ihn am Ende der vierten Tat aufzuerwecken, wohingegen er die Wildesel als Lasttiere aufsucht und sie am Ende der achten Tat liebevoll auf ihre Weideplätze zurückbringt? Eine mögliche Interpretation versteht die zwei Arten von Eseln als symbolische Darstellungen der zwei Arten von menschlichem Körper: Der Esel repräsentiert den »normalen« Körper, der das ganz normale Leben lebt; der Wildesel aber repräsentiert den asketischen Körper, der ein abstinentes Leben in der Wüste lebt – wie eine Herde kastrierter Wildesel (vgl. Spittler 2008, 216-221). Man kann das wunderbare Verhalten der Wildesel ebenso wie das besondere Verhalten des sprechenden Wildesels als eine positive Aufwertung des asketischen, enthaltsamen Lebensstils, den die Thomasakten durchweg befürworten, interpretieren. Gleichzeitig muss man diese Tiere als Tiere ernst nehmen – nicht nur als symbolische Darstellungen der menschlichen Körper. Wie schon erwähnt, war der Status der Tiere im Gegenüber zu Menschen ein heiß umstrittenes Thema in antiken philosophischen Kreisen. Dies gilt auch für frühchristliche Kreise (im Streit zwischen sogenannten Gnostikern und proto-orthodoxen Christen). In diesem Kontext hat die Erzählung eines Wunders, in dem ein wildes Tier eine solch aktive Rolle spielt, eine hohe theologische Bedeutung. Eine theologische Interpretation dieser Episode unterstreicht die positive Aufwertung der Tierwelt und demzufolge der ganzen Natur. Die Wildesel – gehorsamer und klüger als die menschlichen Figuren, sogar als der Apostel selbst – sind hier ein wichtiger Teil der ganzen Schöpfung; sie sind genauso geeignet wie Menschen (wenn nicht sogar besser als diese), Vertreter Gottes zu sein. Im Kontext der facettenreichen Landschaft des Frühchristentums, die etliche Gruppen enthält, die die ganze Natur ablehnen, ist das ein wichtiges theologisches Argument. Für den heutigen Leser hat dieses theologische Argument aber vielleicht die Dringlichkeit verloren, die es im antiken Kontext besaß. Insofern muss gerade in unserer gegenwärtigen Zeit, in der die Zurückweisung der natürlichen Welt nicht primär theologisch (wie z.B. in der Verleugnung der Schöpfung und des Schöpfergottes der hebräischen Bibel bei einigen frühchristlichen Gruppierungen), sondern pragmatisch (z.B. in unserer Rücksichtslosigkeit in Bezug auf die Gesundheit und das Wohlergehen nicht-menschlicher Spezies und der Erde selbst) begründet wird, dieser Episode neue, nicht weniger zentrale Bedeutung zugemessen werden. Eine 737

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ökologische Interpretation des Textes wird aufgrund der durchweg positiven Darstellung der Tiere im Gegenüber zu den Menschen dafür plädieren, den zentralen Platz der Menschheit in der Schöpfung zu hinterfragen und das menschliche Verhalten gegenüber Tieren und der natürlichen Welt im Allgemeinen neu zu bewerten.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Wie bereits erwähnt, ist der sprechende Wildesel nur einer von mehreren sprechenden Tieren in den ActThom (vgl. den Esel in der vierten Tat und die Schlange in der dritten Tat); auch in den anderen apokryphen Apostelakten findet man noch weitere, z.B. den Hund in ActPetr 9; 12 (vgl. Hoffmann zu ActPetr 4-15 in diesem Band), den getauften Löwen in ActPl 9 (vgl. Merz zu ActPl 9,1-15.22-26 in diesem Band) oder das Kitz in ActPhil 12. Obwohl die jeweilige Datierung dieser Texte nicht sicher ist, ist klar, dass der Autor der Thomasakten nicht der Erste ist, der dieses Motiv entwickelt. Allerdings findet man das Motiv nicht nur in frühchristlichen Texten. Bileams Esel (Num 22,30-35) ist sicherlich eine Vorlage, ebenso wie das sprechende Pferd des Achilles (Il. 19) und die Tiere in den Fabeln des Äsop. Sprechende Tiere erscheinen in mehreren Genres der Literatur des 2. Jh. n. Chr., z.B. im satyrischen Dialog Gallus des Lukian, wo ein sprachbegabter Hahn eigentlich der wiedergeborene Pythagoras ist, und im Alexanderroman, der dem Genre nach den ActThom sehr ähnlich ist, wo man eigenartige, sprechende Vögel findet (Hist. Alex. Rezension β 2,40, α und β 3,28). Zu beachten ist, dass die Tiere in den anderen apokryphen Apostelakten normalerweise das Objekt des Wunders sind, d.h. dort ist das ungewöhnliche Verhalten (z.B. die Tatsache, dass ein Tier sprechen oder menschliche Sprache verstehen kann) das Wunder. Der Gehorsam der Wildesel passt zu diesem Modell. Der Anteil des sprechenden Wildesels an dem Wunder geht aber weit über dieses Modell hinaus und ist in dieser Hinsicht einzigartig innerhalb der apokryphen Apostelakten. Janet E. Spittler

Literatur zum Weiterlesen G. Bornkamm, Mythos und Legende in den apokryphen Thomas-Akten. Beiträge zur Geschichte der Gnosis und zur Vorgeschichte des Manichäismus, FRLANT 31, Göttingen 1933. A. F. J. Klijn, The Acts of Thomas. Introduction, Text and Commentary, Leiden 22003. J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/24, Tübingen 2008.

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Das Siegel öffnet für das Heil (Das Türöffnungswunder mit Mygdonias Taufe) ActThom 119-122 (119) Während Mygdonia noch über diese Dinge bei sich nachdachte, kam Judas herein und trat vor sie hin. Als sie ihn sah, fürchtete sie sich und vor Schreck wurde sie ohnmächtig und fiel hin. Er aber stellte sich daneben und nahm ihre Hand und sagte zu ihr: »Fürchte dich nicht, Mygdonia. Jesus (Syr. add. der Messias) wird dich nicht verlassen und der Herr, dem du dein Leben geweiht hast, wird dich nicht missachten. Seine erbarmungsreiche Ruhe wird dich nicht im Stich lassen. Der Wohltäter wird dich nicht im Stich lassen wegen seiner vielen Wohltaten, noch der Gute wegen seiner Güte. Steh also auf von der Erde, denn du hast ganz die Oberhand über sie gewonnen. Sieh das Licht, denn der Herr lässt die, die ihn lieben, nicht in der Finsternis wandeln. Schau auf den Weggefährten seiner Sklaven, denn er selbst ist ihnen ein Begleiter in Gefahren.« Und Mygdonia stand auf, blickte ihn an und sagte: »Wie kamst du davon, mein Herr? Und wer hat dich aus dem Gefängnis herausgeführt, um die Sonne zu sehen?« Spricht Judas Thomas zu ihr: »Mein Herr Jesus (Syr. add.: der Messias) ist mächtiger als alle Mächte, Könige und Herrschenden. (Syr. add.: er öffnete die Türen und hüllte die Wächter in Schlaf.)« (120) Und Mygdonia sagte: »Gib mir das Siegel Jesu Christi und ich will aus deinen Händen (die) Gabe empfangen, bevor du aus dem Leben gehst.« Und sie nahm ihn und ging in den Hof hinein, weckte die Amme und sagte zu ihr: »Meine Mutter und Amme Markia (syr. Narkia), du hast mir alle Unterstützungen und Wohltaten von Jugend auf und bis zum jetzigen Alter getan, sie sind nichtig und vergänglich der Dank, den ich dir dafür schulde. Erweise mir aber nun noch eine Gefälligkeit, damit du für immer Lohn empfängst von jenem, der den unvergänglichen (wörtl. großen) Dank gewährt.« Und Markia sagt zu diesen (Worten): »Was willst du, meine Tochter Mygdonia? Und was kann dir zum Gefallen geschehen? Die Ehre, die du mir versprochen hast, ließ dich der Fremde nicht zu Ende bringen und du hast mich zum Gespött im ganzen Volk gemacht. Und jetzt – was ist nun das Neue, das du mir aufträgst?« Und Mygdonia sagt: »Werde mir Gefährtin des ewigen Lebens, damit ich von dir vollkommene Nahrung empfange. Besorge ein Brot und bringe es mir, und ein Wassergemisch und nimm keine Rücksicht auf meine Freiheit.« 739

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Die Amme aber sprach: »Ich werde dir viele Brote und statt des Wassers massenhaft (wörtl. Metreten, 1 Metretes = 39 Liter) Wein bringen und deinen Wunsch erfüllen.« Sie entgegnet ihrer Amme: »Massenhaft Wein brauche ich nicht, ebenso wenig die vielen Brote. Einzig dieses: Besorge Wassergemisch, ein Brot und Öl!« (121) Nachdem nun Markia diese Dinge gebracht hatte, stellte sich Mygdonia mit entblößtem Kopf vor den Apostel hin. Und dieser nahm das Öl, goss es auf ihren Kopf und sagte: »Heiliges Öl ist uns zur Heiligung gegeben, geheimes Mysterium, in dem uns das Kreuz gezeigt wurde. Du bist der Erklärer der verhüllten Teile, du bist der Demütiger der harten Werke; du bist der Hinweis auf die verborgenen Schätze; du bist der Keim der Güte. Möge deine Kraft kommen und sich auf deine Sklavin Mygdonia setzen. Und heile sie durch diese Freiheit.« Nachdem das Öl ausgegossen war, wies er ihre Amme an, sie zu entkleiden und ihr ein feines Leinengewand anzuziehen. Es gab dort aber einen Brunnen (eine Quelle), zu dem ging der Apostel (hinauf) und taufte Mygdonia auf den Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes. Als sie getauft war und sich angekleidet hatte, brach er (das) Brot und nahm den Kelch und verband sie mit dem Leib Christi (wörtl. machte sie zur Teilhaberin des) und dem Kelch des Sohnes Gottes. Und er sagte: »Du hast das Siegel empfangen und dir das ewige Leben gegründet.« Und im selben Moment hörte man von oben eine Stimme, die sagte: »Ja, Amen.« Als aber Markia diese Stimme hörte, bat sie den Apostel, ob auch sie das Siegel empfangen könne. Und der Apostel gab es ihr und sagte: »Die Würde des Herrn sei um dich wie um die anderen.« (122) Nachdem der Apostel dies getan hatte, kehrte er ins Gefängnis zurück. Er fand die Türen geöffnet und die Wächter noch im Schlaf. Da sagte Thomas: »Wer ist wie du, Gott, der du deine Zärtlichkeit und Würde/Eifer niemandem verwehrst? Wer ist dir gleich, Barmherziger, der du dein Eigentum vor den Bösen errettet hast? (Du bist) das Leben, das den Tod überwunden (und) die Ruhe, die die Anstrengung vertrieben hat. Ehre dem Einziggeborenen aus dem Vater. Ehre dem Barmherzigen, der aus der Barmherzigkeit gesandt wurde.« Als er dies gesagt hatte, erwachten die Wächter und sahen alle Türen aufgesperrt, die Gefangenen aber drinnen. Und sie sagten bei sich: Haben wir nicht die Türen zugeschlossen? Wie aber sind sie nun aufgesperrt und die Insassen drinnen?

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Sprachliche, narrative und pragmatische Analyse Die Wundererzählung ist Teil der Episode des Ehepaars Charis und seiner schönen Frau Mygdonia, von der die neunte und zehnte Tat erzählen (ActThom 82-133). Das Paar war kaum ein Jahr lang verheiratet (ActThom 100), politisch einflussreich (Charis ist ein naher Verwandter des Königs Misdai) und offenbar sehr wohlhabend, denn Mygdonia wurde von Sklaven getragen (ActThom 82), sie genossen edle Speisen (z.B. Rebhühner, ActThom 91). Die Vorgeschichte bereitet in mancher Hinsicht die hier zu analysierende Wundererzählung vor und sei deshalb kurz skizziert: Die Handlung setzt ein mit der ersten Begegnung zwischen Mygdonia und dem Apostel. Sie fühlte sich von dem fremden Prediger und »Arzt der Seelen« (ἰατρός ψυχῶν iatros psychōn, ActThom 95) Judas Thomas angezogen. Bereits nach der ersten Predigt wollte sie an den lebendigen Gott, von dem der Apostel sprach, glauben und »das Siegel empfangen und ein heiliger Tempel werden« (ActThom 87), damit Gott selbst in ihr Wohnung nehme. Der Apostel mahnte sie zur Besinnung bezüglich ihres Reichtums, der Schönheit ihres Körpers und auch des »schmutzigen Verkehrs« mit ihrem Mann, die ihr nichts nützen werden, wenn sie des »wahren Verkehrs« beraubt sei. »Jesus allein (Ἰησοῦς μόνος Iēsous monos) bleibt für immer und die, die auf ihn hoffen.« (ActThom 88) So wurde eine Konkurrenz zwischen der Ehe- und Christusbeziehung aufgebaut (auch ActThom 101), die den Konflikt der Eheleute vorzeichnete. Mygdonia verweigerte fortan Tisch- und Bettgemeinschaft mit ihrem Ehemann, der »nach seiner Gewohnheit mit ihr schlafen« (ActThom 89; 96f.) wollte. Das Drama spitzte sich nun immer weiter zu: Als ihr Ehemann sie bedrängte, floh Mygdonia schreiend und entblößt vor ihm und schlief bei ihrer Amme (ActThom 98). Am nächsten Tag suchte sie wieder den Apostel auf und »saß zu seinen Füßen« (ActThom 103f.). Mit Hilfe des Königs wurde Thomas daraufhin ins Gefängnis geworfen (ActThom 106) und Charis hoffte, seine Frau durch liebevolle Zuwendung, Erinnerungen an die frühere Zeit und sogar das Angebot der Freilassung des Apostels (ActThom 117) wiederzugewinnen. Mygdonia aber ließ sich nicht erweichen. Sie floh bei Nacht heimlich aus dem Haus und hoffte, »jetzt das heilige Siegel« zu empfangen (ActThom 118). Sie eilte zu einem engen Platz und versteckte sich dort, als der Apostel zu ihr kommt. Der hier zu analysierende Textabschnitt (ActThom 119-122) ist somit inhaltlich und narrativ eng mit der Gesamterzählung verschränkt (Mygdonia bleibt bis zum Martyrium eine der Hauptfiguren), gleichwohl zeigt er auch eine gewisse, innere Geschlossenheit. Er beginnt und endet mit dem Protagonisten Thomas, seiner ›Flucht‹ aus dem Gefängnis und seiner Rückkehr dorthin. In der Mitte wird der Initiationsritus geschildet. Raumsemantik und Figurenbestand unterstützen diesen konzentrisch angelegten Plot. Zwar setzt die Handlung am geheimen Ort ein, zu dem Mygdonia geflüchtet war, das plötzliche Auftauchen von Thomas stellt aber die Frage, wie er aus dem Gefängnis gekommen war (ActThom 119), zu dem er am Ende zurückkehrt. Nur im Gefängnis werden die Wächter lokalisiert, das Auftreten der Amme Markia bleibt hingegen auf den Mittelteil beschränkt. Während sich der 741

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Anfang des Textes organisch aus der Flucht der Mygdonia aus ihrem Haus entwickelt, zeigt das Ende eine deutlichere Zäsur, indem die Frage der Wächter unbeantwortet bleibt, die Erzählperspektive dann aber in ActThom 123 zum Ehemann Charis wechselt und durch die Zeitangabe (»als es Tag wurde«) einen neuen Abschnitt anzeigt. Gebete und Rituale durchsetzen die gesamte Erzählung. Gleich in der Eröffnungsrede des Apostels finden wir eine lobpreisartige Hymne auf Jesus (syr. den Messias), die narrativ als Zuspruch an Mygdonia gestaltet wird. Ihr korrespondiert das Gebet an Gott (den Vater) nach der Rückkehr des Thomas ins Gefängnis. Im Mittelteil findet sich der dreifache Initiationsritus, der besonders im Ölritus wiederum mit einem ›Fürbitt-Gebet‹ an das »Heilige Öl« ausgestaltet wird. Es trägt den Charakter einer Epiklese (z.B. »Möge deine Kraft kommen und sich auf deine Sklavin Mygdonia setzen«) und lässt sich sowohl hinsichtlich der genannten Epitheta (z.B. Offenbarer und Erklärer, Salbung; vgl. Joh 14,26; 16,13; 1 Joh 2,20.27) als auch innerhalb der Trias der Gebete (Jesus, Gott-Vater) dem Heiligen Geist zuordnen. Hinsichtlich der Figurengestaltung kann man klar zwischen den beiden Protagonisten (Mygdonia und Thomas) und Nebenfiguren (Amme Markia, Wächter) unterscheiden. Die beiden Protagonisten verbindet das Fluchtmotiv: Die eine flieht aus dem Haus des Ehemanns, der andere aus dem Gefängnis, beide kehren zunächst dahin wieder zurück. Die Charakterzeichnung des Thomas bleibt ohne emotionalen Tiefgang. Der Apostel wird souverän handelnd geschildet, die Gefängnissituation wird nicht als bedrohlich dargestellt, die Mauern und Ketten schränken seinen Handlungsradius offenbar auch nicht ein. Durch den hohen Gebetsanteil sowie das routinierte Spenden der Sakramente wird man an das Handeln eines Priesters erinnert, dessen Persönlichkeit hinter dem Amt zurücktritt. Der griech. Name Mygdonia (Μυγδονία) lässt auf eine Herkunftsangabe schließen. So ist in der Antike eine Landschaft im Grenzgebiet zwischen Makedonien und Trakien (Nordgriechenland) unter diesem Namen bekannt. Nach Apg 17,1 besuchen Paulus und Silas die dort liegenden Städte Amphipolis und Apollonia auf ihrem Weg nach Thessalonich. Strabo (geogr. 16,1,1.23) und Plinius (nat. 6,16.42) berichten ferner von einer gleichnamigen Landschaft (Mygdonien) im Norden von Mesopotamien (westlich des Königreichs Adiabene) und führen den Namen auf eine Analogiebildung während der Expansion Alexanders zurück. Myers greift diese Notiz auf und bringt den Namen der Protagonistin mit dem mesopotamischen Fluss Mygdon bei Nisibis in Verbindung, was sie schließlich zu der Lokalisierunghypothese der ActThom nach Nisibis im Gegenüber zu Edessa führt (Myers 2010, 42-44, 222). Ohne in die Details der Namensdeutung eintauchen zu müssen, können wir festhalten, dass Mygdonia zumindest kein indischer Name ist. Die Protagonstin zeigt gegenüber ihrem Ehemann eine erstaunliche Widerstandskraft, wie für eine Frau in der Antike ungewöhnlich ist. Im zu analysierenden Text fällt ferner der Wandel auf, den die Frau durchlebt. Ist sie zunächst flüchtig, hilflos und erschreckt, so wird sie im Mittelteil zur eigenständig Handelnden, die sogar den Apostel führt und anweist. Diese indirekte Charakterisierung wird dann 742

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nochmal eigenartig überkreuzt: Während das Dienstverhältnis zur Amme sie als Herrin und Gebieterin zeichnet, wird sie in der Epiklese explizit »Sklavin (des Heiligen Geistes oder Jesu)« genannt. Sie will dann auch »Gefährtin« der Amme werden, was die vorher angesprochene familienmetaphorische Zuordnung von »Mutter« und »Tochter« noch weiter egalisiert. Ebenso wird auch das in der Anrede »Herr« zum Ausdruck gebrachte hierarchische Verhältnis zwischen Mygdonia und Thomas durch seine Zuweisung zu »Jesus, dem Herrn« relativiert. Die Amme wird erstmals in ActThom 98 noch ohne Namen genannt, während sie in der wörtlichen Ansprache in ActThom 120 als »Markia« (syr. Narkia) bezeichnet wird, die weibliche Form des Namens Markus, was auf römisch-lateinische Herkunft hindeutet. Markia wird als Nebenfigur zunächst nur gebraucht, um die Bereitstellung der eucharistischen Gaben zu gewährleisten und beim Ent- und Bekleiden der Mygdonia zur Taufe zu helfen. Der Fantasie der Lesenden soll damit von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden, als könne an den erotischen Verdachten des Ehemanns doch ein Fünkchen Wahrheit liegen. Das nächtliche Privatissimum zwischen den Protagonisten läuft ganz geordnet und keusch ab. Der lange Dialog mit Mygdonia und vor allem die spontane Taufbitte zeigen aber doch ein Eigeninteresse an der Amme. Sie bleibt dann im weiteren Verlauf der Erzählung der ActThom zusammen mit Mygdonia und Tertia (der Frau des Königs Misdai) eine der weiblichen Hauptpersonen (ActThom 151). Auch Jesus und Gott werden – ebenso wie das »heilige Öl« – als Figuren inszeniert, die im Gebet direkt angesprochen werden (z.B. »Schau auf den Weggefährten …«, ActThom 119). Sie treten jedoch nicht direkt auf der Bühne des Geschehens auf. Abgesehen von der Himmelsstimme nach der Taufe Mygdonias (ActThom 121), die an Mk 1,11 (par.) erinnert, wo ebenfalls eine Himmelsstimme nach der Taufe Jesu ertönt. Während bei Markus durch das Bekenntnis zum »geliebten Sohn« der Sprechende als Vater erkennbar wird, lässt das »Ja, Amen« (ναί ἀμήν nai amēn) in ActThom eine klare Zuweisung offen. Die Formulierung ἄνωθεν (anōthen – von oben) ermöglicht auch einen traditionsgeschichtlichen Bezug zur Raumsemantik des Johannesevangeliums (vgl. Joh 3,3.7.31; 19,11.23, vgl. dazu Zimmermann 2004, 226-235; allg. Luther 2016). Auf eine sorgfältige Komposition und ausgewählte Wortwahl lässt das Ende des Abschnitts schließen. Gleich dreimal wird gesagt, dass »die Türen geöffnet« sind, zunächst aus der Perspektive des rückkehrenden Thomas, dann in Fokalisierung auf die Wächter sowohl durch die Erzählstimme als auch in wörtlicher Rede. In pleonastischer Dopplung wird die staunenswerte Tatsache wiederholt, dass die Türen zwar aufgesperrt, die Gefangenen aber noch drinnen waren. Dabei fällt die Variation des Ausdrucks auf: Die Gefangenen werden sowohl ἐγκατακλείστοι (enkatakleistoi) als auch δεσμῶται (desmōtai) genannt, für die Türen stehen die Wörter πύλη (pylē) und θύρα (thyra). Was einzig unverändert bleibt, ist das dreimal verwendete Partizip »geöffnet« (ἀνεῳγμένος aneōgmenos). Es dürfte kaum Zufall sein, dass das zu Grunde liegende Verb ἀνοίγνυμι (anoignymi) neben »öffnen« auch in der Bedeutung »ein Siegel aufbrechen« verwendet wird. Rahmenhandlung und Initiationsritus werden 743

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auf diese Weise kunstvoll semantisch verknüpft. Das Siegel der Türen und Gefängnisse wird gebrochen, damit das eigentliche Siegel empfangen werden kann. Das Wunderhafte lässt sich an mehreren Stellen des Erzählabschnitts erkennen: Zunächst löst das plötzliche Erscheinen von Judas Staunen, ja Furcht und Schrecken bei Mygdonia aus. Sie fällt nicht nur in Ohnmacht, sondern fragt auch explizit: »Wie kamst du davon …?« oder »Wer hat dich aus dem Gefängnis herausgeführt?« Judas nennt zwar Jesus als Wundertäter, aber verschweigt nähere Einzelheiten, was eine Lesererwartung erzeugt: Wie war es möglich? Was genau ist passiert? Die syr. Fassung bremst diese Spannung von vornherein aus, indem Türöffnung und Wächterschlaf genannt werden, die in der griech. Fassung erst am Ende erwähnt werden (ActThom 122). Dass die Türöffnung als »Wunder« gesehen wurde, wird innerhalb von ActThom selbst ausgesprochen. Denn in ActThom 150 werden verschiedene Möglichkeiten genannt, wie man in das Gefängnis hineingehen und ausbrechen könne (Überredung, Bestechung). Der Apostel lehnt solche menschlichen Versuche ab und sagt: »Εἲ πιστεύσεις, ὄψει τὰ θαύματα τοῦ θεοῦ καὶ πῶς σῴζει τοὺς αὐτοῦ δούλους« (ei pisteuseis, opsei ta thaumata tou theou kai pōs sōzei tous autou doulous – »wenn du glaubst, wirst du die Wunder Gottes sehen und wie er seine Sklaven rettet«, ActThom 151). Das anschließend erzählte Durchdringen der Türen ist dann offenbar das angekündigte Wunder, mit dem der Apostel Verwunderung auslöst, wie auf der Ebene der erzählten Welt thematisiert wird (z.B. »Wer hat die versiegelte Tür geöffnet?«, »ich weiß nicht wie«). Entsprechend wird in ActThom 119-122 die anfängliche Verwunderung der Mygdonia dann als Staunen und Erschrecken über die Türöffnung am Ende des Abschnitts aus der Perspektive der Wächter aufgenommen. Es handelt sich zunächst um eine unerklärliche Veränderung an Sachen (Türen), deren sinnliche Wahrnehmbarkeit (»sie sahen …«) ausdrücklich erzählt wird. Die Wächter wundern sich aber nicht nur über die Türöffnung, sondern auch über die Anwesenheit der Gefangenen. Mit offenen Fragen endet der Abschnitt, so dass der Wundercharakter des Abschnitts einerseits durch narrative Inszenierung des Staunens und der Irritation unterstrichen wird, andererseits der Leser/die Leserin aber im Rückgriff auf die Einleitung in das Bekenntnis des Thomas einstimmen können: »Mein Herr Jesus ist mächtiger als alle Mächte, Könige und Herrschenden.« Sie können begreifen, dass Jesus eigentlicher Urheber des Wunders ist, der die Siegel bricht und aus dem Gefängnis befreit.

Sozial- und realgeschichtlicher Hintergrund Gefängnis, Wächter und »Versiegelung« von Türen: Die Lokalisation der Thomasakten in Syrien, sowie der Handlungsort in Indien machen es schwierig, einen genauen Referenzrahmen der Gefängnissituation einzugrenzen. Die Schilderung der Gefängnisszene in ActThom 119-122 ist allerdings auch so allgemein und unspezifisch, dass hier kaum eine konkrete Ortsreferenz im Hintergrund stehen dürfte. Vielmehr 744

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wird das für die Antike allgemein bekannte Setting des Gefängnisses aufgerufen, das übergreifend im römischen Reich Geltung hatte (dazu Arbandt/Macheiner 1976; Krause 1996). Die meisten Gefängnisse waren Institutionen politischer Machthaber, die der Verwahrung von Kriminellen, Straftätern oder auch politischen Gegnern dienten. Entsprechend mussten durch Wachpersonal, aber auch durch bauliche Maßnahmen (z.B. Kellerverliese, Türme), Ketten und Türriegel jede Fluchtmöglichkeit der Gefangenen unterbunden werden. Nach ActThom 122 haben die Wächter die Türen »gesichert«, ActThom 151 spricht sogar explizit vom »Versiegeln« der Türen, ein durchaus unüblicher Sprachgebrauch, der an das Versiegeln der Löwengrube in Dan 6,18 bzw. des Grabes Jesu nach Mt 27,66 erinnert und im wörtlichen Sinne eine Garantie für einen sicheren Verschluss geben soll. Nach ActThom 162 hat der König die Türen des Gefängnisses »versiegelt« und findet sie unversehrt, obwohl Tertia und Mygdonia das Gefängnis betreten hatten. Gefängnisse waren in der Antike Orte ohne Menschlichkeit und Menschenrechte. »Die Haftbedingungen sind lebensfeindlich, die hygienischen Verhältnisse katastrophal, die Ernährung ist schlecht« (Millard/Theißen 2009, 190f.). Sie galten auch als Orte der Finsternis, und zwar nicht nur im metaphorischen Sinne, sondern auch im wörtlichen. Entsprechend ist das Hinausführen aus dem Gefängnis, »um die Sonne zu sehen« (ActThom 119), durchaus auch im wörtlichen Sinn zu verstehen. Gefangene waren auf Unterstützung von außen durch Besucher angewiesen, was bei einem Gefangenen in der Fremde zusätzlich erschwert wird (vgl. die Petition des Juden in Ägypten, nach Arzt-Grabner 2003, 76). Das Besuchen von Gefangenen wurde im christlichen Ethos durch Jesus grundgelegt (Mt 25,36) und auch von außerchristlichen Quellen bezeugt (Luc. peregr. 12f., vgl. Krause 1996, 288-291). Nicht selten wurden die Wächter bestochen, um Gefangene zu besuchen, eine Situation, wie sie auch in ActThom 151 beschrieben wird, als Tertia, Mygdonia und Marcia dem Wärter 363 Statere Silber geben, um Thomas im Gefängnis besuchen zu dürfen. Mit besonderer Brutalität und Grausamkeit werden die Gefängniswächter geschildert (vgl. Krause 1996, 305-315), die ohne Grenzen und Kontrolle Strafgefangene misshandeln konnten mit physischer und psychischer Gewalt bis hin zum Nahrungsentzug. Es verwundert nicht, dass sie mit Tyrannen verglichen werden (Them. or. 1,11b). Wenn die Gefangenen dennoch flohen, wurden die Wächter selbst entsprechend hart bestraft. Vor diesem Hintergrund können die erschreckten Fragen der Wächter am Ende von ActThom 122 nicht nur hinsichtlich des Wunders gedeutet werden, sondern auch als Ausdruck der emotionalen Spannung, die darin zum Ausdruck kommt: Die geöffneten Türen hätten für sie selbst katastrophale Folgen haben können, eine Perspektive, die den Wächter nach Apg 16,27 sogar zu Selbstmordgedanken treibt. Dass die Gefangenen nach ActThom 122 noch da sind, war dann für die Wächter eine ungeheure Erleichterung. Angesichts der normalen Umstände des Gefängnisses ist dies aber umso unbegreiflicher, und zwar nicht nur, dass die anderen Gefangenen noch da sind, sondern mehr noch, dass Thomas offenbar freiwillig wieder in den Kerker zurückkehrt. 745

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Initiationsritus (Ölsalbung, Taufe, Eucharistie): Im Zentrum der Erzählung steht die Taufe, die sich als »Ritengefüge« nach syrischer Tradition präsentiert (vgl. Meßner 2009, 88; Buchinger 2015, 362-365): Dabei gehören drei Akte konstitutiv zusammen: a) Öl-Salbung zur Geistverleihung, b) Wassertaufe, c) Eucharistie mit Brot und Wein-Wasser-Gemisch. ActThom kann – neben der syrischen Didaskalia, den syr. ActJoh und syr. Kirchenväterzeugnissen – als eine der wesentlichen Quellen für die Rekonstruktion dieses syrischen Ritus gelten (besonders nach der syr. Fassung). In ActThom 27 sowie ActThom 157f. finden sich (neben ActThom 120; vgl. auch Didascalia 9; 16) ausführliche Schilderungen des Ritus, wobei darin eventuell eine ältere (ActThom 27) und eine jüngere (ActThom 157f.) Tradition erhalten sein könnte (Meßner 2009, 88). Ergänzend kann noch auf den dreifachen Ritus in ActThom 151 (durch Öl, Wasser und Brot) hingewiesen werden, während in ActThom 49 zwar von einer ›trinitarischen Versiegelung‹ unter Handauflegung aber ohne Elemente (Öl, Wasser; im Syr. wird die Szene am Fluss lokalisiert und explizit vom ›Taufen‹ gesprochen, vgl. Klijn 2003, 123f.) mit nachfolgender Eucharistie die Rede ist. Für einige Exegeten steht im syrischen Ritus die Ölsalbung nicht nur zeitlich am Anfang, sondern auch in ihrer Bedeutung über der Wassertaufe (Buchinger 2015, 362). Sie ist eine rituelle Umsetzung und Neuinszenierung der Ausgießung des Heiligen Geistes bei der Taufe Jesu (Meßner 2009, 88). Die ausführlichste Schilderung eines Salbungsrituals in ActThom findet sich in ActThom 156-158. Demnach gab es ein mit Gebeten begleitetes mehrstufiges Ritual, das außer der Salbung des Kopfes vermutlich auch eine Körpersalbung einschloss. Dies kann aus der Geschlechtertrennung beim Salbungsritual geschlossen werden, denn hier wird explizit gesagt, dass der Apostel den Mann (Vazan) salbt, Mygdonia aber die Frauen (ActThom 157; dazu Myers 2010, 118; allg. auch Winkler 1995). Die Ölsalbung wird eng mit der Geistverleihung verknüpft, was bereits aus der jüdischen (z.B. Jes 61,1) und dann johanneischen Tradition bekannt war (1 Joh 2,20.27, dazu Schnelle 2010, 104f.). Die Salbung ist mit einer ausführlichen Geistepiklese verbunden, bei der der Heilige Geist auf den Täufling bzw. Initianten herabgerufen wird (= Komm- und Personenepiklese, vgl. dazu Kruse 1985; ausführlich zu ActThom 27 und 50 Myers 2010, Griech.-Engl. 19-22; Syr.-Engl. 229f.): Komm, heiliger Name des Gesalbten! Komm, Kraft des Erbarmens aus der Höhe! Komm, erhabene Gabe! Komm, Teilhabe am Segen! Komm, Offenbarerin verborgener Mysterien! Komm, Mutter der sieben Häuser, deren Ruhe im achten Haus ist! Komm, Botin der Versöhnung, und teile dich dem Verstand dieser jungen Leute mit! Komm, Geist der Heiligkeit, und reinige ihre Nieren und ihre Herzen! (ActThom 27, Übers. aus dem Syr. M. Lang, nach Meßner 2009, 88).

Die Namen der Heiligen Geisteskraft (die ausgehend vom grammatischen Geschlecht auch durch Namen und Funktionen explizit feminin figuriert wird) ebenso wie die theologischen Epitheta können bei den Geistgebeten beträchtlich variieren. Offenbarende und erhellende, ebenso wie Sünden vergebende und heilende Funktionen sind jedoch durchweg angesprochen. Auch wenn sich die in ActThom 121 wiedergegebene Form der Epiklese markant von ActThom 27 und 746

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50 unterscheidet (z.B. wird die litaneiartige Komm-Bitte auf einen Satz reduziert), zeigen sich doch auch klare Parallelen. Der Geist ist der Offenbarer der Geheimnisse (vgl. μυστήριον mystērion in ActThom 27; 50; 121) und verborgenen Teile (in ActThom 121 καλύπτω kalyptō, in ActThom 27; 50 ἀπόκρυφος apokryphos), seine Kraft (δύναμις dynamis in ActThom 27 und 121) wird herabgerufen (vgl. die Tabelle der Ephitheta in Myers 2010, 88f.). Nach Myers ist es die Heiligkeit des Öl-Geistes, die wiederum Mygdonia an der Heiligung teilhaben lässt (Myers 2010, 121). Die Taufe wurde mit Wasser durchgeführt und ist mit einem Taufkleid verbunden, das nach der Entkleidung angelegt wurde. Dies ist offenbar auch ein Grund, warum die Amme nach ActThom 120 zum Taufakt hinzugerufen werden muss. Nach der syrischen Fassung übernimmt sie sogar die eigentliche Salbung (des Kopfes), nachdem der Apostel das Öl ausgegossen hat. Nach der griechische Fassung wird das Taufwasser von einem Brunnen oder einer Quelle (die Doppelsemantik von κρήνη krēnē lässt beides zu) genommen. Für den »Brunnen« spricht die narrativ-räumliche Verortung im Hof des Hauses, für die »Quelle« das Verb ἀνέρχομαι (anerchomai – hinaufgehen), das ein Quelle auf einem Hügel oder Berg suggeriert. Die Raumgestaltung der Erzählung spricht eher für Ersteres, während das Quellwasser eine bestimmte Tauftradition eintragen könnte, bei der »lebendiges« bzw. »fließendes« Wasser für Taufe benötigt wurde. Schließlich wird die Eucharistie als abschließender Teil des Ritus genannt. Nach ActThom 121 werden »Brot« und »Wassergemisch« (ὕδατος κρᾶσις hydatos krasis) als die Gaben vorbereitet. Bei Letzterem handelt es sich vermutlich um ein Wasser-Wein-Gemisch (ActThom 158, vgl. Myers 2010, 113), wie es in der frühen Kirche häufig beschrieben wird (vgl. Iust. 1 apol. 65; Iren. haer. 5,2,3; Clem. Al. paid. 2,20,1). Beim Vollzug der Eucharistie ist dann nur noch vom »Kelch« die Rede, ohne dessen Inhalt näher zu beschreiben. Die Eucharistie wird in ActThom 121 nur knapp geschildert, während in ActThom 26f.; 29; 49-51 und 158 ausführlichere Darstellungen des Ritus erfolgen (dazu auch Myers 2010, 132-138). Ungeachtet einzelner Abweichungen im Detail (z.B. Kreuzzeichen über dem Brot in ActThom 50; Segnung des Kelchs in ActThom 158) stimmen die Berichte im Brechen und der Verteilung des Brotes überein.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Tür, Türöffnungswunder und Gefängnis: Bereits in der Apostelgeschichte des Lukas begegnen drei Türöffnungswunder, in denen Gefangene auf wundersame Art aus ihren Gefängnissen befreit werden (Apg 5,19; 12,6-11; 16,26f.). Dabei sind die erzählerischen Details variationsreich: Nach Apg 5 öffnet ein Engel den Aposteln die Tür, nach Apg 12 wird der angekettete und mit Wachen umgebene Petrus von einem Engel geweckt, Ketten und Tore öffnen sich dann beim Hinausführen »von selbst« (Apg 12,10). Nach Apg 16,26f. singen und beten Paulus und Silas im Gefängnis, als ein Erdbeben die Türen und Ketten wegsprengt, so dass hier eine nahezu ratio747

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nalistische Erklärung gegeben wird. Entgegen der schlimmsten Befürchtungen des Wächters verlassen aber die Gefangenen den Kerker nicht, worauf dieser mit seinem ganzen Haus zum Glauben kommt und sich taufen lässt (Apg 16,33f.). Das Motiv der Befreiung aus dem Gefängnis bzw. speziell auch der wunderbaren Türöffnung findet sich bereits alttestamentlich als Verheißung an die Gefangenen (Ps 107,10.13.16) sowie als Messiaszeichen des Kyros (Jes 45,1: »damit vor ihm Türen geöffnet werden«). Wunderbare Türöffnungserzählungen sind recht zahlreich auch in der griechischen Umweltliteratur belegt (z.B. Dionysosmythos nach Eurip. Ba.; Dionysaka nach Nonn. D.; ferner zu Apollonius von Tyana Philostr. vit. Ap. 7,38 und 8,30, zum Moseroman des Artapanos Eus. praep. 7,18.23.27; vgl. dazu Weinreich 1929, 280-341; Weaver 2004, 29-91 sowie Schramm zu Apg 5,17-26 und Merz zu ActPl 9,16-21 in diesem Band). Die im Detail durchaus variierenden (vgl. die Liste der Einzelmotive bei Weinreich 1929, 329f.). Gattungsparallelen verbindet ein Basisplot, dass sich der Protagonist mit (z.B. durch Engel) oder ohne Hilfe befreit, indem Fesseln und geschlossene Türen auf wunderbare Weise durchbrochen werden. Sieht man das Gefängnis als Machtinstrument von politischen Machthabern (s.o.), handelt es sich um Widerstandserzählungen, die Weaver als »Resistance Myths« (Weaver 2004, 282) bezeichnet, deren Funktion in der Ermutigung einer unterdrückten Minderheit liege. Auch die unterschiedlichen Türöffnungswundererzählungen in ActThom (vgl. ActThom 119-122; 151-154 und 162) weisen zwar im Gegenüber zum König diese politische Dimension im Plot auf. Eine politische Botschaft könnte durchaus auch in der Hierarchie-Kritik oder im Anzweifeln von Ständeordnungen (z.B. Rolle der Frau, vgl. dazu Davies 1980) erkannt werden, allerdings bleiben die Figuren wie auch das Setting doch stark idealtypisch, ohne dass hier konkrete soziale oder politische Kontexte erkennbar werden. So scheint es mir wahrscheinlicher, dass es bestenfalls um die Frage der Religionsfreiheit geht und weniger um eine sozial-politische Intention. Nach ActThom 154 wird auch explizit der Glaube an Jesus in den Vordergrund gerückt (πίστευσον τῷ Ἰησοῦ, καὶ εὑρήσεις τὰς θύρας ἀνεῳγμένας pisteuson tō Iēsou, kai heurēseis tas thyras aneōgmenas – glaube an Jesus und du wirst die Türen geöffnet finden) und damit die Türöffnung metaphorisiert. Diese metaphorische Dimension dürfte auch bei der Formulierung »Siegel der Tür« (ActThom 162) im Vordergrund stehen, womit Gefängnis-, Tür- und Siegelmetapher verknüpft werden. Bereits in alttestamentlichen Texten wird das babylonische Exil als »Gefangenschaft« bezeichnet, aus dem Israel befreit wurde (Jes 52,2; Neh 8,17). Im Neuen Testament wird die menschliche Existenz z.T. als Gefangenschaft verbildlicht (Eph 4,8), aus der Christus befreit. Die Vorstellung vom körperlichen Gefängnis der Seele ist in frühjüdischen Texten (z.B. 1 Hen 10,13; 21,10) und dann vor allem in der Gnosis (z.B. NHC II,79,4: Iren. haer. 1,20,1-2) weit verbreitet und wird auch bei den Kirchenvätern breit diskutiert (vgl. Courcelle 1976, 303-318). Vor diesem Hintergrund leuchte auch in ActThom 119-122 die Befreiung des Menschen aus alten Bindungen hervor, während die Versiegelung durch den Initiationsritus die neue Einbindung in die Gemeinschaft der Christusgläubigen inszeniert. 748

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Licht-Dunkelheit-Metaphorik: Die ganze Szene spielt in der Nacht (vgl. ActThom 117: »heute die ganze Nacht hindurch«; ActThom 118: »er schlief ein«; ActThom 123: »sobald es Tag wurde«) und bereitet den narrativen Boden für die Entfaltung einer spezifischen Lichtmetaphorik. Mygdonia bezeichnet in ihrer Frage an den Apostel die Befreiung aus dem Gefängnis als eine Hinführung zur Sonne (ActThom 119). Als sie mit dem Apostel zusammentrifft, wird von »viel Licht« (φῶς πολύ phōs poly) erzählt, das vor ihm hergeht. Mygdonia vermutet zunächst, dass er einer der Fürsten sei, die offensichtlich bei Nacht mit Fackelbeleuchtung unterwegs waren. Erst anschließend wird der metaphorische Horizont eröffnet. Zentral ist hierbei die Aufforderung des Apostels an Mygdonia, das Licht zu sehen, denn wer den Herrn liebt, soll nicht in der Finsternis wandeln (vgl. ActThom 119: ἴδε τὸ φῶς, ὅτι οὺκ ἐᾷ κύριος τοὺς ἂγαπῶντας αὐτὸν ἐν τῷ σκότει βαδίζειν ide to phōs, hoti ouk ea kyrios tous agapōntas auton en tō skotei badizein). Die Formulierung »in der Finsternis wandeln« ist aus der johanneischen Sprachtradition bekannt (vgl. Joh 8,12: οὐ μὴ περιπατήση ἐν τῆ σκοτίᾳ ou mē peripatēsē en tē skotia; 1 Joh 1,6: ἐν τῷ σκότει περιπατῶμεν en tō skotei peripatōmen). Dieser Hintergrund wird durch das Motiv der Liebe wie auch durch die Aufforderung »Sieh!« verstärkt, die bei Joh häufig in einem christologischen Zusammenhang vorkommt (vgl. ἴδε in Joh 1,29.36; 1,46f.; 19,14.26). Dass auch in ActThom das Licht auf Christus bezogen wird, liegt aufgrund der jeweiligen Kontexte nahe (vgl. meist mit κύριος-Formulierungen). Insgesamt wird die Licht-Finsternis-Metaphorik auf zwei Ebenen entfaltet. Zum einen ist das Gefängnis als Raum der Finsternis konnotiert (s.o.), während die Befreiung ein Weg zum Licht ist. Ferner befindet sich Mygdonia als Ungläubige in der Finsternis und soll zum Licht gelangen, was sakramental umgesetzt wird. Durch den dreifachen Ritus wird sie mit der Kraft Gottes beschenkt, wird auf den Namen des Dreieinigen getauft und wird Teil des Leibes Christi (ActThom 121, vgl. ActMarMag 3,2). Beide Linien werden christologisch zusammengeführt. Es ist der Herr, der aus dem Gefängnis befreit (insb. im Syr.). Es ist auch Christus, in dessen Leib Mygdonia aufgenommen wird, wie es der altsyr. Tauftheologie entspricht (Meßner 2009). Hinsichtlich des metaphorischen Bedeutungstransfers wird der bildempfangende religiöse Bereich zum Licht zunächst als Erkenntnis und Einsicht im Glauben zu beschreiben sein. Allerdings ist der Wandel im Licht stets auch ethisch zu interpretieren, was sich mit einer ethischen Ausrichtung der Wundererzählungen der ActThom (dazu Luther 2014b) verbindet. Taufe bzw. Initiationsritus und Geistempfang als »Siegel«: An mehreren Stellen in ActThom ist metonymisch vom »Siegel« (σφραγίς sphragis; syr. rushma – Zeichen) als Ausdruck für die Taufe bzw. den Initiationsritus insgesamt die Rede (Act Thom 26f.; 49f.). In ActThom 49 wird das Verb σφραγίζω (sphragizo – siegeln) für den Tauf- bzw. Initiationsakt selbst verwendet (»und er siegelte sie auf den Namen des Vaters und Sohnes und des Heiligen Geistes. Aber auch viele andere wurden mit ihr versiegelt«). Aus der trinitarischen Taufformel lässt sich vermuten, dass das 749

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»Siegel« als Metapher für die Wassertaufe im engeren Sinn verwendet wurde. Allerdings wird von einer Taufe expressis verbis nichts gesagt. Auch sonst lässt sich der Begriffsgebrauch in ActThom insgesamt nicht auf die Wassertaufe verengen. In ActThom 26f. zeigt sich ein recht offener Gebrauch der Metapher: Hier ist zunächst vom »Siegel des Wortes« (τοῦ λόγου tou logou) die Rede, dann wird Öl explizit als Medium des Siegels bezeichnet (»damit sie durch das Öl [διὰ τοῦ ἐλαίου dia tou elaiou] das Siegel empfingen«). Myers schließt daraus, dass die Salbung der eigentliche Akt des »Siegelns« sei (Myers 2010, 114; ähnlich Meßner 2009, 88; Sandnes 2011, 1469). Der Text berichtet aber von einem mehrfachen Akt des »Siegelns« durch den Apostel, wobei man in der Predigt eine Art »Wortsiegel«, in der Salbung eine Art »Ölsiegel« sehen könnte. Eine explizite Taufhandlung mit Wasser wird im griech. Text von ActThom 26 zwar nicht genannt, wohl aber im syrischen, so dass die Namensformel (»übersiegele [ἐπισφράγισον episphragison] sie im Namen des Vaters …«) nach der Epiklese auch im griechischen Text auf eine Wassertaufe hindeuten könnte (im Syr.: »und er taufte sie auf den Namen des Vaters …«). Da die Offenbarung nach dem ersten Akt unvollständig bleibt (sie hören nur die Stimme, sehen aber noch nicht), wird eine Überordnung des medial vermittelten Ritus angezeigt und sogar explizit von einer »Übersiegelung des Siegels« (τὸ ἐπισφράγισμα τῆς σφραγῖδος to episphragisma tēs sphragidos, ActThom 27) gesprochen. Nach ActThom 120 wird der Dreifachritus (Salbung, Taufe, Eucharistie) als Siegel bezeichnet. Da es sich insgesamt um eine metaphorische Ausdrucksweise handelt, sollte man nicht der Versuchung erliegen, bildhafte Formulierungen mit Gleichungen zu verwechseln, und damit die Offenheit der Bildsprache begrifflich verengen. Der Begriff σφραγίς (sphragis – Siegel) hat eine lange und vielfältige Bildfeldtradition (Fitzer 1964, 939-954), bei der unterschiedliche Aspekte des realgeschichtlichen Hintergrunds mit Übersinn belegt werden. So ist ein Siegelabdruck immer schon Zeichen und Bezeichnetes und eignet sich als Metapher für eine Urbild-Abbild-Beziehung (Philo opif. 129), denn auch der Begriff sphragis kann sowohl für den Siegelstempel als auch für den -abdruck stehen. Diese semantische Janusköpfigkeit kann dann auch im Blick auf die Funktion des Siegels als »Verschluss« und »Offenbarung« in religiösen Zusammenhängen nutzbar gemacht werden. Die Offb, auf die die meisten Belege von σφράγις im Neuen Testament entfallen (20 von 24) spricht explizit vom Brief, der z.B. »mit sieben Siegeln versiegelt wurde« (Offb 5,1), dann aber sukzessive geöffnet wird, um endzeitliche Ereignisse preiszugeben. Das Siegel ist dann im spezifischen Sinn auch ein »Eigentumszeichen«, das nicht nur Gegenstände, sondern auch Sklaven mit dem Namen des Besitzers (Fitzer 1964, 940) kennzeichnet; eine Vorstellung, die in Offb 7,2.4-8 explizit auf die auserwählten 144.000 übertragen wird, denen das Siegel des lebendigen Gottes auf die Stirn gedrückt wird. Myers sieht mit Verweis auf ActThom 26 und 131 (Schafe) diese Eigentumsdimension (neben Schutz- und Erleuchtungsdimension) auch beim Begriffsgebrauch in ActThom (Myers 2010, 111f.) zentral. Da ein Siegel immer den gleichen Siegelabdruck hinterlässt, kann es, auf Personen übertragen, eine kollektive Identität schaffen und wird dann auch als Initiati750

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onsmetapher einer Gruppenzugehörigkeit verwendet. Es verwundert deshalb kaum, dass im Judentum die Beschneidung als Zeichen des Bundes »Siegel« genannt wurde (TgCant 3,8; ExR 19,6: »Siegel Abrahams an seinem Fleisch«; vgl. jBer 9,14a; Barn 9,6). Ein jüdisches Segensgebet bei der Beschneidung hält dies wie folgt fest: »Adonaj hat den Geliebten (d.h. Abraham) geheiligt von Mutterleib an, ein Gesetz auf sein Fleisch gelegt und seine Nachkommen gesiegelt mit dem Zeichen des heiligen Bundes« (nach Flusser/Safrai 1979, 172). Es ist umstritten, ob auch Paulus diese Vorstellung gekannt hat, was aus Röm 4,11 (»Abraham empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens«) erschlossen werden kann, auch wenn hier streng genommen die Beschneidung nicht Siegel des Bundes, sondern der Glaubensgerechtigkeit ist. Nach 2 Kor 1,22 wird die Siegelmetapher mit der Ölsalbung und der Gabe des Geistes in Verbindung gebracht. Die metaphorische Zuordnung Geist und Siegel wird dann in Eph 1,13 (ἐσφραγίσθητε τῷ πνεύματι … τῷ ἁγίῳ esphragisthēte tō pneumati … tō hagiō – ihr seid versiegelt mit dem Heiligen Geist) und Eph 4,30 explizit ausformuliert. Erst im 2. Jh. lässt sich explizit das Siegel als Metapher für die Taufe nachweisen. Im Hirt des Hermas (sim IX,16 [93,3f.]; vgl. IX,17 [94,4]) heißt es: Sie mussten durch das Wasser emporsteigen, um lebendig zu werden. Denn sie konnten nur in das Reich Gottes eingehen, wenn sie den Todeskeim ihres (früheren) Lebens dahinten ließen. So empfingen nun auch diese, die entschlafen waren, das Siegel des Sohnes Gottes (σφραγῖδα τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ sphragida tou hyiou tou theou) … Das Siegel ist das Wasser; in das Wasser nun steigen sie tot hinein und lebendig heraus (Übers. nach Lindemann/Paulsen 1992, 513).

Der Sohn Gottes wird hier als der Eigentümer des Siegels bezeichnet, was durch die Erwähnung von Tod und Leben (z.B. in Rückbesinnung auf Röm 6,1-10) unterstrichen wird. Die in der Taufe erzeugte Verbundenheit mit Christus gibt Anteil an seinem Durchgang durch den Tod in ein neues Leben. Allerdings bleibt selbst in Herm die Siegelmetapher polyvalent und kann auch auf die Wortverkündigung bezogen werden (σφραγὶς τοῦ κηρύγματος sphragis tou kērygmatos, Herm sim IX,16 [93,5]; dazu Blomkvist 2011, 864f.). Die Metapher des Tauf-Siegels begegnet dann häufig bei Kirchenvätern (Irenäus, Tertullian, Melito v. Sardes), so dass hier ein nahezu synonymer Gebrauch von Siegel und Taufe angenommen werden kann (vgl. auch 2 Clem 7,6; 8,6; Mel. Hom. 14-17; dazu Fitzer 1964; Sandnes 2011, 1457-1463). In der syrischen Tradition, die mindestens teilweise in ActThom eingefangen ist, ist diese enge Zuordnung hingegen nicht wahrnehmbar (mit Sandnes 2011, 1468). In der späteren Tradition, die im Liturgiekommentar des Araberbischofs Georg (gest. 724) bewahrt ist, ist es das auf die Stirn gemalte Kreuzeszeichen, das nach dem Taufakt den Täufling »siegelt« (vgl. Heinz 2000, 25.27).

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Verstehensangebote und Deutungshorizonte Sakramentaltheologische Deutung: Die Erzählung ActThom 119-122 wie die Thomasakten insgesamt wurden erst in neuerer Zeit hinsichtlich ihrer liturgiegeschichtlichen Bedeutung wiederentdeckt (z.B. Meßner 2009; Buchinger 2015). Sie haben einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung eines differenzierteren Bildes von Initiationsriten und Eucharistiefeiern im frühen Christentum beigetragen, aufgrund dessen man heute kaum noch von einem einzigen Urmodell ausgeht (Bradshaw 2002, 72-96; Rouwhorst 2008, 162). Angesichts des konzentrischen Aufbaus des Plots wird der Initiationsritus von Mygdonia und Markia klar als Kern der Erzählung aufgebaut. Aber auch die erzählerischen Details deuten auf sorgsame Gestaltung dieser Dimension hin. Es wird ein dreiteiliger Initiationsritus mit Salbung, Taufe und Eucharistie geschildert. Während Eucharistieszenen in ActThom eine wesentliche Rolle spielen (ActThom 26f.; 29; 49f.; 120f.; 133; 158; dazu Rouwhorst 2008, 172-174), erscheint der Eucharistische Ritus in ActThom 119-121 eher untergeordnet. Es fehlt wie auch sonst ein Hinweis auf eine liturgische Rezitation der Einsetzungsworte, nur in ActThom 158 wird auf Leiden und Tod Jesu angespielt, was Meßner aber einer späteren Überarbeitung zuschreibt (Meßner 2000, 498-503). Das Ritualgebet in ActThom 121 zeichnet sich durch eine explizite Anrufung des »Heiligen Öls« aus (vgl. ActThom 157 Gebet über dem Öl), das dann im Weiteren als Epiklese des Heiligen Geistes ausgeformt wird. Ähnlich wie in anderen Geist-Epiklesen von ActThom wird auf die Offenbarung der Geheimnisse angesprochen (vgl. dazu Myers 2010, 93f.). Die Kraft des Geistes wird explizit auf Mygdonia herabgerufen, nicht auf die Gaben. Insofern wird man zurückhaltend sein müssen, hier eine Eucharistie-Epiklese anzunehmen. In anderen Ritualgebeten wird die Namensnennung von Mutter und Jesus explizit über dem Brot ausgesprochen (ActThom 133), während in ActThom 49f. explizit am Anfang und Ende auf die Eucharistie Bezug genommen wird (z.B. »nachdem er dies gesagt hatte, machte er das Zeichen des Kreuzes im Brot«; dazu Rouwhorst 2008, 174). In ActThom 121 bleibt hingegen die Durchführung des Eucharistie-Ritus insgesamt schemenhaft, allerdings wird auf die Vorbereitung der Gaben (bzw. der Bitte der Bereitstellung an Markia) eine gewisse Sorgfalt verwendet. Betrachtet man ActThom im liturgiegeschichtlichen Kontext, so hält die Stelle auch hinsichtlich eines postulierten (alt)syrischen Rituals eine gewisse Variationsbreite offen (mit Winkler 1995, Weidemann 2011, 1506). Die Bedeutung der Ölsalbung wird durch die direkte Anrede an das Öl und die Epiklese unterstrichen. Gleichwohl gibt ActThom 121 keinen Anlass für die Vermutung, dass die Ölsalbung bereits als vollständige Initiation aufgefasst wurde (so Myers 2010, 223 zu ActThom 27 und 50). Der Wasserritus wird auch durch Nennung der Quelle/des Brunnens eindeutig benannt. Im Anschluss findet die Eucharistie statt, die hier wie auch sonst in ActThom (außer ActThom 29) als »Taufeucharistie« (Weidemann 2011) bezeichnet werden kann. Erst der dreifache Ritus wird abschließend als »Siegel« bezeichnet. 752

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In Ausdeutung des Dialogs zwischen Markia und Mygdonia über die Menge an Wein/Wasser und Brot könnte der exemplarisch-symbolische Charakter des Mahls unterstrichen werden. Es genügt ein Brot und eine kleine Menge an Wein. Die Sklaven- und Siegelmetaphorik sowie die Gefängnis-Rahmenhandlung betonen den Herrschaftswechsel, der mit der Initiation verbunden ist. Mygdonia und Markia werden aus alten Bindungen befreit und Jesus zugeordnet. Doch nicht neue Herrschaft, sondern Gemeinschaft kennzeichnet die neue Bindung. Die explizite Nennung der κοινωνία (koinōnia) hebt die Teilhabe und im Blick auf die anderen Christusgläubigen (den Apostel eingeschlossen), die egalitäre Gemeinschaft als zentrale theologische Aspekte des Rituals hervor. Wird hier eine nächtliche Gottesdienst-Versammlung beschrieben? Man könnte sich vorstellen, dass die Erzählung eine soziale Realität widerspiegelt, nach der sich die Teilnehmenden am Abend bzw. in der Nacht heimlich davonschleichen, um sich zu Gebet, Lobpreis, heiligen Handlungen und eucharistischer Gemeinschaft zu treffen. Anschließend kehren sie in ihre Häuser zurück. Der Gottesdienst wird als Raum und Zeit des Lichts, des ewigen Lebens, als Gegenwelt, während der Alltag in Ehe und evtl. gesellschaftlichen sozialen Einbindungen als ›Gefängnis‹ beschrieben wird. Christologische Deutung: Auch eine christologische Dimension durchzieht den gesamten Abschnitt. Judas Thomas spricht der erschreckten Mygdonia bereits am Anfang die Zuwendung Jesu zu. Dieser wird in dem segensartigen Zuspruch des Apostels nicht nur mit klassischen Titeln wie »Kyrios« bzw. im Syr. »Messias« beschrieben, sondern auch mit spezifischen theologischen Epitheta wie »Wohltäter« (χρηστός chrēstos), »Weggefährte (συνοδοιπόρος synodoiporos) seiner Sklaven« oder »Begleiter (σύμμαχος symmachos) in Gefahren«, der sich durch Eigenschaften wie »Güte« oder »Ruhe« (ἀνάπαυσις anapausis) auszeichnet. Auffällig ist die Beziehungsdimension, die bei fast allen Attributen durchscheint: Mygdonia hat Jesus ihr Leben geweiht, er wird sie nicht verlassen und nicht im Stich lassen. Er ist »Weggefährte« und »Begleiter« und »lässt die, die ihn lieben, nicht in der Finsternis wandeln«. Dass Jesus hier solidarisch mit Sklaven und – wie die Dunkelheitsmetapher anzeigt – Gefangenen geschildert wird, erhält vor dem Hintergrund des narrativen Settings besondere Bedeutung. Jesus führt aus Angst und Gefahr ebenso wie aus dem Gefängnis und der Dunkelheit. Aber »Teilhabe« an seinem Leib, wie sie in der Taufe und Eucharistie realisiert wird (ActThom 121), ist nur möglich, wenn Mygdonia auf das Kreuz blickt und sich vom Geist der Demut (ταπεινωτής tapeinōtēs) leiten lässt, wie es in der Ölsalbung explizit gesagt wird. Ausgerechnet die Dame aus hohem Hause wird bei der Epiklese nun selbst »Sklavin« genannt, was bereits durch ihre Flucht vorbereitet wurde, da sie an den Ort geht, wo Arme sind (ActThom 118). Schließlich wird Christus nochmal in dem eigentlich an Gott gerichteten Abschlussgebet angesprochen. Hier wird dem »Einziggeborenen aus dem Vater« Ehre (δόξα doxa) zugesprochen. Auch der zweite Doxa-Ruf bezieht sich auf Jesus, der als Barmherziger aus der Barmherzigkeit (des Vaters, vgl. am Anfang des Gebets) 753

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gesandt wurde. Barmherzigkeit (τὸ σπλάγχνον to splangchnon) gilt auch sonst in ActThom als eine bevorzugte Eigenschaft Jesu. So wird in der Epiklese von Act Thom 50 zunächst Christus als »vollkommene Barmherzigkeit« gespriesen (vgl. auch ActThom 47f.), an anderen Stellen ist vom »Sohn der Barmherzigkeit« (Act Thom 10; 156) die Rede. Christus wird als Heiler und Befreier, aber auch als »Weggefährte der Sklaven« bezeichnet, was zu einer weiteren Interpretationsebene führt. Feministische und sozialkritische Deutung: Und Mygdonia stand auf …: Die Perikope kann als eine Ermutigungs- und Ermächtigungsgeschichte der Protagonistin Mygdonia und mit ihr auch der Frau gelesen werden. Mygdonia tritt zunächst schwach auf. Sie ist auf der Flucht, muss sich im Dunkeln verbergen, fürchtet sich und wird beim plötzlichen Erscheinen des Apostels sogar ohnmächtig. Durch das Gebet des Apostels und die Beistandszusage Jesu wandelt sich das Auftreten der Frau grundsätzlich: Sie steht auf (ἀναστᾶσα anastasa) und agiert zielstrebig. Zwar bleibt sie dem Apostel gegenüber die Bittstellerin, im Gegenüber zur Eingangsszene nimmt sie ihn nun aber selbst an der Hand und führt ihn in den Hof. Stellt sich eingangs der Apostel vor sie hin, so ist es nun Mygdonia, die frei, mit entblößtem Kopf vor Thomas hintritt (ActThom 121), um die Taufe bzw. Initiation zu erbitten. Die rituellen Handlungen des Apostels lassen keine neue Hierarchie aufkommen, im Gegenteil: Es wird mit der Taufe die Zugehörigkeit (κοινωνός koinōnos) zum Leib Christi ›besiegelt‹. Die Taufe relativiert hier also ganz im Sinne von Gal 3,28f. Herkunft, Stand und Geschlecht. Eine ähnliche Bewegung wird auch im Umgang der beiden Frauen miteinander sichtbar. Zwar geben die Rollenzuweisung und die Erinnerung an eine lange gemeinsame Geschichte (»von Jugend auf«) zunächst klar zu erkennen, dass Mygdonia die Herrin und Markia die Dienerin ist (vgl. Germond 1996, 362). Gleichwohl bittet Mygdonia um eine Gefälligkeit, sie befiehlt nicht. Sie verzichtet auf eigene Freiheit und Reichtum (ActThom 120) und wird stattdessen selbst »Sklavin (des Heiligen Geistes)« genannt. Dass Markia die von der Amme angebotene Fülle von Brot und Wein zurückweist und sich auf das Notwendige beschränkt, mag in diesem Zusammenhang mehr als eine erzählerische Ausschmückung sein. Explizit nennt Mygdonia ihre Dienerin »Gefährtin (κοινωνός koinōnos) des ewigen Lebens« (ActThom 120) und hofft, von ihr die vollkommene Nahrung, offenbar das eucharistische Brot zu empfangen. Markia bleibt ihrerseits handlungssouverän. Es wird nicht stillschweigend vorausgesetzt, dass sie sich mit ihrer Herrin taufen lässt. Erst nach der Himmelsstimme bittet sie selbst darum, auch getauft zu werden. Da die Taufe zum κοινωνός (koinōnos) Christi und damit auch untereinander macht, wird durch die nur noch knapp erzählte Taufe von Markia nun erst die zuvor erhoffte Gleichstellung im christlichen Sinne eingelöst. Der Apostel bestätigt im Anschluss in wörtlicher Rede, dass die Würde des Herrn auch für Markia gilt »wie bei den anderen« (ActThom 121fin). Die Gemeinschaft der Getauften kennt keine hierarchischen Über- und Unterordnungen mehr. Das Sakrament und die Teilhabe am Leib Christi ermöglichen vielmehr echte κοινωνία koinōnia-Gemeinschaft (ActThom 50: Komm und verbinde 754

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[κοινώνησον koinōnēson] dich mit uns in dieser Eucharistie; zu κοινωνία [koinōnia] auch ActThom 27; 49; 50; 61; 132; 139, vgl. Myers 2010, 97-99). Obgleich Mygdonia und Markia ihrerseits auf der Ebene der erzählten Welt nicht Gefangene sind, gewinnt der erzählerische Rahmen eine semantische Tiefendimension für die Bindungen der Frauen. Die Amme und Dienerin wird aus ihrer sozialen Rolle befreit und mit der Herrin gleichgestellt. Mygdonia ihrerseits ist – wie die Rahmenhandlung ausführlich geschildert hat – auf der Flucht vor dem Ehemann und letztlich auch vor der Institution Ehe und der damit verbundenen Rolle als Ehefrau. Die durch die Sakramente gestiftete Gemeinschaft und Bindung an Christus löst nun zugleich die bisherigen Bindungen. Dies wird vollends im weiteren Verlauf der Erzählung zum Ausdruck gebracht (ActThom 123-124). Am nächsten Tag will Charis erneut seine Frau zurückgewinnen und »verspricht, alles für sie zu tun«, damit sie wieder wird, wie sie früher war (ActThom 123fin). Mygdonia antwortet mit einer brautmystischen Gegenüberstellung von Charis als dem vergänglichen mit Jesus als dem wahren Bräutigam und stellt in vielen Einzelheiten »jene zeitliche Hochzeit« »dieser ewigen Hochzeit« gegenüber. Auf diese Weise werden retrospektiv die Ereignisse der Nacht als himmlische Hochzeit gedeutet (vgl. ähnlich in ActMarMag 6,22). Ob dieser in ActThom allgegenwärtigen Brautmystik (vgl. dazu Zimmermann 2001a, 544-554) auch eine soziale Realität der Frauenbefreiung entspricht, wie einige Exeget(innen) postuliert haben (Davies 1980; Burrus 1986), lässt sich nicht beweisen, aber auch nicht auszuschließen.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Eine enge Berührung weist ActThom 119-122 mit einem nur fragmentarisch erhaltenen Text der Paulus-Thekla-Akten auf (vgl. Merz zu ActPl 9,16-21 in diesem Band). Wie in ActThom wird in ActPl 9,20-21 die nächtliche Befreiung des Apostels aus dem Gefängnis dazu genutzt, den Initiationsritus mit einer Frau (hier Artemilla) durchzuführen, der »Siegel des Herrn« genannt wird. Wächterschlaf, Taufeucharistie und Lichtmetaphorik runden die Parallelen ab. Allerdings zeigen sich auch markante Unterschiede: So besucht Artemilla den Apostel im Gefängnis, ein leuchtender Jüngling führt aus dem Kerker und die Taufe findet im Meer statt. Man wird deshalb vorsichtig sein müssen, jenseits intertextueller Bezüge Abhängigkeiten in die eine oder andere Richtung zu konstruieren (so z.B. Pervo 2014, 234-236). Eine explizite Wirkungsgeschichte von ActThom 119-122 ist nicht bekannt. In den syrisch überlieferten Oden Salomos (ca. 2.-3. Jh.) findet sich aber ein interessanter Intertext: das Dankgebet eines Befreiten, dessen Überwindung der Gefangenschaft als umfassender Befreiungs- und Erkenntnisprozess beschrieben wird und auch das Türöffnungsmotiv einschließt: 3 Befreit wurde ich von den Nichtigkeiten und bin nicht ein Verurteilter, (…) 4 Meine Bande wurden zerhauen durch sie (…?),

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Gesicht und Gestalt einer neuen Person nahm ich an. (…) 7 Und er, der erkennt, machte mich groß, der Höchste in seinem vollen Pleroma. Und verherrlichte mich durch seine Milde und erhöhte zur Höhe der Wahrheit meine Gnosis. 8 Und von dort gab er mir den Weg seiner Schritte. Und ich öffnete die Tore, die verschlossen waren, 9 und brach auf die Riegel von Eisen. (…) 10 Und nichts erschien mir verschlossen, weil ich die Öffnung von allem war. (OdSal 17,3-10, Übers. Lattke 2011, 71-73)

Das Motiv der wunderbaren Türöffnung findet sich freilich quer durch die Literaturgeschichte, sei es in Hagiographie oder Märchen (dazu eine Auswahl bei Weinreich 1929, 427-452) bis hin zur aktuellen Fantasy (z.B. die Öffnung der Tür in das Zwergenreich Moria bei J. R. R. Tolkiens Herr der Ringe oder der »Alohomora«-Türöffnungszauber in J. K. Rowlings Harry Potter). Ruben Zimmermann

Literatur zum Weiterlesen H. Buchinger, Liturgy and Early Christian Apocrypha, in: A. Gregory/C. Tuckett (Hg.), The Oxford Handbook of Early Christian Apocrypha, Oxford 2015, 361-377. C. Johnson, Ritual Epicleses in the Greek Acts of Thomas, in: F. Bovon et al. (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles, Harvard Divinity School Studies, Cambridge 1999, 171204. S. Luther, Die ethische Signifikanz der Wunder. Eine Relecture der Wundererzählungen der apokryphen Thomasakten unter ethischer Perspektive, in: B. Kollmann/R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014b, 559588. S. E. Myers, Spirit Epicleses in the Acts of Thomas, WUNT 2/281, Tübingen 2010. K. O. Sandnes, Seal and Baptism in Early Christianity, in: D. Hellholm et al. (Hg.), Abolution, Initiation, and Baptism. Late Antiquity, Early Judaism, and Early Christianity, BZNW 176/II, Berlin/Boston 2011, 1441-1481. J. B. Weaver, Plots of Epiphany. Prison-Escape in Acts of the Apostles, BZNW 131, Berlin 2004. O. Weinreich, Türöffnung im Wunder-, Prodigien- und Zauberglauben der Antike, des Judentums und Christentums, in: F. Focke et al. (Hg.), Genethliakon, FS W. Schmid, TBAW 5, Stuttgart 1929, 200-452. G. Winkler, The Original Meaning of the Prebaptismal Anointing and Its Implications, in: M. E. Johnson (Hg.), Living Water, Sealing Spirit. Readings on Christian Initiation. A Pueblo Book, Collegeville 1995, 58-81.

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Das Siegel öffnet für das Heil ActThom 119-122

R. Zimmermann, Die Brautmetaphorik in den Thomasakten (ActThom 6f.; 11-16; 119-132), in: ders., Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis. Traditionsgeschichte und Theologie eines Bildfelds in Urchristentum und antiker Umwelt, WUNT 2/122, Tübingen 2001a, 544-554 (https://publications.ub.uni-mainz.de/opus/volltexte/2017/56462/ pdf/56462.pdf).

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Ausbruch aus den Kerkern – Fluchthelfer ungesehen wieder verschwunden (Der unsichtbare Jüngling) ActThom 154 (154) Judas spricht nun zu Vazan: »Geh voran und bereite uns vor, was wir brauchen.« Da spricht Vazan: »Und wer wird mir die Türen des Gefängnisses öffnen? Denn die Gefängniswärter haben sie geschlossen und sich schlafen gelegt.« Und Judas spricht zu ihm: »Glaube an Jesus, und du wirst die Türen schon geöffnet vorfinden.« Als er aber wegging und sie verließ, folgten ihm alle Übrigen nach. Vazan nun, der vorausging, traf Mnêsar, seine Frau, die gerade ins Gefängnis ging. Und als sie ihn erkennt, spricht sie: »Mein Bruder Vazan, bist du es?« »Ja«, sagt er, »und bist du Mnêsar?« Sie aber spricht: »Ja.« Vazan sagte zu ihr: »Wo läufst du hin? Und vor allem zu einer so späten Stunde? Und wie konntest du aufstehen?« Sie aber sprach: »Indem dieser junge Mann mir die Hand auflegte, richtete er mich auf, und im Traum sah ich, dass ich dahin gehe, wo sich der Fremde befindet und vollkommen gesund werde.« Da spricht Vazan zu ihr: »Welcher junge Mann ist bei dir?« Sie aber sagte: »Siehst du denn nicht den zu meiner Rechten, der mich an der Hand führt?«

Sprachlich-narratologische Analyse Die Erzählung ist Teil der 13. und letzten Tat des Apostels (ActThom 150-158). Der Apostel Judas Thomas wurde vom König Misdai ins Gefängnis geworfen, weil sich seinetwegen die Frau eines Verwandten des Königs zum Christentum bekehrt hat und sich seitdem ihrem Mann entzieht. Bei dem Apostel im Gefängnis sind neugewonnene Anhänger, der Königssohn Vazan und andere. Judas Thomas selbst nimmt seine Haft vergleichsweise gelassen hin und fährt im Gefängnis mit seiner Verkündigung fort. Der Königssohn Vazan erzählt ihm von seiner kranken Frau Mnêsar und bittet den Apostel, mit ihm zu kommen und sie zu heilen. Er bietet an, den Wächter zu bestechen, wenn der Apostel mit ihm kommt, ihm das Siegel gibt (ActThom 150) und nach seiner Frau sieht. Thomas verweist Vazan darauf, dass er glauben solle, dann werde er die θαύματα τοῦ θεοῦ (thaumata tou theou – Wundertaten Gottes) sehen. Auch die übrigen Anhänger wollen von dem Apostel »das Siegel empfangen« (ActThom 152). Dafür müssen außerhalb des Gefängnisses Vorbereitungen getroffen werden. Der Apostel betet um Beistand; daran anschließend wird die vorliegen758

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Ausbruch aus den Kerkern

ActThom 154

de Szene der Flucht aus dem Gefängnis erzählt. Auf der Flucht kommt ihnen die bereits geheilte Mnêsar entgegen. Im nachfolgenden Textverlauf geht die Gruppe ins Haus Vazans, wo ihnen der Apostel die Sakramente spendet (ActThom 156). Fast beiläufig werden hier zwei wundersame Befreiungen miteinander verknüpft und als eine Geschichte erzählt: Da ist zum einen die Flucht Judas Thomas’ und seiner Anhänger aus dem Gefängnis, in dem der Apostel bis zu seinem Martyrium verwahrt werden soll, zum andern die Heilung Mnêsars, die von ihrer Krankheit befreit wurde. Daraus ergibt sich eine Zweigliedrigkeit der Erzählung: Zunächst liegt der Fokus auf der Flucht aus dem Gefängnis, in einem zweiten Abschnitt gerät das Treffen Vazans mit Mnêsar in den Mittelpunkt. Auffällig ist die Konzentration auf Dialoge, die Mehrzahl der vorkommenden Verben entfällt auf λέγειν oder φάναι (legein oder phanai – sagen). Besonders wenn Vazan und Mnêsar sich begegnen und es zunächst gar nicht fassen können, wen sie da treffen, finden sich viele kurze Aussprüche, Fragen und Antworten. Daneben begegnen Verben der Bewegung wie προλαμβάνειν (prolambanein – vorausgehen), ἀπιέναι (apienai – weggehen), συναντᾶν (sunantan – treffen) oder verschiedene Formen von ἔρχεσθαι (erchesthai – gehen). Zusammen mit den vereinzelten Partizipialkonstruktionen schafft all dies einen dynamischen Eindruck, der durch den Wechsel von Handlung und inhaltsreichem Dialog noch verstärkt wird. Der allgemeine Geschehenszusammenhang wird in der Vergangenheit erzählt (Aorist oder Imperfekt mit Augment), auffällig oft wird jedoch für λέγειν (legein – sagen) ins Präsens historicum gewechselt. Die Ereignisse werden alle fortlaufend erzählt, die Abgrenzung der Fluchthandlung ergibt sich schlicht aus der szenischen Gestaltung, durch den Ortswechsel und durch den Auftritt einer neuen Figur, Mnêsar. Der Auftakt der Erzählung des Heilungswunders befindet sich bereits in ActThom 150, wo Thomas Vazan hinsichtlich seiner Frau ankündigt, wenn er glaube, werde er die Wundertaten Gottes sehen. In ActThom 154 wird das tatsächliche Eintreffen dieses Wunders berichtet, allerdings durch kunstvolle Leerstellen, welche die Leserschaft selbst erschließen muss. Somit werden Leserinnen und Leser unmittelbar in die Erzählung mithineingenommen. Eröffnet wird die Szene in ActThom 154 mit der Aufforderung Thomas’ an Vazan, er solle vorausgehen. In Bezug auf die Gefängnistür sagt er ihm zu, er solle an Jesus glauben, dann werde er die Tür geöffnet finden (ActThom 154). Nach dem Gebet des Apostels wird damit der Erzählfokus ganz von ihm auf Vazan übertragen; in der nun folgenden Szene sind dieser und seine Frau Mnêsar die Protagonisten. Diese beiden sind die Träger der Handlung, selbst der Apostel und Mnêsars wundersame Stütze in Gestalt des jungen Mannes treten erzähltechnisch zurück. Besondere Aufmerksamkeit verdient auch, dass die Wunder der Erzählung praktisch nur im Dialog von Vazan und Mnêsar erzählt werden. Auf der tatsächlichen Handlungsebene, auf der sich Flucht und Dialog abspielen, hat sich das Wundergeschehen schon ereignet – die Tür ist bereits geöffnet – bzw. hat schon 759

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

seinen Anfang genommen und setzt sich gerade fort – Mnêsar wurde schon aufgeholfen und sie wird weiter gestützt. Die tatsächliche Türöffnung kann die Leserschaft nur dadurch erschließen, dass nicht geschildert wurde, dass Vazan auf irgendwelche Hindernisse trifft, sondern dass alle das Gefängnis verlassen. Auch die Heilung Mnêsars wird nicht vom Erzähler berichtet, sondern die Leserschaft nimmt diese Veränderung durch Vazan wahr, der Mnêsar danach fragt. Ebenso muss die Leserschaft Vazans erstaunte Reaktion angesichts dieser wundersamen Heilung aus seiner Frage entnehmen, ob sie denn wirklich Mnêsar sei und wie sie denn aufstehen konnte. Die heilende Handlung des Wundertäters wird in Mnêsars wörtlicher Rede erzählt; dass ihr stützender Beistand nur von ihr gesehen wird, für Vazan aber unsichtbar ist, wird wieder von den Lesenden erschlossen, weil Vazan nachfragt. Die Lesenden befinden sich immer nur auf gleichem Wissensstand wie die Protagonisten, ja bleiben teilweise sogar hinter ihnen zurück. Dadurch wird die Leserschaft stark in das Geschehen hineingenommen, sie erkennt nur an Vazans Fragen und an Mnêsars Erzählungen, dass alles so eingetroffen ist, wie von Thomas angekündigt. Leser und Leserinnen folgen der Erzählung kleinschrittig. Dass Thomas es war, der Mnêsar den stützenden Jüngling zur Seite gegeben hat, erfahren sie sogar noch später, wenn Mnêsar nämlich auf Thomas trifft und ihn wiedererkennt (ActThom 155). Die Leserschaft muss auch die Leerstelle füllen, ob Thomas der tatsächliche Wundertäter ist. Der Apostel kündigt sowohl die Türöffnung als auch Mnêsars Heilung an, er bindet aber beides daran, dass Vazan glaubt (εὶ πιστεύεις ei pisteueis, ActThom 150; πίστευσον pisteuson, ActThom 154). Die Wundertaten sind ausdrücklich die Wundertaten Gottes (θαύματα τοῦ θεοῦ thaumata tou theou, ActThom 150). Der Jüngling, der Mnêsar führt, ist vermutlich ein Ausdruck für das vielgestaltige Auftreten Jesu (vgl. ActThom 27; 34; 36), der damit als eigentlicher Wundertäter im Hintergrund steht. Es kann überlegt werden, ob die Wunder durch Thomas’ bloßen Sprechakt initiiert und gewirkt werden; allerdings lässt sich beobachten, dass es allgemeine Tendenz der Thomasakten ist, Thomas’ Wundertätigkeit immer an Jesus selbst zurückzubinden (vgl. ActThom 34). Thomas als der sichtbare, irdische Zwilling von Jesus Christus ist fast eine Art irdisches Gegenstück, durch das Christus selbst wirkt. Ob Thomas oder ob Christus als der Wundertäter angesehen wird, der hinter Türöffnungs- und Heilungswunder steht, die Geschichte bleibt nach formalen Kriterien eine Wundergeschichte. Sie wird mehrgliedrig erzählt, es gibt den Wundertäter (Thomas/Jesus), die sinnlich wahrnehmbare Veränderung (die Tür und Mnêsars Heilung), die Staunen hervorruft (Vazans Nachfrage) und das kontextuelle Rückführen auf das Einwirken göttlicher Kräfte (θαύματα τοῦ θεοῦ thaumata tou theou – Wundertaten Gottes, Jesus wird Mnêsar weiterhin an der Hand führen, ActThom 155). Dass die Handlung des Wundertätigen und die sinnlich wahrnehmbare Veränderung nicht in der Form eines Erzählberichts, sondern in den Dialogen der zwei Handlungsträger erzählt werden und von der Leserschaft erschlossen werden müssen, ermöglicht lediglich eine stärke Inanspruchnahme der Lesenden. 760

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Ausbruch aus den Kerkern

ActThom 154

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Schilderung des Gefängnisaufenthaltes des Apostels und seiner Anhänger ähnelt am ehesten der aus der griechisch-römischen Welt bekannten Verwahrungshaft. Eine solche Haft war Mittel der Behörden, um Angeklagte bis zum Ende der Urteilsfindung oder bis zur Vollstreckung des (Todes-)Urteils sicherzustellen. Als Gefängnis dienten eigens für die Haft hergerichtete Orte. Zwar wurde die Bewachung der Inhaftierten durch ein Gefängnispersonal gewährleistet, die Gefangenen konnten jedoch von Freunden oder Verwandten besucht werden. Diese Besuche waren für die Gefangenen lebensnotwendig, da sie so von den Besuchern mit Nahrungsmittel versorgt werden konnten. Die frühen Christen wurden schnell mit Inhaftierungen späterer Märtyrer konfrontiert, dadurch wurde Gefangenschaft schnell ein fester Bestandteil der Lebenswelt des jungen Christentums. Das Besuchen von Gefangenen ist Christen ein Gebot der Nächstenliebe (Mt 25,36), dementsprechend fällt ihr Engagement für Inhaftierte schon früh der Umwelt auf (Millard/Theißen 2009, 190f.; Arbandt/Macheiner 1976, 329-342). Wenn in den Thomasakten erzählt wird, wie Anhänger des Apostels Wärter bestechen, um Judas Thomas zu besuchen (ActThom 151), entspricht dies dem realgeschichtlichen Hintergrund. Ein metaphorischer Gebrauch der Gefängnis-Semantik ist bereits im Alten Testament angelegt und setzt sich im Neuen Testament fort. Hinsichtlich der Position der Frau lässt sich festhalten, dass Teile der frühchristlichen Bewegung die Tendenz zeigten, Frauen gegenüber Männern gleichrangig zu stellen. Allgemein konnten im Hellenismus und unter römischer Herrschaft Frauen vereinzelt auch politische Ämter innehaben (Wagner-Hasel 2000, 210). Bezüglich der christlichen Gemeinden nennt Paulus ganz selbstverständlich Frauen, die in Mission und Gemeindeleitung tätig sind (Fechter/Sutter Rehmann 2009, 153f.), und auch die Apostelgeschichte kennt Frauen, die zur Verbreitung des Evangeliums beitragen; zudem lässt sie Konflikte erahnen, die dadurch entstanden, dass die Rangfolge zwischen Männern und Frauen aufbrach (Schottroff 1994, 307). Dem entspricht die Tendenz der Thomasakten, dass Frauen ebenso oft wie Männer im Mittelpunkt der Erzählung stehen (Hamman 1966, 64). Da ist eine hebräische Flötenspielerin, die sich sofort zum Apostel hingezogen fühlt (ActThom 5f.), die wiedererweckte Frau, die von der jenseitigen Welt berichtet (ActThom 55-57), und die beiden Frauen Mygdonia und Tertia, die gegen den Willen ihrer Ehemänner zu Anhängern des Apostels werden (ActThom 82; 134). Dass Frauen selbstständig und alleine ausgehen, wird oft nur beiläufig als Hintergrundinformation erzählt, um der Handlung einen Rahmen zu geben (ActThom 62; 82). In ActThom 154 erntet Mnêsars überraschendes Auftauchen auch keine Nachfrage, was sie alleine nachts im Gefängnis zu suchen hat, vielmehr richtet sich Vazans Aufmerksamkeit sofort erstaunt darauf, dass seine Frau geheilt ist.

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Türöffnungswunder: Wie bereits in ActThom 122 findet sich hier das Motiv der sich selbstöffnenden Tür. Als Vazan danach fragt, wer ihm denn die Türen des Gefängnisses öffnen wird, entgegnet ihm der Apostel nur, im Glauben an Jesus werde er die Türen als bereits geöffnete vorfinden (Partizip Perfekt). Dadurch, dass das junge Christentum früh Bekanntschaft mit Gefangenschaften machte, lässt sich einfach erklären, dass Türöffnungserzählungen ebenfalls schon sehr früh zum Fundus der christlichen Wundererzählungen gehörten. Allein in der Apostelgeschichte des Lukas begegnen drei Türwunder, in denen Gefangene auf wundersame Art aus ihren Gefängnissen befreit werden (Apg 5,19; 12,6-11; 16,26f.). Planvoll komponiert wird hier vom Verfasser der Apostelgeschichte zum Ausdruck gebracht: Auch wenn Streiter des Evangeliums in Gefangenschaft geraten, kann dies Gottes Wirken nicht aufhalten, das nicht von Gefängnis oder Ketten verhindert werden kann. Befreier aus der Gefangenschaft ist ein Engel des Herrn oder auch ein Naturereignis wie ein Erdbeben, durch beides wird jedoch letztendlich Gottes Handeln ausgedrückt. Außerhalb des Neuen Testaments finden sich solche wundersamen Befreiungsgeschichten in hellenistischer Literatur, vor allem im Dionysosmythos der Bakchen von Euripides, davon abhängig auch in den Dionysiaka des Nonnos (Weinreich 1929, 282-293). In den PGM taucht das Thema der magischen Türöffnung auf; die nächste christliche Parallele hierzu bieten die apokryphen Akten des Andreas und Matthias in der Stadt der Anthropophagen. Zu erwähnen sind dergleichen Befreiungswunder auch im Zusammenhang mit paganen Wundertätern wie Apollonius von Tyana (Weinreich 1929, 295-298). Während sich etwa in den Pilatusakten (a.a.O., 265) die Tendenz zeigt, das Wunder weiter auszuschmücken, bleibt die Darstellung in den Thomasakten vergleichsweise nüchtern. Zwar gibt es ein gewisses Interesse an Türöffnungen – auch in ActThom 122 werden Gefängnistüren wundersam geöffnet vorgefunden –, aber die Befreiung wird nicht mehr in allen Einzelheiten geschildert. Stattdessen wird implizit auf diese Geschichten zurückgegriffen, wenn lediglich auf den Kern der Befreiungswundergeschichte rekurriert wird: die geöffneten Gefängnistüren. Heilungswunder: Auch auf die Gattung des Heilungswunder wird nur andeutungsweise zurückgegriffen, indem Mnêsar berichtet, der junge Mann habe sie »aufgerichtet« (ἐγείρω egeirō). In den Evangelien wird Jesu Heilen mit ἐγείρω beschrieben (z.B. Mk 1,31; 9,27), in der Apostelgeschichte wird so von Petrus’ Heilshandeln berichtet (Apg 3,7; 10,26). Beim Gedanken an Krankheit klingt auch immer der Aspekt der Weltlichkeit an. Im orientalischen und im griechischen Denken berühren sich die Begriffe Krankheit und Sünde aufs Engste, bei Plato ist Krankheit die Verfehlung des ursprünglichen Zustandes. Diese Auffassung findet sich auch im Neuen Testament, nämlich in der Form, dass Krankheit der Schöpfungsordnung Gottes widerspricht: Krankheit ist auf dämonische Kräfte zurückzuführen (Oepke 1942, 1087f.). Jesus erlöst von Krankheiten und stellt damit den ursprünglichen Schöpfungszustand wieder her (Luck 1969, 310f.). Auch in den Thomasakten gehört das 762

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Ausbruch aus den Kerkern ActThom 154

Kranksein zusammen mit Dämonen, Bösem und Tod in den Bereich der Welt. Zuweilen kann das ganze Leben des ungläubigen Menschen als Krankheit und Verderben bezeichnet werden (ActThom 15). Dagegen wird Jesus Christus als Heiler und Arzt angerufen, der nicht nur den von Krankheiten befallenen Körper, sondern auch die an der Welt krankende Seele zu heilen vermag (ActThom 10; 15). Wird von der wundersamen Heilung eines organischen Leidens gesprochen, steht implizit immer auch die metaphorische Bedeutung im Hintergrund, dass der Mensch durch Jesu Wirken aus den Verstrickungen der Welt befreit wird. Der junge Mann: Beide Wunder werden von Thomas angekündigt, aber als eigentlicher Wundertäter steht Jesus Christus im Hintergrund, zu dem Thomas als sein Zwillingsbruder eine einzigartige Verbindung hat. Dies wird gerade beim Heilungswunder impliziert, indem Jesus in Gestalt des nicht namentlich bezeichneten jungen Mannes wirkt. Dass himmlische Helfer in der Gestalt junger Männer auftreten, ist schon im Markusevangelium als Motiv bekannt: Erwähnt sei hier nur der νεανίσκος (neaniskos – junge Mann) im weißen Gewand, den die Frauen am Grab Jesu auffinden (Mk 16,5), der im Allgemeinen als Engel interpretiert wird. Diese Vorstellung erinnert auch an den Hirt des Hermas, wo der Sohn Gottes in der Gestalt eines »herrlichen Mannes« mit dem höchsten der Engel identifiziert wird (Herm sim IX,12 [89,8] u.ö.; vgl. Brox 1991, 490). Auch in den Thomasakten erscheint Jesus oftmals in der Gestalt eines schönen jungen Mannes (ActThom 27; 34; 36). Einmal wird sogar ausdrücklich davon berichtet, dass die Anhänger des Apostels zunächst nur die Stimme des Auferstandenen hören, aber den zugehörigen Körper erst sehen können, nachdem sie die Sakramente empfangen haben (ActThom 27). Auch die Paulusakten kennen eine Erzählung, in der Paulus und Artemilla von einem Kind aus dem Gefängnis geführt werden.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erzählung von Vazans Befreiung aus dem Gefängnis und der Befreiung Mnêsars von ihrer Krankheit eröffnet eine Vielzahl von Deutungshorizonten, von denen hier nur wenige skizziert werden können. Durch die erzähltechnischen Mittel der Geschichte lässt sie sich ekklesiologisch deuten: Im Mittelpunkt stehen zunächst einmal nicht der Apostel oder Jesus Christus, sondern zwei ›normale‹ Menschen, zwei einfache Glaubende. Nicht der Apostel geht voran, um ihm offen stehende Türen zu durchschreiten, sondern er schickt Vazan, voranzugehen. Dieser wiederum zögert nicht, diesem Befehl Folge zu leisten; den Apostel als Rückhalt hinter sich wissend, geht er den ihm zugewiesenen Weg. Auch Jesus als eigentlicher Wundertäter tritt eine Erzählebene zurück: Nicht direkt, sondern nur in Mnêsars Rede wird von dem Heilungswunder erzählt, auf vorderster Textebene handelt lediglich sie. Beide Erzählkniffe machen deutlich: Die Gläubigen stehen im Mittelpunkt, sie selbst können nun aktiv werden. Diese Perspektive legt sich aus der Entstehungszeit der Akten selbst nahe, nachdem die Zeit der Augen763

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

zeugen und der direkt von Jesus Berufenen zu Ende gegangen ist, ist es nun die Kirche der Lebenden, die als auf der Erde Handelnde in den Blick gerät. Jesus und seine unmittelbaren Apostel treten zurück, zwar bleibt Jesus der alleinige Grund der Wunder, aber als unsichtbar Wirkender. Den Gläubigen in der Welt obliegt es, auf diesen stärkenden Rückhalt zu vertrauen und kraft dieser Zuversicht zu neuen Wegen aufzubrechen. Damit rückt das Wirken der Kirche Christi auf Erden in den Fokus. Dadurch, dass mit Mnêsar eine der zwei Hauptfiguren der Geschichte eine Frau ist, liegt es nahe, die weibliche Perspektive der Erzählung in den Blick zu nehmen. In der Schilderung der Erzählung weist nichts darauf hin, dass Mnêsar in ihrer Rolle als Frau irgendwie benachteiligt wäre, auf Augenhöhe trifft sie auf Vazan. Als ihr im Traum befohlen wird, sich aufzumachen, scheint sie nicht zu zögern. Obwohl sie durch ihre Krankheit beeinträchtigt gewesen ist, vertraut sie ihrer Traumvision, ihrer Intuition und macht sich unverzagt auf den Weg, dorthin zu gehen, wo der Fremde ist. Auch wenn ihr Aufritt nur skizzenhaft geschildert wird, begegnet sie damit als mutige und entschlossene Frau. Sich trotz einer (körperlichen) Schwäche ganz auf das Wagnis einzulassen und Vertrauen zu schenken, erfordert besonderen Mut. So wird in der Figur der Mnêsar die Fähigkeit illustriert, Neuem aufgeschlossen und vertrauensvoll zu begegnen, nicht misstrauisch oder skeptisch. Ferner zeigt gerade die Selbstverständlichkeit, mit der die Frau Mnêsar als Adressatin göttlichen Wirkens dargestellt wird, die prinzipielle Gender-Gleichberechtigung, die im Text angelegt ist. Durch das doppelte Befreiungsmotiv ist es leicht, die Erzählung theologischtiefenpsychologisch zu deuten: Das zeitlose Bild der Gefangenschaft spricht das Innere der Rezipienten an. Das Gefühl, eingesperrt, eingeengt und befangen zu sein, ist niemandem ganz fremd. Auch wenn es Menschen äußerlich ›gut‹ geht, ihre Hände nicht in Fesseln liegen, werden sie trotzdem immer wieder in Situationen geraten, in denen sie nicht vollkommen frei sind, ihr Handeln und Verhalten zu gestalten. Erwartungen der Eltern, Freunde und Kollegen, gesellschaftliche Zwänge, oftmals auch selbstgemachter Druck, von dem man sich nicht lösen kann, sind Beispiele alltäglicher Gefangenschaften. »Wer wird mir die Türen des Gefängnisses öffnen?«, fragt Vazan. Und ohne viel Aufhebens antwortet ihm Thomas: »Glaube an Jesus, dann sind alle Türen bereits offen.« Evangelische Theologie und Lieddichtung kennen Jesus als den Erlöser, den Befreier aus allen Banden. Sich als von Jesus befreit zu wissen, sich ganz und gar ihm zu überantworten, das befreit von den Erwartungen anderer Herren. Und wer im Gefühl einer solchen Befreiung lebt, hat womöglich sogar die Kraft, sich zu anderen aufzumachen, die noch befangen sind, ganz so wie Mnêsar den Weg zum Gefängnis geht. Charlotte Dötzkirchner

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Ausbruch aus den Kerkern

ActThom 154

Literatur zum Weiterlesen J. N. Bremmer, The Acts of Thomas. Place, Date and Women, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas, SAAA 6, Leiden 2001a, 74-89. A. Hamman, Sitz im Leben des Actes Apocryphes du Nouveau Testament, StPatr 8, TU 93 (1966), 62-69. A. F. J. Klijn, The Acts of Thomas. Introduction, Text, and Commentary, Leiden ²2003, 28-42.

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Knochen und Staub: die Kraft der heiligen Reliquien (Heilung des Sohnes) ActThom 170 (170) Nach Verlauf langer Zeit traf es sich, dass einer von den Söhnen des Misdai von einem Dämon besessen wurde. Da der Dämon hartnäckig war, war niemand imstande zu heilen. Misdai überlegte und sprach: »Ich will hingehen und das Grab öffnen und einen von den Knochen des Apostels Gottes nehmen und meinen Sohn berühren [oder: an meinen Sohn hängen], und ich weiß, dass er geheilt werden wird.« Und er ging hin, das auszuführen, was er im Sinne hatte. Und Judas erschien ihm und sprach: »Obwohl du an den Lebenden nicht geglaubt hast, willst du an den Toten glauben? Fürchte dich aber nicht! Jesus Christus zeigt sich wegen seiner großen Güte menschenfreundlich gegen dich.« Misdai fand aber keine Gebeine, weil einer der Brüder sie heimlich genommen und in die Gegend des Westens [oder: Mesopotamien] gebracht hatte. Also nahm er Staub von der Stelle, wo die Gebeine des Apostels gelegen hatten, berührte damit seinen Sohn [oder: hängte ihn an seinen Sohn] und sprach: »Ich glaube jetzt an dich, Jesus, nachdem der mich verlassen hat, der die Menschen immer verwirrt, damit sie nicht auf dein vernünftiges Licht schauen [oder: damit sie dich nicht sehen können].« Und als sein Sohn auf diese Weise geheilt worden war, kam er mit den Brüdern zusammen und unterwarf sich dem Sifor. [Oder: Als er an den Jungen gehängt wurde, war der Junge gesund geworden. Also nahm Misdai an den Versammlungen der Brüder teil und beugte sich unter die Hände des Sifor des Älteren.] Und er forderte alle die Brüder auf, für ihn zu beten, damit er von unserem Herrn Jesus Christus Erbarmen erlangen möchte. Übersetzung überarbeitet nach Drijvers 1997.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Handschriften unterscheiden sich in der Darstellung des Martyriums des Thomas so stark voneinander, dass Lipsius/Bonnet zwei parallele Versionen des Textes vorgelegt haben. Die Übersetzung (oben) hat die Handschriften K, R, U und V als Grundlage; die Passagen in Klammern übersetzen die wichtigsten Unstimmigkeiten der Handschriften P, M, F und S (zur Auflösung der Handschriftenabkürzungen vgl. Lipsius/Bonnet 1959, 2/2, XVI). Der syrische Text bietet darüber hinaus noch weitere Varianten, die im Folgenden, so weit nötig, vermerkt werden. 766

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Knochen und Staub: die Kraft der heiligen Reliquien ActThom 170

ActThom 169 erzählt vom Martyrium des Judas Thomas und von seinen Erscheinungen nach dem Tod vor seinen Jüngern, bei denen er sagt: »Ich bin nicht hier« (vgl. Lk 24,5f.). Das heißt ActThom 169 wirkt ganz klar wie »das Ende«, so dass der Eindruck entsteht, ActThom 170 sei ein Anhang. Tatsächlich ist es durchaus möglich, dass ActThom 170 eine sekundäre Ergänzung des Textes ist (vgl. Klauck 2005, 186). Weitere Hinweise dafür, dass diese Episode einen Anhang bilden, liegen in der vagen Chronologie (»nach Verlauf langer Zeit«) und in der unklaren Identifizierung des Empfängers der Heilung (»einer von den Söhnen des Misdai«). Vazan, der Sohn des Misdai, spielt innerhalb der Erzählung eine wichtige Rolle als Gläubiger. Er wird nicht nur von Judas Thomas getauft, sondern ist auch einer der Jünger, vor denen Judas Thomas nach seinem Tod erschienen war; der Apostel hat ihn sogar zum Diakon ernannt, als er hinausgeführt wurde, um zu sterben. So stellt sich die Frage: Wenn der besessene Sohn in ActThom 170 Vazan ist, warum wird er nicht explizit genannt? Außerdem, wenn Misdai mehrere Söhne hätte, warum werden sie nur jetzt erwähnt? Der Sinneswandel des Misdai, der etwa 70 Kapitel lang dem Apostel Widerstand leistet und ihn ablehnt, ist – gelinde gesagt – unerwartet. Allerdings bietet die Erzählung zwei Gründe für seine plötzliche Reue: Erstens sind Krankheit und drohender Tod eines Kindes eine wohl bekannte Motivation für den Glauben (vgl. Mk 5,21-24.35-43; 7,24-30; 9,14-29 und par.); zweitens diagnostiziert Misdai die Ursache seines eigenen Unglaubens mit dem, »der die Menschen immer verwirrt, damit sie nicht auf dein noetisches Licht schauen«. Aber keiner dieser beiden Gründe wird in dieser kurzen Episode sorgfältig ausgearbeitet. Die Heilung selbst wird jedoch nicht geschildert, denn die beiden letzte Sätze bestätigen nur: Als der Sohn geheilt wird, hat sich Misdai an die christliche Gemeinde angeschlossen und sich dem Sifor unterworfen (vermutlich weil dieser Bischof ist, vgl. ActThom 169). Schließlich ist diese Episode aber nur oberflächlich mit der ganzen Erzählung verbunden: Der Leser erkennt weder diesen plötzlich reumütigen Misdai noch den Sohn (Vazan oder nicht). Dementsprechend findet man die Bedeutung dieser Episode nicht im narrativen Kontext, sondern im späteren historischen Kontext des 4. Jh. (s.u.).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Der Sohn des Misdai wird zwar »von einem Dämon besessen«, aber Misdai bemüht sich nicht um Exorzismus, sondern um Heilung. Mit anderen Worten: In dieser Episode werden Besessenheit von einem Dämonen und Krankheit (und ebenso Exorzismus und Heilung) als identisch behandelt. Solche Überschneidungen sind auch im Neuen Testament zu finden, doch ist dort in vielen Fällen auch die Differenzierung zwischen Exorzismus und Heilung bekannt (z.B. Mk 1,32f.; 3,10f.; 6,13; 16,17f.; Lk 6,18f.; 7,21; 13,32). Theißen, der die Unterscheidung zwischen den beiden Phänomenen unterstreicht, teilt das Exorzismusmotiv in zwei Kategorien ein: »dämonologische Krankheitsaitiologien und exorzistische Heilverfahren« (Theißen 1998, 86). Aber diese kurze Episode, die keine Symptome der Besessenheit beschreibt, 767

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Die Wundererzählungen in den Thomasakten

sträubt sich gegen eine weitere Kategorisierung. Einerseits ist klar, dass der Sohn des Misdai von einem Dämon besessen ist (im Gegensatz zu einer Krankheit, die eine dämonische Ursache hat); andererseits wird die Lösung der Besessenheit nur mit der Sprache der Heilung beschrieben, ohne jeden Hinweis auf exorzistische Verfahren oder den Weggang des Dämonen. Man kann daher nur darauf schließen, dass der Autor sich viel weniger für die Details der Heilung/des Exorzismus selbst interessiert als für die wunderbare Kraft der Reliquien zur Durchführung eines Wunders. Im Hinblick auf die Kraft des Staubes muss man auch anmerken, dass Jesus selbst ebenfalls Staub verwendet, um Blindheit zu heilen (Joh 9,6). Bemerkenswert ist der Hinweis auf die Tatsache, dass »einer der Brüder« die Knochen des Thomas entfernt und sie »in die Gegend des Westens« gebracht hatte. Ephraem der Syrer (Carm. 42) berichtet, dass ein Handelsmann die Reliquien des Thomas von Indien nach Edessa gebracht hatte. Unser frühester Hinweis darauf, dass die Reliquien des Thomas in einem Heiligenschrein in Edessa verehrt wurden, stammt aus dem Ende des 4. Jh. n. Chr. (vgl. die Erzählung der Wallfahrerin Egeria, die Edessa im Jahr 384 n. Chr. besucht hatte: Peregr. Eger. 17,1 und 19,3). Vor diesem Hintergrund scheint es also plausibel, dass ActThom 170 (wenn hier tatsächlich ein Anhang vorliegt) geschrieben wurde, um die Thomasakten mit der wohlbekannten Tatsache, dass die Reliquien des Thomas in Edessa sind, zu harmonisieren. In diesem Fall wäre der Anhang im 4. Jh. oder später hinzugefügt worden.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Wirkung der wunderbaren Heilung in dieser Episode gründet sich auf die Vorstellung einer Wirkkraft dieser zwei Materialen: (1) die Kraft der Reliquien und (2) die Kraft des Staubes, der mit solchen Objekten in Kontakt kommt. In diesem Falle könnte man von »Kontakt-« bzw. »Berührungsreliquien« sprechen. Die Macht von Objekten, die in Kontakt mit machtvollen Individuen gekommen sind, kennt bereits das Neue Testament (vgl. Apg 19,12, wo die Schweiß- und Taschentücher des Paulus die Macht haben zu heilen und Dämonen auszutreiben, oder Mk 5, wo durch die Berührung der Kleidung Jesu der Blutfluss einer Frau gestoppt wird). Diese Vorstellung wurde in den folgenden Jahrhunderten fortentwickelt, insbesondere in Bezug auf Objekte – v.a. Kleidung – die in Kontakt mit Reliquien der Heiligen kamen. Ambrosius von Mailand beschreibt die Kraft der Reliquien der Heiligen Gervasius und Protasius, die er entdeckt hatte, in einem Brief an seine Schwester: Ihr habt erfahren, vielmehr selbst gesehen, dass viele von Dämonen gereinigt worden sind, sehr viele auch, sobald sie das Gewand der Heiligen mit den Händen berührten, von ihren Gebrechen, unter denen sie zu leiden pflegten, erlöst worden sind; dass die Wunder der alten Zeit wiederentdeckt wurden, umso mehr sich die Gnade durch die Ankunft des Herren Jesus über die Erden ergossen hatte, und ihr erkennt, dass die meisten geheiligt worden sind sozusagen durch einen Schatten der heiligen Körper. Wie viele Schweißtücher werden heftig umhergeschwenkt, wie viele Stoffstücke, die über den heiligsten Reliquien lagen und bei ihrer Berührung selbst heilsam sind, werden einge-

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Knochen und Staub: die Kraft der heiligen Reliquien ActThom 170

fordert! Alle freuen sich, das äußerste [Stück] Leinen zu berühren, und der, dem das Berühren glückt, wird gesund sein (Übers. G. Zipp; vgl. Aug. civ. 22,8).

Die Reliquienverehrung und der Glaube an das Vermögen der Reliquien, zu heilen und Dämonen auszutreiben, haben im 4. Jh. n. Chr. an Bedeutung zugenommen, aber die Wurzeln dieser Vorstellung sind schon früher erkennbar (vgl. z.B. MartPol 18, wo die Knochen des Polykarp als »wertvoller als Edelsteine ​​und feiner als Feingold« beschrieben werden). Die Idee von der Kraft der Gebeine außerordentlicher Menschen ist natürlich etwas älter. Man findet solche Vorstellungen schon im Alten Testament, wo der zufällige Kontakt mit den Knochen Elischas einen Toten wieder zum Leben erweckt (2 Kön 13,21). Auch der griechische Heroenkult arbeitet mit der Annahme, dass die Gebeine des Heroen eine gewisse Kraft behalten: Das Heroon ist der Ort des Begräbnisses eines Heroen; es befand sich oft in der Stadt, mit der der Heroe in engster Verbindung stand. Von der Verwendung der Gebeine – speziell der Gebeine eines Mannes, der gewaltsam (wie auch Thomas!) getötet wurde – ist auch in den griechischen magischen Papyri die Rede: PGM IV,1872-1927 verwendet »den Knochen vom Kopf eines Mann, der gewaltsam gestorben ist«. In den PGM findet man auch die Kraft des Staubes oder der Erde des Grabes: In PGM IV,2125-2139 dient die Erde eines Osiristempels und eines Grabes dazu, den Mund eines Divinationsschädels abzudichten.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Das Interesse des Autors beim Erzählen dieses Wunders konzentriert sich auf die Kraft des Materials, das das Wunder vollbringt, und nicht auf die Details der Heilung selbst. Der Schwerpunkt ist auch nicht in der Erzählung an sich zu finden; diese Episode richtet vielmehr die Aufmerksamkeit des Lesers auf die reale Welt – auf die Reliquien des Thomas, die in Edessa in einem Schrein verwahrt wurden. Diese Wundererzählung hat eine ätiologische Funktion, da sie, wenn auch nur knapp und nebenbei, erklärt, wie die Reliquien des Apostels von Indien nach Westen gekommen sind. Die Erzählung hat aber auch werbende Funktion: Sie wirbt für die Wirkungskraft des Staubes, den die Knochen berührt hatten. Um wie viel kräftiger müssen also die eigentlichen Reliquien in Edessa sein? Es könnte gut sein, dass dies einen wohlhabenden Leser – besonders einen, der an einer Krankheit leidet – dazu bewegen könnte, eine (sicherlich kostspielige) Reise nach Edessa zu planen. Wie schon erwähnt, passt die plötzliche Bekehrung des Misdai nicht besonders gut zum Rest der Erzählung; der Leser empfindet ActThom 170 als nur locker mit dem Zusammenhang verknüpft und etwas schwer verständlich. Unabhängig von der Tatsache, dass diese Episode nicht ursprünglich zu den frühen Thomasakten gehörte, bietet sie dem Leser einen optimistischen Blick auf die Möglichkeit, dass jeder – sogar der stärkste Gegner des Christentums – ein Gläubiger werden kann. In diesem Sinne ist die Episode eine Repräsentation von 1 Kor 10,16. Bei der Taufe der Tertia, 769

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der Frau des Misdai, ist Misdai selbst das Paradigma eines ungläubigen Ehepartners. Er und Charisius (der Mann der Mygdonia, die auch getauft wird) setzen ihre Frauen unter Druck, das Christentum aufzugeben: »Misdai aber und Charis nötigten Tertia und Mygdonia sehr, überredeten sie aber nicht, ihre Meinung aufzugeben« (ActThom 169). Dennoch gibt es weder einen Hinweis darauf, dass Charisius oder Misdai sich von ihren Ehefrauen scheiden lassen, noch dass die Frauen sich von ihren Ehemännern trennen. Dass sogar ein Übeltäter wie Misdai gerettet werden kann, macht vielleicht den Christen, die ungläubige Angehörige haben, Hoffnung.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Dieses letzte Wunder der Thomasakten identifiziert den Apostel als einen von den Menschen, die Peter Brown als »the very special dead« genannt hat (vgl. Brown 1981, 69-85). Diese Episode ist ein Vorläufer des Phänomens, das Brown als »the geyserlike force with which belief in miracles of healings at the tombs or in connection with the relics of the martyrs burst out throughout the Mediterranean world« beschrieben hat (a.a.O., 75). Der kurze Bericht über die Wirkkraft des Staubes von den Knochen des Apostels bietet nur einen Vorgeschmack von den langen, detaillierten Berichten der Wunder, die man z.B. in den Libri octo miraculorum des Gregor von Tours findet. ActThom 170 ist also ein schönes Bindeglied zwischen den apokryphen Apostelakten und der späteren hagiographischen Literatur. Janet E. Spittler

Literatur zum Weiterlesen P. Brown, The Cult of the Saints. Its Rise and Function in Latin Christianity, Chicago 1981. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005. G. Theißen, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien, StNT 8, Gütersloh 71998.

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VII. Die Wundererzählungen in den Andreasakten

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Hinführung zu den Wundererzählungen in den Andreasakten Text und Herkunft Unter den apokryphen Apostelakten sind es wahrscheinlich die Akten des Andreas, die ihre Geschichte und ihren Text am schwierigsten rekonstruieren lassen. In dieser Hinführung können wir nur zwei neuere Versuche zur Textrekonstruktion und Datierung kurz besprechen. Obwohl relativ viele Handschriften der Andreasakten gefunden worden sind, scheint keiner der bewahrten Texte die ganze Erzählung wiederzugeben, und es bleibt weitgehend umstritten, wie man aus den Fragmenten die ursprünglichen Andreasakten rekonstruieren könnte. Die Mehrheit der Textfunde kann man in eine der folgenden vier Gruppen einordnen (vgl. Roig Lanzillotta 2007, 3-9): (1) Die Akten des Andreas und Matthias erzählen von der Mission der zwei im Titel genannten Apostel im Land der Kannibalen, (2) das Martyrium des Andreas wurde in zahlreichen Bearbeitungen überliefert; (3) die Missionsreisen des Andreas, einschließlich seines Martyriums, werden vor allem in den lateinischen Auszügen dargestellt, die Gregorius von Tours am Ende des 6. Jh. verfasste. Zu dieser Gruppe gehören noch drei byzantinische Rezensionen; (4) zuletzt gibt es griechische und koptische Handschriften, die diverses Material überliefern, dessen Verhältnis zu den ersten drei Gruppen undeutlich ist. Eine wichtige Frage der Forschungsgeschichte war, ob die Erzählung über Andreas und Matthias unter den Kannibalen zu den ursprünglichen Andreasakten gehörte. MacDonald (1990a) hat diese Frage bejahend beantwortet: Seine Ausgabe der Andreasakten beginnt mit der Verlosung der Missionsgebiete in Jerusalem, umfasst die Missionsreisen der beiden Apostel in »Myrmidonien« (s.u.), die Lehre und Wundertaten des Andreas in Kleinasien, Thrakien und Achaia und schließlich dessen Martyrium in Patras, im Norden der peloponnesischen Halbinsel. Die Argumente von MacDonald für diese Rekonstruktion können wir nicht in einzelnen besprechen, es genügt hier, die zwei wichtigste Punkte zu nennen: (1) Als wichtigste Evidenz für die Zugehörigkeit der sich in Myrmidonien abspielenden Episoden zu den Andreasakten führt MacDonald eine Reihe von Texten auf, die den Aufenthalt des Apostels an diesem Ort erwähnen oder den Andreasakten Motive zuschreiben, die zu diesem Erzählzyklus gehören. Wie MacDonald selbst zugibt, stammt der früheste dieser Belege aus dem 5. Jh. (2) Weiter betrachtet MacDonald Parallelen mit anderen apokryphen Apostelakten zur Unterstützung seiner Hypothese. Er geht davon aus, dass der Verfasser der Andreasakten die Petrusakten kannte und die späteren Thomasakten von den Andreasakten abhängig sind – Annahmen, die auch andere Forscher teilen. Daraus folgert MacDonald, dass in seinen Akten auch Andreas sein Missionsgebiet durch Los erhalten habe und zu den Barbaren geschickt werden sollte. Das wäre analog 773

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zur Geschichte des Petrus und des Thomas in den ihnen gewidmeten apokryphen Apostelakten. Da es deutliche stilistische Unterschiede zwischen den beiden Hauptteilen der auf diese Weise rekonstruierten Andreasakten gibt (die Episoden in Myrmidonien einerseits und die Erzählungen über Andreas’ Martyrium anderseits), schlägt MacDonald vor, dass die beiden Teile nacheinander von zwei unterschiedlichen Autoren verfasst wurden. Mit der Ausnahme einiger später hinzugefügter Kapitel soll der ganze Text vor 200 n. Chr. geschrieben worden sein, weil er die im frühen 3. Jh. entstandenen Thomasakten schon beeinflusste und der Kirchenvater Origenes ihn wahrscheinlich auch kannte. Ein anderes Bild ergibt sich aus der Forschung von Roig Lanzillotta (2007; ders. 2011; vgl. Roig Lanzillotta/Luttikhuizen 2008), der konstatiert, dass man die ursprünglichen Andreasakten nicht mehr rekonstruieren kann, da alle erhaltenen Texte der Andreasakten aus späterer Zeit stammen und durch unterschiedliche Interessen ihrer Rezensenten geprägt sind. Wenn man solche Quellen miteinander kombiniert, ist das Resultat eine Mischung ohne Konzept und Charakter. Roig Lanzillotta betrachtet ein einzelnes Fragment als vertrauenswürdiges Zeugnis der ursprünglichen Andreasakten: Im Codex Vaticanus Graecus 808 (Vat. gr. 808) findet sich eine Reihe von Episoden, die überarbeitet auch in anderen Handschriften erscheinen und in den Ausgaben von Prieur (1989) und MacDonald als Kap. 33-50 eingereiht wurden. Die Reden des Andreas in Vat. gr. 808 stellen einen soteriologischen Prozess dar. Der Mensch hat einen höheren Ursprung, ist aber im Moment Gefangener seiner irdischen Existenz. Wenn er sich nicht durch seine sinnliche Wahrnehmung irreführen lässt, seine körperlichen Triebe beherrscht und seiner Intuition vertraut, kann er wieder zu seiner transzendenten Natur zurückkehren. Die Mission des Apostels ist es, die Menschen aus ihrer Lethargie zu erwecken. Hinter diesen Gedanken stehen sowohl mittelplatonische als auch aristotelische Konzepte, die den Text in das späte 2. Jh. einordnen lassen. Der Text zeigt Verwandtschaft zur gnostischen Literatur. Das Fragment von Vat. gr. 808 zeigt, dass die Andreasakten des 2. Jh. nicht bloß eine Kette phantastischer Erzählungen waren, sondern über ein ausgearbeitetes theologisches System verfügten, das vor allem in den Reden des Apostels artikuliert wird. Diese Folgerung bestätigen weitere Beobachtungen: (1) Gregorius von Tours (s.o.) berichtet in seiner Vorrede zu den lateinischen Auszügen der Andreasakten (Bonnet 1885, 377), dass das Buch der Wunder des Andreas wegen seiner »Weitschweifigkeit« (verbositas) apokryph genannt wird. Seine eigene Arbeit umfasst nur eine Auswahl der Wundergeschichten (deshalb in der Forschung vielfach auch »Epitome« des Gregor genannt), weil nicht »viel Weitschweifigkeit« (multitudo verbositatis), sondern gesunde Vernunft und reiner Geist (integritas rationis et puritas mentis) dem unangetasteten Glauben (inviolatam fidem) dienen. Diese Vorrede lässt sich so interpretieren, dass der dem Gregorius vorliegende Text viele Reden umfasste, die der Bischof wegen ihres häretischen Inhalts in den Liber de miraculis nicht aufgenommen hat. (2) Mehrere Episode des Martyriums wurden sowohl im Liber de mi774

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raculis als auch in der griechischen Überlieferung bewahrt. Ein Vergleich der Quellen hinsichtlich dieser Stellen zeigt, dass Gregorius tatsächlich die langen Reden des Apostels weggelassen hat. (3) Ferner wird diese Folgerung durch die Struktur der anderen frühen Apostelakten bestätigt, in welchen die Reden der Apostel auch eine wichtige Rolle spielen, nicht anders als in der lukanischen Apostelgeschichte. Da der Text der Andreasakten nur fragmentarisch und in sehr unterschiedliche Bearbeitungen zur Verfügung steht, ist die Datierung einer hypothetischen Originalfassung schwierig. Wenn man unterschiedliche Versuche (Bremmer 2000b; Klauck 2008a, 115f.; Roig Lanzillotta 2007, 271f.; vgl. ders. 2007, 47f.) in Betracht zieht, ergibt sich das späte 2. oder vielleicht das frühe 3. Jh. als Zeitraum, in dem eine frühe, aber komplette Fassung der Andreasakten – wahrscheinlich in Kleinasien – entstand. In dieser Fassung wurden sowohl ältere Überlieferungen verarbeitet als auch Episoden der älteren Apostelakten adaptiert. Später inspirierte der Text viele Ergänzungen und Fortsetzungen und vielleicht muss man schon am Anfang mit mehreren Versionen rechnen. Im Wunderkompendium werden ausgewählte Erzählungen aus den drei Textgruppen der Andreasakten ausgelegt. Die Wunder der Akten des Andreas und Matthias (ActAndrMatt) stehen nach der Auswahl aus dem Liber de miraculis (ActAndr[Greg]) und dem Martyrium des Andreas (MartAndr). Im letztgenannten Abschnitt folgen wir der Textrekonstruktion von Prieur (1989, 442-549; vgl. MacDonald 1990, 321-441). Zusätzlich zu den obengenannten Texten wird eine weitere Quelle betrachtet, nämlich die Akten des Petrus und Andreas (ActPetrAndr). Dieser Text schließt sich einer Episode der Akten des Andreas und Matthias an und enthält drei Wunder, wovon zwei Geschichten Gleichnisse Jesu erzählerisch ausarbeiten.

Die Wundererzählungen in Gregorius von Tours, Liber de miraculis Wie schon der Titel dieses Buches zeigt, besteht die Erzählung von Gregorius hauptsächlich aus Wundergeschichten, die entlang einer langen Reiseroute im Norden Kleinasiens, Thrakiens, Makedoniens und der Achaia verteilt sind. Die Reise beginnt, indem der Engel Gottes Andreas nach Myrmidonien (s.u.) schickt, um dort Matthäus aus dem Gefängnis zu befreien (ActAndr[Greg] 1; Bonnet 1885, 377f.). Alle Wunder des Apostels im Liber de miraculis können wir in dieser Einführung nicht im Einzelnen darstellen. Wir werden uns stattdessen auf wichtige Merkmale und Tendenzen der Wundergeschichten konzentrieren: (1) Familie und Sexualethik: In den meisten Wundergeschichten des Liber de miraculis begegnen wir ganzen Familien oder mehreren Mitglieder einer Familie. Eltern kommen auch in den kanonischen Evangelien wegen ihren kranken Kindern zu Jesus und viele Episoden der apokryphen Apostelakten spielen in den Haushalten der Oberschicht. Jedoch findet man kaum einen anderen Text in der frühchristlichen Wunderliteratur, der den Familienverhältnissen so viel Aufmerksamkeit widmet wie die Erzählung von Gregorius. In Amasia unterhält eine Mutter eine inzestuöse 775

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Beziehung zum Sohn und wird hingerichtet (ActAndr[Greg] 4). In Sinope werden Mann, Frau und Sohn exorzisiert (ActAndr[Greg] 5), und die Dämonen töten den Sohn eines älteren Ehepaars in Nikomedien (ActAndr[Greg] 7). In Philippi verhindert Andreas zwei »inzestuöse« Ehen zwischen Cousinen (ActAndr[Greg] 11). In Thessalonich ist eine Familie mit zwei Söhnen im Mittelpunkt und ein anderer Vater bringt seinen kranken Sohn zum Apostel (ActAndr[Greg] 12-14). In Philippi bringt ein Vater seinen seit 22 Jahren verkrüppelten Sohn zu Andreas (ActAndr[Greg] 15). Die darauf folgenden Episoden betreffen die Familien zweier Prokonsule in Philippi und Patras (ActAndr[Greg] 18f. und 22f.). In Patras spielt sogar die alte Amme der Frau des Prokonsuls eine wichtige Rolle. Unter den vierzig Schiffbrüchigen, die der Apostel am Ufer auferweckt, befinden sich zwei Ziehbrüder (ActAndr[Greg] 24). In Korinth geht es um eine Frau, die den Sohn eines Mörders tot zur Welt bringt (ActAndr[Greg] 25). In Megara entdämonisiert Andreas einen ganzen Haushalt und in Patras heilt er eine blinde Familie (ActAndr[Greg] 29 und 32). Schließlich berichtet der Text vom Anfang seiner Wirksamkeit in Patras, wo der Prokonsul Aigeates, sein Bruder Stratokles und seine Frau Maximilla die wichtigsten Charaktere sind. Einige Episoden mit Familien im Liber de miraculis haben Parallelen in den anderen apokryphen Apostelakten, vor allem in den Thomasakten. Die genauen intertextuellen Linien zu rekonstruieren ist nicht die Aufgabe dieser Einführung. Interessant ist jedoch, dass die Texte mit diesen Motiven unterschiedlich umgehen. In den Thomasakten bieten die entsprechenden Episoden Rahmen für theologische Diskussionen, z.B. soteriologischer (ActThom 11-15), kosmologischer (ActThom 3133) oder häresiologischer (ActThom 79) Themen. Das Martyrium des Andreas weist Sexualität auch in der Ehe zurück und fördert eine sublimierte Erotik als Sprachmittel der Mystik (MartAndr 23; vgl. ActThom 14f.). Im Liber de miraculis fehlt eine allgemeine Verurteilung der Sexualität, der Umgang mit der Familie und Sexualethik bleiben immer auf einer praktischen und alltäglichen Ebene. In der Forschung werden die Andreasakten oft als asketisch beschrieben (Hornschuh 1964, 274; Prieur/ Schneemelcher 1997, 104; vgl. Roig Lanzillotta 2007, 46). Gregorius von Tours (oder seine Quelle) soll diese asketische Tendenz reduziert haben (Adamik 2000b). Alternativ kann man die These vertreten, dass dem Liber de miraculis eine elitäre Einstellung zu Familie und Sexualität zugrunde liegt. Die Bekehrung des jungen Exuos (ActAndr[Greg] 12) enthält realistische sozialgeschichtliche Züge, vor allem was die Rolle führender Familien in einer römisch-hellenistischen Stadt wie Philippi angeht (vgl. Czachesz zu ActAndr[Greg] 12 in diesem Band). Die tragische Episode der Sklavin Eukleia (die Gregorius weglässt) setzt voraus, dass man im Dunklen Sex hatte. In der Antike galt dies als eine Gewohnheit der römischen Oberschicht (Bremmer 2000b, 21). Die Darstellung von lüsternen Frauen (ActAndr[Greg] 4f.) entspricht den antiken Stereotypen. Zwei Motive der Erzählung lassen sich in diesem Rahmen etwas schwieriger erklären. (1) In ActAndr(Greg) 28 nennt der alte Nicolaus neben Unreinheit (immunditia) und Unzucht (fornicatio) auch Verkehr mit Huren (scortum) unter seinen Sünden. Im Allgemeinen kann festgestellt werden, dass die griechisch-römische Antike Bordellbesuch nicht verurteilte und Pro776

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stitution auch unter den christlichen Kaisern bis ins 6. Jh. legal blieb (Brown 1988, 24; Hartmann 2001). Die christliche Einstellung zur Prostitution war nicht konsequent und passte sich den Veränderungen in der Gesellschaft an (McGinn 2006). Hier geht es aber um eine Art »Sexsucht«: Nicolaus erzählt, dass er oft »kopfüber« (praeceps) zum Bordell eilte, um dort »Unerlaubtes« (illicita) zu betreiben. »Unerlaubtes« könnte Formen der Sexualität bezeichnen, die in der Ehe als unpassend betrachtet wurden. Ein unkontrollierter Umgang mit Sex konnte auf jeden Fall als problematisch angesehen werden und den Ruf eines Mannes verletzen (vgl. Cic. Cael. 1,57; Brown 1988, 27; McCoy 2006). In der Geschichte des besessenen jungen Mannes in ActAndr(Greg) 5 wird der Bordellbesuch explizit als Ehebruch abgestempelt. Im antiken Kontext kann diese Auffassung als sehr streng genannt werden und unterstreicht die spezielle Familienethik des Verfassers und seiner Leserschaft. (2) Die Verhinderung der Eheschließung von Cousinen in ActAndr(Greg) 11 ist eine problematische Stelle. Solche Ehe war in der hellenistischen Welt problemlos anerkannt. Möglicherweise hat Gregorius den Text verändert, nachdem die Konzile von Epaon und Auxerre solche Ehen verbannten (Prieur 1989, 42f.; Bremmer 2000b, 19). Es ist auch vorstellbar, dass das Motiv des Inzests in einer früheren Episode (ActAndr[Greg] 4) die Gestaltung dieser Geschichte beeinflusste. (2) Exorzismen: Ein großer Teil der Wunder im Liber de miraculis sind Exorzismen. In vielen Geschichten lesen wir, wo und wie der Dämon sein Opfer angriff. Ein typischer Ort der Attacke ist das Bad (ActAndr[Greg] 5; 23; 27), was einer verbreiteten antiken Vorstellung entspricht (Bremmer 2000b, 27). In den ersten beiden Episoden attackieren die Dämonen Menschen, die sich zusammen mit dem anderen Geschlecht im Bad aufhalten – eine unsittliche Handlung in den Augen der Römer (Adamik 2000b, 38f.). Ähnlich wie im Neuen Testament können Dämonen auch in Grabstätten lauern (ActAndr[Greg] 5; 7). Nachdem der Apostel Dämonen austreibt, erscheinen sie als Hunde (ActAndr[Greg] 7). In ActAndr(Greg) 22 manifestieren sich die Dämonen als zwei Äthiopier, eine Assoziation, die in der Antike nicht unbekannt war (Bremmer 1998b, 8; ders. 2000b, 27 Anm. 51). Dämonen erscheinen als schwarze Männer auch in den Thomasakten (ActThom 62-64, vgl. Czachesz 2012, 61). Die Symptome der Besessenheit sind auch vielfältig. Einerseits verursachen sie Zittern (ActAndr[Greg] 27), Zähneknirschen und wahnsinniges Lachen (ActAndr[Greg] 29), Krämpfe (ActAndr[Greg] 5; 34) und in Extremfällen den Tod (ActAndr[Greg] 7; 14; 18; 23). Insgesamt bietet der Liber de miraculis ein außergewöhnlich variiertes Bild der Ursachen und Symptome der Besessenheit sowie der Erscheinungsformen der Dämonen. (3) Magie: Ein Überblick der Apostelgeschichte und der apokryphen Apostelakten macht deutlich, dass christliche Wundertäter oft mit nicht-christlichen Magiern konkurrierten (vgl. Czachesz 2007d; ders. 2011; vgl. auch Nicklas, Wunder versus Magie und Zauberei in diesem Band). Im Liber de miraculis wird Andreas öfter »Magier« und »Scharlatan« genannt (ActAndr[Greg] 12; 18; 22). Ähnliche Beschuldigungen lesen wir z.B. in ActPetr 4 (vgl. Czachesz 2012, 86). Die Andreasakten zeigen aber am deutlichsten, wie schwer es war, christliche Wunder und 777

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nichtchristliche Magie voneinander abzugrenzen. Die magische Kraft der Evangelienbücher ist ein eklatantes Beispiel hierfür. In der vielleicht bekanntesten Episode des Liber de miraculis schützt das Evangelium Trophime im Bordell vor den Kunden (ActAndr[Greg] 23), und ein ähnliches Buch in ActAndr(Greg) 28 verhindert, dass der alte Nicolaus seine »Sexsucht« im Bordell weiter ausübt. Bücher mit solchen Kräften waren nicht unbekannt in der Antike (Speyer 1995, 28-55). Die Heilung mit dem Evangelium in den Barnabasakten bietet eine christliche Parallele (vgl. Poplutz zu ActBarn 19 in diesem Band). Eine goldene Lamelle mit magischem Text aus der ersten Hälfte des 2. Jh. ist einer der frühersten Belege christlicher Magie (Kotansky 2002). Obwohl sich Magie wie ein Leitfaden durch das Buch zieht, kommt es in den Andreasakten nicht zu einem magischen »Showdown« zwischen dem Apostel und seinen Gegnern wie in ActPetr 22-29.

Wunder im Martyrium des Andreas Ein großer Teil des Martyriums des Andreas spielt ebenfalls im Familienkreis und berichtet von den ehelichen Konflikten zwischen dem Prokonsul Aigeates und seiner Gattin Maximilla. Die ethische Botschaft dieses Textes unterscheidet sich von der des Liber de miraculis, indem das Martyrium absolute Askese auch in der Ehe zur Norm erhebt. Eben dieser Anspruch verursacht einerseits den Konflikt zwischen Maximilla und Aigeates, andererseits zwischen dem Prokonsul und dem Apostel, und führt letztendlich zum Martyrium des Andreas. Dieses Erzählmuster ist aus anderen apokryphen Apostelakten bekannt: Frauen glauben dem Apostel, bekehren sich und ziehen sich vom Sex mit ihren Männern zurück (ActJoh 63; ActPetr 33f.; ActThom 134-138; vgl. ActPl 7-15). Dadurch fördern diese Texte ein Verhaltensmuster, das deutlich kontrakulturell wirkt und die Ordnung der antiken Gesellschaft gefährdet. Neben diesem kontrakulturellen Zug finden wir aber im Martyrium des Andreas auch eine ganz »normale« kulturelle Wirklichkeit. Was die Familienmoral angeht, findet es niemand in der Erzählwelt der Andreasakten anstößig, dass Maximilla ihre Sklavin Eukleia als Stellvertreterin im Bett einsetzt. Die Schuld am schrecklichen Tod der Eukleia wird ihrer eigenen Eitelkeit zugeschrieben (MartAndr 17-22). Im Allgemeinen ähnelt der Familienstreit von Maximilla und Aigeates eher einer griechischen Tragödie als der phantastischen Welt der frühchristlichen Erzählliteratur. Wunder geschehen ganz selten in diesem Martyrium und sie sind kaum so extravagant wie manche Wunder in den anderen Teilen der Andreasakten. Ein besessener Sklave wird exorzisiert (MartAndr 2-5), und Andreas spricht vier Tage lang am Kreuz, ohne dass die Zuhörer müde werden (MartAndr 59). Ein drittes Wunder trägt ein in den übrigen Apostelakten ungewöhnliches Motiv zum Martyrium bei und führt das Familiendrama kurz in die Gattung der Komödie über (Czachesz 2012, 97-109). Der Prokonsul kehrt am Tag des Herrn unerwartet zurück, als Maximilla und die Christen im Palais versammelt sind. Der Apostel 778

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betet zum Herrn und Aigeates wird plötzlich von Bauchschmerzen geplagt. Er bittet um einen Leibstuhl und während er darauf sitzt, verlassen die Christen den Palais. Andreas macht dabei jene unsichtbar, indem er seine Hand auf sie auflegt und betet. Obwohl die Keuschheit der Frauen in den apokryphen Apostelakten eine subversive Botschaft fördert (vgl. Davies 1980; Czachesz 2009c), gibt das Martyrium selbst eine andere Deutung der Figur und des Verhaltens der Maximilla. Es geht hier um ein mystisches Verhältnis zum Erlöser, das anhand erotischen Vokabulars ausgedrückt wird. Mit diesen Wörtern wendet sich Maximilla an ihren Mann: »Ich liebe, Aigeates, ich liebe. Und das, was ich liebe, ist nicht in dieser Welt, so dass es für dich sichtbar (κατάδηλος katádēlos) werden könnte. Es erfasst mich Nacht und Tag und feuert meine Liebe für sich. […] Lass mich also mit ihm verkehren (προσομιλέω prosomileō), weil ich nur bei ihm meine Ruhe finde.« Auch in anderen apokryphen Apostelakten beschreibt erotische und homoerotische Sprache das mystische Verhältnis zum Erlöser (ActThom 14f.; ActJoh 88-93; 113; Czachesz 2006). Statt einer Unterdrückung der Sexualität (was eine »asketische« Auslegung impliziert) ist in diesen Fällen besser von einer Umorientierung und Sublimierung der Erotik zu sprechen.

Wunder in den Akten des Andreas und Matthias Unter den erhaltenen längeren Apostelakten (einschließlich der lukanischen Apostelgeschichte) sind die Akten des Andreas und Matthias die am stärksten »wunderhafte« Erzählung. Während in den anderen Apostelakten die Wunder der Apostel vor dem Hintergrund einer mehr oder weniger realistischen Erzählwelt dargestellt werden, kann man die Akten des Andreas und Matthias als märchenhafte oder phantastische Literatur einordnen. Bezogen auf die zweite Definition der Wundererzählung in diesem Kompendium (vgl. Zimmermann 2013a, 39; ders. 2014, 475) wurden die erzählten Inhalte bei ihrer Grenzbewegung zwischen Realistik und Phantastik somit deutlich in Richtung Phantastik verschoben. Ein anderes Beispiel dieser Gattung bietet eine koptische Erzählung aus Nag Hammadi Codex VI, die Akten des Petrus und der Zwölf (Czachesz 2007b, 162-183). Beide Erzählungen führen die Apostel durch fiktive Landschaften und lassen sie unrealistischen, mythologischen Gestalten begegnen. Die Frage muss gestellt werden, ob die antiken Leserinnen und Leser diese Texte analog zu den anderen Geschichten über die Tätigkeit der Apostel gelesen haben. Ohne in die komplexe Thematik des Fiktiven in der antiken Literatur einzugehen, ist festzustellen, dass unterhaltende, romanhafte Züge auch in der kanonischen Apostelgeschichte und in den anderen Apostelakten vorkommen (Pervo 1987). Phantastische oder sensationelle Motive waren auch bei den Historikern nicht unbekannt und solche Texte konnte man ohne weiteres als eine Darstellung wirklicher Gestalten und Ereignissen lesen. Wie es MacDonald (1994a; vgl. MacDonald zu MartAndr 2-5 in diesem Band) beobachtete, zeigen die Akten des Andreas und Matthias dagegen eine stärkere Verwandtschaft mit der homerischen Mytho779

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Die Wundererzählungen in den Andreasakten

logie. Diese Anspielungen waren zweifellos den gebildeten antiken Lesern bewusst, und sie riefen einen Interpretationsrahmen auf, in dem die Erzählung (zusammen mit den Wundern) symbolisch oder sogar allegorisch ausgelegt werden konnte. Wenn man aus einer phantastischen Erzählung wie den Akten des Andreas und Matthias einzelne Wundergeschichten auswählt, wird diese Selektion naturgemäß nur ein begrenztes Bild von der wunderhaften Natur des gesamten Textes geben. Wenn Matthias in Myrmidonien (seinem zugewiesenen Missionsgebiet) ankommt, fällt er sofort in die Hände der Kannibalen, die ihn blenden und ihm ein magisches Getränk geben, so dass er sich wie ein Tier von Gras und Heu ernährt. Andreas wird zu seiner Rettung geschickt. Als er und seine Jünger das Schiff besteigen, werden sie von Jesus und zwei Engeln in verwandelter Gestalt begrüßt: Sie sind der Kapitän und die Mannschaft des Schiffes (ActAndrMatt 5). Ein wichtiger theologischer Gedanke dieser Episode ist der der Polymorphie Jesu, ein Motiv, das in den apokryphen Apostelakten besonders prägend ist (Czachesz 2012, 115-129). In ActAndrMatt 18 erklärt Jesus, nachdem er vor Andreas als kleines Kind erscheint, dass seine frühere Erscheinung als Kapitän als Beweis dafür diente, dass er »alles tun kann und jedem erscheinen kann, wie er will«. Noch während der Seereise erzählt Andreas ein apokryphes Wunder Jesu (ActAndrMatt 11-15). In dieser Geschichte bringt Jesus die Jünger in einen paganen Tempel, wo er eine Sphinx lebendig macht, die vom Postament springt und die ungläubigen Leiter Israels zurechtweist. Das Ankommen in Myrmidonien ist nicht weniger wunderbar: Die Engel bringen Andreas und die Jünger vom Meer direkt zum Stadttor (ActAndrMatt 16). Nach der Rettung des Matthias nimmt es Andreas mit dem Teufel selbst auf. Er wird drei Tage lang durch die Stadt geschleppt und in der Nacht von Dämonen gequält, töten können sie ihn aber nicht (ActAndrMatt 25-28). Aus den zerstreuten Stücken seines Fleisches wachsen Bäume. Die Bewohner finden sich zuletzt zwischen Wasserflut und Feuer, die von Andreas und dem Erzengel Michael erregt werden und bekehren sich (ActAndrMatt 29-31). Die Effekte dieser Episoden ähneln den Kulissen des römischen Amphitheaters und der populären Theatervorführungen (die besonders im Osten auch die Rolle des Amphitheaters übernahmen; vgl. Isler 2002) und stellen damit die Mittel der Massenunterhaltung in den Dienst der christlichen Mission im Rahmen einer phantastischen Erzählung.

Wunder in den Akten des Petrus und des Andreas Dieser kurze Text setzt die Erzählung der Akten des Andreas und Matthias fort und steigert deren phantastischen Charakter bis zur Absurdität. Hier bewegen wir uns aber in einem anderen intertextuellen Referenzrahmen: Statt um Anspielungen zur klassischen, homerischen Erzählwelt geht es um eine narrative Darstellung moralischer Überzeugungen und neutestamentlicher Gleichnisse. Gesätes Korn wächst und reift in Stunden (ActPetrAndr 3-7), der Erzengel Michael lässt eine Nackte in der Luft schweben, bis sie sich bekehrt und ein Kloster einrichtet (ActPetr 780

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Hinführung

Andr 7-12; 22f.), und ein lebensgroßes Kamel geht durch ein Nadelöhr (ActPetrAndr 13-21). Diese Geschichten haben kaum mehr einen biographischen Anspruch und wurden wahrscheinlich vom Anfang an als unterhaltende, erbauliche Lektüre konzipiert und gelesen. István Czachesz

Literatur zum Weiterlesen Textausgaben und Übersetzungen M. Bonnet, Gregorii episcopi Turonensis liber de miraculis beati Andreae apostoli, in: Monumenta Germaniae Historica, Bd. 2/1, Hannover 1885, 371-395. D. R. MacDonald, The Acts of Andrew and the Acts of Andrew and Matthias in the City of the Cannibals, Atlanta 1990a, 321-441. J.-M. Prieur, Acta Andreae, CChr.SA 5/6, Turnhout 1989, 442-549. Ders./W. Schneemelcher, Andreasakten, in: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd. 2, Tübingen 61997, 93-137. L. Roig Lanzillotta, Acta Andreae Apocrypha. A New Perspective on the Nature, Intention and Significance of the Primitive Text, Cahiers d’orientalisme, Genève 2007.

Weitere Literatur T. Adamik, Eroticism in the Liber de miraculis beati Andreae apostoli of Gregory of Tours, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, Leuven 2000b, 35-46. J. N. Bremmer, Man, Magic, and Martyrdom in the Acts of Andrew, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000b, 15–34. I. Czachesz, Commission Narratives. A Comparative Study of the Canonical and Apocryphal Acts, SECA 8, Leuven/Dudley 2007b. Ders., The Grotesque Body in Early Christian Discourse. Hell, Scatology, and Metamorphosis, Bible World Series, Sheffield 2012. Ders., Magic and Mind. Toward a Cognitive Theory of Magic, With Special Attention to the Canonical and Apocryphal Acts of the Apostles, ASEs 24 (2007d), 95-321. L. Roig Lanzillotta, Andrew, Acts of, in: M. D. Coogan (Hg.), The Oxford Encyclopedia of the Bible, Bd. 1, Oxford/New York 2011, 34-39.

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Tabelle: Wunder in den Andreasakten Nr.

Stelle

Titel

davon kommentiert im Kompendium

Gregor von Tours, Liber de miraculis 1

ActAndr(Greg) 4

Die Mutter des Sostratus

Hinführung

2

ActAndr(Greg) 5

Geh weg von dem Diener Gottes! (Dämonenaustreibung und die Heilung einer ganzen Familie)

ActAndr(Greg) 5

3

ActAndr(Greg) 6

Sieben Dämonen werden in Hunde verändert in Nizäa

Hinführung

4

ActAndr(Greg) 7

Auferweckung des Sohns des alten Ehepaars in Nikomedien

Hinführung

5

ActAndr(Greg) 8

Sturmstillung am Meer

6

ActAndr(Greg) 9

Engel schützt Andreas vom bewaffneten Trupp

7

ActAndr(Greg) 12

»Unser Sohn ist Magier geworden!« (Wunderbare Brandlöschung in Philippi)

ActAndr(Greg) 12

8

ActAndr(Greg) 13

Die Heilung des Adimantus in Thessalonich

Hinführung

9

ActAndr(Greg) 14

Auferweckung eines Knaben in Thessalonich

Hinführung

10

ActAndr(Greg) 15

Heilung des Sohns des Medias in Philippi

Hinführung

11

ActAndr(Greg) 15

Der Sohn des Medias heilt im Namen Gottes

12

ActAndr(Greg) 16

Heilung der Tochter von Nicolaus

Hinführung

782

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Tabelle: Wunder in den Andreasakten

13

ActAndr(Greg) 17

Entdämonisierung eines Knaben

14

ActAndr(Greg) 18

Auferweckung eines Soldaten und des Sohns des Prokonsuls Virinus

15

ActAndr(Greg) 19

Die Frau des Virinus erweckt ein Kind

16

ActAndr(Greg) 22

Summarium (viele Wunder des Andreas in Patras)

17

ActAndr(Greg) 23

Eine verhängnisvolle Affäre (Bestrafung und Auferweckung der Frau des Lesbius)

ActAndr(Greg) 23

18

ActAndr(Greg) 24

Totenerweckungen als Mittel zum Zweck (Die Auferweckung von 1 + 39 Toten)

ActAndr(Greg) 24

19

ActAndr(Greg) 25

Geburtswunder der Mätresse des Mörders (Abtreibung des vom Mörder empfangenen Fötus)

ActAndr(Greg) 25

20

ActAndr(Greg) 27

Zwei Exorzismen in einem Bad

Hinführung

21

ActAndr(Greg) 28

Heilung des alten Nicolaus in Sparta; Macht des Evangelienbuches

Hinführung

22

ActAndr(Greg) 29

Die Austreibung der Dämonen aus dem Haushalt des Antiphanes (Dämonenaustreibung in Megara)

ActAndr(Greg) 29

23

ActAndr(Greg) 30

Heilung der Maximilla in Patras

24

ActAndr(Greg) 31

Heilung eines Gelähmten

Hinführung

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Die Wundererzählungen in den Andreasakten

25

ActAndr(Greg) 32

Heilung einer blinden Familie

Hinführung

Martyrium des Andreas 1

MartAndr 2-5

Stärker als Herkules! (Heilung des besessenen Sklaven des Stratokles)

MartAndr 2-5

2

MartAndr 13

Rettung der Christen vom Palast des Aigeates

Hinführung

3

MartAndr 59

»… leere Worte« (Andreas’ Rede vom Kreuz)

MartAndr 59

Akten des Andreas und Matthias 1

ActAndrMatt 3

Heilung der Blindheit des Matthias im Gefängnis

2

ActAndrMatt 5

Jesus und zwei Engel erscheinen als Kapitän und Mannschaft des Schiffes

Hinführung

3

ActAndrMatt 12-15

Jesus und die Sphinx

Hinführung

4

ActAndrMatt 16

Engel bringen Andreas und die Jünger zur Stadttor von Myrmidonien

Hinführung

5

ActAndrMatt 18

Käpt’n Jesus, das Kind (Jesus erscheint in vielen Gestalten)

ActAndrMatt 18

6

ActAndrMatt 19-21

Rettung vom Gefängnis der Kannibalen und Heilung der blinden Gefangenen

Hinführung

7

ActAndrMatt 22-23

Versteinerte Hände und nutzlose Schwerter: Wenn Empathie Unmenschlichkeit entwaffnet (Strafwunder an den Menschenfressern)

ActAndrMatt 2223

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Tabelle: Wunder in den Andreasakten

8

ActAndrMatt 27-28

Bäume wachsen aus dem Fleisch von Andreas

Hinführung

9

ActAndrMatt 29-32

Ein apostolischer Streich mit dem Sintflutwasser (Strafwunder durch Flut aus Statue und Auferweckung der Toten)

ActAndrMatt 2932

10

ActAndrMatt 33

Jesus erschient vor Andreas als Kind

Akten des Petrus und des Andreas 1

ActPetrAndr 3-7

»Selbstwachsende Saat« vorgeführt (Gesätes Korn wächst und reift in wenigen Stunden)

ActPetrAndr 3-5

2

ActPetrAndr 7-12, 22-23

Nackte Frau bleibt in der Luft hängen

Hinführung

3

ActPetrAndr 13-21

Showdown im »Zirkus Petrus« (Kamel geht durch Nadelöhr)

ActPetrAndr 13-21

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VII.1 Die Wundererzählungen in Gregorius von Tours Liber de miraculis

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Geh weg von dem Diener Gottes! (Dämonenaustreibung und die Heilung einer ganzen Familie) ActAndr(Greg) 5 (5) Der Sohn des Gratinus aus Sinope wurde, während er in einem Frauenbad gewaschen wurde, von einem Dämon so heftig gequält, bis er das Bewusstsein verlor. Gratinus aber schickte einen Brief an den Prokonsul, in dem er bat, er solle Andreas anflehen, zu ihm zu kommen. Aber auch er selbst war, von einem Fieber ergriffen, schwer krank, und seine Frau war angeschwollen von Wassersucht. Auf das Bitten des Prokonsuls hin kam Andreas auf einem Wagen in die Stadt. Und als er in Gratinus’ Haus eingetreten war, plagte der böse Geist den Jungen und [er] kam und warf sich zu Füßen des Apostels nieder. Dieser beschuldigte ihn und sprach: »Du Feind des Menschengeschlechts, geh weg von dem Diener Gottes!«, und sofort fuhr er unter viel Geschrei von ihm aus. Und er ging zum Bett des Mannes, und sagte: »Du bist zu recht schwer krank, der du, nachdem du dein eigenes Ehebett verlassen hast, dich mit einer Hure einlässt. Steh auf im Namen des Herrn Jesu Christ und bleibe gesund und sündige nicht weiter, damit du nicht von einer noch schwereren Krankheit ergriffen wirst.« Und er war geheilt. Und zur Frau sagte er: »Die Begierlichkeit der Augen hat dich betrogen, Frau, so dass du, deinen Ehegatten verlassend, dich mit anderen einlässt.« Und er sagte: »Herr Jesus Christus, ich bitte um dein gnädiges Erbarmen, so dass du deinen Sklaven erhörst und gewährst, dass diese Frau, falls sie zu dem Schmutz der Lust, die sie vorher ausgeübt hat, zurückkehren wird, überhaupt nicht geheilt werde. Gewiss, wenn du weißt, Herr, durch dessen Macht auch Zukünftiges erkannt wird, dass sie sich von dieser Schandtat fernhalten kann, dann werde sie geheilt auf deinen Befehl hin.« Als er dies sagte, platzte aus ihrem Unterleib eine Flüssigkeit, und sie und ihr Mann waren geheilt. Aber der selige Apostel brach Brot und gab [es] ihr. Sie dankte, nahm es und glaubte an den Herrn mit ihrem ganzen Haus. Danach haben weder sie noch ihr Mann das Vergehen, das sie zuvor begangen hatten, vollzogen. Später schickte Gratinus auch über seine Diener große Geschenke an den heiligen Apostel. Er selbst suchte ihn auf, zusammen mit seiner Frau, und sie fielen vor ihm nieder und baten ihn, er solle ihre Geschenke annehmen. Er sagte ihnen: »Meine Liebsten, es ist nicht an mir, sie anzunehmen, sondern 789

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Die Wundererzählungen in den Andreasakten nach Gregor von Tours

eher ist es an euch, sie den Bedürftigen zu geben.« Und er nahm nichts an von dem, was ihm angeboten wurde.

Sprachlich-narratologische Analyse Abgrenzung und Kontexteinbindung: Anfang und Ende der Wundererzählung sind in ActAndr(Greg) 5 deutlich gekennzeichnet. Die Heilungen von Gratinus und seiner Familie sind die vierte Heilung, die Gregor von Tours erwähnt. Nach der Heilung eines von Dämonen besessenen Blinden (ActAndr[Greg] 2) widmet sich Andreas der Auferweckung eines ägyptischen Jungen, der in der Obhut des Gemeindeleiters von Amasien war (ActAndr[Greg] 3). In ActAndr(Greg) 4 wird das Wirken des Apostels erstmals mit unsittlichem Verhalten von Frauen in Verbindung gebracht. Hier steht Andreas einem Jungen bei, der von seiner Mutter zu Intimität genötigt wird. ActAndr(Greg) 5 nimmt dieses Thema auf. Ebenfalls in Amasien, in Sinope am Schwarzen Meer, beginnt die Wundererzählung. Hier befindet sich der Sohn des Gratinus in einem Frauenbad, wo er von einem Dämon heimgesucht und bis zur Bewusstlosigkeit gequält wird. Der Umstand, dass sich der Junge in einem Frauenbad befindet, impliziert erneut unsittliches Verhalten (siehe ActAndr[Greg] 23 und 27) (MacDonald 1990a, 195 Anm. 10). Auffallend ist jedoch, dass dem Jungen eine gewisse Passivität unterstellt wird. Mit lavaretur (»er wurde gewaschen«) wird der Leser darauf hingewiesen, dass der Junge nicht alleine im Bad ist, sondern von anderen gewaschen wird. Es wird nicht geschildert, wie oder wodurch der Dämon den Jungen befallen kann. Diese implizierte Hilflosigkeit des Jungen, die an ActAndr(Greg) 4 erinnert, ist schon ausreichend, um den Leser auf die Notwendigkeit der bevorstehenden Aufgaben des Apostels aufmerksam zu machen; schließlich stand er in der vorangehenden Wundererzählung schon für Sittlichkeit und Gerechtigkeit ein. Spannung erhält die Erzählung dadurch, dass dem Leser sukzessive neue Informationen über weitere Interventionen des Apostels gegeben werden. Die Besessenheit des Jungen wird im weiteren Verlauf der Erzählung durch den Hinweis ergänzt, dass der Vater und die Mutter aufgrund von unsittlichem Verhalten krank geworden sind. Obgleich Andreas vordergründig zum Austreiben des Dämons vom Vater gebeten wird, nach Sinope zu kommen, wird die Heilung des Vaters und der Mutter den Großteil der Erzählung einnehmen. Um die Heilung der ganzen Familie zu thematisieren, wird der Apostel beim Eintritt ins Haus des Gratinus mit dem bösen Geist konfrontiert, der auf dem Jungen lastet. Die Kraft des Dämons beweist sich dadurch, dass er den Jungen schüttelt und zu Boden wirft. Andreas’ Macht erlaubt es ihm, den Dämon anzufahren, woraufhin dieser aus dem Jungen ausfährt. Sprachlich bieten sich in dieser Szene zwei Übersetzungsmöglichkeiten an: Entweder könnte es der Junge sein, der sich dem Apostel zu Füßen wirft, oder der Dämon. Da sich conturbavit (»er schüttelt jemanden«) auf den bösen Geist bezieht und Andreas im folgenden Satz den Geist direkt anspricht, ist die zweite Variante wahrscheinlicher. Von einer Unterwerfung des Jungen ist zumal 790

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Geh weg von dem Diener Gottes! ActAndr(Greg) 5

deshalb nicht auszugehen, weil dieser vom Apostel als »Diener Gottes« bezeichnet wird und ihm damit Wertschätzung entgegengebracht wird, die keine Inferiorität vermuten lässt. Die Wundererzählung fände hier ihr Ende, wenn nicht bereits in der Exposition erwähnt worden wäre, dass auch Vater und Mutter des Jungen krank sind. Passend zur zuvor angesprochenen Unsittlichkeit des Sohnes stellt sich heraus, dass der Vater zu einer Prostituierten ging und deshalb an Fieber erkrankte. In der Erzählung ist auffallend, dass dem Leser dies aus dem Mund des Apostels vermittelt wird, der die Krankheit gutheißt und den Vater im gleichen Atemzug im Namen Jesu Christi heilt. Der Erzähler fügt hinzu, dass nach dem Sohn nun auch der Vater geheilt ist. Bei der Mutter gestaltet sich die Heilung etwas komplizierter. Auch in ihrem Fall wird dem Leser durch die Worte des Apostels an die Mutter mitgeteilt, dass sie sich anderen Männern zugewendet hat und deshalb erkrankte. Dem Leser wird dadurch, dass die Heilung nicht analog zu den vorangehenden Heilungen erzählt wird, deutlich, dass hier ein komplizierter Fall vorliegt. Gott wird zur Figur in der Erzählung und es erklärt sich, warum sich Andreas an Gott wendet. Im Gebet bittet Andreas darum, die Frau nur unter der Bedingung, dass sie nicht erneut sündigen wird, zu heilen. Daher werden diese Konditionen nicht gegenüber der kranken Frau ausgedrückt. Andreas zählt allein auf Gottes Vorsehung. Die Heilung geschieht unmittelbar im Anschluss an das Gebet des Apostels. Sie wird dadurch illustriert, dass Flüssigkeit aus ihrem Unterleib herausplatzt. Ergänzend dazu wird ihre Heilung bestätigt und die ihres Mannes wiederholend erwähnt. Ungeachtet der Tatsache, dass Andreas seine Verantwortung Gott und der Familie gegenüber erfüllt hat, wird der Handlungsverlauf im Anschluss an die dritte Heilung um einen weiteren Aspekt ergänzt. Es folgt eine Bekehrung, die in erster Linie von der Frau ausgeht. Ausgehend von der Frau, die durch das Brotbrechen zum Glauben kommt, wird ihr ganzes Haus zu Christus geführt. Hier könnten zwei Geschichten zu einer zusammengefügt worden sein, denn ihr Mann wird sekundär in die Handlung einbezogen. Kennzeichnend dafür sind drei zentrale Aspekte: (1) Nach der Heilung der Frau, die durch Gott gegeben wurde, wird abermals berichtet, dass auch ihr Mann geheilt wird; (2) Der Apostel bricht im Anschluss nur mit ihr das Brot, was zur Folge hat, dass sie dankt, glaubt und ihr ganzes Haus bekehrt wird; (3) Daraufhin sündigen weder sie noch ihr Mann. Dass ihr Mann zu dem Haus, mit dem zusammen sie glaubte, hinzuzurechnen ist, wird im vierten und letzten Teil der Erzählung deutlich. Dasselbe ist auch von dem Jungen anzunehmen, doch dieser wird nach seiner Heilung nicht mehr erwähnt. Im Folgenden agieren seine Eltern vornehmlich gemeinsam als Mann und Frau. Gratinus lässt von seinen Dienern große Geschenke an Andreas liefern, um sich bei dem Apostel zu bedanken. Kennzeichnend für eine zweite, eingefügte Erzählung ist es nun Gratinus, der die handelnde Person ist. Zwar sendet er die Diener mit Geschenken zu dem Apostel, doch es wird hervorgehoben, dass er und seine Frau dem Apostel nachfolgen. Abgeschlossen wird dieser Teil dadurch, dass Andreas die Geschenke nicht annimmt, sondern das Paar auffordert, sie den Armen 791

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Die Wundererzählungen in den Andreasakten nach Gregor von Tours

zu geben. Das Ende der Wundererzählung wird folglich durch die Bekehrung des Hauses von Gratinus und die Aufforderung der Armenfürsorge markiert. Inhaltlich endet mit diesem Wunder auch der Aufenthalt des Apostels in Sinope, denn Andreas bricht von dort nach Nicea auf, wo er auf eine Gemeinschaft trifft, die bereits glaubt, aber von Dämonen heimgesucht wird (ActAndr[Greg] 6). Der Aufbau der Wundererzählung zeigt, dass diese um das Brotbrechen herum konzentrisch angeordnet ist; die Situationsbeschreibung des Jungen im Frauenbad und dessen Heilung dienen den Heilungen seiner Eltern als Einleitung. Während Gratinus im ersten und letzten Teil erwähnt wird (1a und 1b), rahmt die Heilung und die Bekehrung der Frau das eucharistische Brotbrechen (2a und 2b). Einleitung:

Darlegung der familiären Situation

(1a)

Heilung des Sohnes und Gratinus

(2a)

Heilung der Frau

Höhepunkt: Brotbrechen (2b)

Bekehrung der Frau zzgl. ihres ganzen Hauses

(1b)

Dank des Gratinus und gemeinsame Gefolgschaft von ihm und seiner Frau

Abgesehen von dem Frauenbad, in dem der Junge sich unrechtmäßig aufhält, fallen in ActAndr(Greg) 5 keine besonderen Orte auf. Die Heilungen finden ausschließlich im Haus des Gratinus statt. Der Ort, an dem der Apostel nach den Heilungen erneut auf Gratinus und seine Frau trifft, wird nicht erwähnt. Abgesehen von Zeitangaben, die die Erzählung strukturieren, fällt auf, dass Angaben der Dauer unerwähnt bleiben. Der Leser erfährt weder, wie lange Andreas bei Gratinus ist, noch wie lange die Verfehlungen bzw. die Erkrankungen anhielten. Es werden zudem auch keine Details ihres unzüchtigen Verhaltens angegeben. Bemerkenswert ist auch, dass nur der Name von Gratinus genannt wird. Während Gratinus namentlich und als vir (Ehemann) bezeichnet wird, bleiben seine Frau und sein Sohn uxor oder mulier (Ehefrau) und filius (Sohn). Dem Sohn, der nach der Dämonenaustreibung nicht mehr erwähnt wird, kommt dennoch eine gewisse Sonderstellung zu. Er ist der Einzige von seiner Familie, der ohne eigene Verantwortung von dem Dämon besessen wurde. Es ließe sich vermuten, dass er als Junge im Frauenbad an einem falschen Ort war; aber der Hinweis, dass sich Dämonen gerne im Wasser aufhalten (Bremmer 2000b, 26), entkräftet seine Mitschuld. Darüber hinaus wird er von Andreas als »Diener Gottes« bezeichnet. Der Frau kommt trotz ihrer »Namenlosigkeit« in der Erzählung eine bemerkenswert aktive Rolle zu. Sie ist diejenige, die nach dem Brotbrechen zum Glauben kommt und mit ihr bekehrt sich ihr ganzes Haus. Es dominieren in ActAndr(Greg) 5 Begriffe der familiären Beziehung und deren Gefährdung. Kenntlich ist das durch die klare Benennung von Verwandtschafts792

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Geh weg von dem Diener Gottes! ActAndr(Greg) 5

verhältnissen. Gratinus Sohn wird als dessen Sohn eingeführt, und Gratinus und seine Frau werden als Ehepartner mehrfach aufeinander bezogen. Der Umstand der Unzucht, die als Gang zu Prostituierten und als Begierlichkeit der Augen benannt wird, wiegt in diesem Zusammenhang besonders schwer. Durch ihr Verhalten gefährden sie nicht nur ihre Ehe, sondern auch das gesamte Haus. Interjektionen markieren sowohl die Gefahr als auch die familiäre Einheit. Zu Beginn wird der Dämon, der den Sohn befallen hat als humanae generis inimice (Feind des Menschengeschlechts) bezeichnet. Die Mutter wird von Andreas als Frau angesprochen und Andreas nennt Gratinus und seine Frau nach der Bekehrung seine dilectissimi (Liebsten). Wie bereits erwähnt, wird der Spannungsbogen der Erzählung maßgeblich durch die Reden und das Gebet des Apostels aufrechterhalten. In diesen Erzählelementen werden dem Leser notwendige Informationen für den weiteren Verlauf mitgeteilt. So erfährt der Leser aus der Rede des Apostels an Gratinus, dass dieser aufgrund von Unzucht am Fieber erkrankt ist. Aus dem Gebet des Apostels wird deutlich, dass sich auch seine Frau anderen Männern zugewendet hat. Die letzten Worte, die Andreas an das Paar richtet, zeugen von seiner Aufforderung der Armenfürsorge. Im Gegensatz zu den vorangehenden und auch den nachfolgenden Wundererzählungen ergreifen die Betroffenen nicht das Wort. Weder dem Jungen, noch Gratinus und seiner Frau wird wörtliche Rede zugesprochen. Andreas bleibt folglich auch auf sprachlicher Ebene der Hauptakteur, die Geheilten antworten mit ihrer Bekehrung und ihrer Gefolgschaft. Es ist zu vermuten, dass es sich bei ActAndr(Greg) 5 um eine Übersetzung aus dem Griechischen handelt, da sprachlich gewisse Unsicherheiten im Gebrauch auffallen. Σινώπη (Sinōpē – Sinope) ist umständlich mit Senopinsis übersetzt; statt itrope (»Wassersucht«) oder hydrope zu verwenden, wird etrope gewählt, und die Wortstellung erinnert an das neutestamentliche Griechisch (das Verb steht vielfach nicht am Ende des Satzes). Auch der Umgang mit der lateinischen Sprache weist darauf hin, dass der Autor mit umgangssprachlichem Latein vertraut war. Deutlich wird dies an humanae generis (»Mensch«; als Geschlecht), das entweder humanae gentis oder humani generis heißen müsste. Formulierungen wie fuerit revoluta (»sie wird zurückgeführt«) lassen die Schrift ins frühe Mittelalter verorten. Eine auffällige sprachliche Nuance ist die Anlehnung an die Rechtssprache. Insgesamt werden die Erwartungen der Leserinnen und Leser an den Apostel, an die Eheleute und auch an Gott erfüllt. Andreas treibt einen Dämon aus und heilt. Noch dazu urteilt er über die Erkrankungen. Gratinus ist seiner Meinung nach zu Recht am Fieber erkrankt. Das schließt auch sein Urteil über die Wassersucht der Frau ein. Bei ihr vergewissert sich Andreas bei Gott, dass dieser sie nur heilt, wenn sie nicht rückfällig wird. Die Erwartungen an Gott sind damit auch erfüllt, denn dieser wendet sich durch die Heilung der Frau nicht nur ihr, sondern auch Andreas zu. Gott erweist sich zudem als ein Gott, der das zukünftige Verhalten der Menschen kennt. Somit erfüllt sich auch die Erwartung an die Ehepartner. Die Frau wird nicht mehr sündigen und Gratinus erweist sich im Nachhinein als sehr dankbar. 793

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Die Wundererzählungen in den Andreasakten nach Gregor von Tours

Teilt der Erzähler damit mit, dass auch Gratinus nicht mehr sündigen wird und dass sein Sohn nicht mehr ins Frauenbad gehen wird, wo er der Unzucht und Dämonen ausgesetzt ist? Wenn diese Sachverhalte auch nicht ausgedrückt werden, so sind sie doch impliziert, denn die Heilung der Frau wirkte nicht der Apostel, sondern Gott. Außergewöhnlich spannend wird die Erzählung durch Gott als Figur und seine Kooperation mit dem Apostel. Sie beweist sich an der Heilung der Familie. Auch die Rolle der Frau und ihre Sonderstellung beim Brotbrechen geben ActAndr(Greg) 5 einen besonderen Themenschwerpunkt, der besonders für Leserinnen interessant gewesen sein könnte.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Der sozial- und realgeschichtliche Hintergrund dieser Wundererzählung lässt sich im Wesentlichen auf drei Punkte festmachen: (1) die Beschreibung von Dämonen in Bädern, (2) die Krankheitsphänomene Fieber und Wassersucht und (3) die Gabe von Dankgeschenken. Auffallend an der Beschreibung des Dämon, der den Sohn des Gratinus im Frauenbad quält, ist, dass er keiner Person zuzuschreiben ist, sondern sich unabhängig an bestimmten Orten aufhält. Obwohl es sich nicht um einen Lokaldämon handelt, da er mit dem Jungen nach Hause kommt, ist das Bad ein prädestinierter Ort für Dämonen. Das Bad als Ort, an dem sich Dämonen bevorzugt aufhalten, wird auch in ActAndr(Greg) 23 und 27 mit dem gemeinschaftlichen Baden von Frauen und Männern in Verbindung gebracht (vgl. Sommer zu ActAndr[Greg] 23 in diesem Band). In allen Erzählungen heilt Andreas Menschen, die sich beim gemischten Baden einem Dämon ausgesetzt haben, so dass davon auszugehen ist, dass sich hier im Hintergrund eine frühchristliche Skepsis gegenüber dem gemeinsamen Baden von Frauen und Männern wiederspiegelt (Bremmer 2000b, 26). Die Vorstellung, dass besessene Personen nicht durch ihr Sozialverhalten unangemessen auffallen, sondern auch motorisch auf sich aufmerksam machen, spielt auch in dieser Wundererzählung eine wichtige Rolle. Im doppelten Sinn ist der Junge im Frauenbad nicht an seinem rechtmäßigen Ort: Geht man von einer Skepsis gegenüber dem gemischtem Baden aus, dann ist der Junge erstens zu alt, um sich in einem Frauenbad aufzuhalten, und zweitens impliziert sein Verhalten ein unangemessenes Selbstbewusstsein. Während Kindern oftmals freier Eintritt gewährt wurde, schildert Martial, dass es einem heranwachsenden Jungen peinlich sein müsste, seine Geschlechtsreife im Bad zu offenbaren (Mart. epigr. 11,22,7f.). Auch wenn Martial keine sozialgeschichtlichen Beobachtungen anstellt, sondern der Vers Teil seiner Dichtung ist, ist dem Bild eines sich schämenden jungen Mannes ein lebensnaher Zusammenhang zuzusprechen. Schließlich steht der Bericht nicht im Zusammenhang mit einer idealisierten Knabenliebe, sondern verortet die Entwicklung des Jungen im Rahmen der Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter (Busch 1999, 468). In dieser Hinsicht ist die Schilderung des besessenen Jungen im Frauenbad in ActAndr(Greg) 5 794

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Geh weg von dem Diener Gottes! ActAndr(Greg) 5

eine passende Einleitung, die sowohl den Faden der Mutter-Sohn-Beziehung aus ActAndr(Greg) 4 aufnimmt, als auch auf das moralische Fehlverhalten der übrigen Familienmitglieder hinweist. Die Krankheitsphänomene Fieber und Wassersucht verweisen auf einen breiten sozialgeschichtlichen Hintergrund. Aus dem Neuen Testament ist dieser aus Lk 14,1-6 bekannt. In der antiken Medizin werden drei unterschiedliche Typen von Wassersucht unterschieden: (1) die Bauchwassersucht (Wasser im Bauchfell); (2) die trockene Wassersucht (Ansammlung von Luft) und (3) die subkutane Wassersucht (Flüssigkeit in dem unter der Haut liegenden Fleisch) (Bendemann 2009, 175; LeRoux 2013, 631f.). Abgesehen von der Unterscheidung zwischen akut und chronisch verlaufenden Krankheitsbildern, variierten auch die Behandlungsmethoden. Ungeachtet dessen, ob operativ oder konservativ behandelt wird, zielen die Therapien immer auf die Beseitigung der Flüssigkeit. Dennoch gilt die Krankheit als gravierend und kaum heilbar (Bendemann 2009, 177). Der Zusammenhang zwischen Wundererzählungen und der Heilung eines Wassersüchtigen stellt sich unmittelbar. So hat der Mediziner Aretaeus aus Kappadokien die Heilung eines Wassersüchtigen als Wunder beschrieben, das eher durch die Hilfe der Götter als durch die Kenntnis der Menschen bewirkt wurde (vgl. Aret. morb. chron. 2,1). Doch nicht nur bei der Heilung, sondern auch bei der Ursache der Wassersucht spielt die Beziehung zu Gott eine wichtige Rolle. In der rabbinischen Auslegung von Hi 28,25b wird festgehalten, dass dem Menschen gleich viele Teile von Wasser und Blut zugeschrieben werden. Sündigt jemand gegenüber Gott, dann verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten einer Flüssigkeit; beim Wasser wird der Mensch wassersüchtig und beim Blut aussätzig (LevR 15,2 [115c]; Bendemann 2009). Fieber ist eine ebenso bekannte Erkrankung, die auch im Neuen Testament vorkommt (Mt 8,15; Mk 1,31; Lk 4,38f.; Joh 4,52 und Apg 28,8). Aus Lk 4,39 wird deutlich, dass Fieber als dämonisch verursacht galt (zum jüdischen Kontext siehe Bedemann 2014, 238-40). Der Zusammenhang zwischen Fiebererkrankungen und Prostitution ist hingegen schwieriger nachweisbar, denn frühchristliche Autoren argumentieren gegen Prostitution in erster Linie moralisch. Das gesundheitliche Risiko, dass sich auch in der Antike mit der Prostitution verband, steht nicht im Vordergrund. Es liegt daher nahe, als sozialgeschichtlichen Hintergrund für die Fiebererkrankung des Vaters nicht den tatsächlichen Besuch einer Prostituierten, sondern ebenfalls die Sünde gegenüber Gott anzunehmen (Leven 2005, 343). Im Mittelpunkt steht folglich nicht das Gesundheitsrisiko beim Besuch einer Prostituierten, sondern der Ehebruch, der auch als Sünde gegenüber Gott wahrgenommen werden kann. Die Gabe von Dankgeschenken beruht auf der Annahme der Reziprozität, die einen sozialen Austausch und eine Form der Solidarität zwischen Einzelpersonen und Gruppen darstellt. So ist die Gabe von Dankgeschenken als Teilhabe in einem Netz von gegenseitigen Leistungen zu verstehen. Solidarität auf Gegenseitigkeit ist eine ausgeglichene Reziprozität, die auf einem quid pro quo beruht und nicht an Gewinn orientiert ist (Stegemann 2009, 292f.). In ActAndr(Greg) 5 wird angedeutet, dass Gratinus, der die Dankgeschenke an den Apostel geben will, eine wechselseitige 795

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Leistung vollbringen will, die ihn und Andreas auf Augenhöhe miteinander verbindet. Dieses Prinzip wird in der Erzählung aber nicht weitergeführt. Die ausgeglichene Reziprozität zwischen Gratinus und dem Apostel wird durch die Gabe an die Armen unterbrochen. Hier wird eine Liebe am Nächsten initiiert, die erst langfristig dazu führen kann, die Solidaritäts- und Reziprozitätsbeziehung zwischen den sozialen Schichten zu stabilisieren.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund In ActAndr(Greg) 5 wird der Zusammenhang zwischen Krankheit und Sünde durch die Verbindung zwischen Unzucht und Krankheit konkretisiert. Während neutestamentliche Texte Unzucht grundsätzlich verurteilen und Paulus u.a. deutlich macht, dass Ehebruch ebenso wie Götzendienst der Verehrung eines fremden Gottes gleicht (1 Kor 6,9f.), wird das Bedeutungsfeld von Ehebruch und Krankheit im Neuen Testament nicht vermittelt. Im Alten Testament wird in Num 5,20-21 im Gegensatz dazu Ehebruch mit Wassersucht verknüpft. Hier, auch auf eine Frau bezogen, wird darauf verwiesen, dass sie nach dem Ehebruch von dem Priester verflucht werden wird und sich daraufhin Wasser in ihrem Bauch sammelt (vgl. auch Num 5,27). Ein Bild, das der Heilung der Ehefrau in ActAndr(Greg) 5 ähnelt, ist die Szene zwischen Jesus und der Ehebrecherin in Joh 8,2-11. Nachdem eine Ehebrecherin von den Schriftgelehrten und Pharisäern zu Jesus in den Tempel gebracht wurde, lässt sich Jesus nicht von ihnen provozieren und spricht kein Urteil über die Frau aus. Stattdessen fragt er sie, als alle anderen Anwesenden gegangen waren, ob sie verurteilt wurde. Auf ihr Verneinen hin entlässt Jesus sie ohne Urteil und weist sie an, fortan nicht mehr zu sündigen. In Joh 8,2-11 wird zwar nicht von einer Heilung gesprochen, aber der Hinweis, dass sie nicht mehr sündigen soll, legt es nahe, dass dieser Umgang mit Ehebrecherinnen als vorbildlich für ActAndr(Greg) 5 bewertet wird. So begründet sich, warum in ActAndr(Greg) betont wird, dass weder die Frau noch der Mann nach ihrer Heilung erneut Ehebruch begehen. Abgesichert ist diese Einsicht durch die Vorhersehung Gottes, der die Frau von der Wassersucht befreite. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Gratinus und seiner Frau nicht um Christusgläubige handelt, sondern sich in ActAndr(Greg) 5 auch eine Bekehrungsgeschichte entfaltet, stellt sich die Thematisierung des Ehebruches in einem weiteren Referenzrahmen dar. Gratinus und seine Frau bewegten sich in außerehelichen Beziehungen, die sich nicht gut auf ihre Gesundheit auswirken. Interessanterweise werden die beiden durch den Apostel nicht nur gesund, sondern sie bekehren sich auch zu dem Glauben des Apostels. Es werden in ActAndr(Greg) 5 nicht nur zwei Eheleute und ihr Sohn geheilt, sondern auch zu Christusgläubigen gemacht. Gläubige, die darüber hinaus noch wohlhabend sind, möchten dem Apostel nach ihrer Heilung und Bekehrung nachfolgen und werden abschließend von Andreas zum diakonischen Dienst aufgefordert. Entscheidend ist im Umgang mit Sexualität, dass 796

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die Bekehrung der beiden nur den Ehebruch ausschließt. Von einem zukünftigen Leben in Keuschheit berichtet die Episode nicht.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Eine religionsgeschichtliche Deutung zu den Andreasakten bieten Cooper (1996, 2044) und Perkins (1995, 41-76). In Analogie zum griechischen Roman gehen sie davon aus, dass die Thematisierung von Sexualität der Beschreibung von sozialer Stabilität dient. Caroline Schroeder fasst ihren Ansatz passend damit zusammen, dass wahre Liebe nur in rechtmäßig geschlossenen Ehen zwischen Eheleuten der Oberschicht praktiziert werden kann. In diesem Sinn dient die Ehe dem Gleichgewicht einer größeren Gemeinschaft. Sexuelle Abstinenz würde dieser Stabilität entgegenwirken (Schroeder 2000, 111f.). Im Hinblick aus ActAndr(Greg) 5 bestätigt sich die These nach gesellschaftlicher Stabilität und dem Vollzug der Ehe. Es ist offensichtlich, dass Gratinus gute Beziehungen zum Prokonsul pflegt, da er über ihn nach Andreas fragen lässt. Er repräsentiert zudem die gesellschaftliche Oberschicht: Er und seine Frau stehen einem Haus vor, sie sind wohlhabend, was sich durch Einladung des Apostels und die großzügigen Geschenke beweist. Es ist auffällig, dass Andreas die Eheleute nicht zur Askese verpflichtet, sondern lediglich der Ehebruch für die Zukunft ausgeschlossen wird. Dieser Umstand unterstützt die These, dass dem Vollzug der Ehe eine Priorität beigemessen wird, die auch gesellschaftliche Verhältnisse stabilisiert. Die Aufforderung des Apostels, Gratinus und seine Frau mögen sich dem diakonischen Dienst widmen, unterstreicht die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Eheleute und damit auch der Ehe. Neben der Beschreibung der Reisetätigkeit des Apostels ist die Betonung des hohen sozialen Status der Frau ein weiteres Element, das die Andreasakten formgeschichtlich in die Nähe des antiken Romans stellt. Im Gegensatz zu vielen Romanen, in denen die Liebesgeschichte eines jungen Paares im Mittelpunkt steht, bemerkt Schroeder, dass es in den Andreasakten um die Beziehung zwischen dem Apostel und seinen Konvertiten geht (Schroeder 2000, 112). ActAndr(Greg) 5 verdeutlicht diesen Sachverhalt: Die Re-Konstituierung der Ehe dient nicht in erster Linie einer romantischen Beziehung. Stattdessen dient die Ehe einer gesellschaftlichen Stabilität, die sich auf christliche diakonische Werte bezieht. Der Abschnitt zeigt somit, dass eine deutliche Identifikation der Andreasakten als antiker Roman nicht angemessen ist. In feministischer Perspektive ist ActAndr(Greg) aus unterschiedlichen Gründen von Bedeutung. Frauen kommen direkt und indirekt in drei Formen vor: (1) ActAndr(Greg) 5 betont, dass der Junge sich in einem Frauenbad aufhält, als er von einem Dämonen besessen und gequält wurde. Es wird nicht ausgeführt, ob die Frauen eine Verantwortung für den Zustand des Jungen tragen. Vielmehr impliziert die Erzählung, dass sich der Junge an einem Ort befindet, der ihm nicht zusteht und Dämonen sich vornehmlich in Bädern aufhalten. Dennoch ist das Frauenbad ein ganz spezifischer Ort, der sich dadurch auszeichnet, dass Männer im Frauenbad keinen 797

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Zugang haben. Das gilt auch für den Jungen von Gratinus und seiner Frau. (2) Eine weitere Frau ist diejenige, mit der Gratinus Ehebruch begangen hat. Sie wird als scortum (Hure) beschrieben und nicht namentlich erwähnt. Der Singular scorto legt nahe, dass es sich nur um eine Frau handelte. Ob Gratinus mehrfach Ehebruch begangen hat, wird nicht erwähnt. (3) Die am ausführlichsten beschriebene Frau ist die Ehefrau des Gratinus. Auch ihr Name wird nicht wiedergegeben. Dennoch wird ihr eine fast gleichberechtigte Stellung gegenüber ihrem Ehemann zugesprochen. Wie ihr Mann hat auch sie Ehebruch begangen und damit ihre Ehe und ihre Gesundheit gefährdet. In Analogie zu Mt 5,27 gilt, dass sie die Ehe nicht brechen soll und auch an ihr die Ehe gebrochen wird, wenn sie von einem anderen Mann angesehen und begehrt wird. Wie ihr Mann hat sie Entscheidungskompetenzen, was den gemeinsamen Haushalt betrifft. Während er über die materiellen Belange entscheidet (er lässt den Apostel einladen und macht ihm nach der Heilung große Geschenke), obliegt ihr die Entscheidung, das ganze Haus zum Christentum zu bekehren. Diese Rolle wird dadurch unterstrichen, dass der Apostel nur mit ihr das Brot bricht. Bovon unternimmt den Vergleich zwischen der lukanischen Apostelgeschichte und den apokryphen Akten. Ihm fällt auf, dass Frauen sowohl in der kanonischen Apostelgeschichte als auch in den apokryphen Apostelakten eine beachtliche Rolle spielen. Er unterschiedet zwischen passiven Empfängerinnen, die hören, glauben und durch ihre Besitztümer helfen (Apg; ActPetr), und anderen, die aktive Rollen übernehmen. In aktiven Rollen predigen und taufen sie. Sie besitzen aber auch apostolische Autorität. Diese aktiven Rollen von Frauen werden in den Paulusakten, den Philippusakten sowie der Legende von Simon und Theonoe beschrieben (Bovon 2009c, 360). In ActAndr(Greg) 5 wird der Frau des Gratinus sowohl eine passive als auch aktive Rolle zugesprochen. Sie begeht aktiv Ehebruch, wird durch ihre Heilung zum Glauben geführt und führt ihr Haus daraufhin aktiv dem neuen Glauben zu. In diesem Sinn wird ihr auf das Haus bezogen eine apostolische Autorität zugesprochen, die sie im Anschluss im diakonischen Dienst weiterführen kann. Es ist auffällig, dass die Heilung, die an ihr vollzogen wird, von zwei aktiven Rollenzuschreibungen gerahmt wird. Zum einen vom Ehebruch, der sie nicht nur krank gemacht, sondern sie auch vom rechten Glauben ferngehalten hat, und zum anderen von ihrer aktiven Aufgabe in apostolischer Autorität. Die Erzählung lässt keinen Zweifel an der prioritären aktiven Rolle der Frau des Gratinus. Sie wird von Gott geheilt und dem Apostel wird durch die Heilung versichert, dass sie nicht mehr in den Ehebruch zurückfallen wird. Diese Beschreibung unterstützt die These Bremmers, dass Frauen in den apokryphen Akten des Johannes und Andreas, gegenüber Männern bevorzugt beschrieben werden (Bremmer 2000b, 24). Ein theologisches Detail, das den Vater und den Sohn gleichermaßen einbezieht, ist das Gebet des Apostels vor der Heilung der Frau. Andreas betet: Herr Jesus Christus, ich bitte um dein gnädiges Erbarmen, sodass du deinen Sklaven erhörst und gewährst, dass diese Frau, falls sie zu dem Schmutz der Lust, die sie vorher ausgeübt hat, zurückkehren wird, überhaupt nicht geheilt werde. Gewiss, wenn du weißt, Herr, durch dessen Macht auch Zukünftiges erkannt wird, dass sie sich von dieser Schandtat fernhalten kann, dann werde sie geheilt auf deinen Befehl hin.

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Es fällt auf, dass Andreas zuerst Jesus Christus als Herrn (Domine Iesu Christe) anspricht und im letzten Satz seines Gebetes im Unterschied dazu nur noch den Herrn anspricht. Ist hier einmal Jesus Christus und einmal sein Vater gemeint? Zu Beginn bittet Andreas Jesus Christus, ihn zu erhören. Im zweiten Teil seiner Bitte könnte der Bezug zu Gott hergestellt werden, denn der Apostel bittet, dass er gewährt, dass die Heilung nicht sattfindet, sofern sie in Zukunft erneut sündigt. Wie kann Jesus das gewähren? Durch seine Sohnschaft? In diesem Sinn wäre Jesus als Fürsprecher gegenüber seinem Vater beschrieben, wenn man davon ausginge, dass nur der Vater Zukünftiges wissen kann. Der letzte Satz seiner Bitte spräche dann den Vater direkt an. Domine (Herr) bezöge sich demzufolge nicht mehr auf Jesus, sondern auf seinen Vater, denn ihm wird die Macht zugesprochen, über das zukünftige Verhalten der Frau Bescheid zu wissen und sie auf seinen Befehl hin zu heilen. Versteht man die Anreden Domine Iesu Christe und Domine allerdings so, dass sich beide auf Jesus beziehen (Adamik 2000b, 38), dann muss erklärt werden, warum Jesus zugesprochen wird, über die Zukunft zu wissen. Das würde einen deutlichen Unterschied zum Neuen Testament markieren, wo Jesus zwar von seinen Anhängern über Zukünftiges befragt wird, aber eine deutliche Abgrenzung gegenüber dem Wahrsagen gemacht wird (vgl. Apg 16,16-18). Überzeugender ist es, die Ambivalenz zwischen Vater und Sohn in diesem Gebet stehen zu lassen. Bemerkenswert ist an dem Gebet, dass die Grenze zwischen Jesus Christus und Gott fließend ist. Während zu Beginn des Gebetes eindeutig Jesus Christus angesprochen wird, vergewissert sich Andreas bei Gott, dass dieser sie nur heilt, wenn sie nicht rückfällig wird. Der theologische Referenzrahmen wird dadurch größer, denn Gott wendet sich durch die Heilung der Frau nicht nur ihr, sondern auch Andreas zu. Gott erweist sich als ein Gott, der das zukünftige Verhalten der Menschen kennt und auf das Gebet des Apostels unmittelbar reagiert. Christologisch ist an dieser Wundererzählung markant, dass dort, wo die Grenze zwischen Vater und Sohn unbestimmt bleibt, die Bedingung für das Empfangen und Weitergeben der christlichen Botschaft sehr eindeutig ist. Nur unter der Bedingung, dass die wohlhabende Frau aus der Oberschicht nicht mehr Ehebruch begehen wird, wurde ihr Christus zuteil. Und nur unter dieser Bedingung gibt sie die Botschaft Christi weiter. Soham Al-Suadi

Literatur zum Weiterlesen R. v. Bendemann, Krankheit in neutestamentlicher Sicht, in: G. Thomas (Hg.), Krankheitsdeutung in der postsäkularen Gesellschaft: Theologische Ansätze im interdisziplinären Gespräch, Stuttgart 2009, 163-185. Ders., Elementar feurige Hitze. Zur Krankheitshermeneutik frühjüdischer, hellenistischrömischer und frühchristlicher Fieberheilungen, in: R. Zimmermann/B. Kollmann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, WUNT 339, Tübingen 2014, 231-262.

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F. Bovon, Die kanonische Apostelgeschichte und die apokryphen Apostelakten, in: J. Frey (Hg.), Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie, BZNW 162, Berlin 2009c, 349-379. J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000a. K.-H. Leven, Antike Medizin. Ein Lexikon, München 2005.

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»Unser Sohn ist Magier geworden!« (Wunderbare Brandlöschung in Philippi) ActAndr(Greg) 12 Andreas verweilt in Philippi in der Gesellschaft des jungen und reichen Exuos. Die Eltern des Jungens versuchen, den Sohn zu überzeugen, den Apostel zu verlassen und mit ihnen in ihre Heimat (in Thessalonich) zurückzukehren. Der Junge will aber nicht mitkommen und zusammen mit Andreas versucht er, die Eltern zu bekehren. Als sie scheitern, schließt der Apostel die Haustüre. (12) Die Eltern aber riefen eine Menge zusammen und setzten das Haus, in welchem der Junge war, in Brand. Sie riefen: »Vergehe der Sohn, der seine Eltern und Heimat verlassen hat«. Sie brachten Stapel von Latten, Binsen und Fackeln, und fingen damit an, das Haus anzuzünden. Als die Flammen schon in die Höhe schlugen, nahm der Junge ein Fläschchen mit Wasser und rief: »Herr Jesus Christus, in dessen Händen die Natur aller Elemente ruht, der du das Ausgetrocknete mit Wasser tränkst und das Eingeweichte austrocknest, der du das Brennende abkühlst und das Gelöschte anzündest, lösche diese Flammen, so dass diese Leute nicht lau bleiben, sondern zum Glauben entzündet werden.« Während er das sagte, spritzte er Wasser aus der Flasche herab, und unmittelbar ging das ganze Feuer aus, als ob es nie angezündet worden wäre. Als die Eltern des Jungens das sahen, riefen sie: »Siehe, unser Sohn ist nun Magier geworden.« Sie holten eine Leiter und wollten in den dritten Stock steigen, um sie mit dem Schwert zu töten. Der Herr aber machte sie blind, damit sie die Stufen der Leiter nicht sehen konnten. Nachdem ein Mann namens Lesemachus (oder Lysemachus) die Menge anspricht, bekehren sich alle außer den Eltern des Jungen. Dann geschieht noch ein Wunder, indem Licht in der Nacht aufstrahlt, so dass ihre Augen »aufgeleuchtet werden.« Sie gehen zu Andreas, der sie in ihrem Glauben stärkt. Die Eltern verfluchen ihren Sohn und überlassen ihr ganzes Vermögen den Behörden. Nach fünfzig Tagen sterben die Eltern und der Sohn empfängt sein Erbe. Er bleibt beim Apostel und spendet die Zinsen seines Vermögens für die Versorgung der Armen.

Sprachlich-narratologische Analyse Wie in vielen Geschichten des Liber miraculis steht eine Familie im Mittelpunkt dieser Episode (vgl. Czachesz, Hinführung zu den Andreasakten in diesem Band). 801

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Ähnlich zur vorangehenden Episode (ActAndr[Greg] 11) sind städtische Eliten im Vordergrund, deren Herkunft und Vermögen thematisiert werden. Die Geschichte führt aber auch neue Themen ein. Statt der üblichen Interessen des Liber miraculis wie Sexualethik, Totenauferweckung oder Dämonenaustreibung lesen wir im ActAndr(Greg) 12 von Bekehrung und Magie. Die Handlung ist schnell und turbulent, der Sturm des Hauses, der Brand und die nächtliche Lichterscheinung sorgen für ein dynamisches Leseerlebnis. Die Erzählung enthält eher mehrere wunderbare Elemente als nur ein Wunder. Ein solcher Aufbau ist typisch im Liber miraculis und in den anderen apokryphen Apostelakten und lässt sich nicht direkt anhand des narrativen Schemas Einleitung – Wunder – Antwort analysieren. Worin besteht »das Wunderbare« in diesen Episoden? Wir wenden uns der kognitiven Theorie zu, um die Natur der Wunder und ihrer Wirkung zu verstehen. Die Theorie der »minimalen Kontraintuitivität« kann für die Analyse der Wundergeschichten eingesetzt werden (vgl. Pyysiäinen 2004, 81-89; Czachesz 2007b; ders. 2011). Da die Theorie im hermeneutischen Begleitband in Einzelnen dargestellt wird (Czachesz 2014), können wir uns an dieser Stelle auf eine kurze Erklärung beschränken. Obwohl Menschen weltweit sehr unterschiedliche Vorstellungen von gesellschaftlichen und natürlichen Phänomenen haben, kann man auch eine kulturübergreifend verbreitete Alltagsontologie identifizieren. Menschen nehmen ihre Umwelt wahr, indem sie die ontologischen Kategorien Mensch, Tier, Pflanze, Artefakt und (natürliches) Objekt verwenden. In unterschiedlichen Experimenten wurde beobachtet, dass eine Idee, die gegen solche ontologischen Erwartungen verstößt, länger im Gedächtnis verbleibt. Die bessere Memorabilität solcher Ideen führt zu einer weiteren Verbreitung (Boyer 1994; ders. 2002). Dieser Effekt beeinflusst vor allem die mündliche Überlieferung, wo Motive und Geschichte nur dann bewahrt werden, wenn sie sich gut ins Gedächtnis einprägen lassen. Da religiöse Vorstellungen oft kontraintuitiv sind, haben sie sich im kulturellen Erbgut weltweit verbreitet. Sowohl das Ausmaß der Verstöße gegen die Intuition als auch ihre Anzahl in einer Erzählung müssen aber begrenzt bleiben: Sind sie zu extrem oder zu häufig, so verringert sich die Memorabilität des Textes. Viele Wundererzählungen enthalten kontraintuitive Elemente: Dazu gehören ein Tier, das spricht (ein verbreitetes Motiv der apokryphen Apostelakten), aber auch ein helles Licht in der Nacht wie in unserer Erzählung. Wie steht es mit der Brandlöschung? Wie viel Wasser ausreicht, um einen Brand zu löschen, ist nicht leicht festzustellen. Die Erzählung betont einerseits, dass die Flammen schon sehr hoch waren, und andererseits, dass sie mit einem Fläschchen Wasser gelöscht wurden. Außerdem wird unser Verständnis der erzählten Ereignisse durch die Reaktion der Eltern beeinflusst, die den Jungen Magier nennen und damit den Eindruck wecken, dass die Brandlöschung ihre intuitiven Erwartungen verletzte. Die plötzliche Blindheit der Menge verstößt nicht unbedingt gegen ontologische Erwartungen. Blindheit kann viele natürliche Ursachen haben: Die Angreifer hätten z.B. durch den Rauch geblendet werden können. In diesem Fall bestimmt die Intertextualität unser Verständnis der 802

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Ereignisse mit. Sowohl Geschichten wie Joh 9 (der Blindgeborene) und Apg 9 (der blinde Saul) als auch andere antike Beispiele (s.u.) suggerieren, dass die Blindheit der Angreifer nicht auf eine natürliche Ursache zurückzuführen sind. Die Wendungen »ihre Verkehrtheit fortsetzen« (in perversitate durare), »vergeblich« (casso) arbeiten und »von Irrtum verführt werden« (errore seductus) entsprechen alttestamentlichen Gedanken – wo Gottlosigkeit, sinnlose Bemühung und Unvernunft Synonyme sind – und machen es deutlich, dass der Leser Blindheit als die Strafe Gottes deuten soll. Die menschliche Intuition, dass ethisches oder unethisches Handeln eine übernatürliche Antwort auslöst, ist eine wichtige Motivation des Wunderglaubens. Obwohl Kontraintuitivität ein grundlegendes Merkmal von Wundern ist, sind wunderbare Elemente nicht immer kontraintuitiv im technischen Sinn. Die im Kontext angebotenen oder erweckten Interpretationsmuster und Stilmittel können das Wunderbare hervorrufen oder verstärken, auch wenn ansonsten Erklärungen vorhanden wären, die nicht gegen die intuitive Alltagsontologie verstoßen.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Episode spielt in Philippi und kann historische Reminiszenzen enthalten, wie z.B. die Bekehrung eines reichen Jungen, der die Gemeinde und die Armen der Stadt mit Geldspenden unterstützt. Die städtische Gemeinde von Philippi hatte wahrscheinlich eine sozioökonomisch und vielleicht auch ethnisch gemischte Zusammensetzung (vgl. Hawthorne 2004; Bormann 1995, 11-29.161-205), wo sich volkstümliche Motive mit homerischen (MacDonald 1994a, 125f.) und philosophischen (vgl. Roig Lanzillotta 2007, 191-265) Elementen mischen konnten. Inschriften aus Philippi illustrieren, mit welcher Hochachtung und formalen Höflichkeit die Mitglieder der elitären Familien miteinander umgingen (Hellerman 2009). Dass Bekehrungen tatsächlich zu Spannungen in der Familie führten, ist durchaus realistisch: Ein »verlorener« Sohn oder eine Frau, die die von ihr erwartete Rolle nicht mehr erfüllen wollte, gefährdete das Ansehen und den gesellschaftlichen Stand der Familie. Das Urteil der Eltern entspricht dieser sozialen Wirklichkeit: »Vergehe der Sohn, der seine Eltern und Heimat verlassen hat«. Die Erzählung von Livius über Gaius Flaccus illustriert, welche Art religiöser Bekehrung in vornehmen römischen Familien erwünscht war (27,5,8-10). Mit seinem unverantwortlichen und zügellosen Verhalten machte sich jener junge Mann verhasst in seiner Familie und Verwandtschaft. Eines Tages musste er aber den religiösen Dienst von flamen (Eigenpriester einer Gottheit) auf sich nehmen. Die Rituale veränderten ihn völlig und er wurde zu einem würdigen Bürger. Die Beschuldigung der Magie wird von einer Handschrift aus Heidelberg beleuchtet: »Feuer wird gelöscht und Wasser wird ausgetrocknet im Namen Jesu« (P.Heid. 686; Meyer 1996, 326). Wenn Exuos eine übliche magische Formel ausspricht, ist die Reaktion der Eltern durchaus nachvollziehbar: Er ist Magier geworden. Magie war alltäglich in der Antike, der Magier selbst war aber eine umstrittene 803

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Figur (Frankfurter 2002). Es war kein Beruf, der für den Sohn eines Ehepaars aus der makedonischen Elite vorgesehen war.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Bekehrung und Berufung sind verwandte Konzepte, die in unterschiedlichen antiken und nahöstlichen Kulturen bekannt waren (Czachesz 2007b, 1-59). Exuos wendet sich zu Andreas mit der Bitte: »Zeige mir den Weg der Wahrheit«. In der Antike war die Suche nach dem Weg der Wahrheit eine philosophische Suche. Die Bekehrungsgeschichten der Philosophen haben die frühchristliche Literatur beeinflusst (ebd.). Die Bekehrung des Märtyrers Justin (ca. 100-ca. 165) beginnt mit einer langen Suche nach der Wahrheit in den Schulen der Philosophen (dial. 2). Die Andreasakten folgen dieser Tradition in der Darstellung der Bekehrung von Exuos. Was reiche Christen mit ihrem Vermögen tun sollten, war ein wichtiges Thema der urchristlichen Überlieferung. Der reiche junge Mann der synoptischen Evangelien ist nicht bereit, sein Vermögen zu verkaufen und den Armen zu geben, um das ewige Leben zu gewinnen (Mt 19,16-22). Wenn Exuos das Einkommen aus seinem Vermögen für die Diakonie spendet, geht er deutlich weiter, erfüllt aber nicht völlig, was Jesus im Evangelium verlangt. Auch der Autor der Apostelgeschichte schreibt der ersten Gemeinden radikalere Erwartungen zu (Apg 2,44f.). Aber die moderate Lösung der Andreasakten gibt der Geschichte eine realistische Färbung und macht es plausibel, dass die Figur des Exuos in der historischen Wirklichkeit der makedonischen Gemeinden als Vorbild dienen könnte. Die Belagerung des Hauses ruft auch biblische Reminiszenzen auf. In Apg 14,19 überreden die Juden aus Antiochia und Ikonium die »Volksmenge« (τοὺς ὄχλους tous ochlous) in Lystra, Paulus und Barnabas zu steinigen. Ob unser Autor und die ursprüngliche Leserschaft mit dem lukanischen Buch vertraut waren, ist eine offene Frage. Die Erzählung erinnerte die ersten Lesenden wahrscheinlich an die Erzählungen aus den Evangelien, in denen ein Dämon in sein Haus zurückkehrt und sieben andere Dämonen mitbringt (Mt 12,44f.; Lk 11,24-26). Am wichtigsten ist aber die Erzählung von Lot in Sodom (Gen 19). Die Männer der Stadt umringen das Haus von Lot und fordern ihn auf, seine Gäste zu ihnen zu führen. Später versuchen sie, die abgeschlossene Haustür aufzubrechen. An Ende schlagen die Engel Gottes die Belagerer mit Blindheit. Blindheit ist ein wiederkehrendes göttliches Strafmittel in der lukanischen Apostelgeschichte (Elymas in Apg 13 und Saulus in Apg 9). Das Thema ist auch in der griechischen Literatur bekannt. Am bekanntesten ist die Geschichte des Dichters Stesichoros (7-6. Jh. v. Chr.), der Missliches über Helena schrieb, die ihn darauf mit Blindheit schlug. Stesichoros wurde unmittelbar geheilt, als er seinen Fehler wiedergutmachte (Isocr. or. 10,64; Plato Phaid. 243a-b). Herodotus (2,111) erzählt von der göttlichen Bestrafung des Pharao Pheros mit Blindheit, nachdem er einen Speer in den Fluss Nil geworfen hatte. Auch in den Johannesakten wird der Apostel mit Blindheit geschlagen und später geheilt (ActJoh 113). Diese Beispiele zeigen, dass 804

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die Andreasakten ein in der Antike verbreitetes Motiv verwenden, und wir müssen nicht unbedingt mit einer Abhängigkeit von den lukanischen Geschichten rechnen. Wenn Exuos zu Jesus betet, spricht er ihn als den Herrn der Elemente der Natur an. Wir haben es schon gesehen, dass man laut der magischen Literatur im Namen Jesu Feuer löschen und Wasser auftrocknen kann. Eine andere Parallele finden wir in den Philippusakten, wo Jesus selbst über die Natur redet: Du hast gesehen, Philippus, das ganze Meisterwerk der Schöpfung, die Sachen die oben und unten sind: das Licht und die Finsternis, das Wasser und das Feuer, das Gute und das Schlechte. Dann die lebendigen Dinge, unter denen ich die Menschen und die Haustiere verstehe, die wilden Tiere und die Vögel […]. Siehe, diejenigen, die das Gute und Schöne tun, sind in der Mehrheit und nicht diejenigen, die das Schlechte tun. […] Nimm das Feuer: Es ist schlecht; das Wasser ist aber gut und Wasser gibt es sehr viel (ActPhil 8,10).

In diesem Zusammenhang erhält das Löschen des Feuers eine ethische und sogar naturphilosophische Dimension, indem es den Sieg des Guten über das Böse symbolisiert. Da die Philippusakten (4. Jh.) jünger sind als die Andreasakten, kann man diesen Text nicht verwenden, um die Absicht des Autors oder das Verständnis der ersten Lesenden zu rekonstruieren. Die Geschichte des Exuos zeigt Ähnlichkeiten zum Mythos des Sehers Melampus, der auch kurz bei Homer erscheint (Hom. Od. 11,285; 15,225-242; Il. 2,705). In der homerischen Episode erhält der Onkel von Melampus sein Erbe zurück und Melampus verlässt sein Heimatland. Nach anderen Überlieferungen vollbrachte Melampus Wunder. Dennis R. MacDonald (1994a, 125f.) vertritt die These, dass die Geschichte des Exuos den Mythos von Melampus als Entwurf verwendet, um seinen Held als »Gegen-Melampus« darzustellen. Wie steht es um den Tod der Eltern? Fassten es der Autor und die ersten Lesenden als ein weiteres Strafwunder auf? Die gemeinsame Bestrafung von Ehepaaren ist nicht ohne biblische Parallelen. Sapphira stirbt drei Stunden nach ihrem Mann Hananias, weil sie »Gott belogen« (Apg 5,4) und »den Geist des Herrn versucht« (V. 9) haben. In der alttestamentlichen Geschichte von Nabots Weinberg bestraft Gott den König Ahab und seine Frau Isebel (1 Kön 21). Die Überlappungen mit diesen biblischen Texten sind aber nicht tiefgehend. Die Eltern sterben und unser Held erhält sein Erbe: Die Episode scheint eher den natürlichen Lauf des Lebens darzustellen als eine göttliche Bestrafung.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Literarische Deutung: Die Geschichte des Exuos ist eine Bekehrungsgeschichte. Exuos sucht den Weg der Wahrheit und findet ihn beim Apostel Andreas. Wie Justinos – oder später Origenes – kommt unser Held aus den Reihen der Elite und sucht Antworten auf wichtige Lebensfragen. Die Geschichte enthält möglicherweise historische Reminiszenzen und dürfte den makedonischen Eliten als Modell gedient haben. 805

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Auch eine sozialethische Deutung der Geschichte empfiehlt sich. Nach einer weitverbreiteten Auffassung in der Forschungsgeschichte sind die Andreasakten stark asketisch geprägt – im Liber miraculis finden wir aber meistens eine realistische und praktische Sexualethik (vgl. Czachesz, Hinführung zu den Andreasakten in diesem Band). Auch bei der Sozialethik scheint dies der Fall zu sein. Obwohl Exuos seinen Reichtum ganz vernachlässigt, als er zum Schüler des Andreas wird, findet er am Ende eine lebensnahe Lösung, indem er die Zinsen seines Vermögens für die Diakonie spendet. Dieses Modell kann man eine moderate Askese nennen. Exuos gibt seine ökonomische Sicherheit und seinen gesellschaftlichen Stand zwar nicht auf, genießt aber seinen Reichtum nicht selbst. Im weitgehend realistisch gestalteten Erzählrahmen finden wir die Thematik der Magie eingebettet. Magie und Wunder beschreiben oft dasselbe Phänomen von einer Außen- bzw. Innenperspektive. Als Magier abgestempelt zu werden war aber eine ernsthafte Sache: Z.B. musste sich der Philosoph und Schriftsteller Apuleius (* um 125) gegen den Magieverdacht verteidigen (Apul. apol.). Die magische Glaubensvorstellung scheint im Leben des Exuos eine Übergangsphase zu sein.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Unsere Episode wird im sogenannten Manichäischen Psalmenbuch erwähnt: »Was den Apostel Andreas betrifft, sie setzten das Haus in Brand unter ihm« (142,20: λNλρελϛ ΠαΠοϛτολος ÑΤλγ† ΤςεТε λΠНι ζλρλγ andreas papostolos ntauti tsete apēi charaf). Leider lernen wir von dieser Meldung nichts Neues, außer der Tatsache, dass unsere Episode bei den Manichäern in irgendeiner Form bekannt war. István Czachesz

Literatur zum Weiterlesen I. Czachesz, Magic and Mind. Toward a Cognitive Theory of Magic, with Special Attention to the Canonical and Apocryphal Acts of the Apostles, in: T. Nicklas/T. J. Kraus (Hg.), Antikes Christentum und Magie. Verhältnisbestimmungen, ASEs 24 (2007d), 295-321. J. Hellerman, Brothers and Friends in Philippi. Family Honor in the Roman World and in Paul’s Letter to the Philippians, BTB 39 (2009), 15-25. D. R. MacDonald, Christianizing Homer. The Odyssey, Plato, and the Acts of Andrew, New York 1994a.

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Eine verhängnisvolle Affäre (Bestrafung und Auferweckung der Frau des Lesbius) ActAndr(Greg) 23 (23,1) Deshalb hat Trophime, die einst die Konkubine des Prokonsuls und ferner mit einem anderen Mann verheiratet war, ihren Mann verlassen und sich an die apostolische Lehre gehaftet. Aus diesem Grund kam sie öfters in das Haus des Prokonsuls, in dem der Apostel beständig lehrte. (2) Ihr Mann aber, der von Zorn erfüllt war, kam zur Frau des Prokonsuls (wörtl.: zu seiner Frau) und sagte: »Trophime pflegt von neuem Prostitution, welche sie mit meinem Herrn, dem Prokonsul, zu treiben gewohnt war. Nun hat sie mit ihm wiederum Geschlechtsverkehr.« (3) Jene aber sagte von Zorn entflammt: »Deshalb hat mich also mein Mann verlassen und sich schon seit sechs Monaten nicht mehr mit mir vereinigt, weil er dafür seine Magd hochachtet.« (4) Und nachdem der Verwalter gerufen worden war, befahl sie (ihm), sie (Trophime) zur Prostitution zu verdammen. Ohne Verzögerung wurde sie in ein Bordell abgeführt und dem Zuhälter geschenkt. (5) Lesbius jedoch wusste nichts von diesen Dingen. Als er dennoch nach ihr fragte, wurde er von der (seiner) Frau getäuscht. (6) Nachdem sie (Trophime) das Bordell betreten hatte, betete sie unablässig. Jedes Mal, wenn irgendwelche Männer kamen und sie berühren wollten, legte sie das Evangelienbuch, das sie mit sich hatte, auf ihre Brust. Plötzlich mühten sich alle Männer vergeblich ab, sich ihr zu nähern. (7) Ein sehr schamloser (Mann) kam jedoch, um sich an ihr zu vergreifen. Als sie Widerstand leistete, zerriss er ihre Kleider und das Evangelium fiel auf die Erde. (8) Trophime aber weinte, streckte ihre Hände zum Himmel und sprach: »Herr, wegen dessen Namen ich die Sittenreinheit hochgeachtet habe, lass nicht zu, dass ich beschmutzt werde.« (9) Auf der Stelle erschien diesem der Engel des Herrn. Der junge Mann fiel vor seine Füße und war tot. Nachdem sie getröstet worden war, pries und verherrlichte sie den Herrn, der es nicht gestattet hat, dass sie entehrt wird. (10) Bald darauf erweckte sie den Jungen im Namen Jesu Christi und die ganze Stadt lief zu diesem Anblick. (11) Die Frau des Prokonsuls ging allerdings mit ihrem Verwalter ins Bad. Und als sie gleichzeitig gewaschen wurden, erschien ihnen ein überaus hässlicher Dämon. Von ihm geschlagen, fielen sie (zu Boden) und waren tot. (12) Und sieh, ein großes Wehklagen entstand. Auch dem Apostel und dem Prokonsul wurde die Nachricht überbracht, dass dessen Frau zusammen mit dem Zuhälter gestorben sei. (13) Als er diese Dinge hörte, sagte der gesegnete Andreas darauf zum Volk: »Seht, ihr Hochgeschätzten, wie viel der Feind gegolten hat. Sie haben nämlich Trophi807

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me wegen (ihrer) Keuschheit zur Prostitution verdammt. Nun aber ist Gottes Gericht gekommen, und siehe, die Hausfrau, welche sie (Trophime) ins Bordell abführen ließ, wurde zusammen mit ihrem Zuhälter im Bad geschlagen. Sie fiel (zu Boden) und war tot.« (14) Nachdem er diese Dinge geäußert hatte, siehe, da kam ihre Amme, die wegen ihres Alters in den Händen von Anderen getragen wurde. In zerrissenen Kleidern und unter großem Geschrei wurde sie vor dem Apostel abgelegt. (15) Sie begann ihn zu fragen und sprach: »Worum du auch immer deinen Gott bitten wirst – das wissen wir –, er wird es dir gewähren, weil du von Gott hochgeschätzt wirst. Nun aber erbarme dich meiner und erwecke sie auf!« (16) Der gesegnete Apostel hatte Mitleid wegen den Tränen der Frau. Er wandte sich zum Prokonsul und sagte: »Willst du, dass sie auferweckt wird?« (17) Jener sagte zu ihm: »Es sei unpassend, dass sie lebt. Sie hat eine so große Schandtat in meinem Haus begangen.« (18) »Ich will nicht«, sagte der Apostel, »dass du so handelst! Denn es gehört sich für uns, Mitleid mit jenen zu haben, die es ersuchen, damit wir Mitleid von Gott erhalten.« (19) Als er diese Dinge gesagt hatte, brach der Prokonsul zum Feldherrenzelt auf. Der heilige Apostel aber befahl, dass der Körper in der Mitte dargeboten wird. (20) Er trat heran und sagte: »Ich bitte dich, gütiger Herr Jesus Christus, dass diese Frau auferweckt wird, damit alle erkennen, dass du der Herr und Gott bist, der allein barmherzig und gerecht ist, der es nicht duldet, dass Unschuldige zugrunde gehen.« (21) Und nachdem er sich umgewandt hatte, berührte er den Kopf der Frau und sagte: »Stehe auf im Namen Jesu Christi, meines Gottes!« (22) Auf der Stelle stand die Frau auf. Sie senkte ihren Kopf, weinte, seufzte und blickte auf die Erde. (23) Der Apostel sagte zu ihr: »Gehe hinein in dein Schlafgemach! Du sollst solange im Geheimen beten, bis du von Gott getröstet wirst!« (24) Sie antwortete ihm: »Lass mich vorher mit Trophime Frieden schließen, gegen die ich so viel Böses angesammelt habe.« (25) Der heilige Apostel sagte: »Ich will nicht, dass du dich fürchtest, denn Trophime erinnert sich nicht an die bösen Dinge, noch sehnt sie sich nach Rache, sondern sie dankt Gott für alles, was sich zugetragen hat.« (26) Und nachdem Trophime gerufen wurde, versöhnte er sie mit Calisto, der Frau des Prokonsuls, welche auferweckt worden war. (27) Lesbius aber machte Fortschritte im Glauben, so dass er eines Tages zum Apostel herantrat und ihm alle seine Sünden beichtete. Der heilige Apostel sagte zu diesem: »Ich danke Gott dafür, Sohn, das du das künftige Gericht fürchtest. Aber handle tapfer und sei stark im Herrn, an welchen du glaubst!« Und er nahm seine Hand und ging mit ihm am Meeresufer spazieren.

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Sprachlich-narratologische Analyse Die Szene von der Bestrafung und Auferweckung der Frau des Lesbius, die nur im Überlieferungsstrang von Gregor von Tours enthalten ist, ist in zweifacher Weise mit der vorhergehenden Schilderung seiner Bekehrung verbunden (ActAndr[Greg] 22). Sowohl der Anfang als auch der Schluss von ActAndr(Greg) 23 nehmen Bezug auf den Handlungsstrang von ActAndr(Greg) 22. Dieser Text berichtet davon, wie Lesbius, der Prokonsul von Achaia, dem missionierenden Apostel nachstellen will. Jener wird daraufhin von Gott gepeinigt, von Andreas geheilt und dadurch schlussendlich zum Glauben geführt. Dieser Handlungsstrang wird nun implizit im 23. Kapitel fortgeführt, insofern dort die Leitfigur von der Bekehrung des Prokonsuls veranlasst wird, sich selbst zur Lehre des Apostels hinzuwenden. Angeleitet von der Läuterung des Lesbius, wendet sich Trophime, die frühere Konkubine des Prokonsuls, von ihrem exzessiven Doppelleben als Ehefrau und Geliebte ab, um der Weisung des Apostels zu folgen. Dadurch bildet die Handlung von ActAndr(Greg) 22 den erzählerischen Hintergrund, vor dem der eigenständige Erzählstrang von Kapitel 23 entfaltet wird. Im Text wird die klare Trennlinie und der intensive Zusammenhang beider Kapitel durch die Konjunktion igitur (daher/deshalb) angezeigt, mit der der erste Satz der Wundererzählung eröffnet wird. Hier erfährt der Leser von der Person der Trophime und ihrer Abkehr von ihrem moralisch verwerflichen Dilemma. Nicht nur der Beginn des Kapitels überkreuzt sich mit ActAndr(Greg) 22. Auch das Ende von ActAndr(Greg) 23 bettet die gesamte Erzählung in die Bekehrungsszene des Lesbius ein. Lesbius spielt in den beiden Szenen von ActAndr(Greg) 23 zwar nur eine untergeordnete Rolle, dennoch endet der Abschnitt mit einer resümierenden Notiz über eine Vertiefung seines neu gewonnenen Glaubens, die durch das Verb proficere (wörtl.: fortschreiten/Fortschritte machen) zum Ausdruck gebracht wird. Das Verb deutet bereits einen Prozess an, den Lesbius durchlaufen haben muss, der in Kapitel 22 mit seiner Bekehrung grundgelegt und durch die Geschehnisse von Kapitel 23 intensiviert worden ist. Deshalb besteht wahrscheinlich die erzählte Welt von ActAndr(Greg) 23 aus zwei komplexen, ineinander verschachtelten und aufeinander bezogenen Szenen, die von einigen grundlegenden Aspekten der Sexual- und Sozialmoral des in den Acta Andreae vertretenen Weltbildes und Glaubensverständnisses erzählen (ActAndr[Greg] 2-10; 11-27). Der Ausgangspunkt jenes literarischen Gefüges liegt in der Exposition des Kapitels (ActAndr[Greg] 23,1), in der die Protagonistin Trophime in ihrer bereits erwähnten Doppelrolle als verheiratete Frau und Geliebte des Prokonsuls eingeführt wird. Alle weiteren Charaktere der Szene werden dem Leser vorerst nur in einer Relation zu Trophime präsentiert und ihrem moralischen Zwiespalt zugeordnet. Die einstige Lebensart der Trophime bestimmte der Konflikt, sowohl einen Ehemann zu besitzen als auch Lesbius zum Geliebten zu haben. Davon grenzt sich ihre gegenwärtige geläuterte Gesinnung ab, für die ihre Beziehung zum Apostel und zu seiner Lehre, an der sie nun haftet, eine zentrale Rolle spielt. Zwar erkennt der Leser in der Exposition, dass diese beiden Facetten der Protagonistin in der erzählten Welt zeitlich nacheinander 809

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geordnet sind. Dennoch werden beide Aspekte von Trophimes Biographie an einer lokalen Schnittstelle miteinander konfrontiert. Im Haus des Prokonsuls, ihres früheren Geliebten, lehrt nun der Apostel Andreas selbst. Deswegen kehrt die geläuterte Trophime an genau jenen Ort, der mit ihrer vergangenen Infamie in Verbindung steht, zurück. Gerade dadurch ist in der erzählten Welt eine literarische Konstellation für eine folgenschwere Verwechslungssituation geschaffen worden, die die erste große Szene (ActAndr[Greg] 23,2-10), die Verbannung der Protagonistin in ein Bordell, eröffnen wird. Jene Szenerie basiert auf einer doppelten Fehldeutung der in der Exposition grundgelegten Handlungs- und Figurenkonstellationen, und sie erschließt sich für den Leser durch einen hitzigen Dialog zwischen Trophimes Ehegatten und der Frau des Prokonsuls (ActAndr[Greg] 23,2-3), deren Eifersucht dem Leser mitgeteilt wird: Trophimes Mann sieht in ihrem Gang zum Haus des Prokonsuls, in dem nun der Apostel lehrt, eine Rückkehr in ihre alte moralisch defizitäre Lebensart. Von Wut erfüllt, sucht er den Dialog mit der Frau des Prokonsuls, um ihr von seiner Vermutung, Trophime würde von Neuem ein anrüchiges Verhältnis mit ihrem Mann haben, zu berichten. Sich auf jene Vermutung stützend, glaubt die Frau des Prokonsuls, darin den Grund zu sehen, warum ihr Mann seit geraumer Zeit das sexuelle Interesse an ihrer Person verloren hat (ActAndr[Greg] 23,3). Die Möglichkeit, dass seine Enthaltsamkeit von seiner in ActAndr(Greg) 22 berichteten Bekehrung herrührt, wird dadurch natürlich von ihr ausgeschlossen (vgl. MacDonald 1990a, 180). Jene doppelte Fehlinterpretation führt zu einer Kettenreaktion. Wütend und eifersüchtig über Trophime lässt die Frau des Prokonsuls ihren Verwalter rufen und veranlasst, sie zur Prostitution zu verurteilen (ActAndr[Greg] 23,4). Die Frau des Prokonsuls fordert diese Sanktion als Ausgleich für das irrtümlich angenommene Vergehen der Trophime. Im Text wird dies dadurch herausgestellt, dass sowohl in der sprachlichen Darstellung von Trophimes Verdächtigung als auch in ihrer Verurteilung die Vokabel scortum (Dirne/Hure) Verwendung findet. Trophime wird daraufhin einem Zuhälter übergeben, der allem Anschein nach mit dem Verwalter der Frau des Prokonsuls identisch ist (denn auch in einem späteren Abschnitt werden procurator und leno [Kuppler/Zuhälter] in einem Atemzug genannt), und ins Bordell abgeführt. Lesbius hätte zwar nach ActAndr(Greg) 22 das nötige Hintergrundwissen, um die Verwechslungssituation sofort aufzulösen allerdings ist jener in seinen Handlungskompetenzen blockiert, da er von seiner Frau getäuscht wird (ActAndr[Greg] 23,5). Somit vermag er es nicht, Trophimes Schicksal zu wenden und ihre Verdammung zur Prostitution zu verhindern. Jene Strafe steht natürlich im völligen Gegensatz zu ihrer in der Exposition geschilderten moralischen Kehrtwende, auf die in doppelter Weise literarisch zurückgegriffen wird. Trophime, die den sexuellen Lastern strikt abgeschworen hat, wird nun wegen eines unberechtigten Verdachts erneut mit einem Angriff auf das Ideal der sexuellen Enthaltsamkeit konfrontiert. Sie wird zur Prostitution verurteilt, weil ihr die Frau des Prokonsuls die Schuld für die sexuelle Apathie ihres Ehegatten zuweist (zum Stellenwert von Prostitution im Christentum der Spätantike s.u.). Die Szene stützt sich darauf, dass der Leser einen tieferen Einblick in die moralische Disposition der Protagonistin ge810

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währt bekommt als die Charaktere der erzählten Welt. Von Anfang an weiß der Leser um die gespaltene Lebensgeschichte der Trophime, die sich von der früheren Gespielin des Prokonsuls zur treuen Anhängerin der apostolischen Lehre entwickelt hat. Dieser biographische Bruch bleibt den Charakteren der erzählten Welt verborgen, weshalb es zur Verwechslung kommt. Weil die Frau des Prokonsuls Trophime einzig und allein in ihrer früheren Rolle als Liebhaberin ihres Mannes erkennt, lässt sie sie ins Bordell abführen. Damit wird aber zugleich eine erzählerische Kulisse erzeugt, in der der moralische Wert asketischer Sexualnorm besonders profiliert werden kann. Der Leser, der von der Keuschheit der Trophime seit der Exposition Kenntnis hat, muss ihr nunmehr an einen Ort folgen, an dem ihre Sittenreinheit und eine exzessive Lasterhaftigkeit aufeinanderprallen – dem Bordell (ActAndr[Greg] 23,6). In der Dramatik jener Szene, die von der moralischen Gegensätzlichkeit gezeichnet ist, wird Sittenreinheit von Gott legitimiert. Er tritt schließlich für Trophime ein, die trotz intensiver Anfeindung an ihrer Keuschheit festhält. Diese implizite Ethik spitzt sich in der folgenden Szene weiter zu: Trophime gelingt es, ihre Reinheit im Bordell zu bewahren. Sie schützt sich vor den sexuellen Annäherungsversuchen der Freier durch ein Evangelienbuch, das sie auf ihre Brust legt (ActAndr[Greg] 23,6). Keinem der Bordellbesucher gelingt es deswegen, ihre Sittenreinheit zu beflecken. Diese Szene erinnert an ActAndr(Greg) 28, wo ebenso von einem Evangelienbuch eine ›magische‹ Schutzwirkung vor sexuellen Übergriffen ausgeht, die den alten bekehrten Nicolaus davor bewahrt, erneut Unzucht zu betreiben (vgl. Bremmer 2000b, 23). Implizit kann der Leser von ActAndr(Greg) 23 deutlich erkennen, dass Gott Trophimes Keuschheit, die mit ihrer Bekehrung einhergegangen ist, in der Situation der Bedrängnis schützt (vgl. Adamik 2000b, 41). Dies wird in ActAndr(Greg) 23,7-10 sogar noch weiter demonstriert: Einem Freier gelingt es nämlich, bei dem Versuch, sie gewaltsam zu entehren, ihre Kleider zu zerreißen, woraufhin das Evangelienbuch zu Boden fällt (ActAndr[Greg] 23,7). Trophime verliert dadurch ihren oberflächlichen magischen Schutz vor dem Agitator. Ihrem Angreifer hilflos ausgeliefert, wendet sie sich an Gott und erfleht vor ihm, ihre Reinheit zu schützen (ActAndr[Greg] 23,8). Selbstverständlich schreitet Gott ein und sendet Hilfe. Der Engel des Herrn erscheint dem Freier, dieser fällt daraufhin zu Boden und stirbt (ActAndr[Greg] 23,9). Somit wird die in der Exposition dargestellte Läuterung und Bekehrung der Trophime von Gott nicht angetastet. Die Szene im Bordell endet nun damit, dass sie ihren einstigen Angreifer im Namen Christi auferweckt (ActAndr[Greg] 23,10). Von jener Szene hebt sich der zweite Unterabschnitt von Kapitel 23 ab (ActAndr[Greg] 23,11-27), der nach der summarischen Abschlussnotiz vom Zusammenströmen einer großen Menge zu jenem Auferweckungsspektakel abrupt einsetzt. Vordergründig handelt der zweite Teil des Kapitels von der Bestrafung der Frau des Prokonsuls, sowie ihrer Auferweckung und Bekehrung. Hintergründig hat er allerdings gleich mehrere Funktionen. Einerseits ist diese Szene sprachlich eng an die Schilderung von Trophimes Aufenthalt im Bordell gebunden, wodurch die dort grundgelegte moralische Qualität der Keuschheit eine Untermalung erfährt. Ande811

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rerseits besitzt sie zugleich einen handlungsethischen Unterton. Anhand der Entwicklung, die die literarischen Figuren des Prokonsuls und seiner Frau durchlaufen, werden dem Leser einige grundlegenden Aspekte des christlichen Wertehorizontes gezeigt. Der neue Abschnitt beginnt jedenfalls mit einem sprunghaften Kulissenwechsel. Der Leser begegnet nun jenen Personen, die die Verantwortung für die ungerechtfertigte Zwangsprostitution der keuschen Trophime tragen, in einer Badeanstalt (ActAndr[Greg] 23,11). Die Frau des Prokonsuls und ihr Verwalter/Zuhälter (auch in diesem Abschnitt werden die Lexeme procurator und leno [Kuppler/Zuhälter] synonym verwendet) sind gerade dabei, ein gemeinsames Bad zu nehmen. Gerade durch dieses Motiv wird jener Szene ein zwielichtiger und anrüchiger Unterton verliehen. Sowohl das Bild der Badeanstalt als auch das Bild des Gewaschen-Werdens erinnern an die Kulisse von ActAndr(Greg) 5. Dort erfährt der Leser bereits in der Exposition von der Besessenheit des Sohnes von Gratinus, die in einem Atemzug mit seinem sexuellen Fehlverhalten genannt wird. Er beging gerade dadurch Unzucht, dass er sich im Bad der Frauen hat waschen lassen (vgl. Adamik 2000b, 38). Das Anstößige liegt also in beiden Szenen im Subtext der zwischengeschlechtlichen Gemeinschaft im Badezimmer. Dadurch wird in ActAndr(Greg) 23 ein Kontrast zwischen der moralischen Haltung der keuschen Trophime und der Frau des Prokonsuls aufgebaut, deren Image bereits durch die aus Frustration und Missgunst resultierende Verurteilung Trophimes angekratzt ist. Dieser Gegensatz zwischen der keuschen Trophime und ihren Peinigern erfährt nun von Gott eine Verstärkung. Das vermeintliche Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit, nach welchem Trophime verurteilt worden ist (ActAndr[Greg] 23,4), wird von ihm umgedreht und auf ihre Unterdrücker bezogen (ActAndr[Greg] 23,11). Gott hat einst die Keuschheit der Trophime, die wegen des Vorwurfs der Hurerei selbst zu ebendieser gezwungen wurde, durch seinen Engel geschützt, woraufhin der Angreifer gestorben ist. Mit demselben Mittel erhalten nun ihre letztverantwortlichen Peiniger ihre verdiente Strafe. Der Frau des Lesbius und ihrem Verwalter/Zuhälter erscheint ein Dämon, der sie tötet. Jener Abschnitt ist nun sowohl semantisch als auch syntaktisch kongruent zum großen Finale der Bordellszene (ActAndr[Greg] 23,7-9). Beide Szenen sind sehr ähnlich aufgebaut. Ein Wesen erscheint (apparuit); diejenigen, denen das Wesen erscheint, fallen zu Boden (cecedit) und sie sind tot (mortuus est). Lediglich die Mittlerfiguren der Szenen und ihre Intention sind unterschiedlich. Trophime wird von einem Engel geschützt (ActAndr[Greg] 23,9), wohingegen ein Dämon Vergeltung an ihren Peinigern übt (ActAndr[Greg] 23,11). Die Darstellung der Strafaktion mündet in eine Rede des Apostels zum Volk, die jene Geschehnisse auf der Metabebene des Textes für den Leser erschließt. In jener Rede, mit der zugleich der Apostel das erste Mal in ActAndr(Greg) 23 die Bildfläche betritt, erfährt die Geschichte nicht nur eine wörtliche Rekapitulation, sondern sie wird erstmals mit der Erzählung von Trophimes Verbannung in Verbindung gebracht und als ausgleichende Gerechtigkeit Gottes gedeutet (ActAndr[Greg] 23,13). Die beiden Abschnitte stehen demnach in einem Spannungsverhältnis, wo812

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nach moralische Keuschheit gerechtfertigt und schlussendlich ein Vorgehen dagegen bestraft wird. Beide Szenen enden auch mit einer Auferweckungshandlung, die sich allerdings stark unterscheiden. Dies zeigt sich schon allein auf der strukturellen Ebene. Die Auferweckungsszene des zweiten Teils (ActAndr[Greg] 23,14-27) ist komplexer und elaborierter als die der Bordellszene. Sie zerfällt in drei Teile: einen Bereich vor (ActAndr[Greg] 23,14-18), die eigentliche Darstellung (ActAndr[Greg] 23,19-22) und einen Bereich nach der Auferweckung (ActAndr[Greg] 23,23-27). Die Passagen vor und nach der eigentlichen Auferweckungsszene besitzen eine pragmatische Funktion. Zwar entwickelt sich der Erzählstrang vordergründig dahingehend, dass die Frau des Prokonsuls durch die Auferweckung zum Glauben geführt und der Glaube von Lesbius vertieft wird. Hintergründig hingegen teilt die Geschichte dem Leser einige inhaltliche Aspekte jenes Glaubens mit. Zudem hat der Unterabschnitt noch die Absicht, die besondere Stellung des Apostels und seine Autorität zu unterstreichen. Der erste Teil (ActAndr[Greg] 23,14-18) beginnt mit einer Einführung einer neuen Person (ActAndr[Greg] 23,14), der gebrechlichen Amme der Frau des Prokonsuls und einer Zentrierung zweier literarischer Figuren, die bisher nur Nebenrollen eingenommen haben, nämlich Lesbius (ActAndr[Greg] 23,16) und der Apostel Andreas (ActAndr[Greg] 23,15). Die Amme des Prokonsuls wird vor Andreas niedergelegt. Tränenerfüllt fleht sie ihn an, die Frau des Prokonsuls wiederzuerwecken (ActAndr[Greg] 23,15). Jene Szene hat zwei fundamentale Funktionen. Einerseits kann der Leser anhand der Rede der gebrechlichen Frau die Autorität des Apostels erkennen, da jener von der Amme in seiner intensiven Beziehung zu Gott definiert wird. Andererseits wird zudem ein Leitwort genannt, wodurch dem ersten Teil des Abschnitts ein ethischer Beigeschmack verliehen wird. An dieser Stelle begegnet der Leser zum ersten Mal dem Wortfeld Barmherzigkeit (miserere/misericordia). Die Bedeutung jenes Wertes für eine christliche Handlungsethik möchte der Text anhand der ersten Teilszene der Auferweckungsschilderung darstellen. Die Amme fordert den Apostel nicht bloß auf, die Frau des Prokonsuls zurück ins Leben zu rufen, sondern sie macht dies mit einem deutlichen Appell an den Apostel, dies aus Barmherzigkeit zu tun. Der Apostel reagiert natürlich in seiner Rolle als Ideal eines Christgläubigen mit Mitleid darauf (ActAndr[Greg] 23,17). An dieser Stelle wird der neubekehrte Prokonsul in einer aktiven Rolle eingeführt. Anhand jener literarischen Figur drückt nun der Text die enorme Bedeutung einer barmherzigen Grundhaltung für die christliche Existenz aus. Der Apostel wendet sich, von Mitleid mit der Amme erfüllt, an den Prokonsul selbst und überlässt ihm die Wahl, ob seine Frau wiedererweckt werden soll (ActAndr[Greg] 23,16). Um nun ein erzählerisches Fundament für eine implizite Ethik zu schaffen, fällt im Text die Antwort des Neubekehrten negativ aus (ActAndr[Greg] 23,17). Zu groß sei für Lesbius die Schande, die seine Frau über Trophime und dadurch zugleich über sein Haus gebracht hat. Daraufhin entgegnet ihm der Apostel mit einer Belehrung (ActAndr[Greg] 23,18), die zweimal auf das Leitwort Barmherzigkeit zurückgreift. Die unbarmherzige Reaktion des Prokonsuls erfährt harsche Kritik von Seiten des Apostels und dem Leser wird dadurch auf der Metaebene ein ethischer Impuls mitgeteilt. Die Pflicht 813

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des Christen sei es, barmherzig zu handeln, um von Gott barmherzig behandelt zu werden. Erst nach jener Lektion in christlicher Sozialmoral erfolgt die Darstellung der eigentlichen Auferweckung (ActAndr[Greg] 23,19-22). Deren Intention ist es, bei den Charakteren der erzählten Welt Gotteserkenntnis zu wecken. Die auferweckte Frau des Prokonsuls gelangt demgemäß zum Glauben und anhand ihres Charakters wird eine christliche Grundhaltung noch weitergehend vertieft. Wie zu vermuten ist, geht ihre Bekehrung mit einer von Reue gezeichneten Haltung einher (ActAndr[Greg] 23,24). Im Text wird der einstige Konflikt zwischen ihr und Trophime aufgegriffen und sie sucht nach Versöhnung. Der Apostel demonstriert aber an der Person der Trophime, dass christliche Gesinnung keinen Platz für Rachegefühle lässt (ActAndr[Greg] 23,25). Deswegen dankt Trophime Gott für seine Taten, anstatt der Frau des Prokonsuls, die erst nach ihrer Bekehrung bei ihrem Namen Calisto genannt wird, zu zürnen (ActAndr[Greg] 23,26). Somit gilt ihre Grundhaltung als Exempel für eine christliche Handlungsweise.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Der erste Teil von ActAndr(Greg) 23 berichtet von der Verdammung der bekehrten Trophime zur Prostitution. Hier greift der Text wohl auf die Tradition einer in der Spätantike weitverbreiteten Bestrafungsform zurück, die vor allem gegen Christinnen gerichtet war (vgl. MacDonald 1994a, 204). Christliche Sexualnormen sollten durch diese Sanktionsmaßnahmen besonders demütigend angegriffen werden. Davon berichten eine Vielzahl frühchristlicher Autoren: Bereits an der Wende vom 2. zum 3. Jh. bezeugt Tertullian im Apologeticum die besondere Schmach jener Tortur, die es sogar vermag, die Würde frommer und keuscher Christinnen noch stärker herabzusetzen, als die Todesstrafe selbst (Tert. apol. 50). Auch das wohl gegen Ende des 3. Jh. verfasste Martyrium Pionii, dessen erzählte Welt das Martyrium des Presbyters Pionius aus Smyrna im Zuge der decischen Verfolgung widerspiegelt (MartPionii 2,1), berichtet ebenso von dieser Sanktionsmaßnahme. Der Christin Sabina wird im 7. Kapitel angedroht, dass sie, insofern sie den Götzenopferdienst verweigert, genau das zu erleiden hat, was sie fürchtet, nämlich zur Prostitution gezwungen zu werden (MartPionii 7,5). Etwas entfernter erwähnt Eusebius von Cäsarea in seiner Kirchengeschichte eine verwandte Strafmaßnahme bei der Schilderung des Martyriums der Potamiäna und ihrer Mutter. Potamiäna ist in ihrer Person als besonders rein und keusch beschrieben, weswegen ihr angedroht wird, jene Virginität zur Demütigung und Folter von Gladiatoren schänden zu lassen (Eus. h.e. 6,5).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Ein Motiv, das in vielen Schriften der Spätantike in mehr oder weniger starker Ausprägung begegnet, ist die Verschleppung und Verbannung junger Mädchen in ein Bor814

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dell (vgl. Adamik 2000b, 41). Dabei gelingt es der Verschleppten stets, auf irgendeine Art das äußerst kostbare Gut ihrer Unschuld zu bewahren. Bereits in den Kontroversen Senecas des Älteren wird von einer Priesterin berichtet, die von Piraten entführt und als Prostituierte verkauft wurde. Sie tötete einen Soldaten, der Hand an sie legen wollte. Ein Gericht sprach sie daraufhin frei und sandte sie zurück zu ihrer Familie. Ebenso ist in der Hist. Apoll. 33-35 ein ähnlicher Erzählstrang enthalten. Die Tochter des Apollonius wurde in ein Bordell verschleppt und konnte darin ihre Unschuld bewahren. Sie rührte ihre Freier zu Tränen, indem sie ihre ergreifende Lebensgeschichte erzählte (vgl. a.a.O., 42). Die deutlichste Parallele zu ActAndr(Greg) 23 bietet aber wohl das Martyrium der Agape, Irene und Chione: Irene wird, nachdem Agape und Chione das Martyrium erlitten haben, noch einmal dem Präfekten vorgeführt. Sie lehnt sein Gnadenangebot, das mit Götzendienst verbunden wäre, ab und wird daraufhin verurteilt, nackt ins Bordell gestellt zu werden (MartAgap 5). Dort erfährt ihre Reinheit einen besonderen Schutz von der Gnade des Heiligen Geistes und kein Mann kann sie beflecken (MartAgap 6). Jenes weitverbreitete Motiv prägt ebenfalls die erzählte Welt von ActAndr(Greg) 23, wobei hier die christliche Protagonistin durch die magische Schutzwirkung eines Evangelienbüchleins in ihrer Unschuld bewahrt wird. Unabhängig vom Evangelienbüchlein wurden nach Speyer Büchern in sehr vielen antiken Kulturen zugeschreiben (vgl. Speyer 1995, 31-55). Nach der Meinung Prieurs ist jenes Bild in ActAndr(Greg) 23, das sowohl die Entführung der Protagonistin ins Bordell überlagert, als auch in ActAndr(Greg) 28 erscheint, anachronistisch und muss entweder von Gregor selbst oder einem späteren Übersetzer stammen (vgl. Prieur 1989, 622). Seiner Auffassung nach sei eine solche Praxis, Evangelienbücher als Talisman zu benutzen, für die Zeit der Acta Andreae eindeutig nicht belegbar. Dagegen wenden sich sowohl Bremmer als auch Adamik, deren Argumentationen komplementär aufgefasst werden können. Adamik sieht in der Schutzwirkung des Büchleins einen hagiographischen Topos. Die Präsenz des Heiligen verursacht ein Zurückschrecken (vgl. Adamik 2000b, 43). Bremmer deutet das Buch als ein magisches Objekt mit jüdischem Hintergrund. Im Judentum der Spätantike war es gebräuchlich, kleine Torarollen als Talisman zu verwenden. Bremmer verweist hier auch auf Hieronymus, der diese Praxis zwar ablehnt, sie aber dennoch als eine Form christlichen Aberglaubens vor allem bei abergläubischen Frauen kennt (vgl. Bremmer 2000b, 23). Ein weiteres gängiges Motiv in den Andreasakten sind Dämonenerscheinungen im Zusammenhang von Badeszenen. Dämonenerscheinungen sind zwar ein sehr weitverbreitetes Motiv (z.B. Tob 3), jedoch hat sich in der Spätantike die Badeanstalt als ein beliebter Ort dafür herauskristallisiert. In drei Wundererzählungen der Epitopme Gregors von Tours wird davon berichtet, wie Dämonen ihr unreines Werk in Bädern verrichten (ActAndr[Greg] 5; 23; 27). Dies ist eine Tradition, die in der Spätantike weitverbreitet war (vgl. Bonner 1932, 203). Bereits Tertullian bemerkt die Affinität unreiner Geister zum Element Wasser. Badeanstalten werden dabei extra erwähnt (Tert. bapt. 5). Auch im Testament des Salomos, einer Schrift aus dem 4. Jh., werden Dämonenerscheinungen mit Badeanstalten in Verbindung gebracht. 815

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Gleiches gilt für Eunapius von Sardes, der in der Biographie des Porphyrios erwähnt, dass jener eine Sorte von Dämonen aus einem Bad vertrieben hat (vgl. Bonner 1932, 205f.). Vor allem aber in den Johannesakten des Pseudo-Prochorus, einem Text aus dem 5. Jh., sind Dämonenerscheinungen im Zusammenhang mit Badeanstalten ein markantes Motiv. Die Badeanstalt des Dioscorides, bei dem Johannes und sein Schüler Prochorus arbeiten, ist von einem Dämon befallen, der dreimal im Jahr nach einem Opfer sühnt. Auch der Sohn des Besitzers wird vom Dämon getötet, jedoch anschließend wiederbelebt (vgl. Zahn 1880, 24f.). Dieses Motiv erscheint bei Pseudo-Prochorus noch einmal. Johannes belebt bei seinem Aufenthalt auf der Insel Patmos den Sohn eines Priesters wieder, der von einem Dämon bei einem Bad erdrosselt wurde (vgl. a.a.O., 122f.). Einen ganz anderen Weg betritt allerdings MacDonald, der in den Andreasakten ein christliches Kontrastbild zu Motiven aus der griechischen Mythologie und insbesondere Homer zu erkennen glaubt. Die literarische Figur des Lesbius und sein sexuelles Desinteresse an seiner Frau sind nach MacDonald ein Abbild von Dionysus und Aphrodite, die eine sexuelle Beziehung zu Adonis eingeht, den er in der Person des Zuhälters zu erkennen glaubt (vgl. MacDonald 1994a, 180). Darüber hinaus parallelisiert er die Bordellszene mit dem Mythos um Aphrodite und Atalanta, die ihre Unschuld dadurch bewahren will, dass sie all jene, die um sie werben, vorerst zu einem Wettlauf auffordert und nur durch eine List der Aphrodite geschlagen werden kann (vgl. a.a.O., 181). Auch wenn die Überlegungen von MacDonald teilweise schlüssig sein mögen, treffen sie für ActAndr(Greg) 23 nur marginal zu.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Nach der Meinung von Prieur und Bremmer sind in der Theologie von ActAndr(Greg) sehr viele gnostische Züge zu erkennen. Beide stützten sich dabei auf die ablehnende Haltung gegenüber Körperlichkeit und Fleischlichkeit, die sich besonders in der krassen Geringschätzung der Sexualität zeigt (vgl. Bremmer 2000b, 18). Dagegen wird ein Ideal sexueller Enthaltsamkeit, das enkratitische Züge trägt, geradezu glorifiziert. Ob es sich bei ActAndr(Greg) 23 wirklich um einen gnostischen Text handelt, ist schwer zu sagen, denn Gnosis ist zum einen ein sehr breiter Begriff, zum anderen finden sich außer Leibfeindlichkeit in ActAndr(Greg) 23 keine Anhaltspunkte für eine gnostische Anthropologie und Kosmologie. Worauf der Leser in ActAndr(Greg) 23 hingegen unausweichlich stößt, ist ein Gegenüber zwischen Fleischlichkeit und Keuschheit. Im gesamten Handlungsstrang des Kapitels herrscht eine innere Spannung zwischen dem Archetyp sexueller Enthaltsamkeit und einer sittenlosen Anstößigkeit. Die Keuschheit der Protagonistin erfährt einen besonderen göttlichen Schutz, wohingegen die literarischen Figuren, die Trophime mit dem moralischen Abgründen des Bordells konfrontieren, von Gottes Strafhandlung getroffen werden. Dies wird besonders zugespitzt, da die göttliche Sanktion die beiden Peiniger in einer mehr als doppeldeutigen Badeszene trifft. Umstritten ist le816

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diglich die Frage, wie weit das Keuschheitsideal in ActAndr(Greg) 23 führt. Trägt es wirklich enkratitische Züge? Der lateinische Text ist in diesem Punkt sehr vage. Jene Frage kann für ActAndr(Greg) 23 nur bedingt beantwortet werden, da der Text offen lässt, ob Trophime ihren Mann nur vorübergehend oder doch dauerhaft verlassen hat (vgl. Adamik 2000b, 42). Darüber hinaus vermischt sich in ActAndr(Greg) die deutliche Polemik gegen zügelloses sexuelles Verhalten mit einer Präsentation eines christlichen Ethos (vgl. Roig Lanzillotta 2007, 259). Das rechte Verhalten als Christ basiert auf Barmherzigkeit, Reue und Verzeihung, die sich aus der innigen Gottesbeziehung selbst ergeben. Jener Grundtenor spiegelt sich sowohl in dem Tadel wider, den Lesbius aufgrund seiner Hartherzigkeit erhält, als auch in der Gesinnung der Protagonistin, die keine Rache möchte, sondern stattdessen Gott dankt und ihrer einstigen Unterdrückerin vergibt. Diese Punkte tragen allesamt dazu bei, dass die Figur der Lesbius vertieft in seinem neugewonnenen Glauben eingeführt wird. Deswegen wäre es verkürzt, die Szene rein auf die Auferweckungsszene und die damit verbundene Konversion zu beschränken, ohne dabei die lehrhafte ethische und moralische Weisung des Kapitels zu berücksichtigen. Trotzdem kann und muss die Auferweckungsszene von ActAndr(Greg) 23 durchaus in ihrer Funktion als Wunder gesehen werden, Menschen zum Glauben zu bekehren (vgl. Pao 1999, 268). Deswegen ist die Bitte des Apostels um Auferweckung mit einer Form der Erkenntnisformel verbunden und die Frau des Prokonsuls wird nach ihrer Auferweckung und Bekehrung explizit bei ihrem Namen Calisto genannt. Dieses Programm setzt sich in der anschließenden Szene der Auferweckung der 1 + 39 Toten fort. Michael Sommer

Literatur zum Weiterlesen T. Adamik, Eroticism in the Liber de miraculis beati Andreae apostoli of Gregory of Tours, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000b, 35-46. С. Bonner, Demons of the Bath, in: S. R. K. Glanville (Hg.), Studies presented to F. Ll. Griffith, London 1932, 203-208. J. N. Bremmer, Man, Magic, and Martyrdom in the Acts of Andrew, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000b, 15-34. D. R. MacDonald, The Acts of Andrew and the Acts of Andrew and Matthias in the City of the Cannibals, SBL.TT 33, Atlanta 1990a. D. W. Pao, Physical and Spiritual Restoration. The Role of Healing Miracles in the Acts of Andrew, in: F. Bovon/A. Brock/C. R. Matthews (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles, Cambridge 1999, 259-280. L. Roig Lanzillotta, Acta Andreae Apocrypha. A New Perspective on the Nature, Intention and Significance of the Primitive Text, Cahiers D’Orientalisme 26, Genève 2007.

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Totenerweckungen als Mittel zum Zweck (Die Auferweckung von 1 + 39 Toten) ActAndr(Greg) 24 (24,1) Nach dem Spaziergang setzte er sich hin, und alle, die bei ihm waren, setzten sich an den Strand, um das Wort Gottes zu hören. Plötzlich wurde eine Leiche vom Meer angeschwemmt und landete vor den Füßen des Apostels am Ufer. Da lobte der heilige Apostel Andreas Gott und sagte: »Er muss auferweckt werden, damit wir erfahren, wie der Feind in ihm gewirkt hat.« Und nachdem er gebetet hatte, nahm er die Hand des Toten, richtete ihn auf, und sofort wurde er wieder lebendig und begann zu sprechen. Da er nackt war, gab er ihm eine Tunika und sagte: »Erzähl uns der Reihe nach, was geschehen ist; leg uns alles dar, was dir widerfahren ist.« (2) Er antwortete: »Ich werde dir nichts verheimlichen, wer auch immer du bist. Ich bin der Sohn des Sostratus, ein Bürger Mazedoniens. Neulich bin ich von Italien zurückgekommen. Aber als ich wieder zu Hause war, habe ich von einer neu aufgekommenen Lehre gehört, von der noch kein Mensch vorher etwas mitbekommen hatte. Ein Lehrer, der versichert, ein Jünger des wahren Gottes zu sein, soll Zeichen, Wunder und große Heilungen gewirkt haben. Als ich das hörte, bemühte ich mich, ihn zu sehen, denn ich hatte nur einen einzigen Gedanken: Gott selbst vollbringt diese Dinge. Aber als ich mit meinen Sklaven und Freunden segelte, kam plötzlich ein großer Sturm auf, die See wurde rau und wir wurden von den Fluten verschlungen. Wären wir nur zusammen [an Land] geschleudert worden, damit auch jene – wie ich – von dir hätten auferweckt werden können.« (3) Und als er das sagte, war er innerlich sehr aufgewühlt und er entschied, dass dieser Mann der Apostel sei, den er suchte. Und er fiel nieder auf seine Knie und sagte: »Ich weiß, du bist ein Diener des wahren Gottes. Ich bitte für die, die mit mir waren, damit auch sie, dank deiner Hilfe, das Leben erhalten und damit sie den wahren Gott kennenlernen, den du predigst.« (4) Da predigte ihm der heilige Apostel, voll des Heiligen Geistes, ausführlich das Wort Gottes, so sehr, dass der junge Mann seine Lehre bewunderte. Und er streckte die Hände aus und sagte: »Ich bitte dich, Herr, bring auch den Rest der Leichen hervor, damit auch sie erkennen, dass du der wahre und einzige Gott bist.« (5) Sobald er das gesagt hatte, erschienen sofort 39 Leichen am Strand, angeschwemmt von einer hilfsbereiten Welle. Da weinte der junge Mann, und alle fingen an, mit ihm zu weinen, warfen sich vor den Füßen des Apostels auf die Knie und baten ihn, auch diese aufzuerwecken. An seiner Seite sagte Philopater (denn so hieß der junge Mann): »Mein Vater hat mich in bester Ab818

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sicht mit allen Dingen ausgestattet, die nötig sind, er hat mir viel Geld gegeben und mich hierher geschickt. Nun aber, wenn er hört, was mir widerfahren ist, könnte er deinen Gott lästern und seine Lehre verwerfen. Hoffentlich geschieht das nicht!« (6) Da alle weinten, bat der Apostel darum, die Körper zusammen zu sammeln, denn sie waren hierhin und dorthin geschleudert worden. Als alle eingesammelt waren, fragte der Apostel: »Wen soll ich zuerst auferwecken?« (7) Darauf antwortete er: »Warus, meinen Freund von Kindesbeinen an.« (8) Da kniete Andreas sich nieder auf die Erde, streckte die Hände zum Himmel und betete sehr lange, wobei er unter Tränen sagte: »Guter Jesus, erwecke diesen Toten, der mit Philopater aufgezogen wurde, damit er deine Ehre erkennt, auf dass dein Name groß werde unter den Völkern.« Und sofort stand der junge Mann auf, und alle Anwesenden staunten. (9) Dann bat der Apostel für jeden Einzelnen und sagte: »Herr Jesus, ich bitte dich darum, dass diese hier, die aus den Tiefen des Meeres zurückgeholt sind, auch auferstehen.« Dann befahl er den Brüdern, je einen Toten zu halten und zu sagen: »Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, erweckt dich wieder zum Leben!« Als sie das getan hatten, wurden die 38 wieder lebendig, und alle Anwesenden priesen Gott und sagten: »Keiner ist dir auch nur ähnlich, Herr!« (10) Lesbius brachte Philopater viele Geschenke und sagte: »Sei nicht traurig, dass du deinen Besitz verloren hast und verlasse nicht den Diener Gottes.« Und er blieb immer beim Apostel und hörte aufmerksam auf alles, was er sagte. Die Nummerierung richtet sich nach den Textabschnitten von MacDonald 1990a, 289-295.

Sprachlich-narratologische Analyse Die ausführliche Wundergeschichte erzählt von der Auferweckung von 40 Toten in drei Etappen (Philopater/Warus/die Übrigen 38). Vor jeder Auferweckung betet Andreas zu Gott oder Jesus Christus und gibt an, warum die jeweilige(n) Persone(n) auferweckt werden sollen. Die Erzählung, die durch ihren hohen Anteil an direkter Rede und durch die hohe Emotionalität insbesondere von Philopater sehr lebendig wirkt, setzt mit einer situativen Beschreibung ein: Andreas und diejenigen, die bei ihm sind, setzen sich an den Strand, um das Wort Gottes zu hören. Unmittelbar davor wird erzählt, dass sich Lesbius Andreas anschließt und mit ihm zum Strand geht. Dort sind dann noch weitere Männer anwesend, die zu Andreas gehören. Die ruhige Atmosphäre am Strand wird durch eine angeschwemmte Leiche jäh zerstört. Im voraufgehenden Kapitel war gerade von einer Totenerweckung die Rede. Den Lesenden ist also klar: Andreas kann und wird den Toten auferwecken. Überraschend ist allerdings die Begründung, die der Apostel dafür gibt: Der Tote muss auferweckt werden, damit er erzählen kann, was »der Feind« ihm angetan hat. Bereits hier ist deutlich: Die 819

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Erzählung wird mit der Schilderung der Auferweckung nicht zu Ende sein, sondern die Auferweckung ist ›nur‹ die Voraussetzung für das eigentlich Wichtige, nämlich – hier – den Bericht des Auferweckten. Sehr knapp wird nun geschildert, wie Andreas betet und den Toten auferweckt. Der Auferweckte erzählt ausführlich, was er erlebt hat (ActAndr[Greg] 24,1b2). Sein Bericht eröffnet einen neuen Spannungsbogen: 39 weitere Männer haben dasselbe Schicksal erlitten wie er. Philopater wird sich bewusst, wen er vor sich hat, und bittet Andreas darum, auch die anderen aufzuerwecken. Dabei geht es nicht nur darum, dass diese das Leben wiedererhalten, sondern v.a. darum, dass die 39 den wahren Gott kennenlernen (ActAndr[Greg] 24,3). Andreas lässt sich auf die Bitte ein (ActAndr[Greg] 24,4). Die angeschwemmten Leichen lösen allerdings zuerst Trauer bei den Anwesenden aus. Bevor es zur Auferweckung kommt, wird ein weiterer Spannungsbogen eröffnet: Philopater erzählt von seinem Vater, der ihn materiell gut ausgestattet hat. Der Verlust der materiellen Güter, den Philopater erlitten hat, könnte seinen Vater dazu veranlassen, Gott zu lästern (ActAndr[Greg] 24,5). Hier bricht die Frage auf, welchen Stellenwert materielle Güter haben. Sie wird am Ende des Kapitels aufgegriffen (ActAndr[Greg] 24,10). Andreas erweckt auf Wunsch des Philopater (ActAndr[Greg] 24,7) zunächst Warus zum Leben. Wiederum beginnt die Auferweckung mit einem Gebet des Apostels, in diesem Fall zu Jesus, in dem Andreas angibt, warum die Auferweckung sinnvoll ist: »auf dass dein Name groß werde unter den Völkern« (ActAndr[Greg] 24,8). Die Auferweckung wird wiederum sehr knapp erzählt. Sie bewirkt das Staunen der Anwesenden. Anschließend bittet Andreas Jesus Christus um die Auferweckung der übrigen 38. Diejenigen, die bei Andreas sind, werden in diese Auferweckung aktiv miteinbezogen (ActAndr[Greg] 24,9). Der eigentlich Handelnde ist aber Jesus Christus. Zum Schluss geht es um die Frage, welche Bedeutung der Verlust des materiellen Besitzes für Philopater hat. Zwei Aspekte sind hier bedeutsam: Einerseits erhält Philopater Geschenke, die den materiellen Verlust zumindest ansatzweise ausgleichen. Andererseits wird betont, dass der Verlust kein Grund zur Trauer sei. Es gehe vielmehr darum, Andreas nicht zu verlassen. Die Wundererzählung schließt mit der Feststellung, dass Philopater tatsächlich immer beim Apostel bleibt (ActAndr[Greg] 24,10). Die herausragende handelnde Figur in dieser Erzählung ist Andreas. Die anderen Personen – Philopater, Warus, die 38 Toten und die Männer, die bei Andreas sind – handeln auf Geheiß des Apostels. Eine Ausnahme bildet die Bitte des Philopater, doch auch die 39 aufzuerwecken (ActAndr[Greg] 24,3). Erst in der Schlussszene verändert sich die Figurenkonstellation: Lesbius, den Andreas auf seiner Reise bekehrt hat (ActAndr[Greg] 24,22), tritt auf und spricht zu Philopater. Andreas ist hier die Person, über die gesprochen wird. Die wiederholten Gebete des Andreas betonen, dass die Auferweckungen eigentlich durch Gott und Jesus Christus gewirkt werden.

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Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Reisen mit dem Schiff, materielle Ausstattung, Sklaven: Philopater stammt ganz offensichtlich aus einer begüterten Familie. Er reist mit Sklaven und Freunden und weist selbst darauf hin, dass sein Vater ihn materiell gut ausgestattet habe. Insofern bedeutet der Verlust des Schiffes für ihn eine einschneidende soziale Veränderung. Philopater weist darauf hin, dass sein Vater an keinen Gott glauben könnte, der einen solchen Verlust zulässt. Er selbst aber bleibt bei Andreas, nachdem er von Lesbius immerhin mit einigen Geschenken bedacht worden ist. Der Statusunterschied zwischen Freunden und Sklaven spielt in der Erzählung keine Rolle.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Neutestamentliche Tradition: Andreas ist nach neutestamentlicher Tradition der Bruder von Petrus und wie er Fischer (Mk 1,16-20). Zusammen mit Philippus führt Andreas Griechen zu Jesus (Joh 12,20-22). Diese neutestamentliche Tradition dient als Anknüpfungspunkt für die Erzählungen über Andreas. In unserem Text betet Andreas jeweils, bevor er seine Wunderhandlung vollzieht. In Apg 1,13 gehört Andreas zu den Aposteln, die nach der Himmelfahrt Jesu in Jerusalem mit den Frauen und Jesu Brüdern im Gebet verharren. Dualismus: Der Dualismus von Körper und Seele »was part of the cultural koine of late antiquity itself« (Gager 1982, 356). Er prägt auch die Andreasakten. Für unseren Zusammenhang ist eine Szene aus dem 16. Kapitel interessant, in dem Nikolaus Andreas um die Heilung seiner Tochter bittet. Dafür will er ihm eine goldene Kutsche mit vier Maultieren und vier Pferden schenken. Andreas antwortet: Ich nehme gerne Geschenke von dir an, Nikolaus, aber nicht diese sichtbaren. […] Folgendes wünsche ich mir von dir: dass dein inneres Selbst den wahren Gott erkennt, der es gemacht und alles geschaffen hat; dass es das Irdische zurückweist und sich nach dem Ewigen sehnt; dass es das Flüchtige vernachlässigt und das Immerwährende liebt; dass es das Sichtbare verleugnet und seine spirituelle Aufmerksamkeit, in der Kontemplation, dem Unsichtbaren zuwendet (ActAndr[Greg]).

Die Seele, das innere Selbst, das Ewige, Immerwährende und Unsichtbare werden hochgeschätzt, das Sichtbare, Irdische, Vergängliche verliert an Bedeutung. Für die Seele ist es erstrebenswert, den Körper wieder zu verlassen (Prieur 1988, 4395). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Bedeutung die Totenerweckungen im Kontext der Andreasakten überhaupt haben können (s.u.). Denn sie sind nur von vorübergehender Wirkung (die Wiedererweckten bleiben sterblich), sie betreffen den Körper und sind sichtbar. Der Ausschnitt aus Kapitel 16 beleuchtet einen weiteren Aspekt unserer Erzählung, der vor dem Hintergrund eines – weit verstandenen – Dualismus zu diskutieren ist. Andreas lehnt die »sichtbaren Geschenke«, die Nikolaus ihm anbietet, damit er eine Wunderheilung vollzieht, ab. Philopater hingegen nimmt die Ge821

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schenke des Lesbius nach erfolgter Wiedererweckung offenbar an. Lesbius kommentiert seine Geschenkübergabe mit den Worten, dass Philopater nicht traurig sein solle über den Verlust seiner materiellen Güter. Dieser Kommentar legt nahe, dass es sich bei den Geschenken um materielle Güter handelt. Für die Annahme dieser Geschenke wird Philopater nicht gerügt. Anders als in Kapitel 16 haben wir hier also keine schroffe Gegenüberstellung von materiellen und spirituellen Gütern, sondern eine moderatere Abwägung. Die höchste Wertigkeit hat die Nachfolge. Es wäre töricht, aufgrund des erlittenen Schicksals an Gott, Jesus Christus und der Lehre zu zweifeln. Der Verlust des materiellen Besitzes ist auch kein Grund zur Traurigkeit – und doch schafft Lesbius einen gewissen materiellen Ausgleich, der nicht verurteilt wird. Homerische Parallelen: MacDonald vertritt die These, dass die Andreasakten nicht auf einer mündlichen Tradition zu dem Apostel Andreas beruhen. Der Autor konzipiere mit den Andreasakten einen Gegenentwurf zu Motiven Homers, wie sie insbesondere in der Odyssee auftauchen (1986, 20). MacDonald deutet die Andreasakten geradezu als eine Christianisierung von Homer. »By means of … contrastive characterization, the AA [Acts of Andrew] replaces the ethically questionable traits of Homeric heroes with Christian virtues« (1990a, 55). Philopater tritt als treuer Freund auf, der materiellen Gütern nur einen begrenzten Wert beimisst und sich in die Nachfolge begibt. In unserem Text zieht MacDonald zunächst Parallelen zwischen Odysseus und Philopater. »Philopater« bedeutet »der seinen Vater liebt« – so wie Odysseus seinen Vater Laertes liebte. Die Abschnitte 1 und 2 der Erzählung rückt MacDonald in die Nähe der Bücher 5 und 6 der Odyssee: Homer erzählt, dass Poseidon einen Sturm entfesselt, um Odysseus von seinem Boot zu werfen. Athena rettet Odysseus, indem sie den Sturm stillt. Odysseus erreicht nackt das Ufer und trifft dort auf Prinzessin Nausikaa. Er erzählt ihr, dass ihn ein Dämon ins Wasser geworfen habe, und bittet um Kleidung. Die Prinzessin nimmt Odysseus mit zu ihren Eltern und er stellt sich ihnen vor. Bei dieser Vorstellung sieht MacDonald Parallelen zum Bericht des Philopater (1994a, 182). In den Kapiteln 9-12 der Odyssee wird dann u.a. erzählt, wie die Schiffsgefährten von Odysseus im Meer umkommen. Und wie Philopater wird Odysseus nach seinem Schiffbruch reich beschenkt (Hom. Od. 13,1-15). Andere Züge der Erzählung weisen nach Meinung von MacDonald auf eine Parallelisierung von Philopater und Orestes. So deutet MacDonald den Namen »Warus« als Abwandlung des lateinischen »Verus« (wahr): »I suggest that Philopater and Verus are Orestes and his ever-faithful foster brother, Pylades, truer than a biological brother« (1994a, 183). Orestes rächte den Mord an seinem Vater und wurde so zum »Vater-Lieber« (Philopater; vgl. Eurip. Or. 1605). Orestes und Verus erlitten fast Schiffbruch, bis Athena eingriff und den Sturm stillte (Eurip. Iph. T. 1379-1474).

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Verstehensangebote und Deutungshorizonte Theologische Deutung vor dem Hintergrund des Dualismus: Die Funktion der Totenerweckungen im Kontext der Andreasakten erschließt sich anhand der expliziten Zweckbestimmungen, die mit dem Ereignis des Wieder-lebendig-Werdens nur mittelbar etwas zu tun haben. In unserem Text ist die Vorstellung zentral, dass die Totenerweckungen Glauben an Gott und Jesus ermöglichen (vgl. Joh 20,30f.). Der Autor hält explizit fest, »that the purpose of the performance of miracles is to convert the people« (Pao 1999, 268). Schon die Bitte des Philopater, Andreas möge die 39 auch wiedererwecken, gibt Anlass zu einer umfangreichen Predigt, die den Glauben der Anwesenden wecken und stärken kann. Die übrigen 39 erhalten ihr Leben zurück, damit sie Gott kennenlernen und seine Ehre vergrößern. Philopater wird aufgrund des Geschehens zum treuen Diener des Apostels Andreas. Die Wundererzählung stellt insofern ein »instrumental narrative program« dar, in dem »the liquidation of a lack related to health … becomes subordinate to a main [narrative program] describing the liquidation of a lack unrelated to the issue of health« (Kahl 1994, 207). Theologische Deutung in christologischer Perspektive: »La personne d’André est très importante. Elle semble prendre la place du Christ« (Prieur 1988, 4396). Andreas offenbart den Menschen, was wirklich wichtig ist, was sie brauchen und tun können, damit ihre Seele erlöst wird. »The words of the apostle are saving words inviting the audience to flee from the material world and bind itself to the soul of the apostle ›which speeds towards things … beyond body‹ (57)« (Pao 1999, 263). Doch in dieser Funktion bleibt Andreas Christus deutlich untergeordnet. In unserem Text zeigt sich das daran, dass Andreas vor jeder Wiedererweckung zu Gott oder Jesus betet. Es scheint, als müsse er sich jedes Mal erneut ihrer Unterstützung vergewissern oder sie gar jedes Mal erneut einholen (vgl. Mt 14,19; Mk 7,34; Joh 11,41). Andreas ist Mittler und Bittsteller. Das wird bei der Erweckung der 38 besonders deutlich. Hanna Roose

Literatur zum Weiterlesen F. Bovon, Miracles, Magic, and Healing in the Apocryphal Acts of the Apostles, in: ders., Studies in Early Christianity, WUNT 161, Tübingen 2003, 253-266 (zuerst: ders., Miracles, magie et guérison dans les Actes apocryphes des apôtres, JECS 3 [1995], 245-259). J. G. Gager, Body Symbols and Social Reality. Resurrection, Incarnation, and Asceticism in Early Christianity, Religion 12 (1982), 345-364. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart 2005. D. W. Pao, Physical and Spiritual Restoration. The Role of Healing Miracles in the Acts of Andrew, in: F. Bovon/A. Brock/C. R. Matthews (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles, Cambridge 1999, 259-280.

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Geburtswunder der Mätresse des Mörders (Abtreibung des vom Mörder empfangenen Fötus) ActAndr(Greg) 25 (25) Es gab eine Frau namens Kaliope, die mit einem Mörder zusammen gewesen war und illegitim schwanger wurde. Als die Zeit der Geburt gekommen war, verspürte sie tiefe Schmerzen, war aber nicht imstande zu gebären. Sie fragte ihre Schwester: »Ich bitte dich: Gehe und rufe unsere Göttin Diana an, dass sie sich meiner erbarme, denn sie ist für die Tätigkeit der Hebamme zuständig.« Als die Schwester tat, wozu sie beauftragt worden war, trat der Teufel nachts an sie heran und sagte dabei: »Warum rufst du mich vergebens an, da ich dir nicht helfen kann? Du solltest dich an Gottes Apostel, Andreas, in Achaia wenden, er wird sich deiner Schwester erbarmen.« Die Frau stand daraufhin auf, wandte sich an den Apostel und erzählte ihm alle diese Dinge. Und ohne Zögern begab er sich nach Korinth zum Haus der kranken Frau, und der Prokonsul Lesbius war bei ihm. Als der selige Apostel sah, wie die Frau schwere Schmerzen litt, sagte er: »Du leidest mit Recht an diesen unerträgliche Schmerzen, weil du dich schlecht verheiratet hast und von einem Betrüger schwanger geworden bist. Darüber hinaus hast du Dämonen konsultiert, die weder einem Andern noch sich selbst helfen können. Glaubst du nun an Jesus Christus, den Sohn Gottes, dann stoße das Kind aus. Es wird aber tot herauskommen, weil du unwürdig empfangen hast.« Die Frau nahm den Glauben an, und als die Versammelten das Zimmer verlassen hatten, stieß sie eine tote Leibesfrucht aus; auf diese Weise wurde sie von ihren Schmerzen befreit.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Erzählung besteht aus einer Mischung dreier kurzer Dialogszenen und der nachfolgenden narrativen Entfaltung des im Dialog Erzählten. Der Zusammenhang zwischen Wundererzählung vom Geburtswunder der Mätresse des Mörders und den beiden vorangehenden Auferweckungsszenen mit ans Land geschwemmten Körpern (ActAndr[Greg] 24) besteht darin, dass die vorliegende Geschichte zum Zwecke der Vertiefung an die vorangehende Erzählung geknüpft ist: »Denn es gab eine Frau mit dem Name Kaliope«. Die vorausgehende Erzählung schließt mit der Aufforderung Lesbius’ an Philopater: »Lass dich nicht durch den Verlust von Reichtum traurig machen, noch sollst du dich vom Diener Gottes zurückziehen!«, wobei angefügt wird, dass Lesbius dieser Aufforderung nachgekommen ist: »Und er war ständig mit dem Apostel zusammen und verfolgte aufmerksam, was über ihn gesagt wurde« 824

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(ActAndr[Greg] 24). Die Position der lateinischen Konjunktion enim (denn oder nämlich) macht deutlich, dass die neue Geschichte als Entfaltung »aller Dinge, die von ihm ausgesagt wurden« verstanden werden soll. Als solche dient die Erzählung der Funktion, weiter Zeugnis vom Tun und Lassen des Apostels Andreas abzulegen. Kurz und konzis wird der Hintergrund des Wunders dargestellt: Die Frau Kaliope ist mit einem Mörder zusammen gewesen und illegitim schwanger geworden. Die Mangelsituation, die das Wunder überwinden soll, ist ihre Unfähigkeit zu entbinden. Der Text verdeutlicht, dass die heidnischen Götter nur Blendwerk sind, und dass hinter der Göttin Diana der Teufel steht. Der Teufel wird aber schonungslos vorgeführt. Er ist nicht imstande, ihr zu helfen. Stattdessen muss er die Schwester auffordern, sich an den Apostel Gottes in Achaia zu wenden, weil er fähig ist, der Schwester sein Erbarmen zu schenken. Anschließend wird der Dialog mit dem Teufel narrativ entfaltet. Die Schwester wendet sich an Andreas, der ohne Zögern mit ihr von Patras (vgl. ActAndr[Greg] 21) nach Korinth geht und – in narrativer Übereinstimmung mit den Wundererzählungen Jesu – zum Haus der kranken Frau kommt. Es wird – in Verlängerung des Abschlusses von ActAndr(Greg) 24 – wieder hervorgehoben, wie Lesbius, der Prokonsul, Andreas begleitete. Die Darstellung des Wundergeschehens wird damit eingeleitet, dass Andreas den mutlosen und schmerzhaften Zustand der Frau sieht. Er beginnt seine Heilungshandlung mit einer Verurteilung des Lebenswandels der Frau. Vom narrativen Kontext her ist es aber nicht eindeutig ersichtlich, warum er die Frau für ihre schlechte Eheschließung (quae male nupisti) tadelt. Es mag sein, dass die Geschichte ursprünglich länger war und dass Gregor einen originalen Ehebericht aus den Apostelakten für seine Epitome entfernt hat. Es kann aber auch sein, dass diese Erzählung nicht narrativ durchkomponiert ist. Wie dem auch sei: Aus der vorausgehenden Geschichte geht nicht hervor, dass die Frau mit dem Mörder verheiratet war. Stattdessen wird ihre Beziehung zu ihm, wenn auch knapp, als (uneheliche) sexuelle Liaison dargestellt (quae homicidae coniuncta). Andreas stellt in jedem Fall einen Zusammenhang zwischen den Plagen der Frau und ihrem Auftreten her. Sie hat nicht nur »schlecht geheiratet« und von einem Betrüger ein Kind empfangen, sie hat sich auch an Dämonen gewendet, die weder imstande waren, anderen noch sich selbst zu helfen. Deshalb leidet die Mätresse des Mörders zu Recht. Andreas fordert sie auf, sich Jesus Christus zuzuwenden, da dies zur Geburt des Kindes und der Überwindung ihrer Plagen führen wird. Als Strafe für die Frau muss das Kind aber unverschuldet tot entbunden werden. Wieder folgt eine erzählerische Entfaltung des Dialoges. Die Frau ist zum Glauben gekommen und hat in passendem moralischem Zustand das Kind geboren, als die Versammelten das Zimmer verlassen hatten. In Übereinstimmung mit der Vorhersage des Andreas wird erzählt, wie die Frau das Kind ausgestoßen hat und letztlich von ihren Schmerzen befreit wird. Noch ein Wunder ist somit geschehen.

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Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Erzählung vom Geburtswunder der Mätresse des Mörders ist sowohl sozialund realgeschichtlich wie auch traditions-, kultur- und religionsgeschichtlich aus mehreren Gründen interessant. Erstens finden wir allgemeine Motive antiker physiognomischer Vorstellungen. Zweitens zeugt der Text von in der damaligen Welt verbreiteten medizinischen Ideen. Drittens lassen sich die im Text vorherrschenden, antiken dämonologischen Auffassungen erkennen. Viertens enthält die Erzählung den oft zur Gattung der Wundergeschichte gehörigen Kampf (ἀγών agōn) zweier Parteien, mit dem zugleich eine In- und eine Out-group markiert werden. Er spiegelt somit eine grundlegende Identitätskonstruktion der Christusanhänger wieder. Zu guter Letzt reflektiert der Text Vorstellungen von göttlicher Anrufung, die oft in Zusammenhang mit antiken Heilungstexten auftreten. Wenden wir uns aber erst an den sozial- und realgeschichtlichen Hintergrund des Textes. Mit Blick auf den ersten Punkt kann schon der Name der Frau symbolisch verstanden werden. Obwohl er in der weiteren Erzählung keine Rolle spielt, ist es nicht destoweniger der Name einer der neun Musen und bedeutet ›die mit der schönen Stimme‹. Wenn diese symbolische Deutung richtig ist, heißt es, dass die Frau wegen ihrer physiognomischen Kennzeichen gewissermaßen selbst schuld an ihrem Problem ist: Sie lockt mit ihrer Stimme die Männer an (zur Bedeutung der Stimme in der antiken Physiognomie, siehe Gleason 1995, 82-102). In der antiken Welt war die Auffassung verbreitet, dass die Charakterzüge einer Person aus ihrem Verhalten (z.B. Tapferkeit, Klugheit, Bescheidenheit) ersehen und aus ihren körperlichen Merkmalen (z.B. Augenfarbe, Kopfform, Bewegungsmuster) abgelesen werden konnten. Eine Reihe von physiognomischen Traktaten ist uns aus der Antike überliefert (vgl. BoysStone 2007); physiognomische Spekulationen sind aber nicht nur auf die Fachliteratur begrenzt. Der Einfluss physiognomischen Denkens spiegelt sich in antiker Kunst (Elsner 2007) wie in allen literarischen Gattungen, sei es in Komödien, Tragödien, Poesie usw. In einer Welt, wo der kulturelle und soziale Angelpunkt die Zuteilung von Ehre war, wo man sich als freier Mann ständig vor der Gefahr des Ehrverlusts und der Scham hüten musste, und wo man als freie Frau seine Ehrbarkeit im Haus bewahren musste, spielten physiognomische Betrachtungen eine große Rolle. Die Qualen, welche die Mätresse des Mörders leidet, sind also im Verständnis der griechisch-römischen Welt eine Widerspiegelung ihrer Charakterzüge. Mit dem vorangehenden Punkt verknüpft sind die im Text aufscheinenden medizinischen Vorstellungen, die ganz ähnlich wie die physiognomischen Ideen eine breitere kulturelle Basis in der damaligen Welt hatten. In der medizinischen Fachliteratur, die uns aus der griechisch-römischen Antike reichhaltig überliefert ist, gibt es hauptsächlich zwei Vorstellungen vom Vorgang der Empfängnis. In der Hippokratischen Hauptströmung wird Empfängnis als eine Verbindung von männlichem und weiblichem Samen (γονή gonē) verstanden, d. h. dass sowohl die Frau als auch der Mann zur Empfängnis beitragen, während man nach der anderen Perspektive der medizinischen Fachliteratur ausschließlich dem Mann eine Rolle bei der 826

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Empfängnis zuweist (vgl. Dean-Jones 1994, 148-162; King 1998, 134f.). Nach diesem Verständnis bringt die Frau allein rohes Material hervor. Zur Empfängnis kommt es dann dadurch, dass der männliche Samen dieses aktiv bearbeitet. Es ist auf der Basis dieses Textes nicht möglich zu entscheiden, welche der beiden Vorstellungskreise ihm zugrunde liegt. Der Text legt jedoch unverkennbar Wert darauf, dass die Charakterzüge der Eltern an den Fötus vererbt werden und dass ihn darüber hinaus die unziemlichen Umstände der Empfängnis prägen.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Der dritte Punkt, dem wir uns zuwenden, sind die dämonologischen Vorstellungen des Textes. Im Gegensatz zum ursprünglichen Dämonenverständnis der griechischen Welt werden Dämonen in den ersten Jahrhunderten n. Chr. im nicht-christlichen Judentum und insbesonders im frühen Christentum überwiegend als negative Größen verstanden (vgl. Petersen 2003 und Brenk 1986, 2107-2116). Sämtliche Platoniker teilten die Vorstellung, dass der Kosmos von Zwischenwesen bewohnt war. Diese Auffassung wurde vertreten, um den wahren Gott von einem zu tiefen Umgang mit der Welt und somit einer Befleckung durch weltliche Elemente, das heißt die Materie (ὕλη hulē), zu schützen. Schon im Mittelplatonismus (vom Anfang des 1. Jh. v. Chr. bis Ende des 3. Jh. n. Chr.) sieht man ein Aufblühen der Dämonenvorstellungen, die sich nach John Dillon größtenteils in zwei Richtungen bewegen. Die eine, mit Apuleius (123-ca. 170 n. Chr.) und Plutarch (45-125 n. Chr.) verbundene Dämonentheorie beruht auf einer dynamische Auffassung. Nach diesem Verständnis sind die Dämonen die Seelen der Verstorbenen, die entweder auf den Weg zur Reinigung und dadurch zur Vergöttlichung in der Sphäre der Sonne sind, oder die umgekehrt in negativer Weise auf dem Weg zur Erniedrigung und dadurch zur Verkörperung und zum Zusammenschmelzen mit den irdischen Elementen sind. Diese Auffassung, die unter anderen von Xenokrates (396-314 v. Chr.) verfochten wurde, ist an ein statisches Verständnis gebunden. Nach dieser Deutung sind die Dämonen himmlische Körper im Kosmos (Dillon 1996, 46f.). Obwohl unser Text sicherlich auch von solchen Vorstellungen in oberflächlicher und verwässerter Form als Teil einer Gemeinsprache der antiken mediterranen Welt beeinflusst ist, sind die spezifischeren Dämonenvorstellungen, die der Erzählung zugrunde liegen, viel enger an die Vorstellungswelt des frühen Judentums (d.h. nicht jener der jüdisch-platonischen Tradition wie z.B. Philo von Alexandria, 15/10 v. Chr.-40 n. Chr.) und des frühen Christentums gebunden. Diesen Beobachtungen zum Trotz ist es schwierig, genau zu beurteilen, welche Dämonologie dem Texte zugrunde liegt, da es – nicht außergewöhnlich in christlicher Literatur – Überschneidungen zwischen Populärdämonologie und christlichem Verständnis vom Teufel gibt. Schon christliche Apologeten hatten die Meinung vertreten, dass die Götter der griechisch-römischen Welt mit Dämonen identisch waren (z.B. Iust. 1 apol. 5; Tat. orat. 8f.; 22; Athen. Supplic. 26; Clem. Al. protr. 2,41,1-4), aber nur in ganz seltenen Fälle werden Dämonen 827

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mit dem Teufel identifiziert (z.B. Tert. apol. 36). Die Begegnung mit dem Teufel wird von Andreas als Konsultation von Dämonen durch die Frau gedeutet. Wie dem auch sei: Die Dämonen werden im Text als feindliche Mächte verstanden, die in die Welt der Menschen eingreifen und sie verändern können. Gleichzeitig hebt der Text hervor, dass die Dämonen in Gestalt des Teufels nicht imstande sind, Kaliope zu helfen. Machtlos muss der Teufel sie an Andreas verweisen. Damit wird offenkundig die Ohnmacht der heidnischen Welt gegenüber der von Christus geleiteten Welt narrativ durchgespielt. Der vierte Punkt ist mit der letzten Bemerkung verknüpft. Ein auch in den Evangelien bezeugtes (z.B. Mk 1,23-28; 3,1-6) Merkmal antiker Wundergeschichten ist, dass in ihnen oft ein Kampf zwischen zwei Hauptantagonisten ausgespielt wird. Dies ist mit dem ideologischen Schema Magie vs. wahrer Gotteskult verbunden, d.h. Magie als nutzloses Wirkungsmittel im Gegensatz zum wirkungsvollen Heilshandeln des Gottesmenschen. Teufel und Andreas stehen im Text einander zwar nicht direkt gegenüber; aber als Leser ist man nie im Zweifel, dass der Text einen Wettkampf zwischen zwei Mächten darstellt. Andreas’ Sieg über die gottesfeindlichen Mächte und Eingeständnis eigener Machtlosigkeit durch den Teufel sind auch eine rhetorisch-narrative Schöpfung christlichen Siegesgefühls über die griechischrömische ›heidnische‹ Welt. Wie andere christliche Texte hatten die ursprünglichen Andreasakten einen bedeutenden Anteil an der christlichen Identitätskonstruktion (vgl. auch Gregors »Epitome«). Der letzte Punkt, den ich beleuchten möchte, ist das Motiv der Anrufung Dianas. Diana ist selbstverständlich eine römisch-lateinische Adaption der ursprünglichen Artemis der griechischsprachigen Andreasakten. Artemis wurde in der klassisch griechischen Religion als Hebamme par excellence verstanden (King 1998, 180f.). Artemis wurde als Schützerin der Kindesgeburt verehrt und unter dem Namen Lyzizōnos (Gürtellöser) von Frauen während der Wehen und bei der Defloration angerufen (z.B. Theocr. 17,60f.; Eurip. Hipp. 166-169; Czachesz zu Apg 19,1117 in diesem Band). Es ist selbstverständlich ironisch gemeint, dass die Schwester Artemis als Göttin der Liebe anrufen soll. Gerade wegen ihres misslungenen Liebesverhältnisses wird die Mätresse des Mörders gestraft. Artemis/Diana ist gerade in dieser Situation als letzte Göttin anzurufen, weil Erlösung für die geplagte Frau in Befreiung vom unheilbringenden Liebesverhältnis und dessen Folgen besteht. Die vorgeschlagene invocatio wird nicht näher beschrieben, aber eine Anrufung findet in der Antike oft vor einer Statue des Gottes oder der Göttin statt.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Geschichte vom Geburtswunder der Mätresse des Mörders mag dem modernen Leser nicht als ein eindeutiges Schauwunder vorkommen. In der Tat ist der Anteil der kontraintuitiven Elemente in technischem Sinne von Pascal Boyer im Vergleich zu anderen Wundergeschichten der Epitome nicht besonders auffällig (Boyer 2001, 828

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54-87; vgl. Petersen zu ActAndrMatt 29-32 in diesem Band und Czachesz 2014). Nichtsdestoweniger gehört auch diese Geschichte zur Untergattung der weiteren Gattung der Wundererzählungen, indem sie kontraintuitive Elemente darstellt, die im Laufe der Geschichte entfaltet, verhandelt und eventuell wie im Fall der invocatio an Diana negiert werden. Diese Elemente tragen außerdem dazu bei, den Zuhörer zu fesseln und anzuregen. Der Aspekt der Kontraintuitivität in der vorliegenden Erzählung ist die nach der Empfängnis ausbleibende Geburt. Intuitiv erwartet man nach Empfängnis eine Geburt. Deren Ausbleiben wird in der Geschichte kausal mit den unmoralischen Umständen der Empfängnis verbunden. Die Erzählung ist aber, was den Aspekt der Kontraintuitivität angeht, ganz raffiniert. Ohne die Worte des Apostels könnte die Erzählung einfach als eine Geschichte von einer Fehlgeburt verstanden werden. Durch die Worte des Andreas werden aber zwei Punkte hervorgehoben. Erstens, dass der Fötus gerade aus moralischen und religiösen Gründen als tot geboren wurde. Zweitens, dass die Strafe für dieses fehlerhafte Verhältnis eng mit dem Aussprechen der Worte des Andreas verbunden ist. Obwohl man im Kontext eines prämodernen Religionstypus wie des frühen Christentums nicht allzu scharfe Unterscheidungskriterien zwischen moralischen und biologischen Domänen zur Verfügung hatte, muss die Erzählung im Zusammenhang mit kontraintuitiven Repräsentationen gedeutet werden. Die Geschichte macht nur dann Sinn, wenn sie in einem kultur- und sozialgeschichtlichen Zusammenhang entstanden ist, wo nicht nur Flüche, sondern auch Gebete an Statuen als wirksame Handlungsinstrumente gedeutet werden konnten (vgl. Petersen zu ActAndrMatt 29-32 in diesem Band). Solche Handlungen sind kontraintuitiv im technischen Sinne von Boyer. Sie enthalten Information, die der Information, die aus den ontologischen Kategorien entspringen, in der einen oder anderen Weise widersprechen, was nicht ausschließt, dass sie zur selben Zeit als vertraulich hervortreten (Boyer 2001, 65). Das Letzte ist eine Frage der Deutungskonventionen mit Blick auf die intendierte Leserschaft. Außer der Erzählung der ausbleibenden Geburt stellt die Geschichte aber zugleich einen Kampf zwischen dämonischen Mächten vor. Die Göttin Diana und die Dämonen in Gestalt des Teufels werden als machtlose Helferfiguren vorgeführt. Sie sind nicht imstande, der Frau zu helfen – und bestätigen dadurch ontologisch intuitive Vorstellungen, dass der Lauf der Welt nicht verändert werden kann, indem man sich an eine Statue wendet. Dazu kommt ein weiteres Element. Obwohl es im intendierten Leserkreis des Textes sicherlich eine Vorstellung gab, dass man sich tatsächlich an Statuen wenden konnte, um dadurch bestimmte Ziele zu erreichen, wird in der Erzählung unterstrichen, dass eine solche Wirkung nicht von superhumanen Akteuren, die im Gegensatz zum wahren Gott und dessen Helfer stehen, erreicht werden könnten. Außerordentliche Wirkungen können nur von Gott und seinem Vermittler erreicht werden. Es verhält sich ganz anders mit dem Apostel Andreas, der die Frau von ihren Plagen zu entlasten vermag. Über das Wunder hinaus vermittelt die Geschichte dem Leser eine plakative moralische Pointe: Frauen, die sich auf sexuelle Beziehungen mit unmoralischen Männern einlassen, werden dafür bestraft. Letztendlich soll die Erzählung die christliche Identität weiter festigen. Wer auf der 829

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Seite Christi steht, hat keinen Grund, gottfeindliche Mächte zu fürchten. Vor dem Apostel müssen sie sich alle geschlagen geben. Anders Klostergaard Petersen

Literatur zum Weiterlesen G. Boys-Stone, Physiognomy and Ancient Psychological Theory, in: S. Swain (Hg.), Seeing the Face. Seeing the Soul. Polemon’s Physiognomy from Classical Antiquity to Medieval Islam, Oxford 2007, 19-124. D. R. MacDonald, The Acts of Andrew and the Acts of Andrew and Matthias in the City of the Cannibals, SBL.TT 33, Atlanta 1990a. A. K. Petersen, The Notion of Demon. Open Questions to a Diffuse Concept, in: A. Lange/H. Lichtenberger/K. F. D. Römheld (Hg.), Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen Literatur im Kontext ihrer Umwelt, Tübingen 2003, 23-41. J.-M. Prieur, Actae Andreae, CChr.SA 5/6, Turnhout 1989.

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Die Austreibung der Dämonen aus dem Haushalt des Antiphanes (Dämonenaustreibung in Megara) ActAndr(Greg) 29 (29) Während er (sc. Andreas) an diesem Ort verweilte, kam Antiphanes, ein Bürger von Megara, auf ihn zu und sagte ihm: »Seliger Andreas, wenn in dir die Güte, die du predigst, in Übereinstimmung mit dem Gebot des Erlösers ist, dann zeige sie jetzt und befreie meinen Haushalt von der Heimsuchung, der er zum Opfer gefallen ist. Denn er ist sehr geplagt.« Der heilige Apostel sagte ihm: »Sag uns, Herr, was dir zugestoßen ist.« Und er antwortete: »Als ich von einer Reise nach Hause zurückkehrte und durch die Tür meines Atriums eintrat, hörte ich die Stimme des Pförtners klagend rufen. Als ich fragte, was für Stimmen das waren, erzählten die Anwesenden, dass er zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn von einem bösen Dämon geplagt werde. Als ich in meinem Haus nach oben ging, sah ich andere junge Sklaven, die mit den Zähnen knirschten, mich angriffen und hysterisch lachten. Als ich an jenen vorbeigegangen war, stieg ich zum oberen Stock auf, wo meine Frau – von ihnen ernsthaft gepeinigt – lag. Sie war so verstört von der Erschöpfung durch den Wahnsinn, dass sie – das Haar viel ihr vor die Augen – mich weder zu sehen noch wiederzuerkennnen vermochte. Ich bitte dich allein darum, nur sie mir wiederherzustellen; um die Übrigen sorge ich mich jedoch nicht.« Von Mitleid bewegt, sagte der heilige Apostel daraufhin: »Vor Gott aber gibt es kein Ansehen der Person. Denn er kam, um alle Verlorenen zu erlösen.« Und der Apostel sagte: »Lasset uns zu seinem Haus gehen.« Als er Lacedaemon verlassen hatte, kam er nach Megara, und sie traten durch die Tür des Hauses, woraufhin alle Dämonen in einstimmiger Heftigkeit schrien: »Heiliger Andreas, warum verfolgst du uns bis hierher? Warum trittst du in ein Haus hinein, das nicht dir gehört? Nimm in Besitz, was dir gehört, aber trachte nicht danach, in jene einzudringen, die uns zugestanden wurden.« Der heilige Apostel aber war über diejenigen sehr überrascht, er stieg zum Schlafzimmer auf, wo die Frau lag. Nachdem er gebetet hatte, nahm er ihre Hand und sagte: »Der Herr Jesus Christus heile dich!« Und sofort stand die Frau von ihrem Bett auf und pries Gott. In gleicher Weise legte er seine Hand auf jeden von ihnen, der von einem Dämon geplagt wurde, und heilte ihn. Danach gewann er Antiphanes und seine Frau als besonders starke Helfer für die Verkündigung des Wortes Gottes.

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Sprachlich-narratologische Analyse Wie so viele andere Wundererzählungen besteht die Geschichte von der Austreibung der Dämonen aus dem Haushalt des Antiphanes aus einer Mischung von Dialogszenen und der nachfolgenden narrativen Entfaltung des im Dialog Erzählten. Die Erzählung knüpft räumlich an die vorangehende Geschichte an, indem sie mit der Bemerkung eingeleitet wird, dass Andreas noch am selben Ort weilte. Dieser Ort ist mit Sparta identisch, was aus der folgenden Geschichte hervorgeht, was aber nicht aus der vorangehenden Erzählung ersichtlich war (vgl. ActAndr[Greg] 28,1). Strukturell besteht die Erzählung aus drei übergeordneten Episoden. Die erste Episode stellt das Problem vor, das in der weiteren Erzählung gelöst wird. Ein Bürger von Megara, Antiphanes, kommt auf Andreas zu und berichtet ihm von der furchtbaren Heimsuchung seines Haushalts. Nachdem Andreas wegen seiner engen Beziehung zu Christus als Helferfigur angerufen worden ist, folgt der weitere Dialog und dabei die nächste Szene der Erzählung, die mit Andreas’ Aufforderung an den Mann, seine Geschichte zu erzählen, eingeleitet wird. Jetzt schildert Antiphanes im Dialog, wie er nach Hause gekommen ist und dessen Haushalt von Dämonen angegriffen vorgefunden hat. Obwohl sowohl der Pförtner und seine Frau und Sohn wie auch andere junge Sklaven von Dämonen besessen sind, sorgt Antiphanes sich ausschließlich um das Heil seiner Frau. Diese im Licht des fehlenden Mitleids für die anderen Besessenen auffällige Berücksichtigung seiner Frau wird im Text stark hervorgehoben: »Um die Übrigen sorge ich mich jedoch nicht«. Der Dialog wird damit fortgesetzt, dass Andreas ihn tadelt, indem er mit Verweis auf Paulus verdeutlicht, dass es vor Gott kein Ansehen der Person gibt, gerade weil Gott in Gestalt Christi in die Welt gekommen ist, um allen Verlorenen Heil zu bringen. Dieser Zurechtweisung zum Trotz fordert Andreas dazu auf, zusammen zum Haus des Antiphanes zu gehen. Die letzte Szene der Erzählung spielt sich im Haus Antiphanes’ in Megara ab. Die Episode besteht aus drei narrativen Elementen: Erstens, der Konfrontation der Dämonen mit dem Gottesmann Andreas, die als eine Kette von Fragen gestaltet ist. Zweitens, der Schilderung der Dämonenaustreibung durch Andreas, die in zwei Etappen erfolgt. Zunächst wird die Frau des Antiphanes geheilt, und danach die übrigen Besessenen. Drittens wird das Endergebnis der Heilung dargestellt. Nachdem Andreas, von Antiphanes begleitet, von Sparta nach Megara gekommen und durch die Tür des Hauses des Antiphanes eingetreten ist, fangen die Dämonen sofort an, ihn herauszufordern. Sie berufen sich auf ihren Besitzanspruch bezüglich des Hauses. Zugleich räumen sie ein, dass sie Andreas untergeordnet und machtlos sind. Andreas aber kommt dem Wunsch des Antiphanes entgegen, indem er in den oberen Stock aufsteigt, wo Antiphanes’ besessene Frau im Schlafzimmer liegt. Er bittet, dass Jesus Christus sie heile. Daran schließt die narrative Entfaltung der ersten Heilungshandlung an. Die Frau steht sofort auf und dankt Gott, der ihr Heilung geschenkt hat. Ohne weiteren Dialog folgt die nächste Heilungsszene, in der Andreas die übrigen Besessenen heilt. Abschließend heißt es, dass Andreas als Ergebnis dieses Wunders Antiphanes und seine Frau »als besonders starke Helfer für die Verkündigung des Wortes Gottes« gewonnen hat. 832

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Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Erzählung von der Dämonenaustreibung ist in mehreren Punkten interessant. Von einer vorgeordneten Perspektive fällt selbstverständlich der Exorzismus besonders ins Auge. Gattungsmäßig korrespondiert die Geschichte mit solchen, die wir insbesondere in den synoptischen Evangelien finden. Die Geschichte ist repräsentativ für einen Exorzismusbericht, der eine Mikrogattung der Makrogattung Wundererzählung darstellt (vgl. Petersen 2009a, 190; ders. 2009b, 388f.). Sie verläuft nach einem kontraktuellen Muster, das der weiteren Kategorie der Basalnarrative angehört (vgl. Greimas 1979b, 244-247). Die Konfiguration des grundlegenden narrativen Programms der Dämonenaustreibungsgeschichte wird von folgenden Elementen bestimmt: (1) Ein Problem wird dargestellt; (2) der vom Problem Betroffene oder zum Umfeld des oder der Betroffenen Gehörende wendet sich an eine Helferfigur in der Hoffnung, dass der Helfer das Problem zu überwinden vermag; (3) vorausgesetzt, dass die Helferfigur damit einverstanden ist, das Problem zu lösen, findet eine kontraktuelle Berufung statt. Die Helferfigur wird zum kontraktuellen Diener des Berufers oder kontraktuellen Herrn; (4) der Helfer tritt als Handlungssubjekt nach der Berufung in die Handlungsphase ein, wo er in Beziehung zum Berufer auf sich gestellt ist und demnach versuchen muss, gestützt auf seine kognitiven (Modalität des Wissens) und pragmatischen (Modalität des Könnens) Kompetenzen, das Problem dem Vertrag entsprechend zu lösen; (5) während dieser Phase sieht sich der kontraktuelle Diener mit Widerstand konfrontiert, der häufig durch narrative Antagonisten wie zum Beispiel Dämonen figurativ thematisiert wird; (6) vorausgesetzt, dass der kontraktuelle Diener imstande ist, den Widerstand zu überwinden und das Problem endgültig zu lösen, findet eine Beurteilung statt, in der der Berufer (der kontraktuelle Herr) das Handeln seines kontraktuellen Dieners beurteilt und belohnt. Das Scheitern des kontraktuellen Dieners auf der anderen Seite das Problem, das hinter der Stiftung des Paktes lag, zu lösen, wird in der Sanktionsphase mit einer Strafe vom kontraktuellen Herrn beurteilt. Manchmal endet die Geschichte mit der Anerkennung des kontraktuellen Dieners von Seiten derer, denen er geholfen hat. Dieses grundlegende, narrative Schema, das die Dämonenaustreibungsgeschichte reflektiert, kann, wie Greimas gezeigt hat, zu einem Paktmuster weiter vereinfacht werden, das aus drei Phasen besteht: (1) der Phase der Berufung, in der der Pakt geschlossen wird; (2) der Handlungsphase, in der der kontraktuelle Diener oder das Handlungssubjekt die Forderungen des Paktes erfüllen muss; (3) und schließlich der Sanktionsphase, in der das Handeln des kontraktuellen Dieners vom kontraktuellen Herrn bewertet wird (Greimas 1979a, 69-71; ders. 1979b, 244-247). In der Dämonenaustreibungsgeschichte des Haushaltes des Antiphanes verläuft die Erzählung nach dem oben dargestellten Paktmuster ab. Die Geschichte wird mit der Darstellung des Problems eingeleitet. Antiphanes erzählt dem Apostel Andreas vom Zustand seines Haushaltes. Daran anschließend findet eine Berufung statt. Andreas wird von Antiphanes berufen, das Problem der Dämonbesessenheit 833

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seiner Frau zu überwinden. Zur selben Zeit weiß der Zuhörer, dass Andreas nicht nur als kontraktueller Diener und Helferfigur in eine Beziehung zu Antiphanes tritt, sondern dass er auch als Berufener eines weiteren Paktes auftritt, nämlich in seiner Rolle als Apostel Gottes oder Christi. Es ist dem Zuhörer des Weiteren klar, dass dieser Pakt dem ersten übergeordnet ist. Letztinstanzlich ist es Gott, der das Handeln seines kontraktuellen Dieners Andreas in der Sanktionsphase bewerten soll. Gleichzeitig ist jedoch auch deutlich, dass die beiden Pakte strukturell nicht miteinander vergleichbar sind. Obwohl Andreas als Helfer von Antiphanes berufen wird, ist Antiphanes völlig von Andreas abhängig, da Andreas derjenige ist, der die Problemlage des Antiphanes zu beseitigen vermag. Im anderen Pakt zwischen Gott und Andreas ist es Andreas, der zeigen muss, dass er imstande ist, dem ihm von Gott zugeordneten Status als Apostel zu entsprechen. Somit sind beide Pakte von asymmetrischer Natur, aber die Asymmetrie der zwei Pakte betrifft Andreas in unterschiedlicher Weise. Im Pakt zwischen Gott und Andreas ist Andreas der untergeordnete Diener, während er im Pakt zwischen Antiphanes und Andreas der Übergeordnete ist, obwohl er von Antiphanes berufen wurde. Zur selben Zeit ist auch klar, dass Andreas’ Überlegenheit über Antiphanes darauf beruht, dass er die Dämonen auszutreiben und dadurch auch seine kontraktuellen Verpflichtungen Gott gegenüber zu erfüllen vermag. Nachdem Andreas die Berufung des Antiphanes auf sich genommen hat, vermittelt Antiphanes ihm in Dialogform das Wissen, das zur Erfüllung des Paktes und der Lösung des darin implizierten Problems notwendig ist. Damit ist die Handlungsphase in der Beziehung zwischen Antiphanes und Andreas eingeleitet. In der Schilderung der Ausführung des Vertrages steht Apostel Andreas durch Dämonen narrativ verkörperten Antagonisten gegenüber. Aufgrund seiner von Gott verliehenen Kraft ist er aber imstande, die Dämonen zu besiegen und dadurch das Problem der Besessenheit der Haushaltsmitglieder zu lösen. Dass Andreas Antiphanes überlegen ist, wird als Abschluss der Erzählung demonstrativ dadurch hervorgehoben, dass Andreas Antiphanes und seine Frau zu Helfern der Verbreitung des Evangeliums beruft. Bei der Darstellung der Begegnung des Antiphanes mit Andreas wird hervorgehoben, dass Antiphanes sich ausschließlich um seine besessene Frau kümmert, obwohl viele andere Angehörige seines Haushaltes ebenfalls an Besessenheit leiden. Warum Antiphanes sich nicht um diese kümmert, wird narrativ nicht expliziert, obwohl es, wie man der Logik der damaligen Welt entsprechend vermuten muss, zu einem ökonomischen Verlust für Antiphanes führen würde, wenn die Sklaven nicht geheilt werden. Dazu kommt noch, dass der Haushalt ohne Pförtner nicht imstande wäre, sich gegen eindringende Personen zu wehren, was in der damaligen Welt als ein ernsthafter Ehrenverlust verstanden werden könnte. Wie dem auch sei: Dass Antiphanes sich ausschließlich um seine Frau sorgt, tadelt Andreas mit einem Hinweis auf Röm 2,11: »Denn Gott richtet ohne Ansehen der Person« (vgl. auch Gal 2,6; Eph 6,9; Kol 3,25). Diese theologisch-moralische Pointe ist kein besonders wichtiger Bestandteil der Austreibungsgeschichte als solcher, weshalb sie auch im Kontext gewis834

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sermaßen beiläufig erzählt wird, aber im Kontext von Gregors »Epitome« wird ihr große Bedeutung zugemessen. In Gregors Entfaltung der Austreibungsgeschichte erscheint sie als wichtige Botschaft: »Vor Gott aber gibt es kein Ansehen der Person. Denn er kam, um alle Verlorenen zu erlösen.« Andreas’ Zurechtweisung von Antiphanes wird durch das Schriftzitat nicht nur zur Pointe der Geschichte aufgewertet, sondern sie erscheint auch als programmatischer Titel und Verweis auf den nachfolgenden Teil der Erzählung. Andreas’ Austreibung der Dämonen und seine nachfolgende Benennung von Antiphanes und seiner Frau »als besonders starke Helfer für die Verkündigung des Wortes Gottes« ist tatsächlich die Erfüllung dessen, was im letzten Teil des Schriftzitates entfaltet wird, nämlich dass Gott gekommen ist, »um alle Verlorenen zu erlösen«. In dieser Weise hat Gregor die Geschichte theologisch stark profiliert.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Wenden wir uns dem aus religionswissenschaftlicher Perspektive interessantesten Aspekt an der Exorzismusgeschichte zu, den dämonologischen Vorstellungen, die dem Text zugrunde liegen. Die Begriffe ›Daimon‹ (δαίμων daimōn) und Dämon sind weder in der Antikenforschung noch in der Religionswissenschaft als analytische Kategorien besonders klar definiert (vgl. Petersen 2003, 24-27; zur Mannigfaltigkeit antiker Vorstellungen siehe Brenk 1986). Es ist schwierig, den Eindruck zu vermeiden, dass der Begriff Dämon selbst dämonisch in dem Sinne ist, dass er sich um ein signifiant flottant handelt, der weder auf der emischen (als Daimon) noch auf der etischen (als Dämon) Ebene analytisch geklärt ist. Ich habe in einer früheren Studie unter dem Einfluss von Lars Albinus’ Dissertation über altgriechische Dämonvorstellungen dafür plädiert, dass der Begriff Daimon – wie er in der griechisch-römischen Wirkungsgeschichte des Begriffes bezeugt ist – eine solche Fülle von Vorstellungen beinhaltet, dass es unmöglich ist, eine inhaltliche Definition der Kategorie zu entwickeln, die der semantischen Versatilität der unterschiedlichen begrifflichen Anwendungen Recht tut (Petersen 2003, 25). Im Gegensatz zu einem inhaltlich bestimmten Gebrauch des Begriffes ergibt es sich, im Anschluss an Albinus’ Pionierarbeit die Möglichkeit eine funktionale Anwendung des Begriffes zu entwickeln, bei der man sich auf die Verwendung des Begriffes konzentriert und dadurch versteht, dass eine bestimmte Benutzung des Begriffes uns erklären kann, warum der Begriff sich in bestimmten Kontexten als eine adäquate Sinnkategorie anbietet. Die Pluralität der Benutzung des Begriffes sowohl in der antiken Welt wie in der modernen Forschung wird auch in einem Beitrag von Jonathan Z. Smith hervorgehoben. Er plädiert dafür, sich klarzumachen, ob die Dämonenvorstellungen eines Textes oder semantischen Systems im Rahmen einer lokativischen oder utopischen Religionsform erscheinen (1978, 438f.), was der traditionellen Unterscheidung von Segens- und Erlösungsreligion entspricht. Im Gegensatz zur lokativischen Religionsform, wo der Dämon als ›out-of-place‹ und der Mensch in der Welt zu Hause 835

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verstanden werden, ist der Mensch im Kontext der utopischen Religion nicht länger in der Welt beheimatet. Der Mensch, der in der utopischen Religionsform nach Erlösung und nach seinem außer der Welt liegenden (deshalb u- und nicht a-topisch) wahren Heim trachtet, kann jedoch von Dämonen besessen werden und braucht deshalb Wundertäter oder Mediatorfiguren, die imstande sind, zwischen ihm und der göttlichen Welt zu vermitteln. Eben dies ist der mentalitäts-, kultur- und religionsgeschichtliche Kontext der Erzählung von der Austreibung der Dämonen aus dem Haushalt des Antiphanes. Wenden wir uns jetzt einzelnen Punkten der Erzählung zu. Wie schon angedeutet, ist die Geschichte nicht nur strukturell, sondern auch inhaltlich anderen Berichten über Exorzismus von Dämonen in der antiken Welt vergleichbar. Es gibt eine Reihe von Überlieferungen in der griechisch-römischen wie auch jüdischchristlichen Literatur, die Austreibungen von Dämonen schildern (siehe Cotter 1999, 75-127). Sie teilen mehrere Motive und narrative Züge, die wir auch in unserer Geschichte wiederfinden. Es ist ein durchgehendes Merkmal antiker Vorstellungen von Dämonen, dass sie insbesondere im Kontext von Krankheit, Tod, Sexualität, Existenzangst aus ökonomischen oder anderen sozialen Gründen, Besitznahme von bestimmten Orten oder Personen, Naturereignissen und Katastrophen etc. auftreten (vgl. Becker 2002, 78), wie es aus den bewahrten Zauberpapyri klar hervorgeht (vgl. z.B. PGM I,1-42; IV,1227-1264; LXXXVIII; LXXXIX). Die Erzählung von der Austreibung der Dämonen aus dem Haushalt des Antiphanes hat aber insbesondere Motive und narrativen Züge mit den Exorzismuserzählungen der synoptischen Evangelien gemeinsam. Das Motiv, dass Dämonen durch die Personen sprechen, von denen sie Besitz ergriffen haben, ist in der antiken Literatur verbreitet (vgl. z.B. Mk 1,23-25; 5,58; Philostr. vit. Ap. 4,20). Der Besessene ist nicht selbst imstande, Konversation zu führen. Oft wird auch hervorgehoben, wie die betroffene Person auch zu anderen üblichen Formen von Selbstkontrolle nicht imstande ist. Daher gehören Nacktheit, fehlende Körperkontrolle und Wahnsinn zu Standardmotiven bei der Schilderung Besessener. In unserer Geschichte sehen wir das Motiv deutlich bei der Schilderung der jungen Sklaven, die mit den Zähnen knirschen, Andreas angreifen und mit hysterischem Lachen auftreten (vgl. Mk 1,26; 9,18-20; ActThom 63), oder am Beispiel der Frau des Antiphanes die »so verstört von der Erschöpfung durch den Wahnsinn [war], dass sie – das Haar viel ihr vor die Augen – weder imstande war, ihren Mann zu sehen, noch ihn wiederzukennen«. Dass die Frau des Antiphanes mit vor die Augen fallendem Haar dargestellt wird, ist im Zusammenhang mit antiken physiognomischen Vorstellungen zu verstehen. In der antiken Welt war die Auffassung verbreitet, dass die Charakterzüge einer Person aus ihrem Verhalten zu ersehen sind und aus ihren körperlichen Merkmalen abgelesen werden können (vgl. BoysStone 2007). In einer Welt, wo der kulturelle und soziale Zielpunkt die Zuteilung von Ehre war, wo man sich als freier Mann ständig vor den Gefahren des Ehrverlusts und der Beschämung hüten musste, und wo eine freie Frau ihre Ehrbarkeit im Haus zu bewahren hatte, spielten physiognomische Betrachtungen eine große Rolle. 836

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Wie sowohl aus der antiken Ikonographie als auch aus der Literatur hervorgeht, galt das aufgesteckte Haar in der Antike als ein Merkmal weiblicher Anständigkeit (vgl. Clem. Al. paid. 3,2 und 11). Die Frau des Antiphanes wird durch ihr fallendes Haar dämonisiert und somit auch als naturhaftes Wesen dargestellt. Das nächste Motiv, das ich beleuchten möchte, kommt im Dialog zwischen Andreas und den Dämonen vor. Sobald Andreas in das Haus des Antiphanes eintritt, beginnen die Dämone Andreas anzusprechen. Sie wissen offenkundig, wer er ist, und reden ihn demnach mit »Heiliger Andreas« an. Es ist ein durchgehendes Motiv antiker Wundergeschichten, dass die Dämonen den Wundertäter nicht allein im Voraus beim Namen kennen, sondern dass sie auch auf ihr Recht pochen, das zu besitzen, dessen sie sich bemächtigt haben (vgl. ActThom 45f.; 75). Dies fungiert als narrative Voraussetzung der Geschichten; durch die Erzählung wird jedoch entfaltet, wie die Dämonen sich in der Konfrontation mit dem Wundertäter diesem geschlagen geben müssen. So heißt es in der Austreibungsgeschichte von den Besessenen im Gebiet von Gadara (Mt 8,28-34), dass die Dämonen sofort zu schreien begannen: »Was haben wir mit dir zu tun, Sohn Gottes? Bist du hergekommen, um uns schon vor der Zeit zu quälen?«, als Jesus an das andere Ufer in das Gebiet von Gadara kommt (8,28; vgl. Mk 1,24; 3,11f.; 5,7; Lk 4,34; ActThom 76). Dementsprechend heißt es in Philostr. vit. Ap. aus der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. im Kontext einer Exorzismusgeschichte eines jungen Mannes, dass sich der Dämon in der Begegnung mit dem Wundertäter Apollonius geschlagen gibt: »Als Apollonios auf ihn (sc. der Dämon) blickte, stieß das Gespenst fürchterlich und bösartig Stimmen aus, wie sie den [in der Hölle] Brennenden und den Gemarterten zu eigen sind, und er schwor, den Jüngling zu verlassen und niemals wieder einen Mensch zu überfallen« (vit. Ap. 4,20). In der Austreibungsgeschichte vom Haushalt des Antiphanes wird dieses Motiv im Vergleich mit anderen Exorzismuserzählungen beträchtlich ausgeweitet. Die Dämonen ergeben sich dem Wundertäter nicht ohne Weiteres, worauf Andreas mit Verwunderung reagiert: »Der heilige Apostel aber war über sie sehr überrascht (admirans)«. Stattdessen verteidigen die Dämonen sehr beharrlich ihren Besitzanspruch auf das Haus des Antiphanes: »Heiliger Andreas, warum verfolgst du uns hierher? Warum trittst du in ein Haus hinein, das nicht dir gehört? Nimm in Besitz, was dir gehört, aber trachte nicht danach, in jene einzudringen, die uns zugestanden wurden.« Wenden wir uns nun dem letzten dämonologischen Motiv der Austreibungsgeschichte, nämlich der Heilungsszene, zu. Es besteht aus drei Elementen: (1) ein Gebet; (2) eine Berührung mit der Hand; (3) und schließlich das Aussprechen eines Heilswortes. Dass ein Gebet im Zusammenhang mit Exorzismus auftritt, kennen wir aus der Entwicklung von christlichen Taufriten. In den Evangelien aber taucht diese Verbindung nicht auf, und in der übrigen frühen christlichen Literatur findet man sie nur selten (vgl. ActThom 48). Die Berührung mit der Hand ist ein im allgemeinen religionsgeschichtlichen Zusammenhang im rituellen Kontext universal verbreitetes Mittel, durch welches entweder superhumane Kraft von einem Kraftträger an eine andere Person überführt oder negative kontaminierende Elemente einer 837

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Person entfernt werden (s.u.). Im vorliegenden Fall sollen wahrscheinlich beide Aspekte zusammenführt werden: Indem Andreas die Hand der Frau des Antiphanes ergreift, überführt er seine göttliche Kraft an sie, und zugleich werden die negativen Kräfte im Form des Dämons aus ihr entfernt. Wir finden die Berührung der Hand im Zusammenhang der Wundergeschichten der Evangelien und der Apostelgeschichte (z.B. in Mk 5,41; 7,33; 8,23 und Apg 3,7); aber im Kontext der Exorzismen Jesu ist es kein besonders verbreitetes Element, da Jesus die Dämonen vorwiegend mit einem Wort austreibt. In der Geschichte von der Heilung des Jungen, der von einem unreinen Geist besessen ist (Mk 9,14-28 parr.) heilt Jesus den Jungen aber mit einer Handberührung, nachdem er dem Geist befohlen hat, ihn zu verlassen (9,27). Gerade diese Erzählung weist, wie wir schon gesehen haben, mehrere Züge auf, die auch im sprachlichen Detail mit der Geschichte von der Austreibung der Dämonen vom Haushalt des Antiphanes vergleichbar sind (vgl. 9,18.26). Als letztes Element kommt das Heilswort in Betracht: »Der Herr Jesus Christus heile dich!« Häufig findet man in Zusammenhang antiker Austreibungsgeschichten, dass der Exorzist im Namen von jemandem, der ihn entweder beauftragt hat oder auf dem seine Weltanschauung beruht, seine Austreibungshandlung ausführt (vgl. Twelftree 1993, 159f.). Im Gegensatz zu den synoptischen Evangelien, wo Jesus die Dämonen in eigenem Auftrag austreibt, ist es selbstverständlich, dass seine Nachfolger dies entweder in seinem Namen oder im Namen Gottes tun. Sie verfügen aufgrund ihres Verhältnisses zu Christus über die Kraft, Dämonen auszutreiben. Dies sieht man z.B. in Apg 16,18 in der Erzählung von Paulus und Silas im Gefängnis (16,16-40, vgl. Apg 9,34; ActThom 75; 77), die eine Austreibungsgeschichte enthält. Paulus treibt einen Wahrsagegeist aus einer jungen Magd mit den folgenden Worten aus: »Ich befehle dir im Namen Jesu Christi: Verlass diese Frau!« Fassen wir die Dämonologie des Textes zusammen, beobachten wir, wie die Erzählung einem – sowohl antiken Wundererzählungen (Gattung) als auch Austreibungsgeschichten (Mikrogattung) gemeinsamen – kontraktuellen Muster entspricht. Wir haben zudem eine Reihe von Motiven und Zügen gefunden, die oft in Zusammenhang antiker Exorzismuserzählungen spezifisch und Darstellungen von Austreibungshandlungen im Allgemeinen auftreten. Es ist überhaupt ein Merkmal antiker Wundergeschichten, dass sie oft als ein Kampf zwischen zwei Hauptantagonisten ausgespielt werden. Es ist auch in den Evangelien bezeugt (z.B. Mk 1,23-28; 3,1-6) und hier wie auch in der späteren christlichen Literatur mit dem ideologischen Paradigma verbunden, in dem Magie als nutzloses Mittel dem wirkungsvollen Heilshandel des Gottesmenschen gegenübergestellt wird. Im Kontext der Austreibungsgeschichte wird dieser Konflikt als ein Kampf zwischen den Dämonen und Andreas dargestellt. Als solcher wiederholt die Erzählung ein vorgegebenes narratives Schema, das wir aus den synoptischen Evangelien, insbesondere dem Markusevangelium kennen. Durch Andreas’ Sieg über die gottesfeindlichen Mächte in Gestalt der Dämonen wird nicht zuletzt rhetorisch-narrativ ein christliches Triumphgefühl über die griechisch-römische, ›heidnische‹ Welt hervorgebracht. Letztere wurde zur Zeit der Abfassung von Gregors »Epitome« von christlicher Seite mit 838

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Dämonen assoziiert. Bereits seit Justin (Mitte des 2. Jh. n. Chr.) war es unter christlichen Apologeten und später Häresiologen üblich, die Götter der griechisch-römischen Welt mit Dämonen gleichzusetzen (vgl. ActAndr[Greg] 25; vgl. hierzu Martin 2010). Wie andere christliche Texte spielten die ursprünglichen Andreasakten eine wichtige Rolle bei der christlichen Identitätskonstruktion. Das sieht man noch an Gregors »Epitome« und ebenso in der Austreibungsgeschichte, wo Andreas’ Sieg über die Dämonen auch als ein Fortschritt für die Verkündigung des Evangeliums dargestellt wird. Diese Beobachtung führt uns zum letzten Punkt dieses Abschnittes, der moralischen und theologischen Pointe der Geschichte.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Wie jede Wundererzählung zeichnet es auch unsere Geschichte aus, dass sie sich auf ein ständiges, pfiffiges und Aufmerksamkeit forderndes Spiel mit intuitiven und kontraintuitiven Erwartungen im spezifischen Sinne von Pascal Boyer einlässt (2001, 51-91). Nach intuitiven Erwartungen wird man weder von Dämonen besessen, noch ist man imstande, sich mit suprahumanen Akteuren wie Dämonen zu unterhalten, und nicht zuletzt wird man nach intuitiven ontologischen Erwartungen nicht durch Gebet und Handauflegung eines Wundertäters geheilt. Sowohl die Deutungen wie die Deutungskategorien, die uns von der antiken Welt unterscheiden, mögen wesenhaft anders sein; aber die Welt als solche und die ontologischen intuitiven Erwartungen, die einer vorkulturellen Ebene gehören, sind eins und haben sich seit der Antike nicht verändert. Die kontraintuitiven Erwartungen und Vorstellungen, die in der Erzählung durchgespielt werden, waren schon in ihrem eigenen historischen Kontext im technischen Sinne von Boyer von kontraintuitiver Natur. Zur selben Zeit aber leben die kontraintuitiven Vorstellungen, wie Boyer gezeigt hat, von intuitiven Erwartungen, die mit grundlegenden ontologischen Domänen verknüpft sind, auf denen sie parasitisch lagern (siehe insbesondere a.a.O., 73-87; 202). Eine solche Deutung kann aber leicht missverstanden werden. Man könnte gegen sie einwenden, dass das, was in einem historischen Kontext oder was unter einem bestimmten sozialen Segment als kontraintuitiv aufgefasst wird, nicht notwendigerweise von allen geteilt wird, das heißt, was unter einigen als kontraintuitiv erfasst wird, von anderen als vereinbar mit intuitiven Erwartungen begriffen wird. Ein solcher Einwand beruht aber auf einem Missverständnis. Boyer meint mit Kontraintuitivität nicht etwas, was merkwürdig, unerklärlich, außerordentlich oder notwendigerweise sogar überraschend ist. Zum Beispiel kann man sich ohne Weiteres einen kultur- und sozialhistorischen Zusammenhang vorstellen, in dem Gebete an Statuen gewöhnlich waren (vgl. Petersen zu ActAndrMatt 29-32 in diesem Band). Das macht aber weder den Begriff der Kontraintuitivität überflüssig noch unbrauchbar. Kontraintuitivität heißt in diesem Zusammenhang ausschließlich Information, die der Information, die aus der ontologischen Domäne entspringt, in der einen oder anderen Weise widersprechen (Boyer 2001, 65). 839

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Die Heilung durch die Handberührung des Andreas kommt selbstverständlich besonders in Betracht. Auch hierzu gibt es eine bedeutsame kognitive Erklärung. Jesper Sørensen hat in seinem Buch über Magie diesen umstrittenen Begriff theoretisch und analytisch zu revitalisieren versucht, weil wir in der Forschung – auch bei denjenigen, die die Kategorie abschaffen möchten – notwendigerweise einen Begriff für die Wirkmächtigkeit von Ritualen (ritual efficacy) benötigen. Sørensen zeigt in Verlängerung von Gilles Fauconniers Metaphertheorie, wie magische oder rituelle Vorstellungen von Wirkung nach allgemeinen metaphorischen Grundsätzen verlaufen (Sørensen 2007, 63-139). Im Kontext des Rituals oder der magischen Handlung wird ein blended space (d. h. von den zwei zusammengebrachten Elementen jede Metapher besteht aus) durch einen generic space und zwei input spaces hervorgebracht, die die rituelle Wirkung herbeiführen. In unserem Kontext kommen folgende zwei input spaces vor: (a1) die dämonbesessene Frau; (b1) das Wesen der Frau; (c1) und die Qualität der Frau als besessenes Subjekt; (a2) Handberührung; (b2) das Wesen des Andreas; (c2) und die Qualität des Andreas als heiliger Apostel des Christus. Das blended space führt zu einem gegenseitigen Prozess: Der Wundertäter Andreas überführt durch Handberührung seine göttliche Kraft an die Frau. Zur selben Zeit wird die Unreinheit der Dämonbesessenheit der Frau neutralisiert und dadurch entfernt. Oft diskutiert man in ritualtheoretischem- und -typologischem Zusammenhang, ob ein Ritual an die Vorzeit oder an die Zukunft gerichtet ist. In der sozialen Wirklichkeit aber sind die meisten Rituale eine Mischung von sowohl vergangenheits- wie zukunftsorientierten Aspekten. Das gilt auch für die Austreibung in Form der Handberührung. Auf der einen Seite ist sie auf die Vergangenheit hin orientiert, indem die Frau von ihrer Besessenheit befreit wird. Auf der anderen Seite ist sie dadurch auf die Zukunft ausgerichtet, dass Andreas durch die Handberührung göttliche Kraft auf die Frau überführt (d.h. nach den unterliegenden kognitiven Vorstellungen), die sie im Verlauf der weiteren Erzählung zusammen mit ihrem Mann dazu befähigt, das Evangelium ›als besonders starke Helfer‹ zu verkünden. Im Abschluss zeigt die Austreibungsgeschichte – vergleichbar mit den anderen Wundererzählungen in Gregors »Epitome« und als wichtiger Bestandteil christlicher Identitätskonstruktion –, wie diejenigen, die auf der Seite Christi stehen, keinen Grund haben, gottfeindliche Mächte zu fürchten. Vor dem Apostel Gottes müssen sich auch die Dämonen geschlagen geben. Die Austreibungsgeschichte wirkt rhetorisch als eine Missions- und Umkehrerzählung, die jene, die schon Christen sind, in ihrer Weltanschauung festigen soll, indem sie zeigt, dass sie als Christen auch Macht über Dämonen haben, und die den noch nicht zum Christentum Konvertierten demonstrieren soll, dass das Christentum anderen Weltanschauungen auf dem ›Markt‹ überlegen ist. Soziale (praktische) Relevanz dürfte Gregors »Epitome« jedoch am ehesten durch ihren Einfluss auf bereits Konvertierte gewonnen haben. Anders Klostergaard Petersen

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Literatur zum Weiterlesen W. Cotter, Miracles in Greco-Roman Antiquity. A Sourcebook for the Study of New Testament Miracle Stories, The Context of Early Christianity 1, London 1999. D. R. MacDonald, The Acts of Andrew and the Acts of Andrew and Matthias in the City of the Cannibals, SBL.TT 33, Atlanta 1990a. A. K. Petersen, The Notion of Demon. Open Questions to a Diffuse Concept, in: A. Lange/H. Lichtenberger/K. F. D. Römheld (Hg.), Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen Literatur im Kontext ihrer Umwelt, Tübingen 2003, 23-41. J.-M. Prieur, Actae Andreae, CChr.SA 5/6, Turnhout 1989. J. Z. Smith, Towards Interpreting Demonic Powers in Hellenistic and Roman Antiquity, ANRW II, 16.1 (1978), 425-439.

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VII.2 Die Wundererzählungen im Martyrium des Andreas

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Stärker als Herkules! (Heilung des besessenen Sklaven des Stratokles) MartAndr 2-5 (2) Als er (Stratokles) mit dieser Sache zu tun hatte, wurde einer der Jungen aus dem Gefolge des Aristokles von einem Dämon befallen, er verlor den Verstand und lag in seinen Fäkalien. Als Stratokles ihn sah, sagte er: »Wäre ich doch nur niemals hierher gekommen und stattdessen auf dem Meer umgekommen, so hätte mir das nicht passieren können! Freunde«, und er warf jenen, die bei ihm waren, einen Blick zu, »ich kann nicht ohne ihn leben.« Als er dies sagte, schlug er sich selbst ins Gesicht, er war zutiefst verstört und wollte von niemandem angesehen werden. Er wusste nicht mehr weiter. Als Maximilla davon erfuhr, kam sie, ebenfalls bestürzt, aus ihrem Schlafzimmer und sagte zu Stratokles: »Sorge dich nicht um deinen Diener, Bruder. Er wird schon bald geheilt werden, denn in der Stadt hält sich ein höchst gottesfürchtiger Mann auf, der nicht nur Dämonen austreiben kann, sondern, wenn irgendjemand von einer bedrohlichen und ernstzunehmenden Krankheit befallen wird, auch diese heilt. Wir haben Vertrauen zu ihm gefasst, doch sagen wir dies als solche, die ihn auf die Probe gestellt haben.« Iphidama sagte ebenfalls solche Dinge zu Stratokles, um ihn von einer übereilten Handlung abzuhalten – er war völlig verzweifelt. (3) Während die beiden Frauen Stratokles trösteten, traf Andreas, der mit Maximilla vereinbart hatte, zu dem Jungen zu gehen, am Prätorium ein. Als er durch das Tor trat, sagte er: »Irgendeine Macht kämpft da drinnen; beeilt euch, Brüder!« Er stellte niemandem Fragen, sondern stürmte ins Innere, an den Ort, an dem Stratokles’ Junge mit Schaum vor dem Mund völlig zusammengekrümmt dalag. Diejenigen, die aufgrund des von Stratokles verursachten Aufruhrs hereingeprescht waren, hatten keine Ahnung, wer Andreas war, als sie ihn lächelnd einen Weg durch die Menge bahnen und die Anwesenden zur Seite schieben sahen, um zu dem am Boden liegenden Jungen zu gelangen. Diejenigen, die Andreas schon einmal getroffen und ihn in Aktion erlebt hatten, machten ihm Platz, da sie ihn wie einen Gott fürchteten. Stratokles’ Diener hingegen sahen in ihm einen schäbigen Landstreicher und versuchten, ihn zu verprügeln. Als die anderen sahen, wie sie ihn misshandelten, wiesen sie diese dafür zurecht, dass sie nicht wussten, was sie taten. Als sie sich wieder beruhigt hatten, warteten sie darauf, was passieren würde. (4) Im selben Augenblick teilte jemand Maximilla und Iphidama mit, dass der Gesegnete angekommen sei. Ermutigt stürmten sie aus ihren 845

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Zimmern und eilten zu Stratokles: »Komm mit, dann wirst du sehen, wie dein Diener geheilt wird.« Stratocles stand ebenfalls auf und ging mit ihnen, und als er die große Menschenmenge sah, die um seinen Diener herumstand, sagte er leise: »Alkmanes« (das war der Name des Jungen), »indem Du nach Achaia gekommen bist, bist du zu einem Spektakel geworden.« Andreas starrte Maximilla an, und als er sie anblickte, sagte er Folgendes: »Mein Kind, dies ist das Bedrückendste für die, die sich einem Glauben an Gott zuwenden, der fern von großem Sturm und Irrfahrt ist: dass sie sehen, wie diese Leiden geheilt werden, die für viele als unheilbar galten. Schau nur, selbst jetzt sehe ich, wie das, wovon ich gerade gesprochen habe, eintritt: Magier stehen hilflos da – jene, die den Jungen aufgegeben hatten, und andere, die wir alle in der Öffentlichkeit als Scharlatane dastehen sehen. Warum waren sie nicht in der Lage, diesen furchterregenden Dämon aus diesem bemitleidenswerten Jungen auszutreiben? Weil sie ihm gleichartig sind. Es ist nützlich, dies vor der anwesenden Menschenmenge zu sagen.« (5) Ohne zu zögern stand er auf und sagte: »O Gott, der du den Magiern keine Beachtung schenkst, o Gott, der du dich nicht in die Hände der Scharlatane begibst, o Gott, der du dich Dingen entziehst, die (Deiner) fremd sind, o Gott, der du dein Eigentum immer nur den Deinen darbietest – selbst jetzt, in Gegenwart all dieser Menschen, erfülle meine Bitte, was Stratokles’ Diener anbelangt, schnell und treibe den Dämon aus, den diejenigen, die ihm gleichartig sind, nicht austreiben konnten.« Sogleich ließ der Dämon von ihm ab und sagte mit einer männlichen Stimme: »Ich fahre aus, Diener Gottes! Ich lasse nicht nur von diesem Jungen ab, sondern von dieser ganzen Stadt.« »Ich befehle dir nicht nur, von dieser Stadt abzulassen«, sagte Andreas zu ihm, »ich verbiete dir auch, nur einen Fuß in eine der Gegenden zu setzen, in denen es nur die geringste Spur meiner Brüder und Schwestern gibt.« Nachdem der Dämon ausgefahren war, stand Alkmanes vom Boden auf; Andreas reichte ihm seine Hand, und der Junge ging mit ihm, ruhig und sicher auf den Beinen, er sprach zusammenhängend, sah Andreas und seinen Herren liebevoll an und fragte nach dem Grund für die Menschenmenge im Haus. Andreas sagte zu ihm: »Es gibt keinen Grund für dich, von etwas zu erfahren, das dir fremd ist. Für uns ist es genug, in dir (das) zu sehen, was wir gesehen haben.«

Sprachlich-narratologische Analyse Die Geschichte von der Heilung des Sklaven des Stratokles zeugt von den literarischen Ambitionen des Autors. Der griechische Text weist die typischen Merkmale eines gehobenen Schreibstils auf, wie beispielsweise die häufige Verwendung syntaktischer Subordinationen, des absoluten Genitivs und anderer Partizipialkons846

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Stärker als Herkules! MartAndr 2-5

truktionen, die in den Akten des Andreas und Matthias (ActAndrMatt) weitgehend fehlen (vgl. Warren 1999). Neben dem Bemühen um ein hohes sprachliches Niveau nimmt der Autor in der Erzählung auch die Perspektive der sozialen Elite ein. Am Anfang der MartAndr wird Stratokles als Bruder des Aigeates vorgestellt, welcher an anderen Stellen (MartAndr 13) als »Prokonsul« (ἀνθύπατος anthypatos) bezeichnet wird. Die Erzählung spielt im Prätorium (πραιτώριον praitōrion, MartAndr 1) statt, das, dem Haupttextzeugen des Martyriums zufolge, einem gewissen Aristokles gehörte. Das Wort »Prätorium« konnte entweder den Sitz des Stadthalters oder den Palast eines Fürsten oder Königs bezeichnen (Campbell 2001). Hier könnte es aber auch einfach ein Hinweis auf die Pracht des Hauses sein, in dem die Ereignisse stattfinden (vgl. LSJ sv). Als Andreas das Haus betritt (MartAndr 3), sticht er mit seinem armseliges Aussehen so sehr aus der Menge heraus, dass Stratokles’ Diener ihn vor die Tür setzen wollen. Die Figur des Stratokles weicht jedoch von dem Klischee der römischen männlichen Elite ab (Bremmer 2000b, 21). Als er den Zustand seines Dieners Alkmanes bemerkt, klagt er ausgiebig und schlägt sich selbst ins Gesicht; man befürchtet sogar, er könne Selbstmord begehen (MartAndr 2). Er wünschte, lieber auf dem Meer umgekommen zu sein, als den Anblick des von Dämonen besessenen Alkmanes ertragen zu müssen. An anderen Stellen des Textes wird er wiederholt stöhnend, seufzend und weinend dargestellt (MartAndr 8; 43). Das Abweichen von dem klassischen männlichen Stereotyp bei der Charakterisierung des Stratokles ist sehr wahrscheinlich eine bewusste Strategie des Autors, von dem wir erfahren, Stratokles habe den Kaiser um die Entbindung von seinen militärischen Pflichten ersucht, um sich der Philosophie widmen zu können. Alkmanes erwidert die Zuneigung seines Herren, als er Stratokles und Andreas nach seiner Heilung durch den Apostel »mit höchster Freude« (ἥδιστα hēdista) ansieht. Andreas dagegen erscheint in der ersten Geschichte des Martyriums als entschlossener und geachteter Führer. Am Handlungsschauplatz angekommen, geht er durch das Tor und eilt, ohne Fragen zu stellen, zu dem Diener, wobei er jene, die im Weg stehen, lächelnd beiseiteschiebt (MartAndr 3). Vor der Heilung beschimpft er die »Schwindler«, die nicht in der Lage waren, Alkmanes zu helfen, und deutet an, dass diese mit dem Dämon, der Alkmanes in Besitz genommen hat, verwandt seien (MartAndr 4). Nach seinem Gebet fährt der Dämon »sogleich« aus (εὐθέως eutheōs). Er wird sowohl als »höchst gottesfürchtig« (θεοσεβέστατος theosebestatos, MartAndr 2) als auch als jemand vorgestellt, dessen Anhänger ihn »wie einen Gott fürchten« (ὥς τινι θεῷ φοβούμενοι hōs tini theō phoboumenoi, MartAndr 3). Seine armselige Erscheinung (s.o.) ermöglicht eine dramatische Einführung seiner Person, die in eine kleinere Wiederkennungsszene (ἀναγνώρισις anagnōrisis, vgl. Arist. Po. 11) mündet, als sich herausstellt, dass der schäbige Landstreicher der mächtige Mann Gottes ist. Im Wesentlichen handelt es sich bei der Erzählung um einen Exorzismus, der insbesondere die Unfähigkeit religiöser Scharlatane, Dämonen auszutreiben, in den Fokus stellt. Typische Merkmale von Exorzismen sind die Beschreibung des jeweiligen Zustandes, wie beispielweise Verkrümmung oder Schaum 847

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Die Wundererzählungen in den Andreasakten

vor dem Mund, und einer Äußerung des ausfahrenden Dämons. Andreas’ Beharren darauf, dass der lästige Dämon keinen Ort mehr heimsuchen soll, wo es auch nur »die kleinste Spur meiner Brüder und Schwestern gibt«, spiegelt die Vorstellung wider, dass Dämonen, sobald sie einmal ausgetrieben sind, andere Opfer suchen, die sie in Besitz nehmen können. Leser, die mit den neutestamentlichen Texten vertraut sind, hören hier wahrscheinlich die Kontroverse um Jesu Dämonenaustreibung durch Beelzebul (Mk 3,20-30 par.) und besonders den Exorzismus des besessenen Knaben in Mk 9,14-29 anklingen. Einige Aspekte dieser Erzählung weichen jedoch grundlegend vom Genre ab. So verwendet der Autor beispielsweise einen Großteil seiner Erzählung für die Beschreibung von Andreas’ Ankunft am Schauplatz, seine Vorahnung, was er im Haus vorfinden wird, die polarisierten Reaktionen auf sein Erscheinen, die Anrufung des Besessenen und dessen Gedächtnisverlust bezüglich der Geschehnisse. Wie wir sehen werden, erfolgte diese großzügige Ausschmückung des Textes in Nachahmung einer griechischen Tragödie. Diese Wundergeschichte zu Beginn des recht langatmigen Andreasmartyriums weckt im Leser viele Fragen: Wird Stratokles ein Anhänger des Andreas und seiner Verkündigung werden? Wie werden die Spannungen zwischen denen, die den Apostel für einen Gott, und jenen, die ihn für einen Landstreicher halten, überwunden?

Sozial- und realgeschichtlicher Hintergrund Diese Erzählung basiert auf einer weitverbreiteten Kontroverse zwischen frühen Christen und ihren Kritikern um die Bedeutung des Anspruchs auf das Wirken von Wundern. Waren Exorzismen beispielsweise die Folge göttlicher Macht oder dunkler Magie? Für den Autor der Andreasakten konnte Andreas den Dämon austreiben, weil er, anders als die Magier, dem Diabolischen nicht »gleichartig« war. Durchgehend ist die Menschheit in den Andreasakten gespalten in jene, die »Verwandte« Gottes, und jene, die »Verwandte« des Teufels sind. Magie und religiöse Schwindelei waren im römischen Reich verbreitet, und Schaulustige dürften christliche Exorzismen daher als ein weiteres Beispiel von Taschenspielerei angesehen haben. Das Gebet von Andreas ist der Versuch, eine Unterscheidung vorzunehmen zwischen den Scharlatanen und jenen, die, wie er selbst, zu dem Gott gehören, der seinen Anhängern übernatürliche Kräfte verleiht. Verschiedene Elemente in den Andreasakten können als Anspielungen auf die soziale Welt des Autors und der Erstrezipienten verstanden werden. Wie bereits erwähnt, legt der Autor besonderen Wert darauf, die christliche Mission in einem elitären sozialen Milieu zu verorten. Wir haben ebenfalls gesehen, dass der Schreibstil des Autors dieses rhetorische Ziel unterstützt. Wie sich im folgenden Abschnitt herausstellen wird, deutet die Vertrautheit des Autors mit der griechischen Literatur auf ein gebildetes soziales Umfeld hin. Die meisten Details der Erzählung bestätigen die traditionellen sozialen Konventionen des antiken Haushaltes. Wann immer Maximilla die Szene 848

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betritt, kommt sie aus ihrem Privatzimmer (MartAndr 2 und 4, hier mit Iphidama), und Alkmanes folgt seinem Herren fast wie in Trance (MartAndr 5). In diesem Zusammenhang ist auch die Absicht der Diener des Stratokles, den schäbigen Fremden zu schlagen, zu lesen; ihr Verhalten kann kaum als Beispiel für einen mildtätigen Umgang mit den Armen dienen. Des Weiteren wird die gesamte Handlung aus der Perspektive von Stratokles und Andreas erzählt; dadurch wird den Frauen die Rolle zugeschrieben, den Männern ehrerbietig zu sein; Alkmanes wird im Grunde genommen zu einer Marionette gemacht, die nicht einmal darüber Bescheid wissen darf, was mit ihr geschehen ist. Obwohl Maximilla im restlichen Teil des Martyriums als Patronin der Gemeinde in Erscheinung tritt, wird sie nicht in gleichem Maße als Anführerin neben Andreas angesehen wie einige Frauen in anderen apokryphen Apostelakten (vgl. Czachesz, Hinführung zu den Wundern in den Philippusakten in diesem Band). Können die oben erwähnten Eigenarten der Figur des Stratokles zu unserem Verständnis des sozialen Kontextes beitragen? Obwohl Stratokles zu diesem Zeitpunkt in der Erzählung noch kein Christ ist, verdeutlichen sein Verhalten und seine Gesinnung weitere Details über die soziale Realität der Gemeinde, da er in der Erzählung als positiver Held auftritt. Wir haben bereits Stratokles’ Vorliebe für die Philosophie erwähnt, der er lieber nachgeht, als eine Stellung in der Armee einzunehmen. Die Erzählung beschreibt ihn als emotionale Figur, der es an Selbstbeherrschung fehlt – im Gegensatz zum Stereotypen des maskulinen Römers. Stratokles’ Zuneigung zu seinem Diener steht in starkem Gegensatz zu der grausamen Hinrichtung seiner Sklavin Euklia und der Kreuzigung dreier weiterer Sklaven durch Aigeates im weiteren Verlauf der Andreasakten (MartAndr 22). Die verschiedenen Hinweise auf das soziale Umfeld der Gemeinde, die wir in dieser Erzählung finden, entsprechen dem Modell des »Liebespatriarchalismus«, wie es von Gerd Theißen auf der Grundlage seiner Analyse der paulinischen Theologie sowie der deuteropaulinischen Tradition und der Pastoralbriefe, beschrieben wurde (Theißen 1974, 269-270). Laut Theißen sahen die Christen der paulinischen Gemeinden soziale Differenzen als gegeben an. Allerdings forderten sie von sozial Privilegierten Rücksichtnahme und Liebe gegenüber den Schwächeren, genauso wie sie die Unterordnung, Treue und Achtung der Schwachen gegenüber den Bessergestellten erwarteten.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Es ist weitgehend unbestritten, dass der Autor der Andreasakten mit verschiedenen griechischen philosophischen und literarischen Traditionen vertraut war (MacDonald 1994a; Schroeder 2000; Roig Lanzillotta 2007). Im Folgenden werden wir uns nun mit der Aufnahme griechischer mythologischen Topoi in die christliche Erzählung durch den Autor beschäftigen. Besonderes Augenmerk werden wir dabei auf die Parallelen zu Euripides’ Werk Hercules furens (griech. Ἡρακλῆς μαινόμενος hēraklēs mainomenos, lat. Hercules Furens) richten. 849

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Wie auch in unserem Beispiel ist es charakteristisch für die Andreasakten, ihre Vorgabe aus der griechischen Mythologie mittels eines bedeutenden Namens zu kennzeichnen. Der Name des Jungen lautet Alkmanes (Ἀλκμάνης alkmanēs – rasender Wahnsinn); Herakles’ Mutter hieß Alkmene (Ἀλκμήνη alkmēnē). Alkmanes wird somit zu einem Ersatz-Herakles, wie ihn Euripides in seinem Werk Hercules furens beschreibt. In der Tragödie kehrt der Held aus dem Hades zurück, nachdem er Kerberos, den wilden Höllenhund der Unterwelt, dorthin zurückgebracht hat (125). In Herakles’ Abwesenheit hat der Tyrann Lykos König Kreon, den Vater von Herakles’ Frau Megara, getötet und herrscht mit eiserner Hand über die Stadt. Um seine Macht langfristig zu sichern, beabsichtigt er, auch Herakles’ Familie umzubringen, wogegen die Thebener keinen Widerstand leisten; folglich klagt Amphitryon: »Ich sehe jetzt, dass einige von unseren Freunden keine wahren Freunde sind / und jene, die wahrhaftig Freunde sind, sind nicht in der Lage, von Nutzen zu sein« (ἀδύνατοι προσωφελεῖν adynatoi prosōphelein; 55-56; vgl. 312-314). Doch kurz bevor Lykos seine Angehörigen töten kann, kehrt Herakles aus der Unterwelt zurück, und Megara berichtet ihm von Lykos’ Plan: »Wir sind der Freunde beraubt, und wir hörten, dass du tot seist« (55; vgl. 558 und 561). Der Held selbst hat noch vor Betreten der Stadt geahnt, dass es Schwierigkeiten geben würde: »Als ich einen Vogel in einer unheilvollen Position auf einem Ast sitzen sah, / wusste ich, dass ein Unheil über unser Haus gekommen ist« (596-597). Er bringt seine Familie ins Haus und wartet auf Lykos und dessen Gefolgsmänner, die er mit Leichtigkeit erschlägt. Doch kaum hat er das eine Problem gelöst, sieht er sich mit einem weitaus größeren konfrontiert: Seit Zeus mit Alkmene Herakles gezeugt hat, versucht Hera, Zeus’ Frau auf dem Olymp, den Helden zu töten. Und nun, da er seine letzte Aufgaben gemeistert hat, würde sie ihn wieder bestrafen, dieses Mal, indem sie ihm Lyssa, die Göttin des Wahnsinns, schickt, um ihn dazu zu bringen, seine Frau und seine Söhne zu töten. Euripides’ Publikum, das sich außerhalb des Hauses befindet, hört von drinnen Schreie und Handgemenge; dann tritt ein Bote nach draußen und berichtet von dem Gräuel, der sich im Inneren ereignet hat: »Die Kinder sind tot!« (913). Folgendes ist geschehen: Als er dabei war, eine Fackel in seiner rechten Hand in das Wasser der Reinigung zu tauchen, stand Alkmenes Sohn in Stille da. Und als ihr Vater zögerte, blickten ihn seine Kinder an. Er war nicht mehr, wie er gewesen war: Er war durch das Rollen seiner Augen verzerrt, und seine Augen waren blutunterlaufen; Schaum tropfte von seinem stattlichen Bart. Mit einem wahnsinnigen Lachen sagte er, […] (928-935)

Herakles’ Raserei endet erst, nachdem er seine Frau und seine Söhne getötet hat. Dann schreitet Athene ein: »Sie warf einen Stein gegen Herakles’ Brust, / der sein 850

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rasendes Werk beendet hatte und ließ ihn einschlafen, / und er fiel zu Boden« (10041006). Sklaven fesseln ihn an eine Säule, damit er nicht noch mehr Schaden anrichten würde, sobald er wieder aufwachte. Als er schließlich aufwacht, hat er keine Erinnerungen an das, was passiert war. Schau, warum in Ketten liegend wie ein ankerndes Schiff – meine jugendliche Brust und Arme – an diesem halbzerbrochenen Werk aus Marmor sitze ich nur hier? […] Ich habe meinen Verstand verloren! Wo kann ich sein, dass ich so verwirrt bin? […] Wer kann meine Unwissenheit heilen? (1094-1097, 1105 und 1107)

Amphitryon zögert, ihm von dem zu erzählen, was er getan hat: »Wisse nur so viel über dein Unglück, aber lass den Rest ruhen« (1125). Der Held besteht jedoch darauf, alles zu erfahren. Als er es erfährt, begreift er, dass sein mörderischer Wahnsinn das Werk der Hera war. Ebenso wie Herakles (»Hera-Ruhm«) aus dem Hades nach Theben zurückkehrt, kommt Stratokles (»Kampf-Ruhm«) in den Andreasakten nach Patras. Noch bevor Herakles und Andreas ankommen, sehen beide voraus, dass Unheil über das Haus kommen wird. Herc. fur. 596-598 »Als ich einen Vogel in einer unheilvollen Position auf einem Ast sitzen sah, / wusste ich, dass ein Unheil [πόνον τιν’ ponon tin] über unser Haus gekommen ist, / deshalb kam [εἰσῆλθον eisēlthon] ich aus Vorsicht im Geheimen in die Gegend.«

MartAndr 3 Als er durch das Tor trat [εἰσβάς τις eisbas tis], sagte er: »Irgendeine Macht [ἐνέργειά τις] kämpft da drinnen; beeilt euch, Brüder!« Er stellte niemandem Fragen, sondern stürmte ins Innere (εἴσεισεν … δρομαίως eiseisen … dromaiōs).

Herakles und Stratokles finden ihre Liebsten in Gefahr vor: Megara und die drei Söhne bzw. Stratokles’ geliebten Sklaven, der von einem Dämon besessen ist. Bei Euripides ist es jedoch Herakles, der seinen Verstand verloren hat. Vergleichen wir die folgenden Beschreibungen:

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Herc. fur. 931-934 Er war nicht mehr, wie er gewesen war: / Er war durch das Rollen seiner Augen verzerrt, / und seine Augen waren blutunterlaufen; / Schaum (ἀφρόν aphron) tropfte von seinem stattlichen Bart (vgl. 867: »Augen verzerrt [διαστρόφους diastrophous]«)

MartAndr 3

Er hatte Schaum vor dem Mund (ἤφριζεν ēphrizen) völlig zusammengekrümmt (διάστροφος diastrophos)

Als Maximilla von Andreas’ Ankunft erfährt, eilt sie mit der Nachricht zu Stratokles. Andreas spottet sodann über die Magier am Ort des Geschehens, »die unfähig waren, etwas zu tun (μηδὲν δυνάμενοι ποιῆσαι mēden dynamenoi poiēsai). […] Warum waren sie nicht in der Lage, (μὴ δεδύνηνται … ἀπελάσαι mē dedynēntai … apelasai) diesen furchterregenden Dämon aus diesem bemitleidenswerten Jungen auszutreiben? Weil sie ihm gleichartig sind« (MartAndr 4). Der Apostel betet dann: »Erfülle meine Bitte, was Stratokles’ Diener anbelangt, schnell und treibe den Dämon aus, den diejenigen, die ihm gleichartig sind, nicht austreiben konnten (μὴ δεδύνηνται φυγαδεῦσαι mē dedynēntai phygadeusai)« (MartAndr 5). Dies erinnert an Amphitryon, der darüber klagt, dass seine Freunde »nicht in der Lage [seien], von Nutzen zu sein« (ἀδύνατοι προσωφελεῖν adynatoi prosōphelein). (Zur Unfähigkeit, Dämonen auszutreiben, vgl. die Geschichte des Besessenen bei Mk 9,14-29 [bes. V. 18 und 28f.], die m.E. bereits eine Nachahmung von Euripides’ Hercules furens darstellt. Der Jünger fragt Jesus: »Warum waren wir nicht in der Lage, ihn auszutreiben (οὐκ ἠδυνήθημεν ἐκβαλεῖν αὐτό ouk ēdynēthēmen ekbalein auto)?« [9,28].) Nach Euripides überwältigt Athene Herakles mit einem Stein. Als der Held schließlich wieder zu sich kommt, fragt er, was passiert sei, aber die anderen zögeren, ihm die schlechte Nachricht zu übermitteln. Amphitryon: »Wisse nur so viel über dein Unglück, aber lass den Rest ruhen« (1125). Wie der Sohn der Alkmene fragt auch Alkmanes, »rasender Wahnsinn«, der Schaum vor dem Mund hatte, sich krümmte, als er wieder zu sich kommt, was mit ihm passiert ist. Und wie Amphityron ist Andreas nicht willens, ihm davon zu erzählen: »Es gibt keinen Grund für dich, von etwas zu erfahren, das dir fremd ist. Für uns ist es genug, in dir (das) zu sehen, was wir gesehen haben.« Die umwertende Nachahmung besteht darin, dass, während Hera Herakles mit Wahnsinn belegt, Andreas’ Gott Stratokles’ Sklaven gesund macht. Da moderne Übersetzer antike Namen meistens transkribieren, geht ihre hypertextuelle Funtion durch die fehlende Übersetzung verloren. In unserem Fall verweist der Autor auf Herakles, den Sohn der Alkmene, indem er den Besessenen Alkmanes – »rasender Wahnsinn« – nennt. Die Namen Aristokles, »Vortrefflichkeit-Ruhm«, und Stratokles, »Kampf-Ruhm«, könnten auf den ironischen Namen von Herakles, »Hera-Ruhm«, anspielen.

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Verstehensangebote und Deutungshorizonte Religionsgeschichtliche Deutung: Obwohl die metaphysische Bedeutung angeblicher Wunder in der Antike häufig bestritten wurde, überleben diese Streitfragen auch in der heutigen Zeit. In unserer Erzählung besteht der Unterschied zwischen Wunder und Magie in der Unfähigkeit der Magier, wirksam Dämonen auszutreiben, da die gescheiterten Exorzisten ›verwandt‹ mit dem Dämon sind, den sie auszutreiben versuchten. Eine zentrale Aufgabe von Religion bestand in vormodernen Gesellschaften darin, sich gegen den Einfluss böser Geister zu verteidigen. Die Geschichte liefert dem Leser den Beweis dafür, dass das Christentum in Bezug auf Dämonenaustreibungen andere Religionen überbieten kann. Intertextuelle Deutung: Leser, die die Parellelen zu Hercules furens erkennen, sehen wahrscheinlich eine noch tiefgründigere Bedeutung. In Euripides’ Tragödie erliegt der größte aller griechischen Helden wegen Heras Eifersucht dem gewalttätigen Wahnsinn. Der Gott des Andreas hingegen treibt keine Menschen in den Wahnsinn, sondern bringt sie vielmehr zur Besinnung. Andreas erweist sich dabei Herakles, dem Sohn der Alkmene, insofern überlegen, als er aus Alkmanes einen Dämon austreibt. Schließlich besitzt der mit dem wahren Gott verbundene Andreas Kräfte, die die Kräfte der Magier, die mit dem Dämonischen verwandt sind, übersteigen. Sozialethische Deutung: Die Geschichte kann auch als erzählerische Veranschaulichung des ethischen Prinzips des Liebespatriarchalismus angesehen werden, wie es die paulinische Tradition vertritt. Der Leser wird ermutigt, die sozialen Gegebenheiten zu akzeptieren und, statt diese ändern zu wollen, Liebe und Hingabe gegenüber Untergeordneten und Gleichgestellten zu zeigen. Auch wenn diese Botschaft konservativ erscheinen mag, dürfte das Prinzip des Liebespatriarchalismus wesentlich zum Erfolg des Christentums beigetragen haben, weil es hohe moralische Maßstäbe innerhalb des bestehenden sozialen Rahmens gefördert hat, anstatt eine exzessive Risikobereitschaft einzufordern, wie es beispielsweise in jüdischen messianischen Bewegungen der Fall war. Genderkritische Deutung: Ein interessanter Aspekt der Geschichte besteht in der wenig maskulinen Darstellung des Stratokles, wenn man sie vor dem Hintergrund zeitgenössischer Erwartungen an den Charakter eines Mannes betrachtet (vgl. Mayordomo 2006; Weidemann 2016). Der Umsturz von Gender-Stereotypen bei der Charakterisierung von Personen findet sich nicht selten in den apokryphen Apostelakten (vgl. Czachesz, Hinführung zu den Philippusakten in diesem Band). MartAndr 2-5 verteidigt liebevolles Verhalten von Männern als Teil der Umgestaltung sozialer Beziehungen in der christlichen Gemeinde, ähnlich wie das Prinzip des Liebespatriarchalismus (s.o.). Dennis R. MacDonald

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Literatur zum Weiterlesen J. N. Bremmer, Man, Magic, and Martyrdom in the Acts of Andrew, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000b, 15-34. D. R. MacDonald, Christianizing Homer. The Odyssey, Plato, and the Acts of Andrew, New York 1994a. M. Mayordomo, Construction of Masculinity in Antiquity and Early Christianity, Lectio Difficilior 2 (2006), 1-33. J.-M. Prieur, Acta Andreae, CCSA 5/6, Turnout 1989. C. T. Schroeder, Embracing the Erotic in the Passion of Andrew: The Apocryphal Acts of Andrew, the Greek novel, and Platonic philosophy, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000a, 110-126. D. H. Warren, The Greek Language of the Apocryphal Acts of the Apostles: A Study in Style, in: F. Bovon/A. G. Brock/C. R. Matthews (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles, Cambridge 1999, 101-124.

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»… leere Worte« (Andreas' Rede vom Kreuz) MartAndr 59 (59,1) Als die Menge die Reden des Andreas hörte, wurde sie von ihm auf diese Weise gewonnen und verließ den Ort nicht. (2) Der äußerst Gesegnete fuhr weiter fort zu sprechen, sogar noch mehr als er zuvor gesagt hatte. Dies geschah in einem solchen Ausmaß, dass er für die Anwesenden als Zeichen galt. (3) Er unterhielt sich mit ihnen drei volle Tage lang und niemand war überhaupt müde und spaltete sich von ihm ab. (4) Als sie am vierten Tag seine Nobilität bemerkten, die Unermüdlichkeit des Verstandes und die große Zahl seiner Worte, das Angenehme an seinen Ermahnungen, die Ausgeglichenheit seiner Seele und die Klugheit seines Geistes und die Stärke seines Verstandes und die Klarheit seiner Argumentation, wurden sie ärgerlich über Aigeates und eilten zusammen zum Gericht. (5) Noch während er dasaß, schrie (die Menge): »Prokonsul, was soll dein Urteil? Schlecht hast du geurteilt! Du hast ungerecht entschieden! Deine Gerichtshöfe sind gottlos! Welches Unrecht hat der Mann begangen? Welche böse Tat hat er getan? Die Stadt ist in Aufruhr! Du begehst Unrecht gegen uns alle! Uns alle betrübst du! (6) Verrate die Stadt des Kaisers nicht! Schenke den Achäern den gerechten Mann! Schenke uns den gottesfürchtigen Mann! Töte den gotterfüllten Mann nicht! Vernichte den frommen Mann nicht! (7) Obwohl er schon vier Tage (am Kreuz) hängt, lebt er (noch). Obwohl er nichts gegessen hat, hat er uns mit seinen Worten gefüttert. (8) Nimm den Mann herunter und wir wollen nach Weisheit streben! Löse den Klugen und alle Bewohner von Patras werden rechtschaffen werden! Lasse den Vernünftigen frei und ganz Achaia wird Gnade bekommen!«

Sprachlich-narratologische Analyse MartAndr 59 ohne seinen mikro- und makrostrukturellen Kontext zu interpretieren, ist unmöglich, denn die Perikope ist in zweifacher Weise davon abhängig. Einerseits kann der Inhalt von MartAndr 59 nicht verstanden werden, wenn nicht die Ereignisse nach der Rückkehr des Apostels aus Korinth nach Patras makrokontextuell berücksichtigt werden. Andererseits erfolgt in MartAndr 59 ein mikrostruktureller Wechsel der Erzählstruktur. Die große wörtliche Rede, die Andreas vom Kreuz aus an einen großen Hörerkreis richtet, endet und der Leser erfährt in MartAndr 59 etwas über ihre äußeren Umstände. Eine abstrahierte Betrachtung zeigt zudem, dass die gesamte mikro- und makrokontextuelle Einbindung von MartAndr 59 von einer negativen Haltung gegenüber der materiellen Welt und von der Spannung zwischen 855

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Körper und Geist bestimmt ist. Eine dualistische Kosmologie und eine dualistische Anthropologie sind in diesem Text sehr eng aufeinander bezogen (vgl. Roig Lanzillotta 2007, 191). Nach seiner Rückkehr aus Korinth heilt der Apostel Maxima, die Frau des Prokonsuls Aigeates. Natürlich bekehrt sie sich zum Christentum und verweigert deswegen ihrem Mann den Geschlechtsverkehr. Maxima verkörpert im leibfeindlichen Weltbild der Andreasakten (vgl. a.a.O., 193) das Ideal einer christlichen Existenz. Der Sexualakt, der generell Bestandteil der materiellen Welt ist, wird deswegen auch herabgesetzt. Um die Superiorität des Immateriellen und Geistigen über die Sphäre materieller Entitäten literarisch weiter zu verdeutlichen, wird eine von Maximas sexueller Entsagung abhängige Szenerie eingeleitet, in der die Körperlichkeit der Protagonisten extremer Marter ausgesetzt wird. Gerade dadurch kann die Rolle des Geistes im Welt- und Menschenbild des Textes literarisch entfaltet werden. Andreas wird vom Prokonsul ins Gefängnis geworfen, weil Aigeates dem Apostel die Schuld an der gelebten Keuschheit seiner eigenen Ehegattin gibt. Er möchte die Inhaftierung des Andreas als Druckmittel gegen Trophime einsetzen, um damit ihre Hingabe zum Geschlechtsverkehr zu erzwingen. Maximilia sucht daraufhin das Gespräch mit Andreas selbst, der nochmals unter heilsgeschichtlich typologischer Explikation des Sündenfalls ihr Keuschheitsideal einschärft – selbst wenn dies eine Gefährdung für ihn selbst bedeutet (vgl. Bovon 2000, 84). Natürlich wird somit eine literarische Ausgangsbasis geschaffen, um dem Leser die Bedeutungslosigkeit materieller Entitäten zu verdeutlichen. Die permanente Weigerung Maximas, ein intimes sexuelles Verhältnis mit ihrem Ehemann einzugehen, führt in der erzählten Welt zur Kreuzigung des Apostels. Sein Körper wird also einer absoluten Ausnahmesituation ausgesetzt, die literarisch wiederum notwendig ist, um die Überlegenheit des Geistes über den Körper zum Ausdruck zu bringen. Aigeates lässt Andreas sogar noch auspeitschen und befiehlt, den Apostel ans Kreuz zu binden und dabei seine Gelenke nicht zu verletzen. Dadurch soll sein körperliches Leiden ins Unermessliche gesteigert werden. Andreas begrüßt daraufhin das Kreuz, wobei inhaltliche Parallelen zu ActPetr 37 auffällig sind. Das Kreuz selbst wird mit Licht assoziiert und ähnelt der Kreuzesdarstellung von ActJoh 97-102. Nach der Begrüßung bittet der Apostel um einen sofortigen Vollzug der Strafe. Eine Frage von Maximas Bruder an den Gekreuzigten selbst, warum er denn angesichts dieser Marter immer noch lächle, leitet zu einer längeren dreiteiligen Rede des am Kreuz hängenden Apostels ein, in der der körperliche und anthropologische Dualismus des Textes zum Vorschein kommt. Sie handelt von der Heilsrelevanz einer radikalen Weltflucht und von der anthropologischen Spannung zwischen Körper und Geist. In MartAndr 59 wird dies in erzählerischer Form verdeutlicht. Die wörtliche Rede des Apostels stoppt und MartAndr 59 schildert die Reaktion seines Hörerkreises (MartAndr 1-3). Beflügelt von der Kreuzespredigt und begeistert von der Tatsache, dass der Apostel die Marter des Kreuzes drei Tage ohne Anzeichen körperlicher Versehrtheit überlebte (MartAndr 4), fordert der Hörerkreis die sofortige Freilassung von Andreas (MartAndr 5). Die genaue Funktion von MartAndr 59 ist es allerdings, dem Leser die subordinierte Stellung von Körperlichkeit in der Physiologie der Andreasakten zu verdeutlichen. 856

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Dies erfolgt narrativ durch eine nicht ganz einfach zu durchschauende und sich auf Miss- bzw. Unverständnis stützende literarische Konstellation. Im Mikrokosmos der erzählten Welt kreuzen sich zwei inhaltliche Ebenen, zu denen nur der Leser alleine Zugang hat. Der Leser weiß mehr als die Charaktere der erzählten Welt. Eine Lektüre aus der Perspektive der Volksmenge zeigt ihre Faszination über die körperliche Robustheit des Apostels. Diese ist für sie auch das eigentliche Wunder. Drei Tage erleidet Andreas sein Martyrium und spricht dennoch unermüdlich zum Volk. Das Volk deutet die Unversehrtheit des körperlichen Zustands des Apostels, der trotz Qualen am Kreuz, immer noch zum Volk predigen kann, als ein Zeichen (MartAndr 59,2). Ohne auch nur müde zu werden, hängen sie deswegen an seinen Lippen (MartAndr 59,3). Am vierten Tag des Martyriums ist die von Andreas begeisterte Menge in Aufruhr und fordert vom Prokonsul die sofortige Freilassung des Apostels (MartAndr 59,4). Die Menge stützt ihre Argumentation nun gerade auf die außerordentliche körperliche Kondition des Apostels. In einer nahezu syntaktischen Parallelität führt der Text zunächst eine Reihe von Vorwürfen auf, die dem Prokonsul von der Menge über die Inkompetenz des Gerichtshofes gemacht werden (MartAndr 59,5). Danach fordert das Volk die Begnadigung des Apostels (MartAndr 59,6). Dies geschieht in einer ähnlichen syntaktischen Parallelität. Zweimal wird ein positiver Appell an den Prokonsul gerichtet, Andreas zu begnadigen. Darauf folgen zwei prohibitive Unterlassungsausrufe, den Körper des Apostels nicht weiter zu vernichten, oder ihn gar zu töten. Neben der strukturellen Parallelität jener Imperative ist jenen Konstruktionen ein verbaler Grundstamm gemein. Dieser gibt dem Leser deutlich zu erkennen, dass der Ruf des Volkes auf die körperliche Regeneration des Apostels zielt. Der Apostel wird in jenen Forderungen nie beim Namen, geschweige denn bei seinem Amt oder seiner Funktion genannt. Allein durch sein körperliches Geschlecht, Mann zu sein, und einer adjektivischen Charakterisierung wird der Apostel beschrieben und zugleich seine körperliche Verfasstheit hervorgehoben. In MartAndr 59,7 wird der Appell der Menge, den Apostel freizulassen, noch argumentativ begründet. Die von der Menge vorgetragenen Argumente stützen sich allesamt auf die körperliche Unversehrtheit des Apostels. Obwohl er schon vier Tage am Kreuz hängt, lebt er noch! Bewusst wird hier zur Betonung der körperlichen Robustheit das Verb ζάω (zaō – leben) gebraucht. Das zweite Argument ist allerdings doppeldeutig, da hier die Pointe der Erzählung verborgen liegt. Hier kreuzen sich beide inhaltlichen Ebenen des Textes. Der Apostel hat noch nichts gegessen, dennoch füttert er die Gemeinde mit Worten. Die Menge verkennt dies als ein Anzeichen seiner körperlichen Überlegenheit. Der Leser hingegen hat allerdings bereits in der Exposition das nötige Hintergrundwissen erhalten, um die Pointe zu erkennen. Es geht sicher nicht um die Fähigkeit, Worte zu produzieren, sondern vielmehr um die Realisation ihres Inhalts, der von der Überlegenheit des Immateriellen gegenüber körperlicher Entität handelt. Der Leser erfährt nämlich bereits zu Beginn des Textes natürlich mehr als die Charaktere der erzählten Welt. Nach der Exposition wird die Person des Apostels in acht Attribuierungen näher charakterisiert (MartAndr 59,4). Dabei findet sich kein 857

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Hinweis auf seine körperliche Überlegenheit, sondern es werden nur Lexemverbindungen benutzt, die seinen inneren Geisteszustand zum Ausdruck bringen. Die Menge allerdings drängt auf die körperliche Freilassung des Apostels, weswegen der Text mit Lexemen durchzogen ist, die die Körperlichkeit des Apostels ausdrücken (MartAndr 59,6f.). Der Leser hingegen kann die Textoberfläche durchdringen und das körperliche Leiden des Apostels, das hinsichtlich der Darstellung seines reinen Geistes völlig unbedeutend ist, als negatives materielles Übel abwerten. Der Apostel zeichnet sich gerade nicht dadurch aus, dass er die Schwachheit des Körpers überwindet, sondern an seiner literarischen Figur soll Körper gerade in Schwachheit gezeigt werden, um dadurch die Rolle des Geistes hervorzuheben. Dies offenbart sich vor allem in den nachfolgenden Szenen. Aigeates gibt unter stetigem Druck der Menge nach und gewährt die Freilassung des Apostels. Andreas lehnt das Angebot natürlich ab und beklagt sich stattdessen über den Unverstand des Volkes, das immer noch an Fleischlichem hängt.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Andreas macht keine leeren Worte, sondern sein gelassenes Verhalten angesichts seines Martyriums ist die veranschaulichende Realisierung des Inhalts seiner Kreuzespredigt. An seiner Person wird die vollkommene Überlegenheit des Geistes, von dem seine λόγοι (logoi – Worte) berichten, für den Leser tatkräftig demonstriert. Leibfeindlichkeit, Weltflucht und Askese, die für den Hörerkreis der Kreuzespredigt pure Heilsrelevanz bedeuten (MartAndr 57), werden in MartAndr 59 zusammengefasst und narrativ dargestellt. Der dualistische Inhalt dieser logoi, der in MartAndr 59 in der Person des Apostels idealtypisch verkörpert wird, und ihre Heilsrelevanz werden gerade auf eine göttliche Genuinität zurückgeführt, wodurch der autoritative Charakter des Apostels unterstrichen wird. In MartAndr 59 deutet dies die Nahrungsaskese zumindest an (vgl. Bovon 2000, 89; Leloir 1986, 251). Dieser dualistische Unterton, der im Martyrium des Andreas vor allem in den Kreuzespredigten und ihrer veranschaulichten Interpretation (MartAndr 59) hervortritt, wurde zum Anlass genommen, die Andreasakten vor dem Hintergrund einer expliziten philosophischen Strömung des 2. und 3. Jh. zu interpretieren. F. Bovon sieht in den Predigttätigkeiten des Apostels und der Heilsrelevanz seiner Worte an sich bereits eine Nähe zur Gnosis und zum Mittelplatonismus (vgl. Bovon 2000, 93-95). C. T. Schroeder hebt explizit den Einfluss des Platonismus hervor (vgl. Schroeder 2000, 126). Selbst der Einfluss aristotelischer Philospophie auf die Andreasakten wurde nicht ausgeschlossen (vgl. Roig Lanzillotta 2007, 215). Lediglich H.-J. Klauck ist etwas mäßiger und führt die philosophischen Gedankengänge in den Andreasakten auf das generelle sozialgeschichtliche Milieu des Autors zurück. Der Verfasser der Andreasakten ist für Klauck jemand, der »an dem geistigen Klima seiner Zeit [partizipiert]« (Klauck 2005, 145), die nach ihm vom eklektizistisch-fließenden Übergang der philosophischen Systeme geprägt ist. »Das erklärt zu einem guten Teil seinen Dualismus, seine Leibverachtung, seine Weltflüchtigkeit, seine Askese und ein Stück weit sogar seinen Enkratismus« (ebd.). 858

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»… leere Worte« MartAndr 59

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Zeit nach den großen Verfolgungswellen des Christentums brachte eine Bandbreite an fiktiver Märtyrerliteratur mit heldenhaft stilisierten und nahezu supranaturalen Protagonisten hervor – schlichtweg »passions épiques« (Delehaye 1966, 173). In der phantastischen Ausmahlung ihrer Protagonisten hebt sich jene literarische Form deutlich von den nahezu nüchtern beschreibenden Märtyrerakten des 2. und 3. Jh. ab. Aber auch in den Märtyrerakten selbst werden den Protagonisten teilweise wunderhafte Züge verliehen. Zumindest ist ihre immense Resistenz gegenüber Schmerz ein sich wiederholendes Motiv. An diesem Punkt ist eine gewisse motivische Überlappung mit den apokryphen Apostelakten festzustellen. Mit Ausnahme der Johannesakten münden jene in das Martyrium des Hauptcharakters, das in starker motivischer Analogie (v.a.) zu den späteren Märtyrerlegenden phantastisch ausgeschmückt dargestellt wird. Daher wurde oft über die grundlegende Relation zwischen den apokryphen Apostelakten und der Märtyrerliteratur nachgedacht (vgl. Hilhorst 1995, 11). Auch MartAndr 59 fällt in diesem Punkt nicht aus dem Rahmen, denn das Motiv des trotz langem Martyrium nicht sterbenden Märtyrers begegnet gehäuft in der Märtyrerliteratur. Trotzdem steht die Funktion jenes Motivs in der späteren Märtyrerliteratur in einer nicht zu vernachlässigende Differenz zum Gebrauch in den Andreasakten. Die Pointe der Kreuzigungsszene aus den Andreasakten ist sicher nicht die, dass der Körper des Apostels trotz Martyrium lange unversehrt bleibt. Das Motiv dient dazu, die Körperlichkeit gerade abzuwerten. Der ausbleibende Exitus des Apostels wird von der Menge missverstanden und als Grund für die Forderung der Freilassung des Apostels gebraucht. Die Textaussage zielt aber auf das genaue Gegenteil. Der Text will durch die Erwähnung der körperlichen Unversehrtheit dem Leserkreis gerade eine Lektion erteilen, dass der Körper im soteriologischen Konzept der Anderasakten unbedeutend ist. Es geht also gerade nicht darum, den Apostel als »superhuman character« (a.a.O., 3) zu beschreiben, sondern anhand seines Martyriums soll die Überlegenheit des Geistes aufgezeigt werden.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Das wohl offenkundigste Verstehensangebot ist, die komplette Szenerie vor dem Hintergrund einer leibfeindlichen Anthropologie zu lesen. Eine ganze Reihe von literarischen Phänomenen weist darauf hin: »His contempt for the flesh also displays itself in his propagation of a very simple diet, encratism and the renunciation of sexuality« (Bremmer 2000b, 18). Viele Szenen sind vom Ideal sexueller Enthaltsamkeit geprägt, das oftmals enkratitische Züge trägt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Szene von der Auferweckung und Wiederbelebung der Trophime (ActAndr[Greg] 23). Andere Szenen arbeiten wiederum mit anrüchigen Anspielungen auf Sexualität. So beispielsweise ActAndr(Greg) 5. Auch der Makrokontext der Erzählung bringt eine Geringschätzung von Sexualität zum Ausdruck. Die Entscheidung der Maxima, 859

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keusch zu leben, stellt den erzähllogischen Hintergrund dar, ohne den die Kreuzigung des Apostels nicht zustande gekommen wäre. Die Abwertung von Körperlichkeit in MartAndr 59 überragt allerdings die anderen Szenen. Es geht hier nicht um Kennzeichen von Körperlichkeit, wie Sexualität oder Nahrungsaufnahme, die als minderwertig angesehen werden, sondern um den gesamten Körper selbst. Dieser wird in der Passion des Apostels als minderwertig dargestellt. Er erfährt Leid, das aber gerade nicht relativiert, sondern als völlig unbedeutend dargestellt wird. Dies dient dazu, die Superiorität des Geistes in Hinsicht auf den Körper darzustellen. Michael Sommer

Literatur zum Weiterlesen F. Bovon/A. Brock/C. R. Matthews (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles, Cambridge 1999. J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000a. D. R. MacDonald, Christianizing Homer. The Odyssey, Plato, and the Acts of Andrew, New York/Oxford 1994a. J.-M. Prieur, Les Actes apocryphes de l’apôtre André. Présentation des diverses traditions et état de la question, ANRW II, 25.6 (1988), 4383-4414.

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VII.3 Die Wundererzählungen in den Akten des Andreas und Matthias

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Käpt'n Jesus, das Kind (Jesus erscheint in vielen Gestalten) ActAndrMatt 18 Andreas und seine Schüler werden auf Jesu Geheiß von Engeln zur Stadt Myrmidonien gebracht (ActAndrMatt 16). Dort angekommen, berichten ihm seine Schüler von ihrem Traum, in dem ihre Seelen in das »himmlische Paradies zu Jesus und den Heiligen« geführt wurden (ActAndrMatt 17). (18) Als Andreas das hörte, freute er sich sehr, weil seine Schüler gewürdigt wurden, diese Wun­derdinge zu sehen. Mit Blick zum Himmel sagte Andreas: »Zeige dich mir, Herr Jesus Christus! Denn ich merke, dass du nicht fern von deinen Knechten bist. Vergib mir! [Denn als einen Menschen] habe ich dich im Boot gesehen und mit dir wie mit einem Menschen geredet. Jetzt aber, Herr, offenbare dich mir an diesem Ort!« Nachdem Andreas das gesagt hatte, kam Jesus zu ihm – gleich einem kleinen Kind, äußerst schön und wohlgestaltet. Und er sprach: »Sei gegrüßt, lieber Andreas.« Als Andreas ihn aber erblickt hatte und zu Boden gesunken war, huldigte er ihm und sprach: »Vergib mir, Herr Jesus Christus. Denn wie einen Menschen habe ich dich auf dem Meer gesehen und mit dir geredet. Worin also habe ich gesündigt, lieber Herr Jesus, dass du dich mir nicht geoffenbart hast auf dem Meer?« Und Jesus antwortete und sprach zu Andreas: »Du hast nicht gesündigt; ich aber habe dir das angetan, weil du gesagt hattest: ›Ich werde in die Stadt nicht in drei Tagen reisen können.‹ Da habe ich dir gezeigt, dass ich in der Lage bin, alles zu tun und mich jedem zu zeigen, wie ich will. Jetzt aber stehe auf, gehe zu Matthias in die Stadt und führe ihn aus dem Gefängnis und dazu alle Fremden, die bei ihm sind. Aber Achtung!, ich zeige dir an, Andreas, was du leiden musst, bevor du in [ihre] Stadt hineinkommst. Sie werden dir Misshandlungen androhen, viele [und schreckliche], und dir Folterungen bescheren und dein Fleisch auf den Straßen und Wegen [ihrer] Stadt verteilen, und dein Blut wird zur Erde fließen wie Wasser – nur den Tod können sie dir nicht antun, wenn sie dir auch große Nöte bereiten. Doch halte aus, [lieber Andreas,] und handle nicht ihrem Unglauben entsprechend. Bedenke, was meine [Seele] aushielt an Nöten, als sie in mein Gesicht schlugen und spuckten und sagten: ›Mit Beelzebul verjagt er die Dämonen!‹ [Mt 9,34 par.; 12,24.27 par.] [Wäre ich nicht in der Lage gewesen, mit dem Nicken meiner Augen den Himmel und die Erde auf diejenigen zu schmettern, die gegen mich gesündigt haben?] Aber ich hielt aus [und vergab], damit ich auch 863

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euch ein Vorbild vor Augen stelle. Daher also, [lieber] Andreas, [wenn sie dir die Misshandlungen antun] und diese Folterungen, halte aus! Denn es gibt in dieser Stadt solche, die glauben werden!« Nachdem der [Retter] dieses gesagt hatte, fuhr er in die Himmel. Übersetzung nach dem griech. Text von MacDonald 1990a, 108-110; die Passus in Klammern finden sich nur in einem Teil der handschriftlichen Überlieferung.

Sprachlich-narratologische Analyse Kontext: Die in ActAndrMatt 18 erzählte Episode stammt ungefähr aus der Mitte der Erzählung von Andreas und Matthias bei den Menschenfressern; es finden sich in ihr sowohl Vor- als auch Rückverweise. Matthias erhielt die von Menschenfressern bewohnte Stadt Myrmidonien (vgl. die Polyphemsage, Hom. Od. 9,297) als Missionsgebiet zugewiesen (ActAndrMatt 1). Wie es dort Sitte ist, wird er gleich beim Betreten der Stadt gefangen genommen, seiner Augen beraubt und mit einem Trank vergiftet, der seinen Geist viehisch werden lassen soll (vgl. die Kirkesage, Hom. Od. 10,235f.); auf diese Weise bereiten ihn die Menschenfresser zum Verzehr zu (ActAndrMatt 2). Zu seiner Rettung schickt der Herr den Apostel Andreas aus (ActAndrMatt 3). Doch Andreas widerspricht dem göttlichen Auftrag zunächst, da er es für unmöglich hält, in drei Tagen nach Myrmidonien zu reisen (ActAndrMatt 4) – eine Weigerung mit Folgen, denn dieses Kleinglaubens wegen verweigert Jesus in unserer Episode die offene Epiphanie. Er ruft Andreas zum Gehorsam und bereitet ein kleines Boot mit außergewöhnlicher Mannschaft für ihn vor: der Herr selbst als Kapitän, dazu zwei Engel als Matrosen, allesamt in Menschengestalt (ActAndrMatt 5). Andreas erkennt die göttliche Identität der Besatzung nicht, so dass er mit dem Kapitän Gespräche führt wie mit einem menschlichen Kapitän (ActAndrMatt 6-15). Die Schüler des Andreas fallen auf der Schiffsreise in tiefen Schlaf, so dass sie von den Gesprächen nichts bemerken (ActAndrMatt 8); im Traum sehen sie stattdessen das himmlische Paradies (ActAndrMatt 17) – von Andreas in unserer Episode zu den »Wunderdingen« (θαυμάσια thaumasia) gerechnet. Nach dem Gespräch mit dem Jesus-Kapitän schläft auch Andreas ein und wird anschließend samt seinen Schülern von den Engeln vor die Tore der Stadt Myrmidonien gebracht (ActAndrMatt 16). Beim Erwachen erkennt Andreas, dass er auf dem Boot Jesus in veränderter Gestalt begegnet ist (ActAndrMatt 17). Nach unserer Episode geschieht, was Jesus angekündigt hat. Andreas gelangt ungehindert in die Stadt, versetzt die Gefangenen in ihren Normalzustand und befreit sie; Matthias wird mit den Schülern des Andreas aus der Stadt und damit auch aus der Geschichte entrückt (ActAndrMatt 19-21). Andreas bleibt in der Stadt und bekämpft die Menschenfresserei (ActAndrMatt 22f.). Der Teufel denunziert Andreas, der sich daraufhin freiwillig stellt (24f.). Er wird, wie in unserer Episode angekündigt, hart gefoltert (ActAndrMatt 26-28), dann aber vom Herrn gerettet (ActAndrMatt 29). Die gesamte Stadt wird bestraft, nach der Bekehrung jedoch 864

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Käptn Jesus, das Kind ActAndrMatt 18

durch die Fürsprache des Apostels außer einigen unrühmlichen Ausnahmen begnadigt (ActAndrMatt 29-31). Andreas tauft und unterrichtet die Bewohner der Stadt (ActAndrMatt 32f.). Der Antipode zu Jesus in Gestalt eines schönen Kindes ist der Teufel in Gestalt eines Greises (ActAndrMatt 24). Er denunziert Andreas, der alle bisherigen Versuche der Menschenfresser, an Menschenfleisch zu kommen, im Verborgenen vereitelt hatte. Er initiiert die Suche nach dem Apostel und fordert dessen Tötung. Auch nach der Verhaftung des Andreas übertrifft er alle, als es im Stadtrat eine angemessene Todesart für den Apostel zu erdenken gilt (ActAndrMatt 25). Der Teufel verspottet Andreas anschließend mehrfach höchstpersönlich (ActAndrMatt 26f.). Wie das Jesus-Kind der Auftraggeber und Initiator für Andreas ist, so ist es der Teufel-Greis für die Menschenfresser. Beide treten in – psychologisch gesehen – Momenten der Entscheidung auf, um ihre jeweiligen Schützlinge zum Handeln zu bewegen. Auch ein anderer alter Mann tut sich mit Abscheulichkeiten hervor und kontrastiert somit die Erscheinung Jesu als kleinem Kind. Aus Angst, selbst getötet und verspeist zu werden, bietet er als Ersatz seine eigenen, kleinen Kinder zur Schlachtung an (ActAndrMatt 23). Dieser Grausamkeiten wegen gilt die spätere Generalamnestie nicht für ihn (ActAndrMatt 31). Sprachlich-narratologische Beobachtungen: Unsere Episode besteht aus einem Gespräch zwischen Andreas und Jesus. Andreas bittet Jesus mittels dreier Imperative zu erscheinen (ἐμφάνηθι emphanēthi, συγχώρησον synchōrēson, φανέρωσον phanerōson). Jesus entspricht der inständigen Bitte und zeigt sich als kleiner, äußerst schöner Junge. Ihn in dieser Gestalt zu erkennen scheint kein Problem für Andreas darzustellen, denn er fällt sogleich verehrend auf den Boden. Im Gegensatz zur Gestalt des Kapitäns (ActAndrMatt 5-16), die eine Erniedrigung für Jesus darstellt (ActAndrMatt 17), kommt die Gestalt des schönen Jungen dem Wesen Jesu näher. Denn während die Kindsgestalt eine Offenbarung darstellt, fehlt der Kapitänsgestalt nach der Aussage des Andreas gerade der Offenbarungswert, denn Andreas fragt, warum Jesus sich auf dem Meer denn nicht offenbart hätte (vgl. ActAndrMatt 17); die Kapitänsgestalt offenbart nicht, sondern »verbirgt die Gottheit« Jesu (κρύψας τὴν ἑαυτοῦ θεότητα krypsas tēn heautou theotēta, ActAndrMatt 5). Das Jesus-Kind macht den Kleinglauben des Andreas für die Nicht-Offenbarung als Kapitän verantwortlich. Es folgt das Zentrum dieser Episode, gleichsam der inhaltliche Kern des Geschehens: »Ich habe dir gezeigt, dass ich alles tun kann und mich jedem zeigen, wie ich will«. Von hier ausgehend stellen sich die Nicht-Offenbarung als Kapitän, die rasante Wasser- und Luftreise nach Myrmidonien und die Offenbarung als Kind als ›Aufweis‹ der Macht Jesu dar (ὑποδεικνύναι hypodeiknynai). Innerhalb der Geschichte gilt diese Demonstration Andreas, der die göttliche Allmacht vergessen zu haben scheint, außerhalb der Geschichte allen Lesenden. Anschließend ist es an Jesus, in Imperativen zu Andreas zu sprechen (ἀνάστα anasta – steh auf, εἴσελθε eiselthe – geh hinein, ἐξάγαγε exagage – führe heraus, ὑπόμεινον hypomeinon – halte aus, μὴ ποιήσῃς mē poiēsēs – handle nicht, μνήσθητι mnēsthēti – bedenke, ὑπόμεινον hypomeinon – halte aus). Diese Imperative beziehen 865

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sich zunächst auf die anstehende Befreiung der Gefangenen um Matthias. Obwohl der Auftrag des Andreas mit der Befreiung erfüllt ist (ActAndrMatt 5), redet das Jesus-Kind weiter. Es sagt dem Apostel ein Martyrium voraus und impliziert damit, dass Andreas den Missionsauftrag des Matthias übernehmen soll. Und tatsächlich, Matthias wird in einer Wolke entrückt (ActAndrMatt 21), und es bleibt an Andreas, die gottlose Stadt zu missionieren. Das Martyrium wird Andreas in Form der synoptischen Leidensankündigungen angesagt: »Du musst leiden« (δεῖ σε παθεῖν dei se pathein, vgl. Mt 16,21 u.ö.). Die Parallelität zu den Leiden Jesu wird ausdrücklich gesucht: »Bedenke, welche Bedrängnisse meine Seele aushielt!« Jesus stellt sein Leiden als »Vorbild« (τύπος typos) dar: Wie er sein Leiden ertragen hat, so soll es nun auch Andreas tun (ὑπόμεινον hypomeinon – ὑπέμεινα hypemeina – ὑπόμεινον hypomeinon). Das Ziel ist es, Glauben in Myrmidonien zu wecken. Pragmatik: Der erste Satz dieser Episode liefert das Stichwort »Wunderdinge« (θαυμάσια thaumasia), hier bezogen auf die zuvor geschilderte Traumreise der Schüler des Andreas (ActAndrMatt 17). Dieser Begriff charakterisiert zugleich auch alle Begebenheiten rund um die Reise nach Myrmidonien, denn schon auf dem Schiff hatte sich ein Gespräch zwischen dem Kapitän (= Jesus) und Andreas über die »Machttaten« und »Wunderdinge« Jesu entsponnen (δυνάμεις dynameis, ActAndrMatt 8.10f. bzw. θαυμάσια thaumasia, 11), und auch im Gefängnis ist zwischen Andreas und Matthias von den »Wunderdingen« Jesu die Rede (θαυμάσια thaumasia, ActAndrMatt 19). Darein fügen sich die wundersam schnelle Reise nach Myrmidonien durch Wasser und Luft, das Auftreten Jesu als Kapitän und seine Erscheinung als Kind (ActAndrMatt 18). Jesus selbst bezeichnet diese Geschehnisse als einen »Aufweis« seiner Macht (ὑπέδειξα […] ὅτι πάντα ποιῆσαι δυνατός εἰμι hypedeixa […] hoti panta poiēsai dynatos eimi – ich habe gezeigt […], dass ich alles kann), die er dem Kleinglauben des Andreas entgegensetzt. Der missionarische Skopus, der sich durch das Ziel der ganzen Unternehmung in der Stadt Myrmidonien – die Bekehrung der Menschenfresser dort – ergibt, zeigt sich also auch en detail in unserer Episode.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die Geschichte geht auf keinen erkennbaren historischen Kern zurück. Die ganze Reise in die »Stadt der Menschenfresser« (so die griechischen Codices) ist geographisch nicht einzuordnen und bedient sich mythischer Vorstellungswelten. Selbst der Name »Myrmidonien« begegnet erst im mittelalterlichen, lateinischen Auszug des Gregor von Tours. Folter stellte in der gesamten Antike nicht nur eine Bestrafungsart dar, sondern ein probates Mittel, um allererst Beweise zu erhalten. So reiht schon Aristoteles (Rhet. 1355b) die unter Anwendung der Folter erhobene Aussage (βάσανος basanos) neben andere Beweisarten wie Gesetze, Zeugen, Urkunden und Parteieid. Die Anwendung der Folter zur Beweisfindung war in der römischen Welt so verbreitet, 866

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dass die Wörter quaestio und quaerere auch ohne Zusatz die Bedeutung »Folter« bzw. »foltern« tragen können (vgl. Schiemann 1998). Das Verfahren der Folter vor dem Urteilsspruch ist auch beim Prozess Jesu zu beobachten: Pilatus lässt Jesus geißeln (Joh 19,1), um daraufhin seine Unschuld festzustellen (Joh 19,6). Die Folterqualen, die dem Apostel Andreas in unserer Episode vorausgesagt werden und die er später tatsächlich erleiden muss (ActAndrMatt 26-28), folgen dementsprechend notwendigerweise bereits auf die Anzeige und Anklage durch den Teufel (ActAndrMatt 24f.).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Jesus erscheint in den Andreas- und Matthiasakten nicht nur in einer, sondern in verschiedenen Gestalten. In ActAndrMatt 5-16(f.) ist er ein menschlicher Kapitän und wird als solcher nicht erkannt. In unserer Episode und auch in ActAndrMatt 18 bzw. 33 erscheint er als schöner Junge und wird beide Male sofort von Andreas erkannt. Jesus kann auch in unspezifischer Form erscheinen, d. h. ohne dass der Text die Art seiner Erscheinung erzählen würde (ActAndrMatt 4; 24; 29). Auch der Teufel erscheint mehrfach; Andreas erkennt ihn jedes Mal sofort, selbst dann, wenn der Teufel seine Stimme verstellt (ActAndrMatt 27). Das Neue Testament erzählt zwar von einer Verwandlung Jesu, einer Metamorphose (Mt 17,2 par.; vgl. auch Mk 16,12; Joh 1; Phil 2; Kol 1); doch in unserer Geschichte handelt es sich nicht nur um eine einmalige Verwandlung, sondern um »Polymorphie«, d. h. mehrere sichtbare Verwandlungen ein und derselben Person: »Or la polymorphie est une apparition délibérée de quelquʼun sous plusieurs formes; le changement de formes nʼest pas dissimulé, il est au contraire rendu évident pour le témoin […] apparitions simultanées et successives dʼun même être sous des formes différentes et destinées à être vue« (Junod 1982, 39). Oder, kürzer: »Polymorphie [ist] das Erscheinen einer Person in mehr als einer Gestalt« (Klauck 2008c, 311). Derselben Person, nämlich Andreas, begegnet Jesus innerhalb kürzester Zeit in verschiedenen Gestalten, erst als Kapitän und dann als Kind – Jesus ist ›polymorph‹ (ActThom 48; ActJoh 87-93; vgl. Lalleman 1995, 103-108; Klauck 2008c, 311-320). Die Gestaltänderung vollzieht sich zwar nicht vor den Augen des Andreas, doch die Vielgestaltigkeit Jesu wird im Gespräch zwischen Jesus und Andreas explizit thematisiert. Diese Polymorphie weist einige Gemeinsamkeiten mit anderen zeitlich nahestehenden Texten auf. In der Himmelfahrt des Jesaja steigt Jesus Himmel für Himmel herab und nimmt jeweils die Gestalt derjenigen Engel an, die in dem jeweiligen Himmel leben (AscJes 10,8-31). Dies dient jedoch gerade nicht der Offenbarung, sondern der Verschleierung; die Engel sollen nicht erkennen, wer Jesus ist. Philo und Origenes explizieren die dahinterstehende Vorstellung, dass Gott oder Jesus sich in Entsprechung zum menschlichen Vermögen in verschiedenen Gestalten zeigen (Philo Deus 53-68; somn. 1,232-237 bzw. Or. Cels. 2,64). Dieser Gedanke begegnet auch in der 867

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apokryphen Evangelien- und Aktenliteratur, namentlich im koptischen Philippusevangelium (EvPhil 26a) und in den Petrusakten (ActPetr 20f.: unusquisque […] sicut capiebat videre […] videbat – ein jeder sah, wie er imstande war zu sehen, je nach Können; für ältere Belege vgl. Lalleman 1995, 111-116 ). In der Antike galten viele Götter und Dämonen als »polymorph«, in den apokryphen Apostelakten besonders auch Satan (ActJoh 70, ActThom 44, vgl. Czachesz 2012, 116-129). Vorstellungen der Polymorphie Jesu sind dabei oftmals doketisch und gnostisch gefärbt (vgl. Klauck 2008c, 372-374). Sie nähren den Verdacht, dass Jesus kein Mensch sei, sondern ein Gott, der seine Gestalt nach Belieben verändern könne, was seine menschliche Seite in Frage stellt (vgl. Lalleman 1995, 108.117). In den Andreas- und Matthiasakten verneint Andreas sogar ausdrücklich das Menschsein Jesu (ActAndrMatt 10). Ein weiteres doketisches Element ist das Motiv der Erscheinung Jesu als Kind, das nicht nur in den Apostelakten mehrfach begegnet (ActAndr[Greg] 32, ActPetrAndr 2; 16, ActJoh 73; 76; ActPetr 5; 21; ActPl 9 [P.Hamb. 3]; ActThom 27; 154f.; MartMt 1; 13; 24; vgl. dazu Hilhorst/Lalleman 2000, 5; Klauck 2008c, 311-348 und Aland 1979, 125); das Motiv ist vor allem in gnostischer Literatur anzutreffen. Anlässlich eines Fragments des Gnostikers Valentins (Hipp. haer. 6,42,2) listet Markschies mögliche Paralleltexte auf, in denen Jesus als Kind erscheint (Markschies 1992, 207-211, mit weiterer Literatur; weitere Belege bei Klauck 2008, 349-369). Dabei mühen sich nicht nur moderne Erklärer mit der Einordnung dieses Erzählmotivs (Aland 1979, 215, Anm. 28: »merkwürdiges Phänomen«), sondern bereits antike Gelehrte wie der Byzantiner Photius, der jede Polymorphie ablehnt (bibl. 114 [Henry 1960, 2,85,37]). Ein biblischer Ansatzpunkt für die Erscheinung Jesu als Kind – wenn auch nicht im Rahmen einer Polymorphie – ist die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus, der im Tempel lehrt (Lk 2,41-52). Eine vage Parallele dieser Kinderscheinungen ist das Puer-Senex-Ideal, nach welchem man das menschliche Alter möglichst aufzuheben habe (Gnilka 1972, 44f., zu Jesus bes. 239-241). Beispiele aus der griechisch-römischen Literatur, vor allem aus Homer und Ovid, listet H.-J. Klauck auf (2008c, 303-308). Die Schiffsreise auf einen göttlichen Befehl hin ist weitverbreitet in der antiken Literatur. Unsere Erzählung trägt romanhafte Züge, wie sie z.B. schon in der Odyssee begegnen, wo der schlafende Odysseus vom Schiff der Phäaken mit außerordentlicher Schnelligkeit in seine Heimat gebracht wird (Hom. Od. 13,75-188, vgl. Söder 1969, 43). Die ausgeprägte Reiselust des Apostels Andreas erinnert im Ganzen stark an die Irrfahrten des Odysseus (Söder 1969, 21-25.33-51; MacDonald 1994a). Unsere Episode – ganz gleich, ob sie ursprünglich zu den Andreasakten gehörte oder nicht – stellt vorzüglichen Stoff dieses Seemannsgarns dar.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Der Apostel Andreas bringt einige Ausflüchte an, als er den gefährlichen Auftrag zur Rettung von Matthias aus der Hand der Menschenfresser erhält (ActAndrMatt 4) – ganz so, wie die alttestamentlichen Propheten (bes. Jona 1). Er sei aus Fleisch 868

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und könne nicht so schnell reisen, außerdem wisse er den Weg gar nicht; Jesus solle daher lieber einen Engel schicken. Jesus ruft ihn streng zum Gehorsam (ἐπάκουσον epakouson – gehorche!). Andreas gehorcht nun widerspruchslos (ActAndrMatt 5) und begibt sich auf die Bootsreise. Seine Haltung ist folglich durchaus gemischt: Einerseits gehorcht er, auf der anderen Seite betrachtet er die ganze Unternehmung mit einer gehörigen Portion Skepsis. Er lässt sich nur partiell auf den Auftrag Jesu ein; vermutlich würde er lieber weiter gemütlich in der griechischen Provinz Achaia über Jesus lehren, statt für ihn die gefährliche Reise antreten. Nach Reiseantritt äußert er zwar keine Bedenken mehr, aber seine anfängliche Trägheit verhindert, dass er Jesus als Kapitän erkennen kann, und das obwohl er selbst einige Anzeichen wahrnimmt: das zuvor von Jesus angekündigte Boot (ActAndrMatt 4), die zur Schau gestellten Brote (ActAndrMatt 7), die dem Meer gebietende Segeltechnik des Kapitäns (ActAndrMatt 9), das auffällige Interesse an den »Wundertaten« Jesu (ActAndrMatt 10-15). Kurz: »Andreas sieht Jesus, aber erkennt ihn nicht« (ActAndrMatt 5, vgl. Joh 20,14f.; 21,4; Lk 24,25f.). Er kommt erst zur Erkenntnis, als sie vor Myrmidonien angelangt und damit seine Einwände ausgeräumt sind. Unversehens ist Andreas das geschehen, was er niemals für möglich gehalten hätte. Dieser Moment der Erkenntnis entspricht der Erkenntnis Jesu und wird den Lesern als tastendes Erwachen des Andreas geschildert (ActAndrMatt 17): »Beim Erwachen blickte Andreas auf und fand sich auf der Erde sitzend wieder; er schaute weiter und sah die Tore der Stadt Myrmidonien; er blickte sich weiter um und sah seine Schüler auf der Erde schlafen, weckte sie und sprach: ›Steht auf […] und wisst, dass der Herr mit uns im Boot war und wir ihn nicht erkannt haben!‹« Nachträglich kommt Andreas zu Bewusstsein, dass Jesus ihnen begegnet ist und sie ihn nicht erkannt haben; nachträglich erweisen sich seine Zweifel als nicht zutreffend, denn trotz seiner Trägheit hat die Reisegruppe ihr Ziel erreicht. Jesu Anrede trifft einen Menschen wie Andreas unerwartet und stellt mitunter unmöglich klingende Ansprüche. Andreas steht dafür, sich auf diesen Anspruch einzulassen – jedoch nicht vorbehaltslos, sondern gemischt, wie es nur zu menschlich ist. Doch gerade die Vorbehalte verhindern, Jesu Mitwirken am eigenen Anspruch erkennen zu können. Die Vorbehalte lassen Andreas und seine Schüler auf dem Boot allein; sie halten ihre Augen, dass sie ihren Steuermann nicht erkennen können. Im Moment der Erkenntnis öffnen sich die Augen, und Jesus wird ansichtig. Er wird dies als kleines, liebreizendes und unschuldiges Kind. Das Kind steht für das Unmögliche, auf das nur naive Kinder hoffen (vgl. Mk 10,13-16). Positiv gewendet entspricht dies dem Jesuswort: »Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt« (Mk 9,23). Die negativen Konsequenzen sind Bestandteil von ActAndrMatt 18. Andreas empfindet die Nicht-Offenbarung Jesu in Gestalt eines Kapitäns als schmerzlich. Er fragt sich, worin er »gefehlt«, »gesündigt« habe (ἡμάρτηκα hēmartēka). Jesus antwortet mit einem Zitat des Andreas aus ActAndrMatt 4: »Ich kann nicht in drei Tagen in die Stadt Myrmidonien reisen«. Dieser Zweifel am Auftrag des Herrn hat verhindert, dass sich Jesus Andreas offenbarte, so dass dieser ihn erkannt hätte. Erst 869

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als die Zweifel ausgeräumt sind, kann Andreas erkennen, und Jesus zeigt sich. Der menschliche Zweifel an Jesus ist auf diese Weise als Ausschlusskriterium für die Offenbarung Jesu präsentiert. Unsere Episode lässt sich um den Satz Jesu zentrieren: »Ich habe dir gezeigt, dass ich alles tun kann und mich jedem zeigen, wie ich will.« Das Epiphaniewunder dient dem Aufweis der Allmacht Jesu und richtet sich gegen einen Kleinglauben, der die Macht Jesu als begrenzt betrachtet. In unserer Geschichte formuliert Andreas den – aus irdischer Perspektive vernünftigen – Einwand, er könne nicht in drei Tagen in die (mythische) Stadt Myrmidonien reisen (ActAndrMatt 4). Schon in seiner darauffolgenden Entgegnung weist der Herr in einer schöpfungstheologischen Argumentation auf seine Macht hin, hier die über den Wind. Diese demonstriert er im Folgenden durch die Luftreise, durch welche Andreas und seine Begleiter die Stadt auf den Armen von Engeln erreichen (ActAndrMatt 16). In seiner Offenbarungsrede aus unserer Episode versichert Jesus nicht nur seine Macht über die Elemente, sondern auch seine Fähigkeit, in allen Gestalten aufzutreten. Er kann so auftreten, dass man ihn nicht erkennt (Kapitän, ActAndrMatt 5-16), und so, dass man ihn erkennt (Kind, ActAndrMatt 18). Auch aufs Ganze gesehen rücken die Andreas- und Matthiasakten das göttliche Handeln Jesu in den Vordergrund (vgl. Söder 1969, 166168). Demgegenüber ist der Mensch zu Vertrauen und Glauben (πιστεύειν pisteuein, ActAndrMatt 18) aufgefordert. Karl Weyer-Menkhoff

Literatur zum Weiterlesen K. Aland, Die Stellung der Kinder in den frühen christlichen Gemeinden, in: ders. (Hg.), Neutestamentliche Entwürfe, München 1979, 198-232. I. Czachesz, The Grotesque Body in Early Christian Discourse. Hell, Scatology, and Metamorphosis, Bible World Series, Sheffield 2012. C. Gnilka, Aetas Spiritalis. Die Überwindung der natürlichen Altersstufen als Ideal frühchristlichen Lebens, Bonn 1972. E. Junod, Polymorphie du Dieu Sauveur, in: J. Ries (Hg.), Gnosticisme et Monde Hellénistique, Louvain-la-Neuve 1982, 38-46. H.-J. Klauck, Christus in vielen Gestalten. Die Polymorphie des Erlösers in apokryphen Texten, in: ders., Die apokryphe Bibel. Ein anderer Zugang zum frühen Christentum, Tübingen 2008c, 303-374. P. J. Lalleman, Polymorphy of Christ, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of John, SAAA 1, Kampen 1995, 97-118. D. R. MacDonald, Christianizing Homer. The Odyssey, Plato, and the Acts of Andrew, New York 1994a.

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Versteinerte Hände und nutzlose Schwerter: Wenn Empathie Unmenschlichkeit entwaffnet (Strafwunder an den Menschenfressern) ActAndrMatt 22f. (22) Nachdem Andreas das Gefängnis verlassen hatte, ging er durch die Stadt. Als er eine Säule sah, auf der ein Standbild aus Bronze aufgestellt war, setzte er sich hinter jene Säule, so lange, bis er sah, was geschehen würde. Und als die Henker zum Gefängnis gingen, damit sie die Menschen für ihre Speise nach täglicher Gewohnheit herausstießen, fanden sie die Türen des Gefängnisses geöffnet und die sieben Wächter lagen tot auf der Erde. Sofort gingen sie und gaben den Herrschenden Nachricht und sagten: »Wir fanden das Gefängnis geöffnet und, als wir hineingingen, fanden wir drinnen niemanden. Allein die Wächter fanden wir tot auf der Erde liegend.« Als die Herrschenden der Stadt dies hörten, sprachen sie unter sich: »Was ist geschehen? Sind vielleicht irgendwelche Leute in das Gefängnis der Stadt eingedrungen, haben die Wächter getötet und die Gefangenen freigelassen?« Dann befahlen sie den Henkern: »Geht zum Gefängnis und bringt die sieben Männer, so dass wir sie heute verzehren; und morgen gehen wir und werden alle alten Menschen der Stadt versammeln, damit sie das Los über sich werfen, bis es auf sieben Menschen gefallen ist. Jeden Tag werden wir sieben Menschen opfern. Sie werden uns als Nahrung dienen, bis wir junge Männer ausgewählt haben und sie bestimmt haben als Seeleute in Schiffen, die in die umliegenden Länder fahren, Menschen kidnappen und sie hierherführen, damit sie uns als Nahrung dienen.« Die Henker gingen zum Gefängnis und brachten die sieben Gestorbenen. In der Mitte der Stadt war ein Ofen gebaut worden. Bei dem Ofen stand ein großer Trog, in dem sie die Menschen schlachteten; ihr Blut lief in den Trog, und sie schöpften von dem Blut und tranken. Sie brachten die Menschen und legten sie auf den Trog. Als die Henker ihre Hände über sie erhoben, hörte Andreas eine Stimme, die sagte: »Andreas, sieh, was in dieser Stadt geschieht!« Als Andreas es sah, betete er zum Herrn: »Mein Herr, Jesus Christus, der mir befahl, in diese Stadt zu gehen, lass nicht zu, dass die Menschen in dieser Stadt irgendeine Schlechtigkeit tun, sondern lass die Schwerter aus den gesetzlosen Händen herausfallen und ihre Hände wie Stein werden.« Sofort fielen die Schwerter aus den Händen der Henker und ihre Hände versteinerten. Als die Herrschenden das Geschehen sahen, klagten sie: »Wehe uns, weil Menschen mit magischen Fähigkeiten hier sind, die auch in das Gefängnis einbrachen und die Menschen herausführten. Denn seht, auch diese wurden mit einem Zauber belegt. Was also sollen 871

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wir tun? Geht jetzt und versammelt die alten Menschen der Stadt, da wir hungrig sind.« (23) Und sie gingen und sammelten alle alten Menschen zusammen und fanden 217. Sie führten sie zu den Herrschenden, ließen sie Lose werfen und das Los fiel auf sieben alte Menschen. Und einer, auf den das Los gefallen war, antwortete und sagte zu den Dienern: »Ich bitte euch, ich habe einen kleinen Sohn. Nehmt ihn, opfert ihn an meiner Stelle und lasst mich am Leben.« Die Diener antworteten ihm: »Wir werden deinen Sohn nicht nehmen können, bevor wir es nicht denen, die mächtiger als wir sind, vorgetragen haben.« Und die Diener gingen und sagten es den Herrschenden. Die Herrschenden antworteten den Dienern: »Wenn er euch seinen Sohn an seiner Stelle gibt, lasst ihn weggehen.« Die Diener gingen und sagten es dem alten Mann. Und der alte Mann antwortete ihnen: »Ich habe auch noch eine Tochter neben meinem Sohn. Nehmt sie beide und opfert sie – allein mich lasst!« Und er lieferte den Dienern seine Kinder aus, damit sie sie opferten; und sie ließen ihn unversehrt gehen. Als die Kinder zum Trog gingen, weinten sie miteinander, und baten die Diener: »Wir bitten euch, dass ihr uns wegen dieses jungen Alters nicht tötet, sondern lasst uns unser volles Alter erreichen und dann opfert uns.« Es war nämlich Sitte in jener Stadt, die Gestorbenen nicht zu begraben, sondern sie zu essen. Die Diener hörten nicht auf die Kinder und erbarmten sich nicht über sie, sondern trugen sie weinend und bittend zu dem Trog. Als sie sie zum Opfern führten, sah Andreas das Geschehen an und weinte, und klagend sah er in den Himmel und sagte: »Herr, Jesus Christus, wie du mich erhört hast im Falle der Toten und nicht zugelassen hast, dass sie verzehrt werden, so erhöre mich auch jetzt, dass die Henker nicht den Tod über diese Kinder bringen, sondern löse die Schwerter aus den Händen der Henker.« Und sogleich wurden die Schwerter gelöst und fielen aus den Händen der Henker wie Wachs im Feuer. Und da es geschah und die Henker das Geschehen sahen, fürchteten sie sich sehr. Als Andreas sah, was geschehen war, rühmte er den Herrn, weil er ihn in jeder Lage erhörte.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Erzählung ActAndrMatt 22-23 ist vom Kontext klar abgrenzbar. Indizien hierfür sind der Ortswechsel vom Gefängnis der Stadt zu einem zunächst nicht näher beschriebenen Ort mit einer Säule und einem Standbild. Auch das Verschwinden von Matthias und den anderen Gefangenen aus der Erzählung markiert einen Neueinsatz. Nach dem Ortswechsel zu Beginn von ActAndrMatt 22 wendet sich die Erzählung sogleich wieder dem Ort der letzten Szene, dem Gefängnis, zu und konstatiert durch das Auffinden der toten Wächter das vergangene Wunder (ActAndrMatt 19-21), an das ActAndrMatt 22-23 anknüpft. 872

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ActAndrMatt 22f.

In Bezug auf den Abschluss der Szene sind die äußeren Kriterien der Abgrenzung nicht klar gegeben, da zu Beginn von ActAndrMatt 24 kein Ortswechsel vorliegt und sich erst verzögert mit dem Auftreten des Teufels die Figurenkonstellation ändert. Der Paragrapheneinteilung folgend, bildet die Furcht des Volkes (Admiration) und das Dankgebet des Andreas (Akklamation) am Ende von ActAndrMatt 23 den Abschluss der Wundererzählung. Am Beginn von ActAndrMatt 24 ist durch den Rekurs auf das Geschehen (τὸ γεγονός to gegonos) ein sehr enger anaphorischer Bezug gegeben. Es handelt sich hierbei letztlich um eine dritte Reaktion auf das Wunder, die sprachlich die Reaktion des Volkes in ActAndrMatt 23 aufgreift (θεασάμενοι οἱ δήμιοι τὸ γεγονός theasamenoi hoi dēmioi to gegonos – als die Henker das Geschehen sahen; θεασάμενοι οἱ θεασάμενοι οἱ ἄρχοντες τὸ γεγονός theasamenoi hoi archontes to gegonos – als die Herrschenden das Geschehen sahen) und sogar wörtlich die Reaktion der Herrschenden auf das erste Wunder am Ende von ActAndrMatt 22 wiederholt. Dramaturgisch dient sie dazu, das Auftreten des Teufels in ActAndrMatt 24 vorzubereiten. Die inhaltliche Einheit der beiden Wunder von ActAndrMatt 22-23 liegt darin begründet, dass durch das jeweilige Wunder das Vorhaben, Menschenfleisch zu essen, bestraft wird. In ActAndrMatt 22 unterbindet der Apostel durch seine Gebete, dass es durch das Verspeisen der toten Wächter zu einer Leichenschändung kommt (Nekrophagie), indem die Hände der Henker zu Stein werden. In ActAndrMatt 23 verhindert er das Töten und Verspeisen der beiden Kinder (Anthropophagie) dadurch, dass die Schwerter der Henker schmelzen. In Gestalt der beiden Kinder könnten die Lesenden an ActAndrMatt 18 erinnert werden, wo Christus sich in Gestalt eines Kindes zeigt. Der Mord an einem Kind könnte so mit dem Mord an Christus selbst verschmelzen. Der zentrale Ort des Geschehens ist der Platz in der Mitte der Stadt, an dem die Opferung der Menschen stattfinden soll und auf dem sich ein Trog und ein Ofen (ActAndrMatt 22) befinden. Nicht näher beschrieben wird der Standort der Herrschenden. Die Antwort der Diener in ActAndrMatt 23, dass sie die Bitte des alten Mannes erst den Herrschenden vortragen müssen und dafür zu den Herrschenden gehen, könnte darauf hindeuteten, dass die Herrschenden sich nicht an diesem Platz befinden. Während die Orte in der Szene mehrmals wechseln (Platz, Gefängnis, Ort der Herrscher), befindet sich Andreas über die ganze Szene für die übrigen Figuren der Erzählung unsichtbar in seinem Versteck hinter einer Statue in Sichtweite des Platzes. Worum es sich bei dem Standbild genau handelt, wird nicht gesagt. Ein zweites Standbild wird jedoch beim Strafwunder in ActAndrMatt 29-33 eine wichtige Rolle spielen (vgl. Petersen zu ActAndrMatt 29-32 in diesem Band). Die Lesenden werden zwar an der Seite des Andreas durch die Einleitung in die Szene hineingenommen, im Folgenden wird die Erzählperspektive jedoch über den Blickwinkel des Andreas hinaus erweitert. Der Erzähler ist an den wechselnden Orten des Geschehens und kommentiert das Geschehen durch Hintergrundinformationen über die Riten der Menschenfresser oder die Beschreibung der Gefühle der Figuren (auktoriale Fokalisierung). Beide Wunder geschehen durch das Gebet des versteck873

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ten Apostels und somit, ohne dass die Bewohner den Wundertäter sehen oder kennen. Wird die Befreiung der Gefangenen von den Herrschenden noch durch äußere Einflüsse erklärt, reagieren sie auf die versteinerten Hände mit einer Klage und der Vermutung, dass sich ein Mensch mit magischen Fähigkeiten unter ihnen aufhält. Erst in ActAndrMatt 24 wird der Apostel mit Hilfe des Teufels von den Bewohnern gesucht und tritt dann auf Aufforderung Gottes freiwillig in Erscheinung. Während in ActAndrMatt 22f. die Herrschenden (ἄρχοντες archontes) der Stadt die Handlung vorantreiben, gibt in ActAndrMatt 24 der Satan die Handlungsimpulse. Die einzelnen Szenen der Erzählung folgen chronologisch aufeinander. In den erzählten Teilen zu Beginn von ActAndrMatt 22 findet eine Zeitraffung statt, die die Wege, die die Figuren zurücklegen, betrifft. Auch zu Beginn von ActAndrMatt 23 wird die Sammlung der alten Menschen summarisch erwähnt. In beiden Szenen befindet sich vor dem Beginn der Schlachtung der toten Wächter bzw. Kinder ein retardierendes Moment, in dem der Verfasser in einem Kommentar eine Erklärung über die Gegebenheiten und das Ritual (ActAndrMatt 22) und über die Sitte (ActAndrMatt 23) einschiebt. Durch diese Verringerung des Erzähltempos erhöht sich die Spannung. Insbesondere in der Darstellung des Wunders nähern sich erzählte Zeit und Erzählzeit durch die überwiegend wörtliche Rede des Andreas und der Herrschenden, aber auch durch die Erzählung stark an. In der Darstellung der beiden Wunder lässt sich im Ablauf und bis in die Formulierungen hinein eine starke Parallelität ausmachen. So finden sich in beiden Kapiteln dieselbe Grundstruktur, in der als Auslöser der Handlung das Problem des Nahrungsmangels genannt wird sowie ein Plan zur Problemlösung. Anschließend folgt die Umsetzung des Planes, die aber durch das Gebet des Andreas und die Strafe verhindert wird. Darauf folgt eine Reaktion auf das Strafwunder. In beiden Szenen geschieht das Wunder auf dem Höhepunkt der Umsetzung des Planes, wenn die Hände der Henker bereits erhoben sind. Erst hier greift der Apostel durch sein Gebet in das Geschehen ein. Dennoch setzen beide Paragraphen unterschiedliche inhaltliche Akzente in der Schilderung der Stadt der Menschenfresser. In ActAndrMatt 22 liegt der Schwerpunkt auf der Beschreibung der gesetzlosen Riten und dem Vorgehen der Stadtbewohner, während ActAndrMatt 23 am Beispiel des alten Mannes individuelles ethisches Fehlverhalten in den Blick nimmt. In grammatischer Hinsicht zeigen sich die Differenzen darin, dass ActAndrMatt 22 mehr erzählende und beschreibende Anteile aufweist als ActAndrMatt 23, welches stärker dialogisch gestaltet ist. Indem die Lesenden den Ereignissen dort überwiegend in wörtlicher Rede folgen, wirkt die Erzählung lebendiger und der Verfasser erhöht die Dramatik im Vergleich zu ActAndrMatt 22. Auch auf semantischer Ebene lässt sich diese Steigerung durch die häufige Wiederholung des Wortes »opfern« (σφαγιάζω sphagiazō) und die Schilderung der Emotionen der Kinder ablesen. Die Figurenkonstellation der beiden Erzählungen ist insofern interessant, als dass Andreas als der Initiator der Strafwunder nicht öffentlich in Erscheinung tritt, sondern für die Protagonisten aus dem Off in das Geschehen eingreift. Handlungsträger der beiden Szenen sind die Herrschenden, die nur als Kollektiv auftreten und sprechen. Durch ihre Befehle gegenüber den Henkern (ActAndrMatt 22) 874

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ActAndrMatt 22f.

und den Dienern (ActAndrMatt 23) treiben sie das Geschehen voran. Ebenso wie die Herrschenden ist auch die Gruppe der Henker und Diener nur als Gruppe dargestellt. Während die »Täter« nur als Gruppe dargestellt werden, treten die Opfer als Einzelpersonen hervor. So wird in ActAndrMatt 22 immerhin die genaue Anzahl der toten Wächter genannt. In ActAndrMatt 23, in dem es um die Tötung von Menschen geht, treten dann die Einzelpersonen in Erscheinung. Aus der Gruppe der alten Menschen werden zunächst wieder sieben gewählt, um dann den Fokus auf einen alten Mann zu lenken, der seinen Sohn und anschließend seine Tochter an seiner Stelle töten lassen will, um sein Leben zu retten. Charakterisiert werden die Protagonisten zum einen durch ihre menschenverachtenden Pläne, die sie in ihren Reden zum Ausdruck bringen, zum anderen durch die Verurteilung ihres Tuns und Denkens durch Andreas in seinen Gebeten und die Beschreibung des Erzählers. Durch ihr Handeln und Reden wird sowohl die Gruppe der Herrschenden als auch der Henker als gegenüber anderen Menschen emotionslos dargestellt. Lediglich die Reaktion auf die Wunder wird durch die Beschreibung von Emotionen wie Klage in ActAndrMatt 22 und Furcht seitens der Herrschenden und Henker in ActAndrMatt 23 hervorgehoben. Andreas beurteilt ihr Handeln in seinem Gebet in ActAndrMatt 22 als Schlechtigkeit und bezeichnet sie als gesetzlos. In ActAndrMatt 23 findet die Verurteilung der Tötung der Kinder ihren Ausdruck in Weinen und Klagen des Andreas. Sein Weinen ist eine Reaktion auf das zuvor geschilderte Weinen der Kinder, das von den Dienern jedoch nicht beachtet wird. Insbesondere die Charakterisierung der Herrschenden und Diener ohne jegliche Emotion gegenüber den anderen Menschen steht im Kontrast zu der durch Empathie gekennzeichneten Reaktion des Andreas auf das Geschehen. Während die Herrschenden und Wächter sich in ihrer Charakterisierung nicht verändern, wird der alte Mann in ActAndrMatt 23 vom Opfer der Herrschenden durch sein Handeln zu einem Mittäter. In seiner Not ist er bereit, seinen Sohn anstelle seiner zu opfern. Als die Herrschenden seiner Bitte stattgeben, liefert er ohne äußeren Druck auch seine Tochter aus und verschwindet unversehrt aus der Szene. Dass das Verhalten des alten Mannes als unentschuldbar zu bewerten ist, wird am Schluss der Akten deutlich, in der dieser Mann ebenso wie die Henker in den Hades verbannt werden (ActAndrMatt 31).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Ein zentraler Aspekt der Wundererzählung ist der Umgang mit alten Menschen. Daher soll im Folgenden auf die soziale Situation älterer Menschen in der antiken Gesellschaft eingegangen werden. In der Antike kann davon ausgegangen werden, dass Menschen mit etwa 60 Jahren als alt galten. Der Anteil der über 60-Jährigen ist in der Kaiserzeit innerhalb der Gesamtbevölkerung als eher gering auf ca. 4,5-4,6 Prozent zu schätzen (Brandt 2002, 159). Zu beachten ist, wenn es um die sozialgeschichtlichen Hintergründe geht, ob Aussagen über das Alter, die literarisch ge875

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formt sind, auch die Lebenswirklichkeit der Menschen beschreiben (Wagner-Hasel 2012, 12). Insbesondere in der römischen Zeit ist eine große Diskrepanz zwischen den in der Literatur wertschätzenden Darstellungen alter Menschen und der Realität des Alters zu beobachten. Damit zusammen hängt auch die soziale Position der älteren Menschen. So finden sich von und über wohlhabende alte Menschen und deren Lebensumstände vermehrt Quellen, während über die alten Menschen der unteren Gesellschaftsschichten nahezu keine Zeugnisse erhalten sind (Brandt 2003, 159). Insbesondere kaiserliche Sklaven und auch Freigelassene waren jedoch nicht zwangsläufig von Altersarmut betroffen, da hier zwischen beiden Parteien oft eine Fürsorgeverpflichtung empfunden wurde (Brandt 2002, 159). Als Alterssicherung in der römischen Gesellschaft galt eine große Familie, da Kinder während der republikanischen Zeit zur pietas gegenüber den Eltern verpflichtet waren. Vorbild hierfür war die Figur des Aeneas, der seinen Vater aus Troja rettete. In der Kaiserzeit wurde die Alimentationspflicht gesetzlich geregelt, was auf Schwierigkeiten in der freiwilligen Versorgung der Eltern durch die Kinder hindeutet (Gutsfeld 2003, 164f.). Problematisch war die Versorgung im Alter insbesondere für Eltern, die ihre Kinder verloren hatten. Auf politischer Ebene spielten die alten Männer im römischen Senat eine wichtige Rolle, da ihnen aufgrund ihres Alters nicht nur Erfahrung, sondern auch Weisheit und Besonnenheit zugesprochen wurde (Brandt 2002, 144). Vor allem in der spätrepublikanischen Zeit haben sich jedoch, wie u.a. die Schriften Ciceros zeigen, auf politischer Ebene Konflikte zwischen den Alten und den Jungen ergeben (de sen. 16). Möglich wäre es, dass ActAndrMatt 22f. diesen Generationenkonflikt indirekt aufgreift. Dies würde dann in beide Richtungen geschehen, insofern nicht nur die Herrschenden die alten Menschen umbringen wollen, sondern auch in der Person des alten Mannes die nächste Generation umgebracht werden soll. In den neutestamentlichen Schriften äußern sich vor allem die Pastoralbriefe zum Umgang mit alten Menschen. Die Gemeindeordnung des 1 Tim 5,1-3 differenziert zwischen alten Männern, die mit Respekt behandelt werden sollen, und Witwen, die geehrt werden sollen. Als Vorbild für die Jüngeren dienen alte Menschen auch im Titusbrief und im 1 Petr 5,5, sofern sie die christlichen Tugenden verkörpern (Tit 2,3). Die Pastoralbriefe orientieren sich mit der Nennung von 60 Jahren an der römischen Gesetzgebung (Hermann-Otto 2003, 184). Bezüglich der Altersstruktur der frühen christlichen Gemeinden lassen sich aufgrund der fehlenden Angaben kaum gesicherte Aussagen treffen (Hermann-Otto 2003, 188). Bei den frühen Kirchenvätern findet sich das Motiv der Tötung und Misshandlung von alten Menschen als barbarische Sitte, der durch das Christentum Einhalt geboten wird (vgl. Eus. praep. 1,4,6-8).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund In der Erzählung finden sich keine direkten Zitate aus biblischen oder antiken Quellen. Einzelne Motive aus ActAndrMatt 22f. finden sich jedoch auch in der biblischen sowie der antiken griechischen und römischen Literatur. 876

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ActAndrMatt 22f.

Die Brutalität des Geschehens in ActAndrMatt 22f. wird durch die Wahl der beiden von demselben Stamm gebildeten griechischen Worte σφάζω (sphazō – töten, opfern) und σφαγιάζω (sphagiazō – opfern, schlachten) betont. Ersteres findet nicht nur im kultischen Kontext des Schlachtens von Opfertieren (z.B. Ex 29,11.16; Lev 1,5.11 u.ö.) Verwendung, sondern auch dann, wenn das Töten als besonders grausam geschildert werden soll. So tötet Elija die Baalspriester in 1 Kön 18,40; in Ps 36,14LXX werden die Frommen durch die Gottlosen umgebracht oder in Jer 52,10 die Söhne Zedekijas vor seinen Augen ermordet. Die wörtlich dichteste Parallele zu ActAndrMatt 23 findet sich in der Bindung Isaaks, in der das Handeln Abrahams gegenüber Isaak in Gen 22,10LXX mit σφάζω (sphazō) beschrieben wird und zudem das Werkzeug Abrahams (μάχαιρα machaira – Messer) dasselbe ist. Ebenso findet sich hier das Motiv der erhobenen Hand. In der Rezeption der Bindung Isaaks findet sich dann für Abrahams Handeln das Verb σφαγιάζω (sphagiazō): 4 Makk 13,12 erinnert an Isaaks Frömmigkeit, die sich darin zeigte, dass er sich hinschlachten ließ (»Er beschwor die Vergangenheit mit den Worten: Denkt daran, […] wes Vaters Hand war es, durch die sich Isaak um der Frömmigkeit willen geduldig hatte hinschlachten lassen«), und 4 Makk 16,20 nimmt die Bindung Isaaks als Vorbild, die augenblicklichen Bedrängungen um Gottes willen zu ertragen. Bei Philo von Alexandria findet das Wort ebenfalls in der Aufnahme der Bindung Isaaks Verwendung (Abr. 169f.); er kennt jedoch auch die kultische Verwendung für Tieropfer (z.B. spec. 1,231.268; 2,148). Auszumachen sind weiterhin unterschiedliche Traditionen, die in ActAndrMatt 22f. miteinander verknüpft sind. Zu differenzieren ist zwischen dem Essen von Toten, dem Töten bzw. Opfern von alten Menschen und noch einmal dem Opfern der Kinder. ActAndrMatt 22 stellt die Tötung und den Kannibalismus insbesondere alter Menschen ins Zentrum. In der griechischen Ethnographie der griechischen und römischen Antike finden sich mehrfach Überlieferungen über Völker, in denen alte Menschen getötet (und verspeist) wurden. Diese Darstellungen beziehen sich meist auf die Vergangenheit oder spielen an den Rändern der bekannten Welt. Sie schildern Gesellschaften, die keine Achtung vor den griechischen Grundwerten haben (Graf 1999, 247). Von der Sitte, ältere Menschen zu töten, um ihr Fleisch zu essen, berichtet Herodot: Bei den Massageten werden nach seinen Angaben die Alten oder Kranken geopfert (θύω thuō) und von den Angehörigen verspeist (Hdt. 1,216; 3,99). Ähnliches berichtet er auch über ein Volk in Indien (Hdt. 3,99). Weiter verbreitet als der Mord und Endokannibalismus an alten Menschen sind Berichte über Gesellschaften, in denen ältere Menschen freiwillig oder gezwungenermaßen Selbstmord begehen (vgl. Philo Abr. 182 [Gymnosophisten]; Strab. geogr. 10,5.6). Der Kannibalismus als Verletzung des Gastrechts gegenüber Fremden findet sich in der Odyssee, in der der Kyklop Polyphem Odysseus und seine Gefährten in seiner Höhle gefangen hält und täglich zwei von ihnen verspeist, bis Odysseus durch eine List die Flucht und Rettung gelingt (Hom. Od. 9,116-542). Für die Opferung von Kindern finden sich im antiken und biblischen Stoff mehrere Parallelen. Der König von Moab opfert seinen erstgeborenen Sohn, um die Schlacht gegen Israel noch zu gewinnen (2 Kön 3,26-27). In der Erzählung von Jeph877

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tas Tochter (Ri 11,34-40) geschieht die Tötung der Tochter aufgrund eines Schwurs. In beiden Erzählungen geht es bei der Opferung des Kindes nicht um die eigene Rettung, sondern um die Rettung des Stammes. In der griechischen Tragödie empfindet Agamemnon das Urteil, seine Tochter zu opfern, als unentrinnbares Schicksal, auch wenn in der Hartherzigkeit Agamemnons eine Parallele zu dem alten Mann aus ActAndrMatt 23 gesehen werden kann, wie MacDonald (1994a, 50f.) anmerkt. Auch wenn Agamemnon von der Mutter Clymestra und dem Chor Grausamkeit vorgeworfen wird und die Tragödie durch die »Rettung« von Iphigenie die Opferung des Kindes als grausame Fehlhandlung bewertet, so wird die Grausamkeit des alten Mannes in ActAndrMatt 23 um ein Vielfaches gesteigert, da er zudem ohne Not auch das zweite Kind ausliefert (παραδίδωμι paradidōmi). In diesen Punkten unterscheidet sich die Erzählung in ActAndrMatt 23 auch von beiden alttestamentlichen Erzählungen. Eine Parallele zur Wundererzählung in ActAndrMatt 23 findet sich darin, dass es sowohl bei Iphigenie, aber auch bei der oben erwähnten Bindung Isaaks (Gen 22) in letzter Sekunde durch das göttliche Eingreifen zur Rettung des Kindes kommt. Diese geschieht jedoch nicht durch die Bestrafung der Opfernden, sondern durch das Bereitstellen eines Ersatzopfers. Die Verurteilung der Tat ist in ActAndrMatt 23 damit wesentlich eindeutiger. Schilderungen vom Verzehren von Gestorbenen finden sich in der Hebräischen Bibel u.a. in Klageliedern (Klgl 4,10). Das drastische Bild in den Klageliedern impliziert und beklagt, dass die extreme Notlage der Menschen diese zu Handlungen veranlasst, die sie in einer konkreten historischen Situation zu »Barbaren« werden lässt. Während diese Erzählungen jedoch historisch kontextualisiert werden, schildert die Erzählung von den Menschenfressern ein fiktives Volk. Auffällig ist, dass sich zwar einzelne Motive aus ActAndrMatt 22f. in der antiken Literatur finden, an keiner Stelle jedoch Fremde, Verstorbene, alte Menschen und Kinder gleichermaßen als Speise angegeben werden. Alle drei Elemente, die in der antiken Literatur je für sich als schlimme bzw. barbarische Taten gewertet werden, werden in ActAndrMatt 22f. zusammengestellt, so dass es zu einer Steigerung der Schlechtigkeit der Stadtbewohner ins nahezu Unermessliche kommt.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die beiden Kapitel schildern eine barbarische und gesetzlose Gesellschaft. Durch die Addition verschiedener antiker Motive des Tötens und Verspeisens von Menschen, die je einzeln bereits als größtes Verbrechen gelten, steigert die Erzählung der Akten des Andreas und Matthias die Darstellung der Stadt der Menschenfresser in an Grausamkeit und barbarischem Verhalten unvorstellbare Dimensionen. Da die Figuren über weite Teile der Erzählung nicht als Individuen geschildert werden, überwiegt der Aspekt einer Gesellschaft, die ethische Normen missachtet. Dies wird unterstützt durch klare hierarchische Strukturen, in denen nur die Herrschenden Entscheidungsbefugnisse besitzen, während alle anderen nur die Ausführenden oder Opfer der politischen 878

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ActAndrMatt 22f.

Entscheidungen sind. ActAndrMatt 23 führt durch die Figur des alten Mannes jedoch auch eine individual-ethische Perspektive ein, indem er bereit ist, für sein eigenes Leben das Leben anderer zu opfern. In ihrem Handeln und Denken widersprechen, abgesehen von den beiden Kindern, damit sowohl die Einzelfigur als auch die Gruppen wichtigen Aspekten der christlichen Tradition wie dem Tötungsverbot, dem Erbarmen, der Sorge und der Würde vor alten Menschen und Kindern und auch der Bereitschaft, sein Leben für andere zu geben. Insbesondere die Hartherzigkeit der Henker in ActAndrMatt 23, die sich der Kinder nicht erbarmen (σπλαγχνίζω splagchnizō), findet ein Gegenstück in der in den Evangelien beschriebenen Haltung Jesu, der sich der Kranken und Trauernden erbarmt (Mk 1,40-45; Mt 14,14; 20,29-34; Lk 7,13), und in den Gleichniserzählungen des Lukasevangeliums, in denen das Erbarmen als vorbildlich dargestellt wird (Lk 10,33; 15,20). Mit seiner Haltung könnte der Apostel Andreas zum einen in diese Tradition gestellt werden, zum anderen greift Gott in das Geschehen ein und verhindert weiteres Unrecht. Indem der Apostel das Verspeisen der Leichen und die Tötung der Kinder verhindert, trägt die Erzählung auch apologetische Züge. Kinderopfer und Kannibalismus wurden in der Antike als Propaganda genutzt, um die Angst vor Randgruppen zu schüren (Graf 1999, 247). So findet sich bei Flavius Josephus der Vorwurf gegen Juden, sie würden Menschenopfer durchführen (Flav. Jos. Apion. 2,91-96). Bei Tacitus findet sich die Aussage, dass die Christen Menschenhasser (odium generis humani) gewesen seien. Die Strafwunder aus ActAndrMatt 22f. könnten zur Entkräftung dieses Vorurteils dienen. Während die Wunder in den folgenden Kapiteln darauf zielen, den Stadtbewohnern die Stärke Gottes und Christi zu zeigen und sie so zu missionieren, geschehen die Wunder in ActAndrMatt 22f. ohne das Auftreten eines Wundertäters in der Öffentlichkeit. Allein die Lesenden kennen den, der die Wunder wirkt. In seinem Gebet wird das Vertrauen des Andreas erkennbar, das Gott Gerechtigkeit herstellen wird und Unrecht bestraft. Sein Vertrauen im Gebet könnte daher auch als ein Vorbild verstanden werden.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die Schilderung von Menschen, die Menschenfleisch verspeisen, findet sich in der Literatur insbesondere in der Reaktion auf Krisenzeiten immer wieder. Die Darstellungen zeigen jedoch keinen Einfluss der Akten des Andreas und Matthias. Friederike Oertelt

Literatur zum Weiterlesen H. Brandt, Wird auch silbern mein Haar. Eine Geschichte des Alters in der Antike, München 2002.

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A. Gutsfeld, ›Das schwache Lebensalter.‹ Die Alten in den Rechtsquellen der Prinzipatszeit, in: ders./W. Schmitz (Hg.), Am schlimmen Rand des Lebens? Altersbilder in der Antike, Köln u.a. 2003, 161-180. A. Hilhorst/P. J. Lalleman, The Acts of Andrew and Matthias. Is it part of the original Acts of Andrew?, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000a. D. R. MacDonald, The Acts of Andrew and the Acts of Andrew and Matthias in the City of the Cannibals, SBL.TT 33, Atlanta 1990a. B. Wagner-Hasel, Alter in der Antike. Eine Kulturgeschichte, Köln u.a. 2012.

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Ein apostolischer Streich mit dem Sintflutwasser (Strafwunder durch Flut aus Statue und Auferweckung der Toten) ActAndrMatt 29-32 (29) Der Herr erschien im Gefängnis, er streckte seine Hand aus und sagte zu Andreas: »Gib mir deine Hand und steh gesund auf.« Als Andreas den Herrn sah, gab er ihm seine Hand und stand gesund auf. Er warf sich vor ihm nieder auf die Knie und sprach: »Ich danke dir, mein Herr Jesus Christus.« Als Andreas in die Mitte des Gefängnisses blickte, sah er eine Säule stehen und auf der Säule befand sich eine Alabasterstatue. Er streckte seine Hände aus und sagte zu der Säule und zu der Statue auf ihr: »Fürchte das Zeichen des Kreuzes, vor dem Himmel und Erde zittern, und es soll die Statue, die sich auf der Säule befindet, so viel Wasser aus ihrem Munde speien wie bei einer Sintflut, damit die Leute in dieser Stadt gezüchtigt werden. Fürchte dich nicht, Stein, und sag, weil ich Stein bin, bin ich nicht würdig, den Herrn zu loben. Denn auch Ihr seid geehrt. Uns nämlich hat der Herr von der Erde gebildet. Ihr aber seid rein. Deswegen hat Gott aus Euch seinem Volk die Tafeln des Gesetzes gegeben. Denn Er hat nicht auf goldenen oder silbernen Tafeln geschrieben, sondern auf Tafeln aus Stein. Jetzt also, Statue, erledige dieses Geschäft!« Als der selige Andreas dies gesagt hatte, spie die steinerne Statue sofort aus ihrem Mund viel Wasser wie aus einem Kanal. Und das Wasser stieg hoch auf der Erde. Es war sehr salzig und fraß das Fleisch der Menschen. (30) Als es Morgen wurde, sahen das die Männer der Stadt, schickten sich an zu fliehen und sagten zueinander: »Wehe uns, denn jetzt sterben wir!« Und das Wasser tötete ihr Vieh und ihre Kinder. Und sie schickten sich an, aus der Stadt zu fliehen. Da sprach Andreas zu dem Herrn: »Herr Jesus Christus, ich bin schon dabei, dieses Zeichen in dieser Stadt in Angriff zu nehmen und zu tun. Verlass mich nicht, sondern schick deinen Erzengel Michael in einer Wolke aus Feuer und umgib diese Stadt mit einer Mauer, damit, wenn jemand aus der Stadt fliehen will, er nicht durch das Feuer hindurchkommen kann.« Und sofort stieg eine Wolke aus Feuer nieder und umzingelte die ganze Stadt wie eine Mauer. Als Andreas merkte, wie das Geschäft erledigt war, pries er den Herrn. Das Wasser aber stieg bis an den Hals der Männer und fraß an ihnen sehr. Und sie weinten und riefen, indem sie alle sagten: »Wehe uns! Denn alle diese Dinge sind über uns gekommen wegen dieses Fremden, der im Gefängnis ist und den wir dem Leiden übergaben. Was sollen wir tun? Lasst uns zum Gefängnis gehen und ihn freimachen, damit wir 881

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nicht in diesem Sintflutwasser sterben. Aber lasst uns alle rufen: ›Wir glauben dir, o Gott dieses fremden Menschen. Und nimm von uns dieses Wasser!‹ Und sie alle gingen aus und riefen mit lauter Stimme: »O Gott, dieses fremden Menschen, nimm von uns dieses Wasser.« Und Andreas erkannte, dass ihre Seele ihm unterwürfig war, und danach sagte der selige Andreas zur Statue aus Alabaster: »Hör auf, Wasser aus deinem Munde zu speien, denn die Zeit der Ruhe ist vorbei. Denn siehe, ich gehe hinaus und verkündige das Wort des Herrn. Ich sage dir aber, du Säule aus Stein, wenn die Leute dieser Stadt glauben, werde ich eine Kirche aufrichten und dich in ihr aufstellen, denn du hast mir diesen Dienst erwiesen.« Und die Statue hörte auf zu speien und brachte kein Wasser mehr hervor. Andreas verließ das Gefängnis und das Wasser lief vor den Füßen des seligen Andreas auseinander. Und die Leute der Stadt kamen vor die Tore des Gefängnisses und riefen: »Erbarme dich unser, o Gott des fremden Mannes, und verfahre nicht mit uns, wie wir mit diesem Mann verfahren sind.« (31) Und es kam der Greis, der seine Kinder übergeben hatte, damit man sie schlachte an seiner Statt. Er bat dem seligen Andreas zu Füßen: »Erbarme dich meiner!« Und der heilige Andreas antwortete und sagte zu dem Greis: »Es wundert mich, wie du sagen kannst: ›Erbarme dich meiner‹, du hast dich ja auch nicht deiner Kinder erbarmt, sondern hast sie übergeben an deiner Statt. Ich sage dir also, in der Stunde, da dieses Wasser sich zurückzieht, wirst du zusammen mit den vierzehn Henkern, die täglich die Menschen getötet haben, in den Abgrund gehen, und Ihr werdet im Hades verbleiben, bis ich ein nächstes Mal zurückkehre und Euch heraufhole. Jetzt gehet in den Abgrund, dass ich den Henkern den Ort Eures Mordes und den Ort des Friedens zeigen kann, und diesem Greis den Ort der Liebe und der Übergabe seiner Kinder. Jetzt also folgt mir alle.« Als die Männer der Stadt [ihm] folgten, teilte sich das Wasser vor den Füßen des seligen Andreas, bis er an den Ort der Kelter kam, wo sie die Menschen schlachteten. Und der selige Apostel Andreas blickte zum Himmel hinauf und betete vor der ganzen Menge, und die Erde öffnete sich und verschluckte das Wasser zusammen mit dem Greis. Er wurde zusammen mit den Henkern in den Abgrund herniedergeführt. Als die Männer sahen, was geschehen war, fürchteten sie sich sehr und begannen zu sagen: »Wehe uns, denn dieser Mensch ist aus Gott, und jetzt tötet er uns wegen der Bedrängnisse, die wir ihm verursacht haben. Denn siehe, was er den Henkern und dem Greis gesagt hat, ist ihnen geschehen. Nun also wird er dem Feuer gebieten, und es wird uns verbrennen.« Und als Andreas das hörte, sagte er zu ihnen: »Fürchtet Euch nicht, meine Kinder. Auch jene nämlich werde ich nicht im Hades lassen; aber sie sind dorthin gegangen, damit Ihr zum Glauben an unseren Herrn Jesus Christus kommt.« 882

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(32) Danach befahl der selige Andreas, dass alle, die im Wasser getötet waren, herbeigebracht werden sollten; aber die Männer waren nicht imstande, sie zu bringen. Denn es war eine große Menge von Männern, Frauen, Kindern und Vieh gestorben. Da betete Andreas, und alle kamen wieder zum Leben. Danach prägte er ein Modell einer Kirche und ließ die Kirche am Ort erbauen, wo die Säule im Gefängnis stand. Und nach der Taufe übergab er ihnen die Gebote unseres Herrn Jesus Christus mit den Worten: »Haltet Euch zu diesen Geboten, damit Ihr die Mysterien unseres Herrn Jesus Christus kennt, denn groß ist seine Kraft. Ich werde sie Euch nicht jetzt übergeben, sondern ich gehe an meine Jünger.« Und sie baten ihn: »Wir bitten dich, bleib bei uns einige Tage, damit wir von deiner Quelle gelabt werden, denn wir sind Neophyten.« Doch er ließ sich von ihren Bitten nicht überreden, sondern sagte zu ihnen: »Ich werde zuerst zu meinen Jüngern gehen.« Und die Kinder gingen ihm weinend und bittend hinterher zusammen mit den Männern und sie warfen Asche auf ihre Häupter. Und er ließ sich nicht von ihnen überreden, sondern sagte: »Ich werde zu meinen Jüngern gehen und danach werde ich wieder zu Euch kommen.« Und er ging seines Weges.

Sprachlich-narratologische Analyse Diese Strafwundererzählung ist mit einer Epiphanie- und Heilungserzählung eng verbunden. Die zwei Geschichten sind miteinander verwoben. Es ist überhaupt ein Merkmal der Akten des Andreas und Matthias, dass Christus oft entweder vor Matthias oder Andreas erscheint (3; 4; 5-17; 18; 24; 33). Gelegentlich finden wir Wiedererkennungserzählungen (ἀνάγνωρις anagnōris, vgl. insbesondere 5-17) im Anschluss an die klassische griechisch-römische Literatur (siehe hierzu Larsen 2008, 25-33; 44-71). Andere Male erscheint Christus deutlich und ohne Gestaltwandel vor seinen Jüngern (z.B. 4; 24). Die vorliegende Geschichte ist eine Ausführung dessen, was schon in ActAndrMatt 3 von Christus Matthias verheißen wurde: »Verweile hier (sc. im Gefängnis) 27 Tage, um der Wartung der vielen Seelen willen, und danach schicke ich dir Andreas, der dich aus diesem Gefängnis herausführen wird, nicht dich allein, sondern auch all diejenigen, die zusammen mit dir sind«. Im Anschluss an ActAndrMatt 24, wo Andreas von der Volksmenge aufgegriffen wird und später aufgrund der Initiative des Teufels ins Gefängnis übergeben wird, spielt ActAndrMatt 29 sich im Gefängnis ab. In den vorausgehenden Kapiteln – beginnend mit ActAndrMatt 24 – ist Andreas mehrfach durch die Stadt (in der lateinisch und anglo-sächsischen Überlieferung mit einer Form von Myrmidonien identifiziert, während die Stadt mit einer Ausnahme in der griechischen Überlieferung anonym bleibt, siehe McDonald 1990, 65f.) Spießruten gelaufen, wobei man ihn auch gewaltsam gepeinigt hat. Schon im ActAndrMatt 25 ist seine Transformation in Richtung einer Christusfigur angedeutet, die ihren Zenit im ActAndrMatt 28 883

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erreicht. Nachdem Andreas wiedermal gebunden mit einem Strick um seinen Hals durch die Stadt geschleppt wird, klebt sein Fleisch am Boden und sein Blut läuft wie Wasser den Boden herunter. Zu diesem Zeitpunkt ruft Andreas in Verzweiflung: »Herr Jesus Christus, die Leiden sind genug. Denn ich bin erschöpft. Sieh, was der Feind und seine Dämonen mir verursacht haben. Herr, erinnere dich, wie du drei Stunden am Kreuz verbracht hast und wie du kleinmutig warst, als du riefst: ›Herr, warum hast du mich verlassen?‹ Andreas schließt seine im Text viel längeren Monologe mit dem Ausruf ab: »und Du, Herr, hast dich mir nicht offenbart, um mein Herz zu stärken«. Danach hat Andreas eine Audition, in der eine Stimme vom Himmel ihn auf Hebräisch – unter Hinweis auf Mk 13,31 (mit Parallelen in Mt 24,35; Lk 21,33; Apg 26,14) – aufmuntert: »Andreas, Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Sieh hinter dich, was mit deinem gefallenen Fleisch und Haar passiert ist.« Nach dieser Audition empfängt Andreas eine Vision, in der er einen großen Baum mit Sprossen und Früchten sieht. Die Vision führt ihn zur Erkenntnis: »Herr, ich erkenne, dass du mich nicht verlassen hast.« Als Abschluss dieser Erzählung und als Brücke zur folgenden Geschichte heißt es: »Als es Abend wurde, warfen sie ihn ins Gefängnis. Und er war schon sehr erschöpft. Die Männer der Stadt sagten zueinander: ›Er wird bald sterben, denn er ist erschöpft und sein Fleisch ermattet.‹« Gerade an diesem Punkt fängt die Epiphanie- und Heilungserzählung an, die unsere Geschichte einleitet. Die Epiphanie findet augenscheinlich ohne Gestaltwandel statt. Im Gegensatz zu zwei anderen Epiphanieerzählungen, wo Jesus in der Figur eines Kapitäns (5-17) oder in der Gestalt eines kleinen Kindes (18; 33 – obwohl Christus in beiden dieser Erzählungen sofort von Andreas wiederentdeckt wird) erscheint, tritt Christus ihm direkt vor Augen und fordert ihn auf, ihm seine Hand zu geben, um dadurch gesund aufstehen zu dürfen. Als Andreas den Herrn wiedererkannt hat, reicht er ihm seine Hand und steht gesund auf. Obwohl die Kausalität zwischen Handreichung und Heilung in der Geschichte nicht entfaltet wird, macht die folgende narrative Sequenz es klar, dass die erste Handlung Voraussetzung der nachfolgenden Heilung ist. Andreas wirft sich auf die Knie, betet Christus an und spricht seinen Dank für seine Gesundung aus. Gerade an diesem Punkt fängt die Wundergeschichte an, die in ActAndrMatt 33 mit einer erneuten Epiphanieerzählung verbunden wird. Die Strafwundererzählung besteht aus zwölf Teilen. Als erstes haben wir die Szene, in der Andreas mit der im Gefängnis stehenden Statue verabredet, wie sie die Stadt durch ständige Ausgießung von Wasser wie eine Sintflut überschwemmen soll. Als zweites folgt die Reaktion der Bevölkerung der Stadt, worauf sie beginnen, aus der Stadt zu fliehen. Als drittes gibt es ein Zwischenspiel, indem Andreas sich an Christus wendet, um zu vermeiden, dass es den Einwohnern der Stadt gelingt, aus ihr zu fliehen. Andreas betet, dass Christus Michael, den mit dem letzten Urteil verbundenen strafenden Erzengel, schickt, dass er die Stadt mit Feuer umgibt, so dass es niemandem gelingt, aus der Stadt zu entfliehen. Als viertes steigt auf das Gebet des Andreas hin eine Wolke aus Feuer aus dem Himmel herab und umgibt die Stadt wie eine Mauer. Als fünftes folgt die Reaktion des Andreas, indem er Christus lobpreist. Als sechstes 884

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wendet sich die Bevölkerung der Stadt aus Angst vor der Flut verzweifelt an den Gott des Andreas. Als siebtes erkennt Andreas, dass die Bevölkerung ihm gehorsam gewesen ist und dadurch auch bereit für seine Verkündigung ist. Er wendet sich an die Statue und fordert sie auf, kein Wasser mehr zu speien. Er verheißt der Statue, dass er nach der Umkehr der Bevölkerung eine Kirche erbauen wird, in der er die Statue aufstellen will. Als achtes verlässt Andreas das Gefängnis und erkennt, dass sich das Wasser zurückgezogen hat. Als neuntes folgt noch eine Szene, welche die Reue der Bevölkerung thematisiert. Als Teil dieser narrativen Sequenz und gewissermaßen als selbständige Episode wird ein Dialog zwischen Andreas und dem Greis, dessen Geschichte in ActAndrMatt 23 erzählt wird, dargestellt. Die Herrscher der Stadt haben ein Opfer von sieben Greisen befohlen, die durch eine kleronomantische Praxis unter allen Greisen der Stadt ausgewählt werden sollen. Ein Greis aber entkommt dem Opfer, weil er den Herrschern statt seiner selbst seinen kleinen Sohn und später seine Tochter angeboten hat. Dieser Greis wirft sich Andreas zu Füßen und bittet ihn: »Erbarme dich meiner«. Andreas tadelt ihn, weil er statt seiner selbst seinen Sohn und seine Tochter zum Opfer gebracht hat, und verurteilt ihn, nachdem das Wasser sich zurückgezogen hat, zusammen mit den Herrschern, welche die Opfer täglich ausgeführt haben (vgl. ActAndrMatt 23), zu der Strafe, dass sie in der Hölle verbleiben sollen, bis Andreas am Jüngsten Tag zurückkehrt, um auch sie zu erlösen. Dadurch sollen sie den Unterschied zwischen dem Ort des Mordes und dem Ort des Friedens, dem Ort der Übergabe und dem Ort der Liebe kennenlernen. Die Bevölkerung folgt Andreas, und wie zur Zeit der Auswanderung aus Ägypten teilt sich das Wasser vor den Füßen des Andreas, bis sie an den Ort ankommen, wo die Hinrichtungen stattgefunden haben. An diesem Ort betet Andreas – wie Jesus in den synoptischen Evangelien mit dem Blick an den Himmel gerichtet – vor der Menge. Danach öffnet die Erde sich, saugt das Wasser auf, und der Greis wird zusammen mit den Scharfrichtern in die Hölle geschleppt. Als zehntes folgt die Reaktion der Bevölkerung auf das Strafwunder: Voller Angst fürchten sie sich, dass sie derselben Strafe unterliegen werden. Andreas tröstet sie mit der Verheißung, dass diejenigen, die in der Hölle sind, nicht dort bleiben sollen. Sie sind nur dort hingegangen, um die anderen zum Glauben an Christus zu bringen. Als elftes fordert Andreas die Einwohner auf, die Ertrunkenen zu ihm zu bringen. Doch weil es zu viele sind, sind die Einwohner der Stadt nicht imstande, die Aufforderung des Andreas auszuführen. Andreas betet abermals, und alle Toten sind wiederbelebt. Danach – und in Verlängerung der oben angeführten narrativen Sequenz 7 – erbaut Andreas die der Statue verheißene Kirche an dem Ort, wo die Säule im Gefängnis stand. Er tauft die Bevölkerung und übergibt ihnen Christi Gebote. Es ist an diesem Punkt im Text nicht völlig klar, ob es eine Lücke gibt oder nicht. Die Worte des Andreas, dass er der Menge »sie« nicht jetzt übergeben werde, weist entweder auf die Gebote zurück, was nicht mit dem vorigen Satz logisch zusammenhängt, oder deutet auf die Geheimnisse (τὰ μυστήρια ta mystēria), was verstehbar ist, aber kaum übereinstimmt mit dem vorigen Satz, der die Gebote mit den Geheimnissen identifiziert. Wie dem auch sei: Andreas stellt fest, dass er nicht bei ihnen bleiben werde, sondern dass er zu 885

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seinen Jüngern gehen wird. Als zwölftes – und abschließend – folgt eine Szene, in der die Bekehrten Einwohner der Stadt Andreas bereden, bei ihnen zu verweilen. Andreas jedoch lässt sich auf ihrem Wunsch nicht ein, sondern verheißt ihnen, dass er zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren werde. Jetzt aber müsse er zu seinen Jüngern gehen. Fassen wir die zwölf narrativen Sequenzen semiotisch zusammen, besteht die Erzählung aus drei miteinander verwickelten Pakten im Sinne von A. J. Greimas (Greimas 1979a, 69-71). Der eine Pakt betrifft die Relation zwischen Andreas und Christus, während der andere Pakt die Beziehung zwischen Andreas und den mit menschlichen Zügen versehenen Statue angeht. Als dritten und letzten Pakt finden wir den Wortwechsel zwischen Andreas und den Einwohnern der Stadt. Andreas ist im Namen Christi berufen, die Bevölkerung der Stadt zu bekehren. Um mit diesem Projekt Erfolg zu haben, muss er jedoch erst den Widerstand der Einwohner der Stadt durch ein Strafwunder überwinden. Das bedeutet, dass Andreas sich in dreifachen Kontraktbeziehungen befindet. Im ersten Kontrakt zwischen ihm und Christus ist er der »Paktdiener« oder der Berufene, der im Namen des »Kontraktherrn« handeln soll und die Forderung des Paktes erfüllen muss. Im zweiten Pakt ist Andreas der Kontraktherr, der sich für die Erfüllung der Kontraktforderung des ersten Paktes der Hilfe einer Statue bedient. Da die Statue mit menschlichen Eigenschaften versehen ist, erscheint es sinnvoll, die Statue – obwohl ein Instrument zur Erfüllung der Pläne des Andreas – als Kontraktdiener in Relation zu Andreas aufzufassen. Zum Beispiel ist Andreas imstande, mit der Statue ein Gespräch zu führen. Andreas geht deshalb tatsächlich einen Pakt mit der Statue ein. Für ihre Erfüllung der Kontraktforderung wird die Statue dann auch mit einer Kirche belohnt, in der sie den prominentesten Platzt bekommt. In seinem Bestreben, die Einwohner der Stadt zu bekehren, geht Andreas einen dritten Pakt ein, in dem er der Kontraktherr ist und die Stadtbevölkerung die Kontraktdiener sind. Diese Kontraktdiener sind aber, was die gesamte Erzählung der Akten des Andreas und Matthias deutlich macht, nicht besonders bereit, sich bekehren zu lassen. Von einer übergeordneten Perspektive her ist die Geschichte in einer Progressionsnarrative eingebettet (siehe hierzu Davidsen 1993, 61-63 im Anschluss an Bremond 1973), welche die Einwohner der Stadt schließlich zu einer höheren Form von Existenz leiten soll, nämlich derjenigen von Christen. Um dieses Ziel zu erreichen, finden wir in der vorliegenden Erzählung eine Repressionsnarrative, welche die Bevölkerung in ihrem gegenwärtigen Zustand festhalten soll (vgl. dazu das Schaubild unten und Klostergaard Petersen zu ActAndr[Greg] 29 in diesem Band): »Fürchte das Zeichen des Kreuzes, vor dem Himmel und Erde zittern, und es soll die Statue, die sich auf der Säule befindet, so viel Wasser aus ihrem Munde speien wie bei einer Sintflut, damit die Leute in dieser Stadt gezüchtigt werden.« Dieses Strafwunder dient dem Zweck, die Einwohner der Stadt in einem negativen Zustand festzuhalten, was im Schaubild wertemäßig mit »− → −« wiedergegeben wird. Die Bewahrung des gegenwärtigen negativen Seins der Einwohner der Stadt durch ein Strafwunder soll aber in der übergeordneten Narrative dazu dienen, dass sie sich schließlich zum Christentum bekehren. 886

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Veränderung des Seins

Progression 0 ➝ +/– ➝ 0/– ➝ +

Dregression + ➝ 0/0 ➝ –/+ ➝ –

Bewahrung des Seins

Protektion + ➝ +/0 ➝ 0*

Repression – ➝ –/0 ➝ 0*

* Wenn den Werten der Narrative ›neutraler‹ Wert zugeschrieben ist, dann ist die Kategorisierung der Narrative von dem übergeordneten narrativen Ziel abhängig.

Tab. 6: Die vier Basalnarrative

Aufgrund dieser Überlegungen können wir die narrative Struktur der Erzählung vereinfachen. Obwohl die Geschichte aus drei Kontrakten besteht, ist der Pakt zwischen Andreas und den Einwohnern der Stadt – gattungsmäßig – von einer übergeordneten Bedeutung, da wir es mit einer Strafwundergeschichte zu tun haben. Wie bei Volks- oder Kleinliteratur im Allgemeinen ist die Handlungsphase der Erzählung besonders entwickelt. Dreimal wird Andreas mit der Bevölkerung konfrontiert, wobei die Einwohner durch ein ständig größeres Verständnis zur Erkenntnis kommen, dass es nötig ist, sich bekehren zu lassen. Die erste narrative Sequenz schildert die ›Kontraktberufungen‹ des Andreas und der Statue, in denen die zwei ersten Pakte konstituiert werden. Die Beziehung zwischen Andreas und der Bevölkerung der Stadt ist schon in der vorhergehenden Geschichte zustande gekommen und wird deshalb in der zweiten narrativen Sequenz vorausgesetzt. Diese Sequenz schildert den Anfang der Handlungsphase im Pakt zwischen Andreas und den Einwohnern und läuft mit Ausnahme einzelner narrativer Rekurse auf die zwei übrigen Kontrakte (die Sequenzen Nummer 3, 5, 7 und 8) bis zum Ende der Narrative, wo die Beurteilungsphase – beginnend mit Sequenz Nummer 10 – einsetzt. In der Episode 10 verheißt Andreas den Einwohnern, dass auch diejenigen, die in den Hades gekommen sind, wiederauferweckt werden sollen, während Sequenz 11 darstellt, wie die Ertrunkenen wieder zum Leben gebracht werden und wie die Kirche erbaut wird, in der die Statue einen prominenten Platz erhält, und endlich, dass die Einwohner alle getauft werden. Mit der letzten, zwölften Sequenz (12) schließt die Erzählung; aber zur selben Zeit wird eine neue Narrative eingeleitet, die in den nächsten Kapiteln der Akten des Andreas und Matthias weiter entfaltet wird.

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Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Der Text kommt scheinbar als ein ätiologischer Mythos vor (vgl. ActAndrMatt 32). Wenn es tatsächlich eine sichere Verbindung zwischen den Akten des Andreas und Matthias und einer identifizierbaren Stadt gäbe, hätten wir es in der Tat mit einem ätiologischen Mythos zu tun. Er würde erklären, warum es in einer bestimmten Kirche eine Statue mit Säule gibt. Doch die Stadt in unserer Erzählung hat noch nicht einmal einen Namen; sie existiert wohl nur in der narrativen Welt. Daher haben wir es hier gewissermaßen mit einer Pseudoätiologie zu tun (für einen modernen Bibelleser ist auch die Salzsäule, die an Lots Frau erinnert, nur Teil einer narrativen Welt).

Religions- und traditionsgeschichtlicher Hintergrund Es gibt in dieser Geschichte mehrere Motive, die religions- und traditionsgeschichtlich bemerkenswert sind. Was besonders in die Augen fällt, sind zwei Elemente, auf die wir uns konzentrieren werden. Das eine ist die Zuschreibung von Eigenschaften an Andreas, die in der früheren christlichen Literatur traditionell Christus zugehören. Das zweite augenfällige Element ist der spezielle Charakter des ›Schauwunders‹. Es wird in der Forschung häufig behauptet, dass die Akten des Andreas und Matthias Wundergeschichten enthalten, die im Vergleich mit sowohl der früheren wie der gleichzeitigen Wundertradition fantastisch erscheinen. Jean-Marc Prieur zum Beispiel behauptet in seiner Erörterung des Verhältnisses zwischen den Andreasakten und den Akten des Andreas und Matthias, dass es ein Merkmal der Wundererzählungen der beiden Texte sei, dass ihr Geschmack des Wunderbaren (Kannibale, Kataklysmen, Geburt auf den Wolken) weniger ausgeprägt in den Andreasakten ist, die saubere Wunder darstellen mit dem Zweck, weniger zu erstaunen als vielmehr zu verursachen, dass Glaube geboren und bestätigt wird. Diese (sc. die Wunder) sind beinahe immer Austreibungen, Erweckungen und Heilungen wie im Neuen Testament (Prieur 1986, 31; vgl. Prieur 1989, 304; Hilhorst/Lalleman 2000, 6).

Ich finde diese Unterscheidung zwischen ›sauberen‹ und extravagant ›fantastischen‹ Wundern missverständlich und geradezu fragwürdig, da sie meines Erachtens moderne Vorurteile statt des antiken mentalitäts- und kulturgeschichtlichen Kontexts widerspiegelt. Ein Wunder ist per definitionem fantastisch, und deshalb hat es keinen Sinn, zwischen mehr oder weniger fantastischen Wundern zu unterscheiden. Stattdessen erscheint es durchaus sinnvoll, zwischen unterschiedlichen Graden von Kontraintuitivität im Sinne von Pascal Boyer zu unterscheiden (Boyer 2001, 51-91). Im Gegensatz zu der von Prieur wiedergegebenen Auffassung von ›sauberen‹ und ›fantastischen‹ Wundern, ist es möglich, die Erzählung zu analysieren, indem man die unterschiedlichen Elemente des Wunders nach ihrem je unterschiedlichen Grad von Kontraintuitivität beurteilt (s.u.). 888

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Kehren wir aber zu unserem ersten Punkt zurück: die Zuschreibung von Eigenschaften an Andreas, die traditionell Christus zukommen. Schon in der paulinischen Literatur sieht man eine Tendenz, dass Paulus sich als eine Ikone Christi darstellt (z.B. 1 Kor 2,1-5; 2 Kor 4; gemeint ist »Ikone« im Sinne von Peirce). Doch weit mehr wird die Idee, dass die Christen schon in diesem Leben zu Christusgleichheit transformiert werden, in der christlichen Märtyrerliteratur ausgesprochen. Dieser Gedanke gewinnt Gestalt beispielsweise im Römerbrief des Ignatius von Antiochia, den ich für orthonym halte und am Anfang des 2. Jh. ansetze (vgl. Schoedel 1985). Im Laufe des Briefes wächst Ignatius’ Gleichheit mit Christus mehr und mehr zu: »Lasst mich der wilden Tiere Fraß sein, durch die es möglich ist, zu Gott zu gelangen. Gottes Weizen bin ich, und durch der wilden Tiere Zähne werde ich gemahlen, damit ich als reines Brot des Christus erfunden werde« (IgnRöm 4,1). In gleicher Weise schildert das Polykarpmartyrium, wie Polykarp als Märtyrer sich in ständiger Bewegung Christus angleicht. Zum Beispiel heißt es im Martyrium: Als sie ihn auch noch annageln wollten, sagte er: »Lasst mich so; denn der, der mir die Kraft gibt, das Feuer zu ertragen, wird mir auch die Kraft geben, ohne eure Sicherheit auf Grund der Nägel unbewegt auf dem Scheiterhaufen auszuharren.« Die nagelten ihn zwar nicht an, banden ihn aber fest. Er aber, die Hände auf dem Rücken und festgebunden, wie ein ausgezeichneter Widder aus einer großen Herde zum Opfer bestimmt, als ein Gott angenehmes Brandopfer, blickte zum Himmel und sprach: »Herr Gott, Allmächtiger, Vater deines geliebten und gelobten Knechtes Jesus Christus, durch den wir die Erkenntnis deiner empfangen haben, Gott der Engel und Gewalten, aller Schöpfung und jedes Geschlechtes der Gerechten, die vor dir leben. Ich preise dich, weil du mich dieses Tages und dieser Stunde gewürdigt hast Teil zu haben, in der Zahl der Märtyrer am Becher deines Christus zur Auferstehung des ewigen Lebens von Seele und Leib in der Unvergänglichkeit des Heiligen Geistes« (MartPol 13,2-14,1).

Es ist überhaupt ein Merkmal der frühen christlichen Märtyrerliteratur, dass der Märtyrer oder die Märtyrerin sich Christus angleichen (vgl. die Schilderung von Blandina bei den Märtyrern von Lyon, von Perpetua im Martyrium Perpetuae et Felicitatis, und von Pionios im Pioniosmartyrium, und gewissermaßen auch die bekannte Quo vadis-Episode aus ActPetr 35). In den Akten von Andreas und Matthias ist diese Entwicklung, wo dem Heiligen traditionell Christus zukommende Eigenschaften zugeschrieben werden, fortgeschritten. Wir finden hier den religionsgeschichtlichen Anfang von der charismatischen Gestalt, die Peter Brown ›die heilige Person‹ genannt hat, und die – wie früher in der klassischen griechischen Religion der ἀγαθός δαίμων (agathos daimōn) – als Mediator zwischen Himmel und Erde vermittelt (Brown 1971). In den Akten des Andreas und Matthias wird mehrfach gesagt, wie Andreas sich an seine Jünger wendet. Er hat wie Jesus einen selbständigen Jüngerkreis um sich. Andreas ist beinahe zu einer selbständigen Gestalt der Verehrung geworden. Die Statue gehorcht ihm, und später fordern die Einwohner der Stadt von ihm, dass er bei ihnen bleiben solle. Die Neophyten wenden sich in ActAndrMatt 32 an Andreas und bitten ihm bei ihnen zu verweilen, damit sie »gelabt« würden »von seiner Quelle«. Aufgrund seiner Berufung durch Christus vermag Andreas, Wunder zu wirken, die von kosmischer Dimension sind. Schließlich 889

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gelingt es Andreas, trockenen Fußes durch das Wasser zu gehen, und das ist mit Israels Wanderung durch das Rote Meer vergleichbar.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Kehren wir an den im vorigen Abschnitt genannten zweiten Punkt zurück, nämlich den Grad von Kontraintuitivität der Erzählung. Es ist selbstverständlich augenfällig, wie Andreas nicht nur mit suprahumanen Agenten wie Christus redet, sondern auch imstande ist, einen Vertrag mit einer Statue einzugehen. Der Grad des Wunders ist auch auffallend. Die kleine Statue vermag, eine ganze Stadt zu überschwemmen, und Andreas ist mit dem Beistand des Erzengels Michael imstande, die Stadt mit einer Mauer aus Feuer zu umgeben. Wie früher behauptet, ist ein Wunder per definitionem fantastisch in dem Sinne, dass es die üblichen intuitiven Erwartungen bezüglich unterschiedlicher ontologischer Domänen nicht nur überschreitet, sondern auch gelegentlich negiert (vgl. Boyer 2001, 51-91; Atran 2002, 83-113). Boyer und andere Kognitionswissenschaftler haben gezeigt, wie religiöse Vorstellungen sich parasitisch an basale intuitive Erwartungen anlagern (vgl. auch die Diskussion bei Klostergaard Petersen zu ActAndr[Greg] 25 und 29 in diesem Band). Wir haben bezüglich grundlegender ontologischer Domänen (z.B. Kategorien wie Person, Tier, Instrument) intuitive Erwartungen, und religiöse Vorstellungen brechen diese an einzelnen Punkten (Boyer 2001, 73). Die genannten Kognitionswissenschaftler haben auch mit Hinblick auf religiöse und allgemeinkulturelle Überlieferungsprozesse dargelegt, wie eine Kombination von Repräsentationen, die ein Mindestmaß von kontraintuitiven Vorstellungen und üblichen intuitiven Erwartungen enthalten, die größte Chance auf Reproduzierbarkeit haben. Minimal kontraintuitive Repräsentationen sind dadurch gekennzeichnet, dass entweder ein kontraintuitiver Zug der Repräsentation zugeschrieben wird oder dass ein intuitiver Zug der Repräsentation weggenommen wird. Es gibt aber eine Reihe von kontraintutiven Repräsentationen, die wie zum Beispiel die narrative Welt der Zeichenserien oder des Weihnachtsmannes nicht besonders religiös sind (vgl. a.a.O., 91). Für eine Religion bedarf es jedoch auch superhumaner Agenten, die in die Welt der Menschen eintreten können und imstande sind, die Welt oder die darin Wohnenden zu verändern (a.a.O., 169-202). Wenden wir uns wieder an den Text. Die Erzählung ist zweifellos von maximal kontraintuitivem Charakter, indem sie eine Reihe von intuitiven Erwartungen bricht. Nicht nur treffen wir eine Statue, die mit Menschen zu kommunizieren fähig ist (unter normalen Umständen verfügen Statuen, da der ontologischen Kategorie Instrument zugehörig, nicht über diese Fähigkeit), nein, sie ist sogar imstande, die Welt zu verändern, indem sie größere Mengen Wasser speit. Gleichermaßen vermag Andreas, sich suprahumaner Agenten wie Christus und des Erzengels Michael zu bedienen, die fähig sind, ihm mit außerordentlicher Hilfe beizustehen. Michael zum Beispiel vermag es, die Stadt mit einer Mauer aus Feuer zu umgeben, um zu verhindern, dass es den Einwohnern der Stadt zu fliehen gelingt. 890

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Die maximal kontraintuitiven Repräsentationen werden aber in Schach gehalten von persönlichen Repräsentationen, die Andreas in den Stand setzen, mit superhumanen Agenten zu interagieren. Gegenwärtig gibt es mehrere kognitionswissenschaftliche Studien, die zeigen, wie die Transmission kontraintuitiver Repräsentationen mit weit größerem Erfolg geschieht, wenn sie Interaktion mit superhumanen Agenten involvieren (z.B. Atran 2002; Barrett 2004; Boyer 2001; Guthrie 1993). Für unsere Erzählung bedeutet es, dass die Behauptung vieler Forscher, dass unser Strafwunder im Vergleich mit anderen Wundergeschichten derselben Zeit oder der Zeit des Neuen Testaments besonders fantastisch oder folkloristisch wäre, sich nicht aufrechterhalten lässt. Die Erzählung ist an mehreren Punkten von maximal kontraintuitiver Natur. Zugleich aber arbeitet sie mit – überlieferungsmäßig – starken Repräsentationen des superhumanen Agens, das in die Welt der Menschen einzugreifen vermag und dadurch imstande ist, die Welt und deren Einwohner zu verändern. Die Geschichte dient mit einer durch starke kontraintuitive Repräsentationen attraktionsfesselnde Erzählung dazu, ihre Leser zu überzeugen, dass nicht nur Bekehrung nötig ist, sondern auch, dass es im Christentum Hilfe von Seiten superhumaner Agenten gibt. Schließlich zeigt die Geschichte, wie es denjenigen geht, die der christlichen Weltanschauung fern bleiben, und zugleich, wie es auch für sie Hoffnung gibt. Denn am Ende wird ›der selige Andreas‹ im Namen Christi alle auferwecken. Anders Klostergaard Petersen

Literatur zum Weiterlesen A. Hilhorst/P. J. Lalleman, The Acts of Andrew and Matthias. Is It Part of the Original Acts of Andrew?, in: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew, SAAA 5, Leuven 2000a, 1-14. D. R. MacDonald, The Acts of Andrew and the Acts of Andrew and Matthias in the City of the Cannibals, SBL.TT 33, Atlanta 1990a. J.-M. Prieur, Actae Andreae, CChr.SA 5.6, Turnhout 1989.

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VII.4 Die Wundererzählungen in den Akten des Petrus und des Andreas

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»Selbstwachsende Saat« vorgeführt (Gesätes Korn wächst und reift in wenigen Stunden) ActPetrAndr 3-5 (3) Petrus, Andreas, Alexander, Rufus und Matthias reisten zu der Stadt der Barbaren. Als sie sich der Stadt näherten, fragte Andreas Petrus: »Vater Petrus, müssen wir in dieser Stadt wieder solche Schwierigkeiten ausstehen wie im Land der Menschenfresser?« Petrus antwortete ihm: »Ich weiß es nicht. Seht ihr aber den alten Mann, der vor uns in seinem Acker sät? Wenn wir zu ihm kommen, werden wir ihn bitten: ›Gib uns Brot‹. Wenn er gibt, wissen wir, dass wir in jener Stadt auf keine Schwierigkeiten treffen. Wenn er aber antwortet ›Ich habe kein Brot‹, wissen wir, dass wieder Schwierigkeiten auf uns warten.« Als sie sich dem alten Mann näherten, sagte ihm Petrus: »Sei gegrüßt, Bauer!« Der Bauer antwortete: »Seiet begrüßt, Reisender!« Petrus fragte ihn: »Hast du Brot, das du diesen Kindern anbieten kannst, damit wir uns ausruhen können?« Der Alte antwortete: »Wartet ein wenig und passt auf die Ochsen, den Pflug und den Acker auf, damit ich in die Stadt gehen und euch Brot bringen kann.« Petrus sagte ihm: »Wenn du uns aufnehmen kannst, kümmern wir uns um die Tiere und den Acker.« Der Alte antwortete: »Gut!« Petrus fragte ihn: »Gehören dir diese Ochsen?« Der Alte antwortete: »Nein, sondern ich habe sie gemietet.« Petrus sagte ihm: »Gehe in die Stadt«. Und der Alte ging in die Stadt. (4) Petrus stand auf, gürtete sich das Oberkleid und den Schurz um und sagte dem Andreas: »Es ist nicht richtig, dass wir ruhen und faulenzen, während der Alte, der sich viel härter als wir anstrengt, seine Arbeit unterbrechen muss.« Dann nahm Petrus den Pflug und säte das Korn aus. Andreas war gegenüber den Ochsen und sagte dem Petrus: »Vater Petrus, warum strengst du dich für uns an? Du bist doch Vater und Hirte von allen: Es ist nicht richtig, dass du arbeitest, während wir ruhen.« Dann nahm Andreas den Pflug von Petrus, säte das Korn aus, und segnete es: »O Samen, gesät in die Erde, gehe in den Acker der Gerechten.« Rufus, Alexander und Matthias waren an der rechten Seite der Ochsen und sagten: »Es komme frischer Regen und milder Wind und bleibe in diesem Acker.« Plötzlich spross der ganze Acker und die Ähren wurden mit Körnern erfüllt. (5) Als der Bauer mit den Broten ankam, sah er, dass der ganze Acker mit Ähren erfüllt war. Er setzte die Brote zu den Füßen der Apostel auf den Grund und betete sie an: »Meine Herren, seid ihr Götter? Ich betrachte euch als Götter.« Petrus sagte ihm: »Stehe auf, Mensch! Wir sind keine Götter, sondern die Apostel des guten Gottes. Er hat uns gesandt 895

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Die Wundererzählungen in den Akten des Petrus und des Andreas

und wir sind zu zwölft. Er hat uns die gute Lehre anvertraut, um die Menschen zu lehren, damit sie von dem Tod befreit werden und an dem ewigen Leben teilhaben.« Petrus wendete sich zu ihm und sagte: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzer Seele und von ganzem Herzen; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; erziehe dein Kind zu der Furcht Gottes; du wirst dann ein gutes Leben haben und in Gottes Herrlichkeit kommen.« Der Mann fragte ihn: »Wenn ich diese Gebote einhalte, werde ich auch fähig sein, ein Wunder zu bewirken, ähnlich wie eure, so dass mein Acker sofort Früchte bringt?« Petrus antwortete: »Wahrlich sage ich dir, wenn du das alles machst, wirst du schaffen, was du willst.«

Sprachlich-narratologische Analyse Das Thema der Landarbeit wird schon am Anfang des Buches eingeführt (Act PetrAndr 1). Hier tröstet Petrus Andreas mit dem Beispiel des Bauern, dessen Mühe sich plötzlich in Freude verändert, als sein Acker Frucht bringt. Etwas enttäuschend fügt aber Petrus auch zu: »Wenn er arbeitet und sein Gegend kein Frucht bringt, verdoppelt sich seine Mühe, weil sein Samen fruchtlos bleibt.« Die Wundergeschichte besteht aus einer Einleitung und den folgenden drei Szenen: (1) Die Apostel bitten den Bauern um Brot; (2) Die Apostel säen und die Saat wächst und reift sofort; (3) Der Bauer betet die Apostel als Götter an. Die Erzählung besteht überwiegend aus Dialogen: In der ersten und dritten Szene spricht Petrus mit dem Bauer, in der zweiten Episode Andreas mit Petrus. Die Einleitung verknüpft die Geschichte mit den Akten des Andreas und Matthias, indem Andreas auf die Mission in der Gegend der Menschenfresser verweist. Die Begegnung mit dem Bauer hat also zweifache Funktion: Einerseits dient es als Lackmustest des weiteren Erfolgs der Apostel in der Stadt; anderseits bereitet die Bitte um Brot und die Rückkehr des Bauern zu seinem Haus das Wunder vor. Es sei angemerkt, dass, obwohl der Bauer auf die Bitte der Apostel positiv reagiert, die Mission der Apostel in der Stadt trotzdem auf Widerstand stößt. Ganz in Gegenteil zu seinem Charakter in den Akten des Andreas und Matthias spielt Andreas in diesem Text eine deutlich untergeordnete Rolle. Andreas spricht Petrus ehrfürchtig als »Vater und Hirte von allen« an. Als er aber die Arbeit von Petrus übernimmt, wird er selbst zum Wundertäter (mit der Hilfe von Rufus, Alexander und Matthias). Wir werden sehen, dass die Paralleltexte die Verteilung der Arbeit und die Teilnahme der Apostel am Wunder unterschiedlich darstellen. Die hohe Anzahl der Textvarianten in diesem Abschnitt zeigt, dass die Frage der Hierarchie unter den Aposteln für die antiken Lesenden wichtig war. Der zweite Teil des letzten Dialogs zwischen Petrus und dem Bauer wird je nach Manuskript unterschiedlich gestaltet. Die einleitenden Wörter dieses Teils, »Petrus wendete sich zu ihm«, folgen nicht logisch aus dem vorausgehenden Sätzen. Die Parallele zwischen diesem Dialog und der Geschichte des Onesiphorus weisen 896

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»Selbstwachsende Saat« vorgeführt ActPetrAndr 3-5

darauf hin, dass die beiden Textteile in der Überlieferung angeglichen wurden. Es ist möglich, dass die Wundergeschichte ursprünglich mit den Wörtern »an dem ewigen Leben teilhaben« endete.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Sowohl die kanonische Apostelgeschichte als auch die apokryphen Apostelakten zeigen großes Interesse für die Stadt und deren Bevölkerung. In diesen Texten stehen die sozialen Oberschichten oft im Zentrum der Handlung. Dagegen bringt die erste Hälfte der Akten des Petrus und Andreas die Lesenden in die Welt der landwirtschaftlichen Arbeit. Obwohl die Beschreibung dieses Milieus sich auf wenige stereotypische Züge beschränkt, kann man im Text mögliche realgeschichtliche Beziehungen entdecken. Nach dem koptischen Paralleltext (Guidi 1887, 62f., wo Thaddäus statt Andreas erscheint) sollen die Apostel einfach neben den Tieren (ϛαϛΤΝ ΝΤBΝΟΟγϵ/ hahten ntebnooue) sitzen (ϛМΟΟС/hmoos), während der Bauer Brot bringt. Die äthiopischen und arabischen Texte (englische Übersetzungen von Budge 1901, 367-369, bes. 369 und Smith Lewis 1904, 120-125, bes. 121) entsprechen dem koptischen. In den beiden griechischen Manuskripten (Lipsius/Bonnet 1959, 2/1, 116-127) dagegen müssen sich die Apostel um die Ochsen, um Pflug und Acker des Bauers kümmern (προσέχω prosechō; a.a.O., 118). In der altslawischen Übersetzung (Tichonravov 1863, 5-10) passen sie auf die Ochsen und den Acker auf. Besonders interessant ist die Sorge des Bauern um seinen leeren Acker (a.a.O, 6). Es ist möglich, dass die griechische Überlieferung antagonistischere und weniger sichere Lebensumstände voraussetzt als die koptische. Einen anderen Hinweis zum Sitz im Leben könnte die Bezeichnung des Ortes als »Stadt der Barbaren« (πόλις τῶν βαρβάρῶν polis tōn barbarōn, ActPetr Andr 2) geben. In der koptischen Überlieferung sendet Jesus die Apostel nach Syrien (ТωХωραΝCΥρӀNOC/tekhōra ensurinos). Das Wort »Barbar« (βάρβαρος barbaros) konnte im spätantiken christlichen Gebrauch verschiedene Bedeutungen haben. Einerseits hat es wie im klassischen Griechisch fremde, nicht-griechische (bzw. nichtrömische) Völker, Sitten und Sprachen bezeichnet. Besonders im Lateinischen hat aber barbarus auch eine neue Bedeutung als Synonym von paganus bekommen: als Verweis auf nicht-christliche Gruppen oder Völker (TLL 2, 1742-1743). Die zweite Interpretation wird durch die Tatsache unterstützt, dass die Stadt keine exotischen Züge hat (wie zum Beispiel die Stadt der Menschenfresser in den ActAndrMatt). Die Führenden der Stadt wissen schon von den christlichen Missionaren, die den Ruf haben, dass sie Frauen hassen und sie von ihren Männern trennen (ActPetrAndr 8f.). Anhand dieser Auslegung von »Barbar« können die ActPetrAndr in eine historische Periode eingeordnet werden, als es öfter zu Auseinandersetzungen zwischen der schon etablierten Kirche und den überlebenden heidnischen Religionen kam (Frend 1984, 708-710; Trombley 1993; ders. 1994). Die unsicheren Lebensumstände, auf die hingewiesen wurde, passen gut zu einem solchen Sitz im Leben. 897

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Die Wundererzählungen in den Akten des Petrus und des Andreas

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Erzählwelt der ersten Wundergeschichte der ActPetrAndr hat deutliche Beziehungen zur landwirtschaftlichen Bildsprache der synoptischen Evangelien und anderer neutestamentlicher Texte. Die Verkündigung des Evangeliums wird mit dem Säen und Ernten verglichen z.B. in Mt 9,37-38 (= Lk 10,2) und 1 Kor 3,5-9. Diese Metapher bleibt lebendig im modernen Christentum. Am nächsten steht das Wunder zum Gleichnis der selbstwachsenden Saat in Mk 4,26-29. Trotz der Ähnlichkeit der einzelnen Motive (Säen, Wachstum ohne der Teilnahme des Sämanns, mit Korn gefüllte Ähren) ist der Unterschied zwischen den beiden Passagen deutlich. Während das Gleichnis bei Matthäus und Lukas das Reich Gottes mit einem ganz natürlichen Vorgang vergleicht (bzw. diesen Vorgang als etwas Wunderliches anschaut), beschreibt ActPetrAndr 4 ein Wachstum, das den bekannten natürlichen Vorgängen widerspricht. Auch Rabbiner des Talmud konnten ähnliche Wunder wirken: So wuchsen z.B. Gurken auf das Wort von Rabbi Eliezer (bSan 68a; vgl. Becker 2002, 389-396; Friedman 2014). Die Geschichte steht auch mit den antiken Wetterriten in Verbindung: Die christliche Wundertäter waren bekannt in diesem Bereich (Graf 2005). Der Text versucht weiter keine Verbindung zu machen zwischen dem Wunder der Saat einerseits und dem Erfolg der Mission andererseits, obwohl die Thematik von Säen und Ernten gerade in diesem Kontext am Anfang des Textes erwähnt wird. Das könnte dadurch erklärt werden, dass das Motiv sekundär in die Einführung der ActPetrAndr aufgenommen wurde, so dass in der Endgestalt des Buches die Interpretation dem Wunder vorangeht. Die Vergöttlichung der Apostel in ActPetrAndr 5 zeigt Ähnlichkeiten zur Mission des Barnabas und Paulus in Lystra in Apg 14. Die Abwicklung beider Episoden lässt sich wie folgt zusammenfassen: (1) Die Apostel bewirken ein Wunder; (2) Die Empfänger des Wunders halten die Apostel für Götter und beten sie an; (3) Die Apostel weisen die Vergöttlichung zurück; (4) Die Apostel verkündigen Christus. Das Schema kehrt in der apokryphen Überlieferung mehrmals wieder. So wird z.B. Bartholomäus für Kronos gehalten, nachdem er in einem Augenblick Trauben wachsen und reifen lässt (Predigt des Apostels Bartholomäus, Smith Lewis 1904, 73; Budge 1901, 99). Unsere Episode gehört also zu einer Tradition, die vielleicht anfänglich von Apg 14 beeinflusst wurde, später aber in unterschiedlichen Varianten in den Akten mehrerer Apostel auftauchte. Es ergibt sich die Frage, ob diese und ähnliche Erzählungen mit dem Kult der Heiligen in Verbindung standen, bzw. gegen jene Entwicklungen polemisieren wollten. Eine solche Tendenz ist z.B. in den Johannesakten deutlich zu erkennen, wenn Johannes die Verehrung einer ins Leben zurückgebrachten Frau zurückweist (ActJoh 24) oder sich über die kultische Aufstellung seines Porträts empört (ActJoh 27f.). Der Text problematisiert nicht nur die Verehrung der Apostel, sondern auch die Stellung des Petrus unter den Aposteln. Hier lohnt sich wieder ein Vergleich mehrerer Textvarianten. Im griechischen Text übernimmt Andreas die Arbeit von Petrus, weil es nicht passt, dass der »Vater und Hirte von allen« arbeitet, während 898

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»Selbstwachsende Saat« vorgeführt ActPetrAndr 3-5

die anderen Apostel ruhen. Obwohl das koptische Fragment die Passage nicht mehr enthält, können wir uns den arabischen und äthiopischen Überlieferungen zuwenden, die dem koptischen Text nahestehen. Hier wird der hohe Rang des Petrus zwar angedeutet, die Fachbegriffe bezüglich seines Primats aber fehlen. In diesem Text kann er die Arbeit nicht erledigen, weil er alt ist, zu einem hohen Status erhoben wurde und viele Sorgen hat. Die Anrede »mein Vater« ist respektvoll, aber anders als der »Vater von allen«. Später nimmt Petrus jedoch den Korb und segnet die Weizenähren: »O mein Herr Jesus Christus, lass deinen Segen auf diesen Acker herabsteigen.« Es ist anzumerken, dass, obwohl diese Tradition eine milde Relativierung des Ranges des Petrus suggeriert, es hier keine Spur der kritischen Stimme des Marienevangeliums gibt. In den griechischen (und altslawischen) ActPetrAndr ist dagegen Petrus eindeutig als Erster unter den Aposteln dargestellt, während Andreas als der wichtigste Mitarbeiter des Petrus erscheint. Solche erzählerische Lösungen deuten oft auf die kirchenpolitischen Interessen des Verfassers hin. Eine Gemeinde in Kleinasien konnte diese Wundergeschichte als Lokaltradition bewahren und anpassen, weil es sowohl Andreas als Gründer der Gemeinde als auch die enge Beziehungen der Stadt zum römischen Machtzentrum bezeugte. Der abschließende Dialog enthält alttestamentliche Zitate und Reminiszenzen (Ex 20,13-16; Dtn 6,5; Ps 34,11; 128). Die Auswahl wird durch bekannte Vorbilder geprägt: zwei Dialoge Jesu bei den Synoptikern (Mt 19,18; 22,37) und wahrscheinlich die Lehre der Zwölf Apostel (Did 1,2; 2,1-7; 4,10). Das Interesse an dem jüdischchristlichen Gedankengut kann vielleicht die Tatsache erklären, dass man in ActPetrAndr 18 mit einem Stück Schweinefleisch die Apostel abzuschrecken versucht.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Theologische Deutung: Im markinischen Gleichnis (Mk 4,26-29) ist das Wachstum der Saat ein Wunder, wie es in Gottes Schöpfung gegeben ist. Das Wachstum des Reiches Gottes transzendiert die Arbeit der Apostel, obwohl sie darin die wichtige Rolle des Sämanns spielen. In der Erzählwelt der ActPetrAndr führen die Apostel einen kontinuierlichen Kampf gegen die Barbaren und ihre Religion. Durch die magische Manipulation des natürlichen Wachstums der Saat (ActPetrAndr 4) können sie ihre Überlegenheit beweisen, sich Respekt verschaffen und eine Bekehrung fördern. Die modernen Lesenden, die Wunder in einem faktischen Referenzrahmen interpretieren wollen, provoziert die Geschichte, über die ontologische Stelle des Wunders weiter nachzudenken: Geht man (supranaturalistisch) davon aus, dass Gott in Wundern Naturphänomene willkürlich manipuliert, oder wird ein Wunder (naturtheologisch) als ein Aspekt der Schöpfung Gottes angeschaut? Politische Deutung: Der Anspruch auf apostolische Gründung hat die frühchristlichen Überlieferungen über den Aposteln weitgehend geprägt. Solche Bestrebungen hatten nicht nur spirituelle, sondern auch direkte politische Bedeutung. Als sich die globalen und lokalen kirchlichen Machtzentren und ihre Einflussbereiche 899

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in den ersten fünf Jahrhunderten nach Christus herauskristallisierten, spielte der Anspruch auf apostolische Gründung eine wichtige Rolle (vgl. die Auslegung der Barnabasakten in Lipsius 1883, 270-320; Czachesz 2007b, 189-193). Die Darstellung des Petrus als der höchste Apostel und des Andreas als Wundertäter neben Petrus in der lokalen Überlieferung konnte das politische Gewicht der Gemeinde erhöhen. Die koptische Tradition einerseits und die griechischen Manuskripte andererseits bezeugen alternative organisatorische Strukturen: Die koptische (bzw. äthiopische und arabische) Überlieferung richtet sich mehr nach einer egalitären, konsensbegründeten kirchenpolitischen Struktur. Die griechischen Tradenten versuchten dagegen, die Hierarchie zu steigern und darin für sich (bzw. für ihren Heiligen Andreas) eine wichtige Rolle zu sichern. Diese politische Orientierung kann auch mit dem vermutlich weniger stabilen sozialem Hintergrund des griechischen Texts zu tun haben: In einer Periode der Unsicherheit konnte das Konzept eines stabilen kirchlichen Machtzentrums aufgewertet werden. Eine moralische Dimension der Auslegung wird im Dialog des Petrus mit dem Bauer nach dem Wunder hervorgehoben. Im Gegensatz zu der synoptischen Ansicht (Mt 17,20; Lk 17,6; vgl. Mt 9,28; 18,6; 28,20; 1 Kor 13,2), dass Glauben Wunder ermöglicht, erwähnt ActPetrAndr 5 Wunderkräfte unter den Früchten der Einhaltung der Gebote. Wunderfähigkeit als Siegel der ethischen Perfektion zu deuten scheint eine extreme moraltheologische Position. Die Vorstellung kann aber auch positiv gedeutet werden. In der rabbinischen Tradition ist es den Weisen vorbehalten, Wunder zu wirken (Friedman 2014). Wie wir es schon gesehen haben, ist das sofortige Reifen von Früchten auch in diesem Bereich bekannt. Die Deutung des Wunders der Saat in ActPetrAndr 5 kann analog zu der rabbinischen Tradition interpretiert werden. Statt eines weisheitlichen Kontexts bettet die ActPetrAndr die Wunderfähigkeit in einen ethischen Zusammenhang ein: Der Umgang mit Wundern setzt einen höheren moralischen Standard voraus.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte In der koptischen, äthiopischen und arabischen Tradition werden die ActPetrAndr als »Predigt des Thaddäus« überliefert, wo Thaddäus statt Andreas neben Petrus erscheint. Judas Thaddäus spielt eine wichtige Rolle in der syrischen, koptischen und armenischen Kirche. Zusammen mit Bartholomäus gilt er als Gründer des armenischen Christentums. Andreas ist dagegen im griechischen und slawischen Christentum wichtig. Welcher Apostel der ursprüngliche Protagonist dieser Geschichten war, ist unmöglich zu entscheiden, auch weil der koptische Text sehr fragmentarisch bewahrt wurde. István Czachesz

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»Selbstwachsende Saat« vorgeführt ActPetrAndr 3-5

Literatur zum Weiterlesen M. Becker, Wunder und Wundertäter im frührabbinischen Judentum. Studien zum Phänomen und seiner Überlieferung im Horizont von Magie und Dämonismus, WUNT 2/144, Tübingen 2002, bes. 389-396. F. Graf, Wetterriten, in: V. Lambrinoudakis/J. C. Balty (Hg.), Thesaurus cultus et rituum antiquorum (ThesCRA), Bd. 3: Divination, prayer, veneration, hikesia, asylia, oath, malediction, profanation, magic, rituals, (addendum to vol. II) consecration, Los Angeles 2005, 298f. H.-J. Klauck, The Apocryphal Acts of the Apostles. An Introduction, Waco 2008a, 138-140.

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Showdown im »Zirkus Petrus« (Kamel geht durch Nadelöhr) ActPetrAndr 13-21 (13,1) Es war aber ein gewisser Reicher in der Stadt namens Onesiphorus. (2) Als dieser nun die Zeichen sah, die durch die Apostel geschahen, sagt er: (3) »Wenn ich an euren Gott glauben werde, kann dann auch ich ein Zeichen vollbringen wie auch ihr?« (4) Andreas spricht zu ihm: »Wenn du all deinen Besitz und deine Frau und deine Kinder aufgibst, wie auch wir [sie] aufgegeben haben, dann wirst auch du Zeichen tun.« (5) Als Onesiphorus dies hörte, wurde er voller Zorn. Er nahm ein Tuch von sich und warf es um Andreas’ Hals. (6) Er schlug ihn und sagte zu ihm: »Du bist ein Zauberer! (7) Was zwingst du mich, meine Frau, meine Kinder und was ich liebe zu verlassen?« (14,1) Als darauf Petrus sich umwendete und ihn Andreas schlagen sah, spricht er zu ihm: (2) »Mensch! Höre auf, Andreas weiter zu schlagen!« (3) Onesiphorus spricht zu ihm: »Ich sehe, dass du klüger bist als dieser. (4) Sagst nun auch du mir, dass ich meine Frau, und meine Kinder und was mir lieb ist verlassen soll? (5) Oder was sagst du?« (6) Sagt Petrus zu ihm: »Ich sage dir ein Wort: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr eingeht, als dass ein Reicher ins Gottesreich eingeht.« (7) Als Onesiphorus dies hörte, wurde er noch mehr mit Zorn und Ärger erfüllt, nahm das Tuch von Andreas’ Hals und warf es um Petrus’ Hals. (8) So zerrte er daran und sagte: »Du bist wahrlich ein großer Zauberer, noch mehr als dieser! (9) Denn ein Kamel geht nicht durch ein Nadelöhr ein! (10) Wenn du mir dieses Wunder aber zeigst, glaube ich an deinen Gott, und nicht nur ich, sondern auch die ganze Stadt! (11) Wenn aber nicht, wirst du in der Mitte der Stadt streng bestraft werden!« (15,1) Als Petrus dies aber hörte, wurde er sehr besorgt, stellte sich hin, erhob seine Hände zum Himmel und betete: (2) »Herr, Herr (Δέσποτα κύριε despota kyrie), unser Gott, höre mich in dieser Stunde an! (3) Denn man stellt mir eine Falle aus deinen Worten. (4) Denn kein Prophet hat seine Auslegung vorgelegt, [sie uns] zu verkünden, auch kein Erzvater, so dass wir diese Deutung lernten! (5) So streben sie jetzt unter uns mit Mut nach einer solchen Auslegung! (6) Du nun, Herr (δέσποτα despota), sieh nicht über uns hinweg. (7) Denn du bist der von den Cherubim Gepriesene!« (16,1) Als er dies gesprochen hatte, erschien der Heiland in Gestalt eines zwölfjährigen Kindes, das ein Leinengewand trug, das innen und außen 902

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Showdown im »Zirkus Petrus« ActPetrAndr 13-21

glatt war. (2) Und er sagt zu ihnen: »Fasst Mut und zittert nicht, ihr meine erwählten Jünger; denn ich bin mit euch allezeit! (3) Es sollen aber die Nadel und das Kamel herbeigebracht werden.« (4) Und nachdem er dies gesagt hatte, stieg er auf in die Himmel. (5) Es war aber ein gewisser Handelsreisender in der Stadt, der durch den Apostel Philippus zum Glauben gekommen war. (6) Und als er von diesen Vorkommnissen hörte, suchte er eine Nadel mit großem Öhr, um den Aposteln damit eine Gunst zu erweisen. (7) [Doch] als Petrus dies erfuhr, spricht er zu ihm: (8) »Kind, suche keine große Nadel! (9) Denn kein Ding ist unserem Gott unmöglich. (10) Bring uns stattdessen eher eine kleine Nadel!« (17,1) Als eine Nadel herbeigebracht war und die ganze Volksmenge der Stadt zum Zuschauen beistand, schaute Petrus auf und sah ein Kamel herbeikommen. (2) Er sagte aber, dass sie [sic!] herbeigebracht werde. (3) Dann steckte er die Nadel in den Boden, rief mit lauter Stimme und sagte: (4) »Im Namen Jesu Christi, des Gekreuzigten unter Pontius Pilatus, rufe ich dich, Kamel!, dass du gehen mögest durch das Nadelöhr!« (5) Da öffnete sich das Nadelöhr wie ein Tor, und das Kamel schritt durch es hindurch. (6) Und das ganze Volk sah es. (7) Und wieder sagt Petrus zum Kamel: »Geh nochmals durch die Nadel!« (8) Und das Kamel ging nochmals ein zweites Mal hindurch. (18,1) Als Onesiphorus das sah, sagt er zu Petrus: »Wahrlich, du bist ein großer Zauberer! (2) Denn ich glaube nicht, wenn ich nicht [selbst] schicken werde und eine Nadel und ein Kamel herbeibringe.« (3) Und er rief einen seiner Diener herbei und sagt zu ihm heimlich: (4) »Geh und bring mir ein Kamel und eine Nadel hierher! Finde aber auch eine verunreinigte Frau  – und trage ihr auf, hier herbeizukommen  – und ein Stück Schweinefleisch! (5) Denn diese Männer sind Zauberer!« (6) Petrus aber erfuhr dieses Geheimnis durch den Geist und sagt zu Onesiphorus: (7) »Hartherziger Mensch! Schicke [den Diener und] hole das Kamel, die Frau und die Nadel mit dem Fleischstück.« (19,1) Nachdem sie diese Dinge aber geholt hatten, nahm Petrus wieder die Nadel und steckte sie mit dem Fleischstück in den Boden. (2) Die Frau aber saß auf dem Kamel. Dann spricht Petrus: (3) »Im Namen unseres Herrn (κύριος kyrios) Jesus Christus, des Gekreuzigten, rufe ich dich, Kamel!, dass du durch diese Nadel eingehen mögest!« (4) Und sofort wurde das Nadelöhr geöffnet und wurde wie ein Tor, und das Kamel ging durch es hindurch. (5) Wieder sagt Petrus zum Kamel: (6) »Geh noch einmal durch [die Nadel], so dass alle die Ehre unseres Herrn Jesu Christi sehen, so dass einige an ihn glauben mögen!« (7) Da ging das Kamel wieder durch die Nadel ein. (20,1) Als Onesiphorus dies sah, schrie er mit lauter Stimme: (2) »Wahr903

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lich, groß ist der Gott des Petrus und des Andreas! (3) Auch ich glaube jetzt an ihn im Namen eures Herrn Jesu Christi. (4) Höre nun meine Worte, o Petrus! Ich habe Ländereien, Weinberge und Felder. (5) Ich habe auch 27 Pfund Gold und 50 Pfund Silber; ich habe aber auch sehr viele Sklaven. (6) Ich gebe meine Besitztümer den Armen und meine Diener werde ich freilassen, so dass ich auch ein Wunder vollbringen werde wie auch ihr.« (7) Petrus sagt zu ihm: »Wenn du möchtest, wirst auch du [dies] tun im Namen unseres Herrn Jesus Christus.« (21,1) Petrus aber war besorgt, dass die Kräfte bei ihm nicht so wirken würden, da er [noch] nicht das Siegel in Christus trug. (2) Als er dies aber bedachte, siehe!, eine Stimme aus dem Himmel, die zu ihm sprach: (3) »Befiehl, dass er tun möge, was er wünscht; so erfülle ich an ihm, wie er will.« (4) Spricht zu ihm Petrus: »Kind, komm her! Tu auch du, wie auch wir!« (5) Onesiphorus aber kam herbei und stellte sich vor das Kamel und die Nadel. (6) Und er sagte: »Im Namen des Herrn Jesus Christus und seiner Apostel befehle ich dir, Kamel!, durch die Nadel einzugehen!« (7) Und sofort ging das Kamel hinein – [doch nur] bis zum Hals, und blieb stecken. (8) Und er antwortete und sagte: »Warum ist es nur bis zum Hals gegangen?« (9) Und Petrus antwortete und sagte zu ihm: »Weil du nicht getauft bist auf den Namen Christi.« (10) Onesiphorus antwortete und sagte zu ihm: »Ich habe keine Notwendigkeit, nach Wundern zu streben. (11) Denn ich glaube wahrhaft an den Namen Christi. (12) Und nun, Petrus, geh in mein Haus und ruh dich aus!« (13) Als sie aber hineingegangen waren, wurden in jener Nacht 1000 Seelen getauft.

Sprachlich-narratologische Analyse Die dem Abschnitt ActPetrAndr 13-21 vorhergehende Erzählung vom Wunderkorn und der in der Luft schwebenden Prostituierten ist soeben mit einem gattungsgerechten Chorschluss vorläufig beendet (ActPetrAndr 12) – die Frau bleibt allerdings noch bis ActPetrAndr 22 buchstäblich in der Luft hängen und wird erst dort gerettet –, da setzt die vorliegende Erzählung ohne räumliche oder zeitliche Zäsur, aber mit dem Auftritt einer neuen Hauptfigur ein: Onesiphorus. Ein Prolog (oder Exposition) führt mit der Andreas-Sequenz die wesentlichen Motive der Handlung ein (ActPetrAndr 13). Mit ActPetrAndr 14 beginnt der Hauptteil: Die Figur des Petrus rückt als kommender »Held« und künftiger Wundertäter in den Vordergrund (er »wendet sich um«); von Andreas erfährt der Leser ab ActPetrAndr 14,3 nichts Ei904

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Showdown im »Zirkus Petrus« ActPetrAndr 13-21

genständiges mehr. Der konkrete Aufhänger für die gesamte nachfolgende Kontroverse zwischen Onesiphorus und Petrus ist das Zitat von Jesu kanonischem Kamelwort nach der Fassung des Mehrheitstextes (Mt 19,24 par. Mk 10,25; Lk 18,25). In drei Durchgängen wird das von Onesiphorus geforderte Wunder demonstriert, als Vorspann zum ersten Durchgang dienen die Unsicherheit des Petrus über die rechte Interpretation des Kamelzitates und sein Gebet (ActPetrAndr 15), eine anschließende göttliche Intervention durch die Erscheinung des Heilands als 12-jähriger Knabe (σωτήρ sōtēr – Heiland, Erlöser) sowie als retardierendes Moment der Auftritt des Händlers, der Hoffnung hat, das verlangte Schaustück ohne Wunder erfüllen zu können. Nach erfolgreicher Wunderdemonstration verlangt Onesiphorus die Wiederholung des Wunders, doch unter heimlich erschwerten Bedingungen durch das Schweinefleisch und die verunreinigte Frau. In einer zweiten göttlichen Intervention durch den Geist erfährt Petrus von Onesiphorus’ heimtückischem Ansinnen und stellt sich diesem furchtlos. Auch diesmal gelingt das Mirakel ohne Zwischenfälle (ActPetrAndr 19). Jetzt schwenkt Onesiphorus ein, preist den Gott des Petrus und des Andreas und kommt zum Glauben, so wie er es in ActPetrAndr 14,10 angekündigt hat (von der gläubig gewordenen Stadt ist nicht ausdrücklich die Rede, sie ist aber in ActPetrAndr 22 vorausgesetzt). Damit ist die Wunderdemonstration im doppelten Sinne erfolgreich und mit einer Doxologie abgeschlossen; die Erzählung könnte hier (mit ActPetrAndr 20,3) enden. Doch Onesiphorus hat eine neue Idee. Er bietet seinen Besitz für wohltätige Zwecke und die Freilassung seiner Diener, wenn auch er in den Stand versetzt werden würde, solche Wunder zu vollbringen. Durch diese erneute Wunderforderung wird eine zweite Hälfte des Hauptteils eingeleitet, in der Motive aus der ersten wiederholt werden: Petrus geht zwar auf Onesiphorus’ Herausforderung ein, zögert aber wiederum, nun nicht wegen Fragen der Schriftauslegung, sondern weil er befürchtet, der Glaube des Onesiphorus könne ohne vollzogene Taufe nicht wirksam sein; eine göttliche Intervention, diesmal als Himmelsstimme, spricht Petrus Mut zu. Jetzt fungiert Onesiphorus als Wundertäter (beinahe wie ein »Zauberlehrling«), Petrus ist nur Beobachter. Onesiphorus’ Versuch gelingt jedoch nur halb, das Kamel bleibt stecken. Als Grund hierfür nennt Petrus das Fehlen der Taufe des Onesiphorus. Ausdrücklich nachgeholt wird sie an dieser Stelle nicht. In einem Epilog erkennt Onesiphorus stattdessen die Unnötigkeit solcher Wunder und lädt Petrus zu sich nach Hause ein. Getauft wird in der folgenden Nacht eine Menge von 1000 Seelen; ob Onesiphorus dabei ist, wird nicht mehr spezifiziert. Zwischen einem figural deutlich abgegrenzten Prolog und einem summarischen Epilog wechseln sich damit im Hauptteil Sequenzen von Wunderforderung, Besorgnis des Petrus, göttlicher Intervention, retardierenden Momenten und jeweils einer Wunderdemonstration ab; der Hauptteil wird auf diese Weise deutlich durch drei Wunderdurchgänge, d. h. beinahe in drei »Akte« gegliedert. Die zwei ersten »Akte« (= Hauptteil I) enden jeweils mit einer erfolgreichen Wunderdemonstration, das zweite Mal davon klimaktisch unter erschwerten Bedingungen. Der »dritte Akt« (= Hauptteil II) ist, verglichen mit den anderen beiden, motivisch deutlich verkürzt, 905

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Die Wundererzählungen in den Akten des Petrus und des Andreas

es fehlt ein retardierendes Moment, Petrus’ Besorgnis ist nur kurz angedeutet, der jetzige Wundertäter zaudert nicht; die Pointe liegt in der missglückten Wunderdemonstration mit anschließendem klärendem Dialog, der dann zum Anlass für den Epilog der gesamten Erzählung (Schlusssummarium) gewendet wird. Als Struktur der gesamten Erzählung ergibt sich: Prolog/ Exposition

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Andreas-Sequenz

Hauptteil I

14

Einleitung: Auftritt des Petrus (Umwenden). Wiederaufnahme von Motiven aus der Exposition wie Zaubereivorwurf, Enkratie und gewalttätiges Handeln des Onesiphorus. Einleitung des Hauptteils durch Kamelwort und Wunderforderung des Onesiphorus.

15 16,1-4

göttliche Intervention I: der Heiland (Jesus)

16,5-10

retardierendes Moment I: der Händler

17 18,1-5

18,6 19

Hauptteil II

Besorgnis des Petrus I (mit Gebet zu Gott)

Wunderdemonstration I (erfolgreich) retardierendes und spannungssteigerndes Moment II: der geheime Auftrag des Onesiphorus göttliche Intervention II: der Geist Wunderdemonstration II (erfolgreich)

20,1-3

Erfolgter Glaube des Onesiphorus mit Doxologie

20,4-7

erneuter Wunsch des Onesiphorus nach Wunderkraft und Petrus’ Reaktion

21,1 21,2f. 21,4-9

Besorgnis des Petrus II (ohne nähere Ausführung) göttliche Intervention III: die himmlische Stimme Wunderdemonstration III (abgebrochen) Motiv der fehlenden Taufe als Begründung

Epilog

21,1013

Ablassen des Onesiphorus vom Wunderstreben. Taufe von 1000 Seelen

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Unstrittig sind Petrus und Onesiphorus die beiden Hauptfiguren der Handlung. In den beiden Hauptteilen sind sie die einzigen Aktanten überhaupt. Die herbeigebrachte verunreinigte Frau hat nur Requisitencharakter, die Erscheinung des kindlichen Heilands hat die gleiche Funktion wie später die himmlische Stimme. Doch wie viele »Apostel« sind anwesend? Gemäß der vorstehenden Erzählung sollten es fünf sein: Petrus, Andreas, Matthias, Alexander und Rufus (vgl. ActPetrAndr 3; 4). Von den letzteren drei erfährt man aus vorliegender Perikope nichts, und Andreas hat in ActPetrAndr 13 nur die expositionelle Funktion, die Darstellung des Petrus als den größeren Apostel zu ermöglichen. Ab ActPetrAndr 14,1 ist von ihm nur noch einmal in der Figurenrede ActPetrAndr 20,2 die Rede; nur gelegentliche, unspezifische Pluralformen erinnern an die Anwesenheit von mehr Jüngern als nur Petrus (ActPetrAndr 16,2.9.10; 18,5; 20,2.7); gelegentlich stehen sie wenig abgeglichen unmittelbar neben Singularformen, die sich nur auf Petrus beziehen (so z.B. ActPetrAndr 15,2; 15,3 versus 15,4.5.6; 20,4 versus 20,3.6; 21,12 versus 21,13). Petrus wird durchaus zwiespältig charakterisiert: Das erste Mal namentlich erwähnt wird er erst nach dem Epilog in ActPetrAndr 14,1, nachdem Andreas bereits Onesiphorus’ handgreiflichem Jähzorn zum Opfer gefallen ist. Er mahnt Onesiphorus zur Mäßigung und wird von ihm unmittelbar als der Klügere von beiden Aposteln bezeichnet. In dieser Charakterisierung vermischen sich offenbar figurale und auktoriale Interessen: Es ist der Erzähler, der seinen Lesern Petrus als den Klügeren empfehlen möchte, die Figur Onesiphorus hat dazu an dieser Stelle noch kaum Anlass. Ab diesem Eingreifen spielt sich die Handlung fast nur noch zwischen Onesiphorus und Petrus ab. Doch besonders überlegen wirkt Petrus zunächst nicht. Auch er fällt dem Jähzornigen zum Opfer, sogar in gesteigerter Weise. Dass er Onesiphorus’ Bedingungen für die Glaubensdemonstration ohne Einwände akzeptiert, dann aber zweimal in Sorge über den Ausgang der bevorstehenden Demonstrationen fällt, deutet ebenfalls nicht auf einen besonders initiativen und zuversichtlichen Jesusjünger. In ActPetrAndr 15,1 scheint er sich gar vor der bei Misserfolg angedrohten Strafe zu fürchten. Immerhin weiß Petrus, was zu tun ist, um die Handlung in rechte Bahnen zu lenken: Er betet (ActPetrAndr 15) und sein Ohr ist offen für die entsprechenden göttlichen Weisungen, seine Reaktionen sind weisungskonform. So führt Petrus Onesiphorus zuerst zum Glauben, dann zur Einsicht der Unnötigkeit von Wundern. Die Charakterisierung von Petrus ausdrücklich als Jude durch die von Onesiphorus gegen Petrus’ Wundermacht ausgerichtete erhoffte apotropäische Wirkung des Schweinefleisches sowie durch Petrus’ hermeneutische Strenge, die rechte Deutung des Kamelwortes den Propheten und den Erzvätern entnehmen zu wollen – und seine Verlegenheit, da dies nicht möglich ist, erscheinen deutlich, aber möglicherweise auch mit parodistischem Einschlag (s.u.). Obwohl die Einladung des Onesiphorus gegen Ende der Erzählung allein an Petrus gerichtet ist (ActPetrAndr 21,12), verliert sich im letzten Satz des Epiloges seine Spur: Nicht Petrus, sondern »sie« – mehrere Apostel 907

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oder Petrus samt Onesiphorus – betreten das Haus des Gastgebers. Der Erzähler wird an dieser Stelle unklar. Auch bei der summarischen Taufe der 1000 wird Petrus nicht mehr einzeln erwähnt, sondern tritt in die Gruppe der Apostel zurück (ActPetrAndr 21,13). Während also eingangs Petrus eingeführt wird und auftritt wie der kommende Held der Erzählung, wird diese Rollenerwartung im Laufe der Erzählung mehr und mehr gebrochen: Ein echter Held war Petrus nicht, am Ende wird der Blick des Lesers auf 1000 Täuflinge gelenkt, die von einer nicht näher bezeichneten Mehrzahl von Aposteln durchgeführt wird. Onesiphorus ist offensichtlich als einflussreicher Bürger derjenigen Stadt vorgestellt, zu der hin die Apostel unterwegs waren. Bereits bei seinem ersten Auftritt wird er als »Reicher« bezeichnet (ActPetrAndr 13,1), Petrus zitiert ihm, als er seinen Reichtum als Hindernis zum Glauben erkennt, mahnend das Jesus-Wort vom Kamel und dem Nadelöhr (ActPetrAndr 14,6). Später zählt Onesiphorus selbst seinen Reichtum auf und verspricht ein enkratitisches Leben, sollte er dadurch Wunderkraft erhalten (ActPetrAndr 20,4-6). Er ist auch ein jähzorniger Mann, der schnell dabei ist, Andreas und Petrus zu würgen, beuteln und zu schlagen; er gerät schnell in Zorn, häufig spricht er »mit lauter Stimme« oder »schreit«. Ganz im Gegensatz zum kanonischen Jüngling, der auf Jesu Aufruf zur Armut »betrübt« hinweggeht (Mt 19,22; Mk 10,22; Lk 18,23; s.u. detaillierter), lehnt sich Onesiphorus gegen diese Aufforderung auf und bricht in Wut aus. Offenbar ist er auch ein sozial einflussreicher Mann der Stadt; er kann dafür sprechen, unter welchen Bedingungen »die ganze Stadt« gläubig wird und kann über öffentliche Strafen verfügen. Seinen Einfluss akzeptiert und fürchtet sogar Petrus. Von diesem noch als hartherzig (βαρυκάρδιος barykardios) bezeichnet (ActPetrAndr 18,6), kommt er jedoch am Ende der Handlung zum Einsehen und verzichtet freiwillig auf die anvisierte Wundermacht. Obwohl ihm nicht gelungen ist, was er wünschte, genügt ihm jetzt sein Glaube. Entgegen seinem sonstigen aufbrausenden Wesen scheint er Petrus’ Erklärung zu seinem nur halb geglückten Wunder gelassen zu akzeptieren (ActPetrAndr 21,10), strebt nicht einmal mehr mit erwarteter Konsequenz seine Taufe an. Ob er bei der Taufe der 1000 überhaupt noch mitzudenken ist, bleibt Leerstelle. Das Letzte, was der Leser vom gläubigen Onesiphorus erfährt, ist seine empathische Gastfreundschaft. Diese plötzliche Friedfertigkeit und Genügsamkeit passen eigentlich schlecht zu seinem sonstigen fordernden, ja heimtückischen Charakter und ist – ebenso wie sein Verzicht auf eigene Wundermacht – am besten mit einem plötzlichen Sinneswandel durch seine Bekehrung erklärbar (zu den Attributen des Knaben und der Frau s.u.). Die Glaubensthematik durchzieht die Handlung durchgängig. Von Glaube und Zum-Glauben-Kommen ist mehrfach die Rede als Motivation für die ersten beiden Wunderforderungen durch Onesiphorus (ActPetrAndr 14,10; 18,2), sowie als Konsequenz der beiden erfolgreichen petrinischen Demonstrationen (ActPetr Andr 20,3). Auch die Nebenfigur des Händlers ist als »Glaubender« charakterisiert (ActPetrAndr 16,5). Etwas unabgeglichener ist dazu das Thema der Taufe (bzw. des »Siegels in 908

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Christus«): In Hauptteil II mit ActPetrAndr 21,1 gänzlich unvorbereitet eingeführt, gilt sie als Glauben komplettierend und Glaube ohne Taufe als von zweifelhafter Wirksamkeit (ActPetrAndr 21,1.9). Wenig später scheint doch wieder der Glaube das entscheidende Moment zu sein, die Kombination der Argumentationen von ActPetrAndr 21,9 und 21,10.11 setzen gar voraus, bzw. leisten wenigstens der Auffassung Vorschub, dass Taufe nur der Erlangung von Wunderfähigkeit dient, die jetzt aber als entbehrlich erkannt ist, und gegenüber Glaube gekoppelt mit Wunderverzicht geradezu in Opposition steht. Zu erwarten wäre an der Stelle von ActPetrAndr 21,10 ja eigentlich die Reaktion des Onesiphorus: »Dann tauft mich doch bitte!« Diesem unklaren Stellenwert und der unklaren sachlichen Funktion von Taufe entspricht auch ActPetrAndr 21,13: Der narrative Schlussakkord der gesamten Erzählung besteht in einer Massentaufe, die Taufe konkret der Hauptfigur Onesiphorus allerdings bleibt Leerstelle … Äußerlich gesehen das dominanteste Motiv der gesamten Handlung ist fraglos das des Wunders bzw. Wunderstrebens. Die Beobachtung der apostolischen Wunder (»Zeichen«) durch Onesiphorus ist Aufhänger für die gesamte Handlung (ActPetr Andr 13,2), die drei Wunderdemonstrationen bilden formal die Hauptgliederungsmarken der Erzählung, und es ist auch die Wunderthematik, auf deren Grundlage die unterschiedlichen Theologumena motiviert als auch narrativ ausgestaltet werden. Dennoch durchzieht auch dieses Motiv die Handlung nicht ungebrochen. Am Ende der Erzählung werden die Wunder figural ausdrücklich als unnötig bezeichnet (ActPetrAndr 21,10), Onesiphorus verzichtet auf seine ursprünglich erwünschte Wundermacht (sprachlich verstärkt auch durch zwei finite Verben ἀπεκρίθη καὶ εἶπεν apekrithē – er antwortete; kai eipen – und er sprach, ActPetrAndr 21,10, im Gegensatz zu an vergleichbaren Stellen i. d. R. eingesetzte Partizipialwendungen). Sein großer Wunsch im Prolog, mit dem er sich zuerst an die Apostel gewandt hat (ActPetrAndr 13,3) und der der Anlass für die gesamte Handlung gewesen ist, bleibt bis zum Schluss nur unvollständig erfüllt. Folgt der Leser dem Spannungsbogen der Handlung, der durch die drei Akte mit den Gängen des Kamels durchs Öhr entstanden ist, so wird er im Epilog enttäuscht. Das Vergnügen an absurd entfalteten Wundererzählungen führt, was die äußere Handlung anbelangt, in eine Antiklimax. Die himmlische Verheißung von ActPetrAndr 21,3 hat sich auf viel unspektakulärere Weise erfüllt, als man zunächst hätte erwarten können, die Pointe der Erzählung liegt gerade nicht im Erweis des erfolgten Wunders, sondern in der Doppelspitze von Glaube und Taufe.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die in der Erzählung verarbeiteten Theologumena wechseln und bleiben untereinander, wie in der »sprachlich-narratologische Analyse« angedeutet, unabgeglichen. Das dominierende Thema der Handlung ist das des Glaubens bzw. der Glaubensannahme, eingeführt bereits in der Andreas-Sequenz durch die Eingangsfrage des 909

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Onesiphorus (ActPetrAndr 13,3). Zum Stein des Anstoßes wird jedoch in derselben Sequenz Andreas’ Enkratieforderung nach Besitz- bzw. Familienverzicht (Act PetrAndr 13,4.5; der Zaubervorwurf des Onesiphorus ist an dieser Stelle gar nicht recht motiviert, sondern blickt in die Vorgeschichte der Erzählung zurück). Diese beiden Motive stehen in Diastase zueinander. ActPetrAndr 13,4.7 scheint gar die Vorgeordnetheit der Enkratie gegenüber dem Glauben vorauszusetzen, doch nach Petrus’ Auftritt wird das enkratitische Motiv nur noch zweimal explizit aufgegriffen: in Onesiphorus’ rückversichernder Frage an Petrus (ActPetrAndr 14,4) und im Rahmen der Schlusssequenz zu Hauptteil I (ActPetrAndr 20,1), hier allerdings nicht als Forderung seitens der Apostel, sondern als Angebot (beinahe Erpressung?) des Onesiphorus zur Erlangung der erstaunlichen Wunderkraft (ActPetrAndr 20,6). Beide Male wird dieses Motiv narrativ gebrochen: Onesiphorus’ – ja völlig nachvollziehbare – Frage bleibt unbeantwortet; sein Angebot zum Besitzverzicht wird weder durch die Apostel noch durch den Erzähler aufgegriffen, seine etwaige Ausführung bleibt Leerstelle. (Spannungsvoll zum Streit in ActPetrAndr 13 ist überdies, dass in ActPetrAndr 20,4-6 nur von materiellem Besitzverzicht – den sozialen Gegebenheiten der Zeit zu Folge einschließlich der Sklaven –, nicht aber von der Aufgabe der Familie die Rede ist.) Verwandt mit dem Enkratiemotiv ist das Motiv der Reinheit bzw. Unreinheit, das durch die beiden Nebenfiguren des 12-jährigen Knabe sowie der herbeigebrachten verunreinigten Frau ausgeprägt ist: Der 12-jährige Knabe steht an der Schwelle zum Erwachsenenalter, sein Leingewand ist als Zeichen von Adel und Reinheit, vielleicht sogar als Taufkleid deutbar (vgl. bereits ntl. Offb 15,6; 18,12.16; 19,8.14); dass das Gewand beidseitig glatt ist, deutet auf seine Kostbarkeit hin. Im Kontrast dazu ist die herbeigebrachte Frau eine μεμιασμένη (memiasmenē), also recht unspezifisch eine »widerliche, widerwärtige, unreine« Frau. Grundsätzlich ist dieser Begriff im kultischen oder sexuellen Sinne kaum näher zu spezifizieren; es ist nicht notwendigerweise an eine Prostituierte gedacht, auch wenn dies naheliegt (obwohl die Frau der Rahmenhandlung ActPetrAndr 9-12.22 ausdrücklich als πόρνη pornē – Prostituierte bezeichnet ist). Das Motiv der Reinheit bzw. im Kontrast dazu der Unreinheit wird durch diese beiden Figuren also pointiert, aber nicht ausführlich in die Handlung aufgenommen. Eine spezifische symbolische Deutung des Kamels ist über dessen Körpergröße hinausgehend kaum zu erkennen, weder in ActPetrAndr im Speziellen noch in der benachbarten Literatur im Allgemeinen. Das Kamel, damals das einhöckrige camelus dromedarius, wurde als Lasten- und Reittier eingesetzt (im Frieden wie im Krieg); nachvollziehbarerweise galt eine große Kamelherde als Zeichen des Wohlstandes. Seine heutige im orientalischen Raum anzutreffende symbolische Deutung für Glück und Klugheit lässt sich hingegen kaum auf die damalige Zeit übertragen. Die Quellen lassen in ihrer Diversität vielmehr gar keine spezifische symbolische Deutung des Kamels zu: Lukian etwa lässt König Glykon die kommenden Reinkarnationsstufen für einen gewissen Sakerdos von Tieion aufzählen: zuerst Kamel, dann Pferd, dann ein weiser Mann und Prophet (Alex. 43; Victor 1997, 114-117); 910

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diese Reihung ist nicht despektierlich im Bezug auf das Kamel gemeint (Victor 1997, 43), aber doch klimaktisch geordnet. Eine deutliche Negativkonnotierung des Kamels ist hingegen bei Gregor d. Gr. zu finden, der Kamele, schwankend in ihrem Gang und beladen mit abgötterischen Kulten, als Sinnbild für Heiden interpretiert (Greg. M. moral. 1,15,21 [SC 32 bis 196,30f.]). Vita Theodori Syceotae 3,13f. (SHG 48,3,12-14) berichtet von akrobatischen Schaustücken auf Kamelrücken. Im späteren Midrash KlglR 3,14,5 (Cohen 1983, 194) wird eine antijüdische Spottnummer im heidnischen Theater beschrieben, in der ein in Trauerkleidung gewandetes Kamel klagt, die Juden hätten wegen des Sabbatjahres Mangel an Gemüse und hätten daher sein eigenes Futter gegessen. – Mit dem Kamel in vorliegender Erzählung tritt somit allem Anschein nach schlicht die Figur aus dem Jesuslogion als großes Tier auf, keine tiefer weisende Symbolfigur, und dient eher als Requisite für die Wunderdemonstration. Demzufolge wird es im Anschluss an den letzten Wunderdurchgang – ähnlich wie die verunreinigte Frau, die Nadel und das Fleischstück – auch gar nicht mehr erwähnt. Die rechte Deutung des Hintergrundes zur spezifisch jüdischen Charakterisierung des Petrus, wie sie durch die erwartete Wirkung des Schweinefleisches sowie durch seine dogmatische Fixierung auf eine »Hermeneutik der Propheten und Erzväter« angedeutet wird, hängt wesentlich von der Datierung des gesamten Textes ab. Es breitet sich neuerdings die These aus, dass die Identitäten von »Judentum« und »Christentum« in der Spätantike möglicherweise erst später konsequent separiert voneinander betrachtet wurden als lange angenommen (vgl. Fredriksen 2003, 35-63; gegen etwa Dunn 2006). Datiert man ActPetrAndr also in eine Zeit, in der diese unvollständige Identitätsabgrenzung noch anzunehmen ist (nach Fredriksen bis ins frühe 4. Jh.), dann wäre der »christliche« Petrus noch deutlich an jüdische Hermeneutik und jüdische Reinheitsvorstellungen anbindend charakterisiert. Nimmt man hingegen einen späteren Abfassungszeitraum an, läge in diesen deutlichen, aber kurzen Motiven eine Parodie durch Anachronismus. Wahrscheinlicher erscheint letztere Möglichkeit. Denn zum einen passen Petrus’ hermeneutische Strenge und sein anschließendes Zaudern auch nicht zu ActPetrAndr 14,6, wo er selbst das Jesus-Zitat bereits mit vollkommen klarer Aussageabsicht eingeführt hat. Und zum zweiten zeigt Petrus’ Gebet in ActPetrAndr 15, dass er das Jesuswort längst mit Gottes Wort gleichsetzt: »Herr, Herr, unser Gott, höre mich in dieser Stunde an! Denn man stellt mir eine Falle aus deinen Worten« – und es sind Jesu Worte, um die es geht (s.u.). Sowohl in Bezug auf die zwar pointierte, aber wohl doch leicht parodistisch gebrochene Charakterisierung des Petrus als Juden als auch bezüglich seines mehrfachen unsicheren Auftretens insgesamt liegt in ActPetrAndr ein gewisses Spezifikum des Petrusbildes innerhalb der Apokrypha-Literatur, in der er ansonsten dominant als überlegener Prediger und Wundertäter charakterisiert wird (etwa ActPetr; ActPetrXIIApost; beide ApkPetr; Brief des Petrus an Philippus; vgl. allerdings auch die strenge auf Lehre und Autorität bezogene Petruskritik in EvMar! [vgl. etwa Verweyen 2000, 385-391.426]) und ebenso auch als christlich ver911

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einnahmte Figur, wenig eingedenk seiner jüdischen Wurzeln (in den PsClem tritt ein spürbar im Judentum beheimateter Petrus auf, vgl. etwa EpClem 1,2; H 2,1518; H 7,4,2f.; H 8,4-7).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Der Aufhänger für die gesamte Handlung ist ganz offensichtlich das jesuanische Kamelwort aus der Erzählung vom reichen Jüngling (ActPetrAndr 14,6; s.o.). Eng verknüpft mit diesem Wort ist der Reichtum des Adressaten (des Jünglings in den kanonischen Evangelien bzw. des Onesiphorus in ActPetrAndr). Eine weitere Handlungsparallele ist darin erkennbar, dass Onesiphorus zunächst zum Besitzverzicht (ActPetrAndr 13,4) aufgefordert wird und nach offensichtlichem Missbehagen darüber im Anschluss daran das Kamelwort zitiert bekommt (ActPetrAndr 14,6). Doch daneben sind die Differenzen zu den kanonischen Erzählungen beträchtlich: Während von Jesus in den Synoptikern wirklich nur materielle Besitzaufgabe verlangt wird, ergänzt Andreas in ActPetrAndr die der Familie. Die Motivation für die einleitende Frage ist bei den Synoptikern, dass der kanonische Jüngling ewiges Leben erhalten möchte und deswegen fragt, was er dazu tun kann (Mt präzisiert: was er »Gutes« tun kann), obwohl er bereits auf ein tadelloses Leben zurückblicken kann (Mt 19,16.20; Mk 10,17.20; Lk 18,18.21); Onesiphorus hingegen geht es von Anfang an nicht um ewiges Leben, sondern um das Erlangen von Wundermacht. Auch die Reaktionen der Figuren auf die unterschiedlichen Logoi sind unterschiedlich. Der kanonische Jüngling reagiert auf die Anweisung zum Besitzverzicht nach allen drei Synoptikern traurig (Mt 19,22; Mk 10,22 [Mk ergänzt: »schockiert«]; Lk 18,23). Als Jesus dann das Kamelwort spricht, ist er nach Mt und Mk bereits wieder abgetreten und hört es somit gar nicht mehr. Es sind hingegen die Jünger, die darauf reagieren, und zwar mit Entsetzen (ἐθαμβοῦντο ethambounto – sie waren verblüfft, entsetzt Mk 10,24; gesteigert περισσῶς ἐξεπλήσσοντο perissōs exeplēssonto – sie entsetzten sich über die Maßen Mk 10,26 sowie ἐξεπλήσσοντο σφόδρα exeplēssonto sphodra – sie entsetzten sich sehr stark Mt 19,25). Selbst bei Lk, dem einzigen kanonischen Evangelisten, bei dem der Jüngling überhaupt noch anwesend ist, um Jesu Wort zu hören, wird die Reaktion auf das Kamelwort sehr gedämmt: Der Jüngling spielt an dieser Stelle gar keine eigene Rolle mehr, sondern ist in der Menge der Umstehenden aufgegangen; und deren Reaktion erfolgt nur durch Frage nach weiterer Erläuterung zum Bildwort (Lk 18,26). Diese differenzierten Reaktionen sind sowohl motivisch als auch von der Personenkonstellation her schlecht auf die Szenen in ActPetr Andr zu übertragen: Onesiphorus, der Adressat des Wortes, reagiert unmittelbar und heftig – zornig, gewalttätig, vorwurfsvoll –, er ist aber auch die einzige reagierende Figur und kombiniert und steigert in dieser Hinsicht die Funktion des kanonischen Jünglings und der Jünger (bzw. bei Lk der Umstehenden). Neben dem Kamelwort und dem Motiv der Besitzaufgabe sind noch etliche weitere Schriftzitate und -anspielungen in den Text gestreut: Das Motiv der Familienauf912

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gabe in ActPetrAndr 13,7 und 14,4 stammt zwar – wie genannt – nicht der Erzählung vom Jüngling, greift aber entsprechende Forderungen aus Mt 10,37; Mk 10,29; Lk 14,26 auf. Die doxologische Formel in Petrus’ Gebet (ActPetrAndr 15,7) erinnert an die Szene der Cherubim vor dem göttlichen Thron Jes 6,1-3. Der zwölfjährige Jesus tritt bereits in Lk 2,41-52 auf, das ermutigende Heilandzitat »Ich bin mir euch allezeit!« (ActPetrAndr 16,2) ist im griechischen Text zwar nicht wörtlich, aber semantisch sehr nahe an den Schlusssatz des Auferstandenen aus Mt 28,20 angelehnt. Direkt im Zusammenhang dazu wird auf die Himmelfahrt Jesu in ActPetr Andr 16,4 angespielt. Eine Schlüsselstellung unter den Bibelzitaten nimmt das Logion »Denn kein Ding ist unserem Gott unmöglich« (ActPetrAndr 16,9) ein, das eben der kanonischen Erzählung um das Kamel entstammt (Mt 19,26; Mk 10,27; Lk 18,27) und die Durchführbarkeit der absurden Vorgaben bestätigen soll. Die Formel »Jesu Christi, des Gekreuzigten unter Pontius Pilatus« (kürzer in ActPetrAndr 19,3) baut auf frühen Credo-Formeln sowie 1 Tim 1,16 auf; die Formulierung ist selbst nicht neutestamentlich, aber schon seit Justin und Irenäus breit bezeugt (vgl. Kelly 1972, 149-151; für Einzelbelege vgl. dort). Ein ntl. Onesiphorus wird zweimal erwähnt in 2 Tim 1,16-18; 4,19. Dort wird er als ein treuer, bei Paulus ausharrender Freund beschrieben, der jenem häufige Besuche in Gefangenschaft abgestattet hat. Er und Hermogenes, eine weitere Figur aus demselben Abschnitt dieses Briefes, treten gemeinsam wieder (zusammen mit Hermas) in ActThecl auf. Auch dort hat Onesiphorus die Funktion des Paulus-Nachfolgers, in seinem Haus bricht Paulus das Brot und verkündet das Wort, während Hermogenes eher die Kontrahentenrolle einnimmt. Wenig ist je aus dieser Überschneidung der dramatis personae gewonnen worden (vgl. Johnson 2001, 362f.; Oberlinner 1995, 63f.). Noch weniger ergiebig ist sie für ActPetrAndr. Der Onesiphorus der ActThecl ist zwar verheiratet und hat zwei Kinder (Frau und Kinder sind namentlich genannt, vgl. ActThecl 1), doch ist dies eine allzu wenig spezifische Gemeinsamkeit zu demjenigen in ActPetrAndr. Die Szene in ActThecl spielt in Ikonium, in ActPetrAndr hingegen in der Stadt »der Barbaren« (τῶν βαρβάρων tōn barbarōn, ActPetrAndr 3); Onesiphorus der ActThecl sowie der in 2 Tim ist bereits gläubig und ein treuer Paulusfreund, in ActPetrAndr eine widerständige Persönlichkeit, die erst noch zum Glauben kommen muss. Das hier zentrale Detail des Reichtums des Onesiphorus ist weder 2 Tim noch ActThecl zu entnehmen, sondern entstammt der Vorlage des reichen Jünglings der kanonischen Evangelien. Auch eine symbolische Deutung des Namens Onesiphorus als »Nutzbringer«, z.B. im Bezug auf den pädagogischen »Nutzen« der Erzählung, ist nur sehr schwach anzudenken. Denn gegen Ende der Handlung mündet die Figur eher in eine Reihe von dead endings; als appellatives Vorbild taugt Onesiphorus im Grunde nur in Bezug auf Wunderverzicht, teilweise für Glaube und Besitzaufgabe, sehr verdeckt im Rahmen der 1000 Seelen für Taufe, nicht jedoch für Familienverzicht. Die Parallelen zwischen den Synoptikern und ActPetrAndr bleiben damit insgesamt eher an der motivischen Oberfläche; steigt man in die Tiefenstruktur der Textes, zerrinnen die Vergleichspunkte. 913

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Was über die Kanongrenzen hinausführende Traditionen anbelangt, so reiht sich die vorliegende Erzählung in eine stattliche Anzahl von Tiererzählungen der Acta-Literatur ein (vgl. Klauck 2008e, 95-138). Verglichen mit dem sprechenden Kettenhund (ActPetr 9-12), dem zum Leben erwachten Räucherfisch (ActPetr 13), dem getauften Löwen (ActPl 9 [P.Hamb.; P.Bod. 61]), den gehorsamen Wanzen (ActJoh 60f.) oder den aufgrund der Selbsttaufe Theklas plötzlich toten Robben (Act Thecl 34) verhält sich das Kamel in der vorliegenden Erzählung jedoch grundsätzlich artgerecht. Wunderbar genug ist, dass es auf Petrus’ bzw. Onesiphorus’ Wort hört (ähnlich den Wanzen aus ActJoh). Auch Jesus als kindliche Erscheinung tritt in etlichen apokryphen Texten auf, sowohl in der Evangelienliteratur (vgl. Kaiser 2010, 253-269; Hartenstein 2010, 1014) als auch der Acta-Literatur (vgl. jetzt grundlegend zur Polymorphie Jesu Czachesz 2012, 115-129; Klauck 2008c, 303-374). In ActPetrAndr 2 tritt er bereits ohne nähere Altersbezeichnung ἐν μορφῇ παιδίου (en morphē paidiou – in Gestalt eines Kindes) auf, in ActPetrAndr 16 als Mutmacher und wie ein Schauspieldirektor in einem Theaterprolog: »Das Wunder möge beginnen!« Der Trinitätsgedanke ist entwickelt, wenn auch nicht begrifflich ausgeführt und nicht stabilisiert: Petrus’ Gebet richtet sich formal zunächst an Gott (δέσποτα κύριε, ὁ θεÒς ἡμῶν despota, kyrie, ho theos hēmōn – Herr, Herr, unser Gott, 15b), und während die Anrede κύριε (kyrie  – Herr) bereits doppeldeutig ist, gilt die Schrift, aus der das Kamelzitat stammt, bereits als »dein« Wort (ActPetrAndr 15,3), d. h. grammatikalisch Gottes Wort, sachlich aber natürlich Jesu Wort. Daraufhin erscheint das Jesuskind (ActPetrAndr 16,1), später erfährt Petrus Geheimes durch den Geist (ActPetrAndr 18,6). Die geforderte Taufe ist jedoch nur eine auf den Namen Christi (ActPetrAndr 21,1.9; nicht triadisch wie in Mt 28,19; PsClem H 11,26,3; Did 7,1; Iust. 1 apol. 61,3 u.a.; vgl. allerdings die trinitarische Formel in der Rahmenhandlung ActPetrAndr 23). Die in der frühchristlichen Literatur immer wieder zu begegnenden Topoi Enkratie und Taufe als kathartischer erzählerischer Höhepunkt sowie auch die an die Apostel gerichteten Vorwürfe der Zauberei und Ehefeindlichkeit sind auch hier prävalent. Die beiden ausdrücklichen jüdischen Motive (Unreinheit von Schweinefleisch und Hochschätzung der Erzväter und Propheten) werden – wie genannt – wahrscheinlich tendenziell ironisiert vorgetragen, übrigens nicht erkennbar übelwillig. All diese Motive werden unpolemisch und ohne weitere Erläuterungen in die Handlung eingeflochten, d. h. deren Kenntnis beim Leser offensichtlich vorausgesetzt.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erzählung ist mit viel Phantasie, Witz und Esprit gestaltet, die Erzählfreude der in ihrer gesamten Anlage auf Komik hin ausgerichteten Handlung wird ihre Entspre914

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Showdown im »Zirkus Petrus« ActPetrAndr 13-21

chung im Hörvergnügen gefunden haben – und noch heute finden! Ein Nadelöhr, das zu einem kamelgroßen Tor anwächst, und ein Kamel, das wie dressiert durch ebenselbes hin- und herschreitet, kann seine Lacher nicht verfehlen. Die Rede vom Kamel und dem Nadelöhr ist in der synoptischen Tradition als hyperbolische Metapher unmissverständlich (bBer 55b und bBM 38b erwähnen einen Elefanten, der durchs Nadelöhr geht; vgl. auch die analoge Metapher in Mt 23,24; zur Sache und weiterer Parallelliteratur Fitzmyer 1985, 1204; Michel 1938a, 598; Pedersen 1992, 610f.; Wolter 2008, 601; Gnilka 1994, 88). So kann die realistische Deutung, die der Erzähler in den Mund des Onesiphorus legt, nur als absichtliches Missverständnis gedeutet werden. Diesen kruden Realismus noch steigernd, muss auch die Vorstellung von einem Kamel lachhaft sein, das nach einigen bereits erfolgreichen Gängen durch das riesenhafte Nadelöhr  – und selbst beritten!  – auf einmal am Hals steckenbleibt. Man soll sich wohl vorstellen, das Kamel habe seinen Hals kopfwärts in das Nadelöhr eingefädelt und sei dann nicht weitergekommen. Grotesk ist auch der Händler, der zwar gläubig ist, aber dennoch eine ausreichend große Nadel finden möchte, die für ein Kamel ohne notwendendes Wunder passierbar wäre. Absurd ist dieses Ansinnen nicht nur wegen der offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Suche nach einem solch surrealen Gegenstand, sondern auch deswegen, weil Onesiphorus ja gerade ein Wunder verlangt hat und nicht den zufälligen Fund einer ausreichend großen Nadel anderswo.  – Witzig wirkt auch die Vermenschlichung des Kamels durch die Anrede im Vokativ κάμηλε (kamēle – Kamel!) (ActPetrAndr 17,4; 21,6). Ein humorvoll retardierendes Detail ist die Notiz von Onesiphorus, der sich erst umständlich vor das Kamel und die Nadel positioniert, bevor er seinen Laufbefehl ausspricht (ActPetrAndr 21,5, im Gegensatz zu den petrinischen Durchgängen). Ein feiner goof am Ende der Handlung liegt darin, dass sich Petrus im Hause des Onesiphorus ausdrücklich ausruhen soll, doch dann die Apostel die ganze Nacht hindurch mit 1000 Taufen beschäftigt gehalten werden. – Die beiden an der Figur des Petrus ausgeführten jüdischen Parodien sind bereits genannt. Wenn die Erzählung damit unübersehbar auch dem Amüsement der Hörer gedient haben wird, sinkt sie deswegen nicht zu einer bloßen Clownerie ab. Es sind gerade narrative Unausgeglichenheiten wie das Desinteresse des Erzählers an Petrus im Schlusssummarium und sein mehrfaches Zaudern, das nicht zu seiner zunächst anvisierten Heldenrolle passt, die Unausgeglichenheit der Theologumena Enkratie, Glaube und Taufe, sowie die motivischen Diskrepanzen zwischen Epilog und Prolog, die einen weiterführenden Aufschluss zur Deutung der Erzählung zulassen. Eine hoheitliche Rolle des Petrus ist vorausgesetzt, wird aber ironisch gebrochen. Theologie (einschließlich der Autorität Petri) wird nicht entwickelt, erklärt, verteidigt oder polemisch argumentativ eingesetzt: Man setzt sie voraus und spielt mit ihr in gelassener Freiheit. Die Hörer werden damit auch in einer theologisch geformten Identifikationsgemeinschaft geeint. Gerade im Zusammenhang mit dem zentralen Zitat ActPetrAndr 16,9 als Bekräftigung der Durchführbarkeit des geforderten Wunders sowie der mehrfachen, in Notsituation auftretenden pünktlichen Himmelsvisionen und -auditionen ist die Erzählung auch als narratives Glaubensaffirmativ zu lesen, 915

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Die Wundererzählungen in den Akten des Petrus und des Andreas

d. h. in ihrer Funktion, die Hörer durch das gemeinsame Verständnis der InsiderGlaubenswitze in ihrer Gruppenidentität als Gläubige zu stärken. Zum dritten erscheint es wesentlich, dass bei allen »wunderbaren« Absurditäten der Handlung die Pointe der Erzählung gerade in einer Mirakelkritik besteht. Der Zielpunkt des Hauptteiles I ist Glaube, am Ende des Hauptteiles II Glaube und Taufe. Hier zeigt sich, dass der Erzähler nicht nur Fabulist, sondern auch theologisch interessiert ist. Nicht nur die eigenen christlichen Motive – sowie etwas abseitiger auch jüdische  – werden selbstironisch präsentiert, sondern das gesamte Wunderstreben. Nicht ironisiert hingegen, sondern geradewegs als Lösung präsentiert werden die Theologumena. »Nicht Wunder, sondern Enkratie, Glaube und Taufe!« ist der ernsthafte Teil des Rufs des Erzählers an seine Hörer. Wie mehrfach genannt, werden diese Themen hier nicht vertieft; in der gottesdienstlichen Predigt, bei Athanasius, Basilius oder Chrysostomus werden die Hörer demnächst mehr darüber erfahren. Unser Erzähler indes ist keiner dieser drei. Er treibt seinen Witz mit Kamelen und Zaubernadeln, wir haben unseren Spaß dabei – und können gerade dabei seriöse Theologen bleiben. Eckart D. Schmidt

Literatur zum Weiterlesen A. Benoît/C. Munier, Die Taufe in der Alten Kirche (1.-3. Jahrhundert). Traditio Christiana. Texte und Kommentare zur patristischen Theologie IX, Bern et al. 1994. R. Finn, Asceticism in the Graeco-Roman World, Cambridge 2009. A. Kokschal (Hg.), Mit Humor durch die Bibel. Anekdoten, Witze, Kuriositäten, Leipzig 2010. C. Lange, Gestalt und Deutung der christlichen Initiation in der Alten Kirche, in: ders. et al. (Hg.), Die Taufe. Einführung in Geschichte und Praxis, Darmstadt 2008, 1-28. Textsammlung diverser Autoren unter URL: http://www.kirchen.net/bischof/laun/ launheiteres.htm (Zugriff am 10.05.2013).

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VIII. Die Wundererzählungen in den Philippusakten

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Hinführung zu den Wundererzählungen in den Philippusakten Text und Herkunft Die Philippusakten (ActPhil) gehören zu den sogenannten »späteren Apostelakten«. Die Forschung der ActPhil demonstriert aber, dass eine definitive Trennung zwischen »frühen« und »späten« Akten nur begrenzt möglich und nicht unbedingt hilfreich ist. Im Gegensatz zu den kanonischen Schriften galt der Text der apokryphen Apostelakten nie als festgelegt und unveränderbar. Überlieferungen über die Apostel wurden frei zusammengefügt, überarbeitet oder gekürzt. Das Urteil der Forschung spielt eine wichtige Rolle darin, welche Form des Textes man als »ursprünglich« betrachtet und wie diese Urform rekonstruiert wird. Die ursprüngliche Form der ActPhil entstand am wahrscheinlichsten im 4. Jh., mindestens einhundert Jahre nach den Thomasakten (erste Hälfte des 3. Jh., vgl. Nicklas, Hinführung zu den Thomasakten in diesem Band), die als letzte der frühen oder »großen« Apostelakten gelten. Der Inhalt, der Stil und die Motive der ActPhil bringen sie aber in enge Verwandtschaft zu den frühen Apostelakten. Niemand hat mehr Einfluss auf die moderne Forschung der ActPhil ausgeübt als der schweizerische Neutestamentler François Bovon (1938-2013). Vor noch vier Jahrzehnten waren die ActPhil nur fragmentarisch und aus späten Überarbeitungen bekannt (vor allem aus dem Codex Vaticanus Graecus 824). Bovons Entdeckung einer früheren Fassung der ActPhil (Codex Xenophontos 32) in der Klosterbibliothek von Xenophontos auf der griechischen Halbinsel Athos im Jahr 1974 hat unsere Kenntnisse dieser Schrift wesentlich verändert (Bovon 1999b; ders. 2012). Der Text des ActPhil aus diesem Kodex enthält mehrere vorher unbekannte Kapitel und bietet längere Fassungen von anderen Episoden. Die Theologie dieses Manuskripts ist auch unorthodoxer als die der anderen Texte. Obwohl die neutestamentliche Textkritik normalerweise kürzere Textvarianten bevorzugt und sie als älter und ursprünglicher als längere Varianten akzeptiert, zeigt die Textgeschichte der apokryphen Apostelakten, dass eine Entwicklung auch in der Gegenrichtung möglich war. Aus längeren Vorlagen konnten Auszüge und verkürzte, rechtgläubig überarbeitete Texte entstehen (vgl. Klauck 2008a, 233). Die ActPhil entstand aus einer Reihe von früheren Texten, die oft ohne gründliche Überarbeitung einfach aneinandergefügt wurden. Das Buch besteht aus fünfzehn »Akten« (eine wahrscheinlich ursprüngliche oder sehr frühe Aufteilung, die man auch in den Thomasakten findet) und einem Martyrium, die wieder in zahlreichen Fassungen überliefert wurde (Bovon/Bouvier/Amsler 1999). Einen deutlichen Zusammenhang finden wir nur in der Erzählung von Akt 8 bis zum Ende des Martyriums. Die Forschung hat einen weiteren Zyklus in den Akten 5 bis 7 (Bovon 2012, 18) oder in den Akten 3 bis 7 (Amsler 1999, 21f.) identifiziert (s.u.). Die Herkunft der ActPhil lässt sich anhand von zwei wichtigen Merkmalen einschränken, nämlich ihre enkratitische Tendenzen und die Hinweise zu ihrer religiösen Umwelt. Die neuere Forschung hat E. Petersons (1932a) Hypothese bestä919

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Die Wundererzählungen in den Philippusakten

tigt, dass der Text aus den asketischen Bewegungen Kleinasiens im 4. und 5. Jh. stammt (Bovon 2012, 8). Besonders in Kapitel 3-7 rücken asketische Themen wie Sexualität, Essen, Kleidung, Besitz und soziale Fragen in den Vordergrund. Die Synode von Gangra in Kleinasien (gegen 355) verurteilte extremen Asketismus wie z.B. die radikale Ablehnung der Ehe oder besonders strenge Regeln über Essen und Kleidung (Schöllgen 1995; Klauck 2008a, 242). Der ursprüngliche Text konnte die theologischen und ethischen Überzeugungen solcher marginalisierten Asketen zum Ausdruck bringen, während spätere Überarbeitungen solche »extremen« Ansichten im Text unterdrückten. Eine interessante Hypothese des Sitzes im Leben der ActPhil hat F. Amsler (1999; Amsler/Bouvier/Bovon 1996) ausgearbeitet. Nach Amslers Interpretation enthält der Text zahlreiche Hinweise zur Verehrung von Kybele, der Göttin, die auch »Große Mutter« genannt wurde und deren Kult starke Konkurrenz für die christliche Mission in Phrygien bedeutete. Die Tiere der ActPhil (die Schlangen, der Leopard und der Bock, s.u.) interpretiert Amsler als Symbole bzw. Begleiter der Göttin. Des Weiteren befand sich eine wichtige Kultstätte der Kybele in den Stadt von Hierapolis, die die Forschung als Ort des Martyriums des Apostels in der ActPhil (dort Opheorymos – Straße/Stadt der Schlangen, genannt) identifiziert. Der Text polemisiert nach dieser Auslegung sowohl gegen Kybele als auch gegen Apollo, dessen Kult in der Geschichte der Region die Verehrung der Göttin schon früher besiegte. Archäologische Funde von Hierapolis (aus der türkischen Stadt Pamukkale) beweisen die Bedeutung der Gestalt des Philippus für die Stadt seit der spätantiken Zeit (Amsler 1999, 545; Arthur 2012). Bovon hat die Hypothese der Verbindung des Textes zu Phrygien weiterentwickelt und eine mögliche Beziehung der ActPhil zum Montanismus überlegt (Bovon 2012, 9-11; Matthews 2002, 23-27). Die Bewegung des Montanus blühte um die Mitte des 2. Jh. in Phrygien, und ihre wichtigen Merkmale umfassten ekstatische Prophetie, asketische Moral und die führende Rolle der Frauen (wie der zwei bekannten Prophetinnen Maximilla und Priscilla). Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die Montanisten mit der Philippustradition der Apostelgeschichte bekannt, vor allem mit dem Motiv der vier prophezeienden Töchter des Philippus (Apg 21,9). Gegen Ende des 2. Jh. beriefen sich sowohl Polykrates (Bischof von Ephesus) als auch der Montanist Proclus auf die Tätigkeit des Philippus und seiner Töchter in Kleinasien bzw. in Hierapolis (Eus. h.e. 3,31,2-4, 5,24,1f.). Die bisher angeführten Belege bieten aber zu geringe Information, um bestätigen zu können, ob die Montanisten weitere Überlieferungen über Philippus bewahrten, die später in die Philippusakten integriert werden konnten.

Philippus und Mariamne Neben Philippus haben die ActPhil auch eine weibliche Protagonistin, die Mariamne heißt. Die Identität beider Charaktere und ihre Beziehung zueinander sind wichtige Fragen der Forschungsgeschichte. In den kanonischen Evangelien bleibt die Figur 920

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Hinführung

des Apostels Philippus weitgehend im Hintergrund, obwohl das Johannesevangelium (Joh 1,43-46; 6,5-7; 12,20-22; 14,8-11) etwas mehr über ihn sagt als die Synoptiker, die nur seinen Namen nennen (Mk 3,18; Mt 10,3; Lk 6,14). Neben dem Apostel Philippus (Apg 1,13) kennt die Apostelgeschichte eine andere Gestalt mit diesem Namen, Philippus den »Hellenisten« (Apg 6,5), dessen Tätigkeit eine wichtige Rolle in der Erzählung spielt (Apg 8,4-40; 21,8f.). Da die Quellen aus dem 2. Jh. nur von einem Philippus sprechen (Bovon 2012, 10f.), entwickelte C. Matthews (2002) die Hypothese, dass die zwei Figuren des lukanischen Doppelwerks eine Erfindung dessen Autors waren (vgl. Theißen 1999a, 351 Anm. 15). Das Beispiel von Paulus zeigt aber, dass die frühe Kirche den apostolischen Rang auch wichtigen Figuren zuschreiben konnte, die nicht zu den Jüngern Jesu zählten. Die spätere Erhebung des »Hellenisten« Philippus zum Rang eines Apostels ist also auch denkbar. Auf jeden Fall scheinen besonders Kap. 1-7 der ActPhil eine Tradition weiterzuführen, die der Gestalt des »Hellenisten« der Apostelgeschichte nahesteht (Bovon 1988a, 4477.4493.4521-4523; Amsler 1999, 129-156). Im Erzählbogen, der mit ActPhil 8 beginnt, wird Philippus von Bartholomäus und seiner Schwester Mariamne begleitet. Die Beziehung zwischen Philippus und Mariamne ist vergleichbar zu der von Paulus und Thekla in den Paulusakten (vgl. Merz, Hinführung zu den Wundererzählungen in den Akten des Paulus [und der Thekla] in diesem Band), sie scheint jedoch gleichzeitig ausgeglichener und komplexer zu sein (Czachesz 2007b, 144-153). Laut der längeren Textüberlieferung der Episode hat Mariamne eine »männliche« Persönlichkeit, während Philippus als »feminin« bezeichnet wird, v.a. weil er sein Temperament nicht kontrollieren kann (ActPhil 8,3; vgl. Czachesz 2007b, 145 Anm. 18, 147f.). Die beiden Charaktere ergänzen einander sowohl in ihren Eigenschaften als auch in ihrer Tätigkeit. In der Stadt von Opheorymos tauft Philippus die Männer und Mariamne die Frauen (ActPhil 14,9). Ein interessantes Beispiel der engen Zusammenarbeit zwischen den beiden ist die Heilung des blinden Stachys (vgl. Matthews zu ActPhil 14,1-7 in diesem Band), wo Philippus seinen Finger in den Mund der Mariamne steckt und mit ihrem Speichel heilt (ActPhil 14,7). Wie bei Philippus wird die Identifizierung der Mariamne mit neutestamentlichen Charakteren zwar angespielt, aber nicht exakt bestimmt. Der Text enthält ein Hinweis zu den Schwestern aus Bethanien, Maria und Martha (Lk 10,38-42; Joh 11,1-46; 12,2), wobei undeutlich bleibt, ob Mariamne als Maria oder vielleicht als ihre Schwester Martha identifiziert wird (ActPhil 8,2; vgl. Bovon/Bouvier/Amsler 1999, 241 Anm. 6). Mariamnes Fürbitte bei Jesus für seinen Bruder (»Herr Jesus Christus, es geht meinem Bruder Philippus nicht gut« ActPhil 8,2) ist ein weiterer Hinweis auf die sich für ihren Bruder einsetzenden Schwestern des Johannesevangeliums. Es sei bemerkt, dass auch die »Maria« der gnostischen Literatur, die in den Texten oft eine führende, den männlichen Aposteln überlegene Rolle zugewiesen bekommt, eine schwankende Beziehung zu unterschiedlichen Charakteren der neutestamentlichen Tradition hat (Marjanen 2002; Shoemaker 2002). Die Figur der Mariamne in den ActPhil hat mehrere Berührungspunkte mit diesen »Marien« (Bovon 2009d, 246-285; Czachesz 2007b, 147-153), und 921

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Die Wundererzählungen in den Philippusakten

es ist möglich, dass der Verfasser eine genauere Identifizierung des Charakters mit den Frauen der neutestamentlichen Tradition gar nicht beabsichtigte.

Die Wunder der ActPhil Die ersten »Akten« der ActPhil enthalten lose zusammengefügte Episoden (s.o.). In ActPhil 1 erweckt der Apostel den Sohn einer armen Witwe vom Tode auf. Das Wunder zeigt Parallelen sowohl zu den alttestamentlichen Wundergeschichten von Elia (1 Kön 17,1-24) und Elischa (2 Kön 4,8-37) als auch zur Auferweckung der Witwe von Nain (Lk 7,11-17). Der vom Tod auferweckte Sohn erzählt von seiner Vision der Hölle, ähnlich wie die Frau, die Thomas in seinen Akten vom Tod auferweckt (ActThom 55f.; vgl. Nicklas zu ActThom 53f. in diesem Band). ActPhil 2 erzählt den Besuch des Philippus in Athen in einer Episode, die größtenteils aus Strafwundern besteht. Als Philippus in Athen auftritt, schicken die dortigen Philosophen einen Brief nach Jerusalem, worauf ein Hohepriester namens Ananias, besessen vom Satan, mit fünfhundert Männern nach Athen reist. Als er den Philippus angreifen will, wird Ananias’ Hand lahm (»verdorren«) und er erblindet zusammen mit seinen Männern. Dann erscheint die strahlende Gestalt Jesu aus dem Himmel, worauf die Götzenbilder der Stadt zu Boden fallen und zerbrechen. Später versucht Philippus, Ananias zu bekehren in einem Verfahren, das Assoziationen mit den Methoden der Inquisition hervorruft. Nach jeder falschen Antwort verschluckt nämlich die Erde den Hohepriester ein Stück tiefer, bis er lebend in den Hades kommt. Seine fünfhundert Männer bekehren sich und werden getauft (ActPhil 2,24). Strafwunder gegen nicht-christliche Kultorte und ihr Personal finden wir in mehreren apokryphen Apostelakten (z.B. ActPl 6; ActTit 9; Johannesakten von Pseudo-Prochorus [Zahn 1880, 42.91]; ActBarn 12; vgl. Czachesz 2007b, 205f.). Die Frage stellt sich, ob solche sadistischen Phantasien über Nicht-Christen auf Reminiszenzen wirklicher Gewalttaten zurückgehen könnten. Es ist bekannt, dass nach Konstantins Edikt von Mailand (313) Christen staatliche Gewalt benutzten und selbst Gewalttaten begangen sowohl gegen Nicht-Christen als auch gegen »Häretiker« (Gaddis 2005, 75-97). Ein konkretes historisches Ereignis hinter ActPhil 2 lässt sich aber nicht identifizieren. In ActPhil 3 lesen wir zwei Wunder ganz anderer Art, die in diesem Band ausführlich besprochen werden (Matthews zu ActPhil 3,5-19 in diesem Band). Am Anfang des Kapitels kommt Philippus in Parthia an und begegnet dort Petrus, den er darum bittet, für ihn zu beten. Bald darauf erscheint ihm Jesus in der Form eines Adlers, als er betend unter einem Baum sitzt. Während Philippus die Bestätigung seiner Mission von den Aposteln erwartet, bekommt er in der Vision eine noch stärkere Legitimation von Christus selbst (Czachesz 2007b, 142). Jesus verspricht dem Apostel, dass er ihn auf seiner Missionsreise beschützen wird. Philippus nimmt ein Schiff zu Azotus, das er später von einem Sturm rettet (Sturm auf dem Meer war ein beliebter Erzählstoff in der Antike, vgl. Apg 27 und Robbins 1978). Als der Apostel 922

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Hinführung

in der Not zu Jesus ruft, erscheint das strahlende Zeichen des Kreuzes in der Nacht. In ActPhil 4 heilt der Apostel das rechte Auge der jungen Charitine, die sich bekehrt und zusammen mit seinen Eltern getauft wird. Obwohl die Wundergeschichte einen geringen narrativen Zusammenhang mit den anderen Episoden aufzeigt (Bovon 2012, 18), kann man die Anrede des Apostels als »fremder Arzt, der in der Stadt wohnt« (4,4), als Vorzeichen für dessen spätere Tätigkeit in Opheorymos (s.u.) deuten. Die Kapitel 5-7 enthalten eine in sich abgeschlossene Geschichte der Tätigkeit des Philippus in Nikatera, wo er den Weisen Ireos bekehrt. Anders als bei anderen Ehepaaren in den apokryphen Apostelakten ist es hier die Frau, die die Bekehrung des Mannes nicht akzeptiert. Die Konfrontation mit dem Juden Aristarchos (ActPhil 6f.) erinnert an den Wettbewerb von Petrus und Simon am römischen Forum in den Petrusakten (ActPetr 22-29; vgl. Hoffmann zu ActPetr 4-15 und Ruf zu ActPetr 30-32 in diesem Band). In den ActPhil siegt Philippus mit einem Strafwunder (6,11) und einer Totenerweckung (6,20). Die wiederholte Bezeichnung von Philippus als »Magier« (z.B. ActPhil 5,9.14; 6,1; vgl. ActPhil 2,9; 4,1; 14,17; MartPhil 12,14; usw.) kann auf historischen Beschuldigungen beruhen, in denen die Praxis der christlichen Wundertäter von der Wirkung professioneller Magier phänomenologisch nicht zu unterscheiden war (vgl. ActAndr[Greg] 12; vgl. auch Czachesz zu ActAndr[Greg] 12 in diesem Band). Der letzte Erzählzyklus der ActPhil beginnt mit der Berufung des Apostels, und zwar mit dem bekannten Motiv der Verlosung der Missionsgebiete (ActPhil 8,1; vgl. Czachesz 2007b, 144-147.226-231). Von der Rolle der Mariamne war schon oben die Rede. Die Bekehrung eines Leopards und einer jungen Ziege (ActPhil 8,1621) und ihre Rolle in der Erzählung werden hierunter ausführlich betrachtet (vgl. Matthews zu ActPhil 8,16-21 in diesem Band). Aus dem Xenophontos Kodex wurden Teile der Kapitel 9-11 entfernt, wahrscheinlich aufgrund ihrer unorthodoxen Ideen bezüglich der Tiere. Laut Forschung (Amsler 1999, 340-343; Bovon 2012, 20) ist es möglich, dass in diesem Textteil die Taufe der Tiere beschrieben wurde. In den folgenden Kapiteln besiegt Philippus Drachen und Schlangen. In ActPhil 9 spritzen der Apostel und seine Begleiter Wasser in Form des Kreuzes in die Luft, um die Monster zu besiegen. In ActPhil 11 unterwirft der Apostel einen schwarzen Drachen und fünfzig Schlangen in der Wüste, die darauf ihre Erscheinung verändern und eine Kirche bauen. Laut ActPhil 11,6 geht es um die Dämonen, die Salomon beim Tempelbau halfen. Die Selbstvorstellung des Drachen in ActPhil 11,3 ist parallel zu den Worten des Drachen in ActThom 32 (vgl. Gäbel zu ActThom 31-33 in diesem Band). In ActPhil 12 bitten Leopard und Ziege um die Eucharistie, werden stattdessen mit Wasser aus einem Kelch benetzt. Von dem Moment an können sie sprechen und auf zwei Beinen laufen. In ActPhil 13 überbewältigen die Apostel und seine Begleiter Schlangen, die die Stadt von Opheorymos bewachen. Anschließend (ActPhil 14) wirkt die Gruppe in einer verlassenen Heilstätte. Die Wunderheilung des blinden Stachys, des ehemaligen Hohepriesters des Kultes der Schlange, wird hierunter ausführlich besprochen (vgl. Matthews zu ActPhil 14,1-7 in diesem Band). In ActPhil 15,4 steckt der Apostel seinen Stab in den Grund und aus dem Stab wächst 923

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Die Wundererzählungen in den Philippusakten

ein Lorbeerbaum. Dann verteilt Philippus Korn, Wein und Öl unter den Armen aus Gefäßen, die nie leer werden (ActPhil 15,5). Wunder geschehen auch beim Martyrium des Apostels. Die Erzählung folgt dem bekannten Muster, indem der Apostel die Frau des Prokonsuls Tyrannos heilt und bekehrt, was den Mann gegen ihn aufbringt (MartPhil 8-12). Eine Feuerwolke verhüllt später Mariamne, nachdem sie ausgekleidet wurde (MartPhil 20). Als Philippus schon am Kreuz hängt, bewirkt er noch weitere Strafwunder. Die Arme eines Soldaten werden gelähmt (MartPhil 25). Schließlich verschluckt die Erde den Tempel der Viper zusammen mit ihren Priestern und Verehrern (MartPhil 27), der Erlöser rettet aber die Menschen mit einem leiterförmigen Kreuz (MartPhil 32). István Czachesz

Literatur zum Weiterlesen Textausgaben und Übersetzungen F. Amsler/B. Bouvier/F. Bovon, Acta Philippi. Textus, CChr.SA 11, Turnhout 1999. Diess., Actes de l’Apôtre Philipe, Apocryphes 8, Turnhout 1996. F. Bovon/C. R. Matthews, The Acts of Philip. A new translation, Waco 2012.

Weitere Literatur F. Amsler, Acta Philippi. Commentarius, CChr.SA 12, Turnhout 1999. Ders./B. Bouvier/F. Bovon, Actes de l’apôtre Philippe, Introduction, traduction et notes, Apocryphes 8, Turnhout 1996. F. Bovon, Les Actes de Philippe, ANRW II, 25.6 (1988a), 4431-4527. Ders., Editing the Apocryphal Acts of the Apostles, in: ders./A. G. Brock/C. R. Matthews (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles, Cambridge 1999b, 1-35. Ders., Introduction to the Acts of Philip, in: ders./C. R. Matthews, The Acts of Philip. A new translation, Waco 2012, 1-30. C. R. Matthews, Philip. Apostle and Evangelist. Configurations of a Tradition, NT.S 105, Leiden 2002. J. A. Snyder, Language and Identity in Ancient Narratives. The Relationship between Speech Patterns and Social Context in the Acts of the Apostles, Acts of John, and Acts of Philip, WUNT 2/370, Tübingen 2014.

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Tabelle: Wunder in den Philippusakten Nr.

Stelle

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

ActPhil 1

Auferweckung des Sohns der Witwe

Hinführung ActPhil

2

ActPhil 2

Strafwunder gegen Ananias und seine fünfhundert Begleiter. Jesus erscheint in Lichtgestalt. Die Götzenbilder Athens zerbrechen

Hinführung ActPhil

3

ActPhil 3

Kreuzförmiger Adler und leuchtendes Siegel (Sturmstillung und sprechender Adler)

ActPhil 3,5-19

4

ActPhil 4

Die Erscheinung Jesu als schönes Kind. Die Heilung von Charitines Auge

Hinführung ActPhil

5

ActPhil 6

Sieg durch Wunder (Totenerweckung in Nikatera)

ActPhil 6,16-20

6

ActPhil 8

Ein veganes Evangelium für Tiere (Bekehrung des Leoparden und der jungen Ziege)

ActPhil 8,16-21

7

ActPhil 9

Vernichtung des Drachen und der Schlangen mit kreuzförmig verteiltem Wasser aus dem Kelch der Eucharistie

Hinführung ActPhil

8

ActPhil 11

Der Schwarze Drache und fünfzig Schlangen enthüllen sich und helfen beim Kirchenbau

Hinführung ActPhil

9

ActPhil 12

Der Leopard und die Ziege können sprechen und auf zwei Beinen laufen

Hinführung ActPhil

10

ActPhil 13

Sieg über die Schlangen von Opheorymos

Hinführung ActPhil

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Die Wundererzählungen in den Philippusakten

11

ActPhil 14

Heilkräftige Schmiere (Wunder in Opheorymos. Die Heilung des blinden Stachys mit Mariamnes Speichel)

ActPhil 14,1-7

12

ActPhil 15

Ein Lorbeerbaum wächst aus Philippus’ Stab. Philippus verteilt Korn, Wein und Öl. Die Gefäße leeren sich nicht

Hinführung ActPhil

13

MartPhil 20

Eine Feuerwolke schützt Mariamne

Hinführung ActPhil

14

MartPhil 25

Lähmung des Soldaten

Hinführung ActPhil

15

MartPhil 27-32

Die Erde verschluckt den Tempel der Viper mit ihren Priestern und Verehrern

Hinführung ActPhil

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Kreuzförmiger Adler und leuchtendes Siegel (Sturmstillung und sprechender Adler) ActPhil 3,5-19 ActPhil 3 beginnt mit Philippus’ Ankunft in Parthien, wo er auf Petrus und andere Jünger sowie einige Frauen, die »den männlichen Glauben nachahmen«, trifft (ActPhil 3,1). Nach Erwähnung seiner vorausgegangenen Tätigkeit in Athen (vgl. ActPhil 2) bittet Philippus seine apostolischen Kollegen inständig, für die Vervollkommnung seines Apostolats zu beten. Darauf ergeht eine himmlische Stimme, die ausruft: »Beeile dich, Philippus! Siehe, mein Engel ist bei dir und du solltest nicht nachlässig sein« (ActPhil 3,3). Als Philippus sich auf eine lange Reise begibt, setzt der Erzähler die Leserinnen und Leser darüber in Kenntnis, dass Jesus im Geheimen mit ihm reist. An dieser Stelle verrichtet Philippus, im Bewusstsein seiner neuen spirituellen Empfindsamkeit, ein langes Gebet, in dem er seinem Wunsch, eine »Vision der Herrlichkeit« zu empfangen, Ausdruck verleiht (ActPhil 3,4). (3,5) Als nun Philippus das Gebet beendete, erschien auf einmal eine große Pflanze an dem wüsten Ort, und er lief hin und setzte sich unter die Pflanze und aß Brot. Und als er hinaufsah, sah er etwas wie einen großen Adler dort sitzen, und seine Flügel waren ausgebreitet wie die Gestalt des wahren Kreuzes. Also sagte Philippus: »Du, schöner Adler, mit deinen ausgebreiteten Flügeln, fliege hinauf und nimm mein Ersuchen mit hinauf, denn bis zum jetzigen Zeitpunkt war mein Herz betrübt, weil mir der Heiland nicht erschienen ist. Denn ich spüre, dass du ein erwählter Vogel bist und dass deine Schönheit nicht von dieser Welt ist.« (6) Als Philippus dies in seinem Herzen bedachte, sprach er im Geiste: »Vielleicht bist du es jetzt gerade, Herr Jesus Christus, der sich in dieser Form offenbart, so wie du es gewohnt bist, dich den Heiligen zu bekunden. Denn deine Herrlichkeit ist schöner auf den Lippen der Rechtschaffenen. Groß ist diese Gestalt, die Gestalt, in der ich dich schaue. Doch wie konntest du auf dieser Pflanze erscheinen, da du doch erhöht bist? Und wie hast du es erduldet, erniedrigt zu werden, da du doch der Herr bist? Und wie hast du es ertragen, ein Diener genannt zu werden? Und wie, da du doch ewig bist, hast du dich mit der Geburt in Zusammenhang gebracht? Du wurdest an ein Kreuz gehängt, um uns von den Nägeln zu befreien, uns unaufhörliches, ungetrübtes, ewig leuchtendes, nachtloses Licht zu gewähren. Und nun bist du wie ein Adler, der seine Flügel ausbreitet, zu meiner Zuflucht in der Wüste geworden.« (7) [Philippus dankt für die Manifestation der Herrlichkeit.] (8) Dann sprach Jesus wie durch den Mund des Adlers zu Philippus: 927

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»Höre, ich habe dich in deinem Gebet gesegnet, und ich will in meiner Herrlichkeit über dir ausgebreitet sein. Im Blick auf die, die mich nicht kennen, werde ich dich durch mein Licht stärken, und ich werde in dir stark werden, und es wird günstige Gelegenheiten geben: Ich will dich in entlegenen Gegenden leiten, und du wirst in meinen Fußstapfen gehen, und du wirst die enttarnen, die keine Einsicht haben.« [Jesus fährt fort mit Warnungen vor dem Teufel und Versicherungen seiner liebevollen Führung aller Apostel.] (9) [Philippus antwortet mit Dank für die spirituelle Begleitung des Herrn.] Der Herr sprach zu ihm: »Steh auf, Philippus, gehe weiter. Siehe, ich bin bei dir.« (10) Dann begab sich Philippus über das Meer zu den Ufern der Kandakäer, und er fand dort ein Schiff, das nach Aschdod segeln wollte. Und er sprach zu den Matrosen: »Nehmt mich mit, ihr Matrosen, und bringt mich auch nach Aschdod.« Und er vereinbarte mit ihnen, ihnen vier Stater für die Überfahrt zu geben, und er ging mit ihnen an Bord. (11) Und als sie etwa vierhundert Stadien gesegelt waren, kam ein starker Wind auf, so dass das Schiff in Gefahr war. Dann kamen mit dem Wind wilde Heuschrecken und verletzten die Männer auf dem Schiff. (12) Philippus erhob sich und kam zum Bug des Schiffes und sprach: »Wer ist es, der diesen Wind geweckt hat, seine Kinder hervorzurufen, um mit ihrer wilden Art Menschen zu verletzen?« Und er rief und sagte: »O gnädiger Herr Jesus Christus, der du dich mir offenbart und zu mir gesagt hast: ›Wenn immer du mich anrufst, werde ich dich hören‹. Höre, ich rufe dich jetzt an wegen dieser dringlichen Gefahr.« Es war um Mitternacht, als er diese Worte sprach. Und er erblickte ein leuchtendes Siegel in der Gestalt des Kreuzes, denn es war dunkel. Dann verströmte das Kreuz immer mehr Licht, so dass auch die Matrosen den Glanz eines Lichtes sahen, das heller war als die Sonne. Und die Helligkeit, die aus der Mitte des Himmels gekommen war, erleuchtete die Tiefen des Meeres. Und als die Meeresungeheuer und die Fische und die Tiere diesen Glanz im Meer erblickten, bildeten sie einen Kreis, huldigten dem Licht und sangen Loblieder in ihren Sprachen. Und das Meer wurde durch die Majestät des Lichtes verwandelt, und auch der Wind legte sich, und die Heuschrecken starben im Meer. »Wir aber standen sicher und erfreuten uns an dem Licht, dass es zu uns kam.« (13) [Philippus reagiert auf das Geschehen mit einer langen Litanei – unterstrichen durch die Wiederholung des Einleitungssatzes, insgesamt 16 mal: »Du hast diese Herrlichkeit verborgen« – über die zuvor verborgene Herrlichkeit des Herrn, die nun offenbart wurde.] (14) Als Philippus diese Worte sprach, war das Lichtsiegel am Himmel und über dem Meer, so dass die Winde und das Meer friedlich waren – tatsächlich waren die Winde nicht mehr rau –, und die Männer, die 928

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auf dem Schiff waren, und die Matrosen staunten angesichts einer solchen Machtkundgabe. Und da war eine Stille, wie sie keiner zuvor erlebt hatte. »Für einen Großteil der Nacht habe ich, Philippus, Gesang von Stimmen gehört, der nicht mit dem menschlicher Lippen vergleichbar ist. Und nachdem dies endete, wurden die Himmel in ihren Höhen geöffnet, und das Siegel wurde in den Himmel erhoben. Und als der Morgen anbrach, saßen wir auf dem Schiff und erinnerten uns an das, was uns erschienen war; und die Sonne stieg auf, als würde sie erbeben, und wir waren verunsichert und starrten in die Luft. (15) Als wir zu uns kamen, hatten wir uns dem Hafen von Aschdod genähert. Als das Schiff am Ufer vor Anker ging, unterhielten sich die Matrosen über die Herrlichkeit, die erschienen war, und sprachen: ›Wie beunruhigt wir in unseren Seelen waren.‹ Und nachdem ich ausgiebig zu ihnen gesprochen hatte, stärkte ich sie in dem Herrn.« Dann wollte Philippus den Matrosen die vier Stater für die Überfahrt geben, und die Matrosen sprachen zu ihm: »Tu dieses nicht! Denn was wir gesehen haben, ist Bezahlung genug. Und wir glauben, dass, wann immer wir auf See in Gefahr sind, wir durch das Siegel, das erschienen ist, gerettet werden. Wie gesegnet wird die Stadt sein, auf deren Boden deine Füße wandeln werden, und gesegnet sind die, die das Wort hören, das von deinen Lippen kommt. Wir sind wahrhaft gesegnet, seit du an Bord unseres Schiffes kamst, denn durch dich wurden wir vor der Rauheit des Meeres gerettet. Und wir werden darauf vertrauen, dass unsere Seelen erleuchtet werden von dem Siegel, das erschienen ist.« Und sie liefen hinauf in die Stadt und machten das über Philippus bekannt und berichteten von dem, was sie gesehen hatten. Und viele glaubten und priesen Gott. Übersetzung in Zusammenarbeit mit François Bovon.

Sprachlich-narratologische Analyse Diese lange Erzählung enthält eine Reihe von wunderhaften Phänomenen, zunächst konzentriert auf die persönlichen spirituellen Erfahrungen des Philippus, dann aber erweitert um Philippus und die, die während eines wunderbaren Geschehens gemeinsam mit ihm auf See waren. Sie schließt mit einer allgemeinen Notiz über Heilungen in Aschdod. Unser Abschnitt beginnt am Abschluss von Philippus’ Gebet um eine »Vision der Herrlichkeit« mit dem plötzlichen Auftauchen einer »großen Pflanze«, unter die Philippus sich sofort setzt und Brot isst (ActPhil 3,5). Als er aufschaut, sieht er »etwas wie einen großen Adler dort sitzen«, dessen Flügel »ausgebreitet waren wie die Gestalt (τύπος typos) des wahren Kreuzes«. Bei seiner ersten Ansprache an den Adler erkennt er, dass er »nicht von dieser Welt« ist. Daher nimmt er an, er habe die Fähigkeit, zum Himmel zu fliegen, und Philippus versucht, den Vogel 929

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dafür zu gewinnen »hinaufzufliegen«, um sein Ersuchen um eine Erscheinung des Heilands dort vorzubringen.. Doch an dieser Stelle macht sich Philippus’ neue spirituelle Empfindsamkeit bemerkbar (vgl. ActPhil 3,3), und es dämmert ihm, dass dieser Adler in seiner kreuzförmigen Pose in Wahrheit die Erscheinung des Herrn ist, nach der er sich so sehr gesehnt hatte (ActPhil 3,6). Nach einer Reihe von Fragen (hervorgebracht im Geiste in einer liturgischen Kadenz), die das Rätsel beleuchten, wie der erhöhte Jesus sich mit dem, was niedrig und irdisch ist, verbinden kann, erkennt Philippus den Adler mit seinen ausgebreiteten Flügeln als seine »Zuflucht in der Wüste«. Im Anschluss verrichtet er ein Gebet, um für diese Vision der Herrlichkeit des Herrn zu danken (ActPhil 3,7). Jesus antwortet »wie durch den Mund des Adlers« und versichert Philippus seiner geleitenden Gegenwart auf dessen Wegen, genauso wie er gleichzeitig Thomas, Johannes, Andreas und den anderen Aposteln an ihren jeweiligen Orten gegenwärtig ist (ActPhil 3,8). Als Philippus offenlegt, dass die Apostel nicht erwarteten, dass Jesus, nachdem er »in solch einer Form« »hinaufgehoben« wurde, mit ihnen gehen würde, drängt ihn der Herr, seinen Weg fortzusetzen, denn »ich bin bei dir« (ActPhil 3,9). An diesem Punkt, an dem Philippus an »den Grenzen der Kandakäer« eine Überfahrt auf einem Schiff mit dem Ziel Aschdod bucht (ActPhil 3,10), verlagert sich die Szene. Nach ungefähr 70 Kilometern Fahrt wird das Schiff von einem Sturm erfasst, und mit dem Wind kommen »wilde Heuschrecken«, die die Besatzung peinigen (ActPhil 3,11). Inmitten dieser Unruhe, um Mitternacht, ruft Philippus den Herrn um Hilfe an. Plötzlich erscheint in der Dunkelheit mitten am Himmel ein leuchtendes Siegel in Gestalt des Kreuzes, das immer heller wird, bis es die Sonne überstrahlt und die Tiefen des Meeres erleuchtet. Die Bewohner des Meeres – Meeresungeheuer, Fische und andere Tiere – reagieren darauf, indem sie einen Kreis bilden und das Licht mit Lobliedern in ihren jeweiligen Sprachen anbeten. Die Erscheinung des leuchtenden Siegels geht einher mit der Wiederherstellung der Ruhe des Meeres, als die Winde sich legen und die Heuschrecken sterben (ActPhil 3,12). Als diejenigen, die sich an Bord des Schiffes befinden, sich an dem Kommen des Lichts erfreuen, spricht Philippus ein langes Gebet, preist »die Herrlichkeit, die aller Welt erschienen ist«, und stellt die vorherige Verborgenheit dieser Herrlichkeit ihrer gegenwärtigen Manifestation gegenüber (ActPhil 3,13). Als die Besatzung »angesichts einer solchen Machtkundgabe« noch immer erstaunt ist, folgt auf eine völlige Stille ein Gesang von Stimmen, der über alles hinausgeht, was man je von menschlichen Lippen gehört hat. Danach öffnen sich die Himmel, das leuchtende Siegel wird hinaufgehoben und lässt die Besatzung zurück, die im Morgengrauen nach oben in die Luft starrt (ActPhil 3,14). Das Nächste, was sie wissen, ist, dass sie in Aschdod angekommen sind, wo die Matrosen Philippus’ Versuch, seine Überfahrt zu bezahlen, abwehren und erklären, die Begebenheit mit dem Siegel sei Bezahlung genug (ActPhil 3,15). In allen hier behandelten Texten aus den ActPhil, auch wenn wunderhafte Begebenheiten sozusagen nur aus zweiter Hand, nämlich durch die Leser/Hörer der Erzählungen, bezeugt werden, ist die Annahme nicht unplausibel, das impli930

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zierte Publikum habe den performativen Effekt dieser Geschichten erlebt. Auf diese Weise dient das Vorkommen wunderhafter Ereignisse in der Erzählung nicht nur dazu, Leser/Hörerinnen in die narrative Welt des Apostels Philippus hineinzuziehen, sondern auch dazu, ihnen einen wichtigen übernatürlichen Kontext zur Verfügung zu stellen, in dem sie ihre eigene Realität interpretieren können. In einigen Fällen ist das, was auf der Erzählebene als beabsichtigte Funktion einer wunderhaften Begebenheit erscheint, mehr oder weniger analog zu der zu erwartenden Reaktion eines »Modelllesers« auf den Text. Dies scheint beispielsweise in ActPhil 3,5-9 der Fall zu sein. So wie Philippus’ Vision von Jesus in Gestalt des »kreuzförmigen Adlers« das Prinzip des ständigen Mitseins des Herrn mit dem Apostel unterstreicht (»Ich bin bei dir«; ActPhil 3,9), so können auch Leser/Hörer, die sich mit Philippus identifizieren, ihre eigene Überzeugung von einer solchen göttlichen Begleitung bestärken. Diese Erzählung bietet Philippus daneben auch die Möglichkeit, eine Anzahl wichtiger Fragen aufzuwerfen, die den Blick darauf richten, wie transzendente Realität auf den irdischen Bereich trifft. Insofern eine der Hauptfunktionen von Wundererzählungen darin besteht, auf die Gegenwart einer göttlichen Realität jenseits der Abläufe der natürlichen Welt hinzuweisen sowie den effektiven Eingriff Ersterer in Letztere anzuzeigen, bietet auch hier die Erzählung eine bekräftigende Bestätigung der Vorstellung der Leser/Hörer davon, wie die Dinge sind.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die neue Szene, die in ActPhil 3,10 beginnt, präsentiert Philippus in Begleitung der Besatzung eines Schiffs, das von einem Sturm erfasst wird. Die Bedrohung durch die Heuschrecken, die der Wind mit sich bringt (ActPhil 3,11), veranlasst Philippus dazu, um göttlichen Beistand zu beten. Das daraus resultierende himmlische Eingreifen ist nichts weniger als phantastisch – ein kreuzförmiges Siegel hängt in der Luft und strahlt Licht aus, das so hell ist, dass es die tiefsten Tiefen des Meeres durchdringt. Genauso unglaublich: Die Lebewesen des Meeres tauchen auf und bilden einen Kreis, um, in ihren eigenen Meeressprachen singend, ihre Anbetung darzubringen. Anders als in der früheren Szene, in der allein Philippus eine wunderhafte Vision zuteil wird, ist hier die Vision ein für alle – den Apostel, die Besatzung, die Meerestiere – sichtbares »objektives Ereignis«, unabhängig von allen früheren Dispositionen. Wieder einmal dient die Nacherzählung der wunderbaren Begebenheit dazu, die Wirklichkeit der Interaktion zwischen dem göttlichen und dem irdischen Bereich zu vermitteln. In diesem Fall signalisiert die überraschende Verehrung der Meereslebewesen aufgrund des leuchtenden Siegels die umfassende Reichweite der göttlichen Herrlichkeit und damit stillschweigend der mit ihr verbundenen christlichen Botschaft. Leser/Hörer werden hier wieder in eine Erzählung hineingezogen, die die Phantasie sich zu eigen machen und dazu dienen kann, Vertrauen in die höchste Macht der himmlischen Welt über die Bedrohungen einer je 931

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und je unbeständigen irdischen Welt einzuflößen. Sowohl die Verfasser der ActPhil als auch das Publikum, das sie vor Augen hatten, wurden wahrscheinlich von der etablierten Kirche des 4. Jh. wegen ihres asketischen Lebensstils und ihrer als fragwürdig wahrgenommenen theologischen Ansichten kritisch beäugt. Die Trennung von Eheleuten zugunsten einer keuschen Lebensform (die Geschichte von Ireos und Nerkella in ActPhil 5), das Bestreben, durch Reinheitspraktiken eine Vision zu empfangen (ActPhil 1,3; 4,1), vegetarische Ernährung (z.B. ActPhil 1,2; 6,22) und die Einbeziehung von Tieren in das Erlösungsgeschehen (bes. ActPhil 8; 12) – dies waren für Zeitgenossen wie Basilius von Caesarea und Amphilochius von Ikonium zu extreme Ansichten. Philippus erscheint in den Wundererzählungen von ActPhil als deren leuchtendes Vorbild, dessen stetige Erfahrung des Wunderhaften dieser asketischen Minderheit Mut gibt, bei ihren Überzeugungen zu bleiben. Die wunderhaften Phänomene selbst können so gelesen werden, dass es eine Alternative zu der sozialen und politischen Unterdrückung gibt, die diese sektiererischen Gläubigen erfahren, oder dass wenigstens die Möglichkeit eines letztendlichen göttlichen Eingreifens und einer Rehabilitierung für sie besteht.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Auch wenn es in einigen Fällen berechtigt erscheint anzunehmen, dass bestimmte Legenden über Philippus einmal unabhängig voneinander in Umlauf waren, ermöglicht deren Einbindung in die größere literarische Darstellung der ActPhil eine Aussage über das Verständnis des Wunderhaften in der Gesamterzählung. Abgesehen von Philippus’ Namen und Berufung als Apostel in der Überschrift von ActPhil 3, scheint es sich bei den »Grenzen der Kandakäer« und dem Ziel »Aschdod« eher um technische intertextuelle Hinweise zu handeln, die dem Leser versichern, dass es sich bei dem Philippus, der hier im Blick ist, um denselben handelt, den sie aus der neutestamentlichen Episode Apg 8,26-40 kennen. Im Horizont der ActPhil als Ganzes wird das, was das Neue Testament augenscheinlich als zwei Figuren darstellt, nämlich als Apostel und als Evangelist, zu einer einzigen apostolischen Figur verschmolzen (z.B. ActPhil 3,3). Man hat vorgeschlagen (Amsler 1999), dass es sich bei dem Erzählverlauf des Abschnitts aus ActPhil 3, den wir hier behandeln, um eine christianisierte Version der Flucht der Israeliten aus Ägypten durch das Rote Meer handelt. Auf mögliche Anspielungen auf Züge der Mosegeschichte in der ersten Vision des Adlers (der Baum, das Brot, der Adler) folgen in ActPhil 3,10-14 potenzielle Anspielungen auf Ex 14. Dazu lässt sich eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit feststellen. Es scheint, als stünde ein komplexer intertextueller Prozess im Hintergrund von Philippus’ Begegnung mit dem Adler (Czachesz 2003). Es besteht eine frappierende Resonanz zwischen dem grundlegenden Bild der Szene von ActPhil und der Erwähnung der Erscheinung des Erlösers vor Adam und Eva in Gestalt eines Adlers auf dem Baum der Erkenntnis in dem sethianischen Geheimen Buch des Johannes. 932

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In ParJer 6,15-7,15 wird ein brieftragender Adler, der an einer Stelle auf einem Baum sitzt, mit Gott identifiziert. Das Motiv des »Adlers auf dem Baum« in diesen Texten stammt wohl letztlich von Homer (vgl. v.a. Il. 7,58-61).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die Erzählung arbeitet auf mehreren Ebenen, die im Wesentlichen darauf zielen, die Autorität des Philippus zu bekräftigen und durch Assoziierung diejenigen zu legitimieren, die seine Geschichten empfangen und weitergeben (Matthews 2002). Während moderne Interpreten sich kaum Methoden historischer Analyse bedienen würden, um Wert und Funktion dieses Berichts zu beurteilen, gab es in der Antike zweifelsohne Leser/Hörer, die die Wahrheit der Erzählung für selbstverständlich hielten. Es gab also Menschen, für die diese Geschichten genauso realistisch waren wie verschiedene spektakuläre Wunder Jesu (z.B. die sog. Naturwunder). Ein weiterer Zugang, der die Anerkennung des »historischen« Gehalts der Erzählung durch frühere Interpreten nicht in Frage stellen muss, wäre die Anerkennung ihrer intertextuellen Resonanz in verschiedenen biblischen Berichten. Aus dieser Perspektive können in die Struktur und den Wortlaut des Berichts integrierte »Anhaltspunkte« dazu dienen, den Leser/Hörer anzuleiten, seine Aufmerksamkeit darauf zu richten, wie der Bericht Schlüsselereignisse der Schrift nachbildet. Philippus’ Seereise von den Grenzen der Kandakäer nach Aschdod (ActPhil 3,10), also von Äthiopien über Ägypten nach Palästina, verortet ihn in der Gegend des Roten Meeres. Da der Text in einem weiteren Kontext mögliche Anspielungen auf Mose enthält (z.B. die Ausstattung mit Sprachgewandtheit: ActPhil 3,3; Brot essen in der Wüste: ActPhil 3,5; ein Angriff durch Heuschrecken: ActPhil 3,11), könnte die Erzählung selbst beabsichtigen, die Rettung des Philippus und seiner Begleiter vor dem Sturm auf dem Meer in gewisser Weise als Nachbildung der archetypischen Errettung der Israeliten aus den Händen des Pharaos durch Mose darzustellen. Eine weitere nicht-exklusive Interpretation könnte sich auf die »Legitimation« konzentrieren, die diese Berichte im Sinne einer Assoziierung der Leser/Hörer mit der wunderhaften göttlichen Huld, die Philippus erwiesen wird, bieten. Als ihre apostolische Schutzgestalt konnten Geschichten von Befreiung und Überwindung, die sich auf ihn bezogen, Wege bereiten, mit ihrer eigenen sozialen/politischen/ theologischen Marginalisierung zurechtzukommen.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Vor Kurzem fand man in Arsos auf Zypern eine »verzierte« Ikone, die Philippus, umgeben von 18 Szenen, die Begebenheiten aus seiner Lebensgeschichte abbilden, zeigt. Mit Ausnahme seiner Berufung basieren alle Szenen auf apokryphen Berichten (vgl. Bovon 2009b). Dieses Kunstwerk ist von besonderer Bedeutung, sowohl 933

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weil es den längeren griechischen Text der ActPhil, der heute nur aus der Handschrift Xenophontos 32 bekannt ist, bezeugt, als auch aufgrund der Tatsache, dass vergleichbare ikonographische Zeugnisse von Ereignissen aus der Geschichte des Philippus in Byzanz nicht bekannt sind. Eine dieser Vignetten zeigt wahrscheinlich den Abschnitt über den Seesturm aus der o.a. Erzählung. Christopher Matthews

Literatur zum Weiterlesen F. Amsler, Acta Philippi. Commentarius, CChr.SA 12, Turnhout 1999. I. Czachesz, Commission narratives. A Comparative Study of the Canonical and Apocryphal Acts, SECA 8, Leuven/Dudley 2007b. C. R. Matthews, Philip. Apostle and Evangelist. Configurations of a Tradition, NT.S 105, Leiden 2002.

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Sieg durch Wunder (Totenerweckung in Nikatera) ActPhil 6,16-22 In ActPhil 5-7 wird eine Massen-Bekehrung der Stadt Nikatera durch den Apostel Philippus geschildert. Die Bekehrung eines führenden Bürgers namens Ireos sorgt für Aufregung unter den »Juden« und anderen Bewohnern der Stadt. Ein prominenter »Jude« namens Aristarchos fordert daraufhin Philippus zu einer öffentlichen Debatte über Jesus heraus. Nach einem gegen Aristarchos gerichteten Strafwunder – Ohrenschmerzen, eine ausgedörrte Hand und Blindheit auf einem Auge – nimmt Philippus die Herausforderung an. Nach einer kurzen verbalen Debatte folgt eine Art Zweikampf bei der Erweckung eines toten Jungen. (6,16) Während die Stadtoberhäupter die Worte des Apostels und der Juden erwogen, wurde eine Bahre hereingetragen, auf der ein toter Sohn lag – es war der einzige Sohn des Vaters und der Mutter und sehr reich. Zwölf Sklaven, die zum Mitverbrennen mit dem Toten bestimmt waren, trugen die Bahre mit dem Toten. Als die Stadtoberhäupter und die ganze Menge erfuhren, dass er wirklich tot war, riefen sie: »Hier haben wir für den Christen eine große Herausforderung! Wenn es nämlich einen Gott bei ihm gibt, wird er ihn bestimmt auferwecken, und wir werden ihm vertrauen und die Götzentempel hier niederbrennen.« (17) Während sie sich diese Sachen überlegten, weinten die Eltern. Philippus war tief ergriffen und sagte dem Vater des Kindes und seiner Mutter: »Was werdet ihr tun, wenn ich euren Sohn auferwecke?« Sie sagten ihm: »Was auch immer du willst, das tun wir.« Die gleich mitzuverbrennenden Sklaven gaben dem Apostel Zeichen, dass er an sie denken sollte. Da sagte Philippus weiter: »Diese Sklaven sollt ihr mir geben.« Die Eltern sagten: »Noch dreihundert mehr geben wir dir mit denen! Wir werden dir auch Silber und Gold und goldeingeflochtene Gewänder und viele Güter geben. Ferner werden wir zwölf Götter aus reinem Gold zerbrechen und für den Dienst spenden. Außerdem werden wir glauben, dass der einzige lebendige Gott derjenige des Philippus sei, der die Toten auferweckt.« Vor dem Präfekt bestätigten sie auch ihre Worte. (18) Philippus blickte auf und sah Jesus rechts von ihm stehen und sagen: »Hab keine Angst. Durch mich wird der Tote auferstehen.« Dessen Name war nun Theophilos. Der Menge befahl Philippus, weg von der Bahre zu stehen, da sie sich hindrängten. Dann sagte Philippus dem Juden Aristarchos: »Na, Jude. Da liegt ein Toter. Wenn du also etwas kannst, wecke du ihn doch auf.« Da er von allen unter Druck gesetzte wurde, näherte sich Aristarchos widerwillig dem Toten, rührte sein 935

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Gesicht an, spuckte ihn kräftig an und zog ihn bei der Hand. Wie ein Stein lag der allerdings da. Da er nichts konnte, rief die Menge: »Werft den Juden hinaus!« Beschämt zog er ab. Dann sagte Ireos: »Ihr Männer und in allem Gottes Gegner, ihr habt es gewagt, zu lästern und zu sagen, ›Ein Magier ist Philippus‹. Wäre der Gott bei ihm nicht gut, wäret ihr alle getötet worden.« (19) Nereus, der Vater des Gestorbenen, sagte: »Erwecke bloß meinen Sohn, dann werde auch ich gegen die Juden kämpfen.« Philippus sagte zum Vater des Kindes: »Solange du nicht versprichst, den Juden nichts anzutun, wird dein Sohn nicht auferstehen.« Da sagte der Vater des Kindes: »Ich will deinen Willen tun. Erwecke bloß meinen Sohn!« Die ganze Menge wunderte sich, und die Oberhäupter überlegten, was Philippus tun würde, ob er doch den Toten würde auferwecken können. (20) Ohne zu zögern blickte Philippus in den Himmel hinauf, sprach ein Gebet, ging zu der Bahre, legte die Hände auf das Kind und sagte: »Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der du mich immer hörst, öffne die Himmel, damit mein geheimes Bekenntnis eingehe, und schenke deinem Sklaven Theophilos das Leben.« Der Atem ging in das Kind hinein, und es öffnete die Augen und blickte Philippus an. Die Menge sah das Geschehen und drängte sich aneinander, um sich der Bahre zu nähern, da sie das Wunder sehen wollten. Philippus fuhr fort und betete ein zweites Mal, dann sagte er dem Kind: »Im Namen Jesu Christi, sprich, stehe auf und lauf!« Sofort rief Theophilos: »Der eine Gott ist der des Philippus, Christus Jesus, der mir das Leben (zurück)gab!« Und sofort stand er auf. Als die Menge das stehende Kind sah, riefen sie mit einer Stimme: »Der eine Gott ist der des Philippus, Christus Jesus, der die Toten auferweckt!« Sie überlegten sich gemeinsam und sagten: »Was für ein besseres Wunder müssten wir sehen? Auch wir bekennen aufgrund des Geschehens, dass es keinen anderen lebendigen Gott gibt, außer dem des Philippus, der die Wunder durch ihn tut.« (21) Aufgrund des Wunders glaubten Dreitausend an Christus, und der Vater des Kindes und die Mutter priesen Gott überschwänglich. Sie hatten auch eingewilligt, die Sklaven freizulassen; diese forderte Philippus auf, zum Ort zu kommen, an dem das Kind auferweckt wurde. Er sah die Sklaven an und sagte ihnen: »Ihr, die ihr Sklaven bis heute wart, nun aber wegen Christus frei seid, vernachlässigt nicht euer eigenes Heil!« Die Sklaven antworteten: »Auch wir werden durch dich Frömmigkeit üben.« Vor allen bekränzte sie der Präfekt als Zeichen (ihrer) Freiheit. Der Vater und die Mutter des Kindes jubelten über sie und weil sie die vollständige Auferstehung ihres Sohnes erlebt hatten. Dann sagte der Vater zu Ireos: »Was sollen wir gegen die Juden unternehmen, die sich Philippus entgegengesetzt haben?« Ireos sagte: »Philippus ist ein guter Mensch. Er erlaubt uns nicht, irgendetwas (Feindseliges) zu tun.« 936

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Sieg durch Wunder ActPhil 6,16-22

(22) Die Jünger bereiteten Brot und Gemüse vor, denn Philippus hatte gesagt: »Nach meinem Siegen werde ich in Freude über meinen Christus mein Fasten brechen.« Philippus kam herein, aß in aller Öffentlichkeit und dankte Gott fünf Tage lang wegen der geretteten Leben, und gemeinsam sprachen sie zu Gott das »Amen«.

Sprachlich-narratologische Analyse Diese Totenerweckung kommt am Höhepunkt einer Reihe von Szenen, die den Sieg des Philippus bzw. seines Gottes über Gegner der Stadt Nikatera – bzw. über die Stadt selbst – schildern (ActPhil 5-7). Die meisten Figuren, die im oben zitierten Text auftauchen, sind schon in früheren Szenen vorgestellt worden. Seit seiner Ankunft in Nikatera (5,1) wird der Apostel von Reisebegleitern bzw. »Jüngern« (μαθηταί mathētai) begleitet (vgl. Act Phil 5,1.3.4.13.22.26f.; 6,22; 7,7), die wie Philippus aus anderen Städten stammen. In Nikatera lernt der Apostel bald Ireos kennen, ein »wohlhabendes«, »weises« »Oberhaupt« (ActPhil 5,6), der wohl nominal als Jude dargestellt wird (vgl. Snyder 2014, 166f.). Er schließt sich sofort dem Apostel an und wird zum ersten Bekehrten der Stadt und einer Hauptfigur der Episode. Auch Gegenspieler treten gleich zu Beginn auf. Dazu gehören die Stadtoberhäupter (οἱ ἄρχοντες hoi archontes) und die Menge (ὁ ὄχλος ho ochlos), die meistens gleich oder sogar gemeinsam handeln und reden (vgl. ActPhil 5,5.14; 6,5.6.16). Dass es sich um »Heiden« handelt, wird durch mehrere Hinweise auf »Götter« und »Götzentempel« angedeutet (vgl. ActPhil 5,11; 6,5.15.16), sowie durch die Abgrenzung von einer zweiten Gruppe von Gegenspielern: »den Juden« (vgl. ActPhil 5,6.9; 6,1.5.9-16.19.21; 7,3). In ActPhil 6 wird dann einer der »Juden«, Aristarchos, einzeln vorgestellt (ActPhil 6,9). Der engere Erzählkontext der Totenerweckung kann wie folgt gegliedert werden: Teil 1: Auftakt zum entscheidenden Kampf − Durch eine Reihe von Ereignissen versammeln sich die Hauptfiguren gemeinsam mit »den Juden« und der Menge an einem Ort (ActPhil 6,1-8). Teil 2: Herausforderung zur Debatte − Aristarchos fordert Philippus zur einen öffentlichen Debatte über Jesus heraus (ActPhil 6,9). − Aristarchos zieht am Bart des Philippus, der mit einem gesteigerten physikalischen Strafen – Ohrenschmerzen, eine ausgedörrte Hand und Blindheit auf einem Auge – reagiert (ActPhil 6,10f.). Philippus lässt Ireos Aristarchos heilen (ActPhil 6,12). − Unterstützt durch die Menge wiederholt Aristarchos seine Herausforderung zur Debatte (ActPhil 6,12). 937

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Die Wundererzählungen in den Philippusakten

Teil 3: Verbale Debatte − Eine verbale Debatte zwischen Philippus und Aristarchos findet statt (ActPhil 6,13-15). − Die Menge und die Stadtoberhäupter neigen dazu, ihre Ablehnung des Apostels aufzugeben und ihn als Wahrheitsbringer anzuerkennen (ActPhil 6,15). Teil 4: Totenerweckung − Ein Toter wird hereingetragen (ActPhil 6,16). − Die Folgen einer erfolgreichen Heilung für die Bevölkerung und die Eltern des Toten werden genannt bzw. verhandelt (ActPhil 6,16f.). Dazu gehört die Gabe bzw. Freilassung von Sklaven. − Jesus verspricht Philippus, den Toten zu erwecken (ActPhil 6,18). − Aristarchos zeigt sich unfähig, den Toten zu erwecken (ActPhil 6,18). − Philippus verbietet, etwas Feindseliges gegen die Juden zu tun (ActPhil 6,19). − Der Tote wird durch Philippus bzw. seinen Gott auferweckt (ActPhil 6,20). Dazu gehört: ◊ Gebet mit Handauflegen ◊ Öffnung der Augen des Toten

◊ Zweites Gebet ◊ Sprechen und Aufstehen des Toten ◊ Bekenntnis zum Gott von Philippus durch den Toten und die Menge − Die oben genannten Sklaven werden freigelassen und kündigen ihre Absicht an, Frömmigkeit durch Philippus zu üben (ActPhil 6,21). − Das Verbot des Philippus, den Juden etwas anzutun, wird durch Ireos wiederholt (ActPhil 6,21). − Philippus bricht sein Fasten und dankt Gott zusammen mit anderen wegen der geretteten Leben (ActPhil 6,22). In der nächsten Szene wird ein Versammlungsgebäude für die neue Gemeinde gebaut (ActPhil 7,2). Darin unterrichtet, predigt und betet der Apostel und verlässt schließlich die Stadt (ActPhil 7,4-8). Bei der Totenerweckung gesellen sich neue Figuren zu denen, die schon auf der Bühne sind. Theophilos wird durch die Erzählstimme als »ein toter Sohn« (τις υἱὸς νεκρός tis hyios nekros), »der einzige Sohn (μονογενής monogenēs) des Vaters und der 938

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Mutter und sehr reich (πλούσιος σϕόδρα plousios sphodra)« vorgestellt (ActPhil 6,16). Die Beschreibung des Theophilos als »reich« irritiert insofern, da er danach zehnmal von der Erzählstimme als »Kind (παῖς pais)« bezeichnet wird (ActPhil 6,17.19.20.21), was sich aber anhand der Intertextualität erklären lässt (s.u.). Zwei Aspekte sind bei seiner Charakterisierung besonders betont: erstens, dass er tot ist. Das Substantiv »der Tote« (ὁ νεκρός ho nekros) wird viermal durch die Erzählstimme verwendet (ActPhil 6,16.18.19 – das letzte Mal durch die Menge und Oberhäupter sub-fokalisiert), und das Adjektiv kommt auch zweimal vor (ActPhil 6,16). Dazu sprechen auch Jesus und Philippus von »dem« bzw. »einem Toten« (ActPhil 6,18), und die Menge redet zweimal von »den Toten« im Plural (ActPhil 6,17.20). Der Vater des Theophilos wird ferner als »der Vater des Gestorbenen« (ὁ τοῦ τεθνηκότος πατήρ ho tou tethnēkotos patēr) beschrieben (ActPhil 6,19). Die familiären Beziehungen des Theophilos sind ebenfalls betont: Immer wieder wird er als »Sohn« bezeichnet (durch Philippus: ActPhil 6,17.19; Nereus: ActPhil 6,19; Erzählstimme: ActPhil 6,16.21). Im Vergleich zu diesen Aspekten seiner Charakterisierung kommt sein Name »Theophilos« (d.h. Freund Gottes, vgl. Lk 1,3) nur selten vor (nur dreimal). Wie es diesen Daten naheliegt, ist die Rolle des Theophilos in der Erzählung im Grunde die einer »Requisite«, die dazu dient, die unterschiedlichen Fähigkeiten der Hauptfiguren zu profilieren und Anlass zu einer Massen-Bekehrung zu geben. Die Eltern des Theophilos werden überwiegend in ihrer Rolle als Eltern dargestellt. Im oben zitierten Text wird Nereus achtmal als »Vater« (πατήρ patēr) (ActPhil 6,16.17.19.20.21) und nur einmal als »Nereus« (ActPhil 6,19) bezeichnet, und die Mutter nur als »Mutter« (μήτηρ mētēr) oder zusammen mit ihrem Mann als »Eltern« (οἱ γονεῖς hoi goneis) (ActPhil 6,17). Hauptsächlich sind die Eltern also als Eltern charakterisiert, die alles tun würden, um ihren einzigen (μονογενής monogenēs) Sohn, vermutlich auch das einzige Kind, wieder lebendig zu sehen. Dabei haben sie viel anzubieten. Obwohl sie nie direkt als »reich« beschrieben werden, zeigt ihr Angebot an Philippus ihren wohlhabenden Status. Sie können es sich leisten, zwölf Sklaven zusammen mit dem Leichnam verbrennen zu lassen (ActPhil 6,16) und bieten Philippus als Gegenleistung für das Wunder noch dreihundert Sklaven, dazu Geld und teure Gewänder an (ActPhil 6,17), eine enorm große Summe, die den Wert des Wunders – etwas, wofür man eine ganze Menge Geld ausgeben würde – hervorhebt. Die Eltern werden auch indirekt als »Heiden« dargestellt, indem sie Philippus »zwölf Götter aus reinem Gold« und ein Glaubensbekenntnis versprechen (ActPhil 6,17). Dass der Mutter nie einen Namen gegeben wird, entspricht den Charakterisierungstendenzen der Gesamtepisode und hat nichts mit Gender zu tun. In ActPhil 5-7 wird jeder einzeln redenden Figur, einschließlich weiblichen Figuren (vgl. ActPhil 5,9.17.21) und einer Sklavin (ActPhil 5,17) ein Name gegeben. Da die Mutter von Theophilos nicht allein redet, ist eine Namensnennung auch nicht zu erwarten. Die nachträgliche Nennung von Nereus kurz vor seinem ersten SoloWort (ActPhil 6,19) könnte sich vielleicht auch zum Teil so erklären lassen (vgl. aber ActPhil 5,17). 939

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Auch Sklaven treten in der Szene auf, und dies nicht zum ersten Mal in der Erzählung (vgl. ActPhil 5,9.15.17.20; 6,3.5.6). In dieser Szene wird besonders deutlich, dass Sklaven als »Besitz« betrachtet werden konnten (vgl. dazu ActPhil 5,15.20): Die Eltern bieten sie Philippus zusammen mit anderen (wertvollen) Gütern an. Gefühle und Entscheidungskraft werden den Sklaven jedoch auch zugeschrieben. Um dem Tod zu entgehen, geben die zwölf Mitzuverbrennenden Philippus ein Zeichen, »dass er an sie denken solle« (ActPhil 6,17), und der Apostel fordert alle nach dem Wunder auf, ihr »eigenes Heil« nicht zu vernachlässigen (ActPhil 6,21). Die Sklaven sind insofern nicht nur als Besitz, sondern auch als mögliche Bekehrte dargestellt, genau wie die anderen Bewohner der Stadt. Die Bekehrung der Stadt ist das Hauptziel des Philippus in der Episode, und dabei spielt die Totenerweckung eine wichtige Rolle. Für Apostelerzählungen ist typisch, dass die Bevölkerung Nikateras nicht (nur) durch logische Argumente, sondern durch ein Wunder zur Anerkennung des Gottes von Philippus gebracht wird. Auch wenn Philippus sich schon in der mündlichen Debatte als überzeugender als Aristarchos gezeigt hat (vgl. ActPhil 6,15), entscheidet sich die (nicht-jüdischen) Menge erst nach der Auferweckung des toten Theophilos endgültig für Philippus und seinen Gott (ActPhil 6,21). Das Wunder erzeugt also unmittelbar den »Glauben«, was sowohl im Schlussbericht der Erzählung (ActPhil 6,20-21) als auch im Gespräch vor der Tat zwischen Philippus und den Eltern des Theophilos (ActPhil 6,17) hervorgehoben wird. Beim Versprechen der Eltern, zu »glauben, dass der einzige lebendige Gott derjenige des Philippus sei, der die Toten auferweckt«, und bei den ähnlich formulierten Bekenntnissen am Ende der Szene ist der »Glaube« eng mit der wunderwirkenden Macht »Gottes« verwoben. Es wird aufgrund des Wunders »geglaubt« und ausdrücklich an einen Gott, der die Wunder tut. Nicht überall führt das Wunder allerdings zum Glauben. Während zumindest ein Großteil der nicht-jüdischen Bevölkerung sich bekehrt, weigern sich »die Juden« (ActPhil 7,3) (vgl. Snyder 2014, 165-167). Auch in Bezug auf die Wirkung des Wunders wird also in der Erzählung zwischen »Juden« und »Heiden« differenziert. In dieser Episode handelt es sich beim »Glauben« ferner nicht nur um den Gott des Philippus, sondern auch um Philippus selbst. Einerseits wird das Wunder vor vielen Zeugen im Namen Jesu Christi vollbracht und führt zur Entscheidung der Menge zugunsten von Jesus, der durch das Wunder als »lebendiger Gott« anerkannt wird (ActPhil 6,20). Andererseits bleibt Jesus für die Menge der »Gott des Philippus« und beim Wunder – sowie in der Gesamtepisode – stehen nicht nur die Göttlichkeit Jesu, sondern auch die Identität des Philippus auf dem Spiel: Ist er »Magier« oder Vertreter eines Gottes? (vgl. ActPhil 6,16.18; Snyder 2014, 168-181). Auch der Ausdruck πιστεύω εἰς (pisteuō eis – glauben an, vertrauen auf) kommt in der Episode mit Philippus als Komplement vor (ActPhil 5,6.21; 6,16). Das Wunderbare an der Totenerweckung wird durch die berichtete Reaktion der Menge und eine Entgegensetzung des erfolgreichen Philippus mit dem unfähigen Aristarchos verstärkt. Der Bericht von dreitausend neuen ChristusGläubigen (ActPhil 6,21), die Frage der Menge »Was für ein besseres Wunder 940

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(θαῦμα thauma) müssten wir sehen?« (ActPhil 6,20) und deren ausgesprochene Absicht, nach einer erfolgreichen Totenerweckung durch Philippus ihre eigenen Götzentempel niederzubrennen (ActPhil 6,16), charakterisieren das Wunder als ein äußerst beeindruckendes Ereignis. Auch durch den Kontrast zwischen Philippus und Aristarchos wird dieser »wunderbare« Aspekt des Geschehens hervorgehoben. Trotz all seiner Bemühungen – des Anrühren des Gesichts, Anspucken und Hand-Ziehen – kann Aristarchos den Toten nämlich nicht erwecken (ActPhil 6,18), was für Philippus dagegen leicht geschieht (die zwei Stufen [ActPhil 6,20] lassen sich anhand der Intertextualität erklären, s.u.). Offenbar nur für jemanden, der »einen Gott (und zwar Jesus) bei ihm« hat (vgl. ActPhil 6,16.18), kommt eine Totenerweckung zustande. Ein paar andere sprachliche und erzähltechnische Aspekte der Erzählung fallen auch auf. Sprachlich tauchen in ActPhil 5-7 immer wieder Begriffe des Bildfelds Wettstreit-Kampf-Sieg auf. Dazu gehört das Verb »siegen« (νικάω nikaō: ActPhil 6,5.6.12.22), sowie »kämpfen« (ἀγωνίζομαι agōnizomai: ActPhil 5,4.6.7.8; 6,5.13.19) und das Nomen »Wettstreit bzw. Kampf« (ἀγών agōn: ActPhil 5,12.26; 6,5.16). Fast immer sind sie auf die Aufgabe des Philippus in Nikatera bezogen: Entweder kämpft Philippus für den Sieg – d.h., die Begründung einer Gemeinde in der Stadt, trotz Widerstand –, oder ein anderer kämpft für ihn. Zu diesen Kämpfern gehören Ireos und auch Jesus, dessen Rolle nicht auf die einer Erinnerungsfigur oder eines Gesprächsthemas beschränkt ist. Vielmehr nimmt er aktiv an der Erzählung teil. Er erscheint (ActPhil 6,12.18) und redet mit Philippus (ActPhil 6,18) und »kämpft« für ihn (vgl. ActPhil 5,4; 6,5) durch die Ermöglichung von Wundern. Einmal ist Jesus auch als »Wettkämpfer« (ἀθλητής athlētēs) bezeichnet (ActPhil 5,4). Besonders interessant bei der Totenerweckung ist die Ablehnung des Angebots, gegen die »Juden« zu »kämpfen« (ActPhil 6,19; vgl. 6,21). Obwohl es zur Aufgabe der Diener Christi in der Erzählung gehört, neue Städte durch »Kampf« für ihn zu gewinnen, gibt es offenbar Grenzen. Nach der Bekehrung von dreitausend Menschen (ActPhil 6,21) wird der »Sieg« in Nikatera schon angekündigt – wie das Fasten-Brechen des Philippus zeigt (ActPhil 6,22; vgl. 5,26) –, ohne dass jeder Einzelne seine Botschaft akzeptiert. Eine Zwangsbekehrung und vor allem die unmotivierte Gewalt gegen (nicht-christliche) »Juden« werden hier also abgelehnt (vgl. Wilken 1983, 52-55). Auch im Blick auf Zeit- und Ortsangaben ist der Schlussteil der Episode in ActPhil 6,22 interessant. Zu Beginn der Episode finden sich Philippus und seine Begleiter im Haus des Ireos. Sie werden dann von der Menge zum Ratssaal gebracht (τὸ βουλευτήριον to bouleutērion; ActPhil 6,6). Während der ganzen Debatte- und Totenerweckungsszenen wird dann kein Ortswechsel berichtet. Dies ist auch im letzten Abschnitt der Fall, dennoch muss man zumindest in ActPhil 6,22 von einem Wechsel ausgehen, da Philippus »hereinkam« (εἰσελθών eiselthōn), anscheinend von einem anderen Raum. Außerdem ist es kaum plausibel, dass die Jünger die Mahlzeit im Ratssaal vorbereiten. Vielmehr setzt die Erzählung eine Rückkehr ins Haus des Ireos voraus. Ein ausgeprägtes Interesse an solche Einzelheiten zeigt die Erzählung allerdings nicht. 941

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Die Gesamtepisode von ActPhil 6,1-21 findet offenbar am selben Tag in rasantem Tempo statt. Der Beginn der Totenerweckungsszene überschneidet sich sogar mit dem vorherigen Bericht, wie es sich vom griechischen ὡς (hōs) + Imperfekt und der Interjektion ἰδού (idou) erkennen lässt: »Während (ὡς hōs) die Stadtoberhäupter die Worte des Apostels und der Juden erwogen (διέκρινον diekrinon), wurde eine Bahre hereingetragen (ἰδού εἰσήχθη κλίνη idou eisēchthē klinē)« (ActPhil 6,16). Philippus spricht sein Heilungsgebet auch »ohne zu zögern« (μὴ μελλήσας mē mellēsas) aus (ActPhil 6,20), ein Ausdruck, der einen temporalen Unmittelbarkeitseffekt bewirkt (und einen Kontrast zwischen dem zögernden Aristarchos, der sich »widerwillig« dem Toten nähert [ActPhil 6,18], und dem vertrauensvollen Apostel zum Ausdruck bringt). Erst am Ende der Szene, als der Apostel fünf Tage lang Gott dankt (ActPhil 6,22), verlangsamt sich das Tempo. Die Fokalisierung der Erzählung ist extern: Sie wird nicht aus der begrenzten Perspektive einer bestimmten Figur heraus erzählt, sondern von einer externen Erzählinstanz, die die teilweise privaten Erfahrungen von unterschiedlichen Figuren beschreiben kann. So berichtet die Erzählstimme sowohl, dass Philippus »Jesus rechts von ihm stehen sah« (ActPhil 6,18), als auch, dass die Oberhäupter »überlegten … ob er doch den Toten würde auferwecken können« (ActPhil 6,19). Die Erzählinstanz ist dazu allwissend: Auch die Emotionen der Figuren werden genannt, beispielsweise, dass Philippus »tief ergriffen war« (σπλαγχνισθείς splanchnistheis; ActPhil 6,17).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Um welche Stadt handelt es sich in der Erzählung? Der Name »Nikatera« könnte sich vielleicht auf eine Stadt dieser Bezeichnung irgendwo im römischen Reich beziehen, dennoch lässt sich eine konkrete Verortung nicht mehr beweisen. In einer Handschrift aus dem 11. Jh. wird die Stadt in »Hellas«, d.h. Griechenland, lokalisiert (Vat. gr. 824 zu ActPhil 5,1; vgl. Joh 12,20f.). Es handelt sich hier allerdings um einen erläuternden Einschub, als ob der Name allein als erklärungsbedürftig befunden wurde und eine Verortung außerhalb Griechenlands ebenfalls denkbar wäre. Möglich ist auch, dass zumindest der Name, der an das griechische Wort »siegen« (νικάω nikaō) erinnert, erfunden ist (vgl. Stölten 1891, 157-160; Bovon 1988a, 4483). F. Amsler schlägt vor, dass es sich vielleicht um eine versteckte Anspielung auf Caesarea Maritima handelt, wo Philippus in der jetzt kanonischen Apostelgeschichte verweilt (Amsler 1999, 210.218-223; vgl. Apg 8,40; 21,8f.). Ebenfalls könnte es um eine fiktionale Stadt oder eine Art »Jedestadt« gehen (vgl. die wohl zur gleichen Epoche entstandenen Akten des Andreas und Matthias in der Stadt der Anthropophagen; Snyder 2017). Zwölf Sklaven sind laut ActPhil 6,16f. zur Mitverbrennung mit dem Leichnam bestimmt. Eine Prozession mit dem Leichnam auf einer Bahre, wie in ActPhil 6 geschildert, war im römischen Reich der apostolischen Zeit (1. Jh.) normal (vgl. Hope 2007, 85-127; Graen 2011, 42-53). Zu dieser Zeit war die Leichenverbrennung 942

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auch nichts Außergewöhnliches. Ab dem 2. Jh. hat sich dann eine Präferenz für die Körperbestattung nach und nach durchgesetzt (Schrumpf 2006, 70-77; Hope 2007, 108-115; Graen 2011, 33-37, vgl. Tac. ann. 16,6). Unsere Erzählung stammt wohl aus dem 4.-5. Jh., so dass das geschilderte Ereignis nicht der üblichen Praxis der Erdbestattung der Entstehungszeit entspricht. Daraus wäre jedoch nicht zu schließen, dass die Erzählung der Sitten der apostolischen Zeit überall entsprechen muss, etwa wie in einem sorgfältig recherchierten historischen Roman. Es gibt beispielweise keine Hinweise darauf, dass Sklaven entweder im 1. oder im 4.-5. Jh. – zumindest in der griechisch-römischen Welt – regelmäßig (oder überhaupt) mitverbrannt wurden (Hughes 1991, 49-70; vgl. Lipsius 1891, 468f.). Eine Mittötung wurde in der Antike manchmal anderen zugeschrieben, aber auch da ging es selten um einen Mitverbrennungs-Vorwurf. In Homers Ilias werden zwölf trojanische Kriegsgefangene bei der Bestattung des Patroklus – d.h. bei einem Ereignis der mythischen Vergangenheit – geschlachtet (Il. 23,175-183), und Herodot (5. Jh. v. Chr.) beschreibt eine angebliche Sitte der (fremden) Skythen, die beim Tod eines Königs auch einige seiner Diener getötet (jedoch nicht verbrannt) hätten (Hdt. 4,71,4). Weiterhin kann man noch auf Lukian von Samosota weisen, der im 2. Jh. n. Chr. spöttisch schreibt: Wie viele haben sogar Pferde, Konkubinen und auch (die) Mundschenke abgeschlachtet, und Kleidung und andere Accessoires entweder mitverbrannt oder mitbegraben (συγκατέφλεξαν ἢ συγκατώρυξαν synkatephlexan ē synkatōryxan)? (Luc. luct. 14).

Unklar ist es jedoch, ob seine Frage auf eine wirkliche Sitte der Griechen im 2. Jh. verweist oder nicht bewusst übertrieben oder gar als Ausdruck »fremder Kultur« formuliert wird (vgl. Luc. luct. 21). Auch Tertullian behauptet ca. 197-202 n. Chr., dass man früher Sklaven beim Trauerritual ermordet hätte, was er mit den späteren römischen Spielen (z.B. Tier- und Gladiatorenkämpfe), die zur Ehre eines Toten manchmal veranstaltet wurden, verbindet (Tert. spec. 12; vgl. Graen 2011, 53-56). Es ging bei diesen Spielen – d.h. bei den Sitten der Zeit Tertullians – nicht um eine Mitverbrennung. Das Mitverbrennen von Sklaven ist also für die griechisch-römische Welt der apostolischen Zeit nicht wirklich belegt, was auf den Erfindungs-Charakter der ActPhil 5-7 hinweist. Wenn man Nikatera in der (realen oder ausgedachten) griechischrömischen Welt lokalisieren möchte – und nicht etwa in einer fiktionalen »barbarischen« Stadt mit »fremden« Sitten (vgl. Akten des Andreas und Matthias in der Stadt der Anthropophagen) – ist die Erzählung als »realgeschichtlich ungenau« zu beschreiben. Aber wurde realgeschichtliche Plausibilität überhaupt intendiert, so dass man berechtigt von einem »Fehler« reden könnte, oder geht es eher um (bewusste) Übertreibung im Dienst einer Charakterisierung der Bevölkerung von Nikatera als »Heiden«? Dies lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Zumindest ein Rezipient der Erzählung zeigt sich jedenfalls vom Motiv des Mitverbrennens irritiert. In einer Handschrift der ActPhil (Vat. gr. 824) wird das Mitverbrennen eigens erläutert:

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Unter denen gab es eine abartige Sitte (νόμος γάρ τις ἄνομος ἦν ἐν αὐτοῖς nomos gar tis anomos ēn en autois): Starb einer der Reichen, wurden mit ihm Sklaven und Sklavinnen verbrannt (σὺν αὐτῷ καὶ δούλους καὶ δουλίδας κατακαίεσθαι syn autō kai doulous kai doulidas katakaiesthai). Und noch Schlimmeres wurde auch gemacht: Viele von denen töteten sogar ihre eigenen Frauen mit ihnen.

Hier wird die Sitte als eine Praxis von einer fremden Kultur der Vergangenheit dargestellt. Der relevante Text-Produzent weiß offenbar nichts von einer Mitverbrennung der Sklaven in seiner eigenen Epoche bzw. Kultur und hält sie auch im Rahmen einer Apostelerzählung für erklärungsbedürftig. Die Freilassung von Sklaven beim Tod eines wohlhabenden Menschen des römischen Reichs ist gut belegt, und die Freigelassenen haben manchmal eine Kappe (pileus) als Zeichen der Freilassung getragen (vgl. ActPetr 28; Dion. Ant. Rom. 4,24; Hope 2007, 98; der Beitrag zum ActPetr 25-29 von Döhler/Neureiter in diesem Band). Die »Bekränzung« von Sklaven bei der Freilassung in ActPhil 6,21 scheint aber noch eine »realgeschichtliche Kuriosität« zu sein, zumindest insofern, dass es sich gemäß der Erzählung um einen offiziellen Akt des Präfekten handelt, was sich realgeschichtlich nicht belegen lässt. Immerhin macht die Symbolik einen gewissen Sinn. Das Tragen von Kränzen war in vielen Kontexten der griechisch-römischen Welt normal – z.B. Kult, Fest, Militär (vgl. Baus 1940; Rumscheid 2000). Nur in Ausnahmefällen durften aber Sklaven einen Kranz tragen. Der Kranz konnte also als Zeichen der Freiheit gedeutet werden (vgl. Blech 1982, 284.364), wenngleich er nicht Bestandteil eines offiziellen Freilassungsritus war. So schreibt Artemidor von Daldis in einem Traumdeutungshandbuch aus dem 2. Jh., dass, wenn ein Sklave im Traum einen Kranz aus Dattelpalme, Ölbaum, Eichenlaub, Lorbeer oder Myrte sieht, bringt es ihm »die Freiheit; denn das Tragen solcher Kränze ist ein Vorrecht der Freien« (Artem. On 1,77; Übers. Brackertz 1979). Das feierliche Tragen eines Kranzes durch einen neulich Freigelassenen ist also gut vorstellbar (vgl. Baus 1940, 72; vgl. Thuc. 4,80,4). In diesem Sinne schreibt wohl auch Tertullian 211 n. Chr. im Rahmen einer Diskussion von Bekränzung anderer Art: »Auch die Erteilung der bürgerlichen Freiheit dieser Welt gibt sich durch Kränze kund« (coronat et libertas saecularis) (Tert. cor. 13; Übers. Kellner 1915; vgl. Fontaine 1966, 160-162). Ist die geschilderte »Bekränzung« durch den Präfekten in ActPhil 6,21 also realgeschichtlich »ungenau«, ist es jedoch nicht ohne Sinn.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die geschilderte »Bekränzung« der Sklaven lässt sich aber auch anhand der Traditionsgeschichte und Bildfeldtradition sinnstiftend verstehen. Ebenfalls in einer Erzählung über Paulus, die wohl seit dem 2.-3. Jh. n. Chr. in Umlauf ist, kommen die Begriffe »Freiheit« und »Kranz« zusammen vor, wobei der Bekränzung hier eine »christliche« Deutung gegeben ist. Paulus sagt der Frau des Statthalters von Ephesus: 944

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Hoffe auf Gott und er wird dich erretten, hoffe auf Christus, und er wird dir Vergebung der Sünden geben und wird dir beilegen den Freiheitskranz (ἐλευθήριον στέφανον eleuthērion stephanon), damit du nicht mehr den Götzenbildern dienst und den Opferdämpfen, sondern dem lebendigen Gott und Vater Christi (ActPaul 9,17; Übers. Schneemelcher in Schneemelcher/Kasser 1997, 228).

In dieser Erzählung wird der »Freiheitskranz« der Frau des Statthalters versprochen, die aus weltlicher Sicht keine Sklavin ist. Die christliche Bekehrung wird dadurch als eine Art Befreiung dargestellt. Bereits in neutestamentlichen Texten werden sowohl die »Freiheit« als auch »Kränze« mit Christus verknüpft. Paulus spricht von einer metaphorischen Sklaverei, von der man durch Christus befreit wird – so Röm 6,22: »Ihr [seid] aus der Macht der Sünde befreit und zu Sklaven Gottes geworden.« Auch etwa in Joh 8,31-36 wird eine Sklaven- und Freiheits-Metaphorik verwendet, wenn Jesus sagt: »Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde … Wenn euch der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei«. In anderen Texten wird Christus-Anhängern ein »Kranz« versprochen. So heißt es im 1 Petr 5,4: »Wenn der oberste Hirt erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen.« In Offb 2,10 ist den Treuen »der Kranz des Lebens« (στέφανος τῆς ζωῆς stephanos tēs zōēs; vgl. Jak 1,12) versprochen. Da es in ActPhil 6,21 der Präfekt ist – und nicht etwa Philippus –, der die Sklaven »bekränzt«, wird das Ereignis nicht eindeutig als »metaphorisch« oder »christlich« markiert. In erster Linie wird es als eine (reale) Freilassung von Sklaven dargestellt. Das Entstehen des Bildes könnten dennoch die auch im nicht-christlichen Umfeld traditionelle Verknüpfung vom Kranz und Freiheit und der im christlichen Diskurs bis zur Entstehungszeit der ActPhil etablierte Brauch der Bildfelder Sklave, Freiheit und Kranz teilweise erklären. Es ist gut vorstellbar, dass ein christlicher Geschichtenerzähler, der eine Freilassung mit Bekehrung inszeniert, an das Wort »bekränzen« denkt. Dies ist umso mehr der Fall, weil die Freilassung von Sklaven auch mit Kopfbedeckung (pileus) verbunden war – und das auch in einem wichtigen Intertext der ActPhil 5-7 (s.u.). Auch die Idee eines »magischen Zweikampfs« ist traditionell vorgeprägt, man denke etwa an die klassische Auseinandersetzung zwischen dem Magier Simon und dem Wundertäter Petrus (vgl. Apg 8; PsClem; allgemein dazu Czachesz zu Apg 19,1117 in diesem Band). Die Kampf-Szene in ActPhil 6 wurde aller Wahrscheinlichkeit nach sogar direkt durch eine aus dem 2. Jh. stammende Erzählung über den Apostel Petrus inspiriert (vgl. Amsler 1999, 224f.263-268; Molinari 2000, 95-102; Matthews 2002, 183-186). In den Acta Petri kämpft Petrus, ebenfalls der Vertreter des »lebendigen Gottes« Jesus Christus, mit dem »Magier« Simon um die Gefolgschaft der Römer. Zu den Parallelen mit den ActPhil gehört ein »jüdischer« Gegenspieler, der den Apostel zu einer öffentlichen, von einer (nicht-jüdischen) Menge erwünschten Debatte herausfordert (ActPhil 6,12; ActPetr 23). In beiden Erzählungen wirft der Gegenspieler dem Apostel vor, ein geborener und gekreuzigter Mensch könne kein Gott sein, wie er behauptet (vgl. ActPetr 23; ActPhil 6,13). In beiden Debatten werden Zitate aus den »Propheten« angeführt (ActPhil 6,13-15; ActPetr 24). Ein Toter 945

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von einer Familie von hohem Status wird hereingetragen (ActPhil 6,16; ActPetr 28). Geld und Sklaven werden von Eltern für die Auferweckung ihres Sohnes angeboten (ActPhil 6,17; ActPetr 28). Ein zögernder Gegenspieler zeigt sich unfähig, den Toten aufzuerwecken (ActPhil 6,18; ActPetr 28). Als Bedingung für das kommende Wunder fordert der Apostel das Versprechen, den Gegenspielern nichts anzutun (ActPhil 6,19; ActPetr 28). Das Auftreten eines »Präfekten« in ActPhil 6,17.21 erinnert auch an die wichtigere Rolle einer solchen Figur in den ActPetr (vgl. ActPetr 28). Zur Frage der »Bekränzung« zeigt sich eine Parallele darin, dass die Sklaven, die in ActPetr 28 zwar schon vor der Totenerweckung von der Mutter des Toten freigelassen worden sind, auch eine Kopfbedeckung, nämlich den pileus als Zeichen tragen, was eine umgewandelte Art von Kopfbedeckung in ActPhil 6,21 hätte inspirieren können. Ebenfalls spiegelt die Spannung in der Charakterisierung des Theophilos als »reich« und »Kind« wohl die Intertextualität mit den ActPetr, wo einer der drei Toten, die (zumindest in der Vercellenses-Fassung) erweckt werden, ein Senator ist und selber sehr reich. Auch in dieser Erzählung wird er komischerweise als »Junge« (puer) bezeichnet. Das zweistufige Heilungs-Verfahren der ActPhil 6,20 lässt sich ebenfalls anhand der ActPetr erklären. In den ActPetr gelingt es nämlich dem »Magier« Simon noch vor Petrus, dass der Tote zumindest anscheinend und kurzfristig die Augen öffnet. Im Gegensatz zu Simon ist Aristarchos nicht als »Magier« dargestellt, und seine Bemühungen, den Toten zu erwecken, haben überhaupt keinen Effekt. Bei den ActPhil werden nun sowohl die »Augen-Öffnung« als auch die umfassende Erweckung Philippus zugeschrieben (vgl. 6,21: τελείως teleiōs). Dies zeigt wohl eine größere Abneigung, dem nicht-christlichen Gegenspieler wunderwirkende Kraft zuzuordnen. Die noch erhaltenen Fassungen der ActPetr und ActPhil weichen auch an anderen Stellen voneinander ab. Freilich kann man nicht davon ausgehen, dass die Petrus- bzw. Philippus-Erzählungen immer in genau dieser Form erzählt wurden (vgl. Czachesz, Hinführung zu den ActPhil in diesem Band), was die Bedeutung des Vergleichs unklar macht. Interessant sind immerhin die Elemente der ActPhil, die in den ActPetr fehlen, wie das Versprechen der Menge, ihren Götzentempel zu verbrennen (ActPhil 6,16). Dies könnte als eine Steigerung der »Verlorenheit« der Menge gedeutet werden, was auch für das Motiv der Sklaven-Mitverbrennung, das ebenfalls bei den ActPetr fehlt, gilt. Ein weiterer Unterschied ist die stärker ausgeprägte Darstellung des HauptGegenspielers als »Jude« in ActPhil (vgl. Bucher 2015). Auch wenn Simon in der Vercellenses-Fassung der ActPetr zweimal als »Jude« bezeichnet wird (ActPetr 6; 22), ist das Thema dort nicht ausgearbeitet. In ActPhil ist Aristarchos aber konsequent als »Jude« markiert, eine Bezeichnung, die Philippus nirgends zugeordnet wird (vgl. Snyder 2014, 165-167). Aristarchos kann selber »die Propheten« zitieren (ActPhil 6,13.15) und ist im Gegensatz zu Simon der Vertreter einer ganzen Gruppe von »Juden«. In den ActPhil wird also ein nur angelegtes Sinnpotenzial der ActPetr 946

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zur starken expliziten Schilderung von »Juden« als »die Anderen« und Gegner der Apostel ausgearbeitet (vgl. Snyder, im Druck). Hat diese Steigerung mit Entwicklungen der Einstellungen von (nicht-jüdischen) Christen gegenüber »Juden« zu tun? Ohne den Entstehungskontext der ActPhil 5-7 genauer festlegen zu können, lässt sich weder diese Frage wirklich beantworten, noch würde man von einer universalen und starken Trennung zwischen »Juden« und »Christen« selbst im 4.-5. Jh. ausgehen wollen (vgl. zur Frage George 1999; und Becker/Reed 2003). Außerdem taucht eine Schilderung von »Juden« als Gegenspieler auch in früherer Literatur auf, wie etwa im Johannesevangelium, in der Apostelgeschichte und im Dialog mit Tryphon von Justin. Diese Art von Diskurs ist also keine Neuigkeit des 4.-5. Jh. Gleichwohl könnte die Ausarbeitung des »Juden«Motivs in der ActPhil einen Entstehungskontext spiegeln, in welchem einige (nichtjüdische) Christen das »Christ-sein« vom »Jude-sein« abgrenzen wollten, wie etwa Johannes Chrysostomos in Antiochien, der sich im 4. Jh. über Christen aufgeregt hat, die an jüdischen Festen teilgenommen oder die Synagoge besucht hätten (vgl. Wilken 1983; Meeks/Wilken 1978). Andererseits könnte die Profilierung des Aristarchos als »Jude« erzähltechnisch bedingt sein. Der Auftritt von Gegenspielern gehört zu einer spannenden Erzählung. Man konnte jedoch kaum den berühmten Simon Magus als Gegenspieler des Philippus casten. Eine Umprofilierung seiner Figur war nötig, und die bis 4.-5. Jh. etablierte literarische Tradition von »jüdischen« Gegnern der »christlichen« Botschaft hat ein mögliches Muster angeboten. Wie es dieser exemplarische intertextuelle Vergleich nahelegt, ging es bei den ActPhil nicht um eine bloße Wiederholung des Prätexts, sondern um eine kreative Neuinszenierung. Die einzelnen Elemente der ActPetr wurden wohl teilweise bewusst und teilweise unbewusst übernommen und umgewandelt. Die Intertextualität mit den ActPetr bedeutet, dass die Ähnlichkeiten der ActPhil-Szene mit anderen Erzählungen, etwa wie die Auferweckung des Sohnes einer Witwe durch Jesus in Lk 7,11-17, in anderen Texten den Text-Produzent(en) der ActPhil nicht unbedingt bewusst bzw. wichtig waren. Zumindest lassen sie sich aus dem vorhandenen Text nicht überzeugend nachweisen. Trotzdem ist an dieser Stelle zu bemerken, dass die beiden Gattungen »Debatte« und »Totenerweckung« in der Entstehungszeit der ActPhil weit verbreitet waren.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Hagiographische Deutung: In der Totenerweckungsszene, wie in ActPhil 5-7 insgesamt, wird Philippus durchaus positiv und souverän dargestellt. Ohne Angst vor den vielen Gegnern verhandelt er siegessicher mit den Eltern des Theophilos (ActPhil 6,17.19), und »ohne zu zögern« betet er in aller Öffentlichkeit, dass der Tote auferstehen soll (ActPhil 6,20). Ferner dient der Vergleich mit dem unfähigen Aristarchos dazu, dem Publikum innerhalb der Erzählung – und den Leser(innen) – die überlegene Macht und Vertrauenswürdigkeit des Philippus hervorzuheben (vgl. 947

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ActPhil 6,16: »wir werden ihm vertrauen«; ActPhil 6,18: er sei kein »Magier«). Eine mögliche hagiographische Deutung des Textes drängt sich bei dieser Charakterisierung auf. Die Rezeptionsgeschichte zeigt indirekt, dass ActPhil 5-7 manchmal so gedeutet wurde. Sie wurde zu einem gewissen Zeitpunkt in eine Sammlung von thematisch, stilistisch und perspektivisch voneinander abweichenden Philippus-Erzählungen aufgenommen (Snyder 2014, 144-146.210-216). Diese Erzählungen haben v.a. die Hauptfigur, Philippus, gemeinsam und wurden wohl aus diesem Grund zusammengebracht: Das Sammeln weist auf ein Interesse an der Person des Philippus hin. Diese Text-Geschichte legt es nah, dass manche frühe Leser(innen) bzw. TextProduzenten die Nikatera-Erzählung als eine Veranschaulichung der Großartigkeit des Philippus gedeutet haben könnten. In der Geschichte der christlichen Literatur, Liturgie, Kunst und Frömmigkeit ist solch ein hagiographisches Interesse an einzelnen Figuren aus der christlichen Erinnerung gut bezeugt. Spätestens seit dem 2. Jh. wurden Geschichten über einzelne Apostel erzählt, und Gedenkstätte an wichtigen Orten, wie deren »Gräbern«, errichtet. Im 4. Jh. zitiert Euseb von Caesarea eine Tradition aus dem 2. Jh., dass ein »Philippus« in Hierapolis begraben wurde (Eus. h.e. 3,31), wo noch im 5. Jh. – nah der Entstehungszeit der ActPhil – ein Martyrium zum Gedenken an Philippus gebaut wurde, was das Interesse an dem Apostel zu dieser Epoche zeigt (vgl. Huttner 2013). Auch die Intertextualität mit den ActPetr – falls erkannt – könnte den hagiographischen Effekt der Erzählung steigern. Petrus spielt in der frühchristlichen Literatur insgesamt eine größere Rolle als Philippus und ist in den ActPetr als ein wichtiger Held dargestellt. Die Inszenierung des Philippus im Muster einer PetrusErzählung könnte also so gedeutet werden, dass Philippus – wie Petrus – ein wichtiger, mächtiger Apostel sei. Ferner werden in der Vita Abercii, eine hagiographische Erzählung über den Bischof Aberkios von Hierapolis, die wohl um das 4. Jh. entstanden ist, auch Teile der ActPetr übernommen und sogar wörtlich zitiert (vgl. Nissen 1912; Baldwin 2005, 197-241). In den beiden Fällen deutet die Intertextualität wahrscheinlich nicht auf eine Konkurrenz zwischen Petrus und dem anderen hin, die im Fall von Aberkios kaum vorstellbar wäre. Vielmehr zeigt sie das hagiographische Interesse der Epoche und dass die ActPetr indirekt zur Förderung des Ruhms einer anderen christlichen Erinnerungsfigur beitragen konnten. Was in den ActPhil und der Vita nur implizit ist, ist in einer anderen PhilippusErzählung explizit. In ActPhil 3 fleht Philippus – der offensichtlich ganz am Anfang seiner apostolischen Karriere ist (vgl. Peterson 1932b, 176 Anm. 2) – den etablierten Apostel Petrus an, für ihn zu beten (ActPhil 3,1). Hier wird der Ruf des Philippus durch eine Petrus-Verbindung explizit gefördert. Christologische Deutung: Im Kontext der ActPhil 6 kann die Totenerweckung auch als eine Schilderung der Macht und Hoheit Jesu und seines Einsetzens für die Seinen verstanden werden. In einer früheren Szene schlägt Ireos vor, mithilfe des Präfekten einen lebensgefährlichen Konflikt mit Gegnern aus der Stadt zu vermei948

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den. Philippus hat jedoch keine Angst vor einer solchen Auseinandersetzung, »denn Jesus, auf den ich hoffe (oder: schon immer gehofft habe), vermag es, für mich zu kämpfen und mich zu retten (ἀγωνίσασθαι ὑπὲρ ἐμοῦ καὶ ἐξελέσθαι με agōnisasthai hyper emou kai exelesthai me)« (ActPhil 6,5). Die Totenerweckung, die durch Jesus ermöglicht wird, kann dann als Beweis dieser Behauptung gedeutet werden. Das Wunder wird ganz am Anfang durch die Stadtoberhäupter und Menge als eine »Herausforderung« bzw. ein »Wettstreit« (ἀγών agōn) gedeutet, der zeigen würde, dass es bei Philippus »einen Gott gebe« (ActPhil 6,16). Jesus erscheint dann Philippus persönlich und nimmt für sich die Lorbeeren für das kommende Wunder in Anspruch: »Durch mich wird der Tote auferstehen« (ActPhil 6,18). Das Wunder selbst folgt auf zwei Gebete, einschließlich einer Aufforderung »im Namen Jesu Christi« (ActPhil 6,20), und veranlasst Bekenntnisse durch Theophilos und die Menge, dass »der eine Gott der des Philippus, Christus Jesus«, sei, dessen Macht durch das Wunder geschildert werde (ActPhil 6,20). Mehrmals wird das Geschehen also innerhalb der Erzählung als Beweis für die Botschaft des Philippus über »seinen Gott« Christus Jesus, dessen Göttlichkeit und moralische Ansprüche in der Episode in Frage gestellt worden sind (vgl. ActPhil 6,3.5.7.9.13), gedeutet. Dieser Zweifel von »Heiden« bzw. »Juden« an der Botschaft des Apostels – dass Jesus wirklich ein bzw. der mächtigste Gott sei – ist bereits in den ActPetr stark thematisiert, wie auch in anderen Apostelerzählungen und christlichen Texten. Er muss insofern nicht unbedingt eine christologische Kontroverse etwa im 4.-5. Jh. an dem Ort, wo ActPhil 5-7 entstanden ist, spiegeln. Auch dies ist aber möglich. Christologische Streitigkeiten waren auch zu dieser Epoche normal (z.B. Konzil von Chalcedon 451 n. Chr. klärt die Zwei-Naturen-Lehre Christi; vgl. auch Wilken 1983, 153-158). Nichtchristliche Leser(innen) könnte die Erzählung dazu ermutigen, die Reaktion der »Menge« auf das Wunder nachzuahmen und Christus ihr Vertrauen zu schenken (vgl. ActPhil 6,20-22). In der Rezeptionsgeschichte ist die Erzählung allerdings wahrscheinlich selten von solch einem Publikum gelesen worden. Die meisten christlichen Leser(innen) wären wohl von der Jesus-Darstellung in der Totenerweckungsszene – einschließlich des Bekenntnisses von Jesus als »Gott« – nicht besonders überrascht. Für dieses Publikum verleiht Jesu Beteiligung am Wunder aber dem Text ein weiteres Sinnpotenzial, da sie die Aussage des Philippus bestätigt, dass »Jesus … es vermag, für mich zu kämpfen und mich zu retten« (ActPhil 6,5). Bereits in den ActPetr kommt die Idee vor, dass Jesus immer mit den Seinen sei, um ihnen zu helfen (vgl. ActPetr 18; 22). Dies war wohl von vielen christlichen Leser(innen) als ermutigend empfunden worden und lässt sich problemlos auf weniger abenteuerliche Lebenssituationen übertragen. Sozialethische Deutung: Die Erzählung kann auch zu sozialethischen Überlegungen führen. In der Geschichte werden zahlreiche Sklaven freigelassen (ActPhil 6,21), sogar durch Intervention des Apostels (ActPhil 6,17). Kommt da eine Kritik an der Sklaverei zum Ausdruck (vgl. Peterson 1932a, 104; Bovon 1988a, 4488)? Die Absicht der Text-Produzenten ist natürlich schwierig festzustellen, dennoch scheint es unwahrscheinlich, dass die frühesten Leser(innen) in diesem Text eine universelle 949

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Kritik an der Sklaverei gehört hätten. Auch unter Christen war eine konsequente Ablehnung der Sklaverei bis in die Moderne eine Rarität (Kyrtatas 1987, 29-74; Glancy 2002, 90-101.130-156; Callon 2012). Ebenfalls verlangt der Apostel nach ActPhil 5-7 nicht, dass Ireos seine zahlreichen Sklaven freilässt (vgl. ActPhil 6,5f.). Freilich ist die Freilassung der 312 Sklaven in der Totenerweckungsszene positiv dargestellt, dennoch hat dies auf der Erzählebene wenig mit der Sklaverei an sich zu tun. Die zwölf mitzuverbrennenden Sklaven werden durch die Übergabe an Philippus vom Tod gerettet (ActPhil 6,16f.), und das »Jubeln« der Eltern des Theophilos über die Freigelassenen hat in erster Linie damit zu tun, dass sie die Frömmigkeitsrichtung des Philippus annehmen würden (ActPhil 6,21). Diese Entscheidung wird andererseits durch ihre Freilassung beschleunigt, und der Text zeigt sich insofern der Sklaverei gegenüber etwas ambivalent bzw. inkonsequent. Zumindest eine intendierte Kritik der Institution an sich ist m.E. aber – v.a. ohne eine Aufforderung an Ireos, seine Sklaven freizulassen – unwahrscheinlich. In ActPhil 5-7 spielt ferner der Themenkomplex Ehre-Status-Besitz eine wichtigere Rolle (vgl. auch den Besitz-Charakter von Sklaven). In der vorangehenden Szenen warnt Philippus davor, dem verderblichen irdischen Besitz Vertrauen zu schenken, und sowohl er als auch Ireos verzichten im Rahmen des Glaubens auf die prahlerische Zur-Schaustellung von Reichtum als Status-Zeichen (ActPhil 5,15-25; 6,3.8). Philippus spricht diese Einstellung sogar selig: »Selig (μακάριοι makarioi), die den Ruhm dieser Welt hassen, denn sie werden geehrt werden« (ActPhil 5,25; vgl. Amsler 1999, 239). Auch bei der Totenerweckung wird der Themenkomplex EhreStatus-Besitz thematisiert, als die Eltern des Theophilos Philippus nicht nur Sklaven, sondern auch Gold, Gewänder und (andere) Güter versprechen (ActPhil 6,17; s.o.). Nach dem Wunder gibt der Vater des Theophilos auch viel Geld aus, um ein Versammlungsgebäude für die Gemeinde zu bauen (ActPhil 7,2). Ist hier ein impliziter asketischer Appell an die intendierten Leser(innen) zu hören, auf Besitz zu verzichten (vgl. Peterson 1932a, 99f.)? Oder wird das Wunder vielleicht »gekauft«? Zwar kritisiert Philippus unmissverständlich die prahlerische Anwendung von Reichtum und hat als Apostel auf viel Besitz verzichtet (ActPhil 6,8), jedoch wird die Frage, ob andere Anhänger seines Gottes ihr Vermögen ganz und gar weggeben müssen, offen gelassen (vgl. ActPhil 5,20). Die Großzügigkeit des Vaters von Theophilos ist ferner nicht als eine komplette Liquidation seines Vermögens markiert: In erster Linie handelt es sich um eine Umwandlung des Nutzungszwecks des Gelds, das nun nicht mehr der eigenen Ehre und Lebensqualität, sondern der Kirche zugutekommt. In diesem Zusammenhang könnte auch die Annahme eines »Entgelts« durch Philippus für das Wunder verstanden werden. Leser(innen) in einem Kontext, wo Christen regelmäßig ihre Spenden dem Bischof bzw. anderen Vertretern der Kirche anvertraut haben (vgl. Brown 2002; Schöllgen 1998), hätten dies wohl als eine Spende an die Kirche und nicht als eine Bezahlung an Philippus verstanden. Zwar wurden zur Entstehungszeit der ActPhil auch Kleriker von solchen Spenden unterstützt, aber sie wurden auch für andere Zwecke wie z.B. liturgische oder soziale Dienstleistungen verwendet, wie es aus dem Angebot von 950

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den Eltern des Theophilos – »Silber, Gold, usw. für den Dienst (εἰς διακονίαν eis diakonian)« (ActPhil 6,17) – ableitbar ist. Manche frühen Leser(innen) hätten also in diesem Text wohl einen Appell zur materiellen Unterstützung der Kirche gehört. Das gleiche Sinnpotenzial besteht schon bei den ActPetr, wird aber in den ActPhil 5-7 expliziter ausgearbeitet. Natürlich ist der Text auch für eine radikalere Deutung offen, etwa das Beispiel des Philippus nachzuahmen und auf Besitz ganz zu verzichten. Diese Deutung ist jedoch nicht zwingend. Heilsgeschichtliche Deutung: Wie oben angedeutet, könnte die Totenerweckung auch als Darstellung der Überlegenheit des »Christentums« über das »Heidentum« bzw. das »Judentum« verstanden werden. In ActPhil 5-7 ist das Hauptthema das Gewinnen der Stadt für den Gott des Apostels, und Motive des »Wettstreits« und »Sieges« kommen immer wieder vor, selbst im Namen der Stadt (s.o.). Eine implizite Kritik des »Götzendiensts« ist erkennbar (ActPhil 5,11; 6,16f.), sowie auch eine ausführliche Kritik der »Juden«, die sich (meistens) nicht bekehren und deren Hauptvertreter sich im Vergleich zu Philippus als weniger überzeugend und machtlos zeigt. Auf unterschiedliche Weise werden also sowohl »Juden« als auch »Heiden« von Philippus und seinem Gott besiegt. So beunruhigend wir einen solchen Gegensatz von »Christen« und »Juden« bzw. »Heiden« finden mögen, ist er in der Geschichte des Christentums – ob des 4. Jh. oder heute – leider weit verbreitet und gehört auch zum Sinnpotenzial dieses Textes.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Ein Macht-Konflikt zwischen Philippus und einem Vertreter der »Juden« wird auch in ActPhil 2 geschildert. Diese Erzählung wurde wohl – vor ihrer Eingliederung in eine Sammlung der Philippus-Erzählungen – durch einen Vorgänger der ActPhil 6 inspiriert (unter anderen Intertexten, wie etwa ActPetr und das Martyrium des Philippus; vgl. Amsler 1999, 94-110; Matthews 2002, 186-189; Snyder, im Druck). In ActPhil 2 wird der Hohepriester der »Juden« von hellenistischen Philosophen nach Athen eingeladen, damit sie Philippus’ Verkündigung besser beurteilen können. Er reist mit fünfhundert Begleitern dahin, um gegen Philippus zu kämpfen. Durch Philippus bzw. Jesus wird er mit Blindheit geschlagen und von der Erde geschluckt, Strafwunder, die in ActPhil 6,10-12 ihre (weniger dramatische) Parallele haben. Dann findet auch eine Totenerweckung statt (ActPhil 2,22-24). Ein Auferweckungsversuch seitens des »jüdischen« Gegenspielers fehlt, sowie auch eine Thematisierung von Ehre, Status und Besitz. Ferner wird der Tod explizit einem Dämon zugeschrieben, ein weiterer Unterschied zu ActPhil 6. Andererseits folgt dem Wunder eine Massen-Bekehrung, wie es eben in einer Erzählung dieser Gattung zu erwarten ist. Das genaue Verhältnis zwischen den noch bekannten Fassungen der ActPhil 2 und 6 – ob mündlich oder schriftlich, und ob die aktuellen Formen der Erzählungen eher als Paralleltexte mit verwandten Quellen als ein Beispiel der direkten literarischen Abhängigkeit zu bezeichnen wären – lässt sich nicht mehr mit Sicherheit 951

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rekonstruieren. Jedenfalls zeigt ActPhil 2 – wie auch ActPhil 6 – die dauernde Anziehungskraft einer spannenden, mit Wundern ausgeschmückten, (bedenklich triumphalistischen) Erzählung des Sieges eines Apostels bzw. des Christentums über Gegner allerlei Art. Eine Ikone, die auf Zypern gefunden wurde und mehrere Szenen aus Philippus’ Leben schildert, enthält zwei Bilder, die möglicherweise diese Totenerweckung darstellen (Bovon 2009b, 15f.). Julia A. Snyder

Literatur zum Weiterlesen F. Amsler, Acta Philippi. Commentarius, CChr.SA 12, Turnhout 1999. D. J. Bucher, Converts, Resisters, and Evangelists. Jews in Acts of Philip V-VII. In: S. A. Harvey u.a. (Hg.), A Most Reliable Witness. Essays in Honor of Ross Shepard Kraemer, Brown Judaic Studies 358, Providence 2015, 9-16. M. George, Antijudaismus bei den Kirchenvätern. Eine notwendige Polemik?, in: W. Dietrich u.a. (Hg.), Antijudaismus – christliche Erblast, Stuttgart 1999, 74-92. U. Huttner, Early Christianity in the Lycus Valley, Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums 85, Leiden 2013. E. Peterson, Die Häretiker der Philippus-Akten, ZNW 31 (1932a), 97-111. J. A. Snyder, Simon, Agrippa, and Other Antagonists in the Vercelli Acts of Peter, in: U. Mell/M. Tilly (Hg.), Gegenspieler. Zur Auseinandersetzung mit dem Gegner in frühjüdischer und urchristlicher Literatur, WUNT, Tübingen, im Druck. Dies., Language and Identity in Ancient Narratives. The Relationship between Speech Patterns and Social Context in the Acts of the Apostles, Acts of John, and Acts of Philip, WUNT 2/370, Tübingen 2014.

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Ein veganes Evangelium für Tiere (Bekehrung des Leoparden und der jungen Ziege) ActPhil 8,16-21 (8,16) Als sie nun hinaufgingen in die Wildnis der Drachenfrauen, als sie dort gingen, kam plötzlich ein großer Leopard aus den Bergwäldern. Und als er die Apostel des Herrn erblickte, lief er zu ihnen hinüber, warf sich zu ihren Füßen und sprach zu ihnen mit menschlicher Stimme: »Ich werfe mich vor euch nieder, Diener der göttlichen Größe und Apostel des eingeborenen Sohnes Gottes. Befehlt mir, damit ich vollkommen rede.« (17) Philippus sprach: »Im Namen Jesu Christi: Rede!« Und der Leopard nahm eine vollkommene Stimme an und begann zu reden: »Höre mir zu, Philippus, der du uns zu dem göttlichen Wort führst wie einer, der die Braut dem Bräutigam zuführt. Es geschah im ersten Teil der Nacht, da ging ich an einer Ziegenherde vorbei, gegenüber dem Berg der Drachenfrau, der Mutter aller Schlangen, und ich ergriff ein Kitz. Doch als ich in den Wald ging, um es zu fressen, da nahm es, nachdem ich es geschlagen hatte, eine menschliche Stimme an und weinte wie ein kleines Kind und sprach zu mir: ›Leopard, lege ab dein grausames Herz und dein wildes Vorhaben und lege an Zahmheit. Denn die Apostel der göttlichen Größe werden bald durch diese Wildnis kommen, um die Verheißung der Herrlichkeit des eingeborenen Gottes vollkommen zu erfüllen.‹ Als das Kitz mich mit diesen Worten ermahnte, war ich ratlos, und nach und nach wurde mein Herz verändert, und meine Grausamkeit wurde in Zahmheit verwandelt, und ich unterließ es, es zu fressen. Und als ich seinen Worten zuhörte, erhob ich meine Augen und sah euch vorübergehen, und ich wusste, dass ihr Diener des guten Gottes wart. Als ich also sah, dass ihr näher kamt, ließ ich das Ziegenkitz zurück und kam, um mich vor euch niederzuwerfen. Darum nun rufe ich dich an, Apostel Christi, Philippus, dass du mir das Recht gewährest, Vertrauen zu erlangen, und dass ich mit dir gemeinsam an jeden Ort reisen darf, an den du gehst, und dass ich meine wilde Natur ablegen kann.« (18) Der Apostel sprach zu dem Leoparden: »Wo ist das Kitz?« Er antwortete: »Siehe, es wurde unter den Baum dort drüben geworfen.« Philippus sprach zu Bartholomäus: »Lass uns hingehen, damit wir den sehen können, der geschlagen und dann geheilt wurde, und der auch den heilte, der geschlagen hat.« Als also Philippus nickte, geleitete der Leopard Philippus und seine Begleiter und brachte sie zu der Stelle, an der das Kitz lag. 953

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(19) Dann sprachen Philippus und Bartholomäus: »Siehe, wir wissen wahrhaftig, dass niemand dein Mitgefühl übertrifft, o gütiger Jesus. Denn du gehst uns voran und verbesserst und unterweist uns durch diese Tiere, damit wir noch mehr und vollkommener mit Eifer das glauben können, was uns anvertraut wurde. Nun komm, Herr Jesus Christus, und gewähre diesen Tieren Leben und Odem und eine gefestigte Verfassung, damit sie ihre wilde und bestialische Art aufgeben und in Zahmheit eintreten können und nicht länger Fleisch oder, im Falle des Kitzes, einfaches Futter fressen müssen. Lass in ihnen ein menschliches Herz geboren werden, und sie werden uns folgen, wo auch immer wir hingehen und dieselben Dinge essen wie wir, zu deiner Ehre, und dass sie wie Menschen sprechen können und deinen Namen preisen.« (20) Und in jenem Moment erhoben sich die Tiere, der Leopard wie das Kitz, erhoben ihre Vorderpfoten und priesen Gott und sprachen mit menschlicher Stimme: »Wir preisen und segnen dich, der du uns besucht und unserer gedacht hast in der Wildnis, der du unsere grausame und wilde Natur in Zahmheit gewandelt und uns freigebig das göttliche Wort und uns eine Zunge und einen Verstand gegeben hast, so dass wir deinen Namen sagen und bekennen können, denn deine Herrlichkeit ist groß.« (21) Nach diesen Worten fielen der Leopard und das Ziegenkitz zu Boden auf ihr Angesicht und huldigten Philippus und Bartholomäus und Mariamne. Da priesen die Apostel Gott und beschlossen, dass das Kitz und der Leopard mit ihnen reisen und ihnen voran zu der Stadt gehen sollten, zu der sie gingen, so wie es ihnen der Erlöser geoffenbart hatte. So gingen sie miteinander und priesen und verherrlichten Gott, Amen. Übersetzung in Zusammenarbeit mit François Bovon.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Episode erstreckt sich ActPhil 8 über mehrere Abschnitte hin, doch für mindestens zwei Textzeugen schildert sie einen Schlüsselmoment in der von ActPhil 8 bis ActPhil 15 und darüber hinaus, bis zu dem Bericht über Philippus’ Martyrium am Ende der ActPhil reichenden Geschichte. In der Handschrift Xenophontos 32 lautet der Titel: »Die achte Tat des heiligen Apostels Philippus: Das Ziegenkitz und der Leopard glauben in der Wildnis.« Vaticanus graecus 824 hat im Wesentlichen denselben Titel wie Xenophontos 32. Eine abweichende Überschrift findet sich in Atheniensis 346: »Die Tat des heiligen Apostels Philippus: worin die Gebiete den heiligen Aposteln zugewiesen werden.« Letztere Überschrift passt gut zum Inhalt des ersten Teils von ActPhil 8 (8,1-15), während der erstgenannte Titel das beschreibt, was sich im zweiten Teil (ActPhil 8,16-21) abspielt. Der Anfangsteil eröffnet also mit der Zuweisung der Missionsgebiete an die verschiedenen Apostel und mit Einzelheiten über den Umgang 954

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Ein veganes Evangelium für Tiere

ActPhil 8,16-21

des Erlösers mit Philippus’ Verzweiflung angesichts seiner Beauftragung in Griechenland. Philippus’ Schwester Mariamne tritt für ihn ein, und der Erlöser beruft sie dazu, ihn und Bartholomäus zu ihrem Ziel, der »Stadt der Viper« (ActPhil 8,4), zu begleiten. Trotz starker Ermunterung durch den Erlöser (ActPhil 8,5-7) weint Philippus angesichts der Verfolgung, die ihn dort erwartet (ActPhil 8,8). Weitere Unterweisung (ActPhil 8,9-14) scheint seine Einstellung jedoch zu ändern, und er macht sich mit Bartholomäus und Mariamne auf zum Land der Ophianer (ActPhil 8,15). Als die Apostel die »Wildnis der Drachenfrauen« durchqueren, wirft sich ein großer Leopard vor ihnen nieder und bittet sie mit menschenähnlicher Stimme, sie mögen ihm eine vollkommene Rede gewähren (ActPhil 8,16). Philippus befiehlt ihm, so zu reden, und der Leopard berichtet, wie ein Ziegenkitz, als er auf es Jagd machte, ihn mit der Stimme eines Menschenkindes ermahnt habe, seine Wildheit abzulegen und angesichts der bevorstehenden Ankunft der Apostel Zahmheit anzunehmen. Nach seiner Verwandlung bittet der Leopard nun darum, Philippus, wo immer er hingeht, begleiten und sich seiner wilden Natur entäußern zu dürfen (ActPhil 8,17). Als sie von dem Leoparden an die Stelle im Wald geführt werden, wo das Kitz liegt, beten Philippus und Bartholomäus dafür, dass die Tiere, insbesondere der Leopard, Zahmheit erlangen und kein Fleisch mehr fressen, menschliche Herzen erhalten, den Aposteln, wo immer diese hingehen, nachfolgen und wie Menschen sprechen mögen (ActPhil 8,19). Die Tiere nehmen daraufhin eine andächtige Haltung ein, erheben ihre Vorderpfoten und loben Gott mit menschlicher Stimme (ActPhil 8,20). Nachdem sich die Tiere vor Philippus, Bartholomäus und Mariamne niedergeworfen haben, setzt die erweiterte Gruppe schließlich ihren Weg zu ihrem Ziel fort. Im weiteren Fortgang der Erzählung reisen die beiden tierischen Gefährten tatsächlich mit der apostolischen Gruppe und sind bei den zahlreichen Ereignissen, die Philippus bis zu seinem Martyrium erlebt, zugegen (ActPhil 9,1; 13,1; 14,9; 15,8), wenn sie nicht sogar im Mittelpunkt des Geschehens stehen. In ActPhil 12 stechen sie jedoch als die Hauptfiguren hervor, als sie unter Tränen und Gebeten darum bitten, die Eucharistie mit Philippus, Bartholomäus und Mariamne teilen zu dürfen. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt (Matthews 1999, 230), deutet die Logik der Erzählung darauf hin, dass die Bitte der Tiere erfolgreich ist, und sie nach fünftägigem Fasten (vgl. ActPhil 11,1) an der Eucharistie teilnehmen werden. Auch am Ende der ActPhil werden der Leopard und das Kitz nicht vergessen, als der gekreuzigte Apostel Bartholomäus und Mariamne Anweisungen geben, eine Kirche zu bauen und die Tiere in ihr zuzulassen »als ein Zeichen für die, die glauben«. Nicanora soll sich um sie kümmern, und nach ihrem Tod sollen sie in der Nähe der Vorhalle der Kirche begraben werden (MartPhil 36).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Heutigen Lesern mag es schwerfallen, diesen Bericht über die Begegnung zwischen Philippus und den sprechenden Tieren als etwas anderes als eine skurrile Fabel zu 955

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Die Wundererzählungen in den Philippusakten

sehen. Die phantasiereichen Züge dieser Geschichte könnten allerdings tatsächlich auf bestimmte soziale und historische Gegebenheiten hinweisen. Es scheint, als hätten einige sektiererische Gruppen – allerdings wohl kaum in der Gegend, in der sich die in den ActPhil beschriebene Handlung anscheinend ereignet – tatsächlich Tiere gehalten und sie als Lebewesen gesehen, die bis zu einem gewissen Grad Teil einer umfassenderen Ausarbeitung des christlichen Erlösungswerks sein konnten. In einem Traktat gegen »falsche Askese« differenziert Amphilochius, im letzten Viertel des 4. Jh. Bischof von Ikonium, innerhalb der allgemeinen Enkratitengruppen besonders »die mit Vierbeinern« (vgl. Bovon 1988a, 4503). Von daher könnte die Beteiligung der sprechenden Tieren in der Geschichte von Philippus’ Reise zur »Stadt der Viper« tatsächlich Überzeugungen einer marginalisierten christlichen Gruppierung des 4. Jh. widerspiegeln – wenn auch stark übertrieben. Judith Perkins hat vorgeschlagen, dass die Verwendung des Motivs sprechender Tiere in zahlreichen apokryphen Apostelakten nicht unbedingt auf die besondere Sorge um das Tierreich beschränkt werden muss, sondern dass es ein Mittel gewesen sein könnte, die Würde all derer, die in der damaligen Gesellschaft als Tiere abgewertet wurden, wieder ins Gedächtnis zu rufen und zu beteuern (Perkins 2005, 386). Es ist also möglich, dass die Tiere als Sinnbild für bestimmte Teile der Gesellschaft, die als Menschen ohne Rang angesehen wurden, fungierten. Dies war ein indirekter Weg, Probleme menschlicher Identität zu sondieren, und sollte den bestehenden Status quo in Frage stellen. Solch eine Art des Geschichtenerzählens/des literarischen Vorgehens stünde natürlich nicht im Gegensatz zu den Anliegen einer radikalen christlichen Gruppierung, die mit der Vision einer gesellschaftlichen Veränderung durch die vollständige Implementierung der Botschaft des Evangeliums lebt. Wie auch bei der oben untersuchten ersten Erzählung aus den ActPhil geht es bei der Frage des Wunderbaren in diesen Texten selten einfach nur darum, das Phantastische um seiner selbst willen zu erzählen. Die Verwendung wunderbarer Elemente und Motive ist ein grundlegendes Verfahren, das antike Geschichtenerzähler und Zuhörer in die Lage versetzte, Aspekte herausfordernder sozialer und intellektueller Situationen ergründen zu können.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Wie auch immer die tatsächliche soziale und historische Situation derer gewesen sein mag, die für den Entstehungsprozess der Erzählungen über die sprechenden Tiere in den ActPhil verantwortlich waren: Es besteht kein Zweifel daran, dass dieses Motiv ältere biblische Texte aufgreift, die die Wirkung des Evangeliums auf die Tierwelt als Beweis für die umfassende Einflusssphäre des Heils verstehen. Das Neue Testament bietet in dieser Hinsicht natürlich nur indirekte Hinweise – so den kryptischen Hinweis auf die wilden Tiere in Mk 1,13 und die allgemeinen Vorstellungen von einer allumfassenden Erlösung in Röm 8,19-23 (vgl. Kol 1,23). Apokryphe Texte waren in dieser Hinsicht weniger zurückhaltend, wie der sprechende Löwe in den 956

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Ein veganes Evangelium für Tiere

ActPhil 8,16-21

Paulusakten, der sprechende Hund in den Petrusakten und das sprachbegabte Eselsfohlen und die wilden Esel in Thomasakten beweisen – nicht zu reden von zahlreichen weiteren Beispielen, einschließlich sprechender Schlangen und Drachen. Abgesehen von den bemerkenswerten Beispielen, in denen das Motiv der sprechenden Tiere explizit verwendet wird, wie in den eben genannten christlichen Texten, ist es wichtig zu verstehen, dass das Auftreten dieses Topos nicht nur ein Indiz für die Aneignung einer folkloristischen Vorstellung ist. Wie bereits an anderer Stelle erörtert (Matthews 1999; vgl. Spittler 2008), hat die Verwendung sprechender Tiere in diesen christlichen Erzählungen bedeutende Vorgänger in griechisch-römischen literarischen Texten, philosophischen Erörterungen (z.B. über die Vernunft von Tieren) und in der religiösen Praxis. Es gibt weitere Bereiche, in denen sprechende Tiere begegnen. Diese zeigen, wenn auch nicht auf exakt gleiche Weise, ebenfalls, wie dieser besondere Kunstgriff mit dem gemeinsamen Sprachgebrauch der antiken Welt verbunden war. Man kann da zuerst an Aesops Fabeln denken, die in verschiedenen Sammlungen sowohl in griechischer als auch in lateinischer Sprache als grundlegendes Material für die rhetorische Ausbildung in der Antike dienten. Es genügte seinerzeit ein Minimum an Bildung und wahrscheinlich in vielen Fällen noch viel weniger als das, um mit einem veritablen Zoo von sprechenden Tieren vertraut zu sein, die in der gesamten Kultur als Metaphern dazu dienten, erzieherische Zwecke zu erfüllen. Es sei auch erwähnt, dass sowohl die allegorische Verwendung von Tieren in zahlreichen hellenistischjüdischen Texten als auch die noch phantastischeren Re-Mythologisierungen in der rabbinischen Literatur in dieser Hinsicht sowohl als Vorläufer als auch als Hintergrund für christliche literarische Methoden fungieren. In diesem Sinne ist das Motiv der sprechenden Tiere in den ActPhil Teil einer weit verbreiteten und gut fundierten Vorstellung, die das griechisch-römische Zeitalter umspannt.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Die oben zum ersten Abschnitt aus den ActPhil vorgestellten Überlegungen gelten hier in gleicher Weise. Dort wie hier besteht ein Vorteil der Wundererzählungen in apokryphen Texten gegenüber ihren kanonischen Entsprechungen darin, dass Ausleger sich mit Leichtigkeit Diskussionen über die Historizität dieses oder jenes Ereignisses entziehen können. Das ermöglicht es uns zu sehen, dass das, was an Wundererzählungen und dem Wunderbaren in christlichen Texten wichtig ist, oft nichts mit der Frage zu tun hat, ob sich eine Begebenheit objektiv zugetragen hat. Daraus folgt, dass das Wunderbare in der hier behandelten Erzählung dieselbe Funktion erfüllt, wie an anderen Stellen in den ActPhil; es geht darum, die Glaubwürdigkeit und Autorität des Apostels zu stärken. Das Ziel ist in dieser Darstellung nicht einfach ein Selbstzweck. Vielmehr dient es der Bestätigung und Legitimation der ersten Leser/Hörer. Diese können wir uns als versammelte Gruppe vorstellen, die die Geschichten über den Apostel Philippus als eine Komponente der Deutung 957

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ihrer gemeinsamen Identität pflegte und überlieferte. Ungeachtet der Frage, ob dieses erste Publikum die wunderbaren Elemente in der Erzählung für realistisch hielt oder nicht, bleibt die Leistung der Erzählung im Hinblick auf sozialen Zusammenhalt und Ideologie bestehen.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Hinsichtlich der Wirkungsgeschichte scheint die außergewöhnliche Ikone in der dem Philippus gewidmeten Kirche in Arsos auf Zypern unter den uns bekannten byzantinischen künstlerischen Darstellungen der einzige ikonographische Beleg für den längeren griechischen Text der ActPhil zu sein, der heute nur noch aus dem Manuskript Xenophontos 32 bekannt ist, in dem die hier untersuchte Erzählung enthalten ist. Auch wenn die Philippus-Ikone aus Arsos kein Bild der ersten Begegnung zwischen Philippus und den Tieren enthält, ist bezeichnend, dass der Leopard und das Ziegenkitz im Großteil der 18 dargestellten Szenen zu sehen sind. Die Tatsache, dass sie sogar in Szenen vorkommen, die der vorliegenden Anordnung der ActPhil zufolge Ereignisse schildern, die vor der ersten Einführung der Tiere in die Geschichte spielen, zeigt, wie populär diese Tierfiguren in der Vorstellung byzantinischer Christen blieben. Christopher Matthews

Literatur zum Weiterlesen C. R. Matthews, Articulate Animals. A Multivalent Motif in the Apocryphal Acts of the Apostles, in: F. Bovon/A. G. Brock/C. R. Matthews (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles, Harvard Divinity School Studies, Cambridge 1999. J. E. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature, WUNT 2/247, Tübingen 2008.

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Heilkräftige Schmiere (Wunder in Opheorymos. Die Heilung des blinden Stachys mit Mariamnes Speichel) ActPhil 14,1-7 ActPhil 13 schildert die Ankunft von Philippus und seinen Reisegenossen in Hierapolis, dem Ziel der Reise, die in ActPhil 8 begonnen hat. Nach ihrer Ankunft in der Stadt ereignen sich verschiedene beachtliche wunderbare Dinge. Zuerst werden Schlangen, die in der Lage sind, Feinde des Kults der Viper zu identifizieren, bei dem Versuch, eben dies zu tun, abgewehrt – in der Gegenwart der Apostel werden sie dazu gezwungen, ihre Köpfe zu beugen und ihre Zungen zu zerbeißen (ActPhil 13,2). Sodann kommen zwei große Drachen, die den Eingang am Stadttor bewachen, ums Leben, als sie »den Lichtstrahl der Monade« in Philippus’ Augen sehen (ActPhil 13,3). Die Apostel finden ein leerstehendes Krankenhaus in der Nähe des Tores und richten sich dort ein (ActPhil 13,4), woraufhin Philippus ein langes Dankgebet spricht (ActPhil 13,5). Dies schafft die Voraussetzungen für ActPhil 14. (14,1) Nun war dort in der Nähe des Ortes das Haus eines reichen Mannes namens Stachys, der seit 40 Jahren blind war. Als er, an seinem Fenster sitzend, hörte, wie Philippus diese Dinge sagte, weinte er vor seinen Kindern und sprach: »Helft mir und bringt mich zu diesen Leuten, die beim Tor wohnen, denn diese können mir helfen und mir Licht gewähren.« Seine Söhne sprachen zu ihm: »Wer sind diese Ärzte?« Und Stachys sprach zu ihnen: »Es sind Männer, die beim Tor wohnen, und die ich sprechen hörte: ›Lasst uns uns in diesem Krankenhaus niederlassen und lasst uns jedes Leiden und jede Krankheit heilen.‹« (2) Nachdem seine Söhne und seine Sklaven sich also erhoben und seine Hände ergriffen hatten, führten sie ihn zu den Aposteln. Und nachdem er zu Boden gefallen war und ausgestreckt vor ihnen lag, sprach er: »Ich rufe euch an, Fremde, die ihr in diese Stadt gekommen seid, gewiss meinetwegen und wegen der Behinderung, die in mir ist, damit ich auch geheilt werden kann. Seht, drei Tage lang hatte ich Träume und sah erstaunliche Dinge, obwohl ich seit 40 Jahren das Sonnenlicht nicht mehr gesehen habe. Bevor ich blind wurde, war ich ein Verfolger von Fremden und Christen. Und ich stand all denen vor, die dem Kult der Viper und der Schlangen angehörten, die in der Nähe meines Hauses auf der Straße waren, die Ophioryme genannt wird; denn jeder in der Stadt verehrt die Schlangen. (3) Und es geschah, als ich mit geöffneten Augen im Bett lag und an die Decke blickte, da sah ich Schlangeneier, und aus diesen Eiern sprangen neugeborene Schlangen heraus. Und mein Verstand war aufgerührt, 959

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und ich sprach: ›Sind diese also Götter? Ich will ein wenig Flüssigkeit von den Schlangeneiern nehmen und sie auf meine Augen tun, damit ich sehe, ob sie in irgendeiner Weise therapeutisch wirkt.‹ Doch als ich die Substanz aus den Eiern auf meine Augen tat, wurden sie mit Entzündung geschlagen, die ganze zehn Jahre lang anhielt. Zu jener Zeit war meine Frau noch am Leben, und sie ging auf den Berg und brachte mir Tau von den Pflanzen, und ich tat ihn jeden Tag auf meine Augen, und ich fand Erleichterung. Aber eines Tages ging sie, nachdem sie früh aufgestanden war, zu dem Berg, um mir Tau zu bringen, und ein riesiges Untier tauchte auf und schlug sie. Und sie starb nach diesem Schlag, denn es gab keinen Arzt, um sie zu behandeln. Und seit jener Zeit bis heute habe ich weder das Licht noch die Gesichter meiner Söhne gesehen. (4) Darum rufe ich dich an, Mann Gottes, mich von dieser Qual zu heilen, und ich will durch dich an Gott glauben, denn meine Vision ist wahr. Denn ich sah mich mit einem Tuch, das über meine Augen gebunden war; der, dem ich diene, ist tatsächlich der, der mein Gesicht bedeckt und mich daran hindert, das Licht zu sehen. Dann rief mich eine Stimme an und sprach: ›Stachys, komm zum Stadttor, und dort wirst du den Arzt finden, und er wird dir Licht gewähren, und dann wirst du wissen, dass der, dem du dienst, der Teufel ist.‹ Ich ging also zu dem Ort beim Tor, und als meine Augen aufblickten, sah ich die Gestalt eines schönen jungen Mannes mit drei Gesichtern: Das erste Gesicht hatte die Gestalt eines jungen Mannes, der noch keinen Bart hatte; das mittlere Gesicht hatte die Gestalt einer Frau, die in ein prächtiges Gewand gekleidet war; und das dritte Gesicht hatte die Gestalt eines alten Mannes. Der junge Mann trug einen Wasserkrug auf seiner Schulter, und die junge Frau hatte eine Fackel in ihrer Hand, und meine Augen wurden erfüllt von dem Licht dieser Fackel. Und alle in der Stadt kamen herbei und wurden von dem jungen Mann, der den Wasserkrug trug, getauft, und die Leiber derjenigen, die getauft wurden, wurden weiß wie die weißen Zweige von Palmbäumen. Ich sah diesen Traum dreimal auf dieselbe Weise. Darum flehe ich dich an: Verweigere nicht die Heilung dieses Mannes, dessen Seele in der Dunkelheit verweilte, denn ich glaube, dass Gott derjenige ist, der sich mir geoffenbart hat. Darum lasse deine Hilfe auf mich kommen, so dass ich mein Augenlicht wiedererlange.« (5) Als Philippus diese Worte des Stachys hörte, erhob er seine Stimme und sprach: »Geheiligt sei dein Name, o guter Jesus. Du, der du uns wie Schafe an jeden Ort sendest, du bist unser wahrer Hirte, du, der du unsere Natur erbaust und alle Dinge in Rechtschaffenheit lenkst. Du hast uns als Fremde hierher geschickt und uns im Vorgriff unseren Ruheort bereitet. Wir waren geringe und armselige Menschen ohne einen Ort 960

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bei anderen Menschen. Doch du, durch deine gute Voraussicht, hast ein Paradies für uns gepflanzt, o vollkommener Mensch und Vollkommener vom Himmel, der eine, der den unaussprechlichen Namen trägt, die rettende rechte Hand, dessen Name nicht ausgesprochen werden kann von Lippen, die unreines Werkzeug sind, der große Geist, der, der am höchsten erhöht ist unter euren strahlenden Äonen, der Vater, der im Geheimen ist, der, der in drei vollkommenen Gestalten bei uns ist, die Abbilder des Unsichtbaren sind, derjenige, der in Ewigkeit gepriesen ist, Amen.« (6) Danach streckte er seine rechte Hand aus und ergriff Stachys und sprach: »Hänge dich mir an, du, der du aufgrund deiner Unwissenheit in Blindheit verweilt hast. Denn was du gesehen hast, ist wahr; so nenne es nicht einen Traum, denn Träume sind nur Wunder, aber diese Vision kommt von dem Heiligen Geist. Bis heute wurdest du von Satan gebunden; er ist derjenige, der alles Menschliche dahinrafft mit seinen todbringenden Tränken, die er in Seelen träufelt, und damit ihren Geist verdunkelt und verhindert, dass sie die himmlische Herrlichkeit sehen, und der stattdessen die Menschheit durch Achtlosigkeit in den Untergang der Verderbtheit führt. Von Geburt an werden Menschen von Unwissenheit gepackt, und wenn ihre Leiber allmählich wachsen, werden sie von Achtlosigkeit vergiftet und zuerst auf den Abweg der Unzucht geführt, dann in den Götzendienst und in Zorn und in Wut und in Hass und in Verleumdung. Es ist die Unwissenheit, die zu allen bösen Werken verleitet; sie macht den Verstand trübe; sie blendet Menschen; Dunkelheit und Nacht sind das Diadem der Unwissenheit. Nun erkenne, dass der, der dich ruft, dir das wahre Licht gibt, damit du durch es weißt, dass der, dem du in der Vergangenheit gedient hast, der Teufel war; denn er ist es, der dich während dieser ganzen Zeit blind gemacht hat.« (7) Und nachdem er ihn nahe an sich herangezogen hatte, streckte Philippus seine Hand aus und tauchte seinen Finger in Mariamnes Mund und schmierte … [an dieser Stelle ist eine Lücke im Manuskript eines Blattes (zwei Seiten einer Seite), und kein anderes Manuskript bezeugt dieses fehlende Stück]. Übersetzung in Zusammenarbeit mit François Bovon.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Erzählung folgt auf den Bericht von der Ankunft der Apostelgruppe in der Stadt der Viper (Hierapolis), ihren Einzug in die Stadt und die Errichtung eines Krankenhauses für die Versorgung der Kranken in ActPhil 13. Stachys, ein reicher Mann, der seit 40 Jahren blind ist (πήρωσις pērōsis, die für Stachys’ »Behinderung« verwendete Bezeichnung, bedeutet oft »Blindheit«), hört durch sein offenes Fenster eine 961

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fromme Rede des Philippus und weist seine Söhne an, ihn zu dem Krankenhaus zu bringen, wo, so seine Überzeugung, seine Augen geheilt werden können (ActPhil 14,1). Als er vor die Apostel tritt, um um Heilung zu bitten, berichtet Stachys, er habe seit drei Tagen unwirklich anmutende Träume. Es kommt heraus, dass Stachys vor seiner Erblindung vor rund 40 Jahren Fremde und Christen verfolgt und auch dem Vipernkult vorgestanden hatte (ActPhil 14,2). Als Nächstes erzählt er die skurrile Geschichte, wie seine Augen geschädigt wurden, von dem tragischen Tod seiner Ehefrau und von seinem Versinken in die Blindheit (ActPhil 14,3). Zudem erwähnt er eine Stimme in einer Vision, die ihn anweist, zu dem Arzt am Stadttor zu gehen, ebenso von dem dreimaligen Traum von dem jungen Mann mit den drei Gesichtern (ActPhil 14,4). Philippus reagiert auf die Worte des Stachys mit einem ausführlichen Lob des »guten Jesus« (ActPhil 14,5). Dann ergreift er Stachys und setzt ihn darüber in Kenntnis, dass er bis zu diesem Zeitpunkt von Satan in Unwissenheit gebunden gewesen sei. Dies sei der Grund für seine anhaltende Blindheit. Doch derjenige, der ihn jetzt zu sich rufe, werde ihm das wahre Licht schenken (ActPhil 14,6). Philippus zieht ihn zu sich, taucht seine Hand in Mariamnes Mund und schmiert … (ActPhil 14,7). Die Geschichte wird plötzlich unterbrochen, so dass wir nicht mehr genau wissen, wie die Heilung durchgeführt wurde und welche anderen Umstände sie begleitet haben könnten. Es scheint fast so, als sei speziell dieser Bericht als anstößig erachtet worden und entsprechend durch Entfernen eines ganzen Blattes (Vorder- und Rückseite) aus dem Kodex zensiert worden. Die letzten Zeilen von ActPhil 14,7 in der derzeitigen Edition des griechischen Texts scheinen zu berichten, dass Stachys ein feierliches Bankett für die Apostel veranstaltet, obwohl das aus Fleisch und Wein bestehende Menü in diesem ansonsten eher asketisch ausgerichteten Text sonderbar erscheint. In den letzten Absätzen von ActPhil 14 verbreitet sich die Nachricht von Stachys’ Heilung in der ganzen Stadt, und große Mengen kommen zu Philippus, um sich heilen zu lassen (ActPhil 14,8). Dies hat auch zur Folge, dass viele Menschen getauft werden, die Männer von Philippus und die Frauen von Mariamne, und mit dem ständig gegenwärtigen Leopard und Ziegenkitz das Amen verkünden (ActPhil 14,8).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext In der Antike wurde Blindheit oftmals mit göttlicher Strafe gleichgesetzt. Diese Ansicht wird beispielsweise in dem neutestamentlichen Bericht über Jesus und den Blindgeborenen in Joh 9 sehr deutlich vor Augen gestellt. Dementsprechend wird das von diesem kulturellen Stereotyp beeinflusste Publikum Stachys’ Charakter höchstwahrscheinlich negativ bewerten, noch bevor erzählt ist, wie es zu Stachys’ Erblindung kam. Wundererzählungen machen sich solche sozialen Prämissen natürlich zunutze: Sie erzielen ihre Wirkung dadurch, dass sie das Erwartete umstoßen und den vorausgesetzten Ereignisablauf verändern. Es ist beachtenswert, dass die Wunder in unserem Text – und oft Wunder überhaupt – nicht einfach nur Verstö962

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ße gegen Natur- und physikalische Gesetze bedeuten, sondern auch die Überwindung von sozialen Wahrnehmungen. Zu welchem Schluss man auch hinsichtlich der Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Ersterem kommen mag: Im Blick auf Letzteres kann etwas Reales geschehen und geschieht auch in dem Grad, wie der ideale Leser/ Hörer die Erzählung aufnimmt. Jenseits des physiognomischen Hinweises auf den moralischen Wert des Stachys, der durch seine Blindheit kommuniziert wird, stellt schon allein die Tatsache einer solchen körperlichen Beeinträchtigung ein beängstigendes und scheinbar unüberwindbares Hindernis dar, das überwunden werden muss. Ziel ist offensichtlich, den wunderbaren Charakter des Wunders zu erhöhen und die Aufmerksamkeit auf diejenigen zu richten, die mit seiner Herbeiführung in Verbindung gebracht werden. Ein besonders eigenartiger Zug des Berichts über die Ursache von Stachys’ Blindheit ist die Vorstellung, seine Probleme hätten damit begonnen, dass er die therapeutischen Eigenschaften der Flüssigkeit aus den Schlangeneiern erforscht hat (ActPhil 14,3), weil er annahm, dass es sich bei diesen Kreaturen um Götter handeln könnte. Einigen antiken Quellen zufolge, das Buch Tobit (ActPhil 6,9) und die Schriften des Arztes Galen eingeschlossen, hat man die Galle von Fischen zur Behandlung von Augenkrankheiten eingesetzt. Möglicherweise ist unsere Geschichte – in künstlerischer Freiheit an den Kontext angepasst – ein Hinweis auf ein Wissen um solche fachmedizinischen Methoden. Als Übergang zum nachfolgenden Abschnitt fasziniert auch die Beobachtung, wie der Ursprung von Stachys’ Problemen die Grenzen der natürlichen und der übernatürlichen Welt zu überspannen scheint. Denn als Stachys die Schlangeneier sieht, sind sie Teil einer Vision, die er auf seinem Bett liegend erlebt. Trotzdem gelingt es ihm irgendwie, diesen im Grenzbereich begegnenden Schlangeneiern Flüssigkeit zu entnehmen und diese plötzlich konkrete Substanz auf seine Augen aufzutragen. Es ist sicherlich richtig, dass die ActPhil allgemein die gegenseitige Durchdringung von natürlicher und übernatürlicher Wirklichkeit voraussetzen, aber diese Annahme ist vielleicht an keiner anderen Stelle deutlicher sichtbar als in dieser besonderen Szene, in der der Übergang von einem Bereich zum anderen so unauffällig und nahtlos vonstatten geht.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die Geschichte von Stachys’ Blindheit und Heilung wird nicht in erster Linie deshalb erzählt, um den Akzent auf das Wunder als solches zu setzen, sondern vielmehr auf die einander entgegenstehenden Kräfte des christlichen Gottes und der paganen Viper. Stachys selbst ist sowohl Täter als auch Opfer – als Vorsitzender des Schlangenkultes hat er zuvor Christen verfolgt, wurde dann aber Opfer eines missglückten therapeutischen Verfahrens. Auf der Erzählebene präsentiert die Episode damit exemplarisch die Macht und Überlegenheit des christlichen Gottes gegenüber dem diabolischen Kult der Schlange, die unser Text mit niemand anderem als Satan 963

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identifiziert. Möglicherweise steckt hinter diesem mythologischen Kampf ein konkreterer Hinweis auf einen interreligiösen Kampf. Nach Frédéric Amsler spiegelt der Handlungsstrang in den ActPhil eine apologetische Konstruktion wider, derzufolge die phrygische Religion dem Christentum unterliegt; eine Absetzung, die durch Philippus’ Sieg über die Schlange symbolisiert wird, welche eine Chiffre für die anatolische Kybele ist (Amsler 1999). Die Identifizierung von Satan als der wahren Macht hinter den Kulissen, der verantwortlich ist für Stachys’ Blindheit, dient damit explizit der Erklärung, wie dieser spezielle pagane Kult sich in den kosmischen Kampf – verstanden aus der Perspektive des christlichen Glaubens – einfügt. Allgemein dokumentieren zahlreiche Berichte griechisch-römischer Quellen sowohl wunderbare Resultate in Bezug auf Augenkrankheiten und Blindheit als auch ärztliche Ratschläge hinsichtlich der heilenden Eigenschaften verschiedener Substanzen. Es ist interessant, dass die Verbindung von wundersamer Befreiung von Krankheit und Praktiken antiker Mediziner an dieser Stelle in der Erzählung reflektiert wird, da Philippus und seine Gefährten die Stadt betreten und ein Krankenhaus für die Heilung von Leiden und Krankheit einrichten (ActPhil 14,1). Eine solche Verbindung von wundersamer Heilung und antiker ärztlicher Kunst ist charakteristisch für Asklepius-Heiligtümer (besonders in Epidaurus), und eine Anzahl von Inschriften protokolliert Dank für eine Heilung von Blindheit. Unter namhaften Persönlichkeiten außerhalb der christlichen Tradition, denen die Wiederherstellung von Augenlicht zugeschrieben wird, finden sich Kaiser Vespasian (vgl. Tac. hist. 4,81) und der wunderwirkende Philosoph Apollonius von Tyana (Philostr. vit. Ap. 3,39). Die offensichtliche Zuschreibung entsprechender Fähigkeiten auf den Apostel Philippus passt gut zu einer der grundlegenden Funktionen des Wunderbaren in unserer Erzählung: Die übernatürliche Begabung der der Gruppe vorstehenden menschlichen Autoritätsperson wird geltend gemacht und hervorgehoben.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Wir haben bereits gesehen, wie diese besondere Erzählung auf verschiedenen Ebenen agiert. Die Wertschätzung dieses multidimensionalen Charakters förderte zweifelsohne ihre Aneignung durch die ersten Hörer und Leser. In dem Maße, in dem die Erzählung einen sozioreligiösen Übergang dokumentiert, ist sie kennzeichnend für den Status einer bestimmten Erscheinungsform des antiken Christentums, die, wie wir aus unterschiedlichen Beobachtungen an anderen Stellen der ActPhil schließen können, sich außerhalb der Hauptströmung des Christentums des 4. Jh. befand – jener Zeit, in die der Text datiert werden kann. Ein beachtenswerter Indikator für diesen marginalen Status begegnet in unserem Text (oder begegnet eigentlich eben nicht). Es handelt sich um den verkürzten Bericht über die Heilung des Stachys, demzufolge Philippus seinen Finger in Mariamnes Mund taucht und … schmiert (ActPhil 14,7). Es ist, wie in der Übersetzung schon angemerkt, sehr unbefriedigend, dass der Text an dieser Stelle abbricht. Einiges weist darauf hin, dass der Text 964

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einem Akt von Zensur zum Opfer gefallen ist, bei dem aus Manuskript Xenophontos 32, unserem einzigen Textzeugen für diese Episode, eine Seite herausgerissen wurde. Wann dies geschehen sein könnte, wissen wir nicht, aber es muss irgendwann nach der Anfertigung des Manuskripts im 14. Jh., das unser einziger Zeuge für weite Teile der frühesten Gestalt der ActPhil ist, gewesen sein. Ein weiteres Beispiel für solch drastische Zensur begegnet wahrscheinlich an anderer Stelle im selben Manuskript: Der gesamte ActPhil 9-11 entsprechende Abschnitt, ungefähr 24 Blätter, wurde aus dem Manuskript herausgerissen. In beiden Fällen scheint es, als seien die in Xenophontos 32 reflektierten theologischen Tendenzen für die Gefühle von Anhängern der etablierten Kirche zu anstößig gewesen. Im Fall von ActPhil 9-11 scheint es wahrscheinlich, dass diese extreme Reaktion durch die Einbindung der sprechenden Tiere in heilige christliche Rituale provoziert worden ist (vgl. die vorangehende Auswahl aus ActPhil 8), während in diesem Text alles für die Demonstration der wunderbaren therapeutischen Wirksamkeit des Speichels der Mariamne bereit zu sein scheint. Dieses Bild baut einigermaßen logisch auf der Vorstellung vom Auftragen einer flüssigen Substanz auf die Augen zu medizinischen Zwecken, die zweifelsohne aus antiken Heilmethoden übernommen wurden, auf, und fungiert in ihrer Wirkung als Umkehrung von Stachys’ unglücklichem Experiment mit der Flüssigkeit aus den Schlangeneiern. Die bemerkenswertesten und offensichtlichsten textlichen Parallelen sind jedoch die neutestamentlichen Berichte von Jesus, der den Blinden mit seinem Speichel heilt (Mk 8,23; Joh 9,6; vgl. Mk 7,33). Diese Berichte selbst überschneiden sich wahrscheinlich mit antiken Vorstellungen über die Heilkraft von Speichel.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Eine der auf der Ikone des Heiligen Philippus aus Arsos aus Zypern abgebildeten Szenen zeigt die oben beschriebene Heilung des Stachys. Wie bereits erwähnt, scheint diese außergewöhnliche Ikone unter den bekannten byzantinischen Kunstwerken das einzige ikonographische Zeugnis zu sein, das den längeren griechischen Text der ActPhil, der heute nur noch aus Xenophontos 32 bekannt ist, widerspiegelt. Dass sie sich auf Zypern befindet, spricht dafür, dass in byzantinischer Zeit, in der die hier untersuchten Erzählungen am Leben erhalten und überliefert wurden, dort ein aktiver Philippus-Kult existierte. Christopher Matthews

Literatur zum Weiterlesen F. Amsler, Acta Philippi. Commentarius, CChr.SA 12, Turnhout 1999. C. R. Matthews, Philip. Apostle and Evangelist. Configurations of a Tradition, NT.S 105, Leiden 2002.

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IX. Die Wundererzählungen in den Barnabasakten

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Hinführung zu den Wundererzählungen in den Barnabasakten Aufbau und Inhalt der Barnabasakten Die Barnabasakten (griech. Text: Lipsius/Bonnet 1959, 2/2, 292-302; dt. Übersetzung: Kollmann 1998, 76-82) beginnen mit einem Proömium (ActBarn 1-4), in dem der vermeintliche Verfasser sich vorstellt und Details seiner Biographie preisgibt. Ursprünglich trug er den Namen Johannes und war Diener des Zeuspriesters Kyrillos, bevor er in Ikonion von Paulus, Barnabas und Silas getauft wurde. Unmittelbar nach der Taufe erschien ihm im Traum ein Mann in weißem Gewand. Dieser teilte ihm mit, dass sein Name fortan Markus laute und seine Herrlichkeit in der gesamten Welt verkündet werde. Markus begibt sich zitternd zu Barnabas, um ihn über die Offenbarung in Kenntnis zu setzten. Dabei erfährt er, dass auch Barnabas eine Vision hatte, in der ihm seine nahe Vollendung angekündigt und der Auftrag erteilt wurde, Markus bei sich zu behalten. Im nächsten Abschnitt der Barnabasakten (ActBarn 5-10) werden parallel zur Darstellung der Apostelgeschichte, aber mit Abweichungen und Ausschmückungen die erste Missionsreise und der Bruch zwischen Barnabas und Paulus geschildert. Von Ikonion reisen die Missionare nach Seleukia und besteigen dort ein Schiff nach Zypern. Nachdem sie die Insel verlassen und auf dem Seeweg Perge in Pamphylien erreicht haben, bleibt Markus dort zurück, weil er in den Westen weiterziehen will. Markus wird allerdings vom Heiligen Geist an seinen Reiseplänen gehindert, macht sich auf die Suche nach den Aposteln und findet sie schließlich im syrischen Antiochia. Paulus ist über Markus erzürnt, weil dieser sich über einen Zeitraum von zwei Monaten in Pamphylien aufgehalten und zudem wichtige Schriftrollen dort zurückgelassen hat. Obwohl Markus drei Sabbate hintereinander Paulus auf Knien um Verzeihung bittet, lässt dieser sich nicht erweichen. Nach Abschluss der Lehrtätigkeit in Antiochia entsteht zwischen Paulus und Barnabas ein Streit über die künftigen Missionsaktivitäten. Barnabas beharrt darauf, zunächst die Gemeinden in Zypern aufzusuchen, während Paulus sich aufgrund einer Vision auf schnellstem Wege nach Jerusalem begeben will. Zudem lehnt er eine weitere Zusammenarbeit mit Markus kategorisch ab. Unter Tränen verabschieden sich Paulus und Barnabas voneinander, um nun getrennte Wege zu gehen. Der weitaus größte Teil der Barnabasakten (ActBarn 11-24) füllt dann die von Apg 15,39 aufgerissene Lücke, indem er die zweite Zypernmission von Barnabas und Markus schildert. Durchgängiges Motiv der Darstellung ist die Auseinandersetzung mit den heidnischen Kulten und der von Barjesus aufgestachelten Judenschaft Zyperns. Die beiden Protagonisten besteigen im südlich von Antiochia gelegenen Laodicea ein Schiff nach Zypern, werden aber durch einen schweren Sturm weit an das kleinasiatische Festland nach Korasion abgetrieben (vgl. zur Reiseroute Pilhofer 2015). Auf einem Segelschiff gelangen sie mit einem dreitägigen Zwischenstopp auf 969

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Die Wundererzählungen in den Barnabasakten

der Insel Pityusa entlang der isaurischen Küste nach Anemurion, wo sie zwei Griechen bekehren und ihnen die Taufe spenden. Von Anemurion setzen sie dann zu dem im Norden Zyperns gelegenen Krommyakites über, wo sie bei den Tempeldienern Timon und Ariston gastliche Aufnahme finden. Als Timon an Fieber erkrankt, wird er von Barnabas und Markus unter Anrufung des Namens Jesu geheilt. Im weiteren Verlauf der Zypernmission befreit Barnabas überall Kranke von ihren Leiden, indem er ihnen das Matthäusevangelium auflegt. Über Lapithos, wo im Theater gerade ein Götzenfest gefeiert und den Aposteln der Zugang in die Stadt verweigert wird, führt der Weg nach Lampadistos und Tamassos. Barnabas und Markus setzen dort Herakleides zum Bischof der Insel ein und wandern durch das Chionedes-Gebirge weiter nach Palai-Paphos am Südwestrand der Insel. Dort treffen sie auf den jüdischen Magier Barjesus (vgl. Apg 13,6-12), der in Barnabas sogleich den früheren Gefährten des Paulus wiedererkennt und sie am Einzug nach (Neo-)Paphos hindert. Die Missionare machen kehrt, ziehen die Südküste Zyperns in östlicher Richtung entlang und werden in einem kurz vor Kourion in unmittelbarer Nähe des Apollotempels gelegenen Stadion Augenzeugen eines Wettrennens, bei dem nackte Männer und Frauen gegeneinander kämpfen. Nach einem Strafwunder des Barnabas, das den westlichen Teil der unheiligen Stätte zum Einsturz bringt und zahlreiche Tote wie Verletzte fordert, wollen sie nach Kourion weiterziehen, werden aber von der durch Barjesus aufgehetzten Judenschaft am Betreten der Stadt gehindert und müssen unter einem Baum vor der Stadt übernachten. Am nächsten Tag treffen sie in einem Dorf auf Aristoklianos, den sie in Antiochia vom Aussatz geheilt, zum Bischof geweiht und in seine zyprische Heimat zurückgesandt hatten. Von dort kommen sie nach Amathus, wo gerade am heidnischen Tempel ein Opferfest gefeiert wird und ihnen wiederum aufgrund der Anfeindungen durch Barjesus die gastliche Aufnahme verweigert wird. In Begleitung des Timon ziehen sie nach Kition, hören den Lärm aus dem Hippodrom, wenden sich ab und besteigen ein Schiff nach Salamis im Osten Zyperns. Als sie an einer Salamis vorgelagerten Inselgruppe anlegen, müssen sie feststellen, dass auch dort heidnischer Götzendienst mit Festen und Trankopfern praktiziert wird. In Salamis erleidet Barnabas dann das Martyrium. Barjesus sorgt dafür, dass der Apostel während seiner Evangeliumsverkündigung in der Synagoge ergriffen und gefesselt wird. In der Nacht schleifen ihn die Juden an einem Strick von der Synagoge zu dem außerhalb der Stadttore gelegenen Hippodrom und verbrennen ihn. Markus und seinen Mitstreitern Timon und Rhodon gelingt es, die in ein Leinentuch eingehüllte Asche des Barnabas, welche die Juden im Meer versenken wollten, an sich zu bringen und gemeinsam mit dem von Barnabas benutzten Matthäusevangelium heimlich in einer Höhle zu bestatten. Die Barnabasakten enden mit der Flucht des Markus und seiner Mitstreiter nach Alexandria (ActBarn 25f.). Nach der heimlichen Bestattung des Barnabas werden sie von den Juden der Insel verfolgt, müssen sich drei Tage in einer Höhle verstecken und können schließlich auf einem ägyptischen Schiff nach Alexandria fliehen, wo Markus das Wort des Herrn verkündigt und viele Menschen erleuchtet. 970

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Hinführung

Krommyakites l Soloi l

Zypern

Paphos l

l Lapithos l Lampadistos

Kition

l

l

Palai-Paphos

l

Kourion

Salamis l

l Tamassos

l

Amathus

eer Mittelm

Abb. 29: Stationen der zweiten Zypernmission nach den Barnabasakten

Kirchenpolitischer Hintergrund Im Hintergrund der Barnabasakten steht der Kampf der zyprischen Kirche um ihre von Antiochia bedrohte Unabhängigkeit. Ab dem frühen 5. Jh. n. Chr. sind massive Versuche der Patriarchen von Antiochia bezeugt, Einfluss auf die kirchlichen Belange Zyperns zu nehmen (vgl. Hackett 1901, 13-32; Downey 1958, 224-228). Dieses Ansinnen lag wegen der politischen Verhältnisse nahe. Mit der 293 von Kaiser Diokletian in Gang gesetzten Reorganisation des Reiches war die bis dahin selbstständige Provinz Zypern in die politische Diözese Oriens eingegliedert worden (Mitford 1980, 1375f.). Da sich das Hoheitsgebiet des Patriarchen von Antiochia weitgehend mit der politischen Diözese Oriens deckte, begann dieser, der Kirche Zyperns gegenüber eine Oberhoheit zu reklamieren. Auf dem Konzil von Ephesus (431) gelang es dem zyprischen Bischof Rheginus, den Anspruch Antiochias abzuwehren. Das Konzil bestätigte die Kirche Zyperns in ihrem Recht, die Bischöfe der Insel selbst einzusetzen. Der Konflikt war damit allerdings noch nicht ausgestanden. Unter dem monophysitischen Patriarchen Petrus Fullo kam es um 485 erneut zum Versuch einer Unterwerfung der zyprischen Kirche, für den die Laudatio Barnabae des Alexander Monachus (griech.-dt. Text: Kollmann/Deuse 2007) aus dem 6. Jh. die mit Abstand bedeutendste Quelle darstellt. Beim Konzil in Ephesus waren die Antiochener mit dem Argument gescheitert, dass sich aus dem 6. Kanon des Konzils von Nizäa eine traditionelle Oberhoheit Antiochias gegenüber der Kirche Zyperns ergebe. Jetzt rückten sie das Apostolizitätsprinzip in den Vordergrund (vgl. Baus/Ewig 1973, 248; de Santos Otero 1989, 421) und begründeten ihre Ansprüche damit, dass das Wort Gottes von Antiochia als apostolischer Gründung nach Zypern gebracht worden sei (Alex. Mon. Laud. Barn. 37). Der Sachverhalt, dass mit Petrus Fullo ein enger Vertrauter von Kaiser Zeno (474-491 n. Chr.) auf dem Bischofsstuhl von Antiochia saß, ließ der Kirche Zyperns diesen neuerlichen Angriff auf ihre Selbstständigkeit als 971

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höchst gefährlich erscheinen. Es bedurfte besonderer Maßnahmen zum Schutz der Unabhängigkeit. Das Ergebnis war die Legende vom wunderbaren Auffinden des Barnabasgrabes mit den Reliquien des Apostels und dem von ihm benutzten Matthäusevangelium. Während die Barnabas­akten mit der Schilderung der Grablegung des Apostels (ActBarn 24) nur implizit eine Kenntnis dieses Fundes voraussetzen, berichtet die Laudatio Barnabae ausführlich, wie der Bischof Anthemius aufgrund einer im Traum empfangenen Weisung des Barnabas die Grabstätte entdeckt und ihm vor einer von Zeno mit der Entscheidung beauftragten Synode in Konstantinopel der Nachweis gelingt, dass die über ein Apostelgrab auf ihrem Territorium verfügende zyprische Kirche eine Antiochia gleichrangige apostolische Gründung mit Anspruch auf Unabhängigkeit darstellt. Mit Zenos Weisung an Antiochia, den Bischof Zyperns künftig nicht mehr mit Machtansprüchen zu behelligen (Alex. Mon. Laud. Barn. 43), hatte die Insel im Kampf um ihre kirchliche Unabhängigkeit endgültig den Sieg davongetragen. Die Überlieferung, dass Zeno den Erzbischöfen Zyperns mit der Bestätigung der Autokephalie auch imperiale Herrschaftsprivilegien gewährte, dürfte allerdings erst eine Legende des 16. Jh. darstellen (Huffman 2015).

Literarischer Charakter Die Barnabasakten bilden gemeinsam mit der Laudatio Barnabae des Alexander Monachus das Urgestein der zyprischen Barnabaslegende. Wenn man sie als »armseliges Machwerk« ohne historischen Wert abqualifiziert (Schmid 1950, 1208), wird ihre Bedeutung für die Kirchen- und Religionsgeschichte wie auch die Topographie Zyperns verkannt. Der exakte Titel der Barnabasakten lautet »Reiseschicksale (περίοδοι periodoi) und Martyrium des Heiligen Apostels Barnabas«. Bei den apokryphen Apostelakten zeigt sich allgemein, dass die Form des Reiseberichts unterschiedlich stark ausgeprägt ist und das eine Werk mehr zur Praxeis-Literatur, das andere Werk mehr zur Periodoi-Literatur gerechnet werden muss (Vielhauer 1975, 716). Während die Literaturgattung der Praxeis durch eine Aneinanderreihung aufsehenerregender Taten berühmter Persönlichkeiten gekennzeichnet ist, tritt in den zur Periodoi-Literatur zählenden Barnabasakten das wunderhafte Element in den Hintergrund. Ausführlicher werden zwei Wunder geschildert, nämlich die Heilung des fieberkranken Timon durch Barnabas wie Markus (ActBarn 15) und die Zerstörung des Stadions von Kourion durch Barnabas (ActBarn 19). Durch die summarische Notiz, dass Barnabas überall auf der Insel unter Zuhilfenahme des Matthäusevangeliums Krankenheilungen bewirkte (ActBarn 15), wird seine Wundertätigkeit ins Allgemeine ausgeweitet. Zudem heißt es von Aristoklinos, dass Barnabas und Paulus ihn einst in Antiochia von Aussatz heilten, bevor sie ihn zum Bischof weihten und in seine zyprische Heimat zurücksandten (ActBarn 20). Im Gegensatz zum erbaulich-unterhaltsamen Charakter anderer apokrypher Apostelakten verfolgen die Barnabasakten ein konkretes kirchenpolitisches Ziel, indem sie die Selbstständigkeit der Kirche Zyperns zu erweisen suchen. Direkter 972

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Hinführung

Bezugspunkt ist der vom Konzil in Ephesus zwar zurückgewiesene, später aber von Petrus Fullo mit besonderem Nachdruck erneut erhobene Anspruch, die Kirche Zyperns habe sich dem Bischofsstuhl von Antiochia zu unterwerfen. Im Zentrum dieses Konfliktes stand die Frage nach dem apostolischen Ursprung der Kirche Zyperns. Der Zweck der Barnabasakten ist »im Allgemeinen kein andrer als der, den Barnabas als den Apostel Cyperns darzustellen, die Einrichtung des dortigen Kirchenwesens und die Weihe der ersten Bischöfe auf ihn zurückzuführen, vor allem aber sein Grab für Cypern in Anspruch zu nehmen« (Lipsius 1884, 290). Dementsprechend führt die Reiseroute des Apostels über die gesamte Insel und bezieht sämtliche Orte mit ein, welche Bischofssitze waren. Eine Schlüsselrolle kommt Herakleides zu, den Barnabas zum Bischof von Zypern weiht (ActBarn 17) und in der Evangeliumsverkündigung wie im Gemeindeaufbau unterweist (ActBarn 22). Daneben spielt in den Barnabasakten die Auseinandersetzung des Christentums mit den paganen Kulten, denen Barnabas und Markus überall auf der Insel begegnen, eine zentrale Rolle. Auffällig ist, dass neben Johannes Markus mit Timon, Ariston und Rhodon drei weitere christliche Protagonisten als ehemalige Tempeldiener an heidnischen Kultstätten porträtiert werden (vgl. dazu Czachesz 2007b, 191-196).

Verfasser und Entstehungsverhältnisse Die Barnabasakten geben sich als Werk des Johannes Markus aus. Bei Johannes Markus, der in der altkirchlichen Tradition als Verfasser des Markusevangeliums gilt (Eus. h.e. 3,39,15), handelt es sich um den Neffen des Barnabas (Kol 4,10). Auf dem Anwesen seiner Mutter Maria in Jerusalem traf sich eine Hausgemeinde (Apg 12,1217). Trotz der Vorbehalte, die Paulus nach der Zypernmission gegen Johannes Markus hatte, zählte er später wieder zu den Mitarbeitern des Apostels (Phlm 24; vgl. Kol 4,10; 2 Tim 4,11). Während er in der Apostelgeschichte als Judenchrist aus Jerusalem porträtiert wird (Apg 12,12), begegnet er in den Barnabasakten als ehemaliger Zeusdiener, der sich in Ikonion zum Christentum bekehrt. Der historische Johannes Markus kommt als Autor der Barnabasakten nicht in Frage. Es handelt sich um eine fiktive Verfasserangabe, die dem Werk besondere Glaubwürdigkeit verleihen soll. Die Schilderung des Begräbnisses (ActBarn 24) setzt unverkennbar die in das Jahr 488 n. Chr. fallende Entdeckung des Barnabasgrabes mit den Reliquien des Apostels und dem von ihm benutzten Matthäusevangelium voraus. Wahrscheinlich sind die Barnabasakten bald nach diesem Fund im ausgehenden 5. Jh. entstanden. Schon im frühen 6. Jh. ist bei Theodorus Lector (Thdr. Lect. h. e. 436) von der Auffindung des Apostelleichnams die Rede, und danach konnte man kaum noch behaupten, dass Barnabas verbrannt worden sei, wie es die Barnabasakten tun. Ihr unbekannter Verfasser war allem Anschein nach ein ortskundiger Zyprier, der sich mit den topographischen Verhältnissen und den paganen Kulten auf der Insel bestens vertraut zeigt. Bernd Kollmann

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Literatur zum Weiterlesen Textausgaben und Übersetzungen B. Kollmann, Joseph Barnabas. Leben und Wirkungsgeschichte, SBS 175, Stuttgart 1998, 7682. R. A. Lipsius/M. Bonnet, Acta Apostolorum Apocrypha, Bd. 2/2, Darmstadt 1959 (Nachdr. der Ausgabe Leipzig 1903), 292-302.

Weitere Literatur I. Czachesz, Commission Narratives. A Comparative Study of the Canonical and Apocryphal Acts, SECA 8, Leuven 2007b, 184-207. G. Downey, The Claim of Antioch to Ecclesiastical Jurisdiction over Cyprus, PAPS 102 (1958), 224-228. J. P. Huffman, The Donation of Zeno. St. Barnabas and the Origins of the Cypriot Archbishops’ Regalia Privileges, JEcclHist 66 (2015), 235-260. B. Kollmann, Joseph Barnabas. Leben und Wirkungsgeschichte, SBS 175, Stuttgart 1998. R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostel­legenden. Ein Beitrag zur altchristlichen Literaturgeschichte, Bd. 2/2, Braunschweig 1884, 270-297. M. Öhler, Barnabas. Der Mann in der Mitte, BG 12, Leipzig 2005. P. Pilhofer, Von Segeltouren und Konjekturen. Die Barnabas-Akten als Quelle zur Topographie der isaurischen Küste, Orbis Terrarum 13 (2015), 192-210.

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Tabelle: Wunder in den Barnabasakten Nr.

ActBarnFaden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

15

Streetworker im Auftrag des Herrn (Barnabas heilt durch Handauflegung und mit einer Kopie des Matthäusevangeliums)

ActBarn 15

2

19

Gottloser Wettlauf in die Zerstörung (Barnabas lässt ein Stadion einstürzen)

ActBarn 19

20

Rückverweis auf die Heilung des Aristoklianos von Aussatz

Hinführung ActBarn

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Streetworker im Auftrag des Herrn (Barnabas heilt durch Handauflegung und mit einer Kopie des Matthäusevangeliums) ActBarn 15 (15) Timon aber wurde durch hohes Fieber gequält. Als wir ihm aber die Hände auflegten, vertrieben wir sofort sein Fieber, indem wir den Namen des Herrn Jesus anriefen. Barnabas aber hatte ein Evangelium von Matthäus erhalten, ein Buch mit Gottes Stimme, eine Schrift sowohl von Wundern als auch Belehrungen. Diese legte Barnabas den Kranken entlang der Gegend, die wir aufsuchten, auf und sofort brachte er ihnen Heilung von den Leiden.

Sprachlich-narratologische Analyse Die Barnabasakten füllen eine narrative Lücke der Apostelgeschichte. In Apg 15,3640 wird erzählt, wie ein Streit zwischen Paulus und Barnabas über die Frage, ob Johannes Markus sie auf weiteren Missionsreisen begleiten solle, entsteht. Weil Barnabas auf die Begleitung durch Johannes Markus insistiert, entfacht ein heftiger Streit zwischen Barnabas und Paulus mit dem Ergebnis, dass die beiden sich trennen. Barnabas bricht mit Johannes Markus zu einer erneuten Missionsreise nach Zypern auf (Apg 15,39) und mit seinem Aufbruch verschwindet er aus der Erzählwelt der Apostelgeschichte, um in der Erzählwelt der Barnabasakten wieder aufzutauchen, denn dort wird unter der Überschrift »Reiseschicksale und Martyrium des heiligen Apostels Barnabas« von eben dieser Reise nach Zypern berichtet, von Barnabasʼ Wirken auf der Insel sowie seinem anschließenden Martyrium in Salamis. Dieses Füllen der Lücke in der neutestamentlichen Erzählung verwandelt in pragmatischer Hinsicht ein profanes Ursprungsereignis in den Rang einer theologisch bedeutsamen Erzählung. Ganz dem Paradigma ›Reise in die Ferne ohne Wiederkehr‹ verpflichtet, wird erzählt, wie es zur Trennung von Paulus und zur Notwendigkeit der Reise kommt (ActBarn 1-10), wobei der eigentliche Streit über die Begleitung durch Johannes Markus überkodiert wird durch eine göttliche Bestätigung der notwendigen Trennung (vgl. ActBarn 4.10) in Form von Barnabas und Paulus zuteilwerdenden Erscheinungen des Herrn (beide Male eingeleitet durch: »auch mir ist in der Nacht der Herr erschienen und hat gesagt …«), die schon auf das Barnabas am Reiseziel ereilende Martyrium hinweisen. Das Kapitel 15 der Barnabasakten steht an exponierter Stelle, denn dieses Kapitel stellt das ›Kick-Off‹ der Wirksamkeit nach der Ankunft auf Zypern dar. Es berichtet von den ersten Handlungen, nachdem Barnabas und Johannes Markus ihre 976

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Streetworker im Auftrag des Herrn ActBarn 15

Reisetätigkeit (vgl. Kap 11-14a) mit dem Schiff beendet und ihren Bestimmungsort Zypern erreicht haben. Erzählt werden in Kapitel 15 zwei Heilungen mit identischen Handlungsstrukturen, die aber in jeweils anderer Anordnung geboten werden. Die erste Erzählung wird in der 1. Person Plural, also Barnabas und Johannes Markus umfassend, entfaltet, die zweite in der 3. Person Singular und ist bezogen auf Barnabas. Beide Heilungen sind in ihrer narrativen Struktur auf die notwendigsten Handlungselemente beschränkt, auffällig ist nur, dass bei beiden erzählten Handlungen ein ›Helfer‹ – ein Adjuvant – eingeführt wird, jedoch dieser unterschiedlich im narrativen Gefüge positioniert wird. Die erste Wundergeschichte in ActBarn 15 hat folgende narrative Handlungsstruktur: (a) Feststellung eines durch das Adjektiv »viel, umfangreich« (πολύς polys) unterstrichenen Mangels (= hohes Fieber haben) bei Timon; (b) ›Beginning Counteraction‹: Durch »Auflegen der Hände« (ἐπιθέντες τὰς χεῖρας epithentes tas cheiras) von Barnabas und Johannes Markus wird eine Gegenhandlung eingeführt; (c) diese erweist sich als erfolgreich (unterstrichen durch »sofort« [εὐθέως eutheōs]) und führt zu dem Ergebnis, dass der Mangel behoben ist (= Vertreibung des Fiebers). Die Wundererzählung könnte ohne Probleme hier enden, aber die Erzählung geht weiter und führt einen Helfer bzw. Adjuvanten ein: nämlich den κύριος Ἰησοῦς (kyrios Iēsous – Herr Jesus). Der Helfer κύριος Ἰησοῦς wird durch Anrufung aktiviert und erweist seine Legitimität in der erfolgreichen Behebung des Mangels. Darauf folgend wird in der nächsten Heilungserzählung (a) zuerst der Adjuvant (= Buch mit Gottes Stimme) ausführlich eingeführt, der Barnabas zur Verfügung steht. Gegenüber der sonstigen erzählerischen Knappheit, mit fast schon summarischem Charakter, fällt die ausführliche Beschreibung des Helfers auf, die beinahe umständlich wirkt. Es handelt sich um die μαθήματα (mathēmata) des Matthäus (hier übersetzt mit »Evangelium«; vgl. zu dieser Übersetzungsmöglichkeit Czachesz 2007b, 186 Anm. 7), die qualitativ identifiziert werden als ein Buch mit Gottes Stimme, welches quantitativ sowohl Wunder als auch Lehren enthält; (b) die Einführung des Mangels (= »krank sein« bzw. »die krank Seienden« [τοῖς ἀσθενοῦσι tois asthenousi]) – die Größe des Mangels ist durch den verwendeten Plural unterstrichen – und die ›Beginning Counteraction‹ (= »diese auflegen« [ταύτην ἐπετίθει tautēn epetithei]; es wird also das gleiche Verb wie in der vorherigen Heilungserzählung verwendet) – ausgeführt von Barnabas – fallen erzählerisch fast zusammen. »Diese« (ταύτην tautēn) kann sich im griechischen Text grammatikalisch nur auf die Stimme Gottes (τῆς τοῦ θεοῦ φωνῆς tēs tou theou phōnēs) beziehen, d. h. Barnabas heilt mit der Stimme Gottes. Die Stimme Gottes, eingeführt als Adjuvant, mit Hilfe dessen Barnabas die Heilungen der Kranken erwirkt, ist somit die eigentliche Wundermacht, die durch den Apostel Barnabas übermittelt wird. (c) Auch in dieser Wundergeschichte erweist sich die Gegenhandlung des Barnabas als erfolgreich (wie in der vorherigen Heilungserzählung unterstrichen durch »sofort« [εὐθέως eutheōs]), so dass der anfängliche Mangel behoben wird (= »Heilung von den Leiden«). Während »Leiden« (πάθος pathos) ganz auf der Seite des passiv Erfahrenen steht, steht das Verb ποιεῖν (poiein – machen, schaffen) auf der Seite der Ak977

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tivität und unterstreicht durch diesen semantischen Gegensatz die einzig Barnabas zugerechnete Aktivität der Transformation von einem negativen Ausgangszustand hin zu einem positiven Endzustand unter Anwendung der Stimme Gottes als Adjuvanten. Die herausgestellte analoge Strukturierung der beiden Heilungserzählungen hebt den erfolgreichen Auftakt der Wirksamkeit von Barnabas nach der Ankunft auf Zypern hervor und löst damit die im Rahmen der Visionen (vgl. ActBarn 4; 10) gegebene proleptische göttliche Ankündigung über die erfolgreiche Wirksamkeit narrativ ein und bestätigt diese. Darüber hinaus ist textpragmatisch besonders zu beachten, dass die eingeführten Adjuvanten zweierlei bewirken: Zum einen legitimieren sie die Handlungen von Barnabas (und Johannes Markus) als mit göttlicher Präsenz erfolgte Wirksamkeit, infolgedessen ist ihre Wundermacht als eine übermittelte anzusehen. Beide übermitteln eine Macht, die sie nicht selbst »ermittelt« haben, sondern die ihren Ursprung bei Gott bzw. Jesus Christus hat. Zum anderen entsteht für die Leser(innen) die Frage, ob nach diesem erfolgreichen Auftakt der Stimme Gottes in Buchform, die Wunder wirkt, auch noch etwas von den »Belehrungen« der Stimme Gottes erzählt werden wird. Handelt es sich doch nach den Ausführungen in ActBarn 15 um eine »Schrift der Wunder und Belehrungen« (θαυμάτων καὶ διδαγμάτων σύγγραμμα thaumatōn kai didagmatōn syngramma). Dies werden die Leser(innen) dann in ActBarn 22 erfahren. Denn dort wird erzählt werden, dass Barnabas in Salamis in der dortigen Synagoge eben dieses Buch aufschlägt und zu lehren beginnt. Auch hier ist wieder notwendig zu beachten, dass Barnabas nicht eine von ihm erschaffene Lehre vorträgt, sondern er übermittelt die ihm in dem Buch zugängliche Lehre an die anwesende jüdische Zuhörerschaft. Da die aufmerksamen Leser(innen) der Barnabasakten wissen, dass dies die letzte erzählte Wirksamkeit des Barnabas vor seinem Martyrium ist, welches gleich darauf im Anschluss erzählt wird, stellt die Präsenz dieses Buches die Klammer für den Beginn und das Ende der Wirksamkeit von Barnabas an seinem Zielort dar. Das Buch mit der Stimme Gottes ist sozusagen ein treuer und wirksamer Reisebegleiter und dies nicht nur im Leben, sondern auch im Tod. Denn auch als von Barnabas nach seinem Martyrium nicht mehr übrig bleibt als ein Haufen Asche, bleibt die Schrift – und wird mit seinen Überresten gemeinsam an einem geheimen Ort von Johannes Markus bestattet (vgl. ActBarn 24). Das Bleiben des Buches mit der Stimme Gottes ist somit einerseits das Zeugnis über die Rechtmäßigkeit des Anspruches von Barnabas, auf Zypern zu lehren und Wunder zu wirken, andererseits ist es somit das, »was den Märtyrer überlebt und den Sieg des Verfolgers untergräbt« (Assmann 2007, 38; vgl. ActBarn 4 spricht vom »Sterben für«).

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Das Ende der Barnabasakten mit der Bestattung der Asche von Barnabas und des Buches in einer Höhle verdeutlicht, wann die Barnabasakten entstanden sind. Denn 978

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Streetworker im Auftrag des Herrn ActBarn 15

diese Erzählung entspricht dem Bericht »über die angebliche Auffindung dieser Stätte unter der Regentschaft des Kaisers Zeno (474-491)« (Öhler 2005, 169). Im Gegensatz zu vielen anderen apokryphen Apostelakten, die das Hollywood der Antike in Textform inszenieren, sind die Barnabasakten zur Durchsetzung ganz materieller Interessen konzipiert worden: »nämlich die Selbständigkeit der Kirche Zyperns zu erweisen« (Kollmann 1998, 66). Und um diesen kirchenpolitischen Interessen Genüge zu tun, bedurfte es des Nachweises der apostolischen Herkunft der zypriotischen Kirche, die durch das Apostelgrab erbracht wurde (vgl. Lipsius 1884, 290; zur Problematik dieser seit Lipsius vertretenen These: Czachesz 2007b, 192f.). Doch nicht nur das Grab ist in dieser Hinsicht zu beachten, sondern auch Barnabasʼ wirkmächtige Reisebegleitung, die erstmals in ActBarn 15 erwähnte Schrift mit der Stimme Gottes. Eine Reisebegleitung in Textform war in der Antike durchaus nichts Ungewöhnliches. So kennt die rabbinische Tradition die Tora als einen Reisebegleiter. Auf die Frage seiner Schüler, durch was er langes Leben erworben habe, antwortet Rabbi Zera: »Ich bin nie vier Ellen ohne Tora […] gegangen« (bMeg 28a; R. Ada bar Ahaba gibt dieselbe Antwort in bTaan 20b). Die Tora gehörte in der jüdischen Tradition mit zum Reisegepäck wie Stab und Tasche. Und als einer auf der Reise verstarb, bezeugte die Gastwirtin seinen Tod, indem sie Stock, Tasche und die Tora, die er bei sich hatte, vorzeigte (mJeb 16,7). Die Schriftgelehrten schreiben dem König unter anderem vor, dass die Tora, »die mit ihm ein- und auszieht«, an seinen Arm gehängt werden soll, »denn es heißt (Psalm 16,8): ›Ich stelle Gott mir stets gegenüber und von meiner Rechten weiche er nicht‹« (so Eleazar aus Modiim [um 120 n. Chr.] in bSan 22a). Auch in neutestamentlichen Texten sind Schriften Reisebegleiter (vgl. z.B. Apg 8,28; 2 Tim 4,13; vgl. auch ActBarn 6). Doch am aufschlussreichsten für das Verständnis von Barnabasʼ Reisebegleitung ist das dahinterliegende Verständnis des Mediums ›Schrift‹: Während wir schriftliche Phänomene als Mittel der Repräsentation verstehen und sie dadurch auf eine Abbildfunktion hinsichtlich lautlicher Äußerungen reduzieren, kannte die Antike, aber auch noch das Mittelalter ein ganz anderes Schriftverständnis (vgl. grundlegend Illich 1991). In der Antike und im Mittelalter galt die Schrift nicht als ein Träger von Informationen, sondern sie wirkte in ihrer Materialität. D. h. Schrift repräsentiert nicht etwas, sondern macht es präsent. Grundsätzlich ist für die griechisch-römische Antike festzuhalten, dass es keine Dichotomie zwischen Mündlichkeit (= ursprünglich) und Schriftlichkeit (= sekundär) gab. Dies lässt sich auch für ActBarn 15 feststellen, die Stimme Gottes ist integriert in die Textur des Evangeliums. Die Stimme Gottes steht also nicht der Schriftlichkeit diametral gegenüber, sondern ist in der Materialität der Schrift zu finden. D. h. die Schrift repräsentiert nicht die Stimme Gottes, sondern macht sie präsent, so dass sie wirken kann. Indem die Schrift in sich selbst die Stimme Gottes inkorporiert, verleiht sie nicht nur ihrer eigenen Materialität Macht, sondern vor allem dem Apostel als Besitzer dieser Schrift. Die Heilungsgeschichte in ActBarn 15 bestätigt die Wirksamkeit der Stimme Gottes in der Materialität der Schrift (vgl. Stine 1994, 608-610). Die Heilung ist deswegen als ein »oral event« 979

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anzusehen, bei dem die Stimme Gottes in der Materialität eines Buches die Heilung bewirkt. Die Form des in ActBarn 15 erwähnten Buches dürfte der Kodex gewesen sein, die wohl für die neutestamentlichen Handschriften ab dem 2. Jh. n. Chr. beherrschend gewesen sein dürfte (vgl. Müller 1994, 107; kritische Diskussion bei Botha 2010, 249-252; als Buchrolle existierten hingegen ActPetr 20; P.Oxy. 654). Gegenüber der einseitigen Betonung, dass der Kodex die Buchform des Christentums sei, ist darauf zu verweisen, dass in der griechisch-römischen Antike der Kodex ebenfalls bekannt war (vgl. Hor. Sat. 2,3,1-2; Hor. Ars. 386-388; Mart. epigr. 14,183-195). Hinsichtlich seiner Funktion ist der Kodex eine wirkmächtige Form der Schrift für eine wahrscheinlich noch vorherrschend orale Kultur (vgl. Gamble 1995). So fällt auch in ActBarn 15 auf, dass die Stimme Gottes wirkt, ohne dass die Schrift gelesen werden muss. Deswegen handelt es sich unter antiken Plausibilitätsannahmen weniger um eine ›Kopie des Matthäusevangeliums‹, verstanden als ein Exemplar von vielen, sondern um eine singuläre Besonderheit, die eben göttliche Wirkkraft hat. Unter der Voraussetzung, dass eine Schrift an den Kräften teilhat, die in ihr benannt wurden, ist die in ActBarn 15 genannte Schrift nicht einfach ein ›Werkzeug‹, sondern Präsenz der Macht Gottes. Ganz im Sinne dieser Präsenz der Macht Gottes ist die Praxis in der Alten Kirche zu werten, Wundergeschichten über Kranken zu rezitieren (vgl. dazu Kollmann 1996, 361f.). Eine unmittelbare Parallele zur Heilung in ActBarn 15 ist die Nachricht des Origenes, dass sich christliche Dämonenaustreibungen durch eine Anrufung des Namens Jesu zusammen mit einer Verkündigung der Geschichten über ihn vollziehen (Or. Cels. 1,6; 3,24). Und es verwundert ebenfalls nicht, wenn Augustin empfiehlt, bei Kopfweh sich das Evangelium aufzulegen (Aug. Joh. tract. 7,12). Ein eindrückliches Beispiel aus der Zeit des Mittelalters, aus dem deutlich wird, dass der Kodex über seine materielle Seinsform hinausweist und teilhat an den Kräften, die auf seinen Seiten beschrieben werden, ist die folgende Notiz: Einer »vom oströmischen Kaiser 827 Ludwig dem Frommen geschenkte Codex mit Werken des Pseudo-Dionysios Areopagita wirkte in der seinem Fest vorausgehenden Nacht nicht weniger als neunzehn Heilungswunder« (Dinzelbacher 1983, 270).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Als »oral event« in Textform konnte ActBarn 15 anknüpfen an ein Verständnis der Schrift, welches sich bei den alttestamentlichen Propheten findet. Auch hier stellt das Vorhandensein oder Schaffen eines Buches mit den Worten JHWHs eine andauernde Präsenz seiner Worte dar (vgl. Jes 30,8; Jer 30,2; 36,2). Dass auch die Propheten – ebenso wie Barnabas – heteronom sind und mit fremder Stimme (nämlich Gottes) wirken, wird aus Ez 2,8f. deutlich. Das durch JHWH angeordnete Einverleiben der Schrift, um sie den Israeliten zu verkündigen, zeigt, dass der Prophet gewissermaßen im Auftrag eines anderen wirkt – er ist Abgesandter Gottes. Dass nun ausgerechnet als die Reisebegleitung des Barnabas das MtEv er980

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wähnt wird, dürfte auch nicht grundlos sein: Gegenüber den anderen Evangelien spielt der Begriff ἐκκλησία (ekklēsia – Gemeinde/Kirche) eine prominente Rolle in diesem Evangelium (vgl. z.B. Mt 16,18) und war somit den kirchenpolitischen Interessen, die die Barnabasakten verfolgten, zuträglich. Zugleich bietet das MtEv, über die das Evangelium gliedernde narrative Strategie vom »Gott mit uns«, ein Konzept der wirksamen Präsenz Gottes, welches mit eben den kirchenpolitischen Zielen der Barnabasakten übereinstimmt, aber auch mit dem von Barnabas gezeichneten Bild eines Mittlers göttlicher Macht. Am Schluss des MtEv heißt es: »Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum geht hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie halten alles, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Weltalter« (Mt 28,18-20; vgl. Mt 1,23). Die hier formulierte Relativierung der Handlungssouveränität konnte aber noch an eine andere Tradition anknüpfen, die den Barnabasakten nicht unbekannt gewesen sein dürfte, weil sie sie narrativ voraussetzt: So findet sich ebenso eine deutliche Relativierung der Handlungssouveränität bei Heilungserzählungen der Apostelgeschichte. Nach Apg 19,11 ist es Gott, der durch die »Hände des Paulus« Wunder wirkt. Auch die in Apg 28,8f. erzählte Wundergeschichte, in der Paulus durch Handauflegen den Vater des Publius heilt, stellt vorher narrativ die göttliche Wirkmächtigkeit, in der Paulus handelt, fest (vgl. Apg 28,6; zum Motiv der Handauflegung vgl. Flusser 1957, 107f.). In einer summarischen Formulierung heißt es in Apg 4,30, dass die Zeichen und Wunder »durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus« geschehen seien. Die Heilung des Gelähmten beim Tempel wird von Paulus ausdrücklich »im Namen Jesu Christi« vollzogen (Apg 3,6; vgl. 4,10; 9,34). Jesus als »der Herr« ist außerdem das agierende Subjekt bei den Wundern »durch die Hände« von Barnabas und Paulus (Apg 14,3). D. h. in der Apg übermitteln die Apostel »eine Kraft, die lediglich durch sie hindurchgeht, aber ihren Ursprung bei Gott bzw. dem Herrn hat« (Brucker 2001, 35), sie ermitteln diese also ebenfalls nicht selbst. Wie Barnabas in ActBarn 15 sind auch die Apostel in der Apg nicht Souverän der Heilungen, sondern sie können wirksam heilen, weil sie einen Adjuvanten erhalten haben. Indem nun ActBarn 15 die wirkmächtige Präsenz Gottes an die Materialität der Schrift koppelt, gelingt es ihr, eine neue Form einer andauernden göttlichen Präsenz zu schaffen.

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Das unisono über die Barnabasakten getroffene Urteil, dass sie theologiegeschichtlich »eher von untergeordneter Bedeutung« seien (so für viele Kollmann 1998, 67f.) und nur hinsichtlich ihres kirchenpolitischen Ziels, nämlich die Apostolizität der zyprischen Kirche zu erweisen, erwähnenswert seien, verkürzt die Pragmatik dieses Textes. Denn, so haben die bisherigen Ausführungen deutlich zu machen versucht, die Barnabasakten insgesamt, aber auch ActBarn 15 im Speziellen, partizipieren 981

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an einer »Telekommunikation der Macht«. Und diese hat ein Doppelgesicht. In ActBarn 15 wird einerseits deutlich, dass die Heilung nicht autonom von Barnabas vorgenommen wird, vielmehr ist der Apostel von außen gesteuert: Er heilt mit der Stimme Gottes in Buchform. Seine Macht zu heilen erlangt er aus einer heteronomen Stellung heraus: Er vermittelt lediglich die ihm durch Gott zuteilwerdende Heilungsmacht. Um diese Pragmatik auf der Ebene des Textes zu erreichen, wird Barnabas mit dem Paulus der Apg narrativ parallelisiert. Wie Paulus in der Apg ist auch Barnabas der Mittler der göttlichen wirklichkeitsverändernden Kraft, und wie Paulus zeigt sich der Erfolg seines Mittleramtes, indem in ActBarn 15 ebenso von einer erfolgreichen Fieberheilung des Barnabas erzählt wird, wie sie schon aus Apg 28,8f. von Paulus bekannt ist. Gerade in Barnabasʼ Heteronomie liegt nun aber andererseits seine Macht. Denn das Buch mit der Stimme Gottes, welches Barnabas den Kranken auflegt und durch das sie geheilt werden, zeigt die Rechtmäßigkeit von Barnabasʼ Handlung an und ist geeignet, Herrschaftsräume herzustellen und zu sichern. Die Stimme Gottes ist in Buchform nun transportierbar geworden und wartet auf neue Betätigungsfelder. Einen deutlich anderen Akzent mit Blick auf das Mittleramt legt eine tiefenpsychologische Deutung: Durch die große Nähe zu den neutestamentlichen Wundergeschichten steht ActBarn 15 in Kontinuität zu der Erfahrung, dass das Wunder nicht nur das Wunderbare einer versunkenen Epoche ist, in der es noch Wunder gab, sondern es ist wunderbar auch noch für spätere Generationen als Erinnerung an Jesus Christus. Gerade weil im Mittelpunkt der Erzählungen die Darstellung der Heilung steht, kann ganz im Sinne der tiefenpsychologischen Exegese auch der Wundertäter Barnabas als ein »Mittler […] zwischen den Mächten des Göttlichen und dem Herzen des Menschen« (Drewermann 1985, 240) gesehen werden. Barnabasʼ Rolle als Vermittler ermöglicht den Kranken, durch den von ihm kommenden Glauben Vertrauen in Gott zu legen. Im Sinne der tiefenpsychologischen Auslegung ist Barnabas deswegen »Priester und Arzt« (a.a.O., 244) in einer Person, der den Menschen durch Vertrauensstärkung mittels seiner Reiseapotheke in Buchform sowie durch Handauflegen heilt und dabei die helfende Nähe Gottes zum Menschen herstellt. Eine Welt, in der Menschen einander heilend und helfend begegnen, ist in dieser Deutung keine Utopie mehr, sondern als durch die Stimme Gottes in Buchform ermöglichtes zwischenmenschliches (Sprach)Ereignis in der Jetztzeit.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Gegenüber der Mehrzahl der apokryphen Wundererzählungen verfügt ActBarn 15 über eine reiche Wirkungsgeschichte. So wird die Fieberheilung des erkrankten Timon in den von den Barnabasakten abhängigen Markusakten (vgl. ActMarc 15) wieder aufgegriffen. Besonders reichhaltig ist die Wirkungsgeschichte der Reisebegleitung des Barnabas: dem Matthäusevangelium. Mehrmals wird geschildert, dass beim Auffinden des Leichnams von Barnabas auch das Matthäusevangelium 982

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bei dem Leichnam vorgefunden wurde, wie schon in ActBarn 24 erzählt (vgl. Thdr. Lect. h. e. 436; Alex. Mon. Laud. Barn., bes. 40,43f.; Suda; vgl. zur Wirkungsgeschichte auch Kollmann 1998, 100). Alle Textstellen betonen die exponierte Stellung des Reisebegleiters des Barnabas in Buchform auch über seinen Tod hinaus. Nach Theodorus Lector wird dieses Evangelium später in Konstantinopel in der Stephanskapelle des Kaiserpalastes aufbewahrt, und in den Ausführungen unter dem Lexem »Lebensbaum« in Suda wird festgehalten, dass die Buchseiten des Evangeliums aus dem Holz des Lebensbaumes (ϑύιѵα thyina) gefertigt worden sind. Severus von Antiochia (Sev. Ant. ep. 108 [ed. Brooks]) zufolge wurde dieses Matthäusevangelium in Konstantinopel auch zur Bestimmung des ursprünglichen Textes von Mt 27,49 herangezogen. Kristina Dronsch

Literatur zum Weiterlesen R. Brucker, Die Wunder der Apostel, ZNT 7 (2001), 32-45. I. Illich, Im Weinberg des Textes. Als das Schriftbild der Moderne entstand. Ein Kommentar zu Hugos ›Didascalicon‹, Frankfurt a.M. 1991. B. Kollmann, Joseph Barnabas. Leben und Wirkungsgeschichte, SBS 175, Stuttgart 1998. R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden. Ein Beitrag zur altchristlichen Literaturgeschichte. Bd. 2/2, Braunschweig 1884. M. Öhler, Barnabas. Der Mann der Mitte, BG 12, Leipzig 2005. P. C. Stine, Writing and Religion, in: H. Günther/O. Ludwig (Hg.), Writing and Its Use, Berlin/New York 1994, 604-610.

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Gottloser Wettlauf in die Zerstörung (Barnabas lässt ein Stadion einstürzen) ActBarn 19 (19,1) Und wir sahen, dass auf dem Weg nahe der Stadt irgendein unheiliger Wettlauf (2) veranstaltet wurde, wobei eine große Volksmenge nackter Frauen und Männer (3) den Wettlauf bestritt. Und viel Täuschung und Verirrung (4) geschahen an jenem Ort. Barnabas aber wandte sich ab und herrschte diesen [Ort] an, (5) und der westliche Teil fiel in sich zusammen, so dass viele verletzt (6) wurden. Jedoch starben viele von ihnen auch, die Übrigen aber (7) flohen in das Heiligtum des Apollon nahe (8) dem so genannten Ort Hiera.

Sprachlich-narratologische Analyse Die ins 5. Jh. n. Chr. zu datierenden Barnabasakten stellen im ersten Teil eine Parallelerzählung zu bestimmten Passagen der Apostelgeschichte dar. ActBarn 1-10 berichtet mit ausschmückenden Details von der gemeinsamen Mission des Paulus, Barnabas und Johannes Markus sowie deren Trennung nach den Ereignissen des sogenannten »Antiochenischen Zwischenfalls« (Apg 15; Gal 2,11-21; dazu zuletzt Öhler 2011, 158-199). Während Lukas jedoch außer der knappen Notiz in Apg 15,39: »Es entstand nun eine Auseinandersetzung, so dass sie sich voneinander trennten und Barnabas den Markus mitnahm und nach Zypern wegsegelte« die Missionstätigkeit von Barnabas und Johannes Markus nicht weiter ausgestaltet, füllen die Barnabasakten diese Lücke (ActBarn 11-26) und berichten ausführlich von der erneuten Mission auf Zypern (zur Erstmission vgl. Apg 13,4-13). Da laut Apg 4,36 Zypern die Heimatinsel des Barnabas war, er dort missionierte (Apg 13,5) und gemäß ActBarn 23 schließlich in Salamis den Tod durch das Martyrium erlitt, schließt sich in geographischer Hinsicht für die Barnabasakten der Lebens- und Wirkungskreis des Missionars an seinem Ausgangspunkt (vgl. dazu Kollmann, Einführung zu den Barnabasakten in diesem Band sowie Klauck 2005, 254; Kollmann 1998, 66-68; Öhler 2005, 164-169). Das Strafwunder ActBarn 19,1-8 ist eine gestraffte Erzählung und in den Kontext der Auseinandersetzung der Missionare mit paganen Kulten einzuordnen (ActBarn 19-22). Wie der gesamte Text der Barnabasakten ist auch 19,1-8 in der 1. Person Plural abgefasst (»wir«), womit in der Erzählerfiktion Johannes Markus als Stimme ausgegeben wird: Johannes, der von Gott in Markus umbenannt wurde (ActBarn 2), soll angeblich mit dem in Kol 4,10 erwähnten Neffen des Barnabas identisch gewesen sein (Klauck 2005, 254; Öhler 2005, 164). Da der Erzähler in der Erzählung präsent ist (homodiegetisches Erzählen), fließt seine Bewertung des Geschehens erkennbar in die Darstellung ein. 984

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Barnabas und Johannes Markus befinden sich im Südwesten der Insel Zypern, in Palai-Paphos (»Alt-Paphos«), werden aber daran gehindert, in die Stadt Paphos (»Neu-Paphos«) zu gelangen, weil ein Jude namens Barjesus den Barnabas als Weggefährten des Apostels Paulus bei deren Erstmission wiedererkennt (ActBarn 18; vgl. Apg 13,4-12). Barnabas und Johannes Markus machen daraufhin kehrt, um nach Kourion zu gelangen. Auf dem Weg dorthin sehen sie einen Laufwettbewerb, der – wie der Fortgang der Ereignisse zeigt – in einem an der Straße gelegenen Stadion stattfindet. Der Lauf wird durch das Attribut »unheilig« bzw. »gottlos« (μιαρός miaros) und durch die Tatsache, dass viele Männer und Frauen nackt (γυμνός gymnos) laufen, negativ qualifiziert. Der Erzählerkommentar »Viel Täuschung und Verirrung geschahen an jenem Ort« lässt keinerlei Zweifel, dass die christlichen Missionare auf für sie unhaltbare Zustände stoßen. Barnabas reagiert mit einem wirkmächtigen Strafwunder, das mit demselben Verb ausgedrückt wird, das im Neuen Testament für die Exorzismen Jesu Verwendung findet (vgl. Mk 1,25 par. Lk 4,35; Mk 9,25 parr.; Lk 4,41; vgl. auch Mk 4,39 parr.): Der Missionar wendet sich ab und »herrscht« den Ort »an« (ἐπιτιμάω epitimaō), woraufhin der westliche Teil des Sportbaus einstürzt. Da sich eine »große Volksmenge« dort aufhält, sind die Konsequenzen fürchterlich und werden in dreifacher Weise demonstriert: Es gibt viele Verletzte und es gibt viele Tote; wer in der Lage ist zu fliehen, sucht Schutz im nahegelegenen Heiligtum des Apollon.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Offizielle Laufwettbewerbe (δρόμοι dromoi) wurden in der antiken griechischen und römischen Welt im Stadion abgehalten und zählten zum sogenannten gymnischen Teil des Festprogramms von Wettkämpfen (ἀγών agōn), die zu Ehren bestimmter Gottheiten veranstaltet wurden (Decker 1995, 155-169). Aufgrund des religiösen Bezuges der Agone charakterisiert ActBarn 19,1 aus der Perspektive der christlichen Missionare die Wettläufe als »unheilig«. Bei dieser Bezeichnung klingt vielleicht eine gezielte Gegenposition zu den in der griechischen Antike so beliebten »heiligen Kranzspielen« an, die ihren Namen den nach dem Wettkampf verliehenen Kränzen aus unterschiedlichem Laub verdanken, das jeweils in engem Zusammenhang mit den verehrten Gottheiten stand. So überreichte man etwa in Olympia dem siegreichen Athleten einen Kranz aus wilder Olive vom heiligen Baum des Herakles, in Delphi einen Lorbeerkranz vom Baum des Apollon oder in Korinth am Isthmos einen Fichtenkranz vom Baum des Poseidon (dazu Poplutz 2004, 73-75; Blech 1982, 109-181). Da das erzählte Wunder durch die erwähnten Orte (Straße von Paphos nach Kourion, Heiligtum des Apollon) sehr genau zu lokalisieren ist, spielt das im Text unbestimmt bleibende »an jenem Ort« auf ein Stadion als Austragungsort der Läufe an. Ein solches Stadion befand sich vom 2.-4. Jh. n. Chr. an der Küstenstraße in der 985

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Nähe des antiken Kourion (Wright 1992, Bd. 1, 302; Lageplan bei Wright 1992, Bd. 2, Abb. 44). Dieses Stadion ist bislang das einzige vollständig ausgegrabene Stadion auf Zypern und hatte die klassischen Ausmaße eines langgezogenen Rechtecks (229m x 24m). Es bot ungefähr 6.000 Zuschauern Platz, was die dramatische Dimension des Strafwunders vor Augen führt. Ungefähr 2,5 km westlich von Kourion befand sich das Heiligtum des Apollon Hylates (Ausgrabungspläne: Scranton 1967, 76-85; Ausgrabungsgeschichte: Soren 1986, 393-404; Restauration: Sinos 1990, 238299). Dieses Heiligtum, dessen ältester Bestand – ein archaischer Rundaltar – wohl in das 7. Jh. v. Chr. datiert (Scranton Abb. 30: Stadion von Kourion 1967, 6-8), war ursprünglich einer Waldgottheit gewidmet und wurde in klassischer Zeit dem Gott Apollon geweiht, der das Epitheton »Hylates« erhielt (vermutlich von griech. ὕλη hylē – Wald, Forst). Eine Weihinschrift aus der frühen Kaiserzeit (I.Kourion 105; vgl. auch SEG 33,1209), die leider sehr korrumpiert ist und aus nur dreizehn erhaltenen Buchstaben besteht, belegt die Zuordnung des Heiligtums zu Apollon: [ΑΠΟΛΛ]ΩΝΙ ΥΛΑΤΗΙ ΚΟΥΡ[ΙΕΩΝ Η ΠΟΛΙΣ] (Apollōni hylatēi kourieōn hē polis). Dem Apollon Hylates (hat) die Stadt Kourion (geweiht).

Abb. 31: Apollotempel von Kourion

Verschiedene Grabungsfunde konnten zeigen, dass die antiken Besucher des Heiligtums Votivgaben aus Ton sowie Schaf- und Ziegenopfer darbrachten, aber auch an Zeremonien zur Verehrung der heiligen Bäume teilnahmen. Anhand der rekonstruierten Bauphasen des Heiligtums, das bis in die römische Zeit erweitert, moderni-

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siert und umgestaltet wurde, lassen sich Aufstieg und Niedergang dieses Ortes sehr schön nachvollziehen (vgl. Soren 1986, 396-401; Scranton 1967, 71-74). In unserem Zusammenhang ist das Vorhandensein einer Palästra, d. h. eines Übungsplatzes für Athleten, im Tempelbezirk interessant. Dieser Übungsplatz war einem umfangreichen Bäderkomplex beigefügt (Fales 1950, 14-37) und ist aller Wahrscheinlichkeit nach in einen Zusammenhang mit dem etwas entfernt gelegenen Stadion, dem überdies wohl auch noch ein Gymnasion angeschlossen war, zu stellen: »It is possible that aspects of a gymnasium were developed in the vicinity of this stadium; on the other hand it is possible that this stadium complements the palaestra in the Sanctuary« (Wright 1992, Bd. 1, 302). Auch wenn es keine sicheren Zeugnisse dafür gibt, ist es m.E. auch aufgrund analoger Zusammenhänge an anderen Heiligtümern plausibel zu machen, dass im Stadion von Kourion Laufwettbewerbe zu Ehren des Gottes Apollon ausgetragen wurden, wie von ActBarn 19,1-4 vorausgesetzt wird. In ActBarn 19,2f. heißt es, dass eine große Menge »nackter Frauen und Männer« einen Wettlauf absolvierte. Dass in den gymnischen Agonen, d. h. auch in den Laufwettbewerben, die Athleten unbekleidet starteten, war gängige griechische Praxis (Sinn 2004, 138-141) und wird schon von Thukydides (5. Jh. v. Chr., 1,6) oder Pausanias (2. Jh. n. Chr., 1,44,1) erwähnt. Doch ob der Stein des Anstoßes für die Missionare in erster Linie im puren Anblick der Nacktheit liegt oder ob die gemeinsame Nacktheit von Männern und Frauen in der Öffentlichkeit das eigentliche Problem ist, bleibt unbestimmt. Beleuchtet man den realgeschichtlichen Hintergrund, sind beide Deutungsmöglichkeiten mit Schwierigkeiten behaftet. Zum einen sind zwar Laufwettbewerbe von Mädchen und Frauen belegt – etwa bei den 86 n. Chr. von Domitian zu Ehren Jupiters eingeführten Capitolia oder bei den Heraia von Olympia (vgl. Paus. 5,16,2f.; dazu Poplutz 2004, 93f.) –, doch gibt es m.W. keine Belege für einen gemischten oder gemeinsam am selben Ort und zur selben Zeit ausgetragenen Lauf von Frauen und Männern. Dazu kommt, dass Frauen auch als Zuschauerinnen Restriktionen unterworfen waren. So waren beispielsweise verheiratete Frauen seit dem 6. Jh. v. Chr. als Zuschauerinnen von den Olympischen Spielen ausgeschlossen und auch Augustus untersagte es Frauen, den Wettkämpfen der Männer beizuwohnen: Nach einem Bericht Suetons verlegte der Kaiser die athletischen Wettkämpfe in die frühen Morgenstunden und verbot es den Frauen, vor der fünften Stunde zu erscheinen (Suet. Aug. 44; Herrmann 1992, 97; Decker 1995, 129). Das zweite Problem besteht darin, dass die Nacktheit der Athleten nur auf die männlichen Sportler zutrifft, aber nicht für Mädchen und Frauen gilt. Im Gegenteil: Ob in Athen, Sparta oder Rom, ein angemessenes Sportgewand war für alle Frauen obligatorisch (Kratzmüller 2002, 171-181). Es ist somit nahezu ausgeschlossen, dass auf Zypern Männer und Frauen gemeinsam nackt in einem Stadion an einem Lauf teilgenommen haben, so dass hier mit gezielter Polemik des christlichen Verfassers der Barnabasakten zu rechnen ist. Die Kommentierung des »gottlosen Wettlaufs« als »Täuschung« (ἀπάτη apatē – auch Trug, Betrug, List) und »Verirrung« (πλάνη planē – auch Irrwahn) in 987

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ActBarn 19,3 könnte noch in eine andere vielversprechende Richtung weisen, nämlich in den Kontext von Zauberei und Magie. In den letzten Jahren ist der Zusammenhang von Magie und Sport (magica agonistica), wie er insbesondere anhand der sogenannten Fluchtäfelchen (defixionum tabellae) sichtbar wird, verstärkt in den Fokus gerückt (Gager 1992; Tremel 2004; Frass 2008). Auf kleine Bleilamellen wurden zumeist formelhafte Verwünschungen geritzt, die darauf abzielten, den Wettkampfgegner zu schädigen oder zu vernichten (Decker 1995, 155). Diese Art von agonalem Schadenzauber war weitverbreitet und fand bei griechischen Wettkämpfen im Stadion, bei Wagenrennen im Circus oder bei Tierhetzen (venationes) im Amphitheater Verwendung. Ihre Blütezeit erlebten die Fluchtäfelchen in der späten römischen Kaiserzeit (Tremel 2004, 38; Appel 1993, 177-180). Der Grund für die Anwendung von Bindezauber (Defixion) ist in der jeweiligen Konkurrenzsituation zu suchen: Wettkämpfer und ihre Anhänger in den Agonen benötigten eine Strategie, um die Unsicherheit und Hilflosigkeit dem Ausgang gegenüber beherrschen zu können. Der magische Angriff gab ihnen die Initiative zurück und ließ sie hoffen, das Resultat definitiv beeinflussen zu können. So konnten Krisensituationen emotionell bewältigt werden (Graf 1996, 143).

Ein Beispiel für eine agonale Defixion ist ein in Oxyrhynchus gefundenes, leider schlecht erhaltenes Bleitäfelchen aus dem 3. Jh. n. Chr. Hier wird der bekannte Dämon mit dem Namen »EULAMÔN« beschworen, um den Athleten Aphous, Sohn der Taeis, und einen weiteren Läufer für das Rennen zu schwächen: EULAMÔ […] ich bitte dich, erfülle mir YLAMÔE […] unter der Erde […] binde, binde hinab die Sehnen, die Glieder, den Geist, den Verstand, das Denkvermögen, die dreihundertfünfundsechzig Glieder und Sehnen von […] den Taeias geboren hat, und Aphous, den Sohn der Taeis, die Schnellläufer, so dass sie weder (laufen können?) noch stark sein mögen, sondern sie mögen die ganze Nacht wachgehalten werden und sie mögen jegliche Speise verlieren zu ihrem Leid und […] von ihnen, so dass sie nicht stark sein mögen im Lauf, sondern sie sollen zurückbleiben […] und halte zurück […] den Taeias geboren hat, und Aphous, den Taeis geboren hat […] von allen […] hindere […] und verdunkle ihnen die Augen, so dass sie nicht stark sein mögen im Lauf […] und seid verwirrt, geschwächt […] bei deiner Kraft, Gebieter […] ABRASAX […] (Tremel 2004, 103f.).

Es ist nun durchaus möglich, dass die Beschreibung der Geschehnisse im Stadion von Kourion als »Täuschung und Verirrung« auch auf solche Praktiken schwarzer Magie abzielt. Zwar gab es nachweislich im 4. und 5. Jh. n. Chr. Konflikte rund um pagane Kultstätten, die als »gottlose« Orte massiven Angriffen ausgesetzt waren (vgl. Czachesz 2007b, 203-207), aber die überlieferte Reaktion des Barnabas, welche von der Terminologie her an eine Dämonenaustreibung erinnert (»anherrschen«), würde bestens zur vorgeschlagenen Deutung passen: Barnabas führt im Namen des christlichen Gottes ein Strafwunder aus, das alle dort möglicherweise im Kontext eines Schadenzaubers angerufenen Dämonen, aber auch die verblassende Ortsgottheit Apollon Hylates an Wirkmacht in den Schatten stellt – und 988

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mehr noch: sie zerstört und ablöst. Die Zweitmission auf Zypern erfährt durch die vorliegende Wundererzählung somit eine äußerst konkrete und anschauliche Darstellung. Das Strafwunder zieht die Zerstörung des westlichen Teils »des Ortes« nach sich. Es ist durchaus möglich, dass hier eine Erinnerung an das große Erdbeben vom 21. Juli 365 n. Chr. verarbeitet wurde, für das David Soren überzeugend darlegen konnte, dass es als eines der schrecklichsten Erdbeben der Spätantike auch Kourion traf: »This quake sent forth enormously destructive tsunamis, or seismic waves, (commonly called tidal waves) hundreds of miles away« (Soren 1985, 54). Die Zerstörungen am Apollon-Heiligtum können mit diesem Erdbeben in Verbindung gebracht werden: »The Sanctuary of Apollo did contain small areas of sealed earthquake debris, such as the West House, and there was abundant evidence that the massive walls of the Temple of Apollo had been hurled down to the north and east by the earthquake’s primary wave« (a.a.O., 55; für eine Datierung der Zerstörung um 370 n. Chr. vgl. die Hinweise bei Hauben 2004, 272f.). Liest man die Wundererzählung vor diesem lokalgeschichtlichen Hintergrund, erfährt die dramatische menschliche Tragödie, die sich in einem einstürzenden, vollbesetzten Stadion im Zuge eines Erdbebens ereignet haben mag, in den Barnabasakten eine christianisierende Deutung: Kein Erdbeben, sondern die machtvolle Wundertat des christlichen Missionars hat der paganen Kultstätte mit all ihren Auswüchsen ein Ende bereitet und die Durchsetzung des Christentums forciert. Dass das Apollon-Heiligtum im 4. Jh. n. Chr. tatsächlich endgültig aufgegeben wurde und dass Ende des 4. oder Anfang des 5. Jh. n. Chr. auf den Klippen von Kourion eine große christliche Basilika mit angeschlossener Bischofsresidenz errichtet wurde, komplettiert dieses Bild: During the last decades of the fourth century pagan cults had gradually been banned by imperial legislation, promoting Christianity to the status of official religion. So one should expect that, even with paganism still lingering on, most of Kourion’s new inhabitants had embraced the new religion (Hauben 2004, 274).

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Durch das Verb »anherrschen« oder »bedrohen« (ActBarn 19,4) erscheint das Strafwunder wie ein erweiterter Exorzismus, was gut in den hergestellten agonistischen Zusammenhang passt. Die Zerstörung des Stadions wäre dann mit der zerstörerischen Auswirkung eines Dämons zu vergleichen, der aus einem Menschen ausfährt und dessen letzte physische Gefährdung darstellt (vgl. Mk 5,13; 9,26; Philostr. vit. Ap. 4,20). Die Befreiung eines Ortes von dämonischem Treiben begegnet zwar im NT nicht, ist aber in der Literatur der Umwelt belegt (Luc. philops. 31; Philostr. vit. Ap. 2,4; auch Billerbeck 1928, 516.535). Vergleichbare Strafwunder in der frühchristlichen Tradition, in denen von der Zerstörung eines Heiligtums erzählt wird, finden sich etwa in den Paulusakten (P.Heid. 37-39; Übers. Schneemelcher in Schneemelcher/Kasser 1997, 226f.): In ei989

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ner fragmentarisch erhaltenen Passage wird davon berichtet, wie Paulus die Bewohner von Sidon vor dem Strafgericht warnt, woraufhin diese ihn mit seinen beiden Begleitern in den Tempel des Stadtgottes Apollon einsperren. Die Missionare fasten, beten und klagen, dann stürzt eine Hälfte des Tempels ein, vermutlich zusammen mit dem Götterbild. Augenzeugen des Geschehens laufen zurück in die Stadt und verkünden: ›Der Gott der Sidoner, Apollon, ist gefallen, und die Hälfte seines Tempels!‹ Daraufhin liefen alle Bewohner der Stadt zum Tempel und sahen Paulus und seine Begleiter, die weinten über diese Anfechtung, dass sie ein Schauspiel (θέατρον theatron) sein würden für alle (ActPl 6).

In den Johannesakten 42-47 wird vom Einsturz eines Artemis-Heiligtums berichtet (Übers. Schäferdiek in Schäferdiek/Uiginn 1997, 172f.), das Johannes anlässlich des Geburtstags der Stadtgöttin durch sein laut ausgerufenes Gebet bewirkt: Und zugleich mit diesen Worten des Johannes zerfiel plötzlich der Altar der Artemis in viele Stücke und die im Tempel aufgestellten Weihegaben fielen unversehens alle zu Boden, und sein Glanz zerbarst, desgleichen mehr als sieben von den Götterbildern. Und die Hälfte des Tempels fiel ein, so dass auch der Priester, als die Säule einstürzte, mit einem Schlag getötet wurde (ActJoh 42).

Geradezu höhnisch fragt Johannes die anwesende Menge daraufhin: Wo ist die Macht der Dämonin? Wo sind die Opfer? Wo Stiftungsfeste? Wo die Feiern? Wo die Kränze? Wo ist die ganze Magie und ihre Schwester, die Zauberei? (ActJoh 43).

Eine interessante Parallele bietet auch die zeitgleich mit den Barnabasakten verfasste Schrift Pseudo-Prochorus (zum folgenden Czachesz 2007b, 206). Hier zerstört Johannes den Tempel des Apollon auf Patmos und den Artemis-Tempel von Ephesus (vgl. ActJoh 42-47). Für den Artemis-Tempel wird dasselbe Adjektiv (μιαρός miaros – gottlos) verwendet, mit dem ActBarn 19 den unheiligen »Lauf« im Stadion diskreditiert. Auch die Folgen der Zerstörung sind ähnlich gravierend: Bevor Johannes den Artemis-Tempel endgültig zum Einsturz bringt, ruft er ein Erdbeben hervor, das achthundert Menschen in den Tod reißt. Während der Apostel Paulus keine ablehnende Haltung zu den Agonen hatte, sondern sie metaphorisch für seine Evangeliumsverkündigung in Dienst nahm (1 Kor 9,24-27; dazu Poplutz 2004), hat sich die Kritik der Kirchenväter vor allem am Zusammenhang der Wettkämpfe mit paganen Kulten entzündet. Besonders Johannes Chrysostomos (4.-5. Jh. n. Chr.) hat sich diesbezüglich ausgelassen. So waren für ihn die einzelnen Agone Ausschnitte großer Festversammlungen (πανηγύρεις panēgyreis; vgl. ActBarn 22!) zu Ehren der Götter, die er als Christ kategorisch ablehnte (Koch 2007, 16). Chrysostomos kannte beispielsweise die als »olympische Wettkämpfe« betitelten Agone von Daphne in Antiochien, die er wegen der Verquickung dieser Spiele mit dem Apollon-Kult scharf kritisierte. In der 32. Homilie zum Johannesevangelium heißt es dazu: »Die festlichen Versammlungen der Dämonen 990

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ActBarn 19

dürfen jedenfalls nicht die Zuschauerplätze der Menschen sein … Wenn es schon nicht erlaubt ist, einen Götzentempel zu betreten, um wie viel mehr ist es nicht in Ordnung, sich zu einem satanischen Fest zu begeben« (PG 59,188).

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Das Strafwunder ist als missionarische Tat auf den ersten Blick nicht sehr eingängig. Der Schlüssel zum Verständnis ist somit im dargestellten situativen Kontext zu suchen, der mittels dieser Erzählung eine ätiologische Erklärung findet. Die Zerstörung des Stadions darf nicht so verstanden werden, dass die christlichen Missionare alles Heidnische vernichten und die Anhänger fremder Kulte, denen sie zufällig begegnen, wahllos töten. Vielmehr wird die zur Zeit der Abfassung der Barnabasakten bereits in der Vergangenheit liegende Zerstörung des Stadions und Heiligtums von Kourion durch ein Erdbeben ex eventu als göttliches Strafgericht durch die Hand des Apostels Barnabas gedeutet. Damit wird zweierlei erreicht: Zum einen werden das Ende des Apollon-Kultes und die Durchsetzung des Christentums erklärt, zum anderen wird die Selbständigkeit der Kirche Zyperns angesichts antiochenischer Vormachtsbestrebungen unterstrichen (Kollmann 1998, 66f.): Die zyprische Kirche führt sich auf den Apostelbegleiter und frühchristlichen Missionar Barnabas zurück und hat keinen Grund, sich dem Bischof von Antiochien kirchenpolitisch unterzuordnen. Dass mit der christlichen Missionierung dämonologische Praktiken, wie sie etwa in agonistischen Kontexten ausgeübt wurden, ein Ende finden mussten (oder christlich überformt wurden?), klingt implizit an. In Form eines gewaltigen Exorzismus wird die Stätte magischer »Täuschung und Verirrung« (ActBarn 19,3) vernichtet, so dass der Raum für die Durchsetzung des Christentums frei ist. Zwar gab es auch vor der Zerstörung Kourions im Zuge des Erdbebens von 365 n. Chr. bereits ansässige Christinnen und Christen, wie etwa der spektakuläre Fund einer jungen Familie belegt: Ein Paar mit einem achtzehn Monate alten Kind, die bei der Grabungskampagne von 1986 unter den Trümmern ihres Hauses entdeckt wurden, sind durch einen Bronzering des Mannes mit den eingravierten Symbolen »Chi-Rho« und »Alpha-Omega« als Christen identifizierbar (Foto bei Soren/James 1988, 130); flächendeckend hat sich das Christentum aber erst danach durchgesetzt (Hauben 2004, 273f.). Die Wundererzählung inszeniert diesen Wechsel »von Apollon zu Christus« rückblickend mit Hilfe narrativer Mittel und ist dabei gezielt plakativ: Der Lauf zu Ehren Apollons im Stadion führt sinnfällig in die Zerstörung und in den Tod. Vielleicht kann man den impliziten Aufruf an die Christinnen und Christen, die diese Wundererzählung lesen, mit den Worten des Apostels Paulus positiv ergänzen: Sie sollen keinen »unheiligen«, sondern einen »guten Lauf« (vgl. Gal 5,7) laufen, um dadurch den unvergänglichen Siegeskranz zu erringen (vgl. 1 Kor 9,25).

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Die Wundererzählungen in den Barnabasakten

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Zur Wirkungsgeschichte dieser Wundererzählung in Kunst, Musik oder Literatur ist mir nichts bekannt. Bemerkenswert erscheint aber, dass die Zerstörung des Stadions von Kourion läuferische Unternehmungen an diesem Ort nicht für immer beendet hat: Noch heute kann man Seminare mit dem prominenten deutschen Langstreckenläufer und Trainer Herbert Steffny auf Zypern buchen. Dabei werden die Überreste des Heiligtums des Apollon Hylates und das Stadion von Kourion als besondere Attraktionen am Wegesrand angepriesen. Uta Poplutz

Literatur zum Weiterlesen I. Czachesz, Commission Narratives. A Comparative Study of the Canonical and Apocryphal Acts, Leuven 2007b, 184-207. B. Kratzmüller, ›Frauensport‹ im antiken Athen? Die Darstellungen sich körperlich betätigender Frauen als Abbild der Einstellung einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft zum weiblichen Geschlecht, in: A. Krüger/W. Buss (Hg.), Transformationen. Kontinuitäten und Veränderungen in der Sportgeschichte I, NISH 16, Hoya 2002, 171-181. S. Sinos, The Temple of Apollo Hylates at Kourion and the Restoration of its south-west Corner, Athens 1990.

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Die Wundererzählung in der Abgarlegende

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Eine Wunderheilung, per Eilpost bei Jesus bestellt (Die Abgarlegende) Eus. h.e. 1,13,6-18 Die Abgarlegende (= AL) fällt bereits durch ihre Textüberlieferung aus dem Rahmen der in diesem Band behandelten Wundergeschichten: Ihr ältester Beleg findet sich in einem Geschichtswerk, der Kirchengeschichte (historia ecclesiastica) des Eusebius. Der Abschluss der Endfassung der h. e. 324/25 n. Chr. markiert den sicheren terminus ante quem für die Entstehung der AL. Die AL beschließt als Geschichte eines der Jünger Jesu das erste Buch der h.e. Thaddäus wirkte nach der AL in der ostsyrischen Stadt Edessa (heute Urfa), die einvernehmlich als Entstehungsort der AL gilt. Nach einer zusammenfassenden Einführung in den Abgar-Thaddäus-Stoff (h.e. 1,13,1-5) bietet Eusebius eine, wie er mehrfach betont, »wortgetreue« (ῥήμασιν rhēmasin bzw. πρὸς λέξιν pros lexin) griechische Übersetzung syrischer ›Originaldokumente‹ aus den »öffentlichen Akten« (δημόσιαι χάρται dēmosiai chartai) des edessenischen »Staatsarchivs« (γραμμτοφυλακεῖον grammatophylakeion bzw. ἀρχεῖον archeion): die Korrespondenz des edessenischen Herrschers Abgar mit Jesus (h.e. 1,13,6-10) sowie ein daran anschließender ›Bericht‹ der weiteren Geschehnisse (h.e. 1,13,11-22). – Dass es sich bei dem Briefwechsel um pseudepigraphe Korrespondenz handelt, steht außer Frage. Auch darüber, dass Eusebius tatsächlich eine syrische Quelle vorlag, besteht in der Forschung weitgehend Einigkeit. Beim Alter und Umfang dieser Quelle gehen die Meinungen allerdings auseinander (Überblick bei Wasmuth 2012, 223226). Am plausibelsten erscheint es, die Entstehung der AL zeitlich nicht allzu entfernt von ihrer frühesten Bezeugung in der h.e. anzusetzen. Sie setzt auf jeden Fall die kanonischen Evangelien sowie eine bereits mit Edessa verbundene Thomastradition voraus. Als Entstehungszeit ergibt sich der Zeitraum vom Ende 3. Jh. bis zum Anfang 4. Jh. n. Chr. Im Text selbst lassen sich einige Indizien finden (z.B. erzählerische Einschübe), die bereits auf einen Wachstumsprozess der AL in der Fassung bei Eusebius hinweisen. Die Frage nach der Gestalt einer möglichen ›Urfassung‹ der AL bzw. schriftlichen (die reinen Briefe? oder ein schon vorhandener Erzählzusammenhang?) oder mündlichen Vorstufen kann hier nicht erörtert werden; ebenso wenig die Problematisierung, inwiefern Eusebius selbst an einigen Stellen eher bearbeitend als übersetzend tätig war. Stattdessen soll im Zentrum der folgenden Untersuchung eine Entwicklungsstufe der AL, nämlich die früheste uns greifbare, stehen – und zwar als Wundergeschichte. Die Briefe werden dabei als Teil der Erzählung, d.h. als literarische Briefe, behandelt. Als Textgrundlage dient GCS, zusätzlich zur dortigen Abschnittnummerierung wurden von der Verfasserin kleine arabische Buchstaben zur besseren Orientierung ergänzt.

Abschrift des Briefes an Jesus, geschrieben von dem Toparchen Abgar, und ihm nach Jerusalem gesendet durch den Eilboten Ananias: (6,1) Der Toparch Abgar Ukama grüßt Jesus, den guten Heiland (σωτῆρ sōtēr), der in Jerusalem erschienen ist! (2) Mir ist einiges über dich und deine Heilungen, wie sie ohne Arzneien und Heilkräuter von dir vollbracht werden, zu Ohren gekommen. (3) Denn wie man sich erzählt, bewirkst du, dass Blinde wieder sehen und Lahme umhergehen; Aussätzige machst du rein, unreine Geister und Dämonen treibst du aus, die von chronischer Krankheit Gequälten heilst du und Tote erweckst du. (7,1) Und weil ich all das über dich gehört habe, halte ich dich daher für eines von beiden: (2) Entweder bist 995

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du Gott und, vom Himmel herabgestiegen, vollbringst du dieses; oder ein Sohn Gottes bist du, der dies vollbringt. (8,1) Deswegen also habe ich geschrieben und bitte dich, dich zu mir zu bemühen und das Leiden, das ich habe, zu heilen. (2) Ich habe außerdem gehört, dass die Juden sich über dich aufregen und dir Übles antun wollen. – (3) Ich habe eine Stadt, zwar eine ziemlich kleine, aber angesehen, die für uns beide ausreichen würde … Das Antwortschreiben von Jesus an den Toparchen Abgar durch den Eilboten Ananias: (10,1) Glückselig bist du, der du an mich glaubtest, ohne mich gesehen zu haben! (2) Es steht nämlich über mich geschrieben, dass die, die mich gesehen haben, nicht an mich glauben werden, damit auch (καὶ ἵνα kai hina) diejenigen, die mich nicht gesehen haben, glauben und am Leben bleiben werden. (3) Bezüglich dessen aber, was du mir geschrieben hast, nämlich dass ich zu dir kommen soll: (4) Es ist notwendig, alles, weswegen ich gesandt wurde, zu erfüllen, und dass ich, wenn es erfüllt ist, in den Himmel aufgenommen werde zu dem, der mich gesandt hat. (5) Aber nachdem ich aufgenommen worden bin, werde ich dir einen meiner Jünger schicken, damit er dein Leiden heilt und dir und den Deinen Leben bringt. Diesen Briefen ist aber noch das Folgende in syrischer Sprache hinzugefügt: (11,1) Nachdem Jesus aber (in den Himmel) aufgenommen worden war, schickte er ihm [= Abgar] Judas, der auch Thomas genannt wird, den Apostel Thaddäus, einen der siebzig (Jünger). (2) Dieser kam und wohnte bei Tobias, dem Sohn des Tobias. (3) Als man aber von ihm hörte, berichtete man Abgar: (4) »Ein Apostel Jesu ist hierhergekommen, wie dieser dir geschrieben hat.« (12,1) Thaddäus machte sich nun daran, in der Kraft Gottes jede Krankheit und alle Gebrechen zu heilen, so dass alle erstaunt waren. (2) Als aber Abgar von den großen Taten und Wundern hörte, die dieser vollbrachte, und wie er heilte, kam ihm der Verdacht, dass dieser es sei, über den Jesus in seinem Brief folgendermaßen geschrieben hatte: (3) »Nachdem ich aufgenommen worden bin, werde ich dir einen meiner Jünger schicken, der dein Leiden heilt.« (13,1) Er ließ nun Tobias, bei dem dieser wohnte, herbeiholen (2) und sagte: »Ich habe gehört, dass ein wundermächtiger Mann gekommen ist und in deinem Haus wohnt. (3) Bring ihn her zu mir!« (4) Tobias 996

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Eine Wunderheilung, per Eilpost bei Jesus bestellt Eus. h.e. 1,13,6-18

aber kam zu Thaddäus und sagte zu ihm: »Der Toparch Abgar ließ mich holen, er hat gesagt, dass ich dich zu ihm bringen soll, damit du ihn heilst.« (5) Und Thaddäus sprach: »Ich gehe hinauf, da ich nun einmal mit Wunderkraft zu ihm geschickt worden bin.« (14,1) Tobias stand nun früh am nächsten Morgen auf, nahm Thaddäus mit und ging zu Abgar. (2) Als er aber hinaufkam, erschien dem von seinen anwesenden Adligen umgebenen Abgar sofort, als er eintrat, eine außergewöhnliche Vision auf dem Angesicht des Apostels Thaddäus. (3) Dies sehend, warf Abgar sich vor Thaddäus nieder (προσεκύνησεν prosekynēsen), (4) und die um ihn Herumstehenden waren sehr verwundert, denn sie hatten die Vision nicht gesehen, die allein dem Abgar erschienen war. (15,1) Er fragte Thaddäus: »Bist du wirklich ein Jünger Jesu, des Sohnes Gottes, der zu mir gesagt hatte: (2) ›Ich werde dir einen meiner Jünger schicken, der dich heilen und dir Leben bringen wird‹?« (3) Thaddäus sprach: »Weil du so sehr an den geglaubt hast, der mich geschickt hat, – deswegen hat er mich zu dir geschickt! (4) Und weiterhin: Wenn du an ihn glaubst, dann wird dir deine Herzensbitte so, wie du glaubst, erfüllt werden.« (16,1) Abgar spricht zu ihm: »Ich glaubte dermaßen an ihn, dass ich am liebsten eine Streitmacht mitgenommen und die Juden, die ihn kreuzigten, niedergemacht hätte, wenn ich nicht durch das Römische Reich daran gehindert worden wäre!« (2) Thaddäus sagte: »Unser Herr hat den Willen seines Vaters erfüllt, und nachdem er ihn erfüllt hatte, wurde er zum Vater aufgenommen.« (17,1) Abgar sagt zu ihm: »Auch ich bin zum Glauben an ihn und seinen Vater gekommen.« (2) Thaddäus spricht: »Deswegen lege ich dir in seinem Namen meine Hand auf.« (3) Als er das tat, wurde jener sofort von der Krankheit und dem Leiden, das er hatte, geheilt. (18,1) Abgar wunderte sich, dass die Taten, die er durch seinen Jünger Thaddäus empfing, der ihn ohne Arzneien und Heilkräuter heilte, genau dem entsprachen, was ihm über Jesus zu Ohren gekommen war; – (2) und (er heilte) nicht nur ihn, sondern auch Abdu, den Sohn Abdus, der Fußgicht (ποδάγρα podagra) hatte. (3) Dieser war ebenfalls herbeigekommen, hatte sich ihm zu Füßen (ὑπὸ τοὺς πόδας hypo tous podas) geworfen und wurde mit Gebeten durch Handauflegung geheilt. (4) Er heilte auch noch viele andere ihrer Mitbürger, Wunderbares und Großartiges vollbringend, und er verkündete das Wort Gottes.

Sprachlich-narratologische Analyse Auch wenn die eigentliche Heilung Abgars nur einen kleinen Raum in der doch recht umfangreichen Erzählung ausmacht, zieht sich die Vorbereitung des Wunders durch die ganze AL. Der besonderen Überlieferungssituation der AL als ›Archivalie‹ bei Eusebius ist ihr recht unvermittelter Beginn mit zwei Briefen geschuldet. Beide sind weitgehend parallel gestaltet: 997

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Wunder in der Abgarlegende

I. Brief Abgars (h.e. 1,13,6-8) 6,1:

II. Brief Jesu an Abgar (h.e. 1,13,10)

Präskript

6,2-7: Proömium/Korpuseröffnung

10,1-2: Proömium/Korpuseröffnung

6,2-3: Darlegung: Jesus als Wundertäter 7: Schlussfolgerungen ›Bekenntnis‹

8:

Briefkorpus (διὰ τοῦτο deswegen)

10,1: Makarismus 10,2: Schriftbeleg

10,3-5: Briefkorpus (περὶ δέ was … betrifft)



8,1: Bitte um Heilung

8,2-3: 2. Argument: Zufluchts angebot



10,3-4: Ablehnung der Einladung

10,5: Zusage Apostelheilung + Leben

Der erste Brief ist durch seine formale Gestaltung mit einem Präskript deutlich als Brief zu erkennen. Diese Brieferöffnung fungiert zugleich als Einleitung in die Erzählsituation, indem Adressat und Empfänger in ihren Rollen (»Toparch« bzw. »Heiland«) vorgestellt werden. Demnach ist aus erzählerischer Sicht beim zweiten Brief ein Präskript nicht mehr nötig. Beide Briefe sind in zwei Hauptteile gegliedert (vgl. Graphik), was durch die trennenden Phrasen διὰ τοῦτο (dia touto – deswegen) bzw. περὶ δέ (peri de – was aber … betrifft) deutlich markiert ist. Jeder dieser Hauptteile ist in sich noch einmal zweigeteilt. Die ›Beantwortung‹ der Unterpunkte des ersten Briefes erfolgt im Jesus-Brief chiastisch (vgl. Pfeile). Erst in 8,1 erfahren die Leser(innen) den Anlass für Abgars Schreiben, nämlich dass es um die Gesundheit des Toparchen nicht zum Besten bestellt ist und er ein nicht näher spezifiziertes »Leiden« hat, weswegen er Jesus um Heilung bittet. Es fällt auf, dass hier nicht der im NT und in der benachbarten Literatur gewöhnlich gebrauchte Begriff νόσος (nosos – Krankheit) verwendet wird, sondern das in der frühchristlichen Literatur eher selten für »Leiden« (und wohl erst ab dem 2. Jh.) verwendete πάθος (pathos). Wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der AL um eine Übersetzung aus dem Syrischen handelt, sollte man es zwar an griechisch geprägter Begriffsspekulation nicht übertreiben; dennoch sei darauf verwiesen, dass πάθος weit mehr umfasst als (körperliche) Krankheit: Jede Art von körperlichem und seelischem Leiden, von Not oder Unglück kann damit gemeint sein. Abgar bittet somit um umfassende Heilung. Dieser Bitte korrespondiert im Antwortschreiben dann die Verheißung der Heilung durch einen namentlich nicht genannten Apostel nach der Aufnahme Jesu in den Himmel (10,5), die die zentralen Stichworte aus der Bitte, »Leiden« und »heilen«, wörtlich aufgreift. Doch geht die Antwort Jesu noch einen Schritt weiter: Der versprochene Jünger wird über die angeforderte Heilung hinaus Abgar und den Seinen (der Herrscherfamilie oder allen Edessenern?) »Leben bringen«. Auf diesem ›Überhang‹ gegenüber der Bitte, die zugleich der Briefschluss ist, liegt das Hauptaugenmerk des Briefes. 998

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Im Anschluss an die Heilungsbitte schiebt der Abgarbrief ein weiteres Argument für eine Reise Jesu nach Edessa nach: Abgar bietet ihm als ›Gegenleistung‹ für die Heilung (quasi auf do-ut-des-Niveau) Asyl in Edessa (8,3). Aus heutiger Perspektive würde man sich innerhalb der Erzählung eine ausdrückliche Zurückweisung der hier und in 16,1 von Abgar geäußerten Antijudaismen (8,2; 16,1) wünschen (s.u.). Doch wie sehen die Reaktionen der ›Autoritätspersonen‹ Jesus (10,4) bzw. Thaddäus (16,2) stattdessen aus? Beide ›Antworten‹ weisen auffällige Ähnlichkeiten auf: Sie gehen nicht auf die Rolle der »Juden« oder sonstiger an Prozess und Hinrichtung Jesu Beteiligter ein, sondern sie stellen stattdessen das Kreuz in den Mittelpunkt, nämlich als zentralen Teil des Heilsgeschehens und der Sendung Jesu, die »erfüllt« werden musste und Voraussetzung für die Aufnahme Jesu in den Himmel, d.h. für seine endgültige Bestätigung als Christus ist. Sie argumentieren also nicht ›historisch‹, sondern theologisch. Man könnte hinzufügen: Wer die innerweltliche Verantwortung für die Kreuzigung Jesu trägt, erscheint angesichts der Größe des göttlichen Heilsplanes irrelevant. Der auf die Briefe folgende ›Archivbericht‹ besteht aus zwei Teilen (11-13; 14-18), wobei der Einschnitt bei 14,1 durch die Zeitangabe »am nächsten Tag«, die Einführung neuer Figuren (Abtritt des Tobias, Auftritt der Adligen, Begegnung Abgars mit Thaddäus) und einen Ortswechsel markiert ist: Während der erste Teil aus vielen kleinen Szenen besteht und der Fokus mehrfach zwischen dem Haus des Tobias/der Stadt und dem Hof Abgars (›unterdessen im Palast …‹) wechselt, bewegt man sich als Leser(in) im zweiten Teil mit Thaddäus in den Palast, wo zunächst eine Gesamtaufnahme des Raumes (der Toparch umgeben von seinem ›Kabinett‹) geboten wird (14), bevor dann ab 15 auf die beiden zentralen Figuren gezoomt wird und der Dialog zwischen Abgar und Thaddäus und die Wunderheilung in Form einer Nahaufnahme präsentiert werden. Diese ›Bildführung‹ wird in 18,2-3 durch die Abdu-Szene abrupt unterbrochen: 18,1 ist ganz aus der Perspektive des Toparchen erzählt, in 18,2 dagegen sehen sich die Leser(innen) ohne Vorwarnung aus Abgars Gedanken gerissen; mitten im Satz findet ein Wechsel von interner zu auktorialer Fokalisierung statt. Die ganze Episode wirkt wie ein Einschub, der nicht mehr zur eigentlichen Wundergeschichte gehört, sondern dem Erzähler zum Stichwort ›Heilung durch Thaddäus‹ eingefallen zu sein scheint. Abdu ist den Leser(innen) bisher völlig unbekannt (daher auch die Vorstellung mit dem Vaternamen); der eigentliche ›Auftritt‹ Abdus klappt erst in einer kleinen Rückblende (18,3) nach. Im Kontext des ›Zooms‹ auf Abgar und Thaddäus entschleunigt sich das Erzähltempo: Im ersten Teil (11-13) wird häufig gerafft erzählt (z.B. die Heilungen des Thaddäus in der Stadt 12,1); im zweiten Teil hingegen ist die Entsprechung von Erzählzeit und erzählter Zeit durch die zahlreichen Dialoge eigentlich der Regelfall (von der kleinen Einleitung in 14,1 abgesehen), wobei an zwei Stellen gar eine Zeitdehnung zu verzeichnen ist: Die Vision, Proskynese und Verwunderung der Umstehenden in 14,3-4 nehmen, szenisch aufgeführt, weniger Zeit in Anspruch als das Lesen dieser Episode; ebenso die eigentliche Heilung durch Handauflegung in 17. 999

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Wunder in der Abgarlegende

Das heißt: Die Erzählung widmet genau den Szenen viel Zeit, in denen sich Thaddäus als wahrer Apostel (und Stellvertreter) Christi erweist. Die beiden zentralen Figuren der Erzählung sind Abgar und Thaddäus, wobei dem Hilfesuchenden Abgar vielleicht sogar die größere Rolle zukommt: Er ist die treibende Kraft, die durch seine brieflich geäußerte Heilungsbitte die ganze Geschichte in Gang setzt. Darüber hinaus ist er als einzige Figur in allen Teilen der AL inklusive der Briefe präsent (im Jesusbrief wird ja zunächst nur vage ein Jünger angekündigt), und die Geschichte wird über weite Strecken aus seiner Perspektive erzählt: Bereits in seinem Brief (6-7) nimmt der Lesende an den argumentativen Denkbewegungen Abgars teil und entdeckt darüber hinaus in den aufgezählten Jesus-Wundergeschichten (6,1) einen mit der Figur des Lokalherrschers gemeinsamen ›Wissensbestand‹. Auch im weiteren Verlauf der Erzählung erhalten die Leser(innen) einen Einblick in die Gedanken des Toparchen (12,2-3; 18,1): Sie hören, was Abgar hört (Wiedergabe der Meldung an Abgar in wörtlicher Rede in 11,3) und sehen, was (nur) Abgar sieht (Erscheinung beim Eintreten des Apostels in 14,2). Die AL lädt zu einer vorsichtigen Identifikation mit der Figur Abgars ein. Dazu trägt auch die formale Gestaltung des Jesusbriefes ohne Präskript bei: Der Briefempfänger wird nicht noch einmal namentlich genannt, sondern unmittelbar angesprochen. Dies ermöglicht den Leser(innen), sich durch das »Du« des Briefes mitangesprochen zu fühlen. Dass eine solche Identifikation durchaus funktioniert, zeigt die Wirkungsgeschichte des Briefwechsels: Inschriften aus verschiedenen Städten des Römischen Reiches zeigen, dass Abschriften der Briefe nicht nur in Edessa, sondern auch an anderen Orten als Amulett verwendet wurden. Auffällig ist, dass gerade in Bezug auf Abgar einige Dopplungen vorliegen: So erhält er beispielsweise zweimal Meldung über Thaddäus in Edessa (11,3; 12,2). Die erste Meldung über die Ankunft des »Apostels Jesu« (11,3) führt merkwürdigerweise zu keiner Reaktion Abgars. Erst auf die zweite Meldung hin, durch die Abgar von den Therapien des Thaddäus erfährt, schreitet er zur Kontaktaufnahme, und selbst diese erfolgt nicht direkt, sondern vermittelt durch Tobias. Ebenfalls doppelt erzählt wird im zweiten Teil der Erzählung ein ›Glaubensbekenntnis‹ Abgars: Auf die implizite Aufforderung, seinen Glauben (noch einmal) vor dem Apostel zu bekennen (15,4), beteuert dieser auf recht ungestüme, fast etwas kindisch anmutende Art, wie sehr er doch an Jesus glaubt, nämlich so sehr, dass er am liebsten mit einer Armee gegen »die Juden« von Jerusalem vorgerückt wäre (16,1). Thaddäus scheint mit dieser Art ›Bekenntnis‹ nicht recht zufrieden und verweist darauf, dass das Kreuz Teil des Heilsgeschehens ist. Erst als Abgar ein zweites Bekenntnis ablegt, in welchem er sagt, an wen er glaubt, nämlich an Christus und den Vater, (17,1), heilt Thaddäus ihn. Eine narrative Entfaltung eines solchen Vorbilds im Glauben, als welchen der Jesusbrief Abgar preist (10,1), müsste eigentlich anders aussehen. Als Nebenfiguren treten neben Tobias auch zwei Kollektive in Erscheinung: zum einen die passiv bleibenden »Mitbürger« als Empfänger weiterer Wundertaten des Apostels (18,4) und der Verkündigung des Apostels (19f.); zum anderen die bei Hofe versammelten Aristokraten, denen innerhalb der Erzählung die Aufgabe zu1000

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kommt, sich über das merkwürdige und nicht standesgemäße Verhalten ihres Herrschers dem Apostel gegenüber zu wundern (14,4). Ein Repräsentant dieser Gruppe, Abdu, tritt später in 18,2-3 aus dem Kollektiv heraus und wird ›Hauptfigur‹ einer eigenen kleinen Wundergeschichte. Anders als bei Abgar wird seine Krankheit genannt, wobei sich zumindest im Griechischen ein Wortspiel mit »Füßen« (»Fußgicht« und »zu Füßen werfen«) ergibt.

Sozial- und realgeschichtlicher Kontext Die ›Bühne‹, auf der die AL spielt, stellt der edessenische Königshof dar, genauer: der Hof Abgars V. Ukama (= »der Schwarze«, 4 v. Chr.-7 n. Chr. und 13-50 n. Chr.). Das Königreich Osrhoëne sah sich vom 1. Jh. v. Chr. bis zu seinem Ende Mitte des 3. Jh. n. Chr. als kleiner Pufferstaat zwischen zwei rivalisierenden Großmächten, den Römern im Westen und den Parthern im Osten, mit denen es sich zu arrangieren galt. Diese politische Situation Edessas spiegelt sich in der AL wider: Wenn Abgar seinem Wunsch, gegen Jerusalem zu ziehen, wegen des »Römisches Reiches« nicht nachkommen konnte (16,1), zeichnet diese Szene Abgar als treuen Bündnispartner der Römer, der die Pax Romana unter allen Umständen achtet (ähnlich Mirkovic 2004). Damit zeichnet die AL (bewusst oder unbewusst) ein Bild ihres Lokalkönigs, das sich von römischen Darstellungen erheblich unterscheidet. Aus römischer Perspektive galt Abgar V. nicht gerade als vorbildlicher Bundesgenosse, denn man machte ihn maßgeblich für das Scheitern eines Feldzuges nach Persien verantwortlich (vgl. Tac. ann. 12,12-14). Im Verhältnis der Christinnen und Christen zum Römischen Reich liegt eine der Wurzeln für eine im frühen Christentum verbreitete (und in den kanonischen Evangelien bereits angelegte und in einigen Apokryphen, z.B. den Pilatusakten, dann entfaltete) Deutung der Passionsgeschichte: Man blendete die Rolle der römischen Behörden zunehmend aus. Die Kehrseite der Medaille ist eine verstärkte bis alleinige (aber historisch unzutreffende!) Zuweisung der Verantwortung für die Kreuzigung Jesu an »die Juden«, so auch in der AL (ähnlich auch Mirkovic 2004, 47). Es fällt wesentlich leichter, sich als Christ in ein Reich zu integrieren und ein positives Verhältnis zu einem Staat aufzubauen, dessen Institutionen nicht für den Tod des eigenen ›Heilands‹ verantwortlich ist.

Traditions- und religionsgeschichtlicher Hintergrund Die AL greift auf verschiedene Traditionen zurück und ist von zahlreichen biblischen Bezügen geprägt. So orientiert sich die Aufzählung der Wundertaten Jesu in 6,3 eng an Lk 7,21f. Abgar zieht in seinem Brief stellvertretend für den Täufer/die Täuferjünger die Schlussfolgerung aus dem Gehörten (7). In 12,1 wird das Wirken des Thaddäus als Wundertäter in Edessa mit einem nahezu wörtlichen Zitat aus dem 1001

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Wunder in der Abgarlegende

MtEv beschrieben: Wie Jesus selbst (Mt 4,23) und wie die von ihm ausgesandten Zwölf (Mt 10,1) heilt auch er »jede Krankheit und alle Gebrechen« in der Stadt. Doch fast noch mehr als auf synoptischen Traditionen baut die AL auf dem JohEv auf. Das Antwortschreiben an den Toparchen beginnt mit einem Makarismus, der Joh 20,29 entnommen ist und durch Umformulierung in die 2. Pers. Sg. direkt auf Abgar gewendet wird. Der Brief präsentiert Abgar demnach als vorbildliches Gegenstück zum ›ungläubigen Thomas‹, der seinen Glauben an Jesus bekundet, ohne ihn gesehen zu haben. Über das Zitat von Joh 20,29 wird somit auch ein indirekter, aber deutlicher Bezug zu der in Edessa beheimateten Thomas-Tradition hergestellt. Darauf, dass Thomas landläufig als Apostel Edessas galt, weist auch die AL hin, indem Thaddäus seine missio von Judas Thomas erhält (11,1). Ob Thaddäus, der nach Darstellung der Legende (entgegen Mk 3,18 par. Mt, wo er zum Zwölferkreis gehört, nicht aber bei Joh, Lk und im Diatessaron) ›nur‹ zum erweiterten Kreis der 70 bzw. 72 Jünger (Lk 10) gehörte, dadurch zusätzliche apostolische Legitimation erhalten sollte? Im Umkehrschluss bedeutet die Sendung durch Thomas auch, dass Thomas gerade nicht der eigentliche Apostel Edessas ist, sondern einen anderen (im Auftrag des Herrn) dorthin gesandt hat! Genau wie Thomas in den ActThom tritt auch Thaddäus als Wundertäter in Erscheinung und wirkt im höfischen Milieu – allerdings nicht in fernen Ländern, sondern (viel besser!) direkt in Edessa. Man könnte somit auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Thomastradition (und der/den sie tragenden Gruppierung[en]) durch die Trägerkreise der AL schließen. Von den vielen weiteren Bezügen zum JohEv ist einer besonders zu betonen, nämlich die pauschalisierende Rede von »den Juden«, die sich in dieser Form nur bei Johannes, gerade auch in der Passionserzählung findet. Hinter dieser Rede sind Konflikte der johanneischen Gemeinde (und nicht des historischen Jesus!) mit ihren jüdischen Zeitgenossen (so z.B. Frey 2004) oder auch die Entwicklung einer christlichen Identität in Abgrenzung von den jüdischen Wurzeln (vgl. Hakola 2005) zu erkennen. Mehrere Indizien weisen darauf hin, dass die AL auf das JohEv zurückgreift: Die sich über Jesus aufregenden (καταγογγύζειν katagongyzein) Juden in 8,2 sind nämlich aus Joh 6,41 entlehnt: »Die Juden murrten (γογγύζειν gongyzein) nun gegen ihn …«. Außerdem befinden sich »die Juden«, gegen die Abgar am liebsten mit einer Streitmacht vorrücken würde, in Jerusalem (wie oft auch bei Joh, z.B. in Kap. 5 u. 7) – aus edessenischer Perspektive also weit weg und nicht zwangsläufig identisch mit den Angehörigen der jüdischen Gemeinde vor Ort. Die AL scheint zwischen dem negativ besetzten Kollektiv der »Juden« in Jerusalem und den ›neutral bis positiv‹ wahrgenommenen jüdischen Mitbürgern Edessas zu differenzieren (vgl. zum folgenden Mirkovic 2004, 37). Das wird deutlich an der Figur des Tobias, der bei Eusebius allein durch seinen Namen und Vaternamen, in der Doctrina Addai (s.u.) eindeutig durch Apposition als Jude gekennzeichnet wird, und der als Gastfreund des Apostels eine nicht unwichtige Rolle spielt. Möglicherweise bringt die Beziehung Tobias – Thaddäus das tatsächliche Verhältnis der Trägergruppe der AL zur jüdischen Gemeinde vor Ort treffender zum Ausdruck als die harschen Antijudaismen im Munde bzw. in der Feder Abgars. 1002

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Eine Wunderheilung, per Eilpost bei Jesus bestellt Eus. h.e. 1,13,6-18

Verstehensangebote und Deutungshorizonte Als Deutungshorizonte sollen hier einmal nicht die in der Forschung zur AL zahlreich vertretenen historisierend-religionsgeschichtlich orientierten Auslegungen vorgestellt werden (wie vorwiegend in den Publikationen von Drijvers und bei Segal 1970; Brock 1992), denn sie fragen v.a. nach einer zeitlich-kontextuellen Verortung der AL, wobei die Geschichte als Wundergeschichte nur eine untergeordnete Rolle spielt. Diesen Ansätzen geht es v.a. darum, ob die Bekehrung eines heidnischen Königs von Edessa einen historischen Anhaltspunkt bietet, oder welche der verschiedenen christlichen Gruppierungen in Edessa mit der AL als »[product] of tendentious propaganda« (Brock 1992, 228) welche Ziele erreichen wollte und gegen wen sie gerichtet ist – mithin um eine möglichst genaue Beschreibung ihres (historischen) ›Sitzes im Leben‹. Doch eröffnet die AL als Wundergeschichte weitere Deutungshorizonte. Wundergeschichten wollen (ggf. auf unterhaltsame Weise) Werbung machen, meistens für den Wundertäter. Dazu empfiehlt es sich, selbigen möglichst spektakuläre Taten vollbringen zu lassen. Das in der AL geschilderte Wunder kommt nun aber sehr schlicht daher: Die Notschilderung fällt denkbar knapp aus. Abgar hat zwar ein mysteriöses »Leiden« (8,1), wird in der Erzählung aber nicht weiter als Leidender gezeichnet. Man erfährt nichts darüber, wie lange Abgar schon »leidend ist« oder ob er bereits vergebliche Therapieversuche unternommen hat. Auf solche erzählerischen Mittel zur Steigerung der Größe des Wundertäters verzichtet die AL. Auch die Heilung selbst vollzieht sich recht unspektakulär durch Handauflegung, eine anschließende Heilungsdemonstration fehlt, ebenso eine Reaktion der im Hintergrund offenbar noch anwesenden Höflinge. Einzig das Staunen des Geheilten selbst wird erzählt, während die Umstehenden schon vor dem Wunder in Staunen versetzt werden (14,4). Allerdings sind diese nicht durch den Wundertäter, sondern durch das Verhalten ihres Herrschers irritiert. Der AL kommt es offenbar nicht so sehr darauf an, den Apostel als herausragenden Wundertäter zu profilieren – sie zielt vielmehr darauf, ihn als wirklichen Stellvertreter Jesu zu präsentieren. Dies kommt nicht nur durch die dreimal geäußerte Sendung des Jüngers an Jesu statt zum Ausdruck (10,5; 12,3; 15,2). 12,1 überträgt die Jesusüberlieferung in Mt 4,23 auf Thaddäus. Die Vision »auf dem Angesicht« des Apostels (14,3) erinnert an das leuchtende Gesicht Jesu in der Verklärungsgeschichte (Mt 17,2 par. Lk). Der König ehrt Thaddäus bereits vor der Heilung in höchster Form durch eine Proskynese, wie es v.a. bei Mt erzählt wird (Mt 8,2; 9,18 u.ö.), doch weist auch diese Passage Bezüge zum JohEv auf: In Joh 9,38 wirft sich der Blindgeborene zwar erst nach erfolgter Heilung vor Jesus nieder, doch steht diese Proskynese wie in AL 15-17 in unmittelbarem Kontext eines Glaubensbekenntnisses. Vor allem aber – und das ist für Apostelwunder ungewöhnlich – heilt Thaddäus ohne begleitendes Gebet oder eine Anrufung Gottes bzw. Christi allein durch Handauflegung. Thaddäus vollbringt das Wunder sozusagen aus eigener (in ihm wohnender göttlicher) Kraft! Durch diesen Erzählzug wird der Apostel vollkommen mit Jesus parallelisiert. Möglicherweise erregte genau das Anstoß, denn bei 1003

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Wunder in der Abgarlegende

der anschließenden Heilung des Abdu legt die AL Wert darauf, dass Thaddäus dieses Wunder ausdrücklich »mit Gebeten durch Handauflegung« (18,3) wirkt. Die Erzählung signalisiert, dass ihr eigentlicher Akzent nicht auf der Wunderheilung liegt, sondern vielmehr auf dem ihr vorausgehenden Glaubens-(Lern-) Prozess Abgars. In diesem Zusammenhang spielen, wie die AL selbst erzählt, gerade Wunder(geschichten) eine wichtige Rolle: Es wird in einer Wundergeschichte selbst über Funktion und Bedeutung der eigenen Gattung reflektiert! Den Anstoß hierfür bildet der Makarismus aus Joh 20,29, der (möglicherweise in kreativer Verbindung mit Joh 20,30f.) die ganze AL durchzieht: Jesus preist Abgar selig, weil er zum Glauben an ihn gekommen ist, ohne ihn selbst gesehen zu haben (10,1). Doch was, wenn nicht persönliche Begegnung und Augenzeugenschaft führt Abgar zum Glauben an Jesus? Nicht etwa Lehrverkündigung, sondern allein die Wundergeschichten, die man sich über Jesus erzählt (6,2f.)! Und Abgar zieht seine eigenen, zunächst noch nachdenklichen Schlüsse daraus. Die Wundergeschichten werden somit überliefert, damit gerade die sie Hörenden glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist (eine Interpretationsmöglichkeit von Joh 20,30f.). Für Abgars Glaube sind Wundergeschichten der entscheidende Faktor, wie der Fortgang der Geschichte zeigt: Von einem vorbildlich Glaubenden würde man erwarten, dass er auf die Zusage Jesu vertraut und sofort aktiv wird, sobald er von der Ankunft eines Apostels in Edessa hört. Doch scheint Abgar an der Erfüllung der Verheißung noch zu zweifeln. Erst, als man ihm sozusagen Wundergeschichten über Thaddäus erzählt (und dieser dadurch als wirklicher Apostel erwiesen wird), lässt Abgar ihn holen. Das Nicht-Sehen als Motiv aus Joh 20,29 bleibt dabei gewahrt, denn Abgar muss nicht selbst Augenzeuge der Wunder sein, um aktiv zu werden. Dennoch beginnt der Dialog zwischen beiden mit einer (immer noch leicht zweifelnden?) Nachfrage Abgars, um sich der Identität des Apostels wirklich zu versichern (15,1f.). Im Folgenden sorgt Thaddäus dafür, dass die Bedingung ›glauben, ohne zu sehen‹ auch tatsächlich eingehalten wird, indem er ein Glaubensbekenntnis Abgars provoziert (15,4). Dass dies vielleicht die zentrale Stelle der Erzählung ist, zeigt der bereits oben unter 2. erwähnte Tempuswechsel: Das entscheidende, nämlich das Glaubensbekenntnis und die darauf erfolgende ›Heilungszusage‹ geschieht im Präsens! Wie gesehen, stellt Thaddäus angemessenen Inhalt und Form des Bekenntnisses sicher. Dies braucht zwei Anläufe und bildet sozusagen in aller Kürze einen Glaubens-Lernprozess Abgars ab: Erst in 17,1 hat er verstanden, worauf es ankommt – und worauf nicht (s.o.)! Dieses zweite, angemessene Glaubensbekenntnis spiegelt auch einen ›theologischen‹ Lernprozess Abgars wider: Es umfasst im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen quasi zwei Artikel des Credo, nämlich Sohn und Vater! Christlicher Glaube ist als der Glaube an Gott Vater und Sohn; ein allein auf Jesus gerichteter Glaube erscheint defizitär (und führt zu ›Missverständnissen‹ wie 16,1, weil ohne den Glauben an den Vater der göttliche Heilsplan nicht erkannt werden kann). Erst auf dieses Bekenntnis hin wird Abgar durch Handauflegung geheilt. Insgesamt ist die ganze Szene in 17 vielleicht sogar transparent auf frühchristliche Taufriten: Das Ablegen des Glaubensbekenntnisses (in der Traditio Apostolica 21 1004

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Eine Wunderheilung, per Eilpost bei Jesus bestellt Eus. h.e. 1,13,6-18

sogar unter Handauflegung!) ist wesentlicher Bestandteil der Taufe, alles umfassender ›Heilung‹ und Eintritt in das neue, bleibende Leben.

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Die AL hat eine sehr breite Wirkungs- und Wachstumsgeschichte erfahren, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann. Im 6./7. Jh. entstand sogar eine mit dem Namen Thaddäus verbundene Acta-Literatur. – Ein erstes Zeugnis dafür, wie lebendig die schriftliche und mündliche Überlieferung der Legende im späten 4. Jh. war, stellt ein Eintrag der Pilgerin Egeria in ihrem Itinerar (Peregr. Eger. 17-19) dar: Auf ihrer Rückreise aus den Heiligen Land machte sie im Jahr 384 einen Abstecher nach Edessa, wo der Brief Jesu zur damaligen Zeit (noch) zu besichtigen war. Vom Ortsbischof erhält sie nicht nur eine Exklusiv-Führung zu den ›Originalschauplätzen‹ der AL – der Bischof erzählt die AL an Ort und Stelle übrigens mit dem Apostel Thomas in der Rolle des Wundertäters! –, sondern als Souvenir auch eine Abschrift der Briefe für zu Hause, allerdings, wie sie eigens erwähnt, in einer »ausführlicheren« Fassung als die ihr aus ihrer Heimat bereits bekannte (Peregr. Eger. 19,19). Egeria gibt uns auch einen Hinweis, in welchem Punkt die im Jahr 384 in Edessa gebräuchliche Fassung des Jesusbriefes über den von Eusebius überlieferten Text hinausgeht: Einige Zeit danach kamen die Perser über uns und schlossen die Stadt ein. Aber sofort brachte der König Abgar den Brief des Herrn ans Stadttor und betete öffentlich mit seinem ganzen Heer. Dann sagte er: »Herr Jesus, du hast uns versprochen, dass kein Feind diese Stadt betreten wird, und siehe: Nun bekämpfen uns die Perser!« (Peregr. Eger. 19,8f.; Illert 2007, 127).

Hinzugekommen ist also eine Schutzverheißung an »die Stadt« im Allgemeinen, was, wie in der sprachlichen Analyse erwähnt, zu einer apotropäischen Verwendung (also zur Abwehr von Unheil) der Briefe weit über Edessa hinaus führte (Texte bei Illert 2007). Eine in Edessa selbst gefundene griechische Inschrift, datiert nach dem 4. Jh., fügt konkrete Namen in die Jüngerankündigung des Jesus-Briefes ein – und bietet einen kongenialen Vorschlag, wie die in Edessa beheimatete ThomasTradition mit der ursprünglich vielleicht sogar als Konkurrenzprodukt fungierenden Abgar-Thaddäus-Überlieferung unter einen Hut zu bringen ist: »Ich sende aber dir einen meiner Jünger mit Namen Thaddäus, der auch Thomas heißt …« (Text bei Illert 2007, 180). Die umfangreichste Fortschreibung der AL enthält die syrische Doctrina Addai (5. Jh.). Sie erweitert die Geschichte stark, füllt Leerstellen. Manchmal greift sie auf bereits in der Eusebius-Fassung bzw. deren syrischer Vorlage angelegte Motive zurück (z.B. wird die Nebenfigur Abdu zum zweiten Mann im Staate ausgebaut; auch die antijüdischen Tendenzen treten noch stärker hervor), kombiniert die AL darüber hinaus mit anderen Legenden (z.B. Kreuzauffindung) und lässt den Über1005

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Wunder in der Abgarlegende

mittler des Briefes sogar ein Porträt von Jesus anfertigen. Dabei wird zwar die Pointe der h.e.-Version (an Jesus glauben, ohne ihn gesehen zu haben) etwas untergraben, doch gerade die Erweiterung um das Bild (Mandylion) wurde wirkungsgeschichtlich am bedeutsamsten. Die Doctria Addai macht schließlich auch die Verwirrung um die Identität des wundertätigen Apostels komplett, indem sie mit Addai einen biblisch nicht belegten ›Jünger‹ ins Spiel bringt. – Unabhängig davon, wie der Jünger nun in der ›Urfassung‹ hieß – die Wirkungsgeschichte zeigt, dass der Name des Wundertäters problemlos austauschbar ist, ohne dass es der Geschichte Abbruch tut! Die wichtige Konstante – und eigentliche Hauptfigur in der Geschichte – ist König Abgar, der zum (rechten) Glauben gekommene Geheilte. Andrea Ackermann

Literatur zum Weiterlesen S. Brock, Eusebius and Syrian Christianity, in: H. W. Attridge/G. Hata (Hg.), Eusebius, Christianity, and Judaism, StPB 42, Leiden et al. 1992, 212-234. H. J. W. Drijvers, Abgarsage, in: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 1: Evangelien, Tübingen 61990a, 389-395. Ders., Jews and Christians at Edessa, JJS 36 (1985), 88-102 (unveränd. Nachdr. in: Ders., History and Religion in Late Antique Syria, Aldershot 1994). M. Illert, Doctrina Addai. De imagine Edessena – Die Abgarlegende. Das Christusbild von Edessa, FChr 45, Turnhout 2007. A. Mirkovic, Prelude to Constantine. The Abgar Tradition in Early Christianity, ARGU 15, Frankfurt a.M. 2004. I. L. E. Ramelli, The Addai-Abgar Narrative. Its Development through Literary Genres and Religious Agendas, in: dies./J. Perkins (Hg.), Early Jewish and Christian Narrative. The Role of Religion in Shaping Narrative Forms, WUNT 348, Tübingen 2015, 205-245. S. K. Ross, Roman Edessa. Politics and Culture on the Eastern Fringes of the Roman Empire, 114–242ce, London/New York 2001. J. B. Segal, Edessa. The Blessed City, Oxford 1970. J. Wasmuth, Die Abgarlegende, in: C. Markschies/J. Schröter (Hg.), Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd. I/1, Tübingen 2012, 222-230.

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen Wunder in der Apostelgeschichte Nr.

Apg-Faden

Titel

Parallelstellen

davon kommentiert im Kompendium

Apg 2,43

Summarium

Hinführung Apg

1

Apg 3,1-10

Entsetzen an der Schönen Apg 9,32-35; Pforte Apg 14,8-13 (Die Heilung des Gelähmten im Tempel)

Apg 3,1-10; Apg 9,32-35; Apg 14,8-13;

Apg 4,30

Summarium

Hinführung Apg

2

Apg 5,1-11

Ein plötzlicher Tod als Warnung (Der Betrug des Hananias und der Sapphira)

Apg 5,1-11

Apg 5,12-16

Summarium

3

Apg 5,17-26

Zur Lehre befreit! (Die Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis)

Apg 6,8

Summarium

Hinführung Apg

4

Apg 8,6-8. 13.39f.

Konfrontation von Wunder und Magie (Philippus in Samaria – Simon der Zauberer)

Apg 8,6-8.13.39f.

5

Apg 9,1-19 (22,1-21; 26,9-23)

Blind werden, um in Wahrheit zu sehen! (Die Heilung des Paulus)

Apg 9,1-19

6

Apg 9,32-35

Kam, sah, heilte (Petrus in Lydda)

Apg 3,1-10; Apg 14,8-13

Apg 3,1-10; Apg 9,32-35; Apg 14,8-13

7

Apg 9,36-43

Stütze der Gemeinde erwacht zu neuem Leben (Die Auferweckung der Tabita)

Apg 20,7-12

Apg 9,36-43 Apg 20,7-12

8

Apg 12,1-11

(Wie) Hilft Beten? (Die Befreiung des Petrus)

Apg 5,17-26; Apg 16,19-40

Apg 5,17-26; Apg 12,1-11; Apg 16,19-40

9

Apg 13,6-12

Der besiegte Magier (Die Blendung des Barjesus Elymas)

Apg 13,6-12

Apg 14,3

Summarium

Hinführung Apg

Hinführung Apg Apg 12,1-11; Apg 16,19-40

Apg 5,17-26; Apg 12,1-11; Apg 16,19-40

1007

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen 10

Apg 14,8-13

Einfach nur göttlich (Die Heilung des Gelähmten in Lystra)

Apg 15,12

Summarium

Hinführung Apg

11

Apg 16,1622

Geschäftsschädigende Intervention (Die Heilung der wahrsagenden Sklavin)

Apg 16,16-22

12

Apg 16,1940

Die Tür zur Rettung steht offen (Paulus und Silas im Gefängnis)

13

Apg 19,11-17 Die unbeholfenen Zauberlehrlinge in Ephesus (Die Söhne des Skevas)

14

Apg 20,7-12

Ein tröstlicher Zwischenfall (Eutychus in Troas)

15

Apg 28,1-6

Schlange, Schuld und Schutz (Das Schlangenwunder auf Malta)

Apg 28,1-6

16

Apg 28,7-10

Der jüdische Häftling und der edle Römer (Die Heilungen im Hause des Publius auf Malta)

Apg 28,7-10

Apg 3,1-10; Apg 9,32-35

Apg 5,17-26; Apg 12,1-11

Apg 3,1-10; Apg 9,32-35; Apg 14,8-13

Apg 5,17-26; Apg 12,1-11; Apg 16,19-40 Apg 19,11-17

Apg 9,36-43

Apg 9,36-43; Apg 20,7-12

Wunder in den Johannesakten Nr. ActJoh-Faden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

ActJoh 19-24

Die ersten Machttaten Gottes in Ephesus (Die Heilung der Kleopatra und die Auferweckung des Lykomedes)

ActJoh 19-24; Hinführung ActJoh

2

ActJoh 30-36

»Girls Day« (Die Heilung der alten Frauen in Ephesus)

ActJoh 30-36; Hinführung ActJoh

3

ActJoh 37-45

Lebens-entscheidender Wettstreit der Götter (Heilung vieler Krankheiten in Ephesus; Prodigium vor Artemisstatue)

ActJoh 37-45; Hinführung ActJoh

4

ActJoh 46f.

Bekehrung praktisch: Verwandtschaft mit Jesus (Totenauferweckung des Artemispriesters)

ActJoh 46f.; Hinführung ActJoh

1008

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

5

ActJoh 48-54

Die fatalen Folgen eines Ehebruchs (Totenauferweckung des ermordeten Vaters)

ActJoh 48-54; Hinführung ActJoh

6

ActJoh 56f.

Bargeld nicht akzeptiert (Die Heilung der Söhne des Antipatros)

ActJoh 56f.; Hinführung ActJoh

7

ActJoh 60f.

Der Herr der Wanzen (Die gehorsamen Wanzen)

ActJoh 60f.; Hinführung ActJoh

8

ActJoh 63-86 (insb. 74-84)

»Stirb, damit du lebst!« (Die Totenauferweckungen des Kallimachos, der Drusiana und des Fortunatus)

ActJoh 63-86; Hinführung ActJoh

Wunder in den Akten des Paulus und der Thekla Nr.

Erzählfaden Acta Pauli (nach Papyrus Heidelberg und Papyrus Hamburg)

Titel

Alternative Zählungen in den wichtigsten Ausgaben (Schneemelcher vs. Rordorf/ Cherix/Kasser) Wichtigste alte Handschriften

davon kommentiert im Kompendium

1

ActPl 2

Erweckung eines jungen Mannes durch Paulus in Antiochien (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 2 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl II P.Heid. 1-6 (9-13 C)

Hinführung ActPl

2

ActThecl 1-25 (= ActPl 3,1-25)

Die Feuertaufe der Thekla (Erstes Martyrium der Thekla)

Schneemelcher ActPl 3,1-25 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl III,1-25 P.Heid. 6-20

ActThecl 1-25

3

ActThecl 26-37 (= ActPl 3,2643/4,1-18)

Thekla – die Herrin der Tiere (Zweites Martyrium der Thekla)

Schneemelcher ActPl 3,26-43 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl IV,1-18 P.Heid. 20-28

ActThecl 28-37

4

ActPl 5,1-6

Verschiedene Wunder in Myra (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 4 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl V,1-6 P.Heid. 28-35 (38-40.43-46.49 C)

Hinführung ActPl

5

ActPl 6,1-6

Strafwunder am Apollotempel von Sidon (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 5 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl VI,1-6 P.Heid. 35-39 (49-61 C)

Hinführung ActPl

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen 6

ActPl 7

Dämonenaustreibungen in Tyrus (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 6 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl VII P.Heid. 40 (62 C)

Hinführung ActPl

7

ActPl 9,1-15.22-26

Bestialische Menschen und ein frommes Tier (Löwentaufe und Löwenkampf)

Schneemelcher ActPl 7 + Anhang Rordorf/Cherix/Kasser ActPl IX,1-15.22-26 P.Hamb. 1,3-2,8; 4,6-5,36 (griech.) P.Bod. 41,1-8.14-18 (kopt.)

ActPl 9,115.22-26

8

ActPl 9,16-22

First Lady trifft Paulus (Die Taufe der Artemilla als Mysterieninitiation)

Schneemelcher ActPl 7 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl IX,16-22 P.Hamb. 2,8-4,5; 5,19-36 (griech.) P.Bod. 41,13-14.17-18 (kopt.)

ActPl 9,1621.27f.

ActPl 10,5

Briefwechsel mit den Korinthern (3 Kor) über die Auferstehung mit Beweis nach atl. Wundern

Schneemelcher ActPl 8 Rordorf/Cherix/Kasser X P.Heid. 45-50 P.Bod. 10

Hinführung ActPl

9

ActPl 11

Auferweckung der Phrontina in Philippi (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 8 Rordorf/Cherix/Kasser ActPl XI P.Heid. 41-42 (117-119 C)

Hinführung ActPl

10

ActPl 12

Wunder am Brot beim Abschiedsmahl in Korinth (fragmentarisch)

Schneemelcher ActPl 9 Rordorf/Cherix/Kasser XII,1-6 P.Hamb. 6-7 P.Heid. 51, 52, 71

Hinführung ActPl

11

ActPl 13

Reise nach Italien mit Erscheinung des Auferstandenen und »embedded Gospel« (Wundersummarium und Dialog über Bedeutung der Wunder)

Schneemelcher ActPl 10 Rordorf/Cherix/Kasser XIII P.Hamb. 7-8 P.Heid. 79-80 (129-130 C)

Hinführung ActPl

12

MartPl (= ActPl 14)

Martyrium des Paulus mit diversen Wundern: Milch statt Blut (Tod des Paulus und Erscheinungen des Paulus)

Schneemelcher ActPl 11,1-7 Rordorf/Cherix/Kasser XIV,1-7 P.Hamb. 9-11 P.Heid. 53-58

MartPl 5-7

1010

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

Wunder in Leben und Wunder der Heiligen Thekla Nr.

MirTheclFaden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

MirThecl 1

Zum Schweigen gebracht (Vertreibung des Apollon Sarpedonios aus seinem Heiligtum)

MirThecl 1

2

MirThecl 2

Vertreibung der Athene vom Berg Kokysion

Hinführung MirThecl

3

MirThecl 3

Vertreibung der Aphrodite aus Seleukia

Hinführung MirThecl

4

MirThecl 4

Vertreibung des Zeus aus Seleukia

Hinführung MirThecl

5

MirThecl 5

Rettung Seleukias vor dem Angriff der Hagarener

Hinführung MirThecl

6

MirThecl 6

Bewahrung Ikonions vor Angreifern

Hinführung MirThecl

7

MirThecl 7

Heilung des Bischofs Dexianos von einer Halswirbelverrenkung

Hinführung MirThecl

8

MirThecl 8

Heilung des gebrochenes Beins von Dexianos

Hinführung MirThecl

9

MirThecl 9

Hilfe für Bischof Menodoros in einem Erbstreit

Hinführung MirThecl

10

MirThecl 9

Bewahrung des Menodoros vor einem Hausbrand

Hinführung MirThecl

11

MirThecl 10

In Stein gemeißelt (Wunderbare Bewahrung einer Inschrift)

MirThecl 10

12

MirThecl 11

Die wandernde Geschwulst (Heilung des Aurelios von einem Halstumor)

MirThecl 11

13

MirThecl 12

Heilung des Verfassers von Milzbrand am Zeigefinger

Hinführung MirThecl

14

MirThecl 12

Bewahrung des Verfassers vor Exkommunikation

Hinführung MirThecl

15

MirThecl 13

Unterstützung des Generals Satornilos in Schlachten

Hinführung MirThecl

16

MirThecl 14

Bestrafung des Hypsistios mit Krankheit und spätere Heilung

Hinführung MirThecl

17

MirThecl 15

Thekla setzt die Segel (Rettung von zwei Jünglingen aus Seenot)

MirThecl 15

18

MirThecl 16

Rettung des kaiserlichen Eilboten Ambrosios vor Straßenräubern

Hinführung MirThecl

1011

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen 19

MirThecl 17

Ein kräftiger Tritt von der Märtyrerin (Heilung des zertrümmerten Beins des Steinmetzes Leontius)

MirThecl 17

20

MirThecl 18

Heilung des gebrochenen Beins von Tigriane

Hinführung MirThecl

21

MirThecl 18

Heilung des gebrochenen Beins von Aba Hinführung MirThecl

22

MirThecl 19

Rettung der Bassiane vor Tod im Wasser Hinführung MirThecl

23

MirThecl 20

Abwendung des Generals Bitianos von Prostituierten

24

MirThecl 21

Offenbarung des Verstecks eines gestoh- Hinführung MirThecl lenen Goldbandes

25

MirThecl 22

Wiederbeschaffung eines aus dem Heiligtum gestohlenen Kreuzes

Hinführung MirThecl

26

MirThecl 23

Heilung des erblindeten Pausikakos

Hinführung MirThecl Hinführung MirThecl

Hinführung MirThecl

27

MirThecl 24

Heilung eines erblindeten Jungen

28

MirThecl 25

Heilung zahlreicher Bewohner Seleukias von Augenentzündung

29

MirThecl 26

Wunder in Dalisandos, u.a. Bewahrung der Stadt vor Eroberung

30

MirThecl 27

Bewahrung der Stadt Selinous vor Eroberung

Hinführung MirThecl

31

MirThecl 28

Tod nach Tempelraub (Strafwunder an Dieben aus Laistrygonia)

MirThecl 28

32

MirThecl 29

Tödliches Strafwunder an Bischof Marianos von Tarsus

Hinführung MirThecl

33

MirThecl 30

Verhinderung der Einrichtung einer Grabstätte in der Theklakirche

Hinführung MirThecl

34

MirThecl 31

Ermutigung des Verfassers zur Fortsetzung seines Werks

Hinführung MirThecl

35

MirThecl 32

Verhinderung der Auslagerung des Kirchenschatzes

Hinführung MirThecl

36

MirThecl 33

Tödliches Strafwunder an Orention aus Eirenoupolis

Hinführung MirThecl

37

MirThecl 34

Tödliches Strafwunder an zwei Betrunkenen aus Eirenoupolis

Hinführung MirThecl

38

MirThecl 35

Tödliches Strafwunder an dem Ratsherrn Pappos aus Eirenoupolis

Hinführung MirThecl

39

MirThecl 36

Rettung der Tiere Seleukias vor tödlicher Sommerhitze

Hinführung MirThecl

1012

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19.09.2017 11:37:38

Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen 40

MirThecl 37

Heilung eines reichen Zypriers von Augenkrankheit

41

MirThecl 38

Heilung des Grammatiklehrers Alypios von tödlicher Krankheit

Hinführung MirThecl

42

MirThecl 39

Heilung des Sophisten Isokasios aus Aigai

Hinführung MirThecl

43

MirThecl 40

Heilung des Sophisten Aretarchos von einem Nierenleiden

Hinführung MirThecl

44

MirThecl 41

Heilung des Verfassers von einem Ohrenleiden

Hinführung MirThecl

45

MirThecl 41

Regelmäßige Ermutigung des Verfassers Hinführung MirThecl durch Erscheinungen

46

MirThecl 42

Heilung des entstellten Gesichts der Kalliste

47

MirThecl 43

Wiederbeschaffung des Goldschmucks der Bassiane

48

MirThecl 44

Nicht näher definiertes Wunder an Dosithea

Hinführung MirThecl

49

MirThecl 45

Wunderbare Befähigung der Analpabetin Xenarchis zum Lesen

Hinführung MirThecl

50

MirThecl 46

Nächtliche Umarmung der Asketin Dionysia

Hinführung MirThecl

Hinführung MirThecl

Wunder in den Petrusakten Nr.

ActPetr-Faden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

Kopt. Pap. Berlin 8502, 128

Summarium

Hinführung ActPetr

1

Kopt. Pap. Berlin 8502, 128132, 135-141

Vom Nutzen der Krankheit (Heilung vieler Kranker und Verweigerung der Heilung der Tochter des Petrus)

Kopt. Pap. Berlin 8502, 128-132, 135-141; Hinführung ActPetr

2

Ps.-Titus, De dispositione sanctimonii, Z. 83ff.

Auferweckung der Tochter des Gärtners durch Petrus

Hinführung ActPetr

3

ActPetr 1-3

Oder wollt ihr, dass es euch geht wie Rufina? (Paulus in Rom, Strafwunder an Rufina beim Abendmahl)

ActPetr 1-3; Hinführung ActPetr

1013

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen 4

ActPetr 4

»Die Stadt ist zu klein für uns beide!« (Wunder des Petrus und Zauberei Simons)

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

5

ActPetr 5

Wunder auf der Seereise des Petrus nach Rom

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

6

ActPetr 9.12

Erste Begegnung mit Simon Magus: Ein sprechender Wachhund predigt dem Simon Magus

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

7

ActPetr 11

Dämonenaustreibung und Wiederherstellung einer zerbrochenen Statue im Haus des Marcellus

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

8

ActPetr 13

Erste Begegnung mit Simon Magus: Ein geräucherter Fisch wird wieder lebendig

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

9

ActPetr 15

Erste Begegnung mit Simon Magus: Ein sprechender Säugling predigt dem Simon Magus

ActPetr 4-15; Hinführung ActPetr

10

ActPetr 16

Die Matrone Eubola und der Perlenraub: reich – gerettet – diakonisch (Der Sieg des Petrus über Simon in Judäa) Erscheinung des Auferstandenen vor Petrus

ActPetr 16-18; Hinführung ActPetr

11

ActPetr 17f.

Auffindung des durch Simon gestohlenen Besitzes der Eubola

ActPetr 16-18; Hinführung ActPetr

12

ActPetr 19-21

Viermal wunderbares Sehen: Gott sorgt überall für die Seinen (Wunder im Hause des Marcellus)

ActPetr 19-22; Hinführung ActPetr

13

ActPetr 25-29

Tod oder Leben – wer hat das letzte Wort? (Eine dreifache Totenerweckung auf dem Forum Iulium; Wunder während des Kampfes mit Simon)

ActPetr 25-29; Hinführung ActPetr

ActPetr 29

Summarium

ActPetr 25-29; Hinführung ActPetr

ActPetr 30-32

Missglückte Himmelfahrt (Letzte Auseinandersetzung mit Simon)

ActPetr 30-32; Hinführung ActPetr

ActPetr 31

Summarium

Hinführung ActPetr

14

1014

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

Wunder in den Thomasakten Nr. ActThom-Faden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

ActThom 6-9

Die kommende Welt schlägt zurück (Strafe des Mundschenks)

ActThom 6-9; Hinführung ActThom

2

ActThom 21f.

Auferweckung des verstorbenen Bruders des Königs

3

ActThom 31-33

Geplatzt vor Bosheit! (Himmlischer Bräutigam besiegt altbösen Feind)

ActThom 31-33; Hinführung ActThom

4

ActThom 39-41

Das sprechende Eselsfüllen

Hinführung ActThom

5

ActThom 42-50

Thomas und der dämonische Lüstling (Dämonenvertreibung)

ActThom 42-50; Hinführung ActThom

6

ActThom 51f.

Die verdorrten Hände des Mörders

ActThom 53f.; Hinführung ActThom

7

ActThom 53f.

Beziehungsstress, Mord – und ein Happy End ActThom 53f.; (Die Auferweckung eines ermordeten jungen Hinführung ActThom Mädchens)

8

ActThom 65.7577.80f.

Die schwarzen Dämonen

ActThom 68-81

9

ActThom 68-81

»Du wirst große Wunder sehen!« (Wildesel, Exorzismus und Erweckung)

ActThom 68-81

10

ActThom 119-122

Das Siegel öffnet für das Heil (Das Türöffnungswunder mit Mygdonias Taufe)

ActThom 119-122; Hinführung ActThom

11

ActThom 140f.

Überschwemmung während der Folter des Apostels

12

ActThom 154

Ausbruch aus den Kerkern – Fluchthelfer ungesehen wieder verschwunden (Der unsichtbare Jüngling)

ActThom 154; Hinführung ActThom

13

ActThom 170

Knochen und Staub: die Kraft der heiligen Reliquien (Heilung des Sohnes)

ActThom 170; Hinführung ActThom

1015

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

Wunder in den Andreasakten Nr.

Stelle

Titel

davon kommentiert im Kompendium

Gregor von Tours, Liber de miraculis 1

ActAndr(Greg) 4

Die Mutter des Sostratus

Hinführung

2

ActAndr(Greg) 5

Geh weg von dem Diener Gottes! (Dämonenaustreibung und die Heilung einer ganzen Familie)

ActAndr(Greg) 5

3

ActAndr(Greg) 6

Sieben Dämonen werden in Hunde verändert in Nizäa

Hinführung

4

ActAndr(Greg) 7

Auferweckung des Sohns des alten Ehepaars in Nikomedien

Hinführung

5

ActAndr(Greg) 8

Sturmstillung am Meer

6

ActAndr(Greg) 9

Engel schützt Andreas vom bewaffneten Trupp

7

ActAndr(Greg) 12

»Unser Sohn ist Magier geworden!« (Wunderbare Brandlöschung in Philippi)

ActAndr(Greg) 12

8

ActAndr(Greg) 13

Die Heilung des Adimantus in Thessalonich

Hinführung

9

ActAndr(Greg) 14

Auferweckung eines Knaben in Thessalonich

Hinführung

10

ActAndr(Greg) 15

Heilung des Sohns des Medias in Philippi

Hinführung

11

ActAndr(Greg) 15

Der Sohn des Medias heilt im Namen Gottes

12

ActAndr(Greg) 16

Heilung der Tochter von Nicolaus

Hinführung

1016

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

13

ActAndr(Greg) 17

Entdämonisierung eines Knaben

14

ActAndr(Greg) 18

Auferweckung eines Soldaten und des Sohns des Prokonsuls Virinus

15

ActAndr(Greg) 19

Die Frau des Virinus erweckt ein Kind

16

ActAndr(Greg) 22

Summarium (viele Wunder des Andreas in Patras)

17

ActAndr(Greg) 23

Eine verhängnisvolle Affäre (Bestrafung und Auferweckung der Frau des Lesbius)

ActAndr(Greg) 23

18

ActAndr(Greg) 24

Totenerweckungen als Mittel zum Zweck (Die Auferweckung von 1 + 39 Toten)

ActAndr(Greg) 24

19

ActAndr(Greg) 25

Geburtswunder der Mätresse des Mörders (Abtreibung des vom Mörder empfangenen Fötus)

ActAndr(Greg) 25

20

ActAndr(Greg) 27

Zwei Exorzismen in einem Bad

Hinführung

21

ActAndr(Greg) 28

Heilung des alten Nicolaus in Sparta; Macht des Evangelienbuches

Hinführung

22

ActAndr(Greg) 29

Die Austreibung der Dämonen aus dem Haushalt des Antiphanes (Dämonenaustreibung in Megara)

ActAndr(Greg) 29

23

ActAndr(Greg) 30

Heilung der Maximilla in Patras

24

ActAndr(Greg) 31

Heilung eines Gelähmten

Hinführung

1017

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

25

ActAndr(Greg) 32

Heilung einer blinden Familie

Hinführung

Martyrium des Andreas 1

MartAndr 2-5

Stärker als Herkules! (Heilung des besessenen Sklaven des Stratokles)

MartAndr 2-5

2

MartAndr 13

Rettung der Christen vom Palast des Aigeates

Hinführung

3

MartAndr 59

»… leere Worte« (Andreas’ Rede vom Kreuz)

MartAndr 59

Akten des Andreas und Matthias 1

ActAndrMatt 3

Heilung der Blindheit des Matthias im Gefängnis

2

ActAndrMatt 5

Jesus und zwei Engel erscheinen als Kapitän und Mannschaft des Schiffes

Hinführung

3

ActAndrMatt 12-15

Jesus und die Sphinx

Hinführung

4

ActAndrMatt 16

Engel bringen Andreas und die Jünger zur Stadttor von Myrmidonien

Hinführung

5

ActAndrMatt 18

Käpt’n Jesus, das Kind (Jesus erscheint in vielen Gestalten)

ActAndrMatt 18

6

ActAndrMatt 19-21

Rettung vom Gefängnis der Kannibalen und Heilung der blinden Gefangenen

Hinführung

7

ActAndrMatt 22-23

Versteinerte Hände und nutzlose Schwerter: Wenn Empathie Unmenschlichkeit entwaffnet (Strafwunder an den Menschenfressern)

ActAndrMatt 2223

1018

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

8

ActAndrMatt 27-28

Bäume wachsen aus dem Fleisch von Andreas

Hinführung

9

ActAndrMatt 29-32

Ein apostolischer Streich mit dem Sintflutwasser (Strafwunder durch Flut aus Statue und Auferweckung der Toten)

ActAndrMatt 2932

10

ActAndrMatt 33

Jesus erschient vor Andreas als Kind

Akten des Petrus und des Andreas 1

ActPetrAndr 3-7

»Selbstwachsende Saat« vorgeführt (Gesätes Korn wächst und reift in wenigen Stunden)

ActPetrAndr 3-5

2

ActPetrAndr 7-12, 22-23

Nackte Frau bleibt in der Luft hängen

Hinführung

3

ActPetrAndr 13-21

Showdown im »Zirkus Petrus« (Kamel geht durch Nadelöhr)

ActPetrAndr 13-21

Wunder in den Philippusakten Nr.

Stelle

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

ActPhil 1

Auferweckung des Sohns der Witwe

Hinführung ActPhil

2

ActPhil 2

Strafwunder gegen Ananias und seine fünfhundert Begleiter. Jesus erscheint in Lichtgestalt. Die Götzenbilder Athens zerbrechen

Hinführung ActPhil

3

ActPhil 3

Kreuzförmiger Adler und leuchtendes Siegel (Sturmstillung und sprechender Adler)

ActPhil 3,5-19

1019

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

4

ActPhil 4

Die Erscheinung Jesu als schönes Kind. Die Heilung von Charitines Auge

Hinführung ActPhil

5

ActPhil 6

Sieg durch Wunder (Totenerweckung in Nikatera)

ActPhil 6,16-20

6

ActPhil 8

Ein veganes Evangelium für Tiere (Bekehrung des Leoparden und der jungen Ziege)

ActPhil 8,16-21

7

ActPhil 9

Vernichtung des Drachen und der Schlangen mit kreuzförmig verteiltem Wasser aus dem Kelch der Eucharistie

Hinführung ActPhil

8

ActPhil 11

Der Schwarze Drache und fünfzig Schlangen enthüllen sich und helfen beim Kirchenbau

Hinführung ActPhil

9

ActPhil 12

Der Leopard und die Ziege können sprechen und auf zwei Beinen laufen

Hinführung ActPhil

10

ActPhil 13

Sieg über die Schlangen von Opheorymos

Hinführung ActPhil

11

ActPhil 14

Heilkräftige Schmiere (Wunder in Opheorymos. Die Heilung des blinden Stachys mit Mariamnes Speichel)

ActPhil 14,1-7

12

ActPhil 15

Ein Lorbeerbaum wächst aus Philippus’ Stab. Philippus verteilt Korn, Wein und Öl. Die Gefäße leeren sich nicht

Hinführung ActPhil

13

MartPhil 20

Eine Feuerwolke schützt Mariamne

Hinführung ActPhil

14

MartPhil 25

Lähmung des Soldaten

Hinführung ActPhil

15

MartPhil 27-32

Die Erde verschluckt den Tempel der Viper mit ihren Priestern und Verehrern

Hinführung ActPhil

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Liste der Wundererzählungen nach Quellenbereichen

Wunder in den Barnabasakten Nr.

ActBarnFaden

Titel

davon kommentiert im Kompendium

1

15

Streetworker im Auftrag des Herrn (Barnabas heilt durch Handauflegung und mit einer Kopie des Matthäusevangeliums)

ActBarn 15

2

19

Gottloser Wettlauf in die Zerstörung (Barnabas lässt ein Stadion einstürzen)

ActBarn 19

20

Rückverweis auf die Heilung des Aristoklianos von Aussatz

Hinführung ActBarn

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Die Autorinnen und Autoren Andrea Ackermann, Dipl.-Theol., geb. 1981, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Katholisch-Theologischen Fakultät und Projektmitarbeiterin am Gesangbucharchiv der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Soham Al-Suadi, Prof. Dr., geb. 1980, Professorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock. Martin Bauspiess, Dr., geb. 1977, Pfarrer der Württembergischen Landeskirche. Lukas Bormann, Prof. Dr., geb. 1962, Professor für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. István Czachesz, Prof. Dr., geb. 1968, Professor für Bibelwissenschaft an der Universität Tromsø (Norwegen). Marietheres Döhler, Dr. des., geb. 1977, Lehrbeauftragte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Detlev Dormeyer, Prof. (em.) Dr., geb. 1942, lehrte als Professor für Katholische Theologie Neues Testament an den Universitäten Münster und Dortmund. Charlotte Dötzkirchner, geb. 1985, Pfarrerin der Evangelischen Landeskirche der Pfalz. Kristina Dronsch, Dr., geb. 1971, Dozentin für Neues Testament, Exegese und Ethik am Wichern-Kolleg des Johannesstifts in Berlin. Eva Ebel, Prof. Dr., geb. 1971, Dozentin für Didaktik des Faches »Religion und Kultur« und religiöse Grundfragen am Institut Unterstrass an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Kurt Erlemann, Prof. Dr., geb. 1958, Professor für Neues Testament und Alte Kirche am Fachbereich Evangelische Theologie der Bergischen Universität Wuppertal. Elisabeth Esch-Wermeling, Dr., geb. 1977, Studienrätin am Pascal-Gymnasium in Münster mit den Fächern Französisch und katholische Religion. Niclas Förster, PD Dr., geb. 1967, Privatdozent für Neues Testament und hellenistisches Judentum an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Hochschulpastor in Hannover. Jörg Frey, Prof. Dr., geb. 1962, Professor für Neues Testament mit den Schwerpunkten Antikes Judentum und Hermeneutik an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich (Schweiz). Georg Gäbel, Dr., geb. 1969, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Akademie-Projekt Novum Testamentum Graecum – Editio Critica Maior am Institut für neutestamentliche Textforschung der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Meghan Henning, Dr., geb. 1982, Assistant Professor of Christian Origins, University of Dayton, Dayton, Ohio (Vereinigte Staaten von Amerika).

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Die Autorinnen und Autoren

Matthias Hoffmann, Dr., geb. 1969, Habilitand an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Friedrich W. Horn, Prof. Dr., geb. 1953, Professor für Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Heike Hötzinger, Dr., geb. 1977, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für katholische Theologie der Universität Regensburg. Anders Klostergaard Petersen, Prof. Dr., geb. 1969, Professor für Religionswissenschaft an der Universität Aarhus (Dänemark). Bernd Kollmann, Prof. Dr., geb. 1959, Professor für Neues Testament an der Philosophischen Fakultät (Seminar für Evangelische Theologie) der Universität Siegen. Markus Lau, Dr., geb. 1977, Oberassistent am Department für Biblische Studien, Neues Testament, an der Universität Fribourg. Claudia Losekam, Dr., geb. 1961, Lehrbeauftragte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Susanne Luther, Dr., geb. 1979, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Neues Testament der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dennis R. MacDonald, Prof. Dr., geb. 1946, John Wesley Professor of New Testament an der Claremont School of Divinity und Professor of Religion sowie Direktor des Institute for Antiquity and Christianity an der Claremont Gradate University, Claremont, Californien (Vereinigte Staaten von Amerika). Christopher R. Matthews, Prof. Dr., geb. 1952, Research Professor of New Testament am Boston College, School of Theology and Ministry, Massachusetts (Vereinigte Staaten von Amerika) und Herausgeber der New Testament Abstracts. Annette Merz, Prof. Dr., geb. 1965, Professorin für Neues Testament an der Protestantisch-Theologischen Universität Amsterdam und Groningen (Niederlande). Paul Metzger, Dr., geb. 1973, Pfarrer der Evangelischen Kirche der Pfalz. Magda Misset-van de Weg, Dr., geb. 1943, war bis zu ihrer Pensionierung Lecturer für Neues Testament an der Protestantisch-Theologischen Universität Kampen (Niederlande). Andreas Müller, Prof. Dr., geb. 1966, Professor für Kirchen- und Religionsgeschichte des 1. Jahrtausends an der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Andrzej Najda, Prof. Dr., geb. 1971, Professor für Biblische Theologie an der Kardinal Stefan Wyszyński Universität in Warschau (Polen). Livia Neureiter, Dr., geb. 1975, Hochschullehrperson an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Graz (Österreich). Tobias Nicklas, Prof. Dr., geb. 1967, Professor für Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments an der Fakultät für katholische Theologie der Universität Regensburg. 1024

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Die Autorinnen und Autoren

Veronika Niederhofer, Dr., geb. 1986, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für katholische Theologie der Universität Regensburg. Friederike Oertelt, Dr., geb. 1979, Assistentin für Neues Testament an der Theologischen Hochschule Augustana, Neuendettelsau. Heike Omerzu, Prof. Dr., geb. 1970, Professorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Kopenhagen (Dänemark). Almuth Peiper, Dipl. theol., geb. 1985, Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Richard I. Pervo, Prof. Dr., 1942-2017, war zuletzt Professor am Department of Classical and Near Eastern Studies an der University of Minnesota (Vereinigte Staaten von Amerika). Uwe-Karsten Plisch, Dr., geb. 1965, Referent für Theologie, Hochschul- und Genderpolitik, Evangelische StudentInnengemeinde in der Bundesrepublik Deutschland. Enno Edzard Popkes, Prof. Dr., geb. 1969, Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Uta Poplutz, Prof. Dr., geb. 1971, Professorin für Biblische Theologie mit dem Schwerpunkt Neues Testament (Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften, Katholische Theologie) an der Bergischen Universität Wuppertal. Hanna Roose, Prof. Dr., geb. 1967, Professorin für Praktische Theologie/Religionspädagogik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Martin G. Ruf, Dr., geb. 1967, Lehrer für Alte Sprachen und Französisch am Gemeentelijk Gymnasium Hilversum (Niederlande). Eckart D. Schmidt, Dr., geb. 1969, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Neues Testament der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Christian Schramm, Dr., geb. 1977, Dozent für theologische Fortbildung (Schwerpunkt: Biblische Theologie) und Leiter der Bibelschule Hildesheim an der Arbeitsstelle für pastorale Fortbildung und Beratung sowie am Bischöflichen Priesterseminar Hildesheim. Außerdem Diözesanleiter des Katholischen Bibelwerks im Bistum Hildesheim. Julia Snyder, Dr., geb. 1980, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für katholische Theologie der Universität Regensburg. Michael Sommer, Prof. Dr., geb. 1984, Juniorprofessor für Biblische Wissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Janet E. Spittler, Dr., geb. 1976, Assistant Professor of Religious Studies an der University of Virginia, Charlottesville, Virginia (Vereinigte Staaten von Amerika). Michael Theobald, Prof. (em.) Dr., geb. 1948, lehrte Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

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Die Autorinnen und Autoren

Wolfgang v. Ungern-Sternberg, Dr., geb. 1971, Pfarrer der Reformierten Kirche Aargau (Schweiz). Pieter Willem van der Horst, Prof. (em.) Dr., geb. 1946, emeritierter Professor für Neues Testament, die frühchristliche Literaturgeschichte und die jüdische und griechisch-römische Umwelt des antiken Christentums an der Universiteit Utrecht (Niederlande). Er ist seit 1994 Mitglied der Königlichen Niederländischen Akademie der Wissenschaften. Karl Weyer-Menkhoff, Dr., geb. 1983, Gymnasiallehrer für Ev. Religion, Griechisch, Latein und Geschichte in Düsseldorf. Dirk Wördemann, PD Dr., geb. 1965, Privatdozent für Neues Testament an der Stiftung Universität Hildesheim, Fachleiter am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Arnsberg und Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Dortmund. Ruben Zimmermann, Prof. Dr., geb. 1968, Professor für Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Research Associate am Departement of Old and New Testament Studies der University of the Free State, Bloemfontein (Südafrika).

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Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur Im Folgenden ist Literatur aufgelistet, die in den Kommentaren zu einzelnen Wundererzählungen verwendet wurde und dort abgekürzt in Klammern z.B. (Theißen 1998, 100) erscheint. Das Gesamtliteraturverzeichnis dient hierbei der Entlastung der einzelnen Artikel. Es soll nicht als umfassendes Literaturverzeichnis zum Thema »Wundererzählungen« missverstanden werden. Eine Auswahl maßgeblicher Monographien und Aufsätze hierzu ist im Anschluss an die Gesamteinleitung zu Band 1 des Wunderkompendiums (Zimmermann 2013a, 64-67) sowie zu diesem Band (Zimmermann, Wundererzählungen in den Akten der Apostel – eine Hinführung) aufgelistet. Zentrale und weiterführende Beiträge zu einzelnenWundererzählungen finden sich am Ende jedes einzelnen Beitrags (Literatur zum Weiterlesen).

F. M. Abel (1925), Chroniques. In: RB 34, 267-282. H. Achelis/J. Flemming (1904) (Hg.), Die syrische Didaskalia. TU 25 NF 10. Leipzig: Hinrichs. P. J. Achtemeier (2008), Jesus and the Disciples as Miracle-Workers in the Apocryphal New Testament. In: P. L. Achtemeier, Jesus and the Miracle Tradition. Eugene, OR: Wipf & Stock, 163-192 (zuerst in: E. Schüssler Fiorenza [Hg.] [1976], Aspects of Religious Propaganda in Judaism and Early Christianity. University of Notre Dame Center for the Study of Judaism and Christianity in Antiquity 2. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press, 149-186). T. Adamik (1996), The Baptized Lion in the Acts of Paul. In: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Paul and Thecla. Kampen: Kok Pharos, 60-74. T. Adamik (1998), The Image of Simon Magus in the Christian Tradition. In: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism. SAAA 3. Leuven: Peeters, 52-64. T. Adamik (2000a), Eroticism in the Acts of Andrew. In: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew. SAAA 5. Leuven: Peeters, 52-65. T. Adamik (2000b), Eroticism in the Liber de miraculis beati Andreae apostoli of Gregory of Tours. In: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Andrew. SAAA 5. Leuven: Peeters, 35-46. T. Adamik (2001), The Serpent in the Acts of Thomas. In: J. N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Thomas. SECA 6. Leuven: Peeters, 115-124. J. Ådna (1999), Jerusalemer Tempel und Tempelmarkt im 1. Jahrhundert n. Chr. ADPV 25. Wiesbaden: Harrassowitz. K. Aland (1979), Die Stellung der Kinder in den frühen christlichen Gemeinden. In: K. Aland (Hg.), Neutestamentliche Entwürfe. München: Kaiser, 198-232. L. Albinus (1998), Oldgræsk dæmonologi. Fra beretning til begrundelse. En religionshistorisk undersøgelse. 2 Bde. Aarhus: Det Teologiske Fakultet. M. von Albrecht u.a. (2002) (Hg.), Jamblich, Pythagoras. Legende, Lehre, Lebensgestaltung. Griechisch und deutsch. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von M. von Albrecht, J. Dillon, M. George, M. Lurje, D. S. du Toit. Sapere 4. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. R. Albrecht (1986), Das Leben der heiligen Makrina auf dem Hintergrund der Thekla-Traditionen. Studien zu den Ursprüngen des weiblichen Mönchtums im 4. Jahrhundert in Kleinasien. FKDG 38. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

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Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur

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Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur

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Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur

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B. Kollmann (2011b), Einführung in die neutestamentliche Zeitgeschichte. 2. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. B. Kollmann (2013), Die Berufung und Bekehrung zum Heidenmissionar. In: F. W. Horn (Hg.), Paulus-Handbuch. Tübingen: Mohr Siebeck, 80-90. B. Kollmann/W. Deuse (2007) (Hg.), Alexander Monachus. Laudatio Barnabae. Lobrede auf Barnabas. Eingel. v. B. Kollmann. FChr 46. Turnhout: Brepols. B. Kollmann/R. Zimmermann (2014) (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven. WUNT 339. Tübingen: Mohr Siebeck. J. Kollwitz (1933), Die Lipsanothek zu Brescia. Studien zur spätantiken Kunstgeschichte 7. Berlin/Leipzig: Walter de Gruyter. N. Koltun-Fromm (2010), Hermeneutics of Holiness. Ancient Jewish and Christian Notions of Sexuality and Religious Community. Oxford: Oxford University Press. H.-B. Köppen/M. Lau/C. Schramm (2009) (Hg.), Anfang ist jetzt. Junge Christen lesen die Apostelgeschichte. Freiburg u.a.: Herder. E. Kornemann (1901), Art. Curatores. In: PRE 4.2, 1774-1813. A. Koschorke (2012), Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer allgemeinen Erzähltheorie. Frankfurt am Main: Fischer. E. Koskenniemi (2005), The Old Testament Miracle-Workers in Early Judaism. WUNT 2. Reihe 206. Tübingen: Mohr Siebeck. R. Kotansky (2002), An Early Christian Gold Lamella for Headache. In: P. Mirecki/M. Meyer (Hg.), Magic and Ritual in the Ancient World. Leiden: Brill, 37-46. C. Koukouli-Chrysantaki (1998), Colonia Iulia Augusta Philippensis. In: C. Bakirtzis/H. Koester (Hg.), Philippi at the Time of Paul and after his Death. Harrisburg, PA: Trinity Press, 5-35. B. Kowalski (2005), Der Fenstersturz in Troas (Apg 20,7-12). In: SNTU 30, 19-37. R. S. Kraemer (1992), Her Share of the Blessings. Women’s Religions among Pagans, Jews, and Christians in the Greco-Roman World. Oxford: Oxford University Press. R. S. Kraemer (1998), Rufina and Her Sisters. Jewish Women in Diaspora. In: J. Baskin (Hg.), Jewish Women in Historical Perspective. 2. Aufl. Detroit, MI: Wayne State University Press, 46-72. H. Kraft (2012) (Hg.), Eusebius von Caesarea. Kirchengeschichte. 6. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. J. Kramer (1995), Art. κράβατος, κραβάτιον und Verwandtes in den Papyri. In: APF 41/2, 205-216. R. Kratz (1979), Rettungswunder. Motiv-, traditions- und formkritische Aufarbeitung einer biblischen Gattung. EHS.T 23/123. Frankfurt am Main: Lang. R. Kratz (1991), Art. Gefängnis. In: NBL 1, 756-757. R. Kratz (1992a), Art. θύρα. In: EWNT2 2, 397-399. R. Kratz (1992b), Art. φυλακή. In: EWNT2 3, 1055-1057. B. Kratzmüller (2002), »Frauensport« im antiken Athen? Die Darstellungen sich körperlich betätigender Frauen als Abbild der Einstellung einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft zum weiblichen Geschlecht. In: A. Krüger/W. Buss (Hg.), Transformationen. Kontinuitäten und Veränderungen in der Sportgeschichte 1. NISH 16. Hoya: NISH, 171-181.

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setzt und erläutert von A. Lambert. BAW. Zürich/Stuttgart: Artemis. J. Lambrecht (2003), The Lame Man’s Trust or Peter’s Faith? (Acts 3,12-16). In: J. Lambrecht (Hg.), Understanding What One Reads. New Testament Essays. ANL 46. Leuven: Peeters, 125-131. E. Lämmert (1993), Bauformen des Erzählens. 8. Aufl. Stuttgart: Metzler. P. Lampe (1989), Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. WUNT 2. Reihe 18. 2. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck. P. Lampe (1992), Acta 19 im Spiegel der ephesischen Inschriften. In: BZ 36, 59-76. B. Lang (2015), Die Taten des Petrus, übers. und eingel. von B. Lang. Kleine Bibliothek der antiken jüdischen und christlichen Literatur. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. A. Lange/H. Lichtenberger/K. F. D. Römheld (2003) (Hg.), Die Dämonen. Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen Literatur im Kontext ihrer Umwelt. Tübingen: Mohr Siebeck. C. Lange (2008), Gestalt und Deutung der christlichen Initiation in der Alten Kirche. In: C. Lange u.a. (Hg.), Die Taufe. Einführung in Geschichte und Praxis. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1-28. F. Lapham (2003), Peter. The Myth, the Man and the Writings. A Study of Early Petrine Text and Tradition. JSNT.S 239. London/Sheffield: T&T Clark. W. J. Larkin (1995), Acts. The IVP New Testament Commentary Series 5. Downers Grove, IL: InterVarsity Press. K. B. Larsen (2008), Recognizing the Stranger. Recognition Scenes in the Gospel of John. BIS 93. Leiden/Boston, MA: Brill. M. Lattke (2011), Die Oden Salomos. Griechisch-koptisch-syrisch mit deutscher Übersetzung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. V. Lawson (2005), Tabitha of Joppa. Disciple, Prophet and Biblical Prototype for Contemporary Religious Life. In: R. M. Chennattu/M. L. Coloe (Hg.), Transcending Boundaries. Contemporary Readings of the New Testament. Roma: Libreria Ateneo Salesiano, 281-292. H. Le Cornu/J. Shulam (2003), A Commentary on the Jewish Roots of Acts. Jerusalem: Academon. A. Le Donne (2013), The Improper Temple Offering of Ananias and Sapphira. In: NTS 59, 346-364. T. J. Leary (1990), Art. The ›aprons‹ of St Paul. Acts 19:12. In: JThS 41, 527-529. M. Lechner (2012), Art. Paulus. In: LCI 8, 128-147. H. Leclercq (1953), Art. Thècle (sainte). In: DACL 15.2, 2225-2236. J. Leibbrand (1994), Art. Thekla von Ikonium. In: LCL 8, 432-436. J. Leipold (1954), Art. Buch II, A II/B. In: RAC 2, 696-717. H. Leisegang (1939), Das Mysterium der Schlange. Ein Beitrag zur Erforschung des griechischen Mysterienkultes und seines Fortlebens in der christlichen Welt. In: ErJb 7, 151-250. L. Leloir (1986), Ecrits Apocryphes sur les Apôtres. Traduction de l’Édition Arménienne de Venise. Bd. 1. Pierre, Paul, André, Jacques, Jean. CCSA 3. Turnhout: Brepols. H. L. Lenfesty (2011), Reputational Concerns as a Modifier of Socio-Moral Disgust. Unveröffentlichtes Manuskript. C. Leonhard/H. Löhr (2014) (Hg.), Literature or Liturgy? Early Christian Hymns and Prayers in Their Literary and Liturgical Context in Antiquity. WUNT 2. Reihe 363. Tübingen: Mohr Siebeck.

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Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur

veränderter Nachdr. in: W. Schneemelcher [1974], Gesammelte Aufsätze zum NT und zur Patristik. Hg. v. W. Bienert und K. Schäferdiek. Analecta Vlatadon 22. Thessaloniki: Patriarchial Institute for Patristic Studies, 223-239). W. Schneemelcher (1990), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. Bd. 1: Evangelien. Tübingen: Mohr Siebeck. W. Schneemelcher (1997a) (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen. Bd. 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes. 6. Auf. Tübingen: Mohr Siebeck (entspricht der 5. Auflage, Tübingen: Mohr Siebeck, 1989 und der Studienausgabe Tübingen: Mohr Siebeck, 1999). W. Schneemelcher (1997b), Petrusakten. In: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen. Bd. 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes. 6. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck, 243-289. W. Schneemelcher/R. Kasser (1997), Paulusakten. In: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen. Bd 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes. 6. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck, 193-243. W. Schneemelcher/K. Schäferdiek (1997), Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts. Einleitung. In: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. Bd. 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes. 6. Aufl. Tübingen: Mohr, 71-93. G. Schneider (1980), Die Apostelgeschichte. Bd 1: Einleitung. Kommentar zu Kap. 1,1-8,40. HThK 5. Freiburg u.a.: Herder. G. Schneider (1982), Die Apostelgeschichte. Bd. 2: 9,1-28,31. HThK 5,2. Freiburg u.a.: Herder. H. Schneider (2001), Thekla und die Robben. In: VigChr 55, 45-57. U. Schnelle (2007), Theologie des Neuen Testaments. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. U. Schnelle (2010), Die Johannesbriefe. ThHK 17. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. U. Schnelle (2013), Einleitung in das Neue Testament. 8. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. J. Schniewind (1956), Das Evangelium nach Markus. NTD 1. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. C. Schnurr-Redford (2000), Weissagung und Macht. Die Pythia. In: T. Späth/B. Wagner-Hasel (Hg.), Frauenwelten in der Antike. Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 132-146. E. J. Schochet (1984), Animal Life in Jewish Tradition. Attitudes and Relationships. New York, NY: Ktaw. W. R. Schoedel (1985), Ignatius of Antioch. A Commentary on the Seven Letters of Ignatius. Hermeneia 81. Minneapolis, MN: Fortress Press. G. Scholem (2015), Zur Kabbala und ihrer Symbolik. stw 13. 14. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. G. Schöllgen (1984), Ecclesia sordida? Zur Frage der sozialen Schichtung frühchristlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit Tertullians. JbAC.E 12. Münster: Aschendorff. G. Schöllgen (1995). Art. Gangra. In: LThK 4, 289. G. Schöllgen (1998), Die Anfänge der Professionalisierung des Klerus und das kirchliche Amt in der syrischen Didaskalie. JbAC.E 26. Münster: Aschendorff.

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Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur

Kontexte und Normen neutestamentlicher Ethik/Contexts and Norms of New Testament Ethics 4. WUNT 313. Tübingen: Mohr Siebeck, 3-27. R. Zimmermann (2014a), Von der Wut des Wunderverstehens. Grenzen und Chancen einer Hermeneutik der Wundererzählungen. In: B. Kollmann/R. Zimmermann, Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven. WUNT 339. Tübingen: Mohr Siebeck, 27-52. R. Zimmermann (2014b), Gattung »Wundererzählung«. Eine literaturwissenschaftliche Definition. In: B. Kollmann/R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven. WUNT 339. Tübingen: Mohr Siebeck, 311-343. R. Zimmermann (2014c), Phantastische Tatsachenberichte?! Wundererzählungen im Spannungsfeld zwischen Historiographie und Phantastik. In: B. Kollmann/R. Zimmermann (Hg.), Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven. WUNT 339. Tübingen: Mohr Siebeck, 469-494. R. Zimmermann u.a. (2007) (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. R. Zimmermann u.a. (2013) (Hg.), Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen. Bd. 1: Die Wunder Jesu. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. F. Zipfel (2001), Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. Analysen zur Fiktion in der Literatur und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft. Allgemeine Literaturwissenschaft 2. Berlin: Erich Schmidt. J. Zmijewski (1994), Die Apostelgeschichte. RNT 5. Regensburg: Pustet. J. Zwicker (1921), Art. Sarpedon 4. In: RE II A1, 35-47. O. Zwierlein (2010a), Der Briefwechsel der Korinther mit dem Apostel Paulus (3Kor) im Papyrus Bodmer X und die apokryphen Paulusakten. In: ZPE 175, 73-97. O. Zwierlein (2010b), Petrus in Rom. Die literarischen Zeugnisse mit einer kritischen Edition der Martyrien des Petrus und Paulus auf neuer handschriftlicher Grundlage. UALG 96. 2. Aufl. Berlin/New York, NY: Walter de Gruyter. O. Zwierlein (2011), Petrus in Rom? Die literarischen Zeugnisse. In: S. Heid (Hg.), Petrus und Paulus in Rom. Eine interdisziplinäre Debatte. Freiburg: Herder, 444-467. O. Zwierlein (2013), Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom. Vom Neuen Testament zu den Apokryphen Apostelakten. UaLG 109. Berlin/Boston, MA: Walter de Gruyter. R. Zymner (2003), Gattungstheorie. Probleme und Positionen der Literaturwissenschaft. Paderborn: Mentis. R. Zymner (2010) (Hg.), Handbuch Gattungstheorie. Stuttgart: Metzler.

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Abkürzungsverzeichnis ActAndr(Greg) Andreasakten (Gregor von Tours) ActAndrMatt Andreas- und Matthiasakten ActBarn Barnabasakten ActJoh Johannesakten ActMarMag Akten der Maria Magdalena ActMarc Markusakten ActNerAch Nereus- und Achilleusakten ActPetr Petrusakten ActPetrAndr Petrus- und Andreasakten ActPetrPl Petrus- und Paulusakten ActPetrXIIApost Akten des Petrus und der zwölf Apostel ActPhil Philippusakten ActPl Paulusakten ActPlThecl Paulus- und Theklaakten ActThecl Theklaakten ActThom Thomasakten ActTit Titusakten ActusPt Die Tat des Petrus, BG 4 (Kopt. Pap. Berlin 8502,4) ActVerc Actus Vercellenses Ad Her. Rhetorica ad Herennium Ael. Arist. or. Aelius Aristides, Orationes Ael. ep. Aelianus, Epistulae Ael. nat. Aelianus, De Natura Animalium Ael. Var. Hist. Aelianus, Varia Historia AL Abgarlegende Alex. Mon. Laud. Barn. Alexander Monachus, Laudatio Barnabae Ambr. ep. Ambrosius, Epistulae Ambr. off. Ambrosius, De officiis ministrorum Ambr. patr. Ambrosius, De patriarchis Ambr. sacr. Ambrosius, De sacramentis Amm. Ammianus Marcellinus, Res Gestae Anth. Graec. Anthologia Graeca Anton. ep. Antonius, Epistulae ApkEl Elia-Apokalypse ApkMos Mose-Apokalypse ApkPetr Petrus-Apokalypse Apollon. Hist. mirab. Apollonius, Historiae mirabiles App. Bell. Civ. Appianus, Bella Civilia Apul. apol. Apuleius, Apologia Apul. Mag. Apuleius, De magia Apul. Met. Apuleius, Metamorphosen Aret. morb. chron. Aretaeus, De causis et signis morborum chronicorum Ar. Eq. Aristophanes, Equites Ar. Ra. Aristophanes, Ranae

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Abkürzungsverzeichnis Arist. Po. Aristoteles, Poetica Arist. Rhet. Aristoteles, Rhetorica Arnob. adv. nat. Arnobius, Adversus nationes Arr. An. Arrian, Anabasis Arr. Ind. Arrian, Indica Artap. Frgm. Artapanos Fragmente Artem. On. Artemidor, Oneirokritika AscIsa Ascensio Jesaiae Ath. vit. Ant. Athanasius, vita Antonii Athen. Supplic. Athenagoras, Supplicatio Aug. c. Adim. Augustin, Contra Adimantum Aug. c. Faust. Augustin, Contra Faustum Manichaeum Aug. civ. Augustin, De civitate Dei Aug. ep. Augustin, Epistulae Aug. Joh. tract. Augustin, In Johannis evangelium tractatus Aug. s. dom. m. Augustin, De sermone domini in monte Aug. serm. Augustin, Sermones Aug. sol. Augustin, Soliloquien 2 Bar 2 (griechischer) Baruch Barn Barnabasbrief bBer Traktat Berakhot im babylonischen Talmud bBM Traktat Baba Metsia im babylonischen Talmud Beda Ven. Ac. Apost. Beda Venerabilis, Super acta Apostolorum expositio BG Papyrus Berolinensis Gnosticus BG / Kopt. Pap. Berlin 8502,4 BGU Berliner Griechische Urkunden BHG Bibliotheca Hagiographica Graeca BHL Bibliotheca Hagiographica Latina BHO Bibliotheca Hagiographica Orientalis bMeg Traktat Megilla im babylonischen Talmud bMQ Traktat Moed Qatan im babylonischen Talmud bQid Traktat Qidduschin im babylonischen Talmud bSan Traktat Sanhedrin im babylonischen Talmud bTaan Traktat Taanit im babylonischen Talmud Cels. med. Celsus, De medicina Char. Kall. Chariton, Kallirhoe ChrJera Chronik von Jerachmeel Chrys. hom. in Ac. Johannes Chrysostomos, In Acta Apostolorum Homiliae Chrys. hom. in Ephes. Johannes Chrysostomos, In epistolam ad Ephesios Homiliae Chrys. hom. in Ioh. Johannes Chrysostomos, Homiliae in Ioannem Chrys. laud. Paul. Johannes Chrysostomos, De laudibus sancti Pauli apostoli homiliae Cic. Cael. Cicero, Pro M. Caelio oratio Cic. de orat. Cicero, De oratore Cic. de sen. Cicero, De senectute Cic. div. Cicero, De divinatione Cic. off. Cicero, De officiis Cic. orat. Cicero, Orator ad M. Brutum Cic. Phil. Cicero, In M. Antonium oratio Philippica

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Abkürzungsverzeichnis CIJ Corpus Inscriptionum Judaicarum CIL Corpus Inscriptionum Latinarum 1-2 Clem 1-2 Clemensbrief Clem. Al. Div. Clemens von Alexandrien, Quis dives salvetur Clem. Al. paid. Clemens von Alexandrien, Paidagogos Clem. Al. protr. Clemens von Alexandrien, Protrepticus Clem. Al. strom. Clemens von Alexandrien, Stromateis CMC Collana Magistero Conciliare Codex Patm. Codex Patmensis ConstAp Apostolische Konstitutionen CSEL Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Cyp. eleem. Cyprian, De opere et eleemosynis Cyr. catech. Kyrill, Catecheses D.L. Diogenes Laertius, Vitae DH Denzinger-Hünermann Did Didache Didasc. Didascalia Dio Cass. Dio Cassius Dio Chrys. or. Dio Chrysostomos, Orationes Diod. Sic. Diodorus Siculus Dion Prus. or. Dion von Prusa, Orationes Dion. Ant. Rom. Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae ECA Early Christian Apocrypha EpAp Epistula Apostolorum EpClem Epistula Clementis Ephr. Carm. Ephraem, der Syrer, Carmina Nisibena Epict. diss. Epictetus, Dissertationes Epiph. haer. Epiphanius von Salamis, Liber de haeresibus Epiph. pan. Epiphanius von Salamis, Panarion EstR Ester Rabba Eun. vit. soph. Eunapius, Vitae sophistarum Eurip. Ba. Euripides, Bacchae Eurip. Herc. fur. Euripides, Hercules furens Eurip. Hipp. Euripides Hippolytus Eurip. Iph. T. Euripides, Iphigenia Taurica Eurip. Or. Euripides, Orestes Eus. h.e. Eusebius, Historia ecclesiastica Eus. praep. Eusebius, Praeparatio Evangelica Eus. Theoph Eusebius, Theophaneia Evagr. h. e. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica EvHebr Hebräerevangelium EvJud Judasevangelium EvNik Nikodemusevangelium EvPetr Petrusevangelium EvPhil Philippusevangelium EvThom Thomasevangelium ExR Exodus Rabba

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Abkürzungsverzeichnis FChr Fontes Christiani Flav. Jos. Ant. Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae Flav. Jos. Apion. Flavius Josephus, Contra Apionem Flav. Jos. Bell. Flavius Josephus, Bellum Judaicum GCS Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte Gell. Noct. Att. Aulus Gellius, Noctes Atticae Greg. Lib. Mir. Gregor von Tour, Liber de Miraculis Greg. M. ep. Gregorius Magnus, Epistulae Greg. M. moral. Gregorius Magnus, Moralia Greg. Naz. carm. Gregor von Nazianz, Carmina Greg. Naz. in laud. Gregor von Nazianz, In laude Athanasii Greg. Naz. or. Gregor von Nazianz, Orationes Greg. Naz. vit. Gregor von Nazianz, De vita sua HABES Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien Hdt. Herodot, Historiae 1 Hen (äth. Hen) 1 (äthiopischer) Henoch Herm sim Hermas, similitudines Herm vis Hermas, visiones Hes. Theog. Hesiod, Theogonia Hier. ad Rip. Presb. Hieronymus, ad Riparium Presbyterum Hier. ep. Hieronymus, Epistulae Hier. vir. ill. Hieronymus, De viris illustribus Hipp. Dan. Hippolyt, Commentarium in Danielem Hipp. demonstr. Hippolyt, Demonstratio de Christo et Antichristo Hipp. haer. Hippolyt, Refutatio omnium haeresium Hipp. trad. ap. Hippolyt, Traditio Apostolica Hippocr. Aph. Hippocrates, Aphorismoi Hist. Alex. Alexanderroman Hist. Apoll. Historia Apollonii regis tyri Hist. Eccl. Epitome Theodorus Lector. Historia Ecclesiastica Epitome Hom. Il. Homer, Ilias Hom. Od. Homer, Odyssee Hor. Ars. Horatius, De arte poetica Hor. Sat. Horatius, Satirae I.Kourion Inschriften von Kourion Iamb. myst. Iamblichos, De Mysteriis Iamb. vit. Pyth. Iamblichos, De vita Pythagorica I.Eph Inschriften von Ephesus I.Epidauros Inschriften von Epidauros IG Inscriptiones Graecae IgnEph Brief des Ignatius an die Epheser IgnMagn Brief des Ignatius an die Magnesier IgnPhld Brief des Ignatius an die Philadelphier IgnRöm Brief des Ignatius an die Römer IgnSm Brief des Ignatius an die Smyrnäer IgnTrall Brief des Ignatius an die Trallianer

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Abkürzungsverzeichnis IGRR Inscriptiones Graecae ad Res Romanas Pertinentes ILS Inscriptiones Latinae Selectae Io. Mal. chron. Johannes Malalas, Chronographia Iren. haer. Irenäus, Adversus haereses Isocr. or. Isokrates, Orationes Iust. 1/2 apol. Iustinus Martyr, Apologiae Iust. dial. Iustinus Martyr, Dialogus cum Tryphone Judaeo JalqR Jalqut Rubeni JalqS Jalqut Shimoni jBer Traktat Berakhot im palästinischen Talmud Jdt Judith Jo. Mal. chron. Johannes Malalas, Chronographia JosAs Joseph und Aseneth Jub Jubiläen KlglR Klagelieder Rabba (= Echa Rabbati) KThom Kindheitsevangelium des Thomas Lact. Epit. Laktanz, Epitome Divinarum Institutionum LevR Levitikus Rabba Lib. Ant. Liber Antiquitatum Biblicarum Liv. Livius, Ab urbe condita libri CXLII Luc. Alex. Lukian, Alexandros Luc. asin. Lukian, Lucius oder der Esel (Asinus) Luc. dial. Lukian, Dialogi Meretricii Luc. hist. conscr. Lukian, Quomodo historia conscribenda sit Luc. Icar. Lukian, Icaromenippus Luc. luct. Lukian, De luctu Luc. nav. Lukian, Navigium Luc. peregr. Lukian, de Morte Peregrini Luc. philops. Lukian, Philopseudes Luc. tox. Lukian, Toxaris Luther WA Martin Luther, Weimaraner Ausgabe Mach. frgm. Machon, Fragmente 1-4 Makk 1-4 Makkabäer Mart. epigr. Martial, Epigrammata MartAgap Martyrium der Agape, Irene und Chione MartAndr Martyrium des Andreas MartMt Martyrium des Matthias MartPhil Martyrium des Philippus MartPionii Martyrium des Presbyters Pionius aus Smyrna MartPl Martyrium des Paulus MartPol Martyrium des Polykarp Mel. Hom. Melito von Sardes, Homilia in passionem Christi Min. Fel. Oct. Minucius Felix, Octacius Mir. Cosm. et Dam. Wunder des Heiligen Cosmas und Damian Mir. Cyr. et Jo. Wunder des Heiligen Cyrus und Johannes MirDemetr Wunder des Heiligen Demetrios MirThecl Wunder der Heiligen Thekla

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Abkürzungsverzeichnis mJeb Traktat Jebamot in der Mischna mKet Traktat Ketubbot in der Mischna mSchab Traktat Schabbat in der Mischna MWaj Midrash Wajoscha NHC Nag Hammadi Codex Nic. Call. h.e. Nicephorus Callistus, Historia ecclesiastica Nonn. D. Nonnos Dionysiaka NumR Numeri Rabba OdSal Oden Salomos Opp. Cyn. Oppianus Apamensis, Cynegetica Or. Cels. Origenes, Contra Celsum Or. Comm. in Jo. Origenes, Commentarius in Evangelium Joannis Or. Comm. in Mt. Origenes, Commentarius in Matthaeum Or. philoc. Origenes, Philocalia Ov. am. Ovidius, Amores Ov. fast. Ovidius, Fasti Ov. met. Ovidius, Metamorphoses P. Papyrus P.Ber. Papyrus Berolinensis P.Bod. Papyrus Bodmer P.Copt. Utrecht Koptischer Papyrus Utrecht P.Hamb. Papyrus Hamburgensis P.Heid. Papyrus Heidelbergensis P.London Ms. Or. Papyrus London P.Mich. Papyrus Michigan P.Oxy. Oxyrhynchos-Papyrus Pall. h. Laus. Palladius, Historia Lausiaca ParJer Paralipomena Jeremiae Paus. Pausanias, Hellados Periegesis Peregr. Eger. Peregrinatio Egeriae PG Patrologiae cursus completus, Series Graeca (Migne) PGM Papyri Graecae Magicae Philo Abr. Philo von Alexandrien, De Abrahamo Philo Deus Philo von Alexandrien, Quod Deus sit immutabilis Philo legat. Philo von Alexandrien, Legatio ad Gajum Philo Mos. Philo von Alexandrien, De vita Mosis Philo opif. Philo von Alexandrien, De opificio mundi Philo prob. Philo von Alexandrien, Quod omnis probus liber sit Philo sobr. Philo von Alexandrien, De sobrietate Philo somn. Philo von Alexandrien, De somniis Philo spec. Philo von Alexandrien, De specialibus legibus Philostr. hist. conscr. Philostratus, Historia Conscribenda Philostr. vit. Ap. Philostratus, vita Apollonii Phleg. Trall. lib. Phlegon von Tralleis, De rebus mirabilibus liber Phot. bibl. Photius, Bibliotheca Pind. Olymp. Pindar, Olympien PL Patrologiae cursus completus, Series Latina (Migne)

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Abkürzungsverzeichnis Plato Phaid. Plato, Phaidon Plato rep. Plato, De re publica Plato Tim. Plato, Timaios Plin. ep. Plinius, Epistulae Plin. nat. Plinius, der Ältere, Naturalis historiae Plot. En. Plotin, Enneaden Plut. anim. Plutarch, De sollertia animalium Plut. Cor. Plutarch, Coriolanus Plut. de def. or. Plutarch, De defectu oraculorum Plut. de sera Plutarch, De sera numinis vindicta Plut. Per. Plutarch, Pericles Plut. pomp. Plutarch, Pompeius Plut. quaest. Plutarch, Quaestiones Plut. Sull. Plutarch, Sulla Poll. Onomast. Pollux, Onomasticon Polyb. Hist. Polybius, Historiae Porph. Fr. Hist. Porphyrius, Fragmenta Historica Porph. vit. Pyth. Porphyrius, Vita Pythagorae Prop. eleg. Properz, Elegien Protev Protevangelium des Jakobus Ps.-Apol. bibl. Ps.-Apollodorus, Bibliotheca Ps.-Kall. Alex. Ps.-Kallisthenes, Alexander Ps.-Tit. Ps.-Titus, De dispositione sanctimonii PsClem Ep. ad Virg. Pseudoklementinen, Epistula ad Virgines PsClem H Pseudoklementinen, Homiliae PsClem R Pseudoklementinen, Recognitiones Genesisapocryphon 1QApGenar 1QH Hodajot 1QS Gemeinderegel 4Q 521 Handschrift aus Höhle 4 in Qumran Quint. inst. Quintilian, Institutio oratoria SAAA Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles SBR Studies of the Bible and Its Reception sc. das heißt SC Sources Chrétiennes SECA Studies on Early Christian Apocrypha SEG Supplementum Epigraphicum Graecum Sen. benef. Seneca, De beneficiis Sen. ep. Seneca, Epistulae Sev. Ant. ep. Severus von Antiochien, Epistulae Sext. sent. Sextus, Sententiae SHG Subsidia Hagiographica Sir Sirach Soph. Trach. Sophocles, Trachiniae Sophr. nar. mir. Sophronius, Narratio Miracolorum SS Cyri et Ioannis sapientium Stat. Theb. Statius, Thebais Strab. geogr. Strabo, Geographica

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Abkürzungsverzeichnis Suet. Aug. Sueton, Augustus Suet. Cal. Sueton, Caligula Suet. Nero Sueton, Nero Suet. Tib. Sueton, Tiberius Suet. Vesp. Sueton, Vespasianus s.v. sub voce syr. syrisch Tac. ann. Tacitus, Annales Tac. hist. Tacitus, Historiae Tat. orat. Tatian, Oratio ad Graecos Tert. an. Tertullian, De anima Tert. apol. Tertullian, Apologeticum Tert. bapt. Tertullian, De baptismo Tert. cor. Tertullian, De corona Tert. idol. Tertullian, de idololatria Tert. paenit. Tertullian, de paenitentia Tert. praesc. Tertullian, De praescriptione haereticorum Tert. pudic. Tertullian, de pudicitia Tert. spec. Tertullian, de spectaculis TestAbr Testament Abrahams TestJos Testament Josephs TestSal Testament Salomos TgCant Targum Canticum Thdr. Lect. h.e. Theodorus Lector, Historia Ecclesiastica Epitome Thdt. h. e. Theodoret, Historia ecclesiastica Thdt. h. rel. Theodoret, Historia religiosa Thdt. haer. Theodoret, Haereticarum fabularum compendium Them. or. Themestios, Orationes Theocr. Theokrit Theod. Syk. vit. Vita des Theodor von Sykeon Thuc. Thucydides, Historiae TLL Thesaurus Linguae Latinae TNeofiti Gen Targum Neofiti, Genesis Tob Tobit TPsJ Gen Targum Pseudo-Jonatan, Genesis TScheni Targum Scheni (zweiter Targum) zum Buch Esther Ulp. dig. Domitius Ulpianus, Digestorum v.l. varia lectio Vat. gr. Codex Vaticanus Graecus Verg. Aen. Vergil, Aeneis VitAd Vita Adae et Evae VitThecl Leben der Heiligen Thekla Weish Weisheit Salomos Xen. Eph. Xenophon von Ephesus, Ephesiaka Zos. Zosimus

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Stellenregister 1. Altes Testament Gen 1,28f. 3 3,1-5 3,1-15 3,17f. 4,8 6,1-4 6,4LXX 16,7-12 18 18,22-31 19 19,17 19,26 22 22,1 22,10LXX 22,11 22,15 31,13 38 41,45 46,2 46,3

720 703, 704 470 706 706 706 706f. 707 166 616 58 77, 804 76 76 878 182 877 166 166 182 651 185 184 182

Ex 3,2 3,4-10 3,9f. 3,11 3,16 4,21 4,21-14,8 4,29 7-9 7,3 7,9-12 7,10-12 7,11 7,22 8,3 8,14 8,14f. 8,15

166 184 182 182 163, 166 706 605 163, 166 618 129 622 618 222 222 222, 618 618 222 222

9,11 222, 618 11,9 129 12 78 12,11 210 12,12 210 12,21 166 13,17-14,31 148 14 932 14,19 166 14,27 618 15,1-21 210 15,7 618 15,10 618 15,12 222 17,6 97 19,18 253 20,4 92 20,13-16 899 20,16 151 22,17 617 24,15-18 181 29,11 877 29,16 877 32 706

Lev 1,5 877 1,11 877 10,1-3 77 10,9-11 77 16 162 20,6 617 21,18-24 141 25,5 151 25,8-22 151 25,23-28 151

Num 5,20f. 796 5,27 796 11,16 163 16 77, 78 16,1-4 151 16,28-32 77 16,31-35 151 16,38 78

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Stellenregister 20,10f. 97 21,1-9 395 22,20-35 83 22,21-23 688 22,21-33 614, 703 22,28-30 62, 470 22,30-35 738 23,23 617 36f. 77 37,3 77

Dtn 4,28 4,34 5,20 6,5 11,2 13,6 15,1-11 18,9-11 32,17 32,35

617 7 151 899 345 147 151 617 264 697

Jos 7,1LXX 154 7,1-26 151 7,19-26LXX 154 7,25 77 7,25f. 78 13,1-22,34 151 13,14 151

Ri 11,34-40 878 16,23-31 412 16,28-31 364

1 Sam 3,4 3,6 3,8 5 7,13 9,1f. 9,1-5 9,1-10 9,6a 9,6b-13 9,15-17 9,16 10,6 10,10

182 182, 184 182 412 218 221 185 185 185 185 185 185 185 185

15,1-35 151 16,1-16 151 17,37 468 17,43 696 19,20-24 185 25,39-42 651 28 527 28,3-25 617 28,7 242 28,8 242 31,1-13 364

1 Kön 5,9-13 70 14,11 696 14,17 76 16,4 696 17,1-24 922 17,17-24 273, 372, 667 17,17-34 201 17,20f. 273 17,21 274 274 17,21MT 17,23 274 18 176, 264, 302, 331, 343-345, 412 18,40 877 21 805 21,1-14 697 21,19 614, 696 21,24 696 22,38 614, 696

2 Kön 2,11 2,16 2,16f. 2,23f. 2,23-25 3,26f. 4,8-36 4,8-37 4,18-37 4,22-25 4,33 4,33f. 4,34 4,34MT 4,35 4,36f. 5 13,21

680 185 176 50 697 877 273 922 201 198 274 291 274 274 274 274 176 413, 769

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1. Altes Testament 21,6

617

1 Chr 8,12

192

2 Chr 17,10 33,5f.

6,6 11,4 11,28

192

Koh

Neh 6,16 7,37 8,17 11,35

264 192 748 192

Est 1,11f. 1,16-19 1,19

432 432 432

Hi 1,21 28,25b 38,8

748 748 748 899

Spr 264 617

Esr 2,33

107,10 107,13 107,16 128

140 795 140

Ps 7,2f. 468 16,8 979 21,11 140 21,17LXX 605, 614 22,17 468 22,21f. 468 29,7 181 34,11 899 35,17 468 36,14LXX 877 39,3LXX 344 54,3 653 64,10 222 69,25 78 70,6 140 70,19LXX 345 72,18 222 78,43 7 91,13 711 95,5LXX 264 104,38LXX 264 105,9LXX 550 105,37LXX 264 107 669

5,9 5,11

380 139 331

331 331

Jes 1,3 1,4 6,1-3 6,1-10 6,1-13 6,5 6,7 6,8 6,9f. 11,6-8 11,8f. 20,3 26,19 27,1 29,18 30,8 35,5f. 42,1 42,7 42,18 44,9-20 45,1 48,13 49,6 49,7 50,7 52,2 56,3 61,1 65,11 91,13

380 380 913 184 184 184 184 184 185 381, 472 285 129 140 705 140 980 140f. 184 140 140 265 748 536 277 184 344 748 176 140, 746 264 468

Jer 1,4f. 1,4-10 1,5 1,6

184 182, 184 140, 184 184

1109

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Stellenregister 1,9 1,10 5,27 16,7 27,9 30,2 36,2 52,10

184 185 218 272 221, 617 980 980 877

Klgl 4,4 4,10

272 878

Ez 1-3 1,4-28 1,28 2,1 2,3 2,8f. 2,8-3,3 3,12 3,12-14 3,14 3,15 8,1-3 8,3 11,5 11,24 37,1

184 181, 184 181, 184 184, 229 185 980 184 185 176 185 184 176 185 185 176 459, 471

Dan 3,8-27 3,24LXX 3,29

4,5 6,15-28 6,18 8,17 10,7 10,9 14,1-22 14,5 14,8f. 14,22

Hos 7,13f. 9,7 14,10

151 185 218

Joël 3,3LXX

136

Am 7,14f.

184

Jona 1 1,16 4,7

550, 868 253 621

Mi 3,8 5,9-14

185 617

Hab 2,18

434 253 474

264 468 745 181, 184 264 181, 184 344 344 344 344

617

Mal 3,5

617

5,44 6,1 6,2f. 6,5-15 6,19 6,19-21 6,24 7,6 7,7 7,22 7,24-27 8,2 8,5-13 8,15

667 331 139 727 331 331 239 696 3, 313, 320, 727 9, 136 637 1003 588 795

2. Neues Testament Mt 1,1 1,23 2 2,1-12 2,23 3,7 3,16 4,1-11 4,3 4,23 5,3 5,27

70 981 623 70, 415 135 283 542 70 70 106, 1002f. 331 798

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2. Neues Testament 8,22 320 8,28 837 8,28-34 615, 837 8,31 241 9,1-8 107 9,5 194 9,6 194 9,18 1003 9,20-22 110 9,28 900 9,32-24 615 9,33f. 241 9,34 863 9,35 106 9,37f. 898 10,1 4, 241, 667, 1002 10,2 6 10,3 921 10,8 4, 119, 366, 667 10,37 913 11,2 4 11,3-5 3 11,5 4 11,11 3 11,20f. 129 12,9-14 727 12,23 70 12,24 70, 863 12,27 863 12,43 241 12,44f. 804 12,45 241 14,14 879 14,19 823 14,22-33 605, 616, 621 14,26 264 14,28-31 571 14,33 415 15,21-28 111, 615 16,13-20 604 16,16 415 16,16-19 417 16,18 621, 981 16,21 866 17,2 697, 867, 1003 17,6 264 17,14-18 263 17,14-21 615 17,20 3, 900 17,21 291 17,24-27 96, 379f., 571

18,6 900 18,20 272 19,12 364-366 19,16 912 19,16-22 804 19,18 899 19,20 912 19,22 908, 912 19,24 331, 905 19,25 912 19,26 913 20,29-34 879 21,11 135 22,37 899 23,24 915 23,37 677 24,35 884 25 331 25,36 745, 761 25,41 331 26,6-13 694 26,14-16 706 26,47-50 706 26,59-66 706 26,63 434 26,65-68 694 26,69 135 26,71 135 27,1 706 27,5 78, 364 27,6f. 78 27,11-26 706 27,28-30 694 27,49 983 27,66 745 28,4 264 28,13 482 28,18-20 981 28,19 914 28,20 900, 913

Mk 1,11 1,13 1,16 1,16-20 1,19f. 1,21-28 1,23 1,23-25 1,23-28 1,24

743 473, 956 317, 318 63, 821 374 687 241 836 615, 828, 838 135, 837

1111

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Stellenregister 1,25 1,26 1,26f. 1,27 1,29 1,29-31 1,30 1,30f. 1,31 1,32f. 1,40-45 1,41 2 2,1-12 2,3 2,9 2,11 2,12 3,1-6 3,10f. 3,11f. 3,14 3,14f. 3,15 3,18 3,20-30 3,22 3,31-35 4 4,14-20 4,26-29 4,35-41 4,39 5 5,1-20 5,4 5,5-8 5,6-12 5,7 5,8-10 5,9 5,10 5,12 5,13 5,17 5,18-20 5,21-24 5,21-43 5,22 5,22-24 5,25

985 836 241 8 587 293, 588 589f. 570 138, 762, 795 767 879 291, 536 374 107, 143, 331, 586, 588f. 193 135f., 191, 194 191, 194 191 727, 828, 838 767 837 6 570, 667 3, 4, 47, 241 8, 921, 1002 848 70, 224, 241, 331 374 550 272 898f. 28, 535f., 550, 616 525, 528, 550, 985 27, 58, 768 36, 58, 380, 614f. 58 836 58 242, 837 59 59, 241 59 59 989 59 59 767 616 320 198 193

5,25-34 107, 110, 262 5,25-43 261 5,27-30 26 5,30 262 5,34 411 5,35-43 767 5,37 571 5,40f. 320 5,41 136, 138, 201, 838 6,2 129, 536 6,3 459, 698 6,5 588 6,7 3f., 6, 47, 570, 667 6,7-12 51, 379 6,7-13 3, 6 6,12f. 570 6,13 3, 4, 767 6,37 5 6,53-56 123 7,24-30 59, 111, 615, 767 7,33 838, 965 7,34 823 8,9 485 8,22-26 187, 542 8,23 838, 965 8,36 486 9,2-10 645 9,14-28 838 9,14-29 615, 734, 767, 848, 852 9,17-28 263 9,18 5, 9, 570, 838, 852 9,18-20 836 9,22 372 9,23 3, 410, 869 9,23f. 734 9,25 985 9,26 733, 838, 989 9,27 138, 762, 838 9,28 9, 852 9,28f. 570, 852 9,38 136 9,38f. 9 9,38-40 11, 265 10,13-16 869 10,17 912 10,20 912 10,22 908, 912 10,24 912 10,25 64, 331, 905 10,26 912 10,27 410, 913

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2. Neues Testament 10,29 913 10,39 318 10,45 209 10,46-52 223 10,47 135 11 28 11,1-11 380 11,12-14 69 12,41-44 199 13,22 49 13,31 884 13,35 213 14,32-42 56 14,56-58 209 14,61 466 14,66-72 95f., 605, 621 14,67 135 15,32 31 16,1f. 271 16,5 395, 763 16,6 135 16,12 867 16,17 9, 121, 136, 366 16,17f. 5, 767 16,18 283 16,25 77

Lk 1f. 1,1-4 1,2 1,3 1,4 1,5 1,11 1,12 1,32 1,35 1,46-55 1,65 1,68-79 1,76 2,9 2,36 2,41-52 3,2 3,4 3,7 3,22 3,35 4 4,1-13

617 24 272 939 211 193 166 264 242 242 24 264 24 242 166, 205 332 868, 913 162 218 283 283 241 374 154

4,18f. 4,20 4,32 4,33 4,33-37 4,34 4,35 4,36 4,38f. 4,38-41 4,39 4,40f. 4,41 5 5,1-11 5,5 5,11 5,17 5,17-26 5,18 5,20 5,23 5,24 5,25 5,26 5,28 6,6-11 6,13 6,14 6,18f. 6,19 6,20 6,27 6,35 6,40 6,48f. 7,1-10 7,9 7,11-17 7,12 7,12-17 7,13 7,14 7,16 7,20-23 7,21 7,21f. 7,22 7,28 7,36-50 7,50

140 429 31 237, 241 615 135, 837 985 8, 241 130, 290, 795 288, 293 795 290 293, 985 107 63, 379f., 571, 606, 616 78 78, 137 193 107, 129, 140, 143, 146 193 138 191, 194 8, 191, 194 191 33, 275 137 727 6 921 767 26, 129 331 667 242, 667 168 531 320 138 147, 372, 413, 616, 922, 947 332 667 879 636, 666 275 3 241, 767 1001 140 3 696 31, 138

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Stellenregister 8,2 264 8,3 631 8,11-15 154 8,12 146 8,26-39 244, 615 8,28 242 8,38 485 8,38f. 485 8,43 542 8,43-48 110 8,44 129 8,46 262 8,48 31, 138 8,54 138 9,1 4, 243f. 9,1f. 667 9,1-6 3 9,3 137 9,6 4 9,37-42 615 9,37-43 244 9,38-42 263 9,39 237 10 1002 10,1 6 10,1-9 3 10,2 898 10,3-12 291 10,4 137 10,9 3f., 47, 141, 667 10,17 9, 136 10,19 129, 283 10,33 879 10,34f. 378 10,38-42 921 11,5-8 55 11,5-13 61 11,9 3, 213 11,14 615 11,14f. 244 11,14-23 70, 604 11,15 70 11,20 536 11,24-26 719, 804 11,41 137 12,11f. 168 12,16-34 154 12,33 137, 139 13,1-3 148 13,1-5 148 13,4f. 148, 152

13,10-17 244 13,16 58 13,32 767 14,1-6 795 14,4 485 14,12-14 141 14,15-24 141 14,21 141 14,23 141 14,26 913 14,33 137 15,1-7 56 15,1-32 156 15,3-7 435 15,8-10 55f. 15,20 879 16,1-8 55 16,9-13 154 16,13 239 16,18 148 16,19-31 331 16,21 696 17,6 3, 900 17,19 31, 138 17,32f. 77 18,1-8 55 18,2-5 651 18,18 912 18,21 912 18,23 908, 912 18,25 331, 905 18,26 912 18,27 913 18,28 137 18,37 135 18,39 237 18,42 138 19,38 193 19,40 237 20,27-38 163 21,12f. 168 21,33 884 22,2 164 22,3 154, 605 22,4 164 22,8 136 22,31 154 22,32-62 154 22,47-54 168 22,50 570 22,51 667f.

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2. Neues Testament 22,52 164 22,56 429 22,56f. 61 22,59 61 22,66 164 23,4 164 23,10 164 23,13 164 23,28-31 413 23,39-43 686, 697 23,50-56 147, 151 24 154, 212 24,1-51 269 24,5 274 24,5f. 767 24,5-7 212 24,9 212 24,11 212 24,14 273 24,15 273 24,19 135 24,20 164 24,25f. 869 24,36 212 24,37-43 617 24,41-43 575, 606

Joh 1 1,18 1,29 1,36 1,39f. 1,43-46 1,45 1,46f. 2 2,1 3,3 3,7 3,17 3,31 4,48 4,52 5 5,8 5,9 5,10 5,11 5,24 6 6,5

867 634 749 749 318 921 135 749 419 693 743 743 605 743 7, 31 795 1002 135, 191, 636, 666 191 191 191 322 586 419

6,5-7 6,30 6,41 6,60-69 6,63 6,68 6,69 7 8,2-11 8,12 8,31-36 9 9,1 9,1-7 9,6 9,38 10 10,41 11 11,1-45 11,1-46 11,3 11,4 11,27 11,40 11,41 11,41f. 11,42 12,1-8 12,2 12,20f. 12,20-22 12,28 12,31 12,37 13,1 13,16 13,23 14,3 14,8-11 14,12 14,26 14,28 16,10 16,13 16,27 16,28 18,5 18,7 18,10f. 18,13

921 31 1002 417 486 160 415 1002 796 749 945 223, 803 228 187 768, 965 1003 395 3 8, 27 616 921 198 395 415 395 823 366 320, 395 696 921 942 821, 921 395 706 31 678 8 317, 318 395 921 4, 8, 678 742 678 678 742 678 678 135 135 570 162

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19.09.2017 11:37:42

Stellenregister 18,22 50, 694 19,1 867 19,3 694 19,6 867 19,11 743 19,14 749 19,19 135 19,23 743 19,26 749 19,34 504 20 8 20,5-7 395 20,14f. 869 20,17 678, 697 20,21 4 20,29 395, 1002, 1004 20,30f. 823, 1004 21 107 21,1-14 63, 379f. 21,4 869 21,15-18 95f. 21,22-24 317

Apg 1,1 150 1,1f. 275 1-5 123 1-7 167 1,1-15,35 125 1,2 697 1,3 274, 277 1,3-8 272 1,8 50, 277, 505 1,10 429 1,13 273, 821, 921 1,16 78 1,16-19 78 1,16-20 155 1,18 154f., 706 1,18f. 78 1,20 78 1,23-26 8 2 331, 345 2,1-47 125, 128 2,11 345, 634 2,19 49, 136 2,22 21, 123, 129, 135 2,28 160 2,42 269, 272 2,42-47 123, 135, 151 2,43 7, 21, 118, 123, 128f., 136 2,44f. 804

2,45 137 2,46 147, 255, 269, 272 2,47 677 3 193, 196, 319 3,1 654 3,1-10 36, 123, 128, 134-144, 153, 193, 231, 232, 571, 588 3,1-11 118 3,1-5,16 125, 128 3,2 193, 229 3,6 9, 185, 243, 313, 319, 410, 571, 653, 981 3,7 762, 838 3,7-11 30 3,9 30 3,11 30, 139, 319 3,11-26 134, 136 3,12 9, 134, 136 3,12-16 30 3,15 160 3,16 30, 136, 138, 142 3,20 319 4 158, 161, 167 4f. 164, 166 4,1-3 159f. 4,1-22 136 4,1-31 159, 168 4,2 159, 163 4,4 31, 272 4,5f. 135 4,6 162, 259 4,7 136, 138 4,9 136 4,10 9, 135f., 138, 981 4,12 138, 160, 653 4,14 135 4,14-22 136 4,16 135 4,17f. 138 4,18 160 4,19 160 4,21 208 4,22 135, 140 4,23-31 136 4,24-30 123 4,24b-28 123 4,30 7, 21, 123, 129, 138 4,31 213, 272 4,32 151, 155 4,32-37 146, 148, 151 4,34 137, 151

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2. Neues Testament 4,34f. 150 4,35 137 4,36 984 4,37 146, 154 4,45 137 5 28, 60, 79, 158, 162, 164, 167, 206, 597 5,1 193 5,1-11 51, 78, 98, 118, 128, 142, 145-157, 571, 589, 697 5,2 137 5,4 805 5,5 264, 571 5,8 243 5,9 805 5,10 79, 571 5,11 264 5,12 21, 123f., 129 5,12-16 123, 128, 136, 142, 148, 366, 571 5,15 143, 191, 571 5,15f. 21, 118, 123 5,16 4, 117, 142, 241, 243 5,16f. 118 5,17-21 118, 128 5,17-25 59, 60, 142 5,17-26 158-170, 206, 250, 252, 380, 748 5,17-33 169 5,17-42 125, 128, 159, 535 5,19 28, 60, 253, 747, 762 5,19f. 46 5,21b 60 5,24 164 5,27 159 5,28 138, 160 5,29 160, 169 5,30-32 160 5,34 193 5,38f. 162 5,39 162 5,40 138, 160 6 654 6-12 197 6,1 155, 200 6,1-7 153, 155 6,1-8,4 125, 128 6,4 272 6,5 173, 921 6,8 124, 129 6,13f. 209

6,14 135 7 623 7,9 159 7,48 242 7,50 536 7,54-8,3 155 7,55 429 7,57 237 7,58 181 7,59 213 7,60 237 8 73, 612, 945 8,3 181 8,4-8 173 8,4-13 172 8,4-25 621 8,4-40 921 8,5-40 125, 128 8,6f. 128 8,6-8 124, 171-179 8,7 117, 238, 241, 243 8,9 73, 193, 571 8,9f. 604 8,9-11 173 8,9-24 374, 571, 604, 619 8,9-25 189 8,10 175, 571, 621f., 676 8,10f. 173, 571 8,11 73, 571 8,12 31, 173 8,13 73, 124, 129, 171-179 8,14 136 8,14-25 172 8,14-28 118 8,18f. 571 8,18-24 222, 604 8,20 73 8,22f. 571 8,26 166, 172 8,26-40 52, 932 8,28 979 8,39f. 124, 171-179 8,40 942 9 27, 192, 803f. 9,1-9 99 9,1-19 79, 180-188, 458 9,1-30 189 9,6 249 9,9 223 9,10-16 312 9,10-22 319

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Stellenregister 9,11 459 9,12 265, 411 9,24f. 99 9,25 253 9,29-11,18 125, 128 9,31 189 9,32-35 118, 128, 189-196, 571 9,32-43 142, 153, 194 9,32-11,18 197 9,34 10, 136, 185, 243, 571, 838, 981 9,36 139 9,36-42 118, 243, 276 9,36-43 97, 128, 148, 197-203, 268, 366, 571, 651 9,37 273 9,39 273 8,39f. 128, 171-179 9,40 136, 194, 213, 274, 320, 571 9,41 138, 274 9,42 31, 189, 275 10f. 194 10,1-11 312 10,1-11,18 208 10,2 139 10,3 166, 654 10,4 213, 429 10,5-8 197 10,6 197, 200 10,7 222 10,9 213 10,10-16 589 10,25f. 319 10,26 762 10,30 654 10,31 213 10,32 200 10,38 135 10,44-46 189 11,5 213 11,6 429 11,19-30 125, 128 11,27-30 150, 204 11,28 204 12 161, 168, 253f., 747 12,1-10 168 12,1-11 166, 168f., 204-215, 250, 252, 380, 571 12,1-17 209, 212 12,1-19 143, 535 12,1-24 125, 128

12,3-11 128, 168 12,3-17 118 12,3-19 209 12,5 61 12,5-17 60 12,5-19 46 12,6 253 12,6f. 253 12,6-11 28, 747, 762 12,6-17 97, 210, 212 12,7 60, 254 12,7-10 166 12,7-11 211, 571 12,7-17 166 12,10 747 12,12 61, 150, 199, 212, 221, 973 12,12-17 205, 212, 973 12,13-16 210 12,14 212 12,15 61, 207, 212 12,15f. 61 12,16 210 12,17 206f., 209, 213 12,18f. 207, 210, 536 12,20-23 154 12,23 60, 79, 147, 166, 207, 213 12,25 204, 221 12,25-15,35 125, 128 13 28, 79, 804 13,4 216 13,4-12 985 13,4-13 152, 984 13,4-21,16 127, 128 13,5 216, 239, 984 13,6 260 13,6-11 617 13,6-12 79, 128, 142, 216-227, 970 13,9 429 13,9-12 118 13,10 79, 617 13,12 31, 79 13,13 219 13,14 239 13,26 160 13,43 217 13,45 159 13,47 277 13,48-50 222 13,48-52 51 13,49 285 13,50 183

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2. Neues Testament 14 898 14f. 430 14,1 31, 239 14,1f. 222 14,3 21, 118, 122-124, 129f., 142, 981 14,4 122, 244 14,4-6 51 14,5 100 14,8 140, 143, 193 14,8-10 13, 142f., 193 14,8-13 36, 118, 128, 228-234 14,8-20 228 14,9 429 14,9f. 284 14,12 99 14,13 175 14,14 8, 122, 237, 244 14,14-18 228 14,15 410 14,15-17 282 14,18-20 409 14,19 100, 122, 222, 230, 804 14,19f. 183, 228 14,23 532 15 95, 155, 984 15,12 21, 118, 122, 124, 129 15,13-21 211 15,18f. 120 15,36-40 976 15,36-18,22 236 15,36-28,16 125 15,37 221 15,39 969, 976, 984 16 126, 206, 251, 253f., 489 16,10 280 16,10-17 128, 236, 270 16,10-18 126 16,11f. 235 16,11-40 235, 248 16,12 238f. 16,12-15 249 16,13 235, 239 16,13f. 237 16,13-15 235, 239, 245, 248, 250, 631 16,14f. 199, 250, 651 16,15 243 16,16-18 4, 27, 117f., 127f., 142, 235 246, 248, 799 16,16-22 245, 527, 616 16,16-40 535, 838

16,18 9, 122, 136, 249, 527, 838 16,19-24 183 16,19-40 143, 169, 247-256, 253 16,22 122 16,23 235 16,23-26 166 16,23-34 161 16,23-39 238, 240, 245 16,23-40 122, 168, 206, 235, 380 16,25 213 16,25-34 118 16,25-39 412 16,26f. 28, 747, 762 16,26-40 46 16,27 536, 745 16,33f. 206, 748 16,35 239 16,37 160 16,37f. 221 16,38 239 16,40 245 17 100, 331 17,1 248, 742 17,1f. 239 17,2 272 17,4f. 222 17,5 159 17,10 239 17,12f. 222 17,14 236 17,17 239, 272 17,31 156 18,3 260 18,4 239, 272 18,7 430 18,8 31 18,12-17 217 18,18-20,1 463 18,19-20,16 317 18,23-21,17 271 18,28 160 19 27, 58, 74, 330, 332, 482 19,6 257 19,7-10 257 19,8 239, 272 19,9 272 19,10 58 19,11 9, 73, 122, 124, 129, 981 19,11f. 26f., 118, 124, 143 19,11-17 9, 257-267, 828, 945 19,11-19 29

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Stellenregister 19,11-20 73, 344 19,12 4, 58, 73, 117, 124, 238, 241, 243, 768 19,12-16 616 19,12-19 617 19,13 58, 73 19,13-16 238, 243 19,13-17 27, 58, 118, 222 19,14 73 19,16 74 19,17 74 19,17-20 257 19,18 31 19,19 124, 258, 622 19,19f. 74 19,21-40 344f. 19,21f. 257 19,23-40 244, 257, 356, 463 19,24f. 463 19,24-26 464 19,29-40 329 19,30f. 464 19,31 258 19,38 463 20 27 20f. 126 20,5-15 126, 128, 236, 270 20,7-12 118, 126, 128, 142, 148, 268 279, 382, 395, 417, 501 20,9 481 20,16 271, 317 20,17-38 270 20,20 160 20,22-24 270 20,24 276 20,24-28 270 20,25 270, 276 20,29 468 20,33 137 20,37f. 271 20,38 270, 597 21-28 254 21,1-18 126, 128, 236, 270 21,8f. 921, 942 21,8-11 124 21,8-14 125 21,9 920 21,10-41 270 21,18-26 211 21,27-36 183 21,40 260

22,1-21 180-188, 458 22,6-11 272 22,7 218 22,8 135 22,11 223 22,15 277 22,17 213 22,25-29 251 22,28 221 23,2f. 259 23,3-6 142 23,24 217 23,27 251 24,1f. 217 24,5 135 24,10 193 24,12 272 24,17 139 24,24 221 24,25 272 24,26 273 25f. 100 25,6f. 217 25,10-12 251 26,1 260 26,9 135 26,9-23 180-188 26,12-18 272 26,12-23 458 26,14 181, 218, 884 26,16 277 26,18 154, 223 26,19 481 26,28 224 27 922 27f. 127, 288 27,1-28,16 126, 128, 236, 270 27,2 288 27,6-44 535f. 27,24 282, 285 27,44 289 28,1f. 288 28,1-6 100, 280-287 28,1-9 128 28,1-10 122, 127, 286, 288 28,3 127, 280, 289 28,3-6 118, 288 28,6 981 28,7f. 100, 118, 129 28,7-10 288-295 28,8 213, 795

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2. Neues Testament 28,8f. 28,9 28,11 28,23 28,31

981, 982 100, 118, 125 283 277 277

Röm 1 6, 345 1,1-5 121 1,5 6 2,11 834 2,25 486 4,11 751 6,1-10 751 6,1-23 491 6,3 186, 494 6,22 945 7,14-25 382 8,1-17 491 8,19-23 472, 956 8,34 366 11,13 6 12,1 670 12,17 388, 397, 667 12,19 697 15,14-21 120 15,16 121 15,18 122 15,18f. 12 15,19 49, 121, 122 15,28 597 16,3-5 430 16,7 6 16,23 597

1 Kor 1,1 1,16 1,18-31 2,1-5 2,4 3,1 3,1f. 3,2 3,5-9 3,10 5 5,3-5 5,4 5,5 5,11 6,9-11

6 414 486 889 12, 121 504 345 504 898 344 597 224 272 597 597 491

7,1-7 437 7,1-9 720 7,21-24 665 7,25-33 720 7,25-38 437 7,32f. 720 8,1-10,21 411 9 6 9,1 184 9,1-18 121 9,5 6, 119, 141, 200, 589f. 9,6 8, 233 9,24-27 990 9,25 487, 991 10,16 269, 272, 769 10,20f. 264 11 727 11,1 12, 419 11,27-29 597 11,30 727 12 121 12,2 617 12,9 12 12,13 186 12,28 6, 12 12,30 12 13,2 900 13,3 486 14,6 458 14,13-19 458 14,24f. 152 14,25 222 14,34f. 407 15,8 184 15,8-10 6 15,9 6 15,29 317 15,32 464, 467f., 482 16,2 271 16,8 317, 482 16,8f. 463f., 464 16,15 414 16,17 414 16,19 430, 463f.

2 Kor 1,1 1,8-10 1,8-10a 1,8-11 1,22 3,7

6 464 463 12 72, 751 429

1121

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Stellenregister 3,13 429 4 889 4,4 706 4,6 184 6,4-10 468 6,5 252 8-9 150 8,19 532 8,23 126 11 6 11,4 122 11,5 6f. 11,11 7 11,13 7 11,16-33 48 11,23 252 11,23-29 120 11,23-33 468 11,25 234, 252 12 12 12,1 481 12,1-3 184 12,2-5 56 12,6-9a 56 12,7 635 12,7-10 120 12,9 12, 621 12,11-13 12, 120 12,12 7, 49, 120-122

Gal 1f. 95 1,1 6, 12, 121 1,10 345 1,15 183 1,15f. 121, 184 1,17 6 1,19 6 1,23f. 184 2,6 834 2,7f. 6 2,8 6 2,11-21 984 3,3-5 12 3,5 12, 121 3,26-4,20 491 3,27 447 3,28 665 3,28f. 754 4,7 345 5,1-6 491 5,2 486

5,4 5,7 5,20

461 991 617

Eph 1,13 4,8 4,24 4,30 5,3-14 6,9

751 748 447 751 491 834

Phil 1,13 2 2,25 2,25-30 3,2 3,5 3,8

329 867 6 12 468, 614, 696 221 486

Kol 1 867 1,15 634 1,23 956 3,10 447 3,21-4,1 665 3,25 834 4,3 272 4,10 973, 984 4,14 115, 126, 288 4,15 430

1 Thess 1,1 1,5 1,6 1,9 2,2 2,7 4,4 5,15 5,17

252 12, 121 272 304, 410 252 6 589f. 388, 667 497

2 Thess 2,3

706

1 Tim 1,16 1,20 5,1-3 5,1-16 5,3

913 597 876 632 632

1122

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19.09.2017 11:37:42

2. Neues Testament 5,3-16 5,9-11 5,11 5,16 6,16 6,18

652 632 332 200 644 650

2 Tim 1,16-18 2,3 3,11 4,8 4,10f. 4,11 4,13 4,14 4,17 4,19

913 503 234 487 115 973 979 464 467, 468, 471 430, 913

468 333, 876 665

Phlm 24

115, 973

1 Petr 2,9 2,16 3,9 3,17 3,19f. 5,4 5,5 5,13

698 345 388, 667 461 706 945 876 612

2 Petr 1,1 1,18 2,4 3,2

7 645 706, 707 7

1 Joh 1,6 2,1 2,18f. 2,20 2,27

1 318

Hebr 4,2 5,12-14 10,30 12,12

486 504 697 193

Jak 1,12 2,19 4,15 5,14

945 388, 395 395 136

Jud 6 706 17 7

Offb

Tit 1,12 2,3 2,9f.

3 Joh

1,10 2,10 5,1 7,2 7,4-8 9,4 9,11 9,20 9,21 12,7-9 12,9 14,4 15,6 18,12 18,16 19,5 19,8 19,14 20,2 21,8 22,3 22,15

271 945 750 750 72, 750 72 706 264 617 635, 706 706 533 910 910 910 345 910 910 58 617 345 614, 617, 696

749 366 706 742, 746 742, 746

2 Joh 1 318

1123

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Stellenregister

3. Pagane antike Literatur Ad Her. 1,10

Apul. Met. 54

Ael. Arist. or. 23

343, 346

Ael. ep. 1,35

82

Ael. nat. 2,21 3,21 3,41 4,52 6,17 6,21 7,48 15,15 15, 21

705 445 733 89, 733 707 705 83, 445, 468, 473 733 89

3 263 3,24f. 47 4,33,1f. 707 5,17,3f. 707 5,22,2 707 10,9-11 372 11 471 11,1,4 474 11,2,1-4 474 11,12-15 47 11,15,5 490

Ar. Eq. 240-496 263

Ar. Ra. 115 378 605-675 263

Ael. Var. Hist.

Arist. Po.

2,26 4,17

11

176 176

Amm. 14,2 19,13 27,9,6f.

563 563 563

7,290

283

Apollon. Hist. mirab. 6 176

Aret. morb. chron. 2,1

795

1355b 1415a

90 90

15

705

Artem. On 1,77

944

Athen. Supplic. 827

Cels. med. 5,28,7

Char. Kall.

806 53,3 260 90 260

2,9,3 4,2,2 8,8,12

Apul. Mag.

Cic. Cael. 67 67 68

124, 262

Arr. Ind.

Apul. apol.

25,11 26,6 40,3

866 54

Arr. An.

26

Äsop, Fabeln 30 194

Arist. Rhet.

6,13

Anth. Graec.

847

1,57

543

374 52 52

777

Cic. de sen. 16

876

1124

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3. Pagane antike Literatur

Cic. div. 2,149

Eun. vit. soph. 225

Cic. off. 1,103 1,104

54 54

2,216 54 2,216-289 54 2,276 62 87 54

Dio Cass. 68,32,2f. 220

Dio Chrys. or. 676 647

Diod. Sic. 1,16 229 5,34,3 151 17,6 220 20,17,1 220 29,5,131 564 32,10,2f. 526

D.L. 2,42 5,6 8,2-4 8,62 130

253 588 503 175 373

Dion Prus. or. 31,95f.

613

Dion. Ant. Rom. 4,24

944

Epict. diss. 1,24,14 2,6,26

191 253

Epiph. haer. 1,37,5 710 19,2,10 175 26,4,5-8 590 30,17,4 709

Epiph. pan. 21 79,5

373

Eurip. Ba.

Cic. orat.

21,9 36

4,1

612, 621 509

443ff. 46 [443-]447f. 253 447f. 253 576-619 253 615ff. 46

Eurip. Herc. fur. 1-25 850 55 850 55f. 850 312-314 850 558 850 561 850 596-597 850 596-598 851 913 850 928-935 850 931-934 852 1004-1006 851 1094-1097 851 1105 851 1107 851 1125 851, 852

Eurip. Hipp. 166-169 828 612 151

Eurip. Iph. T. 1379-1474 822

Eurip. Or. 1605

822

Gell. Noct. Att. 5,10-14 469 5,14 83, 468 5,14,2-4 468 5,14,8-9 469 5,14,15-28 469 5,14,29f. 469

Hdt. 1,1, 2,66-75 1,31 1,216 2,111 3,99 4,59

83 372 877 804 877 72

1125

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19.09.2017 11:37:43

Stellenregister 4,71,4 4,205

943 697

Hes. Theog. 322 825

705 705

Hippocr. Aph. 3,26

543

Hist. Alex. 1,17 736 2,40 738 3,28 738

Hist. Apoll. 33-35

13,121 283 15,225-242 805 15,478-480 445 17,485-487 231 19,599 191

Hor. Ars. 386-388 980

Hor. Sat. 2,3,1-2

980

Iamb. myst. 1,1

229

Iamb. vit. Pyth. 815

Hom. Il. 1,365 542 2,71 542 2,705 805 4,139 532 6,130f. 697 7,58-61 933 11,388 532 12,73 560 12,202 705 12,209 705 19 83, 738 21,166 532 21,493 542 23,175-183 943

Hom. Od. 4,360-580 445 5 822 6 822 9-12 822 9,116-542 877 9,297 864 10,80-132 564 10,235f. 864 10,236 283 10,269 283 10,290 283 10,505 283 10,563 283 11,285 805 12,445 283 13,1-15 822 13,30 283 13,75-188 868

8 13 13,27 13,61 28,134 28,142 136 167f.

379 83 83 736 176 283 176 149

IG XIV,601

219

IGRR 3,935

219

I.Epidauros A12 B30 B35 B37

193 193 193 193

I.Kourion 105

986

ILS 5926

220

Isocr. or. 10,64

804

Liv. 24,32,9 665 27,5,8-10 803 34,1-9 446

Luc. Alex. 26 43

613 910

1126

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3. Pagane antike Literatur

Luc. asin. 13 47 48-54 54

Ov. fast. 47 379 380 47, 473

Luc. dial. 1,2

675

Luc. hist. conscr. 60

274

Luc. Icar. 17

264

Luc. luct. 14 21

943 943

676

Luc. peregr. 12f.

745

Luc. philops. 11f. 13 18-22 22 31 33-36 34 34-36

707 675 613 253 989 263 622 622

Luc. tox. 27-34 32f.

253 253

Mach. frgm. 17,344

191

Mart. epigr. 11,53

596

Min. Fel. Oct. 27

613

Opp. Cyn. 3,183-187 89, 733 3,191-207 90

Ov. am. 1,2,1-8

667

Ov. met. 1,747-2,400 676 3, 24-137 707 3,699 46 3,699f. 253 4,575f. 705 4,599 705 4,603 705 4, 663-771 707 8,183-235 676 8,620-725 232 9,782-784 253 10, 686-704 708 15,671f. 253

Paus.

Luc. nav. 42

6,753f.

51

1,44,1 5,16,2f. 6,11,6

987 987 613

PGM I,1-42 836 I,229-256 635 III,263-275 226 IV,296-466 613 IV,1227-1264 836 IV,1872-1927 769 IV,2125-2139 769 IV,3125-3171 613 XII,235 613 XII,301-333 613 LXI,36 613 LXXXVIII 836 LXXXIX 836

Philostr. vit. Ap. 1,20 1,32 1,33 2,4 3,2 3,6 3,6-9 3,8 3,38 3,39 4,3 4,10 4,13

83 46 365 989 733 89 705 705 46, 734 964 83 46, 176 46

1127

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19.09.2017 11:37:43

Stellenregister 4,20 46, 614, 734, 836, 837, 989 4,24 46 4,25 46 4,36 253 4,45 46, 274, 413 6,27 46 6,41 46 6,43 46 7,10 46 7,34-38 253 7,38 46, 165, 748 8,10 46 8,30 46, 87, 165, 253, 748 8,30f. 622 8,31,1-3 506

8 470 8,11 705 8,13 89 8,46 90, 733 8,48 88 8,57 445 8,63 615 9,42 445 28,61-64 379 30,1-18 67 30,2,11 220, 260 30,22 544

Plot. En. 4,4(28),40-44 68

Phleg. Trall. lib.

Plut. Cor.

3 613

37f.

Phot. bibl.

Plut. de def. or.

114 17, 868 337-379B 526 168 519

9 242

Physiologus 9

90, 733

Pind. Olymp. 1,49-57b 154

Plato Phaid. 60d 243a-b

253 804

Plato rep. 10,615f. 264 375a-376c 87 588b-589b 83, 736

Plut. de sera 3 154

Plut. Per. 8,7f.

28,1

2,6

15,3-4 35,3f.

2,146 5,70 5,147 6,16 6,42

262 124

Poll. Onomast.

45b

Plin. nat.

446

Plut. Sull.

Polyb. Hist.

1,12.22 372 10,86 356 10,96 492 10,96,8f. 225

516

Plut. quaest.

10,35

Plin. ep.

274

Plut. pomp.

Plato Tim. 223

22

191

3 22 16 22 31,9 565

Porph. Fr. Hist. 26

214

Porph. vit. Pyth. 446 192 230 742 742

24 27

83 176

Prop. eleg. I,1,1-48

378

1128

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19.09.2017 11:37:43

4. Frühjüdische Literatur

Quint. inst.

16,2

6,3 54 6,3,11 54 11,3,148 260

Suet. Tib.

Sen. benef. 2,19

470

Sen. ep. 70,14-18 372

Sev. Ant. ep. 108

7,2

12,12-14 1001 16,6 943 60-63 372

365

4,81 5,5

Sophr. nar. mir.

Them. or.

35

1,11b

253

705 877 230 705 705 742 260 260 705 281

Suet. Aug. 44 90 98,4-5

987 446 221

Suet. Cal. 19,3

221

17,60f.

828

1,6 4,80,4

987 944

Ulp. dig. 48,13,7

565

Verg. Aen. 3,89f.

253

Xen. Eph. 1 1,6 2-5 4,2 4,3-6 4,6 4,14

52 47 52 47, 48 48 47 48

Zos. 1,57,2-4 526

Suet. Nero 12 12,2

745

Thuc.

Strab. geogr. 2,1,9 10,5.6 12,6,1 15,1,28 15,1,45 16,1,1 16,2,39 16,2,43 16,4,16 17,1

964 588

Theocr.

Stat. Theb. 7,65

193

Tac. ann.

Tac. hist.

613

221

Suet. Vesp.

983

Sext. sent. 273

14,4

225

618, 676 473

4. Frühjüdische Literatur ApkMos 16f.

ApkEl 707

ApkPetr 33

34,9-35

202

App. Bell. Civ. 264

2,61

468

1129

K10_Wunderkompendium.indd 1129

19.09.2017 11:37:43

Stellenregister 4,32-34

446

Artap. Frgm. 3,23f.

253

AscIsa 1,3 2,4 2,5 10,8-31

706 706 617 867

2 Bar 66,1-3

617

Bel et Draco 25-27

706

Flav. Jos. Ant. 1,73 707 1,196f. 617 8,48 614 12,354-359 565 13,171 163 13,254-256 174 13,281 174 13,284-287 220 13,298 163 14,248 192 17,168f. 697 18,9 163 18,11 163 18,16 163 18,17 163 18,26 162 18,30 174 18,33-35 162 18,85-87 637 18,95 162 19,9 613 19,343-350 207 20,130 192 20,142 220f. 20,221 139

Flav. Jos. Apion. 2,91-96

879

Flav. Jos. Bell. 1,656 2,119 2,122 2,127 2,165

697 163 149 149 163

2,242-244 192 2,508 199 2,515f. 192 2,559-561 183 3,54 192 5,144 164 5,185 139 5,326-328 192 6,293 253 6,354 164 8,42-49 260

1 Hen (äth. Hen) 6-11 7f. 10,13 15f. 21,10

707 617 748 707 748

Jdt 2,28 8,1-7 15,2 15,8

264 651 264 163, 166

JosAs 1-21 4,7 8,1 10-17 10,2 14,2f. 14,6f. 16 19,11 23,9 28,10 28,14

185 533 533 491 185 185 185 185 185 668 668 668

Jub 10,7-14

617

3 Kön 17,19.23LXX 273 17,21LXX 274

4 Kön 4,10f.LXX 273 4,34LXX 274

Lib. Ant. 6

253, 490

1130

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4. Frühjüdische Literatur

1 Makk 2,60 13,11

Philo somn. 468 199

2 Makk

1,232-237 867

Philo spec. 1,231.268 877 2,148 877

3 185 3,1-40 565 3,25f. 185 3,27-30 185 3,33f. 185 3,39 185 6,4 382 6,18-31 433 7 433 8,13 461 11,8-12 148 14,37-46 364

20,28-29 291

4 Makk

1QS

5,14-6,30 433 10,14 461, 497 13,12 877 16,20 877

4,13-25 6,24f.

4Q521 2,2,4-13 140

1QApGenar 1QH 13(5*),9 468 13(5*),11 468 13(5*),13f. 468 13(5*),18 468

Sir

17,3-10 756 42,11-20 706

1,30 19,26 32,5 48,9

ParJer

TestAbr

6,15-7,15 933

4,9

Philo Abr.

TestJos

OdSal

117f. 169f. 182 216

617 877 877 321

867

Philo legat. 282

220

Philo Mos. 1,43f.

468

Philo opif. 129

750

Philo prob. 85-87

617

253

TestSal 14

3 4,11 6,6 6,8 11,3 11,7 11,12 12,19

709

149

815 139 616 264 59 183 183 616

VitAd 12-17

Philo sobr. 50

8,5

218 218 139 680

Tob

Philo Deus 53-68

150 150

707

Weish 7,1

140

321

1131

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Stellenregister

5. Rabbinische Literatur Midraschim

mKet 7,10 mSchab 23,5

ChrJera 48,13

Babylonischer Talmud 618

bBer 34b 291 55b 915 bBM 38b 915 bMeg 28a 979 bMQ 10b 191 bQid 70a 191 82a 200 bSan 22a 979 43a 224 68a 898 bTaan 20b 979

EstR 4,7 4,9 4,12

432 432 432

ExR 19,6 751 JalqR zu Ex 15,7

618

JalqS zu Ex 14,27

618

KlglR 3,14,5

911

Jerusalemer Talmud

LevR 12,1 15,2 (115c)

jBer 9,14a 751 432 795

Targumim

618

TgCant 3,8 751 TNeofiti Gen 18 617 TPsJ Gen 18 617 TScheni 4 83

MWaj zu Ex 15,10

200 198

NumR 20,4 615 Mischna und Talmudim Mischna-Traktate mJeb 16,7

979

6. Außerkanonische christliche Schriften ActAndr(Greg) 1 2 2-10 3 4 4f. 5 6 6,20-23 7 8 11

775 790 809 790 776, 790, 795 776 27, 776f., 790, 792-796, 812, 815, 859 27, 792 85 28, 776, 777 28 776, 777, 802

11-27 809 12 28, 776f., 802, 923 12-14 776 14 28, 777 15 776 16 821, 822 17 27 18 28, 85, 777 18f. 776 18,55-57 85 19 11 21 825 22 777, 809, 810 22f. 776

1132

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6. Außerkanonische christliche Schriften 23 28, 36, 777f., 790, 794, 807 817, 859 23,10 10 24 28, 776, 818-823, 824f. 25 776, 824-830, 839, 890 27 27, 777, 790, 794, 815 28 776, 778, 811, 815 28,1 832 29 27, 776, 777, 831-841, 886, 890 29-32 28 32 776, 868 34 777

ActAndrMatt 1 2 3 4 5 5-16 5-17 6-15 7 8 9 10 10f. 10-15 11 11-15 16 17 18 19 19-21 21 22f. 23 24 24f. 25 25-28 26f. 26-28 27 28 29 29-31 29-32 29-33 31

864 864 864, 883 864, 867-870, 883 780, 864-866, 869 865, 867, 870 883f. 864 869 864, 866 869 868 866 869 866 780 780, 863, 864, 870 863, 864-866, 869 780, 863-870, 873, 883f. 866 28, 72, 864, 872 866 28, 864, 871-880 865, 885 865, 867, 873f., 883 864, 867 865, 883 780 865 864, 867 72, 867 883 864, 867 780, 865 829, 839, 873, 881-891 873 865, 875

32 32f. 33

889 865 867, 884

ActBarn 1-4 1-10 2 4 5-10 6 10 11-14a 11-24 11-26 12 15 17 18 18-20 19 19-22 20 22 23 24 25f.

969 976, 984 984 976, 978 969 979 976, 978 977 969 984 922 27, 972, 976-983 973 985 226 28, 29, 778, 972, 984-992 984 972 973, 978, 990 226, 984 972f., 978, 983 970

ActJoh 4 4,48-54 18 18-55 19 19-24 19-25 19-26 19-55 21 21,41f. 22 22-25 22,56 23 24 24f. 25 26 26f. 26-29 27f. 28

366 366 307, 312, 314f., 341, 390 307, 337, 361 300, 343 28, 300f., 307-324 337, 352, 374f. 379 352 312 80 10, 136, 303, 375 303 375 303 11, 303, 396, 898 311 10, 303, 310, 314-316, 318f. 314-316 316 311, 323, 667 323, 898 316

1133

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Stellenregister 29 316 30 300, 302, 311, 361, 632 30-36 28, 325-332, 337, 352, 385 30-38 27 31 21, 300, 304, 342f., 385 31,7f. 318 33 341 33-36 300 36 337, 385 37 300, 352, 385 37-45 302, 304, 333-350, 361, 412 37,4f. 318 39 300f. 39,10f. 396 39-44 320 40 302 42 29, 32, 302, 990 42-47 990 43 304, 396, 990 45 352 46 301, 316, 337, 361, 385 46f. 28, 301, 304, 316, 337, 345, 351-358 47 301 48-53 316 48-54 28, 304, 359-368 51f. 301 52 301, 396 55 343, 346, 361, 370 56 375 56f. 302, 369-375 56,3 318 57 316 58 370, 377 59 311, 377-379, 385 60 29 60f. 29, 49, 86, 299, 303, 332, 367, 376-384, 736, 914 61 303 62 262, 385, 390, 392, 396 63 301, 385, 390, 392, 778 63-84 299f. 63-86 28, 301, 304, 312, 385-399 70 301, 868 71 29, 86 72f. 302 73 868 73,10 318 74-84 28 76 302, 868 83 10f., 28, 136

87-93 867 87-102 347 87-105 299, 337 87,2f. 385 88-93 779 88-102 416 94-102 397 97-102 856 105 337 106,1f. 397 111 394 111-115 318 113 779, 804 115 394

ActMarMag 2,24 3,2 6,22

579 749 755

ActMarc 15

982

ActNerAch 15

591

ActPetr 1 1-3 2 4 4-15 5 5f. 6 7 8 8-32 9 9-12 9-13 9-15 10 10(-12) 10-12 10-13 11 12 13 14 15 16

622 593-600 28, 80, 569, 573, 607 571, 573f., 637, 674, 777 577, 601-624, 738, 923 28, 574, 628, 634, 667, 868 571 571, 946 569, 571, 574, 637 579, 632, 664 575 29, 80, 177, 574, 736, 738 914 643 607 82, 571, 574, 579, 664 99 29, 82, 87 577 10, 11, 27f., 572f., 644, 664 32, 87, 571, 574, 625, 635, 738 10, 29, 32, 87, 574, 914 263 10, 80, 87, 574, 625, 643 575, 577

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6. Außerkanonische christliche Schriften 16f. 16-18 16-32 17 17f. 18 19 19-21 19-22 19,5 20 20f. 21 22 22-29 23 23-29 24 25 25f. 25-27 25-28 25-29 26 26f. 27 28 28f. 29 30 30-32 31 31f. 32 33 33f. 34 35 35-41 36 37 37f. 40

643 625-638, 666 619 571, 577, 579, 643, 662, 664 28 643, 644, 949 579, 643, 644 579 639-656 649, 652 416, 572, 634, 980 98, 569, 572, 868 17, 572, 634, 868 573, 578f., 662, 946, 949 644, 778, 923 571, 662, 664, 673, 945 575, 673 662, 945 28, 32, 575 616 98 202 28, 657-671, 944 10, 11, 21, 575 202, 577 575f., 579 11, 575f., 579, 623, 944, 946 579, 632 17, 62, 575, 579 579, 580, 596, 598, 649 28f., 644, 672-681, 923 28, 571, 575, 618 571 80, 177, 191, 263, 577, 611, 618, 619, 620, 623, 635 598, 675 778 598 889 415 96 856 96 611

ActPetrAndr 1 2 3 3-5 3-7 4

896 868, 897, 914 907, 913 895-901 780 907

5 7-12 8f. 9-12 12 13-21 16 18 22f. 23

900 781 897 910 904 28, 63, 781, 902-916 868 899 781 914

ActPetrPl 50f. 52f. 77f.

680 505, 679 679

ActPhil 1 1-7 1,2 1,3 2 2,9 2,22-24 2,24 3 3-7 3,1 3,3 3,4 3,5-19 4,1 4,4 5 5f. 5-7 5,1 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 5,8 5,9 5,11 5,12 5,13 5,14 5,15 5,15-25 5,17

28, 922 921 932 932 922, 927, 951f. 923 951 922 17, 922, 948 919 927, 948 927, 930, 932, 933 927 927-934 923, 932 923 932 17 919, 923, 935, 937, 939, 941, 943, 945, 947-951 937, 942 937 937, 941 937 937, 940f. 941 941 923, 937, 939f. 937, 951 941 937 923, 937 940 950 939, 940

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Stellenregister 5,20 5,21 5,22 5,25 5,26 5,26f. 6 6f. 6,1 6,1-8 6,1-21 6,3 6,5 6,5f. 6,6 6,7 6,8 6,9 6,9-16 6,10f. 6,10-12 6,11 6,12 6,13 6,13-15 6,15 6,16-22 6,18 6,20 6,21 6,22 7,2 7,3 7,4-8 7,7 8 8-15 8,1 8,1-15 8,2 8,3 8,4 8,5-7 8,8 8,9-14 8,10 8,15 8,16-21 9 9-11 9,1

940, 950 939, 940 937 950 941 937 10, 11, 28, 32 923 923, 937 937 942 940, 949f. 937, 940f., 949 950 937, 940f. 949 950 937, 949, 963 937 937 951 923 937, 941, 945 941, 945f., 949 938, 945 937f., 940, 946 935-952 10 10, 29, 923 32 932 938, 950 937, 940 938 937 919, 921, 932, 959, 965 954 923 954 921 921 955 955 955 955 805 955 923, 953-958 923 965 955

9,3-5 708 11 29, 923 11,1 955 11,3 923 11,6 923 12 738, 923, 932, 955 13 923, 959, 961 13,1 955 13,2 959 13,3 959 13,4 959 13,5 959 14 923 14,1-7 921, 923, 959-965 14,7 921 14,9 921, 955 14,17 923 15,4 923 15,4f. 28 15,5 924 15,8 955 36,38-42 591

ActPl 2 28, 409 3 406 3f. 406, 410 3,23-25 419 5 28f., 346, 410 5f. 102 6 29, 411, 922, 990 6,5 412 6,6 412 7 27, 412 7-15 778 9 29, 63, 403, 406, 412, 445, 628, 630, 633, 736, 738, 868, 914 9,1-10 478 9,1-15 419, 453-475, 738 9,2 497 9,7-9 497 9,12 488 9,13f. 478 9,15 497 9,16 464 9,16-21 418, 456-458, 461, 476-499, 748, 755 9,17 464, 945 9,18-21 255 9,19 464 9,20f. 755

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6. Außerkanonische christliche Schriften 9,22 9,22-26 9,27f. 10f. 10,1 10,5 11 12 12-14 12,1 12,2 12,3 12,4 13,1f. 13,5f. 13,7f. 13,9 13,10 13,10f. 13,11 14 14,4 16-21 26-28

479 419, 453-475, 479, 738 457f., 462, 476-499 412 413 412 28, 413 28, 413 403, 405 634 286 414 414 415 416 416 417 417 417 4, 417 406, 417 418 456 456

ActThecl 1 1-25 1-26 1-43 3 4 5 5-7 6 7 8-17 9 15-22 18-20 20f. 21 21f. 22 22-43 23-25 23-39 24-26 25 26 26-39 26-43

410, 913 424-439 436 409 94 63 485 441 493 51 51 88 631 51 52 100 441 52 52 419, 492 52 441 461, 497 442, 449 435 428, 535

27 27-38 27-39 28 28-37 33-37 33 34 37 40-43

442 631 630 88 440-452 88 88 88, 914 52, 535 52

ActThom 1 1-3 1-8 4 4-9 5 5f. 6 6f. 6-9 8 9 9-15 10 10f. 11 11f. 11-15 12 13-15 14 14f. 15 16 17-27 19 20 21f. 21-23 26 26f. 27 27f. 29 29f. 29-34 30 30-38 30-61

50, 695, 718 695 50 695 105 692, 694, 697f. 698, 761 29, 50, 80, 686 10, 719 105, 692-699 50, 686 50 50 754, 763 694 698 694, 698 697, 776 697, 699 694 697, 699 776, 779 695, 763 50, 694, 696, 698 630 632 51 28, 693 105 750 702, 747, 749f., 752 718, 746f., 750, 752, 755, 760, 763, 868 719, 721 702, 704, 706, 747, 752 702 312 702-704, 719 29, 82, 89, 687f., 702 702

1137

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19.09.2017 11:37:43

Stellenregister 31 698 31-33 700-712, 776, 923 32 923 33f. 704 34 687, 698, 704, 760, 763 34f. 704 34-37 702 34-38 704 36 702, 760, 763 37 687, 704 38 704 39 698 39f. 702 39-41 90, 688, 703 39-42 470 40 470, 688 40f. 574 41 688 41f. 702 42-50 27, 687, 702, 713-722 44 704, 868 45 698 45f. 837 47f. 754 48 837, 867 49 746, 749, 755 49f. 749, 752 49-51 747 50 746f., 752, 754f. 51 723, 728f. 51-54 693 51-60 688 51-61 723 52 704, 709, 727 53 28, 719 53f. 11, 28, 688, 704, 723-729, 922 54 11, 28 55 696 55f. 727f., 922 55-57 704, 724, 761 55,5f. 499 57 698 58 724 59 28, 632 61 755 62 702, 761 62-64 777 62-67 732 62-81 732, 734 63 836

64 696, 734 65 734 68-81 470, 730-738 74-79 29, 82, 90 75 837f. 75-77 27 76 837 76f. 698 77 838 79 776 82 741, 761 82-133 741 87 741 88 741 88,9-21 498 89 741 91 741 95 741 96f. 741 98 741, 743 100 741 101 741 103f. 741 106 741 106f. 256 108f. 704 108-113 256, 709, 719 111 704 117 741, 749 118 741, 749, 753 118f. 255 118-122 499 119 10 119-122 28f., 489, 720, 739-757 119-123 169 121 718 122 688, 762 123 698, 742, 749, 755 123f. 755 131 750 132 719, 721, 755 132f. 718 133 752 134 761 134-138 778 139 755 149 719, 721 150 718, 744, 758-760 150f. 255 150-158 758 150-162 499

1138

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19.09.2017 11:37:43

6. Außerkanonische christliche Schriften 151 743, 744-746, 761 151-153 698 151-154 28, 748 152 758 154 688, 748, 758-765 154f. 868 155 760 156 754, 759 156-158 746 157 718, 746, 752 157f. 746 158 747, 752 162 28, 745, 748 169 718, 767, 770 170 27, 105, 108, 685, 688, 766 770 203,10f. 499 227,14f. 499

ActTit 6 475 9 922 11 27

ActVerc 9-14 12 13 14 25 26 30 33

62 62 63 62 670 670 569 569

Alex. Mon. Laud. Barn. 16f. 21 37 40,43f. 43

187 226 971 983 972

6,51

373

Arnob. adv. nat. 2,12,4

679f.

Ath. vit. Ant. 9,5-7 9,89-91

84 286

Aug. c. Adim. 17,2 17,5

699 569, 591

Aug. c. Faust. 22,79

699

Aug. civ. 10,9 22,8 22,8,7 22,8,22

68 769 106 8

Aug. ep. 20,37

106

Aug. Joh. tract. 7,12

106, 980

Aug. s. dom. m. 1,20 1,65 64

699 699 79

Aug. serm. 148 (98) 352,1,4

156 97

Aug. sol. 22

317

Authentikos Logos 24,20-26 84

Ambr. ep. 77

Anton. ep.

8

Barn

1,23,102 55

9,6 15,9 20,1

Ambr. patr.

Beda Ven. Ac. Apost.

Ambr. off.

12,57

294

Ambr. sacr. 3,7

13

751 271 617

225

BG 709

4 8502.4

569, 583 80

1139

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19.09.2017 11:37:43

Stellenregister 8502, p. 139

80

BGU III,954

2,41,1-4 827 106

Clem. Al. strom.

509 509 517 20

1,4 366 2,11,52 677 2,11,52,2 618 3,1 366 3,13 366 91,2 366

BHG 1717 1718 1718m 1832

Chrys. hom. in Ac. 12 13 19 28 30 35 36 36,2 54

156 169 266 225 229, 234 245 256 251 287, 294

Chrys. hom. in Ephes. 10

245

Chrys. hom. in Ioh. 32

990

Chrys. laud. Paul. 4,2

226

1 Clem 5,1-7 5,3 6,2 34,7 37,2f. 38,2 42 44,1-3

7 7 445 272 503 366 7 7

2 Clem 7,6 8,6

751 751

317

Clem. Al. paid. 2,20,1 3,2 3,4,26 3,11 11

CMC 94-97

711

Codex Tchacos 1 583

Codex Theodosianus 9,16,3

106

ConstAp 6,7-9 8,2

623 266

Cyp. eleem. 6 202

Cyr. catech. 17,26

187

Did 1,2 2,1-7 3,1-6 4,10 5,1 7,1 14,1 14,3 16,2

899 899 617 899 617 914 271, 588 597 272

Didasc.

Clem. Al. Div. 42,2

Clem. Al. protr.

747 837 366 106 837

3,5f. 9 15 16

652 632, 746 632, 633 746

EpAp 31(42)

187

EpClem 1,2

912

Ephr. Carm. 42

768

1140

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6. Außerkanonische christliche Schriften

Eus. h.e.

EvPetr

1,13,6-18 18, 995-1006 1,13,11,3 8 1,13,14,2f. 8 1,13,19f. 1000 2,1,11 175 2,14,4-6 111 2,22,4 472 2,25,8 612 3,3,2 569 3,25,6 299 3,31 948 3,31,2-4 920 3,31,3 317 3,31,3 173 3,39,3 318 3,39,9 173 3,39,15 973 5,1,41 465 5,1,41f. 466 5,1,53 466 5,8,3 115 5,10,1-3 173 5,24 111 5,24,1f. 920 5,24,2 173 6,5 814 6,8,1-4 365 7,3 111 7,18,1-4 111 7,18,4 93 7,25,16 318 8,7,1-6 466

9,35 12,50

Eus. praep.

545-549 538 545-551 517, 548

1,4,6-8 876 7,18 748 7,23 748 7,27 748 9,27,23f. 253

Eus. Theoph. 4,22

3,8

26a

1f. 7 12 13 14,4f. 31 108 Incipit

9,209 11,10

93 93

Greg. M. moral. 1,15,21

911

Greg. Naz. carm. 1,2,2 1,547

451 565

Greg. Naz. in laud. 22

538

Greg. Naz. or. 21 24,10

538 102

Greg. Naz. vit.

Herm sim IX,12 (89,8) IX,16 (93,3f.) IX,16 (93,5) IX,17 (94,4)

IV,1-3 (22,1-24,7) IV,2 (23,4)

EvNik

721 696 721 721 4 588 721 721

Greg. M. ep.

518

590

868

EvThom

Herm vis

EvJud 38

EvPhil

696

Evagr. h.e.

588 588

763 751 751 751

708 708

Hier. ad Rip. Presb. 3 226

7 111

1141

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19.09.2017 11:37:43

Stellenregister

Hier. ep. 69,30 109 133,4

IgnPhld 187 226 177

Hier. vir. ill. 7

63, 408, 470, 475

Hipp. Dan. 3,29

4 597

IgnRöm 4,1 5,1 5,2

889 468 466

IgnSm 408

13,1

Hipp. demonstr.

IgnTrall

36

1,1

317

651

7

Hipp. haer.

Io. Mal. chron.

4 67 4,51,3-14 175 5,9 710 5,16 710 6,2 175 6,2-18 621 6,7-20 175 6,9 618, 677 6,12 677 6,17 677 6,20 679 6,42,2 868 9,13-17 175 9,15,4-16,1 709 10,12 175 10,29 175 13 618 17,1 618 18 618

10,37

Hipp. trad. ap.

1,26,1f. 5 26 26,2 26,3 26,4 29,2 56 56,2 61,3 65 65,3

2f. 7-14 10 20 21 24 30

632 632 632 633 1004 633 633

I.Eph 907

342

IgnEph 12,2 17,1

7 706

Iren. haer. 1,20,1-2 748 1,23 612, 621, 622 1,23f. 175 1,23,1 676 1,23,1-4 175 1,23,4 175 1,30,15 710 2,22,5 317 3,1,1 115, 317 3,1-3 612 3,3,4 317 3,14 294 3,14,20-25 286 5,2,3 747

Iust. 1 apol. 111 827 174f., 612 175, 677 175 174 365 174 677 914 747 598

Iust. 2 apol. 6 266

Iust. dial.

IgnMagn 1,3 9,1

94

706 271

2 804 81,4 317

1142

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6. Außerkanonische christliche Schriften 120 120,6

612 174

Kopt. Pap. Berlin 8502, 129-131 8502,4 8502,4, 128 8502,4, 129f. 8502,4, 131 8502,4, 137,1 8502,4, 141

80 98 587 587 587 590 587

KThom

MartPhil 5 8-12 12,14 20 25 27 32 36

MartPionii

2 614

2,1 7,5

Lact. Epit.

MartPl

1,34

365

Lehren des Silvanus 85,7-16

84

Manichäisches Psalmenbuch 142,20

806

Mart. epigr. 11,22,7f. 794 11,32 379 11,53 596 14,183-195 980

MartAgap 5 815 6 815

1 1f. 1,4-7 2 2-6 3 4 5 5-7 6

814 814

277, 417 667 278 503 417 502, 505 418, 501 94, 503 101 503

MartPol 4 461 13,2-14,1 889 14-16 434 18 769

Mel. Hom.

MartAndr 1 1-3 2-5 4 5 8 13 17-22 22 23 43 57 59

709 924 923 924 924 924 924 955

847 856 778f., 845-854 856 856 847 847 778 849 776 847 858 778, 855-860

MartMt 1 868 13 868 24 868

14-17

751

Mir. Cosm. et Dam. 44f. 45

551 551

Mir. Cyr. et Jo. 8 551

MirDemetr 1,13

566

MirThecl 1 1f. 1-4 2 2-4 3 3-5

511, 524-529, 557 544 515, 528, 541, 544 511 525 511 29

1143

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19.09.2017 11:37:43

Stellenregister 4 5 5f. 6 7 8 9 10 11 11f. 12 13 14 15 16 17 17f. 18 19 20 21f. 22 23f. 23-25 24 25 26 26f. 27 28 29-35 30 31 32 33 33-35 34 35 36 37 38 38f. 38-41 40 40,30f. 41 42 43 44 45 45f.

511, 555 29 29, 513, 562 541, 560f. 27, 512 27, 512 513, 531 514, 520, 530-539, 541 27, 512, 527, 540-545 512 27, 29, 511-513, 519f., 537, 544 29, 513, 564 512, 514, 520 28, 513, 546-552 513 512, 543, 553-558 27, 512 512, 527, 543, 554 513 513 28, 513 544, 562 518 27, 512 518, 554 512 29, 513, 561 562 513, 561 28, 514, 554, 559-566 557 29, 514 514, 557 514 514 516 28, 514 28, 514 513 27, 512 512, 542 512, 556 516 27, 512, 527, 544, 542, 544 527 27, 512, 514, 519 27, 512f. 28, 513 511 29, 513 511

46

514

NHC II,7 II,79,4 VI VI,1 VII,3 VIII,2

685 748 779 570 570 583

Nic. Call. h.e. 2,25 2,37 6,15

498, 475 94f. 111

Or. Cels. 1,6 1,24 1,28 1,57 2,34 2,64 3,24 4,83-85 4,88 4,96 6,28 6,39-41 7,8 57

71, 980 653 71, 224 175 214, 253, 256 867 980 82 82 82 710 71 8 176

Or. Comm. in Jo. 20,12

415

Or. Comm. in Mt. 13,10 12,11

63 97

Or. philoc. 27,8

225

Pall. h. Laus. 1,4 5,3 56 61 63 64 67,1

651 651 631 631, 665 631 631 651

P.Ber. 13893

416

1144

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6. Außerkanonische christliche Schriften

P.Bod. 1 453 2 453 3 453 4 454 5 454 6 454 7 455 10 19, 404 41 15, 19, 403f. 41,1,1-8 457 41,1,12f. 497 41,1,14-18 457 41,3,14-15 406, 493 41,4-5 497 41,4,5-6 471 41,4,14-16 470, 471 41,5,5-10 471 41,5,9 471 41,5,18-24 472 41,5,19-24 485 41,6,27-7,2 488 41,13f. 476 41,13,4 471, 481 41,13,6 481 41,17f. 476 41,17,23 471

P.Copt. Utrecht 1 583

P.Hamb. 1,3-2,8 1,11 1,16 1,21 1,28 1,34 2 2,8 2,8-4,5 2,8-4,6 2,9 2,10f. 2,11 2,32f. 3 3,1-3 3,1-4,5 3,3 3,4

457 455 490 490 463 483 456 461, 497 476 456 483 480 484 489 868 480 255 483 484

3,5-15 490 3,7 480, 497 3,8 494 3,10-12 480, 497 3,15-18 497 3,17f. 481 3,21-25 497 3,23 471, 481 3,23f. 481 3,24f. 490 3,26-4,1 481 4 456 4f. 736 4,5 406, 485 4,6 482 4,6-5,36 457 4,8-11 484 4,9 485 4,14-18 484 4,35 466 4,35f. 473 5 456 5,15f. 404 5,16f. 487 5,19-36 476 5,27 471 6,2 404 6,5 404 6,11-15 414 6,13 634 6,16-20 286 6,16-7,13 458 6,26 471 6,36-7,2 414 6,37f. 492 7,4-8 414 7,6 406, 493, 496 7,12-13 458 7,24-35 415 7,28 415 7,29 415 7,31 415 7,32-35 415 7,39 415 7,40 415 8,25-36 416 39f. 415

P.Heid. 37-39 989 37,20-38,3 492 42,20-22 413

1145

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Stellenregister 60,10-11 406, 493 61 412 79f. 416 79,5-19 417 80,6-10 417 80,15-20 417 686 803

P. London Ms. Or. 6795

106

P.Mich. 1317 3788

416 416

P.Oxy. 4,654 716 744 849 1151

980 240 588 670 106

Peregr. Eger. 17-19 17,1 19,3 19,8f. 19,19 23 23,1f. 23,1-5 23,4 23,4f.

1005 768 768 1005 1005 109, 556 533 517, 548 563 533

Phot. bibl. 129

621 612 618, 622 176 618, 621

Ps.-Tit. 83ff.

578, 591

Tat. orat. 8f. 10 22

34 57

589

Tert. apol.

527

PsClem Ep. ad Virg. 1,1

1,74 2,5 2,7 2,7,2 3,56

827 258, 265 827

Tert. an.

Ps.-Apol. bibl. 3,1-4.6

PsClem R

46

Protev 20,1-3

2,32 622 2,32,1-3 222 2,32,2 69 2,33f. 32 2,34 69 3,3 621 3,33 621 3,52 621 4,21,4 709 7,4,2f. 912 8,3,1-3,4 222 8,4-7 912 10,5,1 709 11,11,4 709 11,18,1 709 11,26,3 914 11,26,4 709 20,12,4-17,6 222

366

PsClem H 2,15-18 912 2,22 618 2,22,3 622 2,22-24 176 2,25 612 2,25,4-26,6 222 2,26 622

36 39,6 50

621 226, 621

828 633 814

Tert. bapt. 1 5 16 17,5

63 373, 815 447 450, 538

Tert. cor. 13

944

Tert. idol. 9 226

1146

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6. Außerkanonische christliche Schriften 9,6 39

621 226

Tert. paenit. 9,4

411

Tert. praesc. 1,3-5 36

621 317

Tert. pudic. 21,4

226

Tert. spec. 8 655 12 943

Thdr. Lect. h.e. 436

973, 983

Thdt. haer. 1,14 1,14.24

710 710

Thdt. h.e. 3,14 4,21

651 245

Thdt. h.rel. 21 26 29

710 382 517, 548

Theod. Syk. vit. 34

566

Vat. Gr. 808

774

Virtutes Iohannis 4 398

Vita Theodori Syceotae 3,13f.

911

VitThecl 1 13 15 26 27 28

102, 510 510 555 510, 519, 532 525, 527 511, 517

1147

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Sachregister Abgar(legende)

685, 995-1006

Abendmahl 269, 272, 482, 492f., 495 (→ Eucharistie) Abtreibung (eines Fötus) Actus Vercellenses Adler

374, 824-830

569f.

Alexander

526

− A. der Große

124, 199, 238, 330, 516, 742

− A. Monachus

187, 226, 971f.

− A. von Antiochien − Alexanderroman Alter

440-452, 473, 510 45f., 49, 116, 515, 738

534

68, 105-112, 1000

anapausis

316-318, 397, 753 (→ Seelenruhe)

Andreas (Apostel) 8, 16-18, 20, 28, 50, 52, 72, 85f., 583, 773-916 Antijudaismus 226, 239, 265, 588, 911, 947, 951, 999, 1002, 1005 Apollonius von Tyana 45f., 50, 83, 87, 131, 149, 176, 210, 253, 274, 506, 617, 622, 748, 762, 815, 837, 964 Apollotempel

241, 411f., 970; 986f., 989

Apophthegma Aposiopese

59

− Apostelakten (allgemein)

14-16

5-8, 366

540, 542f.

Asklepioskult 111, 153, 231, 512, 516, 543f., 556f., 564, 637 Auferweckung → Totenerweckung

Aussatz/Aussätzige 970, 972 Aussendungsrede

4, 140, 416, 200, 795, 3f.

Bad(ehaus) 369, 373, 713, 777, 794, 815f., 987 (→ Frauenbad) Barjesus Elymas → Elymas Barnabas (Apostel) 8, 18, 29, 52, 124, 146, 154, 216-226, 228-234, 604, 778, 804, 898, 969-992 70, 224, 604, 848, 863

− Apostolat (kirchlich)

5-8

− apostolische Sukzession

7, 178

106, 108-110, 703, 907, 1005

80, 590f., 647, 959,

Bekehrung 19, 122, 181, 183-188, 206, 302, 866, 899, 908, 935-952, 953-958 Besitzkritik

485-487

Apuleius von Madauros 46f., 67-73, 260, 263, 379, 472, 488, 490, 806, 827

Besitzverzicht

Aretalogie

22f., 46-48, 105

Bild(er)

Arianismus

514

− B. als Gemälde

316

Bilderkritik/-verbot

92, 316, 323

Arm/Armut Armenfürsorge

71, 149, 580, 714, 876, 908 580, 631-633, 664f., 669, 673

168, 357

Befreiungswunder 165f., 169, 209f., 212, 252f., 254-256 (→ Türöffnungswunder) Behinderung (körperl.) 961,

8 (→ Thekla)

Apotropäisch

Asklepiaden

Befreiungstheologische Deutung

Apostel − Apostelbegriff

594, 636, 858

− Sexualaskese 472, 578f., 583, 586, 590, 598, 702, 719f., 776 (→ Enkratie)

Beelzebul

511

− Apostelin

484f., 686, 920, 932

Augustinus 68, 71, 79, 364, 569, 591, 699, 980

876

Amulett

741 512, 514, 540-543, 555,

− Nahrungsaskese

895

− Bischof A.

− Ärzteversagen 557 Askese

365

− A. Balas

− Arzt der Seelen

(→ Christus als A.; → Lukas als A.)

927-934

Affektenlehre

517, 527, 541, 544f., 588, 959, 962, 964, 982

Bett

579f., 702, 910-913, 950f.

378f. 92-105

Bileams Esel

83

Artemiskult 244, 258, 261, 301f., 304, 330, 339f., 342f., 447, 482, 828, 990

Blind/Blindheit/Blindenheilung 186f., 222, 576, 644f., 654, 776, 959-965

Arzt/ärztliche Kunst

Bordell

115, 275, 355, 372f.,

776-778, 807-816

1148

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Sachregister Brautlied Brot

694f.

Egeria (Pilgerin) 517, 533, 548, 556, 563f., 768, 1005 (→ Pilger/Pilgerwesen)

594, 598, 747, 753

Buße

Ehe

185, 597f., 686

Caesarea Philippi

148, 573, 598, 797

Ehebruch 80, 326, 359-368, 573, 593-595, 713, 726, 777, 795-799

110

Einhorn

89

Christologie 122, 181, 255, 304, 316f., 656, 686, 719, 753f., 799, 948f., 999

ekklesia

155, 189, 981

Christus

Elija

Calvinismus

55

8, 12, 106, 243,312, 348f., 358, 366, 374f., 387-389, 396, 399, 410f., 415-418 , 429, 453-455, 463, 481, 493-499, 505, 607-609, 643, 704, 711, 727-729, 889, 945 (→ Jesus)

− C. als Arzt

317, 369-371, 374f., 763

− Christusbeziehung

Elymas

28, 31, 79, 130, 216-227, 260, 617, 804

Emotion(en) Engel

50, 503, 633f., 687, 889

− Christusprädikation(en)/-titel

317, 717

107

312f., 397

6, 60f., 79, 103, 158-161, 166f., 204207, 213, 302, 424f., 453, 478f., 498, 615f., 655, 680, 747f., 804, 811f., 863-870, 927

− Engelfall

458

− Christussymbol

82, 91, 705, 736, 915

331, 343f.

725, 741, 838

− Christusgleichheit − Christuslob

Elefant(en)

706f.

− angelus satanae

628, 635, 643, 655, 675

− Erzengel Michael

175, 185, 881, 890 107, 616

− Christustypologie

694, 697

− Erzengel Raphael

− Christusvision(en)

184, 186f., 652

Enkratie/Enkratiten 16, 303f., 364, 367, 379, 381, 395, 397, 405, 428, 449, 536, 580, 589f., 686, 697, 704, 709, 719721, 726-729, 736, 816f., 859, 910, 956 (→ Askese)

Chryse

673

Chrysostomos (Johannes) 8, 169, 195, 202, 214, 226, 229, 234, 245, 265f., 251, 256, 286f., 294, 365, 403, 437, 509, 916, 947, 990 Claudius (Kaiser) 510

174, 204, 220, 329, 482,

− Claudiusedikt 208 damnatio ad bestias

109f., 464-466

Dämon(en) 70-72, 83-85, 241, 264, 347, 373, 572f., 605, 609, 614, 635, 648, 713-722, 767, 790 Defixiones

613 (→ Fluch)

Demonstrationswunder Schauwunder) Demut

345, 347, 590 (→

Domitian (Kaiser)

676 329f., 987

Doppelkonditionierung

33f.

Drache → Schlange Dreizahl

666-668

Drusiana 11, 28f., 86, 300-304, 312, 322f., 376, 385-399 Dualismus

821

317-319, 329-333, 335-342, 344

Epiklese (des Geistes) Epitome

716, 742f., 746 752-754

20, 35, 473, 499, 615, 774, 825, 828, 835, 838-840, 973, 983

Esel/Wildesel 83f., 90, 574, 615, 686, 688f., 730-738 Ethik

321, 331, 364, 372, 397, 667f., 697, 775f., 811, 813

− Ethisierung von Wundern − Sozialethik Ethos

688

806

− Vorbild-Ethik Eubola

753

Dio Chrysostomos

Ephesus

594f., 655

597 625-638

Eucharistie-/Herrenmahlfeier 573, 594, 597f., 607, 620, 718f., 725-727, 746f., 752f. Exorzismus 27, 59, 70, 73, 243f., 264, 266, 345, 572f., 605, 609, 615f., 703f., 713-722, 777, 730-738, 989 Fabel

63, 90, 265, 365, 381, 408, 464, 469f., 738, 957

− Fabelländer

22, 47

1149

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Sachregister − Fabelwesen Faktizität

22, 34

1, 135, 211, 292

Faktualität/faktuale Erzählung Familie

33

775-777, 876

Feindesliebe

663, 667f., 719

Feministische Exegese 754f., 797

201f., 243f., 528,

Fieber/Fieberheilung

291-294, 793, 795, 982

Fiktionalität/fiktionale Erzählung 285, 383, 942f. Fisch

33f., 53,

29, 606, 616f.

− Räucherfisch 10, 29, 32, 63, 602, 611, 616, 914 Fluch

28, 613, 706, 796, 801 (→ Defixiones)

− Fluchtafeln

988

Flugwunder 618f., 672-681 Flüstern

662, 666

Folter

− Autonomie von F.

598

630f.

595, 744

Gattung

290

311, 320, 343f., 576, 646f., 653f., 663, 742

748

858-860, 906 (→ Epiklese)

− Böser/unreiner G. 3f., 9, 21, 58f., 235, 257, 264, 371, 789f., 815, 838 − G. des Herrn/Gottes − Geistempfang 749f. − Geisttaufe

Geschlechtsverkehr alität)

12-14 (→

397, 688, 856 (→ Sexu-

Glaube/Glaubensmotiv 3, 138f., 315, 367, 514, 575f., 670, 729, 1004 − Abfall vom G.

604, 609, 629, 639-656

− G. und Wunder

31f., 668f., 728, 744

Glaubenskenntnis 520

510, 514; 534f., 519f.

− Gnadengabe

121, 387

− Gnadengericht − Gnadengruß − Gnadentod

Gott

Gefängnis(wunder) 60, 571, 744f., 747f., 758-765, 761 Geist

282

Geschichtlichkeit (der Wunder) Faktizität)

225f. 453-456, 460, 467

372f., 375

175f. 309, 319, 370, 629

Golem (Legende vom G.)

15, 17, 576, 597, 607, 693f.

− G. der Seele

149, 218

− Gerechtigkeitsdämon

Gold(stücke)

963

Gastfreundschaft

− Feind der G.

Gnosis

310, 312

Galen (Arzt)

Gebet

578, 596, 630f., 754

794, 797, 789-792

− Wohlhabende F. Fuß/Füße

Gerechtigkeit 79, 149, 314f., 398, 573, 593, 697f., 751, 812

Gnade (Gottes) 73, 156, 276, 367, 389, 397399, 605, 674, 677, 815

325-334

− F. als Protagonistinnen

Furcht

200

− G. von Nizäa

Frau/en (→ Gender)

− Frauenbad

Gerberhandwerk

− G. von Chalcedon

631f., 922

− alte F.

Gender-Perspektive 19, 322f., 408, 449f., 483f., 544f., 565, 599, 711, 754f., 764, 797, 853, 939

78, 146, 155, 229, 805

172, 183, 187, 265, 746,

283

− Macht/Kraft Gottes − Taten Gottes

344f.

− Wille Gottes

348

− Wort Gottes

304

348, 571-573, 576

Gottesdienst 123, 269, 272f., 355, 490, 587f., 654, 753, 916 Gregor, der Große (Papst) Gregor von Nazianz Gregor(ius) von Tours Gütergemeinschaft

92

451 775f.

149f., 597

Hagiographie 17, 49, 142, 178, 398, 515, 545, 667, 756, 770, 815, 947f.

− Heiliger G. 47, 107, 145f., 148, 154, 187, 222, 263, 459, 542, 677, 716, 751f., 754, 815, 961, 969

Hananias (v. Damaskus)

− Wahrsagegeist

Handauflegung

130, 235, 527, 838

613f.

312, 320, 363, 458, 607

180-187, 259

Hananias und Sapphira 78f., 98, 128, 145157, 180, 226, 571, 589, 597 5, 73, 163, 182f., 265, 291f.,

1150

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Sachregister 351, 411, 481, 572, 644, 746, 839, 977, 981, 999f., 1003-1005 Hausgemeinde

Initiationsritus

746, 749f.

Inkubationsheilung

512, 543f., 556f.

430f. (→ Kirche, Hauskirche)

Inzest

775-777

Heiden/Heidentum 59, 74, 120f., 176, 184, 222, 229, 294, 319, 481, 911, 937, 939f., 951

Ironie

56-58, 60f., 248, 407, 447

− Heidenapostel Heil/Errettung

94

573, 951

Jerusalemer Tempel

Heiliger Geist → Geist Heilung

27, 571, 574f., 577, 760

− H. durch Berührung

Isis(kult) 47f., 330, 471, 474, 488, 490, 494, 549

572, 644f., 663

139, 164, 185

Jesus (Christus) 3-5, 58f., 70f., 106, 355 (→ Christus) − historischer J.

− H. durch Reliquien

766-770

− Jesuswort(e)

− H. durch Schatten

571

− Name Jesu

410 410 8-11, 73

− H. durch Schlaf → Inkubationsheilung

Johannes

− H. durch Schmiere

− J. Chrysostomos → Chrysostomos

959-965

− Heilungsauftrag Jesu

− J. der Täufer

3-5

3

− Heilungswunder 572, 586-588, 758-765, 766-770, 923, 959-965

− J. der Evangelist 921, 990

Heliodor v. Emesa (Autor)

− J. Markus 125, 150, 201, 216, 221, 969, 973-978, 984

45, 68, 87

Heliodorlegende

185, 564f.

Herodes Agrippa

79

Hermeneutik

Jona

5, 31, 35f., 38, 152, 802

Herrenmahl → Eucharistie Hexe(r/ei) 71, 73, 172, 675, 678 (→ Magie, → Zauberei) Hieronymus 63, 177, 187, 226, 403, 408, 455-457, 461f., 474, 477-498, 815 678

Himmelsstimme/göttl. Stimme Historiographie

13, 15, 82

Hochzeit/Heirat

693f.

Hoffnung Hölle

594, 605, 927

315

Hohepriester

162f., 259f.

171, 264, 309, 436, 627, 727, 885, 922

− Höllenfahrt (Jesu) − Höllenhund − Höllenstrafen Homer

Humor

686-688, 724, 727f.

850 154, 728f., 837

45, 191, 231, 445, 516, 532, 562, 822f., 943

Homosexualität

52

54-65, 301

Hund

59, 62, 85, 87, 105, 572, 574, 605609, 614f., 694 (→ Höllenhund)

Ikone

95 (→ Bild)

illiterati

93

616

Judas − J., Bruder des Herrn

50, 435, 459

− Judasevangelium 590

Herrentag → Sonntag

Himmelfahrt (Jesu)

4, 8, 317-319, 357, 586,

− J. Iskariot (der Verräter) 8, 78f., 154f., 302, 364, 395, 605 − J. Thaddäus

900

− J. Thomas (der Zwilling) (→ Thomas) 685-770, 996, 1002 − J. von Damaskus

50,

180-183, 458

Jungfrau/Jungfräulichkeit 51, 261, 364, 398, 425-427, 451, 509, 517, 530, 578f., 584-588, 591, 631f., 661, 665f., 702 − Jungfrauen des Herrn − Jungfrauengeburt − jungfräuliche Hand − Maria als J.

71 536

71, 424, 437, 516, 680

− Thekla als J. kairos

641f., 648-654

525, 528, 538, 546, 559, 562

319, 546

Kaiserkult

209, 259f., 289, 229f.

Kallimachos 11, 28f., 86, 300-304, 312, 322f., 376, 385-399 Kamel

28, 55, 64, 331, 780, 902-916

Kampf/Schaukampf/Wettkampf 343f., 573, 575, 647f., 657-671, 941, 945

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Sachregister Kanon/Kanonizität

7

Kult der Viper

Kastration/Selbstkastration Kelsos

362, 365-367

Kunst

959-965

92

70-72, 82

Keuschheit 48, 379, 432, 572, 578f., 598, 729, 779, 811-813, 816-817 (→ Askese, Sexualaskese; → Enkratie)

Lähmung

− Unkeuschheit

− Straflähmung

Kind

485

354

− Kindsaussetzung

588

− Kindsentführung

588

− Sprechendes Kleinkind − Waisenkind

606-609, 615 685

104, 121, 128-130, 155, 189, 213, 323, 409, 509, 538, 632, 747, 764, 885, 971-981

− Großkirche

364, 450, 459

− Hauskirche

96, 430f. 630

− Kirchenbau

29, 513, 517, 887, 923

− Kirchenrecht

177

− Märtyrerkirche Kleinglauben

7

5, 864-866 (→ Glauben)

Klemens(erzählung) tinen)

18 (→ Pseudo-Klemen-

Kleopatra (von Ephesus) 10f., 300-303, 307327, 337, 372, 374f. koinonia

753-755

Konversion 300, 577, 589, 620, 663, 686f., 940 Konzil − K. von Chalcedon − K. von Ephesus

519f. 971

− K. von Konstantinopel − K. von Nizäa

534f.537

534, 537, 971

Kreuz(zeichen/-symbol) 11, 26, 52, 72, 106, 383, 429, 513, 718, 725f., 747, 751753, 881, 886, 923, 999 − Kreuzauffindung

1005

− Kreuzestheologie

120

Kreuzigung

502, 778, 849

− K. des Abrokomes − K. des Andreas − K. des Petrus − K. Jesu

47

778, 855-860, 884 96, 415, 680

− K. des Philippus

321, 348

924

256, 416, 503, 903, 1000f.

573, 595, 667, 725

− Lebenszyklen (der Apostel) Lehre

104f.

572, 577

Leopard und Ziege Leukius Charinus

923, 953-958 17

Licht/Lichtsymbolik Liebeslied(er)

633f., 646f., 704, 749

51

Liebesroman, antiker Liturgie

45, 432f., 449

95, 367, 466f., 569, 718

− Liturgiegeschichte

15, 439, 752

− Liturgiekommentar − Taufliturgie Logienquelle

555f.

571, 578, 594

594, 599

− Lebensführung

632f.

− Kennzeichen der K.

571, 573, 583-592

− Gelähmtenheilung Leben

Kindheitsevangelium (des Thomas) Kirche

140, 193, 195, 233

− Gelähmte/r

751

24 (→ Taufe) 3

Lot/Lots Frau Löwe/Löwin

76f., 888 29, 63, 83, 88f., 694

Lukas − L. als Arzt

115, 125f., 288, 292

− L. als Paulusbegleiter

292, 474, 501

− L. als Evangelist/Verfasser der Apg 1, 4, 13, 17, 22, 34, 58, 60, 115-131, 134295, 984 Lykomedes (von Ephesus) 10f., 300-303, 307-327, 337, 372, 374f. Macht 321f. − Machttaten 69, 73, 120-122, 129, 173, 348, 866 − M. Gottes

304, 363

Magie/Magier 66-75, 124, 130f., 173f., 220-225, 261-263, 473, 551, 574, 577, 601-624, 617f., 675f., 777, 803, 923, 946 Mandylion von Edessa Manichäer

1006

323, 697, 699, 711, 721, 806

Marcellus 11, 27, 87, 177, 310, 572-574, 577-579, 601-619, 639-656 Mariamne Markia

920-924, 954f., 959-965

743

1152

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Sachregister Markus (Evangelist) 3, 69f., 191, 193, 330, 586, 973 (→ Johannes Markus)

− Menschenopfer − Sühnopfer

162, 185

Markusakten 982

− Totenopfer

395

Martyrium 16, 19f., 32, 95f., 101f., 109f., 181, 277, 317, 403-407, 424-452, 466, 505f., 517f., 556, 563, 766, 769f., 773-779, 814f., 889, 924, 955, 970

− Wasseropfer

Märtyrer(berichte) 16, 278, 433f., 599, 611, 854-860, 976 Matthäus(evangelium)

970-973, 976f., 983

− M. als Jünger Jesu − M. (Evangelist)

50

4, 17, 330f., 898,

Matthias (Apostel) 8, 20, 52, 72, 762, 773775, 779f., 784, 863-891, 895f. Maulbeerfeige(nbaum) Meerestiere

3

Milch

47

Mitleid

116f., 271

773

311, 316

Modalismus

411

Mund-/Weinschenk Mygdonia Mystik(er)

693-699

739-757

Mysterienkulte

490f., 494f. 755

Namenszauber

73

− im Namen Jesu Narration

8-11, 303, 309

25f.

Naturgesetz(e) Naturwunder

Paignion (Luststück) Papyrus

28

569

Normenwunder

76, 152, 535, 597

notae ecclesiae

7 (→ Kirche)

Opfer

3, 740-742, 746f.

58, 77, 85, 148, 228-234, 414f., 445, 487, 496, 670, 877

− Opfermahl/-fest

21, 548, 557, 562

686, 697

483, 649f.

Paulus (Apostel) 12-14, 94, 99-102, 180-188, 288-295, 403-423, 453-506 Paulusgrotte in Ephesus

436f.

Petrus (Apostel) 6-10, 16-18, 27f., 30, 52, 60-64, 78-80, 94-99, 117-119, 128130, 132, 134-215, 570f., 893-916 Phantastik 32-34, 403, 409, 685, 774, 779f., 859 Philippi (Stadt) 6, 117, 122, 126, 128, 166, 236-238, 776, 801-803,

Philosophie (griechisch) Pietismus

93, 318, 321

54

Plinius der Ältere 67, 220, 230, 260, 446, 470, 543, 615, 742 Plinius der Jüngere

231, 411, 492f., 597, 970

356, 492, 495f.

Polykarp (von Smyrna) 889

434, 461, 652, 769,

Polymorphie (insb. Christi) 389, 481, 499, 647f., 760, 763, 780, 867f., 914 Pothius

Ölsalbung

299, 303, 376, 379f.

15, 19, 106f., 239, 286, 403-406, 408f., 416, 457-459, 478, 498, 569, 583, 591 (→ Zauberpapyrus)

Pilger/Pilgerwesen 108-111, 202, 205, 513519, 529, 547-551, 556, 563f., 1005

57

Nero (Kaiser) 177, 224f., 330, 415, 417f., 472f., 482, 500-503, 594, 618, 667, 675f., 679f. Nikephorus

92, 396, 667, 913

− schwarze P. 28, 76-81 (→ Strafwunder)

Philippus (Apostel) 8, 10f., 18, 20f., 32, 50, 52, 73, 118, 123-125, 128f., 132, 171179, 417, 571, 583, 711, 805, 821, 903, 919-965

187, 776

− Brautmystik

Pädagogik

Patronat

300, 311f., 572, 577, 579, 594, 595, 611

− Missionsgebiet(e)

Origenes 82, 214, 225, 253, 256, 365, 403, 415, 631, 653, 774, 805, 867, 980

Passion (Jesu)

503f.

Mimetische Geschichtsschreibung Mission

478, 482, 491

241f., 525-529, 613

Paradoxographie

931

Metamorphosen (als Text)

Orakel

154, 871, 877-879, 885

17

presbyteros (Johannes) Praxeis-Literatur Proskynese

318

115f., 515, 972

999, 1003

1153

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Sachregister Prostitution

673, 776f., 795, 807-810, 814

− Zwangsprostitution Pseudo-Klementinen 621f.

10, 588, 812 18, 176, 222, 612,618,

Raub

Schabmadonna

107 28, 345, 575

Schlange(n) 5, 29, 84f., 89, 281-287, 686, 700, 702f., 705-711, 923, 959 Schuld 362

Seelenruhe (stoisch)

629f., 635 519

Realistik 33f., 779 (→ Wirklichkeit) 52, 280, 335, 475, 510, 895

316-318

Selbstmord → Suizid Seleukia

370

Regen(wunder)

707

− Schuldgeständnis

174, 898

»Räubersynode« von Ephesus Rebhuhn

635, 643, 655

− Satanssturz Schauwunder

Pythagoras (pythagoräische Schule) 45, 50, 83, 149f., 176, 283, 372, 379, 474, 492, 736, 738 Rabbi Eliezer

− Engel Satans

29, 52, 109, 206, 408, 442, 451, 516-520, 526, 529, 532-538, 549f., 555-557, 969

Reichtum 571f., 579f., 625-638, 648f., 664, 804, 950f.

Sexualität 52, 84, 357, 364-366, 468, 472, 590, 594, 702, 708f., 728f., 775f., 779, 796f.

Reichtumskritik

− Sexsucht

331, 630f.

Reisebericht/-literatur Religion(sbegriff)

45f., 49, 63

66

Reliquien 27, 106, 109, 262, 265f., 766-770, 973 Rettungswunder Reue

88, 164, 209f., 535, 549-551

260f., 542

− antike Rhetorik Robbe(nbecken) 735, 914 Roman

54f., 355, 519 88, 103, 440-452, 510,

16, 45-53, 320 (→ Liebesroman)

− Romanbiographie

45-47, 49

Rom/Römer 162, 192, 217, 219-221, 239, 288-295, 661, 664, 672, 777, 849, 1001 − Römerin(nen) Sadduzäer

446, 596, 631, 665

162f.

Sakrament/Sakramentaltheologie 16, 488, 490, 499, 726, 752f., 755, 763 Salomo

70, 83, 923

− Halle S.

30, 134, 136-139

− Testament des S. Salzsäule

815

76f., 81, 888 (→ Lots Frau)

Sapphira → Hananias Sarkophag(plastik) Satan

− Sexualaskese → Askese − Sexualethik 814

366, 775f., 802, 806, 809,

− Sexualfeindlichkeit − Sexualtrieb

93-98, 506

70, 80, 145-147, 154-156, 301, 361367, 390-394, 597, 599, 605, 621, 628, 648, 706f., 868, 874, 927, 961-964

Siegel

499, 816, 859f.

365, 383, 472

− Sexuelle Nötigung

595, 605

Rhetorik(er)

777f.

713-722

716f., 719f., 739-757, 758, 900, 908, 927-934 (→ Taufe)

Signum Crucis

72

Simon Magus 29, 69, 73, 80, 95, 99, 111, 173-178, 189, 195, 226, 569-579, 581, 601-625, 643, 662, 672-680, 947 Simonie

177

Sklaven/Sklaverei 61, 239f., 579, 663, 665, 940, 942-946 Skrofulose Smyrna

541-543

176, 302, 337-339, 345, 348, 352, 369f., 434, 458, 596, 651, 814

Snake-Handler-Church

5 (→ Schlange)

Sohn/Söhne − S. Gottes

70

− Söhne Aarons

77

− Söhne des Antipatros − Söhne Korachs

369-375

77

− Söhne des Skeuas/Skevas − S. des Teufels Sokrates

635

Sonntag

578f., 702, 708

Spinne

73, 130

79

88, 425

1154

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Sachregister Stadion von Kourion Stadt(kultur) Statue

986

− Bekehrung von Tieren

343

923, 953-958

− Tierkampf 89, 255, 441, 444-449, 461f., 464-469, 483

110

− Götterstatue

612-614

− Tierwunder

− Kaiserstatue

572f., 605, 608-612, 614

Titus

29, 82-91, 572, 574f.

Stoiker/stoische Philosophie 54f., 82, 316318, 321, 365, 373, 397

− Akten des T. 403, 475, 922

Strafwunder 28f., 76-81, 152, 223, 264, 514, 536, 562, 564-566, 570, 573, 589, 593-600, 686, 692-699, 924, 984-991

− T. als Mitarbeiter des Paulus 500-504, 510, 876

Stumm/Verstummen

Tochter

Sturmstillung

617

927, 933

− Brief des Ps-T. 80, 570, 578, 591

− Kaiser T.

192, 418, 675

− T. des Gärtners

80, 570, 578, 591

Suizid

316, 320, 361, 364f., 372f., 375

− T. des Petrus

Sünde

80, 148, 155f., 557, 573, 645, 667, 726, 795f., 945

Tod/Todesverständnis

− Sündenfall

84, 151, 703f., 720, 856

− Sündenvergebung Synhedrion

362, 487, 586, 595

163

Synode von Hiereia

Taufe

95, 437, 547, 542, 716

316, 406, 446-448, 450, 471, 479-481, 490f., 494f., 739-757

− T. als Siegel

716f., 749-751, 758

− T. von Tieren

923, 953-958

− Taufeucharistie Tempelhauptmann

490, 496f., 752, 755

564-566

Teratologie

47, 548, 562

Teufel

theios aner

8, 18, 897, 900, 995-

Thekla (Apostelin) 8, 51f., 63, 88, 102-104, 403-425, 509-566, 914, 921 32

Thomas (Apostel) 4, 8, 10, 16-18, 20, 27, 29, 49-52, 89f., 104f., 255f., 364, 470, 489, 614, 685-770, 776f., 922, 930, 995f., 1002, 1005 Tiefenpsychologische Deutung 233, 383, 764, 982 Tiere

82f.

316, 594

Traum/Traumbild Trinitätslehre 914 Tugend

573, 579, 633f., 648

68, 371, 510; 531, 533-535,

285, 321, 366, 594, 596, 665, 876

Vater

573, 696f.

586, 588f.

359-368

− Vatermörder

359

Verehrung der Apostel

767f.

Verfluchung → Fluch Vergewaltigung 510, 517, 586, 589, 687, 714, 718 Verklärungswunder

644f.

Verzicht

6, 185, 321, 364, 379, 397, 429, 492, 579, 667, 711, 754, 908f., 950, 1003 (→ Besitzverzicht)

Vision

628f., 633f., 648

168, 186, 212,

82-91, 470f., 574, 605f., 608f., 611, 614f., 622f., 686, 688, 730-738, 955957

− Tieranekdoten

175, 317, 356, 492, 495f.

Trauer/Trauerriten

Umkehrwunder

153, 292, 576, 629f., 634, 667

theologia gloriae

Trajan (Kaiser)

Türöffnungswunder 60, 62, 164, 209f., 252f., 488f., 739-757, 758-765

72, 706 (→ Satan)

Thaddäus (Apostel) 1006

574f., 606, 608, 688f.

95

Tun-Ergehen-Zusammenhang

164

Tempelraub

320f., 669

Totenerweckung 27f., 200f., 273-278, 301, 310, 361, 571, 575, 657-671, 687f., 700-712, 723-729, 730-738, 935-952 traditio legis

Taube (Vogel)

80, 569, 572, 578, 583-592

− T. von Tieren

323

94, 419, 430,

Voodoo

613

Wahrsagerei 235-246 (→ Geist, Wahrsagegeist)

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Sachregister Wanze(n) 29, 49, 86, 91, 299, 303f., 332, 367, 376-384, 735f., 914 Wasser

594, 598, 747, 753, 881-891

− Wassersucht Weinen

418, 793-796

586, 594

Wildesel → Esel Wirklichkeit Witwe Wunder

2, 33, 74

579, 632f., 644f., 648, 650-653, 665f. passim

− Wundercharismatiker

176, 576

− Wundererzählung (Gattung)

23-34

− Wundersummarium 123-125, 132, 135f. 159, 353, 357, 423, 571, 575f., 586f., 673, 783, 981 Zauber − Zauberer

50, 66-75 (→ Magier)

− Zauberpapyrus 836

106, 226, 613, 635, 769,

− Zauberspruch

577, 609, 625, 629, 635

Zeichen (semeia)

4-5, 321f., 357, 577

− Zeichenforderung Zeugen Zeuskult

608

570, 597, 608 (→ Martyrium) 231

Zölibatäres Leben/Zölibat Zwilling

63, 435, 437f., 590

686f., 704f., 727

Zwölferkreis 3, 5f., 8, 95, 119, 146, 416, 570, 667, 779, 899, 1002

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Abbildungsnachweis Abb. 1 (S. 94): Abb. 2 (S. 97): Abb. 3 (S. 97): Abb. 4 (S. 98): Abb. 5 (S. 98): Abb. 6 (S. 99): Abb. 7 (S. 99): Abb. 8 (S. 100): Abb. 9 (S. 101): Abb. 10 (S. 101): Abb. 11 (S. 102): Abb. 12 (S. 103): Abb. 13 (S. 103): Abb. 14 (S. 104): Abb. 15 (S. 107): Abb. 16 (S. 108): Abb. 17 (S. 110): Abb. 18 (S. 234): Abb. 19 (S. 437): Abb. 20 (S. 437): Abb. 21 (S. 438): Abb. 22 (S. 465): Abb. 23 (S. 465): Abb. 24 (S. 465): Abb. 25 (S. 708): Abb. 26 (S. 708): Abb. 27 (S. 710): Abb. 28 (S. 711): Abb. 29 (S. 971): Abb. 30 (S. 986): Abb. 31 (S. 986):

bpk/The Metropolitan Museum of Art. nach Fillitz 2001, 45. nach Spier/Charles-Murray 2007, 237. nach Spier/Charles-Murray 2007, 237. akg-images/André Held. nach Stuhlfauth 1925, Abb. 9. akg-images/Cameraphoto. akg-images/Nimatallah. akg-images/Erich Lessing. akg-images/De Agostini Picture Lib./G. Cigolini. nach Nauerth/Warns 1981, Tafel XV. The Nelson-Atkins Museum of Art nach Nauerth/Warns 1981, Tafel XVI. nach Halfen 2007, 448f., Abb. 238f. nach Kropp 1930, Bd.3, Tafel II, Abb. 3. bpk/The Metropolitan Museum of Art. Heritage-Images/CM Dixon/akg-images https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berchem,_Nicolaes_Pietersz._-_Paul_and_Barnabas_at_Lystra_-_1650.jpg nach Esch-Wermeling 2008a, 2 (www.lectio.unibe.ch). akg-images/Andrea Jemolo. nach Davis 2001, 226, Fig. 18. akg-images/Gilles Mermet. nach https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/ b8/Zliten_leopard.jpg. akg-images/Gilles Mermet. nach Lindsay 1970, 260. nach Lindsay 1970, 341. nach Leisegang 1939, Abb. 3, 152/153. nach Stauffer 1948, Abb. 69. Karte Bernd Kollmann. Foto Christine Wyatt. Foto Christine Wyatt.

Sollten uns bei der Erstellung des Abbildungsnachweises Fehler unterlaufen sein, bitten wir dies zu entschuldigen. Rechtsansprüche bleiben selbstverständlich gewahrt.

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