Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden im Privatrecht 9783161526732, 9783161507670

Die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden wurde seit dem Inkrafttreten des BGB erheblich erweitert. Die Kompensation ide

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Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden im Privatrecht
 9783161526732, 9783161507670

Table of contents :
Cover
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme
§ 1 Der Ersatz immaterieller Schäden im geltenden Recht – Terminologie, Begriff und normative Vorgaben
A. Zur Terminologie und ihren Unstimmigkeiten
I. Einordnung in die Begriffszusammenhänge des Schadensersatzrechts
II. „Schmerzensgeld“ – so gebräuchlich wie unpassend
B. Die normativen Vorgaben für den Ersatz immaterieller Schäden
I. Überblick über den Ersatz immaterieller Schäden und seine Entwicklung
II. Die Abhängigkeit des Ersatzes immaterieller Einbußen vom Haftungsgrund
1. Zur Bedeutung des Haftungsgrundes für den Ersatz immaterieller Schäden
2. Besonderheiten der vertraglichen Haftung für immaterielle Schäden
a) Haftungsausfüllende Kausalität und Zurechnung entsprechend der Pflichtverletzung
b) Verschuldensunabhängige vertragliche Haftung und Ausgleich immaterieller Schäden
III. Der Ersatz immaterieller Schäden durch Naturalrestitution und Kompensation in Geld
IV. Zusammenfassung
C. Die Abgrenzung zwischen materiellen und immateriellen Schäden
I. Negative Abgrenzung der immateriellen Schäden
1. Der Nichtvermögensschaden als Komplementärbegriff zum Vermögensschaden
2. Erweiterung des Schadensersatzes durch die Kommerzialisierung immaterieller Schäden
a) Entgangene Nutzungen
b) Verdorbener Urlaub und verlorene Freizeit
c) Arbeitskraft
d) Zusammenfassung
3. Erweiterung des § 842 BGB auf den Ausgleich von subjektiv-wirtschaftlichen Schäden
4. Zusammenfassung
II. Positive Abgrenzung der immateriellen Schäden
1. Ausrichtung des Nichtvermögensschadens am subjektiv erlittenen Schmerz
2. Erweiterung der Nichtvermögensschäden durch die Anerkennung sog. Per-se-Schäden
3. Gleichsetzung von Rechtsgutsverletzung und Nichtvermögensschaden bei Persönlichkeitsverletzungen
4. Positive Beschreibung des Nichtvermögensschadens durch Bender
5. Einbeziehung der schwer bezifferbaren Schäden in den Kreis der immateriellen Schäden
D. Zusammenfassung
§ 2 Die Abhängigkeit der Kompensation immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut
A. Der Ausgleich immaterieller Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts
I. Entschädigung beim Tod des Geschädigten
1. Keine Entschädigung für den Tod oder die Verkürzung der Lebenserwartung
2. Entschädigung der Trauer von Angehörigen als Drittschaden
3. Ausgleich von Schockschäden als mittelbare Schäden
4. Bedeutung der Entschädigung von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen beim alsbaldigen Tod des Verletzten
II. Immaterielle Schäden infolge von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen
III. Immaterielle Schäden infolge von Freiheitsentziehung
IV. Immaterielle Schäden infolge von Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung
V. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung von Immaterialgüterrechten
1. Ausgleich immaterieller Schäden nach § 97 Abs.2 S.4 UrhG
2. Ausgleich immaterieller Einbußen bei der Verletzung sonstiger Immaterialgüterrechte
VI. Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
1. Deliktische Haftung für immaterielle Schäden infolge von Persönlichkeitsverletzungen
a) Zur Entwicklung des Entschädigungsanspruchs
b) Voraussetzungen für die Entschädigung immaterieller Einbußen
2. Vertragliche Haftung für immaterielle Einbußen bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
3. Sonderfall: Entschädigung wegen der Verletzung des Datenschutzrechts
VII. (Keine) Entschädigung von Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts
1. Entschädigung bei Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts
2. Entschädigung bei Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts nach dem Tod des Rechtsinhabers
B. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung eines Vermögensgutes
I. Entschädigung von Affektionsinteressen infolge von Eigentumsverletzungen
II. Ausgleich immaterieller Schäden nach §906 Abs.2 S.2 BGB
C. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung
I. Erweiterung der vertraglichen Haftung auf immaterielle Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung
II. Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen durch § 284 BGB
III. Entschädigung nutzlos aufgewandter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB
1. Gewährung einer angemessenen Entschädigung nach §651f Abs. 2 BGB
2. Rechtsfortbildung des § 651f Abs. 2 BGB
IV. Entschädigung verlorener Freizeit im Transportrecht
V. Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer nach den §§ 9, 10 KSchG, § 113 Abs. 1, 3 BetrVG
VI. Entschädigung nach § 40 Abs. 3 SeemG (sog. Hungergeld)
VII. Ausgleich immaterieller Schäden infolge von Benachteiligungen nach dem AGG
1. Überblick über die historische Entwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden bei unzulässigen Benachteiligungen
2. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem AGG
a) Überblick über die Haftung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG
b) Verschuldensunabhängigkeit der Haftung für immaterielle Schäden
c) Unabhängigkeit der Haftung von der Schwere der Persönlichkeitsverletzung
d) Unabhängigkeit der Haftung vom Zweckfortfall
e) Weitere Entschädigungsansprüche wegen unzulässiger Benachteiligung
D. Zusammenfassung
§ 3 Die Funktion des Entschädigungsanspruchs
A. Überblick
B. Ausgleichsfunktion
I. Der Ausgleichsgedanke bei der Entschädigung immaterieller Schäden
II. Subjektiver Schadensbegriff
III. Schadensausgleich bei empfindungsunfähigen Geschädigten
IV. Objektiver Schadensbegriff oder objektive Bewertung des Schadens
1. Objektiver Schadensbegriff beim Ausgleich immaterieller Schäden
2. Objektive Bewertung des Schadens
V. Anwendbarkeit und Grenzen der Ausgleichsfunktion bei der Entschädigung unzulässiger Benachteiligungen nach dem AGG
1. Ausgleich eines konkreten Schadens
2. Immaterieller Schaden infolge einer Benachteiligung
a) Ideeller Schaden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
b) Immaterieller Schaden wegen der Beeinträchtigung der Chancengleichheit
3. Keine Entschädigung bei professionellen Diskriminierungsklägern
VI. Zusammenfassung
C. Überwindungstheorie
D. Genugtuungsfunktion
I. Einordnung der Genugtuungsfunktion in die Zwecke des Schadensausgleichs
II. Genugtuung als ergänzender Aspekt beim Ausgleich ideeller Schäden
III. Genugtuung als eigenständige Funktion des Schadensersatzrechts
IV. Ablehnung der Genugtuungsfunktion
V. Bedeutung der Genugtuungsfunktion in den Teilbereichen des Ausgleichs ideeller Schäden
VI. Zusammenfassung
E. Feststellung des Rechtsbruchs und Schadensersatz
F. Präventionsfunktion der Entschädigung immaterieller Einbußen
I. Überblick
II. Präventionsfunktion der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB und den Gesetzen zur Gefährdungshaftung
III. Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
IV. Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG
1. (Un-)Selbständige Präventionsfunktion
2. Straffunktion
V. Zusammenfassung
G. Einwirken des Haftungsgrunds auf die Funktion des Entschädigungsanspruchs
H. Zusammenfassung
§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden
A. Inkommensurable Schäden und ihre billige Entschädigung inGeld
I. Der Billigkeitsbegriff in den Regelungen zur Entschädigung immaterieller Einbußen
II. Entschädigung inkommensurabler Schäden in Geld
III. Einfluss des Haftungsgrundes auf den Umfang der Entschädigung
B. Begrenzung der Entschädigung
I. Bestehen einer Erheblichkeitsschwelle bei der Entschädigung immaterieller Einbußen
II. Haftungshöchstbeträge für die Entschädigung immaterieller Einbußen
C. Kriterien für die Bemessung der Entschädigung
I. Ausgangspunkt für die Bemessung der Entschädigung
II. Umfang des Verletzungs- und des Verletzungsfolgeschadens
1. Schmerzen und Leiden des Geschädigten
2. Einbußen in der Lebensführung
III. Umstände in der Person des Geschädigten
1. Schadensneigung des Geschädigten
2. Empfindungsunfähigkeit des Geschädigten
3. Schädigung eines Familienangehörigen bzw. Verwandten
4. Mitverschulden des Geschädigten und Anlass des Schadensfalls
5. Vermögensverhältnisse des Geschädigten
IV. Umstände in der Person des Schädigers
1. Vermögensverhältnisse und Versicherung des Schädigers
2. Verschulden des Schädigers
3. Teilweise Naturalrestitution (insbesondere Entschuldigung des Schädigers)
V. Versicherbarkeit der Schäden
VI. Anrechnung von Kriminalstrafen und Auflagen auf den Schadensersatz
VII. Verzögerte Schadensregulierung des Schädigers oder seiner Versicherung
VIII. Zusammenfassung
D. Besonderheiten bei der Entschädigung immaterieller Einbußen wegen schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
I. Bemessung der Entschädigung
II. Der divergierende Umfang der Entschädigung im Vergleich zu Verletzungen von Körper, Gesundheit und sexueller Selbstbestimmung
E. Besonderheiten bei der Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung
I. Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung
II. Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer unzulässigen Benachteiligung nach dem AGG
1. Erheblichkeitsschwellen und Höchstbeträge für die Entschädigung immaterieller Einbußen
2. Bemessung der angemessenen Entschädigung
a) Kriterien zur Bemessung der Entschädigung
b) Zur Orientierung der Entschädigung am Monatseinkommen der benachteiligten Person
F. Zusammenfassung
§ 5 Zusammenfassung des ersten Teils
Teil 2: Der Ersatz immaterieller Schäden im Kontext der ausländischen und internationalen Rechtsordnungen
§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich
A. Rechtsvergleich im Schadensersatzrecht – Wettbewerb der Rechtsordnungen, Konvergenz der Rechtssysteme
B. Überblick über den Ersatz immaterieller Schäden
I. Österreich
II. Schweiz
III. Frankreich
IV. England
C. Funktion der Entschädigung immaterieller Einbußen
I. Ausgleichsfunktion
II. Genugtuungsfunktion
III. Symbolischer bzw. feststellender Schadensersatz
IV. Präventionsfunktion
V. Strafschadensersatz
1. Strafschadensersatz in Österreich, der Schweiz und Frankreich
a) Zum pönalen Charakter der Entschädigung
b) L’astreinte
2. Strafschadensersatz im englischen Recht (exemplary damages)
3. Strafschadensersatz in den USA
a) Punitive damages
b) Multiple bzw. treble damages
D. Bemessung der kompensatorischen Entschädigung
I. Überblick
II. Österreich
III. Frankreich
IV. England
V. Schweiz
E. Ersatz immaterieller Schäden in einzelnen Teilbereichen
I. Ersatz immaterieller Schäden beim Todesfall
1. Entschädigung für den Tod selbst
2. Körperverletzungen kurz vor dem Tod
3. Entschädigung der Angehörigen für Trauer und Schock
a) Entschädigung von Trauerschäden
aa) Schweiz
bb) Frankreich
cc) England
dd) Österreich
b) Eigenständiger Ausgleich von Schockschäden
II. Immaterielle Schäden infolge von Körperverletzungen
1. Österreich
2. Schweiz
3. Frankreich
a) Überblick
b) Schadenspositionen beim Ausgleich immaterieller Personenschäden
4. England
5. Trauerschäden bei schweren Körperverletzungen
III. Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
1. Schweiz
2. Österreich
3. Frankreich
4. England
a) Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
b) Einzelne Schadenspositionen bei non-personal injuries und deren Entschädigung
c) Restitutionary damages
IV. Ersatz immaterieller Schäden wegen einer Diskriminierung
1. Österreich
2. Schweiz
3. Frankreich
4. England
F. Vergleichende Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
I. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden
1. Überblick
2. Immaterielle Schäden bei Todesfällen und Körperverletzungen
3. Immaterielle Schäden infolge von Persönlichkeitsverletzungen
4. Immaterielle Schäden infolge von Diskriminierungen
II. Begriff des immateriellen Schadens
III. Zweck des Schadensersatzes
IV. Bemessung des Schadensersatzes
§ 7 Der Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung
A. Zur verbindlichen Rechtsvereinheitlichung des Ausgleichs immaterieller Schäden durch völkerrechtliche Verträge
I. Überblick über die für Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Verträge zum Ersatz immaterieller Schäden
II. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem Internationalen Transportrecht
III. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem UN-Kaufrecht
IV. Zusammenfassung
B. Internationale Vorhaben zur Rechtsvereinheitlichung und der Ersatz immaterieller Schäden
C. Notwendigkeit einer Rechtsvereinheitlichung nach Maßgabe der EMRK
I. Rechtsvereinheitlichende Wirkung der EMRK für den Ausgleich immaterieller Schäden
II. Vorgaben der EMRK für den Ausgleich der Trauerschäden von Angehörigen
1. Reichweite und Intensität der Schutzpflicht aus Art.2 Abs.1 EMRK
2. Ableitung und Inhalt einer Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK i. V. mit Art. 13 EMRK
3. Art. 13 EMRK als Garantie effektiven Rechtsschutzes
4. Vorbildwirkung der Entschädigung nach Art.41 EMRK
5. Zulässige Ungleichbehandlung der Haftung des Staates und der Privatpersonen
III. Vorgaben der EMRK für den Umfang der Entschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen
IV. Zusammenfassung
D. Zur Resolution des Ministerkomitees des Europarates 75-7 über den Schadensausgleich bei Personenschäden und Todesfällen
E. Zusammenfassung
§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden
A. Vorgaben des Primärrechts der Europäischen Union
I. Allgemeine Vorgaben des Primärrechts für den Ersatz immaterieller Schäden zwischen Privaten
II. Europäisches Staatshaftungsrecht
B. Vorgaben des Sekundärrechts der Europäischen Union
I. Vorgaben aus den Richtlinien zur Harmonisierung innerhalb des Vertragsrechts
1. Überblick über die Vorgaben zum Schadensausgleich
2. Zum Ersatz immaterieller Schäden nach Art. 5 Abs. 2 Richtlinie 90/314/EWG
II. Vorgaben aus den Richtlinien zur deliktischen Haftung
1. Überblick über die Vorgaben zum Schadensausgleich
2. Zum Schadensersatz nach der Richtlinie 2004/48/EG
a) Einbeziehung der immateriellen Schäden
b) Selbständige Präventionsfunktion oder Straffunktion des Schadensersatzes
3. Berücksichtigung des Strafschadensersatzes in der Rom-II-Verordnung
III. Vorgaben aus den Richtlinien zum Gleichbehandlungsrecht
1. Entwicklung der Sanktionsbestimmungen in den Richtlinien zum Gleichbehandlungsrecht
2. Angemessener Schadensausgleich als hinreichende Sanktion
3. Auswirkungen des richtlinienwidrigen Schadensersatzanspruchs für materielle Schäden
C. Zusammenfassende Ableitung allgemeiner Grundsätze zum Ersatz immaterieller Schäden aus dem Unionsrecht
I. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden nach dem Unionsrecht
II. Begriff des immateriellen Schadens im Unionsrecht
III. Funktion des Schadensersatzes
1. Ausgleichsfunktion
2. Selbständige Präventionsfunktion und Strafschadensersatz
a) Primärrechtliche Vorgaben
b) Sekundärrechtliche Vorgaben
§ 9 Die Europäisierung des Schadensersatzrechts und der Ersatz immaterieller Schäden
A. Initiativen zur Entwicklung eines europäischen Privatrechts
I. Entwicklung bis zum Aktionsplan der Europäischen Kommission
II. Vom Aktionsplan der Kommission zum Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens
B. Ausgleich immaterieller Schäden nach den Entwürfen für ein europäisches Vertragsrecht
C. Ausgleich immaterieller Schäden nach den Entwürfen für ein europäisches Deliktsrecht
I. Regelungen zum Ausgleich immaterieller Schäden in den Principles of European Tort Law
II. Ersatz immaterieller Schäden nach den Principles on European Law und dem Entwurf eines DCFR
1. Außervertragliche Haftung in den Principles on European Law und im Entwurf des DCFR
2. Vermögensschaden, Nichtvermögensschaden und Schaden per se
3. Ersatzfähige Schäden im außervertraglichen Haftungsrecht
a) Übersicht über die Regelungen des DCFR
b) Ausgleich immaterieller Einbußen infolge von Personenschäden und im Todesfall
c) Ersatz immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsverletzungen
d) Ersatz immaterieller Schäden unabhängig von der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter
4. Ausgleich der immateriellen Schäden sowie der injury as such
5. Abschöpfungsanspruch
D. Entwürfe für den Ausgleich immaterieller Schäden bei Diskriminierungen
E. Zusammenfassung und zum Einfluss der Europäisierung auf die Weiterentwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden im nationalen Recht
§ 10 Zusammenfassung des zweiten Teils
Teil 3: Der Ersatz immaterieller Schäden – Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen
§ 11 Der Begriff des immateriellen Schadens
A. Der immaterielle Schaden als Rechtsbegriff
B. Keine Begrenzung des immateriellen Schadens auf den Gefühlsschaden
I. Historische Grundlagen für die Begrenzung des Ausgleichs immaterieller Schäden auf den Gefühlsschaden
II. Erweiterung der positiven Beschreibung des ersatzfähigen immateriellen Schadens
1. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts
2. Immaterielle Schäden in anderen Fällen
C. Immaterieller Schaden – Neuausrichtung der positiven Beschreibung
I. Positive Beschreibung der Einbuße an Interesse ohne Vermögenswert
1. Systematische Erfassung der immateriellen Schäden als Grundlage ihrer positiven Beschreibung
2. Zulässiges Anknüpfen an der Selbstentfaltungsfreiheit
3. Bedeutung der Gefühlsschäden
II. Beschreibung der ersatzfähigen immateriellen Schäden nach geltendem Recht
1. Immaterielle Schäden infolge einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung
2. Immaterielle Schäden infolge einer Freiheitsberaubung
3. Immaterielle Schäden infolge einer Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung
4. Immaterielle Schäden infolge einer Verletzung des (ideellen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Urheberpersönlichkeitsrechts
5. Immaterielle Schäden infolge einer Diskriminierung
a) Beeinträchtigung der Chancengleichheit als immaterieller Schaden
b) Immaterielle Schäden bei den unterschiedlichen Formen von Benachteiligungen
6. Immaterielle Schäden infolge einer vertraglichen Pflichtverletzung (ohne Berücksichtigung des AGG)
III. Ablehnung des Rückgriffs auf den sog. objektiven Schadensbegriff
D. Verallgemeinerbarkeit des Begriffs für ein europäisches Schadensersatzrecht
I. Verallgemeinerbarkeit des Begriffs für ein Europäisches Privatrecht
II. Grundlage für den Begriff des ideellen Schadens im Europäischen Privatrecht
E. Zusammenfassung
§ 12 Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden
A. Ausgleich und Genugtuung immaterieller Schäden – Defizite der historisch gewachsenen Funktionsbeschreibung
B. Entschädigung immaterieller Einbußen trotz Inkommensurabilität
I. Geldzahlung für einen Schaden ohne Marktwert
1. Gleichsetzung der Geldzahlung mit dem ideellen Schaden
2. Geldzahlung für immaterielle Schäden
II. Ersatz immaterieller Schäden in Geld als Gebot materieller Gerechtigkeit
1. Historische Entwicklung des Schadensausgleichs als Verwirklichung ausgleichender Gerechtigkeit
2. Anwendbarkeit des Gedankens der ausgleichenden Gerechtigkeit auf die Entschädigung von Nichtvermögensschäden
a) Begründung des Ersatzes immaterieller Schäden mit der materiellen Gerechtigkeit im US-amerikanischen Recht
b) Ersatz immaterieller Schäden als Ausdruck ausgleichender Gerechtigkeit im deutschen Recht
III. Entschädigung immaterieller Einbußen als Reaktion der Rechtsordnung auf enttäuschte Verhaltenserwartungen
IV. Entschädigung immaterieller Einbußen – ein Gebot der Kohärenz
C. Entschädigung immaterieller Einbußen – Wiedergutmachung durch Geld
I. Wiedergutmachung – Funktion des Schadensersatzanspruchs
II. Sonderrolle der Entschädigung bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
III. Keine Genugtuungsfunktion bei Vorsatztaten
D. Zusammenfassung
§ 13 Die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung
A. Festsetzung der Entschädigung
I. Ausrichtung am konkreten Schaden und objektivierende Schadensbetrachtung
1. Vorgehensweise bei der Ermittlung des Schadens
2. Zulässige Kriterien für die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung
3. Keine selbständigen Schadenspositionen
II. Vergleichende Betrachtung der Entschädigungsbeträge
1. Gleichbehandlung vergleichbarer Schadensfälle
2. Angemessene Relation zwischen den Schadensfällen
3. Abweichen von der Entschädigung in vergleichbaren Schadensfällen
B. Begrenzung der Entschädigung
I. Erheblichkeitsschwelle
1. Erheblichkeitsschwelle bei der Entschädigung von Nichtvermögensschäden
2. Erweiterung der Erheblichkeitsschwelle auf alle Schäden
II. Beschränkung der Höhe der Entschädigung
1. Einwirkung der EMRK
2. Beschränkung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
C. Zusammenfassung
§ 14 Die Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden
A. Keine vollständige Gleichstellung des Ausgleichs materieller und immaterieller Schäden
B. Konzeption für die Erweiterung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden
I. Fallgruppenbildung
II. Streichung des §253 Abs.1 BGB
C. Ergänzungen der Rechtsordnung de lege ferenda
I. Erweiterung der Entschädigung immaterieller Schäden auf weitere Rechtsgutsverletzungen
1. Kein Ersatz des Todes eines Menschen selbst
2. Verletzung des allgemeinen und postmortalen Persönlichkeitsrechts
a) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
b) Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts
3. Verletzte Affektionsinteressen bei Eigentumsverletzungen
II. Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung
1. Ersatz von Trauerschäden für Angehörige
a) Entschädigung von Trauerschäden bei Todesfällen bzw. schweren Körperverletzungen
b) Anspruchsberechtigter Personenkreis
c) Bemessung der Entschädigung
2. Todesangst
3. Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden bei vertraglicher Haftung
a) Ersatz verlorener Heilungschancen
b) Entschädigung von Nichtvermögensschäden infolge vertraglicher Pflichtverletzungen
D. Ausschluss des Ausgleichs immaterieller Schäden
E. Zusammenfassung
§ 15 Zusammenfassung des dritten Teils
Teil 4: Die Entschädigung von Nichtvermögensschäden zwischen Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe
§ 16 Der Entschädigungsanspruch – Wiedergutmachung, Privatstrafe oder Anspruch mit selbständiger Präventionsfunktion
A. Einführung
B. Sanktion, Buße, Privatstrafe und Prävention – eine begriffliche Klärung
I. Sanktion – Reaktion der Rechtsordnung auf den Normverstoß
II. Strafrechtliche Buße und zivilrechtliche Privatstrafe
1. Schadensersatz und Privatstrafe
2. Buße – ein überholtes Element der Rechtsordnung
III. Schadensersatz und Prävention
IV. Zusammenfassung
C. Rechtliche Qualifikation des Entschädigungsanspruchs für ideelle Einbußen
I. Zur Bedeutung der rechtlichen Qualifikation des Entschädigungsanspruchs
II. Zur uneinheitlichen Entwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden und den Folgen für die rechtliche Qualifikation des Entschädigungsanspruchs
1. Keine Privatstrafe
2. Schadensersatzanspruch oder Anspruch eigener Art
3. § 253 Abs. 2 BGB als Rechtsfolgenbestimmung
III. Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
IV. Entschädigung wegen einer ungerechtfertigten Benachteiligung
1. Zur Rechtsnatur der Entschädigungsansprüche aus § 611a BGB a. F. und § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX a.F.
2. Entschädigungsansprüche nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs.2 S. 3 AGG
a) Keine Privatstrafe und kein Anspruch eigener Art
b) Selbständige Präventionsfunktion und überkompensatorische Entschädigung
V. Weitere Entschädigungsansprüche wegen Vertragsverletzungen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung
VI. Zusammenfassung
D. Ersatz immaterieller Schäden im Kontext der Entwicklung des Strafrechts und des Privatrechts
I. Schadensausgleich im Spiegel des Strafrechts
1. Vorschläge zur Entkriminalisierung – Verlagerung von Sanktionen ins Privatrecht
2. Wiedergutmachung als Form des Opferschutzes im Strafverfahren
II. Pönale Elemente im Zivilrecht
III. Anerkennung einer allgemeinen Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts
1. Schadensersatzansprüche mit selbständiger Präventionsfunktion
2. Begründung einer Präventionsfunktion für das gesamte Schadensersatzrecht
3. Beschränkung einer Präventionsfunktion auf einzelne Teilbereiche
IV. Zusammenfassung
E. Zusammenfassung
§ 17 Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und deren Folgen für den Ersatz immaterieller Schäden
A. Wechselverhältnis zwischen der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem Ersatz immaterieller Schäden
B. Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts
I. Zur Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht – Einheit aus Abwehr- und Verwertungsrecht
C. Abgrenzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
I. Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers
II. Persönlichkeitsgüter
III. Beschränkung auf typischerweise rechtswidrige Persönlichkeitsverletzungen
IV. Verwertbarkeit des Persönlichkeitsbestandteils durch den Rechtsinhaber
V. Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile unabhängig vom Bekanntheitsgrad
VI. Gesetzes- und sittenwidrige Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen
D. Rechtsfolgen der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
I. Anspruch auf Schadensersatz aus deliktischer Haftung
1. Bestehen eines Anspruchs auf Ersatz des Vermögensschadens
2. Berechnung des Vermögensschadens
II. Anspruch aus Eingriffskondiktion
1. Anspruch auf die übliche Lizenzgebühr
2. Verschärfte Bereicherungshaftung (§§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 285 BGB)
III. Anspruch auf Gewinnherausgabe aus angemaßter Eigengeschäftsführung
E. Kein Aufrechterhalten der selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen immaterieller Schäden
F. Nebeneinander von vermögensrechtlichen Ansprüchen und Entschädigungsansprüchen wegen immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsverletzungen
I. Zum Verhältnis der Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
II. Ersatz immaterieller Schäden infolge einer schweren Persönlichkeitsverletzung
1. Immaterielle Schäden bei der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
2. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung ideeller Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Zusammenhang mit der unerlaubten Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen
III. Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG
IV. Anspruchskonkurrenzen
G. Zusammenfassung
§ 18 Überkompensatorische Entschädigung immaterieller Einbußen de lege lata und de lege ferenda
A. Würdigung der Ableitung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes
I. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der Entschädigung von Nichtvermögensschäden
II. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der Sanktionen des Immaterialgüterrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes
1. Dreifache Schadensberechnung
2. Sonderfall: Die GEMA-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
III. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der wettbewerbsrechtlichen Sanktionen
1. Schadensersatzansprüche nach § 9 UWG und § 33 GWB
2. Vorgaben des EU-Kartellrechts für die Sanktion des Rechtsverstoßes
3. Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG und den §§34, 34a GWB
4. § 241a BGB und § 661a BGB
IV. Zusammenfassung und Bewertung
B. Keine Verpflichtung zur Einführung einer Privatstrafe
I. Vorgaben aus dem europäischen Primär- und Sekundärrecht
II. Vorgaben durch das Schutzgebot der Grundrechte
1. Voraussetzungen für die Ableitung einer Schutzpflicht aus den Freiheitsrechten
2. Schutzpflicht wegen der Verletzung von Körper, Gesundheit und sexueller Selbstbestimmung
a) Erfüllung der Schutzpflicht bei Vorsatztaten
b) Kein zusätzlicher Schutz bei Vergewaltigungsfällen
c) Organhandel
3. Schutzpflicht wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
4. Schutzpflicht wegen unzulässiger Benachteiligung i. S.des AGG
5. Zusammenfassung und Folgerungen
C. Vereinbarkeit der Privatstrafe mit der Funktion des Privatrechts
I. Vereinbarkeit von Privatstrafe und Privatrecht
1. (Kein) Konflikt mit der Trennung von Zivil- und Strafrecht
2. Vereinbarkeit mit dem Begriff des Schuldverhältnisses
II. Vereinbarkeit des überkompensatorischen Schadensersatzes mit dem Schadensersatzrecht
III. Gewinnabschöpfung als Form der Privatstrafe
IV. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung einer Privatstrafe
1. Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG
2. Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 3 GG
3. Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip
4. Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
V. Notwendigkeit von Privatstrafen zur Ergänzung der Wiedergutmachung ideeller Schäden
1. Nicht-lukrative Delikte
a) Vorsätzliche Rechtsgutsverletzungen, insbesondere Vergewaltigung
b) Unzulässige Benachteiligung nach §§ 7 Abs. 1, 19 Abs.1, 2 AGG
2. Lukrative Delikte
a) Verzögerte Schadensregulierung durch den Schädiger oder die Versicherung
b) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
D. Zusammenfassung
§ 19 Zusammenfassung des vierten Teils
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 171

Claudia Schubert

Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden im Privatrecht

Mohr Siebeck

Claudia Schubert, geboren 1976, Studium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 1. Staatsexamen (2000), Promotion durch die Juristische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena (2003), 2. Staatsexamen (2005), Habilitation durch die ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel (2010)

e-ISBN PDF 978-3-16-152673-2 ISBN 978-3-16-150767-0 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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Vorwort Immaterielle Schäden waren materiellen Schäden beim Schadensersatz nie gleichgestellt, ihre Entschädigung war stets punktuell. Der Kreis der ersatzfähigen Nichtvermögensschäden erfuhr angesichts der sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnisse und der unionsrechtlichen Vorgaben in den letzten sechzig Jahren eine sukzessive Erweiterung. Dieser Veränderungsprozess vollzog sich weder kontinuierlich noch homogen. Insbesondere die Entschädigungen für Körperverletzungen, Gesundheitsbeschädigungen und Todesfälle bei Straßenverkehrsunfällen, für schwere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und für Benachteiligungen im Sinne des AGG entwickelten sich unabhängig voneinander weiter, was eine Zerfaserung des Schadensersatzrechts für ideelle Einbußen nach sich zog. Unter solchen Umständen ist es Aufgabe der Privatrechtswissenschaft, das gemeinsame dogmatische Fundament für den Ersatz immaterieller Schäden freizulegen und die Konsistenz und Kohärenz des Schadensersatzrechts sicherzustellen. Die divergierende Entwicklung der Teilbereiche kann nur dort aufrechterhalten bleiben, wo sie auf tragfähiger dogmatischer Grundlage beruht. Von zentraler Bedeutung sind dabei der Begriff des immateriellen Schadens, die Ersatzfähigkeit solcher Schäden, die Funktion des Schadensersatzes und seine Bemessung. Dabei ist nicht nur das nationale Recht maßgeblich, sondern auch die Vorgaben aus internationalen Abkommen und dem Unionsrecht. Das Schadensersatzrecht unterliegt ebenso wie andere Rechtsgebiete der europäischen internationalen Rechtsvereinheitlichung, daher ist das bestehende nationale Recht im Wege der Rechtsvergleichung an anderen Rechtsordnungen zu spiegeln. Anhand der bestehenden internationalen Abkommen und dem Unionsrecht sind die Defizite der bestehenden Rechtsordnung auszumachen. In Form des Entwurfs eines Gemeinsamen Referenzrahmens liegt zudem ein Modell für eine europäische Rechtsvereinheitlichung vor, die einerseits aus dem Blickwinkel des deutschen Rechts zu bewerten ist, andererseits eine Anregung für das nationale Recht und die Weiterentwicklung des Ersatzes von Nichtvermögensschäden darstellt. Bei der Erarbeitung eines Konzepts für den Ausgleich immaterieller Schäden ist darauf Bedacht zu nehmen, dass sich das Schadensersatzrecht gerade bei Nichtvermögensschäden im Grenzbereich zum Strafrecht bewegt. Das gilt nicht nur wegen der historischen Bezüge des sog. Schmerzensgeldes zur mittelalterlichen Buße, sondern auch wegen des strafrechtlichen Opferschutzes, der die Wiedergutmachung der Schäden des Opfers in das Strafverfahrensrecht einbezieht. Zudem hat sich in den vergangenen fünfzehn Jahren die Dis-

VI

Vorwort

kussion über eine Verhaltenssteuerung durch Privatrecht zum Schutz subjektiver Rechte, Rechtsgüter und Interessen intensiviert. Ihre Befürworter verweisen dazu insbesondere auf die Entwicklung der Geldentschädigung für schwere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und auf das Diskriminierungsrecht. Die Ausgestaltung des Schadenersatzrechts muss insofern die Aufgabe des Privatrechts spiegeln und ihr gerecht werden. Die Arbeit wurde im Jahre 2010 der Juristischen Fakultät der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel als Habilitationsschrift vorgelegt. Mein besonderer Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Professor Dr. Hartmut Oetker, der mir über viele Jahre Unterstützung und Förderung gewährt hat. Danken möchte ich auch Professor Dr. Haimo Schack für seine Anregungen bei der Anfertigung dieser Arbeit. Schließlich gilt mein Dank den Mitgliedern der Kieler Fakultät für die freundliche Aufnahme und Unterstützung während meiner Habilitationszeit. Rechtsprechung und Schrifttum wurden bis zum März 2012 berücksichtigt. Der Text der Habilitationsschrift wurde überarbeitet. Berlin, Juni 2012

Claudia Schubert

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI Einleitung

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1

Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

§ 1 Der Ersatz immaterieller Schäden im geltenden Recht – Terminologie, Begriff und normative Vorgaben . . . . . . § 2 Die Abhängigkeit der Kompensation immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . § 3 Die Funktion des Entschädigungsanspruchs . . . . . . . . § 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Zusammenfassung des ersten Teils . . . . . . . . . . . . . .

220 281

Teil 2: Der Ersatz immaterieller Schäden im Kontext der ausländischen und internationalen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

287

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich . § 7 Der Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9 Die Europäisierung des Schadensersatzrechts und der Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . § 10 Zusammenfassung des zweiten Teils . . . . . . . . . . . .

11 60 148

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287

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391

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424

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470 516

Teil 3: Der Ersatz immaterieller Schäden – Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen . . . . . . . . . . . . .

523

§ 11 Der Begriff des immateriellen Schadens . . . . . . . . . . . § 12 Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden . . . . . .

523 566

VIII

Inhaltsübersicht

§ 13 Die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung 607 § 14 Die Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden 628 § 15 Zusammenfassung des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . 669 Teil 4: Die Entschädigung von Nichtvermögensschäden zwischen Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 § 16 Der Entschädigungsanspruch – Wiedergutmachung, Privatstrafe oder Anspruch mit selbständiger Präventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 17 Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und deren Folgen für den Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . § 18 Überkompensatorische Entschädigung immaterieller Einbußen de lege lata und de lege ferenda . . . . . . . . § 19 Zusammenfassung des vierten Teils . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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673

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736

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795 875

. . . . . . . . . 879

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

891

Stichwortverzeichnis

965

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI Einleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Teil 1

Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme 11 §1

Der Ersatz immaterieller Schäden im geltenden Recht – Terminologie, Begriff und normative Vorgaben . . . . . . . . . A. Zur Terminologie und ihren Unstimmigkeiten . . . . . . . . I. Einordnung in die Begriffszusammenhänge des Schadensersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Schmerzensgeld“ – so gebräuchlich wie unpassend . . B. Die normativen Vorgaben für den Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über den Ersatz immaterieller Schäden und seine Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abhängigkeit des Ersatzes immaterieller Einbußen vom Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Bedeutung des Haftungsgrundes für den Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten der vertraglichen Haftung für immaterielle Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftungsausfüllende Kausalität und Zurechnung entsprechend der Pflichtverletzung . . . . . . . . b) Verschuldensunabhängige vertragliche Haftung und Ausgleich immaterieller Schäden . . . . . . . III. Der Ersatz immaterieller Schäden durch Naturalrestitution und Kompensation in Geld . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 11 11 13 15 15 22 22 24 24 26 28 32

X

Inhaltsverzeichnis

C. Die Abgrenzung zwischen materiellen und immateriellen Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Negative Abgrenzung der immateriellen Schäden . . . 1. Der Nichtvermögensschaden als Komplementärbegriff zum Vermögensschaden . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung des Schadensersatzes durch die Kommerzialisierung immaterieller Schäden . . . . . a) Entgangene Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . b) Verdorbener Urlaub und verlorene Freizeit . . . c) Arbeitskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erweiterung des § 842 BGB auf den Ausgleich von subjektiv-wirtschaftlichen Schäden . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Positive Abgrenzung der immateriellen Schäden . . . . 1. Ausrichtung des Nichtvermögensschadens am subjektiv erlittenen Schmerz . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung der Nichtvermögensschäden durch die Anerkennung sog. Per-se-Schäden . . . . . . . . 3. Gleichsetzung von Rechtsgutsverletzung und Nichtvermögensschaden bei Persönlichkeitsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Positive Beschreibung des Nichtvermögensschadens durch Bender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einbeziehung der schwer bezifferbaren Schäden in den Kreis der immateriellen Schäden . . . . . . . .

§2

33 33 33 35 35 39 41 44 45 46 47 47 51

53 54 56

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

Die Abhängigkeit der Kompensation immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Der Ausgleich immaterieller Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . I. Entschädigung beim Tod des Geschädigten . . . . . . 1. Keine Entschädigung für den Tod oder die Verkürzung der Lebenserwartung . . . . . . . . 2. Entschädigung der Trauer von Angehörigen als Drittschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgleich von Schockschäden als mittelbare Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedeutung der Entschädigung von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen beim alsbaldigen Tod des Verletzten . . . . . . . . .

61 61 61 63 66

70

Inhaltsverzeichnis

XI

II. Immaterielle Schäden infolge von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen . . . . . . . . . . . . 72 III. Immaterielle Schäden infolge von Freiheitsentziehung 74 IV. Immaterielle Schäden infolge von Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . 75 V. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung von Immaterialgüterrechten . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Ausgleich immaterieller Schäden nach § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Ausgleich immaterieller Einbußen bei der Verletzung sonstiger Immaterialgüterrechte . . . . . . . . . . . 81 VI. Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Deliktische Haftung für immaterielle Schäden infolge von Persönlichkeitsverletzungen . . . . . . 82 a) Zur Entwicklung des Entschädigungsanspruchs . 82 b) Voraussetzungen für die Entschädigung immaterieller Einbußen . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Vertragliche Haftung für immaterielle Einbußen bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Sonderfall: Entschädigung wegen der Verletzung des Datenschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 VII. (Keine) Entschädigung von Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . 98 1. Entschädigung bei Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Entschädigung bei Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts nach dem Tod des Rechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 B. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung eines Vermögensgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entschädigung von Affektionsinteressen infolge von Eigentumsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgleich immaterieller Schäden nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erweiterung der vertraglichen Haftung auf immaterielle Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung . . II. Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen durch § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . .

104 104 105 107 107 114

XII

§3

Inhaltsverzeichnis

III. Entschädigung nutzlos aufgewandter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewährung einer angemessenen Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfortbildung des § 651f Abs. 2 BGB . . . . . . IV. Entschädigung verlorener Freizeit im Transportrecht . V. Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer nach den §§ 9, 10 KSchG, § 113 Abs. 1, 3 BetrVG . . . . . . . . VI. Entschädigung nach § 40 Abs. 3 SeemG (sog. Hungergeld) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ausgleich immaterieller Schäden infolge von Benachteiligungen nach dem AGG . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die historische Entwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden bei unzulässigen Benachteiligungen . . . . . . . . . . . 2. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über die Haftung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG . . . . . . . . . b) Verschuldensunabhängigkeit der Haftung für immaterielle Schäden . . . . . . . . . . . . . . c) Unabhängigkeit der Haftung von der Schwere der Persönlichkeitsverletzung . . . . . . . . . . . d) Unabhängigkeit der Haftung vom Zweckfortfall e) Weitere Entschädigungsansprüche wegen unzulässiger Benachteiligung . . . . . . . . . . .

144

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

Die Funktion des Entschädigungsanspruchs . . . . . . . . . . .

148

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

B. Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Ausgleichsgedanke bei der Entschädigung immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Subjektiver Schadensbegriff . . . . . . . . . . . . . . III. Schadensausgleich bei empfindungsunfähigen Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Objektiver Schadensbegriff oder objektive Bewertung des Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektiver Schadensbegriff beim Ausgleich immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Bewertung des Schadens . . . . . . . .

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116 116 117 119 123 125 126

126 133 133 135 141 143

Inhaltsverzeichnis

C. D.

E. F.

G. H.

V. Anwendbarkeit und Grenzen der Ausgleichsfunktion bei der Entschädigung unzulässiger Benachteiligungen nach dem AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgleich eines konkreten Schadens . . . . . . . . . 2. Immaterieller Schaden infolge einer Benachteiligung a) Ideeller Schaden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . b) Immaterieller Schaden wegen der Beeinträchtigung der Chancengleichheit . . . . . . . . . . . 3. Keine Entschädigung bei professionellen Diskriminierungsklägern . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überwindungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genugtuungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung der Genugtuungsfunktion in die Zwecke des Schadensausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Genugtuung als ergänzender Aspekt beim Ausgleich ideeller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Genugtuung als eigenständige Funktion des Schadensersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ablehnung der Genugtuungsfunktion . . . . . . . . . V. Bedeutung der Genugtuungsfunktion in den Teilbereichen des Ausgleichs ideeller Schäden . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststellung des Rechtsbruchs und Schadensersatz . . . . . Präventionsfunktion der Entschädigung immaterieller Einbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Präventionsfunktion der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB und den Gesetzen zur Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG . . . . . . 1. (Un-)Selbständige Präventionsfunktion . . . . . . . 2. Straffunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einwirken des Haftungsgrunds auf die Funktion des Entschädigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII

163 163 167 167 170 174 177 178 180 180 181 184 186 189 193 193 196 196

197

200 207 207 213 215 216 218

XIV §4

Inhaltsverzeichnis

Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Inkommensurable Schäden und ihre billige Entschädigung in Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Billigkeitsbegriff in den Regelungen zur Entschädigung immaterieller Einbußen . . . . . . . . II. Entschädigung inkommensurabler Schäden in Geld . III. Einfluss des Haftungsgrundes auf den Umfang der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220

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220

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220 223

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226

B. Begrenzung der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestehen einer Erheblichkeitsschwelle bei der Entschädigung immaterieller Einbußen . . . . . . . II. Haftungshöchstbeträge für die Entschädigung immaterieller Einbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230

C. Kriterien für die Bemessung der Entschädigung . . . . . . I. Ausgangspunkt für die Bemessung der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang des Verletzungs- und des Verletzungsfolgeschadens . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schmerzen und Leiden des Geschädigten . . . . . 2. Einbußen in der Lebensführung . . . . . . . . . . III. Umstände in der Person des Geschädigten . . . . . . 1. Schadensneigung des Geschädigten . . . . . . . . 2. Empfindungsunfähigkeit des Geschädigten . . . . 3. Schädigung eines Familienangehörigen bzw. Verwandten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitverschulden des Geschädigten und Anlass des Schadensfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vermögensverhältnisse des Geschädigten . . . . . IV. Umstände in der Person des Schädigers . . . . . . . . 1. Vermögensverhältnisse und Versicherung des Schädigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschulden des Schädigers . . . . . . . . . . . . . 3. Teilweise Naturalrestitution (insbesondere Entschuldigung des Schädigers) . . . . . . . . . . V. Versicherbarkeit der Schäden . . . . . . . . . . . . . VI. Anrechnung von Kriminalstrafen und Auflagen auf den Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verzögerte Schadensregulierung des Schädigers oder seiner Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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237 237 237 239 239 241

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255 259

230 233

XV

Inhaltsverzeichnis

D. Besonderheiten bei der Entschädigung immaterieller Einbußen wegen schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bemessung der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . II. Der divergierende Umfang der Entschädigung im Vergleich zu Verletzungen von Körper, Gesundheit und sexueller Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . .

§5

260 260

266

E. Besonderheiten bei der Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung . . . I. Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . II. Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer unzulässigen Benachteiligung nach dem AGG . . . . . 1. Erheblichkeitsschwellen und Höchstbeträge für die Entschädigung immaterieller Einbußen . . . . . 2. Bemessung der angemessenen Entschädigung . . . a) Kriterien zur Bemessung der Entschädigung . . b) Zur Orientierung der Entschädigung am Monatseinkommen der benachteiligten Person . . . . .

278

F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280

Zusammenfassung des ersten Teils

281

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268 268 270 270 273 273

Teil 2

Der Ersatz immaterieller Schäden im Kontext der ausländischen und internationalen Rechtsordnungen 287 §6

Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich . . . . . .

287

A. Rechtsvergleich im Schadensersatzrecht – Wettbewerb der Rechtsordnungen, Konvergenz der Rechtssysteme . . .

287

B. Überblick über den Ersatz immaterieller Schäden I. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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289 289 294 296 300

C. Funktion der Entschädigung immaterieller Einbußen . . . . I. Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Genugtuungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Symbolischer bzw. feststellender Schadensersatz . . .

301 301 303 305

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XVI

Inhaltsverzeichnis

IV. Präventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strafschadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafschadensersatz in Österreich, der Schweiz und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum pönalen Charakter der Entschädigung b) L’astreinte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafschadensersatz im englischen Recht (exemplary damages) . . . . . . . . . . . . . . 3. Strafschadensersatz in den USA . . . . . . . . a) Punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . b) Multiple bzw. treble damages . . . . . . . .

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323 323 324 325 326 327

E. Ersatz immaterieller Schäden in einzelnen Teilbereichen . . I. Ersatz immaterieller Schäden beim Todesfall . . . . . . 1. Entschädigung für den Tod selbst . . . . . . . . . . 2. Körperverletzungen kurz vor dem Tod . . . . . . . 3. Entschädigung der Angehörigen für Trauer und Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entschädigung von Trauerschäden . . . . . . . . aa) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigenständiger Ausgleich von Schockschäden . . II. Immaterielle Schäden infolge von Körperverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadenspositionen beim Ausgleich immaterieller Personenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Trauerschäden bei schweren Körperverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . 1. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

329 329 329 331

D. Bemessung der kompensatorischen I. Überblick . . . . . . . . . . II. Österreich . . . . . . . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . IV. England . . . . . . . . . . . . V. Schweiz . . . . . . . . . . . .

Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . .

331 331 331 332 334 334 336 338 338 339 340 340 343 346 348 350 350

XVII

Inhaltsverzeichnis

2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts b) Einzelne Schadenspositionen bei non-personal injuries und deren Entschädigung . . . . . . . c) Restitutionary damages . . . . . . . . . . . . IV. Ersatz immaterieller Schäden wegen einer Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§7

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352 356 362 362

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364 367

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. . . . .

369 369 371 374 376

F. Vergleichende Zusammenfassung und Schlussfolgerungen I. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immaterielle Schäden bei Todesfällen und Körperverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Immaterielle Schäden infolge von Persönlichkeitsverletzungen . . . . . . . . . . . . 4. Immaterielle Schäden infolge von Diskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff des immateriellen Schadens . . . . . . . . . . III. Zweck des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . . . IV. Bemessung des Schadensersatzes . . . . . . . . . . .

. . .

378 378 378

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380

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381

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384 385 387 390

Der Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

391

A. Zur verbindlichen Rechtsvereinheitlichung des Ausgleichs immaterieller Schäden durch völkerrechtliche Verträge . . I. Überblick über die für Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Verträge zum Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem Internationalen Transportrecht . . . . . . . . . . . . III. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem UN-Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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391

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391

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393

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395 397

B. Internationale Vorhaben zur Rechtsvereinheitlichung und der Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . .

397

C. Notwendigkeit einer Rechtsvereinheitlichung nach Maßgabe der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

400

XVIII

Inhaltsverzeichnis

I. Rechtsvereinheitlichende Wirkung der EMRK für den Ausgleich immaterieller Schäden . . . . . . . . . II. Vorgaben der EMRK für den Ausgleich der Trauerschäden von Angehörigen . . . . . . . . . 1. Reichweite und Intensität der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ableitung und Inhalt einer Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK i. V. mit Art. 13 EMRK . . 3. Art. 13 EMRK als Garantie effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorbildwirkung der Entschädigung nach Art. 41 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zulässige Ungleichbehandlung der Haftung des Staates und der Privatpersonen . . . . . . . . III. Vorgaben der EMRK für den Umfang der Entschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§8

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400

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404

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404

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406

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409

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411

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413

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414 420

D. Zur Resolution des Ministerkomitees des Europarates 75-7 über den Schadensausgleich bei Personenschäden und Todesfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

421

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423

Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

424

A. Vorgaben des Primärrechts der Europäischen Union . . . . I. Allgemeine Vorgaben des Primärrechts für den Ersatz immaterieller Schäden zwischen Privaten . . . . II. Europäisches Staatshaftungsrecht . . . . . . . . . . . . B. Vorgaben des Sekundärrechts der Europäischen Union . I. Vorgaben aus den Richtlinien zur Harmonisierung innerhalb des Vertragsrechts. . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die Vorgaben zum Schadensausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Ersatz immaterieller Schäden nach Art. 5 Abs. 2 Richtlinie 90/314/EWG . . . . . . II. Vorgaben aus den Richtlinien zur deliktischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die Vorgaben zum Schadensausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Schadensersatz nach der Richtlinie 2004/48/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einbeziehung der immateriellen Schäden . . .

424 424 430

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435

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435

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435

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438

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441

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441

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442 442

XIX

Inhaltsverzeichnis

b) Selbständige Präventionsfunktion oder Straffunktion des Schadensersatzes . . . . . . . 3. Berücksichtigung des Strafschadensersatzes in der Rom-II-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . III. Vorgaben aus den Richtlinien zum Gleichbehandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung der Sanktionsbestimmungen in den Richtlinien zum Gleichbehandlungsrecht . . 2. Angemessener Schadensausgleich als hinreichende Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen des richtlinienwidrigen Schadensersatzanspruchs für materielle Schäden . . . . . .

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443

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449

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451

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451

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457

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462

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464

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464 466 466 466

. . . . . .

467 467 468

Die Europäisierung des Schadensersatzrechts und der Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . .

470

C. Zusammenfassende Ableitung allgemeiner Grundsätze zum Ersatz immaterieller Schäden aus dem Unionsrecht I. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden nach dem Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff des immateriellen Schadens im Unionsrecht III. Funktion des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . 1. Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbständige Präventionsfunktion und Strafschadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . a) Primärrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . b) Sekundärrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . §9

A. Initiativen zur Entwicklung eines europäischen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung bis zum Aktionsplan der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vom Aktionsplan der Kommission zum Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens . . . . . . . . . . . . .

472

B. Ausgleich immaterieller Schäden nach den Entwürfen für ein europäisches Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

477

C. Ausgleich immaterieller Schäden nach den Entwürfen für ein europäisches Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungen zum Ausgleich immaterieller Schäden in den Principles of European Tort Law . . . . . . . . . II. Ersatz immaterieller Schäden nach den Principles on European Law und dem Entwurf eines DCFR . . . 1. Außervertragliche Haftung in den Principles on European Law und im Entwurf des DCFR . .

470 470

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482

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482

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489

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489

XX

Inhaltsverzeichnis

2. Vermögensschaden, Nichtvermögensschaden und Schaden per se . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ersatzfähige Schäden im außervertraglichen Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übersicht über die Regelungen des DCFR . . . b) Ausgleich immaterieller Einbußen infolge von Personenschäden und im Todesfall . . . . . . . . c) Ersatz immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsverletzungen . . . . . . . . . . . . d) Ersatz immaterieller Schäden unabhängig von der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter . . . 4. Ausgleich der immateriellen Schäden sowie der injury as such . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abschöpfungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . .

491 495 495 497 499 501 502 505

D. Entwürfe für den Ausgleich immaterieller Schäden bei Diskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

508

E. Zusammenfassung und zum Einfluss der Europäisierung auf die Weiterentwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

512

§ 10 Zusammenfassung des zweiten Teils

. . . . . . . . . . . . . . .

516

Teil 3

Der Ersatz immaterieller Schäden – Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen 523 § 11 Der Begriff des immateriellen Schadens . . . . . . . . . . . . . .

523

A. Der immaterielle Schaden als Rechtsbegriff . . . . . . . . . .

523

B. Keine Begrenzung des immateriellen Schadens auf den Gefühlsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Grundlagen für die Begrenzung des Ausgleichs immaterieller Schäden auf den Gefühlsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erweiterung der positiven Beschreibung des ersatzfähigen immateriellen Schadens . . . . . . . . . 1. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts . . . . . . . . . . . 2. Immaterielle Schäden in anderen Fällen . . . . . .

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526

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526

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530

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530 535

XXI

Inhaltsverzeichnis

C. Immaterieller Schaden – Neuausrichtung der positiven Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Positive Beschreibung der Einbuße an Interesse ohne Vermögenswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematische Erfassung der immateriellen Schäden als Grundlage ihrer positiven Beschreibung . . . . . 2. Zulässiges Anknüpfen an der Selbstentfaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung der Gefühlsschäden . . . . . . . . . . . . II. Beschreibung der ersatzfähigen immateriellen Schäden nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Immaterielle Schäden infolge einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung . . . . . . . 2. Immaterielle Schäden infolge einer Freiheitsberaubung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Immaterielle Schäden infolge einer Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . 4. Immaterielle Schäden infolge einer Verletzung des (ideellen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Urheberpersönlichkeitsrechts . . . . . . . . 5. Immaterielle Schäden infolge einer Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung der Chancengleichheit als immaterieller Schaden . . . . . . . . . . . . . . . b) Immaterielle Schäden bei den unterschiedlichen Formen von Benachteiligungen . . . . . . . . . . 6. Immaterielle Schäden infolge einer vertraglichen Pflichtverletzung (ohne Berücksichtigung des AGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ablehnung des Rückgriffs auf den sog. objektiven Schadensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verallgemeinerbarkeit des Begriffs für ein europäisches Schadensersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verallgemeinerbarkeit des Begriffs für ein Europäisches Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlage für den Begriff des ideellen Schadens im Europäischen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden

537 537 537 542 547 549 549 552 552

553 554 554 556

557 558 559 559 561 565

. . . . . . . . .

566

A. Ausgleich und Genugtuung immaterieller Schäden – Defizite der historisch gewachsenen Funktionsbeschreibung

566

XXII

Inhaltsverzeichnis

B. Entschädigung immaterieller Einbußen trotz Inkommensurabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geldzahlung für einen Schaden ohne Marktwert . . . 1. Gleichsetzung der Geldzahlung mit dem ideellen Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geldzahlung für immaterielle Schäden . . . . . . . . II. Ersatz immaterieller Schäden in Geld als Gebot materieller Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung des Schadensausgleichs als Verwirklichung ausgleichender Gerechtigkeit . . . . 2. Anwendbarkeit des Gedankens der ausgleichenden Gerechtigkeit auf die Entschädigung von Nichtvermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begründung des Ersatzes immaterieller Schäden mit der materiellen Gerechtigkeit im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . b) Ersatz immaterieller Schäden als Ausdruck ausgleichender Gerechtigkeit im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entschädigung immaterieller Einbußen als Reaktion der Rechtsordnung auf enttäuschte Verhaltenserwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entschädigung immaterieller Einbußen – ein Gebot der Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

569 569 569 572 578 578

582

582

585

590 592

C. Entschädigung immaterieller Einbußen – Wiedergutmachung durch Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wiedergutmachung – Funktion des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderrolle der Entschädigung bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . III. Keine Genugtuungsfunktion bei Vorsatztaten . . . . .

597

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

606

§ 13 Die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung A. Festsetzung der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . I. Ausrichtung am konkreten Schaden und objektivierende Schadensbetrachtung . . . . . . . . 1. Vorgehensweise bei der Ermittlung des Schadens 2. Zulässige Kriterien für die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung . . . 3. Keine selbständigen Schadenspositionen . . . . .

597

601 604

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607

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607

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607 607

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609 611

XXIII

Inhaltsverzeichnis

II. Vergleichende Betrachtung der Entschädigungsbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichbehandlung vergleichbarer Schadensfälle . . 2. Angemessene Relation zwischen den Schadensfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweichen von der Entschädigung in vergleichbaren Schadensfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begrenzung der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . I. Erheblichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erheblichkeitsschwelle bei der Entschädigung von Nichtvermögensschäden . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung der Erheblichkeitsschwelle auf alle Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkung der Höhe der Entschädigung . . . . 1. Einwirkung der EMRK . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . .

612 612 612 615

. . . .

620 620

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620

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621 623 623

. .

625

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

627

§ 14 Die Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden

. .

628

A. Keine vollständige Gleichstellung des Ausgleichs materieller und immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

628

B. Konzeption für die Erweiterung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Streichung des § 253 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . .

634 634 635

C. Ergänzungen der Rechtsordnung de lege ferenda . . . . . . I. Erweiterung der Entschädigung immaterieller Schäden auf weitere Rechtsgutsverletzungen . . . . . . . . . . . 1. Kein Ersatz des Todes eines Menschen selbst . . . 2. Verletzung des allgemeinen und postmortalen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verletzte Affektionsinteressen bei Eigentumsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung . . . . . . .

637 637 637 639 639 642 644 645

XXIV

Inhaltsverzeichnis

1. Ersatz von Trauerschäden für Angehörige . . . a) Entschädigung von Trauerschäden bei Todesfällen bzw. schweren Körperverletzungen . . b) Anspruchsberechtigter Personenkreis . . . . . c) Bemessung der Entschädigung . . . . . . . . 2. Todesangst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden bei vertraglicher Haftung . . . . . . . . a) Ersatz verlorener Heilungschancen . . . . . . b) Entschädigung von Nichtvermögensschäden infolge vertraglicher Pflichtverletzungen . . .

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645

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645 649 652 653

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654 654

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657

. . . . . .

660

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

668

§ 15 Zusammenfassung des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . .

669

D. Ausschluss des Ausgleichs immaterieller Schäden

Teil 4

Die Entschädigung von Nichtvermögensschäden zwischen Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe 673 § 16 Der Entschädigungsanspruch – Wiedergutmachung, Privatstrafe oder Anspruch mit selbständiger Präventionsfunktion . . . . .

673

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

673

B. Sanktion, Buße, Privatstrafe und Prävention – eine begriffliche Klärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sanktion – Reaktion der Rechtsordnung auf den Normverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtliche Buße und zivilrechtliche Privatstrafe . 1. Schadensersatz und Privatstrafe . . . . . . . . . . 2. Buße – ein überholtes Element der Rechtsordnung III. Schadensersatz und Prävention . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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675

. . .

675 677 677 681 682 688

. .

C. Rechtliche Qualifikation des Entschädigungsanspruchs für ideelle Einbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Bedeutung der rechtlichen Qualifikation des Entschädigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . II. Zur uneinheitlichen Entwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden und den Folgen für die rechtliche Qualifikation des Entschädigungsanspruchs . . . . . .

688 688

689

Inhaltsverzeichnis

III. IV.

V.

VI.

1. Keine Privatstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadensersatzanspruch oder Anspruch eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 253 Abs. 2 BGB als Rechtsfolgenbestimmung . . Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entschädigung wegen einer ungerechtfertigten Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Rechtsnatur der Entschädigungsansprüche aus § 611a BGB a. F. und § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entschädigungsansprüche nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Privatstrafe und kein Anspruch eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbständige Präventionsfunktion und überkompensatorische Entschädigung . . . . . . Weitere Entschädigungsansprüche wegen Vertragsverletzungen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Ersatz immaterieller Schäden im Kontext der Entwicklung des Strafrechts und des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . I. Schadensausgleich im Spiegel des Strafrechts . . . . . . 1. Vorschläge zur Entkriminalisierung – Verlagerung von Sanktionen ins Privatrecht . . . . . . . . . . . . 2. Wiedergutmachung als Form des Opferschutzes im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pönale Elemente im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . III. Anerkennung einer allgemeinen Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadensersatzansprüche mit selbständiger Präventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung einer Präventionsfunktion für das gesamte Schadensersatzrecht . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkung einer Präventionsfunktion auf einzelne Teilbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXV 689 694 696 697 701

701 704 704 705

707 708 709 709 709 711 720 723 723 727 730 734 735

XXVI

Inhaltsverzeichnis

§ 17 Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und deren Folgen für den Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . .

736

A. Wechselverhältnis zwischen der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . .

736

B. Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht – Einheit aus Abwehr- und Verwertungsrecht . . . . . . . . . . . . . C. Abgrenzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . I. Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers . . . . . II. Persönlichkeitsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschränkung auf typischerweise rechtswidrige Persönlichkeitsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . IV. Verwertbarkeit des Persönlichkeitsbestandteils durch den Rechtsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile unabhängig vom Bekanntheitsgrad . . . . . . . . . . VI. Gesetzes- und sittenwidrige Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen . . . . . . . . . . . . . .

738 738 744

. . .

749 749 751

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753

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765

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765

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765 768 771 771

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775

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776

E. Kein Aufrechterhalten der selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . .

778

D. Rechtsfolgen der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . I. Anspruch auf Schadensersatz aus deliktischer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehen eines Anspruchs auf Ersatz des Vermögensschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechnung des Vermögensschadens . . . . . . . . II. Anspruch aus Eingriffskondiktion . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf die übliche Lizenzgebühr . . . . . . 2. Verschärfte Bereicherungshaftung (§§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 285 BGB) . . . . . . . . . . . . . III. Anspruch auf Gewinnherausgabe aus angemaßter Eigengeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXVII

Inhaltsverzeichnis

F. Nebeneinander von vermögensrechtlichen Ansprüchen und Entschädigungsansprüchen wegen immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsverletzungen . . . . . . . . . . . I. Zum Verhältnis der Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . II. Ersatz immaterieller Schäden infolge einer schweren Persönlichkeitsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Immaterielle Schäden bei der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung ideeller Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Zusammenhang mit der unerlaubten Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen . . . . . . . . . . . III. Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG IV. Anspruchskonkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . .

782 782 784

784

788 790 791

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

793

§ 18 Überkompensatorische Entschädigung immaterieller Einbußen de lege lata und de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . .

795

A. Würdigung der Ableitung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes . . . . . . . . I. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der Entschädigung von Nichtvermögensschäden . II. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der Sanktionen des Immaterialgüterrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . 1. Dreifache Schadensberechnung . . . . . . . . . . 2. Sonderfall: Die GEMA-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der wettbewerbsrechtlichen Sanktionen . . . . . . . . . 1. Schadensersatzansprüche nach § 9 UWG und § 33 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgaben des EU-Kartellrechts für die Sanktion des Rechtsverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG und den §§ 34, 34a GWB . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 241a BGB und § 661a BGB . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . .

. .

795

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795

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797 797

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802

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805

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805

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808

. . . . . .

810 812 812

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

B. Keine Verpflichtung zur Einführung einer Privatstrafe . . . I. Vorgaben aus dem europäischen Primär- und Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorgaben durch das Schutzgebot der Grundrechte . . 1. Voraussetzungen für die Ableitung einer Schutzpflicht aus den Freiheitsrechten . . . . . . . . 2. Schutzpflicht wegen der Verletzung von Körper, Gesundheit und sexueller Selbstbestimmung . . . . a) Erfüllung der Schutzpflicht bei Vorsatztaten . . b) Kein zusätzlicher Schutz bei Vergewaltigungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . c) Organhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutzpflicht wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutzpflicht wegen unzulässiger Benachteiligung i. S. des AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung und Folgerungen . . . . . . . . . C. Vereinbarkeit der Privatstrafe mit der Funktion des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereinbarkeit von Privatstrafe und Privatrecht . . . . . 1. (Kein) Konflikt mit der Trennung von Zivil- und Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit dem Begriff des Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarkeit des überkompensatorischen Schadensersatzes mit dem Schadensersatzrecht . . . . . . . . . . III. Gewinnabschöpfung als Form der Privatstrafe . . . . . IV. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung einer Privatstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 3 GG . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip . . . . . . . . 4. Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Notwendigkeit von Privatstrafen zur Ergänzung der Wiedergutmachung ideeller Schäden . . . . . . . . 1. Nicht-lukrative Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsätzliche Rechtsgutsverletzungen, insbesondere Vergewaltigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unzulässige Benachteiligung nach §§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1, 2 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lukrative Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

816 816 818 818 820 820 822 824 825 830 833 833 833 833 843 847 851 854 854 855 856 857 860 860 860 863 866

Inhaltsverzeichnis

XXIX

a) Verzögerte Schadensregulierung durch den Schädiger oder die Versicherung . . . . . . . b) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . .

870

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

874

§ 19 Zusammenfassung des vierten Teils . . . . . . . . . . . . .

875

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . .

879

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

891

Stichwortverzeichnis

965

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

866

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. A.C. ABGB ABGB-E abl. ABl. EG ABl. EU Abs. AcP ACQP ADG-E AEUV AfP AG AGB AGG AiB AJP AK-GG

al. Ala. L. Rev. All E.R. allg. allg. A. ALR Alt. Am. J. Comp. L. AMG Anh. Anm. AnwBl. AnwK AöR AP App. Appl. No.

andere Ansicht am Ende alte Fassung Law Reports, Appeal Cases Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Entwurf des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Österreich) ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Archiv für die civilistische Praxis Principles of the Existing EC Contract Law (Acquis Principles) Entwurf eines Gesetz zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Archiv für Presserecht; seit 1994: Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingung Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb Aktuelle juristische Praxis Denninger, Erhard u. a. (Hrsg.)/Wassermann, Rudolf (Gesamthrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Neuwied/Kriftel 2001 alinea Alabama Law Review All England Law Reports allgemein allgemeine Ansicht Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Alternative American Journal of Comparative Law Arzneimittelgesetz Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Anwaltkommentar Archiv für öffentliches Recht Arbeitsrechtliche Praxis Appendix, Appendices Application Number

XXXII APS

ArbG ArbGG ArbRB ArchBürgR ARSP Art., art. ASVG AT AtomG AtomHG AuA Aufl. AuR Az. BABl. BAG BayPAG BB Bd. BDSG Bearb. Begr. BehiG

Beil. BEinstG BergG BerlASOG BetrVG BG BGB BGBl. BGE BGH BGHZ B-GlBG BGSG BGStG BK-GG Bl. BlStSozArbR BMJ BR BR- Drs.

Abkürzungsverzeichnis Ascheid, Reiner/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid (Hrsg.): Kündigungsrecht: Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 4. Aufl., München 2012 Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Der Arbeits-Rechts-Berater Archiv für bürgerliches Recht Archiv für Rechts- und Staatsphilosophie Artikel, article, articulus Bundesgesetz über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) Allgemeiner Teil Atomgesetz Atomhaftungsgesetz (Österreich) Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Arbeit und Recht Aktenzeichen Bundesarbeitsblatt Bundesarbeitsgericht Bayrisches Polizeiaufgabengesetz Betriebs-Berater Band Bundesdatenschutzgesetz Bearbeiter, Bearbeitung Begründer Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz) (Schweiz) Beilage Behinderteneinstellungsgesetz (Österreich) Berggesetz (Österreich) Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden in Berlin Betriebsverfassungsgesetz Schweizerisches Bundesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesgleichbehandlungsgesetz (Österreich) Bundesgrenzschutzgesetz Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz) (Österreich) Dolzer, Rudolf u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg 2002 Blatt, Blätter Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesjustizministerium Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert (Hrsg.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bundesrats-Drucksache

Abkürzungsverzeichnis BSchG BSG BSGE BSHG BT BT-Drs. Bull. civ. Bull. crim. BVerfG BVerfGE BVerwG BVG bzgl. bzw.

XXXIII

Beschäftigtenschutzgesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Bulletin civil des Chambres civiles de la Cour de cassation Bulletin criminel des Chambres criminelles de la Cour de cassation Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Bundesversorgungsgesetz bezüglich beziehungsweise

CA Cal. cap. Cc CCC

Court of Appeal, Cour d’appel California caput Code civil Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl V.) Ch Chancery Chron. Chronique Cic culpa in contrahendo Cir. Circuit CISG United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods CMLR Common Market Law Review CMR Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route CNAV Conseil national d’aide aux victimes Co. Company Comm. Commentaire Cons. d’État Conseil d’État Cons. d’État ass. pléin. Conseil d’État, Assemblée plénière Corp. Corporation COTIF Convention concerning International Carriage by Rail Cass. Cour de cassation Cass. ass. plén. Cour de cassation, Assemblée plénière Cass. civ. Cour de cassation, Chambre civile Cass. com. Cour de cassation, Chambre commerciale Cass. crim. Cour de cassation, Chambre criminelle Cass. mix. Cour de cassation, Chambre mixte Cass. req. Cour de cassation, Chambre des requêtes Cass. réun. Cour de cassation, Chambre réunie Cass. soc. Cour de cassation, Chambre sociale CPO Civilprozessordnung CR Computer und Recht D D. DAR dass.

Digesten Recueil Dalloz Deutsches Autorecht dasselbe

XXXIV DAV DB DCFR DDA ders. DesG dies. Diss. DJT DJZ DKK Doctr. DÖV DP DR Dr. Dr. ouvr. DRdA DresdE DRiZ DS DSG 2000 DStR DVBl. DVJJ DZWiR E.R. EAT EBJS

Éd. G EFZG EG

EGMR EGV Einl. EKHG

EMLR EMRK endg.

Abkürzungsverzeichnis Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb Draft Common Frame of Reference Disability Discrimination Act derselbe Bundesgesetz über den Schutz von Design (Designgesetz) (Schweiz) dieselbe/dieselben Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Däubler, Wolfgang/Kittner, Michael/Klebe, Thomas/Wedde, Peter: Betriebsverfassungsgesetz, 12. Aufl., Frankfurt a. M. 2010 Doctrine Die Öffentliche Verwaltung Dalloz périodique Deutsches Recht Droit Droit Ouvrier Das Recht der Arbeit Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866 Deutsche Richterzeitung Recueil Dalloz-Sirey Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000) (Österreich) Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt DVJJ-Journal: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht English Reports Employment Appeal Tribunal Ebenroth, Carsten Thomas/Boujong, Karlheinz (Begr.)/Joost, Detlev/Strohn, Lutz (Hrsg.): Handelsgesetzbuch, Bd. 2, §§ 343– 475h, Transportrecht, Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl., München 2009 Édition Generale Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft, Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 2.10.1997 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Maastricht vom 7.2.1992 Einleitung Bundesgesetz über die Haftung für den Ersatz von Schäden aus Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen und beim Betrieb von Kraftfahrzeugen (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz) (Österreich) Entertainment and Media Law Reports Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 endgültig

Abkürzungsverzeichnis ERCL ErfKomm ERPL et al. EU EuG EuGH EuGRZ EuR EUV EuZW EWCA Civ. EWHC EWiR EWS EzA F f. F. 2d FamRZ Fasc. FE ff. FG FK-GWB Fn. Fortf. Fr. FS FuR GA Gaz. Pal. GdB GdS GebrMG gem. GenTG GeschmMG GewArch GG ggf. GK-BetrVG GK-GWB

GK-SGB

XXXV

European Review of Contract Law Dieterich, Thomas/Hanau, Peter/Schaub, Günther (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht European Review of Public Law et altera Europäische Union Europäisches Gericht erster Instanz Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften; Gerichtshof der Europäischen Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Vertrag über die Europäische Union vom 13.12.2007 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht England and Wales Court of Appeal (Civil Division) High Court of England and Wales Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungen zum Arbeitsrecht Franc folgende Federal Reporter, second series Zeitschrift für das gesamte Familienrecht fascicule Fusionsentwurf folgende Festgabe Jaeger, Wolfgang/Pohlmann, Petra/Rieger, Harald/Schroeder, Dirk (Hrsg.): Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht Fußnote Fortführender Franken Festschrift Film und Recht Generalanwalt, Generalanwältin Gazette du Palais Grad der Behinderung Grad der Schädigung, Grad der Schädigungsfolgen Gebrauchsmustergesetz gemäß Gentechnikgesetz Geschmacksmustergesetz Gewerbearchiv Grundgesetz gegebenenfalls Wiese, Günther u. a. (Hrsg.): Betriebsverfassungsgesetz, Gemeinschaftskommentar, Bd. II, 9. Aufl., München/Neuwied 2009 Müller-Henneberg, Hans/Schwartz, Gustav (Begr.)/Benisch, Werner (Fortf.)/Hootz, Christian (Hrsg.), Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und Europäisches Kartellrecht. Gemeinschaftskommentar, 5. Aufl., Köln 2001 Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch

XXXVI GlBG GlG GPR grds. GRR GrünhutsZ GRUR GRUR Int. GRUR-RR GS GenTG GWB h. L. h. M. HalblSchG HBdGR

Abkürzungsverzeichnis Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz) (Österreich) Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz) (Schweiz) Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht grundsätzlich Gemeinsamer Referenzrahmen Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begründet von Grünhut Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/RechtsprechungsReport Großer Senat; Gedächtnisschrift Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HRLJ Hrsg. HSOG HWS

herrschende Lehre herrschende Meinung Halbleiterschutzgesetz Merten, Detlef/Papier, Hans-Jürgen (Hrsg.): Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, Grundrechte in Deutschland: Allgemeine Lehren I, Heidelberg 2006 Isensee, Josef/Kirchof, Paul (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Handelsgesetzbuch Schulze, Reiner (Schriftleitung): Bürgerliches Gesetzbuch. Handkommentar, 7. Aufl., Baden-Baden 2011 Schmoeckel, Mathias/Rückert, Joachim/Zimmermann, Reinhard (Hrsg.): Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 1. Teilband: vor § 241–§ 304, Tübingen 2007 Dorndorf, Eberhard/Prinz, Ingolf: Heidelberger Kommentar zum KSchG, 4. Aufl., Heidelberg 2001 Dreyer, Gunda/Kotthoff, Jost/Meckel, Astrid: Heidelberger Kommentar zum Urheberrecht, 2. Aufl., Heidelberg 2009 House of Lords Haftpflichtgesetz Cordes, Albrecht u. a. (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl., Berlin 2008 Human Rights Law Journal Herausgeber Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Halswirbelsäule

ICR IECL i. e. S. i. H. i. S. i. Ü. i. V. i. w. S. IDS

Industrial Cases Reports International Encyclopedia of Comparative Law im engeren Sinne in Höhe im Sinne im Übrigen in Verbindung im weiteren Sinne Institute of Development Studies

HBStR HGB Hk-BGB HKK-BGB

HK-KSchG HK-UrhR HL HPflG HRG

Abkürzungsverzeichnis

XXXVII

IHR ILO Inc. inf. rap. InsO IPRax IRLR IT IZVR

Internationales Handelsrecht International Labour Organisation Incorporated Informations rapides Insolvenzordnung Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Industrial Relations Law Reports Industrial Tribunal Internationales Zivilverfahrensrecht

J.Leg.Stud. JA Jb RSoz/RTheor JBl. JC JCP JCP, Éd. G JhJb. JI JR jun. Jur. Jura juris-PK

Oxford Journal of Legal Studies Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie Juristische Blätter Juris-Classeur Juris-Classeur Périodique (Semaine juridique) Juris-Classeur Périodique, Édition générale Jherings Jahrbücher Juridica International Juristische Rundschau junior Jurisprudence Juristische Ausbildung Junker, Markus/Herberger, Maximilian (Hrsg.): juris-Praxiskommentar BGB, Bd. II, Teil 1, §§ 241–432, 4. Aufl., Saarbrücken 2008 Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

JuS JW JZ K.B. Kap. KG KHG KK-StPO

KOM KR

KreisG krit. KritV KSchG KSchR KUG

LAG LAGE LFG Lfg.

Kings Bench Division Kapitel Kammergericht Kernenergiehaftpflichtgesetz (Österreich) Pfeiffer, Gerd (Hrsg.): Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz mit Einführungsgesetz, 5. Aufl., München 2003 Kommissionsdokumente Becker, Friedrich/Hillebrecht, Wilfried (Begr.): KR. Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 9. Aufl., Köln 2009 Kreisgericht kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kündigungsschutzgesetz Kündigungsschutzrecht Gesetz betreffend das Recht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturhebergesetz) vom 9.11.1907 Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Bundesgesetz über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz) (Schweiz) Lieferung

XXXVIII LG lib. lit. LK-StGB LM LMK LMR

LP LPartG LR-StPO

Ltd. LuftVG LUG LZ m. w. N. MarkenG MdE MDR Me. MedienG MinroG

MittPatAnw MMR Mo. Rev. Stat. Ann. Mot. MR MSchG MünchArb MünchKomm-ZPO

MünchKomm-BGB

Abkürzungsverzeichnis Landgericht liber littera, Buchstabe Leipziger Kommentar zum StGB Lindenmair/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Kommentierte BGH-Rechtsprechung Loewenheim, Ulrich/Meessen, Karl M./Riesenkampff, Alexander (Hrsg.): Kartellrecht. Europäisches und Deutsches Recht, 3. Aufl., München 2011 Légipresse Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) Löwe, Ewald/Rosenberg, Werner (Begr.), Erb, Volker u. a. (Hrsg.): Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkommentar, Bd. V, §§ 151–212b, 26. Aufl., Berlin 2008 Limited Luftverkehrsgesetz Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19.6.1901, aufgehoben zum 1.1.1966 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen Markengesetz Maß der Erwerbsunfähigkeit Monatschrift für Deutsches Recht Maine Mediengesetz (Österreich) Bundesgesetz über mineralische Rohstoffe, über die Änderung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (Mineralrohstoffgesetz) (Österreich) Mitteilungen der deutschen Patentanwälte MultiMedia und Recht Montana Code Annotated (Montana Revised Statutes Annotated) Motive Medien und Recht Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz) (Schweiz) Richardi, Reinhard/Wlotzke, Otfried (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Rauscher, Thomas/Wax, Peter/Wenzel, Joachim (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. I, §§ 1–510c, 3. Aufl., München 2008 Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

N.D. Cent Code Ann. North Dakota Century Code Annotated N.H. New Hampshire Reports N.Y. L. J. New York Law Journal Neubearb. Neubearbeitung NJ Neue Justiz NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

Abkürzungsverzeichnis

XXXIX

No. Nr. NStZ-RR NVersZ NVwZ NZA NZA-RR NZM NZS NZV

number, numéro Nummer Neue Zeitschrift für Neue Zeitschrift für Neue Zeitschrift für Neue Zeitschrift für Neue Zeitschrift für Neue Zeitschrift für Neue Zeitschrift für Neue Zeitschrift für

ÖBl.

Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Oberster Gerichtshof Ohio Revised Code Annotated Österreichischer Juristentag Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Obligationenrecht Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) (Österreich) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

OGH Ohio Rev. Code Ann. ÖJT ÖJZ OLG OLGR OLGZ OR öUrhG

OWiG PatG PECL PEL Liab. Dam.

Strafrecht, Rechtsprechungs-Report Versicherung und Recht Verwaltungsrecht Arbeitsrecht Arbeitsrecht, Rechtsprechungs-Report Mietrecht Sozialrecht Verkehrsrecht

ProdHG Prot.

Patentgesetz Principles of European Contract Law Principles of European Law, Non-Contractual Liability Arising out of Damage Caused to Another Principles of European Tort Law Pflichtversicherungsgesetz Principles of International Commercial Contracts private limited company Polizeigesetz Baden-Württemberg Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz) (Schweiz) Produkthaftungsgesetz Protokolle

q. Q.B.

quaestio Queen’s Bench Division

RabelsZ RCA RdA RdM RDV RdW Red. RG RGBl.

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Responsabilité civile et assurances Recht der Arbeit Recht der Medizin Recht der Datenverarbeitung Das Recht der Wirtschaft Redakteur Reichsgericht Reichsgesetzblatt

PETL PflVG PICC plc PolG BW PrHG

XL RGRK-BGB

RGZ RHG RIW RL RohrlG

Rn. ROHG RRa RRA R.S. Rs. Rspr. RTDC RuS RZ s. S. S. Ct. s. o. SächsBGB SAE sec. SeemG SGB SGb. SJZ Slg. So. Cal. L. Rev. soc. sog. Somm. Sonderbeil. SortenschutzG SozR SozSich SozVers SprstG ss. st. Rspr. StGB StPO str. StrEG StVG SVG

Abkürzungsverzeichnis Mitglieder des Bundesgerichtshofes (Hrsg.), Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes Entscheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichshaftpflichtgesetz Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Bundesgesetz über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (Rohrleitungsgesetz) (Österreich) Randnummer Reichsoberhandelsgericht ReiseRecht aktuell Race Relations Act Recueil Dalloz Sirey Rechtssache Rechtsprechung Revue trimestrielle de droit civil Recht und Schaden Österreichische Richterzeitschrift siehe, section Seite, Satz, Recueil Sirey Supreme Court siehe oben Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863/1865 Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen section, sectio Seemannsgesetz Sozialgesetzbuch Die Sozialgerichtsbarkeit Schweizerische Juristen-Zeitung Sammlung der Rechtsprechung des EuGH Southern California Law Review sociale sogenannt Sommaires commentés Sonderbeilage Sortenschutzgesetz Sozialrecht – Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Soziale Sicherheit Die Sozialversicherung Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) (Schweiz) sections ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Straßenverkehrsgesetz Strassenverkehrsgesetz (Schweiz)

Abkürzungsverzeichnis

XLI

SVR SZ

Straßenverkehrsrecht Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen

t. tit. TGI TI TPG

tome titulus Tribunal de grande instance Tribunal d’instance Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz) Tarifvertragsgesetz Teilzeit- und Befristungsgesetz

TVG TzBfG u. a. U.S. U.S.C. UFITA

UWG

und andere United States United States Code Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht, seit 2000: Archiv für Urheber- und Medienrecht United Kingdom United Kingdom House of Lords Umwelthaftungsgesetz Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) (Schweiz) Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Urheberrecht United States of America United States Code Bundesgesetz über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz) (Schweiz) Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

v. VersR vgl. VGT VO vol. Vorbem. VuR VVDStRL VVG

vom, von Versicherungsrecht vergleiche Verkehrsgerichtstag Verordnung volume Vorbemerkung Verbraucher und Recht Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer Versicherungsvertragsgesetz

wbl. WHO WM WRP WuW

Wirtschaftsrechtliche Blätter World Health Organization Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für Kartellrecht, Wettbewerbsrecht und Marktorganisation

z. B. ZAS ZBl. ZESAR

zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht Zentralblatt Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht

UK UKHL UmweltHG URG UrhG UrhR USA U.S.C. USG

XLII ZEuP ZEuS ZEV ZfA ZfRV zfs ZfV ZG ZGB ZGS ZHR ZIAS ZInsO ZIP ZPO ZRP ZSR ZStW ZTR ZUM zust. ZVersWiss ZVglRWiss ZVR ZZP

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Gesetzgebung Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Tarifrecht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zustimmend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswirtschaft Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verkehrsrecht Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung Das BGB stand bei seinem Inkrafttreten dem Ersatz immaterieller Schäden mit großer Zurückhaltung gegenüber und schloss ihre Entschädigung in Geld grundsätzlich aus. Lediglich bestimmte Ansprüche auf Ersatz von Nichtvermögensschäden, die seit langer Zeit in der Rechtspraxis verwurzelt waren und zudem Eingang in das Partikularrecht des 19. Jahrhunderts gefunden hatten, wurden im BGB kodifiziert. Das betraf insbesondere das in § 1300 BGB a. F. geregelte Kranzgeld sowie § 847 Abs. 1 BGB a. F., der das im deutschen Raum seit Jahrhunderten gewährte Schmerzensgeld und die Sachsenbuße für Freiheitsberaubungen aufnahm.1 Die Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschaden war daher eine Entscheidung über die Ersatzfähigkeit des erlittenen Schadens. Die anschließende Entwicklung korrigierte diese Zurücksetzung der immateriellen Schäden zunächst nur punktuell. Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erkannte die Rechtsprechung auf der Grundlage des Schutzgebots aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG einen Entschädigungsanspruch für Nichtvermögensschäden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an.2 Eine singuläre Erweiterung bewirkte das Reisevertragsrecht, das seit 1979 Ersatz für entgangene Urlaubsfreude gewährt. Darüber hinaus führten vor allem europarechtliche Vorgaben zur Ausdehnung der Entschädigung ideeller Einbußen. Die Richtlinien zur Verwirklichung der Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung und beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen wurden zunächst in § 611a BGB a. F. und § 81 SGB IX a. F. umgesetzt. Nunmehr regeln die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG Entschädigungsansprüche für ideelle Einbußen, die infolge einer unzulässigen Benachteiligung eingetreten sind. Zudem gewähren die Verordnungen über die Fluggast- sowie Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr pauschalierte Entschädigungsansprüche, die auch die immateriellen Interessen des Flug- oder Fahrgasts wegen der Nichtoder Schlechterfüllung des Beförderungsvertrags abgelten. Eine wesentliche 1

Mot. II, S. 800 f. BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 355 (Herrenreiter), § 847 BGB a. F. analog; auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG: BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 367 (Ginsengwurzel); s. auch BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 131 f. (Fernsehansagerin); 22.1.1985 NJW 1985, 1617 (Nacktfoto); dazu BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 282, 292 (Soraya); s. später BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 (Caroline IV). 2

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Erweiterung erfuhr der Ersatz von Nichtvermögensschäden durch die Reform des Schadensersatzrechts im Jahre 2002, indem die Entschädigung immaterieller Schäden infolge der Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung in das allgemeine Schadensersatzrecht integriert und auf die Gefährdungshaftung erstreckt wurde. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Entschädigung wegen seiner Verletzung blieben indes ungeregelt, wenngleich sich der Gesetzgeber für die Fortführung der bestehenden Rechtsprechung aussprach.3 Der Ersatz immaterieller Schäden hat somit in den letzten einhundert Jahren eine dynamische Entwicklung durchlaufen. Sie beruht einerseits auf der veränderten Einstellung gegenüber der Zahlung von Geld für ideelle oder inkommensurable Schäden. Andererseits war es wegen der gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse nicht mehr hinnehmbar, dass der Geschädigte den Nichtvermögensschaden selbst trägt, so dass er allein oder vor allem mit sozialen Sanktionen gegenüber dem Schädiger auf den Schadensfall reagieren kann. Insbesondere die zunehmende Individualisierung und die weniger starre Einbindung in gesellschaftliche Gruppen haben das Bewusstsein für die Bedeutung der Selbstbestimmung und ihre Beeinträchtigung steigen lassen, wohingegen in der vorindustriellen Zeit vor allem die Sicherung der persönlichen und wirtschaftlichen Existenzgrundlage im Vordergrund stand. Zudem entstanden durch die schnelle Entwicklung der Medien, Kommunikationsmittel und sozialen Netzwerke zunehmende Gefährdungen für das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen. Die veränderte und gesteigerte Bedeutung der ideellen Rechte, Rechtsgüter und Interessen spiegelt sich in der Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden und stellt die Rechtsordnung zudem vor neue Herausforderungen. Die Weiterentwicklung des Ersatzes für immaterielle Schäden erfolgte nicht einheitlich, sondern beschränkte sich häufig auf einzelne Teilbereiche. Die Entschädigung ideeller Einbußenen infolge der Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung veränderte sich unabhängig von der Geldentschädigung für schwere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch die Entschädigung wegen einer unzulässigen Benachteiligung hat sich eigenständig entwickelt. Daran änderte die Reform des Schadenersatzrechts von 2002 nichts. Ein einheitliches Konzept für alle Teilbereiche des Ausgleichs immaterieller Schäden wird selten erörtert. Gerade in jüngerer Zeit konzentriert sich die wissenschaftliche Diskussion vor allem darauf, ob sich die Entschädigungsansprüche auf den Schadensausgleich beschränken, daneben pönale Elemente enthalten oder der Prävention von Rechtsverletzungen und damit der Verhaltenssteuerung dienen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die gemeinsamen Grundlagen des Ersatzes von Nichtvermögensschäden herauszuarbeiten. Im Mittelpunkt steht das 3

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innere System, das den Regelungen des geltenden Rechts zugrunde liegt. Die Untersuchung beschränkt sich nicht auf die intensiv geführte Diskussion über die Funktion des Schadensersatzes, sie setzt bereits am Begriff des immateriellen Schadens an. Die positive Beschreibung dieser Schäden beschränkt sich regelmäßig auf Schmerzen und Leiden des Geschädigten sowie Einbußen in der Lebensführung und hat sich somit nicht über das Schmerzensgeld als historischen Vorläufer hinaus entwickelt. Trotz des Hinzutretens der Entschädigungsansprüche für ideelle Schäden infolge schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder unzulässiger Benachteiligungen wurde der Terminus des ideellen Schadens nur geringfügig adaptiert. Allein Lorenz unterzog den Begriff in seiner Habilitationsschrift aus dem Jahre 1981 einer grundlegenden Überprüfung.4 Im Übrigen versucht die Literatur, die zutage getretenen Defizite bei der Schadensbeschreibung zum Teil durch einen Rückgriff auf den objektiven Schadensbegriff oder den sog. Per-se-Schaden zu lösen.5 Die begriffliche Neuausrichtung des immateriellen Schadens muss sicherstellen, dass die erlittene Einbuße schlüssig beschrieben wird. Das erlaubt, die Entschädigung deutlicher auf den Schaden zu beziehen und als Schadenswiedergutmachung darzustellen, und wirkt der Tendenz entgegen, die Entschädigung, wie eine Strafe, unabhängig vom Schaden wegen der Rechtsverletzung zu gewähren. Bei einer konzeptionellen Revision der Entschädigung ideeller Einbußen ist zudem die Sonderstellung, die ihr beim Inkrafttreten des BGB zugewiesen wurde, einer Überprüfung zu unterziehen. Sie hatte zur Folge, dass die Entschädigungsansprüche zum Teil nicht als Schadensersatzansprüche, sondern als Ansprüche eigener Art qualifiziert und somit dogmatisch außerhalb des Schadensersatzrechts gestellt wurden. Der Große Zivilsenat charakterisierte im Jahre 1956 den Entschädigungsanspruch aus § 847 Abs. 1 BGB a. F. angesichts der Inkommensurabilität des Schadens und seiner Genugtuungsfunktion als Anspruch sui generis6. Seit der Reform von 2002 sind diese Entschädigungsansprüche aber Teil des allgemeinen Schadensersatzrechts und haben ihre Ausnahmestellung verloren. Allerdings qualifiziert der 6. Zivilsenat des BGH die Geldentschädigung wegen schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der sog. Caroline-Entscheidung ebenfalls als Anspruch eigener Art7, aber unter Verweis auf das grundrechtliche Fundament 4 E. Lorenz, Immaterieller Schaden und „billige Entschädigung in Geld“, 1981; für den Bereich der Schäden infolge von Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen und unter rechtsvergleichendem Bezug auf das italienische Recht Bender, Personenschaden und Schadensbegriff, 1993. 5 v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 22; Personenschaden und Schadensbegriff, 1993; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 577 f.; ähnlich Jansen, ZEuP 2001, 20, 59 f. 6 BGH 6.7.1955 Z 18, 149 (1. Leitsatz). 7 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); zur Ungleichbehandlung des Schadensersatzes für Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187 f., die das Gericht wegen der Begründung der Entschädigung mit dem Schutzgebot der Grundrechte für gerechtfertigt hält.

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des Anspruchs. Diese Sonderstellung erleichtert die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion, die im Gegensatz zum allgemeinen Schadensersatzrecht eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt. Schließlich ist auch für die Entschädigungsansprüche wegen unzulässiger Benachteiligung aufgrund ihres europarechtlichen Fundaments streitig, ob es sich um Schadensersatzansprüche handelt.8 Trotz der dogmatischen Unterschiede zwischen den Ansprüchen ist eine unterschiedliche rechtliche Qualifikation keine zwingende Folge. Die Inkommensurabilität der ideellen Schäden und die Ausrichtung des Zivilrechts auf den Schutz des Vermögens, vor allem durch die historische Rechtsschule und die Pandektenwissenschaft im 19. Jahrhundert, hatten zur Folge, dass bereits bei den Beratungen über das BGB die Entschädigung solcher Einbußen nicht eindeutig als Schadensersatz oder dem Strafrecht zuzuordnende Buße qualifiziert wurden. Der Große Senat des BGH für Zivilsachen erkannte dem Entschädigungsanspruch aus § 847 BGB a. F. neben der Ausgleichs- eine Genugtuungsfunktion zu.9 Das rückt den Anspruch in die Nähe der Privatstrafe, obwohl die Diskussion über die rechtliche Qualifikation des Schmerzensgelds in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erst dazu geführt hatte, den Anspruch als Schadensersatz einzuordnen.10 Die Genugtuungsfunktion ist heute zwar in den Hintergrund getreten, findet aber bei Vorsatztaten sowie schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Berücksichtigung.11 Die Abgrenzung zwischen Privat- und Strafrecht war erneut Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung seit der 6. Zivilsenat des BGH in der ersten Caroline-Entscheidung 1994 der Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine selbständige Präventionsfunktion 8 Für eine selbständige Präventionsfunktion des § 15 Abs. 2 AGG Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 51 (sofern Präventionszweck nicht auf anderem Wege erreicht werden kann); Schiek/ Kocher, AGG, § 15 Rn. 38; Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; s. auch Armbrüster, KritV 2005, 41, 49; zurückhaltender Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; so zu § 611a BGB wohl Möller, Präventionsprinzip, S. 220 ff.; Löwe, Prävention, S. 224 f.; Raab, DStR 1999, 854, 857; für die Qualifikation des § 611a BGB als Privatstrafe: Annuß, NZA 1999, 738, 741; Herrmann, ZfA 1996, 19, 35 f.; Korthaus, Antidiskriminierungsrecht, S. 218; Staudinger/Annuß, BGB, § 611a Rn. 94; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 353 f. (gemischt pönal-reipersekutorisch); Klumpp, Privatstrafe, S. 72 f.; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 99; Möller, Präventionsprinzip, S. 222 f.; P. Müller, Punitive damages, S. 276; Rosengarten, NJW 1996, 1935, 1936; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 410 ff.; so zu § 15 Abs. 2 AGG: KR/Pfeiffer, AGG Rn. 144. 9 BGH 6.7.1955 Z 18, 149 ff., 154, 156; s. auch BGH 4.6.1992 Z 118, 312, 339; 29.11.1994 NJW 1995, 781, 782. 10 Zuerst v. Waechter, Buße, S. 72 ff.; v. Jhering, JhJb 18 (1880), 1, 41 ff., 49 f.; Kohler, Patentrecht, S. 651 f.; Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, § 251 Fn. 3, S. 3; ausführlich zur historischen Entwicklung: Braschos, Immaterielle Schäden, S. 14 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 448 ff.; Göthel, AcP 205 (2005), 36 ff.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 121 f. 11 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f.

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zuerkannte, um den als zu schwach empfundenen Rechtsschutz zu verbessern.12 Die Literatur widersprach und schlug im Gegenzug eine Gewinnabschöpfung auf der Grundlage des Bereicherungsrechts sowie der Geschäftsführung ohne Auftrag vor.13 Inzwischen hat der 1. Zivilsenat des BGH zudem vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts anerkannt und gewährt Ansprüche aus Delikt, Eingriffskondiktion sowie angemaßter Eigengeschäftsführung unabhängig von der Verwertungsbereitschaft des Geschädigten.14 Ob der 6. Zivilsenat des BGH im Anschluss daran den Entschädigungsanspruch bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wieder auf den Ausgleich der erlittenen Schäden beschränken wird, ist bisher offen.15 Eine Auseinandersetzung mit der Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs muss daher die Diskussion über die vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einbeziehen, soweit sie Auswirkungen auf die Entschädigung immaterieller Einbußen haben kann. Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des Entschädigungsanspruchs ergaben sich auch bei Benachteiligungen nach dem AGG, dem angesichts der Vorgaben der europäischen Richtlinien ebenfalls eine selbständige Präventionsfunktion zugesprochen wurde.16 Zum Teil gilt der Entschädigungsanspruch sogar als Privatstrafe.17 Die Sonderentwicklung in den vorgenannten Teilbereichen des Ausgleichs immaterieller Schäden nahm ein Teil der Privatrechtswissenschaft zum Anknüpfungspunkt, um allgemein eine Präventionsfunktion des Schadensersatzes bei ideellen Einbußen abzuleiten.18 Ein Teil der Literatur befürwortet sogar eine generelle Ausrichtung des Schadensersatzrechts am Präventionsgedanken oder fordert zumindest eine punktuelle Ergänzung des Schadensaus12

BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I). Z. B. Canaris, FS Deutsch, S 85 ff.; Erlanger, Die Gewinnabschöpfung bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, 2001; Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 2001; Klein, Der zivilrechtliche Schutz des einzelnen vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Sensationspresse, 2000; Siemes, AfP 1997, 542 f. 14 BGH 1.12.1999 Z 143, 214 (Marlene Dietrich); bestätigend BGH 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); 5.10.2006 Z 169, 193, 196 (kinski-klaus.de); s. auch BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 f. (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 15 Für eine Aufgabe der selbständigen Präventionsfunktion: Göbel, Geldentschädigung, S. 180 ff.; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 220; Helle, JZ 2007, 444, 445; Koos, WRP 2002, 202, 202 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 230; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 249; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 1, 29 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 213; ders., WRP 2000, 1049, 1052 f.; s. auch G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 224 f.; Witzleb, Geldansprüche, S. 161 ff. 16 Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 51 (sofern der Präventionszweck nicht auf anderem Wege erreicht werden kann); Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 38; Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; s. auch Armbrüster, KritV 2005, 41, 49. 17 KR/Pfeiffer, AGG Rn. 144. 18 Daran anknüpfend z. B. Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 2000; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2005; Schlobach, Das Präventionsprinzip im Recht des Schadensersatzes, 2004. 13

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gleichs durch eine selbständige Präventionsfunktion oder Gewinnabschöpfungsansprüche, um vor zukünftigen Rechtsverletzungen abzuschrecken und durch diese Verhaltenssteuerung den Rechts- bzw. Rechtsgüterschutz zu verbessern.19 Insoweit wird auch auf die ökonomische Analyse des Rechts verwiesen. Diese Auseinandersetzung geht über den Ersatz der immateriellen Schäden weit hinaus und betrifft das Schadensersatzrecht insgesamt. Die Entschädigung der Nichtvermögensschäden fungiert aber als zentraler Anknüpfungspunkt für die induktive Ableitung der Präventionsfunktion. Parallel dazu hat eine Auseinandersetzung mit den pönalen Elementen des Privatrechts eingesetzt20, die ebenfalls die Entschädigung der Nichtvermögensschäden einbezieht und zugleich über sie hinausgeht.21 Im Mittelpunkt stand zunächst die Analyse des Privatrechts auf pönale Elemente, wobei der Begriff des Pönalen häufig weit verstanden wird, so dass jede Entschädigung, die den erlittenen Schaden übersteigt, als Privatstrafe gilt. Die Prävention als zukunftsgerichtete Verhaltenssteuerung wird davon nicht unterschieden. Daneben plädieren die Autoren für eine Anerkennung der Privatstrafe als punktuelle Ergänzung des Zivilrechts, insbesondere des Schadensersatzrechts.22 Der Ersatz immaterieller Schäden steht somit im Spannungsfeld zwischen Schadensausgleich, Prävention und Privatstrafe. Anders als beim Inkrafttreten des BGB beruht das nicht mehr auf der Ablehnung der Entschädigung inkommensurabler Schäden, sondern auf der Kritik am unzureichenden Schutz subjektiver Rechte durch das Privatrecht. Zudem wird die überkompensatorische Entschädigung bei den Nichtvermögensschäden auf die Vorgaben des Verfassungsrechts und des Europarechts gestützt. Die Funktion der Entschädigungsansprüche und ihre rechtliche Qualifikation hängt somit von mehreren 19 Z. B. Dreier, Kompensation und Prävention, 2002; Göbel, Geldentschädigung und Schmerzensgeld, 2004; Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 2001; Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 2000; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2005; Sailer, Prävention im Haftungsrecht, 2005; Schäfer, AcP 202 (2002), 397 ff.; Schlobach, Das Präventionsprinzip im Recht des Schadensersatzes, 2004; G. Wagner, AcP 206 (2006), 352 ff; ders., 66. DJT, Bd. I, A 1 ff.; s. auch Rosengarten, NJW 1996, 1935. 20 Anlass war die Entscheidung des BGH vom 4.6.1992 (BGHZ 118, 312, 334 ff.), in der der Gerichtshof die Vollstreckung eines US-amerikanischen Urteils über punitive damages ablehnte. 21 Bentert, Das pönale Element, 1996; Bohn, Der Sanktionsgedanke im Bürgerlichen Recht, 2005; Brockmeier, Punitive damages, 1999; Burst, Pönale Momente, 1994; Fritz, Punitive/exemplary damages, 2004; P. Müller, Punitive damages, 2000. Allgemeine Untersuchung zu pönalen Elementen im deutschen Zivilrecht: Ebert, Pönale Elemente, 2004; Fort, Strafelemente, 2001, der einen Gesetzgebungsvorschlag zur Ausdehnung strafender Elemente im Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz entwickelt; Horter, Strafgedanke, 2004; Klumpp, Privatstrafe, 2002; Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661 ff. (Strafzuschlag); Körner, NJW 2000, 241 ff.; s. auch Kern, AcP 191 (1991), 247 ff.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397 ff.; Stürner, FS Großfeld, S. 1201 ff.; so schon Großfeld, Privatstrafe, 1961. 22 Ebert, Pönale Elemente, S. 576; P. Müller, Punitive damages, S. 325 ff.; so bereits Großfeld, Privatstrafe, S. 125.

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Aspekten ab. Zunächst ist die Auslegung des Europarechts und des Verfassungsrechts als höherrangige Rechtsquellen maßgeblich. Darüber hinaus ist angesichts der Diskussion über eine Verbesserung des Rechtsschutzes durch Schadensersatz oder Privatstrafe zu erwägen, ob sich die Entschädigung immaterieller Einbußen auf die Wiedergutmachung erlittener Schäden beschränkt und ob darüber hinaus eine Ergänzung des Rechtsschutzes durch eine Privatstrafe erforderlich und zulässig ist. Die Entscheidung über die Funktion des Schadensersatzes hat unmittelbare Auswirkungen auf die Bemessung der Entschädigung. Insoweit bleibt zu konkretisieren, welche Kriterien für die Angemessenheit der Entschädigung maßgeblich sind. Insbesondere die Berücksichtigung des Verschuldens und der Vermögensverhältnisse des Schädigers sowie seine Haftpflichtversicherung hängen von der Funktion des Anspruchs ab. Schließlich darf nicht außer Acht bleiben, dass sich die Entwicklung des Schadensersatzrechts nicht allein im nationalen Recht vollzieht. Bereits in der Vergangenheit wurde der Ersatz immaterieller Einbußen bei Benachteiligungen durch das Unionsrecht geprägt. Zudem erfasst die internationale Rechtsvereinheitlichung und die Europäisierung des Rechts im Besonderen das Schadensersatzrecht. 2009 legten acht internationale Forschergruppen einen akademischen Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens für das Privatrecht vor, der die vertragliche und deliktische Haftung auf Schadensersatz einschließt. Die Europäisierung des Schadensersatzrechts ist ein Prozess, auf den die gemeinsamen Prinzipien, die sich aus dem Vergleich der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und dem Europarecht ergeben, einwirken. Umgekehrt wird die europäische Rechtsvereinheitlichung Wirkung auf die Mitgliedstaaten entfalten, sei es, dass das Europarecht auf die dort entwickelten Begriffe und Konzeptionen Bezug nimmt, sei es, dass der nationale Gesetzgeber sich daran orientiert. Die Entwicklung eines Begriffs des immateriellen Schadens, die rechtliche Qualifikation der Entschädigungsansprüche, die Bestimmung ihrer Funktion und die Bemessung der Entschädigung sind daher vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsentwicklung zu betrachten. Die einzelnen Elemente, die bei der Europäisierung mitwirken, müssen in die vorliegende Arbeit einfließen. Das gilt für die Rechtsvergleichung, die bereits in der Vergangenheit Anstoß für die Reform des nationalen Schadensersatzrechts war, die bestehenden verbindlichen und unverbindlichen Rechtsvereinheitlichungen sowie das Europarecht. Auch die Vorgaben der EMRK, die nach Art. 6 Abs. 2 EUV Teil des Unionsprimärrechts ist und zudem die Vertragsstaaten bindet, sind einzubeziehen. Die Vorschläge zur Europäisierung des Schadensersatzrechts und die heterogene Entwicklung des nationalen Rechts müssen schließlich Anlass sein, um die Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden auszuloten und ein Regelungskonzept vorzuschlagen, das für eine Weiterentwicklung angesichts der sich wandelnden rechtlichen Rahmenbedingungen

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sowie der sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse eine geeignete Grundlage ist. Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit ist im ersten Teil eine Bestandsaufnahme des nationalen Rechts, die auf den Begriff des ideellen Schadens, seine Ersatzfähigkeit, die Funktion des Entschädigungsanspruchs und die Bemessung der Entschädigung eingeht. Dabei wird stets die gesamte Bandbreite immaterieller Schäden in den Blick genommen, um der separaten Entwicklung einzelner Teilbereiche entgegenzuwirken, solange dafür keine tragfähigen dogmatischen Gründe bestehen. Das ist zugleich die Grundlage eines konsistenten und kohärenten Konzepts für den Ausgleich immaterieller Schäden im Privatrecht. Im zweiten Teil werden die gleichen Aspekte – Begriff und Ersatzfähigkeit ideeller Schäden, Funktion des Entschädigungsanspruchs und Bemessung der Entschädigung – im Rahmen der Rechtsvergleichung, der bestehenden Rechtsvereinheitlichung und des Europarechts untersucht. Die Rechtsvergleichung fungiert dabei nicht nur als Spiegel für das nationale Recht, sondern auch als Maßstab für die Beurteilung der Europäisierung des Schadensersatzrechts. Das gilt in gleicher Weise für die Vorschläge zur Rechtsvereinheitlichung, die Vorgaben der EMRK und des Europarechts. Abschließend sind die Vorschläge für die Europäisierung des Schadensersatzrechts vorzustellen und aufzuzeigen, inwieweit der Entwurf hinsichtlich der Nichtvermögensschäden der Überarbeitung bedarf. Zugleich ist auszuloten, inwieweit der Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens richtungsweisend für das nationale Recht sein kann. Auf dieser Grundlage wird im dritten Teil der Arbeit der Begriff des immateriellen Schadens neu gefasst. Seine Beschreibung muss alle ideellen Schäden erfassen, die infolge der sukzessiven Erweiterung des Schadensersatzes ersatzfähig sind, und zugleich leistungsfähig genug sein, um zukünftige Entwicklungen aufzunehmen. Daneben ist die Entschädigung eines inkommensurablen Schadens zu begründen, um den Zweck des Schadensersatzes in Geld adäquater zu beschreiben. Der Verweis auf den Schadensausgleich gibt den Zweck der Entschädigung in Geld nicht präzise wieder. Anhand der Funktionsbeschreibung ist schließlich die Bemessung der Entschädigung zu korrigieren. Abschließend ist darauf einzugehen, ob und in welchen Bereichen die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden der Erweiterung bedarf und durch welche Regelungen das bestehende Schadensersatzrecht zu ergänzen ist. Abschließend wendet sich der vierte Teil der Frage zu, wie die Entschädigungsansprüche für Nichtvermögensschäden rechtlich zu qualifizieren sind und ob ihnen, über den Ausgleich der erlittener Schäden hinaus, eine Strafoder Präventionsfunktion zukommt. Darin spiegelt sich die Diskussion über die Anerkennung und Einführung von Privatstrafen zur Verhaltenssteuerung und Verbesserung des Rechtsschutzes im Privatrecht wieder. Dabei ist an der begrifflichen Unterscheidung und Unterscheidbarkeit zwischen Schadenser-

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satz, Prävention und Privatstrafe anzuknüpfen und zugleich die Abgrenzung zum sowie die Wechselwirkungen mit dem Strafrecht aufzuzeigen. Erst daraus ergibt sich ein vollständiges und differenziertes Bild des bestehenden Rechtsschutzes und seiner Zielsetzungen. Einem überkompensatorischen Schadensersatz mit dem Ziel des Rechts- bzw. Rechtsgüterschutzes kann nur das Wort geredet werden, wenn seine Einordnung klar ist, zumal für eine Kriminalstrafe besondere verfassungsrechtliche Anforderungen bestehen. Über die Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs kann schließlich nur entschieden werden, wenn die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts gewürdigt und ihre Auswirkungen auf die Präventionsfunktion der Geldentschädigung wegen einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts untersucht wurden. Die Untersuchung beschränkt sich nicht darauf, über die Aufrechterhaltung der Präventionsfunktion zu entscheiden, sondern konkretisiert auch die Fallgruppen, wo neben die Ansprüche auf Ersatz des Vermögensschadens, Wertersatz oder Herausgabe des Verletzergewinns zusätzlich Entschädigungsansprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts treten. Darüber hinaus ist zu würdigen, inwieweit das Schadensersatzrecht durch den Präventionsgedanken geprägt ist und ob sich präventive und pönale Elemente in die Entschädigung der Nichtvermögensschäden integrieren lassen und der Beachtung bedürfen. Darüber hinaus ist zu erwägen, ob und inwieweit neben der Wiedergutmachung immaterieller Schäden eine Verbesserung des Rechtsschutzes geboten ist. Insbesondere bei lukrativen Rechtsverletzungen bleibt der Entschädigungsanspruch gegebenenfalls hinter dem Gewinn zurück, den der Schädiger mit der Rechtsverletzung erzielt, so dass das Schadensersatzrecht den Schutz des subjektiven Rechts nur unvollkommen verwirklicht.

Teil 1

Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme § 1 Der Ersatz immaterieller Schäden im geltenden Recht – Terminologie, Begriff und normative Vorgaben A. Zur Terminologie und ihren Unstimmigkeiten I. Einordnung in die Begriffszusammenhänge des Schadensersatzrechts Das BGB legt einen umfassenden Schadensbegriff zugrunde, der materielle und immaterielle Einbußen gleichermaßen erfasst. Es greift auf den Schadensbegriff zurück, der sich als allgemeiner Begriff insbesondere im 19. Jahrhundert entwickelte1, und überwand zugleich die pandektenrechtliche Vorstellung, dass ein Schaden stets Vermögensschaden sei2.3 Hinsichtlich der Naturalrestitution differenziert § 249 BGB daher nicht zwischen materiellen und ideellen Schäden. Die Unterscheidung zwischen beiden Schadensarten erfolgt erst im Rahmen der Kompensation von Schäden in Geld, die § 253 Abs. 1 BGB für Nichtvermögensschäden grundsätzlich ausschließt. Der Begriff des Nichtvermögensschadens fungiert insoweit als Negation zu einem ökonomisch bewertbaren Schaden. Daneben hat sich die Bezeichnung immaterieller4 oder ideeller Schaden etabliert.5 Der Ausgleich immaterieller Schäden wird häufig mit dem Begriff der Entschädigung gleichgesetzt und somit auf den Ersatz durch Geld be-

1 Vgl. z. B. Baron, Pandekten (1887), S. 129 f., 412 ff. (§ 71, 243); Cohnfeldt, Interesse, S. 56 ff., 60 ff., 72; Dernburg, Pandekten, Bd. II, S. 122 ff. (§ 44); Wening-Ingenheim jun., Lehre vom Schadensersatze, S. 1 ff., 23 f., 274 f.; Windscheid, Lehrbuch, Bd. II, S. 25 ff. (§§ 257, 258); dazu Jansen, HKK-BGB, §§ 240–253, 255 Rn. 31, der auch auf den Entwicklungszusammenhang zu Naturrecht und Humanismus verweist. 2 Arndts v. Arnesberg, Pandekten, S. 341 (§ 202); Dernburg, Lehrbuch, Bd. II, S. 48 f. (§ 21); Mommsen, Zur Lehre vom Interesse, S. 3, 5, 122, 133; Puchta, Pandekten, S. 343 f.; Savigny, Obligationenrecht, Bd. I, S. 9; Schweppe, Das Römische Privatrecht, Bd. II, S. 1 (§ 369); a. A. v. Jhering, JhJb. 18 (1880), 1, 41 ff., 49 f.; Kohler, Patentrecht, S. 651 f.; Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 3 (§ 251 Fn. 3). 3 Prot. II, S. 597; zur historischen Entwicklung Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 38. 4 Krit. Reinecke, Schaden, S. 84 f. (auch Schmerzen seien physiologisch und somit organisch). 5 Prot. II, S. 298; zur Begriffsgeschichte Walter, Schmerzensgeld, S. 51.

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schränkt.6 Auch bei Nichtvermögensschäden ist indes im Einzelfall eine (teilweise) Naturalrestitution möglich.7 Zudem ist der Begriff der Entschädigung nicht auf die Kompensation ideeller Schäden bezogen. „Jemanden entschädigen“ steht nach dem Wortsinn für „den Schaden vergüten“, „jemanden schadlos halten“, „jemandem Nachteile ausgleichen“ und erfasst somit die Wiedergutmachung unabhängig von der Schadensart.8 Zudem spricht das BGB nicht nur in den §§ 253 Abs. 1, 2, 651f Abs. 2 BGB und den §§ 847, 1300 BGB a. F., die sich ausschließlich auf immaterielle Schäden beziehen, von einer Entschädigung. Auch § 251 Abs. 1, 2 BGB sowie die §§ 546a, 584b S. 1, 597, 642 Abs. 1, 2, 651e Abs. 3 S. 2, 951 Abs. 1 BGB verwenden diese Terminologie.9 Entschädigung in Geld ist die Form des Schadensersatzes, wenn keine Naturalrestitution, sondern eine Kompensation erfolgt. In Teilbereichen des Ausgleichs immaterieller Schäden – im Antidiskriminierungsrecht und beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht – wird der Entschädigungsanspruch allerdings exklusiv auf die Entschädigung ideeller Schäden in Geld bezogen. Das beruht für das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf der Annahme, dass es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH um einen Anspruch eigener Art handle, der außerhalb des allgemeinen Schadensersatzrechts stehe, da er sich aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 2 GG ableite.10 Zudem wird dem Entschädigungsanspruch eine eigenständige Präventionsfunktion beigemessen.11 Die Sonderstellung des Entschädigungsanspruchs aus § 611a BGB a. F. wurde darauf zurückgeführt, dass es sich um eine pauschale Abgeltung der erlittenen Einbuße handle und nicht um einen reinen Schadensausgleich.12 Zudem galt der An6

Ady, Ersatzansprüche, S. 91; Deutler, Schmerzensgeld, S. 93; ähnlich Diederichsen, VersR 2005, 433; Ebert, Pönale Elemente, S. 451 f.; Pfarr, RdA 1995, 204, 209; s. auch Göbel, Geldentschädigung, S. 2, 9, 18, die den Begriff der Geldentschädigung auf den Ausgleich von immateriellen Schäden bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beschränkt, weil es sich nach der Rechtsprechung des BGH um einen Anspruch eigener Art handle. Nachdem sie sich dafür ausspricht, den Entschädigungsanspruch auch bei Persönlichkeitsverletzungen aus § 847 BGB a. F. abzuleiten, rückt sie davon wieder ab. 7 Siehe § 1.B., S. 15 ff. 8 Dt. Rechtswörterbuch, Bd. II, S. 1590 f.; Grimms Wörterbuch, Bd. III, S. 594; Grimms Wörterbuch, Bd. VIII, S. 1470; Köbler, Rechtswörterbuch, S. 107; Wahrig, Wörterbuch, S. 419. 9 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 128; Treber, NZA 1998, 856, 858. 10 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15: „Bei der Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts […] nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB [handelt], sondern um einen Rechtsbehelf, der auf dem Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht.“. 11 Siehe unten § 3.F.III., S. 200 ff. 12 Annuß, NZA 1999, 738, 741; Buchner, MünchArbR, Bd. I, 2. Aufl. 2000, § 40 Rn. 203; ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 37; Möller, Präventionsprinzip, S. 217; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 128; Staudinger/Richardi/Annuß, BGB, 1999, § 611a Rn. 86, die im Ergebnis bei der Gesamtentschädigung zwischen dem materiellen und immateriellen Anteil sowie der Sanktion unterscheiden wollen; zur rechtlichen Qualifikation des Anspruchs s. § 16.C.IV.1., S. 701 ff.

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spruch für einen Teil der Literatur als Privatstrafe oder als Schadensausgleich mit selbständiger Präventionsfunktion, um von zukünftigen Rechtsverletzungen abzuschrecken.13 Insofern ist der Begriff „Entschädigungsanspruch“ gegenwärtig doppelt mit Inhalt belegt. Im allgemeinen Schadensersatzrecht umfasst er die Kompensation des Schadens in Geld, und in einzelnen Teilbereichen des Ausgleichs ideeller Schäden bezeichnet er nur diesen speziellen Anspruch, der nicht Teil des Schadensersatzrechts, sondern ein Anspruch sui generis sei. Das ist der begrifflichen Klarheit abträglich, zumal das Gesetz den Begriff der Entschädigung in die Terminologie des Schadensersatzrechts integriert hat. Hierauf sollte er sich ausschließlich beziehen. II. „Schmerzensgeld“ – so gebräuchlich wie unpassend Der Begriff des Schmerzensgeldes ist in Rechtspraxis und Rechtswissenschaft geläufig, auch wenn das BGB ihn nicht verwendet. Seine Entwicklung geht auf die Bußen des germanischen und fränkischen Rechts im 14. und 15. Jahrhundert zurück, für deren Umfang die erlittenen Schmerzen maßgeblich waren.14 Dieser Ausgleich für erlittene Schmerzen fand Eingang in die Constitutio Criminalis Carolina von 1532, deren Art. 20 und 21 für zwei Fälle unzulässiger Folter die Entschädigung von Schmerzen vorsahen. Zudem lebte das Schmerzensgeld trotz des Rückgangs des Bußwesens in den Körperverletzungsbußen des Sachsenspiegels weiter. Daneben bestand die sog. Sachsenbuße (Emenda Saxonia) für Freiheitsentziehungen (Sachsenspiegel, Landrecht 2. Buch Art. 34 § 1, 3. Buch Art. 45), so dass ideelle Schäden auch unabhängig von den erlittenen Schmerzen ersetzt wurden. Mit der Rezeption des römischen Rechts beschränkte sich der Schadensersatz nach dem Pandektenrecht zunächst auf Vermögensschäden, in der Zeit des Usus Modernus Pandectarum sprach sich jedoch die gemeinrechtliche Literatur für einen Ausgleich immaterieller Schäden aus.15 Zudem war das Schmerzensgeld im Rechtsbewusstsein der Bevölkerung verwurzelt, so dass es mit dem wachsenden Bewusstsein für die deutschrechtlichen Traditionen seinen Weg zurück in die Rechtsdogmatik fand.16 Insbesondere im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 lebte das Schmerzensgeld wieder auf, das aber Personen aus dem Bauern- oder Bürgerstand nur für die erlittenen 13

Annuß, NZA 1999, 738, 741; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 128. Ebert, Pönale Elemente, S. 17; Hofstetter, Geschichte, S. 8 ff.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 45 f.; Schumann, HRG, Bd. I, Buße, S. 794; Walter, Schmerzensgeld, S. 76 ff.; Wieling, Interesse, S. 136 ff. 15 Struve, Jurisprudentia Romano-Germanica Forensis, lib. III tit. XXIII, § 20; Stryk, Specimen Usus Moderni Pandectarum, lib. IX, tit. II § 10; dazu Ebert, Pönale Elemente, S. 83 ff.; Kaufmann, Rezeption, S. 30 ff.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 120; v. Waechter, Buße, S. 80 ff.; Walter, Schmerzensgeld, S. 102 ff. 16 Stryk, Specimen Usus Moderni Pandectarum, lib. IX, tit. II § 10; dazu Ebert, Pönale Elemente, S. 83 ff.; Hofstetter, Geschichte, S. 22 ff.; Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 30. 14

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Schmerzen infolge von Körper- und Gesundheitsverletzungen einen Anspruch auf billiges Schmerzensgeld gewährte (ALR I 6 § 112). Auch das Sächsische BGB von 1863 regelte ein Schmerzensgeld (§ 1489). Darüber hinaus erfolgte durch das Verunstaltungsgeld (§ 1490) und die Entschädigung für Freiheitsberaubungen (§ 1497) ein Ausgleich weiterer ideeller Schäden, der nicht als Schmerzensgeld bezeichnet wurde. Begrifflich blieb das Schmerzensgeld auf die Entschädigung von Schmerzen infolge von Körper- oder Gesundheitsverletzungen beschränkt. Mit den Entwürfen zum BGB17 verschwindet der Begriff des Schmerzensgeldes aus der Gesetzessprache.18 Das beruht auf der Erweiterung des Begriffs der Obligation während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts19, den die historische Rechtsschule zunächst auf die Vermögensgegenstände beschränkt hatte20. Neben den materiellen konnten nun auch immaterielle Schäden Gegenstand einer Obligation sein.21 Infolgedessen legt das BGB einen umfassenden Schadensbegriff zugrunde und differenziert zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden. Der Begriff des Schmerzensgeldes wurde fallengelassen, da nicht nur das Erdulden körperlicher Schmerzen in Geld auszugleichen sei.22 Die Entschädigung solcher Schmerzen ist nur ein Teilaspekt des Ausgleichs immaterieller Schäden.23 Zudem ist die Verwendung des Begriffs Schmerzensgeld angesichts seines begrenzten Wortsinns nur sinnvoll, wenn der Terminus den Anforderungen an die Rechtssprache genügt. Er muss eine hinreichende Unterscheidungskraft besitzen und darf nicht zu falschen Implikationen führen. Sofern der Begriff des Schmerzensgeldes auf die Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB bezogen wird, gibt der Begriff einerseits nicht ausreichend wieder, dass die Entschädi17 Art. 1009 des Dresdener Entwurfs eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866 enthält den Terminus Schmerzensgeld zwar, überlässt dessen Regelung aber den Landesgesetzen. 18 Vgl. E I § 221, § 728; E II § 221, § 770 sowie §§ 253, 847 BGB a. F. Anders im österreichischen ABGB, das in § 1325 bei Körperverletzungen ein Schmerzensgeld einräumt. 19 Jhering, JhJb. 18 (1880), 1, 41 ff., 49 f.; Windscheid, Pandektenrecht, 1868, S. 3 (§ 251 Fn. 3); a. A. Arndts v. Arnesberg, Pandekten, S. 341 (§ 202); Dernburg, Lehrbuch, S. 48 f. (§ 21); Neuner, Wesen, S. 64 ff., die am Vermögenswert der Obligation festhalten, eine Obligation aber auch annehmen, wenn die Leistung, die dem Gläubiger einen persönlichen Vorteil verschaffen soll, sich regelmäßig mit Geld beschaffen lässt, so dass das Interesse bei Nichterfüllung in Geld berechenbar ist; dazu Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 14 ff. 20 Jhering, JhJb. 18 (1880), 1, 34 ff.; Mommsen, Zur Lehre vom Interesse, S. 122; Puchta, Pandekten, S. 343 f.; Savigny, Obligationenrecht, Bd. I, S. 9; Schweppe, Das Römische Privatrecht, Bd. II, S. 1 (§ 369); dazu Ebert, Pönale Elemente, S. 193; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 47; Stoll, 45. DJT, Bd. I, S. 54. 21 Mot. II, S. 3, 21; dazu Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 121 f. 22 Mot. II, S. 801. 23 Deutsch, JuS 1969, 197, 198; Schmid, Schmerzensgeld, S. 80; G. Wagner, JZ 2004, 319, 322 f.; a. A. Eickhoff, Bemessung, S. 1 f., das Schmerzensgeld erfasse nicht nur die Zubilligung einer Vergütung für körperliche Schmerzen.

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gung nach dieser Regelung von der Verletzung eines der aufgezählten Rechtsgüter abhängt. Damit besteht die Gefahr, dass bei der Rechtsanwendung über die Beschränkung des § 253 Abs. 2 BGB hinweggegangen wird.24 Andererseits hat der Bezug auf die Schmerzen zur Folge, dass der Begriff die Erweiterung der Entschädigung auf die Nichtvermögensschäden nicht ausreichend abbildet. Der Ausgleich immaterieller Schäden beschränkt sich nicht mehr auf die Folgen von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen, sondern bezieht sich auch auf Verletzungen der Freiheit und sexuellen Selbstbestimmung (§ 253 Abs. 2 BGB). Daneben wird bei den Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder sogar unabhängig von der Verletzung eines absoluten Rechtsguts eine Entschädigung gewährt (z. B. §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, § 651f Abs. 2 BGB). Diese Erweiterung findet keinen sprachlichen Ausdruck, wenn am Begriff des Schmerzensgeldes festgehalten wird. Er verleitet zu dem Fehlschluss, dass sich der Nichtvermögensschaden auf die Einbußen in Form von Schmerzen beschränkt.25 Das hat zugleich zur Folge, dass die positive Beschreibung des ideellen Schadens an das Vorliegen negativer Empfindungen anknüpft, so dass es auf die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Geschädigten ankommen müsste. Die Einbußen an Entfaltungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten – unabhängig von den Gefühlsregungen des Geschädigten – blieben unbeachtet. Daher ist der Begriff des Schmerzensgeldes unzureichend, so dass treffender vom Ausgleich immaterieller Schäden in Geld bzw. von der Entschädigung immaterieller Einbußen zu sprechen ist, wenn es um die Kompensation dieser Schäden durch Geld geht. Das entspricht der gesetzlichen Terminologie und erleichtert es, den Begriff des Nichtvermögensschadens nicht auf die negative Gefühlsbilanz zu beschränken.

B. Die normativen Vorgaben für den Ersatz immaterieller Schäden I. Überblick über den Ersatz immaterieller Schäden und seine Entwicklung Die Nichtvermögensschäden wurden erst spät in den Schadensbegriff des bürgerlichen Rechts einbezogen, und ihr Ausgleich war im BGB zunächst nur in engen Grenzen vorgesehen.26 Das BGB differenziert bei der Naturalrestitution zwar nicht zwischen materiellen und ideellen Schäden, die Kompensation in Geld beschränkt sich indes grundsätzlich auf Vermögensschäden und erstreckt sich auf Nichtvermögensschäden nur, soweit eine gesetzliche Regelung besteht (§ 253 Abs. 1 BGB). Diese Beschränkung beruhte beim Inkrafttreten 24

Münzel, NJW 1960, 2025, 2025; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 4. G. Müller, VersR 1993, 909, 910; Münzel, NJW 1960, 2025, 2025. 26 Zum Vorbehalt des Gesetzgebers gegen den Ersatz ideeller Schäden Mot. II, S. 22; zur Einbeziehung der immateriellen Schäden in den Begriff der Obligation s. § 1.A.I., S. 11; zur Entwicklung Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 38. 25

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des BGB auf ethischen Vorbehalten gegen den Ausgleich immaterieller Einbußen in Geld, die heute als überholt gelten.27 Zudem bestand Skepsis gegenüber dem weiten Beurteilungsspielraum des Richters bei der Bemessung der Entschädigung für ideelle Schäden, die aufgrund ihrer Natur inkommensurabel sind.28 Damit verband sich die Sorge, dass unter dem Deckmantel der Entschädigung Privatstrafen verhängt würden und die strikte Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte29, unterwandert würde.30 Negativ bewertet wurde zudem, dass die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden einen Anreiz zur Klageerhebung gebe.31 Eine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB regelten zunächst vor allem § 847 BGB a. F. und § 1300 BGB a. F. § 847 BGB a. F. ist eine Kompilation aller Regelungen, die vor dem Inkrafttreten des BGB einen Ausgleich ideeller Schäden gewährte.32 Insbesondere das sog. Schmerzensgeld war bereits im 19. Jahrhundert in allen deutschen Staaten bekannt, so dass Konsens über die Entschädigung der Folgen von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen bestand.33 Zudem konnte der Strafrichter nach § 231 StGB a. F.34 bei Körperverletzungen neben der Strafe eine Buße verhängen35. Daher sollte der Zivilrichter ebenfalls eine Entschädigung für immaterielle Schäden gewähren können.36 Auch die Buße für Freiheitsberaubung war bereits im gemeinen Recht bekannt.37 § 847 BGB a. F. machte die Entschädigung ideeller Schäden daher ebenfalls von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängig und beschränkte sie auf die Folgen der Verletzung von Körper, Gesundheit und Freiheit sowie die Geschlechtsehre der Frau. Angesichts der Beschränkung auf die Verletzung bestimmter Rechtsgüter war alsbald streitig, inwieweit immaterielle Folgeschäden aus einer solchen 27

Prot. I, S. 622; dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 425 f. Mot. II, S. 22; dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 426. 29 Binding, Normen, S. 166 ff., 213; Rotering, ArchBürgR 33 (1909), 45, 46; so bereits Thon, Rechtsnorm, S. 61 f.; ferner Deutsch, FS Wahl, S. 339 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 158 f.; Hirsch, FS Engisch, S. 306, 313 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 12 f.; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 423; Mertens, Vermögensschaden, S. 97 f.; s. auch Seng, ArchBürgR 5 (1891), 336, 362 ff.; a. A. Merkel, Grundeintheilung, 1867, S. 57 ff.; dazu Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 34 ff.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 59. 30 Mot. II, S. 22; dagegen Gierke, Entwurf, S. 197 („Je mehr die Privatstrafe aus dem geltenden Recht verschwindet, desto unentbehrlicher ist die Berücksichtigung des immateriellen Schadens bei der Ordnung der Schadensersatzpflicht.“). 31 Kaufmann, AcP 162 (1963), 421, 439; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 426 f. 32 Mot. II, S. 22, 799 f. 33 Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 14 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 193; Göthel, AcP 205 (2005), 36, 38 ff., 49 f.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 47 ff.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 54 ff. 34 RGBl. Nr. 24 v. 14.6.1871, Nr. 651. 35 Zum Rechtscharakter der Buße s. § 16.B.II.2., S. 681 f. 36 Mot. II, S. 22, 800. 37 Darauf verweisend Mot. II, S. 800. 28

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Rechtsgutsverletzung zu entschädigen sind. Eine großzügige Zurechnung erweiterte indirekt die Entschädigung ideeller Schäden und lockerte die Bindung an die Rechtsgutsverletzung. Rechtsprechung und Schrifttum stimmen darin überein, dass auch Gefühlsschäden, die als Folgeschäden der Rechtsgutsverletzung eintreten, von § 253 Abs. 2 BGB erfasst sind.38 Insbesondere die Todesangst des Verletzten und die durch den Prozess verursachte Aufregung sowie seelische Belastung bei verzögerter Schadensregulierung39 sind daher ersatzfähige Nichtvermögensschäden.40 Allerdings sind die Gerichte bei der Zurechnung psychischer Folgeschäden häufig restriktiv und verhindern auf diese Weise, dass Schadensersatzbeträge erheblich steigen.41 Vereinzelt wird sogar gefordert, grundsätzlich nur solche immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes resultieren.42 Ideelle Folgeschäden seien nur ersatzfähig, wenn sie auf einer Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB (§ 847 BGB a. F.) beruhen (z. B. Entstehen eines Nervenleidens infolge einer Beleidigung).43 Sofern die Belastung nicht die Qualität einer Gesundheitsbeeinträchtigung erreiche, sei sie nicht zu entschädigen. Insofern gelte nichts anderes als bei der Verletzung eines Vermögensgutes, bei dem das beeinträchtigte Affektionsinteresse ebenfalls nicht auszugleichen ist, sofern keine Gesundheitsbeschädigung eintritt.44 Diese Herangehensweise stellt die Gleichbehandlung beim Ersatz der Schäden aus den unterschiedlichen Rechtsgutsverletzungen sicher. Allerdings erlaubt die Zurechnung die Einbeziehung der psychischen Folgebelastungen, die bei der Beeinträchtigung personenbezogener Rechtsgüter häufig intensiver sind als bei der Verletzung von Vermögensgütern.45 Eine Ausdehnung der Zurechnung führt zur Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden, für die 38 H. M., RG 14.4.1908 JW 1908, 405; 19.6.1908 JW 1908, 526 f.; BGH 30.4.1996 Z 132, 341, 343 ff.; 25.2.1997 NJW 1997, 1640, 1641; 11.11.1997 Z 137, 142, 145 ff.; 16.11.1999 NJW 2000, 862, 863; H. A. Fischer, Schaden, S. 297 f.; Warneyer, Kommentar, § 847 Rn. 1; a. A. v. Liszt, Deliktsobligationen, S. 65 f.; Oertmann, Schuldverhältnisse, § 847 Anm. 3. 39 Zur Differenzierung zwischen der verzögerten Schadensregulierung durch den Schädiger oder die Versicherung, der das Verhalten der Versicherung nicht dem Schädiger zurechenbar ist, s. unten § 4.C.VII., S. 255 ff. 40 Z. B. RG 14.4.1908 JW 1908, 405; 19.6.1908 JW 1908, 526 f.; weitere Nachweise bei Staudinger/Kober, BGB, 9. Aufl. 1929, § 847 Anm. 2. 41 RG 26.4.1937 Z 155, 37, 41 f.; BGH 19.12.1969 VersR 1970, 281, 282 f.; KG 15.3.2004 VersR 2005, 372, 373 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 32; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, vor § 249 Rn. 40; s. auch BGH 30.4.1996 Z 132, 341, 343 ff.; 25.2.1997 NJW 1997, 1640, 1641; 11.11.1997 Z 137, 142, 145 ff.; 16.11.1999 NJW 2000, 862, 863; Brandt, VersR 2005, 616; zur Zurechnung psychischer Folgeschäden s. auch Bischoff, zfs 2008, 122, 125 f.; Burmann/Heß, zfs 2004, 348 f. 42 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 132 f. 43 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 133 f. 44 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 134. 45 Eine Ausnahme mögen Einbruchsdiebstähle in Wohnräume sein, die nicht nur das Eigentum, sondern auch den Lebensmittelpunkt des Geschädigten betreffen und somit das Gefühl der Sicherheit in der eigenen Wohnung angreifen, s. § 14.C.I.2.a., S. 640.

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es ansonsten einer gesetzlichen Regelung bedürfte. Darauf ist im Zusammenhang mit der Verletzung der einzelnen Rechtsgüter einzugehen und zu prüfen, inwieweit die Zurechnung eine Erweiterung des Schadensausgleichs de lege lata ermöglicht. Reine Gefühlsschäden, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung eintreten, waren bei Inkrafttreten des BGB grundsätzlich nicht ersatzfähig, da sie als schwer oder nicht nachprüfbar galten.46 Zudem sei die Bemessung der Entschädigung vollkommen arbiträr, da sie sich nicht einmal am Ausmaß der Rechtsgutsverletzung ausrichten könne.47 Nur § 1300 BGB a. F. gewährte Frauen im Fall des Verlöbnis- und Ehebruchs einen Entschädigungsanspruch.48 Die Norm wurde zum 1.7.1998 als rechtspolitisch überholt gestrichen, da die Geschädigte einen hinreichenden Entschädigungsanspruch gemäß §§ 825, 847 Abs. 2 BGB a. F. und wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts habe.49 Die ursprüngliche Funktion des § 1300 BGB a. F., die finanzielle Versorgung der Frau wegen der geminderten Heiratsaussichten sicherzustellen, ist mit den gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen entfallen. Darüber hinaus beschränkt sich der Entschädigungsanspruch aus § 847 BGB a. F. auf die Fälle der deliktischen Verschuldenshaftung, der Billigkeitshaftung nach § 829 BGB und der Gefährdungshaftung nach § 833 BGB. Die Gesetze zur Gefährdungshaftung enthielten bis zur Reform des Schadensersatzrechts 2002 mit Ausnahme von § 53 Abs. 3 LuftVG a. F. keine vergleichbare Regelung. Darüber hinaus sahen nur noch § 97 Abs. 2 UrhG a. F. und § 8 Abs. 2 BDSG sowie die §§ 9, 10 KSchG und § 113 BetrVG50 eine Entschädigung immaterieller Einbußen vor. Auch die vertragliche Haftung beschränkte sich auf Vermögensschäden. Der Gesetzgeber verwies die Vertragsparteien darauf, eine Vertragsstrafe51 zu vereinbaren, um die Entschädigung ideeller Schäden sicherzustellen.52

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Mot. II, S. 22. Vgl. Mot. II, S. 22; krit. Bötticher, MDR 1963, 355; Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 125 ff., 229 ff.; Diedrich, MDR 1994, 525, 527 f.; Hohloch, Gutachten, S. 375; Lieberwirth, DAR 1966, 179, 181; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 38, 148; ähnlich RG 13.12.1906 Z 65, 17, 21; s. auch Thüsing, VersR 2001, 285, 296 ff., der sich aber für die Einbeziehung der ideellen Schäden nur ausspricht, wenn das Nichtvermögensinteresse des Geschädigten Vertragsgegenstand war. 48 Im Grunde wurden die immateriellen wie die materiellen – aber schwer feststellbaren – Schäden entschädigt, die aus einem Ehe- oder Verlöbnisbruch für die Frau resultierten; vgl. Mugdan II, 447. 49 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/4898, S. 14 f.; F. W. Bosch, NJW 1998, 2004, 2008. 50 Zur Einbeziehung der ideellen Schäden BAG 29.2.1972 AP Nr. 9 zu § 72 BetrVG; APS/ Biebl, § 10 KSchG Rn. 28; ErfK/Kiel, § 10 KSchG Rn. 5, 7; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 59. 51 Der historische Gesetzgeber legte einen weiten Begriff der Vertragsstrafe zugrunde, der die Schadenspauschalierung und die Vertragsstrafe i. e. S. erfasst, die den Schuldner zur Erfül47

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Der eingeschränkte Ausgleich immaterieller Schäden erfuhr schrittweise eine Lockerung. Zunächst leitete der BGH einen subsidiären Entschädigungsanspruch für Schäden infolge einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ab.53 Der Gerichtshof qualifizierte den Entschädigungsanspruch zwar als Anspruch eigener Art54, er dient aber zumindest auch dem Ausgleich ideeller Schäden. Eine punktuelle Ausdehnung bewirkten im Reisevertragsrecht § 651f Abs. 2 BGB55 sowie im Arbeitsrecht § 611a BGB a. F., der in seiner zweiten Fassung von 1994 die Nichtvermögensschäden einbezog. Beide Bestimmungen erlaubten erstmals die Entschädigung ideeller Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung. Trotz der langanhaltenden Kritik56 erfuhr der Ausgleich immaterieller Schäden erst durch das Zweite Schadensersatzrechtsreformgesetz im Jahre 2002 eine Erweiterung und Neuausrichtung. Im Zuge der Reform wurde § 847 BGB a. F. neu gefasst und als Absatz 2 des § 253 BGB in das allgemeine Schadensersatzrecht integriert. Der Ausgleich immaterieller Schäden ist daher nicht mehr auf das Deliktsrecht beschränkt, sondern erfasst auch die vertrag-

52 lung seiner Leistungspflicht anhalten sollen. Eine Differenzierung erfolgt erst seit den 1960er Jahren, BGH 27.11.1974 Z 63, 256, 259; Beuthien, FS Larenz, 1973, S. 495 ff.; Bötticher, ZfA 1970, 3 ff.; Erman/Schaub, BGB, Vor § 339 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 376 f.; a. A. D. Fischer, Vertragsstrafe, S. 173 ff., 180 ff.; ähnlich Stoll, Haftungsfolgen, S. 223 f.; zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung Ebert, Pönale Elemente, S. 254 ff.; D. Fischer, Vertragsstrafe, S. 19 ff., 42 ff.; Knütel, Stipulatio poenae, S. 10, 55. 52 Mot. II, S. 22; Prot. II, S. 1574 f. 53 St. Rspr., BGH 25.5.1954 Z 13, 334, 337 ff. (Schachtbriefe); 26.11.1954 Z 15, 249, 257 f. (Cosima Wagner); 8.5.1956 Z 20, 345, 3512 f. (Paul Dahlke); 2.4.1957 Z 24, 72, 76 ff. (Krankenpapiere); 14.2.1958 Z 26, 349, 355 (Herrenreiter); 20.5.1958 Z 27, 284, 285 f. (Tonbandaufnahme I); 22.12.1959 Z 31, 308, 311 (Alte Herren); 19.9.1961 Z 35, 363, 367 f. (Ginsengwurzel); 5.3.1961 Z 39, 124, 130 ff. (Fernsehansagerin); 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.10.2004 Z 160, 298 (Caroline IV). 54 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); s. auch BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 232; Steffen, NJW 1997, 10; relativierend Soehring, NJW 1997, 360, 372. 55 Siehe § 1.C.I.2.b, S. 39 ff.; zum vertanen Urlaubs als Nichtvermögensschaden BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 397. 56 Zur Erweiterung auf die vertragliche Haftung Beschluss des 45. DJT, Bd. II, C 127; Stellungnahme des DAV, AnwBl. 1998, 329; Baschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 89 f., 252 f.; Hohloch, Gutachten, S. 375, 438; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 37 ff. Zur Erweiterung auf die Gefährdungshaftung Stellungnahme des Bundesrates v. 27.3.1998, BR-Drs. 265/98, S. 7 f.; Stellungnahme des Bundesrates v. 19.7.1998, BR-Drs. 554/98; Beschluss des 45. DJT, Bd. II, C 127; Empfehlung des Arbeitskreises III des 38. VGT 2000, http://www.deutsche-verkehrsakademie.de/images/stories/pdf/empfehlungen_38vgt.pdf, zuletzt am 10.10.2012; Empfehlung des Arbeitskreises IV des 33. VGT 1995, http://www.deutsche-verkehrsakademie.de/images/stories/pdf/33.%20vgt%201995.pdf, zuletzt am 10.10.2012; v. Caemmerer, Gefährdungshaftung, S. 22 f.; Hohloch, Gutachten, S. 375, 437; Schmid, Schmerzensgeld, S. 101 f.; Stoll, DAR 1968, 304 ff.

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liche Haftung57 sowie die Schadensersatzansprüche bei Geschäftsführung ohne Auftrag und familien- und erbrechtlichen Schuldverhältnissen.58 Diese Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden auf die vertragliche Haftung ist die konsequente Fortführung der vorangegangenen Entwicklung. Die vertraglichen Schutzpflichten bezwecken einen Rechtsgüterschutz in vergleichbarer Weise wie das Deliktsrecht. Die Haftung wegen einer Schutzpflichtverletzung aus culpa in contrahendo oder positiver Vertragsverletzung überwand gerade die engen Schranken des Deliktsrechts, die insbesondere aus § 831 BGB, der Beweislastverteilung und den Verjährungsvorschriften resultierten.59 Die Reform des Schadensersatzrechts hat aber nicht alle Bereiche erfasst, in denen die Vertragsparteien ein Interesse am Ausgleich immaterieller Schäden haben.60 § 253 Abs. 2 BGB beschränkt sich auf die Folgen bestimmter Rechtsgutsverletzungen, wohingegen bei Verträgen darüber hinaus ein Interesse an der Entschädigung bestehen kann, wie die Sonderregelung in § 651f Abs. 2 BGB zeigt.61 Die Reform des Schadensersatzrechts erweiterte auch die Gefährdungshaftung auf ideelle Schäden62, um insbesondere Schwerverletzten den Schadensausgleich zu erleichtern63 und zu ihrem Schutz langwierige Verfahren zu vermeiden64. Allerdings bleibt die Gefährdungshaftung durch Haftungshöchstbeträge begrenzt, so dass sich darüber hinausgehende Entschädigungen nur auf die deliktische Verschuldenshaftung stützen lassen.65 Trotz Erweiterung des Schadensersatzes hat die Reform die Entschädigung ideeller Einbußen nach 57 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14; v. Bar, Karlsruher Forum 2003, S. 7, 10, 19; G. Müller, PHi 2001, 119, 120; Schernitzky, Immaterieller Schadensersatz, S. 16; Thüsing, VersR 2001, 285 ff.; zur Einordnung als Rechtsfolgenbestimmung Diederichsen, VersR 2005, 433, 435. 58 BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 9 f.; Däubler, JuS 2002, 625, 626; Deutsch, ZRP 2001, 351, 352; Diederichsen, VersR 2005, 433, 435 f., 437; Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 14; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 433 f.; Looschelders, Schuldrecht, Rn. 969; Oetker, MünchKommBGB, § 253 Rn. 18; Schernitzky, Schadensersatz, S. 49 f. 59 Z. B. G. Wagner, JZ 2004, 319, 328. 60 Thüsing, VersR 2001, 285, 296; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2055. 61 Zur vertraglichen Haftung für ideelle Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung s. § 2.C., S. 107 ff. 62 § 11 S. 2 StVG, § 6 S. 2 HPflG, § 36 S. 2 LuftVG, § 87 S. 2 AMG, § 32 Abs. 5 S. 2 GenTG, § 8 S. 2 ProdHG, § 13 S. 2 UmweltHG, § 29 Abs. 2 AtomG, s. auch die auf § 253 Abs. 2 BGB Bezug nehmenden Regelungen in § 12 Abs. 2 S. 1 PflVG, § 25d Abs. 4 BVG, § 77 Abs. 2 BSHG a. F., § 83 Abs. 2 SGB XII, § 52 Abs. 2 BGSG sowie § 30 des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden. 63 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 11, 14, 24; Bollweg, zfs 2002, Sonderheft, S. 1, 2; Cahn, Schadensersatzrecht, S. 89. 64 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14, 15; Karczewski, VersR 2001, 1070, 1071; dafür bereits vor der Reform Kötz, AcP 170 (1970), 1, 36; ders., VersR 1982, 624; s. auch Kadner Graziano, ZVglRWiss 107(2008), 113, 133. 65 Cahn, Schadensersatzrecht, S. 91; Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; vgl. G. Müller, VersR 2003, 1, 4.

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§ 253 Abs. 2 BGB nicht von deren Bindung an bestimmte Rechtsgutsverletzungen gelöst. Auch der Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts blieb ungeregelt. Zumindest anerkannte der Gesetzgeber indirekt die Rechtsprechungsentwicklung, indem er sich für deren Fortsetzung aussprach.66 Die Kompensation reiner Gefühlsschäden, die unabhängig von den aufgezählten Rechtsgutsverletzungen eintreten, bleibt im Grundsatz ausgeschlossen. Die Zahl der punktuellen Ausnahmen hat sich jedoch erhöht. Neben § 651f Abs. 2 BGB und den §§ 9, 10 KSchG, § 113 BetrVG bestehen Entschädigungsansprüche wegen ungerechtfertigter Benachteiligung (§§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG)67, die auf den Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/ 113/EG und 2006/54/EG beruhen68. Im Gegensatz zu § 611a BGB a. F. ist dieser Entschädigungsanspruch nicht auf Arbeitnehmer beschränkt, sondern steht auch arbeitnehmerähnlichen Personen zu. Zudem erfasst § 21 Abs. 2 S. 3 AGG immaterielle Schäden wegen der ungerechtfertigten Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr. Darüber hinaus enthalten die Verordnungen zur Verbesserung der Fluggastrechte (Verordnung [EG] Nr. 261/2004) sowie der Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr (Verordnung [EG] Nr. 1371/2007) eigene Ausgleichsansprüche, die auch die immateriellen Einbußen des Reisenden durch Annullierung oder Verspätung eines Fluges oder Zuges sowie der Nichtbeförderung erfassen.69 Die Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung beruht somit vor allem auf europarechtlichen Regelungen. Zudem zeigt bereits die erste Durchsicht der gesetzlichen Bestimmungen, dass die Entschädigung reiner Gefühlsschäden grundsätzlich nur bei der Verletzung (vor)vertraglicher Pflichten erfolgt. 66

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f. Erweiterung auf Benachteiligung wegen genetischer Eigenschaften, § 21 GenDG. 68 Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl. EG Nr. L 180 v. 19.7.2000, S. 22; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. EG Nr. L 303 v. 2.12.2000, S. 16; Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ABl. EU Nr. L 373 v. 21.12.2004, S. 37; Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung), ABl. EU Nr. L 204 v. 27.7.2006, S. 23. 69 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABl. EU Nr. L 46 v. 17.2.2004, S. 1; Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABl. EU Nr. L 315 v. 3.12.2007, S. 14. 67

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Trotz der Reform des Schadensersatzrechts bleibt es bei der Konzeption des BGB, den Ausgleich von materiellen und immateriellen Schäden unterschiedlich auszugestalten. Nur die Naturalrestitution behandelt Vermögens- und Nichtvermögensschäden gleich, wohingegen die Entschädigung ideeller Schäden nach wie vor grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 253 Abs. 1 BGB) und Ausnahmen einer gesetzlichen Regelung bedürfen. Ideelle Schäden infolge von Körper- und Gesundheitsverletzungen, Freiheitsentziehungen sowie Verletzungen der sexuellen Integrität sind im Rahmen der vertraglichen und deliktischen Haftung sowie der Gefährdungshaftung auszugleichen. Darüber hinaus werden Gefühlsschäden grundsätzlich nicht ersetzt. Es bestehen nur punktuelle Regelungen, die vor allem die Haftung für die Verletzung vertraglicher Pflichten betreffen. Schließlich ist der Entschädigungsanspruch wegen der schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weiterhin gesetzlich nicht geregelt und beschränkt sich nach dem bisherigen Verständnis auf die deliktische Verschuldenshaftung. II. Die Abhängigkeit des Ersatzes immaterieller Einbußen vom Haftungsgrund 1. Zur Bedeutung des Haftungsgrundes für den Ersatz immaterieller Schäden Das BGB fasst das Schadensersatzrecht im allgemeinen Schuldrecht in den §§ 249 ff. BGB zusammen und regelt es unabhängig vom Haftungsgrund einheitlich. Das gilt seit der Reform des Schadensersatzrechts im Jahre 2002 auch für immaterielle Schäden. Die einheitliche Regelung des Schadensersatzrechts im BGB ist eine konsequente Abkehr vom aktionenrechtlichen Denken und geht auf die Lehre vom Interesse bei Mommsen und Windscheid zurück, die damit allgemein den ersatzfähigen Schaden im Zivilrecht beschrieben70. Die §§ 249 ff. BGB bestimmen den ersatzfähigen Schaden und seinen Ausgleich für alle Haftungstatbestände des BGB. Dieser erfolgt vorrangig durch Naturalrestitution und nur sekundär durch Kompensation in Geld. Für die Gefährdungshaftung bestehen zwar eigene Regelungen in den Spezialgesetzen. Der vorgesehene Ausgleich ideeller Schäden entspricht aber grundsätzlich § 253 Abs. 2 BGB und ist nur durch die Haftungshöchstbeträge zusätzlich beschränkt.71 Auch § 15 Abs. 2 AGG und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG gewähren ebenso wie § 253 Abs. 2 BGB eine angemessene Entschädigung der Nichtvermögensschäden.72 Der Haftungsgrund ist für die Entschädigung der immateriellen Einbußen nach § 253 Abs. 2 BGB somit unerheblich, es kommt vor allem auf das ver70 Mommsen, Lehre vom Interesse, S. 5 f.; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, Bd. II, § 257; dazu Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 31 ff.; Schiemann, Prinzipien, S. 166 f. 71 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 38. 72 Siehe unten § 2.C.VII., S. 126 ff.

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letzte Rechtsgut an. Nur für den Umfang der Haftung hat der Haftungsgrund weiterhin Bedeutung.73 Im Vertragsrecht bestimmt er über den Ausgleich des positiven oder negativen Interesses. Darüber hinaus beeinflusst der Schutzzweck des Haftungsgrundes die Zurechnung der ersatzfähigen Schäden. Der Schädiger haftet nicht für alle Schäden, die er durch die Pflicht- oder Rechtsgutsverletzung äquivalent verursacht hat, sondern es erfolgt eine wertende Schadenszurechnung, die sich am Zweck der Haftung und der Art der Verletzung orientiert.74 Daher kann nur der Umfang der Entschädigung vom Haftungsgrund abhängig sein.75 Die heutige Gleichbehandlung der (vor)vertraglichen und deliktischen Haftung hinsichtlich der Entschädigung von Nichtvermögensschäden hat wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Haftungstatbestände zur Folge, dass sich Ansprüche aus Vertrag oder vorvertraglichem Schuldverhältnis leichter durchsetzen lassen als jene aus Delikt.76 Zum einen enthält § 280 Abs. 1 S. 2 BGB eine widerlegliche Verschuldensvermutung, so dass der Geschädigte nur das Bestehen des Schuldverhältnisses, die Pflichtverletzung und den kausalen Schaden darlegen und beweisen muss. Eine vergleichbare Verschuldensvermutung besteht im Deliktsrecht nicht und die Rechtsprechung entwickelte sie nur für einzelne Fallgruppen.77 Zum anderen haftet der Schuldner nach § 278 BGB für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen, wohingegen der Geschäftsherr im Deliktsrecht nach § 831 BGB nur für sein eigenes Organisationsverschulden bei der Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen einstehen muss. Somit haftet der Reiseveranstalter auch für immaterielle Schäden infolge einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung des Reisenden, die der Leistungsträger schuldhaft verursachte, indem z. B. der Hotelier das Gebäude nicht in einem sicheren Zustand erhielt oder bei Ausflügen nicht die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen traf, um eine Rechtsgutsverletzung für die Reisenden abzuwenden.78 Schließlich kann das (vor)vertragliche Schuldver-

73 Katzenmeier, JZ 2002, 1031; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 434; grundsätzlich dazu Großfeld, Privatstrafe, S. 80; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9; Larenz, NJW 1959, 865. 74 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9; Stoll, Haftungsfolgen, S. 149. 75 Siehe unten § 4.A.III., S. 226 ff. 76 S. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 15; Deutsch, JZ 2002, 588, 590 f.; Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1032; Karczewski, VersR 2001, 1070, 1072; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 253 Rn. 8; Schernitzky, Schadensersatz, S. 47; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2056. 77 Z. B. Produzentenhaftung BGH 26.11.1968 Z 51, 91, 104 ff.; 4.10.1972 Z 59, 303, 309; 24.11.1976 Z 67, 359, 361 ff.; 16.6.2009 Z 181, 253; Staudinger/Hager, BGB, § 832 Rn. F 43 ff.; G. Wagner, MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 608 ff.; z. B. Arzthaftung bei groben Behandlungsfehlern BGH 21.12.1955 NJW 1956, 1835; 11.4.1967 NJW 1967, 1508 ff.; 16.11.2004 NJW 2005, 427, 428 f.; 29.9.2009 MDR 2010, 29; Staudinger/Hager, BGB, § 832 Rn. I 54 ff.; G. Wagner, MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 807 ff. 78 S. auch G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2056.

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hältnis auch Dritte einbeziehen, die nicht am Vertrag beteiligt sind. Somit stehen nicht nur den Vertragspartnern Ansprüche auf Entschädigung von Nichtvermögensschäden zu, sondern gegebenenfalls weiteren Personen. Daher wird die Ausdehnung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden auf das Vertragsrecht letztlich zur Folge haben, dass die vertraglichen Ansprüche stärker im Vordergrund stehen.79 2. Besonderheiten der vertraglichen Haftung für immaterielle Schäden a) Haftungsausfüllende Kausalität und Zurechnung entsprechend der Pflichtverletzung Infolge der systematischen Neuordnung des Schadensersatzrechts gilt § 253 Abs. 2 BGB auch für Entschädigungsansprüche wegen einer vorvertraglichen oder vertraglichen Pflichtverletzung.80 § 253 Abs. 2 BGB gilt für alle Pflichtverletzungen, egal ob es sich um eine Hauptpflicht, leistungsbezogene Nebenpflicht oder Schutzpflicht handelt.81 Somit sind die immateriellen Schäden, die bei der Verletzung der Fürsorgepflicht nach § 618 Abs. 1 BGB entstehen, nun ebenfalls zu entschädigen.82 Die eingeschränkte Verweisung auf die §§ 842– 846 BGB in § 618 Abs. 3 BGB ist keine lex specialis, die der Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB entgegensteht.83 Früher ließ sich dem fehlenden Verweis auf § 847 BGB entnehmen, dass ideelle Schäden nicht zu entschädigen sind.84 Das ist seit der Streichung des § 847 BGB ausgeschlossen.85 Die §§ 842–846 BGB sind lediglich die deliktsrechtlichen Sonderregelungen zum Ausgleich der Vermögensschäden, die infolge der Verletzung von Körper, Gesundheit und Leben eintreten. Der Ersatz von Schäden, die von diesen Normen nicht erfasst werden, muss sich daher unter Rückgriff auf die §§ 249 ff. BGB bestimmen. Eine Ausnahme für den Ersatz ideeller Schäden war vom Gesetzgeber nicht intendiert und wäre zudem eine Ungleichbehandlung gegenüber Schutzpflichtverletzungen bei anderen Verträgen, bei denen ein Ersatz von Nichtver79 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 15; Deutsch, JZ 2002, 588, 592; Grundmann, AcP 204 (2004), 567, 599; Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1032; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2055. 80 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14, 15; krit. zu der sich aus § 253 Abs. 2 BGB ergebenden Beschränkung Karczewski, VersR 2001, 1070, 1072; Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1032. 81 Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 13; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 19; Palandt/ Grüneberg, BGB, § 253 Rn. 8; Schernitzky, Schadensersatz, S. 45. 82 Ebenso BAG 14.12.2006 NZA 2007, 262, 264 f.; HWK/Krause, § 618 BGB Rn. 42; Palandt/Grüneberg, BGB, § 253 Rn. 8; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 618 Rn. 8. 83 ErfK/Wank, § 618 BGB Rn. 30; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 19; Palandt/ Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 253 Rn. 4; s. auch Diederichsen, VersR 2005, 433, 436. 84 H. M., z. B. Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl. 2002, § 618, Rn. 8; Staudinger/Oetker, BGB, 1999, § 618 Rn. 305. 85 Dennoch gegen die Gewährung eines Schmerzensgeldes Staudinger/Oetker, BGB, 2011, § 618 Rn. 305.

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mögensschäden nach § 253 Abs. 2 BGB erfolgt. § 618 Abs. 1 BGB ist zudem die arbeitsrechtliche Ausprägung der Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, so dass sich aus der Art der Pflicht keine Rechtfertigung für einen abweichenden Umfang der Haftung ergibt. Obwohl die Entschädigung immaterieller Einbußen von der Art der verletzten Pflicht unabhängig ist, gewinnt ihr Inhalt bei der haftungsausfüllenden Kausalität und der Schadenszurechnung Bedeutung. Der Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung einer (vor)vertraglichen Pflicht kann nur einen Anspruch auf Entschädigung solcher Einbußen gewähren, die von ihrem Schutzzweck erfasst sind. Nichtvermögensschäden, die aus einer Rechtsgutsverletzung i. S. von § 253 Abs. 2 BGB resultieren, sind vom Schutzzweck der Pflicht umfasst, wenn sie sich (auch) auf die Integrität der von § 253 Abs. 2 BGB benannten Rechtsgüter bezieht.86 Daher sind die nach § 253 Abs. 2 BGB zu entschädigenden Nichtvermögensschäden dem pflichtwidrig handelnden Schuldner zumindest zurechenbar, wenn er eine entsprechende Schutzpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat. Diese legen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen auf, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Beteiligten zu wahren. Dazu zählen grundsätzlich die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter. Auch die Haftung wegen sonstiger Nebenpflichten erstreckt sich auf ideelle Schäden, soweit die verletzte Pflicht dem Schutz dieser Rechtsgüter dient.87 Im Gegensatz zu den Schutzpflichten betreffen die Hauptleistungspflichten nicht das Integritätsinteresse des Gläubigers, sondern sein Erfüllungsinteresse. Daher sind dem Schuldner bei der Verletzung der Hauptleistungspflichten die Nichtvermögensschäden im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB nur zuzurechnen, wenn sich die Hauptleistungspflicht auf die Integrität eines der benannten Rechtsgüter bezieht.88 Das ist insbesondere bei Arztverträgen anzunehmen.89 Daneben werden häufig Personenbeförderungsverträge als Schuldverhältnisse benannt, bei denen sich die Hauptleistungspflichten auch auf die Integrität des 86 BGH 9.7.2009 NJW 2009, 3025, 3027; Ady, ZGS 2002, 237, 240; Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 13; v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 282; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 19; Schernitzky, Schadensersatz, S. 46. 87 Ady, ZGS 2003, 13, 16; Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 13; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 19; Schernitzky, Schadensersatz, S. 46. 88 BGH 10.10.1989 NJW 1990, 909, 910; 30.1.1990 NJW 1990, 2057, 2058; 17.10.1990 NJWRR 1991, 627, 629; 9.7.2009 NJW 2009, 3025, 3027; Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 13; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 19; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2053; Weitze, DStR 2009, 2274; so zur Haftung des RA BGH 9.7.2009 NJW 2009, 3025, 3027; OLG Hamm 20.6.2000 NJW-RR 2001, 1142, 1143; OLG Frankfurt 30.4.2008 VersR 2008, 1396; Chab, AnwBl. 2005, 497, 498, das wird für das anwaltliche Mandat in vermögensrechtlichen Angelegenheiten verneint; etwas anderes könne aber für Freiheitsverletzungen wegen eines Fehlers bei der Strafverteidigung gelten, s. BGH 9.7.2009 NJW 2009, 3025, 3027; KG 17.1.2005 NJW 2005, 1284, 1285; krit. Zu dieser Beschränkung Schiemann, JZ 2011, 526, 527. 89 Deutsch, JZ 2002, 588, 590; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2055; s. auch Ady, ZGS 2003, 13, 16.

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Gläubigers erstrecken.90 Weiter schließen die Hauptleistungspflichten bei Verträgen mit Bergführern oder Trainern und Betreuern bei Risikosportarten (z. B. Klettern) für den Schuldner die Verpflichtung ein, Gefahren für die körperliche Integrität des Gläubigers zu überwachen und gegebenenfalls zu dessen Sicherheit einzugreifen. Kommt es infolge einer schuldhaften Pflichtverletzung zu einem Unfall, so besteht zwischen der verletzten Hauptleistungspflicht und der Körperverletzung bzw. Gesundheitsbeschädigung sowie den daraus resultierenden ideellen Schäden ein Schutzzweckzusammenhang, so dass die Einbußen zu entschädigen sind. Das muss auch bei privaten Sicherheitsdiensten gelten, die zum Personenschutz tätig sind. b) Verschuldensunabhängige vertragliche Haftung und Ausgleich immaterieller Schäden Der Erweiterung der vertraglichen Haftung wurde und wird entgegengehalten, dass dann auch eine verschuldensunabhängige Haftung bestehe und im Übrigen eine Verschuldensvermutung existiere, die das Deliktsrecht nicht im gleichen Maße aufweise.91 Das Vertragsrecht enthält neben der verschuldensabhängigen Haftung für Pflichtverletzungen vereinzelt Regelungen über eine Garantiehaftung. § 536a Abs. 1, 1. Alt. BGB normiert eine Garantiehaftung des Vermieters für den Fall, dass die Mietsache bereits bei Vertragsschluss mangelhaft war. Zudem enthält § 287 S. 2 BGB eine Haftungsverschärfung, so dass der Schuldner während des Schuldnerverzugs auch für Schäden haftet, die infolge eines zufälligen Leistungshindernisses eingetreten sind. Für diese Schadensersatzansprüche gilt das allgemeine Schadensrecht, so dass § 253 Abs. 2 BGB Anwendung findet. Der Kritik zur verschuldensunabhängigen Haftung für ideelle Schäden ist entgegenzuhalten, dass auch die Gefährdungshaftung immaterielle Schäden einbezieht. Zudem sollen vertragliche und deliktische Haftung gleichgestellt werden92 Daher kann die verschuldensunabhängige Haftung nicht nachträglich vom Anwendungsbereich des § 253 Abs. 2 BGB ausgenommen werden. Für eine teleologische Reduktion fehlt es außerdem an einer planwidrigen Regelungslücke. Darüber hinaus gibt der Normzweck des § 536a Abs. 1, 1. Alt. BGB keine Anhaltspunkte für eine Haftungsbeschränkung auf Vermögensschäden.93 Die Garantiehaftung dient dem Schutz des Mieters, der sich in die Mieträume begibt und diese nicht wie ein Vermieter zuvor auf ihre Mangelfreiheit untersu-

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G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2055; s. auch Ady, ZGS 2003, 13, 16. Horst, NZM 2003, 537, 538; Katzenmeier, JZ 1029, 1033; s. auch Deutsch, ZRP 2001, 351, 354; a. A. Huber, AnwK-BGB, § 253 BGB Rn. 15 f.; so bereits vor der Reform des Schadensersatzrechts Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 32; vgl. auch BGH 19.5.1969 Z 52, 115, 117, der eine Entschädigung ideeller Schäden nach § 670 BGB analog ablehnt. 92 Dazu die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14, 15. 93 Vgl. Schernitzky, Schadensersatz, S. 48. 91

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chen kann.94 Somit setzt der Mieter regelmäßig nicht nur sein Eigentum, sondern auch seinen Körper und seine Gesundheit Gefahren aus. Folglich muss die Haftung materielle und immaterielle Schäden erfassen, um den Schutz des Mieters vollständig sicherzustellen. Die Regelung schützt zudem nicht nur das Äquivalenzinteresse des Mieters, sondern auch sein Integritätsinteresse. Daher erstreckt sich der Schadensersatzanspruch nach herrschender Ansicht nicht nur auf die Mangel-, sondern auch auf die Mangelfolgeschäden.95 Insofern erfasst die Garantiehaftung auch immaterielle Schäden.96 Der Vermieter kann die verschuldensunabhängige Haftung in den AGB abbedingen. § 309 Nr. 7a BGB steht nur dem Ausschluss der Haftung für schuldhaftes Verhalten entgegen.97 Eine Beschränkung auf die Vermögensschäden ergibt sich auch nicht aus der Haftungsverschärfung nach § 287 S. 2 BGB. Sie ist aber nicht auf die Haftung wegen einer Schutzpflichtverletzung anwendbar, sondern greift nur ein, wenn während des Schuldnerverzugs Leistungshindernisse eintreten. § 287 S. 2 BGB führt daher nur bei solchen Verträgen zu einer verschuldensunabhängigen Haftung für immaterielle Schäden, bei denen die Verletzung der Hauptleistungspflicht zu einer Rechtsgutsverletzung nach § 253 Abs. 2 BGB führt, die zudem von ihrem Schutzzweck erfasst ist. Bei der Verletzung eines Arztvertrages tritt eine solche Rechtsgutsverletzung ein, wenn die Verzögerung der Heilbehandlung eine Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung verursacht oder steigert. Auch bei einem Vertrag über Personenschutz kann infolge der Leistungsverzögerung eine solche Rechtsgutsverletzung eintreten, die mit einem ideellen Schaden einhergeht. Insgesamt sind aber nur wenige Fälle ersichtlich, in denen ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch für ideelle Einbußen nach § 287 S. 2 BGB entsteht.98 Schließlich greift die Garantiehaftung nicht ein, wenn der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre. Verschuldensunabhängige Entschädigungsansprüche ergeben sich schließlich aus § 670 BGB analog.99 Diese Rechtsfortbildung bezog sich auf die Entschädigung von Vermögensschäden. Wegen des Verdikts des § 253 BGB a. F. und der Beschränkung des § 847 BGB a. F. auf das Deliktsrecht wurde sie 94

H. M., BGH 9.12.1970 NJW 1971, 424, 425; Jauernig/Teichmann, § 536a Rn. 4; Schilling, MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2008, § 536a Rn. 1, 6; differenzierend Häublein, MünchKommBGB, 6. Aufl. 2011, Vor § 536 Rn. 10. 95 Z. B. BGH 9.12.1970 NJW 1971, 424, 425 f.; Erman/Lützenkirchen, BGB, § 536a Rn. 13; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 536a Rn. 14. 96 Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Palandt/Grüneberg, BGB, § 253 Rn. 8; Schernitzky, Schadensersatz, S. 45; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2055; s. auch Deutsch, JZ 2002, 588, 589. 97 BGH 3.7.2002 NZM 2002, 784; dazu Derleder, NZM 2002, 676; Horst, NZM 2003, 537, 539; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2056. 98 Siehe oben § 1.B.II.2.b., S. 26. 99 H. M., z. B. BGH 7.11.1960 Z 33, 251, 257; 27.11.1962 Z 38, 270, 277; PWW/Fehrenbacher, BGB, § 670 Rn. 8; Seiler, MünchKomm-BGB, § 670 Rn. 14.

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nicht auf ideelle Schäden ausgedehnt.100 Nunmehr sind immaterielle Schäden nach § 253 Abs. 2 BGB aber auch bei der vertraglichen Haftung ersatzfähig, so dass der Ersatz typischer Begleitschäden analog § 670 BGB auch die immateriellen Schäden erfassen muss, wenn sich in ihnen die typischen Risiken des Auftrags verwirklichen.101 Diese Erweiterung des Anspruchs analog § 670 BGB steht auch eine etwaige Genugtuungsfunktion des Entschädigungsanspruchs nicht entgegen.102 Der Gesetzgeber stellte klar, dass die Genugtuungsfunktion nur eine untergeordnete Rolle spielt und vor allem bei Vorsatztaten und beim Ausgleich immaterieller Schäden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Tragen kommt.103 Sie hat daher für den Entschädigungsanspruch aus § 670 BGB keine Bedeutung. Schließlich kann sich eine verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners aus Garantie ergeben. Es kann sich um eine Garantie i. S. von § 276 Abs. 1 BGB handeln oder um eine Garantievereinbarung, die einen eigenständigen Anspruch gewährt, der unabhängig von den gesetzlichen Regelungen der vertraglichen Haftung ist. Der Umfang der Garantiehaftung und ihre Erstreckung auf die Entschädigung von Nichtvermögensschäden sind durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung zu ermitteln. Insoweit wird vor allem auf die Grundsätze verwiesen, die früher zur Ermittlung einer Eigenschaftszusicherung im Kaufvertragsrecht herangezogen wurden.104 III. Der Ersatz immaterieller Schäden durch Naturalrestitution und Kompensation in Geld Naturalrestitution nach § 249 BGB kann bei Vermögens- und Nichtvermögensschäden verlangt werden, auch wenn die Wiederherstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestünde, nur teilweise möglich ist.105 § 253 Abs. 1 BGB schließt nur die Kompensation ideeller Schäden in Geld aus. Die Naturalrestitution beendet bei personenbezogenen Rechtsgütern (z. B. Heilbehandlung einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung) zumindest das Anwachsen immaterieller Schäden in Form von Schmerzen und Leiden sowie die Beeinträchtigungen der Lebensführung. Bei der Beschädi100

BGH 19.5.1969 Z 52, 115, 117. Däubler, JuS 2002, 625, 626; Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 434; Palandt/Grüneberg, BGB, § 253 Rn. 8; Schernitzky, Schadensersatz, S. 49. 102 So aber BGH 19.5.1969 Z 52, 115, 117. 103 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14 f. 104 Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1033; Thüsing, VersR 2001, 285, 297; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2055 f.; s. auch Schernitzky, Schadensersatz, S. 48. 105 Allg. M., Mot. II, S. 23; RG 3.10.1918 Z 94, 1, 3; BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 225; 13.2.1956 Z 20, 61, 70 f.; 19.12.1960 Z 34, 99, 102; H. A. Fischer, Schaden, S. 315 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 218; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 321; Prien, Naturalrestitution, S. 102 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 7; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 5. 101

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gung einer Sache oder der Verletzung eines Tieres finden bei der Wiederherstellung auch die Affektionsinteressen des Eigentümers Berücksichtigung, da die Wiederherstellung des schadensfreien Zustands ihnen Rechnung trägt. Die Entschädigung erfasst das Affektionsinteresse hingegen nicht, da § 253 Abs. 2 BGB die Entschädigung von der Verletzung der aufgezählten personenbezogenen Rechtsgüter abhängig macht. Lediglich die Naturalrestitution bezieht sie wie alle Nichtvermögensschäden ein. Die Wiederherstellung der beschädigten Sache oder des verletzten Tieres beendet die Beeinträchtigung des Affektionsinteresses. Nur das Leiden des Eigentümers bis zur Restitution ist nicht restituierbar. Der Geschädigte kann nach seiner Wahl vom Schädiger Naturalrestitution verlangen (§ 249 Abs. 1 BGB) oder sie selbst vornehmen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen fordern (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB)106. Der Aufwendungsersatz ist von der Entschädigung nach den §§ 251 f., 253 Abs. 2 BGB zu unterscheiden. Um eine Umgehung des § 253 BGB zu verhindern, der sich auf die Schäden infolge der aufgezählten Rechtsgutsverletzungen beschränkt, kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nur Ersatz der tatsächlich vorgenommenen Aufwendungen verlangen. Die Abrechnung fiktiver Wiederherstellungskosten ist bei Personenschäden verwehrt.107 Der Geschädigte kann nicht über die Wiederherstellung disponieren, indem er die Beeinträchtigungen hinnimmt, und Aufwendungsersatz verlangt.108 Das Unterlassen der Naturalrestitution, zum Beispiel einer Heilbehandlung, erhöht nur den ideellen Schaden wegen der intensiveren oder länger andauernden Schmerzen oder Beschränkungen der Lebensführung. Ihre Entschädigung nach Maßgabe des § 253 Abs. 2 BGB entspricht grundsätzlich nicht den fiktiven Heilbehandlungskosten. Die Naturalrestitution ist bei immateriellen Schäden letztlich nur eingeschränkt möglich. Bei Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung erfolgt sie vor allem durch Heilbehandlung. Das beendet die fortdauernden Folgen der Rechtsgutsverletzung aber nur für die Zukunft, bereits erlittene Schmerzen und Leiden und die Einschränkungen der Lebensführung in der 106 Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 357; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 7; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 7; offenlassend BGH 6.4.1976 Z 66, 182, 191 f. Daneben kommt ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (Rückgriffskondiktion) in Betracht. 107 BGH 14.1.1986 Z 97, 14, 18 ff.; Grunsky, NJW 1983, 2465, 2469; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 229; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 471; Medicus, VersR 1981, 593, 599 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 380; Soergel/Mertens, BGB, § 249 Rn. 22; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 249 Rn. 224, § 253 Rn. 7; Steffen, NJW 1995, 2057, 2060 f.; a. A. Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 224 (die Schutzwürdigkeit von Körper und Gesundheit lasse keine Schlechterstellung bei der Naturalrestitution zu). 108 Kein Ersatz fiktiver Arztkosten BGH 14.1.1986 Z 97, 14, 18 ff.; Huber, Schadensberechnung, S. 266 ff.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 380; kein Ersatz fiktiver Umbaukosten OLG Hamm 11.9.2002 NZV 2003, 192, 194; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 229; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 380.

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Vergangenheit lassen sich nicht beseitigen. Auch die Freiheitsberaubung lässt sich nur durch Freilassung beenden, ohne dass der Schaden entfiele. Gleiches gilt für die Folgen der Verletzung der sexuellen Integrität oder des Mobbings. Die Naturalrestitution bewirkt daher regelmäßig keinen vollständigen Schadensausgleich. Eine eigenständige Bedeutung erlangt die Naturalrestitution nur bei der Beschädigung von Sachen und der Verletzung von Tieren, weil die Verletzung des Affektionsinteresses des Geschädigten nicht in Geld zu entschädigen ist, und die Naturalrestitution sie zumindest dadurch berücksichtigt, dass sie die Beseitigung der Beeinträchtigung erlaubt. Darüber hinaus relativiert sich die Bedeutung der Naturalrestitution dadurch, dass der Geschädigte Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung der Rechtsgutsverletzung hat, die im Gegensatz zu den Schadensersatzansprüchen aus vertraglicher oder deliktischer Haftung verschuldensunabhängig sind.109 Dieser Primärrechtsschutz besteht zugunsten aller absoluten Rechtsgüter. Insbesondere bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts haben diese Primäransprüche, die der Abwehr der Rechtsgutsverletzung dienen, den Anspruch auf Naturalrestitution verdrängt.110 Grundsätzlich hat der Geschädigte aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG Anspruch auf Wiederherstellung, beispielsweise durch Herausgabe der rechtswidrig erlangten Tonbandaufzeichnungen, Fotos oder Briefe sowie durch Widerruf von Tatsachen.111 Daneben hat er negatorische Ansprüche wegen der Rechtsgutsverletzung, sofern die Störung andauert.112 Die Ansprüche beruhen auf einer Gesamtanalogie zu den §§ 12, 862, 1004 BGB, sofern keine spezialgesetzlichen Regelungen bestehen.113 Der Geschädigte kann bei ehrkränkenden Tatsachenbehauptungen, nicht aber bei Werturteilen114, den Widerruf verlangen, wenn ihre Unrichtigkeit feststeht.115 Darüber hinaus enthalten die Pressegesetze der 109 BGH 25.4.1958 NJW 1958, 1043; 19.12.1960 Z 34, 99, 102 f.; 15.11.1994 Z 128, 1, 6 (Caroline I); ausführlich dazu Prinz, NJW 1995, 817, 819 f.; Ritter, ZZP 84 (1971), 163 ff.; Wenzel/ von Strobl-Alberg, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 9 Rn. 2 ff. 110 BGH 19.12.1960 Z 34, 99, 103; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 219. 111 Z. B. RG 3.10.1918 Z 94, 1, 3 (Brief); BGH 20.5.1958 Z 27, 284, 286, 289; 13.10.1987 NJW 1988, 1016, 1017 (Tonbandaufzeichnungen); 25.1.1959 Z 29, 344, 347 (Anspruch auf Aufnahme in einen Verein); 6.4.1979 NJW 1979, 2197 (Veröffentlichung einer richtigstellenden Werbeanzeige); dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, S 218; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 8; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 6. 112 Z. B. Dreier, Kompensation, S. 419 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 218 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 8. 113 St. Rspr., BGH 26.1.1951 NJW 1951, 352; OLG Bamberg 2.8.1977 WM 1977, 1417; OLG Karlruhe 10.8.1988 NJW 1989, 1360; OLG Hamm 15.5.1995 NJW-RR 1995, 1399; Wenzel/von Strobl-Alberg, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 9 Rn. 2. 114 BGH 5.6.1962 Z 37, 187; 18.10.1977 NJW 1978, 751; 11.4.1989 NJW 1989, 2941, 2942 (Ärztliche Diagnose); Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 222; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 8. 115 BGH 6.7.1954 Z 14, 163, 173; 22.12.1959 Z 31, 308, 312; 19.12.1960 Z 34, 99, 102 f.; 15.11.1994 Z 128, 1, 6 (Caroline I); dazu Prinz, NJW 1995, 817, 820; Wenzel/Burkhardt/Garner, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 13 Rn. 17.

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Länder einen Gegendarstellungsanspruch.116 Für Rundfunk, Fernsehen und Mediendienste ist dieser Anspruch in Staatsverträgen geregelt.117 Der Gegendarstellungsanspruch setzt keine Rechtsverletzung voraus, sondern nur ein Betroffensein des Anspruchsinhabers von einer Tatsachenbehauptung.118 Weder die Unwahrheit der Behauptung noch die Wahrheit der Entgegnung sind zu beweisen. Der Anspruch wurzelt nach heutigem Verständnis im allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dient seiner Selbstverteidigung.119 Die negatorischen Ansprüche sowie der Anspruch auf Naturalrestitution sollen keine Genugtuung verschaffen.120 Besonderheiten ergeben sich für die Naturalrestitution auch bei der unzulässigen Benachteiligung im Sinne der §§ 1, 3, 7, 19 Abs. 1, 2 AGG. Nach § 15 Abs. 1 AGG und § 21 Abs. 2 S. 1 AGG sind die Vermögensschäden zu ersetzen, wobei mangels einer gesetzlichen Ausgestaltung auf die §§ 249 ff. BGB zurückzugreifen ist.121 Der Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG führt aber grundsätzlich nur zur Kompensation in Geld. Eine Vereinbarung benachteiligender Arbeitsbedingungen ist gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, so dass es keiner Naturalrestitution bedarf. Das Gleiche gilt für die benachteiligende Kündigung, die nach § 1 Abs. 1, 3 KSchG oder nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam ist.122 Sofern eine unzulässige Benachteiligung im Rahmen des Auswahlverfahrens für eine Einstellung oder Beförderung erfolgte, besteht kein Anspruch auf Einstellung oder Beförderung, der einer Naturalrestitution entspräche, § 15 Abs. 6 AGG. Für die Nichtvermögensschäden kann der Geschädigte nach § 15 Abs. 2 AGG bzw. § 21 Abs. 2 S. 3 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Für Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr regelt § 21 AGG die Rechtsfolgen nicht in gleicher Weise. Vereinbarungen, die eine unzulässige Benachteiligung enthalten, sind nicht unwirksam, sondern der Benachteiligende darf sich auf solche Vereinbarungen nicht berufen (§ 21 Abs. 4 AGG). Weiter be116

Vgl. Übersicht der landesrechtlichen Regelungen bei Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 11 Rn. 10 ff. 117 Ladeur, AfP 2000, 217; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 9 Rn. 283 ff. 118 Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 11 Rn. 38. 119 BGH 6.4.1976 NJW 1976, 1198, 1201; Koebel, NJW 1963, 790, 790 f.; Löffler/Sedelmeier, Presserecht, § 11 LPG Rn. 40; Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, Rn. 8; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 9 Rn. 28. 120 BGH 14.6.1977 NJW 1977, 1681, 1682; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 219. 121 Z. B. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 36; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 18; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 21 Rn. 21. 122 Zum Streitstand Adomeit/Mohr, AGG, § 2 Rn. 228 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 2 Rn. 55 ff.; Däubler/Bertzbach, AGG, § 2 Rn. 256 ff.; ErfK/Schlachter, § 2 AGG Rn. 18; HWK/Annuß/Rupp, § 2 AGG Rn. 12 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchG, § 2 AGG Rn. 23 ff.; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 2 Rn. 29 ff.; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 2 AGG Rn. 14 ff.; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 2 Rn. 39 ff.; s. auch BAG 6.11.2008 AP Nr. 182 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung.

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stehen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 21 Abs. 1 AGG. Zudem ist für den Fall einer unzulässigen Benachteiligung beim Vertragsschluss der Kontrahierungszwang nicht gesetzlich ausgeschlossen. Daher ist es grundsätzlich möglich, dass sich aus dem Schadensersatzanspruch nach § 21 Abs. 2 AGG ein Kontrahierungszwang ergibt. Angesichts der Privatautonomie ist jedoch eine Verpflichtung zum Vertragsschluss grundsätzlich eine unzumutbare Belastung für den Benachteiligenden. Nur in besonderen Ausnahmefällen ist ein Anspruch auf Abschluss des Vertrages denkbar (z. B. in einzelnen Fällen, in denen ein potentieller Mieter wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt wird).123 Somit steht die Kompensation der Schäden in Geld im Vordergrund. Die Naturalrestitution hat für die ideellen Schäden im Ergebnis nur in Teilbereichen Bedeutung. Die dogmatischen Streitfragen konzentrieren sich auf das Ob, die Funktion und die Bemessung der Entschädigung für immaterielle Einbußen. Daher steht auch im Rahmen dieser Arbeit der Ausgleich immaterieller Schäden in Geld im Vordergrund. IV. Zusammenfassung Im geltenden Recht sind materielle und immaterielle Schäden nach wie vor nicht gleichgestellt. Nur die Naturalrestitution differenziert nicht zwischen beiden Schadensarten. Bereits erlittene Schmerzen oder Leiden sowie Beschränkungen der Lebensführung sind jedoch irreversibel, so dass eine Wiederherstellung des Rechtsguts nur für die Zukunft möglich ist und lediglich ein Anwachsen des Schadens verhindert wird. Zudem sind Unterlassungsund Beseitigungsansprüche, die zum gleichen Ziel führen, regelmäßig leichter durchsetzbar als Schadensersatzansprüche. Insbesondere bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts haben Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf oder Gegendarstellung praktisch größere Bedeutung. Die Entschädigung immaterieller Einbußen ist nach wie vor ausgeschlossen, soweit keine Ausnahmen geregelt sind, § 253 Abs. 1 BGB. Allerdings hat sich die Zahl der Ausnahmeregelungen seit Inkrafttreten des BGB erheblich erhöht. Insbesondere die Schadensersatzrechtsreform 2002 hat den Ausgleich immaterieller Schäden grundlegend erweitert. § 253 Abs. 2 BGB und die parallelen Regelungen in den Gesetzen zur Gefährdungshaftung erlauben weitgehend unabhängig vom Haftungsgrund eine Entschädigung immaterieller Einbußen infolge von Körper- und Gesundheitsverletzungen, Freiheitsberaubungen und Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung. Für verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche aus vertraglicher Haftung bestehen keine Ausnahmen, zumal sich auch die Gefährdungshaftung auf ideelle Schä123 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 21 Rn. 75 ff.; Maier-Reimer, NJW 2006, 2577, 2582; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 21 AGG Rn. 17 ff.; Warnecke, DWW 2006, 268, 273 f.; a. A. Adomeit/Mohr, AGG, § 21 Rn. 10; Armbrüster, NJW 2007, 1494, 1495 ff.; Busche, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz, S. 159, 169.

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den erstreckt. Daneben erweitert der Anspruch auf Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den Kreis der ersatzfähigen Nichtvermögensschäden. Demnach bleibt die Entschädigung immaterieller Schäden grundsätzlich von der Verletzung bestimmter Rechtsgüter abhängig. Die Rechtsgutsverletzung dient als Anknüpfungspunkt für die Beurteilung des Schadens und die Bemessung der Entschädigung. Lediglich die vertragliche Haftung wird durch eine Reihe von Regelungen auf den Ausgleich immaterieller Schäden erweitert, ohne dass es auf eine bestimmte Rechtsgutsverletzung ankommt (§ 651f Abs. 2 BGB, §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, §§ 9, 10 KSchG, § 113 KSchG, Verordnung [EG] Nr. 261/2004, Verordnung [EG] Nr. 1371/2007). Die meisten Regelungen beruhen auf Vorgaben des Europarechts. Weiterhin nicht erfasst sind Beeinträchtigungen des Affektionsinteresses bei der Beschädigung einer Sache oder der Verletzung eines Tieres.

C. Die Abgrenzung zwischen materiellen und immateriellen Schäden I. Negative Abgrenzung der immateriellen Schäden 1. Der Nichtvermögensschaden als Komplementärbegriff zum Vermögensschaden Die komplementären Begriffe Vermögensschaden und Nichtvermögensschaden zählen zu den zentralen Termini des Schadensersatzrechts. Ihre Abgrenzung bestimmt in entscheidendem Maße über die Ersatzfähigkeit des Schadens, zumindest bei der Kompensation in Geld. Die Abgrenzung der Nichtvermögensschäden erfolgt in § 253 Abs. 1 BGB negativ. Sie umfassen alle Schäden, die nicht Vermögensschäden sind. Die Aufzählung einzelner ideeller Schäden hat nur illustrierenden Charakter, da sie in der Regel keine lückenlose Abgrenzung zu den Vermögensschäden bewirkt.124 Zur Abgrenzung des Nichtvermögensschadens ist somit der Vermögensschadensbegriff von hervorragender Bedeutung, so dass sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung vor allem auf ihn konzentrierte. Vermögensschäden sind allgemein alle Einbußen, die in Geld messbar sind.125 Damit ist aber noch nicht festgelegt, nach welchem Maßstab die Kommensurabilität 124

Schmid, Schmerzensgeld, S. 106. Brinker, Vermögensschadensersatz, S. 200; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 183; Hohloch, Gutachten, S. 373, 417; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 50; Larenz, Schulrecht, Bd. I, S. 485; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 28; Mertens, Vermögensschaden, S. 151; Soergel/Mertens, BGB, Vor § 249 Rn. 61; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 127; Tolk, Frustrierungsgedanke, S. 120 f.; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 21; Zeuner, AcP 163 (1963/64), 380, 386 f.; abl. Hagen, Drittschadensliquidation, S. 181. 125

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des Schadens in Geld zu beurteilen ist.126 Ein enges Verständnis vom Vermögensschaden beschränkte ihn auf alle Einbußen, bei denen das beschädigte Gut auf dem Markt an sich veräußerlich ist.127 Ein Teil der Literatur will einen Vermögensschaden nur annehmen, wenn ein funktionsfähiger Markt mit einer tatsächlichen Nachfrage und einer Vielzahl von Transaktionen besteht, der tatsächlich zur Preisbildung führt.128 Zudem wird ein Vermögensschaden überwiegend nur angenommen, wenn der Schaden nicht der Persönlichkeitssphäre zuzuordnen ist129, da immaterielle Schäden als Persönlichkeitsminderung im weiteren Sinne gelten130. Insbesondere Gesundheit, Wohlbefinden, Zeit und Genuss werden der Persönlichkeitssphäre zugeordnet, wohingegen alle Werte, die sich vom Inhaber lösen lassen, Vermögensschäden begründen können.131 Der Gedanke der Kommerzialisierung geht hingegen davon aus, dass Vermögensschaden die Einbuße von allem sei, was sich auf dem Markt für Geld beschaffen lasse.132 Maßgeblich ist insoweit, ob ein Markt existiert.133 Der BGH zog den Kommerzialisierungsgedanken erstmals im sog. Seereisefall heran, in dem er einem Ehepaar eine Entschädigung gewährte, weil ihr Gepäck während der Seereise wegen verspäteter Zollabfertigung nicht an Bord kam und somit der Genuss der Reise gemindert war.134 Der Reisegenuss sei mit Geld erkauft und insofern kommerzialisiert, so dass er als Vermögens-

126 Einen feststehenden Vermögensschadensbegriff, aus dem nur noch deduziert werden müsse, abl. Magnus, Schaden, S. 308, 311 (Vermögensschaden nur die Minderung einer Position, deren Geldwert auf dem Markt wegen der Verkehrsfähigkeit der Position relativ leicht zu ermitteln ist); ähnlich Hohloch, Gutachten, S. 373, 424. Zur fallgruppenweisen Einschränkung des § 253 Abs. 1 BGB Magnus, Schaden, S. 308 f., 312 ff. (Fallgruppenbeschreibung: häufig auftretende Einbuße, die eine Position betrifft, die für die Entfaltung der Persönlichkeit des Geschädigten wichtig und allenfalls im Kern vermögenswert ist); ähnlich Ady, Ersatzansprüche, S. 25; Flessner, JZ 1987, 271, 277; Lieb, JZ 1971, 358, 362; Schulze, NJW 1997, 3337; Taupitz, AcP 191 (1991), 291, 243 f.; s. auch Steindorff, AcP 158 (1959/60), 431, 458. 127 Stoll, Begriff des Vermögensschadens, S. 35 f.; ders., Haftungsfolgen, S. 287 f., 291, 375 f.; Tolk, Frustrierungsgedanke, S. 95 f., 98 ff. 128 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 177; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 40 f.; krit. Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 254. 129 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 50; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 254 f.; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 486; Soergel/Mertens, BGB, Vor § 249 Rn. 62; Stoll, 45. DJT, Bd. I, S. 1, 127; ders., Haftungsfolgen, S. 287, 289; a. A. Gottwald, Schadenszurechnung, S. 146. 130 Stoll, 45. DJT, Bd. I, S. 1, 127; ders., Haftungsfolgen, S. 286, 341 f.; im Anschluss daran Schmid, Schmerzensgeld, S. 80, 106. 131 Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 486; abl. Gottwald, Schadenszurechnung, S. 146. 132 BGH 30.9.1963 Z 40, 345, 349 f.; 26.4.1979 Z 74, 231, 234; 15.12.1982 Z 86, 128, 131; Grunsky, Vermögensschaden, S. 34 ff.; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 485; Neuner, AcP 133 (1931), 277, 307 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 40 ff.; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 21. 133 BGH 10.7.1984 Z 92, 85, 91 (wenn die Verkehrsauffassung einer Sache einen Geldwert beimisst); 9.7.1986 Z 98, 212, 223; s. dazu Soergel/Mertens, BGB, Vor § 249 Rn. 45. 134 BGH 7.5.1956 NJW 1956, 1234, 1235.

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schaden zu qualifizieren sei.135 Eine wesentlich größere Bedeutung hatte die Kommerzialisierung für die Entschädigung (vorübergehend) entgangener Nutzungen, um die Beeinträchtigung des Gebrauchswerts einer Sache als Vermögensschaden zu qualifizieren.136 Auch der Verlust der Arbeitskraft soll, so ein Teil der Literatur, als Vermögensschaden gelten.137 Die Begriffsgrenzen sind somit mit Unsicherheiten behaftet.138 Die Kommerzialisierung diente zum einen zur Überwindung der eingeschränkten Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden139, zum anderen war die Beschränkung der Entschädigung nach § 251 BGB auf den Tauschwert der Sache maßgeblich. Das hatte zur Folge, dass die Entschädigung hinter dem Schadensausgleich durch Naturalrestitution zurückblieb, die auch das Interesse des Geschädigten an der Nutzung der Sache befriedigt.140 Zudem sind nach § 252 BGB nur entgangene Gewinne, aber nicht Gewinnchancen oder Genussmöglichkeiten ersatzfähig. Daher soll die Abgrenzung des Vermögensschadens hier nur untersucht werden, soweit die Diskussion über den Vermögensschadensbegriff eine Reaktion auf die eingeschränkte Ersatzfähigkeit von Nichtvermögensschäden ist. Stoll hat zudem die unzureichende Berücksichtigung der subjektiv-wirtschaftlichen Schäden bemängelt und insoweit auf § 842 BGB zurückgegriffen.141 Er erweitert so nicht den Kreis der Vermögensschäden, sondern der ersatzfähigen immateriellen Schäden. 2. Erweiterung des Schadensersatzes durch die Kommerzialisierung immaterieller Schäden a) Entgangene Nutzungen Die Entschädigung von entgangenen Nutzungen wird seit über 100 Jahren gewährt, wobei sie heute vor allem bei der Beschädigung und Zerstörung 135 Allerdings sprach der BGH der Ehefrau eine Entschädigung von 200 DM und dem Ehemann nur 100 DM zu, obwohl sich der Reisepreis und somit die Kommerzialisierung nicht unterschied (BGH 7.5.1956 NJW 1956, 1234, 1235). Das macht offenbar, dass eigentlich ein Ersatz eines ideellen Schadens erfolgte. Vgl. zur Entschädigung entgangener Urlaubsfreude § 1.C.I.2.b., S. 39 ff. 136 BGH 30.9.1963 Z 40, 345, 348 ff.; 15.4.1966 Z 45, 212, 215 ff.; 18.5.1971 Z 56, 214, 216 ff.; grundlegend BGH (GS) 9.7.1986 Z 98, 212, 216 ff., 223; bestätigend BGH 23.11.2004 Z 161, 151, 154 f. 137 Z. B. Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 178 f.; Grunsky, Vermögensschaden, S. 73 ff.; Hagen, Drittschadensliquidation, S. 193 ff.; Kilian, AcP 169 (1969), 443, 457; Würthwein, JZ 2000, 337, 342. 138 Stoll, Begriff des Vermögensschadens, S. 1. 139 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 188; Grunsky, Vermögensschaden, S. 9; Stoll, Haftungsfolgen, S. 288. 140 Brinker, Vermögensschadensersatz, S. 322 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 179 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 236; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 496 f.; Ströfer, Schadensersatz, S. 26 ff.; krit. zur Naturalrestitution bereits Degenkolb, AcP 76 (1890), 1 ff.; s. auch Grunsky, Vermögensschaden, S. 35 f. 141 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 12 ff.

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von Kraftfahrzeugen praktische Bedeutung hat.142 Den Kommerzialisierungsgedanken zieht die Rechtsprechung zur Begründung des Vermögensschadens seit 1963 heran.143 Der 3. Zivilsenat des BGH leitete den Schadensersatzanspruch zunächst aus § 249 S. 2 BGB a. F. (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) und dem Kommerzialisierungsgedanken ab und bemaß ihn nach den fiktiven Mietwagenkosten.144 Der 6. Zivilsenat stützte seine Entscheidungen indes auf den Vermögensschadensbegriff in § 251 Abs. 1 BGB und gewährte ausschließlich einen Ausgleich für entgangene Nutzungen in Höhe von ca. 30 % der Mietwagenkosten.145 Der 5. Zivilsenat lehnte indes eine Entschädigung ab.146 Diese Divergenz zwischen den Senaten legte der Große Senat des BGH 1986 bei und entschied, dass entgangene Gebrauchsvorteile in Geld zu entschädigen sind, wenn der Schadensfall „Wirtschaftsgüter von zentraler Bedeutung für die eigene Lebenshaltung“ betrifft.147 Im Anschluss daran entwickelte sich eine differenzierte Einzelfallrechtsprechung, wonach beispielsweise ein selbst genutztes Wohnhaus ein solches Wirtschaftsgut ist148, hingegen nicht ein für den Urlaub angeschaffter Wohnwagen oder ein Motorsportboot.149 Für die entgangene Nutzung eines Ferienhauses wiederum sprach der BGH wegen des vertraglich vereinbarten Gebrauchsrechts eine Entschädigung zu.150 Diese Entwicklung beruht nicht primär auf der beschränkten Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden, sondern vor allem auf dem unterschiedlichen Umfang des Schadensersatzes bei Naturalrestitution und Kompensation. § 249 BGB gewährt dem Geschädigten die Wiederherstellung unabhängig von der Art des Schadens, wohingegen § 251 BGB nur den Vermögensschaden aus-

142 Erstmals Sächs. OLG 6.12.1902 Annalen des König. Sächs. Oberlandesgerichts, Bd. 24, 1903, Nr. 44, S. 527, 528; OLG Colmar 26.9.1907 Recht 1907, Nr. 3058, Sp. 1256; ausführlich Bitter, AcP 205 (1005), 743, 745 ff.; Magnus, Schaden, S. 131 ff.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 61 ff.; Schulte, Schadensersatz, S. 101 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 73 ff.; Würthwein, Schadensersatz, S. 26 ff.; krit. Keuk, Vermögensschaden, S. 208 ff., 223; Honsell/Harrer, JuS 1985, 161, 166; Stoll, Haftungsfolgen, S. 310 f. (befürwortet den Ersatz frustrierter Aufwendungen). 143 BGH 30.9.1963 Z 40, 345, 349 f. 144 BGH 30.9.1963 Z 40, 345, 349 f.; ähnlich Rauscher, NJW 1986, 2011, 2014 ff.; Flessner, JZ 1987, 271, 277 ff.; Flessner/Kadner, JuS 1989, 879, 881 ff. 145 BGH 15.4.1966 Z 45, 212, 220 f.; 18.5.1971 Z 56, 214, 216 ff.; dazu Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 76, 85. 146 BGH 14.5.1976 Z 66, 277, 279; 30.11.1979 Z 75, 366, 373 f. 147 BGH 9.7.1986 Z 98, 212, 216 ff., 220 ff.; krit. Medicus, NJW 1989, 1889, 1892; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 65 f.; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 27, 30 ff.; Würthwein, Schadensersatz, S. 288 ff.; weitergehend hins. gewerblich genutzter Güter Bitter, AcP 205 (2005), 743, 769 ff. 148 BGH 9.7.1986 Z 98, 212, 222 ff., 224; zu den Fallgruppen Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 62 f. 149 BGH 15.12.1982 Z 86, 128, 132 ff.; 15.11.1983 Z 89, 60, 64. 150 BGH 16.9.1987 Z 101, 325, 332 ff.

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gleicht.151 Bei einer Naturalrestitution nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind die Reparatur- bzw. die Wiederbeschaffungskosten sowie die tatsächliche verauslagte Miete für einen Ersatzgegenstand bis zur Wiederherstellung in natura ersatzfähig. Somit wird nicht nur die Integrität der Sache wiederhergestellt, sondern auch der Verlust der Nutzungsmöglichkeit ausgeglichen. Die Entschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB beschränkt sich hingegen auf den Tauschwert der Sache und lässt ihren Gebrauchswert unberücksichtigt, auch wenn der Geschädigte die Miete für einen Ersatzgegenstand hätte ersetzt verlangen können. Die entgangenen Gebrauchsvorteile erhöhen die Entschädigung gemäß § 252 BGB nur, wenn dem Geschädigten Gewinn entgangen ist. § 252 BGB greift jedoch bei eigenwirtschaftlich genutzten Gegenständen nicht ein. Mietet zum Beispiel der Geschädigte kein Ersatzfahrzeug und bescheidet er sich überobligatorisch, so schont er de facto den Schädiger. Um den Verlust des Gebrauchswerts auszugleichen, hat sich die vielkritisierte Rechtsprechung zu den entgangenen Nutzungen entwickelt.152 In jüngster Zeit wird vorgeschlagen, nicht die verlorenen Gebrauchsvorteile zu entschädigen, sondern dem Geschädigten eine Sparsamkeitsprämie zu gewähren, um für ihn den Anreiz zu erhalten, den Schaden nicht zu erhöhen.153 Solche Überlegungen beruhen insbesondere auf volkswirtschaftlichen Erwägungen auf der Grundlage der ökonomischen Analyse der Schadensfälle. Eine Sparsamkeitsprämie lässt sich mit dieser Begründung aber nicht bruchlos in die bestehende Dogmatik des Schadensersatzrechts einordnen, die vor allem auf dem Ausgleichsgedanken basiert und diese Aspekte nicht berücksichtigt.154 Der Schadensvergrößerung wirkt allein die Schadensminderungsobliegenheit des Geschädigten entgegen (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB). Ihre Verletzung hat zur Folge, dass der Geschädigte nicht alle Aufwendungen zur Schadensbeseitigung ersetzt verlangen kann. Daher schlug Wagner in seinem Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag aus guten Gründen eine Gesetzesänderung vor, die vom Juristentag durch einen Beschluss unterstützt wurde.155 Das Bedürfnis nach einem Ausgleich der entgangenen Nutzungen wurzelt jedenfalls vorrangig in dem unterschiedlichen Schadensausgleich bei Naturalrestitution und 151 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 30; s. auch Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 7, 9, 28 f., 65 f. 152 BGH 30.9.1963 Z 40, 345, 349 f.; 15.4.1966 Z 45, 212, 220 f.; 18.5.1971 Z 56, 214, 216 ff.; 14.5.1976 Z 66, 277, 279; 30.11.1979 Z 75, 366, 373 f.; 9.7.1986 Z 98, 212, 216 ff., 220 ff.; 23.11.2004 Z 161, 151, 154 f. 153 Medicus, 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 201, 213 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht, Bd. I, Rn. 674; s. auch Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 680; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 30 f.; zur Nutzungsentschädigung als faktische Sparsamkeitsprämie Flessner, JZ 1987, 271, 279; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 74; andeutend Steffen, NJW 1995, 2057, 2061. 154 Ebenso Staudinger/Schiemann, BGB, 2005, § 251 Rn. 85. 155 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 30 f., 33 (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB: „Verzichtet der Geschädigte auf Herstellungsleistungen, auf die er einen Anspruch hat, so ist ihm der verbleibende Nachteil angemessen zu vergüten.“); Beschluss, 66. DJT, Bd. II, L 89.

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Kompensation und hat für den Ausgleich immaterieller Schäden und seiner Gesamtkonzeption keine tragende Bedeutung. Dieser Unterschied prägt sich bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter nicht in gleicher Weise aus, da eine Naturalrestitution des Gebrauchswertes (z. B. der Arbeitskraft) ohnehin nicht in Betracht kommt. Abschließend ist auf einen Fall einzugehen, der sowohl entgangene Nutzungen als auch verlorene Genüsse betrifft. Sofern der Geschädigte Kosten aufgewendet hat, um ein Recht auf Verschaffung eines bestimmten Genusses zu erwerben (z. B. Kauf einer Theaterkarte, Buchung einer Schiffsreise), entgehen ihm die Nutzung dieses Rechts und der Genuss, wenn er aufgrund einer Verletzung durch den Schädiger sein Recht nicht in Anspruch nehmen kann. Die aufgewendeten Kosten sind kein Schaden, sondern ein freiwilliges Vermögensopfer. Gleichwohl will die Literatur eine Entschädigung für einen Vermögensschaden gewähren, wenn das gekaufte Recht auf Gewährung des Genusses verfällt. Anders als bei entgangenen Nutzungen falle der Gebrauchs- und der Substanzwert des gekauften Rechts zusammen, so dass ein objektbezogener Schaden vorliege.156 Ein Recht auf Verschaffung eines bestimmten Genusses hat zwar keinen nennenswerten Substanzwert. Der Gebrauchswert bleibt aber erhalten, auch wenn der Geschädigte ihn nicht für sich verwerten kann. Ein Schaden ist zumindest abzulehnen, wenn das Recht übertragbar ist. Auch darüber hinaus gilt für eine Eintrittskarte das Gleiche wie bei den entgangenen Nutzungen. Die fehlende Substanz führt nicht dazu, dass die Nutzungen an deren Stelle treten. Ansonsten würde die Abgrenzung zwischen Naturalrestitution und Kompensation umgangen.157 Da verlorene Genüsse regelmäßig nicht zu den Dingen gehören, deren Verfügbarkeit für die tägliche Lebensführung existenznotwendig ist, kann auf der Grundlage der Rechtsprechung des Großen Senats nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Vermögensschaden handelt. Die entgangene Freizeitgestaltung ist eine Einschränkung in der Lebensführung infolge eines Schadensfalles, die den Geschädigten als immaterieller Schaden belastet.158 Zusätzliche finanzielle Einbußen erleidet der Geschädigte nicht. Seine vorherige Planung und die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen werden frustriert, was die Rechtsordnung aber nur bei der vertraglichen Haftung als ausgleichspflichtiges Vermögensopfer durch § 284 BGB erfasst. Der bestehende immaterielle Schaden ist ansonsten nach § 253 Abs. 1 BGB nicht auszugleichen, da es an einer gesetzlichen Ausnahme fehlt.

156 Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 138 f., 140 f.; Medicus, 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 201, 220; Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 103; Würthwein, Schadensersatz, S. 401 ff. 157 Martens, AcP 209 (2009), 445, 458 f. 158 Ebenso Martens, AcP 209 (2009), 445, 456 ff.

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b) Verdorbener Urlaub und verlorene Freizeit Eine Entschädigung für verdorbenen Urlaub war bis zur Regelung des § 651f Abs. 2 BGB im Jahre 1979 nur möglich, wenn es sich um einen Vermögensschaden handelt. Im Seereisefall hatte der BGH zunächst den Reisegenuss als Vermögensschaden qualifiziert, weil er mit Geld erkauft worden sei.159 Später verwies er darauf, dass der Erholungsurlaub der Erhaltung und Wiedererlangung der Arbeitskraft diene.160 Die Freizeit sei durch die vorherige Tätigkeit erarbeitet und daher kommerzialisiert.161 Zudem ließe sich ein erneuter Urlaub mit Geld (in Form einer unbezahlten Freistellung) beschaffen, so dass ein Vermögensschaden vorliege. Die Literatur kritisierte die Rechtsprechung heftig.162 Schließlich fügte der Gesetzgeber § 651f Abs. 2 BGB ein, wobei der zu ersetzende Schaden nach der Begründung des Regierungsentwurfs ein Vermögensschaden sei, es sei denn, der Geschädigte gehe keiner beruflichen Tätigkeit nach (z. B. Schüler, Studenten, Rentner).163 Der Gesetzgeber korrigierte somit die Rechtsprechung des BGH nicht ausdrücklich.164 § 651f Abs. 2 BGB schien für den berufstätigen Reisenden nur klarstellende Wirkung zu haben, wohingegen sich die vertragliche Haftung aus dem Reisevertrag für alle übrigen Reisenden auf immaterielle Schäden erweiterte.165 Über die Rechtsnatur des Anspruchs aus § 651f Abs. 2 BGB war die Literatur zunächst uneins und sah in der Regelung teils nur die Kodifikation der bestehenden Rechtsprechung166, teils eine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB167 oder eine Norm, die für einen immateriellen Schaden anordne, ihn wie einen materiellen Schaden zu behandeln.168 Der BGH rückte 1982 unausgesprochen 159

BGH 7.5.1956 NJW 1956, 1234, 1235. BGH 10.10.1974 Z 63, 98, 101 ff.; 12.5.1980 Z 77, 116, 120 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 197 f.; s. auch Grunsky, Vermögensschaden, S. 76 ff. 161 BGH 10.10.1974 Z 63, 98, 102 ff.; 12.5.1980 Z 77, 116, 120 ff. 162 Grunsky, NJW 1975, 609, 610 ff.; Heldrich, NJW 1967, 1737 ff.; Honsell, JuS 1976, 222, 225 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 390 f.; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 504 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 109; Stoll, JZ 1975, 252, 253 ff.; für den Ausgleich des immateriellen Schadens wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Landwehrmann, NJW 1970, 1867. 163 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 8/786, S. 30; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 8/2343, S. 11. 164 S. BGH 17.1.1985 NJW 1985, 906 f. 165 BGH 12.5.1980 NJW 1980, 1947; 21.10.1982 Z 85, 168, 171 f.; 11.1.1983 Z 86, 212, 215 ff.; weitergehend Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 391; Stoll, JZ 1975, 252, 253 f. 166 Z. B. KG 9.11.1981 MDR 1982, 317; Bartl, NJW 1979, 1388; Erman/Seiler, BGB, 11. Aufl. 2004, § 651f Rn. 9; Grunewald, NJW 1980, 1924, 1927; Teichmann, JZ 1979, 737, 740; so wohl noch Tonner, JuS 1982, 411, 416; ders., JZ 1983, 206, 207 f. 167 Bendref, JR 1980, 360, 361; Blaurock, NJW 1980, 1949; Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 167; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 505; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 830; Schiemann, JuS 1980, 709, 713. 168 Burger, NJW 1980, 1249, 1252 f.; W. Müller, NJW 1987, 882, 883; zu dieser Diskussion Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 45 ff.; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 54 ff. sowie ausführlich W. Müller, Schadensersatz, S. 119 ff. 160

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

von seiner bisherigen Rechtsprechung, die den verdorbenen Urlaub als Vermögensschaden qualifizierte, ab, indem er feststellte, dass der Richter bei der Bemessung der Entschädigung nicht nur das Einkommen des Reisenden berücksichtigen dürfe, sondern alle Umstände des Einzelfalles die Höhe des Schadensersatzes beeinflussten.169 In ähnlicher Weise wird bei Nichtvermögensschäden die billige Entschädigung bestimmt. Seitdem mehren sich die Stimmen, die den nutzlos vertanen Urlaub als immateriellen Schaden qualifizieren.170 Seit 1990 beruht das Pauschalreiserecht zudem auf der Richtlinie 90/314/ EWG171. Der EuGH legte im Jahre 2002 Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie dahin aus, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, den Ausgleich aller immateriellen Schäden durch den verdorbenen Urlaub zu gewährleisten, ohne zwischen den Reisenden anhand der Berufstätigkeit zu differenzieren.172 Der Schadensbegriff in Art. 5 Richtlinie 90/314/EWG sei ein europarechtlicher Begriff.173 Die Einbeziehung der ideellen Einbußen in den Schadensbegriff stützte der Gerichtshof vor allem auf die teleologische Auslegung der Richtlinie nach Maßgabe des Effektivitätsgebots (Art. 4 Abs. 3 EUV). Der Ausgleich der Nichtvermögensschäden erfolge in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich und führe zu Wettbewerbsverzerrungen, die der Harmonisierung des Binnenmarktes als Richtlinienziel widersprächen.174 Die Auslegung des § 651f Abs. 2 BGB, der die Richtlinie umsetzt, muss dies berücksichtigen, so dass nur die Qualifikation des vertanen Urlaubs als ideeller Schaden der Richtlinie entspricht. Schließlich gab der BGH im Jahre 2005 seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich auf und stellte klar, dass die ursprüngliche Einordnung des verdorbenen Urlaubs als Vermögensschaden wegen der eingeschränkten Ersatzfähigkeit von Nichtvermögensschäden nach § 253 BGB erfolgte.175 Mit der Erweiterung der vertraglichen Haftung bei Reiseverträgen auf immaterielle Schäden bestehe hierfür keine Notwendigkeit mehr, so dass der verdorbene Urlaub nun einheitlich als ideeller Schaden zu qualifizieren sei. § 651f Abs. 2 BGB 169

BGH 25.3.1982 NJW 1982, 1522, 1523; 23.9.1982 NJW 1983, 35, 37. Z. B. Blaurock/Wagner, Jura 1985, 169, 176; Erman/Schmid, BGB, § 651f Rn. 11; W. Müller, Schadensersatz, S. 119 ff., 165; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 54 ff., 62; Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 54 ff.; s. auch OLG Düsseldorf 29.6.1989 NJW-RR 1989, 1078 f.; OLG München 25.10.1983 NJW 1984, 132, 133. 171 Richtlinie vom 13.6.1990, ABl. EG Nr. L 158 v. 23.6.1990, S. 59 (Pauschalreiserichtlinie). 172 EuGH 12.3.2002 Slg. 2002, I-2631 Rn. 23 (Simone Leitner/TUI). 173 Dazu Tonner/Lindner, NJW 2002, 1475, 1476. 174 EuGH 12.3.2002 Slg. 2002, I-2631 Rn. 20 f. (Simone Leitner/TUI); zugrunde liegen die rechtsvergleichenden Ausführungen von GA Tizziano, Schlussanträge vom 20.9.2001 Slg. 2002, I- 2631 Rn. 40 ff.; krit. Doehner, EuZW 2002, 340, 341 f.; Tonner/Lindner, NJW 2002, 1475 f. 175 BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 397 f.; ebenso Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 198; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 93; Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 59; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 251 Rn. 110; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 56. 170

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durchbreche bewusst § 253 Abs. 1 BGB und qualifiziere den Schaden als Nichtvermögensschaden.176 Die Bemessung der Entschädigung richtet der BGH daher nicht mehr am Arbeitseinkommen des Reisenden aus177, sondern bewertet die entgangene Urlaubsfreude anhand des Reisepreises, der indiziere, wie viel der ideelle Vorteil dem Reisenden wert gewesen sei.178 Ebenso wie der vertane Urlaub ist die verdorbene Freizeit nach fast allgemeiner Ansicht ein immaterieller Schaden.179 Seine Ersatzfähigkeit ist nicht geregelt, so dass eine Kompensation nur in Betracht kommt, soweit sich die vertragliche Haftung auf diesen ideellen Schaden erstreckt.180 Für eine Analogie zu § 651f Abs. 2 BGB fehlt in der Regel die planwidrige Regelungslücke, die zudem nur in Betracht kommt, wenn zwischen Schädiger und Geschädigtem ein Vertrag besteht und sich der Vertragszweck ebenso wie beim Reisevertrag auf die Verschaffung von Genuss bezieht.181 Inzwischen haben die Flug- und Bahnreisenden einen Ausgleichsanspruch aus Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 und Art. 17 VO (EG) Nr. 1317/2007, der auch eine Entschädigung für die vertane Freizeit bewirkt. Der Ausgleich immaterieller Schäden in Geld wird dadurch erweitert. c) Arbeitskraft Für den Ausgleich von Schäden, die infolge der Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Geschädigten entstanden sind, ist nicht nur die Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden maßgeblich. Vorentscheidend ist bereits die Qualifikation der Arbeitskraft als Vermögensgut, deren Verletzung regelmäßig materielle Schäden nach sich zieht. Die überwiegende Ansicht ordnet die Arbeitskraft wegen ihres Personenbezugs und der Zuordnung zur Persönlichkeitssphäre als ideelles Gut ein, so dass ihre Beeinträchtigung grundsätzlich nur immaterielle Schäden verursacht.182 Ein Vermögens176 S. auch Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 505; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 93; Stoll, Haftungsfolgen, S. 288 f. 177 BGH 19.11.1981 Z 82, 219, 226; 25.3.1982 NJW 1982, 1522, 1523; 21.10.1982 Z 85, 168, 171. 178 BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 398; vgl. auch G. Wagner (NJW 2006, Sonderheft zu Heft 22, S. 5, 6), der Genussentbehrungen generell als entgangene Lebensfreude qualifiziert, die nach § 253 Abs. 2 BGB zu entschädigen sind. 179 Z. B. BAG 24.8.1967 NJW 1968, 221, 222; BGH 6.2.1975 NJW 1975, 972, 974; 22.11.1988 Z 106, 28, 31 f.; 24.11.1995 NJW 1996, 921, 922; Medicus, JZ 2006, 805, 806; Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 112 f.; a. A. AG Herne-Wanne 27.3.1998 NJW 1998, 3631, 3632 f. (ähnliche Argumentation wie im Seereisefall des BGH 7.5.1956 NJW 1956, 1234, 1235). 180 Siehe unten § 2.C.I., S. 107 ff. 181 Zur Rechtsfortbildung zu den §§ 651a ff. BGB siehe unten § 2.C.III.2., S. 117 ff. 182 BGH 5.5.1970 Z 54, 45, 50; 6.7.1976 Z 67, 119, 128; 20.3.1984 Z 90, 334, 336; 22.11.1988 Z 106, 28, 31 f.; Brinker, Vermögensschadensersatz, S. 28 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/ 2, S. 178 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 378 ff.; Magnus, Schaden, S. 131 ff.; Mertens, Vermögensschaden, S. 152 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 86; Tolk, Frustrierungsgedanke, S. 21 ff.

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schaden in Form von entgangenem Gewinn bzw. Verdienst tritt nur bei Selbständigen oder abhängig Beschäftigten ein, die ihre Arbeitskraft zur Einkommenserzielung nutzen. Daneben gewährt die Rechtsprechung zu Recht Ehegatten und Lebenspartnern eine Entschädigung für die Tätigkeit im Haushalt, da sie entsprechend der Wertung der §§ 1356 Abs. 2, 1360 BGB als Leistung des ehelichen Unterhalts anzusehen ist, so dass die eigenwirtschaftliche Nutzung der erwerbswirtschaftlichen Einkommenserzielung gleichgestellt ist.183 Der Vermögensschaden resultiert aus einer normativen Betrachtung des Schadens. Bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften kann im Einzelfall der Vermögensschaden damit begründet werden, dass die Partner eine Vereinbarung schließen, aus der sich ergibt, dass die Tätigkeit des einen im Haushalt als Unterhalt für den anderen geleistet wird, der durch die Finanzierung des gemeinsamen Hausstandes eine Gegenleistung erbringt.184 Eine darüber hinausgehende Entschädigung der entgangenen Arbeitskraft lässt sich nicht auf eine Rechtsfortbildung zu § 252 BGB stützen.185 Der BGH hat eine Entschädigung des Nutzungswerts des geschädigten Rechtsguts nur bei Gütern zugelassen, die für die eigene Lebensführung von zentraler Bedeutung sind. Das gilt nicht für die Lebens- und Freizeitgestaltung.186 Der Arbeitskraft kommt kein einheitlicher, marktförmiger Wert zu, dieser entsteht erst bei ihrer wirtschaftlichen Verwertung durch selbständige oder abhängige Tätigkeit. Zudem wäre eine Entschädigung der Arbeitskraft nur unter der Einschränkung zulässig, dass der Geschädigte einen Nutzungswillen und eine Nutzungsmöglichkeit besaß.187 Das beschränkt den Schadensersatz indes nicht auf entgangene Einkünfte, auf die ein rechtlich gesicherter Anspruch bestand. Der Geschädigte muss zwar einen konkreten, kausal verursachten Schaden nachweisen, allerdings erleichtern § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO den Beweis, so dass eine überwiegende Schadenswahrscheinlichkeit ausreicht und die Höhe des Schadens anhand der Anknüpfungstatsachen geschätzt werden kann. In der Literatur wird es zudem bei Selbständigen für zulässig erachtet, den entgangenen Gewinn anhand der Kosten einer fiktiven Ersatzkraft zu berechnen.188 Der BGH lehnte dies zu Recht auf der Grundlage des geltenden 183 BGH 9.7.1968 Z 50, 304, 306; 11.7.1972 Z 59, 172, 173 ff.; ebenso Staudinger/Schiemann, BGB, § 252 Rn. 53; Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 118 ff. 184 Gotthardt, JuS 1995, 12 ff.; Huber, FS Steffen, S. 193 ff.; Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 132 f.; a. A. Raiser, NJW 1994, 2672. 185 Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 86. 186 Anders Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 190 f.; Grunsky, JZ 1973, 425 ff.; s. auch Staudinger/Schiemann, BGB, § 252 Rn. 53; G. Wagner, MünchKomm-BGB, §§ 842, 843 Rn. 16, der es genügen lässt, wenn die Arbeitskraft einen produktiven Beitrag zur Wohlfahrt anderer leistet, auch wenn diese unentgeltlich erfolgt. 187 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2; s. auch Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 90. 188 Esser/Schmidt, Schulrecht, Bd. I/2, S. 202; Grunsky, DAR 1988, 400, 404; Halfpap, Gewinn, S. 205 ff.; Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401, 408; Lieb, JZ 1971, 358, 361; Medicus/Lorenz, Schulrecht, Bd. I, Rn. 692; Staudinger/Schiemann, BGB, § 252 Rn. 43.

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Rechts ab, das eine konkrete Schadensberechnung voraussetzt, soweit keine Ausnahmen gesetzlich geregelt sind.189 Eine Ergänzung des § 252 BGB um eine pauschalierte Schadensbetrachtung ist aber de lege ferenda zu erwägen. Darüber hinaus erleichtert § 842 BGB den Kausalitätsnachweis, der aber vor allem klarstellende Wirkung hat. Er bezieht neben den Erwerbsschäden die Nachteile für das Fortkommen ein, so dass Vermögensschäden erfasst sind, die infolge unerlaubter Handlung gegen die Person für die künftige berufliche Entwicklung des Geschädigten entstehen. Daher sind entgangene Vorteile ersatzfähig, obwohl noch kein gesicherter Anspruch bestand.190 Das Gericht muss die zukünftige berufliche Entwicklung des Geschädigten ohne das schädigende Ereignis abschätzen. § 842 BGB gilt aber nur für das Deliktsrecht des BGB, die Gesetze zur Gefährdungshaftung nehmen nur vereinzelt auf die Nachteile für das Fortkommen wie § 842 BGB Bezug191, regeln aber den Ersatz der Personenschäden. Insoweit sind die Nachteile für das Fortkommen einzubeziehen, da sie ohnehin nicht klar vom Erwerbsschaden abgrenzbar sind.192 Die analoge Anwendung des § 842 BGB ordnen § 618 Abs. 3 BGB und § 62 Abs. 3 HGB an. Zudem ist § 618 Abs. 3 BGB analog auf Auftragnehmer und andere Personen anzuwenden, die vergleichbar einem Dienstverpflichteten im Bereich des Dienstberechtigten tätig werden.193 Nicht erfasst von § 842 BGB sind bei der vertraglichen Haftung daher nur die Selbständigen, die nicht in den Räumen oder mit den Vorrichtungen des Bestellers arbeiten. Für sie gelten weiter § 252 BGB und § 287 ZPO. Im Interesse einer gleichmäßigen Ausgestaltung der Haftungsfolgen sollte § 842 BGB in das allgemeine Schadensersatzrecht integriert werden, wo er als S. 3 des § 252 BGB Aufnahme finden könnte. Die Gegenansicht ordnet die Arbeitskraft als Vermögensgut ein und qualifiziert den Verdienstausfall als Vermögensschaden.194 Dieser hänge nicht von 189 BGH 5.5.1970 Z 54, 45, 48 ff.; 31.3.1992 NJW-RR 1992, 852; Oetker, MünchKommBGB, § 252 Rn. 27. 190 Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 12; G. Wagner, MünchKomm-BGB, §§ 842, 843 Rn. 14; s. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 585. 191 §§ 35 Abs. 1 S. 1, 36 LuftVG, §§ 28 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 1 AtomG. 192 Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 10. Problematisch ist allein der Ersatz des sog. Konjunkturschadens, der im Sinne der Gleichbehandlung von Verschuldens- und Gefährdungshaftung bei den Haftungsfolgen aber ebenfalls wie bei § 842 BGB als einbezogen anzusehen ist, Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 10; G. Wagner, MünchKomm-BGB, §§ 842, 843 Rn. 5, 17. 193 RG 20.12.1939 Z 159, 268, 271 f.; BGH 5.2.1952 Z 5, 62, 65 ff.; 9.2.1955 Z 16, 265, 267 ff.; Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 9. Die Analogie zu § 618 Abs. 3 BGB erfolgt vor allem wegen der §§ 844 f. BGB. 194 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 178 f.; Grunsky, Vermögensschaden, S. 73 ff.; Hagen, Drittschadensliquidation, S. 193 ff.; Kilian, AcP 169 (1969), 443, 457; Würthwein, JZ 2000, 337, 342; s. aber Staudinger/Schiemann, BGB, § 252 Rn. 53; G. Wagner, MünchKomm-BGB, §§ 842, 843 Rn. 16, die darauf abheben, dass die verletzte Person durch ihre Tätigkeit die Sphäre der eigenen Lebens- und Freizeitgestaltung verlassen und einen produktiven Beitrag zur Wohlfahrt anderer geleistet hätte.

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der konkreten Ausnutzung der Arbeitskraft ab, sondern nur von der Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit des Geschädigten.195 Der Ersatzfähigkeit dieses Schadens wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass der Ausgleich von Vermögensschäden durch die §§ 251, 252 BGB sowie § 842 BGB geregelt ist, so dass der Vermögensschaden nur nach deren Maßgabe entschädigt werden kann.196 Das Schadensersatzrecht ist auf den Ausgleich konkreter Schäden ausgerichtet, und der Umkehrschluss zu § 252 BGB und § 842 BGB ergibt, dass nicht bei jeder Körperverletzung ein Vermögensschaden wegen der beeinträchtigten Arbeitskraft des arbeitswilligen Geschädigten unabhängig vom Verdienstausfall zu ersetzen ist. Zudem wird versucht, die Argumentation zu den entgangenen Gebrauchsvorteilen an Sachen zu übertragen. Indes erlaubt die Naturalrestitution bei der Beeinträchtigung der Arbeitskraft keinen weitergehenden Schadensersatz als die Kompensation durch Geld. Sofern der Geschädigte seine Arbeitskraft nicht zur Gewinnerzielung einsetzt, hätte er nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auch keine Ersatzkraft auf Kosten des Schädigers beschäftigen dürfen. Somit führte selbst die Qualifikation der Arbeitskraft als Vermögensgut nicht zu einem weitergehenden Schadensausgleich. Daher hat die Abgrenzung zwischen Vermögensgütern und ideellen Gütern für die Entwicklung eines Konzepts zum Ausgleich immaterieller Schäden nur eingeschränkt Bedeutung. Bei der Entschädigung für die Beeinträchtigung der Arbeitskraft liegen die Schwierigkeiten vor allem bei der Schadensberechnung und dem Nachweis der Kausalität. d) Zusammenfassung Die Grenzen für den Ausgleich immaterieller Schäden werden nur vereinzelt durch deren Kommerzialisierung und ihre Entschädigung als materieller Schaden überwunden. Das gilt primär für die entgangenen Nutzungen einer Sache, durch die insbesondere die Folgen des divergierenden Schadensausgleichs durch Naturalrestitution und Kompensation relativiert werden. Die Erweiterung der Entschädigung ideeller Einbußen auf vertanen Urlaub ließ seine Kommerzialisierung überflüssig werden. Ohne Ausgleich bleiben nach der Rechtsprechung überwiegend die vertane Freizeit und die verminderte Arbeitskraft. Für erstere gewährt nur der Entschädigungsanspruch für Flugoder Fahrgäste der Eisenbahn punktuell einen Ausgleich für den ideellen Schaden. Für letztere erfolgt eine Entschädigung des materiellen Schadens nur, sofern ein Gewinn oder Einkommen entgangen ist (§ 252 BGB, § 842 BGB). Somit hat die Kommerzialisierung für die Abgrenzung der Nichtvermögensschäden keine eigenständige Bedeutung.

195 Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 108; Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 16; G. Wagner, MünchKomm-BGB, §§ 842, 843 Rn. 16; a. A. Würthwein, JZ 2000, 337, 342. 196 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 46.

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3. Erweiterung des § 842 BGB auf den Ausgleich von subjektiv-wirtschaftlichen Schäden Die dargestellten Grenzfälle von Vermögens- und Nichtvermögensschäden sind vor allem subjektiv-wirtschaftliche Schäden, bei denen die Verletzung der Person zur Folge hat, dass sie Sachen, Rechte oder schlicht ihre Arbeitskraft oder Freizeit nicht nutzen kann. Die Kommerzialisierung versucht diese Schäden als Vermögensschaden zu qualifizieren, damit sie uneingeschränkt ersatzfähig sind. Zum Teil wird indes eine Kompensation solcher Schäden nach § 842 BGB vorgeschlagen. Die Norm erlaube eine Entschädigung für die Verminderung der Arbeitskraft infolge von Körperverletzungen, unabhängig vom entgangenen Gewinn im Sinne von § 252 BGB.197 Das Gleiche gelte bei Ehrverletzungen.198 Die Entschädigung gleiche die Behinderungen für das Fortkommen des Verletzten aus, nicht aber die Angriffe auf das Innenleben einer Person (z. B. Verletzungen der Geheim- und Privatsphäre).199 Zur Begründung verweist insbesondere Stoll darauf, dass § 842 BGB nicht nur für Vermögensschäden gelte, sondern Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen beiden Schadensarten sowie Schwierigkeiten bei der Berechnung des Vermögensschadens überwinden solle.200 Das erlaube die Entschädigung subjektivwirtschaftlicher Schäden nach § 842 BGB, ohne sie als Vermögensschaden qualifizieren zu müssen.201 § 842 BGB ermögliche eine Vereinfachung der Rechtsanwendung, indem auf die Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden verzichtet wird.202 Die Anwendung des § 842 BGB hat nach dieser Ansicht nicht zur Folge, dass die subjektiv-wirtschaftlichen Schäden als Vermögensschäden zu qualifizieren sind. Vielmehr werden Vermögens- und Nichtvermögensschäden gleichermaßen nach § 842 BGB entschädigt. Grundsätzlich ist § 842 BGB aber nur eine Bestätigung der §§ 249 ff. BGB.203 Überwiegend wird daher angenommen, dass er lediglich einen Ausgleich für Vermögensschäden gewähre204 und klarstelle, dass auch Nachteile 197 Hagen, JuS 1969, 61, 68 f.; Knobbe-Keuk, VersR 1976, 401, 408; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 13 ff. 198 Nörr, AcP 158 (1959/60), 1, 12; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 12. 199 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 14 ff.; krit. zum Rückgriff auf § 842 BGB für die Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ehlers, Geldersatz, S. 125. 200 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 12 ff.; krit. Ehlers, Geldersatz, S. 126. 201 Nörr, AcP 158 (1959/60), 1, 11 f.; Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 3; ähnlich Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 108. 202 Soergel/Beater, BGB, § 842 Rn. 1; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 15 f.; s. auch Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 3 (wenn die Voraussetzungen für den Ersatz ideeller Schäden vorliegen). 203 RG 15.6.1933 Z 141, 169, 172; BGH 5.2.1952 Z 5, 62, 63; 18.11.1957 Z 26, 69, 77; Soergel/ Beater, BGB, § 842 Rn. 1; G. Wagner, MünchKomm-BGB, §§ 842, 843 Rn. 2. 204 BGH 17.1.1995 NJW 1995, 1023; Palandt/Sprau, BGB, § 842 Rn. 2; Soergel/Beater, BGB, § 842 Rn. 5; Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 3; G. Wagner, MünchKomm-BGB, §§ 842, 843 Rn. 2, 14; s. auch Deutler, Schmerzensgeld, S. 71 f.

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für den zukünftigen Erwerb und das Fortkommen Vermögensschäden sind205. Gerade der Verweis auf Erwerb und Fortkommen zeigt, dass ein Erwerbsschaden im Sinne eines Vermögensverlusts vorliegen muss, wobei aber Erwerbsaussichten genügen.206 Vor der Reform des Schadensersatzrechts wurde der Einbeziehung von Nichtvermögensschäden entgegengehalten, dass für den Ausgleich immaterieller Schäden in § 847 BGB a. F. ein eigener Anspruch neben dem Ersatz der Vermögensschäden bestehe.207 Die Streichung des § 847 BGB a. F. und die Neuregelung des § 253 BGB sollten daran nichts ändern, sondern verfolgten vor allem den Zweck, die Entschädigung ideeller Einbußen auf die vertragliche Haftung zu erweitern.208 Daher bleibt die Auslegung des § 842 BGB von der Reform unberührt. 4. Zusammenfassung Die negative Definition des Nichtvermögensschadens beruht letztlich auf dem Primat des Vermögensschadens, das den §§ 249 ff. BGB ursprünglich zugrunde lag. Zu einer besseren Erfassung des ersatzfähigen Schadens ist hingegen auch eine positive Beschreibung erforderlich. Nur wenn ein Bewusstsein dafür besteht, was den immateriellen Schaden ausmacht, ist eine angemessene Entschädigung möglich. Angesichts der eingeschränkten Ersatzfähigkeit der ideellen Schäden wurde in der Vergangenheit versucht, ihren Ausgleich durch die Erweiterung des Vermögensschadensbegriffs indirekt zu verbessern. Im Vordergrund standen vor allem die sog. subjektiv-wirtschaftlichen Schäden. Abgesehen von der Entschädigung entgangener Nutzungen hat sich weder die Kommerzialisierung immaterieller Schäden noch der Frustrationsgedanke durchgesetzt. In der jüngeren Vergangenheit erweiterte der Gesetzgeber vielmehr den Ausgleich ideeller Schäden und erfasst nun auch ideelle Einbußen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung wie beim vertanen Urlaub.

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Prot. II, S. 636; Schiemann, Argumente, S. 238; Staudinger/Schiemann, BGB, § 251 Rn. 108; Staudinger/Vieweg, BGB, § 842 Rn. 16; G. Wagner, MünchKomm-BGB, §§ 842, 843 Rn. 2, 16; s. auch Ehlers, Geldersatz, S. 124, der § 842 BGB aber als Regelung ansieht, die der Einordnung der Grenzfälle als immaterielle Schäden dient; anders Grunsky, MünchKommBGB, 3. Aufl. 1994, Vor § 249 Rn. 24. 206 BGH 5.5.1970 Z 54, 45, 52 f.; 22.2.1973 NJW 1973, 700, 701; 29.4.1977 Z 69, 34, 36; 20.3.1984 Z 90, 334, 336 f.; 2.4.1991 NJW 1991, 2422, 2422 f.; 24.11.1995 Z 131, 220, 226; 8.11.2002 NJW 2002, 292, 293; Erman/Ebert, BGB, § 252 Rn. 2; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 86; Pardey, zfs 2007, 243, 244; Soergel/Beater, BGB, § 842 Rn. 4 f.; vgl. auch Palandt/ Sprau, BGB, § 842 Rn. 2 f. 207 Zum Anspruchscharakter des § 847 BGB a. F. siehe § 16.C.II.2., S. 694 ff. 208 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f.

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II. Positive Abgrenzung der immateriellen Schäden 1. Ausrichtung des Nichtvermögensschadens am subjektiv erlittenen Schmerz Unabhängig von der negativen Abgrenzung der immateriellen Schäden anhand des Begriffs des Vermögensschadens soll eine positive Beschreibung dieser Schäden erfolgen. Sie erleichtert die Feststellung des Schadensumfangs, der zugleich Grundlage für die Bemessung der Entschädigung ist, soweit dem Anspruch eine Ausgleichsfunktion zugewiesen wird. Die immateriellen Schäden wurden zunächst als Gefühlsschäden oder als Einbußen in der Gefühlsbilanz bzw. negative Gefühlsbilanz beschrieben.209 Das knüpft an das sog. Schmerzensgeld an, auf das in der Diskussion über die Ersatzfähigkeit ideeller Schäden vor dem Inkrafttreten des BGB wiederholt Bezug genommen wurde.210 Daher gelten vor allem die subjektiv erlittenen physischen und psychischen Schmerzen, Unannehmlichkeiten und sonstige Beeinträchtigungen des Wohlbefindens als ideeller Schaden.211 Die positive Begriffsbestimmung wird indes selten explizit problematisiert. Bei der Bestimmung des Schadensumfangs und der Bemessung der Entschädigung schwingt die Bezugnahme auf die subjektiv erlittenen Schmerzen jedoch regelmäßig mit. Das zeigte sich insbesondere bei Extremfällen wie der Zerstörung der Persönlichkeit, die mit der Wahrnehmungs- und Empfindungsunfähigkeit des Geschädigten verbunden ist. Der BGH ging bis 1992 davon aus, dass in solchen Fällen nur eine symbolische Entschädigung in Betracht komme, weil der Geschädigte keine Schmerzen erleide und sich mit der Entschädigung keine Annehmlichkeiten verschaffen könne.212 Der Ausgleich immaterieller Schäden war somit in doppelter Hinsicht gefühlsbezogen. Zum einen setzte der Schaden das Erleiden von Schmerzen voraus, zum anderen hing die Kompensation davon ab, dass sich der Geschädigte mit der Entschädigung in Geld positive Gefühlserlebnisse (Annehmlichkeiten) verschaffen konnte213. Diese Anbindung an das Gefühl warf bei der Er209 v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 145, 153 f.; s. Rspr., die wegen des Gefühlsbezugs zunächst das Verschulden und die Vermögensverhältnisse der Beteiligten sowie das Bestehen einer Versicherung unberücksichtigt lässt, RG 27.3.1906 Z 63, 104, 104 f.; 7.4.1932 Z 136, 60, 61; BGH 29.11.1952 Z 7, 223 ff.; krit. wegen mangelnden Nachvollziehbarkeit von Gefühlen H. A. Fischer, Schaden, S. 299 f.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 51 ff.; s. auch Jansen, HKKBGB, §§ 249–253, 255 Rn. 142, der aber nicht klar zwischen Schadensbeschreibung und Bemessungskriterien für die Entschädigung unterscheidet; G. Wagner, Karlsruher Forum 2006, S. 5, 100. 210 Zur Rechtsentwicklung Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 142; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 49 ff. m. w. N. 211 So zum Schmerzensgeld Planck/Planck, BGB, Bd. II, 1. Aufl., § 847 Anm. 2 b; Planck/ Landois, BGB, Bd. II, 4. Aufl., § 847 Rn. 3; Warneyer, Kommentar, § 847 Rn. 1; krit. wegen der abweichenden gesetzlichen Konzeption G. Wagner, Karlsruher Forum 2006, S. 5, 101. 212 BGH 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148 f.; bestätigend BGH 22.6.1982 NJW 1982, 2123. 213 BGH 6.7. 1955 Z 18, 149, 157, 159; ausführlich dazu § 3.B.I., S. 150 ff.

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mittlung des konkreten ideellen Schadens zwei Probleme auf: Erstens sind Gefühle nicht immer intersubjektiv nachvollziehbar, so dass die Schadensermittlung erheblich erschwert ist. Zweitens erweiterte das BGB bereits bei seinem Inkrafttreten den Ausgleich immaterieller Schäden über die Entschädigung von Schmerzen und Leiden infolge von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen hinaus und erfasste auch die Folgen von Freiheitsberaubungen und Verunstaltungen. Daher reicht das Abstellen auf Schmerzen und Unannehmlichkeiten nicht aus, um die immaterielle Einbuße vollständig zu erfassen. Die Erweiterung des Schadensausgleichs auf die Folgen von Persönlichkeitsverletzungen und Diskriminierungen zieht die Anknüpfung an die erlittenen Schmerzen zusätzlich in Zweifel. Solche Rechtsverletzungen gehen zwar regelmäßig mit Gefühlsregungen des Geschädigten einher, doch bleibt die Frage, ob Gefühlsschäden die gesamte erlittene Einbuße ausmachen. Das BGB hat die immateriellen Schäden zudem stets negativ als Schäden umschrieben, die nicht materielle Schäden sind. Daher sind sie nicht auf die erlittenen Schmerzen beschränkt, sondern können auch andere Einbußen an rechtlich geschützten Interessen erfassen. Die Schwierigkeiten, die sich bei der Ermittlung ideeller Schäden wegen der unzureichenden intersubjektiven Nachvollziehbarkeit ergeben, hat Stammler bereits beim Inkrafttreten des BGB gesehen und sich dafür ausgesprochen, sich nicht an den negativen subjektiven Empfindungen zu orientieren.214 Vielmehr solle die objektive Verletzung der Person ausgeglichen werden.215 Insoweit ist nicht eindeutig, ob er auf die Ermittlung des subjektiven Schadens verzichten will und somit einen objektiven Schadensbegriff zugrunde legt, der den Schaden mit der Rechtsgutsverletzung gleichsetzt. Er kann auch dahin verstanden werden, dass ein subjektiver Schaden erforderlich ist und nur die Entschädigung nach objektiven Kriterien bemessen werden soll. Diese Differenzierung hat insbesondere Konsequenzen, wenn der Geschädigte infolge der Verletzung wahrnehmungs- und empfindungsunfähig geworden sind. Sofern der erlittene Schmerz weiterhin der maßgebliche immaterielle Schaden sein und nur die Bemessung der Entschädigung nach objektiven Kriterien erfolgen soll, bedürfte es höchstens einer symbolischen Entschädigung. Die Gerichte haben die Kompensation im Grunde von Anfang an am subjektiven Schaden ausgerichtet. Die Rechtsgutsverletzung wird nicht mit dem Schaden gleichgesetzt, allerdings wird die Entschädigung nach objektiven Umständen bemessen.216 Wegen der Abhängigkeit des ideellen Schadens vom Empfinden des Geschädigten beschränkte sich die Entschädigung bei einer empfindungsunfähig gewordenen Person zunächst auf einen symbolischen Betrag.217 214

Stammler, Recht der Schuldverhältnisse, S. 126 ff. Stammler, Recht der Schuldverhältnisse, S. 126 ff. 216 Z. B. BGH 18.11.1969 VersR 1970, 134, 136; 19.12.1969 VersR 1970, 281, 282; 10.3.1970 VersR 1970, 443, 445 (zum Vergleich mit ähnlichen Schadensfällen). 217 Ausführlich unten § 3.B.III., S. 155 ff. 215

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Lorenz kritisiert, dass ein subjektives Verständnis den immateriellen Schaden vom negativen Empfinden des Geschädigten abhängig mache und somit Schwierigkeiten eintreten, wenn der Geschädigte infolge des Schadensfalles empfindungsunfähig geworden sei.218 Daher sprach er sich zunächst vollständig gegen die Berücksichtigung von Gefühlsschäden aus.219 Lorenz unterscheidet zwischen inneren und äußeren immateriellen Verletzungs- und Verletzungsfolgeschäden und beschränkt die Entschädigung auf die äußeren immateriellen Verletzungs- und Verletzungsfolgeschäden.220 Sie seien intersubjektiv nachvollziehbar und erforderten im Prozess keine Beweiserhebung, die unzumutbar in die Persönlichkeitsrechte des Geschädigten eingreife.221 Er korrigiert nicht nur die Bemessung der Entschädigung, sondern modifiziert die Beschreibung des immateriellen Schadens sowie seine Ermittlung. Diesen strikten Ansatz relativierte er später und stellte die Gefühlsschäden als sog. innere immaterielle Beeinträchtigungen den äußeren Lebensführungsschäden gegenüber.222 Ein empfindungsunfähiger Geschädigter erleide zwar nur einen äußeren Lebensführungsschaden, bestehe die Wahrnehmungs- und Entfaltungsfähigkeit zumindest teilweise, seien sowohl der Gefühlsschaden als auch der äußere Lebensführungsschaden zu entschädigen.223 Neben diesen Überlegungen, die vor allem dazu dienten, die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich durch den Rekurs auf die Gefühle des Geschädigten ergeben, bleibt jedoch ein konzeptionelles Defizit bei der Beschreibung der immateriellen Schäden. Der Gesetzgeber war sich bei Inkrafttreten des BGB im Klaren darüber, dass die vom Geschädigten erlittenen Schmerzen nur eine Schadensposition sind. Aus diesem Grund übernahm er den Begriff des Schmerzensgeldes nicht in das BGB.224 Die positive Beschreibung, was ideeller Schaden ist, blieb der Rechtsprechung und der Wissenschaft überlassen. Vor allem das Konzept von Lorenz ist als ein Vorschlag anzusehen, der die Beschränkung auf die Gefühlseinbuße überwindet. Allerdings ergänzt das Abstellen auf die äußeren immateriellen Verletzungs- und Verletzungsfolgeschäden den Gefühlsschaden nicht, sondern ersetzt ihn. Indem Lorenz später die innere ideelle Beeinträchtigung und den äußeren Lebensführungsschaden ein-

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E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 56. E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 51 ff.; ders., FS Wiese, S. 261, 269 ff. 220 E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 62 ff., 67 ff., 93 ff., 104; zust. Canaris, FS Deutsch, S. 99, 102 f.; s. auch Gottwald, Schadenszurechnung, S. 168; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125; objektivierend hins. der Verletzungsfolgeschäden, insbesondere der Einbußen der Lebensführung Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 9 (ohne zusätzliche Ausführungen zur Konzeption); G. Wagner, Karlsruher Forum 2006, S. 5, 105; abl. Klumpp, Privatstrafe, S. 169 ff.; im Ergebnis auch S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 133 ff. 221 E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 23 f., 51 ff. 222 E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 268 f. 223 E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 271. 224 Mot. II, S. 801; ausführlich oben § 1.A.II., S. 13 ff. 219

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ander gegenüber stellt, relativiert er diesen strikten Ansatz.225 Ähnlich geht auch Spindler davon aus, dass alle nachteiligen Folgen für die körperliche und seelische Verfassung des Geschädigten, unabhängig vom körperlich empfundenen Schmerz bzw. psychisch feststellbarer Krankheit, ersatzfähiger ideeller Schaden sind.226 Eine nähere Begründung dieses Ansatzes gibt er nicht. Der BGH hat hingegen daran festgehalten, dass die erlittenen Gefühlsschäden den Nichtvermögensschaden ausmachen.227 Nur die Entscheidung über die Entschädigung eines empfindungsunfähig gewordenen Geschädigten aus dem Jahre 1992 löste sich zwar von der Anknüpfung an die erlittenen Schmerzen und die Verschaffung von Annehmlichkeiten oder Genugtuung.228 Der BGH beschränkte sich dabei aber ausdrücklich auf die entschiedene Fallgruppe, um einer Verallgemeinerung entgegenzuwirken. Eine Neuausrichtung des Begriffs des immateriellen Schadens erfolgte nicht. Auch die Anerkennung des Entschädigungsanspruchs wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung oder die Regelung des § 611a BGB a. F. bzw. der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG führten nicht dazu, dass die Beschreibung des immateriellen Schadens revidiert wurde. Zudem bestehen Unsicherheiten, worin bei dieser Rechtsverletzung der Nichtvermögensschaden besteht.229 Die dogmatische Auseinandersetzung mit dem Ausgleich ideeller Schäden leidet somit an dem beachtlichen Defizit, dass nicht hinreichend bestimmt ist, was die Einbuße an Interesse ist, die als Nichtvermögensschaden gilt und schließlich entschädigt wird. Bei der Diskussion wird zudem nicht immer klar zwischen der Rechtsgutsverletzung, dem Schaden und der Bemessung der Entschädigung getrennt. Grundsätzlich liegt dem Schadensersatzrecht ein subjektiver Schadensbegriff zugrunde, der an die konkrete Einbuße des Geschädigten anknüpft.230 Der sog. objektive Schadensbegriff setzt hingegen die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden gleich, ohne nach der subjektiven Einbuße zu fragen.231 Davon zu unterscheiden ist jedoch die objektivierende Schadensbetrachtung bei der Bemessung der Entschädigung. Sie setzt einen subjektiven Schaden voraus. Um die Höhe der Entschädigung leichter bestimmen zu können, wird jedoch nicht auf die individuelle negative Gefühlsbilanz abgestellt, sondern auf die Folgen, die der Schadensfall bei einer Person mit normaltypischem Empfindungsvermögen auslöst.232

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E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 268 f. BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 25. 227 S. die Entwicklung der Rechtsprechung zu den empfindungsunfähigen Geschädigten § 3.B.III., S. 155 ff. 228 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5 ff.; bestätigend BGH 16.2.1993 LM Nr. 90 zu § 847 BGB. 229 Siehe unten § 3.B.V.2., S. 167 ff. 230 Ausführlich unten § 3.B.II., S. 154 f. 231 Ausführlich unten § 3.B.IV., S. 158 ff. 232 Ausführlich unten § 4.A.II., S. 223 ff. 226

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2. Erweiterung der Nichtvermögensschäden durch die Anerkennung sog. Per-se-Schäden Eine positive Umschreibung des immateriellen Schadens hat insbesondere Brüggemeier unternommen. Er qualifiziert alle Entschädigungen wegen ideeller Einbußen einschließlich der Folgen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Schadensersatz und weist ihnen eine Ausgleichs- und Präventionsfunktion zu.233 Bei Verletzungen von Personen sei die billige Entschädigung in Geld eine dritte Spur der Haftung neben der Naturalrestitution und Kompensation von Vermögensschäden.234 Brüggemeier unterscheidet bei den immateriellen Schäden zwischen den sog. Gefühlsschäden und den Perse-Personenschäden. Gefühlsschäden seien jene subjektiven immateriellen Verletzungsbegleitschäden, die allgemein als ideelle Schäden anerkannt sind. Zu ihnen gehören alle Beeinträchtigungen des physischen, psychischen und emotionalen Wohlbefindens.235 Per-se-Personenschäden seien hingegen alle nicht restituierbaren Verletzungen der physischen und psychischen Integrität.236 Es handle sich um körperliche Beeinträchtigungen, die als solche einen zu entschädigenden Schaden darstellen. Diese Form der immateriellen Schäden ist an den danno biologico des italienischen Zivilrechts angelehnt. Nichtvermögensschäden sind im italienischen Zivilrecht auf die Folgen bestimmter Strafdelikte beschränkt.237 Die Anerkennung des danno biologico erweitert die begrenzte Entschädigung immaterieller Schäden, indem die objektiven Verletzungen der physischen und psychischen Gesundheit als Schaden erfasst und unabhängig von ihrer Heilbarkeit kompensiert werden.238 In gleicher Weise soll der Per-se-Personenschaden die Beschränkung auf Gefühlsschäden vermeiden und erfasst die Beeinträchtigung der Person als solche, ohne dass eine konkrete Einbuße bestehen muss.239 Per-se-Schäden sind beispielsweise der Verlust eines Organs, die bleibenden Behinderungen und die Zerstörung der Persönlichkeit.240 Das Konzept Brüggemeiers löst sich somit von der Notwendigkeit eines Schadens. Die Anerkennung des Per-se-Personenschadens führt zu einer billigen Entschädigung allein wegen der Rechtsgutsverletzung. Im Grunde wird damit ein objektiver Schadensbegriff eingeführt. Dem liegt vor allem die Vorstellung von der präventiven Wirkung des Haftungsrechts zugrunde, die auf 233

Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 575, 577. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 577. 235 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 578. 236 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 577 f. 237 Sog. danno non patrimoniale, siehe art. 2059 Codice civile, art. 89, 185, 598 Codice penale; dazu Alpa, in: Bussani, European Tort Law, S. 152, 168 ff.; Bender, Personenschaden, S. 95 ff. 238 Bender, Personenschaden, S. 169 ff. 239 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 561, 577 f. 240 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 577 f. 234

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den Schutz des Rechtsgutes ausgerichtet ist. Damit widerspricht Brüggemeier seinem ursprünglich gesetzten Ziel, die billige Entschädigung als Schadensersatz zu reinterpretieren.241 Das Abstellen auf einen objektiven Schaden führt zu einer Haftung für die Rechtsgutsverletzung, so dass nicht in jedem Fall ein konkreter Schaden vorliegen muss. Zudem ist ein solches Vorgehen nicht erforderlich, wenn eine exakte Beschreibung des immateriellen Schadens erfolgt, die nicht allein an dem Gefühlsschaden haftet, sondern alle Einbußen an rechtlich geschützten Interessen erfasst, die keine Vermögensschäden sind. Mit der Anleihe beim italienischen Recht – dessen gesetzliche Regelung die Entschädigung immaterieller Schäden noch restriktiver handhabt als das deutsche Recht – löst sich Brüggemeier von den Vorgaben der §§ 249 ff. BGB, die am konkreten Schaden anknüpfen. Zudem klärt er nicht, ob und in welchem Maße sich die Entschädigung für Per-se-Personenschäden und Gefühlsschäden in Form von Schmerzen und Leiden überschneiden können. Unklar bleibt das Schicksal der bisher von den Gerichten gewährten Entschädigung für die Beeinträchtigung der Lebensfreude. Sie könnte als Gefühlsschaden qualifiziert und weiter gewährt werden oder im Per-se-Schaden aufgehen. Konzeptionell ist zudem nicht klar, warum die billige Entschädigung bei Verletzungen der Person nach Brüggemeier eine dritte Spur des Haftungsrechts neben Naturalrestitution und Entschädigung der Vermögensschäden sein soll. § 253 BGB ist Teil der Regelungen zur Schadenskompensation, die zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden differenzieren. Zudem ist den gesetzlichen Regelungen nicht zu entnehmen, dass sich die Kompensation immaterieller Schäden auf Personenschäden beschränkt. § 253 Abs. 2 BGB bezieht sich zwar auf die Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts. Daneben enthält das Privatrecht inzwischen aber eine Reihe weiterer Regelungen, die unabhängig von der konkreten Rechtsgutsverletzung eine Entschädigung für immaterielle Schäden gewähren.242 Diese Bestimmungen betreffen zwar ausschließlich die vertragliche Haftung. Angesichts der allgemeinen Regelung des Schadensersatzrechts in den §§ 249 ff. BGB befreit das aber nicht von der Begründung, warum für die deliktische Haftung für Personenschäden Besonderheiten gelten sollten. Es liegt vielmehr näher, eine unzureichende Erfassung des Nichtvermögensschadens zu kritisieren. Die Anerkennung von Per-se-Personenschäden vermag diesem Defizit nicht abzuhelfen, zumal die Frage zu beantworten bleibt, ob der bisherige Ausgleich subjektiver Schäden tatsächlich durch eine Anerkennung objektiver Schäden erweitert werden soll. Ein Schadensersatz unabhängig vom Schaden läuft – sofern es sich nicht um eine Schadenspauschalierung handelt – auf einen Strafschadensersatz hinaus.

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Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 561. Siehe unten § 2.C., S. 107 ff.

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3. Gleichsetzung von Rechtsgutsverletzung und Nichtvermögensschaden bei Persönlichkeitsverletzungen Eine Weiterentwicklung des Begriffs des Nichtvermögensschadens schlägt von Bar für die Persönlichkeitsverletzungen vor. Ähnlich wie Brüggemeier gibt er die Trennung zwischen Rechtsverletzung und Schaden auf, so dass beide zusammenfallen.243 Zur Begründung verweist er ebenfalls auf die Entwicklung des italienischen Zivilrechts, die sich auf Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen bezog, und überträgt sie auf die Persönlichkeitsverletzungen im Übrigen. Im Gegensatz zum italienischen Recht und zum Konzept Brüggemeiers erkennt von Bar indes keine neue Schadenskategorie – wie den Per-se-Schaden – an, sondern modifiziert den Begriff des ideellen Schadens.244 Er führt im Grunde einen objektiven Schadensbegriff ein und gibt allein für die Nichtvermögensschäden infolge von Persönlichkeitsverletzungen die Differenzierung zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden auf. Zudem plädiert von Bar für die Entschädigung aller Persönlichkeitsverletzungen, da ihre Beschränkung auf schwere Verletzungen eine nicht nachvollziehbare sowie unerträgliche Schlechterstellung im Vergleich zu den Eigentumsverletzungen sei.245 Gegen die Einführung eines objektiven Schadensbegriffs sind im Wesentlichen die gleichen Einwände wie gegen den Per-se-Schaden Brüggemeiers zu erheben. Entgegen den Vorgaben des Schadensersatzrechts in den §§ 249 ff. BGB ist die Entschädigung vom Schaden unabhängig. Damit muss nicht mehr präzisiert werden, was den immateriellen Schaden ausmacht und ob das subjektive Empfinden des Verletzten Voraussetzung ist.246 Zudem kommt es dann nicht mehr darauf an, ob die Bemessung der Entschädigung nach einem objektiven Maßstab erfolgt, so dass den konzeptionellen Problemen des Ausgleichs ideeller Schäden ausgewichen wird, indem man die Rechtsgutsverletzung genügen lässt.247 Auf diesem Wege wird in das Schadensersatzrecht zudem ein strafendes Element integriert, das dem Ausgleich der Vermögensschäden im Vergleich fremd ist. Diese Privilegierung der Personenschäden im Verhältnis zu den übrigen Vermögensschäden, bei denen es weiterhin auf den subjektiven Schaden ankommt, begründet von Bar nicht. Es kommt zu einer Ungleichbehandlung zwischen dem Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden, die im Gesetz nicht angelegt ist. Letztlich wird sogar das Regel-AusnahmeVerhältnis bei der Entschädigung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden ein Stück weit aufgehoben. Grundsätzlich sind Vermögensschäden uneingeschränkt zu entschädigen, wohingegen Nichtvermögensschäden auf die ge243 244 245 246 247

v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 22. v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 22. v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 22. Ähnlich Jansen, ZEuP 2001, 20, 59 f. Ähnlich Jansen, ZEuP 2001, 20, 59 f.

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setzlich geregelten Fälle beschränkt bleiben. Mit der Anerkennung eines objektiven Schadensbegriffs beim Ausgleich immaterieller Schäden ist eine Entschädigung unabhängig vom Schaden zulässig, sofern eine Rechtsgutsverletzung vorliegt. Die Aufgabe der Beschränkung der Entschädigung auf die schweren Persönlichkeitsverletzungen führt zugleich zu einer erheblichen Erweiterung der ersatzfähigen Schäden. 4. Positive Beschreibung des Nichtvermögensschadens durch Bender Ein eigenes Konzept für den Schadensausgleich entwickelte Bender, der damit die schwer zu handhabende Abgrenzung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden überwinden will, um sowohl den angemessenen Ausgleich der subjektiv-wirtschaftlichen Schäden als auch der Nichtvermögensschäden einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Er stützt sich dabei insbesondere auf einen Vergleich mit der Entwicklung des italienischen Codice civile, der den Ausgleich immaterieller Schäden stark beschränkt und dessen Restriktionen die Rechtsprechung durch die Anerkennung des danno della salute bzw. des danno biologico überwand.248 Zudem verweist Bender auf § 842 BGB, der ebenfalls über die Trennung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschaden hinweggehe.249 Zudem ließen sich auf diese Weise die Berechnungsschwierigkeiten lösen und Rechtsschutzlücken schließen. Für sein eigenes Konzept de lege ferenda entwickelt Bender den Begriff des Personenschadens, der die Behinderung des vollen Einsatzes der körperlichen und intellektuellen Fähigkeit erfasst und auch Schäden einbezieht, die daraus entstehen, dass der Geschädigte seine Pläne zur Verwendung der persönlichen produktiven Ressourcen nicht verwirklichen kann.250 Insoweit differenziert er zwischen den regelmäßig ersatzfähigen und den nur ausnahmsweise ersatzfähigen Schäden.251 Erstere sind alle Schäden, die gegenwärtig als Vermögensschaden zu qualifizieren sind, und letztere vor allem die Nichtvermögensschäden. Zur Abgrenzung stellt er darauf ab, ob der Schaden messbar und somit eine Entschädigung bestimmbar sei. Neben den moralischen Vorbehalten gegen die Entschädigung immaterieller Schäden ist dies der tragende Grund für die Einschränkung des Ausgleichs von Nichtvermögensschäden.252 Das berücksichtige, dass Schäden, die nach heutigem Verständnis als Vermögensschäden gelten, infolge der Entwicklung eines Bewertungsmaßstabs messbar und somit regelmäßig zu ersetzen sind.253 Auf diese Weise lasse sich die dynamische Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse sowie die Rechtsprechung zur Bewertung ideeller Schäden integrieren. 248 249 250 251 252 253

Bender, Personenschaden, S. 213, 215 ff. Bender, Personenschaden, S. 226, 227. Bender, Personenschaden, S. 212 ff., 301 ff. Bender, Personenschaden, S. 213, 215, 281 ff., 293 ff. Bender, Personenschaden, S. 282 f. Bender, Personenschaden, S. 293 f.

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Bender entwirft seine Konzeption nur für die Personenschäden und passt sich nicht in das Schadensersatzrecht im Übrigen ein. Zudem wählt er einen rechtsgutsbezogenen Ansatz, der sich im allgemeinen Schadensersatzrecht der §§ 249 ff. BGB nicht wiederfindet. Die Regelungen sind – mit Ausnahme des § 253 Abs. 2 BGB – rechtsgutsunabhängig und unterscheiden nur zwischen den Vermögens- und Nichtvermögensschäden. Es bedürfte einer vollständigen Umgestaltung der §§ 249 ff. BGB, die Bender weder vorschlägt noch skizziert. Eine Regelung der Personenschäden unabhängig von der Abgrenzung der Vermögens- und Nichtvermögensschäden wäre wie ein Fremdkörper im geltenden Recht. Schließlich fehlt der Abgrenzung zwischen den regelmäßigen und den ausnahmsweise ersatzfähigen Schäden ebenfalls ihre Belastbarkeit. Die Schwierigkeiten im Umgang mit den subjektiv-wirtschaftlichen Schäden resultieren nicht allein oder sogar primär aus der Bemessbarkeit des Schadens, sondern vor allem aus der unterschiedlichen Ausgestaltung von Naturalrestitution und Kompensation, die sich in § 251 BGB auf den Tauschwert beschränkt. Die subjektiv-wirtschaftlichen Schäden gehen zudem über den Bereich der Personenschäden hinaus, so dass die Probleme im Umgang mit den subjektiv-wirtschaftlichen Schäden nicht umfassend gelöst sind. Über dieses schadensrechtliche Konzept hinaus favorisiert Bender ein Verständnis der Ausgleichsfunktion im Rahmen des § 847 BGB a. F., das über die bisher vorherrschende Ansicht, die auf die zugefügten Schmerzen und Leiden sowie die Einbußen an Lebensfreude abstellt, hinausgeht.254 Er verweist darauf, dass § 847 Abs. 1 BGB a. F. Ausdruck des Schutzes von Gesundheit und körperlicher Integrität sei, die die natürliche Ressource und Grundlage für eine selbstbestimmte und umfassende Lebensgestaltung bilden. Daher setze § 847 BGB a. F. den Schutz von Würde und Freiheit des Menschen nach dem GG im Zivilrecht um.255 Zu entschädigen sei daher jede verletzungsbedingte Beeinträchtigung des frei gewählten Lebensvollzugs und jede subjektive Lebenshemmung, so dass es für die Entschädigung nicht auf die Empfindungsfähigkeit des Geschädigten ankomme, sondern allein am äußerlichkörperlichen Verletzungsbild anzuknüpfen sei.256 Damit will er alle Schäden erfassen, die statisch infolge der Verletzung eingetreten sind, sowie alle sich dynamisch entwickelnden Folgeschäden, die daraus resultieren, dass der Geschädigte am vollen Einsatz seiner körperlichen und intellektuellen Fähigkeiten gehindert ist.257 Mit dieser Beschreibung des Personenschadens, die es ermöglicht, den Ausgleich der immateriellen Schäden besser an der tatsächlich erlittenen Einbuße 254

Bender, Personenschaden, S. 266 ff. Bender, Personenschaden, S. 264 f. 256 Bender, Personenschaden, S. 274 f., 286; auf diesen Zusammenhang verweisen auch BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 154; Deutsch, JuS 1969, 197, 198; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 64 ff.; Mertens, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 847 Rn. 5. 257 Bender, Personenschaden, S. 286. 255

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auszurichten, weist Bender in die richtige Richtung. Die Verengung des immateriellen Schadens auf den Gefühlsschaden erfasst die erlittene Einbuße, die kein Vermögensschaden ist, nur partiell. Soweit Bender die Ausgleichsfunktion weiterentwickelt, wird indes nicht deutlich, ob die Auslegung des § 847 Abs. 1 BGB a. F. dazu führen soll, dass die Rechtsgutsverletzung ausreicht, so dass unabhängig von einem Gefühlsschaden eine Entschädigung zu gewähren ist, oder ob er einen immateriellen Schaden in der Beeinträchtigung der Selbstentfaltungsmöglichkeit des Verletzten sehen will. Diese Unklarheit wird dadurch begünstigt, dass er nicht immer deutlich genug zwischen der Rechtsgutsverletzung, dem ersatzfähigen subjektiven Schaden und der Bemessung der Entschädigung differenziert. 5. Einbeziehung der schwer bezifferbaren Schäden in den Kreis der immateriellen Schäden Die Diskussion über die Abgrenzung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden zielt primär auf die Erweiterung des Vermögensschadensbegriffs, um der begrenzten Ersatzfähigkeit von ideellen Schäden auszuweichen. Umgekehrt erwägt Schwerdtner die Erweiterung des Begriffs der Nichtvermögensschäden auf die schwer bezifferbaren Schäden, um deren Entschädigung zu erleichtern.258 Der Ausgleich der Vermögensschäden ist dadurch erschwert, dass ein konkreter Schaden nachzuweisen und die Entschädigung grundsätzlich exakt zu berechnen ist. § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO erleichtern zwar die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs, setzen aber Anknüpfungstatsachen voraus, deren Darlegung ebenfalls Schwierigkeiten birgt. Im Einzelfall steht der Kläger gegebenenfalls schlechter als derjenige, der einen ersatzfähigen ideellen Schaden erlitten hat und dem das Gericht auf seinen unbezifferten Klageantrag eine angemessene Entschädigung zuspricht. Nach Schwerdtners Vorschlag sind Nichtvermögensschäden alle Schäden, die nicht Vermögensschäden sind, sowie alle schwer bezifferbaren Vermögensschäden. Für diese Erweiterung des Begriffs der Nichtvermögensschäden verweist er auf die Motive des BGB259, die § 847 BGB a. F. auch praktische Be258 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 263 f., 275 ff., 284, 306 f.; s. auch Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 677; anders Prütting, MünchKomm-ZPO, § 287 Rn. 36; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 131 f., die für eine Neufassung des § 287 ZPO plädieren. Zur Einbeziehung schwer bezifferbarer materieller Schäden in die Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: Wachs, Entschädigungszahlungen, S. 173 ff., 274, 371. 259 Mot. II, S. 800 f.: „Von praktischer Bedeutung ist der Abs. 1 namentlich auch für solche Fälle, in welchen die Beschädigung einen vermögensrechtlichen Nachtheil zur Folge hat, ohne daß dieser als solcher mit der zu seiner Bemessung erforderlichen Deutlichkeit hervortritt. Dahin gehören die Fällen, wenn eine Verunstaltung das bessere Fortkommen erschwert oder von der bisherigen Lebensweise abzuweichen nöthigt, wenn eine Verletzung zu neuen Bedürfnissen anregt usw. Zwar hat bereits der § 260 CPO [§ 287 ZPO, d. Verf.] dem Richter die Befugniß beigelegt, nach freier Ueberzeugung zu entscheiden, ob ein Schaden entstanden ist und wie

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deutung zuwiesen, wenn die Beschädigung einen vermögensrechtlichen Nachteil hervorgerufen habe, der nicht so deutlich zutage trete, dass er sich beziffern ließe.260 Daher meint er, dass der Gesetzgeber eine klare Grenzziehung zwischen materiellen und immateriellen Schäden für unmöglich hielt und schwer bezifferbare Vermögensschäden in den Anwendungsbereich des § 847 BGB a. F. einbezog.261 Die Motive verweisen aber nicht eindeutig auf ein solches Verständnis. Vielmehr wird zugleich auf die Grenzen der Schadensschätzung bei Vermögensschäden nach der ZPO und die Ersatzfähigkeit von Nichtvermögensschäden nach dem BGB hingewiesen. Dadurch kommt eher zum Ausdruck, dass die Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden an Bedeutung verliert, soweit zumindest ein immaterieller Schaden besteht, der nach § 847 BGB a. F. ersatzfähig ist. Der Geschädigte erhält in diesen Fällen eine Entschädigung, auch wenn nicht sicher sei, ob und in welcher Höhe ein Vermögensschaden vorliege. Das hat nicht zur Folge, dass die schwer bezifferbaren Vermögensschäden in den Begriff der Nichtvermögensschäden einbezogen sind. Vielmehr wird klargestellt, dass die Unbestimmtheit des Vermögensschadens wegen des Ausgleichs der ideellen Schäden nicht so schwer ins Gewicht fällt. Schließlich spricht Schwerdtner stets von potentiellen Vermögensschäden.262 Versteht man seine Äußerung dahin, dass damit ein Schadensfall gemeint ist, der einen immateriellen Schaden bewirkt, der sich gegebenenfalls zu einem materiellen Schaden weiterentwickelt, erfolgte keine Erweiterung des Begriffs des Nichtvermögensschadens. Ein potentieller Vermögensschaden ist zudem etwas anderes als ein schwer bezifferbarer Vermögensschaden. Danach wäre ein potentieller Vermögensschaden nur eine andere Bezeichnung für einen Unterfall des Nichtvermögensschadens, der gerade nach § 253 Abs. 2 BGB ersatzfähig ist.263 Einen anderen Weg beschreitet Dreier, der die schwer bezifferbaren Vermögensschäden nicht unmittelbar in den Begriff des Nichtvermögensschadens einbezieht, sondern ihnen zurechnen will.264 Dadurch erfolge eine fallgrup260 hoch der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse sich beläuft; mit Rücksicht darauf könnte gerade für die bezeichneten Fälle das Bedürfniß einer Bestimmung, wie die des Abs. 1 in Zweifel gezogen werden. Allein jene Bestimmung gewährt doch auch für Fälle der hier fraglichen Art dem Richter insofern eine erheblich freiere Stellung bei der Zuerkennung einer Entschädigung, als er nicht die Überzeugung zu gewinnen braucht, dass und inwieweit der Verletzte gerade einen Vermögensschaden erlitten hat, sondern als er auch einen nicht vermögensrechtlichen Schaden berücksichtigen darf.“. 260 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 264; anders Deutler, Schmerzensgeld, S. 64 f. 261 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 264. 262 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 284, 306 f. 263 Anders E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 60 f., für den der potentielle Vermögensschaden ein Vermögensschaden bleibt und der die Gleichsetzung mit Nichtvermögensschäden ablehnt. 264 Dreier, Kompensation, S. 48 ff.

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penweise Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden durch eine teleologische Reduktion des § 253 Abs. 1 BGB, die zu einer Gleichsetzung von inkommensurablen Nichtvermögensschäden und schwer bezifferbaren Vermögensschäden führe.265 Die Nichtvermögensschäden sind indes nicht in Geld bemessbare Schäden, wohingegen bei den schwer bezifferbaren Schäden die konkrete Schadensberechnung erschwert oder unmöglich ist. Der Ausgleich des Vermögensschadens scheitert an dessen Darlegung bzw. dem Beweis. Anders als bei ideellen Schäden ist nicht ihre Ersatzfähigkeit eingeschränkt, sondern nur ihre prozessuale Durchsetzung. Für eine Lösung bieten sich daher zwei Wege an: Entweder muss eine partielle Loslösung vom Grundsatz der konkreten Schadensberechnung im Schadensersatzrecht oder eine Modifikation des Prozessrechts – insbesondere durch eine Erweiterung des § 287 ZPO266 – erfolgen, wobei es jeweils einer gesetzlichen Regelung bedarf. Für einzelne Fallgruppen ist die Normierung einer Schadenspauschalierung zu erwägen. Die Einbeziehung schwer bezifferbarer Vermögensschäden in § 253 Abs. 2 BGB ist indes dogmatisch der falsche Weg, um über die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Schadenshöhe hinwegzuhelfen.267 Dreiers Vorschlag zielt zudem nicht auf eine neue Konzeption für den Ausgleich ideeller Schäden, sondern soll nur punktuell Abhilfe angesichts der unzureichenden Rechtslage schaffen. Somit stehen diese Erweiterungsversuche hinsichtlich des Begriffs der immateriellen Schäden nicht im Zentrum der hiesigen Untersuchung zu einem Gesamtkonzept des Ausgleichs ideeller Schäden.

D. Zusammenfassung Der Ausgleich immaterieller Schäden wurde sukzessive erweitert. Bei der Entschädigung sind die Nichtvermögensschäden aber weiterhin nicht den Vermögensschäden gleichgestellt, nur die Naturalrestitution erfolgt unabhängig von der Schadensart. Die Entschädigungsansprüche haben durch die Rechtsprechung und den Gesetzgeber seit Inkrafttreten des BGB erhebliche Ausdehnung erfahren. Insbesondere die Entschädigung von Nichtvermögensschäden infolge einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der sexuellen Selbstbestimmung sind nicht mehr vom Haftungsgrund abhängig. Der Ausgleich dieser Schäden hängt aber weiterhin von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts ab, dessen Verletzung zugleich Anhaltspunkt für 265 Dreier, Kompensation, S. 51; zu einer solchen Konzeption einer fallgruppenweisen Erweiterung der Entschädigung immaterieller Schäden s. Magnus, Schaden, S. 308 f., 312 ff. 266 Dazu Prütting, MünchKomm-ZPO, § 287 Rn. 36; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 131 f. 267 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 51; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 131; wohl auch E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 60 f.

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den Umfang des Schadens und die Bemessung der Entschädigung ist. Die Anknüpfung am Rechtsgut hat der Gesetzgeber jedoch durch zusätzliche Regelungen gelockert, die insbesondere für die vertragliche Haftung den Ausgleich immaterieller Schäden erweitern. Bei der Auseinandersetzung mit dem Begriff des immateriellen Schadens stand lange die negative Abgrenzung von Vermögensschäden im Vordergrund. Das beruht auf der gesetzlichen Regelung in § 253 BGB und § 847 BGB a. F. Zudem wurde vor allem durch die Erweiterung des Vermögensschadensbegriffs versucht, die Entschädigung von Einbußen zu ermöglichen, die sonst als Nichtvermögensschaden keine Kompensation durch Geld erfahren hätten. Die Ausdehnung des Vermögensschadensbegriffs hat sich aber nur hinsichtlich der entgangenen Nutzungen etabliert und das Konzept des Ausgleichs immaterieller Schäden nicht nachhaltig verändert. In der jüngeren Vergangenheit erfolgte eher eine Erweiterung des Ausgleichs ideeller Schäden. Die Erweiterung des Vermögensschadensbegriffs hat sich nicht durchgesetzt. Gegenstand der Diskussion ist allein der Schadensersatz bei einer Verminderung der Arbeitskraft, wenn dem Geschädigten kein Gewinn oder Einkommen entgangen ist. Wegen dieser einseitigen Konzentration auf die negative Abgrenzung der Nichtvermögensschäden zu den Vermögensschäden weist die positive Beschreibung der immateriellen Schäden erhebliche Defizite auf. Der seit langem verwendete Begriff des Schmerzensgeldes ist einseitig an der Verletzung von Körper und Gesundheit sowie der erlittenen Gefühlsbeeinträchtigung ausgerichtet. Das galt bereits bei Inkrafttreten des BGB, da nach § 847 BGB a. F. auch Freiheitsberaubungen zu entschädigen waren, die nicht in jedem Fall mit schmerzlichem Empfinden verbunden sind, sondern eher zu Aggressionen oder Ängsten führen. Zudem sind Eingriffe in die sexuelle Integrität ihre Folgen nur unvollständig erfasst, wenn auf die negativen Gefühle abgestellt wird, da Nachwirkungen der Verletzung auf die Lebensführung darüber hinausgehen. Die Zweifel an der Gleichsetzung von immateriellen Schäden mit Gefühlseinbußen wachsen angesichts der Ausdehnung der Entschädigung auf Schäden infolge schwerer Persönlichkeitsverletzungen, unzulässiger Benachteiligungen nach dem AGG, des Verlusts des Arbeitsplatzes oder der Verspätung oder des Ausfalls von Zügen oder Flugzeugen, auch wenn im Einzelfall regelmäßig Emotionen mitschwingen mögen. Die immaterielle Einbuße ist durch die negative Gefühlsbilanz indes nicht vollständig umschrieben. Um den ideellen Schaden in einer positiven Beschreibung vollständig zu erfassen, bedarf es einer Loslösung der ausschließlichen Fixierung auf die negative Gefühlsbilanz. Die bisherigen Vorschläge gehen aber eher dahin, den Schaden mit der Rechtsgutsverletzung gleichzusetzen, so dass nicht die tatsächliche Einbuße maßgeblich ist, sondern allein die Rechtsgutsverletzung. Brüggemeier will zudem die Kategorie des sog. Per-se-Schadens einführen, um insbesondere die Fälle zu lösen, in denen der Geschädigte empfindungsun-

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fähig geworden ist. Diese Konzepte haben bisher keine größere Gefolgschaft gefunden. Daneben schlägt Bender vor, von der Kategorie des Personenschadens auszugehen, um die Abgrenzung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu überwinden. Zudem schlägt er in diesem Zusammenhang eine positive Beschreibung des immateriellen Schadens vor, die sich bei den Personenschäden an den erlittenen Einbußen für die Entfaltung der Person orientiert und nicht allein am Gefühl anknüpft.

§ 2 Die Abhängigkeit der Kompensation immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut Der Ausgleich immaterieller Schäden ist trotz der Reform des Schadensersatzrechts grundsätzlich von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängig. Dabei sind nicht alle personenbezogenen Rechtsgüter gleichermaßen erfasst. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Entschädigung der Rechtsverletzung sind weiterhin nicht allgemein geregelt, sondern nur punktuell durch das Datenschutzrecht, das Immaterialgüterrecht und die §§ 22 f. KUG erfasst. Daneben tritt der von der Rechtsprechung entwickelte Anspruch auf Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Um die Defizite beim Ausgleich immaterieller Schäden zu ermitteln, sind daher die bestehenden Normen und Rechtsfortbildungen in ihrer Rechtsanwendung systematisch zu analysieren und Regelungslücken aufzuzeigen. Soweit erforderlich ist zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung zu unterscheiden. Daneben ist auf die Erweiterung der vertraglichen Haftung auf Nichtvermögensschäden einzugehen, die nicht von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung abhängig sind. Insoweit ist dazustellen, woran die Haftung anknüpft, welcher Schaden ausgeglichen wird und wie weit die Haftung reicht. Anhand dieser Analyse ist in Teil 3 der Arbeit aufzuzeigen, ob und in welchen Bereichen die Entschädigung immaterieller Einbußen zu erweitern ist. Teil 4 geht schließlich darauf ein, ob und inwieweit es über den Schadensausgleich hinaus eines Strafschadensersatzes oder einer Privatstrafe neben dem Schadensersatz bedarf.

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A. Der Ausgleich immaterieller Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts I. Entschädigung beim Tod des Geschädigten 1. Keine Entschädigung für den Tod oder die Verkürzung der Lebenserwartung Obwohl das Leben das höchste Rechtsgut eines Menschen und der Tod die schwerstmögliche Rechtsgutsverletzung seiner Person ist, wird weder der Verlust des Lebens noch die Verkürzung der Lebenserwartung entschädigt.1 Diese Beschränkung beruht auf der personalen Konzeption der Zivilrechtsordnung. Der Rechtsträger geht mit dem Verlust des Rechtsguts zugleich unter, so dass ein Entschädigungsanspruch nicht mehr in seinen Händen entstehen und auf die Erben übergehen kann.2 Entschädigt werden nur Beerdigungskosten und entgangener Unterhalt (§§ 844 f. BGB). Der Schädiger steht letztlich besser, wenn der Geschädigte verstirbt, als wenn er schwer verletzt und möglicherweise mit Dauerschäden überlebt.3 Das wird vielfach als fragwürdig empfunden, zumal unter diesen Umständen kein ausreichender Anreiz bestehe, hohe Gefahren zu vermeiden oder schadensvorbeugende Maßnahmen zu ergreifen.4 Die Rechtsordnung müsse aber ein Interesse daran haben, die Tötung eines Menschen zu verhindern, und könne hierfür Anreize setzen, indem der Schädiger auch für den Verlust des Lebens als Nichtvermögensschaden haftet.5 Brüggemeier leitet einen originären Entschädigungsanspruch der (nahen) Angehörigen im Todesfall aus dem grundrechtlichen Schutzgebot für das Rechtsgut Leben aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1 GG ab.6 Der Anspruch stehe neben den Ansprüchen wegen Vermögens- und Schockschäden. Sofern der Getötete keine Angehörigen habe, solle der Betrag einer Wohlfahrtseinrichtung zufließen.7 Brüggemeier verweist darauf, dass die Entwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden auf einen solchen Anspruch hindeute.8 Der Entschädigungsanspruch ist seit 1990 ver1 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 393; OLG Düsseldorf 11.3.1996 NJW 1997, 806; KG 11.7.1996 VersR 1997, 327; OLG Karlsruhe 25.1.2000 VersR 2001, 1123; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 913; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 28; Stoll, Haftungsfolgen, S. 358, 359; G. Wagner, JZ 2004, 319, 325. 2 Stoll, Haftungsfolgen, S. 359. 3 G. Wagner, JZ 2004, 319, 325. 4 v. Bar, FS Deutsch, S. 27, 43; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 23; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 578 ff.; v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 282; Odersky, Schmerzensgeld, S. 10 ff.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 145 ff.; ders., Haftungsfolgen, S. 359; Vorndran, ZRP 1988, 293; Weimar, MDR 1966, 296, 297; s. auch Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 913; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 737. 5 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 737; v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 282. 6 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 578 ff. 7 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 579. 8 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 578 f.

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erblich, so dass Körperverletzungen kurz vor dem Tod entschädigt werden, und seit 1992 gewährt der BGH auch den empfindungsunfähigen Geschädigten eine Entschädigung. Dennoch ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus dem Schutzgebot der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1 GG. Dieses verpflichtet den Staat zwar zum Schutz des Lebens, doch ihm ist nur ein Minimalschutz aufgegeben9, den bereits das Strafrecht gewährleistet. Zudem richtet sich das Schutzgebot an die staatliche Gewalt, wobei Gestaltungsspielräume angesichts der Gewaltenteilung von der Legislative auszuschöpfen sind.10 Die Rechtsprechung ist zwar gehalten, das grundrechtliche Schutzgebot bei der Gesetzesauslegung heranzuziehen11, die Entwicklung eines neuen Anspruchs geht aber darüber hinaus. Einen solchen Anspruch können die Gerichte zudem nur zusprechen, wenn er vom Schutzgebot vorgegeben ist und kein Gestaltungsspielraum besteht, dessen Ausschöpfung der Legislative zustünde.12 Eine solche Situation besteht jedoch nicht, da weder der Anspruchsinhaber noch die Höhe des Anspruchs zwingend durch das Schutzgebot und den Gleichheitssatz vorgegeben sind. Die strafrechtliche Sanktion genügt zudem den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Eine Entschädigung für die Tötung ist somit verfassungsrechtlich nicht geboten. Eine rechtspolitische Entscheidung zugunsten eines solchen Entschädigungsanspruchs muss Argumente des Rechtsgüterschutzes oder der ökonomischen Analyse bedenken. Daraus ergibt sich indes noch nicht, welche Summe für das Leben als Rechtsgut festzusetzen ist, welche Umstände den Umfang der Entschädigung beeinflussen13 und wer Anspruchsinhaber ist: die Erben oder die Angehörigen des Verstorbenen. Zudem bleibt zu bestimmen, wem die Summe zufließt, wenn weder Angehörige noch Erben vorhanden sind. Angesichts dieser Schwierigkeiten plädieren Kötz und Wagner dafür, trotz der Forderungen der ökonomischen Analyse keinen Ausgleich für den Verlust des Lebens als immaterielle Einbuße zu gewähren, sondern nur ein Angehörigenschmerzensgeld einzuführen.14 Zudem führe die Entschädigung zu einer steigenden Belastung der Versicherungen, ziehe höhere Prämien für 9 BVerfG 28.5.1993 E 88, 203, 254; Alexy, Grundrechte, S. 421 f., 426; Canaris, JuS 1989, 161, 163; Dieterich, RdA 1995, 129, 134; ders., Grundgesetz, S. 32; Dietlein, ZG 1995, 131, 132; Klein, DVBl. 1994, 489, 495. 10 BVerfG 7.2.1990 E 81, 242, 261; Dieterich, RdA 1995, 129, 134; Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, S. 54 f.; Isensee, Grundrechte, S. 38 ff.; Klein, DVBl. 1994, 489, 494; Ruffert, Vorrang, S. 203 ff., 231 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 951; Unruh, Schutzpflichten, S. 23 f. 11 BVerfG 19.10.1993 E 89, 214, 234; Hermes, NJW 1990, 1764, 1768; Ruffert, Verfassung, S. 231 f.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 162. 12 Canaris, Grundrechte, S. 87; Hager, JZ 1994, 373, 379. 13 Auf die Überforderung des Richters mit der Festsetzung eines Ausgleichs für den Verlust des Rechtsguts Leben verweisen Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1035; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 406 ff.; Medicus, ZGS 2006, 103, 104; G. Müller, VersR 1995, 489, 494. 14 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 738; G. Wagner, JZ 2004, 319, 327; ders., Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 62.

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die Versicherungsnehmer nach sich und setze einen Anreiz zur Inszenierung von Unfällen.15 Unabhängig davon, ob der Entschädigungsanspruch in den Händen der Erben oder Angehörigen entstehen würde, ginge er jedoch über den Verlust hinaus, den die Erben bzw. Angehörigen wegen des Todesfalls erleiden. Dieser beschränkt sich auf die Beerdigungskosten, den entgangenen Unterhalt und die Trauer wegen des Verlusts eines Angehörigen. Zudem erhält der Erbe mehr als sonst im Wege der Universalsukzession. Das zerstörte Rechtsgut Leben als höchstpersönliches Rechtsgut kann ohnehin nicht übergehen, so dass dem Erben an sich keine Kompensation für den Verlust des Lebens zustehen kann. Nur die Ansprüche wegen einer Körperverletzung, die später zum Tod des Geschädigten führte, gehen auf ihn über. Der Anspruch entsteht vor dem Todesfall, beschränkt sich auf die immateriellen Einbußen infolge der Körperverletzung und ist vererblich. Bei allen Ansprüchen, die darüber hinausgehen, handelte es sich nicht um den Ersatz der erlittenen Einbuße, sondern um eine Privatstrafe in Form eines Strafschadensersatzes. Gegen die Einführung eines solchen Anspruchs spricht, dass das Strafrecht die verbleibenden Schutzlücken hinreichend schließt und dem Rechtsgüterschutz im Wege der Generalund Spezialprävention dient.16 2. Entschädigung der Trauer von Angehörigen als Drittschaden Die Trauer des Angehörigen wegen eines Todesfalls erfasst das deutsche Recht nicht als ersatzfähigen ideellen Schaden. Solange es an einer Gesundheitsbeschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB fehlt, ist der Trauerschaden nicht zu kompensieren.17 Ein zusätzliches Hindernis für das sog. Angehörigenschmerzensgeld ergibt sich aus dem Grundsatz vom Gläubigerinteresse, der den Schadensersatzanspruch auf die Schäden beschränkt, die der Gläubiger erlitten hat.18 Angehörige haben nur einen Schadensersatzanspruch, wenn sie selbst einen vertraglichen oder deliktischen Anspruch gegen den Schädiger haben oder soweit die §§ 844 f. BGB den Grundsatz vom Gläubigerinteresse durchbrechen. Diese Vorschriften beschränken sich aber auf Vermö-

15 G. Müller, VersR 2003, 137, 138; dies., VersR 2006, 1289, 1290; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 62. 16 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 738; G. Wagner, JZ 2004, 319, 327; ders., Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 62. 17 Ahlmann, VersR 2009, 449, 454; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 913; Ebert, Pönale Elemente, S. 465; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 730; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 150; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 46; s. auch Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149; Odersky, Schmerzensgeld, S. 19, die den Schock als allgemeines Lebensrisiko einordnen. 18 Deutsch, JuS 1969, 197, 200; Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1035; Odersky, Schmerzensgeld, S. 10, 14; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 35; s. auch Steffen, FS Odersky, S. 723, 730 f.

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gensschäden und berücksichtigen die Trauer über den Tod des Angehörigen nicht.19 Die Trauer der Angehörigen wird auch vom Entschädigungsanspruch für Schmerzen, die der Verstorbene kurz vor seinem Tod erlitten hat und der mit seinem Tod auf die Erben übergeht, nicht erfasst.20 Die Entschädigung beschränkt sich auf ideelle Schäden des Verstorbenen vor dem Todesfall. Sie kann höchstens als ein „Ersatz“ für die Entschädigung der Trauer angesehen werden, wenn der Verstorbene an sich keinen Schadensersatzanspruch hätte haben dürfen, weil er keine Genugtuung durch die Geldzahlung erfahren kann. Bleibt der Anspruch in diesem Fall dennoch zugunsten der Erben aufrechterhalten, ließe er sich als verdeckter Ersatz der Trauerschäden ansehen. Der Entschädigungsanspruch setzt aber nicht voraus, dass sich der Geschädigte tatsächlich Annehmlichkeiten verschafft.21 Zudem ist der Kreis der Erben und der trauernden Angehörigen nicht notwendig, sondern höchstens zufällig deckungsgleich. Der Entschädigungsanspruch für die Schmerzen des Verstorbenen vor seinem Tod hat lediglich eine höhere Bedeutung, weil es ansonsten an einer Entschädigung für die erlittene Trauer fehlt. Einen eigenen Anspruch wegen ihrer Trauer haben die Angehörigen gegenwärtig nur, wenn ein pathologischer Zustand in Form eines Nervenschocks eintritt und ein hinreichender Zurechnungszusammenhang zur Rechtsgutsverletzung des Schädigers besteht. Die Ableitung eines Entschädigungsanspruchs für die Angehörigen wegen ihrer Trauer stützen einzelne Autoren de lege lata auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und den Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG.22 Der Tod des Ehegatten oder eines Familienmitglieds sei der schwerstmögliche Eingriff in diese Schutzgüter, so dass zugunsten der Angehörigen ein Entschädigungsanspruch bestehen müsse.23 Der Bezug auf Ehe und Familie verhindere zudem das Ausufern der Haftung.24 Anspruchsinhaber seien nur Ehegatten sowie Eltern und Kinder, nicht aber Verlobte, Lebensgefährten oder langjährige Freunde.25 Die Ableitung eines Entschädigungsanspruchs setzt aber voraus, dass ein Schutz19 Z. B. §§ 844 f. BGB (i. V. mit § 618 Abs. 3 BGB oder § 62 Abs. 3 HGB), § 5 Abs. 1 S. 2, 2 HPflG, § 10 Abs. 1 S. 2, 2 StVG, § 35 Abs. 1 S. 2, 2 LuftVG, § 28 Abs. 1 S. 2, 2 AtomG, § 86 Abs. 1 S. 2, 2 AMG, § 7 Abs. 1 S. 2, 2 ProdHaftG. 20 Huber, NZV 1998, 345, 351; Odersky, Schmerzensgeld, S. 14. 21 Siehe unten § 3.B.I., S. 150 ff. 22 Gontard, DAR 1990, 375, 377 ff.; Huber, NZV 2012, 5, 11; Kadner Graziano, IPrax 2006, 307, 309; Klinger, NZV 2005, 290, 291 ff.; Schramm, Haftung, S. 334 ff., 357; krit. Adelmann, VersR 2009, 449, 451. 23 Gontard, DAR 1990, 375, 377 f.; Kadner Graziano, IPrax 2006, 307, 309; Klinger, NZV 2005, 290, 293. 24 Gontard, DAR 1990, 375, 378. 25 Gontard, DAR 1990, 375, 378; s. auch Vorndran, ZRP 1988, 293, 295; weiter Odersky, Schmerzensgeld, S. 22 (Regelungsvorschlag für ein Angehörigenschmerzensgeld de lege ferenda: häusliche Gemeinschaft).

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gebot der Grundrechte besteht. Die familiären und partnerschaftlichen Beziehungen sind indes kein von der Rechtsprechung anerkannter Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, nur das Recht auf Familienplanung gilt als „Ausstrahlung“ des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ohne dass für dessen Verletzung eine Geldentschädigung zugesprochen wird.26 Selbst ein Anspruch aus vertraglicher Haftung besteht nur, wenn der Vertrag gerade der Verwirklichung der Familienplanung diente (z. B. Vasektomie, Sterilisation).27 Zudem bezogen sich die Entscheidungen nur auf Vermögensschäden. Selbst die Anerkennung eines Rechts auf Familienplanung und auf das Ausleben der familiären und partnerschaftlichen Beziehung zwingt nicht zur Ableitung eines Entschädigungsanspruchs zugunsten der Angehörigen des Getöteten.28 Die vorsätzliche oder fahrlässige Tötung einer Person ist grundsätzlich kein unmittelbarer Angriff auf die Ehe oder die Familie, sie wirkt sich nur faktisch auf deren Fortbestand aus. Es fehlt am spezifischen Zusammenhang zwischen geschützter Freiheit und Beeinträchtigung. Der Angriff richtet sich primär gegen Leib und Leben, die als Rechtsgüter durch die Rechtsordnung, insbesondere durch das Strafrecht, angemessen geschützt sind.29 Zudem hat die Legislative das Primat bei der Umsetzung der Schutzpflicht. Die Rechtsprechung kann einen Entschädigungsanspruch höchstens gewähren, wenn es sich um die einzige Möglichkeit handelt, das Rechtsgut zu schützen. Das ist indes nicht der Fall, da bereits strafrechtliche Sanktionen bestehen. Die Einführung eines Entschädigungsanspruchs für die Trauer der Angehörigen ist verfassungsrechtlich somit nicht geboten, sondern eine rechtspolitische Entscheidung. Die bestehende Beschränkung des Schadensersatzrechts auf Fälle, in denen die Angehörigen einen Nervenschock erleiden, kritisiert das Schrifttum30 und fordert überwiegend die Ergänzung des Schadensersatzrechts um ein sog. Angehörigenschmerzensgeld für Trauerschäden31, um das 26

Siehe BGH 18.1.1983 Z 86, 240, 249. BGH 18.3.1980 Z 76, 259; 14.11.2006 VersR 2007, 109. 28 Fortbestand der persönlichen Nähebeziehung zu Angehörigen und Lebenspartner nicht erfasst Pflüger, Schmerzensgeld, S. 145 ff.; vgl. Adelmann, VersR 2009, 449, 451 (auch darauf verweisend, dass eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur bei zielgerichtetem Eingriff vorliegen könne). 29 Ebenso Pflüger, Schmerzensgeld, S. 150 ff. 30 BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 12; Deutsch, Haftungsrecht, S. 577; Frank, FS Stoll, S. 143, 156; Gontard, DAR 1990, 375, 376 f.; Greger, NZV 2002, 222, 224; Hacks, NJW 1975, 1450, 1452; Hohloch, Gutachten, S. 375, 444 f.; Janssen, ZRP 2003, 156, 159; Klinger, NZV 2005, 290, 293; Lieberwirth, DAR 1966, 179, 181; Odersky, Schmerzensgeld, S. 19 ff.; Scheffen, NZV 1995, 218 f.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 362 ff.; G. Wagner, JZ 2004, 319, 325 ff.; ders., Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 64 f. 31 BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 12; Frank, FS Stoll, S. 143, 156; Hacks, NJW 1975, 1450, 1452; Huber, NZV 2012, 5, 8 ff. (der zugleich eine Rechtsfortbildung unter Rückgriff auf Art. 6 Abs. 1 GG erwägt); v. Jeinsen, zfs 2008, 61, 64; Lieberwirth, DAR 1966, 179, 181; Odersky, Schmerzensgeld, S. 21 ff.; Scheffen, NZV 1995, 218 f.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 362 ff.; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 65, 66; ders., NJW 2006, Sonderheft zu Heft 22, S. 5, 7; s. auch 27

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deutsche Schadensersatzrecht den übrigen europäischen Rechtsordnungen anzugleichen. Zudem vervollständige der Entschädigungsanspruch den Schutz des Rechtsguts Leben und sei von der Präventionsfunktion des Schadensersatzes getragen.32 Dem werden vor allem die Schwierigkeiten bei der Bemessung der Entschädigung, die damit einhergehende Gefahr von Willkürentscheidungen33 und die Erhöhung der Versicherungsprämien entgegengehalten34. 3. Ausgleich von Schockschäden als mittelbare Schäden Die Angehörigen haben gegenwärtig einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen der Trauer infolge eines Todesfalles nur, wenn sie eine Gesundheitsbeschädigung in Form eines Nervenschocks erlitten haben.35 Der Schadensersatzanspruch besteht also nicht in jedem Todesfall, sondern nur bei einem Schock, der über die normale Trauer hinausgeht und ein pathologischer Zustand im Sinne einer Gesundheitsbeschädigung ist.36 Die Rechtsprechung verlangt darüber hinaus einen schweren Schockschaden.37 Die traumatische Belastung des Angehörigen müsse schwerer sein als bei der Erlebnisverarbeitung nach einem Trauerfall üblich, so dass sie außerhalb des allgemeinen Lebensrisikos stehe, das der Geschädigte selbst tragen müsse.38 Medizinisch erfassbare Auswirkungen des Schocks (z. B. Schlafstörung) genügten nicht. Auf diese Weise soll den Schwierigkeiten bei der Ermittlung psychischer Gesundheitsbeschädigungen Rechnung getragen werden, die Manipulationen erlauben, so dass ein Anreiz zur Klageerhebung besteht.39 Dieser Erheblichkeitsschwelle hat die Literatur zu Recht widersprochen. Für die abweichende Behandlung der Schockschäden als seelische Erkrankung im Vergleich zu den 32 Weller, MedR 2008, 570; vgl. Greger, NZV 2002, 222, 224, der eine Rechtsfortbildung für möglich zu halten scheint. Zu aktuellen rechtspolitischen Bemühungen zur Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes s. den Bericht von Schultzky, VersR 2011, S. 857 ff. 32 G. Wagner, JZ 2004, 319, 321; abl. Ahlmann, VersR 2009, 449, 454. 33 Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1035; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 406 ff.; Medicus, ZGS 2006, 103, 104; G. Müller, VersR 1995, 489, 494. 34 Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 13. 35 Drittverletzung, s. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 915; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149; E. Schmidt, MDR 1971, 538, 539 f. 36 BGH 11.5.1971 Z 56, 163, 165; 31.1.1984 NJW 1984, 1405; 12.11.1985 NJW 1986, 777, 778; 4.4.1989 NJW 1989, 2317; 18.7.2006 NJW 2006, 3268; 22.5.2007 NJW 2007, 2764, 2765; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 12; Medicus, ZGS 2006, 103, 104; G. Wagner, MünchKommBGB, § 823 Rn. 79 ff. 37 BGH 11.5.1971 Z 56, 163, 165; 5.2.1985 Z 93, 351, 355; 12.11.1985 NJW 1986, 777, 778; 4.4.1989 NJW 1989, 2317 f.; 22.5.2007 NJW 2007, 2764, 2765; zust. Erman/Ebert, BGB, Vor §§ 249–253 Rn. 52; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149; Odersky, Schmerzensgeld, S. 18; Soergel/Mertens, BGB, Vor § 249 Rn. 137; krit. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 915; Stürner, DAR 1986, 7, 11. 38 BGH 11.5.1971 Z 56, 163, 165; 12.11.1985 NJW 1986, 777, 778; 4.4.1989 NJW 1989, 2317, 2318; s. auch BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 12; Geigel/Knerr, Haftpflichtprozess, Kap. 1 Rn. 11. 39 Deubner, JuS 1971, 622, 623 f.

§ 2 Die Abhängigkeit immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut

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physischen Verletzungen fehlt ein sachlicher Grund.40 Zusätzliche Anforderungen können sich nur daraus ergeben, dass die Rechtsgutsverletzung dem Schädiger zurechenbar sein muss. Der Nervenschock des Angehörigen ist eine mittelbare Rechtsgutsverletzung. Zwischen dem ideellen Schaden und der Rechtsgutsverletzung besteht grundsätzlich eine psychisch vermittelte Kausalität, wenn der Anlass die Reaktion des Angehörigen rechtfertigt, diese angemessen ist und sich in dem Schaden das typische Risiko des Schadensfalles verwirklicht.41 Es muss sich um eine naheliegende psychische Reaktion des geschädigten Angehörigen handeln, in der sich nicht nur das allgemeine Lebensrisiko, sondern ein gesteigertes, vom Schädiger gesetztes Risiko verwirklicht. Die Tötung eines Menschen gilt als rechtfertigender Anlass für einen Nervenschock eines nahen Angehörigen, ohne dass es auf eine enge persönliche Beziehung im konkreten Fall und die Angemessenheit der Reaktion ankomme.42 Vielmehr erfolgt eine objektivierende Betrachtung anhand des Verwandtschaftsverhältnisses. Die Rechtsprechung gewährt nur nahen Angehörigen einen Entschädigungsanspruch.43 Obwohl dem BGB kein allgemeiner Angehörigenbegriff zugrunde liegt, besteht Einigkeit, dass Ehegatten, Lebenspartner sowie Eltern und Kinder zu den Angehörigen zählen, deren Schockschaden dem Schädiger zuzurechnen sind.44 Zum Teil werden Verlobte und Lebensgefährten einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen der emotionalen Bindung in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbezogen.45 40 Bischoff, MDR 2004, 557, 558; Deubner, JuS 1971, 622, 623; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 915; Heldermann, Schadensersatz, S. 74 ff., 84 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 151; Park, Schockschäden, S. 29 ff.; R. Schmidt, Schockschäden, S. 194; Schramm, Haftung, S. 472; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 46; Stürner, DAR 1986, 7, 11; s. auch Kegel, Haftung, S. 15, 23. 41 In Bezug auf die Angehörigen eines Getöteten BGH 11.5.1971 Z 56, 163, 165; 12.11.1985 NJW 1986, 777, 778; 4.4.1989 NJW 1989, 2317 f.; 22.5.2007 NJW 2007, 2764, 2766; s. auch OLG Karlsruhe VersR 2012, 456, 457; allg. zu Herausforderungsfällen BGH 13.7.1971 Z 57, 25, 28 ff.; 30.6.1987 Z 101, 215, 219 ff.; 12.3.1996 Z 132, 164, 166. 42 BGH 11.5.1971 Z 56, 163, 165; 5.2.1985 Z 93, 351, 355; Ahlmann, VersR 2009, 449, 451 ff.; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 915; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149; s. auch v. Hippel, NJW 1965, 1890, 1893 (Sonderbeziehung zwischen Getötetem und Verletztem erforderlich); krit. G. Wagner, JZ 2004, 319, 327 (für ein Abstellen auf die faktisch-soziale Nähebeziehung). 43 Z. B. BGH 12.11.1985 NJW 1986, 777, 778; OLG Stuttgart 21.7.1988 NJW-RR 1989, 477, 478; befürwortend E. v. Hippel, NJW 1965, 1890, 1893; E. Schmidt, MDR 1971, 538, 540 (wegen größerer Spürbarkeit des Drittschadens für Familienmitglieder). 44 Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 916; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 153; einschränkend auf Fälle häuslicher Gemeinschaft Scheffen, NZV 1995, 218, 219; zur Notwendigkeit eines besonderen Näheverhältnisses Ahlmann, VersR 2009, 449, 451 f.; R. Schmidt, Schockschäden, S. 172 ff. 45 LG Frankfurt M. 28.3.1969 NJW 1969, 2286; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 916; Erman/ Ebert, BGB, Vor §§ 249–253 Rn. 54; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 153; differenzierend Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149 (bei unmittelbarem Miterleben); abl. E. v. Hippel, NJW 1965, 1890, 1893; krit. zur Beschränkung auf die nahen Angehörigen auch Bischoff, MDR 2004, 557, 558.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Sofern der Geschädigte kein Angehöriger ist, wird die Entschädigung des Schockschadens überwiegend abgelehnt.46 Unfallzeugen, die in keinem persönlichen Verhältnis zum Unfallopfer standen, wird meist keine Entschädigung für den Schockschaden gewährt47, es sei denn, der Geschädigte war selbst unmittelbar am Unfall beteiligt (z. B. Insasse des Unfallfahrzeugs), so dass ihm das Miterleben des Unfalltodes aufgezwungen wurde und er dies nicht verkraftet hat.48 Die Gegenansicht lehnt die Begrenzung des Entschädigungsanspruchs auf die Angehörigen ab und will die Unfallzeugen einbeziehen, die die Todesverursachung miterlebt haben.49 Das Gleiche wird zum Teil angenommen, wenn aus der Sicht des Unfallzeugen schwere Verletzungen zu besorgen waren, die aber nicht tatsächlich eintraten (z. B. Lkw überrollt ein Kind, ohne es zu verletzen).50 Letztlich ist die Zurechnung der Schockschäden gegenüber dem Schädiger eine wertende Schadensbetrachtung51, so dass die Weiterentwicklung dieser Entschädigungsansprüche von der Tragfähigkeit der zugrunde liegenden Wertung abhängt. Es kommt vor allem auf die Abgrenzung des allgemeinen Lebensrisikos, das jeder selbst tragen muss, vom gesteigerten Risiko an, das eine Zurechnung des Schadens gegenüber dem Schädiger erlaubt. Maßgeblich ist, ob der Geschädigte ein bestimmtes Ereignis und seine Folgen im Rahmen der normalen Lebensführung hinnehmen muss. Dafür sind zum einen die Belastungsintensität und die Belastungsdauer bedeutsam. Zum anderen kommt es darauf an, ob es sich um einen direkten Angriff auf die Person handelt, in welchem Maße sie in das Geschehen involviert ist und ob sie der Schädigung oder dem Geschehen insgesamt ausweichen kann. Insofern ist nicht jeder Schaden eines zufälligen Unfallzeugen zurechenbar. Es zählt zu den unvermeidlichen Zufälligkeiten, dass eine Person Zeuge einer Tat oder eines Unfalls werden kann. Sofern der Zeuge und das Unfallopfer in keiner engen persönlichen Beziehung stehen, ist der Anlass für die emotionale Belastung vergleichsweise begrenzt und die Reaktion mit einem Nervenschock nicht vorhersehbar. Zudem indiziert § 323c 46 BGH 14.6.2005 VersR 2005, 1238, 1240; Deutsch, Haftungsrecht, S. 579; v. Hippel, NJW 1965, 1890, 1893; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149 f.; Weimar, MDR 1970, 565; krit. Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 46; differenzierend Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 153. 47 BGH 22.5.2007 NJW 2007, 2764, 2766; noch offengelassen durch BGH 12.11.1985 NJW 1986, 777, 778; s. auch Erman/Ebert, BGB, Vor §§ 249–253 Rn. 54; R. Schmidt, Schockschäden, S. 156 ff. 48 BGH 12.11.1985 NJW 1986, 777, 778; 22.5.2007 NJW 2007, 2764, 2765. 49 Geigel/Knerr, Haftpflichtprozess, Kap. 1 Rn. 11; Heldermann, Schadensersatz, S. 114 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 150; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 153; Soergel/Mertens, BGB, Vor § 249 Rn. 137; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 46; Stoll, Haftungsfolgen, S. 363; s. auch Deubner, JuS 1971, 622, 624; G. Wagner, JZ 2004, 319, 327. 50 Heldermann, Schadensersatz, S. 147; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 154; s. auch E. Schmidt, MDR 1971, 538, 540. 51 R. Schmidt, Schockschäden, S. 99 ff.

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StGB, dass sich jeder bestimmte Belastungen im Zusammenhang mit einem Unglücksfall zumuten muss. Zumindest hat der Unfallzeuge nachträglich eine Steuerungsmöglichkeit, da er nicht vor Ort bleiben muss. Selbst seine Verpflichtung, nach § 323c StGB Hilfe zu leisten, gebietet nicht, den Fortgang des Geschehens anzusehen. Die Schäden des Unfallzeugen sind daher grundsätzlich nicht zuzurechnen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Geschädigte selbst Opfer des Unfalls ist und den Tod einer weiteren betroffenen Person miterleben muss, ohne sich dem entziehen zu können (z. B. wegen der eigenen Verletzung). Von den Unfallzeugen unterscheiden sich die Personen, die in einem emotionalen Verhältnis zur getöteten Person stehen. Bei ihnen tritt infolge der Tötung im Grunde zwangsläufig und vorhersehbar eine erhebliche emotionale Belastung ein, die nicht steuerbar ist und der sie nicht ausweichen können. Die Begrenzung auf nahe Angehörige durch die Rechtsprechung ist eine Formalisierung, die insbesondere die Abgrenzung vereinfachen soll, auch wenn die Person als naher Angehöriger nicht zwingend die emotionale Nähe hat, die eine Zurechnung trägt. Über diesen engen Personenkreis hinaus sind weitere Personen einzubeziehen, sofern eine dauerhafte Nähebeziehung bestand, so dass die Schädigung der Person durch den Schock vorhersehbar war. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, ob und wie lange die Personen zusammen leben, ob sie einen gemeinsamen Haushalt führen und wie intensiv ihr persönlicher Kontakt ist. Daher können insbesondere Verlobte, langjährige Lebensgefährten oder Pflegeeltern einbezogen werden, Geschwister, Großeltern oder andere Verwandte aber nur, wenn sie zusammen oder in räumlicher Nähe wohnen und einen regelmäßigen vertrauten Umgang haben, so dass die Beziehung über die normalen Sozialkontakte hinausgeht. Nach der Rechtsprechung muss es zudem nachvollziehbar sein, dass bei einer durchschnittlich empfindenden Person ein Schock eintritt.52 Eine Entschädigung scheidet daher für Angehörige aus, die besonders schocklabil sind und den Tod in unangemessener Weise verarbeiten.53 Auch die Überempfindlichkeit des Geschädigten führt zumindest zur Verminderung des Schadensersatzanspruchs,54 da die Vorhersehbarkeit des Schadens die Haftungszuweisung und somit die Schadenszurechnung beeinflusst. 52 BGH 11.5.1971 Z 56, 163, 165; Erman/Ebert, BGB, Vor §§ 249–253 Rn. 53; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149; Soergel/Mertens, BGB, Vor § 249 Rn. 137; krit. Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 46. 53 BGH 11.5.1971 Z 56, 163, 165; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 152; krit. Heldermann, Schadensersatz, S. 157, 158 f. 54 Lang, Normzweck, S. 144 f.; Mädrich, Das allgemeine Lebensrisiko, S. 56 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 155; a. A. Heldermann, Schadensersatz, S. 156 ff. Für Berücksichtigung der Überempfindlichkeit als Mitverschulden Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 915; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 46; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 20; v. Hippel, NJW 1965, 1890, 1893 f.; a. A. Selb, JZ 1972, 124.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Den Umfang der Entschädigung bemisst die Rechtsprechung im Gegensatz zur üblichen konkreten Schadensberechnung abstrakt. Bei einem unmittelbaren Miterleben der Tötung des Angehörigen ist die Entschädigung höher als bei Schockschäden, die auf die Überbringung der Todesnachricht eintraten.55 Der Angehörige muss sich als mittelbar Geschädigter das Mitverschulden des Getöteten anrechnen lassen.56 Neben der Entschädigung für den Schockschaden kann der Angehörige, der zugleich Erbe des Getöteten ist, einen Schadensersatzanspruch wegen der Körperverletzung vor dessen Tod haben. Die Ansprüche beziehen sich auf unterschiedliche Schäden und sind daher voneinander unabhängig, so dass keine Anrechnung erfolgt.57 Bisher wurden Schockschäden nur in Todesfällen entschädigt. Ein Teil des Schrifttums will hingegen auch bei schwerwiegenden Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen von Angehörigen eine Entschädigung gewähren, weil der Schockschaden in diesen Fällen ebenfalls keine ungewöhnliche Reaktion sei, zumal zum Unfallzeitpunkt häufig nicht feststeht, ob der Geschädigte überleben wird.58 Hierfür spricht, dass die erschütternde Wirkung für den Angehörigen bei schweren Verletzungen sogar intensiver sein kann als bei einer Tötung, wenn der Geschädigte lebenslang unter gravierenden Beschwerden und Entstellungen leidet. Ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Erstschädigung und dem Schockschaden ist daher in gleicher Weise begründbar wie bei Todesfällen. Daher ist die Rechtsprechung auf diese Fälle zu erweitern. 4. Bedeutung der Entschädigung von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen beim alsbaldigen Tod des Verletzten Die Verkürzung der Lebenserwartung des Geschädigten oder sein Tod sind zwar keine ersatzfähigen immateriellen Schäden. Sofern der Geschädigte aber eine Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung erleidet und alsbald verstirbt, sind die bis dahin entstandenen ideellen Schäden zu entschädigen. Die Bedeutung dieser Fallgruppe stieg, seitdem der Entschädigungsanspruch vererblich ist und auch empfindungsunfähige Geschädigte, die bewusstlos wa55

OLG Nürnberg 2.3.1982 VersR 1983, 469; s. auch BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 12. Analogie zu § 254 Abs. 1 BGB BGH 11.5.1971 Z 56, 163, 169 ff.; Deubner, JuS 1971, 622, 625 f.; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 917; G. Wagner, MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 83; a. A. E. Schmidt, MDR 1971, 538, 540; Analogie zu § 846 BGB RG 15.1.1938 Z 157, 11, 13 f.; v. Hippel, NJW 1965, 1890, 1893; für eine Gesamtschuldnerschaft zwischen Unfallverursacher und mitwirkendem Erstgeschädigten i. S. von § 840 Abs. 1 BGB Deubner, JuS 1971, 624 f.; Park, Schockschäden, S. 118 ff.; Selb, JZ 1972, 124, 126. 57 Gontard, DAR 1990, 375 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 150; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 249 Rn. 44; a. A. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 916; ders., JuS 1969, 197, 200. 58 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 149; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 154; R. Schmidt, Schockschäden, S. 194; s. auch Deutsch, JuS 1969, 197, 200; weitergehend Heldermann, Schadensersatz, S. 145 ff. (sogar Sachschäden bei einem erheblichen Eingriff in oder einer Bedrohung der persönlichen Integrität). 56

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ren oder im Koma lagen, eine Entschädigung erhalten.59 Faktisch füllt er zumindest teilweise die Lücke, die besteht, solange Trauerschäden von Angehörigen nicht entschädigt werden.60 Die Entschädigung solcher Einbußen darf die Entschädigungslosigkeit des Todes und der Trauerschäden aber nicht umgehen.61 Die Rechtsprechung gewährt daher zu Recht keine Entschädigung, wenn die Körperverletzung nach den Umständen des Falles gegenüber dem alsbald eintretenden Tod keine abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung ist, die unter Billigkeitsgesichtspunkten der Entschädigung bedarf.62 Die Zeitdauer zwischen der Körperverletzung und dem späteren Tod muss eigenständige Bedeutung haben, so dass bei wertender Betrachtung nicht der Sterbevorgang im Vordergrund steht.63 Die Entschädigung ist aber nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Geschädigte bis zu seinem Tod nicht mehr zu Bewusstsein kommt.64 Für die Höhe der Entschädigung ist vor allem der Umfang der Schmerzen maßgeblich, der von der Überlebensdauer des Geschädigten abhängt.65 Der Tod und die verkürzte Lebenserwartung führen wegen ihrer Entschädigungslosigkeit nicht zur Erhöhung des Schadensersatzes, sondern beenden das Leiden des Geschädigten und wirken insofern schadensmindernd.66 Allerdings vergrößert das Bewusstsein des Geschädigten für die eigene Situation und das Erleiden von Todesangst den ideellen Schaden, wenn der Geschädigte intensiver leidet.67 Die Bewusstlosigkeit des Geschädigten verringert die Entschädigung indes nicht.68 Sie ist unabhängig davon, ob sich der Geschädigte An59

Huber, NZV 1998, 345; Notthoff, RuS 2003, 309 f. Krit. Huber, NZV 1998, 345, 351; Jaeger, VersR 1996, 1177, 1182; Notthoff, RuS 2003, 309, 311, 313. 61 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 394. 62 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 394; so bereits OLG Düsseldorf 11.3.1996 NJW 1997, 806; s. auch OLG Karlsruhe 25.1.2000 VersR 2001, 1123. 63 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 393 f.; so bereits OLG Düsseldorf 11.3.1996 NJW 1997, 806 (drei Stunden); KG 11.7.1996 VersR 1997, 327 (drei Tage); s. auch OLG Karlsruhe 25.1.2000 VersR 2001, 1123 (keine starren Grenzen); krit. wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten BR/ Spindler, BGB, § 253 Rn. 33. 64 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 392; so bereits KG 11.7.1996 VersR 1997, 327. 65 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 391; Jaeger, VersR 1996, 1177, 1183; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 36; krit. BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 33; Huber, NZV 1998, 345, 348. Vorbereitend die Rspr. der Instanzgerichte, KG 26.2.1973 NJW 1974, 607; OLG Köln 14.11.1991 NJWRR 1992, 221; OLG Düsseldorf 11.3.1996 NJW 1997, 806; KG 11.7.1996 VersR 1997, 327. 66 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 392; KG 26.2.1973 NJW 1974, 607, 608; 11.7.1996 VersR 1997, 327; OLG Bremen 26.1.2001 VersR 2003, 779. 67 OLG Karlsruhe 25.1.2000 VersR 2001, 1123; Notthoff, RuS 2003, 309, 311. 68 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 392; Notthoff, RuS 2003, 309, 312; anders noch OLG Stuttgart 2.5.1994 NJW 1994, 3016; OLG Düsseldorf 11.3.1996 NJW 1997, 806 f. Zur Entschädigung empfindungsunfähiger Geschädigter s. § 3.B.III., S. 155 ff. Bemessung der Entschädigung anhand einer Gesamtbetrachtung, ohne die Festsetzung von Teilbeträgen für unterschiedliche Bewusstseinsphasen, BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 392 f.; OLG Koblenz 22.11.2000 NJW-RR 2001, 318 f. 60

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nehmlichkeiten verschaffen kann, da er in der Verwendung des Geldbetrags frei ist.69 Daher kommt es auch nicht darauf an, in welchem Maße die Entschädigung den Erben zufließt.70 II. Immaterielle Schäden infolge von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen Immaterielle Schäden infolge einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung sind nach § 253 Abs. 2 BGB bzw. den Regelungen der Gefährdungshaftung zu entschädigen. Ebenso wie im Deliktsrecht nach § 823 Abs. 1 BGB ist die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität oder ein pathologischer Zustand erforderlich.71 Die Vorgängerregelung in § 847 Abs. 1 BGB a. F. setzte eine deliktische Haftung voraus, so dass hinsichtlich der Rechtsfolge auf die gleichen Begriffe abgestellt wurde, um die Kohärenz zwischen Haftungsgrund und Haftungsfolge sicherzustellen. Daran sollte § 253 Abs. 2 BGB nichts ändern.72 Eine Erweiterung der Haftung wird vor allem versucht, wenn der Gefühlsschaden ansonsten ohne Entschädigung bliebe, weil es an einer schweren Persönlichkeitsverletzung fehlt und die vertragliche Haftung sich nicht kraft Vereinbarung auf diese Gefühlsschäden erstreckt. Ängste sind grundsätzlich nur zu entschädigen, wenn sie Krankheitswert haben oder als zurechenbare Folge einer Körperverletzung bzw. Gesundheitsbeschädigung anzusehen sind. Das gilt auch für die Todesangst.73 An einer solchen Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung fehlt es insbesondere in Katastrophenfällen (z. B. Brand in einem Tunnel, Seilbahnunglück), wenn der Geschädigte gerettet wird. Eine Entschädigung kommt nur in Betracht, wenn die erlittene Todesangst selbst Krankheitswert hatte. Wegen der Intensität der Todesangst als seelische Belastung wird zum Teil eine Gesundheitsbeschädigung unterstellt.74 Grundsätzlich ist das Eintreten eines Nervenschocks jedoch darzulegen und zu beweisen, so dass es sich im Einzelfall um eine Tatfrage handelt.75 69 KG 26.2.1973 NJW 1974, 607, 608; a. A. OLG Düsseldorf 11.3.1996 NJW 1997, 806, 807; Huber, NZV 1998, 345, 354; Notthoff, RuS 2003, 309, 311, 313 f.; s. auch § 3.B.I., S. 152 f. 70 Jaeger, MDR 1998, 450, 451; Lemcke, RuS 1996, 230. 71 BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 23; Kreft, BGB-RGRK, § 847 Rn. 21; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 432; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 21; Soergel/Zeuner, BGB, § 847 Rn. 20; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 43; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 21; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 33. 72 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24. 73 Z. B. OLG Köln 28.11.1973 VersR 1974, 890; 14.11.1991 NJW-RR 1992, 221; OLG Hamburg 18.8.1995 VersR 1996, 1537; großzügiger wohl LG Dresden 25.2.2011 NJW 2011, 3106, 3107, das eine psychische Beeinträchtigung ausreichen lassen will und auf eine medizinische Einordnung verzichtet. 74 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 259; s. auch OLG München 30.6.1959 VersR 1959, 959, das eine Gesundheitsbeschädigung nicht näher prüft, sondern allein auf die Intensität der Angst abzustellen scheint. 75 Stoll, Haftungsfolgen, S. 351; s. auch Kegel, Haftung, S. 25 ff.

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Auch bei der Vernichtung entnommener Körpersubstanzen, Organe oder Gewebe (z. B. Blut, Sperma) hat die Rechtsprechung zum Teil eine Körperverletzung angenommen, um eine Entschädigung für den entstandenen Gefühlsschaden zusprechen zu können. So hat der BGH für die Vernichtung von zur Insemination entnommenem Sperma eine Entschädigung zugesprochen, obwohl ein abgetrenntes Körperteil allgemein als Sache i. S. von § 90 BGB zu qualifizieren ist76. Der BGH will indes ein zur Reimplantation vorgesehenes Körperteil als solches, nicht als Sache behandeln, da der Geschädigte das Bestimmungsrecht darüber behalte.77 Die §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB seien „jedenfalls entsprechend“ anzuwenden.78 Auf diese Weise bezieht der Gerichtshof die personale Selbstbestimmung in den Begriff der Körperverletzung ein. Die Literatur will den Entschädigungsanspruch hingegen auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stützen, da die Bestimmungsgewalt über die Körpersubstanz Teil der Persönlichkeitsentfaltung sei.79 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch grundsätzlich ein Abwehrrecht und enthält keinen Aktivitätsschutz.80 Etwas anderes gilt nur, soweit das Gesetz die Selbstentfaltungsfreiheit des Einzelnen gewährleistet und insoweit den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erweitert.81 Zudem setzt die deliktische Haftung eine schwerwiegende Beeinträchtigung voraus. Daher wird teilweise eine vertragliche Haftung für den immateriellen Schaden befürwortet.82 Der Zweck des Vertrags richte sich bei der Entnahme von Sperma auf die Familienplanung für den Vertragspartner, so dass die Wahrung eines ideellen Interesses zentraler Vertragszweck sei und sich daher ein Entschädigungsanspruch für die Nichtvermögensschäden aus dem Vertrag ableiten lasse. Inso-

76 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 613; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 18; Palandt/Ellenberger, BGB, § 90 Rn. 3; Staudinger/Dilcher, BGB, § 90 Rn. 15; Stresemann, MünchKomm-BGB, § 90 Rn. 26; Taupitz, JZ 1992, 1089, 1092. 77 BGH 9.11.1993 Z 124, 52, 54 ff.; Coester-Waltjen, Gutachten 56. DJT, Bd. I, B 32; Giesen, FamRZ 1970, 565, 569; Heldrich, JuS 1969, 455, 461; Püttner/Brühl, JZ 1987, 529, 532; Steffen, FS Odersky, S. 723, 729 f.; Taupitz, JZ 1992, 1089, 1093; a. A. Deutsch, NJW 1986, 1971, 1974; Laufs/Reiling, NJW 1994, 775; S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 73 f.; Stresemann, MünchKomm-BGB, § 90 Rn. 27. 78 BGH 9.11.1993 Z 124, 52, 54. 79 Laufs/Reiling, NJW 1994, 775, 776; Taupitz, NJW 1995, 745, 748 f.; R. Müller, Körpersubstanzen, S. 32 ff.; Schnorbus, JuS 1994, 830, 833 ff.; Voß, Vernichtung von Sperma, S. 67 ff., 78, 157, 197. 80 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 513; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 133. 81 Z. B. Schutz vor Benachteiligungen durch das AGG als Schutz des gleichberechtigten Zugangs zum Beruf und zur Beschäftigung sowie des Zugangs zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Gegen eine Einordnung als Aktivität i. S. eines Aktivitätsschutzes, Zeytin, Schmerzensgeld, S. 44 f. 82 So wohl H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 141; s. auch Taupitz, NJW 1995, 745, 747 f.; erwägend Voß, Vernichtung von Sperma, S. 189; a. A. Schnorbus, JuS 1994, 830, 831 (wegen § 253 BGB a. F.).

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fern hängt die Entschädigung davon ab, ob sich die vertragliche Haftung auch ohne eine entsprechende Vereinbarung auf ideelle Schäden erstreckt.83 Eine vergleichbare Erweiterung des § 253 Abs. 2 BGB erfolgte, indem die Belastungen mit einer ungewollten Schwangerschaft nach einer Sterilisation oder Vasektomie als Gesundheitsbeschädigung qualifiziert wurden, obwohl die Schwangerschaft kein pathologischer Zustand ist.84 Die Bestimmung über den eigenen Körper als Ausprägung des Persönlichkeitsrechts ist nicht eigens geschützt, so dass eine Entschädigung zu verneinen ist, wenn die vertragliche Haftung sich nicht auf die immateriellen Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung erstreckt. Die Annahme einer Gesundheitsbeschädigung war der Ausweg, um die Defizite beim Schutz der Selbstentfaltung bzw. des Ausgleichs immaterieller Schäden zu beheben. Ähnliches gilt für den Fall, in dem ein Fahrgast der Deutschen Bahn AG im ICE über längere Zeit keine frei zugängliche, funktionstüchtige Toilette vorfand. Eine solche Unannehmlichkeit ist keine Gesundheitsbeschädigung.85 Vielmehr werden Defizite der vertraglichen Haftung durch die Annahme einer Gesundheitsbeschädigung behoben unter Deformation des Begriffs der Gesundheitsbeschädigung. III. Immaterielle Schäden infolge von Freiheitsentziehung Der Ausgleich immaterieller Schäden wegen der Verletzung der Freiheit erfolgt insbesondere im Rahmen der vertraglichen und deliktischen Haftung nach § 253 Abs. 2 BGB. Die Gefährdungshaftung erfasst die Freiheitsberaubung hingegen nicht. Der Freiheitsbegriff in § 253 Abs. 2 BGB entspricht dem in § 823 Abs. 1 BGB und erfasst nur die Fortbewegungsfreiheit.86 Die anfängliche Erweiterung des Freiheitsbegriffs in § 847 BGB a. F. auf die Selbstbestimmungsfreiheit als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gab der BGH alsbald auf.87 Die früher bestehende begriffliche Disparität zwischen § 823 Abs. 1 BGB (Freiheitsverletzung) und § 847 BGB a. F. (Entziehung der Freiheit) hat die Schadensersatzrechtsreform 2002 beseitigt. Entschädigt werden ideelle Schäden infolge von Freiheitsbeeinträchtigungen insbesondere 83

Ausführlich unten § 2.C., S. 107 ff. BGH 18.3.1980 NJW 1980, 1452, 1453; bestätigend BGH 19.6.1984 NJW 1984, 2625; 27.6.1995 NJW 1995, 2407, 2408; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 23; Schiemann, JuS 1980, 709; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 43; Stürner, VersR 1984, 297, 305. 85 A. A. AG Frankfurt M. 25.4.2002 NJW 2002, 2253, 2254 (ICE von Dresden nach Frankfurt M.); abl. Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 13; s. aber AG Köln 22.1.1981 VersR 1981, 1140, das einen Schadensersatz verweigerte, als ein Fluggast entgegen seiner Buchung auf einem Flug Tokio – Frankfurt im Raucherabteil platziert wurde und an Hustenanfällen und Heiserkeit litt. 86 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 432; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 21; Soergel/Zeuner, BGB, § 847 Rn. 20; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 43; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 21. 87 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 355 f.; dazu Nörr, AcP 158 (1959/60), 1, 12 f.; unausgesprochen aufgegeben durch BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 367 f. 84

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durch Einsperren, durch das Veranlassen von behördlicher Freiheitsentziehung und durch die medizinisch nicht indizierte Fixierung von Patienten.88 Bisher wurde bei der Entschädigung nicht danach differenziert, ob der Geschädigte die Freiheitsbeeinträchtigung bewusst erlebt hat. Allerdings betreffen die meisten Entscheidungen Klagen von Häftlingen in Justizvollzugsanstalten und richten sich gegen den Staat.89 IV. Immaterielle Schäden infolge von Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung Der Ausgleich von Schäden wegen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung steht vor allem wegen der geringen Höhe der Entschädigung in der Kritik, die gerade bei brutalen Vergewaltigungen als viel zu niedrig gilt, um einen angemessenen Ausgleich der ideellen Schäden zu bewirken.90 Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist eine gravierende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und geht regelmäßig mit erheblichen psychischen Folgeschäden einher, die die weitere Lebensführung erheblich beeinträchtigen.91 Erst seit den 1990er Jahren und insbesondere seit der Reform des Schadensersatzrechts haben sich die Entschädigungsbeträge in Vergewaltigungsfällen allmählich erhöht.92 Die Angemessenheit der Entschädigung hängt insbesondere davon ab, ob das Gericht die erlittenen Schäden vollständig erfasst, die bei der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung eintreten.93 Der Begriff der sexuellen Selbstbestimmung in § 253 Abs. 2 BGB löste § 847 Abs. 2 BGB a. F. ab, der sich auf „Frauenspersonen“ beschränkte und tatbestandlich eine Bestimmung zum außerehelichen Beischlaf im Sinne von § 825 BGB oder ein Verbrechen bzw. Vergehen wider die Sittlichkeit voraussetzte. § 253 Abs. 2 BGB gilt nun für beide Geschlechter und schließt auch 88

KG 17.1.2005 NJW 2005, 1284, 1285. Sonderregelungen für die Beeinträchtigung der Freiheit durch Träger hoheitlicher Gewalt § 7 Abs. 3 StrEG, § 52 Abs. 2 BGSG, Art. 5 Abs. 5, 41 EMRK; Landespolizeirecht, z. B. § 60 Abs. 2 BerlASOG, § 69 Abs. 2 ThürPAG, § 70 Abs. 7 S. 2 BayPAG, § 57 PolG BW, § 65 Abs. 2 HSOG. 90 BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 58; Däubler, NJW 1999, 1611, 1612; Foerste, NJW 1999, 2951 f.; Jaeger, VersR 2003, 1372, 1373; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 453; Seitz, NJW 1996, 2848, 2849; Zeytin, Schmerzensgeld, S. 46, 242. 91 BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 56; Däubler, NJW 1999, 1611, 1612; Jaeger, VersR 2003, 1372, 1373. 92 Z. B. OLG Stuttgart 1.8.1997 NJW-RR 1998, 534, 535; OLG Koblenz 2.10.1998 NJW 1999, 1639, 1640; OLG Köln 23.6.2000 VersR 2002, 65; OLG Bamberg 4.4.2001 NJW-RR 2001, 1316; OLG Frankfurt 9.9.2004 12 U 116/03, zit. nach juris; LG Frankfurt M. 2.10.1998 NJW 1999, 1639; LG Bielefeld 14.9.2005 NJW-RR 2006, 746 f.; LG Dresden 7.4.2006 10 O 3131/05, zit. nach juris. 93 Zur Notwendigkeit eines fallgruppenübergreifenden Vergleichs der Entschädigungsbeträge bei Körperverletzungen, Persönlichkeitsverletzungen und Diskriminierungen siehe unten § 4.A.II., S. 612 ff., § 13.A.II., S. 224 ff. 89

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Kinder ein.94 Im Übrigen sollte § 847 Abs. 2 BGB a. F. ohne grundlegende Änderungen fortgeführt werden.95 Eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist vor allem anzunehmen, wenn ein Delikt nach § 825 BGB vorliegt.96 Auch Vergehen und Verbrechen gegen die Sittlichkeit müssen als Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung gelten, wobei auf die Straftatbestände der §§ 174 ff. StGB zurückgegriffen werden kann.97 Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen, die mit der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung einhergehen, sind begrifflich ebenfalls erfasst. Zudem ist die sexuelle Selbstbestimmung eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts98, so dass die mit ihrer Verletzung einhergehende Persönlichkeitsverletzung und der daraus resultierende Schaden zu kompensieren ist. Anders als bei der Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt es nicht darauf an, ob eine schwere Persönlichkeitsverletzung vorliegt.99 Allerdings ist eine Sexualstraftat oder ein Bestimmen zu einer sexuellen Handlung in der Regel eine schwere Persönlichkeitsverletzung, so dass sich keine Erweiterung der zivilrechtlichen Haftung aus § 253 Abs. 2 BGB ergibt. Daneben bedarf es einer Entschädigung wegen der Persönlichkeitsverletzung nur, soweit § 253 Abs. 2 BGB nicht einschlägig ist100 oder eine über die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung hinausgehende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt. Die Bemessung der Entschädigung erfolgte bei der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung in der Praxis sehr schematisch ohne umfassende Abwägung der Umstände des Einzelfalls.101 Für den Umfang des Schadensersatzes müssen die gleichen Maßstäbe wie bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Gesundheitsbeschädigung gelten. Insbesondere Dauer und Intensität der Beeinträchtigung, Schmerzen und Ängste des Geschädigten sowie Spätfolgen für dessen Lebensführung sind vollständig einzubeziehen

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BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 56; Jaeger, VersR 2003, 1372; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 23 (nicht zu Kindern); Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 22; s. auch OLG Naumburg VersR 2004, 122. 95 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24. 96 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 432. 97 BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 56; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 47; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 25; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 22; s. aber Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 432, der § 825 BGB als Konkretisierung des Begriffs sexuelle Selbstbestimmung ansieht. 98 OLG Köln 30.9.2002 NJW-RR 2003, 743, 744; Jaeger, VersR 2003, 1372; G. Müller, VersR 2003, 1, 7. 99 Henne, ZRP 2001, 493, 494; G. Wagner, FS Heinze, S. 969, 971. 100 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 432; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 26; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 22; zur Relativierung des § 253 Abs. 2 BGB durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 56; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 432. 101 Dazu auch Foerste, NJW 1999, 2951; Jaeger, VersR 2003, 1372, 1373.

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und daher vom Gericht für den Einzelfall zu ermitteln.102 Die Belastungen durch die gezielte Bagatellisierung der Straftat im Zivilprozess, die eine erniedrigende Prozessführung nach sich ziehen, wirken sich erhöhend auf die Entschädigung aus.103 Es handelt sich um Persönlichkeitsverletzungen, die ebenfalls zu entschädigen sind. Nicht zurechenbar sind Belastungen für das Opfer durch den Strafprozess, der zur Verfolgung des staatlichen Strafanspruchs dient.104 Insoweit ist vor allem durch eine opferschützende Vernehmung die Belastung für das Opfer zu mindern.105 Eine Erhöhung der Entschädigung wird in der Rechtsprechung schließlich mit der Genugtuungsfunktion begründet, die bei Vorsatztaten noch herangezogen wird.106 V. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung von Immaterialgüterrechten 1. Ausgleich immaterieller Schäden nach § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG Bereits vor der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Ableitung einer Geldentschädigung für immaterielle Schäden fanden Immaterialgüterrechte wie Urheberrechte Anerkennung, die dem Schöpfer die Nutzung des Werkes auf Zeit vorbehalten und seine ideelle Beziehung zum Werk schützen.107 Die vermögensrechtliche und die persönlichkeitsrechtliche Komponente des Urheberrechts bilden nach deutschem Verständnis eine Einheit.108 Die schuldhafte Rechtsverletzung zieht nicht nur einen Schadensersatzanspruch für den eingetretenen Vermögensschaden nach sich, auch ideelle Einbußen sind zu entschädigen. 102 Däubler, NJW 1999, 1611, 1612; Foerste, NJW 1999, 2951, 2952; Jaeger, VersR 2003, 1372, 1373. 103 Z. B. OLG Frankfurt 9.9.2004 12 U 116/03, zit. nach juris; LG Oldenburg 22.7.2002 5 O 278/02, zit. nach juris. 104 Anders OLG Bamberg 4.4.2001 NJW-RR 2001, 1316. 105 Vgl. die Ablehnung des Ersatzes der Aufwendungen des Geschädigten für die Strafanzeige, die Privat- oder Nebenklage oder die Zeugenvernehmung im Strafprozess, BGH 6.11.1979 Z 75, 230, 235; OLG Düsseldorf 26.3.1970 VersR 1972, 52, 52 f.; AG Waiblingen 24.1.1977 VersR 1977, 922, 923; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 188; diff. Staudinger/ Schiemann, BGB, § 249 Rn. 119. 106 Z. B. OLG Bamberg 4.4.2001 NJW-RR 2001, 1316; OLG Frankfurt 9.9.2004 12 U 116/ 03, zit. nach juris; LG Frankfurt 2.10.1998 NJW 1999, 1639; OLG Koblenz 2.10.1999 8 U 1682/ 97, zit. nach juris; LG Flensburg 29.1.1999 NJW 1999, 1640, 1641; LG Dresden 7.4.2006 10 O 3131/05, zit. nach juris; dazu Foerste, NJW 1999, 2951, 2952; Jaeger, VersR 2003, 1372, 1373. Siehe auch OLG Hamm 29.12.2005 6 W 52/05, zit. nach juris, das die Genugtuung privatstrafend zu berücksichtigen scheint. 107 Zur Historie Dietz, Droit Moral, S. 15 ff.; Dreier, Kompensation, S. 76 ff.; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 101 ff.; Rspr. vor Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts z. B. RG 16.9.1908 Z 69, 242, 244; 8.6.1912 Z 79, 397, 398 f. 108 Zur monistischen Theorie Dreier/Schulze, UrhG, § 11 Rn. 2; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 22, 343; Schricker/Dietz/Peukert, UrhG, Vor §§ 12 ff. Rn. 11, 13.

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Das Urheberrecht schützt nach § 11 S. 1 UrhG den Urheber in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zum Werk (Urheberpersönlichkeitsrecht i. w. S.109) sowie in der Nutzung des Werks (Verwertungsrecht). Das Urheberpersönlichkeitsrecht im engeren Sinne umfasst das Recht zur Veröffentlichung, auf Anerkennung der Urheberschaft und auf Schutz vor der Entstellung des Werks (§§ 12–14 UrhG). Kennzeichnend ist der Werksbezug, der zugleich einschränkende Voraussetzung ist.110 Das Urheberpersönlichkeitsrecht beruht auf der objektiven Wertung der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht,111 dem es als besonderes Persönlichkeitsrecht vorgeht.112 Der Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zulässig, sofern kein Werkbezug besteht wie bei Angriffen auf die Ehre des Urhebers113, seine Beziehung zum Gesamtwerk114, den Schöpfungsprozess115 sowie beim Unterschieben eines fremden Werkes116. In Einzelfällen können das Urheberpersönlichkeitsrecht und das allgemeine Persönlichkeitsrecht gleichzeitig verletzt sein (z. B. Veröffentlichung von Tagebuchaufzeichnungen mit Werkqualität ohne Einwilligung). Die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden aus der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts bestimmt § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG, der nicht auf die Verletzung der persönlichkeitsbezogenen Rechte des Urhebers gemäß den §§ 12– 14, 75 UrhG sowie den §§ 25, 39 Abs. 1, 41, 42, 62, 63 UrhG117 beschränkt ist.118 Das Ob und die Höhe der Entschädigung hängen von ihrer Billigkeit ab, so dass nicht jede widerrechtliche, schuldhafte Verletzung des Urheberrechts einen Ausgleich des ideellen Schadens nach sich zieht.119 Bei der Verletzung von Verwertungsrechten, die mit einer Beeinträchtigung des Urheberpersönlichkeitsrechts einhergeht, ist eine zusätzliche Entschädigung meist nicht nö109 Siehe z. B. Dreier/Schulze, UrhG, § 12 Rn. 3; Schricker/Dietz/Peukert, UrhG, Vor §§ 12 ff. Rn. 8. 110 OLG München 8.11.2001 GRUR 2002, 453, 454; Krüger-Nieland, FS Hauß, S. 215, 219 f.; Loewenheim/Dietz, Urheberrecht, § 15 Rn. 8; Neumann-Duesberg, NJW 1971, 1640, 1641; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 43, 353; ders., GRUR 1985, 352, 353; Schricker/Dietz/Peukert, UrhG, vor § 12 Rn. 14, 16. 111 Neumann-Duesberg, NJW 1971, 1640, 1641. 112 Dreier/Schulze, UrhG, § 12 Rn. 5; Krüger-Nieland, FS Hauß, S. 215, 221; Schricker/ Dietz/Peukert, UrhG, Vor §§ 12 ff. Rn. 15; Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, Vor §§ 12 ff. Rn. 17. 113 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 44. 114 BGH 8.6.1989 Z 107, 384, 390 f.; Nordemann, GRUR 1996, 737, 738 f.; Schack, Urheberund Urhebervertragsrecht, Rn. 44; Schricker/Dietz/Peukert, UrhG, Vor §§ 12 ff. Rn. 16. 115 Dreier/Schulze, UrhG, § 12 Rn. 5; Schricker/Dietz/Peukert, UrhG, Vor §§ 12 ff. Rn. 16a. 116 OLG München 8.11.2001 GRUR 2002, 453, 454; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 43. 117 Loewenheim/Dietz, Urheberrecht, § 81 Rn. 49; Nordemann, GRUR 1980, 434, 435. 118 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785. 119 Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 75.

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tig.120 Ähnlich wie bei der Eigentumsverletzung werden Affektionsinteressen nicht ersetzt. Für eine Entschädigung nach § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG bedarf es nach herrschender Ansicht einer schwerwiegenden (und nachhaltigen) Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts, für die keine anderweitige Abhilfe möglich ist.121 Insoweit gilt der gleiche Maßstab, wie für die Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.122 Die Primäransprüche auf Unterlassung oder Beseitigung (Widerruf) sowie der Anspruch auf Gegendarstellung123 sind vorrangig. Nur vereinzelt wird im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes die Entschädigung jeder Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts gefordert oder zumindest die Entschädigung auch weniger schwerwiegender Eingriffe.124 Die Schwere der Persönlichkeitsverletzung ist anhand des Umfangs der Rechtsgutsverletzung, der Umstände in der Person des Schädigers (Grad des Verschuldens) und der sonstigen Umstände des Schadensfalles durch eine Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Maßgeblich sind daher Umfang, Intensität und Dauer des Eingriffs, dessen nachhaltige Folgen für die Interessen und den Ruf des Urhebers sowie die Bedeutung der Missachtung der Entschließungsfreiheit des Urhebers, sein künstlerischer Rang und der seines Werkes.125 Schließlich sind Anlass und Beweggrund für die Verletzung sowie der Verschuldensgrad bedeutsam.126 Die Entschädigung gilt als Schadensausgleich und soll auch der Genugtuung des Geschädigten und der Prävention dienen, vor allem wenn der Schädiger vorsätzlich oder mit Gewinnerzielungsabsicht handelt.127 Ihre Höhe hängt 120 BGH 5.3.1971 GRUR 1971, 525, 526; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 97 Rn. 246; Nordemann, GRUR 1980, 434, 435; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785. 121 BGH 5.3.1971 GRUR 1971, 525, 526; OLG Hamburg 21.6.1989 GRUR 1990, 36; 28.11.1991 GRUR 1992, 512, 513; OLG München 21.3.1996 NJW-RR 1997, 493; 8.11.2001 GRUR 2002, 453, 454; KG 23.3.2004 GRUR 2004, 497, 499; Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 75; Loewenheim/Vinck, Urheberrecht, § 81 Rn. 51; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 97 Rn. 245; Schricker/Wild, UrhG, § 97 Rn. 178; Wandtke/Bullinger/v. Wolff, Urheberrecht, § 97 UrhG Rn. 86. 122 BGH 5.3.1971 GRUR 1971, 525, 526; OLG München 21.3.1996 NJW-RR 1997, 493; Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 73; Loewenheim/Vinck, Urheberrecht, § 81 Rn. 51. 123 OLG München 21.3.1996 NJW-RR 1997, 493; OLG Hamburg 21.6.1989 GRUR 1990, 36. 124 Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 75; Nordemann, GRUR 1980, 434, 435; ders., ZUM 1994, 438; Traub, FS Roeber, S. 401, 410. 125 OLG Hamburg 21.6.1989 GRUR 1990, 36; OLG München 21.3.1996 NJW-RR 1997, 493; 8.11.2001 GRUR 2002, 453, 454; Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 75; Loewenheim/Vinck, Urheberrecht, § 81 Rn. 51; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 97 Rn. 246; Schricker/Wild, UrhG, § 97 Rn. 78. 126 Siehe Fn. 125. 127 OLG Frankfurt 4.5.2004 CR 2004, 617, 619; Schricker/Wild, UrhG, § 97 Rn. 78; Loewenheim/Vinck, Urheberrecht, § 81 Rn. 51; s. auch Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 76; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 97 Rn. 249; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785; Vinck, FS Hertin, S. 279, 284 f.; Wandtke/Bullinger/v. Wolff, Urheberrecht, § 97 UrhG Rn. 88; zur Genugtuungsfunktion OLG München 20.2.1997 NJW-RR 1998, 556, 557.

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wie ihre Gewährung von der Billigkeit ab, so dass dieselben Kriterien maßgeblich sind.128 Zudem müsse die Entschädigung fühlbar sein.129 Sie wurde wiederholt als pauschaler Zuschlag (z. B. von 100%) auf das übliche Nutzungsentgelt gewährt.130 Der Aufschlag von 100% fungiert inzwischen als Ankerwert, an dem sich die Gerichte orientieren und von dem sie nur in besonderen Fällen abweichen. Insgesamt sind Entschädigungen nach § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG selten und erreichen nur vereinzelt eine nennenswerte Höhe.131 Die Literatur kritisiert diese zurückhaltende Rechtsprechung132, zumal sich der Umfang der Entschädigung wegen der Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seit der Anerkennung der Präventionsfunktion erheblich erhöht hat. Die Rechtsprechung zum Urheberpersönlichkeitsrecht nahm bisher nicht die gleiche Entwicklung und hat die Entschädigung insbesondere nicht erhöht, wenn der Schädiger mit Gewinnerzielungsabsicht handelte. Das Verschulden und die Beweggründe des Schädigers haben bisher nur das Ob der Entschädigung beeinflusst. Daher fordert ein Teil der Literatur eine Angleichung der Rechtsprechung zum Urheberpersönlichkeitsrecht an die Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts133, zumal die Voraussetzungen beider Entschädigungsansprüche bewusst im Gleichklang stehen134. Angesichts der Präventionsfunktion sei für die Höhe der Entschädigung die Gewinnerzielung durch den Schädiger maßgeblich.135 Vereinzelt wurde inzwischen eine doppelte Lizenzgebühr als Vertragsstrafe bei unterlassener Urhebernennung gewährt.136 128 OLG München 20.2.1997 NJW-RR 1998, 556, 557; Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 76; Loewenheim/Vinck, Urheberrecht, § 81 Rn. 53; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785; s. auch Nordemann, GRUR 1980, 434, 435 f. 129 OLG München 20.2.1997 NJW-RR 1998, 556, 557; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 97 Rn. 249; Schricker/Wild, UrhG, § 97 Rn. 78; Wandtke/Bullinger/v. Wolff, Urheberrecht, § 97 UrhG Rn. 88; s. auch Loewenheim/Vinck, Urheberrecht, § 81 Rn. 53. 130 OLG Düsseldorf 11.11.1997 MMR 1998, 147, 148; LG Köln 28.11.2007 AfP 2009, 166, 167; LG Hamburg 16.5.2007 ZUM-RD 2008, 30, 34; ablehnend Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 97 Rn. 249. 131 BGH 5.3.1971 GRUR 1971, 525; OLG München 21.3.1996 NJW-RR 1997, 493; OLG Frankfurt M. 4.5.2004 ZUM 2004, 924, 926; dazu Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785; Vinck, FS Hertin, S. 279, 280 f.; s. aber OLG München 20.2.1997 NJW-RR 1998, 556, 557 (40 000 DM). 132 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785; Schork, Entschädigung, S. 231 ff.; Vinck, FS Hertin, S. 279, 284. 133 Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 76; Loewenheim/Vinck, Urheberrecht, § 81 Rn. 53; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785; Schork, Entschädigung, S. 231 ff.; Vinck, FS Hertin, S. 279, 284 f. 134 BGH 5.3.1971 GRUR 1971, 525, 526. 135 Dreier/Schulze, UrhG, § 97 Rn. 76; Loewenheim/Vinck, Urheberrecht, § 81 Rn. 53; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 97 Rn. 249; Nordemann, GRUR 1980, 434, 436; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785; Schricker/Wild, UrhG, § 97 Rn. 78; Vinck, FS Hertin, S. 279, 284 f.; Wandtke/Bullinger/v. Wolff, Urheberrecht, § 97 UrhG Rn. 88. 136 OLG Düsseldorf 9.5.2006 NJW-RR 2007, 486, 487 (charakterisiert den Aufschlag als Vertragsstrafe); LG Köln 28.11.2007 AfP 2009, 166, 168.

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Die Angleichung der Entschädigung wegen der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist aber nur geboten, wenn die Ansprüche tatsächlich vergleichbar sind. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass bei der Entwicklung der selbständigen Präventionsfunktion für die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen die Entschädigung der immateriellen Einbußen grundsätzlich der einzige Sekundäranspruch war. Lange hatte der Geschädigte einen Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens oder eine angemessene Lizenzgebühr aus Eingriffskondiktion nur, wenn er das Persönlichkeitsrecht selbst verwerten wollte.137 Bei Verletzungen des Verwertungsrechts des Urhebers besteht jedoch im Schadensfall ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns, auf entgangene Lizenzgebühr oder auf Herausgabe des Verletzergewinns. Das erlaubte zumindest eine teilweise Abschöpfung des Verletzergewinns. Inzwischen anerkennt der 1. Senat des BGH allerdings vermögensrechtliche Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und gewährt alternativ einen Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens, auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion und auf Gewinnherausgabe aus angemaßter Eigengeschäftsführung. Somit erfolgt der Rechtsgüterschutz nicht allein durch die Entschädigung der immateriellen Einbußen. Das kann Auswirkungen auf die Funktion des Entschädigungsanspruchs und seine Höhe haben. Nur wenn die Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs für das allgemeine Persönlichkeitsrecht aufrechtzuerhalten ist, bleibt eine Anpassung der Entschädigung des Urheberpersönlichkeitsrechts an das allgemeine Persönlichkeitsrecht denkbar. Angesichts der neuen Rechtsprechung lässt sich aber umgekehrt eine Anpassung der Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an die Entschädigung nach § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG denken. 2. Ausgleich immaterieller Einbußen bei der Verletzung sonstiger Immaterialgüterrechte Der Inhaber anderer Immaterialgüterrechte, wie Patenten, Gebrauchsmuster oder Geschmacksmuster, hat neben dem vermögensrechtlichen Verwertungsrecht ebenfalls persönlichkeitsrechtliche Befugnisse.138 Das Recht des Erfin137 BGH 8.5.1956, Z 20, 345, 353 (Paul Dahlke); 18.3.1959 Z 30, 7, 16 (Caterina Valente); zur Eingriffskondiktion s. BGH 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 26.6.1981 Z 81, 75, 81 f. (Carrera); 14.10.1986 NJW-RR 1987, 231, 232 (Nena); 14.4.1992 NJW 1992, 2084, 2085 (Joachim Fuchsberger); einschränkend zur Verwertungsbereitschaft BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 352 f. (Herrenreiter). 138 Zum Erfinderpersönlichkeitsrecht BGH 25.5.1954 GRUR 1955, 197, 198; 20.6.1978 GRUR 1978, 583, 585; 24.10.1978 GRUR 1979, 145, 147 f.; Bühring, GebrMG, § 13 Rn. 50, 52; zum Designerpersönlichkeitsrecht Eichmann/v. Falckenstein, GeschMG, Allgemeines Rn. 57. Siehe auch zu den immateriellen Schäden bei der Verletzung von Firmennamensrechten oder Markenrechten: ablehnend Scheuing, Geldersatz, S. 216 ff., 275 ff.

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ders umfasst auch die Entscheidung, ob, wann und wie er seine Erfindung veröffentlichen möchte (§ 6 PatG), und das Recht auf die Nennung als Erfinder (§ 63 PatG). Zudem schützt das Erfinderpersönlichkeitsrecht die Erfinderehre. Der persönliche Bezug des Erfinders zu seiner Erfindung ist jedoch weniger intensiv als zwischen Urheber und Werk, da seine Individualität darin weniger zum Ausdruck kommt.139 Daher hat das Persönlichkeitsrecht des Erfinders wenig Bedeutung. Das Gleiche gilt für das Persönlichkeitsrecht des Erfinders eines Gebrauchsmusters als sog. kleinem Patent140 sowie für das Designerpersönlichkeitsrecht des Erfinders eines Geschmacksmusters141. Das GebrMG gewährt im Gegensatz zum PatG kein Recht auf Nennung als Schöpfer, das GeschmMG in § 10 hingegen schon. Wegen der geringen Bedeutung der Persönlichkeitsrechte besteht für den Ausgleich immaterieller Schäden anders als in § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG keine Sonderregelung. § 139 Abs. 2 S. 1 PatG, § 24 Abs. 2 S. 1 GebrMG sowie § 42 Abs. 2 S. 1 GeschmMG erwähnen ideelle Schäden nicht. Bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist aber auf den subsidiären Entschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zurückzugreifen.142 VI. Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 1. Deliktische Haftung für immaterielle Schäden infolge von Persönlichkeitsverletzungen a) Zur Entwicklung des Entschädigungsanspruchs Die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vollzog sich im 19. Jahrhundert allmählich143 und ging nicht in das BGB ein144. Geregelt war bei seinem Inkrafttreten allein das Namensrecht, und das KUG gewährleistete seit 1907 das Recht am eigenen Bild. Der Ausgleich immaterieller Schäden war nach § 253 BGB ausgeschlossen, nur bei Beleidigungsdelikten erlaubte § 188 StGB a. F. die Verhängung einer Buße. Das RG dehnte die gesetzlich 139

Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 72. S. § 13 Abs. 3 GebrMG i. V. mit § 6 PatG. Im Übrigen bleibt das GeschmMG noch hinter dem PatG zurück, da nicht einmal die Nennung des Erfinders erfolgen muss, vgl. Bühring, GebrMG, § 13 Rn. 52 f. 141 Eichmann/v. Falckenstein, GeschMG, Allgemeines Rn. 57. 142 Zum Erfinderpersönlichkeitsrecht BGH 25.5.1954 GRUR 1955, 197, 198; 20.6.1978 GRUR 1978, 583, 585; 24.10.1978 GRUR 1979, 145, 147 f.; s. auch Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 229; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 15 Rn. 5; a. A. Dreier, Kompensation, S. 341 (§ 97 Abs. 2 UrhG analog). 143 In der rechtswissenschaftlichen Literatur z. B. v. Gierke, Privatrecht, Bd. I, S. 707, Bd. III, S. 887; Kohler, ArchBürglR 7 (1893), 94, 101 f. 144 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wurde bewusst und ausdrücklich nicht in das BGB aufgenommen, s. Mugdan II, S. 1297; zur historischen Entwicklung Coing, JZ 1958, 558, 558 f. 140

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normierten besonderen Persönlichkeitsrechte aus145, gewährte eine Entschädigung aber nur, wenn die Persönlichkeitsverletzung mit einer Gesundheitsbeschädigung einherging146. Angesichts der verfassungsrechtlichen Verankerung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannte der BGH 1954 das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht i. S. von § 823 Abs. 1 BGB.147 Der Entschädigungsanspruch stützte sich anfangs auf eine Analogie zu § 847 Abs. 1 BGB a. F., indem der Begriff der Freiheitsentziehung auf Eingriffe in die ungestörte Willensbetätigung erweitert wurde („Freiheitsberaubung im Geistigen“).148 In der Ginsengwurzel-Entscheidung nahm der BGH von der Analogie stillschweigend Abstand und stützte den Anspruch auf die Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG149, später nimmt er explizit auf das Schutzgebot der Grundrechte Bezug150. Die Person und ihre Persönlichkeit seien in den Schutz der Menschenwürde und den Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit einbezogen und daher komme ihnen besonderes Gewicht zu.151 Diese Wertentscheidung des Grundgesetzes müsse das Zivilrecht berücksichtigen, zumal die staatliche Gewalt zum Schutz der Grundrechte verpflichtet sei.152 Der Gerichtshof verweist zudem auf die tiefgreifenden technischen und sozialen Entwicklungen, die für den Gesetzgeber des BGB unvorhersehbar waren, so dass sich die Persönlichkeit heute nachhaltiger verletzen lasse.153 Ohne einen Ent-

145 RG 8.6.1912 Z 79, 397, 398, 400; 28.5.1913 Z 82, 333, 334, 336 f.; 3.10.1918 Z 94, 1, 3 f.; 23.4.1921 Z 102, 134, 140 f.; 16.2.1929 Z 123, 312, 320. 146 RG 24.10.1933 Z 142, 116, 122 f. 147 St. Rspr., BGH 25.5.1954 Z 13, 334, 337 ff. (Schachtbriefe); 26.11.1954 Z 15, 249, 257 f. (Cosima Wagner); 8.5.1956 Z 20, 345, 3512 f. (Paul Dahlke); 2.4.1957 Z 24, 72, 76 ff.; 14.2.1958 Z 26, 349, 355 (Herrenreiter); 20.5.1958 Z 27, 284, 285 f.; 22.12.1959 Z 31, 308, 311; s. auch Coing, JZ 1958, 558, 560; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, S. 293; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 233 2 c; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 104, 106 ff., 127 ff., 139; dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 450; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 823 Rn. 70 ff.; abl. Larenz, NJW 1955, 521 ff. 148 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 355 (Herrenreiter); für eine Analogie zu § 847 BGB a. F. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 86, 100; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 452 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 494 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56; s. auch Deutsch, ZRP 1998, 292; Peifer, JR 1996, 420, 421 f.; Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 376; H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 131. 149 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 367 (Ginsengwurzel); s. auch BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 131 f. (Fernsehansagerin); 22.1.1985 NJW 1985, 1617 (Nacktfoto); 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); dazu BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 282, 292 (Soraya). 150 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 (Caroline IV). 151 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 367 (Ginsengwurzel); s. auch BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 281 (Soraya). 152 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 367 f. (Ginsengwurzel); 5.3.1963 Z 39, 124, 131 f. (Fernsehansagerin); s. auch BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 280 (Soraya). 153 BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 131 (Fernsehansagerin); s. auch BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 290 (Soraya).

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schädigungsanspruch verkümmere der Rechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.154 Dieser Ableitung des Entschädigungsanspruchs aus dem Schutzgebot der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ist entgegenzuhalten, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben die staatlichen Gewalten nur verpflichten, einen angemessenen Schutz sicherzustellen, ohne dass ein Entschädigungsanspruch gewährt werden muss.155 Zudem besteht bei der Umsetzung des Schutzgebots ein erheblicher Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum, der entsprechend der Gewaltenteilung grundsätzlich von der Legislative auszufüllen ist.156 Trotz der Kritik an der Ableitung galten die Ergebnisse der Rechtsprechung des BGH stets als erwünscht.157 Das BVerfG hat den vom BGH entwickelten Geldentschädigungsanspruch für schwere Persönlichkeitsverletzungen als verfassungskonform gebilligt. Danach ist die Geldentschädigung sowohl mit Art. 5 Abs. 1 GG als auch mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar.158 Der BGH habe die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsfortbildung nicht überschritten, weil die Entscheidung nicht willkürlich sei, sondern auf rationaler Vernunft beruhe.159 Das BVerfG berücksichtigte die Alterung der Kodifikation ebenso wie die sozialen Verhältnisse und die gesellschaftlich-politischen Anschauungen, die den Kontext der Entscheidung bildeten, und konstatierte, dass die Rechtsprechung des BGH allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen nicht widerspreche und keine unzumutbare Beschränkung der Meinungs- wie der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG bewirke.160 Diese Einschätzung hielt das BVerfG trotz der Kritik des Schrifttums161 in späteren Entscheidungen aufrecht.162 Für das postmortale Persönlichkeitsrecht lehnt das BVerfG die Ableitung eines Entschädigungsanspruchs aus Art. 1 Abs. 1 GG hingegen unter Hinweis auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers 154 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 (Caroline IV). 155 Z. B. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 101; Flume, 46. DJT, Bd. II, K 7 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 494; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 615 (zu § 253 BGB a. F.); Möhring, 45. DJT, Bd. II, C 103; L. Raiser, 46. DJT, Bd. II, B 21 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 52; H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 131 f.; s. auch Giesen, NJW 1971, 801, 802; Gounalakis, AfP 1998, 10, 14 ff. 156 BVerfG 7.2.1990 E 81, 242, 261; Isensee, Sicherheit, S. 38 ff.; Klein, DVBl. 1994, 489, 494; Ruffert, Verfassung, S. 203 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 951; Unruh, Schutzpflichten, S. 23 f. 157 Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56. 158 BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 284 f., 286 ff. (Soraya). 159 BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 287 (Soraya). 160 BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 288 ff. (Soraya); ähnlich BVerfG 22.8.2006 NJW 2006, 3409 (Marlene Dietrich). 161 Z. B. Diederichsen, AcP 198 (1998), 172 ff.; Hirsch, AcP 175 (1975), 471 ff.; Seitz, NJW 1996, 2848, 2849. 162 BVerfG 22.8.2006 NJW 2006, 3409 (Marlene Dietrich); s. auch BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 1287 f.

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und den bestehenden Unterlassungsanspruch sowie die strafrechtlichen Sanktionen ab.163 Angesichts der Billigung des BVerfG hält der BGH bis heute an seiner Rechtsprechung fest und stützt den Entschädigungsanspruch inzwischen auf § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.164 Das führte zu einer eher unsystematischen Eingliederung in das BGB, da sich § 823 Abs. 1 BGB bis zur Reform des Schadensersatzrechts auf Vermögensschäden beschränkte und § 847 BGB a. F. manchen als eigene Anspruchsgrundlage galt. Seit § 253 Abs. 2 BGB anstelle des § 847 BGB a. F. die Entschädigung als Rechtsfolgenbestimmung regelt, fügt sich die Bezugnahme auf § 823 Abs. 1 BGB konsistenter ein. Zudem hat der Gesetzgeber bei der Reform des Schadensersatzrechts die Fortführung dieser Rechtsprechung gebilligt.165 Angesichts der gefestigten Rechtsprechung und der Billigung durch den Gesetzgeber wird dem Anspruch vereinzelt sogar gewohnheitsrechtliche Geltung zugesprochen, so dass es auf die Tragfähigkeit seiner Ableitung nicht mehr ankomme.166 Vor der Reform des Schadensersatzrechts stützte ein Teil der Literatur den Entschädigungsanspruch auf eine Analogie zu § 847 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.167 Die planwidrige Regelungslücke für die Rechtsfortbildung begründen sie damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht erst nach Inkrafttreten des BGB Anerkennung fand, so dass das Verdikt des § 253 BGB a. F. nicht entgegenstehe.168 Zudem sei § 253 BGB a. F. vorkonstitutionelles Recht und gelte daher nur, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht (Art. 123 Abs. 1 GG).169 Mit der Reform des Schadensersatzrechts ist die Grundlage für diese Ableitung des Entschädigungsanspruchs entfallen. Zum einen wurde § 847 BGB gestrichen, zum anderen ist § 253 BGB neu gefasst und somit kein vorkonstitutionelles Gesetz mehr.170 Allerdings klammerte die Reform die Regelung des Entschädigungsanspruchs für schwere Persönlichkeitsverletzungen ausdrücklich aus171 und rückte von der Idee einer vollständigen und abschließenden Kodifikation des Schadensersatzrechts ab, so dass trotz der bewussten Regelungslücke eine Rechtsfortbildung möglich ist. Die Analogie kann sich nach 163

BVerfG 19.10.2006 ZUM 2007, 380, 381; ausführlich dazu unten § 2.A.VII.1., S. 98 ff. BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 (Caroline IV). 165 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f. 166 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 452 f. 167 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 86, 100; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 452 f.; Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 494 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56; s. auch Deutsch, ZRP 1998, 292; Peifer, JR 1996, 420, 421 f.; H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 131; vgl. Kübler, JZ 1968, 542, 544 ff.; Rötelmann, NJW 1964, 1458. 168 Siehe Fn. 167. 169 So auch BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 290 f. (Soraya). 170 Dazu Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56. 171 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f.; Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/7752, S. 55. 164

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der Reform nur auf § 253 Abs. 2 BGB beziehen, der im Gegensatz zu § 847 Abs. 1 BGB a. F. auch für die vertragliche Haftung gilt. Eine Analogie führte daher zur Erweiterung des Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die vertragliche Haftung.172 Der Gesetzgeber hatte jedoch nur die Fortführung der bestehenden Rechtsprechung vor Augen.173 Eine Analogie zu § 253 Abs. 2 BGB müsste sich daher auf die deliktische Haftung beschränken, da es ansonsten an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke fehlt. Unabhängig von der dogmatischen Ableitung ist der Entschädigungsanspruch wegen schwerer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich anerkannt. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung betrifft heute vor allem die Begründung der Rechtswidrigkeit und die Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs, die in der Caroline-Entscheidung von 1994 vom 6. Zivilsenat des BGH entwickelt wurde, um der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung zu Gewinnerzielungszwecken etwas entgegenzusetzen.174 Das führte letztlich zur Einführung eines Strafschadensersatzes, wenngleich er in seiner Höhe anfangs moderat blieb. Die Gewinne des Schädigers werden nur in die Betrachtung einbezogen, ohne sie vollständig abzuschöpfen.175 Gleichwohl entfernt sich der Entschädigungsanspruch dadurch vom traditionellen Schadensausgleich. Unabhängig von der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats hat der 1. Zivilsenat des BGH inzwischen den vermögensrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verstärkt. Er anerkennt vermögensrechtliche Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und gewährt einen Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ebenso wie einen Anspruch auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion oder einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns aus angemaßter Eigengeschäftsführung.176 Auf die Verwertungsbereitschaft des Geschädigten kommt es nicht an, es genügt die Verkehrsübung einer solchen Kommerziali172

Siehe unten § 2.A.VI.2., S. 93 ff. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f. 174 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); zustimmend z. B. Bentert, Das pönale Element, S. 86 ff.; Däubler, NJW 1999, 1611; Körner, NJW 2000, 241, 246; G. Müller, AfP 1997, 499, 503; Nixdorf, NZV 1996, 89, 94; Prinz, NJW 1995, 817, 820; ders., NJW 1996, 953, 954; Rosengarten, NJW 1996, 1935 f.; Schiemann, DZWir 1995, 202, 204; Schlechtriem, JZ 1995, 362, 364; Schwerdtner, Karlsruher Forum 1996, S. 27, 43; Soehring, NJW 1997, 360; Steffen, NJW 1997, 10; Stürner, AfP 1998, 1, 8; ders., FS Großfeld, S. 1201 f.; Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 147. 175 Siehe unten § 3.F.III., S. 200 ff. 176 BGH 1.12.1999 Z 143, 214 (Marlene Dietrich); bestätigend BGH 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); 5.10.2006 Z 169, 193, 196 (kinski-klaus.de); s. auch BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 f. (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 173

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sierung, um ein vermögensrechtliches Element des Persönlichkeitsrechts anzuerkennen.177 Daher bestehen bei Personen, die der Öffentlichkeit bekannt sind, in weitergehendem Umfang als bisher vermögensrechtliche Ansprüche, so dass der Geschädigte gerade in Fällen rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung nicht allein auf den Entschädigungsanspruch verwiesen ist. Insofern können bei einer gleichzeitigen Verletzung ideeller und vermögensrechtlicher Bestandteile sowohl Ansprüche auf Ersatz des Vermögensschadens, Wertersatz oder Gewinnherausgabe als auch ein Anspruch auf Ausgleich immaterieller Schäden bestehen. Bisher hat der BGH noch nicht beide Ansprüche nebeneinander gewährt, dies aber auch nicht abgelehnt. Vielmehr fehlte es in den Fällen, in denen es um Vermögensschäden infolge einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ging, an der rechtswidrigen Verletzung.178 Das Verhältnis der Ansprüche wegen der Verletzung der vermögensrechtlichen und ideellen Bestandteile ist bisher nicht abschließend geklärt.179 Zum einen ist zu erwägen, ob der Entschädigungsanspruch wegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung weiterhin eine Präventionsfunktion haben muss, um einen angemessenen Rechtsgüterschutz sicherzustellen.180 Zum anderen ist bei einer Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts abzugrenzen, in welchen Fallgruppen überhaupt die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts neben den vermögensrechtlichen Bestandteilen verletzt werden und unter welchen Voraussetzungen ein ideeller Schaden eintritt.181 Schließlich ist über die Konkurrenz der einzelnen Ansprüche zu entscheiden.182 Diese Entwicklung wirkt insbesondere als Gegenbewegung auf die Anerkennung der selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die ihn zu einem Strafschadensersatz macht, um sicherzustellen, dass sich das Delikt für den Schädiger nicht lohnt. Auf diese Fragen ist im vierten Teil der Arbeit einzugehen, der sich mit der Integration strafender Elemente in den Ausgleich immaterieller Schäden auseinandersetzt. 177 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 219 ff. (Marlene Dietrich); 6.12.2005 Z 165, 203, 208 f. (Mordkommission Köln); 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers). 178 BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 f. (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 179 Ehmann, AfP 2007, 81, 85; krit. dazu Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 59. 180 Ablehnend Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 220; Helle, JZ 2007, 444, 445; Koos, WRP 2002, 202, 202 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 230; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 249; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 1, 29 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 213; ders., WRP 2000, 1049, 1052 f.; s. auch G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 224 f.; Witzleb, Geldentschädigung, S. 161 ff.; a. A. Alexander, AfP 2008, 556, 564 f.; Dreier, Kompensation, S. 348 ff.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 154 f.; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 120 ff.; ausführlich dazu § 17.E., S. 778 ff. 181 Ausführlich dazu § 17.F.II., S. 784 ff. 182 Ausführlich dazu § 17.F.IV., S. 791 ff.

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b) Voraussetzungen für die Entschädigung immaterieller Einbußen Im Gegensatz zur deliktischen Haftung für andere absolute Rechte zieht nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Entschädigung nach sich.183 Eine Genugtuung des Geschädigten durch eine Entschädigung gilt nur dann als erforderlich, wenn der Schädiger mit schwerer Schuld handelt oder die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts objektiv erheblich ins Gewicht fällt. Ob diese Kriterien alternativ oder kumulativ gelten, hat die Rechtsprechung nicht ausdrücklich entschieden. Der 6. Zivilsenat des BGH verlangte wiederholt eine schwere Verletzung und verwies darauf, dass die Intensität der Persönlichkeitsverletzung insbesondere von der Bedeutung und der Tragweite des Eingriffs abhänge, vom Anlass des Schadensfalls, den Beweggründen des Handelnden sowie vom Grad des Verschuldens.184 Im Ergebnis finden objektive und subjektive Aspekte gleichermaßen Berücksichtigung. Somit zieht ein schweres Verschulden wohl stets eine schwere Rechtsverletzung nach sich. Im Umkehrschluss ist ein schweres Verschulden nicht in jedem Fall notwendig, solange die übrigen Kriterien eine schwere Rechtsverletzung begründen.185 Insbesondere die hartnäckige Wiederholung leichter Verletzungen kann schwer wiegen (z. B. wiederholte Veröffentlichung von Fotos des Kindes einer bekannten Person ohne deren Einwilligung).186 Dabei ist auch die Schutzbedürftigkeit von Kindern besonders zu berücksichtigen, die gerade in ihrer ungehinderten Entfaltung187 sowie in ihrer natürlichen und unbefangenen Beziehung zu ihren Eltern geschützt sind.188 Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit ist daher nicht erforderlich189, etwas anderes gilt nur, soweit die Ent183

St. Rspr., BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 369 (Ginsengwurzel); s. auch BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 132 f. (Fernsehansagerin); 26.1.1971 NJW 1971, 698, 699 (Pariser Liebestropfen); 22.1.1985 NJW 1985, 1617, 1619 (Nacktfoto); 15.11.1994 Z 128. 1, 12 (Caroline I); 30.1.1996 Z 132, 13, 27 (Lohnkiller). 184 BGH 26.1.1971 NJW 1971, 698, 699 (Pariser Liebestropfen); 22.1.1985 NJW 1985, 1617, 1619 (Nacktfoto); 15.12.1987 VersR 1988, 405; 15.11.1994 Z 128, 1, 12 (Caroline I); 30.1.1996 Z 132, 13, 27 (Lohnkiller); 5.10.2004 Z 160, 298, 306; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 241. 185 BGH 5.3.1962 VersR 1963, 534, 535 (Hauptdrahtzieher); 26.1.1971 NJW 1971, 698, 699 (Pariser Liebestropfen); 8.7.1980 NJW 1980, 2801, 2807 (Medizin-Syndikat); 1.12.1981 NJW 1982, 635, 636; s. auch BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 233; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 495; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 241. 186 BGH 12.12.1995 NJW 1996, 985, 986 (Caroline II); Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 241, 244; krit. H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 139 (weniger eine gestiegene Einbuße der Verletzten, sondern Unverfrorenheit der handelnden Presseorgane). 187 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 304 f. Zur verfassungsrechtlichen Fundierung des Schutzes BVerfG 15.12.1999 E 101, 361, 385 f.; 31.3.2000 NJW 2000, 2191; 29.7.2003 NJW 2003, 3262 f.; 14.2.2005 NJW 2005, 1857, 1858; 22.3.2007 NJW-RR 2007, 1055, 1057. 188 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 304 f.; 22.3.2007 NJW-RR 2007, 1055, 1057. 189 BGH 26.1.1971 NJW 1971, 698, 699 (Pariser Liebestropfen); 8.7.1980 NJW 1980, 2801, 2807 (Medizin-Syndikat); Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 115.

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schädigung zu Präventionszwecken erhöht werden soll190. Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der Schwere der Persönlichkeitsverletzung die Meinungs- und Pressefreiheit zu berücksichtigen, damit der Entschädigungsanspruch nicht zu einer Verletzung von Art. 5 Abs. 1 GG führt.191 Dieser Gesamtwürdigung wird in der Literatur zum Teil widersprochen und eine Kumulation von schwerem Verschulden und erheblicher Verletzung verlangt, weil die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht immer das gleiche Gewicht wie eine Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung habe.192 Diese Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung haben sich vor allem vor dem Hintergrund der Meinungs- und Pressefreiheit entwickelt. Zusätzliche Anforderungn für den Anspruch auf Geldentschädigung hat der BGH in der Entscheidung „Esra“ mit Rücksicht auf die Kunstfreiheit gestellt.193 Die Klägerin hatte durch einen Unterlassungsanspruch bereits die Veröffentlichung des Romans „Esra“ von Maxim Biller verhindert194 und verlangte zusätzlich vom Verlag eine Entschädigung für die schwere Persönlichkeitsverletzung. Eine solche Rechtsgutsverletzung nimmt der BGH zwar an, beschränkt den Anspruch jedoch in verfassungskonformer Weise, indem er darauf verweist, dass bereits die Verpflichtung, die Veröffentlichung zu unterlassen, gleichsam das literarische Werk des Autors vernichtet und eine schwerwiegende Sanktion darstellt.195 Darüber hinaus sei eine Entschädigung angesichts der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit und der abschreckenden Wirkung des Anspruchs nur gerechtfertigt, wenn die Kunstform zu einer persönlichen Abrechnung missbraucht wurde und das Kunstwerk allein darauf zielt, den Betroffenen zu beleidigen und zu verleumden.196 Das OLG München als Vorinstanz hatte die Grundrechtsrelevanz des Entschädigungsanspruchs noch nicht zum Anlass genommen, in die Anspruchsvoraussetzungen einzugreifen. Es prüfte die schwere Persönlichkeitsverletzung anhand des vom BGH entwickelten Maßstabs und lehnte sie ab, weil ein schweres Verschulden fehlte und das Werk nur geringe Verbreitung hatte.197

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BGH 19.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 115. 191 BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 132 f. (Fernsehansagerin); dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 450; s. auch BVerfG 13.3.2007 NJW-RR 2007, 1194, 1194 f. 192 Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 58. 193 BGH 24.11.2009 NJW 2010, 763, 764 (Esra II). 194 BGH 21.6.2005 NJW 2005, 2844 (Esra I); BVerfG 13.6.2007 E 119, 1, 36 ff. (Esra); dazu Gostomzyk, NJW 2008, 737; Obergfell, JZ 2006, 196; Wanckel, NJW 2006, 578. 195 BGH 24.11.2009 NJW 2010, 763, 764 (Esra II). 196 BGH 24.11.2009 NJW 2010, 763, 764 (Esra II); ebenso Fornasier/Frey, AfP 2009, 110, 112; zustimmend Ladeur, NJW 2010, 765. 197 OLG München 8.7.2008 ZUM 2008, 984, 989 f.

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Der BGH hingegen lehnt einen Entschädigungsanspruch bei Persönlichkeitsverletzungen durch ein Kunstwerk grundsätzlich ab, wenn der Künstler zur Beseitigung oder Unterlassung verpflichtet ist und die Kunstform nicht zur Abrechnung mit dem Geschädigten missbraucht wird oder allein darauf zielt, den Betroffenen zu beleidigen oder zu verleumden.198 Er stützt sich dabei letztlich auf die Kollision zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit, die im Wege praktischer Konkordanz aufzulösen ist. Wegen der vorbehaltlosen Gewährleistung der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG lässt sich der für die Meinungs- und Pressefreiheit entwickelte Maßstab nicht uneingeschränkt übertragen.199 Die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche wirken bei der Ausübung der Kunstfreiheit wesentlich intensiver als bei der Pressefreiheit, da sie die Verbreitung des Kunstwerks regelmäßig verhindern.200 Im Gegensatz zur Presse, die häufig in wesentlich kürzeren Zeitabständen publiziert, entfaltet der Unterlassungsanspruch bei der Kunstfreiheit effektive Wirkung. Zudem vermag das allgemeine Persönlichkeitsrecht bei der vorbehaltlos gewährleisteten Kunstfreiheit nicht in gleicher Weise wie bei der Pressefreiheit einen Entschädigungsanspruch zu begründen. Der Unterlassungsanspruch beschränkt die Verwertung des Kunstwerks bereits, so dass dem Grundrechtsinhaber sowohl die ideelle als auch die wirtschaftliche Verwertung des Objekts genommen ist. Eine zusätzliche Verpflichtung zur Entschädigung birgt ein erhebliches Abschreckungspotential, das von der Verwirklichung der Kunstfreiheit abhält.201 Diese besonderen Umstände ließen sich auch in die Anspruchsvoraussetzungen integrieren, was zu einer Einzelfallprüfung mit umfassender Interessenabwägung führte. Diese würde ebenfalls regelmäßig die Versagung des Entschädigungsanspruchs wegen der Persönlichkeitsverletzung nach sich ziehen. Die Einschränkung des Entschädigungsanspruchs durch Art. 5 Abs. 3 GG auf die Fälle des Missbrauchs der Kunstfreiheit zur Abrechnung sowie zur Verleumdung, wie sie der BGH vornimmt, hat aber den Vorteil der Rechtssicherheit. Sie wahrt das Grundrecht, da auch die Unsicherheit über eine mögliche Haftung bereits abschreckend wirken und somit die Grundrechtsausübung einschränken kann. Die damit verbundene Zurücksetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lässt sich mit dem vorbehaltlosen Schutz der Kunstfreiheit rechtfertigen, der sich auch auf die zivilrechtlichen Ansprüche auswirken muss, die grundrechtsbeeinträchtigende Wirkung haben. Die Rechtsprechung macht den Entschädigungsanspruch schließlich davon abhängig, dass sich die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht 198 199 200

BGH 24.11.2009 NJW 2010, 763, 764 (Esra II). BGH 24.11.2009 NJW 2010, 763, 764 (Esra II). BGH 24.11.2009 NJW 2010, 763, 764 (Esra II); s. auch Frey/Fornasier, ZUM 2010, 253,

255. 201

BGH 24.11.2009 NJW 2010, 763, 764 (Esra II).

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auf andere Weise befriedigend ausgleichen lässt.202 Der Entschädigungsanspruch beseitige die Defizite des Primärrechtsschutzes203, so dass im Einzelfall ein unabwendbares Bedürfnis für die Entschädigung bestehen muss.204 Insbesondere die Ansprüche auf Unterlassung oder Widerruf sowie der presserechtliche Anspruch auf Gegendarstellung müssen für den Rechtsgüterschutz unzureichend sein, weil sie entweder zu spät kommen oder die Verletzung des Geschädigten erneuern würden. Das gilt beispielsweise für bereits gesendete Berichte oder ehr- bzw. rufverletzende Äußerungen. In der Literatur wird zum Teil angenommen, dass ein Widerruf grundsätzlich nicht ausreiche, um den Entschädigungsanspruch auszuschließen, weil ihm keine Genugtuungsfunktion zukomme.205 Gerade bei einem alsbaldigen, freiwilligen Widerruf kann die Rechtsverletzung im Einzelfall aber so weit ausgeglichen werden, dass der verbleibende Schaden keiner Entschädigung bedarf.206 Auch das BVerfG sah in der Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs keine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.207 Darüber hinaus berücksichtigt die Rechtsprechung bei der Prüfung der Subsidiarität, ob das Presseunternehmen ohne den Entschädigungsanspruch das Persönlichkeitsrecht des Geschädigten quasi risikolos verletzen könnte.208 Der Anreiz, mit der Entstellung von Personen Gewinn zu erzielen, entfiele erst durch die Entschädigung. Somit finden der Rechtsgüterschutz und die präventive Wirkung des Entschädigungsanspruchs bei der Begründung der Haftung ebenso Beachtung wie bei der Bemessung der Entschädigung seit Anerkennung der Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs. Die Ablehnung einer selbständigen Präventionsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, hat aber nicht zwangsläufig zur Folge, dass 202 St. Rspr., BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 369 (Ginsengwurzel); 5.3.1961 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 26.1.1971 NJW 1971, 698, 699 (Pariser Liebestropfen); 22.1.1985 NJW 1985, 1617, 1619 (Nacktfoto); 15.11.1994 Z 128, 1, 12 (Caroline I); 30.1.1996 Z 132, 13, 27 (Lohnkiller); Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 241, 248; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 21; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 44. 203 BGH 5.3.1961 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 15.11.1994 Z 128, 1, 12 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); OLG Karlsruhe 13.10.1997 NJW-RR 1999, 104, 105; OLG München 20.8.1999 NJW-RR 2000, 472, 473; s. auch BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 290 f. (Soraya); Gounalakis, AfP 1998, 10, 23; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 248; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichtserstattung, Kap. 14 Rn. 101. 204 BGH 26.1.1971 NJW 1971, 698, 699 (Pariser Liebestropfen); Steffen, NJW 1997, 10; a. A. Lange, VersR 1999, 274, 278 (kein Ultima-ratio-Behelf, da die anderen Mittel ohne vergleichbare Wirkung). 205 Schwerdtner, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1993, § 12 Rn. 294; a. A. Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 121; differenzierend Löffler/Ricker, Presserecht, 44. Kap. Rn. 47. 206 BGH 19.11.1994 Z 128, 1, 13 (Caroline I). 207 BVerfG 23.9.2009 1 BvR 1742/09, zit. nach juris. 208 Z. B. OLG Karlsruhe 8.4.2009 NJW-RR 2009, 1273, 1275.

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auch auf tatbestandlicher Ebene der Rechtsgüterschutz durch den Entschädigungsanspruch außer Acht bleiben muss. Die Einführung einer deliktischen Haftung hat unabhängig von der Bemessung der Entschädigung präventive und daher rechtsgüterschützende Wirkung, so dass eine differenzierende Lösung, die zwischen dem Ob und dem Umfang der Haftung unterscheidet, möglich ist. Subsidiär ist der Entschädigungsanspruch wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen aber in Stalkingfällen, soweit das Gewaltschutzgesetz umfassende Schutzmöglichkeiten eröffnet.209 Nur die schweren Persönlichkeitsverletzungen, die trotz des Gewaltschutzes verbleiben, können einen Entschädigungsanspruch begründen. Sofern zugleich Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen eintreten, kann auf der Grundlage von § 253 Abs. 2 BGB stets eine Entschädigung verlangt werden, die sich aber auf die Folgen der Verletzung von Körper und Gesundheit beschränkt. Daneben muss ein Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestehen, sofern sie über die Folgen der Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung hinausgeht und die notwendige Schwere aufweist. 2. Vertragliche Haftung für immaterielle Einbußen bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht nur sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, es kann auch Gegenstand vertraglicher Hauptleistungspflichten sowie Schutzpflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB sein. Letztere verpflichten die Parteien eines Schuldverhältnisses zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und berechtigten Interessen und erfassen auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht.210 Der Schuldner darf daher beispielsweise seine Erkenntnisse über das Privatleben des Gläubigers nicht veröffentlichen oder kommerziell verwerten. Zudem sind Belästigungen – meist als Mobbing bezeichnet – oder sexuelle Belästigungen Handlungen, mit denen der Vertragspartner sowohl die vertraglichen Schutzpflichten verletzt als auch eine deliktische Handlung begeht.211 Diese vertraglichen Pflichten sind inzwischen im 209

Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 44; noch zurückhaltender Keiser, NJW 2007, 3387,

3390. 210 Allg. dazu G. Roth, MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2007, § 241 Rn. 91; Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rn. 178. 211 Zur vertraglichen Schutzplicht st. Rspr., zuletzt BAG 16.5.2007 NZA 2007, 1154, 1160; 25.10.2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; s. auch Brams, zfs 2009, 546, 547. Meist liegt zugleich eine Gesundheitsbeschädigung in Form einer psychischen Erkrankung vor. Zudem besteht eine Haftungsbeschränkung nach § 104 Abs. 1 SGB VII. S. BAG 25.10.2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; G. Wagner, JZ 2004, 319, 329. Zur deliktischen Haftung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts z. B. BAG 25.10.2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; LAG 11.2.2008 NZA 2009, 7, 8 f.; Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 371 ff.

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AGG gesetzlich normiert. § 3 Abs. 3 AGG erfasst die Belästigungen, mit denen der Gesetzgeber das sog. Mobbing umschreibt212, und in § 3 Abs. 4 AGG die sexuelle Belästigung. Daneben können Diskriminierungen beim Zugang zur Beschäftigung oder im Zivilrechtsverkehr zugleich zu Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen. Das AGG hat die vertraglichen Pflichten spezialgesetzlich in den §§ 7, 19 AGG i. V. mit §§ 1, 3 AGG konkretisiert und zugleich die Haftung in den §§ 15 Abs. 1–4, 21 Abs. 2 AGG geregelt. Die Haftung wegen vertraglicher Pflichtverletzung im Allgemeinen erstreckt sich seit der Schadensersatzreform im Jahre 2002 auf immaterielle Schäden. § 253 Abs. 2 BGB bezieht aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht ein. Der Gesetzgeber befürwortete im Rahmen der Schadensersatzreform zwar die Fortführung der Rechtsprechung des BGH zur Entschädigung schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, regelte aber den Entschädigungsanspruch – trotz des Vorschlags des Bundesrates – nicht.213 Somit bleibt der Ausgleich ideeller Schäden für schwere Persönlichkeitsverletzungen grundsätzlich auf die deliktische Haftung beschränkt. Ein Anspruch aus vertraglicher Haftung ergibt sich nur aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, sofern eine unzulässige Benachteiligung i. S. der §§ 1, 3 AGG vorliegt. Der Anspruch setzt keine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus214, erfasst aber auch diese Rechtsverletzung, soweit die Benachteiligung sie verursacht. Jenseits des AGG hat der Geschädigte einen Anspruch auf Entschädigung immaterieller Einbußen nur, soweit mit der Persönlichkeitsverletzung zugleich eine Gesundheitsbeschädigung einhergeht, so dass § 253 Abs. 2 BGB eingreift.215 Der Schadensersatz erfasst dann aber nur die Folgen der Gesundheitsbeschädigung, so dass ein darüber hinausgehender Schaden, der aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts resultiert, nicht einbezogen ist. Angesichts der Beschränkung der vertraglichen Haftung wird vereinzelt vorgeschlagen, sie auf die Entschädigung ideeller Einbußen wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtsfortbildend zu erweitern. Däubler und Wagner wollen die Erweiterung der vertraglichen Haftung auf das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG stützen, so dass die gleiche 212 BAG 25.10.2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; ebenso Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 3 Rn. 46; Meinel/Heym/Herms, AGG, § 3 Rn. 38; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 623; Wolmerath, Mobbing, Rn. 33. Zuvor war die Schutzpflicht des Arbeitgebers in § 3 Abs. 2 BSchG normiert. 213 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f.; Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/7752, S. 49 f.; Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/7752, S. 55.; vgl. zur Kritik des Schrifttums Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 57; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2056 f.; ders., JZ 2004, 319, 329; s. auch von Mayenburg, VersR 2002, 278, 283. 214 Dazu § 2.C.VII.2.c., S. 141 f., § 3.B.V.2., S. 167 ff. 215 Z. B. BAG 25.10.2007 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; dazu Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 369, 377.

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Ableitung wie bei der deliktischen Haftung gelte.216 Das Schutzgebot gibt der staatlichen Gewalt auf, die grundrechtlich verbürgten Rechtsgüter vor den Verletzungen anderer Bürger zu schützen und sicherzustellen, dass es dem Inhaber dieses Rechtsguts erhalten bleibt.217 Der Staat ist verpflichtet, das Grundrecht vor seiner Funktionslosigkeit zu bewahren, muss aber keine umfassende Sicherheit vor Freiheitsbeschränkungen gewährleisten (sog. Untermaßverbot).218 Eine Schutzpflicht besteht daher nur, wenn der Bürger in seinem Freiheitsrecht erheblich beeinträchtigt ist und ein gewichtiges Bedürfnis nach einem schützenden Eingreifen des Staates besteht.219 Das Untermaßverbot ist nur verletzt, wenn das Minimum eines wirksamen Schutzes für das Grundrecht nicht sichergestellt ist, ein optimaler Schutz ist hingegen nicht zu gewährleisten.220 Aus der Schutzpflicht der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG leitet der BGH die deliktische Haftung für ideelle Schäden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab. Einen Schutz vor dem Funktionsloswerden des Grundrechts im Sinne des Untermaßverbots gewährt daher bereits die deliktische Haftung, die dem sekundären Schutz des Rechtsguts dient, soweit Primäransprüche wie Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nicht ausreichen. Die vertragliche Haftung wegen einer Schutzpflichtverletzung knüpft an die gleiche Rechtsgutsverletzung an und unterscheidet sich von der deliktischen Haftung primär durch die widerlegliche Verschuldensvermutung nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB und die Haftung für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB. Daher verbessert sie die Effizienz des Rechtsgüterschutzes nur in Teilbereichen. Die Begründung der Rechtswidrigkeit der Rechtsgutsverletzung bedarf beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Wertungen aus Art. 5 Abs. 1, 3 GG. Diese Abwägung ist bei der vertraglichen Haftung ebenfalls erforderlich. Auch der Haftungsumfang geht nicht über die deliktische Haftung hinaus. 216 Däubler, JuS 2002, 625, 627; G. Wagner, JZ 2004, 319, 329; s. auch Schernitzky, Schadensersatz, S. 49, der aber auf die Ungleichbehandlung von vertraglicher und deliktischer Haftung verweist. 217 BVerfG 8.8.1978 E 49, 89, 141 f.; 19.10.2006 ZUM 2007, 380, 381; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 426; Dietlein, Schutzpflichten, S. 113 f.; Isensee/Kirchof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 90; Pietzcker, FS Dürig, S. 345, 357; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 740; s. auch Canaris, Grundrechte, S. 76. 218 BVerfG 8.8.1978 E 49, 89, 143; 14.1.1981 E 56, 54, 80 f.; 28.5.1993 E 88, 203, 254; Dietlein, Schutzpflichten, S. 105; Klein, DVBl. 1994, 489, 495; Papier, RdA 1989, 137, 139; Starck, Verfassungsauslegung, S. 80. 219 BVerfG 25.2.1975 E 39, 1, 42; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410; Canaris, Grundrechte, S. 74 f.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 102. 220 BVerfG 28.5.1993 E 88, 203, 254; Dieterich, RdA 1995, 129, 134; Dietlein, ZG 1995, 131, 132; Klein, DVBl. 1994, 489, 495; zuerst Canaris, AcP 184 (1984), 201, 228; ders., Grundrechte, S. 39.

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Die Erweiterung der vertraglichen Haftung auf immaterielle Schäden infolge von Persönlichkeitsverletzungen verbessert zwar den Rechtsschutz; die grundrechtliche Schutzpflicht, die nur einen Mindestschutz verlangt, erfüllt aber bereits die deliktische Haftung. Ein Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung ist zwar wünschenswert221, zumal die Reform des Schadensersatzrechts ihn für die in § 253 Abs. 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter herbeigeführt hat und kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung ersichtlich ist. Die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gebietet das jedoch nicht. Die Erweiterung der vertraglichen Haftung auf immaterielle Schäden infolge einer Persönlichkeitsverletzung ließe sich höchstens auf eine Analogie zu § 253 Abs. 2 BGB stützen. Die Rechtsfortbildung zu § 253 Abs. 2 BGB a. F. könnte nur damit gerechtfertigt werden, dass der Gesetzgeber bei der Reform des Schadensersatzrechts klarstellte, dass die Beschränkung der Norm einzelne Rechtsgüter der Rechtsprechung des BGH zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht entgegenstehe.222 Allerdings bezog sich diese Stellungnahme auf die deliktische Haftung.223 Der Gesetzgeber wollte somit nur, dass die bisherige Rechtsprechung fortgeführt wird. Auch der nicht übernommene Vorschlag des Bundesrates betraf einen deliktischen Haftungstatbestand und erweiterte § 253 Abs. 2 BGB nicht.224 Die vertragliche Haftung für Nichtvermögensschäden ist jedoch auf die in § 253 Abs. 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter beschränkt, so dass keine Regelungslücke besteht.225 Eine Analogie zu § 253 Abs. 2 BGB scheidet daher aus.226 Unabhängig von § 253 Abs. 2 BGB kann sich ein Entschädigungsanspruch für immaterielle Einbußen nur unmittelbar aus Vertrag ergeben. § 253 Abs. 1 BGB ist dispositiv227, so dass die Vertragsparteien die vertragliche Haftung auf ideelle Schäden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erweitern können. Auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe kann den Schadensausgleich sicherstellen, soweit sie nicht nur die sanktionierte Pflicht durchsetzen, sondern auch den Schaden ausgleichen soll. Die privatautonome 221 Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1033; Schernitzky, Schadensersatz, S. 49; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 41; G. Wagner, JZ 2004, 319, 329; dafür bereits Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 45. 222 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f. 223 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f. 224 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/7752, S. 49. 225 v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 283; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 7; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2056 f. 226 Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56; offenlassend Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1033; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 41. 227 BGH 12.7.1955 JZ 1955, 581; Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, § 253 Rn. 3; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Soergel/Mertens, BGB, § 253 Rn. 12; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 9; Ströfer, Schadensersatz, S. 176 ff.; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 243.

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Erweiterung der Entschädigung immaterieller Schäden kann sie sogar vollständig von bestimmten Rechtsgutsverletzungen lösen.228 3. Sonderfall: Entschädigung wegen der Verletzung des Datenschutzrechts Nach § 7 BDSG haften alle öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen für schuldhafte Verstöße gegen die Vorgaben des Datenschutzrechts nach dem BDSG, wobei das Verschulden widerleglich vermutet wird. Öffentliche Stellen trifft bei automatisierter Datenverarbeitung zudem eine Gefährdungshaftung (§ 8 Abs. 1 BDSG). Daneben gelten die allgemeinen Vorschriften der vertraglichen und deliktischen Haftung, so dass die §§ 249 ff. BGB für den Umfang des Schadensersatzes maßgeblich sind und wegen § 253 Abs. 1 BGB keine Nichtvermögensschäden kompensiert werden.229 Eine Ausnahme macht § 8 Abs. 2 BDSG, wonach öffentliche Stellen bei Verletzungen des BDSG in schweren Fällen auch ideelle Einbußen entschädigen müssen. Daneben lässt sich ein Entschädigungsanspruch für Nichtvermögensschäden nur auf die Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bzw. der Privatsphäre stützen. Der BGH qualifiziert beide als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und gewährt einen Entschädigungsanspruch, der bei nur bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen besteht.230 Eine Rechtsfortbildung zu § 253 Abs. 2 BGB ist nicht möglich.231 Die restriktive Entschädigung immaterieller Einbußen bei Verletzungen des Datenschutzes ist auf Kritik gestoßen.232 Dazu wird auf Art. 23 Abs. 1 Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) verwiesen, der eine Haftung auf Schadensersatz verlangt. Die Richtlinie definiert den Schaden zwar nicht, beabsichtigt aber eine weitgehende Harmonisierung des Datenschutzrechts in Europa, um Hindernisse für die Freizügigkeit abzubauen.233 Damit erscheint es unvereinbar, Art. 23 der Richtlinie anhand des nationalen Rechts auszulegen, so dass sich der ersatzfähige Schaden nach der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten bestimmt. Gerade der Ausgleich immaterieller Schäden ist in den Mitgliedstaaten uneinheitlich geregelt. Angesichts des Richtlinienziels liegt es näher, einen europäischen Schadensbegriff zugrunde zu legen.234 Zudem hat der EuGH bereits in der Vergangenheit Sanktionsbestimmungen in Richtlinien dahin ausge228

Ausführlich § 2.C.I., S. 107 ff. Zu § 7 BDSG Gola/Schomerus, BDSG, § 7 Rn. 13, 19; Simitis, BDSG, § 7 Rn. 32; s. auch Maties, NJW 2008, 2219, 2223; Niedermeier/Schröcker, RDV 2002, 217, 220. 230 Grundlegend BGH 19.11.1994 Z 128, 1, 14 ff. (Caroline I); s. auch OLG Frankfurt M. 21.1.1987 NJW 1987, 1087 f.; OLG Köln 13.10.1988 NJW 1989, 720 f.; Maties, NJW 2008, 2219, 2223; Simitis, BDSG, § 7 Rn. 33; a. A. Gola/Schomerus, BDSG, § 7 Rn. 13, 19, die eine Analogie zu § 847 BGB a. F. vor der Schadensersatzrechtsreform vorschlugen. 231 Siehe oben § 2.A.V.1.a., S. 85 f. 232 Kautz, Schadensersatz, S. 246 f., 248; Simitis, BDSG, § 7 Rn. 32; s. auch Roßnagel/Pfitzmann/Garstka, Gutachten, S. 182. 233 Erwägungsgründe 8, 12, 55 Richtlinie 95/46/EG; dazu Kautz, Schadensersatz, S. 178 f. 234 Kautz, Schadensersatz, S. 178; Wuermeling, CR 1995, 111, 113. 229

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legt, dass die Rechtsfolge verhältnismäßig und abschreckend sein muss und ein vollständiger Ausgleich der erlittenen Schäden erforderlich ist.235 Das spricht dafür, dass auch Art. 23 Richtlinie 95/46/EG einen vollständigen Ausgleich aller materiellen und immateriellen Schäden verlangt und § 7 BDSG die Richtlinie unzureichend umsetzt.236 Einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BDSG stehen § 253 Abs. 1 BGB und § 8 Abs. 2 BDSG entgegen.237 Es kommt nur eine richtlinienkonforme Anwendung des Entschädigungsanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG in Betracht. In ähnlicher Weise hatte das BAG auf die Richtlinienwidrigkeit der als Portoparagraph bezeichneten Fassung des § 611a BGB reagiert, nachdem der EuGH die Unvereinbarkeit mit der Richtlinie ausgesprochen hatte.238 Dieses Vorgehen des BAG stand erheblich in der Kritik, weil sich § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auf den Schutz der Selbstbestimmung beschränkt und nicht den Schutz der Selbstentfaltung einbezieht, wie ihn das Diskriminierungsrecht anstrebt.239 Die Einwände gegen die Rechtsprechung des BAG lassen sich nicht auf den Datenschutz übertragen, der nicht die Selbstentfaltung, sondern die informationelle Selbstbestimmung betrifft, die Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Die richtlinienkonforme Auslegung führte aber dazu, dass der Anspruch nicht von einer schweren Persönlichkeitsverletzung abhängt, sondern eine Verletzung des Datenschutzrechts genügt.240 Bei der Bemessung der Entschädigung ist zu berücksichtigen, ob andere Abhilfemöglichkeiten (Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten) bestehen und zur Minderung des Schadens genutzt wurden. Daneben besteht ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit den einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, sofern sie Schutzgesetze sind.241 Ansprüche aus vertraglicher Haftung infolge einer Schutzpflichtverletzung 235 Z. B. EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 23, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 23, 28 (Harz); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22 (Draehmpaehl); s. auch § 8.A.I., B.III., S. 424 ff., 451 ff. 236 Zur Schadensersatzpflicht auch für immaterielle Schäden nach Art. 23 der Richtlinie Brühann/Zerdick, CR 1994, 429, 435; Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie, Art. 23 Rn. 5; Niedermeier/Schröcker, RDV 2002, 217, 224; Würmeling, DB 1996, 663 ff.; s. auch Kopp, RDV 1993, 1, 8; a. A. Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie, Art. 23 Rn. 20 ff.; Schneider, CR 1993, 35, 39. Für eine Klarstellung hins. der Einbeziehung der immateriellen Schäden Lütkemeier, DuD 1995, 597, 600. 237 Anders Kautz, Schadensersatz, S. 270 ff.; Niedermeier/Schröcker, RDV 2002, 217, 224 (richtlinienkonforme Auslegung des § 7 BDSG). 238 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB; 14.3.1989 AP Nr. 6 zu § 611a BGB. 239 Annuß, NZA 1999, 738, 741; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 257, 261; Franzen, Rechtsangleichung, S. 408 f.; Herrmann, ZfA 1996, 19, 49; Scholz, AP Nr. 6, 7 zu § 611a BGB; Vollmer, BB 1997, 1582, 1583; Wiese, JuS 1990, 357, 360 f. 240 Anders Dzida/Grau, ZIP 2012, 504, 506, die wie bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Allgemeinen eine schwerwiegende Verletzung voraussetzen. 241 So auch Dzida/Grau, ZIP 2012, 504, 506; Kopp, RDV 1993, 1, 8.

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scheiden jedoch wegen § 253 Abs. 1 BGB aus.242 Eine Analogie zu § 253 Abs. 2 BGB ist mangels planwidriger Regelungslücke nicht möglich.243 Im Ergebnis werden diese Ansprüche den Datenschutz in seiner Effektivität nicht grundlegend verbessern, da vor allem eine größere Anzahl von Schadensersatzansprüchen von geringer Höhe entsteht (Streuschäden). Einen intensiveren Rechtsschutz bewirkt das nur, wenn die Schäden auch geltend gemacht werden. Das ist nicht zu erwarten, solange jeder Geschädigte selbst Klage erheben muss und nicht die Möglichkeit der Verbandsklage besteht. Eine solche Klagemöglichkeit schreibt die Richtlinie nicht vor. Art. 24 verlangt zwar, Sanktionen zu ergreifen. Diese sind indes nicht auf Schadensersatzansprüche beschränkt, so dass sich daraus keine weiteren Vorgaben für das Schadensersatzrecht ableiten lassen. VII. (Keine) Entschädigung von Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts 1. Entschädigung bei Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts Das postmortale Persönlichkeitsrecht ist in der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH sowie in der Literatur anerkannt.244 Überwiegend gilt es als Recht des ehemals Lebenden, das die Wahrnehmungsberechtigten – die vom Verstorbenen hierzu berufenen Personen bzw. die nächsten Angehörigen – geltend machen können.245 Für das Recht am eigenen Bild als besonderes Persönlichkeitsrecht bestimmt § 22 S. 3 KUG, dass es nach dem Tod fortwirkt und die Angehörigen in die Verbreitung der Abbildung des Verstorbenen einwilligen müssen. Es handelt sich nach herrschender Ansicht nicht um ein Recht der Angehörigen auf Schutz ihres Anspruchs auf Pietät und ihres Andenkens an den Verstorbenen.246 Der Persönlichkeitsschutz wirkt vielmehr 242 Ebenso Dzida/Grau, ZIP 2012, 504, 505; HWK/Krause, § 619a BGB Rn. 70; anders wohl Kopp, RDV 1993, 1, 8; für eine Erweiterung der vertraglichen Haftung für immaterielle Schäden auf Fälle der Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ErfK/Preis, § 619a BGB Rn. 72. 243 Siehe § 2.V.2, S. 81 f. 244 BVerfG 24.2.1971 E 30, 173, 194 ff. (Mephisto); 5.4.2001 NJW 2001, 2957, 2958 f. (Wilhelm Kaisen); 22.8.2006 NJW 2006, 3409 (Marlene Dietrich); BGH 26.11.1954 Z 15, 249, 259 (Cosima Wagner); 20.3.1968 Z 50, 133, 136 ff. (Mephisto); 8.6.1989 Z 107, 384, 391 (Emil Nolde); 1.12.1999 Z 143, 214, 223 f. (Marlene Dietrich); z. B. v. Gamm, NJW 1955, 1826 f.; Heldrich, FS Lange, S. 163 ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 340 ff.; Krüger-Nieland, GRUR 1968, 523 ff.; Neumann-Duesberg, JZ 1968, 703 ff.; Nipperdey, UFITA 30 (1960-I), 1, 20; s. zur Entwicklung auch Seifert, NJW 1999, 1889 f., 1893 ff. 245 Z. B. BGH 20.3.1968 Z 50, 133, 140 (Mephisto); 17.5.1984 GRUR 1984, 907, 909 (Frischzellenkosmetik); 8.6.1989 Z 107, 384, 389 (Emil Nolde); A. Fischer, Entwicklung, S. 66 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 532, 534 f.; Schack, GRUR 1985, 352, 361. 246 So aber Bizer, NVwZ 1993, 653, 654 f.; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, S. 66 ff.; Klippel, Schutz des Namens, S. 553 f.; Schweers, Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, S. 191 ff.; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 110 ff.; Taupitz, JZ 1992, 1089, 1093 f.; Trachternach, Erinnerungsschutz, S. 165 ff., 183 ff.; H. P. Westermann, FamRZ 1969, 561, 566 f.

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über den Tod des Verstorbenen hinaus. Dogmatisch besteht Uneinigkeit, ob es sich um ein fortwirkendes Recht ohne Rechtssubjekt handelt247, ob der Verstorbene teilrechtsfähig ist248 oder ob eine abstrakte bzw. allgemeine Rechtspflicht zum Schutz des Lebensbildes und der Würde des Verstorbenen besteht249. Die Entscheidung über die Entschädigung immaterieller Einbußen, die infolge der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts eintreten, hängt davon indes nicht ab. Die Rechtsprechung leitet das postmortale Persönlichkeitsrecht allein aus der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG ab und nicht aus dem Recht zur freien Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.250 Es beschränkt sich auf den Schutz der Würde und des Lebensbildes des Verstorbenen, das Ergebnis seiner sozialen Entfaltung zu Lebzeiten, vor erniedrigendem, herabwürdigendem und entstellendem Verhalten nach dem Tod.251 Bei Eingriffen in das postmortale Persönlichkeitsrecht gewährt die Rechtsprechung bisher nur Abwehransprüche auf Beseitigung und Unterlassung.252 Einen Entschädigungsanspruch lehnt sie mit Zustimmung der überwiegenden Literatur ab.253 Bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten sei die Genug-

247 Bender, VersR 2001, 815, 821; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 341 f.; Schack, GRUR 1985, 352, 360 f.; anders Buschmann, NJW 1970, 2081, 2087 f. (für Anerkennung einer allgemeinen Rechtssubjektivität statt eines subjektlosen Rechts). 248 Z. B. Hillgruber, JZ 1997, 975, 977 f.; K. Müller, Postmortaler Rechtsschutz, S. 249 ff. 249 Heldrich, FS Lange, S. 163, 169; Jung, Vererblichkeit, S. 203 ff.; Rixecker, MünchKommBGB, Allg. PersönlR Rn. 35; s. auch Luther, Postmortaler Schutz, S. 63 ff. (für eine selbständige Normierung). 250 BVerfG 24.2.1971 E 30, 173, 194 (Mephisto); 25.8.2000 NJW 2001, 594 (Willy Brandt); 5.4.2001 NJW 2001, 2957, 2958 (Wilhelm Kaisen); 22.8.2006 NJW 2006, 3409 (Blauer Engel); BGH 8.6.1989 Z 107, 384, 391 (Emil Nolde); 6.12.2005 Z 165, 203, 205 (Mordkommission Köln); 5.10.2006 Z 169, 193, 196 (kinski-klaus.de); für die Ableitung aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG Maunz/Dürig/Herdegen, GG, Art. 1 Rn. 57; Pabst, NJW 2002, 999, 1000 f.; so noch BGH 20.3.1968 Z 50, 133, 137 f. (Mephisto). 251 BVerfG 24.2.1971 E 30, 173, 194 (Mephisto); 5.4.2001 NJW 2001, 2957, 2958 f. (Wilhelm Kaisen); 22.8.2006 NJW 2006, 3409 (Blauer Engel); s. auch BGH 20.3.1968 Z 50, 133, 136 ff. (Mephisto); 8.6.1989 Z 107, 384, 391 (Emil Nolde); 1.12.1999 Z 413, 214, 223 (Marlene Dietrich); 6.12.2005 Z 165, 203 (Mordkommission Köln); zust. Krüger-Nieland, GRUR 1968, 523, 524; Schack, JZ 1989, 609, 610. 252 BGH 4.6.1974 GRUR 1974, 797, 800 (Fiete Schulze); 5.3.1974 GRUR 1974, 794, 795 (Todesgift); 1.12.1999 Z 143, 214, 223 f. (Marlene Dietrich); 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); 6.12.2005 Z 165, 203, 205 f. (Mordkommission Köln); zust. Götting, GRUR 2004, 801, 802; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 67 ff.; G. Müller, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 63 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 41. 253 BGH 5.3.1974 GRUR 1974, 794, 795 (Todesgift); 4.6.1974 GRUR 1974, 797, 800 (Fiete Schulze); 1.12.1999 Z 143, 214, 223 f. (Marlene Dietrich); 6.12.2005 Z 165, 203, 205 f. (Mordkommission Köln); 20.3.2012 NZV 2012, 374, 374 f.; Beuthien, ZUM 2003, 261, 262; Götting, GRUR 2004, 801, 802; Heldrich, FS Lange, S. 163, 174 f.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 348; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 536; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 41; Schack, GRUR 1985, 352, 358; s. auch A. Fischer, Entwicklung, S. 178 ff.

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tuung des Betroffenen primärer Zweck der Entschädigung254, die sich zugunsten des Verstorbenen aber nicht mehr bewirken lasse255. Eine Entschädigung des Wahrnehmungsberechtigten genüge ebenfalls nicht, da das postmortale Persönlichkeitsrecht auf den Verstorbenen bezogen sei, so dass Genugtuung bei ihm eintreten müsse.256 Die Gegenansicht will den Entschädigungsanspruch zugunsten der Wahrnehmungsberechtigten vor allem mit der Prävention weiterer Rechtsverletzungen begründen.257 Das OLG München gewährte der Tochter von Marlene Dietrich, die zugleich deren Erbin war, eine Entschädigung wegen der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts und leitete den Anspruch unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG ab, um wie beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht das Rechtsschutzdefizit zu beseitigen.258 Trotz des Unterlassungsanspruchs sei das postmortale Persönlichkeitsrecht weitgehend wehrlos, was mit dem Stellenwert der Menschenwürde nicht im Einklang stehe. Zudem widerspreche der ungleiche Schutz ideeller und vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nach dem Tod des Rechtsinhabers der Einheit der Rechtsordnung.259 Die Ableitung des Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lässt sich indes nicht auf das postmortale Persönlichkeitsrecht übertragen. Der inzwischen vom Gesetzgeber gebilligte Entschädigungsanspruch zielt auf die Genugtuung für die erlittene Persönlichkeitsverletzung. Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass es sich um einen Schadensersatzanspruch handelt. Seine Besonderheiten beruhen nur auf den dogmatischen Hindernissen bei der Ableitung eines solchen Anspruchs trotz § 253 Abs. 1 BGB, weshalb ihm vor allem eine Genugtuungs- und keine Ausgleichsfunktion zugewiesen wurde. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erleidet der Geschädigte nicht nur eine Rechtsverletzung, sondern auch eine Einbuße an rechtlich geschütztem Interesse. Zugleich können emotionale Belastungen für die Person entstehen. Bei der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts tritt jedoch kein Schaden ein. Der Wahrnehmungsberechtigte ist nicht selbst 254 BGH 5.3.1974 GRUR 1974, 794, 795 (Todesgift); 4.6.1974 GRUR 1974, 797, 800 (Fiete Schulze); s. auch BGH 14.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 (Caroline IV); BVerfG 8.2.2000 NJW 2000, 2187 f. 255 BGH 6.12.2005 Z 165, 203, 207 (Mordkommission Köln); Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 563 f.; A. Fischer, Entwicklung, S. 185; Götting, GRUR 2004, 801, 802; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 69, 74; Schack, GRUR 1985, 352, 358; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, 571, 572. 256 BGH 6.12.2005 Z 165, 203, 207 (Mordkommission Köln); s. auch BGH 4.6.1974 GRUR 1974, 797, 800 (Fiete Schulze). 257 OLG München 9.8.2002 GRUR-RR 2002, 341, 342; Helle, Persönlichkeitsrechte, S. 62, 191; Peifer, Individualität, S. 309; Schack, JZ 2000, 1060, 1061. 258 OLG München 9.8.2002 GRUR-RR 2002, 341, 342. 259 OLG München 9.8.2002 GRUR-RR 2002, 341, 342.

§ 2 Die Abhängigkeit immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut

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Rechtsinhaber. Das postmortale Persönlichkeitsrecht ist entweder rechtssubjektslos, oder der Verstorbene ist teilrechtsfähiges Rechtssubjekt. Durch die Beeinträchtigung des Lebensbildes kann der Verstorbene keinen Schaden erleiden. Somit lässt sich auch die Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH zur Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs nicht auf das postmortale Persönlichkeitsrecht übertragen. Unabhängig von den Zweifeln an der Ableitung dieser Funktion beschränkt sie sich darauf, einen bestehenden Entschädigungsanspruch zu erhöhen, um einen effektiveren Schutz der Person gegen die Zwangskommerzialisierung von Prominenten durch die Medien zu bewirken,260 sie begründet den Anspruch aber nicht unabhängig vom Schaden. Daher verweist der 6. Zivilsenat in seiner Entscheidung „Mordkommission Köln“ zu Recht darauf, dass der Präventionsgedanke den Entschädigungsanspruch bei der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts erst begründen müsste, da eine Geldentschädigung bisher nur zu Lebzeiten erfolgte.261 Somit lehnt er einen Entschädigungsanspruch nach dem Tod ab.262 Es würde sich um eine Privatstrafe handeln. Auch das Schutzgebot aus Art. 1 Abs. 1 GG zwingt nicht zur Ableitung eines solchen Anspruchs. Das Grundrecht verpflichtet zwar die staatlichen Gewalten zum Eingreifen, wenn das geschützte Rechtsgut verletzt wurde oder mit hoher Wahrscheinlichkeit verletzt werden wird.263 Für die Umsetzung des Schutzgebots besteht ein erheblicher Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum, wobei der Legislative das Primat zukommt.264 Das Schutzgebot gebietet daher grundsätzlich keine bestimmte Sanktion, also auch keinen Entschädigungsanspruch.265 Zum Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts besteht der Unterlassungsanspruch des Wahrnehmungsberechtigten. Zudem können strafrechtliche Vorschriften einschlägig sein (§ 189 StGB, § 33 KUG). So hat 260 BGH 14.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 5.10.2004 Z 160, 298, 303 (Caroline IV); 6.12.2005 Z 165, 203, 207 (Mordkommission Köln); s. auch K. W. Lange, VersR 1999, 274, 277; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, 571, 572; Steffen, NJW 1997, 10, 13. 261 BGH 20.3.1968 Z 50, 133, 137 (Mephisto); 1.12.1999 Z 143, 214, 220 (Marlene Dietrich); A. Fischer, Entwicklung, S. 50 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 41; Wenzel/v. Strobl-Albeg, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 7 Rn. 4. 262 BGH 6.12.2005 Z 165, 203, 207 (Mordkommission Köln); s. a. Fischer, Entwicklung, S. 184 f.; Götting, GRUR 2004, 801, 802; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 75; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 41; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, 571, 572. 263 BVerfG 8.8.1978 E 49, 89, 141 f.; 19.10.2006 ZUM 2007, 380, 381; Dietlein, Schutzpflichten, S. 113 f.; Isensee/Kirchof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 106; Pietzcker, FS Dürig, S. 345, 357; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 740; s. auch Canaris, Grundrechte, S. 76. 264 BVerfG 7.2.1990 E 81, 242, 261; Isensee, Sicherheit, S. 38 ff.; Klein, DVBl. 1994, 489, 494; Ruffert, Verfassung, S. 203 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 951; Unruh, Schutzpflichten, S. 23 f. 265 BVerfG 27.12.2005 NJW 2006, 1580, 1581; 19.10.2006 ZUM 2007, 380, 381.

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das BVerfG auf die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BGH zu Recht festgestellt, dass das Schutzgebot keinen Entschädigungsanspruch zugunsten des Beschwerdeführers gebietet.266 Die Zeitabläufe hätten die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs erlaubt. Zudem war § 33 KUG einschlägig. Bei der Würdigung der Entscheidung des OLG München ist zudem zu berücksichtigen, dass es dem Gericht vor allem um einen Schutz vor kommerzieller Ausbeutung des Images einer Person nach ihrem Tod geht. Sofern das Abwehrrecht zu spät kommt, verbleibt dem rechtswidrig Handelnden de facto der Gewinn, so dass für ihn ein Anreiz zur Rechtsverletzung besteht. Der 1. Zivilsenat des BGH anerkennt jedoch seit der Marlene-Dietrich-Entscheidung vererbliche vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ohne dass es auf die Verwertungsbereitschaft des Betroffenen ankommt.267 Die Rechtsverletzung kann daher Ansprüche des Erben auf Schadensersatz, Gewinnherausgabe aus angemaßter Eigengeschäftsführung oder angemessene Lizenzgebühr aus Eingriffskondiktion nach sich ziehen.268 Das vom OLG München reklamierte Rechtsschutzdefizit besteht daher bei der Zwangskommerzialisierung von sog. Normalbürgern, deren Persönlichkeitsmerkmalen mangels Prominenz kein Vermögenswert zukommt.269 Ein Ausgleich ideeller Schäden, die aus einer Persönlichkeitsverletzung resultieren, erfolgt aber nur unter Lebenden. Für Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts besteht kein vergleichbarer Anspruch des Wahrnehmungsberechtigten. 2. Entschädigung bei Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts nach dem Tod des Rechtsinhabers Urheber- und Patentrechte sind vererblich (§§ 28 Abs. 1, 30 UrhG). Wegen der monistischen Konzeption des deutschen Urheberrechts geht mit den Verwertungsrechten das untrennbare Urheberpersönlichkeitsrecht auf den Erben über.270 Die überwiegende Literatur und das LG Mannheim befürworten daher – anders als beim postmortalen Persönlichkeitsrecht – einen Entschädi-

266

BVerfG 19.10.2006 ZUM 2007, 380, 381 f. BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 343 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 AfP 2008, 598, 599 f. (Geschwärzte Worte); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 268 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 231 f. (Marlene Dietrich); s. auch für die Ansprüche unter Lebenden BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 f. (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 269 Ähnlich Koos, WRP 2003, 202, 203. 270 Dreier/Schulze, UrhG, § 30 Rn. 4; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 30 UrhG Rn. 10; Schricker, UrhG, § 30 Rn. 3; Wandtke/Bullinger/Block, UrhG, § 30 Rn. 2; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 356. 267

§ 2 Die Abhängigkeit immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut

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gungsanspruch des Erben bei postmortalen Rechtsverletzungen.271 Der Bezug des § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG auf den Urheber stehe nicht entgegen, da § 30 UrhG seine Anwendung auf die Erben regle.272 Für die unterschiedliche Behandlung zum postmortalen Persönlichkeitsrecht sei entscheidend, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht auf den Erben übergehe, so dass er an die Stelle des Urhebers trete und seine Genugtuung, nicht die des verstorbenen Urhebers, maßgeblich sei.273 Zudem habe das Urheberpersönlichkeitsrecht Werkbezug, so dass es nicht auf die subjektive Genugtuung des Urhebers ankomme. Das OLG Hamburg und ein Teil der Literatur lehnen hingegen bei Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts nach dem Tod des Urhebers einen Entschädigungsanspruch ab.274 Der Wortlaut des § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG beschränkt sich auf den Urheber. Das Urheberpersönlichkeitsrecht geht zwar zusammen mit dem Verwertungsrecht auf den Erben über. Die monistische Konzeption soll aber vor allem die Aufteilung der verschiedenen Rechtspositionen zwischen Erben und Wahrnehmungsberechtigten wie beim postmortalen Persönlichkeitsrecht verhindern. Das Urheberpersönlichkeitsrecht beruht auf der persönlichen Beziehung des Urhebers zu seinem Werk275 und ist inhaltlich auf den Urheber als Person bezogen, auch wenn es auf die Erben übergeht.276 Der Schutzgegenstand des Rechts ändert sich nicht. Wegen des persönlichen Bezugs zum Urheber kann der Erbe nicht anstelle des Urhebers einen Schaden durch die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts erleiden und die Entschädigung kann ihm keine Genugtuung verschaffen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Werkbezug des Urheberpersönlichkeitsrechts. Das Werk ist die Schöpfung des Urhebers und somit identitätsstiftend sowie konstitutiv mit ihm verbunden. Auch nach dem Tod bleiben das Werk des Urhebers und sein Bezug zum Urheber der Schutzgegenstand, selbst wenn das Urheberrecht im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangen ist. Der Erbe entscheidet zwar frei über die Veröffentlichung nach § 12 UrhG, eingeräumte Nutzungsrechte kann er aber nicht gegen den Willen des Verstorbenen zurückrufen (§ 42 Abs. 1 S. 2 UrhG). Die Gewährung einer Entschädigung nach dem Tod des Urhebers, anders als beim postmortalen Persönlichkeitsrecht, ist nicht gerechtfertigt. 271

LG Mannheim 14.2.1997 GRUR 1997, 364, 366 (Freiburger Holbein-Pferd); Dreier/ Schulze, UrhG, § 30 Rn. 5; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 30 Rn. 10; Heinig, ZUM 1999, 291, 293 ff.; Klingelhöfer, ZEV 1999, 421; Kotthoff, HK-UrhR, § 30 UrhG Rn. 5; Meckel, HK-UrhR, § 97 UrhG Rn. 6; Schricker, UrhG, § 30 Rn. 3; Seifert, NJW 1999, 1889, 1896; ähnlich Rehbinder, ZUM 1986, 365, 370. 272 Schricker/Wild, UrhG, § 97 Rn. 91. 273 Heinig, ZUM 1999, 291, 293; Seifert, NJW 1999, 1889, 1896. 274 OLG Hamburg 14.4.1994 NJW-RR 1995, 562, 563 (Ile de France); Möhring/Nicolini/ Lütje, Urheberrecht, § 97 UrhG Rn. 76; Wandtke/Bullinger/v. Wolff, UrhG, § 97 Rn. 85; s. auch Schack, GRUR 1985, 352, 358; ders., Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 785. 275 Siehe oben § 2.A.V.1., S. 78. 276 Zu Ableitung und Inhalt des Urheberpersönlichkeitsrechts Schack, GRUR 1985, 352 ff.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

B. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung eines Vermögensgutes I. Entschädigung von Affektionsinteressen infolge von Eigentumsverletzungen Ideelle Schäden entstehen nicht nur bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter, sondern auch im Zusammenhang mit der Verletzung von Vermögensgütern. Bei der Beschädigung oder Zerstörung einer Sache oder bei der Verletzung oder Tötung eines Tieres sind zugleich die Affektionsinteressen277 des Eigentümers betroffen, wenn die Sache oder das Tier für ihn nicht beliebig auswechselbar ist, sondern eine persönliche Beziehung besteht. Die Verletzung der Affektionsinteressen des Eigentümers ist nicht in Geld zu kompensieren.278 Lediglich die Naturalrestitution bezieht sie wie alle Nichtvermögensschäden ein.279 Eine Entschädigung für die ideellen Interessen des Eigentümers wird nicht gewährt. Teilweise wird angenommen, dass ein verdeckter Ausgleich von Affektionsinteressen erfolge, wenn ein Vermögensschaden wegen einer Eigentumsverletzung angenommen wird, obwohl für die beschädigte Sache kein Markt besteht.280 Das gelte für den sog. Modellbootfall, bei dem der BGH die Beschädigung einer „liebevollen Bastlerarbeit“ als Vermögensschaden ansah.281 Das Gericht lehnt einen Vermögensschaden indes ab, wenn der Gegenstand für den Eigentümer nur ideellen Wert hat.282 Zudem wurde der Schaden keineswegs nach dem Liebhaberwert bewertet, sondern nach dem Marktwert, den ähnliche Objekte haben.283 Somit war nicht das ideelle Interesse des Geschädigten maßgeblich, sondern ein objektiver Maßstab. Ob der BGH im Modellbootfall tatsächlich den Marktpreis ermittelte, ist für die dogmatische Bewertung hier nicht entscheidend. Auch der Schock des Eigentümers, der infolge der Beschädigung oder Zerstörung einer Sache bzw. der Verletzung oder Tötung eines Tieres eintrat, ist nicht zu entschädigen.284 § 253 Abs. 2 BGB greift nur ein, wenn der Schock 277 Der Terminus Affektionsinteresse wird im hiesigen Kontext auf die ideellen Einbußen infolge einer Eigentumsverletzung beschränkt, da sie bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter keine eigenständige Bedeutung haben und keine klar abgrenzbare Untergruppe der Nichtvermögensschäden bilden. 278 Mertens, Vermögensschaden, S. 154 f.; Oetker, NJW 1985, 345, 346; ders., MünchKomm-BGB, § 251 Rn. 14, § 253 Rn. 27; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 14; Schulze, NJW 1997, 3337, 3342. 279 Siehe § 1.B.III., S. 28 ff. 280 Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 14. 281 BGH 10.7.1984 Z 92, 85, 91 ff. 282 BGH 10.7.1984 Z 92, 85, 91. 283 BGH 10.7.1984 Z 92, 85, 93. 284 Stellungnahme des Rechtsausschusses, BT-Drs. 11/7369, S. 7; LG Frankfurt M. 14.6.2000 NJW-RR 2001, 17, 18; KreisG Cottbus 12.5.1993 NJW-RR 1994, 804, 805; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 150; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 155.

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den Grad einer Gesundheitsbeschädigung erreicht. Das ist in der Regel nicht der Fall. Sofern medizinisch feststellbare psychische Auswirkungen vorliegen, hängt die Entschädigung zudem von der Zurechenbarkeit des Schadens ab (psychisch vermittelte Kausalität). Das setzt voraus, dass die Rechtsgutsverletzung ein angemessener Anlass für die Reaktion des Geschädigten war, die in ihrer Art nicht unangemessen gewesen sein darf. Das wird insbesondere anhand eines wertenden Vergleichs mit den Schockschadensfällen bei der Tötung eines Angehörigen abgelehnt.285 Selbst Autoren, die die Entschädigung von Schockschäden über den Kreis der Angehörigen hinaus ausdehnen wollen, lehnen eine Entschädigung bei Eigentumsverletzungen zu Recht ab.286 Der Geschädigte muss die Belastung selbst tragen, solange sie Teil seines allgemeinen Lebensrisikos ist. Gegen die Zurechnung des Schadens spricht auch die unterschiedliche Qualität, die gesellschaftlich den Beziehungen zwischen Menschen bzw. Mensch und Tier zugemessen wird. Das soll nicht verkennen, dass auch Mensch-Tier-Beziehungen sehr innig sein können. Sie sind aber nicht gleichermaßen typisierbar wie bei nahen Angehörigen. Auch der Tierschutz nach § 90a BGB gebietet kein anderes Ergebnis, da diese Norm immaterielle Einbußen des Tierhalters nicht erfasst.287 Im Ergebnis ist das beeinträchtigte Affektionsinteresse des Eigentümers nicht zu entschädigen. Etwas anderes gilt höchstens, wenn mit der Eigentumsverletzung eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einhergeht. Insofern werden aber nicht die Affektionsinteressen des Eigentümers entschädigt, sondern die ideellen Schäden infolge der Persönlichkeitsverletzung.288 II. Ausgleich immaterieller Schäden nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB Seit der Neuordnung des Ausgleichs immaterieller Schäden gilt § 253 Abs. 2 BGB für alle Schadensersatzansprüche des BGB. Daher will ein Teil der Literatur § 253 Abs. 2 BGB auf den Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB anwenden.289 Dieser Anspruch wird vom Schrifttum teilweise als Schadensersatzanspruch für alle Einbußen angesehen, die infolge einer nach § 906 BGB zu duldenden Eigentumsbeeinträchtigung eingetreten sind.290 Die Rechtsprechung geht aber davon aus, dass § 906 Abs. 2 S. 2 BGB einen Ausgleich nach 285

BGH 20.3.2012 NZV 2012, 327, 327 f.; LG Frankfurt M. 14.6.2000 NJW-RR 2001, 17, 18. Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 150; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 155; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, Vor § 249 Rn. 71. 287 LG Frankfurt M. 14.6.2000 NJW-RR 2001, 17, 18. 288 H. A. Fischer, Schaden, S. 299; Nörr, AcP 158 (1959/60), 1, 15; s. auch RG 4.11.1893 Z 32, 298, 300 ff. (zur Entschädigung des subjektiven Wertes). 289 Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 14; s. auch für eine Analogie, Däubler, JuS 2002, 625, 626; Schernitzky, Schadensersatz, S. 50; a. A. BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 10; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 434; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 18. 290 Jauernig/Berger, BGB, § 906 Rn. 8; Palandt/Bassenge, BGB, § 906 Rn. 38; Säcker, MünchKomm-BGB, § 906 Rn. 138; Spieß, JuS 1980, 100, 103. 286

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Enteignungsgrundsätzen gewähre, so dass die §§ 249 ff. BGB nicht gelten.291 Es handle sich um einen Interessenausgleich unter benachbarten Eigentümern, so dass eine Entschädigung der Vermögenseinbuße unter Berücksichtigung aller Umstände erfolge.292 § 253 Abs. 2 BGB findet somit nur Anwendung, wenn § 906 Abs. 2 S. 2 BGB Schadensersatzanspruch ist. Zum Teil wird indes angenommen, dass § 253 Abs. 2 BGB selbst auf der Grundlage der Rechtsprechung analog gelten müsse, da die Schadensersatzrechtsreform einen verbesserten Opferschutz anstrebte.293 Gerade wegen der Bedeutung der von § 253 Abs. 2 BGB erfassten Rechtsgutsverletzungen dürfe ihr Ausgleich nicht hinter dem Ausgleich der Vermögensschäden zurückstehen.294 Für eine Rechtsfortbildung bedarf es jedoch einer planwidrigen Regelungslücke, und die Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB muss mit dem Normzweck des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB vereinbar sein. Der Ausgleichsanspruch ist Teil des Eigentumsrechts und dient dem Interessenausgleich, weil der Eigentümer nach § 906 BGB wesentliche Einwirkungen auf sein Eigentum dulden muss und somit keinen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB hat.295 Die Entschädigung zielt somit auf den Ausgleich der Eigentumsverletzungen in Form von Nutzungsbeeinträchtigungen oder Substanzschäden.296 § 253 Abs. 2 BGB setzt hingegen die Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung voraus. Angesichts der unmittelbar von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB erfassten Rechtsgutsbeeinträchtigung ist der Ausgleich immaterieller Schäden nicht in den Schutzzweck einbezogen. Bei Eigentumsverletzungen beschränkt sich der Schadensausgleich auf materielle Einbußen. Ein Ausgleich immaterieller Schäden kommt nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nur in Betracht, wenn infolge der Eigentumsverletzung mittelbar eine Verletzung von Körper oder Gesundheit eintritt, die einen Nichtvermögensschaden verursacht. Das ist insbesondere bei Lärmimmissionen denkbar, die zu Schlafstörungen und psychischen Beeinträchtigungen mit pathologischem Grad führen können. Die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 BGB liegen insofern vor, der Schaden ist dem Störer jedoch nur zurechenbar, wenn er vom Schutzzweck der Norm erfasst ist. Die Entschädigung nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB 291 St. Rspr., BGH 22.12.1967 Z 49, 148, 155; 31.5.1974 Z 62, 361, 371; 26.11.1982 Z 85, 375, 386; 20.4.1990 Z 111, 158, 167; 23.2.2001 Z 147, 45, 53; 14.11.2003 Z 157, 33, 47; 23.7.2010 NJW 2010, 3160; so auch BR/Fritzsche, BGB, § 906 Rn. 77; G. Hager, NJW 1986, 1961, 1964; Staudinger/Roth, BGB, § 906 Rn. 263. 292 BGH 23.7.2010 NJW 2010, 3160. 293 Däubler, JuS 2002, 625, 626; Schernitzky, Schadensersatz, S. 50; s. auch BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 10, der die Einbeziehung vom Schutzzweck abhängig will, nicht von der Einordnung als Schadensersatzanspruch. 294 Däubler, JuS 2002, 625, 626; Schernitzky, Schadensersatz, S. 50. 295 BR/Fritzsche, BGB, § 906 Rn. 78; Säcker, MünchKomm-BGB, § 906 Rn. 137; Staudinger/Roth, BGB, § 906 Rn. 259, 263. 296 BGH 23.7.2010 NJW 2010, 3160; ebenso S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 19 ff.; ders., ZGS 2010, 538, 540.

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soll die Duldungspflicht des Eigentümers abgelten, die im Interesse des Emittenten besteht. Der Anspruch knüpft somit an die Eigentumsbeeinträchtigung an. Anspruchsinhaber nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (analog) ist nur, wer Eigentümer oder berechtigter Besitzer des Grundstücks ist.297 Personen, die nur wie ein Berechtigter in einer engen Beziehung zum Grundstück stehen (z. B. Arbeitnehmer im Betrieb auf dem Grundstück), haben keinen Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, sondern bleiben auf § 823 Abs. 1, 2 BGB und § 1 UmweltHG verwiesen.298 Das führt vor Augen, dass der Anspruch nur auf die Folgen der Immissionen für das Eigentum ausgerichtet ist. Ersatzfähig sind daher keine Schäden, die von den Immissionen direkt herbeigeführt wurden und somit ohne unmittelbaren Bezug zur Eigentumsbeeinträchtigung sind.299 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Parallele zu § 14 S. 2 BImSchG300, zumal der Umfang des Schadensersatzes für diese Norm nicht abschließend geklärt ist301.

C. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung I. Erweiterung der vertraglichen Haftung auf immaterielle Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung Der Ausgleich immaterieller Schäden war zunächst stets an die Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts geknüpft. Das gilt auch für die vertragliche Haftung. Die Verletzung vertraglicher Pflichten, die speziell die ideellen Interessen des Vertragspartners schützen, zwingt daher nicht zur Entschädigung der Nichtvermögensschäden, es sei denn, es liegt eine Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB vor. Das Gleiche gilt für immaterielle Schäden, die als mittelbare Folge einer Pflichtverletzung eintreten. Inzwischen besteht bei der vertraglichen Haftung aber eine Reihe gesetzlicher Regelungen, die unabhängig davon eine Entschädigung von Nichtvermögensschäden erlauben. Eine solche Erweiterung des Schadensausgleichs enthält § 651f Abs. 2 BGB für die Entschädigung nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit. Weiterhin ergeben sich Entschädigungsansprüche aus den punktuellen Regelungen in den §§ 9, 10, 13 KSchG sowie § 113 Abs. 3 BetrVG. Auch Art. 7 der 297 BGH 15.4.1959 Z 30, 273, 276, 280; 10.11.1977 Z 70, 212, 220; 18.9.1984 Z 92, 143, 145; 23.2.2001 Z 147, 45, 50; 30.5.2003 Z 155, 99, 101 f.; Staudinger/H. Roth, BGB, § 906 Rn. 108, 268; a. A. Brehm, JZ 2001, 1086; Horst, MDR 2001, 804. 298 Siehe Fn. 297 sowie Staudinger/Roth, BGB, § 906 Rn. 108, 268. 299 BAG 25.5.2000 NJW 2000, 3369, 3371; BR/Fritzsche, BGB, § 906 Rn. 79; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 433 f.; Staudinger/Roth, BGB, § 906 Rn. 108. 300 BGH 23.7.2010 NJW 2010, 3160. 301 Vgl. Kotulla/Guckelberger, BImSchG, 100.14 § 14 Rn. 48; S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 21; a. A. Däubler, JuS 2002, 625, 627; s. auch Jarass, BImSchG, § 14 Rn. 22, der den Anspruch auch auf Gesundheitsbeeinträchtigungen erstreckt.

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Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1371/ 2007 schließen den Ausgleich ideeller Schäden ein. Eine wesentliche Erweiterung hat der Ersatz ideeller Schäden durch die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG erfahren. Der Geschädigte ist in diesen Fällen stets Gläubiger und steht in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis zum Schädiger. Im Übrigen schließt § 253 Abs. 1 BGB die Kompensation von Nichtvermögensschäden aus.302 Vereinzelt wurde vor der Reform des Schadensersatzrechts befürwortet, § 253 Abs. 1 BGB (§ 253 BGB a. F.) im Wege der Auslegung auf die gesetzliche Haftung zu beschränken, so dass sich die vertragliche Haftung auf alle Nichtvermögensschäden erstreckt.303 Diese Gesetzesauslegung widersprach damals dem einschränkungslosen Wortlaut der Norm und war mit der systematischen Stellung des § 253 BGB unvereinbar. Er ist Teil des allgemeinen Schadensersatzrechts und gilt daher für vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse gleichermaßen.304 § 847 BGB a. F. wurde als Ausnahme zu § 253 BGB a. F. bewusst in das Deliktsrecht integriert, um ihn auf die deliktische Haftung zu beschränken. Nun erweitert § 253 Abs. 2 BGB gezielt die vertragliche Haftung auf immaterielle Schäden infolge der aufgezählten Rechtsgutsverletzungen. Insofern ist erst recht kein Raum, um § 253 Abs. 1 BGB auf die gesetzliche Haftung zu beschränken. Eine Ausdehnung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden ist unabhängig von der Rechtsgutsverletzung nur möglich, soweit § 253 Abs. 1 BGB vertraglich abbedungen wurde.305 Für den Ausgleich ideeller Schäden stehen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten offen. Zum einen kommt ein selbständiger Garantievertrag oder die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Betracht306. Zum anderen können die Vertragspartner § 253 Abs. 1 BGB einschränken, indem sie eine immaterielle Einbuße im Vertrag als Vermögensschaden qualifizieren und deren Bewertung in Geld festlegen.307 Schließlich 302 BGH 11.1.1983 Z 86, 212, 215; Diedrich, MDR 1994, 525, 527; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Schnorbus, JuS 1994, 830, 831; Soergel/Mertens, BGB, § 253 Rn. 12; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 32, 35; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 242. 303 Ströfer, Schadensersatz, S. 142 ff., 171 ff.; ders., JZ 1982, 663, 668 ff.; krit. Wiese, DB 1975, 2309, 2311 f. 304 Z. B. Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 242 f. 305 BGH 12.7.1955 JZ 1955, 581; Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, § 253 Rn. 3; Honsell, JuS 1976, 222, 225; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Soergel/Mertens, BGB, § 253 Rn. 12; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 9; Ströfer, Schadensersatz, S. 176 ff.; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 243. 306 BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 6; Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, § 253 Rn. 3; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 8; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 9. 307 BGH 11.1.1983 Z 86, 212, 216 f.; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 6; Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, vor § 249 Rn. 13, § 253 Rn. 3; Hagen, FS Hauß, S. 83, 97 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 8; Soergel/Mertens, BGB, § 253 Rn. 12; Steffen, RGRK-BGB, § 823 Rn. 443; Stoll, JZ 1975, 252, 255; Thüsing, VersR 2001, 285, 296; a. A. G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 51.

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lässt sich § 253 Abs. 1 BGB durch Vereinbarungen über die Entschädigung immaterieller Einbußen abbedingen, so dass sich die vertragliche Haftung erweitert.308 Insoweit ist eine Differenzierung zwischen der Verletzung von Haupt- und Nebenpflichten möglich. Immaterielle Schäden entstehen insbesondere in Form von Frustrationen oder Stress bei der verzögerten Abwicklung von Verträgen oder bei Schlechtleistung.309 Der Umfang der Entschädigung kann in Form einer Schadenspauschalierung oder auf einen angemessenen Betrag festgesetzt werden. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe i. w. S. zielt zunächst auf die Durchsetzung der vertraglichen Pflicht vermittels der Androhung einer Strafzahlung und ist darüber hinaus eine Schadenspauschale, um die Einbußen infolge der Pflichtverletzung zu kompensieren.310 Auf die Einbeziehung ideeller Interessen verweist insbesondere die Angemessenheitskontrolle für Vertragsstrafen nach § 343 Abs. 1 S. 2 BGB, bei der nicht nur die materiellen, sondern auch die ideellen Interessen des Gläubigers zu berücksichtigen sind.311 Die Vertragsstrafenvereinbarung darf aber nicht gegen die §§ 134, 138 BGB verstoßen.312 Insbesondere Vertragsstrafen, die als Schweigegeld fungieren, sind sittenwidrig.313 Für die Qualifikation eines ideellen Interesses als Vermögensschaden wird zum Teil als ausreichend erachtet, dass der Schutz oder die Gewährleistung eines Nichtvermögensinteresses Vertragsgegenstand ist.314 Das führe zu seiner (vertraglichen) Kommerzialisierung und entspreche zugleich dem in § 651f Abs. 2 BGB enthaltenen Gedanken.315 Dem ist entgegenzuhalten, dass § 651f Abs. 2 BGB nach heutigem Verständnis keine Kommerzialisierung vertanen Urlaubs, sondern eine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB ist.316 Die Einbeziehung ideeller Interessen in die vertraglichen Leistungspflichten führt zudem nicht automatisch zu ihrer Konversion in ein Vermögensgut.317 Das Bedürfnis 308 BGH 9.7.1986 Z 98, 212, 222 f.; Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, § 253 Rn. 3; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Medicus, NJW 1989, 1889, 1894; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 8; Soergel/Mertens, BGB, § 253 Rn. 12; Stoll, JZ 1975, 252, 255. 309 Z. B. mangelhafte Handwerkerleistungen; Schock für das Hochzeitspaar wegen einer verpatzten Hochzeitsfeier infolge der Pflichtverletzung des Gastwirts. 310 Mot. II, S. 275; RG 28.10.1921 Z 103, 99; BGH 27.11.1974 Z 63, 256, 259; 18.11.1982 Z 85, 305, 312 f.; 23.6.1988 Z 105, 24, 27; Erman/Schaub, BGB, Vor § 339 Rn. 1; Gottwald, MünchKomm-BGB, Vor § 339 Rn. 6; Staudinger/Rieble, BGB, Vorbem zu §§ 339 ff. Rn. 8 ff.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 222; abl. Lindacher, Phänomenlogie, S. 57 ff. 311 Soergel/Lindacher, BGB, § 343 Rn. 15; Staudinger/Rieble, BGB, § 343 Rn. 80. 312 Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, § 253 Rn. 3; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Voß, ZRP 1999, 452, 453. 313 RG 30.5.1904 Z 58, 204, 206; BGH 12.7.1955 JZ 1955, 581; s. auch Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 9. 314 Thüsing, VersR 2001, 285, 296 (bewusste Beschränkung auf Nichtvermögensinteressen als Vertragsgegenstand, keine Kommerzialisierung bei typischen ideellen Begleitschäden). 315 Thüsing, VersR 2001, 285, 296. 316 Siehe oben § 1.C.I.1.b., S. 39 ff. 317 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 51.

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nach einer interessengerechten Haftung lässt sich durch die Erweiterung der vertraglichen Haftung auf Nichtvermögensschaden befriedigen.318 Sie erfolgt durch die Vereinbarung eines eigenständigen Schadensersatzanspruchs oder eine Abrede, die dem verletzten ideellen Interesse einen Geldwert zuordnet.319 Letzteres ist zugleich eine Schadenspauschalierung. Bereits der BGB-Gesetzgeber verwies die Vertragsparteien auf die Vereinbarung von Vertragsstrafen und damit auf eine vertragliche Haftungserweiterung, um die beschränkte Entschädigung von Nichtvermögensschäden zu begründen.320 Die Vorstellung, den Ausgleich immaterieller Schäden durch vertragliche Vereinbarung sicherzustellen, war indes bereits beim Inkrafttreten des BGB wirklichkeitsfern.321 Das gilt umso mehr bei den heutigen Massengeschäften. Die Vertragsstrafenabreden und die Erweiterung der vertraglichen Haftung setzen stets die Einigung der Vertragspartner voraus. Nur selten erfolgen ausdrückliche Vereinbarungen über die Entschädigung ideeller Einbußen. Die Entschädigung hängt somit davon ab, ob eine Einigung durch konkludente Willenserklärungen erfolgte oder ob – sofern der Vertrag eine Lücke hat – eine ergänzende Vertragsauslegung möglich ist. Zum Teil gilt es als ausreichend, wenn der Vertrag und seine Pflichten einem bestimmten ideellen Interesse des Gläubigers dienen und der Schuldner das erkennen kann.322 Sofern der Schuldner verpflichtet sei, ideelle Interessen des Gläubigers zu fördern, entspreche es dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien, dass der Schuldner bei schuldhafter Pflichtverletzung die Nichtvermögensschäden des Gläubigers in Geld kompensieren müsse.323 Vor dem Inkrafttreten des § 651f Abs. 2 BGB wurde vereinzelt auf diese Weise eine Erweiterung der Haftung auf die immateriellen Schäden begründet, wenn es sich um einen Reisevertrag oder einen Vertrag handelte, der zur Verschaffung eines

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G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 51. Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, § 253 Rn. 3; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 8; Soergel/Mertens, BGB, § 253 Rn. 12; Stoll, JZ 1975, 252, 255; Tolk, Frustrierungsgedanke, S. 89 f., 111 f.; s. auch Ströfer, Schadensersatz, S. 115 ff. 320 Mot. II, S. 22. 321 Ströfer, Schadensersatz, S. 136 ff.; krit. Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 12 (die Vertragsstrafe passe nur für das Erfüllungsinteresse bei der Verletzung der Hauptleistungspflicht); s. auch Mot. II, S. 22. 322 Grunsky, NJW 1975, 609, 610; Schernitzky, Schadensersatz, S. 47; Soergel/Mertens, BGB, § 253 Rn. 12; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 148; ders., JZ 1975, 252, 255; Tolk, Frustrierungsgedanke, S. 89 f., 111 f.; Voß, ZRP 1999, 452, 454; s. auch Ströfer, JZ 1982, 663, 667 f. (im Zusammenwirken mit der einschränkenden Auslegung des § 253 Abs. 1 BGB); ähnlich G. Wagner, JZ 2004, 319, 330; abl. Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 120; Maultzsch, JZ 2010, 937, 944; allg. dazu Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 390; Medicus, NJW 1989, 1889, 1894. 323 Stoll, JZ 1975, 252, 255; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 243; Tolk, Frustrierungsgedanke, S. 89 f., 111 f.; Voß, ZRP 1999, 452, 454; ähnlich G. Wagner, JZ 2004, 319, 330. 319

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Urlaubsgenusses verpflichtete.324 Bei der Buchung eines Hotelzimmers mit Meerblick sei daher der immaterielle Schaden zu kompensieren, wenn der Urlaubsgast das Zimmer nicht zur Verfügung hatte.325 Auch für andere Verträge, deren Hauptleistungspflichten auf die Herbeiführung eines ideellen Erfolgs gerichtet sind, wird zum Teil eine vertragliche Haftungserweiterung auf Nichtvermögensschäden angenommen. Der immaterielle Schaden sei auszugleichen, wenn der Veranstalter das vereinbarte Hochzeitsbankett ausfallen lasse.326 Auch bei Bestattungsverträgen oder Verträgen, die die äußere Erscheinung einer Person betreffen (z. B. Frisör, plastische Chirurgie), wird argumentiert, dass ideelle Interessen des Gläubigers so stark in den Vordergrund treten, dass zumindest die ergänzende Vertragsauslegung zu einem Entschädigungsanspruch führe.327 Es sei nicht anzunehmen, dass die Vertragspartner die immateriellen Interessen schutzlos lassen wollten.328 § 253 Abs. 1 BGB höhle in diesen Fällen die Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung aus.329 Bei Verträgen, die nicht auf die Verwirklichung ideeller Interessen gerichtet seien, führe indes weder die einfache noch die ergänzende Vertragsauslegung zu einem Entschädigungsanspruch.330 Nur selten wird angenommen, dass die Beeinträchtigung sonstiger, vom Schuldverhältnis geschützter immaterieller Interessen eine Haftung für den Nichtvermögensschaden auslöse.331 Die Einigung über eine Erweiterung der vertraglichen Haftung setzt stets voraus, dass tatsächlich übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Das gilt insbesondere für den Schuldner. Die Auslegung der Willenserklärung und des Vertrags hängt auch vom objektiven Empfängerhorizont des Schuldners und der bestehenden Verkehrssitte ab. Diese ist durch § 253 BGB geprägt, der grundsätzlich die Entschädigung ideeller Einbußen ausschließt und nur bei einer Verletzung der aufgezählten Rechtsgüter zulässt.332 Gerade wenn die Vertragspartner den Ausgleich immaterieller Schäden nicht geregelt haben, greift 324

Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, vor § 249 Rn. 13; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428. 325 Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, vor § 249 Rn. 13. 326 G. Wagner, JZ 2004, 319, 330; anders OLG Saarbrücken 20.7.1998 NJW 1998, 2912 f. 327 Ähnlich wohl Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Stoll, JZ 1975, 252, 255; so zum Arztvertrag Jhering, JhJb. 18 (1880), 1, 99 ff., 102; zurückhaltend Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 8; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 10; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 243 f.; G. Wagner, JZ 2004, 319, 330 (konkludente Vereinbarung und ergänzende Vertragsauslegung nur in Ausnahmefällen). 328 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428. 329 Medicus, NJW 1989, 1889, 1894. 330 Vgl. Thüsing, VersR 2001, 285, 296, der den Vertrag als Kommerzialisierung ideeller Interessen ansieht. 331 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 148. 332 Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 122; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 244 (die Erweiterung der Haftung führe zu unkalkulierbaren Schadensersatzpflichten und greife den Kern des § 253 Abs. 1 BGB an).

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§ 253 BGB ein.333 Daher genügt es nicht, dass die im Vertrag versprochene Leistung den ideellen Interessen des Gläubigers dient, wenn sich dem Vertrag ansonsten keine Anhaltspunkte entnehmen lassen, dass bei einer schuldhaften Pflichtverletzung auch die ideellen Schäden auszugleichen sind.334 Ansonsten wäre die Einigung über eine Erweiterung der vertraglichen Haftung eine Fiktion.335 Etwas anderes gilt höchstens, wenn das Festhalten an § 253 BGB aus der Sicht beider Vertragspartner nicht mit dem Vertragszweck konform ist und eine interessengerechte Auslegung erlaubt336, eine konkludente Disposition über § 253 Abs. 1 BGB anzunehmen. Das ist wohl nur selten der Fall. Die Erweiterung der vertraglichen Haftung auf ideelle Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung kann sich vor allem aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben. Dazu bedarf es einer planwidrigen Lücke im Vertrag und des hypothetischen Parteiwillens beider Vertragsparteien für eine solche Abrede. Eine Lücke im Vertrag lässt sich wohl nur annehmen, wenn sich die Hauptleistungspflicht des Schuldners auf die Befriedigung immaterieller Interessen richtet oder der Vertrag die Verwirklichung ideeller Interessen des Gläubigers bezweckt und keine vertragliche Regelung über die Haftung für Nichtvermögensschäden besteht.337 Nur in solchen Fällen bestünde eine Inkongruenz zwischen der Hauptleistungspflicht des Schuldners und seiner vertraglichen Haftung, die den Interessen des Gläubigers in so starkem Maße widerspräche, dass eine Lücke angenommen werden kann. Grundsätzlich regelt § 253 BGB zwar die vertragliche Haftung für Nichtvermögensschäden. Eine Lücke bleibt gleichwohl, wenn der Vertrag nach dem Regelungsplan der Parteien offene Punkte aufweist oder das angestrebte Ziel nicht mit der gesetzlichen Regelung vereinbar ist.338 Der hypothetische Parteiwille für eine ergänzende Vertragsauslegung liegt aber nur vor, wenn die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner eine solche Vereinbarung

333 Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 122; Maultzsch, JZ 2010, 937, 944; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 260 ff.; Ströfer, Schadensersatz, S. 165 ff.; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 243 f.; s. auch Mot. II, S. 22; Prot. I, S. 621 ff. (erfolgloser Antrag). 334 Honsell, JuS 1976, 222, 228; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428; Staudinger/Medicus, BGB, 12. Aufl. 1983, § 253 Rn. 13; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 10; s. auch Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 8; ferner Schnorbus, JuS 1994, 830, 831, der pauschal eine Vertragsauslegung ablehnt. 335 Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 120; Honsell, JuS 1976, 222, 228; Schnorbus, JuS 1994, 830, 831; Staudinger/Medicus, BGB, 12. Aufl. 1983, § 253 Rn. 13; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 10. 336 Zur Bedeutung der interessengerechten Auslegung BGH 24.5.2000 NJW-RR 2000, 1581, 1582; 9.7.2001 NJW 2002, 747, 748; 13.3.2003 NJW 2003, 2235, 2236. 337 Maultzsch, JZ 2010, 937, 944; so wohl auch Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 119, 121; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428. 338 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, S. 542; spezifisch zur Unvereinbarkeit des § 253 BGB mit der Interessenlage der Vertragsparteien Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428.

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getroffen hätten.339 Dabei ist am Vertrag anzuknüpfen und die Verkehrssitte zu berücksichtigen. Der grundsätzliche Ausschluss der Entschädigung immaterieller Schäden nach § 253 Abs. 1 BGB und die Beschränkung des § 253 Abs. 2 BGB auf die Folgen bestimmter Rechtsgutsverletzungen bewirken, dass der Schuldner grundsätzlich nicht damit rechnet und rechnen muss, zum Ersatz von Nichtvermögensschäden verpflichtet zu sein.340 Insbesondere ideelle Schäden, die infolge der Verletzung eines Vermögensguts bzw. Vermögensinteresses eintreten (mittelbare Nichtvermögensschäden), sind vom Vertragsgegenstand und -zweck so weit entfernt, dass der Schuldner redlicherweise keine entsprechende Haftung übernehmen muss.341 Eine ergänzende Vertragsauslegung ist somit ausgeschlossen. Etwas anderes kann für Schäden gelten, die aus der Verletzung von Leistungspflichten resultieren, die unmittelbar auf die Herbeiführung eines immateriellen Erfolges zielen.342 Bei Verträgen, die im vollen Umfang oder ganz überwiegend die Wahrung ideeller Interessen bezwecken, ist kaum anzunehmen, dass die Parteien diese Interessen schutzlos lassen wollten.343 Eine solche Erweiterung der vertraglichen Haftung ist aber nicht erforderlich, wenn die Verwirklichung ideeller Interessen durch die Gegenleistung abgegolten wird und die (teilweise) Nichterfüllung eine Minderung der Gegenleistung und somit de facto einen Ausgleich für die nicht erreichten immateriellen Vorteile bewirkt. Die Gegenleistung deckt den immateriellen Schaden aber nur ab, wenn das Eintreten des ideellen Erfolgs vertraglich geschuldet war. Zudem müssen die immateriellen Interessen tatsächlich und im vollen Umfang bei der Bemessung der Gegenleistung eingegangen sein. Im Übrigen bedarf es der Einbeziehung der Nichtvermögensschäden in die vertragliche Haftung, wenn sie nicht vom Schadensausgleich ausgenommen sein sollen. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung lässt sich zwischen der Haftung für Verletzungen einer Schutzpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB und für die Verletzung der Hauptleistungspflicht differenzieren. Schutzpflichten stehen bei den Vertragsparteien in der Regel nicht im Vordergrund des Interesses. Der Ausgleich von Schäden aus solchen Pflichtverletzungen wird von den Parteien grund339 Zum hypothetischen Parteiwillen BGH 22.4.1953 Z 9, 273, 277 f.; 18.12.1954 Z 16, 71, 76; 25.6.1980 Z 77, 301, 304; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, S. 541 ff.; Flume, Allgemeiner Teil, Bd. II, S. 324. 340 Darauf verweist Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 243 f. 341 Zur unterschiedlichen Bewertung ideeller Interessen, auf die sich der Vertrag richtet, und solcher, die infolge einer Rechtsgutsverletzung betroffen sind, BGH 11.1.1983 Z 86, 212, 217. 342 Vgl. Voß, ZRP 1999, 452, 454, der auf die Natur des Vertragsgegenstandes und die Höhe des Entgelts abstellt, um den Vertragszweck zu ermitteln und einen Schadensersatzanspruch abzuleiten. Zu den Verträgen über die Kältekonservierung menschlichen Spermas und der aus der Pflichtverletzung folgenden Vereitelung der Familienplanung s. R. Müller, Körpersubstanzen, S. 32 ff.; Schnorbus, JuS 1994, 830; Taupitz, NJW 1995, 745, 749; a. A. Laufs, NJW 1994, 775, 776. 343 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 428.

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sätzlich nicht näher ausgestaltet. Daher fehlt es meist schon an einer Lücke im Vertrag, die der Vorstellung der Vertragsparteien widerspricht. Zudem liegt kein übereinstimmender hypothetischer Parteiwille vor. Im Übrigen ist im Einzelfall zu ermitteln, ob die Vertragspartner die Haftung unbewusst nicht geregelt haben und ob ein hypothetischer Parteiwille des Schuldners anzunehmen ist, diese Schäden tragen zu wollen. Im Sinne des Willensdogmas ist bei Annahme eines hypothetischen Parteiwillens Zurückhaltung zu üben. II. Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen durch § 284 BGB Frustrierte Aufwendungen fanden vor der Schuldrechtsreform grundsätzlich keinen Ausgleich. Ausnahmsweise wurden sie als ersatzfähige Vermögensschäden qualifiziert, wenn die Aufwendungen einem wirtschaftlichen Interesse dienten und anzunehmen war, dass sie sich bei der Erfüllung des Vertrags amortisiert hätten.344 Diese sog. Rentabilitätsvermutung wurde wegen § 253 Abs. 1 BGB nicht für Aufwendungen herangezogen, die ideellen Zwecken dienten.345 Nur eine Minderansicht sprach sich vor der Reform für den Ersatz frustrierter Aufwendungen de lege lata aus.346 Nunmehr gewährt § 284 BGB anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung einen Anspruch auf Entschädigung aller Aufwendungen, die der Gläubiger im Vertrauen auf die Erfüllung des Vertrags gemacht hat. Das gilt unabhängig davon, ob ihr Zweck ein wirtschaftlicher oder ideeller war.347 Die mangelnde Rentabilität der Aufwendung kann zwar ein Einwand gegen den Anspruch sein, sie beschränkt ihn aber nicht mehr auf Aufwendungen mit wirtschaftlichem Zweck.348 § 284 BGB wird teilweise als Erweiterung des Ausgleichs ideeller Schäden angesehen.349 Allerdings sind Schadens- und Aufwendungsersatz bereits quali344 BGH 10.12.1986 Z 99, 182, 200 f.; 19.4.1991 Z 114, 193, 197; nach h. A. wird das verletzte Äquivalenzinteresse ausgeglichen, z. B. BGH 19.4.1991 Z 114, 193, 197; Messer/Schmitt, FS Hagen, 1999, S. 425, 429 f.; Grunsky, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, vor § 249 Rn. 12e f.; a. A. Soergel/Wiedemann, BGB, Vor § 275 Rn. 44. 345 BGH 21.4.1978 Z 71, 234, 239; 10.12.1986 Z 99, 182, 196 ff.; 19.4.1991 Z 114, 193, 196; OLG Saarbrücken 20.7.1998 NJW 1988, 2912 f.; dazu Stoll, JZ 1987, 517 ff.; a. A. OLG Köln 16.9.1993 NJW-RR 1994, 687, 688 (Ersatz der Aufwendungen für die verpasste Teilnahme an einer Oscarverleihungsfeier, wobei das Gericht zur Begründung des Schadens auf die Rentabilitätsvermutung des § 325 BGB a. F. trotz der immateriellen Zwecksetzung des Vertrages abstellte, weil dem Vertragspartner die ideellen Interessen und deren Bedeutung für den Gläubiger erkennbar waren und der Vertrag § 253 BGB a. F. einschränke). 346 Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 58 ff.; Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 61; a. A. Ströfer, Schadensersatz, S. 238 ff., 264 ff. 347 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/6040, S. 143; Canaris, FS Wiedemann, S. 3, 31; Staudinger/Otto, BGB, § 284 Rn. 10. 348 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/6040, S. 144. 349 Grundmann, AcP 204 (2004), 567, 600, 601; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 321, 337; ähnlich Thüsing, VersR 2001, 285, 288; s. auch G. Wagner,

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tativ verschieden, da Aufwendungen freiwillige Vermögensopfer sind, für die das schädigende Ereignis nicht kausal ist. § 284 BGB ist zudem eine eigene Anspruchsgrundlage, die alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung besteht. Er qualifiziert die frustrierten Aufwendungen nicht als Vermögensschaden und ist keine alternative Form der Schadensberechnung.350 Die vermeintliche Erweiterung des Ausgleichs ideeller Schäden resultiert nur daraus, dass der Aufwendungsersatz früher verdeckt im Gewand der Entschädigung eines Vermögensschadens erfolgte. Nunmehr gewährt § 284 BGB einen eigenständigen Aufwendungsersatzanspruch alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung und ist eine Vertrauenshaftung auf das negative Interesse.351 Sie ist auf die frustrierten Aufwendungen begrenzt und bezieht keine Schäden ein, auch wenn sie im Vertrauen auf die Erfüllung des Rechtsgeschäfts eingetreten sind.352 Der Ersatz der Aufwendung ist eine Naturalrestitution tatsächlich aufgewandter Kosten353, ohne dass es zu einer Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden kommt. Die Kosten erlauben zwar eine Bewertung der ideellen Zwecke, die mit den Aufwendungen verfolgt werden.354 Qualitativ bleibt es aber ein Aufwendungsersatz. Die entstandenen Aufwendungen mit materiellem und ideellem Zweck werden ebenso gleichbehandelt wie materielle und immaterielle Schäden bei der Naturalrestitution. § 253 Abs. 1 BGB steht einer Entschädigung zudem nur entgegen, soweit ein ideeller und somit inkommensurabler Schaden in Geld kompensiert werden soll, obwohl eine Wiederherstellung i. e. S. nicht möglich ist. § 284 BGB gilt aber nur für entstandene Aufwendungen, deren Ersatz nicht mit der Entschädigung immaterieller Schäden vergleichbar ist. Die Regelung ist keine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB. Der Aufwendungsersatz mildert höchstens de facto die eingeschränkte Entschädigung der ideellen Schäden, da er an die Stelle des Schadensersatzes statt der Leistung treten kann. Der unterschiedliche Anknüpfungspunkt beider Ansprüche stellt den Gläubiger besser, der mit dem Rechtsgeschäft vor allem ideelle Zwecke verfolgte. Das resultiert letztlich aus der ungleichen Behandlung von Restitution und Kompensation. 350 NJW 2002, 2049, 2055; ders., Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 50, der von einer Übersetzung des ideellen Nichterfüllungsschadens in einen materiellen Vertrauensschaden spricht und somit keine Gleichsetzung im eigentlichen Sinne vornimmt. 350 Staudinger/Otto, BGB, § 284 Rn. 10; s. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrs. 14/6040, S. 144; Canaris, FS Wiedemann, S. 3, 27 f. 351 Zur Abkehr von der Begründung des Aufwendungsersatzes mit dem Äquivalenzgedanken, da § 284 BGB auch für nicht gegenseitige Verträge gilt Canaris, FS Wiedemann, S. 3, 26; Staudinger/Otto, BGB, § 284 Rn. 10; s. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/ 6040, S. 143; a. A. Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht, S. 321, 336 f. (Vertrauenshaftung auf das positive Interesse). 352 Z. B. Gewinne aus Alternativgeschäften, s. Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrs. 14/6040, S. 144. 353 Ackermann, Schutz des negativen Interesses, S. 259, 261 ff.; s. auch Staudinger/Otto, BGB, § 284 Rn. 10. 354 Thüsing, VersR 2001, 285, 297.

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III. Entschädigung nutzlos aufgewandter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB 1. Gewährung einer angemessenen Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB Die vertraglichen Pflichten des Reiseveranstalters erstrecken sich nicht nur auf die Erbringung der Reiseleistung, sondern auch auf die Herbeiführung des Erholungs- und Erlebniswerts der Reise. Daher gewährt § 651f Abs. 2 BGB einen vertraglichen Anspruch gegen den Veranstalter auf angemessene Entschädigung.355 Im Gegensatz zu § 253 Abs. 2 BGB handelt es sich nicht nur um eine bloße Rechtsfolgenbestimmung. Der verschuldensabhängige Anspruch setzt die Vereitelung oder erhebliche Beeinträchtigung der Reise durch einen Mangel voraus. Der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts bedarf es nicht. Der entgangene Urlaub wird indes nicht entschädigt, wenn sich der Geschädigte wegen einer deliktischen Körperverletzung durch einen Dritten (z. B. infolge eines Autounfalls) nicht erholen konnte.356 Die Urlaubszeit des Reisenden muss infolge des Reisemangels nutzlos gewesen sein. Rechtsprechung und Literatur berücksichtigten zunächst, wie der Reisende seinen Urlaub verbrachte und welcher Resterholungswert ihm zukam.357 Seit 2005 macht der BGH das Ob der Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB aber nicht mehr davon abhängig, wie der Reisende die Urlaubszeit verbringt.358 Der Anspruch entstehe wegen der Vereitelung oder erheblichen Beeinträchtigung der Reise, so dass der Kunde seine Urlaubszeit nicht so verleben konnte, wie es der Veranstalter schuldete.359 Daher sei die Nutzlosigkeit des Urlaubs nicht entscheidend.360 Damit hat die Rechtsprechung zutreffend die Konsequenz daraus gezogen, dass § 651f Abs. 2 BGB nicht die erarbeitete Freizeit kommerzialisiert und entschädigt, sondern an der Verletzung der Hauptleistungspflicht aus dem Reisevertrag anknüpft. Der immaterielle Schaden ist das Ausbleiben des vertraglich geschuldeten Urlaubsgenusses. Maßgeblich ist daher allein der vertraglich geschuldete Erfolg. Die Erholung, die auf andere Weise eingetreten ist, muss nicht im Sinne der Vorteilsausgleichung angerechnet werden.361 Die Genügsamkeit oder Flexibilität des Rei355

Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 62. BGH 11.1.1983 Z 86, 212, 216; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 95; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 251 Rn. 111; a. A. Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 198 f. 357 BGH 12.5.1980 Z 77, 116, 122; 23.9.1982 NJW 1983, 35, 36; 21.10.1982 Z 85, 168, 172 f.; dazu Erman/Schmid, BGB, § 651f Rn. 16; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 53; a. A. AG Hamburg 21.9.1999 RRa 2000, 188 f.; Neumann, ZRP 1998, 20, 21. 358 BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 394 ff. (sog. Malediven-Entscheidung). 359 BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 395; Bidinger/Müller, Reisevertragsrecht, S. 173; Führich, Reiserecht, Rn. 349; Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 67. 360 BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 394 f. Der BGH liest den Wortlaut so, dass die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit „auch“ entschädigt werde, aber nicht ausschließlich. 361 W. Müller, Schadensersatz, S. 186 f.; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 53; a. A. Erman/Seiler, BGB, 12. Aufl. 2008, § 651f Rn. 11; Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 68. 356

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senden mindert den Entschädigungsanspruch nicht. Das wäre angesichts der vertraglichen Verpflichtung des Reiseveranstalters eine unbillige Schädigerentlastung. Die Rechtsprechung schließt indes eine Berücksichtigung dieser Umstände bei der Bemessung der Entschädigung nicht vollständig aus.362 Solange der vertane Urlaub als Vermögensschaden galt, weil der Erwerbstätige ihn sich erarbeitet hatte, richtete sich der Umfang der Entschädigung nach dem Einkommen des Reisenden.363 Mit seiner Einordnung als ideeller Schaden bedurfte es der Bewertung des ideellen Vertragszwecks. Die Rechtsprechung stellt auf den Reisepreis ab und will zugleich alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.364 Damit nimmt sie zu Recht auf das (subjektive) Äquivalenzverhältnis zwischen Reisepreis und mangelfreier Reiseleistung Bezug, die zur Verwirklichung des ideellen Zwecks notwendig ist. Daher ist je nach Grad der Beeinträchtigung der gesamte Reisepreis bzw. ein Teil als angemessene Entschädigung zu gewähren.365 Auf das Empfinden des Reisenden kommt es nicht an. Die Entschädigung tritt an die Stelle des ideellen Erfolgs, den der Vertrag bezweckte. Daher sind die ideellen Vorteile zu entschädigen, die dem Reisenden wegen der mangelhaften Leistung nicht zugeflossen sind. Seine Enttäuschung und Frustration sind nicht erheblich. 2. Rechtsfortbildung des § 651f Abs. 2 BGB § 651f Abs. 2 BGB gilt nur für den Reisevertrag als Vertrag über eine Gesamtheit von Reiseleistungen. Die Rechtsprechung wendet § 651f Abs. 2 BGB analog auf Verträge über einzelne Reiseleistungen an, die ebenfalls primär den Zweck verfolgen, dem Gläubiger Urlaubsfreude zu verschaffen (z. B. Mietvertrag über ein Ferienhaus oder Wohnmobil).366 Ihr Zweck sei dem eines Reisevertrags vergleichbar, so dass sich die vertragliche Haftung ebenfalls auf die verdorbene Urlaubsfreude erstrecken müsse. Es bestehe kein sachlicher Grund, zwischen Einzelleistungen und der Gesamtheit von Reiseleistungen zu differenzieren.367 Die Literatur lehnt die Analogie hingegen ab.368 Der Ge362

BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 395. BGH 10.10.1974 Z 63, 98, 101 ff.; 12.5.1980 Z 77, 116, 120 f., 123; krit. Neumann, ZRP 1998, 20, 21; Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 72 ff.; Tonner, Reisevertrag, § 651f BGB Rn. 47. 364 BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 398, verweisend auf BGH 23.9.1982 NJW 1983, 35, 36; ebenso Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 73; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 63 ff. 365 Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 63 f. 366 BGH 17.1.1985 NJW 1985, 906, 907; 9.7.1992 Z 119, 152, 163 ff.; s. auch BGH 29.6.1995 Z 130, 128, 131 (zurückhaltender hinsichtlich der Bootscharter); zust. Oetker, MünchKommBGB, § 249 Rn. 96; Schernitzky, Schadensersatz, S. 154 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 10; Schulze, NJW 1997, 3337, 3342; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 45. 367 Staudinger/Schiemann, BGB, § 651f Rn. 10; ähnlich Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 96. 368 Erman/Schmid, BGB, § 651f Rn. 21; Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 61; krit. auch G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 29. 363

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setzgeber habe die Bestimmung gezielt auf den Reisevertrag beschränkt, so dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Zudem sei § 651f Abs. 2 BGB als Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB nicht analogiefähig. Eine Rechtsfortbildung gebiete auch die Richtlinie 90/314/EWG nicht, da sie nur für Verträge gelte, die mindestens zwei der aufgezählten Reiseleistungen verbinden (Art. 2 Nr. 1). Zudem bestehe keine einheitliche Haftung für Pflichtverletzungen bei Verträgen, deren Hauptzweck das Herbeiführen ideeller Vorteile ist. Die Erweiterung der vertraglichen Haftung für immaterielle Schäden führte zu einer uneinheitlichen Entwicklung der vertraglichen und deliktischen Haftung, obwohl die Schadensersatzreform von 2002 gerade ihren Gleichlauf anstrebte. Einer Rechtsfortbildung bedarf es indes nicht, wenn bei Verträgen, deren Hauptzweck das Herbeiführen eines ideellen Erfolgs ist, bereits die Vertragsauslegung ergibt, dass sich die vertragliche Haftung auf immaterielle Schäden erstreckt.369 In der Regel fehlt es indes am Willen des Schuldners, § 253 Abs. 1 BGB abzubedingen, zumal wenn dispositives Gesetzesrecht besteht, das im Gegensatz zum Reisevertragsrecht die Haftung nicht erweitert. Eine einfache Vertragsauslegung führt in der Regel nicht zur Haftungserweiterung. Trotz des dispositiven Gesetzesrechts ist eine ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie eine Rechtsfortbildung zulässig, wenn sich der Vertrag nicht in die bestehenden Regelungen einfügt.370 Das kann sich auch daraus ergeben, dass der Vertragszweck über das hinausgeht, was dem typischen Vertrag (z. B. Mietvertrag) zugrunde liegt. Das ist bei Reiseleistungen anzunehmen, die auf das Herbeiführen eines Urlaubsgenusses ausgerichtet sind. Etwas anderes gilt bei Verträgen, die ausschließlich die Beförderung oder Beherbergung betreffen und solche Schäden daher nur punktuell einbeziehen.371 Eine Analogie wird insoweit zu Recht einhellig abgelehnt.372 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Analogie ist zudem zu berücksichtigen, dass das Reisevertragsrecht bereits vor der Umsetzung der Richtlinie 93/314/EWG geregelt war. Der Gesetzgeber reagierte auf die gestiegene Bedeutung des Massentourismus, der insbesondere durch Pauschalreisen ein 369

Dafür Stoll, JZ 1975, 252, 255. Das Verhältnis von dispositivem Gesetzesrecht und ergänzender Vertragsauslegung ist beim lückenhaften Vertrag umstritten. Für den Vorrang des dispositiven Gesetzesrechts BGH 10.7.1963 Z 40, 91, 103; Busche, MünchKomm-BGB, § 157 Rn. 45; für den Vorrang der ergänzenden Vertragsauslegung RG 19.2.1931 Z 131, 343, 351; BGH 2.6.1997 NJW 1997, 2592, 2593; für ein Nebeneinander Flume, Allgemeiner Teil, Bd. II, S. 324 f.; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, S. 540. 371 OLG Düsseldorf 3.12.1992 VersR 1993, 892, 893; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 96; Schernitzky, Schadensersatz, S. 155; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 45; s. auch BGH 21.5.1981 Z 80, 366, 368 ff. zu einem Vertrag über einen Klinikaufenthalt mit Erholungswert, weil die ärztliche Versorgung im Vordergrund stehe und der Aufenthalt im Gegensatz zum Erholungsurlaub nicht durch vorherige Arbeitsleistung kommerzialisiert sei. 372 Erman/Schmid, BGB, § 651f Rn. 21; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 96; Schulze, NJW 1997, 3337, 3342; Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 61; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 10; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 45. 370

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problemloses Reisen und die Verschaffung von Urlaubsfreude versprach, und es sollte die Interessen der Vertragsparteien adäquat in einem neuen Vertragstyp umsetzen.373 Das mit der Pauschalreise verfolgte Ziel kann auch mit einzelnen Reiseleistungen verbunden sein, bei denen die Verschaffung von Urlaubsfreude Vertragszweck ist. Diese Reiseleistungen bezieht das Gesetz nicht in die §§ 651a ff. BGB ein, ohne dass sie aus einem bestimmten Grund ausgenommen wurden. Zudem besteht eine vergleichbare Interessenlage. Insofern ist die vertragliche Haftung punktuell weiter zu entwickeln. Das ist trotz des erstrebten Gleichlaufs von vertraglicher und deliktischer Haftung möglich. Das betraf vor allem den Ausgleich immaterieller Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts. Zudem hat der Gesetzgeber trotz der Schadensersatzrechtsreform die Ersatzfähigkeit des vertanen Urlaubs aufrechterhalten, die über die deliktische Haftung hinausgeht. Bei der Verletzung der Hauptleistungspflicht ist das Äquivalenzinteresse betroffen, wohingegen die deliktische Haftung nur das Integritätsinteresse erfasst. Insofern ist eine Analogie zu § 651f Abs. 2 BGB zulässig, sofern sich der Vertrag nur auf eine einzelne Reiseleistung bezieht, die aber wie eine Pauschalreise auf die Verschaffung von Urlaubsfreuden gerichtet ist. IV. Entschädigung verlorener Freizeit im Transportrecht Bei Beförderungsverträgen zielt der Vertragszweck anders als bei Reiseverträgen zwar nicht auf die Herbeiführung eines Genusses, angesichts der hohen Zahl von Personen, die zur Berufsausübung zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln, hat die Verlässlichkeit von Verkehrsmitteln aber besondere Bedeutung erlangt. Der verzögerte Transport oder die Nichtbeförderung verursachen Unannehmlichkeiten und den unnützen Verlust von Freizeit. Die Beförderungsverträge enthalten regelmäßig keine ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarungen über die Haftung für verlorene Freizeit. Auch das BGB gewährt dem Geschädigten keinen Entschädigungsanspruch. Inzwischen regeln aber die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 für die Fluggäste und die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 für die Fahrgäste im Eisenbahnverkehr die Haftung des Transportunternehmens. Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 will der Verspätung, Annullierung und Nichtbeförderung von Fluggästen entgegenwirken. Art. 7 gewährt ihnen einen Ausgleichsanspruch gegen die Fluggesellschaft, der aber gegenüber Maßnahmen subsidiär ist, die den Transport des Reisenden in angemessener Weise und ohne große Störungen sicherstellen sollen (Art. 4, 5).374 Der Anspruch richtet sich auf einen Pauschalbetrag, dessen Rechtscharakter die Verordnung nicht präzisiert. Daneben behält der Fluggast seine vertraglichen und deliktischen Ansprüche (Art. 12), muss sich aber die Ausgleichszahlung darauf anrechnen lassen. 373 374

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 8/786, S. 9 f. Erwägungsgründe Nr. 9, 12, Art. 4 Abs. 3, 5 Abs. 1 lit. c, 7 VO (EG) Nr. 162/2004.

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Die Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 wird teils als Schadenspauschalierung375, teils als Mischform aus Sanktion376 und Schadensersatz377 eingeordnet. Gegen die Qualifikation des Anspruchs als Sanktion im Sinne eines Strafschadensersatzes oder einer Privatstrafe spricht zunächst der Wortlaut der Verordnung („Ausgleichszahlung“)378. Zudem ist der Ausgleichsbetrag in der Verordnung viel niedriger angesetzt als noch im Entwurf der Kommission379 und wurde damit den erwartbaren Schäden angepasst, was zumindest indiziell gegen die Qualifikation als Strafe spricht. Darüber hinaus hat der Strafschadensersatz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine Tradition.380 Hauptsächlich das englische Recht kennt sog. exemplary damages, die aber ein besonders verwerfliches deliktisches Handeln voraussetzen.381 Die Verordnung ist jedoch nicht auf ein deliktisches Handeln bezogen382, sondern auf eine Verletzung der Pflichten des Beförderungsvertrags. Die französische astreinte dient zwar auch der Durchsetzung vertraglicher Ansprüche, sie ist aber vom Richter erst anzudrohen und dann zu verhängen.383 Der Anspruch nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 besteht hingegen unabhängig von der richterlichen Anordnung und ist zudem verschuldensunabhängig. Das Unternehmen kann sich nur bei Annullierungen auf außergewöhnliche Umstände berufen, die nicht durch zumutbare Maßnahmen vermeidbar waren, Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004. Gegen den Sanktionscharakter des Ausgleichsanspruchs spricht schließlich, dass nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 der Verordnung die übrigen Schadensersatzansprüche des Fluggastes auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen sind.384 Das wäre zumindest bei einem Anspruch, der ausschließlich Sanktionscharakter hätte, ausgeschlossen, weil es an der erforderlichen Kongruenz mit dem Zweck des Schadensersatzes fehlte. 375 Führich, Reiserecht, Rn. 1025; Lienhard, GPR 2004, 259, 264; Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897, 1899; G. Wagner, VuR 2006, 337, 339; s. auch EuGH 10.1.2006 Slg. 2006, I-403 Rn. 43, 47 f., 71 (The Queen/IATA). 376 Ausführlich zum Sanktionsbegriff s. unten § 16.B.I., S. 675 ff.; zum Begriff der Privatstrafe s. unten § 16.B.II.1., S. 677 ff. 377 So zur vorhergehenden Verordnung AG Frankfurt M. 17.7.1995 NJW-RR 1996, 1335, 1336; explizit gegen die Einordnung als Sanktion Führich, Reiserecht, Rn. 1025; Staudinger/ Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897, 1899. 378 Englische Fassung: compensation; französische Fassung: indemnisation; spanische Fassung: compensación; italienische Fassung: compensazione pecunaria; niederländische Fassung: compensatie. 379 Vorschlag vorgelegt am 21.12.2001, KOM (2001) 784 endg., ABl. EG Nr. C 103 E v. 30.4.2002, S. 225. 380 Ausführlich dazu § 6.C.V., F.III., S. 307 ff., 395 ff., § 8.C.III.2., S. 467 ff. 381 Ausführlich dazu § 6.C.V.2., S. 312 ff. 382 Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897, 1899. 383 Ausführlich unten § 6.C.V.1.b., S. 307 ff. 384 Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897, 1899; s. auch LG Frankfurt M. 22.1.1998 RRa 1998, 125, 127 zur vorhergehenden Verordnung.

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Der Ausgleichsanspruch ist letztlich eine Schadenspauschalierung, gegen die der Schädiger aber nicht einwenden kann, dass der Schaden tatsächlich geringer war. Die damit verbundene Überkompensation wird hingenommen. Die Verordnung soll in erster Linie die Stellung des Fluggastes gegenüber der Fluggesellschaft stärken.385 Die Pauschalierung wirkt de facto als Prävention. Das steht mit dem Ziel der Verordnung in Einklang, mangelnder oder verzögerter Beförderung der Fluggäste entgegenzuwirken und deren Folgen abzumildern.386 Der Ausgleichsanspruch hat indes keine selbständige Präventionsfunktion, die gezielt eine überkompensatorische Entschädigung zum Zweck der Abschreckung erlaubt. Die Höhe des Anspruchs ist nicht davon abhängig, wie oft bei der Fluggesellschaft Verspätungen, Annullierungen oder Nichtbeförderungen vorkommen. Ein gezieltes und somit dosiertes Einwirken auf das Unternehmen erfolgt nicht. Eine erhöhte Belastung des Unternehmens kommt nur dadurch zustande, dass sich die Ausgleichsansprüche der Fluggäste häufen. Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 lässt nicht erkennen, ob der pauschale Ausgleich die immateriellen Einbußen des Reisenden in Form von verlorener Freizeit oder Unannehmlichkeiten erfasst.387 Er legt nur einen pauschalen Betrag als liquidierbaren Mindestschadensersatz fest, ohne die Art des Schadens zu konkretisieren. Die Präambel der Verordnung verweist auf den Ärger und die Unannehmlichkeiten für den Fluggast bei einer Annullierung von Flügen und deutet somit auf einen Ausgleich ideeller Schäden. Zudem treffen die Fluggesellschaft neben der Zahlungspflicht weitere Betreuungspflichten gegenüber dem Reisenden, die ebenfalls sein Wohlergehen betreffen. Art. 8 der Verordnung regelt zudem die Erstattung der Flugscheinkosten separat. Daraus folgt aber nicht, dass sich der Ausgleichsanspruch auf ideelle Nachteile beschränkt. Neben den Flugscheinkosten können materielle Schäden, insbesondere durch entgangenen Gewinn entstehen. Die Verordnung soll dem Fluggast vor allem einen direkten und vereinfachten Rückgriff gegenüber der Fluggesellschaft eröffnen und die erlittenen Nachteile ausgleichen. Der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 umfasst daher alle Schäden gleichermaßen. Soweit sich der Anspruch auf Nichtvermögensschäden erstreckt, ist er eine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB und macht die Entschädigung nicht von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung abhängig.388 Einen zusätzlichen Anspruch auf 385 Erwägungsgründe Nr. 1, 6 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004; s. auch EuGH 10.1.2006 Slg. 2006, I-403 Rn. 45, 69 (The Queen/IATA). 386 EuGH 10.1.2006 Slg. 2006, I-403 Rn. 45, 69 (The Queen/IATA). 387 Für eine Monetarisierung verlorener Freizeit Tonner, RRa 2004, 59; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 66; a. A. Führich, Reiserecht, Rn. 1033, der den Ausgleichsanspruch als Ersatz materieller Schäden ansieht; Giemulla, EuZW 1991, 367, 368. 388 Die Schadenspauschalierung muss sich nicht auf die ersatzfähigen Schäden beschränken, sondern kann die ersatzfähigen Schäden erweitern, s. Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 207; Hess, Vertragsstrafe, S. 118 f.; Staudinger/Rieble, BGB, Vorbem. zu §§ 339 Rn. 36; a. A. Steltmann, Vertragsstrafe, S. 65.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Entschädigung ideeller Schäden hat der Reisende nur, wenn der Flug Teil einer Pauschalreise war und die Reise insgesamt schwerwiegend beeinträchtigt ist.389 Der Anspruch aus § 651f Abs. 2 BGB richtet sich aber gegen den Reiseveranstalter, der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 gegen die Fluggesellschaft. Eine ähnliche Stärkung der Fahrgastrechte bei der Verspätung und dem Ausfall von Zügen beabsichtigt die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007, die zugleich einen größeren Anreiz zur Verbesserung der Beförderungsleistung im Interesse der Fahrgäste setzen will.390 Zudem soll die Verordnung die Fahrgastrechte nach den einheitlichen Rechtsvorschriften über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (CIV) und das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) auf den inländischen Eisenbahnverkehr ausdehnen.391 Die Verordnung verweist daher in Art. 15 auf das Haftungsrecht der COTIF, das in Art. 32 aber nur die materiellen Schäden infolge von Verspätung, Versäumnis der Anschlusszüge oder Zugausfall erfasst. Die übrigen Schäden bleiben dem Landesrecht überlassen, für die das deutsche Recht zunächst keinen Entschädigungsanspruch gewährte. Der Ausgleich ideeller Schäden ergibt sich höchstens aus Art. 17 Abs. 1, 3 VO (EG) Nr. 1371/2007, der einen verschuldensunabhängigen Anspruch des Fahrgastes auf eine Fahrpreisentschädigung normiert, die je nach Dauer der Verspätung pauschal auf 25% bzw. 50% des Fahrpreises festgesetzt ist, aber erst ab einer Höhe von 4 € ausgezahlt werden muss.392 Die Verordnung lässt nicht erkennen, ob der Entschädigungsanspruch Privatstrafe oder pauschalierter Schadensersatz für alle Vermögens- und Nichtvermögensschäden ist, die im Zusammenhang mit der Verspätung, der Versäumnis von Anschlusszügen oder dem Zugausfall entstehen. Die Gesetzgebungsmaterialien lassen aber erkennen, dass die Verordnung eine den Fluggastrechten vergleichbare Regelung enthalten soll, damit für die Transportmittel Flugzeug und Bahn ähnliche Bestimmungen gelten.393 Die Entschädigung nach Art. 17 VO (EG) Nr. 1371/2007 ist daher ebenso wie jene nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 ein pauschaler Schadensausgleich anhand des tatsächlich entrichteten Fahrpreises. Das verhindert eine gezielte Prävention, deren Höhe sich danach richten müsste, in welchem Maße es der Einwirkung auf das 389

Führich, Reiserecht, Rn. 1009. Erwägungsgründe 13, 16, 24 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007. 391 Erwägungsgrund 6 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007. 392 Eine Sonderregelung enthält § 17 Eisenbahn-Verkehrsverordnung, die aber für bestimmte Verspätungen im Personennahverkehr nur ein Recht zur Selbstvornahme und einen Aufwendungsersatzanspruch regelt, so dass immaterielle Schäden hierdurch nicht erfasst sind. 393 Stellungnahme des Europäischen Ausschusses für Wirtschaft und Soziales v. 9.2.2005 (2005/C 221/02), ABl. EG Nr. C 221 v. 8.9.2005, S. 8, 10 f.; Stellungnahme des Ausschusses der Regionen v. 17.11.2005 (2005/C 71/07), ABl. EG Nr. C 71 v. 22.3.2005, S. 26, 28 (1.12). 390

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Unternehmen bedarf, um zukünftigen Pflichtverletzungen entgegenzuwirken. Der pauschalierte Schadensersatzanspruch hat aber dennoch abschreckende Wirkung. V. Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer nach den §§ 9, 10 KSchG, § 113 Abs. 1, 3 BetrVG Bei einer sozial nicht gerechtfertigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 2 KSchG kann das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis auflösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilen (§§ 9, 10 KSchG). Das gilt entsprechend bei unwirksamen außerordentlichen und sittenwidrigen Kündigungen (§ 13 Abs. 1, 2 KSchG). Die Abfindung gleicht den Verlust des Arbeitsplatzes aus, der infolge der Auflösung des Arbeitsverhältnisses eintritt.394 Es handelt sich nicht um die Entschädigung für entgangenes Arbeitsentgelt, sondern um ein vermögensrechtliches Äquivalent für den verlorenen Arbeitsplatz.395 Das indiziert § 10 KSchG, der die Höhe der Entschädigung nicht vom entgangenen Verdienst abhängig macht. Die Abfindung ist nicht die Rechtsfolge der sozial ungerechtfertigten oder sittenwidrigen Kündigung, das ist die Unwirksamkeit der Kündigung. Erst das Arbeitsgericht beendet das Arbeitsverhältnis durch Gestaltungsurteil und setzt die Abfindung fest, so dass es sich nicht um eine Haftung für eine Pflichtverletzung im engeren Sinne handelt. Die Abfindung ist daher kein Schadensersatz aus vertraglicher oder gesetzlicher Haftung des Arbeitgebers.396 Nur ausnahmsweise hat die Abfindung Entgeltcharakter. Das gilt, wenn sie wegen einer außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist gewährt wird, und nur, soweit die entgangene Vergütung in die Bemessung eingeht.397 Nach einhelliger Ansicht dient die Abfindung, ähnlich wie der Schadensersatz, der Entschädigung des Verlusts an sozialem Besitzstand – des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers.398 Die Einbuße wird pauschal abgegolten399, unabhängig von den schwer bezifferbaren Folgeschäden wie dem Verlust des Kündigungsschutzes nach dem KSchG. Auch ohne konkrete Schadensberechnung gleicht die Abfindung Vermögens- und Nichtvermögensschäden der Arbeitnehmer aus und schließt weitere Schadensersatzansprüche gegen den Arbeit394 BAG 25.6.1987 NZA 1988, 466, 467; APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 38; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 4; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 11. 395 BAG 25.6.1987 NZA 1988, 466, 467; APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 38; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 4; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 11; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung, Rn. 2005. 396 APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 38. 397 APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 30, 39; KR/Spilger, § 10 KSchG R. 12. 398 Siehe Fn. 395. 399 Zur Abgeltungsfunktion v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 5; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 10, 11; Neef, HK-KSchG, § 10 Rn. 33.

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geber wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes aus.400 Sofern eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt, habe sie zusätzlich Genugtuungsfunktion.401 Die Bemessung der Abfindung nimmt der Richter nach pflichtgemäßem Ermessen vor und orientiert sich primär an der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dem Lebensalter des Arbeitnehmers (§ 10 Abs. 2 KSchG).402 Daneben erlaubt die herrschende Ansicht die Berücksichtigung weiterer Sozialdaten sowie der Anschlussbeschäftigung des Arbeitnehmers.403 Der Lage auf dem Arbeitsmarkt und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitnehmers wird indes keine Bedeutung beigemessen.404 Im Grunde erfolgt eine objektivierende Betrachtung des Schadens durch den Verlust des Arbeitsplatzes als sozialen Besitzstand. Die Rechtsverletzung wird dabei zu Recht nicht mit dem Schaden gleichgesetzt, sondern es wird die Intensität der Einbuße ermittelt, indem insbesondere die Anschlussbeschäftigung Berücksichtigung findet. Mit der Vorstellung vom Schadensausgleich im Sinne der Totalreparation ist es indes nicht zu vereinbaren, dass die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers für die Höhe der Abfindung berücksichtigt wird.405 Darin steckt eine Beschränkung des Anspruchs unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten, die sich vor allem auf verfassungsrechtliche Erwägungen aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG stützen lässt. Darin kann eine verfassungskonforme Einschränkung des Abfindungsanspruchs gesehen werden. Die Abfindung soll nach der herrschenden Ansicht den Arbeitgeber zugleich für die Zukunft davon abhalten, sozial ungerechtfertigte oder sittenwidrige Kündigungen auszusprechen.406 Ihr wird somit eine Sanktions- sowie Präventionsfunktion zugesprochen, was sogar zu einer Erhöhung der Abfindung führen soll, wenn der Arbeitgeber bewusst eine sozialwidrige Kündigung aussprach, um das Arbeitsverhältnis zu beenden.407 Daher hat die Präventions400 BAG 15.2.1973 AP § 9 KSchG 1969 Nr. 2; APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 38; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 5; s. auch KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 11, 59. 401 APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 28. 402 APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 21 ff.; ErfK/Kiel, § 10 KSchG Rn. 6; v. Hoyningen-Huene/ Linck, KSchG, § 10 Rn. 17, 19; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 24, 45 ff. 403 ErfK/Kiel, § 10 KSchG Rn. 8; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 21; KR/ Spilger, § 10 KSchG Rn. 52; zurückhaltender APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 24; unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktchancen des Arbeitnehmers BAG 18.10.2011 DB 2012, 408, 409. 404 APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 25, 27; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 53, 54; anders wohl BAG 18.10.2011 DB 2012, 408, 409. 405 BAG 18.10.2011 DB 2012, 408, 409; Neef, HK-KSchG, § 10 Rn. 26; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 23; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 60; a. A. BBDK/Bader, § 10 KSchG Rn. 1; Brill, DB 1981, 2326, 2328; ErfK/Kiel, § 10 KSchG Rn. 10; Gamillscheg, FS F. W. Bosch, S. 214, 222 (nur bei Existenzgefährdung). 406 BAG 15.2.1973 AP § 9 KSchG 1969 Nr. 2; ErfK/Kiel, § 10 KSchG Rn. 5; Gamillscheg, FS F. W. Bosch, S. 209, 220; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 4; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 10; vgl. auch BAG 18.10.2011 DB 2012, 408, 409. 407 BAG 29.3.1960 NJW 1960, 2022, 2023; APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 28; ErfK/Kiel, § 10 KSchG Rn. 9; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 55.

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funktion in den §§ 9, 10 KSchG selbständige Bedeutung und ist nicht nur ein Nebeneffekt, der mit dem Schadensausgleich einhergeht. Ähnlichen Vorgaben folgt die Abfindung für die Entlassung des Arbeitnehmers wegen einer Betriebsänderung nach § 113 Abs. 1, 3 BetrVG. Der Nachteilsausgleich ist eine verschuldensunabhängige Abgeltung für den Verlust des Arbeitsplatzes, wenn der Arbeitgeber von einem Interessenausgleich, den er mit dem Betriebsrat wegen einer Betriebsänderung nach § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG geschlossen hat, abweicht oder einen Interessenausgleich entgegen den § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht einmal versucht. Er dient der Absicherung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats, indem er ihre Verletzung sanktioniert (Sanktionsfunktion).408 Der Arbeitgeber muss die materiellen und immateriellen Folgen ausgleichen, die dem Arbeitnehmer wegen des Arbeitsplatzverlusts entstanden sind.409 Die Abfindung bemisst sich analog § 10 KSchG vor allem nach dem Lebensalter des Arbeitnehmers und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit. Zu Sanktionszwecken erhöht sich die Abfindung nach der herrschenden Ansicht bei grob pflichtwidrigem Verhalten des Arbeitgebers.410 Daher wird der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Abfindung für den Arbeitgeber – anders als nach den §§ 9, 10 KSchG – nur geringe Bedeutung zugemessen, zumal § 113 BetrVG auch in der Insolvenz Anwendung findet.411 VI. Entschädigung nach § 40 Abs. 3 SeemG (sog. Hungergeld) Ein Seemann hat aus dem Heuerverhältnis mit dem Reeder neben dem Anspruch auf die Heuer (§ 30 Abs. 1 SeemG), einen Anspruch auf angemessene Verpflegung (§ 39 Abs. 1 SeemG) und Unterbringung (§ 41 Abs. 1 SeemG). Hinsichtlich der Verpflegung darf der Kapitän gemäß § 40 Abs. 1 SeemG die Speisen und Getränke wegen der ungewöhnlich langen Dauer der Reise infolge von Unfällen oder sonst unabwendbaren Gründen kürzen, wenn der Verpflegungsvorrat sonst nicht ausreicht. In diesen Fällen hat der Seemann 408

BAG 20.11.2001 AP Nr. 39 zu § 113 BetrVG 1972; 23.9.2003 AP Nr. 43 zu § 113 BetrVG 1972; DKK/Däubler, BetrVG, § 113 Rn. 16; ErfK/Kania, § 113 BetrVG Rn. 1; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 113 Rn. 2; Oetker, GK-BetrVG, § 113 Rn. 3; Richardi/Annuß, BetrVG, § 113 Rn. 2; a. A. Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung, C 299. 409 BAG 20.11.2001 AP Nr. 39 zu § 113 BetrVG 1972; 23.9.2003 AP Nr. 43 zu § 113 BetrVG 1972; Oetker, GK-BetrVG, § 113 Rn. 3; s. auch BAG 29.2.1972 AP Nr. 9 zu § 72 BetrVG. Zur Berücksichtigung der ideellen Interessen BAG 29.2.1972 AP Nr. 9 zu § 72 BetrVG 1952; 9.7.1985 AP Nr. 13 zu § 113 BetrVG 1972; DKK/Däubler, § 113 BetrVG Rn. 16. 410 BAG 24.8.2006 AP Nr. 152 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; ErfK/Kania, § 113 BetrVG Rn. 6; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 113 Rn. 30; Oetker, GK-BetrVG, § 113 Rn. 87; Richardi/Annuß, BetrVG, § 113 Rn. 49. 411 BAG 20.11.2001 Nr. 39 zu AP § 113 BetrVG 1972; 22.7.2003 AP Nr. 42 zu § 113 BetrVG 1972; DKK/Däubler, BetrVG, § 113 Rn. 16; ErfK/Kania, § 113 BetrVG Rn. 6; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 113 Rn. 30; Oetker, GK-BetrVG, § 113 Rn. 88; Richardi/Annuß, BetrVG, § 113 Rn. 49; einschränkend LAG Thüringen 22.7.1998 NZA-RR 1999, 309, 310.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Anspruch auf eine erhöhte Vergütung, das sog. Hungergeld (§ 40 Abs. 3 SeemG). Dabei handelt es sich in erster Linie um einen Vergütungsanspruch aus dem Heuerverhältnis, nicht um einen Anspruch auf Ersatz ideeller Schäden. Die Verpflegung ist Teil der vom Reeder geschuldeten Gegenleistung, die insoweit in natura geleistet wird. Erfüllt der Schiffskapitän für den Reeder diese Verpflichtung nicht, so kann der Seemann statt der Verpflegung Geld verlangen. Es handelt sich indes nicht um einen spezialgesetzlichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, da der Kapitän zur Herabsetzung der Verpflegung nach § 40 Abs. 1 SeemG berechtigt ist und es somit an der Pflichtverletzung fehlt, die der Schadensersatzanspruch voraussetzt. § 40 Abs. 1 SeemG gewährt dem Kapitän eine Ersetzungsbefugnis. Daher orientiert sich der Anspruch an den Kosten der Verpflegung.412 In Ausnahmefällen sollen dem Seemann auch die erlittenen Entbehrungen ersetzt werden, die mit der geringeren Verpflegung einhergehen413, obwohl kein Schadensersatzanspruch besteht.414 Angesichts der Einordnung des § 40 Abs. 3 SeemG als Gegenleistungsanspruch ist eine Erhöhung der Vergütung wegen der Entbehrungen eine nachträgliche Änderung des Äquivalenzverhältnisses. § 40 Abs. 1, 3 SeemG regelt das nicht ausdrücklich. Sofern die Kürzung der Verpflegung dem Seemann aber eine höhere körperliche und psychische Leistung abverlangt, als er sonst geschuldet hätte, führt § 40 Abs. 1, 3 SeemG nicht nur zur Ersetzung der Gegenleistung in natura durch eine in Geld, sondern auch zur Veränderung der Leistungspflicht des Seemanns. Insoweit greift eine Anordnung nach § 40 Abs. 1 SeemG in das Äquivalenzverhältnis ein. Folglich erscheint es zulässig, dies bei der Bemessung des Hungergeldes nach § 40 Abs. 3 SeemG zu berücksichtigen und die Vergütung des Seemanns zu erhöhen. VII. Ausgleich immaterieller Schäden infolge von Benachteiligungen nach dem AGG 1. Überblick über die historische Entwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden bei unzulässigen Benachteiligungen Das Antidiskriminierungsrecht hat sich zu einem besonderen Teilbereich des Ausgleichs immaterieller Schäden entwickelt. Die Entschädigung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG ist die zentrale Rechtsfolge für unzulässige Benachteiligungen. Ihre Vorgängerregelungen in § 611a Abs. 2, 3 BGB und § 81 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB IX fanden nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH ihre Gestalt und prägten die Diskussion über die Entschädigung nach 412 Lindemann/Bemm, SeemG, § 40 Rn. 8; Schaps/Abraham, Seerecht, Bd. III, § 40 Rn. 7; Schwedes/Franz, SeemG, § 40 Rn. 6. 413 Lindemann/Bemm, SeemG, § 40 Rn. 8; Schwedes/Franz, SeemG, § 40 Rn. 6; weitergehend Schaps/Abraham, Seerecht, Bd. III, § 40 Rn. 7 (generelle Berücksichtigung der Entbehrungen). 414 Schaps/Abraham, Seerecht, Bd. III, § 40 Rn. 7.

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dem AGG, so dass die Rechtsentwicklung die Auslegung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG beeinflusst. Zunächst gewährte allein § 611a BGB a. F. eine Entschädigung für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts beim Zugang zur Beschäftigung und beim beruflichen Aufstieg. Der Schadensersatzanspruch war Sanktion für die Verletzung des Benachteiligungsverbots und setzte Art. 6 der Richtlinie 76/207/EWG415 um. Er wirkte auf die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Berufsleben hin und verwirklichte damit zugleich die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG.416 Der Anspruch aus § 611a Abs. 2 BGB in der Fassung von 1980 beschränkte sich auf den Ersatz des Vertrauensschadens, so dass der Arbeitgeber dem Bewerber nur die Bewerbungskosten ersetzen musste (sog. Protoparagraph). Die Norm sanktionierte die Benachteiligung nicht direkt, sondern gewährte nur Ausgleich für das enttäuschte Vertrauen und galt als kodifizierter Fall der culpa in contrahendo417. Anspruchsinhaber war nach der Rechtsprechung nur der sog. Bestbewerber, mit dem bei diskriminierungsfreier Auswahl ein Arbeitsvertrag zustande gekommen wäre, da die Diskriminierung für die Schäden der übrigen Bewerber nicht kausal sei.418 Diese Beschränkungen des § 611a BGB a. F. waren verfassungs- und richtlinienwidrig. Das BVerfG entschied 1984, dass § 611a Abs. 2 BGB a. F. nur mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar ist, wenn jede Benachteiligung wegen des Geschlechts bei der Einstellung oder Beförderung, im Sinne von § 611a Abs. 1 BGB a. F. einen Schadensersatzanspruch auslöst.419 Insoweit genügt es, wenn das Geschlecht Teil des Motivbündels war, auf dem die Entscheidung des Arbeitgebers beruhte. Im selben Jahr konstatierte der EuGH in den Entscheidungen von Colson und Kamann sowie Harz, dass ein Schadensersatzanspruch, der sich auf den Vertrauensschaden beschränkt, europarechtswidrig ist, da Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG die Mitgliedstaaten verpflichtet, Sanktionen wegen der unzulässigen Benachteiligung zu verhängen, die sich für einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz eignen.420 Den Mitgliedstaaten bleibe die Wahl zwischen verschiedenen Alternativen wie Einstellungsansprüchen, Entschädigungen oder Bußgeldregelungen, aber eine symbolische Ent415 Richtlinie 76/207/EWG vom 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. EG Nr. L 39 v. 14.2.1976, S. 40. 416 Eisemann, AuR 1988, 225, 231; Kocher, AuR 1998, 221, 222. 417 Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 255; Herrmann, ZfA 1996, 19, 30; Kandler, Sanktionsregelungen, S. 125; Oetker, ZIP 1997, S. 802, 803 f. 418 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB; a. A. Pfarr/Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, S. 77; Schlachter, EzA § 611a BGB Nr. 5, S. 9, 12 f.; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 90. 419 BVerfG 16.11.1993 E 89, 276, 288 f.; zust. Schlachter, AP Nr. 9 zu § 611a BGB, Bl. 6, 6R. 420 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 24, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 24, 28 (Harz).

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

schädigung wie der Ersatz der Bewerbungskosten genüge nicht.421 Der Schadensersatz müsse in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen. Das bestätigte der EuGH in der Rechtssache Dekker und verlangte eine tatsächliche und wirksame Sanktion mit abschreckender Wirkung.422 Diese Formulierung wurde in die Sanktionsregelung späterer Antidiskriminierungsrichtlinien übernommen.423 Zugleich sprach der Gerichtshof aus, dass eine Sanktion bei jeder unzulässigen Benachteiligung erfolgen müsse, ohne dass ein Rechtfertigungsgrund oder mangelndes Verschulden den Anspruch ausschließen könne.424 Eine Änderung des § 611a BGB erfolgte trotz dieser Judikate erst 1994. Bis dahin gewährte das BAG dem benachteiligten Bewerber einen deliktischen Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, um den Vorgaben der Richtlinie so weit wie möglich zu entsprechen.425 Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolge durch die Herabwürdigung der beruflichen und persönlichen Fähigkeiten und die Beschränkung der Selbstentfaltung. Diese hätten die notwendige Schwere, um einen Entschädigungsanspruch zu begründen, weil § 611a BGB die Benachteiligung verbiete und Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG i. V. mit Art. 4 Abs. 3 AEUV eine effektive Sanktion verlange.426 Das BAG machte die Entschädigung somit nicht von der besonderen Verletzungsschwere abhängig. Nur bei mittelbaren Diskriminierungen lehnte das Gericht eine Entschädigung wegen der fehlenden Schwere der Benachteiligung ab.427 Offen blieb, ob sich aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 611a Abs. 1 BGB ein Entschädigungsanspruch ergibt, der den Ausgleich ideeller Schäden einbezieht.428

421 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 26, 28 (Harz). 422 EuGH 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 23 (Dekker). 423 Siehe Art. 15 Richtlinie 2000/43/EG; Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG; Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2002/73/EG; Art. 8, 14 Richtlinie 2004/113/EG; Art. 18, 25 Richtlinie 2006/54/EG. 424 EuGH 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 24 f. (Dekker). 425 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB; 14.3.1989 AP Nr. 6 zu § 611a BGB; Bertelsmann/Pfarr, DB 1984, 1297, 1300; Bertelsmann/Pfarr, Gleichbehandlungsgesetz, S. 77; Eisemann, AuR 1988, 225, 231 ff.; KR/Pfeiffer, 8. Auf. 2007, § 611a BGB Rn. 108 (normative Einordnung der Diskriminierung als Schädigung); Schlachter, EzA Nr. 5 zu § 611a BGB, S. 9, 14; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 73; Zuleeg, RdA 1984, 325, 330; zweifelnd Birk, NZA 1984, 145, 147 f.; abl. Annuß, NZA 1999, 738, 741; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 257, 261; Herrmann, ZfA 1996, 19, 49; Vollmer, BB 1997, 1582, 1583; Wiese, JuS 1990, 357, 360 f. 426 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB; 14.3.1989 AP Nr. 6 zu § 611a BGB; ebenso Bertelsmann/Pfarr, DB 1984, 1297, 1300; Eisemann, AuR 1988, 225, 231; krit. Franzen, Rechtsangleichung, S. ff.; Scholz, AP Nr. 6, 7 zu § 611a BGB; s. auch Hommelhoff, AcP 192 (1992), 71, 96 ff. 427 BAG 14.3.1989 AP Nr. 6 zu § 611a BGB. 428 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB; für den Schutzgesetzcharakter des § 611a BGB Bertelsmann/Pfarr, DB 1984, 1297, 1300; Birk, NZA 1984, 145, 147; Staudinger/Richardi/Annuß, BGB, 1999, § 611a Rn. 55; Wiese, JuS 1990, 357, 358; Zuleeg, RdA 1984, 325, 330, 332; abl.

§ 2 Die Abhängigkeit immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut

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Diese Rechtsprechung war erheblichen Angriffen ausgesetzt. Der Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht wurde zum Teil abgelehnt, weil § 611a BGB a. F. abschließend sei.429 Zudem schütze das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Selbstentfaltung nicht generell, sondern beschränke sich auf die Integrität der Person und ihrer Selbstbestimmung.430 § 611a BGB kodifiziere ein Gleichheitsrecht, dessen Verletzung nicht automatisch das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtige431, das einen Integritätsschutz, aber keinen Aktivitätsschutz gewähre432. Der BGH gewähre eine Entschädigung zudem nur bei schwerwiegenden Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, mit denen die benachteiligende Personalauswahl bei Einstellung oder Beförderung nicht vergleichbar sei.433 Im Jahre 1994 wurde § 611a BGB a. F. geändert und gewährte seitdem einen Anspruch auf angemessene Entschädigung. Obwohl er sich nicht ausdrücklich auf ideelle Schäden bezog, nahm die überwiegende Ansicht an, dass alle materiellen und immateriellen Schäden infolge der Benachteiligung auszugleichen seien.434 Der Bewerber, der ohne die Benachteiligung eingestellt oder befördert worden wäre, konnte Entschädigung für das entgangene Einkommen und den ideellen Schaden verlangen.435 Die übrigen Bewerber erhielten die Bewerbungskosten und den ideellen Schaden ersetzt.436 Weitere 429 Beyer/Möllers, JZ 1991, 24, 27; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 257; Erman/Hanau, BGB, 10. Aufl. 2000, § 611a Rn. 18; Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 54; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 81 429 Kandler, Sanktionsregelungen, S. 140 f.; Scholz, AP Nr. 6 zu § 611a BGB, Bl. 4R; Zwanziger, DB 1998, 1330, 1331. 430 Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 409. 431 Annuß, NZA 1999, 738, 741; Beyer/Möllers, JZ 1991, 24, 28 f.; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 256 f.; Kandler, Sanktionsregelung, S. 167; Kocher, AuR 1998, 221, 223; MüllerGlöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 59; Scholz, AP Nr. 6 zu § 611a BGB; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 74; abl. Herrmann, ZfA 1996, 19, 43 f.; Volmer, BB 1997, 1582, 1583. 432 Herrmann, ZfA 1996, 19, 51 f.; Kandler, Sanktionsregelungen, S. 149; Scholz, AP Nr. 6 zu § 611a BGB, Bl. 6, 6R; Schwerdtner, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1993, § 12 Rn. 187; Wiese, JuS 1990, 357, 361. 433 Ausführlich Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 410. 434 Annuß, NZA 1999, 738, 741; APS/Linck, 2. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 101; Ehmann/ Emmert, SAE 1997, 253, 255; ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 35, 37; Kandler, Sanktionsregelungen, S. 166 f.; KR-Pfeiffer, § 611a BGB Rn. 99, 102 f.; Treber, DZWir 1998, 177, 180; ders., NZA 1998, 856, 858; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1015; Zwanziger, DB 1998, 1330, 1331; s. auch Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 61; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 53; für eine Beschränkung auf die Nichtvermögensschäden und den Ausgleich der materiellen Schäden nach c. i. c. Oetker, ZIP 1997, 802, 803 f.; Steinmeister, ZRP 1993, 127, 128. 435 Z. B. Buchner, MünchArbR, 2. Aufl. 2000, § 40 Rn. 205; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 255; Herrmann, ZfA 1996, 19, 31 f.; Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 72. 436 Z. B. Buchner, MünchArbR, 2. Aufl. 2000, § 40 Rn. 206; Herrmann, ZfA 1996, 19, 45; Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 71.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Ansprüche bestanden wegen des abschließenden Charakters des § 611a BGB a. F. nicht.437 Der Ausgleich der immateriellen Schäden nach § 611a BGB a. F. galt im Schrifttum zum Teil als Kodifikation der Rechtsprechung zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.438 Die Regelung machte den Anspruch aber nicht von der Verletzung dieses Rechts abhängig. § 611a BGB a. F. war eine Ausnahme zu § 253 BGB und setzte weder eine Rechtsgutsverletzung noch den potentiellen Erfolg der Bewerbung voraus, so dass nicht einmal ein Kausalitätserfordernis bestand.439 Die Norm schützte somit die benachteiligungsfreie Teilnahme am Auswahlverfahren, so dass ein Entschädigungsanspruch nach überwiegender Ansicht auch bestand, wenn der Arbeitsplatz nicht besetzt wurde.440 § 611a Abs. 2 BGB a. F. vermute den immateriellen Schaden.441 Ein Entschädigungsanspruch scheide nur aus, wenn sich der Bewerber nicht ernsthaft um die Stelle bemühte, sondern sich nur bewarb, um den diskriminierenden Arbeitgeber auf Entschädigung in Anspruch zu nehmen.442 Der EuGH beurteilte auch die Neufassung des § 611a BGB a. F. als europarechtswidrig.443 Bereits vor ihrem Inkrafttreten hatte der Gerichtshof in der Rechtssache Dekker ausgesprochen, dass die Sanktion nicht vom Verschulden abhängen dürfe.444 Zudem deutete die Entscheidung Marshall II, die eine diskriminierende Kündigung betraf, an, dass Haftungshöchstgrenzen für einen Schadensersatz der Richtlinie widersprechen.445 Die von den Mitgliedstaaten gewählte Sanktion müsse geeignet sein und abschreckende Wirkung haben. Dem genüge der Schadensersatz nur, wenn er alle Einbußen angemessen entschädigt. In der Rechtssache Draehmpaehl entschied der EuGH schließlich, 437

APS/Linck, 2. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 98; Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 54; Wendeling-Schröder/Buschkröger, FS Däubler, S. 127, 137; Zwanziger, DB 1998, 1330; a. A. Herrmann, ZfA 1996, 19, 45 f. 438 Volmer, BB 1997, 1582, 1583. 439 HWK/Thüsing, Arbeitsrecht, § 611a BGB Rn. 65; Pfarr, RdA 1995, 204, 208; Soergel/ Raab, BGB, § 611a Rn. 47 f.; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 27, 90; unter Verweis auf § 61b Abs. 2 S. 1 ArbGG a. F. Kandler, Sanktionsregelungen, S. 163; KR-Pfeiffer, § 611a BGB Rn. 102; krit. Loritz, SAE 1995, 226, 227. 440 HWK/Thüsing, Arbeitsrecht, § 611a BGB Rn. 66; Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, § 611a BGB Rn. 24; KR-Pfeiffer, § 611a Rn. 98; a. A. LAG Düsseldorf 1.2.2002 NZA-RR 2002, 345. 441 Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 53 (unwiderlegliche Vermutung); ähnlich KR/Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 108; Volmer, BB 1997, 1582, 1583 (ideeller Schaden normativ vorgegeben). 442 BAG 12.11.1998 AP Nr. 16 zu § 611a BGB; HWK/Thüsing, Arbeitsrecht, § 611a BGB Rn. 64; Raab, DStR 1999, 854, 855; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 48; Walker, SAE 2000, 64, 65; Zwanziger, DB 1998, 1330. 443 Dazu bereits Pfarr, RdA 1995, 204, 208; Schlachter, JA 1994, 72, 79; Steinmeister, ZRP 1993, 127, 128; für eine richtlinienkonforme Auslegung des § 611a BGB a. F. Gutsche, Gleichberechtigungsgesetz, S. 149 f.; Hilbrandt, EzA § 611a BGB Nr. 12, S. 11, 23 f. 444 EuGH 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 24, 26 (Dekker). 445 EuGH 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 31 f. (Marshall II).

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dass die Verschuldensabhängigkeit des Entschädigungsanspruchs nach § 611a Abs. 2 BGB a. F. und dessen Obergrenzen nicht mit der Richtlinie vereinbar seien.446 Zudem darf die Umsetzung der Richtlinie nicht hinter vergleichbaren Verstößen gegen nationales Recht zurückbleiben (Äquivalenzgrundsatz, Art. 4 Abs. 3 EUV). Nur bei Ansprüchen von Bewerbern, die auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt oder befördert worden wären, sei der Haftungshöchstbetrag mit dem Unionsrecht vereinbar, weil es sich um eine gesetzliche Vermutung des entstandenen Schadens handle.447 Der Rückgriff des EuGH auf den Äquivalenzgrundsatz war im Fall des § 611a BGB a. F. Zweifeln ausgesetzt. Das deutsche Recht kannte bis dahin nur die Gefährdungshaftung als verschuldensunabhängige Haftung für erlaubtes Verhalten, die ebenfalls durch Haftungshöchstbeträge beschränkt war. Eine verschuldensunabhängige Haftung für rechtswidriges Verhalten existierte im Privatrecht nicht. Gleichwohl änderte der Gesetzgeber § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F. angesichts der Vorgaben des EuGH in einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch, der abschließend war448. Die Literatur bewertete die Gesetzesänderung zum Teil als schwerwiegenden Systembruch, da das deutsche Haftungsrecht nur zwischen der verschuldensabhängigen Haftung für rechtswidriges Verhalten und der verschuldensunabhängigen Haftung für erlaubtes Verhalten im Rahmen der Gefährdungshaftung unterscheide.449 Allerdings wurde diese ursprünglich von Esser entwickelte Dichotomie durch die Ausdehnung der Sorgfaltspflichten im Rahmen des objektiven Fahrlässigkeitsbegriffs ohnehin abgeschwächt.450 Streitig blieb auch, ob der auf Prävention zielende Entschädigungsanspruch noch Schadensersatzanspruch ist.451 Das hängt davon ab, ob die Diskriminierung überhaupt einen immateriellen Schaden verursacht452 und ob die Entschädigung als angemessene Sanktion anzusehen ist, so dass der Schadensaus446

EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22, 37 (Draehmpaehl). EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 37 (Draehmpaehl). 448 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/10242, S. 7 f.; ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 32; Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 54; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 80; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1014; Zwanziger, DB 1998, 1330, 1331. 449 Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 49; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 93; Worzalla, NJW 1997, 1809, 1812; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; s. auch Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 258 f.; ähnlich Annuß, NZA 1999, 738, 742; ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 36, die aber auf die europarechtlichen Vorgaben verweisen; zurückhaltender Wendeling-Schröder/Buschkröger, FS Däubler, S. 127, 133 („untypisch für das deutsche Zivilrecht, diesem aber nicht fremd“). 450 Franzen, FS Maurer, S. 889, 900 meint daher, dass die Verschuldensvoraussetzung das Diskriminierungsverbot nicht um seine Wirksamkeit bringe. 451 ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 38; Kocher, AuR 1998, 221, 222; Treber, DZWir 1998, 177, 184; Wendeling-Schröder/Buschkröger, FS Däubler, S. 127, 130 ff.; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1013. 452 Dazu Kandler, Sanktionsregelungen, S. 191 ff.; Treber, DZWir 1998, 177, 182. 447

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gleich genügt und es keines Strafzuschlags bedarf. Zum Teil galt der Entschädigungsanspruch als verfassungswidriger Strafschadensersatz.453 Um die Vereinbarkeit des § 611a BGB mit dem GG sicherzustellen, befürwortete ein Teil der Literatur eine verfassungskonforme Reduktion, so dass der Entschädigungsanspruch nur bestehe, wenn der Arbeitgeber subjektiv vorwerfbar gehandelt hat.454 Dem schloss sich das BAG bis zum Inkrafttreten des AGG nicht an. Die zweite Vorgängerregelung des Entschädigungsanspruchs nach dem AGG ist § 81 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB IX a. F, dessen Wortlaut der letzten Fassung des § 611a Abs. 2, 3 BGB entsprach. Er setzte die Richtlinie 2000/78/EG um455 und verwirklicht das grundrechtliche Schutzgebot aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG und Art. 12 Abs. 1 GG456. Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG verlangt, dass die Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist, was letztlich den Vorgaben entspricht, die der EuGH zu Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG entwickelt hatte. Daher gilt der gleiche Maßstab wie für § 611a BGB a. F.457 § 81 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB IX a. F. gewährte den Bewerbern und Arbeitnehmern einen Anspruch auf Entschädigung der immateriellen Einbußen, wenn sie wegen einer Schwerbehinderung bei der Einstellung oder beim beruflichen Aufstieg benachteiligt wurden. Das BAG ging davon aus, dass jede Diskriminierung wegen einer Schwerbehinderung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletze und einen ideellen Schaden verursache.458 Dem hält die Literatur zum Teil entgegen, dass das Gericht die Entschädigung unabhängig vom Schaden gewähre, so dass es sich um eine gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßende Zivilstrafe handle.459 Für die Ausgestaltung und dogmatische Qualifikation des Entschädigungsanspruchs ist daher auch die Einordnung in das Schadensersatzrecht wesentlich, was einen Schaden voraussetzt. Fehlt dieser oder wird eine überkompensatorische Entschädigung gewährt, 453 Annuß, NZA 1999, 738, 740, 741; APS/Linck, 2. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 102; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 254; Herrmann, ZfA 1996, 19, 37, 40; KR-Pfeiffer, § 611a BGB Rn. 104; Richardi, MünchArbR, 2. Aufl. 2000, § 11 Rn. 39; Volmer, BB 1997, 1582, 1584 f.; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; Zwanziger, BB 1995, 1404, 1406; ähnlich Birk, NZA 1984, 145, 148. 454 Annuß, NZA 1999, 738, 742; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 102; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 412; a. A. Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 53. 455 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/5074, S. 113; krit. zur Vollständigkeit der Umsetzung Joussen, ZESAR 2005, 375, 380; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 125; Schiek, NZA 2004, 873, 881; Thüsing, NZA 2004, Sonderbeilage H 22, S. 3, 12; Wank, NZA 2004, Sonderbeilage H 22, S. 16, 20. 456 Braun, AiB 2006, 252; Müller-Wenner, SGB IX, § 81 Rn. 1. 457 BAG 15.2.2005 AP Nr. 7 zu § 81 SGB IX; Braun, ZTR 2005, 174; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. 2005, § 81 Rn. 11; differenzierend Mohr, EzA § 81 SGB IX Nr. 6, S. 31. 458 BAG AP Nr. 7 zu § 81 SGB IX. 459 Braun, AiB 2006, 252; Gaul/Süßbrich, BB 2005, 2811, 2812; Leder, SAE 2006, 305, 306; Maties, AP Nr. 7 zu § 81 SGB IX; s. auch Mohr, EzA § 81 SGB IX Nr. 6, S. 31.

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handelt es sich um einen Strafschadensersatz, der im deutschen Privatrecht eher ein Fremdköper ist.460 2. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem AGG a) Überblick über die Haftung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG Der Schutz vor unzulässigen Benachteiligungen wurde durch das AGG erheblich erweitert und beschränkt sich nicht mehr auf die Benachteiligung wegen des Geschlechts oder der Schwerbehinderung. Unzulässige Differenzierungskriterien sind neben dem Geschlecht die Merkmale Rasse, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexuelle Orientierung sowie Alter und Behinderung. Zudem ist der sachliche Anwendungsbereich des Diskriminierungsschutzes nicht auf das Arbeitsrecht begrenzt (§ 2 AGG). Auch die Vertragsfreiheit im allgemeinen Zivilrecht ist durch das Benachteiligungsverbot in § 19 AGG beschränkt. Das AGG regelt eine Mehrzahl von Ansprüchen und Rechten wegen unzulässiger Benachteiligung, wobei die Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche in den §§ 15 Abs. 1, 2, 21 Abs. 2 AGG die zentralen Rechtsfolgenbestimmungen sind.461 Das AGG transformiert die Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/ 113/EG und 2006/54/EG, die übereinstimmend eine wirksame, verhältnismäßige und zugleich abschreckende Sanktion verlangen.462 Die Richtlinien 2004/ 113/EG und 2006/54/EG, die sich gegen die Diskriminierung wegen des Geschlechts richten, fordern zudem, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, damit der diskriminierungsbedingte Schaden nach dem nationalen Recht tatsächlich und wirksam ausgeglichen bzw. ersetzt wird.463 Das müsse auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Weise erfolgen. Diese Vorgaben beruhen auf der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG464 und gehen über sie hinaus, soweit sie einen Schadenser460

Zum Schaden bei unzulässigen Benachteiligungen s. § 3.B.V.2., S. 167 ff.; zur Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs s. § 3.F.IV., S. 207 ff.; zu den europarechtlichen Vorgaben für die Sanktion s. § 8.B.III., S. 451 ff. 461 Jacobs, RdA 2009, 193, 194; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 3. 462 Art. 15 Richtlinie 2000/43/EG; Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG; Art. 14 Richtlinie 2004/ 113/EG; Art. 25 Richtlinie 2006/54/EG. Die Kommission hat am 2.7.2008 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der den Grundsatz der Gleichbehandlung wegen der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen erweitert, KOM (2008) 426 endg. Die Sanktionsbestimmung entspricht den bestehenden Richtlinien und legt fest, dass der Schadensersatz nicht durch vorher festgelegte Höchstgrenzen beschränkt werden darf. 463 Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG, Art. 18 Richtlinie 2006/54/EG. 464 Erwägungsgrund 26 Richtlinie 2004/113/EG; Erwägungsgrund 33 Richtlinie 2006/54/ EG; vgl. EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 23, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 23, 28 (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 23 (Dekker); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 31 f. (Marshall II); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22 (Draehmpaehl); s. oben § 2.C.VII.1., S. 126 ff.

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satzanspruch wegen der materiellen und immateriellen Einbußen fordern, obwohl der EuGH den Mitgliedstaaten nach Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG noch einen Gestaltungsspielraum zuerkannte465. Daneben enthalten die Richtlinien ein Verschlechterungsverbot, so dass der Schutz vor unzulässigen Benachteiligungen im Vergleich zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AGG nicht verringert werden darf.466 Somit sind alle Abweichungen des AGG von § 611a BGB und § 81 SGB IX a. F., die die Rechtslage des Benachteiligten verschlechtern, europarechtswidrig. Die Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen einer Benachteiligung bei der Beschäftigung oder im Zivilrechtsverkehr weisen handwerkliche Defizite auf und lassen Zweifel an ihrer Konzeption aufkommen. Zunächst trennen sie den Ausgleich der materiellen und immateriellen Schäden. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG durch den Arbeitgeber oder gegen § 19 Abs. 1, 2 AGG durch einen (potentiellen) Vertragspartner im Zivilrechtsverkehr sind die materiellen Schäden nach § 15 Abs. 1 und § 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG zu ersetzen, die die Haftung vom Vertretenmüssen des Anspruchsgegners abhängig machen.467 Daneben gewähren § 15 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG einen Anspruch auf angemessene Entschädigung für die Nichtvermögensschäden. Die Regelung entspricht in ihrer Formulierung § 253 Abs. 2 BGB und ist nach der Intention des Gesetzgebers eine Durchbrechung von § 253 Abs. 1 BGB.468 Einer zusätzlichen Rechtsgutsverletzung bedarf es nicht.469 Die angemessene Entschädigung soll den erlittenen Schaden ausgleichen und einen wirksamen sowie abschreckenden Rechtsschutz gewährleisten.470 Ihre Höhe bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Systematisch ist die Benachteiligung durch den Arbeitgeber die Verletzung einer vertraglichen Pflicht (§ 7 Abs. 3 AGG), so dass § 15 Abs. 1 AGG der Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB entspricht.471 Auch der Entschädigungsan465 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 28 (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 26 (Dekker). 466 Erwägungsgrund 25, Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/43/EG, Erwägungsgrund 28, Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG, Erwägungsgrund 26, Art. 7 Abs. 2 Richtlinien 2004/113/EG, Art. 27 Abs. 2 Richtlinie 2006/54/EG. 467 Zur Richtlinienwidrigkeit der §§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG Däubler/Bertzbach/ Deinert, AGG, § 15 Rn. 30; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 3; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 33 f.; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 9; Stoffels, RdA 2009, 204, 210; s. auch G. Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085, 1091; a. A. Bauer/Evers, NZA 2006, 893; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 15; Walker, NZA 2009, 5, 6. 468 Allg. A., z. B. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38, 46; Bauer/ Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 34; Rudolf/Mahlmann/Armbrüster, AGG, S. 314, Schrader/ Schubert, AGG, Rn. 455; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 4. 469 Siehe § 2.C.VII.2.c., S. 133 ff. 470 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38; ausführlich unter § 3.B.V, F.IV., S. 163 ff., 207 ff. 471 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38 (§ 280 Abs. 1 BGB als Vorbild).

§ 2 Die Abhängigkeit immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut

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spruch ist Teil dieser (vor)vertraglichen Haftung des Arbeitgebers, selbst wenn die Verschuldensunabhängigkeit des Anspruchs streitig ist. Eine vergleichbare Klarstellung enthalten die §§ 19 ff. AGG nicht. Dogmatisch bestehen zu den §§ 7 ff. AGG aber keine tragenden Unterschiede, die eine andere Qualifikation rechtfertigen. § 19 AGG knüpft ebenfalls am Vertragsschluss bzw. am Vertragsinhalt an. Eine ausdrückliche Regelung wie in § 7 Abs. 3 AGG war im Zivilrecht zudem nicht erforderlich. Im Arbeitsrecht stehen zivil- und öffentlich-rechtliche Normen nebeneinander, so dass die Einordnung des Benachteiligungsschutzes der Klarstellung diente. b) Verschuldensunabhängigkeit der Haftung für immaterielle Schäden Der Ausgleich immaterieller Schäden ist in den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG eigens normiert. Die Bestimmung wird unter Verweis auf die Gesetzesbegründung472 überwiegend als eigene Anspruchsgrundlage angesehen.473 Nach ihrem Wortlaut bestimmen § 15 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG aber nur Rechtsfolgen und regeln keinen eigenen Haftungstatbestand.474 Das zeigt auch der Vergleich mit § 280 Abs. 1 BGB und § 253 Abs. 2 BGB. Dieser dogmatische Unterschied hat Konsequenzen für die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs. Sofern § 15 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG als Rechtsfolgenbestimmung an §§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG anknüpfen, ist anzunehmen, dass der Entschädigungsanspruch gegen den Benachteiligenden von dessen Vertretenmüssen abhängt.475 Insoweit weicht § 15 Abs. 1, 2 AGG von den früheren Regelungen in § 611a BGB und § 81 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGB IX ab, die angesichts der Rechtsprechung des EuGH verschuldensunabhängige Ansprüche gewährten. Daher verstößt § 15 Abs. 1, 2 AGG bereits gegen das Verschlechterungsverbot in den Richtlinien, soweit Benachteiligungen der Arbeitnehmer wegen des Geschlechts und der Schwerbehinderung betroffen sind.476

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Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38. Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 58; Deinert, DB 2007, 398, 400; Jacobs, RdA 2009, 193, 196; Lehmann, Höhe des finanziellen Ausgleichs, S. 88; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 57; Rust/Falk/Bücker, AGG, § 15 Rn. 32; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 30; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2588 f.; so wohl auch Nollert-Borasio/ Perreng, AGG, § 15 Rn. 19; Walker, NZA 2009, 5; nicht eindeutig Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 40. 474 LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126, 127; Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 49; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 31; HWK/ Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 7; Oetker, MünchArbR, § 15 Rn. 54; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 26; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 5. 475 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 31; Thüsing, Diskriminierungsschutz, S. 211 f.; s. auch Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 56; zweifelnd Rudolf/Mahlmann/Voggenreiter, Gleichbehandlungsrecht, § 8 Rn. 65; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 40. 476 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 58; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 27. 473

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Daneben ist für einen angemessenen Schadensausgleich und eine tatsächliche und wirksame Sanktion ein verschuldensunabhängiger Anspruch erforderlich, dem sich keine Rechtfertigungsgründe des nationalen Rechts entgegenhalten lassen. Das regeln die Richtlinien zum Antidiskriminierungsrecht inzwischen ausdrücklich.477 Die Richtlinien 2004/113/EG und 2006/54/EG fordern einen Anspruch auf angemessenen Ausgleich der erlittenen Schäden. Diese Bestimmungen beruhen auf der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Dekker und Draehmpaehl478, die sich auf die Sanktionsbestimmung in Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG unter Berücksichtigung des Effizienzgrundsatzes für die Richtlinienumsetzung beziehen (Art. 288 Abs. 3 AEUV, Art. 4 Abs. 3 EUV). Die Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche zur Umsetzung dieser Richtlinien müssen entsprechend der Diktion des EuGH einen verschuldensunabhängigen und angemessenen Ausgleich aller erlittenen Schäden bewirken. Somit ist ein Entschädigungsanspruch aus §§ 15 Abs. 1, 2, 21 Abs. 2 AGG, der vom Verschulden abhängt, europarechtswidrig.479 Dem Verdikt der Europarechtswidrigkeit entgeht der Entschädigungsanspruch nur, wenn es sich um eine eigene, verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage handelt480 oder sich die Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 S. 1 AGG bzw. § 21 Abs. 2 S. 1 AGG beschränkt. Das BAG behandelt § 15 Abs. 2 AGG angesichts der ausdrücklichen Stellungnahme des Gesetzgebers und des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung als verschuldensunabhängigen Anspruch.481 Im Gesetz selbst kommt nicht zum Ausdruck, dass es sich um eine Anspruchsgrundlage handelt, da Wortlaut und Systematik einer Rechtsfolgenbestimmung entsprechen und sich der Haftungstatbestand nicht aus § 15 Abs. 2 AGG ergibt. Das Gericht sieht aber zumindest einen Auslegungsspielraum, den es wegen des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung ausschöpft. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine mehrdeutige Norm so auszulegen, dass sie im Einklang mit dem Unionsrecht steht, es sei denn, der Wortsinn und der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers stehen 477 Art. 15 Richtlinie 2000/43/EG, Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG, Art. 14 Richtlinie 2004/ 113/EG, Art. 25 Richtlinie 2006/54/EG. 478 EuGH 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 24, 26 (Dekker); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22, 37 (Draehmpaehl). 479 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 32; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 58; Gaier/Wendtland, AGG, S. 123; Kamanabrou, RdA 2006, 321, 336; Meinel/Heyn/ Herms, AGG, § 15 Rn. 33 f.; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 40; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 27. 480 LAG 7.8.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 6; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 32; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 1 f., 6; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 40; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 30. 481 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 947 f.; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1131; LAG Hamm 3.11.2011 15 Sa 869/11, zit. nach juris; LAG Bremen 29.6.2010 NZA-RR 2010, 510, 512; von einer eigenen Anspruchsgrundlage geht unausgesprochen auch das BVerwG aus, s. BVerwG 3.3.2011 NJW 2011, 2452, 2452 f.

§ 2 Die Abhängigkeit immaterieller Schäden vom verletzten Rechtsgut

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entgegen.482 Gerade bei § 15 Abs. 2 AGG lag dem Gesetzgeber an einer richtlinienkonformen – verschuldensunabhängigen – Ausgestaltung des Entschädigungsanspruchs. Die handwerkliche Umsetzung dieses Regelungsziels ist allerdings missglückt.483 In einem solchen Fall ist aber im Wege der richtlinienkonformen Auslegung eine Korrektur möglich. Auch der Teil des Schrifttums, der in § 15 Abs. 2 AGG eine Rechtsfolgenbestimmung sieht, befürwortet eine richtlinienkonforme Auslegung, wonach der Entschädigungsanspruch verschuldensunabhängig ist. Der Entschädigungsanspruch in § 15 Abs. 2 AGG knüpfe nur an § 15 Abs. 1 S. 1 AGG als Haftungstatbestand an, der kein Verschulden voraussetze.484 Satz 2 beschränke sich auf den Schadensersatzanspruch. Die selektive Bezugnahme des § 15 Abs. 2 AGG auf Satz 1 des Haftungstatbestands in § 15 Abs. 1 AGG ergibt sich nicht aus dem Wortlaut. Die richtlinienkonforme Auslegung beschränkt sich aber nicht auf die Gesetzesauslegung im Sinne der nationalen Methodenlehre, sondern verpflichtet auch zur Rechtsfortbildung, sofern deren Voraussetzungen vorliegen und sie somit nicht contra legem erfolgt.485 Für den Entschädigungsanspruch ist daher eine richtlinienkonforme Reduktion des Verschuldenserfordernisses in § 15 Abs. 1 S. 2 AGG zu erwägen486, die eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraussetzt. Die planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, in denen klar zum Ausdruck kommt, dass § 15 Abs. 2 AGG einen verschuldensunabhängigen Anspruch regeln sollte, der § 611a 482 EuGH 26.9.1996 Slg. 1996, I-4705 Rn. 41 f. (Arcaro); 27.6.2000 Slg. 2000, I-4941 Rn. 30 (Oceano); s. auch EuGH 13.11.1990 Slg. 1990, I-4135 Rn. 8 (Marleasing); 16.12.1993 Slg. 1993, I-6911 Rn. 20 (Wagner Miret); 14.7.1994 Slg. 1994, I-3325 Rn. 26 (Faccini Dori), die noch nicht ausdrücklich auf die Wortlautgrenze und den entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers Bezug nehmen. 483 Anders noch der erste Entwurf zu § 15 Abs. 1 ADG-E (BT-Drs. 15/4538, S. 7): „Verstößt der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so kann der oder die Beschäftigte zum Ausgleich des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.“. 484 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 31; Gaier/Wendtland, AGG, S. 123; Hey, AGG, § 15 Rn. 60; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 7; Richardi, NZA 2006, 881, 885; s. auch Kamanabrou, RdA 2006, 321, 336; Richardi, NZA 2006, 881, 885; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 40; Seel, MDR 2006, 1321, 1324; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2589 (nicht eindeutig, ob § 15 Abs. 2 S. 1 AGG als eigene Anspruchsgrundlage eingeordnet wird); a. A. Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 33 f.; Oetker, MünchArbR, § 15 Rn. 55 (für eine unionsrechtskonforme Auslegung des Vertretenmüssens); a. A. Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn, 50 (Aufrechterhaltung des Verschuldenserfordernisses). 485 EuGH 27.6.2000 Slg. 2000, I-4941 Rn. 30, 32 (Oceano); 5.10.2004 Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 f., 116, 120 (Pfeiffer); 4.7.2006 Slg. 2006, I-6057 Rn. 124 (Adeneler). 486 Für eine europarechtskonforme Einschränkung des Verschuldenserfordernisses LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126 f.; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 32; Bauer/Krieger, BB-Special 6/2004, 20, 22; Gaier/Wendtland, AGG, S. 123; für eine europarechtskonforme Auslegung des Vertretenmüssens als zivilrechtliche Zurechenbarkeit Meinel/ Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 35; Oetker, MünchArb, § 15 Rn. 55.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

BGB a. F. sowie den Vorgaben des EuGH entspricht. Die angestrebte Regelung ist dem Gesetzgeber entgegen seiner Intention missglückt. Die Einschränkung des Haftungstatbestands, auf den § 15 Abs. 2 AGG Bezug nimmt, ist auch vom Normzweck getragen. Der Entschädigungsanspruch ist die zentrale Rechtsfolge der unzulässigen Benachteiligung. Das gilt insbesondere bei Bewerbern, die auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt oder befördert worden wären und somit kaum materielle Schäden erleiden. Für ideelle Schäden soll ein angemessener Ausgleich erfolgen, der – entsprechend der Richtlinienvorgaben – zugleich wirksame und abschreckende Sanktion ist. Um den Anforderungen der Richtlinie zu genügen, legen einige Autoren den Begriff des Vertretenmüssens in § 15 Abs. 1 AGG weit aus, so dass ein Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 1, 2 AGG bereits besteht, wenn der Arbeitgeber die Benachteiligung in zurechenbarer Weise verursacht hat, zumal sich der Begriff des Vertretenmüssens nicht auf Vorsatz und Fahrlässigkeit reduziert.487 In der Tat beschränkt sich das Vertretenmüssen nicht auf das Verschulden i. S. von Vorsatz und Fahrlässigkeit. Nach § 276 Abs. 1 BGB muss der Schuldner Pflichtverletzungen auch im Rahmen übernommener Garantien und entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses vertreten. Das AGG legt dem Schuldner zwar mit dem Benachteiligungsverbot eine zusätzliche Pflicht auf. Daraus ergibt sich aber keine Eigenart des Schuldverhältnisses, die zwingend eine verschuldensunabhängige Haftung nach sich zieht. Das Benachteiligungsverbot ist Teil der Interessenwahrungspflicht im Rahmen des (vor-)vertraglichen Schuldverhältnisses, ohne dass sich daraus etwas für die Verschuldensunabhängigkeit der Haftung ergibt. Diese ist wegen der Vorgaben der Richtlinie für die Sanktion der Diskriminierung erforderlich. Die Richtlinie macht allerdings einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung erforderlich, so dass ein weitergehender Begriff des Vertretenmüssens nach Maßgabe des Unionsrechts zu entwickeln sein könnte. Der Gesetzgeber sah jedoch in § 15 Abs. 2 AGG eine eigene – verschuldensunabhängige – Anspruchsgrundlage, die den Vorgaben der Richtlinie genügt, auch wenn das nicht präzise im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommt. Insofern ist zumindest für den Entschädigungsanspruch der Wille des Gesetzgebers maßgeblich. Die Qualifikation des § 15 Abs. 2 S. 1 AGG als eigene Anspruchsgrundlage ist aber nicht bereits abzulehnen, weil es sich um eine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB handelt. Der Ausnahmecharakter der Regelung betrifft zwar nur die Rechtsfolgen der Haftung, das schließt aber nicht aus, dass § 15 Abs. 2 AGG zugleich einen Haftungstatbestand enthält. Schwerer wiegt das systematische Argument, dass § 15 Abs. 2 AGG in seiner Ausgestaltung § 253 Abs. 2 BGB entspricht, was auf eine bloße Rechtsfolgenbestimmung hinweist. Zu487

Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 33 f.; Oetker, MünchArbR, § 15 Rn. 55.

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dem sind die Tatbestandsvoraussetzungen für den Entschädigungsanspruch nicht benannt. Schließlich ist die Parallelregelung in § 21 Abs. 2 S. 3 AGG als Rechtsfolgenbestimmung konzipiert, die sich direkt an den Schadensersatzanspruch anfügt, so dass nicht einmal zwei selbständige Absätze bestehen. Der Gesetzgeber sah gleichwohl in § 15 Abs. 2 S. 1 AGG einen Anspruch eigener Art. Das erklärt auch die Formulierung („Anspruch nach Abs. 1 oder 2“) in § 15 Abs. 4 AGG. Bereits der Gesetzentwurf in der 15. Legislaturperiode, der der Diskontinuität zum Opfer fiel, gestaltete den Entschädigungsanspruch als eigene Anspruchsgrundlage aus und ließ das eindeutig erkennen.488 Mit der Änderung der Formulierung sollte kein Wechsel in der Ausgestaltung einhergehen. Insofern fallen äußere Gestaltung und Regelungsintention auseinander. Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers ist in § 15 Abs. 2 AGG eine eigene Anspruchsgrundlage zu sehen. Angesichts der Richtlinienvorgaben ist durch richtlinienkonforme Auslegung sicherzustellen, dass der Entschädigungsanspruch verschuldensunabhängig ist. Grenze einer solchen Auslegung sind der Gesetzeswortlaut und der entgegenstehende Wille des Gesetzgebers. Der Wortlaut schließt die Auslegung des § 15 Abs. 2 AGG nicht per se aus, weil sich die Tatbestandsvoraussetzungen, anhand des systematischen Zusammenhangs zu § 15 Abs. 1 S. 1 AGG ermitteln lassen.489 Zudem spricht der Wille des Gesetzgebers gerade für die Annahme einer verschuldensunabhängigen Anspruchsgrundlage. Der Auslegung wird zum Teil entgegengehalten, dass sie zu einer weitergehenden Haftung für immaterielle als für materielle Schäden führe, da § 15 Abs. 1 AGG bzw. § 21 Abs. 2 S. 1 AGG verschuldensabhängige Ansprüche enthielten.490 Das widerspreche dem BGB, das den Ausgleich von Nichtvermögensschäden restriktiver handhabe als den von Vermögensschäden. Das steht einer richtlinienkonformen Auslegung indes nicht entgegen, der nur Wortlaut und Wille des Gesetzgebers widerstreiten können. Zudem sind die mitgliedstaatlichen Gerichte nach dem Grundsatz der Unionstreue und Art. 288 Abs. 3 AEUV verpflichtet, das nationale Recht so weit wie möglich im Sinne der Richtlinie auszulegen, zumal der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch richtlinienwidrig ist. Zu § 21 Abs. 2 S. 3 AGG wird keine vergleichbar intensive Diskussion geführt. § 21 AGG regelt Schadensersatz und Entschädigung einheitlich in einem Absatz, so dass Wortlaut und Systematik noch mehr als bei § 15 Abs. 2 AGG indizieren, dass es sich um eine Rechtsfolgenbestimmung handelt. § 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG entspricht § 280 Abs. 1 BGB, und Satz 3 erweitert den An488

Vgl. § 15 Abs. 1 des Regierungsentwurf, BT-Drs. 15/4538, S. 7. BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 947; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 31; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 50; ErfK/Schlachter, § 15 Rn. 5; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 57; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 29. 490 Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 5. 489

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

spruch auf die Entschädigung immaterieller Schäden. Danach wäre der Anspruch verschuldensabhängig.491 Zum Teil wird darauf abgestellt, dass sich die Verschuldensvermutung in Satz 2 auf den Schadensersatzanspruch beschränke, weil sie der Entschädigung nach Satz 3 vorangehe.492 Die Richtlinien stellen an die Sanktion der Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot im Zivilrechtsverkehr die gleichen Anforderungen wie die Richtlinien zum Beschäftigtenschutz. Daher muss die Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der Sanktion der Benachteiligung auch für sie gelten.493 Zum Teil wird darauf verwiesen, dass bei Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bestehen, die in Ausnahmefällen sogar zu einem Kontrahierungszwang führen.494 Daher sei eine verschuldensabhängige Haftung – anders als im Arbeitsrecht – entbehrlich. Dieser Unterschied macht den verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch aber nur überflüssig, wenn der Kontrahierungszwang zu einer angemessenen und wirksamen Sanktion führt. Ein Kontrahierungszwang beschränkt jedoch die Vertragsfreiheit des anderen Teils wesentlich stärker als ein Schadensersatzoder Entschädigungsanspruch. Daher sind aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Schadensersatz und Entschädigung stets das mildere Mittel, so dass ein Kontrahierungszwang nur abzuleiten ist, wenn der Benachteiligte nicht auf einen anderen Vertragspartner ausweichen kann oder der Verzicht auf den Vertragsschluss mit einem anderen unzumutbar ist. Folglich kommt ein Kontrahierungszwang nur in extrem gelagerten Fällen in Betracht, jedenfalls nicht in Fällen, in denen der Handelnde weder vorsätzlich noch fahrlässig agierte. Die Sanktionen bleiben somit lückenhaft, wenn der Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch vom Verschulden abhängen. Schließlich verlangt Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG für Diskriminierungen wegen des Geschlechts ausdrücklich einen angemessenen Schadensausgleich, der wegen der Rechtsprechung des EuGH verschuldensunabhängig sein muss. Ein verschuldensabhängiger Entschädigungsanspruch ist daher richtlinienwidrig.495 § 21 Abs. 2 AGG ist ebenso wie § 15 Abs. 2 AGG richtli491 Rühl/Schmid/Viethen, AGG, S. 158; für eine verschuldensabhängige Haftung Armbrüster, VersR 2006, 1297, 1303; Palandt/Grüneberg, BGB, § 21 AGG Rn. 5; Rust/Falk/Bittner, AGG, § 21 Rn. 21; Schrader/Schubert, AGG, S. 212; a. A. Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 21 Rn. 57. 492 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 21 Rn. 12; Busche, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz, S. 159, 176; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 21 Rn. 37, 57; Maier-Reimer, NJW 2006, 2577, 2581; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 1. Aufl. 2008, § 21 Rn. 21; PWW/Lingemann, § 21 Rn. 4; Rolfs, NJW 2007, 1489, 1494; Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085, 1098 f.; a. A. Adomeit/Mohr, AGG, § 21 Rn. 12; Rudolf/Mahlmann/Armbrüster, Gleichbehandlungsrecht, § 7 Rn. 182; Rühl/Schmid/Viethen, AGG, S. 158; Schreier, JuS 2007, 308, 312. 493 Schiek, AGG, § 21 Rn. 20, 22; a. A. Rühl/Schmid/Viethen, AGG, S. 158. 494 Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085, 1099. 495 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 21 Rn. 12; Gaier/Wendtland, AGG, S. 123; Meinel/ Heyn/Herms, AGG, 1. Aufl. 2008, § 21 Rn. 21.

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nienkonform auszulegen.496 Die verschuldensunabhängige Haftung wegen unzulässiger Benachteiligungen ist europarechtlich geboten, auch wenn sie einen systemfremden Bruch im bürgerlichen Recht darstellt.497 § 21 Abs. 2 S. 3 AGG ist ebenso wie § 15 Abs. 2 AGG als eigene Anspruchsgrundlage zu qualifizieren.498 c) Unabhängigkeit der Haftung von der Schwere der Persönlichkeitsverletzung Nach dem Wortlaut der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG setzt die Entschädigung ideeller Einbußen nur einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 1 AGG oder § 19 AGG voraus. Somit genügt eine weniger günstige Behandlung wegen eines unzulässigen Differenzierungsmerkmals (§ 3 Abs. 1, 2 AGG). Weder der Haftungstatbestand noch die Rechtsfolgenbestimmungen setzen die Verletzung eines Rechtsgutes, insbesondere des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, voraus.499 Zum Teil wird der Entschädigungsanspruch dennoch als Sonderfall der Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen und daher von der Schwere der Verletzung abhängig gemacht.500 Diese einschränkende Voraussetzung ließe sich auf die Rechtsprechung des BAG zwischen 1984 und 1994 zurückführen, die bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts eine Entschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährte.501 Der Rückgriff 496 Europarechtskonforme Auslegung Busche, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz, S. 159, 176; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 21 Rn. 37, 57; Maier-Reimer, NJW 2006, 2577, 2581; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 1. Aufl. 2008, § 21 Rn. 21; s. auch Schiek, AGG, § 21 Rn. 20. 497 Walker, NZA 2009, 5, 6; so zu § 611a BGB z. B. Hergenröder, JZ 1997, 1809, 1812; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 93 f.; Raab, DStR 1999, 854, 855; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 49; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 93; Treber, NZA 1998, 856, 859; Worzalla, NJW 1997, 1809, 1812; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB. 498 So wohl auch OLG Stuttgart 12.12.2011 NJW 2012, 1085, 1086; AG Oldenburg 23.7.2008 E2 C 2126/07, zit. nach juris. 499 So zu § 15 AGG BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 951; LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126, 128; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 5, 50; Deinert, AP Nr. 1 zu § 15 AGG; Diller, NZA 2007, 649, 650; Jacobs, RdA 2009, 193, 195; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 58; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 29; Schlachter, AP Nr. 1 zu § 15 AGG; Schrader/Schubert, AGG, S. 145; s. aber LAG Düsseldorf 12.11.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 6a, das nur auf die Erheblichkeit der Persönlichkeitsverletzung zu verzichten scheint. 500 ArbG Hannover 5.10.2007, 7 Ca 350/07; Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, 32, 35; Hey, AGG, § 15 Rn. 75, 77; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 8 f.; so zu § 611a BGB a. F. Annuß, NZA 1999, 738, 741; Beyer/Möllers, JZ 1991, 24, 28 f.; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 256 f.; Kocher, AuR 1998, 221, 223; Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 59; Scholz, AP Nr. 6 zu § 611a BGB; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 74. S. auch OLG Hamm 12.1.2011 NJW-RR 2011, 762, 764, das vom Eintreten einer Persönlichkeitsverletzung ausgeht, aber wegen der Richtlinienvorgaben nicht die Anforderungen wie bei der Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stellt. 501 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB; 14.3.1989 AP Nr. 6 zu § 611a BGB.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

auf die Geldentschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG beruhte aber vor allem auf der unzureichenden Richtlinienumsetzung durch § 611a BGB a. F.502 Das BAG setzte für die Entschädigung anders als der BGH keine besondere Schwere der Persönlichkeitsverletzung oder des Verschuldens voraus.503 Bereits seit der Neuregelung des § 611a Abs. 2, 3 BGB von 1994 nahm die Rechtsprechung jedoch keinen Bezug mehr auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, so dass die Entschädigung nicht von seiner Verletzung abhängen kann.504 Das Gleiche gilt für die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, die den angemessenen Ausgleich der erlittenen Schäden bezwecken, um eine effektive Sanktion zu gewährleisten. Damit lassen sich zusätzliche Voraussetzungen für die Entschädigung – insbesondere eine Beschränkung auf die Einbußen durch erhebliche Persönlichkeitsverletzung – nicht vereinbaren.505 Der Ersatz der Nichtvermögensschäden setzt damit keine erhebliche Persönlichkeitsverletzung voraus.506 Die Benachteiligungen, an die das AGG die Entschädigungspflicht knüpft, hängen nach § 3 AGG nicht davon ab.507 Auch die Gesetzgebungsmaterialien zu § 15 AGG ergeben nichts für ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. Nur die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 21 AGG nimmt auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Bezug, verweist aber nur darauf, dass Ansprüche nach dem AGG in gleicher Weise wie die Geldentschädigung eine Genugtuungsfunktion haben.508 Das macht die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht zur Tatbestandsvoraussetzung, sondern verdeutlicht nur, dass bei schwerem Verschulden die Genugtuungsfunktion zum Tragen kommt und die Höhe der Entschädigung beeinflusst.509

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Siehe oben § 2.C.VII.1., S. 126 ff. Beim Mobbing prüft das BAG hingegen eine schwere Persönlichkeitsverletzung BAG 16.5.2007 AP Nr. 5 zu § 611 BGB Mobbing. 504 Annuß, NZA 1999, 738, 741; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 256 f.; Kocher, AuR 1998, 221, 223; Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 59; Scholz, AP Nr. 6 zu § 611a BGB; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 74. 505 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 951; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1131; LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126, 128; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 21 Rn. 54; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 58; Rust/Falk/Bücker, AGG, § 15 Rn. 34; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 29; Diller, NZA 2007, 649, 650. 506 Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn 50; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 58; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 19a; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 29. 507 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 951; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 50; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 58; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 29. 508 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 46. 509 LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126, 128; Gaier/Wendtland, AGG, S. 123. 503

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d) Unabhängigkeit der Haftung vom Zweckfortfall Der Entschädigungsanspruch nach § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F. wurde bei Benachteiligungen im Rahmen der Personalauswahl vereinzelt davon abhängig gemacht, dass die ausgeschriebene Stelle tatsächlich besetzt wird.510 Ein Entschädigungsanspruch bestehe nicht, wenn die Einstellung z. B. aus finanziellen Gründen unterblieb. Das setzt aber voraus, dass der Entschädigungsanspruch damals bzw. heute nach § 15 Abs. 2 AGG von der tatsächlichen Vereitelung des Zugangs zur Beschäftigung abhängt. Sofern die Benachteiligung im Auswahlverfahren bereits einen Entschädigungsanspruch auslöst, kommt es auf die tatsächliche Besetzung der Stelle nicht an. § 15 Abs. 2 AGG gewährt eine Entschädigung für ideelle Schäden infolge einer Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 AGG, die nach § 3 AGG – trotz der Differenzierung zwischen verschiedenen Formen – stets voraussetzt, dass die betroffene Person ungünstiger behandelt wird. Der Begriff der „Behandlung“ bezieht sich angesichts des sachlichen Anwendungsbereichs des AGG nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG auf den Zugang zur Beschäftigung, einschließlich der Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen. Somit erfasst das Benachteiligungsverbot bereits das Bewerbungsverfahren sowie die benachteiligungsfreie Teilnahme daran und nicht nur die endgültige Einstellungsentscheidung. Daher kommt es für die Benachteiligung nicht darauf an, ob die ausgeschriebene Stelle tatsächlich besetzt wird. Bereits die Benachteiligung während des Auswahlverfahrens (z. B. Nichteinladen zum Vorstellungsgespräch) genügt, um einen Entschädigungsanspruch auszulösen.511 Insoweit gilt etwas anderes als nach Art. 33 Abs. 2 GG, der das Recht auf gleichen Zugang zum öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung garantiert. Er bezieht sich auf die Vergabe staatlicher Ämter und soll sicherstellen, dass alle Staatsbürger diese Position erlangen können und die Entscheidung zwischen ihnen nach der Leistungsfähigkeit erfolgt. Das grundrechtsgleiche Recht zielt insofern auf die Übertragung des konkreten Amtes.512 § 15 Abs. 6 AGG schließt jedoch einen Einstellungsanspruch gerade aus. Zudem ist der Schutz des gleichen Zugangs zur Beschäftigung durch die europäischen Richtlinien vorverlagert. Es soll bereits Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren entgegengewirkt werden.513 Die Aufrechterhaltung des 510

LAG Düsseldorf 1.2.2002 NZA-RR 2002, 345, 345 f.; Hanau, FS Gnade, S. 351 ff. Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 51; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 59; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 42; offenlassend Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 15 Rn. 34; ebenso zu § 611a BGB BAG 5.2.2004 AP Nr. 23 zu § 611a BGB; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 90. 512 Ablehnung des grundrechtsgleichen Rechts, wenn das Amt bereits verbindlich anderweitig vergeben ist, s. BAG 18.9.2007 AP Nr. 64 zu Art. 33 GG; 24.9.2009 NZA 2010, 159, 163. 513 Erwägungsgrund 12 Richtlinie 2000/43/EG, Erwägungsgründe 11 f. Richtlinie 2000/78/ EG; Erwägungsgrund 12 Richtlinie 2004/113/EG, Erwägungsgründe 6 f., 11 Richtlinie 2006/ 54/EG. 511

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Anspruchs trotz Zweckfortfall steht daher mit dem Zweck des Benachteiligungsverbots in Einklang. Das AGG zielt auf einen umfassenden Schutz vor möglichen Hindernissen beim Zugang zur Beschäftigung.514 Dieser soll umfassend von Benachteiligungen freigehalten werden, um Chancengleichheit zu gewährleisten.515 Daher ist das Benachteiligungsverbot nicht auf die tatsächliche Einstellung bezogen, so dass es auf die Besetzung der Stelle nicht ankommt.516 Das bedeutet aber nicht, dass die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG vom Schaden unabhängig ist. Gerade der materielle Schaden des Bewerbers hängt davon ab, ob die Stelle tatsächlich mit dem Bewerber besetzt worden wäre. Sofern feststeht, dass die Einstellung des Betroffenen auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht erfolgt wäre, ist ihm durch die Benachteiligung kein Einkommen entgangen. Das lässt sich aber nicht auf die immateriellen Schäden übertragen, die durch die Benachteiligung im Auswahlverfahren entstehen. Insofern genügt es, dass der Bewerber nicht in benachteiligungsfreier Weise am Bewerbungsverfahren teilnehmen konnte. Die Beeinträchtigung der Chancengleichheit i. w. S. genügt, egal ob sich die Chance im konkreten Einzelfall verwirklicht hätte. Nur so wird dem Schutzzweck des § 15 Abs. 2 AGG entsprochen. e) Weitere Entschädigungsansprüche wegen unzulässiger Benachteiligung Die Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche in den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG sind keine abschließenden Regelungen (§§ 15 Abs. 5, 21 Abs. 3 AGG). Der Benachteiligte kann weitere Ansprüche auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden geltend machen. Die §§ 15 Abs. 5, 21 Abs. 3 AGG differenzieren nicht zwischen Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen, sondern beziehen sich auf beide. Zudem soll das AGG den Schutz vor unzulässigen Benachteiligungen durch zusätzliche Ansprüche erhöhen. Aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 7 AGG bzw. § 19 AGG517 sowie § 280 Abs. 1 BGB (i. V. mit § 311 Abs. 2 BGB) ergeben sich indes keine Ansprüche auf Ausgleich immaterieller Schäden. Die §§ 15 Abs. 1, 2, 21 Abs. 2 AGG sind ein Sonderfall der (vor)vertraglichen Haftung und gehen § 280 Abs. 1 BGB als lex

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Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 20 f. (verweisend auf die Richtlinienumsetzung und die Vorgaben des europäischen Rechts). 515 Schiek, Gerechtigkeit, S. 38 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 135 ff. 516 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 6 Rn. 10; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 51; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 59; so schon zu § 611a BGB Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2005, § 611a Rn. 43, 48; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 90; offenlassend Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 34. 517 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 124; Rust/Falke/Bücker, AGG, § 15 Rn. 59; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 66; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 26; so zu § 611a BGB a. F. BAG 25.4.2001 AP Nr. 80 zu § 2 BeschFG 1985; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 74; Staudinger/Richardi/Annuß, BGB, 1999, § 611a Rn. 69; a. A. ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 32; abl. zum AGG Thüsing, NZA 2004, Sonderbeilage Heft 22, S. 3, 16.

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specialis vor.518 Zudem fehlt es an der Rechtsgutsverletzung im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB.519 Ein Ausgleich ideeller Schäden erfolgt höchstens wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Entschädigungsanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG setzt aber eine schwere Persönlichkeitsverletzung voraus und ist subsidiär, so dass er nur eingreift, wenn der Benachteiligte keinen anderen Anspruch hat. Das kommt nur bei unmittelbaren Benachteiligungen und Belästigungen nach § 3 Abs. 3 AGG sowie sexuellen Belästigungen nach § 3 Abs. 4 AGG in Betracht. In diesen Fällen besteht ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch nach dem AGG. Selbst wenn die Schäden den Haftungshöchstbetrag nach § 15 Abs. 2 AGG überschreiten, bedarf es daher keines Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.520 Etwas anderes kann sich höchstens daraus ergeben, dass der Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG der zweimonatigen Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG unterliegt. Zudem besteht für die gerichtliche Geltendmachung nach § 61b Abs. 1 ArbGG eine Dreimonatsfrist. Nach Ablauf der Frist entfällt der Entschädigungsanspruch, so dass § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG grundsätzlich zur Anwendung kommen kann. Nur wenn die Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG und § 61b Abs. 1 ArbGG auch für den Entschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gilt, ist der Rückgriff auf den Anspruch auf Geldentschädigung verwehrt. Der Wortlaut von § 15 Abs. 4 AGG erfasst nur Ansprüche aus § 15 Abs. 1, 2 AGG. Seine analoge Anwendung auf andere Entschädigungsansprüche setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Für eine Analogie wird darauf verwiesen, dass die Ausschlussfrist bewirken solle, dass der Arbeitgeber die Bewerbungsunterlagen nicht für lange Zeit aufbewahren muss und sich die Belastungen durch das AGG in Grenzen halten.521 Dem Gesetzgeber war aber bei der Abfassung des AGG angesichts der ausdrücklichen Regelung in § 15 Abs. 5 AGG bewusst, dass weitere Ansprüche bestehen können. Die Anwendung des § 15 Abs. 4 AGG auf Ansprüche jenseits von § 15 Abs. 1, 2 AGG lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Ausschlussfrist die Belastung für den Arbeitgeber verringern soll, so dass er insbesondere nicht verpflichtet ist, die Dokumentation der Vorgänge langfristig aufzube518 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 126; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 66; Walker, NZA 2009, 5, 10; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 88; a. A. Bauer/Göpfert/ Krieger, AGG, § 15 Rn. 65; Rust/Falk/Bücker, AGG, § 15 Rn. 57. 519 Walker, NZA 2009, 5, 11. 520 Walker, NZA 2009, 5, 9. 521 Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 105; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 897; Bauer/Göpfert/ Krieger, AGG, § 15 Rn. 67; Walker, NZA 2009, 5, 11; so zum Ausgleich der materiellen Schäden Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 70.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

wahren.522 § 15 Abs. 4 AGG hat zwar das Ziel, dem Arbeitgeber diese Belastung zu ersparen, nach den Gesetzgebungsmaterialien erfolgt das aber nur zum Ausgleich für die veränderte Beweislastverteilung nach § 22 AGG.523 Diese beschränkt sich auf die Ansprüche nach dem AGG524, so dass sich auch die Ausschlussfrist darauf beschränkt. Für eine planwidrige Regelungslücke spricht daher nichts, so dass eine Rechtsfortbildung ausgeschlossen ist.525 Das Gleiche gilt für den Entschädigungsanspruch nach § 21 Abs. 2 S. 1, 3 AGG.

D. Zusammenfassung Der Ausgleich immaterieller Schäden in Geld ist traditionell von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängig. Diesen Ansatz, der bereits beim Inkrafttreten des BGB zugrunde lag, führt § 253 Abs. 2 BGB fort. Daneben bestehen Ansprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, aber auch des Urheberpersönlichkeitsrechts und der Erfinderehre, die jeweils eine schwere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts voraussetzen. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Urheberpersönlichkeitsrechts ist nicht einheitlich ausgestaltet. Die Entschädigung für schwere Persönlichkeitsverletzungen erlaubt seit der Caroline-Rechtsprechung des 6. Senats des BGH eine überkompensatorische Entschädigung mit selbständiger Präventionsfunktion, die die Gewinnerzielung des Schädigers in Fällen rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung bekannter Personen berücksichtigt. Eine vergleichbare Entwicklung erfolgte im Urheberrecht nicht. Der Urheber hatte jedoch stets die Ansprüche wegen der Verletzung seines Verwertungsrechts. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts waren die Ansprüche auf Ersatz des Vermögensschadens, auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion und auf Herausgabe des Verletzergewinns aus angemaßter Eigengeschäftsführung über lange Zeit auf die Rechtsinhaber beschränkt, die zur Verwertung ihrer Persönlichkeitsmerkmale bereit waren. Insofern bestanden für das Urheberpersönlichkeitsrecht und das Persönlichkeitsrecht im Übrigen unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Diese haben sich seit der Marlene-Rechtsprechung des 1. Senats des BGH jedoch gewandelt. Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlich522 Für eine Anwendung des § 15 Abs. 4 AGG auf die übrigen Ansprüche gegen den Arbeitgeber Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 105; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 897; Bauer/Göpfert/ Krieger, AGG, § 15 Rn. 49; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 88; Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 15 Rn. 70. 523 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38. 524 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 47. 525 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 97; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 17; Jacobs, RdA 2009, 193, 200; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 14; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 15 AGG Rn. 25; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 55; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 48; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 95.

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keitsrechts gewährt Ansprüche auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion und auf Herausgabe des Verletzergewinns aus angemaßter Eigengeschäftsführung unabhängig von der Verwertungsbereitschaft. Ihre Folgen auf den Ausgleich immaterieller Schäden sind in Teil 4 dieser Arbeit zu untersuchen. Unterschiede zwischen dem Urheberpersönlichkeitsrecht und dem Persönlichkeitsrecht im Übrigen bestehen auch bei der Entschädigung wegen Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts. Diese sind so zu vereinheitlichen, dass ein Entschädigungsanspruch für immaterielle Einbußen nur bis zum Tod des Rechtsinhabers besteht und sich der Rechtsschutz danach auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche beschränkt. Daneben haben die Erben Ansprüche wegen der Verletzung des Verwertungsrechts an dem Werk oder Ansprüche wegen der Verletzung des Nutzungsrechts an den vermögensrechtlichen Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Ausgleich immaterieller Schäden ist somit primär von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängig. Die Beeinträchtigung von Affektionsinteressen infolge der Beschädigung oder Zerstörung von Sachen bzw. der Tötung oder Verletzung von Tieren sind weiterhin ausgenommen. Inzwischen erfolgt ein Ausgleich immaterieller Schäden auch unabhängig von der Verletzung personenbezogener Rechtsgutsverletzungen. Diese Erweiterungen beschränken sich auf die vertragliche Haftung. Sie beruhen vor allem auf europarechtlichen Vorgaben wie im Transport- und Antidiskriminierungsrecht sowie im Reiserecht. § 651f Abs. 2 BGB und die europäischen Verordnungen über die Rechte der Fluggäste und der Fahrgäste der Eisenbahn tragen dem immateriellen Interesse Rechnung, das im Zusammenhang mit der pflichtgemäßen Erfüllung des Vertrags besteht. Der Reisevertrag soll auf einen ideellen Erfolg – den Urlaubsgenuss – hinwirken, bei der Erfüllung der Beförderungsverträge werden die tatsächliche Durchführung und die Pünktlichkeit der Beförderung für die private Lebensplanung der Flug- und Fahrgäste so wesentliche Bedeutung beigemessen, dass der pauschale Entschädigungsanspruch sie einbezieht. Originär für das deutsche Recht ist hingegen die Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstands nach den §§ 9, 10 KSchG und § 113 BetrVG. Sie nehmen jedoch eine Sonderstellung ein. Sie erfassen zwar auch den immateriellen Schaden der Arbeitnehmer, dienen aber zugleich der Sanktion für die Verletzung gesetzlicher Vorgaben. Eine Durchsicht der bestehenden Regelungen zum Ausgleich immaterieller Schäden und ihrer Anwendungsprobleme zeigt, dass zwei Kernprobleme bestehen: erstens die ausreichende Erfassung der Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und zweitens die Entschädigung gravierender seelischer Belastungen, die nicht mit einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung einhergehen. Die bestehenden Entschädigungsansprüche wegen schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beschränken sich auf die deliktische Haftung und versagen in Grenzbereichen der Körperverletzung. Das betrifft zum einen den Umgang mit entnommenen Organen, Gewe-

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

ben oder Substanzen sowie unerwünschte Schwangerschaften. Das Recht auf Selbstentfaltung ist nicht generell vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht erfasst, so dass in diesen Fällen keine schwere Persönlichkeitsverletzung vorliegt und die Entschädigung von der Erstreckung der vertraglichen Haftung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht abhängt, sofern nicht der Begriff der Körperverletzung erweitert wird. Daneben zeigen sich Defizite in Vergewaltigungsfällen. Diese beruhen aber weniger auf der rechtlichen Erfassung der Persönlichkeitsverletzung im Zusammenhang mit der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, sondern auf der unzureichenden Berücksichtigung der Folgen der Persönlichkeitsverletzung bei der Bemessung der Entschädigung. Bei den seelischen Belastungen, die nicht mit einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung einhergehen, lassen sich drei defizitäre bzw. diskussionswürdige Fallgruppen ausmachen. Zunächst bleiben Todesängste ohne Entschädigung, sofern sie nicht mit einer eigenen Verletzung verknüpft sind. Daneben ist der Trauerschaden der Angehörigen in Todesfällen und bei schweren Körperverletzungen weiterhin in der Diskussion. Der Gesetzgeber hat sich allerdings bei der Reform des Schadensersatzrechts gegen die Einführung des sog. Angehörigenschmerzensgeldes entschieden. Schließlich ergeben sich Schwierigkeiten, wenn die Hauptleistungspflicht eines Vertrages auch auf die Herbeiführung ideeller Genüsse oder Vorteile gerichtet ist. Lediglich für den Reisevertrag bestimmt das BGB deren Ersatzfähigkeit. In allen anderen Fällen hängen die Ansprüche von einer vertraglichen Erweiterung der Haftung auf die immateriellen Schäden oder einer ergänzenden Vertragsauslegung ab, die angesichts der Wertungsvorgabe in § 253 Abs. 1 BGB nur zurückhaltend möglich ist, wenn kein Konflikt mit dem Willensdogma des BGB entstehen soll. Auch die immateriellen Schäden bei Verletzungen der Hauptleistungspflichten sind jenseits des § 253 Abs. 2 BGB nicht auszugleichen. Eine Ausnahme enthalten lediglich die europäischen Verordnungen über die Rechte der Fluggäste und Fahrgäste der Eisenbahn. Für diese Teilbereiche ist der Ausgleich immaterieller Schäden in Teil 3 der Arbeit weiterzuentwickeln.

§ 3 Die Funktion des Entschädigungsanspruchs A. Überblick Die Funktion des Schadensersatzes ist eine wesentliche Determinante für seine Gewährung, seine Ausgestaltung und die Höhe der Entschädigung. Insoweit soll hier der Zweck des Schadensersatzes als Haftungsfolge im Vordergrund stehen. Die Aufgabe der Entschädigung immaterieller Einbußen ist seit der Auseinandersetzung mit ihrem Rechtscharakter und ihrer Anerkennung als Schadensersatz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Diskus-

§ 3 Die Funktion des Entschädigungsanspruchs

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sion. Windscheid sowie Kohler und Gierke beschreiben die Zahlung von Geld als Verschaffung von Annehmlichkeiten für erlittene Schmerzen und sonstige Leiden.1 Von Jhering weist der Entschädigung in seinem Gäubahn-Gutachten von 1880 eine Äquivalenz-, eine Satisfaktions- und eine Straffunktion zu.2 Ursache für diese Diskussion war zunächst der historisch, vor allem im 19. Jahrhundert, gewachsene Vorbehalt gegen die vollständige Gleichstellung des Ausgleichs materieller und immaterieller Schäden.3 Gleichwohl galt für die Entschädigung ideeller Einbußen von Anfang an wie bei den Vermögensschäden der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot, so dass der Schaden unabhängig vom Verschuldensgrad vollständig auszugleichen ist.4 Funktional war die Entschädigung immaterieller Einbußen somit trotz der Besonderheiten, die auf der Inkommensurabilität der Schäden beruhen, in den Schadensausgleich einbezogen. Insoweit sind Vermögens- und Nichtvermögensschäden gleich gestellt. Das bestätigt inzwischen die Integration des Entschädigungsanspruchs in das allgemeine Schadensersatzrecht, so dass die Entschädigung von Nichtvermögensschäden bei der vertraglichen und deliktischen Verschuldenshaftung sowie der Garantie- und Gefährdungshaftung ebenso erfolgt wie der Ersatz der Vermögensschäden. Die Schwierigkeiten bei der Beschreibung der Funktion des Entschädigungsanspruchs beruhen vor allem auf der Inkommensurabilität des ideellen Schadens. Bei Vermögensschäden bezieht sich die Kompensation auf den bilanziellen Verlust, der im Vermögen des Geschädigten infolge des Schadensfalls eingetreten ist. Dieses Vermögensminus lässt sich durch die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags äquivalent ausgleichen, so dass eine Entschädigung im Wortsinne erfolgt. Das scheidet bei Nichtvermögensschäden aus. Es fehlt an einem bilanziellen Verlust, für den das Geld ein Äquivalent im engeren Sinne ist. Die Geldzahlung ist ein Schadensausgleich anderer Art. Daher wird die Entschädigung als Verschaffung von Annehmlichkeiten beschrieben.5 Eine andere Interpretation der Geldzahlung liegt dem sog. Überwindungsgedanken zugrunde, der berücksichtigt, dass der Geschädigte die psychischen Belastungen durch den Schadensfall selbst überwinden muss.6 Daneben hat sich die Genugtuungsfunktion entwickelt, die vor allem bei ideellen Schäden infolge von Vorsatztaten oder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts her1 Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 3 (§ 251 Fn. 3), 980 (§ 455 Fn. 31); ähnlich Gierke, Entwurf, S. 197; Kohler, Patentrecht, S. 651 ff. 2 v. Jhering, JhJb. 18 (1880), 1, 51. 3 Siehe oben § 1.A.I., B.I., S. 11 ff., 15 ff. 4 Allg. zum Grundsatz der Totalreparation v. Gierke, Privatrecht, Bd. III, S. 78 ff.; Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 1. Aufl. 1868, S. 25 ff. (§ 257 Fn. 1, § 258); so für das BGB Mot. II, S. 17 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 176; Lange/Schiemann, Schadensersatzrecht, S. 10; Stoll, Haftungsfolgen, S. 179, 181; Schiemann, Prinzipien, S. 192. 5 Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 3 (§ 251 Fn. 3), 980 (§ 455 Fn. 31); ähnlich Gierke, Entwurf, S. 197; Kohler, Patentrecht, S. 651 ff. sowie vgl. § 3.B.I., S. 150 ff. 6 Siehe unten § 3.C., S. 178 ff.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

angezogen wird.7 Darüber hinaus wird der Entschädigung eine Präventionsfunktion zugewiesen, wobei streitig ist, ob es sich dabei um einen bloßen Nebeneffekt des Schadensausgleichs oder eine selbständige Funktion handelt, die eine überkompensatorische Entschädigung rechtfertigen kann.8 Die Entschädigung immaterieller Schäden rückte wegen ihrer Inkommensurabilität und mehr noch wegen der Genugtuungs- oder der (selbständigen) Präventionsfunktion in die Nähe einer Privatstrafe, deren Zulässigkeit und Verfassungsmäßigkeit in Zweifel gezogen wird. Gerade die Feststellung der Entschädigung nach pflichtgemäßem Ermessen ließ es zu, andere oder zusätzliche Zwecke neben dem Schadensausgleich mit dem Entschädigungsanspruch zu verfolgen, so dass die Entschädigung zwischen dem Schadensersatz und der Privatstrafe schwankte. Gerade die Genugtuungsfunktion gilt vielen nicht als Tertium zwischen Schadensersatz und Privatstrafe, sondern wird mit der Privatstrafe gleichgesetzt. Diese Auseinandersetzung wiederholt sich in neuester Zeit bei der Präventionsfunktion des Schadensersatzes. Zum einen ist streitig, ob der Entschädigung überhaupt eine selbständige Präventionsfunktion zukommt, die auch eine überkompensatorische Entschädigung rechtfertigt. Zum anderen wird eine solche Funktion vielfach mit der Privatstrafe gleichgesetzt. Eine eigenständige Entwicklung nahm insoweit die Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eigenen Vorgaben unterliegt auch die Entschädigung immaterieller Einbußen bei der unzulässigen Benachteiligung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, die die europäischen Richtlinien umsetzen. Die Besonderheiten dieser Teilbereiche des Ersatzes von Nichtvermögensschäden sind jeweils gesondert darzustellen, um die Heterogenität der Entschädigung immaterieller Einbußen herauszuarbeiten und zugleich aufzuzeigen, wie sie auf ein gemeinsames Fundament zurückgeführt werden kann.

B. Ausgleichsfunktion I. Der Ausgleichsgedanke bei der Entschädigung immaterieller Schäden Allgemein wird dem Ersatz immaterieller Schäden eine Ausgleichsfunktion zuerkannt und der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot angewandt.9 Wegen der Inkommensurabilität der ideellen Schäden lässt sich der Schaden aber nicht berechnen, so dass sich der Ausgleichsgedanke 7

Siehe unten § 3.D., S. 180 ff. Siehe unten § 3.F., S. 196 ff. 9 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 227; 6.7.1955 Z 18, 149, 154, 156; 29.11.1994 NJW 1995, 781; so schon Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. II/1, S. 123 f.; Windscheid, Pandekten, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 980 (§ 455 Fn. 31); s. auch Coester-Waltjen, Jura 2001, 133, 135; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 142; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 74 ff., 78; G. Müller, VersR 2006, 1289, 1292; Schmid, Schmerzensgeld, S. 83; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 139; Teplitzky, NJW 1966, 388. 8

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nicht strikt wie bei Vermögensschäden umsetzen lässt.10 Zudem ist die Entschädigung in Geld – anders als bei den Vermögensschäden – kein unmittelbares Äquivalent für erlittene ideelle Einbußen, so dass ein Ausgleich der Einbuße im engeren Sinne nicht möglich ist.11 Rechtsprechung und Literatur begründen den Rekurs auf den Ausgleichsgedanken seit langem vor allem damit, dass die Entschädigung den Geschädigten in die Lage versetze, sich Lebensfreude zu verschaffen und so die erlittenen Unlustgefühle auszugleichen.12 Die Kompensation in Geld sei ein schadensbezogener Vorteil, der als adäquater und fairer Ausgleich für die erlittene Einbuße gilt und dem Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit entspreche. Das rechtfertige die Entschädigung eines inkommensurablen Schadens. Der Verweis auf die Lebensfreude, die der Geschädigte erlangen könne, ist im Grunde nur eine Metapher, um die Entschädigung in Geld zu legitimieren. Diese Argumentation geht insbesondere auf Windscheid zurück13, der gegen die Historische Rechtsschule argumentierte, die den Schadensbegriff auf Vermögensschäden beschränkte und den Ersatz ideeller Schäden als Privatstrafe qualifizierte14. Windscheid ordnete die immateriellen Schäden im Anschluss an die Ausführungen von Waechters dem zivilrechtlichen Schadensausgleich zu 10 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 226 f., 229; 6.7.1955 Z 18, 149, 154, 156; KG Berlin 15.3.2004 NZV 2004, 473; Honsell, VersR 1974, 205; Hupfer, JZ 1977, 781, 781 f.; Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. II/1, S. 123 f.; v. Mayenburg, Bemessung, S. 83; G. Müller, VersR 1993, 909, 911; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; Teplitzky, NJW 1966, 388; Windscheid, Pandekten, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 980 (§ 455 Fn. 31). 11 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 226, 229; 6.7.1955 Z 18, 149, 154, 156; Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 24; Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. II/1, S. 123 f.; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 141; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 74; v. Mayenburg, Bemessung, S. 83; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 475; Schmid, Schmerzensgeld, S. 84; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; Windscheid, Pandekten, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 980 (§ 455 Fn. 31). 12 Z. B. BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 227; 8.7.1953 NJW 1953, 1626; 6.7.1955 Z 18, 149, 154; 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148; 22.6.1982 NJW 1982, 2123; Kern, AcP 191 (1991), 247, 248; ders., FS Gitter, S. 447, 448; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 142; Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. II/1, S. 124; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 78; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 702; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 435; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/1, S. 591; Schmid, Schmerzensgeld, S. 84; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 980 (§ 455 Fn. 31); s. auch Ebbing, ZGS 2003, 223, 228; krit. Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 3; anders BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 7 (empfindungsunfähiges Opfer). 13 Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 3 (§ 251 Fn. 3), § 455 Fn. 31; ähnlich Gierke, Entwurf, S. 197; Kohler, Patentrecht, S. 651 ff.; s. auch Großfeld, Privatstrafe, S. 96 f.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125. 14 Z. B. Arndts v. Arnesberg, Pandekten, S. 341 (§ 202); Dernburg, Lehrbuch, Bd. II, S. 48 f. (§ 21); Mommsen, Interesse, S. 3, 5, 122, 133; Neuner, Wesen, S. 64 ff.; Puchta, Pandekten, S. 343 f.; Savigny, Obligationenrecht, Bd. I, S. 9; Schweppe, Privatrecht, Bd. II, S. 1 (§ 369); zur rechtshistorischen Entwicklung Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 14 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 193; Göthel, AcP 205 (2005), 36, 38 ff.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 47; Nehlsen-v. Stryck, JZ 1987, 119, 120 f.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 54 ff.; s. auch Walter, Schmerzensgeld, S. 241 ff.

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und griff für die Sinnhaftigkeit dieser Systematik auf die metaphorische Beschreibung zurück, dass die Geldentschädigung die Verschaffung von Lebensfreude für die erlittenen ideellen Schäden erlaube.15 Er scheint verdeutlichen zu wollen, dass der Ausgleich bei immateriellen Schäden nicht an der Inkommensurabilität des Schadens scheitere. Die Ausführungen beziehen sich vor allem auf ideelle Schäden wegen der Verletzung von Körper und Gesundheit. Die Metapher von der ersatzweisen Verschaffung von Lebensfreude hat sich im deutschen Recht etabliert und hat zwei wesentliche Implikationen. Sie nimmt Bezug auf das positive Erleben des Geschädigten und deutet an, dass der Geschädigte positive Veränderungen seiner Lebensumstände herbeiführen und erleben können muss. Ein Ausgleich immaterieller Schäden kann nach dieser Vorstellung nur erfolgen, wenn der Geschädigte empfindungsfähig ist. Daher sprach der BGH empfindungsunfähigen Opfern anfangs nur eine symbolische Entschädigung zu, weil sie ihre Lage weder wahrnehmen noch sich tatsächlich Ausgleich für die entgangene Lebensfreude verschaffen konnten.16 Seit 1992 gewährt der Gerichtshof auch empfindungsunfähig gewordenen Opfern einen angemessenen Ersatz.17 Diese Rechtsprechung stützt er auf die objektiven Wertungen der Grundrechte und beschränkt sie auf diese Fallgruppe. Die Metapher von der Verschaffung von Lebensfreude hat der BGH indes nicht verabschiedet. Schwierigkeiten bereiten die Implikationen dieser Herangehensweise auch bei Geschädigten, die finanziell so gut gestellt sind, dass ihnen die Entschädigung keine zusätzliche Freude oder Annehmlichkeit verschaffen kann, die ihnen sonst nicht zugänglich wäre.18 So gebräuchlich die Begründung der Entschädigung mit der Verschaffung von Lebensfreude sein mag, sie hinkt und führt zu falschen Schlussfolgerungen. Das Abstellen auf die tatsächliche Verschaffung von Lebensfreude nähert die Entschädigung für die erlittenen Einbußen der Restitution an und zielt auf die Wiederherstellung des schadensfreien Zustands durch die Gewährung anderweitiger positiver Emotionen. Sie deckt sich zwar nicht mit der Naturalrestitution, da selbst die Verschaffung von Lebensfreude nicht tatsächlich zur Wiederherstellung des Zustands führt, der ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte, sondern nur zu einem Ausgleich der „Gefühlsbilanz“. Die 15

v. Waechter, Busse, S. 73 ff., 79 f.; im Anschluss daran Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, S. 980 (§ 455 Fn. 31); ebenso Baron, Pandekten, S. 589; Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 23 f.; v. Jhering, JhJb. 18 (1880), 41 ff., 49 f.; Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. II/1, S. 124; zur Metapherhaftigkeit dieser Umschreibung der Entschädigung Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125; ähnlich Ott/Schäfer, JZ 1990, 563, 565; zur historischen Bedeutung v. Waechter s. Kern, in: Kern, Romanistik, S. 149, 152 ff. 16 BGH 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148 f.; bestätigend BGH 22.6.1982 NJW 1982, 2123. 17 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5 ff.; bestätigend BGH 16.2.1993 NJW 1992, 1531 ff. 18 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 157; ähnlich Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 435; zu den empfindungsunfähigen Opfern Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 113, der aber in der Genugtuung aber eine Privatstrafe sieht.

§ 3 Die Funktion des Entschädigungsanspruchs

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Kompensation ist jedoch von einer tatsächlichen Restitution unabhängig und gleicht die Einbuße nur in Geld aus. Der Geschädigte ist in der Verwendung des Geldbetrages frei und muss sich damit keine Lebensfreude „erkaufen“.19 Zudem ist der Entschädigungsanspruch seit 1990 vererblich, so dass die Entschädigung nicht notwendig dem tatsächlich Geschädigten zufließt. Gerade bei Körperverletzungen, die kurz vor dem Tod des Geschädigten eintreten, verschafft sich in der Regel der Geschädigte keine Lebensfreude mehr, sondern die Erben machen den Anspruch zu ihrem eigenen Vorteil geltend.20 Insofern vermengt die Metapher Naturalrestitution und Kompensation21 und darf nicht im Wortsinne verstanden werden. Die Gegenüberstellung von ideellen Schäden und ausgleichender Lebensfreude ließe schließlich erwarten, dass die Entschädigung anhand der Aufwendungen zu bemessen wäre, die zur Verschaffung eines positiven Erlebens erforderlich sind.22 Rechtsprechung und Literatur nehmen aber nicht auf die Kosten Bezug, die für das Herbeiführen positiver Gefühlserlebnisse notwendig sind, sondern stellen primär auf den Umfang des Schadens ab.23 Daher sind Dauer und Intensität der Schmerzen, Leiden und Entstellungen sowie Einbußen in der Lebensführung für den Umfang der Entschädigung bestimmend, für deren Ermittlung sich die Gerichte insbesondere am Umfang der Rechtsgutsverletzung orientieren.24 Die Metapher von der Verschaffung von Annehmlichkeiten hat keine praktische Bedeutung. Der Verweis auf die Verschaffung von Lebensfreude dient hauptsächlich dazu, die Entschädigung ideeller Einbußen als Schadensersatz zu qualifizieren und ihre Ersatzfähigkeit trotz ihrer Inkommensurabilität zu begründen. Die 19

BGH 15.1.1991 NJW 1991, 1544, 1545; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 46; Harke, Allgemeinse Schuldrecht, Rn. 328; Jaeger, VersR 1996, 1182; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 10; Stein, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 847 Rn. 7; a. A. Huber, NZV 1998, 345, 350; s. auch v. Mayenburg, Bemessung, S. 103 ff., der unter Rückgriff auf psychologische Erkenntnisse eine Restitution durch Schmerzensgeld verneint. 20 Siehe § 2.A.I.4., S. 70 ff. 21 Stoll, DAR 1968, 303, 310; ähnlich Klumpp, Privatstrafe, S. 170; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 104, der zudem auf die Ungleichbehandlung mit den Vermögensschäden verweist. 22 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 435; ähnlich Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 81 f., der hilfsweise auf konventionelle Kriterien zurückgreifen will, wenn die Quasi-Naturalrestitution scheitert, weil die Schmerzen nicht andauerten oder sich der Verletzte wegen seines Vermögens oder aus anderen Gründen keine Annehmlichkeit mit Geld mehr verschaffen kann; abl. Druey, Forderung, S. 61. 23 Z. B. BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 229; 6.7.1955 Z 18, 149, 154; 15.1.1991 NJW 1991, 1544, 1545; 29.11.1994 Z 128, 117, 119; 12.5.1998 NJW 1998, 2741; KG 15.3.2004 NZV 2005, 311, 312; OLG Sachsen-Anhalt 7.3.2005 NJW-RR 2005, 900, 901; OLG Koblenz 15.12.2005 MDR 2006, 992, 993; Ady, Ersatzansprüche, S. 104; Harbauer, VersR 1969, 589, 593; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 143, 147; G. Müller, VersR 1993, 909, 911; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 30; Teplitzky, NJW 1966, 388. 24 Z. B. OLG Köln 4.9.2003 VersR 2005, 1743, 1744 f.; OLG München 10.9.2003 VersR 2005, 1745; OLG Frankfurt M. 6.6.2005 zfs 2005, 597; Coester-Waltjen, Jura 2001, 133, 135; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 143, 147; G. Müller, VersR 1993, 909, 911.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Metapher wirkt dem Eindruck entgegen, es handle sich um eine Privatstrafe oder eine willkürliche Geldzahlung für einen inkommensurablen Schaden. Ihre Implikationen entsprechen aber nicht den Vorgaben des Schadensersatzrechts. Daher ist die Metapher zu verabschieden. Damit sind die Fälle mit empfindungsunfähigen Geschädigten zwar noch keiner abschließenden Lösung zugeführt. Zumindest kommt es für die Ersatzfähigkeit des immateriellen Schadens nicht darauf an, dass der Geschädigten sich Lebensfreude verschaffen kann. Das sagt aber nichts darüber, ob und inwieweit das Vorliegen eines ideellen Schadens von der subjektiven Wahrnehmung des Geschädigten abhängt. II. Subjektiver Schadensbegriff Dem Schadensersatzrecht liegt nach vorherrschendem Verständnis ein subjektiver Schadensbegriff zugrunde.25 Bei Nichtvermögensschäden wird insbesondere auf die negative Gefühlsbilanz des Geschädigten abgestellt.26 Grundsätzlich gelten die subjektiv erlittenen physischen und psychischen Schmerzen, Unannehmlichkeiten und sonstige Beeinträchtigungen des Wohlbefindens als ideeller Schaden.27 Daher liegt ein immaterieller Schaden nur vor, wenn der Geschädigte tatsächlich Schmerzen erlitten hat. Auch die Einbuße an Lebensfreude oder die seelische Belastung infolge von Entstellungen setzen die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Opfers voraus.28 Die Rechtsgutsverletzung begründet noch keinen Schaden. An dieser Annahme hielt der BGH stets fest und korrigierte sie nur zugunsten der empfindungsunfähig gewordenen Geschädigten.29 Die subjektive Beurteilung des Schadens hat zur Folge, dass besonders empfindsame oder wehleidige Personen einen höheren Schaden erleiden, der vom Schädiger grundsätzlich auszugleichen ist. Zudem bereitet die Ermittlung des subjektiven Schadens wegen der nur eingeschränkten intersubjektiven Nachvollziehbarkeit der ideellen Schäden Schwierigkeiten. Damit verbindet sich die Gefahr, dass beim Geschädigten Begehrlichkeiten geweckt und höhere psychische Belastungen vorgegeben werden. Dem begegnen Rechtsprechung und herrschende Lehre durch Objektivierungstendenzen bei der Bemessung des Schadens, indem sie insbesondere an Umfang und Intensität der Rechts25 Deutsch, Haftungsrecht, S. 499, 501 (faktischer Schaden); Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 171; Klumpp, Privatstrafe, S. 169 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatzrecht, S. 40 (subjektbezogener Schaden); s. auch Mot. II, S. 801 (Schmerzen als Faktor für die Höhe der Entschädigung anerkennend). 26 Siehe oben § 1.C.II.1., S. 47 ff. 27 So zum Schmerzensgeld Planck/Planck, BGB, Bd. II, 1900, § 847 Anm. 2b; Planck/Landois, BGB, Bd. II, 4. Aufl. 1914, § 847 Rn. 3; Warneyer, Kommentar, § 847 Rn. 1; krit. wegen der abweichenden gesetzlichen Konzeption G. Wagner, Karlsruher Forum 2006, S. 5, 101. 28 BGH 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148 f.; bestätigend BGH 22.6.1982 NJW 1982, 2123 f. 29 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5 ff.

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gutsverletzung anknüpfen und von deren Schwere auf den Umfang des Schadens sowie die Höhe der Entschädigung schließen.30 Der subjektive Schadensbegriff wird dadurch nicht aufgegeben. Lediglich die Bemessung der Entschädigung wird durch eine objektive Betrachtung erleichtert, ohne den Schaden mit der Rechtsgutsverletzung gleichzusetzen. Vielmehr ist die Rechtsgutsverletzung nur Anknüpfungspunkt, um den Schadensumfang zu evaluieren. Insbesondere lässt sich darauf abstellen, wie eine durchschnittliche Person unter der Rechtsgutsverletzung leiden würde. Die Empfindungsfähigkeit und Empfindlichkeit des Geschädigten wird dadurch nicht unerheblich, nur die Bestimmung des Schadens und die Bemessung der Entschädigung werden erleichtert.31 Die Zurückhaltung gegenüber einer Neuausrichtung des Schadensersatzrechts belegt auch die Entscheidung des OLG Hamm, die den sexuellen Missbrauch eines geistig behinderten Kindes betraf, das in der Wahrnehmung seiner Situation und dem Empfinden von Genugtuung eingeschränkt war.32 Das Gericht begründete die Rechtsverletzung mit dem Eingriff in das auf der Menschenwürde beruhende Selbstbestimmungsrecht, das unabhängig vom Empfinden bestehe und verletzt worden sei.33 Für den Schaden stellte es jedoch auf die Beschwerlichkeiten der Schwangerschaft und die Schmerzen bei und nach der Entbindung durch Kaiserschnitt ab und verweist zugleich darauf, dass die Betreuerin der Geschädigten mit der Entschädigung Annehmlichkeiten und ein Mehr an Lebensfreude verschaffen könne.34 III. Schadensausgleich bei empfindungsunfähigen Geschädigten Der Ausgleich ideeller Schäden wirft im Anwendungsbereich des § 253 Abs. 2 BGB Schwierigkeiten auf, wenn der Geschädigte infolge der Verletzung empfindungsunfähig wurde oder im Koma lag und nicht zu Sinneswahrnehmungen fähig war. Der subjektive Schadensbegriff, der auf die negativen Empfindungen des Geschädigten abstellt, setzt die Empfindungsfähigkeit des Geschädigten voraus. Das gilt sowohl für immaterielle Einbußen in Form von Schmerzen und Leiden als auch für Einbußen in der Lebensführung. Zudem muss sich der Geschädigte Annehmlichkeiten und Lebensfreude verschaffen können, was ebenfalls von der Empfindungsfähigkeit sowie dem subjektiven Bewusstsein für die eigene Lebenssituation abhängt. Daher ging der BGH in seiner ersten Leitentscheidung zu den empfindungsunfähigen Geschädigten 30

Siehe unten § 4.C.I., S. 234 ff. Siehe unten § 4.C.III.2., S. 241 f. 32 OLG Hamm 27.5.2008 NJW-RR 2009, 959 f. Das Gericht unterstellte in der Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe die fehlende Wahrnehmung des Geschädigten für ihre Situation. 33 OLG Hamm 27.5.2008 NJW-RR 2009, 959, 960. 34 OLG Hamm 27.5.2008 NJW-RR 2009, 959, 960. 31

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

im Jahre 1975 davon aus, dass die Ausgleichsfunktion keine Entschädigung legitimiere.35 Selbst Genugtuung könne die Entschädigung nicht bewirken, da der Geschädigte sie nicht empfinde. Lediglich der in der Genugtuungsfunktion des Schadensersatzes mitschwingende Bußgedanke rechtfertige eine symbolische Entschädigung.36 Nach heftiger Kritik37 korrigierte der BGH 1992 seine Rechtsprechung und nahm dazu auf die Wertungen der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG Bezug.38 Der Schadensausgleich dürfe sich bei einer „wohlverstandenen Ausgleichsfunktion“ nicht am tatsächlich empfundenen Schmerz und Leid orientieren, sondern müsse sich an der Persönlichkeitseinbuße ausrichten.39 Ansonsten vermindere sich der Schadensersatz trotz der gravierenden Beeinträchtigung des Geschädigten durch die Zerstörung seines Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögens, was den Wertungen der Grundrechtsordnung widerspreche, die dem Schutz der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen hohen Wert beimessen.40 Folglich macht der Gerichtshof die Entschädigung weder vom subjektiven (empfundenen) Schaden noch von der Verschaffung von Lebensfreude abhängig. Er beschränkt sich aber auf die empfindungsunfähig gewordenen Opfer als eigene Fallgruppe und schließt die Übertragung der Rechtsprechung auf andere Fallgruppen aus.41 Eine Neuausrichtung des Schadensbegriffs und des Schadensausgleichs erfolgt nicht. Es handelt sich um eine singuläre Korrektur, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Die Literatur bewertet die Entscheidung des BGH überwiegend positiv.42 Dogmatisch galt sie meist als Abkehr von der subjektiven Bestimmung des Nichtvermögensschadens.43 Es wurde angenommen, dass die Entschädigung nur eine objektive Einbuße an Persönlichkeit und somit nur eine Rechtsguts35

BGH 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148 f.; bestätigend BGH 22.6.1982 NJW 1982, 2123. BGH 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148; eine Entschädigung indes abl. Klimke, VersR 1981, 390, 391; Niemeyer, NJW 1976, 1792; s. auch E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 101; Klumpp, Privatstrafe, S. 154, der die Gewährung der symbolhaften Entschädigung als Ausdruck eines Bedürfnisses nach Strafe bewertet und der Genugtuung daher eine repressive Funktion zuweist. 37 Dazu Kern, FS Gitter, S. 447, 452; E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 265. 38 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5 ff.; bestätigend BGH 16.2.1993 NJW 1993, 1531 f.; 29.11.1994 Z 138, 388, 392. 39 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5, 7; im Anschluss daran z. B. OLG Naumburg 10.12.2010 VersR 2011, 1273 f. 40 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5, 7. 41 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5, 7. 42 Giesen, JZ 1993, 519, 520; Kern, FS Gitter, S. 447, 452; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 706; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; Stein, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 847 Rn. 3; Stoll, Haftungsfolgen, S. 66 Fn. 69. 43 Giesen, JZ 1993, 519, 520; Kern, FS Gitter, S. 447, 452; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; so schon vor dieser Rechtsprechung Kreft, RGRK-BGB, § 847 Rn. 27; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125; eine objektivierte Betrachtung befürwortend G. Müller, VersR 1993, 909, 912 f. 36

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verletzung voraussetze, so dass ein verstärkter Rechtsgüterschutz erfolge.44 Teichmann will darüber hinaus nicht nur den Schaden objektiv bestimmen, sondern auch die Entschädigung objektiv und unabhängig von den konkreten Folgen berechnen.45 Schließlich begrüßte die Literatur, dass die Entschädigung nicht mehr auf die Genugtuungsfunktion des Schadensersatzes gestützt wurde.46 Kritik erfuhr hingegen die Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, da die Beschränkung des Schadensersatzanspruchs nicht hinreichend abgeleitet werde.47 Zudem gebiete die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte keine Modifikation, weil das Strafrecht den grundrechtlich geforderten Minimalschutz sicherstelle.48 Weiter beruhe die Entwicklung vor allem darauf, dass das Schadensersatzrecht kein Schmerzensgeld für die Angehörigen eines Schwerverletzten vorsehe und die Gewährung der Entschädigung insofern Abhilfe schaffe.49 Damit gehe zugleich die Gefahr einher, dass sich die Haftpflichtprämien erhöhen.50 Canaris befürwortet hingegen die Entschädigung von empfindungsunfähig gewordenen Personen, weil sie ansonsten quasi Toten gleichgestellt würden, die ebenfalls keinen Schadensersatz für den Verlust des Lebens erhalten.51 Dogmatisch bestehen somit mehrere Ansatzpunkte, um eine Entschädigung trotz der Empfindungsunfähigkeit des Geschädigten zu begründen. Die hier geforderte Verabschiedung der Metapher von der Verschaffung von Annehmlichkeiten hat zur Folge, dass die Entschädigung nicht davon abhängt, dass der Geschädigte wahrnehmungsfähig ist.52 Damit ist aber noch nicht der Schaden 44 Coester-Waltjen, Jura 2001, 133, 135; Giesen, JZ 1993, 519, 520; Kern, FS Gitter, S. 447, 452; G. Müller, VersR 1993, 909, 911; P. Müller, Punitive Damages, S. 269; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; so schon E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 62 ff. 45 Teichmann, LM § 847 BGB Nr. 90. 46 Giesen, JZ 1993, 519, 520 f.; Jaeger, VersR 1996, 1177, 1181; E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 272 ff.; G. Müller, VersR 1993, 909, 912, 913; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 68 f.; ähnlich Westermann, Symposion Canaris, S. 125, 137; trotz des Zurücktretens der Genugtuungsfunktion einen Einfluss des Verschuldens auf die Höhe der Entschädigung annehmend Huber, NZV 1998, 345, 347 Fn. 35; G. Müller, VersR 1993, 909, 914. 47 Kern, FS Gitter, S. 447, 454; P. Müller, Punitive Damages, S. 270 f.; s. auch Deutsch, NJW 1993, 784; E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 268, die den verfassungsrechtlichen Bezug ablehnen; a. A. Schlobach, Präventionsprinzip, S. 71. 48 Kern, FS Gitter, S. 447, 455. 49 Huber, NZV 1998, 345, 347 f.; so bereits vor der Entscheidung des BGH Gottwald, Schadenszurechnung, S. 168; Hupfer, NJW 1976, 1792, 1793; eine Rechtsfortbildung fordernd Kern, FS Gitter, S. 447, 456 f. 50 Deutsch, NJW 1993, 784; für eine Berücksichtigungsfähigkeit der Wirkungen auf die Versichertengemeinschaft BGH 8.6.1976 VersR 1976, 967, 968; 1.10.1985 VersR 1986, 59; G. Müller, VersR 1993, 909, 916; Scheffen, NZV 1994, 417, 420; abl. Huber, NZV 1998, 345, 348. 51 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 592; krit. Huber, NZV 1998, 345, 347. 52 Anders Huber, NZV 1998, 345, 347 f., 349 f.; Kern, FS Gitter, S. 447, 452, die die Entscheidungen gerade kritisieren, weil der Geschädigte die Entschädigung nicht zweckentsprechend verwenden könne.

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beschrieben, den der Geschädigte erlitten hat. Das Anknüpfen an die verfassungsrechtlichen Wertungen und somit an die Rechtsgutsverletzung führt zu einem objektiven Schadensbegriff, der die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden gleich setzt. Das rückt den Ausgleich immaterieller Schäden aber in die Nähe einer Privatstrafe, weil er nur von der Rechtsgutsverletzung abhängt, ohne dass es auf die tatsächliche Einbuße ankommt. Ein subjektiver Schaden ist trotz der eingetretenen Empfindungsunfähigkeit positiv beschreibbar, wenn nicht nur die negative Gefühlsbilanz als ideeller Schaden angesehen wird. Der Geschädigte verliert infolge des Schadensfalls insbesondere die Möglichkeit der Selbstbestimmung und Selbstentfaltung. Das erfasst der BGH im Grunde durch den Rückgriff auf die Wertungen der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Die Rechtsprechung geht aber nicht so weit, den Nichtvermögensschaden auf dieser Grundlage neu zu beschreiben, sondern nimmt nur eine Randkorrektur vor, wo das Abstellen auf die negative Gefühlsbilanz nicht ausreicht. IV. Objektiver Schadensbegriff oder objektive Bewertung des Schadens 1. Objektiver Schadensbegriff beim Ausgleich immaterieller Schäden Neben dem subjektiven Schadensbegriff hat sich die Lehre vom objektiven Schaden entwickelt, die nicht zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden differenziert.53 Die Rechtsgutsverletzung soll selbst der Schaden sein. Diese Lehre knüpft ähnlich wie das Strafrecht an den Schaden im natürlichen Sinne (realer Schaden) – an die Verletzung einer geschützten Rechtsposition – an. Damit ist die für das Schadensersatzrecht des BGB grundlegende Unterscheidung zwischen Rechtsgutsverletzung, Schaden und Schadensersatz aufgegeben. Das Schadensersatzrecht reagiert auf die Verletzungshandlung und bezweckt insbesondere einen Rechtsgüterschutz. Der Schadensersatz ist nach diesem Verständnis Wiedergutmachung für schuldhafte Verletzungshandlungen.54 Die Lehre vom objektiven Schaden hat sich vor allem für Vermögensschäden entwickelt. Sie knüpft insbesondere an Fallgruppen an, deren Bewältigung mit Hilfe des subjektiven Schadensbegriffs auf dem Boden der Differenzhypothese nicht zu lösen war. Ein Schaden liegt hiernach vor, obwohl kein bilanzieller Schaden im Vermögen eingetreten ist. Neuner entwickelte die Lehre vom objektiven Schaden insbesondere, um entgangene Gebrauchsvorteile als Vermögensschäden zu erfassen.55 Der objektive Schadensbegriff dient somit der Abgrenzung der Vermögensschäden nach § 251 BGB, wobei hauptsächlich Schwierigkeiten bei der Erfassung von subjektiv-wirtschaftlichen Schäden 53 Neuner, AcP 133 (1931), 277 ff.; s. auch F. Bydlinski, Schadensverursachung, S. 24 ff.; Wilburg, JhJb. 82 (1932), 51 ff. 54 Neuner, AcP 133 (1931), 277, 287. 55 Neuner, AcP 133 (1931), 277 ff.

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behoben werden sollen.56 Neuner orientiert sich bei der Ableitung des Schadensbegriffs vor allem am Grundsatz der Naturalrestitution, der ein subjektives Vermögensinteresse des Geschädigten nicht voraussetze, sondern der Rechtsverfolgung diene.57 Das Gleichsetzen des Schadens mit der Verletzung eines vermögenswerten Interesses58 ergänzt den Ausgleichsgedanken um das Ziel der Rechtsverfolgung, so dass die Sanktion der Verletzungshandlung nicht nur Nebeneffekt des Schadensausgleichs ist. An diesen Überlegungen knüpften Wilburg und Bydlinski an, die vor allem die Probleme der sog. Vorteilsausgleichung mit Hilfe des objektiven Schadensbegriffs lösen wollen.59 Sie setzen den Schaden mit der Verletzung des geschützten Rechtsguts gleich. Ein bilanzieller Schaden sei nicht erforderlich, da nicht die Vermögensminderung, sondern die Verletzungshandlung auszugleichen sei.60 Die Lehre vom objektiven Schadensbegriff hatte im Ursprung somit keinen Bezug zum Ausgleich immaterieller Schäden. Der Rückgriff auf den objektiven Schadensbegriff beruht darauf, dass der Entschädigung der ideellen Einbußen nach Maßgabe des subjektiven Schadensbegriffs entgegengehalten wurde, dass der Schadensausgleich wegen seiner Abhängigkeit vom Empfinden des Geschädigten manipulationsanfällig sei. Bei der Entschädigung immaterieller Einbußen wurde bisher nur in Teilbereichen auf die Rechtsgutsverletzung abgestellt. Das gilt insbesondere für die Entschädigung ideeller Einbußen von empfindungsunfähig gewordenen Geschädigten.61 Allerdings ist nicht eindeutig, ob der BGH die Verletzung der Person mit dem Schaden gleichgesetzt oder der Nichtvermögensschaden als Persönlichkeitseinbuße beschrieben wird, so dass er als subjektiver Schaden vom Empfinden des Geschädigten unabhängig ist. Der Rückgriff auf den objektiven Schaden ist primär ein Weg, um die Schwierigkeiten beim Ausgleich der inkommensurablen ideellen Schäden zu überwinden. Auch bei der Geldentschädigung wegen schwerer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt die Rechtsgutsverletzung besondere Beachtung. In einzelnen Fällen unterließ die Rechtsprechung eine genauere Prüfung des Schadens (z. B. Veröffentlichung heimlich aufgenommener Fotos von Kindern ohne Einwilligung)62, obwohl Zweifel an einem konkreten Gefühlsschaden bestanden. Es wurde vor allem auf die ungestörte Entwicklung des Kindes abgestellt. Das ist aber nicht zwingend eine Gleichsetzung des Schadens mit der Rechtsgutsverletzung. Eine solche Annahme läge nur nahe, 56

Siehe oben § 1.C.I.1., S. 33 ff. Neuner, AcP 133 (1931), 277, 292 ff. 58 Neuner, AcP 133 (1931), 277, 290. 59 F. Bydlinski, Schadensverursachung, S. 24 ff.; Wilburg, JhJb. 82 (1932), 51 ff. 60 Neuner, AcP 133 (1931), 277 ff.; Wilburg, JhJb. 82 (1932), 51 ff. 61 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5 ff.; bestätigend BGH 16.2.1993 NJW 1993, 1531 f. 62 Z. B. BGH 5.10.2004 NJW 2005, 215, mit krit. Anm. Ebert, VersR 2005, 127, 128 f.; LG Berlin 12.2.1973 GRUR 1974, 415; LG Hamburg 11.7.2008 324 O 1172/07, zit. nach juris. 57

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wenn allein der Gefühlsschaden subjektiver Schaden sein könnte. Gerade die Möglichkeit eines Kindes, sich ungestört von der Überwachung durch die Medien entwickeln zu können, ist ein vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützter Freiraum, dessen Beeinträchtigung für die geschützte Person eine Einbuße ist und als Schaden angesehen werden kann. Insofern ist eher die Beschreibung des Schadens bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu präzisieren, als eine Gleichsetzung zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden anzunehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Genugtuungsfunktion im Vordergrund steht. Sie beschränkt sich auf eine abweichende Beschreibung des Schadensersatzes für diesen immateriellen Schaden.63 Auch nach der Präventionsfunktion knüpft die Bestimmung der Entschädigung zunächst an die erlittene Einbuße an und geht nur insoweit über den Schaden hinaus, als dies zur Abschreckung zukünftiger Rechtsgutsverletzungen angezeigt ist. Vor allem Brüggemeier löst sich mit seinem Vorschlag zur Anerkennung der sog. Per-se-Personenschäden von der Notwendigkeit eines subjektiven Schadens und setzt die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden gleich.64 Der Per-seSchaden tritt neben den subjektiven Schaden, ohne dass das Verhältnis beider Schadenskategorien abgestimmt ist.65 Insbesondere bleibt offen, ob Einbußen in der Lebensführung selbständig neben den Per-se-Schäden zu berücksichtigen sind. Auch von Bar fordert für die Haftung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, den Schaden und die Rechtsverletzung gleichzusetzen.66 Hinter beiden Vorschlägen steht kein Gesamtkonzept für das Schadensersatzrecht, sondern vor allem das Ziel, den Schadensausgleich zu ergänzen und den Rechtsgüterschutz punktuell zu verbessern. Diese Gleichsetzung von Schaden und Rechtsgutsverletzung widerspricht jedoch dem Haftungsrecht, das grundsätzlich zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden unterscheidet. Nur in Ausnahmefällen muss sich das Verschulden auf den Schaden beziehen, weil eine Haftung für eine Vermögensverletzung erfolgt. Insofern ist zwischen Rechtsgutsverletzung und Vermögensschaden zu trennen. Auch widerspricht der objektive Schadensbegriff den §§ 249 ff. BGB, die einen Schaden voraussetzen. Zudem hat die Unabhängigkeit von einem konkreten Schaden zur Folge, dass der Schadensersatz nicht mehr dem Schadensausgleich, sondern unmittelbar dem Rechtsgüterschutz dient und damit ein fließender Übergang zum Strafschadensersatz besteht. Das Ringen um den passenden Schadensbegriff ist zudem dadurch erschwert, dass eine Vielzahl von Folgefragen mit ihm verknüpft ist, die ganz 63 64 65 66

Siehe unten § 3.D.II., V., S. 181 ff., 189 ff. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 561, 577 f. Ausführlich § 1.C.II.2., S. 51 ff. v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 22; s. oben § 1.C.II.3., S. 53 f.

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unterschiedliche Ansatzpunkte haben.67 Daher ist die Diskussion über den Schadensbegriff zum Stillstand gekommen, und es wird nicht mehr versucht, die einzelnen Probleme des Schadensersatzrechts über einen abstrakten Schadensbegriff zu lösen.68 Es käme zu einer starken inhaltlichen Verdichtung, die letztlich die Ableitung von Ergebnissen erschwert und die Kryptizität des Begriffs erhöht.69 Daher wird der Rechtsgüterschutz heute weniger über einen objektiven Schadensbegriff versucht, als durch die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, oder über die Anerkennung von Privatstrafen. 2. Objektive Bewertung des Schadens Vom objektiven Schadensbegriff ist die objektive Bewertung des Schadens zu unterscheiden, welche Rechtsgutsverletzung und Schaden nicht gleichsetzt. Vielmehr wird der erlittene Schaden abstrakt bemessen. Die Entschädigung richtet sich zwar nach dem Schadensumfang, ist aber aufgrund des Bewertungsmodus mit dem konkreten Schaden nicht deckungsgleich. Bei Vermögensschäden ergibt sich daher eine Abweichung zwischen bilanziellem Schaden und zu zahlender Entschädigung, die zugunsten des Geschädigten oder des Schädigers eintreten kann. Bei der Entschädigung von Nichtvermögensschäden kann die objektive Bewertung des Schadens die Schwierigkeiten im Umgang mit den sog. Gefühlsschäden beseitigen, so dass sich die Wehleidigkeit des Geschädigten und seine Neigung zu Rache, Wut oder Aggression nicht schadenssteigernd auswirken.70 Zudem wird bezweifelt, ob und mit welcher Sicherheit die Nichtvermögensschäden feststellbar seien.71 Insoweit schafft ein objektiver Maßstab für die Ermittlung der immateriellen Schäden Abhilfe.72 67 Brinker, Vermögensschadensersatz, S. 180, 188; s. auch Flessner/Kadner, JuS 1989, 879, 881; Honsell, JuS 1973, 69, 74 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 22. 68 Brinker, Vermögensschadensersatz, S. 181 f., 188; Dreier, Kompensation, S. 31 f.; Ehrenzweig, Schuldhaftung, S. 162, 173 ff.; Erman/Ebert, BGB, Vor §§ 249–253 Rn. 14; Flessner/ Kadner, JuS 1989, 879, 881; Hagen, FS Hauß, S. 83, 100; Heck, Schuldrecht, S. 40; Honsell, JuS 1973, 69, 72, 74 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 22; Magnus, Schaden, S. 4 f.; Palandt/ Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, Vorb v § 249 Rn. 7; Schiemann, FS Hagen, S. 27, 39, 42 f.; Schlechtriem, ZEuP 1997, 232, 239 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, Vorbem zu §§ 249 ff. Rn. 41; Stoll, Haftungsfolgen, S. 238 f. 69 Brinker, Vermögensschaden, S. 181, 188; Dreier, Kompensation, S. 32; Flessner/Kadner, JuS 1989, 879, 881; Hagen, FS Hauß, S. 83, 102; Honsell, JuS 1973, 69, 74 f.; Schiemann, FS Hagen, S. 27, 42 f.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 239. 70 Dazu Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 144. 71 Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 146. 72 Giesen, JZ 1993, 519, 520; Harbauer, VersR 1969, 589, 590; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 322; Horter, Strafgedanke, S. 135; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 3; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 128 ff.; ferner Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125; Pecher, AcP 171 (1971), 44, 69, die den Schaden nicht vom Schadensgefühl abhängig machen wollen

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Darüber hinaus wird zum Teil angenommen, dass bereits die Verletzung des Körpers oder des sozialen Ansehens genüge, um einen immateriellen Schaden zu begründen, ohne dass es auf die individuellen physischen oder psychischen Schmerzen oder Leiden des Geschädigten ankomme.73 Das geht über eine objektive Bewertung des Schadens hinaus, da er mit der Rechtsverletzung gleichgesetzt wird (objektiver Schaden). Eine objektive Bewertung des immateriellen Schadens liegt nur vor, wenn der Schädiger im Prozess einwenden kann, dass tatsächlich kein Schaden entstanden ist. Insoweit ist die Orientierung an der Rechtsgutsverletzung nur eine Hilfe bei der Ermittlung des Schadens, ohne den Schadenseintritt zu ersetzen. Die objektive Bemessung des Schadens erleichtert die Festlegung der Entschädigung, hilft aber nicht darüber hinweg, dass immaterielle Schäden nach dem vorherrschenden Verständnis Gefühlsschäden sind, so dass eine negative Gefühlsbilanz vorliegen muss. Um nicht auf den objektiven Schadensbegriff zurückgreifen zu müssen und dennoch alle ideellen Schäden zu erfassen, ist vor allem eine Korrektur bei der Beschreibung des Nichtvermögensschadens erforderlich. Es ist insbesondere in Frage zu stellen, ob das negative Empfinden des Geschädigten der richtige oder der einzig richtige Anknüpfungspunkt für die Annahme eines immateriellen Schadens ist. Bei der Weiterentwicklung des Begriffs des Nichtvermögensschadens ist präzise darauf zu achten, dass ein Schaden als erlittene Einbuße beschrieben und nicht mit der Rechtsgutsverletzung gleichgesetzt wird. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Ansatz von Lorenz, der den Gefühlsschäden zunächst generell ihre Ersatzfähigkeit absprach und den Schadensausgleich auf den äußeren immateriellen Verletzungs- und Verletzungsfolgeschaden beschränkte.74 Der Schadensumfang sei anhand der Rechtsgutsverletzung zu bestimmen, unabhängig von den erlittenen Schmerzen oder anderen Leiden.75 Die Beeinträchtigung einer Person in ihren höchstpersönlichen Rechtsgütern sei ein ideeller Schaden, unabhängig vom subjektiven Empfinden des Geschädigten. Daher haben empfindungsunfähig gewordene Opfer einen Schaden erlitten und können Entschädigung beanspruchen. Diesen strikten Ansatz relativierte Lorenz später, indem er die innere ideelle Beeinträchtigung und den äußeren Lebensführungsschaden einander gegenüber stellte.76 Während die innere Beeinträchtigung subjektiv nach der Wahrund73 einen Schaden bei empfindungsunfähigen Personen bejahen; s. auch Donaldson, AcP 166 (1966), 462, 473 f.; S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 122 f., der aber die „innere Seite“ des Leidens nicht ausblenden will (S. 129); zur objektiven Schadensbestimmung Bentert, Das pönale Element, S. 77, 80 f. (misst ihr pönalen Charakter bei). 73 Giesen, JZ 1993, 519, 520; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 322; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 3; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 128 ff. 74 E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 62 ff.; zustimmend Canaris, FS Deutsch, S. 85, 102 f. 75 E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 62. 76 E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 268 f.

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nehmung des Geschädigten beurteilt werden sollte, bestimme sich der Lebensführungsschaden rein objektiv. Daher erleide der empfindungsunfähig gewordene Geschädigte zwar keinen Gefühlsschaden in Form von Schmerzen oder anderen Leiden, er habe aber einen objektiven Lebensführungsschaden, der zu entschädigen sei.77 In ähnlicher Weise schlägt Bender für den Ersatz von Personenschäden vor, dass jede verletzungsbedingte Beeinträchtigung des frei gewählten Lebensvollzugs und jede subjektive Lebenshemmung ersatzfähiger Schaden sei, so dass die Entschädigung nicht vom Empfinden des Geschädigten abhänge.78 Er will auf diese Weise alle statischen Folgen der Rechtsgutsverletzung sowie die sich dynamisch entwickelnden Folgeschäden erfassen.79 Seine Darstellung lässt indes nicht immer deutlich erkennen, ob die Rechtsgutsverletzung zur Begründung des Schadens genügt, so dass unabhängig vom Gefühlsschaden eine Entschädigung zu gewähren ist, oder ob die Einschränkung der Selbstentfaltung der subjektive Schaden ist. Beide Vorschläge zielen auf eine Korrektur des Begriffs des immateriellen Schadens. Allerdings erfasst er nicht alle Fälle, in denen das Abstellen auf die Gefühleinbuße zu kurz greift. Das gilt insbesondere für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die Verstöße gegen die Benachteiligungsverbote nach dem AGG. V. Anwendbarkeit und Grenzen der Ausgleichsfunktion bei der Entschädigung unzulässiger Benachteiligungen nach dem AGG 1. Ausgleich eines konkreten Schadens Die Funktion des Entschädigungsanspruchs wegen unzulässiger Benachteiligung war bereits für die Vorgängerregelung in § 611a BGB a. F. kontrovers.80 Das setzt sich unter der Geltung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG fort. Die Entschädigungsansprüche sind nach dem Wortlaut der Regelungen Schadensausgleich. Sie haben einen Schadensbezug und die Formulierung entspricht der in § 253 Abs. 2 BGB. Zudem ging der Gesetzgeber davon aus, dass bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot regelmäßig ein immaterieller Schaden eintritt.81 Die Entschädigung soll somit abhängig vom konkreten Schaden erfolgen. Zudem setzen die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG ebenso wie § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F. die Vorgaben der europäischen Richtlinien um. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Sanktion von Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot nach Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG schließt nach der Rechtsprechung des EuGH ein, dass der Benachteiligte einen ange77 78 79 80 81

E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 271. Bender, Personenschaden, S. 274 f., 286; s. ausführlich dazu oben § 1.C.II.4., S. 54 ff. Bender, Personenschaden, S. 286. Siehe oben § 2.C.VII.1., S. 131 f. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38.

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messenen Ausgleich für alle erlittenen Schäden erhält, nicht nur eine symbolische Entschädigung.82 Insbesondere sah der EuGH den bloßen Ausgleich des materiellen Vertrauensschadens in Höhe der Bewerbungskosten als unzureichend an.83 Diese Rechtsprechung lässt sich auf die Richtlinien mit vergleichbaren Sanktionsvorgaben übertragen.84 Außerdem hat sie die Ausgestaltung der späteren Richtlinien beeinflusst85, so dass Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/ 113/EG und Art. 18 Richtlinie 2006/54/EG die Mitgliedstaaten explizit verpflichten, den Ausgleich der Schäden zu gewährleisten, die infolge eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot eingetreten sind. Die Richtlinienbestimmungen wurden in den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG transformiert, so dass die Entschädigungsansprüche zumindest auch dem Ausgleich der erlittenen Schäden dienen. Die Auslegung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG und ihre Genese weisen den Entschädigungsansprüchen somit eine Ausgleichsfunktion zu.86 Darüber hinaus wird dem Entschädigungsanspruch zum Teil eine selbständige Präventionsfunktion zugeschrieben, die eine über den erlittenen Schaden hinausgehende Entschädigung zulässt.87 Einzelne Autoren qualifizieren die Entschädigungsansprüche daher als Privatstrafe.88 Unabhängig davon, ob und inwieweit diese Ansichten überzeugen, ändern sie nichts daran, dass der Entschädigungsanspruch den Ausgleich der konkreten Schäden bezweckt, soweit ein konkreter Schaden vorliegt.89 Zum Teil nimmt die Literatur an, dass der Schaden normativ fingiert90 oder unwiderleglich vermutet91 wird.92 Das hätte 82 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 26, 28 (Harz). 83 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 26, 28 (Harz). 84 Vgl. die Bezugnahme in den nachfolgenden Richtlinien auf die Rechtsprechung durch Übernahme der Formulierung in die Sanktionsvorschriften Art. 15 Richtlinie 2000/43/EG, Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG, Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2002/73/EG, Art. 8, 14 Richtlinie 2004/113/EG, Art. 18, 25 Richtlinie 2006/54/EG; s. auch Erwägungsgrund 33 Richtlinie 2006/ 54/EG. 85 Siehe oben § 2.C.VII.1., S. 126 ff., § 8.B.III.1., S. 451 ff. 86 Deinert, DB 2007, 398; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 14. 87 Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 38; Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; s. auch Armbrüster, KritV 2005, 41, 49; zurückhaltender Bauer/Göpfert/ Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; so zu § 611a BGB wohl Löwe, Prävention, S. 224 f.; Möller, Präventionsprinzip, S. 220 ff.; Raab, DStR 1999, 854, 857 sowie s. § 3.F.IV.1., S. 207 ff. 88 KR/Pfeiffer, AGG Rn. 144 sowie s. § 3.F.IV.2., S. 213 ff. 89 Annuß, NZA 1999, 738, 741; Volmer, BB 1997, 1582, 1583. 90 Vgl. Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 30, der aber nicht den Schaden, sondern die Schwere der Persönlichkeitsverletzung als gesetzlich fingiert ansieht. 91 LAG München 19.11.2008 5 Sa 556/08, zit. nach juris; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 51. 92 S. auch Annuß, NZA 1999, 738, 741; KR/Pfeiffer, AGG Rn. 149; Reinhard, NJW 2009, 3533, die die Entscheidung des BAG als Schadensfiktion lesen; so zu § 611a BGB KR/Pfeiffer, 8. Aufl. 2007, § 611a BGB Rn. 108; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 53; Volmer, BB 1997, 1582, 1583.

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aber zur Folge, dass die Entschädigung unabhängig vom tatsächlichen Schaden erfolgt und ein Strafschadensersatz ist, wenn sie grundsätzlich über den regelmäßig eintretenden Schaden – sofern er überhaupt bestimmbar ist – hinausgeht. Die Abhängigkeit des Entschädigungsanspruchs vom konkreten Schaden steht allerdings in keinem Zusammenhang mit den Anforderungen an den Beweis des Schadens. Zum Teil wird angenommen, dass die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG den immateriellen Schaden gesetzlich vermuten.93 Die Entschädigungsansprüche setzen die Richtlinienvorgaben um, die eine wirksame Sanktion erfordern, die zum Ausgleich aller Schäden führt. Das Gesetz vermute daher bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot widerleglich einen Nichtvermögensschaden, zumal keine schwere Persönlichkeitsverletzung erforderlich sei.94 Eine (widerlegliche) Schadensvermutung lässt sich dem Wortlaut der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 AGG nicht direkt entnehmen. Die Formulierung unterscheidet sich nicht von § 253 Abs. 2 BGB, der einen Beweis des Schadens voraussetzt. Nur § 287 Abs. 1 ZPO erleichtert die Anspruchsdurchsetzung, indem er die Ermittlung des Schadens und seiner Höhe der Würdigung der freien Überzeugung des Gerichts überlässt. Eine Schadensvermutung ergibt sich auch nicht zwingend daraus, dass die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG keine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraussetzen95. Der Ausgleich immaterieller Schäden nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 AGG ist im Gegensatz zu § 253 Abs. 2 BGB und den Regelungen in den Gefährdungshaftungsgesetzen nicht von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung abhängig. Zudem setzt der Tatbestand des Entschädigungsanspruchs keine Rechtsgutsverletzung voraus, sondern verlangt nur die Verletzung des Benachteiligungsverbots. Das schließt nicht aus, dass mit einer Benachteiligung im Sinne des § 3 AGG weitere Rechtsgutsverletzungen einhergehen, insbesondere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Bei Belästigungen oder sexuellen Belästigungen treten auch Körperverletzungen, Gesundheitsbeschädigungen oder Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung ein. Der Entschädigungsanspruch bezieht sich aber auf alle ideellen Schäden, die aus der Benachteiligung resultieren. Das macht indes keine Schadensvermutung erforderlich.

93 ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 6; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 6; zu § 611a BGB Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253 (kein Schadensnachweis erforderlich); Schlachter, AP Nr. 1 zu § 15 AGG; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 53; s. ferner Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 51; so wohl auch BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952, das aber nicht ausdrücklich von einer Schadensvermutung spricht; ebenso Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 34; a. A. Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 40; s. auch Annuß, NZA 1999, 738, 741, der aber eine pönale Funktion bejaht. 94 Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 51. 95 Siehe oben § 2.C.VII.2.c., S. 141 f.

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Entscheidend sind vielmehr die europäischen Richtlinien, die im Lichte des Effektivitätsgebots nach Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 288 Abs. 3 AEUV auszulegen sind und daher eine tatsächliche und wirksame Sanktion fordern, die im Wege des Ausgleichs der erlittenen Schäden erfolgen kann.96 Das spricht für eine widerlegliche Vermutung des ideellen Schadens, wenn der Schadensnachweis erschwert ist und somit die Gefahr besteht, dass der Schadensersatzanspruch leer läuft. Die Entschädigungsansprüche nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG bezwecken den Ausgleich von Schäden, die nicht den typischen Gefühlsschäden wie bei Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen entsprechen, die intersubjektiv nachvollziehbar werden, indem an die Rechtsgutsverletzung angeknüpft wird. Auch bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lässt sich der Schaden anhand der Intensität und des Umfangs der Rechtsgutsverletzung bestimmen. Zudem steht für die Rechtsprechung bei der Entschädigung solcher Persönlichkeitsverletzung die Genugtuung des Geschädigten im Vordergrund. Mangels einer Anknüpfung am Umfang der Rechtsgutsverletzung muss sich die Annahme eines Schadens an anderen Kriterien orientieren. Insoweit ist entscheidend, was der ideelle Schaden beim Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot sein kann. Insbesondere das Abstellen auf eine negative Gefühlsbilanz, die bisher als Inbegriff des immateriellen Schadens galt, nährt Zweifel, ob und inwieweit eine unzulässige Benachteiligung überhaupt ideelle Schäden auslöst, solange keine schwere Persönlichkeitsverletzung vorliegt. Eine negative Empfindung kann mit der Benachteiligung verbunden sein, muss es aber nicht. Diese Vorgänge betreffen das forum internum eines Menschen und hängen stark von der subjektiven Einstellung des Betroffenen ab. Somit ist der erlittene Schaden näher zu konkretisieren, um Kriterien für seine Ermittlung zu entwickeln. Der Schadensnachweis ist durch § 287 ZPO zwar erleichtert, es bedarf jedoch hinreichender Anknüpfungstatsachen, um das Ob und die Höhe des Schadens sowie der Entschädigung zu begründen. Angesichts dieser Hindernisse bei der Ermittlung des subjektiven Schadens, die zwangsläufig eine angemessene Entschädigung der ideellen Einbußen erschweren, ist es vor dem Hintergrund der europäischen Richtlinien angezeigt, das Ob des Nichtvermögensschadens widerleglich zu vermuten. Die Höhe ist insbesondere in Anlehnung an die Art der Pflichtverletzung zu bestimmen. Für den Gefühlsschaden ist auf die Kenntnis des Geschädigten von der Benachteiligung Bedacht zu nehmen.

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EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 24, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 24, 28 (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 23 (Dekker).

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2. Immaterieller Schaden infolge einer Benachteiligung a) Ideeller Schaden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Der Entschädigungsanspruch nach §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG ist zwar unabhängig von der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts. Das AGG dient aber dem Schutz der Persönlichkeit und der Würde der Betroffenen vor Zurücksetzungen, die an personenbezogenen Merkmalen anknüpfen.97 Mit der Benachteiligung geht in vielen Fällen eine Persönlichkeitsverletzung einher98, ohne dass die Gewährung der Entschädigung davon abhängt.99 Die Bezugnahme auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht macht aber plausibel, dass mit der Benachteiligung ideelle Schäden verbunden sind. Ansonsten hängt es von der Beschreibung des Nichtvermögensschadens ab, ob mit der Benachteiligung dennoch ein ideeller Schaden einhergeht. Das Abstellen auf die Persönlichkeitsverletzung ist im Grunde eine Hilfsüberlegung, um einen immateriellen Schaden annehmen zu können. Daran zeigt sich, dass erhebliche Unsicherheit darüber besteht, was ein Nichtvermögensschaden ist. Das gilt insbesondere, wenn keine negative Gefühlsbilanz festzustellen ist oder die emotionale Beeinträchtigung nicht feststeht. Insofern muss der Begriff des immateriellen Schadens im Mittelpunkt der weiterführenden Überlegungen stehen. Der Rückgriff auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts soll trotzdem erfolgen. Die Rechtsgutsverletzung gibt eine Orientierung, ob und in welchem Umfang ein Schaden eingetreten ist. Sie kann ein Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Schadens und die Bemessung der Entschädigung sein. Insbesondere Ehrverletzungen sowie Entwürdigungen und Erniedrigungen sind grundsätzlich rechtswidrige Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.100 Eine ehrverletzende und erniedrigende Wirkung haben vor al97

Schiek, Gerechtigkeit, S. 38 f.; s. auch Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 31 f.; WendelingSchröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 31; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 21 Rn. 23. 98 LAG Berlin-Brandenburg 26.11.2008 AuR 2009, 134, 136; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 46; Kocher, AuR 1998, 221, 222; Nollert/Borasio, AGG, § 15 Rn. 19; Rühl/ Schmidt/Viethen, AGG, S. 155; Rust/Falk/Bücker, AGG, § 15 Rn. 58; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 32; zu § 611a BGB Bertelsmann/Pfarr, DB 1994, 1297, 1300; Eisemann, AuR 1988, 225, 231; Kocher, AuR 1998, 221, 223; zurückhaltend Kandler, Sanktionsregelungen, S. 149 ff.; Raab, DStR 1999, 854, 856 f.; a. A. Annuß, NZA 1999, 738, 741; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 257, 261; Herrmann, ZfA 1996, 19, 49; Vollmer, BB 1997, 1582, 1583; Wiese, JuS 1990, 357, 360 f. 99 Siehe oben § 2.C.VII.2.c., S. 141 f.; a. A. Hey, AGG, § 15 Rn. 75; Thüsing, MünchKommBGB, § 15 AGG Rn. 9, der bei mittelbaren Diskriminierungen eine Persönlichkeitsverletzung und folglich einen Schaden verneint; krit auch Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 51. 100 St. Rspr., statt aller BGH 22.12.1959 Z 31, 308 (Alter Herr); 5.3.1963 Z 39, 124 (Fernsehansagerin); 25.3.1992 NJW 1992, 2073; 30.1.1996 NJW 1996, 1131; BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 139; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 500 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 78 ff. Zur Diskriminierung als Persönlichkeitsverletzung BR/Bamberger, BGB,

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lem unmittelbare Benachteiligungen, die die ungünstigere Behandlung des Betroffenen direkt auf eines der unzulässigen Differenzierungsmerkmale im Sinne von § 1 AGG stützen.101 Die Merkmale sind untrennbar mit der Person verbunden, so dass die Schlechterstellung den Betroffenen als Person angreift. Sein Eigenwert als Person wird in Frage gestellt, so dass die unmittelbare Benachteiligung erniedrigende Wirkung hat. Auch mit einer Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG und einer sexuellen Belästigung nach § 3 Abs. 4 AGG geht stets eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einher.102 Mit der sexuellen Belästigung können im Einzelfall zudem eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, eine Körperverletzung und eine Gesundheitsbeschädigung verbunden sein, die immaterielle Schäden verursacht. In diesem Fall besteht neben dem Anspruch aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 825 sowie 823 Abs. 2 BGB i. V. mit einer Sexualstraftat, so dass nach § 253 Abs. 2 BGB ein Ausgleich der Nichtvermögensschäden erfolgt, soweit sie auf den in der Norm aufgezählten Rechtsgutsverletzungen beruhen. Bei unmittelbaren Diskriminierungen wird eine Persönlichkeitsverletzung bezweifelt, wenn sie sich in einer Rücksendung der Bewerbungsunterlagen ohne inhaltliche Begründung erschöpft oder wenn pro forma eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erfolgt. In beiden Fällen wird der unzulässige Unterscheidungsgrund i. S. der §§ 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 AGG nicht ausdrücklich genannt, so dass der Bewerber von der unmittelbaren Benachteiligung gegebenenfalls nichts erfährt und daher nicht emotional betroffen ist. Das ändert indes nichts an der Persönlichkeitsverletzung, sondern stellt primär das Vorliegen eines immateriellen Schadens im Sinne einer negativen Gefühlsbilanz in Frage. Die emotionale Betroffenheit hängt von der Kenntnis oder der Vermutung einer Diskriminierung ab. Die Beschränkung der Persönlichkeitsentfaltung, die mit der Diskriminierung einhergeht und vor der das AGG schützt, bleibt indes bestehen. Wenn und soweit diese Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentfaltung auch als immaterieller Schaden zu qualifizieren sind, ist die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch in diesen Fällen Schadensausgleich. Eine Differenzierung hinsichtlich der Schwere der Persönlichkeitsverletzung ist insbesondere zwischen unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen möglich.103 Bei mittelbaren Benachteiligungen im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG zieht die Literatur in Zweifel, dass es zu einer Verletzung des allgemei101 § 12 Rn. 166; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 501; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 79; Wiese, JuS 1990, 357, 360; s. auch BAG 14.3.1989 AP Nr. 5, 6 zu § 611a BGB. 101 Bertelsmann/Pfarr, DB 1994, 1297, 1300. 102 Walker, NZA 2009, 5, 9. 103 Auf diese Unterscheidung nimmt auch Bezug LAG Berlin-Brandenburg 28.6.2011 NZA-RR 2011, 623, 629.

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nen Persönlichkeitsrechts kommt und ein immaterieller Schaden eintritt.104 Die Schlechterstellung erfolgt durch eine neutrale Bestimmung, die de facto für eine Person oder Personengruppe benachteiligend wirkt, welche durch ein persönliches Merkmal i. S. von § 1 AGG gekennzeichnet ist. Sofern für die Schlechterstellung kein sachlicher und verhältnismäßiger Grund besteht, liegt eine mittelbare Benachteiligung vor. Der damit verbundene Angriff auf den Benachteiligten ist wesentlich schwächer als bei einer unmittelbaren Benachteiligung. Es erfolgt keine direkte Herabwürdigung oder Erniedrigung, so dass auch die Intensität, mit der die Ehre und der Achtungsanspruch der Person beeinträchtigt wird, geringer ist. Das dokumentiert § 3 Abs. 2 AGG, der die faktische Schlechterstellung nicht ausreichen lässt, sondern eine mittelbare Benachteiligung nur annimmt, wenn kein sachlicher und verhältnismäßiger Grund besteht. Die Rechtfertigung ist bereits in den Tatbestand integriert, weil die mittelbare Benachteiligung nur in diesem Fall eine Intensität aufweist, die eine begriffliche Gleichstellung mit den übrigen Benachteiligungen erlaubt.105 Die mittelbare Benachteiligung hat somit keine so intensive Wirkung auf den Betroffenen, so dass nicht in jedem Fall das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt ist. Im Einzelfall kann aber eine nach außen neutrale Handlung genügen. Sofern das neutrale Kriterium für die Benachteiligung nur vorgeschoben ist und dem Betroffenen das bewusst ist, steht er nicht anders als bei einer unmittelbaren Benachteiligung. Es handelt sich in diesen Fällen ohnehin nicht mehr um eine mittelbare, sondern um eine verdeckte Benachteiligung, die der unmittelbaren gleich zu achten ist.106 Das Verdecken der wahren Absichten lässt sich aber nur selten darlegen und beweisen. Sofern eine Benachteiligung erfolgte, die zur Schlechterstellung einer Person wegen eines der inkriminierten Merkmale führt, ohne dass der Handelnde dies beabsichtigte, tritt keine Persönlichkeitsverletzung ein. Etwas anderes gilt höchstens, wenn der Betroffene die Wirkung des neutralen Kriteriums für die diskriminierende Schlechterstellung wahrnimmt und eine abweichende Behandlung von der zuständigen Stelle fordert (primär vom Vertragspartner) und von dieser ohne weitere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen abgewiesen wird.

104 Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 9; so für die mittelbare Entgeltdiskriminierung Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 51 (Entschädigung unverhältnismäßig); nicht alle Verletzungen des Benachteiligungsverbots führen zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, s. Kandler, Sanktionsregelungen, S. 149 ff.; Kocher, AuR 1998, 221, 223; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 110 ff. Anders Lehmann, Höhe des finanziellen Ausgleichs, S. 136 f. 105 Kriterium des sachlichen Grundes als Einschränkung des sehr weiten Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 2 AGG Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 52. 106 Zur verdeckten Benachteiligung Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 3 Rn. 11; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 3 AGG Rn. 15.

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b) Immaterieller Schaden wegen der Beeinträchtigung der Chancengleichheit Eine mittelbare Benachteiligung ist zwar nicht ohne weiteres eine erhebliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sie beeinträchtigt gleichwohl die Chancengleichheit der benachteiligten Person.107 Die Chancengleichheit ist im Grunde ein weiteres, wenn nicht das zentrale Schutzgut des AGG. Die Verletzung der Chancengleichheit ist nicht gleichzusetzen mit der sog. verlorenen Chance. Die Chance setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ihre Realisierung voraus. Ihr Verlust wird im deutschen Zivilrecht nicht ersetzt, da nach § 252 BGB nur der verlorene Gewinn entschädigt wird.108 Das zwingt aber nicht zu dem Schluss, dass auch die Beeinträchtigung der Chancengleichheit ohne Entschädigung bleibt.109 Beim Ersatz verlorener Chancen geht es um den Ausgleich eines Vermögensschadens, wohingegen die Beeinträchtigung der Chancengleichheit nur als ideeller Schaden entschädigt wird. Zudem setzt die Chancengleichheit nicht voraus, dass sich im konkreten Fall eine Wahrscheinlichkeit für die Verwirklichung der Chance bietet. Es erfolgt vielmehr ein Schutz im Vorfeld der Freiheitsverwirklichung, um die Ausgangsbedingungen zu gewährleisten, die für die Entstehung einer Chance und die Verwirklichung tatsächlicher Freiheit notwendig sind. Das AGG verbietet zunächst die Benachteiligung und zielt somit auf die tatsächliche Gleichbehandlung der Betroffenen. Die Schlechterstellung, die mit der unmittelbaren wie mittelbaren Benachteiligung verbunden ist, behindert den Betroffenen in seiner persönlichen Selbstentfaltung, so dass er in der Wahrnehmung seiner tatsächlichen Freiheit beschränkt ist. Der Schutz vor Benachteiligungen beim Zugang zur Beschäftigung und im Zivilrechtsverkehr dient insbesondere der Verwirklichung der materiellen Vertragsfreiheit.110 Es sollen gleiche Ausgangsbedingungen hergestellt werden, so dass der Vertragsschluss nicht wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften ver107 Raab, DStR 1999, 854, 857; s. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 12/ 5468, S. 44, auf den Schutz der Einstellungschance verweisend; vgl. Jacobs, RdA 2009, 193, 195, der sich gegen die Ablehnung der Entschädigung bei mittelbaren Diskriminierungen ausspricht. S. auch BAG 17. 8. 2010 NZA 2011, 153, 157 („Recht der schwerbehinderten Menschen auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren“). In jedem Fall bedarf es aber eines subjektiven Schadens, s. BAG 19.8.2010 NZA 2011, 200, 202. 108 BGH 23.9.1982 NJW 1983, 442, 443; G. Müller, VersR 2006, 1289, 1291; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 28; s. auch Medicus, JZ 2006, 805, 808; krit. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 626; Fleischer, JZ 1999, 766, 769; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 53 ff. 109 Auf die fehlende Einstellungschance des Nicht-Bestbewerbers verweist Schlobach, Präventionsprinzip, S. 130, 137 f. (qualifiziert die Entschädigung des Nicht-Bestbewerbers als Privatstrafe zu beschäftigungspolitischen Zwecken, S. 140 f.). 110 Zum Verhältnis von Chancengleichheit und materieller Freiheit Alexy, Grundrechte, S. 458 ff.; Coester, FS Canaris, Bd. I, S. 115, 120 ff.; Neuner, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz, S. 73, 79 f.

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weigert wird. Somit ist das AGG gleichermaßen Gleichheits- und Freiheitsschutz.111 Die Herstellung und Erhöhung von Chancengleichheit gehört zu den Zielen des AGG.112 Indem das AGG der Benachteiligung wegen der unzulässigen personenbezogenen Differenzierungskriterien entgegenwirkt, tritt es zugleich den tatsächlichen Beschränkungen der Chancengleichheit der Person entgegen und befördert die praktische Ausübung der Freiheitsrechte durch die Person, die von der Schlechterstellung betroffen war oder betroffen gewesen wäre. Dieser Schutz der Freiheitsverwirklichung setzt insbesondere beim Zugang zur Beschäftigung weit im Vorfeld an, indem bereits vor Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren geschützt wird, unabhängig davon, ob der Bewerber ohne die Benachteiligung die Stelle erhalten hätte. Insofern schützt das AGG die benachteiligungsfreie Teilnahme am Einstellungsverfahren, nicht die Einstellungschance im engeren Sinne. Der Regelungszweck des AGG ist von der Zielsetzung der europäischen Richtlinien getragen, die auf einen Abbau der Hindernisse für den Zugang zur Beschäftigung oder zur Versorgung mit Waren und Dienstleistungen hinwirken.113 Somit soll die Entfaltungsfreiheit der schlechter gestellten Personen durch das Verbot und die Sanktion von Diskriminierungen im Sinne dieser Richtlinien verbessert werden. Eine Einschränkung der Sanktion bei mittelbaren Benachteiligungen ist nicht vorgesehen.114 Die Richtlinien sprechen insbesondere von der Förderung der Gleichstellung beispielsweise zwischen den Geschlechtern. Auf diese Weise soll die Verwirklichung der Freiheit der Person befördert werden und damit letztlich die Chancengleichheit. Das belegt Art. 18 S. 2 Richtlinie 2006/54/EG. Danach besteht der Schaden des Bewerbers darin, dass ihm die Beteiligung am Bewerbungsverfahren verweigert wurde.115 Der Schutz gegenüber Diskriminierungen und zugunsten einer Verwirklichung der faktischen Freiheit hat auch ein verfassungsrechtliches Fundament. Das Recht auf faktische Freiheit ist sowohl Teil des Gleichheitsschutzes aus Art. 3 GG als auch des Freiheitsschutzes116, vor allem der grundrechtlich in 111 Schiek, Gerechtigkeit, S. 38 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 135 ff.; zur Herstellung der Chancengleichheit als zulässiger Gegenstand des Privatrechts Coester, FS Canaris, Bd. I, S. 115, 118 f., 120 ff.; Mahlmann, in: Rust, Gleichbehandlungsrichtlinien, S. 47, 59; Neuner, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz, S. 73, 79 f.; abl. Picker, JZ 2003, 540 ff. 112 Raab, DStR 1999, 854, 857; Schiek, Gerechtigkeit, S. 38 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 135 ff.; s. auch Coester, FS Canaris, Bd. I, S. 115, 124. 113 Erwägungsgründe 12, 13 Richtlinie 2000/43/EG; Erwägungsgründe 11, 12 Richtlinie 2000/78/EG; Erwägungsgründe 11, 12 Richtlinie 2004/113/EG; Erwägungsgründe 1, 2, 19 Richtlinie 2006/54/EG. 114 Jacobs, RdA 2009, 193, 195. 115 Siehe § 8.B.III.1., S. 457. 116 Zur Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 GG als objektiv-rechtliches Verfassungsprinzip v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 293; zur Anerkennung eines Rechts auf faktische Freiheit Alexy, Grundrechte, S. 378 ff.

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Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG verbürgten Freiheiten. Insbesondere aus Art. 3 Abs. 2, 3 GG werden Schutzpflichten abgeleitet, die der staatlichen Gewalt aufgeben, der Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts oder wegen eines der in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale entgegenzuwirken.117 Die Beseitigung von Ungleichbehandlungen sichert den geschützten Personen die Ausübung ihrer individuellen Freiheitsrechte. Daher verwirklicht der Schutz vor Benachteiligungen zugleich das Schutzgebot der Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG, das der staatlichen Gewalt aufgibt, die tatsächliche Verwirklichung dieser Freiheit sicherzustellen, so dass ein Minimalschutz im Sinne des Untermaßverbots nicht unterschritten werden darf.118 Gleichheitsschutz kommt insofern der tatsächlichen Freiheitsverwirklichung zugute.119 Darüber hinaus lässt sich der Schutz vor Benachteiligungen wegen personenbezogener Merkmale auch als Ausprägung des Schutzes der Menschenwürde120 und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ansehen121. Schließlich wird er als Teil der Sozialstaatlichkeit begriffen.122 Vor diesem Hintergrund ist die Begründung eines immateriellen Schadens auf zwei Wegen denkbar. Die gesetzliche Anerkennung des Wertes der Chancengleichheit kann zu einer Erweiterung des sachlichen Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen, so dass nicht nur die Selbstbestimmung der Person, sondern auch ihre Selbstentfaltung in dem Maße geschützt sind, wie das AGG sie erfasst.123 Folglich stellt jede Benachteiligung im Sinne 117 Zur Umsetzung der Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 2 GG in § 611a BGB a. F. Eisemann, AuR 1988, 225, 231; Kocher, AuR 1998, 221, 222; s. auch Neuner, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz, S. 73, 84; zur Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 2 GG Dreier/Heun, GG, Art. 3 Rn. 68, 114; Erichsen, Jura 1997, 85, 87; Sachs/Osterloh, GG, Art. 3 Rn. 261 f.; schon vor dem Inkrafttreten des Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG BVerfG 20.3.1963 E 15, 337, 345; 31.5.1978 E 48, 327, 340; anschließend BVerfG 28.1.1992 E 85, 191, 207; 16.11.1993 E 89, 276, 286; zu Art. 3 Abs. 3 GG Canaris, AcP 184 (1984), 201, 235, 238, 243; ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rn. 67; Erichsen, Jura 1997, 85, 87; Isensee/Kirchhof/Sachs, HBStR, Bd. V, 1992, § 126 Rn. 122; Rüfner, BK, Art. 3 Rn. 609; Sachs/Osterloh, GG, Art. 3 Rn. 237; a. A. Neuner, JZ 2003, 57, 60; zweifelnd Dreier/Heun, GG, Art. 3 Rn. 138. 118 Isensee/Kirchhof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 96 (der die Schutzpflicht nur aus dem Freiheitsrecht ableitet); zur Wechselwirkung von Freiheit und Gleichheit auch Erichsen, DVBl. 1989, 289, 295; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 291 f., 295 (die die Schutzpflicht ebenfalls nur auf die Freiheitsrechte und nicht auf Art. 3 Abs. 1 GG stützen). 119 Isensee/Kirchhof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 96. 120 Neuner, JZ 2003, 57, 58, 60; s. auch Isensee/Kirchhof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 96; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 19; auf die Menschenwürde wird auch bei der Ableitung grundrechtlicher Schutzpflichten verwiesen BVerfG 25.2.1975 E 39, 1, 41; 26.5.1981 E 57, 250, 284 f.; 16.12.1983 E 66, 39, 61; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 226; Dietlein, Schutzpflichten, S. 28 ff.; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 53; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 933 f. 121 Z. B. Salzwedel, FS Jahrreiß, S. 339, 349 ff., der aber nur auf eine Entschädigung wegen der schweren Persönlichkeitsverletzung verweist und nicht auf die Chancengleichheit eingeht; s. auch Eisemann, AuR 1988, 225, 231. 122 Dazu Alexy, Grundrechte, S. 380 ff.; Erichsen, DVBl. 1989, 289, 295. 123 Diskriminierungen werden als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dargestellt, OLG Köln 19.1.2010 NJW 2010, 1676; OLG Stuttgart 12.12.2011 NJW 2012, 1085, 1086 f.;

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von § 3 AGG eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, wobei es sich nicht notwendig um eine schwere Verletzung handelt.124 Diese Rechtsgutsverletzung ist zugleich ein Indiz dafür, dass der Benachteiligte eine rechtlich relevante ideelle Einbuße erleidet, so dass ein Nichtvermögensschaden vorliegt. Während der Geltung des § 611a BGB a. F. nahm das BAG die Beschränkung des Benachteiligten in seiner Selbstentfaltungsfreiheit zum Anknüpfungspunkt, um eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu begründen und eine Geldentschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu gewähren.125 Diese Rechtsprechung stand in der Kritik, weil die Selbstentfaltungsfreiheit nicht per se vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst ist und die Rechtsprechung zudem keine erhebliche Persönlichkeitsverletzung vorausgesetzt hatte.126 Bei mittelbaren Benachteiligungen lehnt aber selbst das BAG eine Persönlichkeitsverletzung ab.127 Die Begründung eines Nichtvermögensschadens setzt allerdings nicht zwingend die Erweiterung des sachlichen Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf den Schutz vor Benachteiligungen nach § 3 AGG voraus. Die Chancengleichheit ist ein rechtlich geschütztes Interesse und zumindest im Anwendungsbereich des AGG vor Benachteiligungen im Sinne von § 3 AGG durch ein sanktionsbewehrtes Verbot geschützt. Jede Benachteiligung führt damit für die Betroffenen zur Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses, das als Schaden angesehen werden kann.128 Das AGG setzt für die Gewährung einer Entschädigung zudem nur eine Benachteiligung voraus, so dass die Entschädigung solcher Einbußen möglich ist. Eine konkrete Chance auf Einstellung oder Beförderung besteht zwar nur für Bestbewerber, bei allen übrigen Bewerbern ist die gleichberechtigte Partizipation am Bewerbungsverfahren betroffen. Auch darin verwirklicht sich materielle Freiheit. Bei benachteiligenden Arbeitsbedingungen ist ebenfalls die Verwirklichung der materiellen Vertragsfreiheit beeinträchtigt. Die Anerkennung eines immateriellen Schadens hängt somit nicht notwendig davon ab, ob die erlittene Einbuße tatsächlich in einer negativen Gefühlsbilanz bestehen muss. Sofern die Verletzung der Chancengleichheit unabhängig von den emotionalen Auswirkungen ein ideeller Schaden ist, kann jede Benachteiligung im Sinne von § 3 124 BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 166; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 501; Wiese, JuS 1990, 357, 360; krit. zur Erweiterung des Schutzbereichs Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 79, 133. 124 Krit. Herrmann, ZfA 1996, 19, 49, der zwischen einem Berühren des Persönlichkeitsrechts und seiner Verletzung unterscheidet; ähnlich Wiese, JuS 1990, 357, 360 zu § 611a BGB a. F. 125 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB; 14.3.1989 AP Nr. 6 zu § 611a BGB; siehe § 2.C.VII.1., S. 128 f. 126 Franzen, Rechtsvereinheitlichung, S. 408 ff. 127 BAG 14.3.1989 AP Nr. 6 zu § 611a BGB. 128 KR/Pfeiffer, 8. Aufl. 2007, AGG Rn. 149; so auch Deinert, AP Nr. 1 zu § 15 AGG.

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AGG einen Nichtvermögensschaden begründen.129 Es kommt nur darauf an, dass die Chancengleichheit des Benachteiligten negativ betroffen ist. Die Intensität der Beeinträchtigung beeinflusst den Umfang des Schadens.130 Im Rahmen der Reformulierung des Begriffs des immateriellen Schadens ist dies abschließend zu entscheiden.131 3. Keine Entschädigung bei professionellen Diskriminierungsklägern Bei professionellen Diskriminierungsklägern132, die sich gezielt auf diskriminierende Stellenanzeigen bewerben, um danach eine Entschädigung einzuklagen, fehlt es generell an einem Schaden.133 Sie bewerben sich nicht ernsthaft und streben nicht die Verwirklichung ihrer materiellen Vertragsfreiheit an, so dass sie weder in ihrer Selbstentfaltungsfreiheit noch in ihrer Chancengleichheit beeinträchtigt werden. Auch emotional sind sie in der Regel nicht betroffen. Daher können sie mangels eines Schadens keinen Anspruch auf Entschädigung aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG haben. Auch Rechtsprechung und Literatur lehnen einen Entschädigungsanspruch für professionelle Diskriminierungskläger ganz überwiegend ab.134 Sie verneinen bereits die Bewerbereigenschaft des Klägers, so dass keine Benachteiligung i. S. von § 7 Abs. 1 AGG vorliege. Das BAG lehnte schon bei der Anwendung von § 611a BGB a. F. die Bewerbereigenschaft ab, wenn die Bewerbung nicht subjektiv ernsthaft war und der Kläger objektiv in keiner Weise auf die ausgeschriebene Stelle passte.135 Auch nach § 6 Abs. 1 S. 2 AGG wird für den Bewerberbegriff nicht formal auf das Einreichen einer Bewerbung abgestellt, sondern vielmehr eine ernsthafte Bewerbung vorausgesetzt (materieller

129 Krit. Schlobach, Präventionsprinzip, S. 130 (sieht darin eine Gleichsetzung von Rechtsgutsverletzung und Schaden im Sinne eines objektiven Schadensbegriffs). 130 So bereits zu § 611a BGB a. F. Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB. 131 Siehe dazu § 11, S. 523 ff. 132 Pfarr, RdA 1995, 204, 208; Diller (BB 2006, 1968; NZA 2007, 1321) bezeichnet solche Bewerber als AGG-Hopper. 133 Adomeit/Mohr, AGG, § 3 Rn. 43; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 6 (Widerlegung des vermuteten immateriellen Schadens); Kern, Diskriminierungskläger, S. 141 f. 134 BAG 19.8.2010 NZA 2011, 200, 201; 7.4.2011 NZA-RR 2011, 494, 496; LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126, 130; LAG Rheinland-Pfalz 11.1.2008 NZA-RR 2008, 343; LAG Hamburg 19.11.2008 3 Ta 19/08, zit. nach juris; LAG Hamm 26.6.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 5; LAG Schleswig-Holstein 9.12.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 7; OLG Karlsruhe 13.9.2011 NZA-RR 2011, 632, 635; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 6 Rn. 10; Däubler/Bertzbach, AGG, § 7 Rn. 9; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 53; Deinert, DB 2007, 398, 400; ErfK/Schlachter, AGG, § 6 Rn. 3; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 27; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 26; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 37; Wank, AP Nr. 1 zu § 82 SGB IX; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 10, 33; so zu § 611a BGB BAG 12.11.1998 NZA 1999, 371, 373; LAG Berlin 30.3.2006 NZA-RR 2006, 513, 514; 14.7.2004 NZA-RR 2005, 124, 125; LAG Baden-Württemberg 13.8.2007 ZGS 2007, 367; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 25. 135 Siehe Fn. 134.

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Bewerberbegriff).136 Dazu sind die Umstände des Einzelfalls umfassend zu würdigen. Die subjektive Ernsthaftigkeit scheidet nicht aus, weil sich der arbeitslose Bewerber mit unterhaltsberechtigten Kindern im gesamten Bundesgebiet auf verschiedene Stellen bewirbt, um eine Tätigkeit zu bekommen.137 Vielmehr müssen sich aus der Vorgehensweise Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Handeln nur wegen des Entschädigungsanspruchs erfolgte.138 Einer Einzelfallprüfung bedarf es auch, soweit für einen Bewerber im materiellen Sinne gefordert wird, dass er für die ausgeschriebene Stelle überhaupt objektiv geeignet sein muss. Dabei wird auf die offensichtliche Über- oder Unterqualifikation sowie die Tätigkeit in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis abgestellt.139 Angesichts der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit kann es auf die objektive Eignung grundsätzlich nicht ankommen. Jeder muss sich nach seiner Wahl auf ausgeschriebene Stellen bewerben können. Die mangelnde objektive Eignung indiziert höchstens einen Mangel an Ernsthaftigkeit bei der Bewerbung und ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu würdigen. Alternativ zur Auslegung des § 6 Abs. 1 S. 2 AGG im Sinne eines materiellen Bewerberbegriffs wird der Begriff der Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 AGG teleologisch interpretiert, so dass bei professionellen Diskriminierungsklägern keine Benachteiligung vorliege.140 § 7 Abs. 1 AGG strebt ebenso wie die europäischen Richtlinien141 einen diskriminierungsfreien Zugang zur Beschäftigung an.142 Ein solches Zugangshindernis kann nicht vorliegen, wenn die formal als Bewerber auftretende Person tatsächlich keine Beschäftigung erstrebt. Diese Auslegung des Benachteiligungsbegriffs hat wie der materielle Bewerberbegriff den Nachteil, dass der Anspruchsinhaber die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung darlegen und beweisen muss. Das wird zum Teil als richtlinienwidrig angesehen, weil es die Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs erschwert.143 Die Richtlinien fordern übereinstimmend eine wirksame 136 Siehe Fn. 134; s. auch Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 6 Rn. 10; Franzen, AnwK-BGB, § 611a Rn. 31; Raab, DStR 1999, 854, 855 (teleologische Reduktion des Bewerberbegriffs). 137 LAG Hamm 26.6.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 5; LAG Hamburg 19.11.2008 3 Ta 19/08, zit. nach juris; LAG Schleswig-Holstein 9.12.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 7. 138 LAG Hamm 26.6.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 5; LAG Hamburg 19.11.2008 3 Ta 19/08, zit. nach juris; LAG Schleswig-Holstein 9.12.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 7; zu den Indizien ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 12; Jacobs, RdA 2009, 193, 199; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 10. 139 BAG 27.4.2000 EzA § 611a BGB Nr. 14, S. 10; LAG Berlin 30.3.2006 NZA-RR 2006, 513, 514. 140 Erman/Hanau, BGB, 10. Aufl. 2000, § 611a Rn. 16; Franzen, AnwK-BGB, § 611a Rn. 31; Raab, DStR 1999, 854, 855; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 48; so wohl auch BAG 27.4.2000 8 AZR 295/99; LAG Hamburg 19.11.2008 3 Ta 19/08, beide zit. nach juris. 141 Erwägungsgründe 12, 13 Richtlinie 2000/43/EG; Erwägungsgründe 11, 12 Richtlinie 2000/78/EG; Erwägungsgründe 11, 12 Richtlinie 2004/113/EG; Erwägungsgründe 1, 2, 19 Richtlinie 2006/54/EG. 142 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 25 f. 143 Walker, SAE 2000, 64, 66; anders in NZA 2009, 5, 6.

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und effektive Sanktion der Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot. Der Benachteiligte könnte sich zwar angesichts der formalen Bewerbung auf den Beweis des ersten Anscheins berufen. Nach dem Erschüttern des Anscheins ist aber der Vollbeweis zu führen. Insofern belastet diese Auslegung des Bewerber- bzw. Benachteiligungsbegriffs den Benachteiligten und erschwert die Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs.144 Zudem ist die materielle Auslegung des Bewerberbegriffs unnötig, um professionellen Diskriminierungsklägern entgegenzuwirken. Der Beklagte kann sowohl den (vermuteten) immateriellen Schaden bestreiten als auch den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) erheben.145 Für den Beklagten besteht die Schwierigkeit darin herauszufinden, ob und auf welche anderen Stellen sich der Bewerber beworben hat, um den Mangel an Ernsthaftigkeit nachzuweisen. Bei der Anwendung eines materiellen Bewerberbegriffs muss der Beklagte den ersten Anschein nur erschüttern. Für die Einrede des Rechtsmissbrauchs im Prozess ist er dagegen im vollen Umfang beweisbelastet, ebenso für die Widerlegung des immateriellen Schadens. Diese zusätzliche Belastung ist aber angesichts der Richtlinienvorgaben für eine wirksame und effektive Sanktion hinzunehmen.146 Im Einzelfall mag dies dazu führen, dass ein professioneller Diskriminierungskläger einen Entschädigungsanspruch durchsetzen kann. Das ist aus der Perspektive des Gesetzeszwecks und des Ziels der Richtlinien jedoch eher hinzunehmen als eine Belastung des Benachteiligten mit Darlegung und Beweis, mit der Folge, dass er seine Ansprüche gegebenenfalls nicht durchsetzen kann. Zudem verbieten sich bei der Annahme eines Rechtsmissbrauchs schematische Annahmen, die verschiedenen Indizien sind vielmehr zurückhaltend zu bewerten.147 Eine abweichende Beurteilung des Entschädigungsanspruchs eines professionellen Diskriminierungsklägers ist nur erforderlich, wenn der Entschädigungsanspruch nicht bloßer Anspruch auf Schadensausgleich ist, sondern im Sinne der europäischen Richtlinien einen Verhaltensstandard durchsetzen 144 Zur Beweislastverteilung auch Kern, Diskriminierungskläger, S. 152 f., aber mit anderem Verständnis des Bewerberbegriffs. 145 Für den Rechtsmissbrauchseinwand Jacobs, RdA 2009, 193, 199; für den Rechtsmissbrauchseinwand neben der Ablehnung der Benachteiligung LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126, 130; LAG Rheinland-Pfalz 11.1.2008 NZA-RR 2008, 343, 344; LAG Hamm 26.6.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 5; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 53; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 9, 12; Rudolf/Mahlmann/Voggenreiter, AGG, § 8 Rn. 72; Rust/Falke, AGG, § 22 Rn. 94; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 44 f.; Thüsing, MünchKommBGB, § 15 AGG Rn. 18; s. auch Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 26; zu § 611a BGB LAG Hamm 22.11.1996 NZA-RR 1997, 203, 206; Ehrich, BB 1996, 1007; Kandler, Sanktionen, S. 208 ff.; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 91. Auf § 242 BGB zurückgreifend: BAG 13.10.2011 BB 2011, 2675. 146 Für den Einwand des Rechtsmissbrauchs Jacobs, RdA 2009, 193, 199; Walker, SAE 2000, 64, 66. 147 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 54; Jacobs, RdA 2009, 193, 199.

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soll.148 Das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG erfasst alle Benachteiligungen beim Zugang zur Erwerbstätigkeit. Sofern der professionelle Diskriminierungskläger eine Entschädigung erhielte, obwohl er keinen Zugang zu Beschäftigung anstrebt und keinen Schaden erleidet, handelte es sich nicht mehr um einen Schadensersatzanspruch, sondern um eine Privatstrafe, die unabhängig vom Schaden zugesprochen werden kann. Die Qualifikation der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG als Privatstrafe oder als Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion ist umstritten und hängt von der Auslegung der europäischen Richtlinien und der Beurteilung der Zulässigkeit einer solchen Entschädigung nach nationalem Recht ab.149 Zugleich ist dabei zu berücksichtigen, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs, der den Entschädigungsanspruch bei professionellen Diskriminierungsklägern nach hiesigem Verständnis ausschließt, ein im Europarecht bekannter Grundsatz ist150 und bei der Auslegung und Anwendung der Richtlinien beachtet werden kann. VI. Zusammenfassung Die Entschädigung ideeller Einbußen hat nach vorherrschender Ansicht eine Ausgleichsfunktion. Anders als bei Vermögensschäden ist wegen der Inkommensurabilität der Nichtvermögensschäden indes keine Kompensation durch einen Ausgleich der bilanziellen Einbuße in Geld möglich. Dem nähert sich die Beschreibung der Kompensation als Verschaffung von Annehmlichkeiten zwar an, indem sie auf einen Ausgleich durch Freude für Leid abstellt. Die Metapher sollte wegen ihrer geringen Aussagekraft aber aufgegeben werden, zumal es zu einer Vermischung von Naturalrestitution und Kompensation kommt und sich die Bemessung der Entschädigung nicht an den zu verschaffenden Annehmlichkeiten orientiert. Die ausschließliche Abhängigkeit des subjektiven Schadens vom Gefühl schlösse zudem die Entschädigung für empfindungsunfähig gewordene Personen aus. Die Entschädigung ideeller Einbußen setzt einen subjektiven Schaden voraus. Das gilt auch für die Entschädigungsansprüche nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG. Der Schaden ist zwar widerleglich zu vermuten, aber nicht zu fingieren. Er besteht nicht nur in den Einbußen infolge einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sondern auch in dem Verlust von 148 Mohr, Diskriminierungen, S. 125 f.; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 35, 46; zu § 611a BGB Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 254; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 91 f., 93; Volmer, BB 1997, 1582, 1584; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 355 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 222 f., 224; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 158 ff. 149 Siehe unten § 8.B.III.2., S. 457 ff. 150 EuGH 3.12.1974 Slg. 1974, 1299 Rn. 21 (van Binsbergen); 5.10.1994 Slg. 1994, I-4795 Rn. 20 f. (TV10); 21.6.1988 Slg. 1988, 3161 Rn. 43 (Lair); 2.5.1996 Slg. 1996, I-2357 Rn. 24 (Paletta II); 9.3.1999 Slg. 1999, I-1459 Rn. 24 (Centros); dazu Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 53.

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Chancengleichheit. Ein objektiver Schadensbegriff, der die Rechtsverletzung und den Schaden gleichsetzt, hat sich nicht allgemein durchgesetzt. Er wird aber für Teilbereiche des Ersatzes immaterieller Schäden vorgeschlagen, um Defizite des Schadensausgleichs zu beheben. Damit entfernt sich die Entschädigung jedoch vom Schadensersatz und entwickelt sich zu einem Rechtsgüterschutz mit Strafcharakter. Daher ist es vorzugswürdig, die Ausgleichsfunktion und den ersatzfähigen Schaden so zu beschreiben, dass die bestehenden Defizite beseitigt werden.

C. Überwindungstheorie Die Ausgleichsfunktion stieß in den 1950er Jahren wegen der Eigenarten des ideellen Schadens zum Teil auf Ablehnung.151 Im Vordergrund der Kritik stand die Unmöglichkeit des Schadensausgleichs. Weder der Schädiger noch ein Dritter seien in der Lage, den Schaden in Form von Schmerzen oder Leiden zu beseitigen und die Unversehrtheit des Geschädigten wiederherzustellen.152 Nur der Geschädigte selbst könne die Einbuße überwinden.153 Die Zahlung eines Geldbetrags nehme darauf höchstens indirekt Einfluss, indem sie den Anreiz dazu setze.154 Schließlich stehe die Inkommensurabilität des Nichtvermögensschadens einer Entschädigung in Geld entgegen, da sie keinen Ausgleich im engeren Sinne bewirken könne.155 Zur Rechtfertigung des Schadensersatzes stellen die Vertreter der Überwindungstheorie darauf ab, ob und inwieweit die Zahlung eines Geldbetrags dem Geschädigten das Überwinden seines Schadens erleichtert.156 Für die Bemessung der Entschädigung seien die Aufwendungen maßgeblich, die den Geschädigten von materiellen Sorgen entlasten bzw. ihm neue Seiten des Lebens zugänglich machen. Die Ermittlung des Schadens orientiert sich nach diesem Verständnis nicht an der Dauer und Intensität der Rechtsgutsverletzung, sondern an der Lebenshemmung, die infolge der Schädigung für den Betroffenen eingetreten ist.157 Dabei wird der medizinisch-psychologische Befund berücksichtigt158 und er151 Eickhoff, Bemessung, S. 62 ff.; zust. Remé, Aufgaben des Schmerzensgeldes, S. 55 ff.; s. auch Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 81 (sieht in der Überwindungstheorie eine sinnvolle Ergänzung der Ausgleichsfunktion, um die Höhe der Entschädigung zu bestimmen). 152 Eickhoff, Bemessung, S. 66, 78. 153 Eickhoff, Bemessung, S. 66, 78. 154 Eickhoff, Bemessung, S. 66, 78. 155 Eickhoff, Bemessung, S. 66, 78. 156 Eickhoff, Bemessung, S. 62 ff.; krit. Druey, Forderung, S. 66 f. (setzt voraus, dass der Verletzte ein Verhältnis zu Geld hat; Gefahr der Begehrensneurose). 157 Eickhoff, Bemessung, S. 97 ff., 110 f.; Remé, Aufgaben des Schmerzensgeldes, S. 59 ff., 85 ff. 158 So auch Bötticher, 45. DJT, Bd. II, C 1, 12; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 82; Niemeyer, Genugtuung, S. 77; Schmid, Schmerzensgeld, S. 100, die aber die Ausgleichsfunktion nicht verabschieden.

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mittelt, wie schwer es für den Geschädigten ist, in sein früheres Leben zurückzufinden. Es erfolgt eine objektivierende Betrachtung, die von subjektiven Faktoren wie der Empfindlichkeit oder Wehleidigkeit des Geschädigten unbeeinflusst bleibt, damit keine Begehrensneurosen entstehen.159 Die Überwindungstheorie reagiert vor allem auf die Grenzen der Naturalrestitution beim Ausgleich immaterieller Schäden. Die Entschädigung ist jedoch eine Kompensation des Schadens in Geld und somit von den Hindernissen für eine Naturalrestitution unabhängig. Das Anknüpfen an die Anstrengungen des Geschädigten, um den Schadensfall zu überwinden, ist zu sehr auf die Wiederherstellung im Sinne einer Naturalrestitution bezogen. Die Kompensation in Geld erfolgt zudem, ohne dass der Geschädigte in der Verwendung des Entschädigungsbetrags gebunden ist. Der Überwindungstheorie stehen somit die gleichen Einwände wie der Metapher entgegen, die den Ausgleich immaterieller Schäden in Geld mit der Verschaffung von Lebensfreude und Annehmlichkeiten begründet. Die Wiederherstellung des Zustands ohne das schädigende Ereignis nach § 249 BGB und die Entschädigung des ideellen Schadens nach § 253 Abs. 2 BGB werden vermischt. Dass die Mitwirkung des Geschädigten und die Aufwendungen berücksichtigt werden, die ein Überwinden des Schadens ermöglichen, kann nur plausibel machen, warum eine Entschädigung in Geld eine Kompensation für einen ideellen Schaden sein kann, obwohl es sich um eine personenbezogene inkommensurable Einbuße handelt, die nicht im engeren Sinne „ent“schädigt wird. Für Lorenz ist die Überwindungstheorie eine Reaktion darauf, dass sich Gefühlsschäden weder schätzen noch mit Geld ausgleichen lassen, ohne die Persönlichkeit des Geschädigten vollständig zu durchleuchten.160 Sie ziehe daher einen objektiven Maßstab heran, um dieses Problem zu überwinden. Das betrifft aber nur die objektivierende Bemessung der Entschädigung, die lediglich ein Teil der Überwindungstheorie ist. Daneben beschreibt sie die Funktion des Schadensersatzes und geht davon aus, dass der Schaden aus den erlittenen Schmerzen und Leiden besteht, so dass er als subjektiv empfundene Einbuße verstanden wird. Die Überwindungstheorie ist im Ergebnis abzulehnen, aber sie hat zutreffend die Schwächen der Ausgleichsfunktion herausgearbeitet. Bei Vermögensschäden kann die Entschädigung den Geschädigten zumindest bilanziell so stellen, dass keine Einbuße in seinem Vermögen zurückbleibt, auch wenn sich der Zustand ohne das schädigende Ereignis nicht wieder herstellen lässt. Das ist bei immateriellen Schäden ausgeschlossen. Die Metapher von der Verschaffung von Lebensfreude und die Überwindungstheorie sind zwei Versuche, diesen Unterschied zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu 159 160

Eickhoff, Bemessung, S. 97 ff., 110 f.; Remé, Aufgaben des Schmerzensgeldes, S. 87 f. E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 46 f.

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überbrücken, damit die Entschädigung solcher Einbußen nicht ausgeschlossen ist. Beide Herangehensweisen verstehen den immateriellen Schaden als Gefühlsschaden.

D. Genugtuungsfunktion I. Einordnung der Genugtuungsfunktion in die Zwecke des Schadensausgleichs Bereits vor dem Inkrafttreten des BGB wies von Jhering dem Ausgleich immaterieller Schäden im Rahmen der deliktischen Haftung nicht nur eine Äquivalenzfunktion, sondern auch eine Satisfaktions- und Straffunktion zu, deren Gehalt jedoch offen blieb.161 Das RG und der BGH beschränkten die Funktion des Entschädigungsanspruchs zunächst auf die Ausgleichsfunktion, die die Verschaffung von Lebensfreude zum Zweck der Entschädigung erhebt.162 Seit der Entscheidung des Großen Senats im Jahre 1955 erkennt der BGH auch eine Genugtuungsfunktion der Entschädigung an.163 Die Besonderheiten des immateriellen Schadens – vor allem seine Inkommensurabilität – und die Zurückhaltung gegenüber seiner Entschädigung haben die Anerkennung der Genugtuungsfunktion begünstigt, die zugleich eine vollständige Gleichstellung mit dem Vermögensschaden verhindert.164 Inhalt und Bedeutung dieser Funktion und ihr Verhältnis zur Ausgleichsfunktion waren stets umstritten. Teilweise gilt sie nur als Aspekt der Ausgleichsfunktion, teilweise als eigenständige Funktion, die nicht nur Nebeneffekt der kompensatorischen Entschädigung ist. Teilweise wird sie vollständig abgelehnt, weil die Entschädigung sich ansonsten in eine unzulässige Privatstrafe wandle. Dieser Auseinandersetzung entzog die Schadensersatzreform von 2002 nicht vollständig die Grundlage. Die Gesetzgebungsmaterialien gehen zwar davon aus, dass die Genugtuungsfunktion nur von untergeordneter Bedeutung sei.165 Bei der Haftung für Vorsatz behielte sie aber ihre Bedeutung, vor allem bei grob rücksichtslosem, verwerflichem Verhalten oder bei der Er161 v. Jhering, JhJb. 18 (1880), 1, 51 ff., 60; im Anschluss daran Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 22 ff.; s. auch Binding, Normen, Bd. I, S. 415, der auch darauf verweist, dass satisfactio in der lateinischen Fassung der germanischen Volksrechte die Bezeichnung für alle Leistungen an den Verletzten ist. 162 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 226; s. auch RG 7.4.1932 Z 136, 60, 61 f. (Berücksichtigung des Verschuldens nur, soweit es verbitternd und somit schadenserhöhend wirkte); 6.3.1940 Z 163, 87, 88 f. 163 St. Rspr., BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 150; 13.10.1992 Z 120, 1, 4 f.; 13.2.1993 VersR 1993, 585; 29.11.1994 Z 128, 117, 120 f.; s. auch OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185; KG 15.3.2004 NZV 2005, 311, 312; OLG Brandenburg 28.9.2004 VersR 2005, 953. 164 Dazu Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125. 165 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14 f.; verweisend auf Geiß, DAR 1998, 416, 420; G. Müller, ZRP 1998, 258, 260.

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niedrigung des Geschädigten durch körperliche Misshandlung.166 Dagegen spiele sie bei der Gefährdungshaftung keine Rolle.167 Ihr Hauptanwendungsfall ist gegenwärtig die Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.168 Die Diskussion über die Genugtuungsfunktion wird heute in der Auseinandersetzung über zulässige pönale Elemente im Zivilrecht und die Einführung von Privatstrafen fortgeführt.169 Um der Dichotomie von Schadensersatz und Privatstrafe zu entgehen, wird teilweise eine selbständige Präventionsfunktion anerkannt, die erlaube, überkompensatorische Entschädigungen zuzusprechen.170 II. Genugtuung als ergänzender Aspekt beim Ausgleich ideeller Schäden Der BGH und ein großer Teil der Literatur betrachten die Genugtuungsfunktion als bloße Ergänzung der Ausgleichsfunktion, die dem Schadensersatz primär zugrunde liege.171 Ursache für den Rückgriff auf den Genugtuungsgedanken waren zunächst Defizite beim Schadensausgleich, weil auf das Gewähren von Annehmlichkeiten und Lebensfreude abgestellt wurde.172 Diese Metapher versagte bei Geschädigten, die infolge des Schadensfalls empfindungsunfähig wurden oder die finanziell so gut gestellt waren, dass ihnen die Entschädigung keine zusätzliche Annehmlichkeit verschaffen kann, die ihnen sonst nicht zu166

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25; BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 154 ff.; 13.10.1992 Z 120, 1, 4 f.; 29.11.1994 Z 128, 117, 120 f.; 16.2.1993 VersR 1993, 585; 29.11.1994 NJW 1995, 781, 782; 16.1.1996 VersR 1996, 382; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393; Larenz, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 592; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 426; Schmid, Schmerzensgeld, S. 88. 167 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25; OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393. 168 Z. B. BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 353 (Herrenreiter); 19.9.1961 Z 35, 363, 369 (Ginsengwurzel); 5.3.1963 Z 39, 124, 133 f. (Fernsehansagerin); 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); Bötticher, 45. DJT, Bd. II, C 7, 15; Helle, Schutz der Persönlichkeit, S. 222; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 356; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125; Schmid, Schmerzensgeld, S. 88; Stoll, 45. DJT, S. 149 ff. 169 Siehe unten § 16.D.II., S. 720 ff. 170 Siehe unten § 16.D.II., S. 720 ff. 171 BGH 6.7.1955 Z 18, 149 ff., 154, 156; 4.6.1992 Z 118, 312, 339; 29.11.1994 NJW 1995, 781, 782. Genugtuung als besondere Ausprägung des Ausgleichsgedankens Bötticher, AcP 158 (1959/60), S. 385, 398; Ehlers, Geldersatz, S. 184 f.; Erman/Schiemann, BGB, 10. Aufl. 2000, § 847 Rn. 1 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 170; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 244 f.; H. A. Fischer, Schaden, S. 262 ff.; Göbel, Geldentschädigung, S. 127; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 356; Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 31, 44; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 437 f.; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 476; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 592; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 4; G. Müller, VersR 1993, 909, 910; Schmid, Schmerzensgeld, S. 85; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 275; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 14; Steffen, NJW 1997, 10, 11 f.; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829, 841; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 55 f.; s. auch Honsell, VersR 1974, 205, 205 f. (die Entwicklung der Genugtuungsfunktion als überflüssig kritisierend). 172 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156 f.

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gänglich wäre.173 In diesen Fällen griff der BGH zunächst auf den Genugtuungsgedanken zurück, um eine symbolische Entschädigung zur Besänftigung der verletzten Gefühle des Geschädigten zuzusprechen. Später verwies er auf die objektiven Wertungen der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, um die Entschädigung zu begründen.174 Daneben begründet die Rechtsprechung den Rückgriff auf den Genugtuungsgedanken mit der Inkommensurabilität der immateriellen Schäden.175 Die Entschädigung sei nicht zu berechnen, so dass nicht allein die Ausgleichsfunktion maßgeblich sein könne. Dem helfe der Genugtuungsgedanke ab, an dem sich der Umfang der Entschädigung ausrichten lasse, ohne das Ziel des Schadensausgleichs aufzugeben.176 Dieser erfolge vielmehr auf anderer Ebene177. Im Grunde verweist diese Argumentation auf die beinahe arbiträre Zuordnung des Entschädigungsbetrags, die der Genugtuungsgedanke überwinden soll, indem ein Betrag zugesprochen wird, der die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls bewirkt.178 Teilweise gilt die Entschädigung auch als Ausgleich für erlittenes Unrecht oder Kränkung sowie als Sühne, die dem Abbau von Aggression und der Wiederherstellung des beeinträchtigten Selbstwertgefühls des Geschädigten diene.179 Insbesondere bei vorsätzlichen Verletzungen, bei rücksichtslosem, verwerflichem Verhalten oder bei Erniedrigungen durch körperliche Misshandlung sei die Genugtuung von Bedeutung.180 Sie lasse den 173

BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 157; ähnlich Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 435; zu den empfindungsunfähigen Opfern Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 113, der aber in der Genugtuung aber eine Privatstrafe sieht. 174 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5 ff.; bestätigend BGH 16.2.1993 VersR 1993, 585, 586; 29.11.1994 Z 138, 388, 392. 175 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 244 f.; Göbel, Geldentschädigung, S. 124; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 55; s. auch Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 395 (Genugtuung als Synonym für mangelnde Bemessbarkeit bzw. Unwägbarkeit des Schadens). 176 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 154, 156. 177 Ehlers, Geldersatz, S. 181 („subjektiv empfundene Befriedigung“); Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 477 („Art der Wiedergutmachungsgedankens“); Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56. 178 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 154; 29.11.1994 Z 128, 117, 121; s. dazu Deutsch, JuS 1969, 197, 201; Eickhoff, Bemessung, S. 83; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 308 f.; Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 39; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 435; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 2; G. Müller, VersR 1993, 909, 910; Niemeyer, Genugtuung, S. 38, 119; Schmid, Schmerzensgeld, S. 86; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56 f.; darüber hinausgehend Kern, AcP 191 (1991), 245, 249. 179 Eickhoff, Bemessung, S. 85; Erman/Schiemann, BGB, 9. Aufl. 1993, § 847 Rn. 2; Lange/ Schiemann, Schadensersatz, S. 436; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 2; Niemeyer, Genugtuung, S. 38 f.; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 55. 180 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 154 ff.; 13.10.1992 Z 120, 1, 4 f.; 16.2.1993 VersR 1993, 585; 29.11.1994 Z 128, 117, 120 f.; 16.1.1996 VersR 1996, 382; OLG Köln 17.5.2006 NZV 2006, 204, 205; OLG Saarbrücken 27.11.2007 NJW 2008, 1166, 1168; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393; Larenz, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 592; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 426; Schmid, Schmerzensgeld, S. 88.

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Ausgleich immaterieller Schäden aber nicht zur Privatstrafe werden.181 Es gehe nicht um Rache oder einen dem Zivilrecht fremden Präventionsgedanken.182 Vielmehr erfolgt eine objektivierende Betrachtung, damit nicht das subjektive Rachegefühl des Geschädigten ausschlaggebend ist. Die Höhe der Entschädigung sei vom Verschulden und den Vermögensverhältnissen des Schädigers abhängig.183 Schließlich lässt sich nach diesem Verständnis mittels der Genugtuung die Verbitterung des Geschädigten über den Schadensfall erfassen und als Gefühlsschaden ausgleichen.184 Im Grunde umfasst sie die in der vorsätzlichen Verletzung liegende Erniedrigung, die zugleich eine schwere Persönlichkeitsverletzung darstellt und somit den Nichtvermögensschaden erhöht. Das lockert die Beschränkungen der Entschädigung auf die aufgezählten Rechtsgutsverletzungen nach § 253 Abs. 2 BGB geringfügig. Die Genugtuung ist nach dieser Ansicht kein Nebeneffekt des Schadensausgleichs, sondern hat eigenständige Bedeutung. Die Genugtuungsfunktion blieb aber stets auf die Entschädigung von Nichtvermögensschäden beschränkt. Darin liegt in der Regel keine Ungleichbehandlung der materiellen und immateriellen Schäden. Eine Persönlichkeitsverletzung infolge einer vorsätzlichen Verletzung, die von der Genugtuungsfunktion erfasst wird, tritt grundsätzlich nur bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter ein. Im Übrigen ist der Bezug zur Person nicht so eng, dass die Verletzung zu einer Erniedrigung führt. Eine überkompensatorische Entschädigung wird nicht explizit auf die Genugtuung gestützt.185 Der Genugtuungsgedanke hilft den Schwierigkeiten bei der Bemessung der Entschädigung aber nicht grundlegend ab. Der Begriff der Genugtuung hat nur vage Konturen, und die Entschädigung wird weiterhin anhand des Umfangs der Rechtsgutsverletzung geschätzt, der als Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Schadens dient. Das ergibt sich bereits aus der Ausgleichsfunktion, die auf den Schaden abstellt, um die Beurteilung nicht von der Darlegung des subjektiven Empfindens des Geschädigten abhängig zu machen. Diese objektivierende Betrachtung orientiert sich am ideellen Schaden eines 181 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 151, 155; ebenso BGH 29.11.1994 Z 128, 117, 121; Göbel, Geldentschädigung, S. 124 ff.; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 150; Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 39; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 435; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56; offen lassend Mot. II, S. 802. 182 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 157; 2.12.1975 NJW 1976, 1145, 1146, 1147; 29.11.1994 Z 128, 117, 121. 183 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158 ff.; anders BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 224 ff.; so z. B. bereits RG 27.3.1906 Z 63, 104, 105; 7.4.1932 Z 136, 60, 62. 184 RG 7.4.1932 Z 136, 60, 62; BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 154 ff.; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 307. 185 Festhaltend am Bereicherungsverbot Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 31, 40; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 420 f. (nur für Körper- und Gesundheitsverletzungen); Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56 f.

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durchschnittlichen Geschädigten. Daher hat sich die Bedeutung der Genugtuungsfunktion in der Rechtsprechung relativiert, so dass sie nur im Verschuldensfall Relevanz behält.186 Die hinzutretende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist durch eine angemessene Entschädigung abzugelten. Im Ergebnis hat der Genugtuungsgedanke bei der Entschädigung von Nichtvermögensschäden keine eigenständige Bedeutung, sondern plausibilisiert den Ausgleich der inkommensurablen Schäden, deren direkte Umrechnung in Geld ausgeschlossen ist. Er behebt zugleich die Defizite des Ausgleichsgedankens187, die auf den Implikationen der Metapher von der Verschaffung von Lebensfreude beruhen. Die Genugtuung erfasst neben den Gefühlsschäden auch Störungen in den Sozialbeziehungen188 und Persönlichkeitsverletzungen, die mit der vorsätzlichen Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts einhergehen und die dem Schädiger zumindest als Folgeschäden der in § 253 Abs. 2 BGB aufgezählten Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind. Bei einer Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist die Persönlichkeitsverletzung Teil dieser Rechtsgutsverletzung. Einer selbständigen Präventionsfunktion bedarf es zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht, sie lassen sich in eine weit verstandene Ausgleichsfunktion integrieren. Daher ist es vorzugswürdig, den Ausgleichsgedanken zu reformulieren. Auf diese Weise lässt sich das Verständnis vom Schadensausgleich korrigieren, ohne auf so vage Begriffe wie den der Genugtuung zurückgreifen zu müssen.189 III. Genugtuung als eigenständige Funktion des Schadensersatzrechts Ein Teil der Literatur sieht die Genugtuungsfunktion als eigenständige Funktion der Entschädigung immaterieller Einbußen an190, die sich nicht dem Ausgleichsprinzip unterordnet, sondern eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt191. Hierfür besteht kein einheitliches dogmatisches Konzept. Zum Teil gilt die Genugtuung weder als Schadensersatz noch als Privatstrafe, 186 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 15; Ebert, Pönale Elemente, S. 464 ff. (für pönale Elemente im Zivilrecht); G. Müller, VersR 1993, 909, 912 f.; s. auch Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 155 (der aber die Regelung eines eigenen Genutuungsanspruchs vorschlägt). 187 Krit. wegen des zu engen Verständnisses der Rechtsprechung vom Ausgleichsgedanken Canaris, FS Deutsch, S. 85, 102 ff.; dazu Gierke, Entwurf, S. 197. 188 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 104. 189 Siehe unten § 12, S. 566 ff. 190 Deutsch, Haftungsrecht, S. 573 f.; Großfeld, Privatstrafe, S. 77; Knöpfel, AcP 155 (1954), 135, 154; Schmid, Schmerzensgeld, S. 85 ff.; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 15; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 151 ff.; s. auch Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 39. 191 Deutsch, JuS 1969, 197, 202 f.; Kern, AcP 191 (1991), 247, 252, 255 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 65; ferner Ady, Ersatzansprüche, S. 114, 197; Körner, NJW 2000, 241, 242; P. Müller, Punitive Damages, S. 259 ff.; a. A. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 105.

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sondern als eigenständige, vom Sühnegedanken getragene Leistung.192 Die Genugtuung gleiche das mit der Tat verbundene Unrecht aus und bewirke eine Entschädigung auf anderer Ebene.193 Es handle sich um Sühne für den verletzenden Akt und Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls.194 Andere Autoren sehen in der Entschädigung mit Genugtuungsfunktion hingegen eine notwendige Ergänzung des Schadensausgleichs, um das Sanktionsbedürfnis zu befriedigen, wenn kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.195 Insbesondere in der Auseinandersetzung mit den pönalen Elementen des Privatrechts verweisen die Autoren darauf, dass die Genugtuung auf das vom Geschädigten erlittene Unrecht reagiere, so dass ein legitimes Interesse an der Privatstrafe bestehe.196 Sie diene dem Abbau von Aggressionen und der Befriedigung des Rachegefühls des Geschädigten.197 Eine überkompensatorische Entschädigung ist nach diesem Verständnis bei Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigung nur erforderlich, wenn der Schädiger die Verletzung mit Gewinnerzielungsabsicht oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit oder Bösartigkeit vornimmt.198 Die Entschädigung wegen einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt 192 Erman/Schiemann, BGB, 9. Aufl. 1993, § 847 Rn. 2; Großfeld, Privatstrafe, S. 77; Knöpfel, AcP 155 (1954), 135, 154; Kreft, RGRK-BGB, § 847 Rn. 7 ff.; Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 39; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 15; s. auch Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 328; für eine klare Trennung zwischen Ausgleich und Genugtuung auch Klumpp, Privatstrafe, S. 152 f. 193 Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 39; Remè, Aufgaben des Schmerzensgeldes, S. 28 ff.; Schmid, Schmerzensgeld, S. 85 ff.; vgl. Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 152; ders., Haftungsfolgen, S. 67, 149, 210, der Genugtuung bei Körper- und Gesundheitsverletzung ablehnt, aber für Persönlichkeitsverletzungen befürwortet; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 115. 194 Für ein solches Begriffsverständnis Eickhoff, Bemessung, S. 83; Großfeld, Privatstrafe, S. 77 f.; Knöpfel, AcP 155 (1954), 135, 154; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 591 f.; Remè, Aufgaben des Schmerzensgeldes, S. 45; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 152; Wiese, Immaterielle Schäden, S. 56. 195 Bentert, Das pönale Element, S. 98; Gottwald, Schadenszurechnung, S. 167; Großfeld, Privatstrafe, S. 82 ff.; Kern, AcP 191 (1991), 247, 261, 262 ff., 268; Klumpp, Privatstrafe, S. 73; Körner, NJW 2000, 241, 242; Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 39; P. Müller, Punitive Damages, S. 260 ff.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 423 f.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 67, 149; s. auch Hirsch, FS Engisch, S. 304, 307 (Genugtuung als schadensübersteigende Buße); a. A. Möller, Präventionsprinzip, S. 179 (hält die Prävention, nicht die Vergeltung für den Grund der Genugtuungsfunktion). 196 Siehe Fn. 195. 197 Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 398; ders., 45. DJT, Bd. II, C 7, 20; Klumpp, Privatstrafe, S. 153 f., 158 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 86 f. Für ein abweichendes Verständnis Druey, Forderung, S. 75 ff., der auf das soziale Verhältnis zwischen Verletzer und Verletztem abhebt und die Genugtuung als Bekenntnis für die Achtung des Verletzten ansieht. Die menschlichen Beziehungen erschöpften sich nicht im Rechtlichen. Der Anspruch sei daher höchstpersönlich. Dieses Konzept lässt sich heute wegen der Verfügbarkeit und Vererblichkeit des Anspruchs nicht aufrechterhalten. 198 Ebert, Pönale Elemente, S. 466 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 438 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 31; s. auch Kötz, FS v. Caemmerer, S. 387, 393; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 155.

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diesen Autoren als Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung durch Sühne.199 Die Sanktion bestätige das verletzte Rechtsgut und stelle das gestörte Gleichgewicht in der Persönlichkeit des Verletzten wieder her200 und besänftige so das verletzte Rechtsgefühl des Geschädigten.201 Darüber hinaus solle bei rechtswidrigem und vorwerfbarem Handeln die Entschädigungspflicht der Verletzung des geschützten Rechtsguts entgegenwirken. Die Entschädigung werde dadurch nicht zur Privatstrafe, da die Geldzahlung dem Geschädigten zuliebe und nicht dem Schädiger zuleide auferlegt werde.202 Die Genugtuung diene insoweit der Generalprävention.203 Stoll spricht sich aber im Ergebnis gegen eine Integration der Genugtuung in den Schadensersatz aus und schlägt die Regelung eines eigenständigen Genugtuungsanspruchs vor, um rechtswidrige Handlungen zu erfassen, die von einer vorsätzlichen oder rücksichtslosen Gesinnung zeugen und die Persönlichkeit des Geschädigten missachten.204 Der Anspruch solle höchstpersönlich, unvererblich und nicht übertragbar sein. Zudem solle er von der Versicherung ausgenommen sein. Damit ließen sich die Defizite des Rechtsschutzes gegenüber Persönlichkeitsverletzungen beseitigen. IV. Ablehnung der Genugtuungsfunktion Die Genugtuungsfunktion des Schadensersatzes ist in der Literatur auch auf grundsätzliche Ablehnung gestoßen.205 Die Einwände knüpfen an ihre Ablei199

Bötticher, 45. DJT, Bd. II, C 16; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 320 ff.; Steffen, FS Odersky, S. 723, 727; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56. 200 Niemeyer, Genugtuung, S. 39. 201 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 152 f. 202 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 152; krit. Bötticher, 45. DJT, Bd. II, C 7, 19 f. 203 Deutsch, JuS 1969, 197, 202; ders., Allgemeines Haftungsrecht, S. 573; Steffen, FS Odersky, S. 723, 734; s. auch Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 40; s. weiter Kern, AcP 191 (1991), 247, 249, der der Kompensation ideeller Schäden drei Aufgaben zuweist: Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls, Belastung des Schädigers mit einem fühlbaren Vermögensopfer und Prävention; a. A. Klumpp, Privatstrafe, S. 152 (falsche Verquickung von Genugtuung und Prävention; die Präventionswirkung der Genugtuung sei nur ein Reflex); s. auch Mertens, Vermögensschaden, S. 109 f.; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 57. 204 Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 152 ff.; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 466 ff., die für eine Lösung de lege lata durch die pönale Entschädigung der Persönlichkeitsverletzung eintritt; für eine Trennung zwischen „Ausgleichsgeld“ und „Genugtuungsgeld“ Kern, AcP 191 (1991), 247, 268 f.; P. Müller, Punitive Damages, S. 354 f.; Pecher, AcP 171 (1971), 44, 79 f.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 426. 205 F. Bydlinski, JBl. 1965, 237, 254; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 159; Gottwald, Schadenszurechnung, S. 167; Großfeld, Privatstrafe, S. 83; Härtel, VGT 1977, S. 157; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 306 ff.; Honsell, VersR 1974, 205; Kern, AcP 191 (1991), 247, 254 f.; Klimke, VersR 1981, 390, 391; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 84 f., 117 f.; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 95 ff., 103 ff.; ders., FS Wiese, S. 261, 272 ff.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563, 564 f., 573; Pecher, AcP 171 (1971), 44, 70 f.; Schiemann, Prinzipien, S. 222 ff.; Schwerdtner, JuS 1978, 289, 296 ff.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 67, 149; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 113 f.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 102 f.; Coester-Waltjen, Jura 2001, 133, 135; Hertel, 15. VGT, S. 155, 157; Horter, Strafgedanke, S. 110 ff.; Klumpp, Privatstrafe, S. 157 ff.

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tung und die unpräzise Begrifflichkeit an. Der Terminus Genugtuung lasse sich nicht eindeutig dem Schadensersatzrecht oder der Privatstrafe zuordnen, da die Besänftigung des Geschädigten auch Ziel der Privatstrafe sei.206 Zudem ist die Gleichsetzung der Genugtuung mit der Besänftigung des Geschädigten für die Rechtsgutsverletzung ebenfalls zu unspezifisch.207 De facto befriedigt jede Inpflichtnahme des Verantwortlichen wegen der Rechtsgutsverletzung das verletzte Rechtsgefühl oder das Rachebedürfnis des Geschädigten. Das gilt für die öffentliche Strafe wie für die Privatstrafe, den Schadensersatz oder die Einwendungen, die bestehende Ansprüche ausschließen. Diese Ambiguität spricht gegen die Verwendung des Genugtuungsbegriffs. Darüber hinaus hat der Rückgriff auf die subjektive Genugtuung des Geschädigten zur Folge, dass der Umfang des Schadensersatzes von der Persönlichkeit des Geschädigten abhängt, von seiner Versöhnungsbereitschaft bzw. seiner Rachsüchtigkeit.208 Die emotionale Verfassung des Geschädigten ist ein Empfinden, das nur er selbst beschreiben kann, ohne dass es intersubjektiv nachvollziehbar oder dem Beweis zugänglich wäre. Auch eine Objektivierung hilft nicht ab, solange auf das Empfinden und die Rachegefühle infolge der Rechtsverletzung abzustellen ist. Folglich können die Begehrensvorstellungen des Geschädigten den Umfang der Entschädigung beeinflussen.209 Ohnehin birgt der Genugtuungsgedanke mangels konkreter Kriterien die Gefahr willkürlicher Entscheidungen.210 Schließlich wird der Anerkennung einer selbständigen Genugtuungsfunktion des Entschädigungsanspruchs entgegengehalten, dass ihr Inhalt unklar und umstritten sei.211 Genugtuung und Privatstrafe ließen sich nicht klar von206

Göbel, Geldentschädigung, S. 123; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 306; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 84 ff.; Körner, NJW 2000, 241, 242; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 2 f.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125 f.; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563, 564; ähnlich Horter, Strafgedanke, S. 127; Schwerdtner, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1993, § 12 Rn. 290. 207 Krit. zum selbständigen Genugtuungsbegriff Gernhuber, Bürgerliches Recht, 2. Aufl. 1983, S. 365; Großfeld, Privatstrafe, S. 125; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 309 f.; Kern, AcP 191 (1991), 245, 256; ähnlich Deutsch, Haftungsrecht, S. 573; Schwerdtner, JuS 1978, 289, 296. 208 Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385, 398; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 103; E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 273 f.; ähnlich Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 100 f.; Pecher, AcP 185 (1985), 383, 391; a. A. Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 437 f. 209 Siehe Fn. 208. 210 Eickhoff, Bemessung, S. 85 f.; Horter, Strafgedanke, S. 126.; Niemeyer, Genugtuung, S. 95; Remé, Aufgaben des Schmerzensgeldes, S. 58. 211 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 102 f.; Honsell, VersR 1974, 205, 206; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 100 f.; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 3; Möller, Präventionsprinzip, S. 203 f.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; Schwerdtner, JuS 1978, 289, 296; ähnlich Stoll (Haftungsfolgen, S. 203), der aber die Schaffung eines eigenen Anspruchs zur Genugtuung befürwortete (Gutachten 45. DJT, S. 1, 152); s. auch E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 270 f., 273 f., der in seiner Habilitationsschrift (Immaterieller Schaden, S. 103 ff.) die Entwicklung der Genugtuungsfunktion auf die Berücksichtigung der Gefühlsschäden zurückgeführt hatte, die er nicht als ersatzfähigen ideellen Schaden anerkannte, diese Ansicht aber später relativierte.

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einander trennen.212 Beide seien vergangenheitsorientiert und streben die Vergeltung der Rechtsgutsverletzung an. Den Schädiger treffe eine Zahlungspflicht unabhängig vom konkreten Schaden, so dass Wiedergutmachung und Sühne gleichzeitig erfolgten. Die Ablehnung einer Entschädigung mit Genugtuungsfunktion beruht somit auf ihrer Gleichsetzung mit der Privatstrafe, die angesichts der Trennung von Zivil- und Strafrecht als unzulässig gilt.213 Zudem lässt sich darauf verweisen, dass bei vorsätzlichen und fahrlässigen Körperverletzungen sowie Gesundheitsbeschädigungen das Strafrecht eingreife, so dass es keiner zusätzlichen Genugtuung bedürfe.214 Bei der Gefährdungshaftung kommt Sühne nicht in Betracht, da die Haftung an ein erlaubtes Risiko anknüpft, so dass es an dem für die Sühne erforderlichen Unrecht fehlt.215 Außerdem gilt im Zivilrecht ein objektiver Verschuldensmaßstab, der sich für die Haftung zur angemessenen Schadensverteilung entwickelt hat.216 Verschuldens- und Gefährdungshaftung sind durch weitreichende Verkehrspflichten inzwischen einander angenähert, so dass sich sogar die Beschränkung der Genugtuungsfunktion auf die deliktische Verschuldenshaftung nicht konsistent ins Haftungsrecht einfügt. Darüber hinaus kommt es zu einer Ungleichbehandlung von Personen- und Sachschäden, obwohl das Rechtsgefühl des Geschädigten gleichermaßen verletzt ist.217 Einer Privatstrafe im Gewand einer Entschädigung steht auch entgegen, dass zum Teil kollektive Haftungsträger den Schaden übernehmen218 und die Rechtsprechung eine einheitliche Entschädigung zuspricht und die Genugtuung nicht gesondert ausweist.219 Das widerspricht der Genugtuung i. S. einer Privatstrafe. Von der Versicherung ausgenommen sind nur Fälle, in denen der Versicherte den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat (§ 81 Abs. 1 212 Funkel, Schutz der Persönlichkeit, S. 159, 162; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 308; Horter, Strafgedanke, S. 132; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 117 f.; Schwerdtner, JuS 1978, 289, 296; ähnlich Ady, Ersatzansprüche, S. 113 f. 213 Eickhoff, Bemessung, S. 87; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 117 ff.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 106. 214 Hirsch, FS Engisch, S. 304, 317; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 119; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; Stoll, Haftungsfolgen, S. 204; a. A. Kern, AcP 191 (1991), 247, 264. 215 Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393; s. aber Ebert, Pönale Elemente, S. 464 ff., die auf den Widerspruch zur Berücksichtigung des Verschuldens bei der Bemessung der Entschädigung verweist und sich für eine schadensersatzrechtliche Re-interpretation ausspricht. 216 Bötticher, MDR 1963, 353, 355. 217 Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 386; ders., MDR 1963, 354. 218 Darauf verweisen Eickhoff, Bemessung, S. 92; Horter, Strafgedanke, S. 125; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 119; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 96 f.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; ebenso Honsell, VersR 1974, 205, 206; vgl. auch Kern, AcP 191 (1991), 247, 269; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 152, 155, die eine gesonderte Ausweisung der Genugtuung befürworten, so dass sie von der Versicherung ausgenommen werden kann. 219 BGH 6.12.1960 VersR 1961, 164, 164 f.; 29.11.1994 Z 128, 117, 121 f.

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VVG). Somit ließe sich die Genugtuung i. S. einer Privatstrafe höchstens auf vorsätzliche Rechtsverletzungen beziehen. Allerdings widerspricht die Ausgestaltung des Entschädigungsanspruchs der Annahme einer Privatstrafe. Der Anspruch ist frei verfügbar und vererblich. Die gegenwärtige Ausgestaltung des Entschädigungsanspruchs entspricht somit nicht der einer Privatstrafe. Das widerspricht – unabhängig von der grundsätzlichen Trennung von Zivil- und Strafrecht – der Verfolgung pönaler Zwecke mit dem Entschädigungsanspruch und der Gewährung einer überkompensatorischen Entschädigung. Der Schadensausgleich muss dominieren, so dass der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot gelten.220 Neben der Ausgleichsfunktion bedarf es keiner unselbständigen Genugtuungsfunktion. Die Defizite der Ausgleichsfunktion bei der Kompensation immaterieller Schäden lassen sich nicht durch die Genugtuungsfunktion bewältigen, da die Bemessung der Entschädigung auch dann eine wertende Zuordnung eines Betrages bleibt. Letztlich bedarf das Konzept des Ausgleichs immaterieller Schäden einer Neuausrichtung, um den aufgezeigten Defiziten und den Schwierigkeiten bei der Entschädigung inkommensurabler Schäden in Geld zu begegnen. Einerseits ist eine Reformulierung der Ausgleichsfunktion im Hinblick auf die Eigenarten der ideellen Schäden erforderlich. Andererseits muss der Begriff des immateriellen Schadens weiterentwickelt und von seiner Bindung an die negative Gefühlsbilanz gelöst werden, soweit das eine vollständige Erfassung der Nichtvermögensschäden hindert. Ein Anspruch, der über den Schadensausgleich hinaus geht, kommt nur in Betracht, wenn ein Strafschadensersatz zulässig und von den bestehenden Bestimmungen getragen ist.221 Ansonsten bedarf es einer eigenständigen Regelung der Privatstrafe. Inwieweit das deutsche Privatrecht und die Entschädigung immaterieller Schäden im Besonderen dafür Raum lässt, bleibt im vierten Teil der Arbeit zu erörtern.222 V. Bedeutung der Genugtuungsfunktion in den Teilbereichen des Ausgleichs ideeller Schäden Eine Genugtuungsfunktion wird auch der Entschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen und der Entschädigung wegen unzulässiger Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr nach § 21 Abs. 2 S. 3 AGG zugewiesen. 220

Bötticher, MDR 1963, 353, 356 f.; ders., 45. DJT, C 7, 15 ff.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 102 f.; Horter, Strafgedanke, S. 127 ff., 132; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 117 ff.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 76 f., 126 f.; ders., FS Wiese, S. 261, 272 ff.; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl., § 847 Rn. 3 f.; Pecher, AcP 171 (1971), 44, 68 f.; ferner Klimke, VersR 1981, 390, 391. 221 Siehe unten § 14.C., S. 637 ff. 222 Siehe unten § 18, S. 795 ff.

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Bei der Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen steht nach ständiger Rechtsprechung die Genugtuungsfunktion sogar im Vordergrund.223 Im Anschluss an die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen von 1955 verselbständigte der BGH die Genugtuungsfunktion bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, weil der Schaden in diesen Fällen noch schwerer einzuschätzen sei als bei anderen Personenschäden.224 Die Abhängigkeit des Entschädigungsanspruchs vom Nichtvermögensschaden sei daher gelockert, so dass er stärker an die erlittene Rechtsgutsverletzung anknüpfe. Der Rückgriff auf den Genugtuungsgedanken erfolgt daher nicht, weil kein Schadensausgleich im weiteren Sinne stattfinden solle, sondern weil erhebliche Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Schadens und der angemessenen Entschädigung bestehen. Daher ist die Genugtuungsfunktion im Grunde keine selbständige Aufgabe der Entschädigung, sondern ist in die Gesamtbetrachtung bei der Ermittlung der Entschädigung einzubeziehen.225 Die Besonderheiten bei der Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer schweren Persönlichkeitsverletzung beruhen zudem vor allem darauf, dass sich der Anspruch unmittelbar auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG stützt226, um den zivilrechtlichen Rechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu gewährleisten.227 Der BGH geht davon aus, dass der Anspruch außerhalb des Schadensersatzrechts steht und es sich um einen Anspruch eigener Art handelt.228 Diese Annahme erlaubt es, den Entschädigungsanspruch unabhängig von der bestehenden Dogmatik der Entschädigung von Nichtvermögensschäden weiterzuentwickeln. Die Überlegungen zur Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen lassen sich daher nicht auf den Ausgleich anderer Nichtvermögensschäden übertragen. Allerdings knüpfte die Beurteilung der Funktion des Entschädigungsanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG an die Rechtsprechung des Großen Senats des BGH an, 223 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 369 (Ginsengwurzel); 5.3.1961 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); Prinz, NJW 1995, 953, 954; für eine Erweiterung der Ausgleichsfunktion zur Einbeziehung des Genugtuungsgedankens Canaris, FS Deutsch, S. 85, 104. 224 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 358 (Herrenreiter); 19.9.1961 Z 35, 363, 368 f. (Ginsengwurzel). 225 Steffen, NJW 1997, 10, 11 f.; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 142; s. auch BGH 29.11.1994 Z 128, 117, 120 f.; explizit auf die Straffunktion und die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls abstellend Prinz, NJW 1996, 953, 954. 226 Später auf § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG Bezug nehmend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 (Caroline IV). 227 BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 282, 292 (Soraya); BGH 22.1.1985 NJW 1985, 1617, 1619 (Nacktphoto); 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III). 228 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); s. auch BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 232; Soehring, NJW 1997, 360, 372; Steffen, NJW 1997, 10.

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der dem Ausgleich immaterieller Schäden eine doppelte Funktion zuwies.229 Die Betonung der Genugtuungsfunktion beruht vor allem auf dem schwer einschätzbaren Schaden. Somit löst sich die Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen nicht vom Schadensausgleich. Die Genugtuungsfunktion wird nicht herangezogen, um eine strafende Sanktion zu legitimieren. Nur wenn die Genugtuungsfunktion als selbständige Funktion angesehen wird, die Sühne bewirken und das verletzte Rechtsgefühl besänftigen soll, ist sie eine Eigenart des Entschädigungsanspruchs wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen, die den Anspruch über den Schadensausgleich hinaus zu einer privatstrafenden Sanktion weiterentwickelt.230 Für eine derartige Entwicklung nimmt die Diskussion über die Geldentschädigung für schwere Persönlichkeitsverletzungen aber nicht auf die Genugtuungsfunktion Bezug. Vielmehr hat die Rechtsprechung eine selbständige Präventionsfunktion anerkannt, die in Fällen rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung eine Entschädigung ermöglicht231, die im Interesse des Rechtsgüterschutzes einen echten Hemmungseffekt hat. Für Entschädigungsansprüche wegen einer unzulässigen Benachteiligung ist die Genugtuungsfunktion nicht einheitlich anerkannt. Die Gesetzesmaterialien schreiben auch dem Entschädigungsanspruch aus § 21 Abs. 2 S. 1, 3 AGG neben der Ausgleichsfunktion eine Genugtuungsfunktion zu.232 Die Benachteiligung nach § 19 AGG verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, so dass der Entschädigungsanspruch ebenfalls eine Genugtuungsfunktion haben müsse.233 Dem Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG wird hingegen keine vergleichbare Funktion zugewiesen, obwohl die Benachteiligung beim Zugang zur Beschäftigung ebenfalls das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen kann. Sofern eine Genugtuungsfunktion der Entschädigung ideeller Einbußen wegen einer Persönlichkeitsverletzung eigen wäre, müsste sie sowohl für die Entschädigung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG gelten. Ungeachtet der grundsätzlichen Einwände gegen die Genugtuungsfunktion kann dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 oder § 21 Abs. 2 S. 3 AGG eine solche Funktion nur zukommen, wenn die Verletzung des allge229

BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 358 (Herrenreiter); 15.1.1965 NJW 1965, 1374, 1376 (Satter Deutscher); abl. Schwerdtner, JuS 1978, 289, 296 ff. 230 Möller, Präventionsprinzip, S. 179 f.; a. A. Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 152; auf ihren pönalen Charakter verweisend Kern, AcP 191 (1991), 247, 254 ff.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 95 ff., 103 ff.; ders., FS Wiese, S. 261, 272 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 53. 231 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 1.12.1999 Z 143, 214, 218 f. (Marlene Dietrich); s. dazu § 3.F.III., S. 200 ff. 232 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 46. 233 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 46; Adomeit/Mohr, AGG § 21 Rn. 14; Rust/Falk/Bücker, AGG, § 15 Rn. 34; Rust/Falk/Bittner, AGG, § 21 Rn. 22; Walker, NZA 2009, 5, 9.

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meinen Persönlichkeitsrechts eine Genugtuung rechtfertigt. Das setzt voraus, dass die Entschädigungsansprüche wegen der schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot vergleichbar sind. Die Geldentschädigung nach Art. 2 Abs 1, 1 Abs. 1 GG beschränkt sich gerade wegen der Genugtuungsfunktion auf schwere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Schadens machten den Rückgriff auf die Genugtuungsfunktion erforderlich.234 Das Eingreifen einer Genugtuungsfunktion muss daher auch bei den Entschädigungsansprüchen nach dem AGG von der Intensität der Rechtsgutsverletzung abhängen. Diese Ansprüche setzen im Gegensatz zur Geldentschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG keine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus. Daher bewirkt die Benachteiligung nicht in jedem Fall eine Beeinträchtigung, die einer schweren Persönlichkeitsverletzung entspricht. Zudem sind die Entschädigungsansprüche nach dem AGG verschuldensunabhängig. Sofern die Benachteiligung nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt, fehlt es an einer schweren Persönlichkeitsverletzung. Das schließt die Anerkennung einer Genugtuungsfunktion nicht aus. Bei den Entschädigungsansprüchen wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen wird die Genugtuungsfunktion ohnehin nur herangezogen, weil die Beurteilung des Schadens erschwert ist. Sie tritt ergänzend neben die Ausgleichsfunktion, ohne vom Schadensausgleich im weiten Sinne Abstand zu nehmen. Somit kann sie bei den Entschädigungsansprüchen nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG neben die Ausgleichsfunktion treten. Die Verschuldensunabhängigkeit des Anspruchs steht einem Rückgriff auf die Genugtuungsfunktion nicht entgegen. Ob darüber hinaus eine Genugtuung in Form einer überkompensatorischen Entschädigung erforderlich ist, hängt davon ab, ob das AGG oder die zugrunde liegenden Richtlinien eine solche Sanktion fordern.235 Diese Diskussion wird für den Entschädigungsanspruch nach dem AGG aber nicht unter Rückgriff auf den Begriff der Genugtuung diskutiert. An seine Stelle ist ebenso wie bei der Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen der Präventionsgedanke getreten, der ebenfalls eine überkompensatorische Entschädigung legitimieren soll.236 Zum Teil wird eine solche Entschädigung ausdrücklich mit der Privatstrafe oder einem Strafschadensersatz gleichgesetzt.237 234

BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 358 (Herrenreiter). Siehe unten § 8.B.III.2., S. 457 ff. 236 Siehe unten § 3.F.IV., S. 207 ff. 237 LAG Schleswig-Holstein 9.12.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 7; so zu § 611a BGB a. F. Annuß, NZA 1999, 738, 741; Herrmann, ZfA 1996, 19, 35 f.; Korthaus, Antidiskriminierungsrecht, S. 218; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 94; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 353 f. (gemischt pönal-reipersekutorisch); Klumpp, Privatstrafe, S. 72 f.; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 99; P. Müller, Punitive damages, S. 276; Rosengarten, NJW 1996, 1935, 1936; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 410 ff. 235

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Insofern stellt sich wie bei der Auseinandersetzung mit der Genugtuungsfunktion erneut die Frage, ob der Präventionsgedanke ein Tertium zwischen Schadensersatz und Privatstrafe sein kann.238 VI. Zusammenfassung Die Diskussion um die Genugtuungsfunktion hat sich weitgehend überholt. Soweit sie auf die Inkommensurabilität der immateriellen Schäden beim Schadensausgleich reagiert, lässt sie sich in die Ausgleichsfunktion integrieren. Insbesondere eine Reformulierung der Ausgleichsfunktion, die sich nicht auf den Ausgleich von Leiden durch Annehmlichkeiten beschränkt, macht die Genugtuung überflüssig. Eigenständige Bedeutung wird ihr vielfach bei vorsätzlichen Rechtsverletzungen und bei der Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugemessen. Der entscheidende Ansatzpunkt für die Anerkennung einer selbständigen Genugtuungsfunktion neben dem reinen Schadensausgleich ist die Zulässigkeit einer vom Schadensausgleich abweichenden Zielstellung der Entschädigung, sei es in Form einer Privatstrafe oder in Form einer selbständigen Genugtuungsfunktion. Nach der gegenwärtigen Konzeption widerspricht eine Privatstrafe im Rahmen des Entschädigungsanspruchs der Verfügbarkeit und Vererblichkeit dieses Anspruchs. Die Zukunft der Genugtuungsfunktion hängt somit davon ab, ob die Dichotomie von Schadensersatz und Privatstrafe Raum für ein Tertium lässt. Daneben ist auszuloten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Regelung einer Privatstrafe zulässig ist.

E. Feststellung des Rechtsbruchs und Schadensersatz Unabhängig vom tatsächlichen Schadensausgleich sind das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs und die Verurteilung des Schädigers zur Entschädigung eine Reaktion der Rechtsordnung auf die Rechtsgutsverletzung. Der Schutz des Rechtsguts durch das Recht wird auf diese Weise bestätigt und aufrechterhalten. Somit bewirkt die Verurteilung de facto die Anerkennung der Beeinträchtigung des Geschädigten und besänftigt sein verletztes Rechtsgefühl.239 Dieser Nebeneffekt der Verurteilung zum Schadensersatz ist anerkannt. Insbesondere im Zusammenhang mit der Genugtuungsfunktion wird darauf verwiesen, dass die Gewährung des Schadensersatzes den Geschädigten 238

Siehe § 16.B.III., S. 682 ff. Z. B. Eickhoff, Bemessung, S. 83; H. A. Fischer, Schaden, S. 267 f.; Großfeld, Privatstrafe, S. 77; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 308 f.; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 154; Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 39; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl., § 847 Rn. 2; Niemeyer, Genugtuung, S. 38, 119; Schmid, Schmerzensgeld, S. 86; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 152 f.; s. auch Klumpp, Privatstrafe, S. 151 f.; ähnlich Pecher, AcP 171 (1971), 44, 61 (Schutz des Vertrauens auf das Recht durch Sühne). 239

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und sein Verletztsein anerkennt sowie seine Rachegefühle befriedigt.240 Die Feststellung der Rechtsverletzung gilt somit als Beitrag zur Genugtuung des Geschädigten. Dieser Nebeneffekt des Schadensausgleichs entwickelte sich nicht zur selbständigen Funktion weiter.241 Das deutsche Recht kennt im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen242 keinen symbolischen oder nominellen Schadensersatz, der dem Geschädigten nur einen Symbolbetrag (1 €) gewährt, weil er entweder keinen Schaden erlitten hat oder keine höhere Entschädigung beantragen wollte. Ausländische Gerichte sprechen in diesen Fällen vor allem aus, dass die Rechtsgutsverletzung des Schädigers rechtswidrig war. Der BGH gewährte eine symbolische Entschädigung nur ausnahmsweise zugunsten eines empfindungsunfähigen Geschädigten, als er annahm, dass kein ideeller Schaden vorliege, aber die Genugtuungsfunktion des Schadensersatzes einen minimalen Schadensersatz rechtfertige.243 Diese Rechtsprechung hat er zugunsten eines vollen Entschädigungsanspruchs aufgegeben.244 Der Geschädigte kann zudem keine Gerichtsentscheidung über die Rechtswidrigkeit des Schädigerhandelns herbeiführen. Eine Feststellungsklage ist nach § 256 Abs. 1 ZPO auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses beschränkt. Ein Streit über einzelne Vorfragen des Rechtsverhältnisses kann hingegen nicht geführt werden. Das Rechtsverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem beruht auf vertraglicher oder deliktischer Haftung bzw. Gefährdungshaftung. Daher kann der Geschädigte beantragen festzustellen, dass der Schädiger verpflichtet ist, alle Schäden aus dem konkret bezeichneten Schadensfall zu ersetzen. Für eine solche Klage besteht ein Feststellungsinteresse aber nur, wenn der Kläger einen Schaden erlitten hat oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erleiden wird. Insofern hat allerdings die Leistungsklage Vorrang. Sofern feststeht, dass kein Schaden entstehen wird, fehlt das Feststellungsinteresse. Der Geschädigte hat insofern kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Rechtswidrigkeit des Schädigerhandelns für sich ist kein zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO. Im Verhältnis zu der aus dem Rechtsverhältnis erwachsenden Schadensersatzpflicht ist die Rechtswidrigkeit der Pflicht- bzw. Rechtsverletzung nur eine Vorfrage.245 Der 240 Niemeyer, Genugtuung, S. 39; Steffen, FS Odersky, S. 723, 734; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56. 241 Niemeyer, Genugtuung, S. 39; Steffen, FS Odersky, S. 723, 734; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56; abl. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 137 (sieht im franc symbolique und der Feststellung der Rechtsverletzung eine Entwicklung hin zu einer Straffunktion des Geldersatzes). 242 Vgl. Schadensersatzrecht der Schweiz, in Frankreich und England (§ 6.C.III., S. 306 f.). 243 BGH 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148 f.; bestätigend BGH 22.6.1982 NJW 1982, 2123. 244 Siehe oben § 3.B.III., S. 155 ff. 245 BGH 3.5.1977 Z 68, 331, 332; zur Unzulässigkeit der Klage auf Feststellung einer Vorfrage eines Rechtsverhältnisses BGH 15.10.1956 Z 22, 43, 48; 4.7.1962 Z 37, 331, 333.

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BGH lehnt daher eine Klage auf Feststellung der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder der Rechtswidrigkeit einer Persönlichkeitsverletzung neben den negatorischen Ansprüchen zum Schutz der Ehre ab.246 Die Literatur befürwortet hingegen eine Erweiterung der Feststellungsklage. Die Vorschläge beschränken sich nicht auf die Fälle, in denen die Rechts- oder Pflichtwidrigkeit einer Handlung Gegenstand der Klage sein sollen.247 Im Zusammenhang mit dem Ausgleich immaterieller Schäden ist die Ausdehnung der Feststellungsklage vor allem bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Bedeutung, insbesondere wenn mangels Wiederholungsgefahr kein Unterlassungsanspruch besteht. Der Rechtsinhaber hat zwar einen Anspruch auf Widerruf, den er jedoch gegebenenfalls nicht ausübt, weil er damit die Persönlichkeitsverletzung erneuerte oder vertiefte. Letzteres gilt insbesondere für Ehrverletzungen. Der Ehrschutz wurde zudem bei der Abfassung des § 256 ZPO nicht bedacht, so dass die Literatur vor diesem Hintergrund zum Teil eine Erweiterung der Feststellungsklage auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Handlung fordert.248 Die Rechtsprechung lehnt eine solche Klage indes als unzulässig ab, zumal sich eine solche Rechtsfortbildung nicht auf die Ehrverletzungen begrenzen ließe und es für eine Neuausrichtung des Zivilprozessrechts einer Gesetzesänderung bedürfe.249 Die Zulässigkeit der Feststellungsklage hängt nach § 256 Abs. 1 ZPO allein davon ab, dass um ein Rechtsverhältnis gestritten wird und ein Feststellungsinteresse besteht. Die Erweiterung der Feststellungsklage de lege lata durch eine weite Auslegung des Begriffs des Rechtsverhältnisses hätte zur Folge, dass sie sich auf alle Bereiche auswirkte. Eine Begrenzung der Zulässigkeit der Klage wäre zwar durch das Feststellungsinteresse möglich, an dessen Leistungsfähigkeit aber wegen der Vagheit des Begriffs gezweifelt werden kann. Insofern besteht die Gefahr einer Erweiterung der Feststellungsklage, die der Prozessökonomie zuwider läuft. Eine begrenzte Erweiterung auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Persönlichkeitsverletzungen ist nur denkbar, wenn die Erweiterung vom Schutzgebot der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG geboten wäre. Das Schutzgebot verlangt indes keinen optimalen Schutz, sondern es ist nur ein Untermaß an Schutz sicherzustellen. Das ist durch die Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und Entschädigung gewährleistet, so dass die Erweiterung der Feststellungsklage nicht geboten ist. Zudem wird bei der Beur246 BGH 3.5.1977 Z 68, 331, 332 ff.; 3.5.1977 GRUR 1977, 674, 676 f.; 16.9.2008 GRUR 2009, 83, 84. 247 Siehe z. B. Brehm, 50 Jahre BGH, Bd. III, S. 89, 104 ff.; Habscheid, ZZP 112 (1999), 37, 44 ff.; Leipold, ZZP 84 (1971), 150 ff.; Scherer, JR 2001, 441, 443 f.; Schilken, JZ 2001, 199, 200 f.; Trzaskalik, Rechtsschutzzone der Feststellungsklage, S. 132 ff.; Zeuner, FS Schumann, S. 595, 597 ff. 248 Klass, Reformansätze, S. 275 ff.; Paern, Beseitigungsklage, S. 117 ff.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 141 f. 249 BGH 3.5.1977 Z 68, 331, 334.

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teilung der Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsverletzung berücksichtigt, dass der Geschädigte den Anspruch auf Widerruf nicht geltend macht, weil er zu einer erneuten Persönlichkeitsverletzung führte. Im Rahmen der Klage auf Entschädigung ist zudem eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO bezüglich des Rechtsverhältnisses zulässig. Im Ergebnis gibt das Verfassungsrecht die Erweiterung der Feststellungsklage auf die Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsverletzung nicht vor, sondern sie kann nur rechtspolitische Forderung sein, um den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rechtsgut de lege ferenda zu verbessern.

F. Präventionsfunktion der Entschädigung immaterieller Einbußen I. Überblick Die Entwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden war stets mit der Auseinandersetzung um die Frage verbunden, ob eine solche Entschädigung Schadensersatz oder Strafe sei. Das schwingt auch in der Diskussion über die Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs mit. Die Prävention und ihr Verhältnis zur Strafe werden nicht einheitlich beurteilt250, ohne dass in jedem Fall auf die Begriffsbedeutung eingegangen wird. Zunächst ist zwischen der unselbständigen und der selbständigen Präventionsfunktion zu unterscheiden. Die unselbständige kennzeichnet nur die abschreckende Wirkung, die jede Haftung auf Schadensersatz mit sich bringt. Der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot begrenzen weiterhin die Entschädigung. Die Prävention bezeichnet hiernach nur einen Nebeneffekt des Schadensausgleichs. Die selbständige Präventionsfunktion ist hingegen vom Schadensausgleich unabhängig und zielt auf die effektive Abschreckung des Schädigers zur Vorbeugung zukünftiger Rechtsverletzungen. Die Entschädigung soll eine Verhaltenssteuerung für die Zukunft bewirken. Sie orientiert sich – im Gegensatz zur Genugtuung – am Schädiger und nicht allein am Geschädigten. Die Festsetzung der Entschädigung zu Präventionszwecken kann daher nicht vom Schaden abhängen, sondern muss notwendigenfalls über ihn hinausgehen. Die selbständige Präventionsfunktion setzt ein Teil der Literatur – bisweilen unausgesprochen – mit der Privatstrafe gleich.251 Die Herausbildung einer selbständigen Präventionsfunktion erfolgte zunächst nur bei der Entschädigung 250

Zu den Begriffen § 16.B.III., S. 682 ff. Z. B. Körner, NJW 2000, 241, 242; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 405 f., 423 f.; ebenso F. Bydlinski, AcP 204, (2004), 309, 344 f.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 107; Stürner, FS Großfeld, S. 1201 f.; Westermann, in: Koller, Einheit, S. 125, 137 f.; ohne Differenzierung zwischen Privatstrafe und präventivem Schadensersatz auch Bentert, Das pönale Element, 1996; Ebert, Pönale Elemente, 2003; Klumpp, Privatstrafe, 2002. 251

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von Persönlichkeitsverletzungen und bei Diskriminierungen nach § 611a BGB a. F. Erst in den letzten Jahren wird für das Schadensersatzrecht allgemein eine selbständige Präventionsfunktion erwogen, die jedoch selbst von den Autoren, die sie befürworten, meist auf bestimmte Fallgruppen beschränkt wird.252 In der Rechtsprechung haben sich diese Überlegungen bisher nicht durchgesetzt. Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Entschädigung, Privatstrafe und selbständiger Präventionsfunktion des Schadensersatzes erfolgt zusammengefasst auf der Grundlage der aktuellen Entwicklungen im vierten Teil der vorliegenden Arbeit.253 An dieser Stelle soll nur das bisher entwickelte Verständnis aufgezeigt werden. II. Präventionsfunktion der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB und den Gesetzen zur Gefährdungshaftung Der Schadensersatz nach den §§ 249 ff. BGB und den Gesetzen zur Gefährdungshaftung bezweckt nach vorherrschender Ansicht primär den Schadensausgleich, entfaltet aber auch präventive Wirkung.254 Die Verpflichtung des Schädigers zur Schadensabnahme schreckt de facto vor weiteren Rechtsgutsverletzungen ab und beugt zukünftigen Rechtsgutsverletzungen vor. Sie hat spezialpräventive Wirkung gegenüber dem Schädiger. Die Prävention wird somit nicht durch eine Erhöhung der Entschädigung bewirkt, sondern durch die Schadensersatzpflicht und ihre Durchsetzung, so dass sie ein Nebeneffekt der Entschädigung ist.255 Die Prävention gilt insofern als „allgemeine Nebenfunktion“ oder „Sekundärfunktion“ und ist ein Reflex des Schadensausgleichs.256 Die Präventionsfunktion erfolgt durch den Haftungsgrund und seine Anordnung der Schadensersatzpflicht. Eine selbständige Präventionsfunktion legt die Rechtsprechung der Entschädigung immaterieller Einbußen allerdings zugrunde, wenn sich die Scha252 S. insbesondere Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 416 ff., 541 f., 546 ff.; Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 2000, S. 188 f.; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2005, S. 242 ff.; Schlobach, Das Präventionsprinzip im Recht des Schadensersatzes, 2004, S. 456, 458, 472, 489; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, 2006; ausführlich unten § 16.D.III.3., S. 730 ff. 253 Siehe unten § 16, S. 673 ff. 254 Ady, Ersatzansprüche, S. 116, 120; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 105; Deutsch, Haftungsrecht, S. 18; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 160 f.; Großfeld, Privatstrafe, S. 80; Huber, NZV 2006, 169, 172; Mertens, Vermögensschaden, S. 109; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 439; Möller, Präventionsprinzip, S. 205 f.; G. Müller, VersR 2006, 1289, 1294 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 14; Roussos, Schaden, S. 9 ff.; Schiemann, Prinzipien, S. 189 f.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 184; s. auch Deutler, Schmerzensgeld, S. 115; Heck, Schuldrecht, S. 41 (Einwirkungstendenz des Schadensersatzes); s. auch BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 17 f., der aber beim Versagen des Schadensersatzanspruchs eine Prävention vermittels der Entschädigung immaterieller Einbußen bewirken will und gleichzeitig einen Strafschadensersatz ablehnt. 255 Siehe Fn. 254. 256 Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 423; Mertens, Vermögensschaden, S. 109; Soergel/Mertens, BGB, Vor § 249 Rn. 26.

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densregulierung, insbesondere durch den Versicherer, verzögert.257 Die Rechtsprechung erhöht pauschal die Entschädigung, was sich mit der Ausgleichsfunktion der Entschädigung nur vereinbaren ließe, wenn sich der ersatzfähige Schaden infolge der Verzögerung vergrößerte.258 Die Schmerzen und Leiden infolge der Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung vergrößern sich aber in der Regel nicht. Es steigt vor allem die seelische Belastung, weil der Geschädigte den Schadensfall samt seiner Folgen nicht abschließen kann. Dieser immaterielle Schaden resultiert nicht aus der Körperverletzung und ist mangels einer Rechtsgutsverletzung i. S. des § 253 Abs. 2 BGB grundsätzlich nicht ersatzfähig. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um einen Folgeschaden der Körperverletzung handelt, der dem Schädiger zuzurechnen ist. Bei der Zurechnung von Folgeschäden ist die Rechtsprechung jedoch zurückhaltend.259 Sie scheidet erst recht aus, wenn die verzögerte Schadensregulierung auf dem Verhalten der Versicherung des Schädigers beruht, die nicht als dessen Erfüllungsgehilfe agiert. Der Geschädigte geht bei Haftpflichtversicherungen auf der Grundlage eines Direktanspruchs gegen die Versicherung vor (§ 115 Abs. 1 VVG, § 3 PflVG). In jüngerer Zeit hebt die Rechtsprechung die Entschädigung bei verzögerter Schadensregulierung pauschal an, ohne auf die Wirkung auf den Geschädigten einzugehen.260 Das entspricht eher einer Entschädigung zur Abschreckung als zum Schadensausgleich. Vereinzelt wird darauf verwiesen, dass es einer Genugtuung für den Geschädigten bedarf und einem solchen Verhalten entgegenzuwirken ist.261 Diese Rechtsprechung hat jedoch Ausnahmecharakter. Eine selbständige Präventionsfunktion der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB und den Gefährdungshaftungsgesetzen stieß überwiegend auf Ablehnung.262 Das BGB kennt zudem keine Proportionalhaftung und erlaubt daher keine Anpassung des Schadensersatzes an den Verschuldensgrad. Außerdem ist stets ein Scha257 Z. B. BGH 2.12.1966 VersR 1967, 256, 257; 18.11.1969 VersR 1970, 134, 135; OLG Naumburg 25.9.2001 NZV 2002, 459; 13.11.2004 VersR 2004, 1423, 1424; OLG Hamm 11.9.2002 NZV 2003, 192, 193; OLG Frankfurt M. 2.9.2003 NZV 2004, 39, 40; s. unten § 4.C.VII., S. 255 ff. 258 Honsell, VersR 1974, 205, 205 f.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 60; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 80 f.; Schellenberg, VersR 2006, 878, 879 ff.; ähnlich BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 44; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 444; s. auch Klumpp, Privatstrafe, S. 74; Möller, Präventionsprinzip, S. 207 f.; P. Müller, Punitive damages, S. 272 ff. 259 Siehe oben § 1.B.I., S. 17 f. 260 OLG Naumburg 25.9.2001 VersR 2002, 1569; OLG Hamm 11.9.2002 NZV 2003, 192, 193; OLG Köln 29.9.2006 VersR 2007, 259. 261 OLG Nürnberg 22.12.2006 VersR 2007, 1137. 262 Ady, Ersatzansprüche, S. 114 ff.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 105; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 161; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 30; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 439 f.; Mertens, Vermögensschaden, S. 109; Möller, Präventionsprinzip, S. 205 f.; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 33; so allg. zum Schadensersatz Magnus, AnwK-BGB, Vor §§ 249– 255 Rn. 11; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 14; Roussos, Schaden, S. 9 ff.; a. A. G. Wagner, JZ 2004, 319, 321 f.

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den erforderlich. Eine Entschädigung, die zur Vorbeugung weiterer Rechtsgutsverletzungen über den Schadensausgleich hinausgehen kann, wird als Privatstrafe qualifiziert und für unvereinbar mit dem deutschen Privatrecht erachtet.263 Die Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht werde durchbrochen und Art. 103 Abs. 2, 3 GG stünden einer selbständigen Präventionsfunktion entgegen.264 Die Rechtsprechung zur Geldentschädigung wegen schwerer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht verallgemeinerbar. Der Anspruch beruhe auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und somit auf einer anderen dogmatischen Grundlage.265 Die Einführung einer selbständigen Präventionsfunktion kann zudem nicht unabhängig vom Haftungsgrund erfolgen, da sie eine Verhaltenssteuerung bezweckt, die grundsätzlich nur bei schuldhaftem Handeln des Schädigers eintreten kann. Seit der Reform des Schadensersatzrechts erfolgt die Entschädigung ideeller Einbußen auch im Rahmen der Gefährdungshaftung und ist somit unabhängig vom Verschulden des Schädigers. Zudem widerspricht das Erlaubtsein des Schädigerhandelns der Wertung einer auf Abschreckung angelegten Entschädigung. Schließlich erfolgt ein Ausgleich immaterieller Schäden auch bei der vertraglichen Haftung. Eine Entschädigung, die über den konkreten Schaden hinausgeht, entspräche funktional einer Vertragsstrafe, die der Durchsetzung vertraglicher Pflicht dient und im Fall ihrer Verwirkung auch die Schäden ausgleicht266. Allerdings trennt das BGB zwischen Vertragsstrafe und Schadensersatz, so dass der vertragliche Schadensersatzanspruch nicht ohne weiteres zu einer Vertragsstrafe weiterentwickelt werden darf. Schließlich wurde die selbständige Präventionsfunktion auf die Ergebnisse der ökonomischen Analyse gestützt und vorgeschlagen, die Entschädigung anhand der Kosten für die Herabsetzung oder Abwendung der Gefahr zu bemessen.267 Diese Ansicht fand jedoch kaum Gefolgschaft, weil die Entschädigungsbeträge erheblich ansteigen würden.268 Zudem übernehmen die Haftpflichtversicherungen vielfach den Schaden, so dass die höhere Entschädigung nicht den Schädiger, sondern die Versichertengemeinschaft belasten würde.269 Eine Einwirkung auf den Schädiger erfolgte nur mittelbar durch steigende Versicherungsprämien oder die Kündigung der Versicherung. Einen unmittel263

Z. B. Horter, Strafgedanke, S. 131 f.; Seitz, NJW 1996, 2848; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 33; s. unten § 18.C., S. 833 ff. 264 Ausführlich dazu § 18.C.IV.1, 2., S. 854 ff. 265 BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187, 2188 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 14; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 253 Rn. 10; ähnlich Palandt/Grüneberg, BGB, § 253 Rn. 10; vorsichtig erweiternd BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 18. 266 Mot. II, S. 275; RG 28.10.1921 Z 103, 99; BGH 27.11.1974 Z 63, 256, 259; 18.11.1982 Z 85, 305, 312 f.; 23.6.1988 Z 105, 24, 27; Erman/Schaub, BGB, Vor § 339 Rn. 1; Gottwald, MünchKomm-BGB, Vor § 339 Rn. 6; Stoll, Haftungsfolgen, S. 222. 267 Ott/Schäfer, JZ 1990, 563, 573. 268 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 440; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 33. 269 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 160 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 33.

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bar präventiven Effekt kann die Entschädigung nur bei der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer (§ 81 Abs. 1 VVG) und gegebenenfalls bei dessen grob fahrlässiger Herbeiführung (§ 81 Abs. 2 VVG) haben. Zur Ablehnung einer selbständigen Präventionsfunktion bei § 253 Abs. 2 BGB wird zudem darauf verwiesen, dass neben dem Schadensausgleich kein Präventionsbedarf bestehe, da mit der Schadensverursachung kein Gewinn erzielt werde.270 III. Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Unabhängig vom allgemeinen Schadensersatzrecht hat sich die Entschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen selbständig entwickelt. Zunächst wurde dem Entschädigungsanspruch vor allem eine Genugtuungsfunktion zugewiesen.271 Später erkannte der BGH dem Entschädigungsanspruch eine Präventionsfunktion zu.272 Insbesondere seit der ersten CarolineEntscheidung beeinflusst der Präventionsgedanke ausdrücklich die Bemessung der Entschädigung, weil die Rechtsverletzung eine vorsätzliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Auflagensteigerung gewesen sei und somit kommerziellen Interessen diente.273 Der 6. Zivilsenat des BGH erkannte in dieser Entscheidung eine selbständige Präventionsfunktion an und verwies darauf, dass der Rechtsinhaber ohne einen solchen Entschädigungsanspruch der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung schutzlos ausgeliefert sei, weil die Ansprüche auf Widerruf und Gegendarstellung nicht genügten.274 Die Ableitung der Präventionsfunktion stellt sich in dieser Rechtsprechung als notwendige Konsequenz des Rechtsschutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG dar, ohne dass die verfassungsrechtliche Ableitung ausführlich begründet wird.275 Der BGH nimmt in den Caroline-Entscheidungen auf seine frühere Rechtsprechung Bezug und erzeugt so den Anschein einer Kontinuität.276 In den vorangegangenen Entscheidungen bezog sich der Gedanke des Rechtsgüter270

Möller, Präventionsprinzip, S. 205. Siehe oben § 3.D.V., S. 189 ff. 272 BGH 22.1.1985 NJW 1985, 1617, 1619 (Nacktphoto); ebenso v. Bar, NJW 1980, 1724, 1727; Erman/Ehmann, BGB, 9. Aufl. 1993, Anh. zu § 12 Rn. 482; Dunz, BGB-RGRK, § 823 Anh. I Rn. 142; krit. Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 478. 273 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 1.12.1999 Z 143, 214, 218 f. (Marlene Dietrich). 274 Siehe Fn. 273. 275 Vgl. BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline II); dazu K. W. Lange, VersR 1999, 274, 277; Steffen, DAR 2003, 201, 204.; Stürner, AfP 1998, 1; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 210. 276 Krit. Seitz, NJW 1996, 2848, 2849 („Zitatengrab“); s. auch K. W. Lange, VersR 1999, 274, 277 (wenn vorher überhaupt Präventionsüberlegungen, dann als Teil der Genugtuungsfunktion begriffen). 271

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schutzes aber primär auf die Ableitung des Entschädigungsanspruchs und seiner Voraussetzungen.277 Der Schadensersatz galt als geeignete und adäquate Sanktion, die dem Schädiger einen fühlbaren materiellen Verlust zufügen könne, wenn er aus unlauterem Gewinnstreben auf eine fremde Persönlichkeitssphäre zugreife. Einschränkend gelte jedoch, dass sich der Schädiger durch den Schadensersatz nicht beschwert fühlen dürfe.278 Diese Überlegungen standen noch nicht im Zusammenhang mit einer Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs, sondern betrafen seine Genugtuungsfunktion.279 Die selbständige Präventionsfunktion stützt der 6. Zivilsenat des BGH vor allem auf die Schutzlosigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Fällen rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung mit Gewinnerzielungsabsicht, so dass sie neben die Genugtuungsfunktion des Entschädigungsanspruchs trete und zur Erhöhung der Entschädigung führe.280 Der Entschädigungsanspruch müsse den Schädiger zu einer fühlbaren Geldentschädigung verpflichten. Er verwirkliche den Präventionszweck nur, wenn seine Höhe darauf reagiert, dass die Rechtsverletzung zur Gewinnerzielung erfolgte.281 Die Lukrativität des Delikts müsse daher Bemessungsfaktor für die Entschädigung sein, damit von ihr ein echter Hemmungseffekt ausgehe.282 Eine vollständige Gewinnabschöpfung erfolgt indes nicht.283 Die Entschädigung dient der Sanktion und Abschreckung.284 Die Präventionsfunktion tritt nach diesem Verständnis neben den Schadensausgleich. Daher begründet sie keinen Entschädigungsanspruch der Angehörigen oder sonstigen Wahrnehmungsberechtigten bei der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts.285 Der Wahrnehmungsberechtigte hat nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, aber keinen Entschädigungsanspruch.286 Dieser bestehe mangels einer Genugtuung für den Geschädigten 277 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 367, 369 (Ginsengwurzel); 5.3.1961 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 22.1.1985 NJW 1985, 1617, 1619 (Nacktphoto); s. auch BGH 26.1.1971 NJW 1971, 698, 699 (Pariser Liebestropfen); dazu Körner, NJW 2000, 241, 244. 278 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 369 f. (Ginsengwurzel). 279 Dazu K. W. Lange, VersR 1999, 274, 277. 280 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III). 281 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II). 282 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I). 283 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I). 284 Zu dieser Entwicklung K. W. Lange, VersR 1999, 274, 277 f.; Peifer, JR 1996, 420, 421; Siemes, AfP 1997, 542. 285 Ausführlich oben § 2.A.VII.1., S. 98 ff. 286 BGH 5.3.1974 GRUR 1974, 794, 795 (Todesgift); 4.6.1974 GRUR 1974, 797, 800 (Fiete Schulze); 1.12.1999 Z 143, 214, 223 f. (Marlene Dietrich); 6.12.2005 Z 165, 203, 205 f. (Mordkommission Köln); Beuthien, ZUM 2003, 261, 262; Götting, GRUR 2004, 801, 802; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 348; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 536; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 41; Schack, GRUR 1985, 352, 358; s. auch A. Fischer, Entwicklung, S. 178 ff.

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nicht und auf den Präventionsgedanken allein lasse sich kein Entschädigungsanspruch gründen.287 Er legitimiere nur die Erhöhung der Entschädigung, um einen effektiveren Schutz bekannter Personen gegen die Zwangskommerzialisierung durch die Medien zu bewirken. Bei der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts müsste der Präventionsgedanke den Entschädigungsanspruch erst begründen, weil ein solcher bisher nur zu Lebzeiten der Person bestand.288 Die Weiterentwicklung der Präventionsfunktion zu einer eigenständigen Aufgabe des Schadensersatzes hat das BVerfG gebilligt, obwohl es zu einer Ungleichbehandlung mit der Entschädigung von Nichtvermögensschäden infolge von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen bei Verkehrsunfällen kommt.289 Es rechtfertigt die unterschiedliche Funktion der Ansprüche damit, dass sich der Entschädigungsanspruch wegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung nicht auf § 847 BGB analog stützt, sondern unmittelbar auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.290 Zudem bestehe gerade wegen der vorsätzlichen Rechtsverletzung mit Gewinnerzielungsabsicht die Gefahr, dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkümmere.291 Vergleichbare Gesichtspunkte bestünden bei der Entschädigung von Verkehrsunfallschäden nicht, da regelmäßig weder vorsätzliche Handlungen vorlägen noch kommerzielle Interessen existierten. Die Ableitung der selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs fand in der Literatur verbreitet Zustimmung.292 Insbesondere die Schutzlosigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mache eine Verbesserung des Rechtsgüterschutzes erforderlich. Das sei nur durch eine Geldentschädigung umsetzbar, da der Primärschutz in Form von Widerrufs-, Unter287 BGH 6.12.2005 Z 165, 203, 207 (Mordkommission Köln); s. a. Fischer, Entwicklung, S. 184 f.; Götting, GRUR 2004, 801, 802; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 75; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 41; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, 571, 572. 288 BGH 20.3.1968 Z 50, 133, 137 (Mephisto); 1.12.1999 Z 143, 214, 220 (Marlene Dietrich); 6.12.2005 Z 165, 203, 205 f. (Mordkommission Köln). 289 BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187, 2187 f.; abl. Hoppe, VersR 2000, 1114; im Ergebnis ebenso Dünnwald, ZUM 2000, 949, 950. 290 BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187, 2187 f. 291 BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187, 2187 f. 292 Körner, NJW 2000, 241, 244 f.; Löwe, Prävention, S. 122 ff., 185 ff.; G. Müller, VersR 2005, 1461, 1470; P. Müller, Punitive damages, S. 289; Prinz, NJW 1996, 953, 954; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 240; Schwerdtner, Karlsruher Forum 1997, S. 27, 43; G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 385; s. auch BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 17 f.; a. A. Barton, AfP 1995, 452; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 105, 107 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 14 (nur erwünschte Nebenfolge); Seitz, NJW 1996, 2848; Stürner, AfP 1998, 10, 24; Ullmann, AfP 2009, 209, 210; abl. Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 159; zur Prävention durch Schadensersatz bereits vor der Caroline-Rechtsprechung Diederichsen, AcP 182 (1982), 101, 111 f.; Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 727 ff.; Magnus, Schaden, S. 233 ff.; Assmann, BB 1985, 15, 25.

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lassungs- oder Gegendarstellungsansprüchen bei immateriellen Gütern wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht keine effektive Wirkung entfalte.293 Zum Teil wird auf die unterschiedliche Zielrichtung der Funktionen verwiesen und von einem Nebeneinander von Genugtuungs- und Präventionsfunktion ausgegangen.294 Die Prävention dominiere die Entschädigung nicht, da es für eine andere Behandlung an abgesicherten Erkenntnissen fehle, um die Auswirkungen der erhöhten Entschädigung auf das Marktverhalten zu prognostizieren.295 Anknüpfend an diese Rechtsprechung befürworten einige Autoren sogar die Entwicklung einer allgemeinen Präventionsfunktion für das Schadensersatzrecht, die generell oder zumindest in bestimmten Fallgruppen selbständig neben die Ausgleichsfunktion trete und eine überkompensatorische Entschädigung legitimiere.296 Diese Funktion dient insbesondere der Abschreckung des Schädigers und soll eine Verhaltenssteuerung bewirken, um zukünftige Rechtsverletzungen zu verhindern.297 Der Geschädigte agiere nicht nur im eigenen Interesse, sondern werde zugleich im Interesse der Allgemeinheit tätig, um den Rechtsgüterschutz zu verwirklichen.298 Um dieses Eintreten für die Allgemeinheit und das übernommene Prozessrisiko zu belohnen, könne der Geschädigte eine überkompensatorische Entschädigung verlangen. Der Umstand, dass die Entschädigung wegen ihrer selbständigen Präventionsfunktion über den reinen Schadensausgleich hinausgeht, hat jedoch Zweifel ausgelöst, ob eine solche Geldentschädigung noch Schadensersatz oder bereits Privatstrafe sei.299 Die Rechtsprechung habe die Entschädigung vom Ausgleich des konkreten Schadens bzw. der Genugtuung gelöst, so dass kein 293

Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 240. K. W. Lange, VersR 1999, 274, 278 f.; ähnlich Steffen, NJW 1997, 10, 13; a. A. Schlechtriem, JZ 1995, 362, 363. 295 Steffen, NJW 1997, 10, 13. 296 Dreier, Kompensation, S. 530 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 220 ff., 242 ff.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 139 ff.; ebenso Löwe, Prävention, S. 224 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 240; s. auch G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 87 f., 96 f. (Gewinnabschöpfung). 297 Z. B. Dreier, Kompensation und Prävention, S. 502 f.; Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, S. 122 ff.; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, S. 270 ff.; Schlobach, Das Präventionsprinzip im Recht des Schadensersatzes, S. 456 ff.; G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 445 ff.; ders., 66. DJT, Bd. I, A 1, A 83 f.; s. auch Rosengarten, NJW 1996, 1935; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 240. 298 Großfeld, Privatstrafe, S. 110; Kötz, FS Steindorff, S. 643, 656 f.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 659; s. auch Bentert, Das pönale Element, S. 41 (Übernahme strafrechtlicher Aufgaben durch das Privatrecht); dazu abl. F. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 345. 299 Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 159; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 54; so bereits wegen der Genugtuungsfunktion Kern, AcP 191 (1991), 247 ff.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 95 ff., 103 ff.; ders., FS Wiese, S. 261, 272 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 53. 294

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reiner Schadensausgleich mehr erfolge.300 Diese Autoren setzen die Präventionsfunktion der Entschädigung mit der Privatstrafe gleich und erlauben keine Differenzierung zwischen einer ausschließlich verhaltenssteuernden Entschädigung und einer Privatstrafe, die auch Vergeltung für die schuldhafte Rechtsverletzung ist.301 Die Zulässigkeit einer Entschädigung mit pönalem Charakter wird nicht einheitlich beurteilt. Während sich ein Teil der neueren Literatur für die Anerkennung pönaler Elemente im Zivilrecht ausspricht302, lehnt ein anderer Teil eine solche Privatstrafe wegen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2, 3 GG und die Grenzen des privatrechtlichen Rechtsverhältnisses ab, das sich stets auf die an ihm Beteiligten beschränke und daher keine geeignete Grundlage für eine Spezial- oder Generalprävention sei303. Darüber hinaus ist die Ableitung einer selbständigen Präventionsfunktion aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG – unabhängig vom pönalen Charakter des Anspruchs – auf Kritik gestoßen.304 Vor allem jene Autoren, die den Entschädigungsanspruch auf eine Analogie zu § 847 BGB a. F. stützen, sprechen sich gegen die Prävention aus, da sich die Norm auf die Wiedergutmachung des Schadens beschränke.305 Zudem lasse sich die Ungleichbehandlung der Entschädigung der immateriellen Schäden infolge einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung durch Analogieschluss nicht begründen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei ohne die Anerkennung einer Präventionsfunktion nicht schutzlos.306 Schließlich sei es nicht nur ideelles Recht, sondern habe auch vermögensrechtliche Bestandteile, so dass der Geschädigte infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht auf den Entschädigungsanspruch wegen seiner ideellen Schäden verwiesen bleibe, sondern auch Ansprüche auf Gewinnherausgabe wegen angemaßter Eigengeschäftsführung oder Wertersatz aus Eingriffskondiktion habe307.308 300 Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 159; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 453; Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 139; dahingehend Steffen, NJW 1997, 10, 13; ambivalent Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 246, der die Entschädigung als eigenständiges Institut bezeichnet, das Teil des materiellen Schadensersatzrechts sei. 301 Kern, AcP 191 (1991), 247, 255; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 399 ff.; s. dazu § 16.D.II., S. 720 ff. 302 Ebert, Pönale Elemente, S. 576 ff.; P. Müller, Punitive damages, S. 369 ff.; so bereits Großfeld, Privatstrafe, S. 104 ff., 125 f. 303 F. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 341 ff.; Klumpp, Privatstrafe, S. 118 f.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 659 f. 304 Canaris, Grundrechte, S. 82 f.; Gounalakis, AfP 1998, 10, 14 ff.; Peifer, JR 1996, 420, 421; Seitz, NJW 1996, 2848 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 55; s. auch Altintas, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, S. 121; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 193 ff. 305 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 86, 100; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 452 f.; Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 494 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56. 306 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 86. 307 Canaris, FS Deutsch, S. 85 ff.; Erman/Ehmann, BGB, 10. Aufl. 2000, § 12 Anh. Rn. 804; Göbel, Geldentschädigung, S. 180 ff.; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 220; Heldrich, FS Heinrichs, S. 319, 324; Helle, JZ 2007, 444, 445; Koos, WRP 2002, 202, 202 f.; Schlechtriem, JZ

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Mit der Entwicklung einer eigenständigen Präventionsfunktion für die Entschädigung ideeller Einbußen infolge einer schweren Persönlichkeitsverletzung geht die Rechtsprechung über den Schadensausgleich nach dem tradierten Verständnis des Schadensersatzrechts hinaus. Eine solche Entwicklung lässt sich nur rechtfertigen, wenn das Zivilrecht Raum für eine gezielte Verhaltenssteuerung durch überkompensatorische Entschädigung lässt. Das berührt auch die Trennung zwischen Privat- und Strafrecht, die auf dem unterschiedlichen Rechtsgutsbegriff in diesen Rechtsgebieten beruht309 und zudem die Aufgabenverteilung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht betrifft. Dogmatische Schwierigkeiten ergeben sich auf verfassungsrechtlicher Ebene und bei der einfach-rechtlichen Implementierung einer solchen Funktion in das Schadensersatzrecht. Insbesondere die Anwendung von Art. 103 Abs. 2, 3 GG sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind von Bedeutung310. Der BGH ist diesen Fragen auf zivilrechtlicher Ebene teilweise ausgewichen, indem er den Entschädigungsanspruch als Anspruch eigener Art qualifizierte, der unabhängig vom übrigen Schadensersatzrecht besteht.311 Sofern der Versuch unternommen wird, diese Sonderentwicklung zu beenden und die Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in das Schadensersatzrecht zu integrieren, entstünde durch die selbständige Präventionsfunktion eine Ungleichbehandlung zu § 253 Abs. 2 BGB und den Gesetzen zur Gefährdungshaftung. Das lässt sich durch eine Erweiterung der Präventionsfunktion auf das Schadensersatzrecht insgesamt überwinden. Allerdings enthalten die §§ 249 ff. BGB kein allgemeines Konzept eines Schadensersatzes, der zur Verhaltenssteuerung eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, auch wenn sich inzwischen in verschiedenen Bereichen des Privatrechts Sonderregelungen finden, die auf eine Verhaltenssteuerung ausgerichtet sind.312 Auch die Abgrenzung zum Strafrecht hat der BGH nur teilweise bewältigt, indem er die Anwendung von Art. 103 Abs. 2, 3 GG verneint und klarstellt, 308 1995, 362, 364; Seitz, NJW 1996, 2848, 2850; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 230; Staudinger/ Schmidt, Jura 2001, 241, 249; Taupitz, Karlsruher Forum 1996, S. 75; Ullmann, AfP 1999, 209, 213; ders., WRP 2000, 1049, 1052 f.; Weyers, Karlsruher 1996, S. 86, 87; abl. Steffen, NJW 1997, 10, 13 f. 308 Ausführlich zu den Rechtsfolgen der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts § 17.B., S. 738 ff. Zur Notwendigkeit einer selbständigen Präventionsfunktion bei Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts § 17.E., S. 778 ff. 309 Siehe dazu § 18.C.I., S. 833 ff. 310 Siehe unten § 18.C.IV., S. 854 ff. 311 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); s. auch BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 232; Soehring, NJW 1997, 360, 372; Steffen, NJW 1997, 10. 312 Ausführlich dazu s. § 18.A., S. 795 ff.

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dass es sich nicht um eine strafrechtliche Sanktion handle.313 Dabei setzt er sich nur mit dem Begriff der Strafe in Art. 103 Abs. 2, 3 GG auseinander, der gerade für eine hoheitliche Sanktion gilt, die nicht allein auf zivilrechtliches Unrecht reagiert, sondern eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein (schuldhaftes) gemeinschaftsschädliches Verhalten darstellt.314 Damit ist keine Aussage darüber getroffen, ob der Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion eine Privatstrafe ist. Gerade wegen der grundsätzlichen Vorbehalte gegen die Einführung von Privatstrafen im Privatrecht ist diese dogmatische Differenzierung wichtig. Zudem entscheidet sie darüber, ob und inwieweit sich die Entschädigung immaterieller Einbußen wegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung in das Schadensersatzrecht integrieren lässt. Das verhindert der BGH von vornherein, indem er die Geldentschädigung als Anspruch eigener Art qualifiziert. Unabhängig davon, ob es einer Neuausrichtung des Schadensersatzrechts im Sinne einer Präventionsfunktion bedarf und unter welchen Voraussetzungen eine solche Entwicklung zulässig ist, haben sich speziell für die Ableitung einer Präventionsfunktion der Geldentschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung die Ausgangsbedingungen verändert. Der 1. Senat des BGH hat in der Marlene-Dietrich-Entscheidung aus dem Jahre 1999 vermögensrechtliche Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt.315 Ihre Verletzung kann Ansprüche aus Deliktsrecht, Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung begründen, so dass sich der Rechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht auf die Unterlassungs-, Widerrufs- und Gegendarstellungsansprüche als Primärrechtsschutz und die Geldentschädigung wegen ideeller Schäden als Sekundärrechtsschutz stützt. Gerade bei der Zwangskommerzialisierung bekannter Personen sind somit die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und gegebenenfalls zugleich seine ideellen Bestandteile verletzt. Lediglich die Kommerzialisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Personen, die nicht prominent sind und ihre Persönlichkeitsbestandteile wie Name, Stimme oder Bildnis regelmäßig nicht verwerten können, mag ein Rechtsschutzdefizit bestehen. Auf diese Personen bezog sich jedoch die Präventionsfunktion, die der 6. Zivilsenat des BGH in der Caroline-Rechtsprechung entwickelt hatte, im Grunde nicht. Daher wurde bereits kurz nach der Marlene-Dietrich-Entscheidung des 1. Zivilsenats des BGH von einer Reihe von Autoren befürwortet, die Präventionsfunktion des Entschädigungsan-

313

BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f. Ausführlich dazu § 18.C.IV.1, 2., S. 854 ff. 315 BGH 1.12.1999 Z 143, 214 (Marlene Dietrich); bestätigend BGH 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); 5.10.2006 Z 169, 193, 196 (kinski-klaus.de); s. auch BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 f. (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 314

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spruchs bei einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufzugeben.316 Die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion, die den Entschädigungsanspruch zu einer Form des Rechtsgüterschutzes werden lässt, ist Gegenstand des vierten Teils der vorliegenden Arbeit. Dabei sind zum einen die Ansätze aufzuzeigen, die zur Anerkennung einer allgemeinen Präventionsfunktion im Schadensersatzrecht oder einiger Teilbereiche führen. Zugleich ist auf die gegenläufige Entwicklung im Anschluss an die Marlene-Dietrich-Entscheidung des 1. Senats einzugehen. IV. Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG 1. (Un-)Selbständige Präventionsfunktion Den Entschädigungsansprüchen gemäß §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG wird neben der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion eine selbständige Präventionsfunktion zugemessen.317 Zum Teil werden sie sogar als Privatstrafe qualifiziert.318 Diese Auseinandersetzung über die Funktion und den strafenden Charakter dieser Ansprüche bestand bereits zu § 611a BGB a. F.319 Die funktionelle Ausrichtung der Ansprüche und ihre Qualifikation als Schadensersatz oder Privatstrafe hängt von zwei Aspekten ab. Zunächst sind die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG als Teil des nationalen Schadensersatzrechts auszulegen. In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob die Ausgestaltung des Entschädigungsanspruchs – insbesondere bei seiner Beschränkung auf den Schadensausgleich – genügt, um eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion im Sinne der europäischen Richtlinien zu bewirken. Darüber hinaus ist zu erwägen, ob es zusätzlich zu den geltenden Regelungen einer Sanktion in Form einer Geldbuße für eine Ordnungswidrigkeit bedarf. § 15 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG enthalten bei europarechtskonformer Auslegung verschuldensunabhängige Entschädigungsansprüche320 und sind 316 Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 220; Helle, JZ 2007, 444, 445; Koos, WRP 2002, 202, 202 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 230; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 249; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 1, 29 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 213; ders., WRP 2000, 1049, 1052 f.; s. auch G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 224 f.; Witzleb, Geldentschädigung, S. 161 ff. 317 So wohl Lehmann, Höhe des finanziellen Ausgleichs, S. 143, 151 ff.; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 38; Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; s. auch Armbrüster, KritV 2005, 41, 49; zurückhaltender Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; nicht eindeutig Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 52; so zu § 611a BGB wohl Möller, Präventionsprinzip, S. 220 ff.; Löwe, Prävention, S. 224 f.; Raab, DStR 1999, 854, 857. 318 Vgl. KR/Pfeiffer, AGG Rn. 144. 319 Annuß, NZA 1999, 738, 740, 741; Ebert, Pönale Elemente, S. 350 f., 353 f.; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 254; Herrmann, ZfA 1996, 19, 37; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 19, 98; Volmer, BB 1997, 1582, 1584 f.; Wank, FS Wißmann, S. 599, 616; Zwanziger, BB 1995, 1404, 1406; ähnlich Birk, NZA 1984, 145, 148; s. auch Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 411. 320 Siehe oben § 2.C.VII.2.b., S. 135 ff.

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Ausnahmen zu § 253 Abs. 1 BGB321. Der Entschädigungsanspruch ordnet sich somit in das Schadensersatzrecht ein, so dass ihm grundsätzlich ebenso wie dem Entschädigungsanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB eine Ausgleichsfunktion zukommt.322 Zugleich wirkt die Haftung für ideelle Schäden wie jeder Schadensersatzanspruch präventiv, weil er den Schädiger belastet. Somit besteht zumindest eine unselbständige Präventionsfunktion als erwünschter Nebeneffekt des Schadensausgleichs.323 Eine Differenzierung zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung ist insoweit nicht angezeigt, da es nur um eine faktische Wirkung geht.324 Eine selbständige Präventionsfunktion ergibt sich aus dem Wortlaut der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG nicht. Die Formulierung ähnelt § 253 Abs. 2 BGB mit Ausnahme der Bezugnahme auf die Rechtsgutsverletzungen. In den §§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG wird die Rechtsfolge zwar als Schadensersatz und in den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG als Entschädigung bezeichnet. Damit wollte der Gesetzgeber aber nur verdeutlichen, dass sich die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG auf den Ausgleich immaterieller Schäden beziehen, der verschuldensunabhängig erfolgen müsse, wohingegen die Haftung auf Schadensersatz für die Vermögensschäden vom Verschulden abhängt. Schließlich ergibt sich eine selbständige Präventionsfunktion nicht daraus, dass die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG eigenständige verschuldensunabhängige Ansprüche regeln. Diese Loslösung von den Schadensersatzansprüchen diente ausschließlich der Umsetzung der Richtlinien325, wenngleich der deutsche Gesetzgeber zu Unrecht davon ausging, dass nur für die Nichtvermögensschäden ein verschuldensunabhängiger Schadensausgleich europarechtlich geboten ist. Auch aus der Haftungsobergrenze für die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG ergibt sich nicht, dass der Entschädigungsanspruch im Gegensatz zum übrigen Schadensersatzrecht eine selbständige Präventionsfunktion hat.326 Die Begrenzung der Entschädigung erfolgt im Interesse des Schädigers327 und war bereits Teil der Vorgängerregelung in § 611a Abs. 3 BGB. Der EuGH erachtete sie für richtlinienkonform, weil sie den vollständigen Schadensausgleich nicht verhindere.328 Damit ist eine Entschädigung mit selbständiger Präventionsfunktion unvereinbar. Eine effektive Prävention kann es notwendig machen, mit der Sanktion über den erlittenen Schaden hinauszugehen. 321

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38. Siehe oben § 3.B.V., S. 163 ff. 323 Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 11, 56, 73; Deinert, DB 2007, 398 f.; Walker, NZA 2009, 5, 8 f.; s. auch Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1013. 324 Für eine solche Differenzierung Rudolf/Mahlmann/Armbrüster, AGG, S. 314. 325 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38. 326 So aber Pfarr, RdA 1995, 204, 209. 327 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 63. 328 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 37 (Draehmpaehl). 322

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Die Literatur nimmt daher zu Recht überwiegend an, dass der Entschädigungsanspruch nur eine unselbständige Präventionsfunktion habe und hauptsächlich den Schadensausgleich bezwecke.329 Auch die Rechtsprechung hatte die Entschädigung zunächst am Umfang der erlittenen Schäden ausgerichtet.330 Zwar fand das Verschulden des Schädigers Berücksichtigung, das vorsätzliche Handeln hat aber auch Einfluss auf den Umfang des Gefühlsschadens, so dass seine Einbeziehung nicht zwingend auf eine selbständige Präventionsfunktion hindeutet. In einem Urteil aus dem Jahre 2009 entschied das BAG aber zu § 15 Abs. 2 AGG, dass die Bemessung der Entschädigung auch auf den Sanktionszweck der Norm Rücksicht nehmen müsse, so dass die Entschädigungshöhe von ihrer abschreckenden Wirkung auf den Arbeitgeber abhängig sei.331 Diese Annahme scheint sich an die Rechtsprechung des EuGH anzulehnen, der eine wirksame, angemessene und abschreckende Sanktion verlangt.332 Diese Maßgabe entwickelte der Gerichtshof anhand der Richtlinie 76/207/EWG zu § 611a BGB a. F., der einen Schadensersatzanspruch als Sanktion für den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorsah. Danach fanden sie Eingang in den Wortlaut der später erlassenen europäischen Richtlinien.333 Der EuGH verlangte bisher aber nur einen vollständigen Schadensausgleich und erkannte sogar die durch die Haftungsobergrenze beschränkte Entschädigung für den Nicht-Bestbewerber als europarechtskonform an.334 Die Urteilsgründe des BAG sprechen indes dafür, dass das Gericht es für zulässig erachtet, auf der Grundlage der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG eine überkompensatorische Entschädigung zum Zwecke der Prävention zuzusprechen, ohne die Ableitung der Funktion und die Bemessung der Entschädigung näher zu begründen. Für eine selbständige Präventionsfunktion wird zum Teil darauf verwiesen, dass eine solche Funktion bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vom BGH anerkannt ist und die Entschädigung somit dem Schadensausgleich und der Abschreckung des Schädigers im Sinne der Spezialprävention dient.335 Diese Rechtsprechung sei auf den Entschädigungsanspruch nach 329 Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 73; Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 48; Deinert, DB 2007, 398, 398 f.; ders., AP Nr. 1 zu § 15 AGG; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 1; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 62; s. auch ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 514; Rühl/Schmidt/Viethen, AGG, S. 156; s. auch Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 21; zu § 611a BGB ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 38; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1013; s. auch Treber, DZWiR 1998, 177, 184; nicht eindeutig Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 50, 52. 330 BAG 15.2.2005 NZA 2005, 871; s. auch ArbG Berlin 28.11.2007 75 Ca 12083/07 (Schadensausgleich); s. auch LAG München 19.11.2008 5 Sa 556/08, beide zit. nach juris. 331 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952. 332 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 24, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 24, 28 (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 23 (Dekker). 333 Art. 15 Richtlinie 2000/43/EG; Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG; Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2002/73/EG; Art. 8, 14 Richtlinie 2004/113/EG; Art. 18, 25 Richtlinie 2006/54/EG. 334 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22, 37 (Draehmpaehl). 335 Rühl/Schmidt/Viethen, AGG, S. 155 ff.

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den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG zu übertragen, die neben dem Schadensausgleich ebenfalls der Verhinderung zukünftiger Benachteiligungen dienen. Das AGG verfolgt das Ziel, den diskriminierungsfreien Zugang zum Beruf bzw. zu Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten, indem es unzulässige Benachteiligungen verbietet und Verstöße insbesondere durch die Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche sanktioniert. Die Übertragung der Rechtsprechung des BGH zur selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs ist mit dem Schutzzweck des AGG aber nur vereinbar, wenn die Haftungsvoraussetzungen vergleichbar sind. Die selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen einer besonders schweren Persönlichkeitsverletzung beruht vor allem darauf, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch eine rücksichtslose Zwangskommerzialisierung zur Gewinnerzielung verletzt wurde.336 Die Entschädigung soll somit einem vorsätzlichen Rechtsbruch und der Verfolgung kommerzieller Interessen entgegenwirken, da der Geschädigte solchen Angriffen weitgehend schutzlos ausgeliefert sei. Die Abschöpfung des Verletzergewinns sei notwendig, damit sich die Rechtsverletzung nicht mehr lohne und von der Entschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehe.337 Die Haftung wegen einer unzulässigen Benachteiligung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG ist im Gegensatz zum Anspruch auf Geldentschädigung verschuldensunabhängig. Eine unmittelbare Benachteiligung, die direkt an ein Merkmal im Sinne von § 1 AGG anknüpft, ist zwar in der Regel vorsätzlich, ebenso wie die Belästigung oder die sexuelle Belästigung (§ 3 Abs. 3, 4 AGG), die Benachteiligung ist aber nicht zwingend mit einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbunden.338 Zudem erfolgt die Benachteiligung meist nicht, um auf Kosten des Geschädigten Gewinn zu erzielen. Der Handelnde lebt vielmehr seine Vorbehalte gegen den Betroffenen wegen eines persönlichen Merkmals nach § 1 AGG aus. Bei der Einstellung von Beschäftigten richtet sich die Personalentscheidung gegebenenfalls nach der Erwartung der Kunden des Unternehmens und verwirklicht deren diskriminierende Einstellung. Es besteht zwar ein Bezug zur unternehmerischen Tätigkeit, eine Zwangskommerzialisierung findet aber nicht statt. Mangels Gewinnerzielung ist keine Gewinnabschöpfung erforderlich. Die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht lässt sich somit nicht auf die Entschädigungsansprüche nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG übertragen. Eine selbständige Präventionsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung legitimiert, kann sich daher nur aus dem AGG und dessen europarechtlichen Vorgaben ergeben.339 Bereits bei der Auslegung 336 337 338 339

BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I). BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16. (Caroline I). Siehe oben § 3.B.V.2., S. 167 ff. Ebenso Walker, NZA 2009, 5, 8.

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des § 611a BGB a. F. wurde darauf verwiesen, dass die Benachteiligungsverbote die Gleichbehandlung und die Chancengleichheit schützen und ihnen eine Erziehungsfunktion zukommt.340 Die Entschädigung des Geschädigten habe daher vor allem verhaltenssteuernde Wirkung.341 Zudem solle die Entschädigung für den Geschädigten Anreiz für die Kontrolle des Gesetzesvollzugs sein, so dass jener im Interesse der Allgemeinheit tätig werde.342 Daher wurde zum Teil befürwortet, dass jeder, der sich auf eine Stellenanzeige bewirbt (formeller Bewerberbegriff)343, die auf eines der unzulässigen Merkmale abhebt, einen Entschädigungsanspruch hat, unabhängig davon, ob er sich ernsthaft bewirbt oder nur, um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen.344 Die europäischen Richtlinien fordern eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion für die Verletzung des Benachteiligungsverbots, so dass sie sich nicht auf den Ausgleich erlittener Nachteile beschränken können, sondern eine effektive Rechtsdurchsetzung mit abschreckender Wirkung erforderlich ist.345 Unabhängig von der Auslegung der europäischen Richtlinien, ist an dieser Stelle bereits klarzustellen, dass sie die Umsetzung der Vorgaben zur Sanktion des Rechtsverstoßes durch einen Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion nicht gebieten. Die Mitgliedstaaten haben bei der Richtlinienumsetzung einen Gestaltungsspielraum und entscheiden selbst, auf welche Weise sie den Vorgaben der Richtlinie nachkommen.346 Anstelle eines präventiven Entschädigungsanspruchs ist eine Ordnungswidrigkeit denkbar. Der deutsche Gesetzgeber hat bisher keine entsprechende Norm erlassen, sondern ausschließlich privatrechtliche Rechtsfolgen geregelt. Selbst wenn die Sanktionen des AGG den Vorgaben der europäischen Richtlinien nicht entsprechen, führt die richtlinienkonforme Auslegung des AGG nicht 340 Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 93; Möller, Präventionsprinzip, S. 222 f.; s. auch LAG München 19.11.2008 Sa 556/08, zit. nach juris, wobei nicht erkennbar ist, ob das auch einen überkompensatorischen Schadensersatz trägt. 341 Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 93; Rust/Falk/Bücker, AGG, § 15 Rn. 34; s. auch Armbrüster, KritV 2005, 41, 49, der die Prävention auf Fälle subjektiv-vorwerfbaren Handelns beschränken will und moderate Entschädigungssummen befürwortet. 342 Möller, Präventionsprinzip, S. 222 f. 343 Zum sog. professionellen Diskriminierungskläger § 3.B.V.3., S. 174 ff. 344 Ebert, Pönale Elemente, S. 355 ff.; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 93; Möller, Präventionsprinzip, S. 222 f. Sofern mehrere Personen benachteiligt werden (z. B. bei Bewerbungsverfahren), wird zum Teil angenommen, dass nur der erste Kläger eine überkompensatorische Entschädigung verlangen könne, da nur er ein besonderes Prozessrisiko eingehe und zugunsten der Allgemeinheit agiere (s. Schlobach, Präventionsprinzip, S. 439 ff.). Offen bleibt, wie der Kläger bzw. Richter davon Kenntnis erlangt, um seinen Antrag bzw. Urteil danach auszurichten. 345 Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 38; Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; a. A. Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 56, 73; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 14; Walker, NZA 2009, 5, 8 f. 346 Siehe dazu § 8.A.I., S. 424 ff.

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notwendig zu einem Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion. Die Gerichte der Mitgliedstaaten sind nach Art. 288 Abs. 3 AEUV und dem Effizienzgebot nach Art. 4 Abs. 3 EUV zwar verpflichtet, das nationale Recht so weit wie möglich entsprechend dem Richtlinienzweck auszulegen.347 Die richtlinienkonforme Auslegung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG kann aber nur zur Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion führen, wenn der Wortlaut und der Wille des Gesetzgebers nicht entgegensteht.348 Der Schadensersatz nach den §§ 249 ff. BGB ist durch den Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot auf Schadensausgleich beschränkt, so dass die Prävention nur ein erwünschter Nebeneffekt ist. Der schadensersatzrechtliche Begriff der Entschädigung ist mit diesem Funktionsverständnis verbunden, so dass sich bereits hinsichtlich des Wortlauts der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG Bedenken gegen eine richtlinienkonforme Auslegung ergeben können. Beim Ausgleich immaterieller Schäden wurde zwar wiederholt eine sühnende bzw. pönale Funktion der Entschädigung erwogen. Die herrschende Ansicht sieht die Entschädigung immaterieller Einbußen bisher dennoch als Schadensausgleich an.349 Eine Ausnahme ist nur die Geldentschädigung für schwere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Unabhängig von den Zweifeln an der Begründung der Präventionsfunktion ist zumindest nicht anzunehmen, dass die Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH zu verallgemeinern ist. BGH und BVerfG verweisen darauf, dass die überkompensatorische Entschädigung zum Zwecke der Prävention auf einer besonderen dogmatischen Grundlage – der objektiven Wertung der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG – beruhe und daher eine Ungleichbehandlung zu den übrigen Entschädigungsansprüchen wegen Nichtvermögensschäden erlaube.350 Somit bleibt der Schadensersatz im Übrigen auf den Schadensausgleich beschränkt, was auch der richtlinienkonformen Auslegung entgegensteht. Darüber hinaus wird einer Auslegung, die eine selbständige Präventionsfunktion in den Entschädigungsanspruch hineinliest, entgegengehalten, dass die Entschädigung zu einer verfassungswidrigen Privatstrafe werde.351 Zudem widerspricht eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers, der die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG als Ausnahme zu 347 EuGH 13.11.1990 Slg. 1990, I-4135 Rn. 8 (Marleasing); 18.12.1997 Slg. 1997, I-7411 Rn. 40 (Inter-Environment Wallonie); 5.10.2004 Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 ff. (Pfeiffer); 16.6.2005 Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47 (Pupino); 4.7.2006 Slg. 2006, I-6057 Rn. 117 (Adeneler). 348 EuGH 16.6.2005 Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47 (Pupino); 4.7.2006 Slg. 2006, I-6057 Rn. 110 (Adeneler). 349 Siehe § 3.B.V.1., S. 163 ff. 350 BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187 f. 351 Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363; s. auch Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 75; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 Rn. 14 ff., die Sanktionsgesichtspunkte nur im Rahmen des Schadensausgleichs beachten wollen.

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§ 253 Abs. 1 BGB eingeordnet hat. Daher ist eine richtlinienkonforme Auslegung unmöglich.352 Sofern die Auslegung der Richtlinien ergibt, dass über den Ausgleich der erlittenen Schäden hinaus eine Sanktion erforderlich ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinien unvollständig umgesetzt. Diese Richtlinienwidrigkeit ist durch zusätzliche Regelungen zu beheben. In der Literatur wird zur Verwirklichung der Sanktionsvorgaben der Richtlinien vor allem eine Ordnungswidrigkeit favorisiert.353 Auch ein Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion bedarf einer gesetzlichen Regelung, die mit der Verfassung vereinbar sein muss. 2. Straffunktion Für die Vorgängerregelung in § 611a BGB a. F. nahm ein Teil des Schrifttums an, dass es sich nicht um einen Schadensausgleich, sondern um eine Privatstrafe handle354 und die Entschädigung nicht vom Schaden abhänge355. Diese Auffassung stützte sich auf die Auslegung des Art. 6 Richtlinie 76/207/ EWG, wonach eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion zur Richtlinienumsetzung erforderlich ist. Die erforderliche Abschreckung des Schädigers und die Genugtuung des Geschädigten verwiesen auf eine Privatstrafe.356 Zudem zielten § 611a BGB a. F. und die europäischen Richtlinien auf eine effektive Gleichstellung, so dass die Entschädigung der Ahndung eines Fehlverhaltens und der Abschreckung diene und ein bloßer Schadensausgleich nicht in jedem Fall genüge.357 Daher sei die Entschädigung

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Auch die Schutzpflicht des Staates aus Art. 3 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG gebietet keine Entschädigung mit selbständiger Präventionsfunktion, wenn sie Art. 103 Abs. 2, 3 GG widerspricht; anders Kaehler, ZfA 2006, 519, 543. 353 Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 364; Kamanabrou, RdA 2006, 321, 337; dies., ZfA 2006, 327, 337 f.; so zu § 611a BGB a. F. Annuß, NZA 1999, 738, 744; KR-Pfeiffer, § 611a BGB Rn. 104; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 106 f.; Treber, DZWiR 1998, 177, 185; Zeuner, FS Bydlinski, S. 495, 502 ff.; abl. Deinert, DB 2007, 398, 399. 354 Annuß, NZA 1999, 738, 741; Herrmann, ZfA 1996, 19, 35 f.; Korthaus, Antidiskriminierungsrecht, S. 218; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 94; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 353 f. (gemischt pönal-reipersekutorisch); Klumpp, Privatstrafe, S. 72 f.; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 99; Möller, Präventionsprinzip, S. 222 f.; P. Müller, Punitive damages, S. 276; Rosengarten, NJW 1996, 1935, 1936; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 410 ff.; Steinbrück, Jura 2004, 439, 446. 355 Annuß, NZA 1999, 738, 741; Korthaus, Antidiskriminierungsrecht, S. 218; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 99. 356 Herrmann, ZfA 1996, 19, 35 f.; s. auch Klumpp, Privatstrafe, S. 72; Rosengarten, NJW 1996, 1935, 1936; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 410 ff. 357 Annuß, NZA 1999, 738, 740 ff.; Herrmann, ZfA 1996, 19, 35 f.; Hohmeister, BB 1998, 1790, 1791; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 99 ff.; P. Müller, Punitive Damages, S. 150 ff.; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 19, 94; Volmer, BB 1997, 1582, 1584; Wendeling-Schröder/Buschkröger, FS Däubler, S. 127, 131; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 354; Klumpp, Privatstrafe, S. 73.

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gegebenenfalls um einen Strafaufschlag zu erhöhen.358 Im Anschluss daran wird § 15 Abs. 2 AGG vereinzelt ein pönaler Charakter zugesprochen.359 Wegen der Äußerung des Gesetzgebers, dass es sich um eine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB handle, wird diese Ansicht nur selten vertreten. Die Annahme einer Straffunktion statt einer selbständigen Präventionsfunktion beruht darauf, dass eine Entschädigung mit selbständiger Präventionsfunktion eine Privatstrafe und kein Tertium im Verhältnis zu Schadensersatz und Privatstrafe sei. Der Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion der Entschädigungsansprüche aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG und ihrer Qualifikation als Privatstrafe widerspricht jedoch ein großer Teil der Literatur.360 Kern der Auseinandersetzung ist die Auslegung der europäischen Richtlinien. Es wird davon ausgegangen, dass ein vollständiger Schadensausgleich bereits eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion im Sinne der Richtlinien sei.361 Selbst diejenigen, die eine Sanktion jenseits des Schadensausgleichs für erforderlich halten, sehen eine richtlinienkonforme Auslegung der Entschädigungsansprüche im Sinne einer selbständigen Präventionsfunktion oder Straffunktion als unzulässig an.362 Dem Entschädigungsanspruch wurde bereits für § 611a BGB a. F. entgegengehalten, dass die Privatstrafe dem BGB fremd363 und die verschuldensunabhängige Haftung mit dem Grundsatz nulla poena sine culpa sowie dem Strafmonopol des Staates unvereinbar seien.364 Zudem verletze der Strafschadensersatz das Persönlichkeitsrecht des schuldlos handelnden Schädigers. Um die Verfassungskonformität des § 611a BGB a. F. zu gewährleisten, wurde der Entschädigungsanspruch eingeschränkt. Eine überkompensatorische Entschädigung sei nur bei schuldhaftem Handeln zuzusprechen, so dass bei der Bemessung der Entschädigung daher nach dem Verschulden zu differenzieren 358

Annuß, NZA 1999, 738, 743; zust. Ebert, Pönale Elemente, S. 350 f. LAG Schleswig-Holstein 9.12.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 7. 360 Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 74 ff.; Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363; Däubler/ Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 13 f.; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 1; Kister, Entschädigung, S. 244 f.; Kocher, AuR 1998, 221, 222; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 14; zu § 611a BGB ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 38; Raab, DStR 1999, 854, 857; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1013; s. auch ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 514; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 21; Rühl/Schmidt/Viethen, AGG, S. 156; Treber, DZWiR 1998, 177, 184; s. auch Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 50, 52 (unklar, ob selbständige Präventionsfunktion befürwortet). 361 Siehe Fn. 353 und § 8.B.III.2., S. 457 ff. 362 Siehe Fn. 353. 363 Herrmann, ZfA 1996, 19, 36 f.; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB. 364 Annuß, NZA 1999, 738, 741; APS/Linck, 2. Aufl. 2004, § 611a Rn. 102; Herrmann, ZfA 1996, 19, 40; KR-Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 104; Müller-Glöge, MünchKommBGB, 4. Aufl. 2005, § 611a BGB Rn. 61; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; Zwanziger, BB 1995, 1404, 1406; krit. auch Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 53; s. auch zu § 15 Abs. 2 AGG Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 14. 359

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sei.365 Der EuGH legte Art. 6 der Richtlinie 76/207/EWG in der Rechtssache Draehmpaehl aber dahin aus, dass die erlittenen Schäden unabhängig vom Verschulden und somit ohne Einschränkungen kompensiert werden müssen.366 Zumindest für den reinen Schadensausgleich darf es nicht auf das Verschulden ankommen, nur die überkompensatorische Entschädigung bzw. Privatstrafe kann vom Verschulden abhängig gemacht werden. Das setzt voraus, dass das Gericht im Einzelfall ausweist, ob und in welchem Umfang die Entschädigung dem Schadensausgleich dient und inwieweit sie über den Schaden hinausgeht. Zwischen kompensierender und pönaler Entschädigung wurde bisher indes nicht differenziert. Sofern die Richtlinien eine Sanktion über die Entschädigung der erlittenen Einbuße hinaus gebieten, ist somit rechtspolitisch zu entscheiden, ob die Umsetzung in Form einer Ordnungswidrigkeit, einer Privatstrafe oder durch einen Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion erfolgen soll. Dabei ist zu klären, ob es überhaupt berechtigt ist, den Entschädigungsanspruch mit Präventionsfunktion als eigenständige Kategorie zu behandeln, oder ob es sich um einen Strafschadensersatz, also eine Privatstrafe, handelt.367 In jedem Fall stehen einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG im Sinne einer Privatstrafe Wortlaut und Intention des Gesetzgebers entgegen, der eine selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs nicht anerkennen wollte. Zudem ist sicherzustellen, dass die Regelung mit den Richtlinien und den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Zumindest darf der Entschädigungsanspruch nicht per se vom Verschulden des Schädigers abhängig sein. V. Zusammenfassung Die Prävention als Nebeneffekt der Entschädigung ist für den Schadensersatz generell und für die Entschädigung von Nichtvermögensschäden anerkannt. Eine darüber hinausgehende selbständige Präventionsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, ist bisher nicht allgemein akzeptiert. Auch die Entschädigungsansprüche nach dem AGG beschränken sich auf den Schadensausgleich. Eine überkompensatorische Entschädigung zum Zwecke der Prävention können höchstens die europäischen Richtlinien gebieten. Einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG stehen jedoch der Wortlaut und der Wille des Gesetzgebers entgegen. Gegebenenfalls muss der Gesetzgeber handeln und entscheiden, ob er die Richtlinie durch eine Entschädigung mit selbständiger Präventionsfunktion, eine Privatstrafe oder einen Ordnungswidrigkeitentatbestand umsetzt. Dabei 365 Annuß, NZA 1999, 738, 742; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 412; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 94. 366 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22, 37 (Draehmpaehl). 367 Ausführlich dazu § 16.C.IV., S. 701 ff.

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sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nur der Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine rücksichtslose Zwangskommerzialisierung mit Gewinnerzielungsabsicht weist der 6. Zivilsenat des BGH mit Billigung des BVerfG eine selbständige Präventionsfunktion zu, die auf das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gestützt wird und die Abweichung vom allgemeinen Schadensersatzrecht rechtfertigt. Der Fortbestand dieser Funktion ist durch die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Frage gestellt. Sofern sie einen hinreichenden Rechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleisten, ist die selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs aufzugeben.

G. Einwirken des Haftungsgrunds auf die Funktion des Entschädigungsanspruchs Die Entschädigung von Nichtvermögensschäden und ihre Funktion werden zum einen allgemein für die rechtsfolgenbestimmenden Normen diskutiert. Zum anderen wird angenommen, dass der Haftungsgrund die Funktion der Entschädigung und folglich ihre Bemessung beeinflusst.368 Die §§ 249 ff. BGB können keinen Zweck verfolgen, der dem Ziel der Haftung zuwiderläuft. Der Zweck der Haftung lässt sich letztlich nicht von dem des Schadensersatzes trennen.369 Vor der Reform des Schadensersatzrechts beruhte die Entschädigung immaterieller Einbußen vor allem auf der deliktischen Haftung370. Die Entschädigungsansprüche beruhten somit im Wesentlichen auf einem ähnlich strukturierten Haftungsgrund, so dass bei der Entschädigung keine Differenzierung erforderlich war. Daher standen für die Rechtsprechung Ausgleichsund Genugtuungsfunktion im Vordergrund.371 Nur bei einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erhält die Entschädigung eine Präventionsfunktion, die eine Intensivierung des Rechtsgüterschutzes bewirken soll. Mit der Erweiterung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden auf die vertragliche Haftung und die Gefährdungshaftung lässt sich die bisherige Diskussion über die Funktion der Entschädigung und die daran anknüpfenden Kriterien für ihre Bemessung nur fortführen, wenn der Haftungsgrund nicht entgegensteht. Grundsätzlich ging der Gesetzgeber bei der Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Einbußen davon aus, dass die Entschädigung 368

Assmann, BB 1985, 15, 24; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 158; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9; Stoll, Haftungsfolgen, S. 149; Thüsing, Schadensberechnung, S. 15; a. A. Larenz, NJW 1959, 865; Marburger, AcP 192 (1992), 1, 30 f. 369 Deutsch, FS Wahl, S. 339 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 158; s. aber Klingmüller, VersR 1973, S. 385 ff. 370 Ausnahmen enthielten nur § 833 BGB und § 36 S. 2 LuftVG. 371 Siehe oben § 3.B., D., S. 150 ff., 180 ff.

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nicht nach dem Haftungsgrund variiere, sondern grundsätzlich der gleiche Betrag zu gewähren sei.372 Schließlich begründet er die Erweiterung der Entschädigung für immaterielle Einbußen auf die Gefährdungshaftung mit der Verbesserung des Opferschutzes. Auch für die vertragliche Haftung scheint der Gesetzgeber davon auszugehen, dass sich aus dem Haftungsgrund kein Argument für eine abweichende Funktion der Entschädigung immaterieller Einbußen ergebe. Die Ausgleichsfunktion der Entschädigung lässt sich mit der deliktischen wie der vertraglichen Haftung und der Gefährdungshaftung vereinbaren. Der Schadensausgleich ist eine Abweichung vom Grundsatz casum sentit dominus nach Maßgabe des Haftungsgrundes. Bei der vertraglichen und deliktischen Haftung hängt die Veränderung der Schadenstragung von einer schuldhaften Pflicht- bzw. Rechtsverletzung ab, so dass sie Sanktion für ein rechtswidriges Handeln ist. Bei der Gefährdungshaftung beruht sie hingegen auf der Verwirklichung eines erlaubten Risikos. Das Verschulden hat aber keine Auswirkungen auf die Ausgleichsfunktion, da sie allein vom Ob der Haftung, von der Entscheidung für eine abweichende Lastenverteilung, abhängt. Mit der Regelung des Haftungstatbestands hat der Gesetzgeber entschieden, dass der Schädiger dem Geschädigten seinen Schaden abnehmen muss. Eine Proportionalhaftung nach dem Verschulden kennen das BGB und die Sondergesetze nicht. Auch eine Reduktionsklausel besteht grundsätzlich nicht. Die Genugtuungsfunktion lässt sich mit der vertraglichen und deliktischen Haftung sowie der Gefährdungshaftung vereinbaren, sofern sie die Ausgleichsfunktion nur ergänzt und auf die Inkommensurabilität des Schadens reagiert.373 Etwas anderes gilt nur, wenn sie als Form der Sühne zur Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls verstanden wird.374 Die Befürworter einer solchen Genugtuungsfunktion setzen stets ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers voraus, das anders als ein Unglücksfall den Geschädigten in seinem Vertrauen auf die Rechtsordnung zu erschüttern vermag. Daher kann die Entschädigung eine solche Funktion nur haben, wenn der Schädiger schuldhaft gehandelt hat. Sie setzt zwar keinen verschuldensabhängigen Haftungstatbestand voraus, ohne ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten entsteht jedoch kein Genugtuungsbedürfnis. Auch bei einer verschuldensunabhängigen Haftung ist daher die Genugtuungsfunktion des Schadensersatzes zumindest nicht ausgeschlossen, wenn der Schädiger tatsächlich schuldhaft gehandelt hat. Eine selbständige Präventionsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung für immaterielle Einbußen erlaubt, ist bisher vor allem bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt.375 In 372 373 374 375

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25. Siehe § 3.D.II., S. 181 ff. Siehe § 3.D.III., S. 184 ff. Siehe § 3.F.III., S. 200 ff.

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der Regel gewährt allein die deliktische Haftung eine Entschädigung für solche Rechtsgutsverletzungen.376 Die vertragliche Haftung erstreckt sich auf ideelle Schäden infolge einer Persönlichkeitsverletzung nur, wenn die Vertragspartner sie ausdrücklich oder konkludent darauf erstrecken. Insoweit wurde bisher nicht erwogen, ob dem Entschädigungsanspruch eine selbständige Präventionsfunktion zukommen soll. Die Übertragung der Präventionsfunktion auf die vertragliche Haftung kommt nur in Betracht, wenn die Vertragsparteien dies wollten. Daher ist im Einzelfall zu ermitteln, ob die Erweiterung des Entschädigungsanspruchs auf die Persönlichkeitsverletzung nur einen Schadensausgleich bezweckt oder in bestimmten Fällen eine selbständige Präventionsfunktion haben soll. Eine überkompensatorische Entschädigung ist nichts anderes als eine Vertragsstrafe. Solange sich dem Vertrag und den Umständen beim Vertragsschluss nicht entnehmen lässt, dass die Entschädigung zugleich der Durchsetzung der vertraglichen Primärpflicht dienen soll, handelt es sich grundsätzlich nur um einen Anspruch auf Schadensausgleich. Eine selbständige Präventionsfunktion kann darüber hinaus höchstens den Entschädigungsansprüchen aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG zukommen, was zumindest von einem kleinen Teil der Literatur vertreten wird.377 Die Funktion des Entschädigungsanspruchs ergibt sich aber höchstens aus den Vorgaben der europäischen Richtlinien. Im Übrigen ist eine selbständige Präventionsfunktion bisher nicht anerkannt, so dass keine zusätzliche Differenzierung nach dem Haftungsgrund nötig ist. Im Ergebnis hängt die Funktion der Entschädigung somit nicht vom Haftungsgrund ab. Sofern eine selbständige Präventionsfunktion anerkannt wird, beruht ihre Ableitung nach bisherigem Verständnis auf den objektiven Wertungen der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG oder den europäischen Richtlinien. Unabhängig von der Funktion des Entschädigungsanspruchs bleibt der Haftungsgrund für die haftungsausfüllende Kausalität und Zurechnung maßgeblich, da der Normzweck des Haftungsgrundes insoweit zum Tragen kommt.

H. Zusammenfassung Der Entschädigung von Nichtvermögensschäden kommt trotz ihrer Inkommensurabilität grundsätzlich eine Ausgleichsfunktion zu, die einen subjektiven Schadensbegriff zugrunde legt. Schwierigkeiten ergeben sich aus diesem tradierten Verständnis, wenn der Geschädigte empfindungsunfähig geworden ist oder seine gute finanzielle Lage es ausschließt, dass ihm die Zahlung von Geld einen Ausgleich durch zusätzliche Annehmlichkeiten oder eine Genugtuung verschaffen kann. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird statt der Ausgleichsfunktion auf die Genugtuung des Geschädig376 377

Zur Erweiterung auf die vertragliche Haftung § 2.A.VI.2., S. 92 ff. Siehe oben § 3.F.IV.1., S. 207 ff.

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ten verwiesen. Schließlich werden auch bei Verstößen gegen ein Benachteiligungsverbot im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 19 AGG Zweifel am Vorliegen eines Schadens geäußert. Diese Schwierigkeiten im Umgang mit dem Schadensausgleich bei der Entschädigung immaterieller Einbußen beruhen auf zwei Ursachen: Zunächst knüpft die Beschreibung des immateriellen Schadens primär an eine negative Gefühlsbilanz an, auf deren Defizite bereits verwiesen wurde. Die Rechtsprechung hilft nur fallgruppenbezogen ab, ohne den Begriff neu zu ordnen. Die Einführung eines Per-se-Schadens oder eines objektiven Schadensbegriffs setzt den Schaden indes mit der Rechtsgutsverletzung gleich und verlässt so den Boden des Schadensersatzrechts und führt verdeckt eine Privatstrafe ein. Daneben ist bei immateriellen Schäden keine Entschädigung im Sinne eines bilanziellen Ausgleichs wie bei Vermögensschäden möglich. Der Verweis auf die Verschaffung von Annehmlichkeiten soll darüber ebenso hinweghelfen wie die (unselbständige) Genugtuungsfunktion. Um diesen Defiziten abzuhelfen, ist somit zunächst der immaterielle Schaden begrifflich korrekter zu erfassen und die Funktion des Schadensausgleichs neu zu beschreiben. Dabei ist von der Formel der „Verschaffung von Annehmlichkeiten“ ebenso Abstand zu nehmen wie von einer unselbständigen Genugtuungsfunktion, die jeweils nur Abhilfe für den schwer zu erfassenden Schaden leisten soll. Neben der Ausgleichsfunktion wurde dem Entschädigungsanspruch eine selbständige Genugtuungsfunktion zuerkannt, die der Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls und der Sühne dienen sollte. Sie geht insoweit über die Behebung der Defizite des Schadensausgleichs bei inkommensurablen Schäden hinaus. Die Diskussion dieser Funktion hat sich zwar überholt, da ihr nur noch bei Vorsatztaten oder grober Fahrlässigkeit Bedeutung beigemessen wird und sie insoweit sogar in den Ausgleich der immateriellen Schäden integriert werden kann, wenn das Verschulden einen höheren Schaden auslöst. Die Auseinandersetzung mit einer selbständigen Genugtuungsfunktion war aber ein Vorläufer der heutigen Diskussion über die Anerkennung oder Einführung pönaler Elemente im Zivilrecht bzw. die Ableitung einer selbständigen Präventionsfunktion. Im Mittelpunkt steht die Überlegung, dem Schädiger unabhängig vom konkreten Schaden eine Sühneleistung oder eine Belastung aufzuerlegen, die zukünftigen Rechtsverletzungen vorbeugt. Eine selbständige Präventionsfunktion ist bisher nur punktuell bei einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit Gewinnerzielungsabsicht anerkannt, um den Rechtsgüterschutz im Sinne des Schutzgebots aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu verbessern. Daneben wird sie zum Teil für den Entschädigungsanspruch nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG befürwortet und auf die Vorgaben der europäischen Richtlinien gestützt. Die Präventionsfunktion beruht, soweit sie anerkannt ist, somit auf einer verfassungs- bzw. europarechtlichen Begründung, die nicht für das gesamte Schadensersatzrecht verallgemeinerbar ist. Zudem ist die Präven-

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tionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen der schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Frage gestellt, seit der 1. Zivilsenat des BGH vermögensrechtliche Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkennt und auf ihre Verletzung Ansprüche aus Delikt oder Eingriffskondiktion stützen will. Für die allgemeine Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion kommt es darauf an, ob im Zivilrecht ein Präventionsgedanke besteht, der eine Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts trägt und eine Entschädigung erlaubt, die über den Schadensausgleich hinausgeht. Eine selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs verstärkte den Rechtsgüterschutz des BGB. Der Geschädigte könnte mehr verlangen, als er durch den Schadensfall verloren hat und ihm die Rechtsordnung zuordnet. Insofern entstünde ein Klageanreiz und der Geschädigte agierte zur Durchsetzung der Rechtsordnung. Das führte letztlich zur partiellen Neuausrichtung des Privatrechts im Verhältnis zum öffentlichen Recht. Das ist Gegenstand des vierten Teils der vorliegenden Arbeit.

§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden A. Inkommensurable Schäden und ihre billige Entschädigung in Geld I. Der Billigkeitsbegriff in den Regelungen zur Entschädigung immaterieller Einbußen Die Entschädigung der inkommensurablen Nichtvermögensschäden erfolgt durch eine billige1 oder angemessene2 Entschädigung. Eine inhaltliche Differenzierung ist mit dem unterschiedlichen Wortlaut nicht verbunden3. Das Gericht muss in beiden Fällen die Entschädigung in Geld durch Ermessensentscheidung nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO festsetzen4. Es bedarf stets einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.5 1

Siehe § 253 Abs. 2 BGB. Siehe § 651f Abs. 2 BGB, §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 3 AGG sowie die Gesetze zur Gefährdungshaftung. 3 Ady, Ersatzansprüche, S. 84; Ehlers, Geldersatz, S. 262; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 136; Stoll, DAR 1968, 303, 304; a. A. Lehmann, Höhe des finanziellen Ausgleichs, S. 94 ff., 127 f. Zur richtlinienkonformen Auslegung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG i. S. einer selbständigen Präventionsfunktion § 3.F.IV.1., S. 207 ff. 4 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 229; 6.7.1955 Z 18, 149, 156; Ehlers, Geldersatz, S. 261; Honsell, VersR 1974, 205; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 140; Pauker, VersR 2004, 1391, 1392; Seydel, NJW 1954, 1017, 1019; Stoll, DAR 1968, 303; ähnlich Schiemann, Argumente, S. 223. 5 St. Rspr., BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 151, 160 f.; 13.10.1992 Z 120, 1, 8; 12.5.1998 Z 138, 388, 391, 392 f.; Ady, Ersatzansprüche, S. 88; Böhmer, VersR 1954, 105; Deutler, Schmerzensgeld, 2

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Sämtliche Aspekte, die dem Schadensfall sein Gepräge geben, sind einzubeziehen und angemessen zu gewichten, ohne starre Schemata anzuwenden.6 Allerdings sind die heranzuziehenden Kriterien nicht beliebige.7 Eine grundlegende Konkretisierung des Billigkeitsbegriffs erfolgte durch den Großen Senat des BGH 1955.8 Er greift dabei nicht auf einen allgemeinen Billigkeitsbegriff zurück, zumal die Billigkeit keine einheitliche Wirkung entfaltet, sondern Ansprüche begründet oder korrigiert, um Ergebnisse streng formaler Rechtsanwendung abzumildern9. Bei der Entschädigung immaterieller Schäden hilft der Billigkeitsbegriff über die mangelnde Berechenbarkeit des Schadens hinweg. Der Große Senat orientierte sich insbesondere am Zweck der Entschädigung und nahm Bezug auf die Verwendung des Billigkeitsbegriffs in den Schadensersatzansprüchen aus § 829 BGB und § 1300 BGB a. F. sowie den §§ 315, 317, 1246, 1361 Abs. 3, 1579 BGB, zudem auf die §§ 2048 und 2156 BGB, obwohl letztere in keinem Zusammenhang zum Schadensersatzrecht stehen.10 Diese systematische Interpretation anhand einer Vielzahl von Normen ist nur zulässig, wenn sie einen gemeinsamen Bezug oder eine vergleichbare Wirkungsweise haben. Die herangezogenen Regelungen stehen in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen. Die §§ 315, 317 BGB enthalten einseitige Leistungsbestimmungsrechte, und § 1361 Abs. 3 BGB beschränkt den Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden Ehegatten. Neben den Rechtsfolgenbestimmungen über die Entschädigung von Nichtvermögensschäden zieht der BGH insbesondere § 829 BGB und § 1300 BGB a. F. heran, die eine spezifische Ausgestaltung und Zwecksetzung besitzen. Die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB stand als deliktischer Anspruch zwar im systematischen Kontext zu § 847 BGB a. F., regelt aber nicht nur den Schadensersatz, sondern korrigiert den Haftungsausschluss gemäß §§ 827, 828 BGB für den Fall, dass niemand dem Geschädigten den Schaden ersetzt und die Inanspruchnahme des Schädigers billig ist. Somit knüpfen Haftungstatbestand und Rechtsfolgen an die Billigkeit an.11 Seit der Reform des Schadensersatzrechts ist zudem der sys6 S. 106 f.; Ehrenzweig, VersR 1953, 80 f.; Eickhoff, Bemessung, S. 19; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 247; Geigel, NJW 1954, 706, 707; Gramsch, Billigkeit, S. 59; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 136; v. Mayenburg, Bemessung, S. 114; G. Müller, VersR 1993, 909, 911; Rümelin, Billigkeit, S. 13, 39; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, S. 119; krit. Huber, NZV 1998, 345, 350; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 129 f., 133; Steffen, NZV 1994, 417, 419. 6 Vgl. Fn. 5. 7 Z. B. Ehlers, Geldersatz, S. 262; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 137 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 34; ähnlich E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 131, 133. 8 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 151 ff. 9 Dazu Gramsch, Billigkeit, S. 33 f.; Rümelin, Billigkeit, S. 48 ff., 56; ferner Henf, Billigkeit, S. 286 ff.; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 138 f.; s. auch v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 57 ff. 10 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 152 ff. 11 RG 20.3.1905 Z 60, 300, 303, 304 f.; BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 230; Deutler, Schmerzensgeld, S. 107; Ehlers, Geldersatz, S. 268; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 158; Stoll, DAR 1968, 303, 303 f. unter Verweis auf Hedemann, Fortschritte des Zivilrechts, S. 107 ff.; ähnlich Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 151 f.

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tematische Zusammenhang entfallen, da § 253 Abs. 2 BGB nun Teil des allgemeinen Schadensersatzrechts ist. Daher lässt sich von § 829 BGB nicht auf § 847 BGB a. F. oder § 253 Abs. 2 BGB schließen.12 Systematisch standen sich § 847 und § 1300 BGB a. F. am nächsten. Letzterer gewährte beim Rücktritt vom Verlöbnis der unbescholtenen Verlobten einen Entschädigungsanspruch. Für den Umfang der Entschädigung waren nicht alle Umstände des Einzelfalls maßgeblich, sondern vor allem die Vermögensverhältnisse der Verlobten, da der Schaden in den geminderten Heiratsaussichten und der somit gefährdeten finanziellen Versorgung der Frau bestand.13 Aus § 1300 BGB a. F. ergab sich daher nicht, dass die Vermögensverhältnisse per se maßgeblich sind. Höchstens ließ sich entnehmen, dass sie zu berücksichtigen sind, wenn sie Aussagekraft für den ersatzfähigen Schaden haben. Letztlich lässt sich anhand der einzelnen Regelungen kaum Ertrag für die Konkretisierung des Billigkeitsbegriffs erzielen, da sie entweder nicht dem Schadensersatzrecht angehören oder sich nicht verallgemeinern lassen. Daher liegt es näher, die Billigkeit bzw. Angemessenheit der Entschädigung ideeller Einbußen anhand der systematischen Zusammenhänge und teleologischen Vorgaben des Schadensersatzrechts zu konkretisieren.14 Das Billigkeitskriterium überwindet die Inkommensurabilität der Nichtvermögensschäden, die einer Berechnung der Entschädigung in Geld ansonsten entgegenstünde.15 Es handelt sich nicht um eine nachträgliche Korrektur unangemessener Ergebnisse der formalen Rechtsanwendung. Daher ist vor allem die Funktion der Entschädigung und somit der Normzweck für die Konkretisierung des Billigkeitskriteriums maßgeblich.16 Selbst der Große Senat für Zivilsachen nimmt trotz seiner systematischen Erwägungen letztlich vor allem auf die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion der Entschädigung Bezug und ver12 Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 151 f.; Stoll, DAR 1968, 303; s. auch Deutler, Schmerzensgeld, S. 107 f.; anders Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 432. 13 Staudinger/Dietz, BGB, 11. Aufl. 1975, § 1300 Rn. 22. 14 Bötticher, AcP 1958 (1959/60), 385, 409; Deutler, Schmerzensgeld, S. 114; Donaldson, AcP 166 (1966), 462, 472; Ehlers, Geldersatz, S. 263; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 250; Klein, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 123; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 131, 133; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 53; s. auch Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 139, der auf die Natur des Falles verweist; ähnlich Ady, Ersatzansprüche, S. 96 f. (anders noch auf S. 88). 15 Donaldson, AcP 166 (1966), 462, 472; Ehlers, Geldersatz, S. 261; Geigel, NJW 1954, 706; Honsell, VersR 1974, 205; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 140; Pauker, VersR 2004, 1391, 1392; Seydel, NJW 1954, 1017, 1019; Stoll, DAR 1968, 303; ähnlich Hupfer, JZ 1977, 781, 784; a. A. Zeytin, Schmerzensgeld, S. 174 (Inkommensurabilität nicht einziger Grund für die Aufnahme des Billigkeitskriteriums). 16 Ady, Ersatzansprüche, S. 96 f.; Deutler, Schmerzensgeld, S. 114; Ehlers, Geldersatz, S. 263; Klein, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 123; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 139; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 54; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 53; ferner Donaldson, AcP 166 (1966), 462, 472; Medicus/Lorenz, Schuldrecht, Bd. I, Rn. 699; s. auch v. Mayenburg, Bemessung, S. 114, der einen offeneren Ansatz und keine vergleichbaren Beschränkungen nennt.

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weist darauf, dass der Schadensausgleich im Vordergrund stehe und der Genugtuungsgedanke wegen der Inkommensurabilität des Schadens ergänzend daneben trete.17 Angesichts der Ausgleichsfunktion des Anspruchs besteht Einigkeit, dass vor allem Art und Umfang des Schadens für die Höhe der Entschädigung maßgeblich sind und somit auf die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen des Geschädigten sowie die Einschränkungen für seine persönliche Lebensführung abzustellen ist.18 Daneben bezieht der Große Senat entgegen der früheren Rechtsprechung des 3. Zivilsenats des BGH das Verschulden und die Vermögensverhältnisse des Schädigers sowie des Geschädigten ein.19 Die Auseinandersetzung um die Berücksichtigung der verschiedenen Kriterien beruht primär auf dem unterschiedlichen Verständnis vom Telos des § 253 Abs. 2 BGB. II. Entschädigung inkommensurabler Schäden in Geld Die Inkommensurabilität immaterieller Schäden erschwert nicht nur die Begründung ihrer Ersatzfähigkeit, sondern auch die Bemessung der Entschädigung. Um die Entschädigungshöhe zu bestimmen, wurde zunächst auf die Metapher von der Verschaffung von Annehmlichkeiten für die erlittenen Schmerzen und Leiden verwiesen und zum Teil befürwortet, die Entschädigung auf dieser Grundlage zu berechnen.20 Der Rückgriff auf die Aufwendungen, die für das Verschaffen von Lebensfreude erforderlich sind, führt indes nur eine Hilfsgröße in die Berechnung des Schadensersatzes ein, ohne dass sich der Umfang der Entschädigung leichter bestimmen ließe.21 Es fehlt ein klarer Maßstab, welche Freude Ausgleich für erlittene Einbußen bewirkt.22 Wie viel Lustgefühl erforderlich ist, um ein bestimmtes Unlustgefühl auszu17

BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 154 ff.; so bereits BGH 29.9.1952 Z 7, 223. BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 226; 6.7.1955 Z 18, 149, 154, 167; 12.5.1998 Z 138, 388, 391; Deutler, Schmerzensgeld, S. 110; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 705 ff.; Ehlers, Geldersatz, S. 263; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 250; Geigel/Kolb, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 41; Harbauer, VersR 1969, 589; Hupfer, JZ 1977, 781, 782; Jaeger, ZGS 2004, 217, 218; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 155; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 706; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 440; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 122; G. Müller, VersR 1993, 909, 911; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 36; Seydel, NJW 1954, 1017, 1019; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 34; G. Wagner, JZ 2004, 319, 321. 19 Z. B. BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 227 ff.; 6.7.1955 Z 18, 149, 158 ff.; ausführlich dazu § 4.C.IV.1.2, S. 246 ff. 20 BGH 8.7.1953 NJW 1953, 1626; Gelhaar, NJW 1953, 1281; Schroot, BB 1955, 144, 148 f.; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 56; vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 435, die aber einwenden, dass Einkommen und Vermögen des Geschädigten zu große Bedeutung zukäme; s. auch F. Bydlinski, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 27, 40 f. 21 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156; Harbauer, VersR 1969, 589, 590; ebenso BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156; Donaldson, AcP 166 (1966), 462, 469; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 145. 22 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156; Donaldson, AcP 166 (1966), 462, 469; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 145; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 3 („hedonistische Vulgärpsychologie“); krit. auch Stoll, DAR 1968, 303, 310. 18

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

gleichen, lässt sich nicht rational festlegen.23 Diese Bestimmung der Entschädigung gerät daher in Konflikt mit dem Rechtsstaatsprinzip.24 In ihrer Praxis bemessen daher die Gerichte die Entschädigung nicht anhand der Kosten für das Verschaffen von Lebensfreude, sondern stellen auf den Umfang der Schmerzen, Leiden und Entstellung ab und ermitteln anhand einer objektivierenden Betrachtung den erlittenen Schaden.25 Dem konkreten Schaden wird ein Geldbetrag wertend zugeordnet. Die Begrenzung des Schadensersatzes auf den Schadensausgleich lässt sich daher nur auf Plausibilität überprüfen. Daneben vergleichen die Gerichte die bereits entschiedenen Verfahren mit dem zu entscheidenden Sachverhalt, um ähnliche Schadensfälle hinsichtlich der Entschädigung der immateriellen Einbußen gleich zu behandeln.26 Das stellt die Gleichbehandlung vor dem Gesetz sicher und verwirklicht somit auch rechtsstaatliche Anforderungen. Zudem lässt der Vergleich erkennen, ob die zugesprochene Entschädigung über den Schadensausgleich hinausgeht. Im Ergebnis hat die Metapher von der Verschaffung von Lebensfreude weder auf die Ersatzfähigkeit des ideellen Schadens noch auf die Bemessung der Entschädigung Auswirkungen und ist daher zu verabschieden.27 Die Entschädigungshöhe ist grundsätzlich in zwei Schritten zu bestimmen. Zuerst ist der Umfang des eingetretenen Schadens zu ermitteln. Danach ist ein Vergleich mit den bereits entschiedenen Schadensfällen vorzunehmen.28 Hierfür existieren sog. Schmerzensgeldtabellen sowie Kompendien, die den Stand der Rechtsprechung zusammenfassen.29 Diese enthalten keine verbindlichen 23 Donaldson, AcP 166 (1966), 462, 469; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 146; vgl. auch E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 51 ff. 24 Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 146 f.; s. auch Harbauer, VersR 1969, 589, 593. 25 St. Rspr., BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 229; 6.7.1955 Z 18, 149, 154; 15.1.1991 NJW 1991, 1544, 1545 f.; 12.5.1998 NJW 1998, 2741; Ady, Ersatzansprüche, S. 104; Harbauer, VersR 1969, 589, 593; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 143, 147; G. Müller, VersR 1993, 909, 911; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 30; Teplitzky, NJW 1966, 388; s. auch F. Bydlinski, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 27, 40 ff. 26 BGH 19.12.1969 VersR 1970, 281, 282; 8.6.1976 VersR 1976, 967, 969; OLG Köln 11.9.2002 VersR 2004, 1055, 1057; OLG Hamm 17.5.2006 NZV 2007, 204, 205; OLG Celle 27.2.2006 VersR 2007, 543; OLG Saarbrücken 27.11.2007 NJW 2008, 1166, 1169; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 26; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 37; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 34; Vieweg, juris-PK, § 253 Rn. 61. 27 Klumpp, Privatstrafe, S. 170; E. Lorenz, FS Wiese, S. 261, 270; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563, 565; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 70; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 14; im Ergebnis ebenso Ady, Ersatzansprüche, S. 104. 28 BGH 19.12.1969 VersR 1970, 281, 282; 8.6.1976 VersR 1976, 967, 969; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 26; Harbauer, VersR 1969, 589, 593 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 440; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 122 ff., 171 ff.; Stoll, DAR 1968, 303, 310. 29 Z. B. Geigel/Kolb, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 54 ff.; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 4. Aufl. 2008; Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeld Beträge, 30. Aufl. 2012; Slizyk/Schlindwein, IMMDAT, Die Schmerzensgeld-Datenbank, 9. Aufl. 2013; Zwißler, Schmerzensgeldkatalog 2012; krit. zur Qualität der Entscheidungssammlungen und der Belastbarkeit der daraus gewonnenen Aussagen v. Mayenburg, Bemessung, S. 54 ff.

§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden

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Festlegungen im Sinne der historischen Gliedertaxe, sondern nur eine unverbindliche Bemessungshilfe, um die Gleichbehandlung der Geschädigten sicherzustellen.30 Der Vergleich erfolgt nach bisherigem Verständnis nur innerhalb der gleichen Fallgruppe, aber nicht fallgruppenübergreifend, um die Stimmigkeit der Entschädigungsbeträge im Gesamtsystem des Ausgleichs immaterieller Schäden sicherzustellen.31 Die Entschädigungsbeträge sind jeweils an die Geldentwertung und das veränderte Schmerzensgeldniveau anzupassen.32 Eine substantielle Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung ist möglich, bedarf aber der Rechtfertigung.33 Neben dieser zweigliedrigen Prüfung beeinflussen weitere Aspekte die Bemessung der Entschädigung, wenn sie vom Normzweck getragen sind. Dieses Vorgehen bei der Bemessung der Entschädigung lässt sich auch auf die Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG zurückführen, aus dem sich einerseits ein Willkürverbot, andererseits der Gleichheitssatz als Maßstab für die Rechtsanwendung ergeben, der zugleich in Art. 3 Abs. 1 GG geregelt ist. Der Maßstab für die Bemessung der Entschädigung muss sich aus der Norm und ihrem Zweck ergeben, so dass vor allem die Funktion des Entschädigungsanspruchs maßgeblich ist. Darüber hinaus ist bei der Gesetzesanwendung eine Folgenorientierung (z. B. Versicherbarkeit der Schäden, Erheblichkeitsschwelle) möglich, soweit der Wortlaut des Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers nicht entgegenstehen. Zudem darf es nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Vermögens- und Nichtvermögensschäden kommen. Die zulässigen Kriterien werden in die Gesamtabwägung eingestellt, ohne dass einzelne Schadenspositionen ausgewiesen werden. Allerdings ist im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei der Rechtsanwendung der ersatzfähige Schaden klar herauszuarbeiten, um eine angemessene Relation zwischen erlittenem Schaden und Entschädigung im Sinne seiner Ausgleichsfunktion sicherzustellen. Sofern der Entschädigung weitere Funktionen zugesprochen werden, sind diese zu benennen. Darüber hinaus ist im Sinne des Gleichheitssatzes zu berücksichtigen, welche Entschä30 BGH 8.1.1957 VersR 1957, 218, 219; OLG München 1.7.2005 SVR 2006, 180; Lange/ Schiemann, Schadensersatz, S. 440; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 37; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 29; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 34; Staudinger/ Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 53. 31 Einen fallgruppenübergreifenden Vergleich schlägt Altintas (Verletzung des Persönlichkeitsrechts, S. 130) insbesondere vor, um ein angemessenes Verhältnis der Entschädigungen in Vergewaltigungsfällen und bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sicherzustellen. 32 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 167; KG 12.10.2005 VersR 2005, 1569, 1570; OLG Bremen 11.7.2011 MDR 2011, 1232; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 440; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 34. 33 BGH 8.6.1976 VersR 1976, 967, 969; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 28; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 440; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 37; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 34.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

digung in vergleichbaren Schadensfällen zugesprochen wurde. Defizite für die Konsistenz der gewährten Entschädigung entstehen gleichwohl, wenn die Entschädigung für die Fallgruppen nicht aufeinander abgestimmt ist. Das wird bisher in der Rechtsprechung nicht berücksichtigt. Der Vergleich erfolgt stets nur mit den Entschädigungen der gleichen Fallgruppe. Um im vollen Umfang rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen, ist auch ein Vergleich zwischen den unterschiedlichen Fallgruppen erforderlich, um sicherzustellen, dass die Relation zwischen der Entschädigung zum Beispiel von Verkehrsunfällen, Vergewaltigungsfällen sowie schweren Persönlichkeitsverletzungen oder unzulässigen Benachteiligungen konsistent ist. Auf dieser Grundlage ergeben sich zudem sachliche Gründe für ein Abweichen von den bisher zugesprochenen Entschädigungen, ohne dass es einer Gesetzesänderung bedarf. Allerdings ist eine Divergenz der Entschädigungsbeträge hinzunehmen, sofern den Ansprüchen weitere Funktionen zukommen und ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung besteht. III. Einfluss des Haftungsgrundes auf den Umfang der Entschädigung Das Verhältnis zwischen Haftungsgrund und Umfang der Entschädigung für immaterielle Einbußen hatte bis zur Schadensersatzrechtsreform von 2002 kaum Bedeutung. § 847 BGB a. F. galt als eigener Anspruch. Dieser setzte zwar die Verwirklichung eines deliktischen Tatbestands voraus, dabei handelte es sich – mit Ausnahme des § 833 BGB – aber stets um Tatbestände der Verschuldenshaftung. Die Entschädigungsansprüche beruhten somit im Wesentlichen auf dem gleichen Haftungsgrund. Nach der systematischen Neuordnung des Ausgleichs immaterieller Schäden in § 253 BGB und seiner Erweiterung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung erfolgt die Entschädigung von Nichtvermögensschäden grundsätzlich bei allen Haftungstatbeständen. Der Haftungsgrund beeinflusst den Kreis der zurechenbaren Schäden und kann sich auf die Entschädigungshöhe auswirken.34 Eine abweichende Bemessung der Entschädigung wird insbesondere für die Gefährdungshaftung erwogen. Die Argumentation lässt sich auch auf die verschuldensunabhängige vertragliche Haftung übertragen. Mit der Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden auf die Gefährdungshaftung beseitigte der Gesetzgeber ein Defizit des deutschen Haftungsrechts im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten35 und wollte zugleich das gerichtliche Verfahren zum Schutz der Opfer vereinfachen und damit beschleunigen, indem es nicht mehr der Darlegung und des Beweises eines Verschuldens bedarf.36 Die Verwirklichung der angestrebten Gleichstellung des 34

Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 26. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 15; s. auch v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 366. 36 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14, 15. 35

§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden

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Geschädigten bei deliktischer Haftung und Gefährdungshaftung hängt auch davon ab, ob die Entschädigung bei einer verschuldensunabhängigen Haftung des Schädigers abweichend zu bemessen ist. Nach dem von Esser geprägten Verständnis liegt dem Haftungsrecht ein dualistisches Konzept zugrunde.37 Bei einer schuldhaften Rechtsgutsverletzung ist der Schadensausgleich durch den Schädiger ein Gebot ausgleichender Gerechtigkeit, während die Gefährdungshaftung Haftung für erlaubtes Risiko ist, dessen Folgen das Gesetz einer Person zuordnet. Daraus ergibt sich nicht zwingend eine unterschiedliche Bemessung der Entschädigung.38 Der Gesetzgeber hat sich vielmehr angesichts der Rechtsvergleichung und der zunehmenden Europäisierung des Schadensersatzrechts für die Angleichung der Gefährdungshaftung an die deliktische Haftung entschieden. Für die Gleichbehandlung beider Haftungen spricht weiterhin, dass die deliktische Haftung schrittweise der Gefährdungshaftung angenähert wurde39. Das geschah insbesondere durch die Erweiterung der objektiven Sorgfaltspflichten im Rahmen der Fahrlässigkeit. Ähnlich wirken sich die in der Rechtsprechung entwickelten Verschuldensvermutungen oder Beweiserleichterungen aus (z. B. bei groben Behandlungsfehlern im Rahmen der Arzthaftung40 und bei der Produzentenhaftung41). Sofern der Gesetzgeber angesichts dieser Entwicklung die Gefährdungshaftung in ihren Rechtsfolgen bewusst der deliktischen Haftung angleicht, ist die unterschiedliche Konzeption der beiden Haftungen kein tragender Grund für eine unterschiedliche Bemessung der Entschädigung. Somit kann höchstens die Funktion der Entschädigungsansprüche dazu führen, dass die Entschädigung bei der deliktischen Haftung und der Gefährdungshaftung unterschiedlich zu bemessen ist. Wegen der Verschuldensunabhängigkeit der Gefährdungshaftung kann die Entschädigung nur eine Ausgleichsfunktion haben, solange dem Schädiger kein Verschulden zur Last fällt. Die Genugtuungsfunktion knüpft an ein zu missbilligendes Verhalten an und zielt auf die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls, so dass bei einer Gefährdungshaftung generell kein Raum für sie ist.42 Dies kann die Entschädi37 Esser, Gefährdungshaftung, S. 69 ff.; s. auch Canaris, JBl. 1995, 2, 15 f.; Laufs, Unglück und Unrecht, S. 10 f., 20 f.; Rohe, AcP 201 (2001), 117, 119, 134. 38 Krit. zum Ausgleich immaterieller Schäden im Rahmen der Gefährdungshaftung Jansen, JZ 2002, 964, 967. 39 Dazu Diederichsen, FS Klingmüller, S. 65, 69; Jansen, AcP 202 (2002), 517, 519 ff., 529 ff. 40 St. Rspr., BGH 21.12.1955 NJW 1956, 1835; 11.4.1967 NJW 1967, 1508 ff.; 16.11.2004 NJW 2005, 427, 428 f.; 29.9.2009 MDR 2010, 29; Staudinger/Hager, BGB, § 832 Rn. I 54 ff.; G. Wagner, MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 807 ff. 41 St. Rspr., BGH 26.11.1968 Z 51, 91, 104 ff.; 4.10.1972 Z 59, 303, 309; 24.11.1976 Z 67, 359, 361 ff.; 16.6.2009 Z 181, 253; Staudinger/Hager, BGB, § 832 Rn. F 43 ff.; G. Wagner, MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 608 ff. 42 Diehl, zfs 2007, 10, 10; Jaeger, ZGS 2004, 217, 218 f.; Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1031; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 26; G. Wagner, JZ 2004, 319, 321; ähnlich Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Staudinger/Schmidt-Bendun, Jura 2003, 444; s. auch OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

gung nur beeinflussen, wenn ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Schädigers nachgewiesen ist. In diesen Fällen liegen im Grunde die Voraussetzungen der deliktischen Haftung vor. Die Vereinfachung der Schadensersatzprozesse im Interesse des Opfers hängt somit vor allem davon ab, ob eine selbständige Genugtuungsfunktion anzuerkennen ist und welche Wirkung sie auf die Entschädigungshöhe hat. Ihre Anerkennung unterliegt indes erheblichen Zweifeln.43 Der Gesetzgeber nimmt zudem den Standpunkt ein, dass die Genugtuungsfunktion nur eine untergeordnete Bedeutung hat.44 Sie komme vor allem bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und bei vorsätzlichen Rechtsgutsverletzungen zum Tragen45. Bei Verkehrsunfällen, die den wesentlichen Teil der Gefährdungshaftungsfälle in der Praxis ausmachen, sei sie ohne Bedeutung.46 Ansonsten sei nach der Ausgleichsfunktion allein der Umfang der Verletzungsfolgen – den das Verschulden nicht vergrößert – für die Entschädigungshöhe maßgeblich. Dem hat sich die instanzgerichtliche Rechtsprechung bisher angeschlossen.47 Unabhängig vom Eingreifen einer deliktischen Haftung und einer Gefährdungshaftung gewährt sie in diesen Fällen eine Entschädigung gleichen Umfangs. Daher werde das Ziel der Erweiterung der Gefährdungshaftung – die Verbesserung des Opferschutzes – erreicht.48 Soweit die Genugtuungsfunktion nur die intensivere Einwirkung auf den Geschädigten bei vorsätzlichen Verletzungen widerspiegelt, die einen größeren immateriellen Schaden verursacht, lässt sie sich ohnehin in die Ausgleichsfunktion integrieren, die für die deliktische wie die Gefährdungshaftung gleichermaßen gilt. Allerdings hat sie zur Folge, dass die Höhe der Entschädigung von der Darlegung und dem Beweis des Verschuldens durch den Geschädigten abhängt, was der angestrebten Verbesserung des Opferschutzes durch die Ausdehnung der Gefährdungshaftung entgegenwirkt.49 Allerdings kann das 43

Siehe oben § 4.D., S. 260 ff. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14 f.; ebenso Karczewski, VersR 2001, 1070, 1071; so bereits Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393, 397 Fn. 22. 45 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25; demensprechend OLG Saarbrücken 27.11.2007 NJW 2008, 1166, 1168. 46 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25. 47 KG 23.4.2001 NZV 2002, 398, 400; OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185; OLG Saarbrücken 27.11.2007 NJW 2008, 1166, 1168. 48 Diehl, zfs 2007, 10, 10; Jaeger, ZGS 2004, 217, 218 f.; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2054; ders., JZ 2004, 319, 321; Staudinger/Schmidt-Bendun, Jura 2003, 441, 444, die aber die Genugtuungsfunktion nicht vollkommen ablehnen; positiv bewertend auch Hentschel, NZV 2002, 433, 437; Karczewski, VersR 2001, 1070, 1071; skeptisch zur Verwirklichung des Reformziels Deutsch, ZRP 1998, 291, 293; G. Müller, VersR 2003, 1, 4; ähnlich Huber, DAR 2000, 20, 29 (bezieht sich auf die erhöhte Entschädigung wegen verzögerter Schadensregulierung); s. auch Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Ebert, Pönale Elemente, S. 409 ff.; Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1031. 49 Cahn, Schadensersatzrecht, S. 92 f.; Pauker, VersR 2004, 1391, 1394; ferner wohl Hentschel, NZV 2002, 433, 437; G. Müller, ZRP 1998, 258, 260 f. 44

§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden

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Gericht bei der Bestimmung der Rechtsfolgen den Umfang des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen, so dass die Berücksichtigung des Verschuldens keine vergleichbar belastende Wirkung hat wie die Verschuldensabhängigkeit des Haftungsgrundes. Daher wird die Intention des Gesetzgebers nicht vollständig vereitelt. Im Ergebnis ist ausschließlich das vorsätzliche Handeln des Schädigers zu berücksichtigen. Eine darüber hinausgehende Abstufung nach dem Verschulden ist nicht geboten, solange es nicht allgemein zur Einführung einer Proportionalhaftung kommt. Bei einer Proportionalhaftung wird die Entschädigung nach dem Verschuldensgrad gestaffelt, so dass die Entschädigung bei fehlendem Verschulden hinter der deliktischen Haftung zurückbleibt und im Übrigen wie bei dieser entsprechend dem Verschuldensgrad ansteigt. Zum Teil wird angenommen, dass die Entschädigung bei einer reinen Gefährdungshaftung geringer sein müsse als bei einer deliktischen Haftung.50 Bei leichter Fahrlässigkeit könne die Entschädigung indes die gleiche Höhe haben.51 Im Übrigen sei der Schadensersatz entsprechend dem Verschulden zu erhöhen. Andere befürworten hingegen, grundsätzlich die gleiche Entschädigung bei deliktischer Haftung und Gefährdungshaftung zu gewähren und nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Schädigers den Schadensersatz zu erhöhen, da nur in diesen Fällen ein Genugtuungsbedürfnis bestehe.52 Das vereitelt die angestrebte Vereinfachung bei der Durchsetzung der Entschädigungsansprüche. Die Motive des Gesetzgebers werden meist ohne eingehende Begründung zur Bedeutung der Genugtuungsfunktion vernachlässigt.53 Eine Proportionalhaftung kennt das BGB zudem nicht, so dass die Anerkennung einer solchen Abstufung der Entschädigung beim Ausgleich immaterieller Schäden einer Begründung bedarf. Das gilt insbesondere, weil sie zu einer Ungleichbehandlung des Ersatzes von Vermögensschäden führt. Ein bloßer Verweis darauf, dass nach § 253 Abs. 2 BGB sowie den Regelungen zur Gefährdungshaftung eine angemessene Entschädigung zu gewähren ist, genügt nicht. Unabhängig davon können sich aus der deliktischen Haftung und der Gefährdungshaftung unterschiedliche Entschädigungsbeträge ergeben, wenn die Haftungshöchstbeträge der Gefährdungshaftung eingreifen. Im Jahre 2002 50

Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 705.; Jahnke, zfs 2002, 105, 108; Lang/Stahl/Suchomel, NZV 2003, 441, 445; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 49; Rauscher, Jura 2002, 577, 579; Schulze/Ebers, JuS 2004, 366, 367; abl. OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 28; Jaeger, ZGS 2004, 217, 219; Pauker, VersR 2004, 1391, 1394; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2054. 51 Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 49. 52 OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185; Däubler, JuS 2002, 625, 626; Hentschel, NZV 2002, 433, 437; Pauker, VersR 2004, 1391, 1394; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 91; s. auch G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2054 f.; ders., JZ 2004, 319, 321, der auf den Gedanken „tort must not pay“ verweist. 53 Auf die Begründung des Gesetzgebers stützt sich hingegen OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

wurden sie im Zuge der Schadensersatzrechtsreform an die Veränderungen der von den Gerichten zugesprochenen Entschädigungen angepasst, so dass sie bei einzelnen Unfällen den Schadensersatzanspruch des Geschädigten in der Regel nicht beschneiden.54 Eine Schadensursache, die eine Vielzahl von Personen schädigt (Massenunfälle, Serienschäden), kann jedoch Vermögens- und Nichtvermögensschäden nach sich ziehen, die wegen der Haftungshöchstbeträge nicht mehr im vollen Umfang auszugleichen sind.55 Der unbeschränkte Entschädigungsanspruch aus der deliktischen Haftung geht somit in diesen Fällen über den aus Gefährdungshaftung hinaus. Die vom Gesetzgeber intendierte Vereinfachung und Beschleunigung der Haftungsprozesse zum Schutz der Opfer realisiert sich insofern nicht. Zudem ist das Verschulden des Schädigers bei der Bemessung der Entschädigung zumindest im Rahmen des Mitverschuldens zu berücksichtigen, so dass auf seine Ermittlung nicht vollständig verzichtet werden kann. Allerdings ist es im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB Sache des beklagten Schädigers, das Verschulden darzulegen und zu beweisen. Zudem ist die Schätzung der Verursachungsbeiträge zulässig.

B. Begrenzung der Entschädigung I. Bestehen einer Erheblichkeitsschwelle bei der Entschädigung immaterieller Einbußen Die gesetzlichen Regelungen über die Entschädigung immaterieller Schäden enthalten dem Wortlaut nach keine Erheblichkeitsschwelle, so dass grundsätzlich auch geringfügige Schäden einen Entschädigungsanspruch auslösen.56 In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung die Entschädigung von Bagatellschäden versagt.57 Sie lehnt es indes mit einem Teil der Literatur ab, die Entschädigung aus rechtspolitischen oder volkswirtschaftlichen Gründen auf schwerwiegende Verletzungen zu beschränken.58 Die Rechtsprechung orientiert sich an der Billigkeit der Entschädigung immaterieller Einbußen im Einzelfall. Bei der Ermittlung der Beschränkungen für die Lebensführung sei zu berücksichtigen, dass im Zusammenleben mit anderen vielfältige Beeinträchtigungen be-

54

Krit. Cahn, Schadensersatzrecht, S. 92; Freise, VersR 2001, 539, 544. G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2054. 56 BGH 10.1.1992 NJW 1992, 1043 f.; G. Müller, VersR 1993, 909, 910; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 115. 57 BGH 10.1.1992 NJW 1992, 1043 f.; 27.5.1993 NJW 1993, 2173, 2175; OLG Koblenz 30.6.1999 NJW 2000, 963; LG Bielefeld 28.4.2011 5 O 145/09, zit. nach juris. 58 BGH 10.1.1992 NJW 1992, 1043; s. auch G. Müller, VersR 1993, 909, 913; für diese Beschränkung OLG Saarbrücken 16.5.1986 VersR 1987, 774, 775; Hupfer, JZ 1977, 781, 784; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 180 ff., 184; Moog, VersR 1978, 304, 306; Weyers, Unfallschäden, S. 658; s. auch Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 402 f. (für eine Rechtsfortbildung de lege ferenda). 55

§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden

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stehen, ohne dass sie den Betroffenen nachhaltig beeindruckten.59 Es fehle daher bei geringfügigen, nur vorübergehenden Einflüssen auf das Allgemeinbefinden an einem Bedürfnis nach Schadensausgleich. Insofern sei die Entschädigung bei nur ganz geringfügigen Beeinträchtigungen weder nach dem Ausgleichs- noch dem Genugtuungsgedanken billig.60 Gerade bei nur geringem Verschulden sei eine Entschädigung geringfügiger Schäden unangemessen.61 Die Argumentation des BGH hat zwei dogmatische Anknüpfungspunkte: das Vorliegen eines ideellen Schadens durch Beeinträchtigung der Lebensführung und die Bemessung der Entschädigung nach Billigkeitsgesichtspunkten. Eine geringfügige Beeinträchtigung zieht gegebenenfalls keine Einbuße für die individuelle Lebensführung nach sich, so dass kein Schaden vorliegt. Zudem ist der Umfang des Schadens bei der Festsetzung der billigen Entschädigung zu berücksichtigen. Allerdings dient das Kriterium der Billigkeit oder Angemessenheit primär dazu, dass sich eine Entschädigung auch bei den inkommensurablen Nichtvermögensschäden festsetzen lässt, und betrifft somit die Höhe, nicht den Bestand des Entschädigungsanspruchs.62 Daneben bedenkt die Rechtsprechung die Geringfügigkeit des Schadens im Rahmen der Zurechnung von Folgeschäden bei der haftungsausfüllenden Kausalität.63 Sie lehnte die Zurechnung bei einem neurotischen Verhalten des Geschädigten anlässlich eines nur ganz geringfügigen Primärschadens ab.64 An diese Rechtsprechung anknüpfend enthielt der Regierungsentwurf für das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften einen Gesetzgebungsvorschlag für eine Erheblichkeitsschwelle in § 253 Abs. 2 BGB65. Für die Gewährung der Entschädigung sollten Art und Dauer der Schäden maßgeblich sein, es sei denn, es handle sich um eine Haftung für Vorsatz. Verletzungen, die früher mit bis zu 500 € entschädigt wurden, sollten unter diese Bagatellgrenze fallen66, insbesondere nicht objektivierbare, leichte

59 BGH 10.1.1992 NJW 1992, 1043 f.; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 14; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 115; G. Müller, VersR 1993, 909, 913; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 27; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 23 ff.; krit. Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 18. 60 BGH 10.1.1992 NJW 1992, 1043 f.; 27.5.1993 NJW 1993, 2173, 2175; G. Müller, VersR 1993, 909, 913. 61 Hupfer, JZ 1977, 781, 785; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 157; s. auch G. Müller, VersR 1993, 909, 914. 62 Daher an der Ermächtigung des Richters zweifelnd Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1034. 63 BGH 11.11.1997 Z 137, 142, 146; 16.11.1999 NJW 2000, 862, 863 f. 64 BGH 11.11.1997 Z 137, 142, 146; 16.11.1999 NJW 2000, 862, 863 f. 65 Gesetzentwurf zu § 253 Abs. 2 BGB (BT-Drs. 14/7752, S. 6): „… eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden, wenn 1. die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt wurde oder 2. der Schaden unter Berücksichtigung seiner Art und Dauer nicht unerheblich ist.“. 66 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25; gegen eine schematische Begrenzung Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 25.

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HWS-Verletzungen67. Auf diese Weise sollten die Kosten begrenzt werden, die mit der Erweiterung der Entschädigung ideeller Schäden auf die Vertragsund Gefährdungshaftung einhergehen.68 Der Rechtsausschuss hielt eine Bagatellgrenze indes für nicht erforderlich, da sich die bestehende Rechtsprechung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung übertragen lasse und die Gerichte so die Möglichkeit behielten, die Erheblichkeitsschwelle weiterzuentwickeln.69 Im Anschluss daran billigte der Gesetzgeber die Rechtsprechung, ohne eine Bagatellgrenze zu regeln. Die Ableitung der Erheblichkeitsschwelle erfuhr in der Literatur wiederholt Kritik, weil sie dem Grundsatz der Totalreparation widerspreche, zumal das Schadensersatzrecht das Prinzip minima non curat praetor nicht kenne.70 Zudem belaste sie die Rechtsanwendung mit erheblichen Unsicherheiten, da ein verallgemeinerbarer Maßstab fehle.71 Verteilungspolitische Erwägungen genügten nicht, um die Nichtvermögensschäden gegenüber den Vermögensschäden schlechter zu stellen.72 Selbst das Missbrauchsrisiko begründe die Bagatellgrenze zumindest nicht konsistent, wenn sie nur für die Haftung für Fahrlässigkeit und erlaubte Risiken gelte.73 Darüber hinaus beruht die Ablehnung der Erheblichkeitsschwelle auf grundsätzlichen Einwänden gegen die Genugtuungsfunktion, auf die sich die Berücksichtigung des Verschuldens und die Erheblichkeitsschwelle stützten.74 Außen vor bleibt aber, ob die Bagatellgrenze in einem modifizierten Verständnis der Ausgleichsfunktion wurzeln könnte, das auch das Ausgleichsbedürfnis als relevanten Faktor einbezieht. Eine Beschränkung der Haftung wegen geringfügiger Rechtsverletzungen oder Schäden lässt sich konzeptionell sowohl beim Haftungsgrund als auch 67 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25; befürwortend G. Müller, zfs 2005, 54, 59; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 24; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2056; zurückhaltender Spickhoff, NJW 2001, 1757, 1763; weitergehend Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 24, der bei HWS-Traumata ersten Grades regelmäßig von einer Geringfügigkeit ausgeht. Der BGH lehnt bisher die schematische Anwendung einzelner Kriterien (z. B. Geschwindigkeit des Unfallfahrzeugs, Auffahrwinkel) ab, sondern verlangt eine umfassende tatrichterliche Würdigung, s. BGH 11.11.1997 Z 137, 142, 147; 16.11.1999 NJW 2000, 862, 863; 28.1.2003 NJW 2003, 1116, 1117. 68 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25. 69 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/8780, S. 20; s. auch G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2056, der darin das Ergebnis einer Allianz der Verbraucherschutz-, Automobil- und Anwaltsinteressen sieht. 70 Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 61 ff.; v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 283 f.; Staudinger/ Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 4; s. auch Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1034. 71 Deutsch, ZRP 2001, 351, 354; Karczewski, VersR 2001, 1070, 1072 f.; Otto, NZV 2001, 335, 339; Steffen, DAR 2003, 201, 206; s. auch Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 118 (eine Erheblichkeitsschwelle annehmend). 72 Jaeger, ZGS 2002, 54, 55; v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 285 f.; s. auch Däubler, JuS 2002, 625, 627; Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1034; a. A. G. Müller, ZRP 1998, 258, 261. 73 v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 284 f. 74 Siehe oben § 4.C., S. 234 ff. sowie v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 284.

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bei den Haftungsfolgen verorten. Zum einen kann die Haftung für geringfügige Rechtsgutsverletzungen zurückgenommen werden. Da jedoch Rechtsgutsverletzungen nicht notwendig in einem proportionalen Verhältnis zum Schaden stehen, ist dieser Anknüpfungspunkt für eine Beschränkung der Haftung aus rechtspolitischer Sicht bedenklich. Zudem fehlt ihm de lege lata eine dogmatische Grundlage. Zum anderen kann eine Einschränkung der Haftung auf der Grundlage des Gedankens vom allgemeinen Lebensrisiko entwickelt werden, der vor allem der Begrenzung der Schadenszurechnung dient. Es kommt insoweit darauf an, was der Geschädigte als Belastung im Zusammenleben hinnehmen muss. Das hängt sowohl vom Umfang des Schadens als auch vom Verschulden des Schädigers ab. Eine solche allgemeine Begrenzung lässt sich aber nicht ohne weiteres auf die Nichtvermögensschäden begrenzen. Ein sachlicher Grund für eine solche Limitierung ergibt sich höchstens aus den Schwierigkeiten bei der Handhabung geringfügiger immaterieller Schäden, die bei Vermögensschäden nicht in gleicher Weise bestehen. Er steht aber in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit der Begründung der Erheblichkeitsschwelle. Zudem führte er zur Schlechterstellung des Geschädigten bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter, was deren Bedeutung für den Rechtsinhaber widerspricht. Wegen der Plausibilität der praktischen Schwierigkeiten bei der Bemessung geringfügiger immaterieller Schäden ist daher die Anwendung der Erheblichkeitsschwelle auf alle Schäden zu erwägen. Hierfür spricht, dass es im täglichen Zusammenleben nicht ausbleibt, dass Rechtsgutsverletzungen mit geringen Schäden eintreten. Zudem werden die Geschädigten ohnehin vielfach solch geringe Schäden nicht gerichtlich geltend machen, so dass die Erheblichkeitsschwelle insoweit nur wiedergibt, was vielfach – wenngleich nicht immer – der praktischen Handhabung des Rechts entspricht. Eine endgültige Entscheidung hierüber ist erst im Zusammenhang mit den Erwägungen zu einer Proportionalhaftung zu treffen. II. Haftungshöchstbeträge für die Entschädigung immaterieller Einbußen Die Entschädigung immaterieller Schäden in Geld ist nicht allgemein durch Haftungshöchstbeträge beschränkt. Nur die Gesetze der Gefährdungshaftung begrenzen die Haftung des Schädigers der Höhe nach, wobei zwischen dem Höchstbetrag für den Schadensersatzanspruch jedes einzelnen Geschädigten (individueller Haftungshöchstbetrag)75 und dem Höchstbetrag für die maximale Haftung des Schädigers gegenüber allen Geschädigten eines Unfalls (globaler Haftungshöchstbetrag)76 zu unterscheiden ist. Die Höchstbeträge orientieren sich am typischen Ausmaß der Schadensfälle und berücksichtigen die 75 Z. B. §§ 12 Abs. 1 Nr. 1, 12a Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 9 HPflG, § 88 Nr. 1 AMG, § 37 Abs. 2 LuftVG. 76 Z. B. §§ 12 Abs. 1 Nr. 1, 12a Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 10 HPflG, § 88 Nr. 2 AMG, § 37 Abs. 1, 3, 4 LuftVG.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Interessen der Versichertengemeinschaft, indem sie die Finanzierbarkeit der Versicherung sicherstellen. Ihre Anpassung an die Steigerungen der Entschädigung erfolgt aber nur sehr verzögert. Die letzte Änderung durch die Reform im Jahre 2002 vereinheitlichte zugleich die Höchstbeträge, um die Haftung für gleichartige Schäden kohärent zu gestalten. Die Haftungshöchstbeträge führen in einzelnen Schadensfällen dazu, dass der Geschädigte nicht den gesamten Schaden auf der Grundlage der Gefährdungshaftung ersetzt verlangen kann. Das gilt insbesondere bei schweren Verletzungen mit besonders intensiver oder langwieriger Heilbehandlung sowie bei Massenunfällen und Serienschäden.77 Für eine darüber hinausgehende Entschädigung muss sich der Geschädigte auf die Verschuldenshaftung stützen und somit das Verschulden des Schädigers nachweisen. Die Intention des Opferschutzes, die sich mit der Erweiterung der Entschädigung immaterieller Schäden auf die Gefährdungshaftung verband, wird durch die Haftungshöchstbeträge vereitelt. Eine Änderung der Rechtslage ist indes nur de lege ferenda möglich. Hierfür spricht, dass Haftungshöchstbeträge heute nicht mehr als erforderlich gelten, um auch gegen große Schadenssummen zu versichern. Zumindest bestehen in anderen europäischen Rechtsordnungen keine vergleichbaren Haftungshöchstbeträge für die Gefährdungshaftung.78 Den Ausschlag für die gegenwärtige Gestaltung der Rechtslage gab vor allem die Sorge, dass bei einer Streichung der Haftungshöchstbeträge die Versicherungsprämien steigen würden.

C. Kriterien für die Bemessung der Entschädigung I. Ausgangspunkt für die Bemessung der Entschädigung Der Umfang der Entschädigung wurde bisher vor allem an der Funktion des Schadensersatzanspruchs ausgerichtet.79 Der Ausgleich immaterieller Schäden hat als Schadensersatzanspruch zunächst eine Ausgleichsfunktion, so dass die Entschädigung der Kompensation des konkreten Nichtvermögensschadens dient. Ebenso wie bei den Vermögensschäden gelten der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot.80 Zu ersetzen ist der konkret erlittene Schaden des Geschädigten. Somit sind für den Schadensumfang die persönlichen Verhältnisse des Geschädigten maßgeblich.81 Daher bemisst sich die 77

G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2054. Siehe § 6.B., D.I., S. 289 ff., 323 ff. 79 Grundlegend BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 224; 6.7.1955 Z 18, 149, 154 ff., 157; s. auch Kötz/ Wagner, Deliktsrecht, Rn. 706, 710; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 592; vgl. Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 68. 80 Allg. dazu Mot. II, S. 17 f.; Schiemann, Prinzipien, S. 192; Stoll, Haftungsfolgen, S. 179. 81 RG 26.4.1937 Z 155, 37, 41 f.; 29.4.1942 Z 169, 117, 120; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 56; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 39; a. A. zur Berücksichtigung der Schadensanfälligkeit des Geschädigten BGH 16.11.1961 NJW 1962, 243; 19.12.1969 VersR 1970, 281, 284; 78

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Höhe der Entschädigung allein nach dem Schadensumfang, für den die Dauer und Intensität der ideellen Einbuße maßgeblich sind. Der immaterielle Schaden besteht nach dem vorherrschenden Verständnis in einer negativen Gefühlsbilanz. Als Schadenspositionen sind einerseits Schmerzen und Leiden des Geschädigten, andererseits die Einbußen bei der Lebensführung und an Lebensfreude anerkannt. Die Entstellung des Geschädigten gilt indes nicht als eigenständige Schadensposition, da sie nur Beeinträchtigungen der Lebensführung auslöst, die sich im Verlust der Berufstätigkeit sowie in der Verringerung der allgemeinen Wertschätzung, dem Verlust sozialer Kontakte oder verletzungsbedingten Depressionen niederschlagen.82 Die erlittenen Schmerzen, deren Umfang allein vom Empfinden des Geschädigten abhängt, sind typisierend zu betrachten, so dass auf den Schaden abzustellen ist, der typischerweise bei solchen Verletzungen bei einem durchschnittlichen Geschädigten eintritt. Das darf aber nicht daran hindern, die individuelle Situation des Geschädigten zu berücksichtigen. Zusätzliche Kriterien, die keinen Zusammenhang zum Schadensumfang aufweisen, sind nur zu berücksichtigen, wenn der Entschädigungsanspruch zugleich weitere Aufgaben hat, die eine eigenständige Bedeutung neben der Ausgleichsfunktion haben. Einen anderen Weg beschreitet Ady, der sich im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nicht allein an der Funktion der Entschädigung orientieren will, da sich sonst nicht alle Aspekte des Schadensfalles einbeziehen ließen.83 Er favorisiert eine Interessenabwägung, die neben den Interessen des Geschädigten auch die des Schädigers sowie gesamtgesellschaftliche Interessen einstellt.84 Auf diese Weise lässt sich die Versicherbarkeit der Schäden und die Unzumutbarkeit der Entschädigung für den Schädiger berücksichtigen, ohne sie auf die Funktion des Anspruchs zurückführen zu müssen. Diesen Ansatz stützt Ady darauf, dass bei immateriellen Schäden wegen ihrer Inkommensurabilität ohnehin kein wirklicher Schadensausgleich möglich sei, so dass sich die Entschädigung dem nur annähern könne.85 Der Schaden sei nur der Anlass der Entschädigung, determiniere aber nicht deren Umfang. Zugleich nimmt er auf die Präventionsfunktion der Entschädigung im Sinne der ökonomischen Analyse des Rechts Bezug.86 Diese Herangehensweise beruht auf mehreren Prämissen. Zunächst muss eine selbständige Präventionsfunktion oder sogar eine pönale Funktion der Entschädigung anzuerkennen sein, was bisher nicht einheitlich für die Ent82 5.11.1996 NJW 1997, 455, 456; OLG Braunschweig 3.3.1997 VersR 1999, 201 f.; Geigel/Kolb, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 45 f.; krit. Deutler, Schmerzensgeld, S. 111 f.; ähnlich Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 144. 82 Eman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 25; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 77. 83 Ady, Ersatzansprüche, S. 192, 217 ff. 84 Ady, Ersatzansprüche, S. 192 ff., 217 ff. 85 Ady, Ersatzansprüche, S. 192. 86 Ady, Ersatzansprüche, S. 192.

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schädigung von Nichtvermögensschäden oder Schäden insgesamt erfolgte.87 Zudem führt die freie Interessenabwägung, insbesondere unter Berücksichtigung der Interessen des Schädigers und der Allgemeinheit, zu einem Abrücken vom Schadensausgleich und somit zur Ungleichbehandlung mit den Vermögensschäden, die sich mit der Inkommensurabilität der immateriellen Schäden nicht rechtfertigen lässt, da zumindest eine Entschädigung zum Zweck des Schadensausgleichs eine Vergleichbarkeit mit der Entschädigung von Vermögensschäden ermöglicht. Zudem vermag Ady, verdeckt durch die Interessenabwägung, eine Proportionalhaftung in Abweichung vom Grundsatz der Totalreparation einzuführen und Präventionsüberlegungen freier zu berücksichtigen, ohne sie dogmatisch ableiten und die Abweichung zum Ersatz der Vermögensschäden rechtfertigen zu müssen. Die bloße Inkommensurabilität der Nichtvermögensschäden ist angesichts der systematischen Einordnung des Entschädigungsanspruchs in das allgemeine Schadensersatzrecht wohl kein hinreichender sachlicher Grund. Damit sei an dieser Stelle noch nicht abschließend ausgeschlossen, dass präventive oder pönale Überlegungen im Schadensersatzrecht einzelne Teilbereiche beeinflussen können. Das bedarf zumindest der präzisen Ableitung anhand der verfassungsrechtlichen wie zivilrechtlichen Vorgaben, um belastbare Kategorien zu entwickeln, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Entschädigung der unterschiedlichen immateriellen Einbußen und im Verhältnis zur Entschädigung von Vermögensschäden ausreichend Rechnung tragen. Ohne dogmatische Grundlagen gerät die Interessenabwägung zur Beliebigkeit und leistet willkürlichen Entscheidungen Vorschub, die dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG widersprechen. Daher kann sich die Bemessung der Entschädigung nicht einer gleichsam topischen Herangehensweise bedienen, sondern muss die legitimen Abwägungskriterien auf die Funktion der Entschädigung zurückführen und jede Abweichung vom Ersatz der Vermögensschäden sachlich rechtfertigen, wobei die Inkommensurabilität des Schadens nicht genügt, um die Entschädigung grundsätzlich anders auszurichten. Sie bewirkt nur, dass die Entschädigung nicht berechenbar ist, ohne den Bezug zum Schaden und zum Schadensausgleich per se zu relativieren. Gerade das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung der Gleichheit vor dem Gesetz fordert eine andere Begründung, um die ideellen Schäden aus der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter anders zu entschädigen als die Vermögensschäden.

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Siehe unten § 18.C., S. 833 ff.

§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden

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II. Umfang des Verletzungs- und des Verletzungsfolgeschadens 1. Schmerzen und Leiden des Geschädigten Der Umfang des Schadens hängt von der Intensität und der Dauer der Schmerzen und Leiden ab. Auf ihre Intensität hat auch die individuelle Empfindsamkeit und Wehleidigkeit des Geschädigten Einfluss. Die subjektive Schadensneigung steigert – trotz objektivierender Betrachtung – den Schaden und führt grundsätzlich zur Erhöhung der Entschädigung. Eine Zurechnung des erhöhten Schadens scheidet nur aus, wenn der Geschädigte in ein neurotisches Verhalten verfällt und sich auf die Entschädigung verlässt, ohne der Verletzung schmerzmindernd entgegenzuwirken.88 Die Dauer der Schmerzen und Leiden ist anhand der Rechtsgutsverletzung und des Verlaufs der Heilung zu ermitteln. Insbesondere das Alter des Geschädigten kann Einfluss haben, da der Heilungsprozess mit zunehmendem Lebensalter länger dauert, so dass sich der erlittene Schaden vergrößert.89 Allerdings wirkt sich ausnahmsweise die Jugend des Geschädigten schadenssteigernd aus, wenn die schmerzhafte Verletzung unheilbar ist und die Beeinträchtigung fortdauert.90 Das Alter vermag somit in mehrfacher Hinsicht den Schadensumfang zu erhöhen, ohne ein eigenständiges Bemessungskriterium für den Schaden zu sein. Es genügt, auf den konkreten Heilungsverlauf bzw. die Fortdauer der Schmerzen abzustellen. Mit der Erhöhung des Schadens erhöht sich auch die Entschädigung. Sofern die Entschädigung als Rente gewährt wird, steigt der monatlich zu zahlende Betrag indes nicht, es verlängert sich nur die Dauer des Rentenbezugs. Schließlich ist bei der Schadensermittlung auch das Versterben des Verletzten nach dem Schadensfall zu berücksichtigen, sofern die Schmerzen noch fortbestanden und erst der Tod sie beendete. 2. Einbußen in der Lebensführung Neben Schmerzen und Leiden treffen den Geschädigten regelmäßig Einbußen bei der Lebensführung, mit denen ein Verlust an Lebensfreude einhergeht. Die Höhe der Entschädigung orientiert sich am Schadensumfang, dessen Höhe 88 BGH 9.4.1991 NJW 1991, 2347, 2348; 20.4.1996 Z 132, 341, 349; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 39. 89 OLG Koblenz 15.12.2005 MDR 2006, 992, 993; OLG Köln 20.12.2006 VersR 2007, 219; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 441; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 48; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 87; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 43; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 36; s. auch Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 712; krit. Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 79. 90 OLG Hamm 11.9.2002 NZV 2003, 192; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 441; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 89; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 43; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 36; s. auch OLG München 29.10.2010 10 U 3249/10, zit. nach juris (vorzeitiges Beenden der Berufstätigkeit als schadenssteigernd).

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

von der Intensität und Dauer der Beeinträchtigung91 und deren Auswirkungen auf die individuelle Lebensführung des Geschädigten abhängt. Als Teil der Lebensführung sind alle geschützten Formen der Persönlichkeitsentfaltung anzusehen. Maßgeblich sind insbesondere Beschränkungen für die Berufstätigkeit und die Betätigung in der Freizeit, die unabhängig vom entgangenen Gewinn eintreten und die Persönlichkeitsentfaltung betreffen.92 Der entgangene Gewinn ist als Vermögensschaden nach § 252 BGB zu ersetzen.93 Je nach der Art der Berufsausübung haben körperliche Beeinträchtigungen unterschiedliche Wirkung (z. B. Geruchssinn beim Koch). Daneben sind die Folgen des Schadensfalls für die sozialen Beziehungen des Geschädigten (z. B. Verminderung sozialer Kontakte, Zerrüttung der Partnerschaft) als Einbuße in der Lebensführung zu qualifizieren. Bei Einschränkungen für die Freizeitgestaltung kommt es nicht auf die Art des Hobbys an, da sich insoweit keine qualitativen Abstufungen vornehmen lassen. Teilweise wird vorgeschlagen, den Umfang des Schadens danach zu bemessen, welchen zeitlichen und finanziellen Aufwand der Geschädigte für die Freizeitgestaltung vor dem Schadensfall betrieb.94 Das führte aber zur Bewertung der individuellen Lebensführung, ohne dass § 253 Abs. 2 BGB dies vorgibt. Zudem ist die Aussagekraft dieser Daten anzuzweifeln, da sich die subjektive Bedeutung einer Freizeitbeschäftigung nicht allein an den für sie getroffenen Aufwendungen messen lässt. Diese hängen besonders von der Art des Hobbys ab. Sie können höchstens in ihrer Relation zum Einkommen und Vermögen des Geschädigten ein Indikator sein, wenn beispielsweise ein Geschädigter mit geringem Einkommen sehr hohe finanzielle Belastungen für sein Hobby eingeht.95 Daraus lässt sich der Stellenwert dieser Aktivität für die Person des Geschädigten erkennen. Das Gleiche gilt für den Zeitaufwand der Freizeitgestaltung. Letztlich ist ihr tatsächlicher Stellenwert für den Geschädigten maßgeblich. Eine Entschädigung wird überwiegend nur befürwortet, wenn das Hobby einen wesentlichen Teil der Lebensgestaltung ausmacht.96 91 Z. B. Einschränkung der Bewegungsfähigkeit, Verlust von Organen oder Sinnesorganen, Veröffentlichungen unter Verletzung der Privatsphäre. 92 BGH 8.6.1976 VersR 1976, 967, 969; OLG Köln 4.9.2003 VersR 2005, 1744, 1745; OLG München 10.9.2003 VersR 2005, 1745 f.; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 34, 39; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 699; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 442; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 53; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 87; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 41; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 37. 93 Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 41; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 37. 94 Erwägend Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 73. 95 Ähnlich Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 73. 96 BGH 20.1.2004 NZV 2004, 195, 196; OLG Köln 7.4.1997 NJW-RR 1998, 1634, 1635; OLG Jena 24.11.1998 NJW-RR 2000, 103; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 39; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 442 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 41; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 39; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 73, es kommt insbesondere nicht darauf an, ob eine Sportart professionell bei nationalen oder internationalen Wettbewerben oder als bloße Freizeitgestaltung ausgeübt wird.

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Diese Beschränkung hat zur Folge, dass die Einbußen nur partiell ausgeglichen werden und quasi eine Erheblichkeitsschwelle für die Ersatzfähigkeit der Einbußen der privaten Lebensgestaltung eingeführt wird. III. Umstände in der Person des Geschädigten 1. Schadensneigung des Geschädigten Auf den Umfang des Schadens hat auch die Vorschädigung des Geschädigten Einfluss. Sofern das physische oder psychische Wohlbefinden des Geschädigten bereits vor dem Schadensfall herabgesetzt war, ist die Einbuße für das Befinden des Geschädigten geringer als bei einem gesunden Dritten. Angesichts der geringeren Schäden ist daher die Entschädigung niedriger zu bemessen.97 Daher richtet sich die Bemessung der Entschädigung bei der Beeinträchtigung der Lebensführung ähnlich wie bei der Differenzhypothese nur nach dem Verlust, den der haftungsbegründende Schadensfall verursacht hat. Das gilt insbesondere, wenn bestimmte Körperfunktionen bereits vor der Schädigung eingeschränkt waren und die Lebensführung beeinträchtigt haben.98 Auch bei einer Persönlichkeitsverletzung durch die ungenehmigte Veröffentlichung von Fotos ist der Schaden geringer, wenn sie bereits an anderer Stelle (ungenehmigt) publiziert waren.99 Die Berücksichtigung der Schadensprädisposition des Geschädigten dient letztlich der Ermittlung des konkreten und zurechenbaren Schadens. Anders als bei der Schadenszurechnung wird bei der Bemessung der Entschädigung immaterieller Schäden bedacht, dass der Schaden auf der Schadensanfälligkeit des Geschädigten beruht. Der BGH verweist darauf, dass § 253 Abs. 2 BGB eine billige Entschädigung gewähre. Daher sei die Entschädigung aus Gründen der Billigkeit zu vermindern, wenn die vorhandene Schadensbereitschaft in der Konstitution des Geschädigten den Schadensumfang erhöht hat.100 Insofern weicht die Bemessung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden gegenüber Vermögensschäden ab, die auch in Fällen der Schadensanfälligkeit im vollen Umfang zugerechnet und entschädigt werden. Eine Ausnahme besteht nur in Fällen sog. Begehrensneurosen, wenn sich der Geschädigte auf die Zahlung der Entschädigung verlässt. Über diese Fallgruppe geht der BGH bei der Entschädigung ideeller Einbußen indes hinaus, 97 BGH 30.4.1996 Z 132, 341, 349; 5.11.1996 NJW 1997, 455, 456; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 35; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 442; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 39; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 39. 98 BGH 5.11.1996 NJW 1997, 455, 456; OLG Köln 11.1.2001 NJW-RR 2002, 1182, 1185; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 35; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 70; s. aber LG München 27.7.2011 NZV 2011, 1576, 1578 (zerebrale Schädigung eines körperlich behinderten Geschädigten). 99 KG 8.4.1997 AfP 1998, 223; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 35. 100 BGH 5.11.1996 NJW 1997, 455, 456; OLG Hamm NZV 1998, 413; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 36.

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weil er sich angesichts der Billigkeitsentscheidung nicht an den Grundsatz der Totalreparation gebunden sieht. In Anknüpfung an diesen Grundsatz ist die Entschädigung vielmehr zu erhöhen, wenn der Schadensfall den Geschädigten wegen seiner Vorschädigung wesentlich härter trifft als einen Dritten (z. B. Verlust eines Auges, wenn die Sehkraft des anderen Auges bereits erloschen war).101 Daneben ist für den Umfang der Einbußen der Lebensführung das Alter maßgeblich102, soweit sich die Dauer der Beeinträchtigung verkürzt (durch das Versterben des Geschädigten) bzw. verlängert (wegen der langsameren Heilung). Zum Teil wird schadensmindernd darauf abgestellt, wie lange der Geschädigte bereits ein erfülltes Leben hatte. Das gerät aber zu einer qualitativen Bewertung des Lebens der Geschädigten und unterstellt zudem, dass jedem nur ein bestimmtes Maß an Selbstverwirklichung zustehe. Das ist nicht mit dem generellen Schutz der freien Persönlichkeitsentfaltung vereinbar. Vielmehr ist schlicht auf die Dauer der Beeinträchtigung abzustellen, auf die sich zwangsläufig das Alter auswirkt. Eine doppelte Relevanz besitzt insoweit die Verkürzung der Lebenserwartung. Sie wirkt einerseits schadensmindernd, soweit die Lebensführung des Geschädigten für kürzere Zeit beeinträchtigt ist.103 Zugleich kann sie den Schaden erhöhen, soweit die Aussicht auf ein verkürztes Leben den Geschädigten emotional belastet.104 Insoweit erfolgt keine Kompensation für den Verlust an Lebenszeit.105 Entschädigt werden die psychischen Beeinträchtigungen. Bei der Ermittlung des Schadensumfangs und der Bemessung der Entschädigung nehmen die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur auch auf das Geschlecht des Geschädigten Rücksicht, vor allem wenn sich die Heiratsaussichten einer Frau infolge der Verletzung erheblich verschlechterten.106 Die 101 KG 26.5.1989 NVwZ 1990, 406, 407; OLG Düsseldorf 18.7.1999 NJW-RR 1998, 98, 99; 21.11.2002 VersR 2003, 1407, 1408; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 39; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 39; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 70. 102 BGH 8.7.1953 NJW 1953, 1626; OLG Koblenz 15.12.2005 MDR 2006, 992, 993; OLG Köln 17.5.2006 NZV 2006, 204, 205; 20.12.2006 VersR 2007, 219; LG München 27.7.2011 NZV 2011, 1576, 1578; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 712; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 441; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 48; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 87; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 43; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 36; krit. Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 79. 103 BGH 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1149; OLG München 3.5.1996 NZV 1997, 440, 441; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 441; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 89; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 43; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 36. 104 BGH 12.5.1998 Z 138, 388, 391; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 43; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 36; s. auch E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 89 (die Verkürzung der Lebenserwartung gehe stets mit besonders schweren Verletzungen einher, so dass wegen der Schwere der Verletzung ein höherer Schaden vorliege); s. auch OLG Koblenz 28.6.1995 NJW 1996, 1600. 105 Siehe § 2.A.I.1., S. 61 ff. 106 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 444; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 51; dazu Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 712.

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Partnerlosigkeit ist indes eine Belastung, die beide Geschlechter gleichermaßen trifft, zumal die Frau nach den Wertungen des Grundgesetzes und dem familienrechtlichen Verständnis des BGB keineswegs auf eine Lebensführung als Hausfrau festgelegt ist.107 Das Gleiche gilt beim Verlust der Zeugungsfähigkeit. Das Geschlecht spielt höchstens eine Rolle, wenn die Berufsausübung oder die sozialen Kontakte für eines der Geschlechter stärker beeinträchtigt sind, weil beispielsweise dem Aussehen eine stärkere Bedeutung zugemessen wird und der Umfang des konkreten Schadens unterschiedlich hoch ausfällt.108 2. Empfindungsunfähigkeit des Geschädigten Der Ausgleich der immateriellen Schäden entfällt nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des BGH nicht, wenn der Geschädigte infolge des Schadensfalles empfindungsunfähig geworden ist.109 Die Entschädigung sei nicht auf einen symbolischen Betrag herabzusetzen, obwohl der Geschädigte seine Situation nicht wahrnimmt. Der Umfang der Entschädigung bemesse sich an dem eingetretenen Schaden, der gerade in der weitgehenden Zerstörung der Persönlichkeit bestehe.110 Der BGH bemisst den Umfang der Entschädigung nach dem konkreten Schaden. Maßgeblich sei nicht der hypothetische Gefühlsschaden, den der Geschädigte hätte, wenn er seine Situation wahrnähme.111 Zur Bemessung der Entschädigung erfolgt eine Gesamtbetrachtung, die das Gepräge des einzelnen Falles, insbesondere das Ausmaß der Beeinträchtigung bzw. Zerstörung der Persönlichkeit, berücksichtigt.112 Daher sind alle Beeinträchtigungen der Lebensführung relevant, die infolge des Verlusts der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit eintreten. Der Geschädigte nimmt sie zwar nicht wahr, aus diesem Grund fehlt ihm aber gerade ein Teil seiner Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten. Es wäre formalistisch und widersprüchlich, wenn bei einer solchen Einbuße der Lebensführung kein Schaden vorläge. Die Entscheidungen des BGH lassen nicht klar erkennen, ob die Rechtsverletzung mit dem Schaden gleich gesetzt wird, so dass ein objektiver Schadens107

Ebenso Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 72. OLG München 13.10.1988 VersR 1989, 629; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 444. 109 Siehe oben § 3.B.III., S. 155 ff. 110 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 7; 13.10.1992 NJW 1993, 781, 783; 16.2.1993 NJW 1993, 1531, 1532; zust. BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 32; Diederichsen, VersR 2005, 433, 438; Giesen, JZ 1993, 519; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 706; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 592; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 62, 104; G. Müller, VersR 1993, 909, 912 f.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 125; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; vgl. Jauernig/ Teichmann, BGB, § 253 Rn. 5, der bei einem Versetzen ins Koma – anders als bei der Persönlichkeitszerstörung – eine Herabsetzung der Entschädigung befürwortet. In dieser Schlussfolgerung scheint sich das Defizit der Freud-für-Leid-Formel der Rechtsprechung auszuwirken. 111 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 8 f. 112 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 9 sowie s. Fn. 110; krit. zur Bewertbarkeit in Geld Soergel/ Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 26; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 36. 108

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begriff zugrunde liegt113. Alternativ kann insbesondere die Beschreibung des ideellen Schadens modifiziert werden, so dass der Schaden keine negativen Gefühlsbilanzen voraussetzt, sondern eine Beschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten, so dass es bei einem subjektiven Schadensbegriff bliebe. Der subjektive Schaden ist danach zu bemessen, wie der Geschädigte sein Leben geführt hätte, wenn der Schadensfall nicht eingetreten wäre. Mit Hilfe dieser veränderten Schadensbestimmung lassen sich auch jene Fälle adäquat behandeln, in denen die Wahrnehmungs- und Empfindungsunfähigkeit zumindest teilweise erhalten bleibt. Sodann sind die Gefühlsschäden, aber auch die Einbußen durch den teilweisen Verlust an Entfaltungsfreiheit zu erfassen und zu entschädigen. Dazu ist zu ermitteln, in welchem Maße der Geschädigte noch wahrnehmen und empfinden kann. 3. Schädigung eines Familienangehörigen bzw. Verwandten Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem gelten überwiegend als erheblicher Umstand für die Entschädigung immaterieller Einbußen.114 Das wird zum Teil auf die Haftungsbeschränkungen für Ehegatten in § 1359 BGB und zugunsten der Eltern in § 1664 BGB zum Schutz des Familienfriedens zurückgeführt.115 Diese Regelungen beschränken die Haftung des Schädigers, indem sie den Verschuldensmaßstab modifizieren, erfassen aber nicht die Bemessung der Entschädigung. Auch die Einschränkungen für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen gegenüber Familienangehörigen und Verwandten116 beschränken nicht die Höhe der Entschädigung, sondern verhindern nur die Durchsetzung der Forderung. Auf der Grundlage der Ausgleichsfunktion kann sich das Familien- oder Verwandtschaftsverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem nur auf die Höhe der Entschädigung auswirken, wenn es den Umfang des Schadens beeinflusst. Grundsätzlich haben die familiären oder verwandtschaftlichen Beziehungen keinen Einfluss auf den Umfang der Schmerzen und Leiden sowie die Beeinträchtigung der Lebensführung, die aus der Rechtsverletzung resultiert. Etwas anderes kann sich nur daraus ergeben, dass die Schadensverursachung durch ein Familienmitglied oder einen Verwandten wegen der Verlet113

Die Entschädigung bei Wahrnehmungs- und Empfindungsunfähigkeit wird auch als Privatstrafe angesehen, s. P. Müller, Punitive damages, S. 266 ff. 114 BGH 20.12.1966 VersR 1967, 286, 287; 18.6.1973 Z 61, 101, 105 ff.; OLG Schleswig 9.1.1991 NZV 1992, 190; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 43; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 34, 41; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 87; krit. Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 57; abl. OLG München 8.7.1988 NZV1989, 471, 472. 115 BR/Veit, BGB, § 1664 Rn. 1.1; Huber, MünchKomm-BGB, § 1664 Rn. 2; Palandt/Diederichsen, BGB, § 1664 Rn. 1; zu § 1359 BGB und dem Bezug zum engen Zusammenleben der Ehegatten BR/Hahn, BGB, § 1359 Rn. 1; Roth, MünchKomm-BGB, § 1359 Rn. 2. 116 BGH 1.3.1988 Z 103, 338, 344; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 73; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 54; zurückhaltend BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 40; s. auch OLG München 8.7.1988 NZV1989, 471, 472.

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zung eines Vertrauensverhältnisses intensiver auf den Geschädigten einwirkt. Das ist insbesondere bei Beeinträchtigungen der sexuellen Selbstbestimmung denkbar, die wegen des bestehenden Vertrauensverhältnisses den Geschädigten psychisch stärker erschüttern und in seiner psychischen Integrität beeinträchtigen, so dass der Umfang des Primärschadens größer ist.117 Die Entschädigung ist wegen der Familienzugehörigkeit oder Verwandtschaft aber weder per se zu kürzen noch zu erhöhen, sondern es bedarf der Ermittlung des konkreten Schadens.118 Darüber hinaus erlangt die Familienzugehörigkeit oder das Verwandtschaftsverhältnis für die selbständige Genugtuungsfunktion Bedeutung, wenn es nicht in gleicher Weise der Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls bedarf. Zum Teil wird angenommen, dass die Entschädigung bei der Haftung gegenüber Familienangehörigen oder Verwandten keine Genugtuungsfunktion habe.119 Es erfolge nur ein Schadensausgleich im Sinne der Ausgleichsfunktion, eine Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls oder Rachebedürfnisses sei aber nicht geboten. Daher seien alle Kriterien, die sich auf die Genugtuungsfunktion stützen, für die Höhe der Entschädigung ohne Bedeutung. Diese Einschränkung wäre aber nur erforderlich, sofern eine selbständige Genugtuungsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung rechtfertigt, anzuerkennen ist. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis ist der Genugtuungsaspekt aber nur eine Ausprägung des Schadensausgleichs, der berücksichtigt, dass bei vorsätzlichen Verletzungen der subjektive Schaden höher ist. Für diesen Genugtuungsgedanken hat das Verwandtschaftsverhältnis nicht die Wirkung, dass seine Berücksichtigung ausgeschlossen ist, da eine Intensivierung des subjektiven Schadens auch unter Verwandten bei Vorsatztaten nicht ausgeschlossen ist. Vielmehr ist weiterhin der konkrete Schaden im Einzelfall zu ermitteln. 4. Mitverschulden des Geschädigten und Anlass des Schadensfalls Das Mitverschulden des Geschädigten mindert den Entschädigungsanspruch für Nichtvermögensschäden ähnlich wie bei Vermögensschäden.120 Allerdings 117 OLG Hamm 10.4.2000 VersR 2002, 65; ähnlich Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 54. 118 OLG München 8.7.1988 VersR 1989, 1056; ähnlich für sonstige Näheverhältnisse oder langjährige Freundschaft OLG Hamm 3.3.1998 NJW-RR 1998, 1179, 1180; 3.3.1998 VersR 1999, 1376, 1377; OLG Celle 20.12.2005 NJOZ 2006, 1272, 1275; s. auch BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 40; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 41. 119 OLG Schleswig 9.1.1991 NZV 1992, 190; ähnlich Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 41 (Gefühl der Kränkung könne geringer sein); krit. Stein, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 847 Rn. 44. 120 Allg. M., BGH 13.4.1956 Z 20, 259, 263; 12.3.1991 NZV 1991, 305; OLG Köln 11.1.2002 NJW-RR 2002, 1182, 1184; OLG Frankfurt 6.2.2004 NJW-RR 2004, 1167, 1168; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 61; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 446; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 46; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 40.

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erfolgt keine Kürzung des Schadensersatzes nach § 254 BGB, sondern das Mitverschulden wird unmittelbar in die Gesamtwürdigung des Schadensfalls bei der Ermittlung der Entschädigung eingestellt.121 Diese Abweichung beruht formal darauf, dass die Entschädigung eines Vermögensschadens grundsätzlich anhand des konkreten Schadens berechnet wird. Daher ist es unmöglich, das Mitverschulden im Rahmen einer Gesamtwürdigung einzubeziehen, so dass es einer nachträglichen Herabsetzung des Entschädigungsanspruchs nach § 254 BGB bedarf. Die Entschädigung für ideelle Einbußen ist hingegen wertend festzusetzen, so dass die Mitverantwortung des Geschädigten sofort eingestellt werden kann (§ 242 BGB). Es ist sowohl ein Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen als auch eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB.122 Für dieses Vorgehen wird meist darauf verwiesen, dass die Quote, die für die Vermögensschäden ermittelt wurde, nicht übertragbar ist.123 In der Tat wird die Entschädigung in der Regel nicht in einem ersten Schritt festgesetzt und anschließend gekürzt. Sofern man die Entschädigung anhand aller Kriterien für den Umfang des ideellen Schadens außer dem Mitverschulden ermittelte, müsste dessen Berücksichtigung aber zu einer vergleichbaren Quote wie bei Vermögensschäden führen. Etwas anderes gilt höchstens, wenn die Entschädigung eine selbständige Genugtuungs- oder Präventionsfunktion hat, so dass das Mitverschulden des Geschädigten eine andere Gewichtung erfährt. Beschränkungen für die Entschädigung immaterieller Einbußen werden schließlich in Abhängigkeit vom Anlass des Schadensfalls befürwortet. Insbesondere bei Gefälligkeitsfahrten, Veranstaltungen mit gesteigertem Gefahrenpotential oder bei Handlungen, die Schädiger und Geschädigter gemeinsam geplant haben, wird dem Anlass eine Wirkung auf den Umfang der Entschädigung zugesprochen.124 Sofern vertraglich keine Haftungsbeschränkungen geregelt sind und zumindest Fahrlässigkeit vorliegt, kommt nur eine Herabsetzung des Entschädigungsanspruchs nach § 254 Abs. 1 BGB wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung in Betracht. Das Mitverschulden des Geschädigten wird bei der Bemessung der Entschädigung meist bereits bei den Angemessenheitserwägungen berücksichtigt.125 Vermögens- und Nichtvermögensschäden erfahren insoweit keine Ungleichbehandlung. 121 BGH 10.3.1970 VersR 1970, 443, 444; 12.3.1991 NZV 1991, 305; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 446; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 46. 122 BGH 10.3.1970 VersR 1970, 443, 444; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 61; Huber, AnwKBGB, § 253 Rn. 34; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 47. 123 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 446; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 46. 124 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158 f.; Geigel/Kolb, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 39; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 46; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 53; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 34, 41; a. A. OLG Hamm 3.3.1998 NJW-RR 1998, 1179, 1181; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 73 f. 125 BGH 10.3.1970 VersR 1970, 443, 444; 12.3.1991 NZV 1991, 305.

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Eine darüber hinausgehende Bedeutung gewinnt der Schadensanlass, wenn eine selbständige Genugtuungs- oder Präventionsfunktion anerkannt wird. Sofern der Geschädigte das schadensauslösende Ereignis gemeinsam mit dem Schädiger plante oder sich selbst in Gefahr begab, verletzt der Schadensfall sein Rechtsgefühl grundsätzlich nicht, so dass keine überkompensatorische Genugtuung erforderlich ist. Er hatte die Ereignisse selbst in der Hand und steht somit anders als eine Person, die unerwartet in ihren Rechten verletzt wird. Auch ein Präventionsbedürfnis entfällt, wenn der Geschädigte selbst an der Schadensverursachung mitwirkt und der Schadensfall nur fahrlässig verursacht wird. Etwas anderes mag gelten, wenn der Schädiger vorsätzlich handelte und daher den Geschädigten wie einen unbeteiligten Dritten trifft. 5. Vermögensverhältnisse des Geschädigten Der Große Senat des BGH ging 1955 davon aus, dass die Entschädigung kein Ausgleich für den Schaden sei, wenn der Geschädigte in besonders günstigen finanziellen Verhältnissen lebe.126 Die Geldzahlung könne dem Geschädigten keine Annehmlichkeiten verschaffen, die ihm nicht ohnehin zur Verfügung stünden. Daher trete in diesen Fällen die Genugtuungsfunktion stärker in den Vordergrund.127 Diese Argumentation beruht auf der Metapher, dass sich der Geschädigte mit dem Geld Annehmlichkeiten und Lebensfreude verschaffen könnte. Mit der Aufgabe dieser Begründung für die Entschädigung immaterieller Einbußen128, stehen die Vermögensverhältnisse des Geschädigten der Annahme nicht entgegen, dass die Entschädigung Schadensausgleich ist. Die Einbuße ist durch einen Geldbetrag zu kompensieren, ohne dass es auf seine Verwendung ankommt129. Auf den Genugtuungsgedanken zurückzugreifen ist nicht erforderlich. Daher sind die Vermögensverhältnisse des Geschädigten ohne Einfluss auf die Entschädigung, es sei denn, sie verändern den Schadensumfang. Zum Teil wird darauf verwiesen, dass die Vermögensverhältnisse des Geschädigten seine Handlungsmöglichkeiten und seine Lebensführung beeinflussen. Daher wirke sich die Beeinträchtigung durch den Schadensfall bei vermögenden Geschädigten intensiver aus und es bedürfe einer höheren Entschädigung.130 Neben 126

BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 159. RG 24.4.1911 Z 76, 174, 175; BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 159; OLG Nürnberg 6.4.1965 VersR 1965, 819. 128 Zur Ablehnung der Metapher von der ausgleichenden Lebensfreude § 1.C.II.1., S. 47 ff., § 3.B.I., S. 150 ff. 129 Dazu BGH 15.1.1991 NJW 1991, 1544, 1545 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 446; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 43. 130 Deutler, Schmerzensgeld, S. 112 f.; Ehrenzweig, VersR 1953, 80, 80 f.; Honsell, VersR 1974, 205; Marschall v. Bieberstein, BB 1983, 467, 468; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 30; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 57; s. auch Deutsch, Haftungsrecht, S. 577; a. A. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 705; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 711. 127

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

den Schmerzen und Leiden gleicht die Entschädigung die Beschränkungen der Lebensführung aus, die infolge der Rechtsverletzung oder der Verwirklichung eines erlaubten Risikos eingetreten sind. Insoweit bezieht sich der Schadensausgleich auf die Einschränkung der Persönlichkeitsentfaltung. Die Selbstverwirklichung des Einzelnen kann auch von der finanziellen Situation abhängen, maßgeblich ist aber vor allem, dass der Geschädigte als Mensch persönliche, charakterliche und geistige Fähigkeiten hat, die er im Rahmen seiner Selbstentfaltung verwirklicht. Der Verlust der Entfaltungsmöglichkeiten ist die eigentliche Einbuße, die der Geschädigte erleidet. Die ideelle Einbuße in der Persönlichkeit hängt nicht primär vom Vermögen des Geschädigten ab. Die Vermögensverhältnisse beeinflussen die Entschädigung höchstens mittelbar, wenn der Umfang der Aktivitäten, auf die der Geschädigte infolge des Schadensfalls verzichten muss, größer ist.131 Das geht aber nicht zwingend mit der Höhe des Vermögens einher. Eine Ungleichbehandlung nach dem Vermögen ist nicht per se angezeigt, sondern es ist stets auf die konkrete Beeinträchtigung der Lebensführung abzustellen. Daher lehnt die überwiegende Ansicht die Berücksichtigung des Vermögens des Geschädigten für die Bemessung der Entschädigung zu Recht ab.132 Selbst im Rahmen einer Präventionsfunktion erlangt es keine Bedeutung. IV. Umstände in der Person des Schädigers 1. Vermögensverhältnisse und Versicherung des Schädigers Die Vermögensverhältnisse und die Haftpflichtversicherung des Schädigers galten in der Rechtsprechung spätestens seit der Entscheidung des Großen Senats des BGH von 1955 als maßgebliche Kriterien für die Bemessung der Entschädigung nach § 847 BGB a. F.133 Der Entschädigungsanspruch solle den Schädiger nicht in schwere oder nachhaltige Not bringen.134 Zugleich wies der BGH darauf hin, dass er nicht die an sich angemessene Entschädigung wegen der Vermögensverhältnisse des Schädigers herauf- bzw. herabsetze.135 Die 131 Darauf verweisen auch Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 43; Oetker, MünchKommBGB, § 253 Rn. 38, die den Vermögensverhältnissen aber nur eine untergeordnete Rolle zuweisen. 132 OLG Schleswig 29.6.1989 NJW-RR 1990 470, 471; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 42; Eickhoff, Bemessung, S. 108; Hupfer, JZ 1977, 781, 785; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 84 ff. (im Zusammenhang mit der Ablehnung der Genugtuungsfunktion); Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 445; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 72 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 38; Pauker, VersR 2004, 1391, 1392 f.; Seydel, NJW 1954, 1017, 1018; Staudinger/ Schiemann, BGB, § 253 Rn. 43; Stein, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 847 Rn. 21 f.; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 75; s. auch Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 155. 133 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 159 ff.; ebenso BGH 16.2.1993 NJW 1993, 1531, 1532; 27.9.1995 NStZ-RR 1996, 109; so schon RG 27.3.1906 Z 63, 104, 105; anders noch RG 7.4.1932 Z 136, 60, 61; BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 227 f. 134 BGH 6.7.1955, 18, 149, 159; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 56. 135 BGH 6.7.1955, 18, 149, 161; zust. Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 30.

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Entschädigung werde in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ermittelt, so dass es nur eine angemessene Entschädigung gebe.136 Das Vermögen sei als Kriterium umso weniger gewichtig, je geringer die Entschädigung ausfalle. Dem schloss sich die herrschende Lehre an.137 Primäres Ziel der Entschädigung bleiben danach gleichwohl Schadensausgleich und Genugtuung des Geschädigten.138 Die Entschädigung entfalle wegen des fehlenden Vermögens des Schädigers nicht vollständig.139 Die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse hänge vom Anlass des Schadensfalls und vom Verschulden des Schädigers ab, so dass sie insbesondere bei vorsätzlichem oder rücksichtslosem Verhalten des Schädigers nicht erfolge.140 Ansonsten käme es zu einer vom Schädiger provozierten Belastung des Geschädigten.141 Zudem ist die Berücksichtigung des Vermögens nicht obligatorisch, sondern kann in die Bemessung der Entschädigung einfließen. Insbesondere in Vergewaltigungsfällen wird davon meist Abstand genommen.142 Darüber hinaus hat die Rechtsprechung die günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers als Begründung für eine höhere Entschädigung angesehen, ebenso die guten Vermögensverhältnisse des Geschädigten für eine geringere Festsetzung.143 Die Vermögensverhältnisse des Schädigers beeinflussten die Höhe der Entschädigung nur dann nicht negativ, wenn er versichert sei.144 136

BGH 6.7.1955, 18, 149, 161 f.; zust. Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 30. Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 397 f.; ders., MDR 1963, 353, 356 f.; Boettinger, VersR 1953, 197; Deutler, Schmerzensgeld, S. 119; Deutsch, Haftungsrecht, S. 577; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 705; Ehrenzweig, VersR 1953, 80, 80 f.; Geigel, NJW 1954, 706, 707; Lange/ Schiemann, Schadensersatz, S. 445; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S.592; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 30; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 56; Teumer/Stamm, VersR 2011, 642, 643; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 85; Zeytin, Schmerzensgeld, S. 175 ff.; ähnlich Eickhoff, Bemessung des Schmerzensgeldes, S. 133 ff.; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 41; einschränkend bei Bestehen einer Versicherung Oetker, MünchKommBGB, § 253 Rn. 51; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 42; abl. Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 27; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 149 ff.; Peterßen, JW 1936, 2965; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 711; ähnlich BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 43; abl. S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 181. 138 BGH 6.7.1955, 18, 149, 160; 7.2.1995 NJW 1995, 1438. 139 BGH 6.7.1955, 18, 149, 160; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 30; ähnlich Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 56, der aber in extremen Ausnahmefällen einen Ausschluss der Entschädigung für möglich erachtet. 140 BGH 6.7.1955, 18, 149, 159 f.; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 56. 141 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 228; Gelhaar, NJW 1953, 1281; ähnlich E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 154; Seydel, NJW 1954, 1017, 1018. 142 Z. B. OLG Frankfurt 9.9.2004 12 U 116/03, zit. nach juris; LG Flensburg 29.1.1999 NJW 1999, 1640, 1642; s. aber BGH 13.12.1995 2 StR 637/95, zit. nach juris (Aufhebung des Urteils des LG wegen mangelnder Würdigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Verletzten). 143 Grundlegend BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 159 f. 144 BGH 6.7.1955, 18, 149, 165 f.; 1.2.1966 VersR 1966, 561; Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 397 f.; ders., MDR 1963, 353, 355 f.; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 252; Lange/ 137

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Die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers bei der Bemessung der Entschädigung weicht sowohl vom Grundsatz der Totalreparation als auch vom schuldrechtlichen Prinzip ab, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Schuldners den Bestand der Forderung nach Grund und Höhe nicht berührt145. Diese Abweichung lässt sich zumindest seit der Eingliederung des Entschädigungsanspruchs nach § 847 BGB a. F. in das allgemeine Schadensersatzrecht nicht mehr darauf stützen, dass ein Anspruch eigener Art vorliegt. Vielmehr handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch, der den Entschädigungsansprüchen gleichgestellt ist, so dass der Ausgleichsgedanke und der Grundsatz der Totalreparation gelten müssen.146 Die einseitige Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers führt zu einer Ungleichbehandlung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden, für die im Rahmen des § 253 Abs. 2 BGB kein sachlicher Grund besteht.147 Die Entschädigung bemisst sich zwar nach Billigkeitsgesichtspunkten, das beruht aber nur auf der Inkommensurabilität der ideellen Schäden und ändert nichts daran, dass sich die Entschädigung angesichts der Ausgleichsfunktion nach dem Schadensumfang richten muss. Nur beim Mitverschulden des Geschädigten oder dem Eingreifen anderer Haftungsbeschränkungen darf die Entschädigung dahinter zurückbleiben. Eine weitergehende Einschränkung zum Schutz des Schädigers sieht das Schadensersatzrecht nicht vor. Eine Reduktionsklausel für die Schadensersatzpflicht kennt das BGB nicht. Der Schädiger kann sich vor der Belastung mit Schadensersatzansprüchen durch eine Versicherung schützen.148 In der Zwangsvollstreckung berücksichtigen die Pfändungsfreibeträge seine Vermögensverhältnisse, und selbst das Insolvenzrecht kann eine schützende Wirkung entfalten.149 Die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers kann höchstens aus der Anerkennung einer selbständigen Genugtuungs- oder Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs resultieren. Die Genugtuungsfunktion erzwingt die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse im 145 Schiemann, Schadensersatz, S. 444; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 44; Oetker, MünchKommBGB, § 253 Rn. 51; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 42; krit. Schmidt, VersR 1970, 990 f.; a. A. RG 7.4.1932 Z 136, 60, 61; BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 227 f.; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 43; Ehrenzweig, VersR 1953, 80, 80 f.; Gelhaar, NJW 1953, 1281; Geigel, NJW 1954, 706, 707; Pecher, AcP 171 (1971), 44, 69. 145 Ehlers, Geldersatz, S. 268; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 158. 146 So schon vor der Gesetzesänderung Ehlers, Geldersatz, S. 270; Gelhaar, NJW 1953, 1281; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 152 f.; ebenso Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 27; ähnlich Seydel, NJW 1954, 1017, 1018. 147 Zur Einordnung als Rechtsfolgenbestimmung Ady, ZGS 2003, 13, 16; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 7; Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Schulze/Ebers, JuS 2004, 366, 367; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 15; Rauscher, Jura 2002, 577, 579; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 23. 148 Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 27. 149 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 228; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 150; zur InsO Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 27.

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Grunde nicht, da sie für die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls des Geschädigten nur von untergeordneter Bedeutung sind.150 Nur wenn die Genugtuung als Privatstrafe für den Schädiger verstanden wird, kann die Belastungswirkung der Entschädigungszahlung für den Schädiger Bedeutung erlangen. Das Gleiche gilt, wenn und soweit eine selbständige Präventionsfunktion zur Anwendung kommt. Sie strebt die effektive Abschreckung des Schädigers an, so dass sein Vermögen Einfluss darauf hat, welche Einwirkungsintensität die Entschädigung für den Schädiger hat. Eine Entscheidung über die Relevanz der Vermögensverhältnisse für die Bemessung der Entschädigung hängt somit von den Funktionen des Entschädigungsanspruchs ab. Solange es bei einer Ausgleichsfunktion bleibt, ist für die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse kein Raum. Sie führt zu einer Abweichung vom Grundsatz der Totalreparation und zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber den Vermögensschäden. 2. Verschulden des Schädigers Neben den Vermögensverhältnissen berücksichtigen die Rechtsprechung und ein großer Teil des Schrifttums das Verschulden des Schädigers bei der Bemessung der Entschädigung.151 Grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Schädigers habe eine verbitternde Wirkung auf den Geschädigten, so dass die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls in stärkerem Maße erforderlich sei und sich die Entschädigung im Sinne der Genugtuungsfunktion erhöhe.152 Bei leichter Fahrlässigkeit sei der Geschädigte hingegen eher bereit, die Verletzung hinzunehmen, so dass die Entschädigung gemindert werden könne.153 Die Erhöhung der Entschädigung lässt sich auch mit der Ausgleichsfunktion vereinbaren, sofern das Verschulden den Schaden vergrößert. Die grob fahrlässige oder vorsätzliche Rechtsverletzung hat in der Regel eine erniedrigende und herabwürdigende Wirkung auf den Geschädigten und verletzt ihn 150

BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 230; Ehlers, Geldersatz, S. 270; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 711; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 152. 151 RG 7.4.1932 Z 136, 60, 62; BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158; 16.2.1993 NJW 1993, 1531; 29.11.1994 Z 128, 117, 120 f.; 7.2.1995 NJW 1995, 1438; 12.5.1998 Z 138, 388, 391; Deutler, Schmerzensgeld, S. 113 ff.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 705; Ebert, Pönale Elemente, S. 466 ff.; Geigel, NJW 1954, 706, 707; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 152; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 442; v. Mayenburg, Bemessung, S. 123 ff.; G. Müller, VersR 1993, 909, 914; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 48; Pauker, VersR 2004, 1391, 1394; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 30; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 81; Zeytin, Schmerzensgeld, S. 175 ff.; a. A. Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 38; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 72 f., 126 f., 136 ff.; ferner G. Müller, VersR 1993, 909, 914; S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 250. 152 RG 7.4.1932 Z 136, 60, 62; BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158. 153 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158; Bötticher, MDR 1963, 353, 354 f., 356 f.; Deutsch, Haftungsrecht, S. 576; Lieberwirth, Schmerzensgeld, S. 38; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 48; ferner G. Müller, VersR 1993, 909, 914, die dem Verschulden eher eine korrigierende Funktion zuweist.

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in seiner Persönlichkeit. Das gilt überwiegend als Grund für eine Steigerung des Schadens, da dem Geschädigten das Handeln des Schädigers vor Augen führt, dass er für ihn als Person nicht zählt.154 Diese Persönlichkeitsverletzung und der daraus resultierende Schaden sind jedoch keine unmittelbare Folge der Rechtsverletzung gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sofern keine psychosomatische Störung mit Krankheitswert eintritt. Regelmäßig liegt aber eine schwere Persönlichkeitsverletzung vor, die der Entschädigung bedarf. Zudem handelt es sich um den Folgeschaden einer Rechtsgutsverletzung nach § 253 Abs. 2 BGB, der dem Schädiger zuzurechnen ist. Im Übrigen stützen Rechtsprechung und Literatur die erhöhte Entschädigung vor allem auf die Genugtuungsfunktion der Entschädigung.155 Die Berücksichtigung der psychischen Folgen der vorsätzlichen Rechtsverletzung ist eine Besonderheit der Entschädigung immaterieller Einbußen. Sie erfolgt bei Vermögensschäden zu Recht nicht gleichermaßen156, weil das deutsche Privatrecht generell keine Entschädigung für die verletzten Affektionsinteressen gewährt. Zudem hat nur die vorsätzliche Verletzung personenbezogener Rechtsgüter eine unmittelbar herabwürdigende Wirkung, die eine schwere Persönlichkeitsverletzung nach sich zieht. Ein Defizit beim Ausgleich immaterieller Schäden entsteht höchstens bei Delikten, die die Wohnung des Geschädigten (z. B. Einbruchsdiebstahl) und somit den privaten Rückzugsbereich betreffen, so dass infolge der Tat eine nachhaltige Verunsicherung sowie Ängste ausgelöst werden können. Diese sind nach der gegenwärtigen Rechtslage jedoch nicht ersatzfähig, solange sie keinen Krankheitswert haben. Schließlich wird insbesondere bei vorsätzlichem Handeln des Schädigers eine überkompensatorische Entschädigung zur Genugtuung des Geschädigten oder Prävention weiterer Rechtsverletzungen befürwortet. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verlangt der BGH eine rücksichtslose Zwangskommerzialisierung der Person mit Gewinnerzielungsabsicht.157 Eine über den Schadensausgleich hinausgehende Entschädigung wird jedoch bei der Gefährdungshaftung ausgeschlossen, da die Haftung nicht vom Ver154 RG 7.4.1932 Z 136, 60, 62; BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158; OLG Frankfurt M. 6.6.2005 zfs 2005, 597; Deutler, Schmerzensgeld, S. 112 f.; Honsell, VersR 1974, 205; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 438 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 48; Stoll, Haftungsfolgen, S. 80; s. auch Zeytin, Schmerzensgeld, S. 181 f. (den normativen Schadensbegriff heranziehend); abl. E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 51 ff., 72 f. (Beschränkung auf äußere Verletzungsschäden/Verletzungsfolgeschäden); ebenso Pauker, VersR 2004, 1391, 1392 f. 155 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 698; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 438 f.; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 15; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 31; ferner Zeytin, Schmerzensgeld, S. 175 ff. (Genugtuungsfunktion nicht als einzige Möglichkeit); die Genugtuungsfunktion abl. Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 84 ff.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 72 f.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; Pauker, VersR 2004, 1391, 1392. 156 Krit. E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 144; ders., Karlsruher Forum 2003, S. 67, 68; a. A. BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158. 157 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I).

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schulden abhängt und es sich um die Verwirklichung eines erlaubten Risikos handelt.158 Daher bezieht sich der Haftungsgrund nicht auf die Verletzung des Rechtsgefühls, die der Genugtuung bedarf. Auch eine Prävention über den Schadensausgleich hinaus ist in diesen Fällen zur effektiven Abschreckung nicht erforderlich. Daher wird zum Teil vorgeschlagen, die Entschädigung niedriger anzusetzen.159 Sofern ein Verschulden hinzutrete, sei sie zu erhöhen.160 Ein solches Vorgehen widerspricht der Intention des Gesetzgebers bei der Reform des Schadensersatzrechts, der die Entschädigung ideeller Einbußen zugunsten der Opfer vereinfachen wollte, indem er die Gefährdungshaftung auf diese Schäden erweiterte.161 Grundsätzlich ist die Entschädigung bei der Gefährdungshaftung am Gedanken des Schadensausgleichs auszurichten. Eine Erhöhung über den Schadensausgleich hinaus widerspricht der Begründung der Gefährdungshaftung. Sofern der Schädiger vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, ist zudem eine deliktische Haftung einschlägig, die eine andere Bemessung der Entschädigung zulässt, sofern eine selbständige Genugtuungs- oder Präventionsfunktion anzuerkennen ist. 3. Teilweise Naturalrestitution (insbesondere Entschuldigung des Schädigers) Eine Entschädigung des Nichtvermögensschadens ist nur in dem Maße erforderlich, wie keine Naturalrestitution erfolgt. Die Wiederherstellung im Sinne des § 249 BGB beseitigt die Wirkung des Schadensfalls aber grundsätzlich nur für die Zukunft.162 Im Übrigen ist eine Restitution unmöglich. Auch die Entschuldigung des Schädigers beeinflusst nach der Ausgleichsfunktion der Entschädigung deren Bemessung nur, wenn sie den Umfang des ersatzfähigen Schadens verringert. Sofern eine vorsätzliche Rechtsverletzung erfolgt, so dass zugleich eine Erniedrigung vorliegt, die eine Persönlichkeitsverletzung darstellt, kann die Entschuldigung das Bedürfnis nach einer Entschädigung beseitigen. Bei Persönlichkeitsverletzungen findet generell eine Entschuldigung des Schädigers Beachtung.163 Primär ist die Entschuldigung des Schädigers zwar 158 Lang/Stahl/Suchomel, NZV 2004, 441, 445; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 49; Rauscher, Jura 2002, 577, 579; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2054 f.; ähnlich Däubler, JuS 2002, 625, 626. 159 Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 49; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 91; gegen eine Differenzierung, außer bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185; Hentschel, NZV 2002, 433, 437; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 28; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2054. 160 Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 49; ähnlich Pauker, VersR 2004, 1391, 1394 (aber nur für eine Erhöhung bei grobem Verschulden, nicht bei einfacher Fahrlässigkeit); dafür bei vorsätzlichem Handeln G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2055. 161 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14 f., 25; OLG Celle 23.1.2004 NJW 2004, 1185 f.; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 45; Jaeger, ZGS 2004, 217, 219 f.; v. Bar, Karlsruher Forum 2003, S. 7, 25. 162 Siehe oben § 1B.III., S. 28 ff. 163 OLG Koblenz 12.7.1996 NJW-RR 1996, 1307; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 85.

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eine persönlich-moralische Geste. Sie kann höchstens den Geschädigten besänftigen, so dass es keiner besonderen Genugtuung mehr bedarf. Das hängt im Einzelfall davon ab, ob sie freiwillig erfolgt und auf welche Art und Weise sie vollzogen wird. Zudem muss der Geschädigte die Entschuldigung annehmen. Darüber hinaus beseitigt sie den immateriellen Schaden, die bereits erlittenen Schmerzen oder das ertragene Leid sowie die Beeinträchtigungen der Lebensfreude nicht. Insoweit hat die Entschuldigung keinen Einfluss auf die Entschädigung.164 V. Versicherbarkeit der Schäden Die bisher aufgezeigten Kriterien bezogen sich auf den Geschädigten oder Schädiger. Daneben wird vereinzelt befürwortet, Interessen der Allgemeinheit bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen. Insbesondere unter Verweis auf die Versicherbarkeit des Schadens wird der Gewährung hoher Schadensersatzbeträge widersprochen.165 Die Versicherbarkeit eines Schadens steht in keinem Zusammenhang mit der Ausgleichsfunktion der Entschädigung und ist auch für die Genugtuungs- und Präventionsfunktion ohne Belang. Es kommt höchstens auf das Vorliegen einer Versicherung an, nicht aber auf die Versicherbarkeit des Schadens. Für deren Berücksichtigung wird auf die nachteiligen Auswirkungen verwiesen, insbesondere auf die Berufsausübung. Vor allem im Gesundheitswesen wirke sich die erschwerte oder fehlende Versicherbarkeit von Schäden nachteilig aus, zumal das Arzthaftungsrecht zu einer Vervielfachung der Prämien geführt habe.166 Alternative Lösungen durch einen Geschädigtenfonds werden nicht erwogen, sondern nur eine Begrenzung der Entschädigung gefordert. Die Auswirkungen der Entschädigung immaterieller Einbußen auf deren Versicherbarkeit lassen sich im Rahmen der Folgenorientierung des Rechts nur berücksichtigen, soweit Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung dafür Raum lassen.167 Sie können insbesondere in die teleologische Gesetzesauslegung einfließen. Allerdings setzen der Gesetzeswortlaut und der Wille des Gesetzgebers Grenzen. Zudem muss das Auslegungsergebnis kohärent sein und darf nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen. Die Entschädigung immaterieller Einbußen ist nach § 253 Abs. 1 BGB zwar die Ausnahme, sofern sie zugelassen ist, zielt sie aber, wie bei Vermögensschäden, grundsätzlich auf Schadensausgleich. Somit kann sie nicht ohne weiteres beschränkt werden. Die Inkommensurabilität der Schäden hindert zwar die 164

E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 77. Scheffen, NZV 1994, 417, 420; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 203; Franzki, VersR 1990, 1181 f.; Schlund, VersR 1994, 657, 658. 166 Scheffen, NZV 1994, 417, 420. 167 Zur Folgenorientierung im Rahmen der Gesetzesauslegung Deckert, Folgenorientierung, S. 233. 165

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konkrete Berechnung der Entschädigung, ändert aber nichts am Prinzip der Totalreparation. Eine einseitige Berücksichtigung der Versicherbarkeit der Schäden beim Ausgleich immaterieller Einbußen führt zudem zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Vermögensschäden, die im Gesetz nicht angelegt ist und für die kein sachlicher Grund erkennbar ist. Die billige bzw. angemessene Entschädigung in Geld stellt den Schadensausgleich nicht zur Disposition des Richters nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Gerade die Eigenmächtigkeit des Richters war bei Inkrafttreten des BGB ein wesentlicher Vorbehalt gegen die Entschädigung ideeller Einbußen. Trotz des gewandelten Richterbildes bleibt jedoch eine möglichst klare Orientierung am Schaden wünschenswert, da eine Ungleichbehandlung der ideellen Schäden, die insbesondere auf die Verletzung personenbezogener Rechtsgüter zurückgehen, sachlich – insbesondere nach den objektiven Wertungen der Verfassung – nicht zu rechtfertigen ist. VI. Anrechnung von Kriminalstrafen und Auflagen auf den Schadensersatz Sofern die Rechtsverletzung des Schädigers zugleich einen Straftatbestand erfüllt, kann es zu einem Nebeneinander von Kriminalstrafe und Schadensersatz kommen. Die Anrechnung der Kriminalstrafe auf die Entschädigung eines immateriellen Schadens käme nur in Betracht, wenn beide dieselbe Funktion hätten, so dass sie einander ersetzen könnten. Ein Entschädigungsanspruch, der ausschließlich dem Ausgleich des konkreten Schadens dient, hat jedoch eine andere Zielsetzung als die Kriminalstrafe, die den Strafanspruch des Staates verwirklicht und die Vergeltung der Tat und die Erhaltung des Rechtsfriedens ebenso bezweckt wie die General- und Spezialprävention. Daher scheidet eine Anrechnung der Kriminalstrafe aus.168 Auch der BGH lehnte 1994 und 1996 die Anrechnung der Kriminalstrafe ab169 und vereinheitlichte die divergierende Rechtsprechung der Instanzgerichte170. Es handle sich um zwei verschiedene Rechtsverhältnisse mit unterschiedlicher Ausrichtung.171 Die Kriminalstrafe hat zwar ebenfalls einen Präventionszweck, besänftigt das Rechtsgefühl und stellt den Rechtsfrieden her. Die Genugtuung im strafrechtlichen Sinne hat jedoch einen anderen Bezugspunkt als im Zivilrecht, da 168 Z. B. Ebert, Pönale Elemente, S. 461 f.; Erman/Ebert, BGB, § 253 Rn. 27a; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 253; Klimke, VersR 1981, 290; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 76 f., 107 f.; Mertens, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 847 Rn. 2; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 9. 169 BGH 29.11.1994 Z 128, 117, 121 ff.; 16.1.1996 VersR 1996, 382; s. auch BGH 24.3.1998 1 StR 23/98, zit. nach juris. 170 Für eine Anrechnung OLG Hamburg 23.3.1972 MDR 1972, 1033; OLG Düsseldorf 12.3.1974 NJW 1974, 1289; 21.6.1991 zfs 1991, 299; abl. OLG Hamm 13.5.1974 MDR 1974, 1018; OLG Köln 14.11.1991 VersR 1992, 197; OLG Celle 26.11.1992 VersR 1993, 976, 977; OLG Stuttgart 28.5.1993 NJW-RR 1993, 1121. 171 BGH 29.11.1994 Z 128, 117, 121 ff.; 16.1.1996 VersR 1996, 382.

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beiden Rechtsgebieten ein unterschiedlicher Rechtsgutsbegriff zugrunde liegt. Das Zivilrecht bezieht sich grundsätzlich auf das Rechtsgut als Rechtsobjekt eines subjektiven Rechts, wohingegen das Strafrecht den Rechtsgüterschutz (auch) im überindividuellen Interesse der Rechtsgemeinschaft bezweckt und auf eine nicht hinnehmbare Verletzung der Regeln des Zusammenlebens in der Rechtsgemeinschaft reagiert. Das Strafrecht bezieht zwar auch die Individualinteressen des Opfers ein, geht aber darüber hinaus. Daher wird im Strafprozess und bei der Strafvollstreckung zwar die Wiedergutmachung der Folgen der Tat durch den Täter berücksichtigt.172 Das gilt aber nicht umgekehrt für den Schadensersatz, zumal die Geldbuße nicht dem Geschädigten zufließt. Eine Berücksichtigung der Kriminalstrafe bei der Bemessung der Entschädigung erwägen nur einzelne Autoren, die dem Schadensersatz eine selbständige Genugtuungsfunktion zuweisen.173 Die Entschädigung diene daher auch der Sühne und Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls des Geschädigten, so dass Schadensersatz und Kriminalstrafe in ihrer sühnenden Wirkung übereinstimmten. Es wird indes keine strikte Anrechnung der Kriminalstrafe befürwortet. Die Wirkung der Kriminalstrafe auf den Geschädigten sei nur in die wertende Betrachtung bei der Bemessung der Entschädigung einzubeziehen.174 Auch für einen solchen Strafschadensersatz gilt, dass sich das Privatrecht und somit auch eine Privatstrafe vor allem auf den Schutz des Rechtsguts als Rechtsobjekt beziehen und die Kriminalstrafe einen anderen Rechtsgutsbegriff zugrunde legt. Die Funktion beider Sanktionen überschneidet sich höchstens partiell, soweit die strafrechtliche Sanktion zugleich einen Schutz des individuellen Rechtsguts bewirkt. Sofern ein Strafschadensersatz als zulässig angesehen wird, kann die Kriminalstrafe die Verhängung des Strafschadensersatzes in Frage stellen.175 Das setzt zunächst voraus, dass die Entschädigung für den erlittenen Schaden und der Strafaufschlag getrennt ermittelt werden und bei der Begründung des Strafaufschlags die Kriminalstrafe berücksichtigt wird. Von der Kriminalstrafe zu unterscheiden sind Auflagen bei der Einstellung des Strafverfahrens (§ 153 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO), Verwarnungen mit Strafvorbehalt (§ 59 Abs. 2 Nr. 1 StGB), Strafaussetzungen zur Bewährung (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 StGB) sowie der Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a StGB). Dem Täter 172 §§ 46 Abs. 2, 46a, 59a Abs. 2 Nr. 1, 56b Abs. 2 Nr. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB, § 153 Abs. 1 StPO unter Berücksichtigung des § 46 Abs. 2 StGB, §§ 153a Abs. 1, 153b StPO infolge einer Wiedergutmachung nach § 46a Nr. 1 StGB oder einer Schadenswiedergutmachung nach § 46a Nr. 2 StGB. 173 Deutsch, JZ 1970, 548, 548 f.; ders., Haftungsrecht, S. 575; Meyer, JuS 1975, 87, 90; ferner Bentert, Das pönale Element, S. 92. 174 Deutsch, JZ 1970, 548, 548 f.; ders., Haftungsrecht, S. 575; Meyer, JuS 1975, 87, 90; ähnlich Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 155 (zu einem Genugtuungsanspruch de lege ferenda). 175 So auch im englischen Recht s. § 6.C.V.2., S. 315.

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ist jeweils aufgegeben, den verursachten Schaden wiedergutzumachen, soweit zivilrechtliche Schadensersatzansprüche bestehen.176 Sie können den Ausgleich der Nichtvermögensschäden einbeziehen, müssen sich aber nicht auf den gesamten Schaden erstrecken. Die Befolgung der Auflage führt zur Erfüllung des Schadensersatzanspruchs des Opfers und lässt den Entschädigungsanspruch teilweise oder vollständig erlöschen.177 Die Einbeziehung des Schadensersatzes in das Strafverfahren modifiziert seinen Rechtscharakter nicht.178 Der Ausgleich des Schadens führt de facto zur Befriedung der Situation, beendet den Angriff auf die Rechtsordnung und wirkt präventiv, was sich auf die Strafverfolgung, die Verhängung der Strafe oder den Strafvollzug auswirkt. VII. Verzögerte Schadensregulierung des Schädigers oder seiner Versicherung Das Verhalten des Schädigers oder seiner Versicherung im Zivilprozess und bei der Schadensregulierung hat nach der Rechtsprechung zumindest bei Personenschäden Einfluss auf den Umfang der Entschädigung ideeller Einbußen. Zunächst erhöhte das RG die Entschädigung nur, wenn das Verhalten des Schädigers die Rechtsgutsverletzung intensivierte und den Schaden vergrößerte.179 Der BGH und die Instanzgerichte lassen inzwischen eine kränkende Prozessführung genügen, die sich durch Beleidigungen und herabwürdigende Unterstellungen im Verfahren ausweist.180 Darüber hinaus erhöhen sie die Entschädigung bei verzögerter Schadensregulierung, die insbesondere durch das Hinauszögern außergerichtlicher Verhandlungen über den Schadensausgleich, verzögerte Prozessführung, die Verweigerung von Abschlagszahlungen oder die Zahlungsverweigerung trotz erstinstanzlichen Urteils erfolgt.181 176 Z. B. BGH 17.1.1995 StV 1995, 249; Fischer, StGB, § 46a Rn. 10, 11; Franke, MünchKomm-StGB, § 46a Rn. 13; Horn, SK-StGB, § 46a Rn. 7; Kilchling, NStZ 1996, 309, 314; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 340; Schöch, 50 Jahre BGH, Bd. IV, S. 309, 318 f.; Schoreit, KKStPO, § 153a Rn. 16; Schulte, Wiedergutmachung, S. 23. 177 OLG Düsseldorf 12.7.1996 NJW 1997, 1643; Geigel/Kolb, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 39; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 104; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 445; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 50; a. A. Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 43. 178 BGH 29.9.1958 St 28, 174, 176; Beulke, LR-StPO, § 153a Rn. 9. 179 RG 14.11.1910 Z 75, 19, 21 f. 180 BGH 23.6.1964 VersR 1964, 1103, 1104; OLG Karlsruhe 23.4.1993 VersR 1994, 994; OLG Köln 16.3.2001 NJW-RR 2002, 962, 963; OLG Naumburg 13.11.2004 VersR 2004, 1423, 1424; OLG Bremen 11.7.2011 NJW-RR 2012, 92, 93. 181 BGH 2.12.1966 VersR 1967, 256, 257; 18.11.1969 VersR 1970, 134, 135; OLG Celle 9.11.1967 NJW 1968, 1677, 1677 f.; KG 15.12.1969 NJW 1970, 515, 516; OLG Karlsruhe/Freiburg 2.11.1972 NJW 1973, 851, 852 f.; OLG Düsseldorf 3.1.1977 VersR 1978, 377, 378; OLG Koblenz 13.10.1988 VersR 1989, 629, 631; OLG München 14.11.1992 NZV 1993, 434, 435; OLG Nürnberg 11.7.1995 VersR 1997, 502; 25.4.1997 VersR 1998, 731; OLG Naumburg 25.9.2001 NZV 2002, 459; 25.9.2001 VersR 2002, 1569; OLG Hamm 11.9.2002 NZV 2003, 192, 193; OLG Frankfurt M. 2.9.2003 NZV 2004, 39, 40; OLG Köln 29.9.2006 VersR 2007, 259; OLG Nürnberg 22.12.2006 VersR 2007, 1137; OLG Naumburg 10.12.2010 VersR 2011, 1273, 1275; OLG Bremen 11.7.2011 MDR 2011, 1232.

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Die Rechtsprechung differenziert nicht danach, ob die Verzögerung auf dem Handeln des Schädigers oder der Versicherung beruhte, sondern verlangt nur, dass der Handelnde wusste oder fahrlässig nicht wusste, dass eine Zahlungspflicht bestand. Schließlich haben nötigende Vergleichsverhandlungen durch die Versicherung des Schädigers eine Erhöhung der Entschädigung zur Folge.182 Eine dogmatische Begründung für die Berücksichtigung des Regulierungsverhaltens der Versicherung bei der Bemessung der Entschädigung erfolgt selten.183 Es wird eine Pflicht des Versicherungsunternehmens angenommen, die Schadensabwicklung zu fördern und den Schadensausgleich nicht zu behindern.184 Die Versicherung habe als professioneller Schadensregulierer gegenüber dem Geschädigten einen Wissensvorsprung und könne daher die Anspruchsdurchsetzung behindern.185 Daher sei die Verpflichtung, die Schadensregulierung nicht zu verzögern, das Gegenstück zur Schadensminderungspflicht des Geschädigten und entspreche den Wertungen des Sozialstaatsprinzips.186 Das lässt außer Acht, dass der Ausgleich immaterieller Schäden die Verletzung eines Rechtsguts nach § 253 Abs. 2 BGB voraussetzt, und die seelische Belastung hierfür nicht ausreicht, solange es sich nicht um einen zurechenbaren Folgeschaden der ursprünglichen Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung handelte. Eine solche Zurechnung scheitert beim Handeln der Versicherung daran, dass sie die ursprüngliche Körperverletzung nicht bewirkt hat. Daran ändert sich nichts dadurch, dass bei einem Direktanspruch i. S. von § 115 Abs. 1 VVG ein gesetzlicher Schuldbeitritt der Versicherung erfolgt. Für die Erhöhung der Entschädigung bei verzögerter Schadensregulierung wird darauf verwiesen, dass die Verfassung den Gerichten aufgebe, dem Missbrauch wirtschaftlicher Macht entgegenzuwirken, und es daher erlaube, ein höheres Schmerzensgeld zuzusprechen.187 Damit wird auf die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte im Falle eines strukturellen Ungleichgewichts Bezug genommen, ohne genauer abzuleiten, in welchem Rechtsverhältnis es besteht und warum sich gerade eine Erhöhung des Entschädigungsanspruchs aus der Schutzpflicht ergibt, obwohl der Staat bei der Erfüllung seiner Verpflich182

OLG Karlsruhe/Freiburg 2.11.1972 NJW 1973, 851, 853; OLG Frankfurt M. 7.1.1999 NVersZ 1999, 144; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 44. 183 OLG Celle 9.11.1967 NJW 1968, 1677, 1677 f.; OLG Köln 16.3.2001 NJW-RR 2002, 962, 963. 184 OLG Karlsruhe/Freiburg 2.11.1972 NJW 1973, 851, 852 f.; OLG Frankfurt M. 7.1.1999 NVersZ 1999, 144; OLG Nürnberg 22.12.2006 VersR 2007, 1137; abl. Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 61; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 81 f. 185 OLG Karlsruhe/Freiburg 2.11.1972 NJW 1973, 851, 852 f.; OLG Frankfurt M. 7.1.1999 NVersZ 1999, 144; zust. Roth-Stielow, NJW 1973, 1503. 186 OLG Karlsruhe/Freiburg 2.11.1972 NJW 1973, 851, 852; OLG Nürnberg 22.12.2006 VersR 2007, 1137; zust. Roth-Stielow, NJW 1973, 1503. 187 OLG Nürnberg 22.12.2006 VersR 2007, 1137.

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tung einen weiten Gestaltungs- und Ermessensspielraum hat und der Legislative zudem der Primat zukommt, diesen auszufüllen. Diese Rechtsfortbildung lässt sich daher nicht auf das grundrechtliche Schutzgebot stützen. Eine Erhöhung der Entschädigung ist nur möglich, wenn nach § 253 Abs. 2 BGB oder wegen der Zurechnung des Folgeschadens ein ersatzfähiger Schaden vorliegt.188 Ein großer Teil der Literatur stimmt dieser Rechtsprechung dennoch zu.189 Einige Autoren gehen hingegen zu Recht davon aus, dass sich der Umfang des Entschädigungsanspruchs nur erhöht, wenn das Regulierungsverhalten des Schädigers die Rekonvaleszens des Geschädigten beeinträchtigt und somit die Gesundheitsbeschädigung gesteigert hat.190 Die seelische Belastung des Geschädigten muss Krankheitswert haben, so dass der erhöhte Schaden auf der Verletzung eines Rechtsguts nach § 253 Abs. 2 BGB beruht. Ansonsten zieht die kränkende Prozessführung einen Entschädigungsanspruch nur nach sich, wenn eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Geschädigten vorliegt.191 Dieser Anspruch richtet sich gegen die prozessführende Partei. Gerade bei der Geltendmachung des Direktanspruchs gegen die Versicherung richtet sich der Anspruch somit gegen sie. Dem Schädiger ist ihr vorsätzliches Handeln grundsätzlich nicht zuzurechnen. Somit führen die verzögerte Schadensregulierung und die kränkende Prozessführung zweifellos zu einem Entschädigungsanspruch für ideelle Einbußen, wenn das Verhalten des Schädigers bzw. der Versicherung für sich die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 BGB erfüllt. Auch bei einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entsteht ein Entschädigungsanspruch. Darüber hinaus kann das Verhalten des Schädigers bzw. der Versicherung die Höhe der Entschädigung nur beeinflussen, wenn es sich um ein zulässiges Bemessungskriterium für die Entschädigung handelt. Das hängt insbesondere davon ab, ob sich die Berücksichtigung dieses Verhaltens mit der Funktion des Schadensersatzanspruchs vereinbaren lässt. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass sich die Entschädigungserhöhung auf die Ausgleichsfunktion des

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Honsell, VersR 1974, 205, 207; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 61; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 81 f. 189 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 710; G. Müller, VersR 1993, 909, 916; Roth-Stielow, NJW 1973, 1503; ähnlich Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 444; Wiedemann, NVersZ 2000, 14, 14 f.; ferner wohl Hupfer, JZ 1977, 781, 782; P. Müller, Punitive Damages, S. 274 ff.; Zeytin, Schmerzensgeld, S. 213; anders S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 466 ff., 481, 488. 190 Honsell, VersR 1974, 205, 205 f.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 60; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 80 f.; Schellenberg, VersR 2006, 878, 879 ff.; ähnlich BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 44; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 444 (nur bei seelischer Belastung des Geschädigten); s. auch Möller, Präventionsprinzip, S. 207 f. 191 Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 60; Mertens, MünchKomm-BGB, 2. Aufl. 1986, § 847 Rn. 34; Schellenberg, VersR 2006, 878, 880.

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Anspruchs zurückführen lasse.192 Die seelische Belastung durch den Prozess und die Zahlungsverweigerung sei kausale Folge der Rechtsgutsverletzung, die den Schadensersatzanspruch begründe.193 Solche Folgeschäden sind grundsätzlich ersatzfähig, aber die Rechtsprechung ist bei ihrer Zurechnung zurückhaltend. Sofern der Schädiger die Zahlung verzögert, ist ihm die damit einhergehende seelische Belastung des Geschädigten nur zurechenbar, wenn er wusste oder wissen musste, dass er zahlungspflichtig ist. Zudem darf er die Möglichkeit nutzen, die die ZPO ihm im Prozess zur Verfügung stellt. Dem Schädiger dürfen nicht per se die rechtsstaatlichen Mittel abgesprochen werden. Sofern die Versicherung für die verzögerte Schadensregulierung verantwortlich ist, handelt es sich entweder um eine Drittschädigung, deren Zurechnung gegenüber dem Schädiger an § 831 BGB bzw. § 31 BGB analog scheitert. Sofern der Geschädigte einen Direktanspruch gegen die Versicherung geltend macht, besteht zwar ein eigener Anspruch gegen die Versicherung. Anders als beim Anspruch gegen den Schädiger hat die Versicherung die schadensauslösende Rechtsgutsverletzung aber nicht begangen. Eine Zurechnung der seelischen Belastungen während des Prozesses als Folgeschaden scheidet somit aus. Etwas anderes gilt nur, wenn die Versicherung selbst eine Rechtsgutsverletzung i. S. von § 253 Abs. 2 BGB verursacht. Die seelischen Belastungen infolge der verzögerten Schadensregulierung könnten höchstens zu einem Schadensersatzanspruch führen, wenn § 3a Abs. 1 Nr. 1 PflVG eine Pflicht für die Versicherung begründet und deren Pflichtverletzung auch die Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung erlaubt. In § 3a Abs. 1 Nr. 1 PflVG sieht die bisherige Rechtsprechung indes nur eine Obliegenheit, deren Verletzung zu einem Verzugszins auf den Direktanspruch gegen die Versicherung nach § 288 Abs. 1 S. 2 BGB führt.194 Unabhängig von der rechtlichen Qualifikation der Vorgaben des § 3a Abs. 1 Nr. 1 PflVG beschränkt sich die Regelung auf die Vorlage eines Regulierungsangebots oder dessen begründete Ablehnung, so dass nicht alle Verzögerungen der Schadensregulierung erfasst sind. Zudem beschränken sich die Rechtsfolgen auf die Belastung mit einem Anspruch auf Verzugszins, ohne die Entschädigung für immaterielle Schäden zu berühren. Zum Teil wird die Erhöhung der Entschädigung mit der Genugtuungsfunktion begründet.195 Allerdings ergibt sich aus ihr nicht direkt, dass die verzö192 OLG Köln 16.3.2001 NJW-RR 2002, 962, 963; OLG Hamm 11.9.2002 NZV 2003, 192, 193; G. Müller, VersR 1993, 909, 916; Stein, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 847 Rn. 37; a. A. Honsell, VersR 1974, 205, 207; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 60; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 80 f.; Möller, Präventionsprinzip, S. 207; Schellenberg, VersR 2006, 878, 882 f. 193 Schellenberg, VersR 2006, 878, 882; indirekt dazu schon RG 14.11.1910 Z 75, 19, 21 f. 194 OLG Frankfurt 14.8.2009 DAR 2009, 698 f. 195 KG 15.12.1969 NJW 1970, 515, 516; als Form der Privatstrafe angesehen Klumpp, Privatstrafe, S. 74; P. Müller, Punitive damages, S. 272 ff.

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gerte Erfüllung des Schadensersatzanspruchs keine ausreichende Genugtuungswirkung entfaltet und daher der Erhöhung bedarf. Das behaupten selbst die Vertreter der Genugtuungsfunktion nicht.196 Zudem hat der Schädiger ein Recht, die Sach- und Rechtslage prüfen zu lassen. Verspätungen bei der Leistung lösen zunächst nur materiell-rechtliche Zins- und Schadensersatzansprüche wegen Schuldnerverzugs aus. Verzögerungen im Prozess wirkt das Prozessrecht insbesondere durch die Präklusionsvorschriften entgegen197, auch wenn das Gefälle zwischen Verzugs- und Marktzins weiter Anreize für eine verzögerte Schadensregulierung setzt.198 Eine generelle Erhöhung der Entschädigung wegen verzögerter Schadensregulierung oder kränkender Prozessführung ließe sich höchstens mit einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzanspruchs begründen199, die aber bisher vor allem für die Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen anerkannt ist200. Selbst ihre Anerkennung erlaubt eine Ableitung nicht zweifelsfrei, da der Haftungsgrund an die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts anknüpft. Die erhöhte Entschädigung dient aber nicht der Abschreckung weiterer Verletzungen dieses Rechtsguts, sondern der schnellen Schadensregulierung. Etwas anderes gelte nur, wenn die verzögerte Schadensregulierung selbst einen Schadensersatzanspruch auslöste, der den Ausgleich der ideellen Schäden ermöglicht. VIII. Zusammenfassung Die Kriterien für die Bemessung der Entschädigung hängen vor allem von der Funktion des Entschädigungsanspruchs ab. Auf der Grundlage der Ausgleichsfunktion ist allein der Umfang des immateriellen Schadens in Form von Schmerzen, Leiden und Einschränkungen der Lebensführung maßgeblich. Auf ihn haben die Eigenschaften des Geschädigten (z. B. Schadensneigung und Alter, gegebenenfalls auch Geschlecht) Einfluss. Auch das Mitverschulden des Geschädigten ist einzubeziehen. Insoweit kann der Anlass des Schadensfalls Bedeutung erlangen. Nicht zu berücksichtigen ist das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem, das höchstens den Verschuldensmaßstab des Haftungsgrundes beeinflusst. Daneben berücksichtigt die Rechtsprechung, die die Entschädigung als Verschaffung von Annehmlichkeiten begreift, die eingetretene Wahrnehmungs- und Empfindungsunfähigkeit des Geschädigten und seine Vermögensverhältnisse. Die Metapher von den Annehmlichkeiten ist jedoch zu verabschieden, so dass die Vermö196

Dazu Schellenberg, VersR 2006, 878, 883. Schellenberg, VersR 2006, 878, 880. 198 Dazu OLG Karlsruhe/Freiburg 2.11.1972 NJW 1973, 851, 853; OLG Nürnberg 25.5.1997 VersR 1998, 731; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 60. 199 OLG Karlsruhe/Freiburg 2.11.1972 NJW 1973, 851, 853; Deutsch, JuS 1969, 197, 202; Möller, Präventionsprinzip, S. 207 f. 200 Siehe oben § 3.F.III., S. 200 ff.; zur verzögerten Schadensregulierung speziell s. Honsell, VersR 1974, 205, 207; Schellenberg, VersR 2006, 878, 884. 197

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gensverhältnisse des Geschädigten unerheblich sind. Der Umstand, dass der Geschädigte empfindungsunfähig geworden ist, beeinflusst den Umfang der Schmerzen und Leiden sowie die Einbuße an individueller Entfaltungsmöglichkeit und somit die Höhe der Entschädigung. Daneben berücksichtigt die Rechtsprechung seit der Entscheidung des Großen Senats des BGH im Jahre 1955 die Vermögensverhältnisse des Schädigers. Das Vermögen des Schädigers hat jedoch keinen Einfluss auf den Schadensumfang. Er kann höchstens Bedeutung erlangen, wenn eine selbständige Genugtuungsfunktion oder eine Präventionsfunktion der Entschädigung anzuerkennen ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schadensersatzanspruch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Einschränkungen unterworfen wurde. Auch das Verschulden des Schädigers ist nach Maßgabe der Ausgleichsfunktion ohne Bedeutung, solange es nicht schadenserhöhend wirkt. Gerade bei Vorsatztaten geht mit der Rechtsgutsverletzung eine Erniedrigung einher, die als Persönlichkeitsverletzung einen immateriellen Schaden nach sich zieht. Im Übrigen wirkt sich ein Verschulden – insbesondere Vorsatz – auf die Entschädigungshöhe nur aus, wenn eine selbständige Genugtuungs- und Präventionsfunktion anzuerkennen ist. Darüber hinaus kann das Verschulden die Höhe der Entschädigung mangels einer Proportionalitätshaftung nicht beeinflussen. Schließlich ist das Anheben der Entschädigung bei einer Verzögerung der Schadensregulierung auf der Grundlage der Ausgleichsfunktion nur möglich, wenn die Verzögerung einen ersatzfähigen immateriellen Schaden auslöst. Insbesondere bei Verzögerungen durch die Versicherung ist das grundsätzlich nicht der Fall, es sei denn, es kommt zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Für die vollständige Aufrechterhaltung der bestehenden Rechtsprechung bedarf es der Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion der Entschädigung oder der Regelung einer Privatstrafe.

D. Besonderheiten bei der Entschädigung immaterieller Einbußen wegen schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts I. Bemessung der Entschädigung Um den Umfang des Schadens und der Entschädigung zu ermitteln, orientieren sich die Gerichte an der Art und Intensität der Persönlichkeitsverletzung und an den bereits ausgeurteilten Entschädigungssummen, ohne schematisch nach Tabellen oder Richtwerten vorzugehen.201 Vielmehr erfolgt eine Einzelfallbetrachtung unter Würdigung aller Umstände des konkreten Falles. Eine Bagatellgrenze entwickelte die Rechtsprechung nicht. Der Entschädigungsanspruch setzt jedoch eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeits201

Prinz, NJW 1996, 953, 956; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 245; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 142.

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rechts voraus, so dass bei Bagatellschäden ohnehin kein Anspruch besteht.202 Zudem kennt das BGB keinen nur symbolischen Schadensersatz.203 Die Bemessung der Entschädigung wird insbesondere von den Funktionen des Entschädigungsanspruchs beeinflusst.204 Der BGH ging zunächst von der Doppelfunktion der Entschädigung immaterieller Einbußen aus, wie sie bereits der Große Senat zu § 847 BGB a. F. entwickelt hatte.205 Dem Entschädigungsanspruch wurde eine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zugewiesen206, so dass sich die Entschädigungshöhe am erlittenen Schaden orientiert. Um den intersubjektiv schwer nachzuvollziehenden emotionalen Schaden zu ermitteln, nahmen die Gerichte eine objektivierende Bewertung des Schadens vor, indem sie insbesondere auf Intensität und Dauer der Persönlichkeitsverletzung abstellten.207 Wesentlich ist daher, ob die Rechtsverletzung die Sozial-, Privat- oder Geheim- bzw. Intimsphäre des Geschädigten betraf.208 Zudem ist die Schwere des moralischen oder rechtlichen Vorwurfs (z. B. „willige Groupies“, „Puff-Politiker“, „Herzlos-Vater“)209 sowie der Grad der Verfälschung des Persönlichkeitsbildes (z. B. durch erfundene Interviews, manipulierte Fotos) von Bedeutung.210 Bei Persönlichkeitsverletzungen durch die Presse berücksichtigen die Gerichte den Verbreitungsgrad des Mediums (Auflage bei Printmedien, Zuhörerkreis beim Rundfunk, weltweiter Zugriff im Internet), um die Verletzungsintensität zu ermitteln.211 Zudem sind der Bekanntheitsgrad des Geschädigten und seine gesellschaftliche Stellung zu würdigen, da sie das Interesse und die Intensität der Wahrnehmung einer Meldung beeinflus202

Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 60. Darauf verweist Steffen, NJW 1997, 10, 11; s. oben § 3.E., S. 193 ff. 204 Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 241; s. auch Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 142. 205 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 358 (Herrenreiter); 15.1.1965 NJW 1965, 1374, 1376 (Satter Deutscher). 206 Siehe oben § 3.B., C., S. 150 ff., 178 ff. 207 BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 26.11.1996 NJW 1997, 1148, 1150 (Stern-TV); 24.11.2009 VersR 2010, 266, 267; 20.3.2012 VersR 2012, 630, 631; G. Müller, VersR 1993, 909, 915; Prinz, NJW 1996, 953, 955; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 242, 244; Steffen, NJW 1997, 10, 11. 208 BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 22.1.1985 NJW 1985, 1617, 1619; 15.11.1994 Z 128, 1, 16; BAG 18.2.1999 AP Nr 31 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht (Faulste Mitarbeiterin); Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 245; Steffen, NJW 1997, 10, 11. 209 Z. B. OLG Köln 18.5.1999 NJW-RR 2000, 470; LG Berlin 24.8.2006 AfP 2007, 63, 64; AG Bremen 13.12.2007 NJW-RR 2008, 1071, 1072; s. auch LG Berlin 2.3.2006 ZUM-RD 2006, 391; LG Frankfurt M. 7.9.2007 ZUM-RD 2007, 531. 210 Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 243; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 60; siehe z. B. BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 359 (Herrenreiter); OLG Saarbrücken 12.2.1997 NJW 1997, 1376, 1379; OLG Hamburg 3.2.1994 NJW-RR 1994, 1176, 1178; 1.6.1995 NJW-RR 1996, 90, 92. 211 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 359 (Herrenreiter); 19.9.1961 Z 36, 363, 370 (Ginsengwurzel); 5.3.1963 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 8.12.1964 NJW 1965, 685, 686 (Soraya); Lange/ Schiemann, Schadensersatz, S. 451; Prinz, NJW 1996, 953, 955; Steffen, NJW 1997, 10, 11. 203

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sen.212 Schließlich lässt sich die Zeit, in der ein Beitrag in der Öffentlichkeit nachwirkt, in die Betrachtung einbeziehen.213 Die Ausrichtung der Entschädigung am erlittenen Schaden äußert sich auch darin, dass die freiwillige und unverzügliche Richtigstellung oder die Gegendarstellung als schadensmindernder Faktor Berücksichtigung finden.214 Sie bewirken zumindest eine teilweise Naturalrestitution, so dass sich die Entschädigung auf den verbleibenden Schaden beschränkt. Die Entschuldigung schließt nicht den Haftungsgrund des Entschädigungsanspruchs aus. Der Anspruch ist zwar subsidiär und tritt gegebenenfalls hinter die Unterlassungs-, Widerrufs- und Gegendarstellungsansprüche zurück. Dabei erfolgt aber nur eine Betrachtung der Ansprüche des Geschädigten unabhängig vom Verhalten des Schädigers, das Einfluss auf den Umfang des Schadens hat. Daneben hat das LG Berlin zu Recht berücksichtigt, dass die Geschädigte selbst freiwillig ihre Privatsphäre dem Boulevardjournalismus geöffnet und der Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte.215 Es verweist aber darauf, dass der Betroffenen der Schutz der Privatsphäre nicht mehr zukomme. Dem ist entgegenzuhalten, dass dieses Verhalten der Geschädigten nichts an der Rechtsgutsverletzung ändert, da zumindest für die ungewollt veröffentlichten Informationen oder Fotos die Privatsphäre mangels einer Einwilligung der Geschädigten fortbestand. Auch eine schwere Verletzung ist nicht per se ausgeschlossen, sofern die vorsätzliche Veröffentlichung von Informationen oder Bildern die Privat- oder Intimsphäre betraf. Das eigene Zurschaustellen kann aber den Schaden beeinflussen, weil die Wirkung auf den Geschädigten, der an die Selbstenthüllung gewöhnt ist, ungleich geringer ist als bei einer Person, die ihre Privat- und Intimsphäre grundsätzlich nicht freiwillig gegenüber der Presse öffnet. Angesichts der Genugtuungsfunktion der Entschädigung bezog die Rechtsprechung das Verschulden des Schädigers in die Bemessung der Entschädigung ein.216 Der Schädiger müsse aber nicht vorsätzlich handeln, seine Verantwortung für die Rechtsverletzung sei auch relevant, wenn die unsorgfältige Recherche Ausdruck der Missachtung des Betroffenen sei.217 Ein Rückgriff auf 212 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 359 (Herrenreiter); 10.11.1961 GRUR 1962, 211, 214 (Hochzeitsbild); OLG Saarbrücken 12.2.1997 NJW 1997, 1376, 1379; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 451; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 244; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 60. 213 Steffen, NJW 1997, 10, 11; s. auch LG Kiel 27.4.2006 NJW 2007, 1002, 1004. 214 Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 244; Steffen, NJW 1997, 10, 12; s. auch KG 15.3.1994 NJW-RR 1995, 479, 481; OLG München 20.8.1999 NJW-RR 2000, 472, 473; krit. bei erzwungenem Widerruf H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 142. 215 LG Berlin 27.6.2006 AfP 2006, 388, 389 f. 216 BGH 19.9.1961 Z 36, 363, 370 (Ginsengwurzel); 5.3.1963 Z 39, 124, 134 (Fernsehansagerin); 25.2.1969 NJW 1969, 1110, 1111; 24.11.2009 VersR 2010, 266, 267; 20.3.2012 VersR 2012, 630, 631; G. Müller, VersR 1993, 909, 913 f.; Prinz, NJW 1996, 953, 955; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 60; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 145. 217 Prinz, NJW 1996, 953, 955; Steffen, NJW 1997, 10, 12.

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den Genugtuungsgedanken ist aber nicht zwingend erforderlich, da das Verschulden auch die Intensität der Rechtsgutsverletzung steigert, so dass ein höherer Schaden eintritt. Umstritten ist hingegen, ob die Vermögensverhältnisse des Schädigers Bedeutung für den Umfang der Entschädigung haben.218 Für ihre Berücksichtigung wird angeführt, dass die Entschädigung den Schädiger tatsächlich treffen und er sie als schmerzhaft empfinden müsse.219 Das setzt die Anerkennung einer pönalen oder zumindest sühnenden Funktion der Geldentschädigung voraus. Insofern kommt es darauf an, ob eine Privatstrafe zulässig ist oder ob es eine selbständige Präventionsfunktion des Schadensersatzes neben der Privatstrafe geben kann. Bis zur Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion hatten die Gerichte eher moderate Entschädigungssummen zugesprochen.220 Nach der ersten Caroline-Entscheidung des BGH von 1994 kam es zu einer wesentlichen Erhöhung der Entschädigungsbeträge.221 Die Entschädigung müsse in Fällen rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung einen echten Hemmungseffekt erzielen, damit das Persönlichkeitsrecht nicht schutzlos bleibe.222 Das rechtfertigt grundsätzlich nur bei vorsätzlichem Handeln des Schädigers eine Erhöhung der Entschädigung. Die Gerichte und ein Teil der Literatur wollen indes auch den leichtfertigen und somit grob fahrlässigen Missbrauch genügen lassen, mit dem der Schädiger allein wirtschaftliche Interessen befriedigt.223 Für die Höhe der Entschädigung zu Präventionszwecken sind neben dem Grad des Verschuldens vor allem Anlass und Beweggründe für das Handeln des Schädigers224 sowie die Wiederholung der Persönlichkeitsverletzung maßgeblich225. Auch die Rücksichtslosigkeit und Dreistigkeit des Schädigers werden berücksichtigt. Daher wirkt es sich entschädigungserhöhend aus, wenn 218 Dagegen Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 451; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 244; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 60. 219 BGH 5.3.1963 NJW 1963, 904, 905; Prinz, NJW 1996, 953, 955; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 152; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 144; s. auch G. Müller, VersR 1993, 909, 916. 220 Erman/Ehmann, BGB, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 798 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 452; Prinz, NJW 1996, 953, 954; Steffen, NJW 1997, 10, 11. 221 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 26.11.1996 NJW 1997, 1148, 1150 (Stern-TV); OLG Hamm 4.2.2004 VersR 2005, 129, 133 f. (tv-total); OLG Hamburg 25.7.1996 NJW 1996, 2870, 2872; OLG Köln 18.5.1999 NJW-RR 2000, 470, 472; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 246; auf die Bedeutung der Gewinnerzielungsabsicht verwies bereits BGH 8.12.1964 NJW 1965, 685, 686 (Soraya). 222 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II). 223 Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 246; zurückhaltender Steffen, NJW 1997, 10, 13 (nur bei Vorsatz). 224 BGH 19.9.1961 Z 36, 363, 370 (Ginsengwurzel); 25.2.1969 NJW 1969, 1110, 1111; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 145. 225 Zur Begründung einer schweren Persönlichkeitsverletzung BGH 12.12.1995 NJW 1996, 985, (Caroline III); Prinz, NJW 1996, 953, 955 f.; s. zur Wiederholungsgefahr Lange, VersR 1999, 274, 279.

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der Schädiger aus Gewinnstreben oder Sensationslust gehandelt hat.226 Etwas anderes gilt, wenn ein berechtigtes Informationsinteresse besteht.227 In diesen Fällen fehlt es gegebenenfalls an einer rechtswidrigen Rechtsgutsverletzung, so dass keine Entschädigung zu gewähren ist. Darüber hinaus sind die Vermögensverhältnisse des Schädigers in die Betrachtung einzubeziehen.228 Die Rechtsprechung hebt dabei nicht nur auf das Vermögen des Schädigers ab, sondern berücksichtigt bei Unternehmen in Konzernsachverhalten sogar die finanzielle Lage der Unternehmensgruppe.229 Auch bei Presseunternehmen darf eine Entschädigung zu Abschreckungszwecken zugesprochen werden. Das BVerfG hat das gebilligt, obwohl die Entschädigung die wirtschaftliche Grundlage des Presseunternehmens berührt, weil Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keine Bestandsgarantie für das Unternehmen enthalte.230 Die grundrechtliche Gewährleistung ist aber bei der Bemessung zu beachten.231 Der BGH lehnte es trotz der Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion ab, den Entschädigungsanspruch direkt zur Gewinnabschöpfung zu nutzen, orientiert die Entschädigung aber gleichwohl an dem mit der Rechtsverletzung erzielten Gewinn.232 Eine Berechnung der Entschädigung anhand des konkret erzielten Gewinns ist im Einzelfall ohnehin nur schwer durchführbar, da dem Geschädigten keine hinreichenden Informationen vorliegen.233 Zudem ergeben sich zusätzliche Berechnungsschwierigkeiten, wenn sich das einzelne Medium aus einer Vielzahl von Beiträgen zusammensetzt, so dass sich die auflagensteigernde Wirkung eines Artikels oder die Mehreinnahmen bei der Werbung nur grob schätzen lassen. Gegen eine vollständige Gewinnabschöpfung wird zudem darauf verwiesen, dass in zivilrechtlichen Individualbeziehungen nur schwer eine Verhaltenssteuerung möglich sei, da weder das Deliktsrecht noch das Zivilprozessrecht darauf zugeschnitten seien.234

226 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); G. Müller, VersR 1993, 909, 915; Prinz, NJW 1996, 953, 955; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 145. 227 Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 145; s. auch OLG München 26.7.1996 NJW-RR 1996, 1365, 1367. 228 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 307 (Caroline IV); OLG Hamburg 20.5.1992 AfP 1992, 376; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 60; a. A. Gounalakis, AfP 1998, 10, 17; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 244. 229 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 307 (Caroline IV). 230 BVerfG 18.1.2001 NJW 2001, 1639, 1640. 231 BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 285 (Soraya); 3.6.1980 E 54, 208, 222; BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.10.2004 Z 160, 298, 307 (Caroline IV). 232 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline III); zust. zur Zurückhaltung der Rspr. Steffen, NJW 1997, 10, 13; weitergehend für eine vollständige Gewinnabschöpfung Prinz, NJW 1996, 953, 955 f. 233 Auf diesen Vorteil verweist trotz seiner Kritik an der Rspr. H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 146. 234 Steffen, NJW 1997, 10, 13.

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Vorrangiger Zweck sei die Wiedergutmachung, zu der die Prävention nur hinzutrete.235 Die Rechtsprechung nimmt bei der Festsetzung der Entschädigung stets eine Gesamtwürdigung vor und orientiert sich an bereits zugesprochenen Beträgen in vergleichbaren Fällen. Angesichts der Präventionsfunktion wird vorgeschlagen, die Entschädigung ähnlich den Ordnungsgeldern und Geldstrafen nach Tagessätzen zu bemessen.236 Angepasst an die Eigenart der Geldentschädigung solle sich die Zahl der Tagessätze nach der Intensität der Verletzung bestimmen und ihre Höhe nach dem erstrebten Hemmungseffekt, wobei einheitlich eine Umsatzrendite von fünf Prozent zugrunde zu legen und der Konzernumsatz zu berücksichtigen seien.237 Eine erhöhte Entschädigung zum Zwecke der Prävention erfolgt primär bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Prominenter. Das wurde als ungerechtfertigte Bevorzugung kritisiert238. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich in den abweichenden Beträgen die unterschiedliche Verletzungsintensität und das ungleiche Präventionsbedürfnis niederschlagen.239 Vor allem die Wiederholung von Persönlichkeitsbeeinträchtigungen kann die Intensität der Verletzung erhöhen.240 Die unterschiedlichen Schadensersatzbeträge lassen sich indes auf der Grundlage der Ausgleichsfunktion kaum begründen, da die Erhöhung der Entschädigung vor allem auf den Schädiger einwirken und von zukünftigen Rechtsverletzungen abhalten soll. Dazu wird berücksichtigt, dass die Persönlichkeitsverletzungen der Gewinnerzielung dienen und prominente Personen häufiger Opfer von Zwangskommerzialisierung werden, so dass eine abschreckende Wirkung nur besteht, wenn der Schädiger zumindest den Gewinn verliert. Lukrative Delikte kommen vor allem bei den in der Öffentlichkeit bekannten Personen vor, wohingegen bei unbekannten Personen eine geringere Verletzungswahrscheinlichkeit besteht. Die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion der Entschädigung bei der Zwangskommerzialisierung von bekannten Personen führt somit notwendig zu einer Ungleichbehandlung.

235 Damm/Rehbock, Widerruf, Rn. 951; Steffen, NJW 1997, 10, 13; vgl. z. B. OLG Dresden 12.8.2011 NJW 2012, 782, 786. 236 Prinz, NJW 1996, 953, 957; ähnlich Ebert, Pönale Elemente, S. 522, die im Ergebnis aber eine selbständige Regelung einer Privatstrafe statt einer Vermengung mit dem Schadensersatz präferiert. 237 Prinz, NJW 1996, 953, 957; ähnlich Ebert, Pönale Elemente, S. 522. 238 Ehmann, LM § 823 (Ah) BGB Nr. 119, Bl. 864 ff.; Knieper, ZRP 1974, 137 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 57; für einen behutsamen Umgang mit der Präventionsfunktion Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 148; a. A. Schwerdtner, Karlsruher Forum 1996, S. 43 f. 239 Körner, NJW 2000, 241, 246; dahingehend auch Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 244. 240 H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 135, 148.

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Diese Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH ist durch die Entscheidungen des 1. Zivilsenats in Frage gestellt, die auch vermögensrechtliche Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkennen241. Deren Verletzung löst Ansprüche auf Ersatz des entgangenen Gewinns als Vermögensschaden oder Ansprüche auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion bzw. auf Herausgabe des Verletzergewinns wegen angemaßter Eigengeschäftsführung aus.242 Somit verringert sich das Rechtsschutzdefizit bei lukrativen Persönlichkeitsverletzungen, das den 6. Zivilsenat des BGH zur Anerkennung der Präventionsfunktion bewogen hatte. Einen Hemmungseffekt erzielen auch die Ansprüche wegen der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ob deren Wirkung ausreicht, um von der selbständigen Präventionsfunktion Abstand zu nehmen, ist im vierten Teil zu untersuchen.243 Ein Wegfall der selbständigen Präventionsfunktion würde zugleich die Ungleichbehandlung der öffentlich bekannten Personen beseitigen. II. Der divergierende Umfang der Entschädigung im Vergleich zu Verletzungen von Körper, Gesundheit und sexueller Selbstbestimmung Die Literatur kritisiert nicht nur die Ungleichbehandlung Prominenter und sog. Normalbürger bei der Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer schweren Persönlichkeitsverletzung, sondern auch die Divergenz zur Entschädigung von Nichtvermögensschäden wegen Körperverletzungen, Gesundheitsbeschädigungen und Verletzungen der sexuellen Integrität.244 Das BVerfG hat sowohl die Weiterentwicklung der Präventionsfunktion zu einer eigenständigen Aufgabe der Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als auch die Ungleichbehandlung dieser Geldentschädigung und der Entschädigung von Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen verfassungsrechtlich gebilligt.245 Der Entschädigungsanspruch stütze sich nicht auf § 847 BGB a. F. analog, sondern auf das 241 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 219 f. (Marlene Dietrich); 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Blauer Engel); 5.10.2005 Z 169, 193, 196 (kinski-klaus.de); 26.10.2006 Z 169, 340, 343 f. (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 AfP 2008, 598 (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 (Zerknitterte Zigarettenschachtel); s. auch BGH 6.12.2005 Z 165, 203, 208 f. (Mordkommission Köln). 242 Siehe dazu § 17.D., S. 765 ff. 243 Siehe unten § 17, S. 736 ff. 244 v. Bar, NJW 1980, 1724, 1726; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 58; Canaris, FS Deutsch, S. 95, 100 ff., 107; Dethloff, FS Stoll, S. 481, 485 f.; Ehmann, JuS 1997, 193, 203; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 169 f.; Gelhaar, BB 1966, 1317, 1318 f., 1320; Gounalakis, AfP 1998, 10, 16; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, S. 50 f.; Jaeger, VersR 2003, 1372, 1374; Klein, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 75; Körner, NJW 2000, 241, 246; Kramer, DAR 1969, 33 f.; K. W. Lange, VersR 1999, 274, 281; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 54; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 78 f., 119. 245 BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187 f.

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Schutzgebot der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Zudem bestehe gerade bei vorsätzlichen Persönlichkeitsverletzungen mit Gewinnerzielungsabsicht die Gefahr, dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkümmere.246 Vergleichbare Gesichtspunkte bestünden beim Ausgleich ideeller Schäden wegen Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen nicht. Gerade bei Verkehrsunfällen komme es grundsätzlich nicht zu vorsätzlichen Handlungen und es existierten keine kommerziellen Interessen.247 Die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung beruht somit primär auf den Eigenarten der Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen. Die vom BVerfG gebilligte Ableitung der selbständigen Präventionsfunktion zieht aus seiner Sicht die Konsequenz nach sich, dass die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Die Entscheidung bezieht jedoch noch nicht die Folgen der kurz zuvor ergangenen Marlene-Dietrich-Entscheidung ein, in der der 1. Zivilsenat des BGH auch vermögensrechtliche Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkennt und auf ihre Verletzung Ansprüche aus Delikt, Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung stützen will.248 Diese Ansprüche erfassen den kommerziellen Aspekt der Persönlichkeitsverletzung bei einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung. Das greift die Begründung der selbständigen Präventionsfunktion an, so dass sich die Entschädigungsbeträge auf den Schadensausgleich beschränken müssen und folglich sinken, wenn diese Funktion des Entschädigungsanspruchs nicht aufrecht zu erhalten ist. Folglich relativiert sich die Diskrepanz zwischen der Entschädigung immaterieller Einbußen bei Verkehrsunfällen und der schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, so dass es von vornherein zu keiner rechtlichen Ungleichbehandlung der Entschädigungsansprüche kommt. Hierauf ist im vierten Teil der Arbeit einzugehen. Sofern trotz der Ablehnung einer selbständigen Präventionsfunktion signifikante Unterschiede zwischen der Entschädigung immaterieller Einbußen bei schweren Persönlichkeitsverletzungen und bei Verkehrsunfällen oder Gewaltverbrechen bestehen, ist der Schadensersatz nicht kohärent und bedarf der Korrektur. Darauf ist insbesondere durch einen Vergleich zwischen den verschiedenen Fallgruppen der Entschädigung ideeller Einbußen hinzuwirken, der bisher bei der Begründung der Entscheidungen unterbleibt.

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gel).

BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187 f. BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187 f. BGH 1.12.1999 Z 143, 214 (Marlene Dietrich); 1.12.1999 NJW 2000, 2201 (Blauer En-

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

E. Besonderheiten bei der Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung I. Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung Die Bemessung der Entschädigung ideeller Einbußen ist insbesondere durch die eingeschränkte intersubjektive Nachvollziehbarkeit erschwert. Darüber hilft beim Ausgleich von Nichtvermögensschäden infolge einer Rechtsgutsverletzung die Orientierung am Umfang der Rechtsgutsverletzung hinweg, der einen Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Schadens liefert. Ein vergleichbares Vorgehen scheidet bei Entschädigungsansprüchen, die von einer Rechtsgutsverletzung unabhängig sind, aus. Die Regelungen in § 651f Abs. 2 BGB, den §§ 9, 10 KSchG, § 113 BetrVG, den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG sowie die Bestimmungen der europäischen Verordnungen zu den Rechten von Fluggästen und Fahrgästen der Eisenbahn betreffen übereinstimmend die vertragliche Haftung. Insofern kann das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung Anhaltspunkt für die Bemessung der Entschädigung sein. Die aufgezählten Bestimmungen ziehen übereinstimmend, mit Ausnahme des § 651f Abs. 2 BGB und des Transportrechts, das Monatseinkommen des Anspruchsinhabers heran, um daran die Entschädigung auszurichten. Die Orientierung an der Gegenleistung erscheint im Sinne der Ausgleichsfunktion aber nur zielführend, wenn sich ein Zusammenhang zwischen dem erlittenem Schaden, seinem Umfang und der Gegenleistung herstellen lässt. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn die Gegenleistung einen mit der Leistung bezweckten ideellen Erfolg berücksichtigt und in die Preisbildung einbezieht. Zudem könnte die Pflichtverletzung zu einer Einbuße führen, die zum Gegenleistungsanspruch in einer Relation steht. Die Entschädigung nach den §§ 9, 10 KSchG erfolgt für den Verlust des Arbeitsplatzes als sozialen Besitzstand des Arbeitnehmers. Die nach dem Monatseinkommen bemessene Entschädigung ist das vermögensmäßige Äquivalent für den erlittenen Verlust. Der vom Gesetz vorgegebene Maßstab ist plausibel, weil das aufgelöste Arbeitsverhältnis gerade der Rechtsgrund für die fortgesetzte Vergütung gegen Arbeitsleistung war, so dass ein inhaltlicher Bezug zwischen Schadensmaßstab und Verlust besteht. Daneben werden insbesondere die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Lebensalter des Arbeitnehmers, aber auch weitere Sozialdaten berücksichtigt, um die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zu ermitteln.249 Sie beeinflussen die Anzahl der Monatseinkommen, die als Entschädigung gewährt werden, wobei schadensadäquat durch die Kriterien reflektiert wird, wie groß die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers war und wie schwer somit die Auflösung des Ar249

APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 21 ff.; ErfK/Kiel, § 10 KSchG Rn. 6, 8; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 17, 19, 21; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 24, 45 ff., 52.

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beitsvertrages wiegt. Darüber hinaus haben Anlass, Beweggrund und Verschulden des Arbeitgebers nur Bedeutung, soweit die Entschädigung nicht Ausgleich, sondern Sanktion sein soll.250 Insoweit wirkt sich die doppelte Funktion der Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG auf die Bemessung der Entschädigung aus.251 Bei der Entschädigung entgangener Urlaubsfreude stellte die Rechtsprechung anfangs ebenfalls auf das Arbeitseinkommen des Geschädigten ab, aber nicht wegen des Bezugs zum Äquivalenzverhältnis des Schuldverhältnisses. Vielmehr galt die Entschädigung für vertanen Urlaub, insbesondere vor der Regelung des § 651f Abs. 2 BGB, als kommerzialisierte Freizeit und insoweit als Vermögensschaden.252 Insofern war das Arbeitseinkommen der Gegenwert der Freizeit. Auch nach der Regelung des § 651f Abs. 2 BGB hielt die Rechtsprechung zunächst an dieser Vorgehensweise fest, rückte jedoch 2005 bei einer grundlegenden Neuausrichtung der Entschädigung der vertanen Urlaubsfreude253 von dieser Bemessung ab und nimmt nunmehr auf den Reisepreis Bezug und will zudem die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.254 Der Preis der Reise ist aus der Sicht des Reiseveranstalters nur die Summe der Kosten für die geschuldete Reiseleistung zuzüglich einer Gewinnspanne. Der verschaffte Genuss kann, muss aber kein preisbildender Faktor sein. Das hängt von den Bedingungen des Marktes ab. Allerdings ist der Reisepreis zumindest aus Sicht des Reisenden Ausdruck dessen, was ihm die Reise und der daraus fließende Genuss wert sind. Der aufgewandte Betrag hängt aber auch vom Vermögen des Geschädigten ab und ist eben Gegenleistung für die Reiseleistungen des Veranstalters sowie der Leistungsträger. Insofern ist der Reisepreis nicht im engeren Sinne ein Äquivalent für den erkauften Urlaubsgenuss. Er indiziert höchstens, welchen Wert die Reise und der Reisegenuss für den Geschädigten haben, und erlaubt somit eine objektivierende Betrachtung des erlittenen Schadens. Insofern handelt es sich um einen möglichen Ausgangspunkt für die Bemessung der Entschädigung. Darüber hinaus sind aber die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Im Transportrecht knüpfen die Ausgleichsansprüche in Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und Art. 17 Abs. 1, 3 Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 ebenfalls an die Gegenleistung für die Beförderung an und legen einen pauschalierten Betrag als Entschädigung fest. In ähnlicher Weise wie im Reisever250 BAG 29.3.1960 NJW 1960, 2022, 2023; 15.2.1973 AP § 9 KSchG 1969 Nr. 2; APS/Biebl, § 10 KSchG Rn. 28; ErfK/Kiel, § 10 KSchG Rn. 5, 9; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 10 Rn. 4; KR/Spilger, § 10 KSchG Rn. 55. 251 Zum Rechtscharakter der Abfindungsbestimmungen § 2.C.V., S. 123 ff. 252 Siehe oben § 1.C.I.2.b., S. 39 f. 253 Ausführlich dazu § 1.C.I.2.b., S. 40 f. 254 BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 398, verweisend auf BGH 23.9.1982 NJW 1983, 35, 36; ebenso Staudinger/Eckert, BGB, § 651f Rn. 73; Tonner, MünchKomm-BGB, § 651f Rn. 63 ff.; Tonner, JZ 2005, 734, 736.

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tragsrecht wird die Gegenleistung somit zum abstrakten Anknüpfungspunkt für den Schadensersatz. Allerdings steht die Gegenleistung hier weniger als beim Reisevertrag in einer Relation zum ideellen Wert der vertanen Freizeit infolge der pflichtwidrigen Transportleistung. Ihr Wert bestimmt sich vielmehr nach den individuellen Lebensumständen des Geschädigten. Die Regelung dient vor allem einer vereinfachten Abwicklung der Ausgleichsansprüche. Das ist ein hinnehmbarer Rückgriff auf eine Hilfsgröße, da auf diese Weise verhindert wird, dass die Einbuße entschädigungslos bleibt. Zudem sind weitergehende Schadensersatzansprüche nicht ausgeschlossen, die im deutschen Recht für die immateriellen Schäden jedoch nicht bestehen. Ein Überblick über die Bemessung der Entschädigung immaterieller Einbußen, die nicht von einer Rechtsgutsverletzung abhängen, zeigt, dass zur praktischen Handhabung auf Hilfsgrößen zurückgegriffen wird. Im Fall der Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG und der Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB weisen sie einen Bezug zum erlittenen Schaden auf, auch wenn er nicht exakt erfasst wird. Das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spielt im Reisevertragsrecht aber keine entscheidende Rolle dafür, dass an die Gegenleistung angeknüpft wird, da der ideelle Genuss nicht notwendig in den Reisepreis eingeht. Eine Anpassung an die tatsächliche Einbuße erlaubt jeweils die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Das Transportrecht hingegen bestimmt zur Vereinfachung eine Schadenspauschale, die insbesondere die Handhabung und Abwicklung des Anspruchs im Massengeschäft der erfassten Transportmittel sicherstellt. II. Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer unzulässigen Benachteiligung nach dem AGG 1. Erheblichkeitsschwellen und Höchstbeträge für die Entschädigung immaterieller Einbußen Das AGG gewährte einen Entschädigungsanspruch für alle ideellen Einbußen infolge der Benachteiligung, ohne eine Erheblichkeitsschwelle zu regeln oder vorauszusetzen.255 Zudem hängt der Entschädigungsanspruch nicht davon ab, dass eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, da die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG gerade keine Rechtsgutsverletzung voraussetzen.256 Die Gesetzesmaterialien zu § 21 Abs. 2 S. 3 AGG nehmen zwar auf die Entschädigung von Persönlichkeitsverletzungen Bezug, weil sie mit einer Benachteiligung typischerweise einhergehen, erklären sie aber nicht zur ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzung. Auch die Richtlinien sehen keine Erheblichkeitsschwelle vor, sondern verlangen den angemessenen Aus255 Ebenso Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 29; anders Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 42 (wegen § 15 Abs. 2 S. 2 AGG). 256 Siehe oben § 3.B.V.2., S. 167 ff.

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gleich aller Schäden.257 Gleichwohl hat das BAG angedeutet, dass in ganz engen Ausnahmefällen eine solche Einschränkung zum Tragen kommen könne258, was sich mit den europarechtlichen Vorgaben nicht vereinbaren lässt. Eine Haftungsobergrenze bestimmt das AGG grundsätzlich nicht. Nur § 15 Abs. 2 S. 2 AGG beschränkt die Entschädigung für Benachteiligungen während eines Einstellungsverfahrens für alle Bewerber, die auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wären, auf drei Monatsgehälter. Die Regelung beruht auf § 611a Abs. 2 BGB a. F., der in seiner zweiten Fassung den Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden für alle Bewerber beschränkte. Der EuGH erklärte diese Beschränkung indes für unvereinbar mit Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG, soweit sie den sog. Bestbewerber betreffe, dessen Vermögensschaden wegen des entgangenen Einkommens erheblich über dem Haftungshöchstbetrag von drei Monatsgehältern liegen könne.259 Für alle anderen Bewerber sei die Haftungsobergrenze als unwiderlegliche gesetzliche Vermutung anzusehen, dass der Schaden nicht höher sein werde. Das galt als europarechtskonform, da der Arbeitgeber nur die Bewerbungsunterlagen der Bewerber objektiv fehlerhaft beurteilt hat.260 Nunmehr enthält Art. 18 Richtlinie 2006/54/EG dazu eine ausdrückliche Regelung. Diese Differenzierung zwischen dem Bestbewerber und den übrigen Bewerbern hat das AGG beibehalten und in § 15 Abs. 2 S. 2 AGG übernommen. Die Beschränkung des Haftungshöchstbetrags auf die Bewerber, die auch ohne eine Benachteiligung nicht eingestellt worden wären, war aber anders als bei der Vorgängernorm in § 611a Abs. 2 BGB a. F. nicht erforderlich.261 Der EuGH differenziert zwischen dem Bestbewerber und den übrigen Bewerbern, weil § 611a BGB a. F. den Ausgleich der materiellen und immateriellen Schäden in einem Anspruch regelte und der Höchstbetrag den Ausgleich des entgangenen Einkommens einschränkte. § 15 Abs. 2 AGG beschränkt sich indes auf ideelle Schäden, so dass sich die Haftungsobergrenze auf alle Bewerber hätte beziehen können, zumal der Nichtvermögensschaden der Bestbewerber nicht wesentlich höher als der anderen Bewerber ist.262 § 15 Abs. 2 S. 2 AGG erfuhr wegen dieser Inkonsistenz Kritik.263 Wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts ist aber keine abweichende Auslegung möglich. Eine Rechtsfortbildung ist angesichts der bewussten Aufnahme dieser Regelung in § 15 Abs. 2 257

Siehe z. B. Art. 8 Abs. 2 2004/113/EG, Art. 18 Richtlinie 2006/54/EG. BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; abl. Schlachter, AP Nr. 1 zu § 15 AGG. 259 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 30 (von Colson und Kamann). 260 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 37 (Draehmpaehl). 261 Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 59; auf fehlende Systematik verweisend, aber für die Beibehaltung der Haftungsobergrenze Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 12. 262 Kein höherer immaterieller Schaden ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 514; so zu § 611a BGB Treber, DZWiR 1998, 177, 180. 263 Kamanabrou, ZfA 2006, 327, 338. 258

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S. 2 AGG nicht möglich, auch wenn die Bestimmung konzeptionell nicht überzeugt. Selbst die Ungleichbehandlung zwischen Bestbewerber und übrigen Bewerbern ermöglicht die teleologische Reduktion der Norm nicht. Bei der Zumessung der Entschädigung lässt sich aber berücksichtigen, dass der ideelle Schaden des Bestbewerbers nicht höher ist und er daher einen vergleichbaren Entschädigungsanspruch wie die übrigen Bewerber hat.264 § 15 Abs. 2 S. 2 AGG beschränkt sich zudem auf das Auswahlverfahren und schließt die berufliche Beförderung nicht ein, obwohl dabei auch die Unterscheidung zwischen dem Bestbewerber und den übrigen Bewerbern möglich ist. Ein sachlicher Grund ist für die unterschiedliche Regelung nicht ersichtlich. Nach den Gesetzgebungsmaterialien ist die Formulierung des AGG dem § 611a BGB a. F. entnommen265, der indes in Absatz 5 die entsprechende Anwendung des § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F. für den beruflichen Aufstieg anordnete. Eine vergleichbare Regelung enthält § 15 AGG nicht. Die Materialien lassen in diesem Punkt nicht erkennen, dass der Gesetzgebung eine bewusste Entscheidung zugrunde lag. Die Gestaltung des § 15 Abs. 2 AGG lehnte sich vielmehr an § 611a BGB a. F. an, um die Richtlinienkonformität der Bestimmung sicherzustellen. Insofern handelt es sich um ein Redaktionsversehen, so dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.266 Zudem ist die Interessenlage bei der Entschädigung eines Bewerbers für eine Benachteiligung bei der Einstellung bzw. beim beruflichen Aufstieg vergleichbar, wenn er bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt bzw. befördert worden wäre. In beiden Fällen fehlt es an der diskriminierungsfreien Auswahl, so dass der ideelle Schaden vergleichbar ist. Daher ist § 15 Abs. 2 S. 2 AGG auf die Entschädigung wegen einer unzulässigen Benachteiligung beim beruflichen Aufstieg analog anzuwenden.267 Dem steht die grundsätzliche Kritik an der Einführung eines Haftungshöchstbetrags nicht entgegen. Die geltende Regelung muss zumindest mit den übrigen Bestimmungen ein kohärentes Ganzes bilden. Das macht in diesem Fall die Analogie erforderlich, um eine unterschiedliche Behandlung der Bewerber bei Einstellung und Beförderung zu vermeiden. § 15 Abs. 2 S. 2 AGG analog ist ebenso wie bei der Einstellung auf das Monatseinkommen bezogen, nicht auf die Differenz zwischen der gegenwärtigen Vergütung und dem zu er264 Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 59, geht davon aus, dass in der Regel eine Entschädigung i. H. von nicht mehr als drei Monatseinkommen gewährt wird. 265 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38. 266 Hanau, ZIP 2006, 2189, 2200; Walker, NZA 2009, 5, 7; ebenso Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 65; Deinert, DB 2007, 398, 401; a. A. Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 47; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 48; die Anwendung auf den beruflichen Aufstieg verneinend Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 28. 267 Erst-recht-Schluss Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 57; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 65; Deinert, DB 2007, 398, 401; Hey, AGG, § 15 Rn. 84; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 72.

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wartenden Entgelt nach der Beförderung.268 Diese ist nur bei der Bestimmung des Vermögensschadens maßgeblich. Bei der Bemessung des immateriellen Schadens bedarf es dieser Einschränkung nicht, zumal die Persönlichkeitsverletzung bei der Beförderung nicht weniger intensiv ist als bei der Einstellung.269 Bei Benachteiligungen außerhalb des Einstellungs- oder Beförderungsverfahrens ist die Entschädigung ideeller Schäden nicht begrenzt. Vergleichbare Regelungen sind weder für Benachteiligungen bei den Arbeitsbedingungen noch für (sexuelle) Belästigungen vorhanden. Bei Verstößen gegen ein zivilrechtliches Benachteiligungsverbot ist die Entschädigung nach § 21 Abs. 2 AGG nicht durch eine vergleichbare Haftungsobergrenze beschränkt. Die unterschiedliche Ausgestaltung von § 15 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG beruht darauf, dass es bei diesen Benachteiligungen im Rechtsgeschäftsverkehr – anders als bei Einstellungen oder Beförderungen – in der Regel keinen Bestbewerber geben kann. Etwas anderes gilt nur in einzelnen Fallgruppen (z. B. Mehrzahl von Bewerbern um einen Mietvertrag für eine Wohnung), die der Gesetzgeber nicht einzeln geregelt hat. § 15 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG gewähren aber – unabhängig von der Haftungshöchstgrenze – vollen Schadensausgleich, so dass sich praktisch keine Unterschiede ergeben. 2. Bemessung der angemessenen Entschädigung a) Kriterien zur Bemessung der Entschädigung Auf der Grundlage der Ausgleichsfunktion orientiert sich die Bemessung der Entschädigung vor allem am Umfang des erlittenen Schadens. Gefühlsschäden sind als subjektive Empfindung aber nur schwer intersubjektiv nachzuvollziehen. Daher ist eine objektivierende Bewertung des Schadens anhand des Ausmaßes der Benachteiligung vorzunehmen.270 Das bedeutet keine Abkehr von dem Grundsatz, dass der konkrete Schaden auszugleichen ist. Es erfolgt indes keine Gleichsetzung von Rechtsgutsverletzung und Schaden wie beim objektiven Schadensbegriff. Sofern ein geringerer Schaden feststellbar ist, muss dieser zugrunde gelegt werden. Dieses Vorgehen unterscheidet sich grundsätzlich 268 Ebenso Jacobs, RdA 2009, 153, 203; Wisskirchen, DB 2006, 1491, 1499; a. A. Meinel/ Herms/Heyn, AGG, § 15 Rn. 52. 269 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 65; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 72; a. A. Wisskirchen, DB 2006, 1491, 1499; zu § 81 SGB IX Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 81 Rn. 34; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB XI, § 81 Rn. 20. 270 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1132; 17.8.2010 NJW 2011, 550, 555; 19.8.2011 NZA 2010, 1412, 1416; LAG Berlin-Brandenburg 16.10.2007 AuR 2009, 134; 28.6.2011 NZA-RR 2011, 623, 629; LAG Hamm 7.8.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 6; LAG Hessen 28.8.2009 19/3 Sa 1636/08, zit. nach juris; ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 513; Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 63; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 67, 72; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 8; Jacobs, RdA 2009, 193, 202; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 64; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39.

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nicht von der Bemessung der Entschädigung für Schmerzen, Leiden oder Beeinträchtigungen der Lebensfreude, bei der ebenfalls objektivierend auf die Intensität und die Dauer der Rechtsgutsverletzung abzustellen ist.271 Auch bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts orientiert sich die Entschädigung an der Intensität der Rechtsgutsverletzung272, sofern sie nicht zur Prävention erhöht wird. Es lässt sich indes zweifeln, dass das Abstellen auf den Gefühlsschaden tatsächlich alle ersatzfähigen immateriellen Einbußen des Benachteiligten erfasst. Die Berücksichtigung der Schmerzen und Leiden hat sich für die Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen entwickelt. Die Benachteiligung verringert aber vor allem die Chancengleichheit beim Zugang zum Beruf sowie zur Versorgung mit Waren und Dienstleistungen, so dass die negativen Empfindungen nicht den Kern der Einbuße darstellen.273 Daher ist entsprechend dem hier beschriebenen Schaden, dem Verlust an Chancengleichheit, der Umfang der Einbuße an rechtlich geschütztem Interesse zu ermitteln. Die objektivierende Bewertung des Schadens erfolgt vor allem anhand der Art und Intensität der Benachteiligung, so dass die Einbuße an Chancengleichheit erfasst ist.274 Auch die Nachhaltigkeit der Beeinträchtigung für die psychische Verfassung des Betroffenen beeinflusst den Umfang des Schadens.275 Insoweit lässt sich auch das Verhalten nach der Benachteiligung berücksichtigen.276 Handlungen zur Wiedergutmachung oder zur Genugtuung des Geschädigten können die Wirkung der Benachteiligung abschwächen oder beenden und somit den Schaden mindern, so dass die Entschädigung herabzu-

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Siehe oben § 4.C.I, II.1., S. 234 ff., 237. Siehe oben § 4.D.I., S. 260 ff. 273 Vgl. Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 67, der die Persönlichkeitsverletzung und die verlorene Chance einzubeziehen scheint. 274 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1132; 17.8.2010 NJW 2011, 550, 555; 19.8.2011 NZA 2010, 1412, 1416; LAG Berlin-Brandenburg 16.10.2007 AuR 2009, 134; LAG Hamm 7.8.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 6; LAG Hessen 28.8.2009 19/3 Sa 1636/ 08, zit. nach juris; Nds. OVG 10.1.2012 DÖD 2012, 88, 92; ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZARR 2008, 511, 513; Armbrüster, KritV 2005, 41, 49; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Bauer/ Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Deinert, DB 2007, 398, 401; Flohr/Ring/Siebeck/Waitz, AGG, S. 154; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 8; Jacobs, RdA 2009, 193, 202; Meinel/ Herms, DB 2004, 2370, 2371; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 64; Nollert/Borasio, AGG, § 15 Rn. 23; Walker, NZA 2009, 5, 8; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; auch BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB. 275 Siehe Fn. 274. 276 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1132; 17.8.2010 NJW 2011, 550, 555; 19.8.2011 NZA 2010, 1412, 1416; LAG Berlin-Brandenburg 16.10.2007 AuR 2009, 134; Armbrüster, KritV 2005, 41, 49; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Meinel/ Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 64; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; ähnlich Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; auch für die Berücksichtigung der Entschädigung für die Vermögensschäden Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 69; PWW/Lingemann, § 15 AGG Rn. 7. 272

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setzen ist.277 Daneben wird vielfach befürwortet, Anlass und Beweggrund des Handelns278 sowie das Verschulden zu berücksichtigen279. Wie bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann auch bei Benachteiligungen das Verschulden des Handelnden den Gefühlsschaden unmittelbar beeinflussen, der infolge einer erniedrigenden oder entwürdigenden Behandlung eingetreten ist. Eine Benachteiligung hat zwar nicht in jedem Fall eine solche Wirkung auf den Geschädigten. Gerade bei vorsätzlichem Handeln kommt eine schwere Persönlichkeitsverletzung in Betracht, und ihre Einbeziehung in die Bemessung der Entschädigung führt folglich zur Berücksichtigung des Vorsatzes. Insbesondere das absichtliche Handeln des Schädigers kann den Schaden vergrößern und muss zur Erhöhung der Entschädigung führen, selbst wenn keine eigenständige Präventions- oder Genugtuungsfunktion anzuerkennen ist. Sofern die Benachteiligung wegen mehrerer persönlicher Merkmale erfolgt, ist die Erniedrigung des Betroffenen ebenfalls intensiver. Das muss sich auf die Entschädigung auswirken.280 Allerdings erscheint es zu formal, den Entschädigungsbetrag zu vervielfachen, wenn die Benachteiligung auf mehreren Kriterien beruht. Vor allem die verbotswidrige Schlechterstellung des Betroffenen verursacht den Schaden. Dass sie an mehrere Kriterien anknüpft, kann den Eindruck auf den Benachteiligten verstärken. Eine Vervielfachung des ideellen Schadens bewirkt sie nicht unbedingt. Daher ist bei der Würdigung anhand des konkreten Falls zu entscheiden, in welchem Maße die Benachteiligung aus mehreren Gründen den Schaden gesteigert hat. Einer anderen Herangehensweise bedarf es bei wiederholter Benachteiligung einer Person.281 Das Vorliegen eines Wiederholungsfalls wird zum Teil 277

LAG Berlin-Brandenburg 16.10.2007 AuR 2009, 134; LAG Hessen 28.8.2009 19/3 Sa 1636/08, zit. nach juris; Jacobs, RdA 2009, 193, 203. 278 BAG 5.2.2004 AP Nr. 23 zu § 611a BGB, Bl. 7; 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1132; 19.8.2011 NZA 2010, 1412, 1416; LAG Hessen 28.8.2009 19/3 Sa 1636/ 08, zit. nach juris; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39. 279 BAG 5.2.2004 AP Nr. 23 zu § 611a BGB, Bl. 7; 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1132; 17.8.2010 NJW 2011, 550, 555; 19.8.2011 NZA 2010, 1412, 1416; LAG Berlin-Brandenburg 16.10.2007 AuR 2009, 134; LAG Hamm 7.8.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 6; LAG Hessen 28.8.2009 19/3 Sa 1636/08, zit. nach juris; ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 513; Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 66; Armbrüster, KritV 2005, 41, 49; Bauer/ Evers, NZA 2006, 893, 896; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Däubler/Bertzbach/ Deinert, AGG, § 15 Rn.72; Deinert, DB 2007, 398, 401; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 8; Jacobs, RdA 2009, 193, 202 f.; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 64; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 23; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 13; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39. 280 ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 513; Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 64; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 73; Jacobs, RdA 2009, 193, 202; Schiek, NZA 2004, 873, 880; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 35; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 54; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 13; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; krit. Lehmann, Höhe des finanziellen Ausgleichs, S. 131. 281 Ähnlich Walker, NZA 2009, 5, 10.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

generell berücksichtigt.282 Angesichts der Ausgleichsfunktion der Entschädigung ist grundsätzlich der immaterielle Schaden wegen jedes Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot zu entschädigen. Wiederholungen gegenüber derselben Person sind selten, können aber im Einzelfall den Schaden erhöhen, sofern die wiederholte Zurücksetzung, z. B. bei der Beförderung oder der Beteiligung an Weiterbildungen, eine erhöhte Sensibilität des Betroffenen für solche Benachteiligungen entstehen lässt, so dass sich der Gefühlsschaden im Einzelfall vergrößert.283 Im Rahmen der Ausgleichsfunktion lässt sich indes nicht berücksichtigen, dass es sich um eine wiederholte Benachteiligung handelte und selbst die Belastung des Schädigers mit dem Entschädigungsanspruch ihn nicht dazu anhielt, sein Verhalten für die Zukunft zu korrigieren. Dieser Umstand kann nur dann Bedeutung erlangen, wenn der Entschädigungsanspruch eine selbständige Präventionsfunktion hat, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt.284 Neben diesen Kriterien gelten auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als maßgeblich für die Höhe der Entschädigung.285 Auf den Umfang des Schadens haben sie aber keinen Einfluss. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers haben nur Bedeutung, wenn ein Existenzschutz zu seinen Gunsten geboten ist, um die Entschädigung zu begrenzen.286 Die Haftungsobergrenze in § 15 Abs. 2 S. 2 AGG lässt für die Gerichte erkennen, dass der Umfang der ideellen Schäden keine sehr hohen Entschädigungssummen rechtfertigt. Zudem ist die Entschädigung Folge des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot und orientiert sich an der Ausgleichsfunktion. Ein gesonderter Schutz des Vermögens des Schädigers erfolgt nicht. Daher ist eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse zum Schutz der Existenz nicht geboten. Eine eigenständige Bedeutung können die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nur haben, wenn eine selbständige Präventionsfunktion des Ent-

282 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1132; 17.8.2010 NJW 2011, 550, 555; 19.8.2011 NZA 2010, 1412, 1416; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 78; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 8; Jacobs, RdA 2009, 193, 202; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 64; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 13; Walker, NZA 2009, 5, 10; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39 (trotz der Beschränkung auf die Ausgleichsfunktion); s. auch Klumpp, Privatstrafe, S. 73. 283 ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 513; Deinert, DB 2007, 398, 401; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 64, für die Berücksichtigung der Wiederholung, soweit es die Ausgleichsfunktion erlaubt. 284 Siehe unten § 8.B.III.2., S. 457 ff. 285 LAG Berlin-Brandenburg 16.10.2007 AuR 2009, 134; Armbrüster, KritV 2005, 41, 49; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 74 f.; Deinert, DB 2007, 398, 401; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 8; Meinel/Herms, DB 2004, 2370, 2373; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 13. 286 Insoweit ablehnend Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 75.

§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden

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schädigungsanspruchs anzuerkennen ist.287 Sie erlaubt es, die Einwirkungsintensität der Entschädigung auf den Schädiger und den damit verbundenen Abschreckungseffekt zu bewerten. Die abschreckende Wirkung gilt den Befürwortern der selbständigen Präventionsfunktion als eigener Bemessungsfaktor, bei dessen Anwendung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers ebenso eine Rolle spielen wie sein Verschulden oder die Schwere der Verletzung.288 Das BAG hat sich dafür ausgesprochen, auch den Sanktionszweck der Norm bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen. Die Entschädigung müsse geeignet sein, eine abschreckende Wirkung zu haben.289 Insoweit ist auch das Verschulden von Bedeutung. Zum Teil wird vorgeschlagen, die Bestimmung der Entschädigungshöhe an der Rechtsprechung über die Entschädigung von schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auszurichten.290 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Anhebung der Entschädigung über den Schaden hinaus bei Persönlichkeitsverletzungen vor allem darauf beruht, dass es zu einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung mit Gewinnerzielungsabsicht kommt. Eine vergleichbare Situation besteht bei Verstößen gegen die Benachteiligungsverbote nicht.291 Das tertium comparationis zwischen der Entschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung und dem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist nicht die Zwangskommerzialisierung, sondern kann allein darin bestehen, dass beide eine selbständige Präventionsfunktion haben, die eine überkompensatorische Entschädigung zulässt, um von zukünftigen Rechtsverletzungen abzuschrecken und einen echten Hemmungseffekt zu erzielen. Insoweit ist bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gewinn des Schädigers zu berücksichtigen, der bei Benachteiligungen keine Bedeutung hat.

287 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 74, 79; ablehnend zur Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit auch Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 51; s. auch Meinel/Herms, DB 2004, 2370, 2371. 288 Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; s. auch Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; so auch Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 64 (obwohl Privatstrafe abgelehnt, abschreckende Wirkung aber gefordert); a. A. LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126, 128; Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 74, 79; Herms/Meinel, DB 2004, 2370, 2373, nur Entschädigung zum Schadensausgleich. 289 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; 18.3.2010 NZA 2010, 1129, 1132; 17.8.2010 NJW 2011, 550, 555; 19.8.2011 NZA 2010, 1412, 1416; LAG Berlin-Brandenburg28.6.2011 NZA-RR 2011, 623, 629; Nds. OVG 10.1.2012 DÖD 2012, 88, 92; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 52; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; zu § 611a BGB BAG 5.2.2004 AP Nr. 23 zu § 611a BGB, Bl. 7; s. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1760, S. 38. Zurückhaltender OLG Stuttgart 12.12.2011 NJW 2012, 1085, 1086. 290 Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 35, § 21 Rn. 13. 291 Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 261.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Die Kriterien, die sich auf die Rechtsverletzung und den Schädiger beziehen, werden bei der Bemessung der Entschädigung auch von den Autoren einbezogen, die keine selbständige Präventionsfunktion, sondern eine Genugtuungsfunktion anerkennen.292 Allerdings orientiert sich die Feststellung des Entschädigungsbetrages nicht am Abschreckungseffekt, sondern an der besänftigenden Wirkung auf den Geschädigten. Diejenigen Autoren, die den Entschädigungsanspruch bereits nach § 611a BGB a. F. als Privatstrafe qualifizierten, schlugen vor, die beiden Funktionen des Anspruchs bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen.293 Zunächst sei eine angemessene Kompensation für die Schäden festzusetzen und anschließend eine Sanktion zu bestimmen, in die tat- und täterbezogene Kriterien eingehen. Beide Komponenten seien zusammenzurechnen. Darauf ist einzugehen, wenn abschließend über die selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs entschieden ist. b) Zur Orientierung der Entschädigung am Monatseinkommen der benachteiligten Person Die Quantifizierung der Entschädigung erfolgte bereits bei der Anwendung des § 611a BGB a. F. anhand eines Vielfachen des Monatseinkommens der benachteiligten Person, wenn der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot bei der Einstellung oder dem beruflichen Aufstieg erfolgt.294 Die Rechtsprechung orientierte sich insofern am Haftungshöchstbetrag, der auf drei Monatseinkommen und somit als Vielfaches des Monatseinkommens bestimmt ist. Sie beschränkte sich später zwar auf Bewerber, die bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wären. Die Eigenschaft des Bestbewerbers lässt sich aber nur schwer darlegen und beweisen, so dass die Haftungsobergrenze regelmäßig gilt. Angesichts der Übernahme der Haftungsobergrenze in § 15 Abs. 2 S. 2 AGG führt die Rechtsprechung diese Praxis zu § 15 Abs. 2 AGG fort.295 In der Literatur wird für die Entschädigung bei Bewerbungen vereinzelt gefordert, als Faustregel zwei Monatsgehälter anzusetzen.296 Die Rechtsprechung hat vor dem Inkrafttreten des AGG häufig ein Monatsgehalt für angemessen erachtet.297 Die Orientierung am Monatseinkommen widerspricht nicht dem Europarecht. Der EuGH hat die Haftungshöchstbeträge

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Rust/Falk/Bücker, AGG, § 15 Rn. 35. Z. B. Annuß, NZA 1999, 738, 741. 294 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB; ebenso KR/Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a Rn. 109; abl. Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 97; Treber, NZA 1998, 857, 858 Fn. 39. 295 LAG Berlin-Brandenburg 16.10.2007 AuR 2009, 134. 296 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 80 ff.; Hey, AGG, § 15 Rn. 82; abl. Bauer/ Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 35; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 42. 297 BAG 14.3.1989 AP BGB § 611a Nr. 5; LAG Berlin-Brandenburg 16.10.2007 AuR 2009, 134; dazu auch Walker, NZA 2009, 5, 9 f. 293

§ 4 Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bei immateriellen Schäden

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nach § 611a BGB a. F. explizit gebilligt. Die Entscheidung betraf gerade den Fall eines Bewerbers, der auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre und der fast ausschließlich Nichtvermögensschäden erlitt. Der EuGH hielt es allein für maßgeblich, dass die Haftungsobergrenze den angemessenen Ausgleich der erlittenen Schäden nicht verhindert. Dieses Ziel sah der EuGH nicht als gefährdet an. Das Schrifttum kritisiert die Bezugnahmen auf das Monatseinkommen zu Recht als inadäquat.298 In anderen Regelungen, insbesondere in den §§ 9, 10 KSchG, wird zwar das Monatseinkommen als Maßstab für die Entschädigung herangezogen, bei der Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG lässt sich aber zumindest ein Zusammenhang zwischen dem Arbeitseinkommen und dem erlittenen Schaden herstellen.299 Somit ist die Ausrichtung der Entschädigung am Schaden entsprechend ihrer Ausgleichsfunktion Rechnung getragen. Bei unzulässigen Benachteiligungen nach den §§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1, 2 AGG hat das Einkommen jedoch keinen Bezug zur erlittenen immateriellen Einbuße. Das gilt selbst bei der Entschädigung wegen einer Benachteiligung bei der Einstellung, da die Entschädigung wegen der Beeinträchtigung der Chancengleichheit gewährt wird und unabhängig vom zu erwartenden Schaden ist. Zudem variiert der Schaden nicht mit der Höhe des Einkommens. Es ist nicht plausibel, warum der Schaden je nach Einkommen unterschiedlich groß sein soll, so dass für die gleiche Beeinträchtigung unterschiedliche Entschädigungen zu zahlen wären.300 Maßgebend sei vielmehr, ob die Diskriminierung unmittelbar oder mittelbar, offen oder verdeckt erfolge301. Selbst die Autoren, die eine selbständige Präventionsfunktion befürworten, sind kritisch, da nicht das Einkommen der erstrebten Tätigkeit herangezogen wurde.302 Unabhängig von der Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion ist festzuhalten, dass § 15 Abs. 2 AGG nicht vorgibt, die Entschädigung an einem Vielfachen des Monatseinkommens zu bemessen. Lediglich die Haftungsobergrenze, die nur für die Entschädigung wegen der Beteiligung bei Einstellungen und Beförderungen gilt, ist auf diese Weise bestimmt. Die Rechtsprechung muss für die unterschiedlichen Diskriminierungen Fallgruppen für die Zuordnung eines Geldbetrags zur erlittenen Einbuße entwickeln.

298 Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 67; Jacobs, RdA 2009, 193, 203; Kamanabrou, ZfA 2006, 327, 338; dies., RdA 2006, 321, 337; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 66; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 11; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 23; Oetker, MünchArbR, § 15 Rn. 59; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 11; Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085, 1094; so zu § 611a BGB Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 260 ff.; Herrmann, ZfA 1996, 19, 31; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 129 f.; ebenso ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 513 (vom Gesetzgeber gewollter Anhaltspunkt); s. auch Walker, NZA 2009, 5, 7. 299 Siehe oben § 2.C.V., S. 123 f. 300 Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085, 1094. 301 Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085, 1094. 302 Schlobach, Präventionsgedanke, S. 129 f.

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

Eine Faustregel für die Entschädigung bei der Einstellung in Höhe von zwei Monatseinkommen ist dabei nicht zwingend, zumal nicht zwischen den aufgezeigten Diskriminierungsformen differenziert wird.

F. Zusammenfassung Die Bemessung der Entschädigung für Nichtvermögensschäden ist durch ihre Inkommensurabilität erschwert. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Vorgaben – das Willkürverbot und der Gleichheitssatz – haben zur Folge, dass sich die Entschädigungshöhe zum einen nach dem Zweck der Entschädigung ausrichten, zum anderen eine Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sichergestellt sein muss. Der Bemessung der Entschädigung ist grundsätzlich die Ausgleichsfunktion zugrunde zu legen. Das gilt auch bei der Entschädigung von Persönlichkeitsverletzungen, da die dort herangezogene Genugtuungsfunktion im Grunde keine Abweichung vom Gedanken des Schadensausgleichs ist, sondern nur die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Entschädigung ausdrückt. Daher ist die Entschädigung am Schadensumfang zu orientieren. Dazu darf im Interesse der Handhabbarkeit der Rechtsanwendung eine objektivierende Betrachtung vorgenommen werden. Sie kann sich bei Entschädigungsansprüchen, die an die ideellen Folgen einer bestimmten Rechtsgutsverletzung anknüpfen, am Umfang der Verletzung ausrichten. Bei immateriellen Schäden, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung entstanden sind, muss auf andere Hilfsgrößen, wie die vertraglich geschuldete Gegenleistung, zurückgegriffen werden, sofern diese einen Bezug zum erlittenen Schaden hat. Daneben sind die Umstände des konkreten Einzelfalls, die den Schaden beeinflussen, in die Gesamtabwägung einzustellen. Die Entschädigung wird bisher einheitlich ermittelt und nicht in einzelne Schadenspositionen untergliedert. Allerdings sind im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die ersatzfähigen Schäden klar herauszuarbeiten, um eine angemessene Relation zwischen dem erlittenen Schaden und der Entschädigung im Sinne seiner Ausgleichsfunktion sicherzustellen. Neben den schadensbezogenen Kriterien ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung ein Vergleich mit den Entschädigungsbeträgen erforderlich, die in vergleichbaren Schadensfällen zugesprochen wurden. Eine Abweichung davon bedarf der Begründung. Darüber hinaus ist die Konsistenz der Entschädigung zwischen den verschiedenen Fallgruppen zu berücksichtigen. Um im vollen Umfang rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen, sind auch unterschiedliche Fallgruppen zu vergleichen, damit die Relation zwischen der Entschädigung zum Beispiel von Verkehrsunfällen, Vergewaltigungsfällen sowie schweren Persönlichkeitsverletzungen oder unzulässigen Benachteiligungen stimmig ist, es sei denn, dass diesem Anspruch eine andere Funktion zukommt.

§ 5 Zusammenfassung des ersten Teils

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Weitere Umstände des Schadensfalls oder in der Person des Schädigers sowie des Geschädigten, die nicht den Schadensumfang betreffen, beeinflussen die Entschädigung nur, wenn und soweit neben der Ausgleichsfunktion eine selbständige Genugtuungs- oder Präventionsfunktion anzuerkennen ist, die auch eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt. Sofern der Entschädigung weitere Funktionen zugesprochen werden, sind diese zu benennen. Auf dieser Grundlage ist es insbesondere möglich, die wiederholte Rechtsverletzung und die Vermögensverhältnisse des Schädigers einzubeziehen. Auch das Verschulden kann die Entschädigung in diesem Fall beeinflussen, unabhängig davon, ob sich der Schaden vergrößert hat. Bei lukrativen Delikten – insbesondere bei der Zwangskommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten bekannter Personen – kann auch die Gewinnerzielung Einfluss auf die Entschädigungshöhe haben. Die Zulässigkeit einer überkompensatorischen Entschädigung ist im vierten Teil zu untersuchen. Dabei ist auch zu beachten, welche Folgen die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die Entschädigung der Nichtvermögensschäden und die Ableitung einer selbständigen Präventionsfunktion zur Verbesserung des Rechtsgüterschutzes haben.

§ 5 Zusammenfassung des ersten Teils 1. Die Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass für den Ausgleich immaterieller Schäden die Entschädigung in Geld im Mittelpunkt steht und seit Inkrafttreten des BGB eine erhebliche Erweiterung erfahren hat, da die ursprünglichen Vorbehalte gegen die Kompensation inkommensurabler Nichtvermögensschäden in Geld nicht mehr bestehen. Der Ausgleich immaterieller Schäden ist dem der materiellen Schäden aber nicht gleichgestellt. Die Entschädigung ist grundsätzlich ausgeschlossen und wird durch Ausnahmeregelungen durchbrochen. Nachdem zunächst vor allem mit Hilfe des Kommerzialisierungsgedankens versucht wurde, Nichtvermögensschäden als Vermögensschäden darzustellen, haben diese Überlegungen heute keine wesentliche Bedeutung mehr. Vielmehr wurden die Ausnahmen, in denen eine Entschädigung ideeller Schäden zulässig ist, durch Gesetzgebung und Rechtsprechung signifikant ausgedehnt. 2. Ein Entschädigungsanspruch besteht vor allem bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter, die Voraussetzung der Rechtsfolge und nicht nur des Tatbestands ist. Der Haftungsumfang ist inzwischen unabhängig vom Haftungsgrund. Defizite zeigen sich vor allem bei der Entschädigung von Persönlichkeitsverletzungen sowie von gravierenden seelischen Belastungen, die nicht mit einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung einhergehen. Der Ausgleich von Affektionsinteressen bei der Beschä-

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

digung oder Zerstörung von Sachen oder bei der Tötung oder Verletzung von Tieren ist weiterhin ausgenommen. Allerdings sind in neuerer Zeit vor allem Entschädigungsansprüche hinzugetreten, bei denen die Entschädigung als Rechtsfolge unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung ist und somit nur die Voraussetzungen des Haftungsgrundes vorliegen müssen. Sie beruhen überwiegend auf europarechtlichen Vorgaben und dokumentieren zugleich eine gewandelte Einstellung zur Notwendigkeit des Ausgleichs immaterieller Schäden. Insofern kommt es einerseits darauf an, die bestehenden Defizite zu beheben und andererseits zu erwägen, in welchen Bereichen es der Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden bedarf und ob insbesondere eine Entschädigung für Angehörige bei der Tötung oder schweren Verletzung eines Menschen eingeführt werden soll. Darüber hinaus ist die Gleichstellung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden in Betracht zu ziehen, wobei es insbesondere darauf ankommt, die Grenzen für die Ersatzfähigkeit solcher Schäden zu ziehen. 3. Trotz dieses Wandels wurden die Grundlagen des Entschädigungsanspruchs nicht den Veränderungen angepasst. Das Gesetz grenzt den Begriff des immateriellen Schadens negativ von den Vermögensschäden ab. Die positive Beschreibung des Schadens, an der sich die Bemessung seines Umfangs und folglich die Entschädigung i. S. eines Schadensausgleichs orientieren muss, knüpft nach wie vor überwiegend an eine negative Gefühlsbilanz an, die in der Regel mit Schmerzen und Leiden sowie dem Verlust von Lebensfreude beschrieben wird. Das führte nicht nur bei Geschädigten, die infolge des Schadensfalls empfindungsunfähig geworden oder die sehr vermögend sind, zu Anwendungsschwierigkeiten. Auch bei Persönlichkeitsverletzungen und Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot erfasst der Begriff des immateriellen Schadens die erlittenen Einbußen nicht vollständig. Die negative Gefühlsbilanz ist allenfalls Teil des Nichtvermögensschadens. Die Vorschläge zur Weiterentwicklung des Begriffs des ideellen Schadens setzen zum Teil die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden gleich, so dass an die Stelle des subjektiven ein objektiver Schaden tritt. Andere Vorschläge sind nicht eindeutig darin, ob ein objektiver Schadensbegriff favorisiert oder tatsächlich die Beschreibung des ideellen Schadens verändert wird. Es kommt somit darauf an, den Begriff des immateriellen Schadens so weiterzuentwickeln, dass die ersatzfähigen Schäden als Einbuße im vollen Umfang erfasst und abgebildet werden. Dazu ist über den Gefühlsschaden hinauszugehen, ohne dass die Rechtsgutsverletzung an die Stelle des Schadens tritt. Nur auf diese Weise lässt sich sicherstellen, dass die erlittenen Schäden im vollen Umfang ausgeglichen werden und die Entschädigung Teil des Schadensersatzrechts bleibt und nicht zur verdeckten Privatstrafe wird. 4. Defizite zeigen sich darüber hinaus bei der Beschreibung der Ausgleichsfunktion. Wegen der Inkommensurabilität der immateriellen Schäden ent-

§ 5 Zusammenfassung des ersten Teils

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steht anders als bei Vermögensschäden kein bilanzielles Defizit, das in Geld ausgeglichen werden kann. Gleichwohl besteht inzwischen Einigkeit, dass eine Entschädigung erfolgen soll. Um die Entschädigung im Wortsinne wie beim Vermögensschaden nachzuahmen, wurde zunächst darauf abgestellt, dass der Geschädigte sich mit dem Geld Annehmlichkeiten für die erlittenen Unannehmlichkeiten verschaffen könne. Die Entschädigung wird aber nicht danach bemessen, welche Aufwendungen der Geschädigte für solche Annehmlichkeiten hätte, sondern nach dem Umfang des erlittenen Schadens. Die Schwierigkeiten bei der Erfassung des immateriellen Schadens liegen überwiegend auch der Anerkennung der Genugtuungsfunktion zugrunde, die auf die besänftigende Wirkung der Entschädigung in Geld abhebt und darin den Schadensausgleich sieht. Sie steht vor allem bei Vorsatztaten und Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vordergrund. Diese Begründungen für die Geldzahlung im Schadensfall sind defizitär. Insbesondere die Metapher von der Verschaffung von Annehmlichkeiten ist zu verabschieden. Vielmehr ist die Funktion des Entschädigungsanspruchs so zu beschreiben, dass die bisherige Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion umfasst sind und zugleich klarer begründet wird, warum ein inkommensurabler Schaden ebenso wie ein Vermögensschaden ausgeglichen wird, obwohl anders als bei bilanziellen Verlusten keine Entschädigung im engeren Sinne möglich ist. 5. Für die Entschädigung immaterieller Einbußen wird anders als bei Vermögensschäden die Anerkennung einer selbständigen Genugtuungsfunktion oder einer Präventionsfunktion des Schadensersatzes befürwortet, die es erlaubt, eine Entschädigung zuzusprechen, die über den erlittenen Schaden hinausgeht. Das führte bereits bei der Auseinandersetzung mit der Genugtuungsfunktion zu dem Einwand, dass die Entschädigung so zu einer Privatstrafe wird. Darauf verweisen auch jene Autoren, die hinsichtlich einer selbständigen Präventionsfunktion die Prävention mit der Privatstrafe gleichsetzen. Vor allem in neuerer Zeit wird jedoch befürwortet, die Präventionsfunktion als Tertium anzuerkennen, das von der Privatstrafe unterschieden werden kann. 6. Bisher ist eine selbständige Präventionsfunktion vor allem für den Entschädigungsanspruch wegen der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit Gewinnerzielungsabsicht anerkannt. Sie stützt sich auf das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und legitimiert sich mit den Defiziten beim Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rechtsgut. Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ermöglicht inzwischen den Rückgriff auf den Ersatz von Vermögensschäden nach dem Deliktsrecht, den Wertersatz aus Eingriffskondiktion und die Gewinnherausgabe wegen angemaßter Eigengeschäftsführung. Die Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs für Nichtvermögensschäden wurde

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Teil 1: Der Ersatz immaterieller Schäden – eine kritische Bestandsaufnahme

dennoch bis jetzt nicht revidiert. Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile spricht dafür, die selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs aufzugeben, wenn der Rechtsgüterschutz in ausreichendem Maße sichergestellt und daher kein Rückgriff auf das Schutzgebot der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG möglich ist. Ungeklärt ist auch, ob und in welchen Fällen der Ausgleich immaterieller Schäden neben die Ansprüche wegen Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts tritt. 7. Die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion ist auch für die Entschädigungsansprüche aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG umstritten. Die Begründung der selbständigen Präventionsfunktion ist somit entweder vom Schutzgebot der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG getragen oder von europarechtlichen Vorgaben und somit fallgruppenspezifisch. Das läuft ihrer Verallgemeinerung für das gesamte Schadensersatzrecht oder den Ausgleich immaterieller Schäden zuwider. Daher wird die Präventionsfunktion im Grunde nur partiell als selbständige Funktion neben dem Schadensausgleich anerkannt oder zumindest erwogen. Sie ist für diese Fallgruppen nur aufrechtzuerhalten, wenn und soweit ihre Ableitung trägt. Eine darüber hinausgehende Anerkennung oder Einführung einer selbständigen Präventionsfunktion beim Ausgleich immaterieller Schäden muss sich mit der Abgrenzung zur Privatstrafe und mit der Ausrichtung des Privatrechts und der Aufgabenverteilung im Verhältnis zum öffentlichen Recht und zum Strafrecht im Besonderen auseinandersetzen. 8. Die Bemessung der Entschädigung für immaterielle Schäden muss sich an der Funktion des Anspruchs ausrichten. Solange vor allem ein Schadensausgleich erfolgen soll, ist die Entschädigung am Schadensumfang zu orientieren. Dabei kann eine objektivierende Betrachtung zugrunde gelegt werden, da immaterielle Schäden intersubjektiv nur schwer nachzuvollziehen sind. Bei Entschädigungsansprüchen, die auf den ideellen Folgen einer bestimmten Rechtsgutsverletzung beruhen, ist der Umfang der Verletzung ein Anhaltspunkt für den Schadensumfang. Nur bei der Anerkennung einer selbständigen Genugtuungs- oder Präventionsfunktion dürfen Kriterien maßgeblich sein, die keinen Bezug zum Schadensumfang haben. Das gilt für die Wiederholung der Rechtsverletzung, die Versicherbarkeit der Schäden, das Verschulden des Schädigers, soweit es nicht zur Schadenserhöhung führte, und seine Vermögensverhältnisse sowie den durch die Rechtsverletzung erzielten Gewinn. Schließlich ist zur Wahrung der rechtsstaatlichen Anforderungen die Entschädigung mit dem Schadensersatz in ähnlichen Fällen zu vergleichen und auch die konsistente Relation zur Entschädigung anderer Schadensfälle zu berücksichtigen. 9. Die Bestandsaufnahme des ersten Teils orientierte sich primär an der Ausgestaltung des Ausgleichs immaterieller Schäden im deutschen Recht. Die

§ 5 Zusammenfassung des ersten Teils

285

Entwicklung des Schadensersatzrechts steht jedoch in erheblichem Maße unter dem Druck europarechtlicher Vorgaben sowie im Sog einer Europäisierung des Schadensersatzrechts. Die Reformulierung des Ausgleichs der Nichtvermögensschäden kann daher nicht ungeachtet der europäischen Entwicklung erfolgen. Diese ist beeinflusst durch die Vorstellung vom Ausgleich ideeller Schäden in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und steht unter dem Eindruck der Rechtsprechung zu punitive damages des US-amerikanischen Rechts. Somit muss auch eine rechtsvergleichende Analyse erfolgen. Auf dieser Grundlage und in Auseinandersetzung mit den Überlegungen zu einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts oder einer Wiedereinführung von Privatstrafen ist schließlich die Entschädigung immaterieller Schäden unter Beseitigung der bestehenden Defizite neu zu ordnen.

Teil 2

Der Ersatz immaterieller Schäden im Kontext der ausländischen und internationalen Rechtsordnungen § 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich A. Rechtsvergleich im Schadensersatzrecht – Wettbewerb der Rechtsordnungen, Konvergenz der Rechtssysteme Das Schadensersatzrecht als nationales Recht unterliegt partiell der Rechtsangleichung durch europäische Rechtsakte und ist in die Bestrebungen um die Rechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene einbezogen. Gerade die Entwicklung eines Gemeinsamen Referenzrahmens beruht auf einer Zusammenschau der Rechtsordnungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ist ein Vorschlag angesichts der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Rechtssysteme. Im Zuge der Vorarbeiten für einen Gemeinsamen Referenzrahmen wurde auch das Schadensersatzrecht der Mitgliedstaaten der Union aufgearbeitet, wobei die Rechtsordnungen zu einzelnen Schadenspositionen in Form von Länderberichten dargestellt und verglichen wurden. Angesichts dieser Entwicklung kann sich die Auseinandersetzung mit dem Ausgleich immaterieller Schäden nicht auf das nationale Recht beschränken, sondern muss rechtsvergleichende Aspekte einbeziehen. Zusätzlich fungiert die Rechtsvergleichung als Spiegel für das nationale Recht, um Defizite klarer hervortreten zu lassen und Impulse für die Weiterentwicklung de lege ferenda zu geben. Der Rechtsvergleich erfolgt hier weniger in Form des klassischen Länderberichts. Anknüpfend an die bestehenden rechtsvergleichenden Arbeiten soll ein Vergleich unter konzeptionellen und funktionalen Gesichtspunkten erfolgen. In den Vergleich einbezogen werden vor allem Österreich, die Schweiz, Frankreich und England. Die Auswahl von Österreich und der Schweiz erfolgte angesichts der Wechselwirkungen zwischen diesen Rechtsordnungen und dem deutschen Recht, zumal in beiden Ländern Sonderentwicklungen bestehen, die die Eigenarten des deutschen Rechts deutlich machen. In Frankreich ist das Schadensersatzrecht durch eine vollständige Gleichstellung des Ausgleichs der materiellen und immateriellen Schäden gekennzeichnet, zumal die deliktische Haftung nicht von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung abhängt, sondern als verhaltensbezogene Haftung ausgestaltet ist. Zudem wird im Rahmen der Reformüberlegungen für den Code

288 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen civil die Einführung pönaler Elemente in das Privatrecht erwogen. Das englische Recht weist wegen des common law eine andere Prägung auf als die kontinentalen Rechtsordnungen. Das Diskriminierungsrecht hat dort eine längere Tradition als in den übrigen kontinentaleuropäischen Staaten. Schließlich erkennt die Rechtsprechung in bestimmten Bereichen seit dem 18. Jahrhundert einen Strafschadensersatz an. Die aktuelle Diskussion über die strafende oder präventive Wirkung des Zivilrechts nimmt zwar stärker auf den US-amerikanischen Strafschadensersatz (punitive damages) Bezug, das englische Recht vervollständigt aber die Beurteilung der europäischen Tradition hinsichtlich strafender Elemente des Schadensersatzrechts. Daneben soll das US-amerikanische Recht zumindest hinsichtlich des Strafschadensersatzes Berücksichtigung finden, obwohl die Darstellung im Übrigen stärker auf die europäischen Rechtsordnungen fokussiert ist, da sie angesichts der Europäisierung des Schadensersatzrechts erfolgt und als Grundlage für eine kritische Würdigung des Vorschlags für einen Gemeinsamen Referenzrahmen dient. Ebenso wie für das deutsche Recht ist die Entschädigung von Nichtvermögensschäden in den Vergleichsländern im Ganzen zu betrachten. Im Fokus stehen die Aspekte, die bei der Bestandsaufnahme im nationalen Recht eine neuerliche Auseinandersetzung mit dem Ausgleich immaterieller Schäden angezeigt sein lassen. Zunächst ist auf die konzeptionelle Ausgestaltung des Ausgleichs der ideellen Schäden im Vertrags- und Deliktsrecht einzugehen. Das betrifft die Ersatzfähigkeit der Nichtvermögensschäden sowie die Funktion und die Bemessung der Entschädigung. Bei der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden ist insbesondere die Entschädigung der Angehörigen in Todesfällen und bei schweren Körperverletzungen darzustellen, an der es im deutschen Recht weitgehend fehlt, sowie die Entschädigung seelischer Belastungen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung. Zudem ist auf die Entschädigung von ideellen Einbußen wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einzugehen, die sich in den Vergleichsländern – mit Ausnahme der Schweiz – erst sukzessive entwickelt hat. Das Gleiche gilt für das Diskriminierungsrecht, das vor allem auf europarechtlichen Vorgaben beruht. Insoweit ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Entschädigung über den Schadensausgleich hinaus der Prävention zukünftiger Rechtsverletzungen dient. Das kommt insbesondere bei lukrativen Delikten in Betracht. Dabei ist herauszuarbeiten, ob es sich um eine überkompensatorische Entschädigung handelt, die dem Geschädigten einen Vorteil verschafft, der ihm ohne diesen Anspruch von der Rechtsordnung nicht zugewiesen worden wäre. Es kann sich um einen Anspruch auf Strafschadensersatz als Form der Privatstrafe handeln oder um einen Anspruch auf Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion, der zwischen restitutivem Schadensersatz und Privatstrafe steht. Vor allem bei Persönlichkeitsverletzungen ist in den Blick zu nehmen, ob ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung oder eine angemessene Vergütung für die kommerzielle Verwendung von Persönlichkeitsbestandteilen besteht.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

289

Diese Ansprüche können sich aus der Verletzung des personenbezogenen Rechtsgutes selbst ergeben oder – ebenso wie in Deutschland – von der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abhängen. Sie schöpfen die Vorteile ab, die der Schädiger durch die Rechtsverletzung erlangt, und sind somit Alternativen zu einer Neuausrichtung der Entschädigung der ideellen Einbußen anhand einer Präventionsoder Straffunktion.

B. Überblick über den Ersatz immaterieller Schäden I. Österreich Das österreichische Zivilrecht erkennt den ideellen Schaden als eigene Schadensart an, die alle nicht in Geld messbaren Einbußen umfasst.1 Ihrem Ersatz liegt nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) ein vergleichbares Konzept wie im deutschen Zivilrecht zugrunde. Die Naturalrestitution erfasst zwar alle Schäden, es fehlt aber eine allgemeine Bestimmung für die Entschädigung der Nichtvermögensschäden. Die §§ 1323 ff. ABGB und die sondergesetzlichen Normen regeln den Ausgleich in Geld nur punktuell, so dass im Umkehrschluss Nichtvermögensschäden grundsätzlich nicht zu ersetzen sind, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.2 Das gilt für die vertragliche und deliktische Haftung gleichermaßen.3 OGH und herrschende Lehre halten somit die Nichtvermögensschäden nicht in gleichem Maße für ersatzfähig wie Vermögensschäden.4 Der Ausgleich ideeller Schäden erfolge, indem Schmerzen und Unlustgefühle durch Annehmlichkeiten und Erleichterungen aufgewogen werden.5 Folglich liegt ein subjektiver Schadensbegriff zugrunde, der für einen ideellen Schaden eine negative Gefühlsbilanz voraussetzt. Dieser Beschränkung der Entschädigung ideeller Schäden widersprachen bereits in den 1960er Jahren Strasser und Bydlinski und befürworteten ihre generelle Ersatzfähigkeit de lege lata.6 Strasser stützte sich dazu auf den Schadensbegriff des § 1293 ABGB, der sich auf die Nachteile am Vermögen, an den 1

Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 11; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, S. 73. OGH 1.4.1908 Glaser/Unger, Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des OGH, Neue Folge XI (1910) Nr. 4185, S. 271, 277; Jarosch/Müller/Piegler/Danzl, Schmerzensgeld, S. 120 f.; dazu F. Bydlinski, FS v. Caemmerer, S. 785, 789 f.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 21. 3 Zur vertraglichen Haftung Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 109 f. 4 OGH 1.4.1908 Glaser/Unger, Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des OGH, Neue Folge XI (1910) Nr. 4185, S. 271, 277; Jarosch/Müller/Piegler/Danzl, Schmerzensgeld, S. 120 f.; dazu F. Bydlinski, FS v. Caemmerer, S. 785, 789 f.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 21. 5 So zuletzt OGH 26.2.2009 JBl. 2009, 646; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 24. 6 Strasser, Immaterieller Schaden, 1964; F. Bydlinski, JBl. 1965, 173, 180 ff., 239, 249 ff. 2

290 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Rechten und der Person erstrecke und daher auch Nichtvermögensschäden einbeziehe.7 Folglich erfasse jeder Schadensersatzanspruch die immateriellen Schäden, sofern das ABGB nichts anderes regele. Bydlinski hingegen stützte sich auf § 1323 ABGB, der als volle Genugtuung neben damnum emergens und lucrum cessans auch die „Tilgung der verursachten Beleidigung“ erfasst.8 Volle Genugtuung ist nach § 1324 ABGB zu leisten, wenn der Schaden böswillig oder durch auffallende Sorglosigkeit verursacht wurde. Aus den §§ 1323, 1324 ABGB leitet er einen allgemeinen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden ab, der unabhängig von der Rechtsgutsverletzung sei.9 Strasser und Bydlinski setzten sich damit nicht durch. Der OGH griff aber punktuell auf die §§ 1323, 1324 ABGB zurück, um die Grenzen des Ausgleichs immaterieller Schäden zu lockern. Grundsätzlich ist die Entschädigung immaterieller Einbußen von der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter abhängig. § 1325 ABGB und die Gesetze zur Gefährdungshaftung10 erfassen die Nichtvermögensschäden infolge von Körperverletzungen. Für Trauerschäden von Angehörigen besteht keine Regelung, der OGH leitet aber seit 2001 einen solchen Schadensersatzanspruch in Todesfällen aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 1323, 1324 ABGB ab.11 Auch die Entschädigung immaterieller Schäden infolge einer Freiheitsberaubung schloss § 1329 ABGB zunächst aus, inzwischen leitet der OGH bei Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt einen Entschädigungsanspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 5 EMRK ab.12 Zudem legte er § 1329 ABGB korrigierend dahin aus, dass bei vorsätzlicher Freiheitsberaubung durch Privatpersonen die ideellen Einbußen zu entschädigen sind.13 Den Ausgleich immaterieller Schäden wegen der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter erweiterte schließlich die Änderung des § 1328 ABGB, der eine Entschädigung von Nichtvermögensschäden infolge der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung gewährt.14 Beim Inkrafttreten des ABGB waren das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Rechtsfolgen seiner Verletzung ebenso wie beim Inkrafttreten des 7

Strasser, Immaterieller Schaden, S. 43 ff., 47 ff. F. Bydlinski, JBl. 1965, 173, 179 f., 182, 237, 240 f., 247; ders., FS v. Caemmerer, S. 785, 788 ff. 9 F. Bydlinski, JBl. 1965, 173, 179 f., 182, 237, 240 f., 247; ders., FS v. Caemmerer, S. 785, 788 ff.; ebenso Karner, Ersatz, S. 78; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/6, 11/13. 10 § 11 AtomHG 1999, § 163 MinroG, § 3 RHG, § 10 Abs. 2 RohrlG, § 158 LFG, § 79h GTG, §§ 12 Abs. 1, 13 EKHG, § 186 BergG. Die Regelungen wurden 1997 vereinheitlicht, dazu Karner, Ersatz, S. 11 f.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 49 f. 11 Siehe unten § 6.E.I.3.a.dd., S. 334 ff. 12 Z. B. OGH 23.6.1995 RZ 1996, 176, 178; dazu Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/ 1, S. 20 f.; Kath, Schmerzensgeld, S. 29 f.; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1329 Rn. 8. 13 OGH 27.3.1990 JBl. 1990, 794, 796; krit. Hinteregger, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 11, 27; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/18; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1329 ABGB Rn. 8 (Entschädigung auch bei grober Fahrlässigkeit). 14 Dazu Dittrich/Tades, ABGB, § 1325 E 1c; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1328 Rn. 14. 8

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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BGB nicht geregelt. Der Schadensersatz wegen einer Ehrverletzung war sogar ausgeschlossen (§ 1330 ABGB). Eine in sich geschlossene Regelung besteht bis heute nicht. Die §§ 6 ff. MedienG schützen gegen Verletzungen der Ehre und Privatsphäre durch die Medien und gewähren Schadensersatzansprüche. § 33 Datenschutzgesetz regelt einen Entschädigungsanspruch für Kränkungen durch die Verletzung von Geheimhaltungsinteressen. Seit 2004 gewährt auch § 1328a ABGB eine Entschädigung für erhebliche Eingriffe in die Privatsphäre. Das Immaterialgüterrecht berücksichtigt seinerseits das Persönlichkeitsrecht des Schöpfers bzw. Erfinders und gewährt bei Rechtsverletzungen neben dem Ausgleich von Vermögensschäden Entschädigung für ideelle Einbußen.15 Abschließend ist auf § 16 Abs. 2 UWG zu verweisen, der den Ausgleich von Nichtvermögensschäden wegen unlauteren Wettbewerbs anordnet.16 Unabhängig von Rechtsgutsverletzungen gewährt § 1331 ABGB bereits seit Inkrafttreten des Gesetzes 1811 einen Entschädigungsanspruch für Affektionsinteressen, die durch eine gegen das Strafgesetz verstoßende Handlung oder Mutwillen und Schadenfreude des Schädigers beeinträchtigt wurden. Zusätzlich zu den §§ 1323 ff. ABGB gewähren bei der vertraglichen Haftung § 31e Konsumentenschutzgesetz einen Entschädigungsanspruch wegen entgangener Urlaubsfreude17 sowie § 8 Abs. 3 Mietrechtsgesetz für erlittenes Ungemach, wenn der Vermieter seine Schonungspflicht bei der Instandsetzung der Mietsache grob fahrlässig verletzt hat. Angesichts der eingeschränkten Entschädigung ideeller Einbußen will ein Teil der Literatur aus den §§ 1323, 1324 ABGB einen Entschädigungsanspruch für grobes Verschulden bei der Vertragsverletzung ableiten, wenn die geschuldete Leistung entgeltlich war und einen ideellen Zweck verfolgt oder ein immaterielles Interesse fördert.18 Inzwischen gewährt auch das Antidiskriminierungsrecht zusätzliche Schadensersatzansprüche. Schließlich kann der Ausgleich immaterieller Schäden vertraglich erweitert werden oder eine Konventionalstrafe vereinbart sein. Die Regelungen zum Ausgleich immaterieller Schäden sind somit vielfach punktuell und wurden vor allem seit 1990 erheblich erweitert. Daher sind sie nicht in einem Gesamtkonzept aufeinander abgestimmt. Zudem erfuhr die Kompensation von Nichtvermögensschäden insbesondere seit den 1990er Jahren erhebliche Ausweitung. Gegenwärtig bestehen Bestrebungen, das Schadensersatzrecht zu reformieren und die konzeptionellen Defizite des Ausgleichs ideeller Schäden zu beseitigen. Die vom österreichischen Bundesministerium für Justiz eingesetzte Arbeitsgruppe legte bereits einen kontrovers diskutierten und erneut überarbeiteten Entwurf vor, der das Schadensersatzrecht nicht in präzisen Tatbeständen, sondern als bewegliches System im 15

Siehe § 87 Abs. 2 UrhG, § 150 Abs. 4 PatG, § 41 GebrMG, § 34 MSchG, § 55 MarkenG. Korn, in: Mayer, Persönlichkeitsschutz, S. 47, 87. 17 Regelung im Anschluss an die Entscheidung des EuGH 12.3.2002 Slg. 2002, I-2631 (Leitner/TUI). 18 F. Bydlinski, JBl. 1965, 237, 251. 16

292 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Sinne Wilburgs kodifizieren will, das dem Richter einen weiten Beurteilungsspielraum lässt.19 Das entspricht der Konzeption der Principles of European Tort Law (PETL). Die Ähnlichkeit beider Regelungskonzepte mag durch die teilweise Personenidentität in den Arbeitsgruppen beeinflusst sein.20 Der Reformentwurf stellt materielle und immaterielle Schäden in ihrer Ersatzfähigkeit nicht gleich. Die Entschädigung in Geld hängt nach § 1316 Abs. 2 des Entwurfs „von der Bedeutung des verletzten Gutes, der objektiven Nachvollziehbarkeit, dem Ausmaß und der Dauer der Beeinträchtigung sowie dem Gewicht der Zurechnungsgründe ab“. Zudem enthält § 1316 Abs. 2 S. 3 des Entwurfs eine Erheblichkeitsschwelle.21 Diese Kriterien seien auch für die Bemessung der Entschädigung maßgebend. Allerdings bestimme bei der vertraglichen Haftung das Entgelt den Wert der immateriellen Einbuße (§ 1316 Abs. 5). Zur Flexibilisierung des Schadensersatzrechts enthält der Entwurf in § 1317 eine Reduktionsklausel, so dass sich die Ersatzpflicht des Schädigers herabsetzen lässt, wenn die Entschädigung für ihn unverhältnismäßig oder drückend und dem Geschädigten ihre Minderung zumutbar ist. Das ist im österreichischen Schadensersatzrecht ohne Vorbild und beruht auf dem Gedanken der wirtschaftlichen Tragfähigkeit.22 Zugleich legt der Entwurf in § 1316 Abs. 3 fest, dass insbesondere bei der Verletzung von Körper, Gesundheit und Freiheit sowie beim geschlechtlichen Missbrauch eine Entschädigung zu leisten ist. Auch die Angst, zu sterben oder schwer verletzt zu werden, sei ein ausgleichspflichtiger Schaden, wenn eine konkrete Gefährdung und ausreichende Zurechnungsgründe bestanden. Zudem sollen die Angehörigen beim Tod oder der schweren Körperverletzung des Ehegatten, der Eltern, der Kinder oder Personen, zu denen eine vergleichbare Nähebeziehung bestand, einen Anspruch auf Entschädigung der Trauerschäden haben. Zurückhaltender ist der Entwurf bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts, einer Behinderung, der ethnischen Abstammung, der Religion oder vergleichbarer Gründe sowie bei Eingriffen in die Privatsphäre, indem er den Entschädigungsanspruch auf vorsätzliche oder schwere Fälle beschränkt. Die Aufzählung in § 1316 Abs. 3 sowie die Beschreibung des Schadensersatzes für die einzelnen Rechtsgutsverletzungen in den §§ 1319–1323 des Entwurfs hat maßstabsbildende Wirkung, ist aber nicht abschließend und nimmt der Regelung nicht ihre Entwicklungsoffenheit. 19 Koziol, in: Griss/Kathrein/Koziol, Entwurf, S. 27 f.; erläuternd Griss, JBl. 2005, 273, 292 f.; krit. Reischauer, ÖJZ 2006, 391, 403 f.; ders., JBl. 2009, 405, 407 f.; ders., JBl. 2009, 484, 492 ff.; Schwimann/Harrer, ABGB, Vor §§ 1293 ff. Rn. 9; für eine bewegliche Regelung des Ersatzes von Nichtvermögensschäden auch Taupitz/Pfeiffer, JBl. 2010, 88, 98 f. 20 Zu den PETL siehe unten § 9.C.I., S. 482 ff.; dazu Koziol, JBl. 2008, 348, 356; krit. Reischauer, JBl. 2009, 405, 408. 21 Dazu kritisch Christiandl/Hinghofer-Szalkay, JBl. 2009, 284, 293 ff.; Taupitz/Pfeiffer, JBl. 2010, 88, 99. 22 Karner, in: Griss/Kathrein/Koziol, Entwurf, S. 83, 89 f.

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Gegen diesen Reformentwurf formierte sich ein Arbeitskreis, der einen Gegenentwurf formulierte.23 Wegen der Vielgestaltigkeit der ideellen Schäden ist ein weites Verständnis des immateriellen Schadens zugrunde gelegt, indem im Entwurf des § 1324 ABGB auf die persönliche Beeinträchtigung abgestellt wird.24 Die Ersatzfähigkeit dieser Schäden soll aber auf die somit abschließend aufgezählten Fälle beschränkt sein. Das gewährleiste mehr Rechtssicherheit als ein bewegliches System und schütze vor Begehrlichkeiten und ausufernden Schadensersatzklagen.25 Zudem seien die Regelungen ergänzbar, wenn ein Bedürfnis nach einer Erweiterung der Entschädigungsansprüche bestehe.26 Zur Konsensfindung hat das zuständige Ministerium inzwischen einen inoffiziellen Fusionsentwurf erarbeitet, der auf eine Teilreform zielt und den Streit um die Einführung eines beweglichen Systems nicht entscheiden soll.27 Danach gibt es keinen allgemeinen Anspruch auf Entschädigung ideeller Nachteile, sie sind nur zu ersetzen, wenn und soweit das Gesetz es vorsieht (§ 1323 Abs. 1 FE). Ihre Ersatzfähigkeit soll im Vergleich zur bestehenden Rechtslage erheblich erweitert werden.28 Ausführliche Regelungen sind insbesondere für Körperverletzungen, Gesundheitsbeschädigungen und Todesfälle enthalten (§§ 1324 ff. FE). Zugleich wird bestimmt, dass für schwere und objektiv nachvollziehbare Verletzungen von Persönlichkeitsrechten Geldersatz zu leisten ist (§ 1323 Abs. 2 FE). Der Ersatz der besonderen Vorliebe bei vorsätzlicher Schädigung von Vermögensgütern bleibt erhalten (§ 1323 Abs. 3 FE). Zudem erweitert das Gesetz die Ersatzfähigkeit ideeller Nachteile bei vertraglichen Pflichtverletzungen. Sie sollen stets ersatzfähig sein, wenn der entgeltliche Vertrag der Befriedigung ideeller Interessen dient (§ 1323 Abs. 4 FE).29 Für die Bemessung der Entschädigung sollen neben Schwere und Dauer des Mangels, der Grad des Verschuldens, der vereinbarte Vertragszweck und die Höhe des Entgelts maßgeblich sein.30 Eine Reduktionsklausel ist auch im Fusionsentwurf enthalten.31 Offen bleibt trotz allem, ob und wann die Reform abgeschlossen wird. 23 Reischauer/Spielbüchler/Welser, Reform, Bd. II, III; zur Entwicklung s. auch Reischauer, JBl. 2009, 405, 406 f.; ein Abdruck des Entwurfs findet sich bei Reischauer, JBl. 2009, 484, 495 ff.; krit. Koziol, JBl. 2008, 348, 353 f. 24 Reischauer, JBl. 2009, 405, 425; Reischauer/Spielbüchler/Welser, Reform, Bd. III, S. 71. 25 Reischauer, JBl. 2009, 405, 425; Reischauer/Spielbüchler/Welser, Reform, Bd. III, S. 70. 26 Reischauer, JBl. 2009, 405, 425. 27 Kathrein, in: Bundesministerium für Justiz, 200 Jahre ABGB, S. 229, 233 f., 236 f.; krit. zur Teilreform Koziol, in: Bundesministerium für Justiz, 200 Jahre ABGB, S. 301, 302 ff. 28 Kathrein, in: Bundesministerium für Justiz, 200 Jahre ABGB, S. 229, 242; vgl. dazu Koziol, in: Bundesministerium für Justiz, 200 Jahre ABGB, S. 301, 320. 29 Kritisch zum Umfang der Regelung und den Bemessungskriterien: Neumayr, in: Bundesministerium für Justiz, 200 Jahre ABGB, S. 249, 254; grds. zustimmend zu einer Erweiterung der vertraglichen Haftung Schwartze, FS Barta, S. 208 f. (zu § 1316 des Entwurfs). 30 Kritisch Kathrein, in: Bundesministerium für Justiz, 200 Jahre ABGB, S. 229, 243. 31 Neumayr, in: Bundesministerium für Justiz, 200 Jahre ABGB, S. 249, 265.

294 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen II. Schweiz Im schweizerischen Recht ist der immaterielle Schaden keine Schadensart.32 Das Obligationenrecht (OR) unterscheidet strikt zwischen Schaden und immaterieller Unbill. Der Schaden beschränkt sich wie im römischen Recht auf Vermögensschäden, so dass der Schadensersatz nur materielle Einbußen ausgleicht.33 Das Obligationenrecht erfasst die immaterielle Unbill wegen ihrer Inkommensurabilität eigenständig. Ein Ausgleich sei nur auf einer anderen Ebene durch die Genugtuung möglich, die in der Regel in Geld erfolgt.34 Die Genugtuung soll zu einem gewissen Ausgleich führen und das Wohlbefinden des Geschädigten steigern oder zumindest die Beeinträchtigung erträglicher machen.35 Das Obligationenrecht definiert den Begriff „immaterielle Unbill“ nicht selbst. Die Literatur grenzt ihn negativ zum Schaden ab und beschreibt ihn als alle Einbußen, die nicht Vermögenseinbuße sind und somit keinen Marktwert besitzen.36 Positiv umschreibt sie ihn als jede Minderung des Wohlbefindens oder der Lebensfreude einer Person, die auf der Verletzung eines Persönlichkeitsrechts beruht und sich nicht auf das Vermögen des Geschädigten auswirkt.37 Dem schweizerischen Recht liegt somit ein subjektives Verständnis von der immateriellen Unbill zugrunde.38 Es bedarf der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsgutes, die zur Verminderung des Wohlbefindens und der Lebensfreude führt sowie in Form von physischem Schmerz, Unlustgefühlen, Trauer, Angst oder einer Störung des seelischen Gleichgewichts, einer Kränkung sowie einer anderen negativen Empfindung auftreten kann.39 Im32

Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 122; für eine Reform: Sidler, in: Münch/Geiser, Schaden, Rn. 10.21. 33 BG 24.10.1989 BGE 115 II 474, 481; Gurzeler, Genugtuung, S. 62 ff.; Oftinger/Starck, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 2 Rn. 4, 66; v. Tuhr/Peter, Obligationenrecht AT, Bd. I, S. 125. 34 BG 24.10.1989 BGE 115 II 474, 481; 12.9.1997 BGE 123 IV 145, 147; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 Rn. 6 f.; Gurzeler, Genugtuung, S. 72 ff.; Honsell, Haftpflichtrecht, S. 105; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 1 f.; Tercier, Contribution, S. 14 f., 46, 65; v. Tuhr/Peter, Obligationenrecht AT, Bd. I, S. 125. 35 Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 122; v. Tuhr/Peter, Obligationenrecht AT, Bd. I, S. 126. 36 Gurzeler, Genugtuung, S. 74; Tercier, Contribution, S. 46. 37 BG 27.10.1992 BGE 118 II 404, 408; Gurzeler, Genugtuung, S. 74 f.; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 120; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 11; Tercier, Contribution, S. 46, 65. 38 BG 13.10.1998 BGE 125 III 70, 75; 25.8.2003 BGE 129 III 715, 725; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 21; Deschenaux/Tercier, Responsabilité, S. 51; Geiser, Persönlichkeitsverletzung, S. 100 f., 220; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 120; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 87, 116; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 13; Tercier, Personalité, Rn. 2033 f. 39 BG 13.10.1998 BGE 125 III 70, 75; 25.8.2003 BGE 129 III 715, 725; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 21; Deschenaux/Tercier, Responsabilité, S. 51 f.; Dunand, Mélanges Pierre Tercier, S. 173, 175; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 13; Tercier, Personnalité, Rn. 2032 ff.

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materielle Unbill ist sonach ein Gefühlsschaden. Für verletzte Affektionsinteressen des Eigentümers einer beschädigten oder zerstörten Sache gewährt das Obligationenrecht hingegen keine Genugtuung. Die Literatur befürwortet eine Entschädigung nur, wenn die Sachbeschädigung eine Persönlichkeitsverletzung nach sich zieht.40 Das schweizerische Zivilrecht gewährt sowohl im Rahmen der vertraglichen und deliktischen Verschuldenshaftung als auch bei der Kausalhaftung und der spezialgesetzlichen Gefährdungshaftung41 eine Genugtuung für immaterielle Unbill. Die zentralen Rechtsfolgenbestimmungen enthalten Art. 47, 49 OR, die für die außervertragliche Haftung gelten.42 Auch die Gesetze zur Gefährdungshaftung verweisen auf sie. Das Gleiche gilt für die vertragliche Haftung nach Art. 99 Abs. 3 OR. Darüber hinaus ergibt sich ein Genugtuungsanspruch aus dem Vertrag, wenn er eine ideelle Zwecksetzung hat und sich auf die Herbeiführung von Genuss und Wohlbefinden richtet.43 Schließlich gelten die Art. 47, 49 OR auch für die Haftung nach dem schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB)44, da das OR als dessen fünftes Buch behandelt wird. Für die widerrechtliche Verletzung der Persönlichkeit stellt zudem Art. 28a Abs. 3 ZGB klar, dass neben den speziellen Ansprüchen Genugtuung verlangt werden kann. Schließlich verweisen das Urheber-, Patent- und Markenschutzrecht auf das Obligationenrecht, ebenso das Wettbewerbsrecht.45 Sonderregelungen enthält nur das Gesetz über die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen. Darüber hinaus können bei der vertraglichen Haftung zusätzliche Genugtuungsansprüche bestehen, wenn der Vertrag auf die Verschaffung ideeller Vorteile wie Genuss oder Wohlbefinden ausgerichtet ist.46 Für Pauschalreisen normiert Art. 14 Pauschalreisegesetz einen verschuldensunabhängigen Genugtuungsanspruch für verdorbene Ferien, sofern die Persönlichkeitsbeeinträchtigung erheblich ist.47 Die zentralen Normen sind somit Art. 47 und 49 OR. Art. 49 OR ist lex generalis48 und macht die Genugtuung von einer widerrechtlichen Persönlich40 Brehm, Berner KommentarArt. 49 OR Rn. 72 f.; Tercier, Personalité, Rn. 438 f., 2054; s. auch Widmer, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 56. 41 Verweis auf Art. 47, 49 OR: z. B. Art. 62 Abs. 1 SVG; Art. 34 RLG; Art. 59a Abs. 4 USG; Art. 7 Abs. 1 KHG; Verweis auf das OR: z. B. Art. 79 LFG; Art. 27 Abs. 1 SprstG; Art. 11 Abs. 1 PrHG. 42 BG 11.12.1990 BGE 116 II 733, 735; 9.6.1997 BGE 123 III 204, 209 f.; Keller, Haftpflichtrecht, Bd. II, S. 124. 43 Widmer, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 58. 44 Z. B. Art. 28 Abs. 2 ZGB (Persönlichkeitsverletzung), Art. 29 Abs. 2 ZGB (Namensanmaßung), Art. 93 Abs. 1 ZGB (Verlöbnisbruch), Art. 151 Abs. 2 ZGB (Scheidung), Art. 426 ZGB (Haftung des Vormundes), Art. 679 ZGB (Haftung des Grundeigentümers). 45 Art. 62 Abs. 2 URG, Art. 73 PatG, Art. 55 Abs. 2 MSchG, Art. 9 Abs. 3 UWG. 46 Widmer, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 58. 47 Dazu Frank, Pauschalreisen, Art. 4 Rn. 25 f. (ablehnend zum Erheblichkeitserfordernis). 48 BG 11.12.1990 BGE 116 II 733, 735; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 Rn. 5; Honsell, Haftpflichtrecht, S. 107; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.03.

296 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen keitsverletzung abhängig. Art. 47 OR gewährt dem Geschädigten einer Körperverletzung sowie den Angehörigen im Todesfall einen Genugtuungsanspruch. Die Entschädigung hängt folglich von einer Persönlichkeitsverletzung ab, die zudem erheblich sein muss. Insoweit sind bei Körperverletzung oder Tötung nach Art. 47 OR dazu nur die besonderen Umstände des Falles zu würdigen. Art. 49 OR stellt auf die Schwere der Verletzung ab. Früher war darüber hinaus das Verschulden des Schädigers erforderlich.49 Zur Stärkung der Genugtuung bei Personenschäden wurde die Erheblichkeitsschwelle des Art. 49 OR gesenkt, so dass es nur noch einer schweren Verletzung bedarf, wenngleich das Verschulden weiterhin ein wesentlicher Indikator für die Verletzungsschwere ist.50 Die Intensität der Beeinträchtigung muss über das hinausgehen, was eine Person als allgemeines Lebensrisiko erdulden muss.51 Die Erheblichkeit der Verletzung hängt von der Größe des zugefügten Leides ab, wobei die Bedeutung des verletzten Rechtsgutes und die Art der Verletzung maßgeblich sind.52 Bei einem Anspruch aus Verschuldenshaftung ist zumindest leichtes Verschulden des Schädigers erforderlich.53 Die Erheblichkeit wird von den Gerichten regelmäßig widerleglich vermutet und praktisch wohl nicht so strikt angewendet.54 III. Frankreich Immaterielle Schäden sind im französischen Zivilrecht nach der herrschenden Ansicht ersatzfähig. Das war anfangs wegen der Inkommensurabilität der Nichtvermögensschäden umstritten.55 Inzwischen ist der Ausgleich ideeller Schäden in der Rechtstradition jedoch fest verankert, so dass die Einwände gegen die Entschädigung nicht mehr aufrecht erhalten werden.56 Die Schäden 49 Dazu Tercier, Personnalité, Rn. 2047 ff.; Vuille-Dit-Bille, Persönlichkeitsverletzung, S. 20 ff. 50 BG 23.12.1999 BGE 126 III 161, 166 f.; 23.9.2004 BGE 131 III 26, 29; Aebi-Müller, Handkommentar, Art. 28a ZGB Rn. 17; Bucher, Persönlichkeitsschutz, Rn. 591; Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 17. Die herrschende Ansicht sieht darin eine materielle Änderung, s. BG 22.4.1986 BGE 112 II 220, 225; 12.3.1991 BGE 117 II 50, 56; Brehm, Berner Kommentar, Art. 49 OR Rn. 6, 12; Engel, obligations, S. 525 f.; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.05; Widmer, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 46 f.; a. A. Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 17; Tercier, Personnalité, Rn. 2047. 51 BG 3.4.1984 BGE 110 II 163, 166; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 29; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 138; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.05. 52 BG 27.10.1992 BGE 118 II 410, 413; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 120. 53 BG 23.12.1999 BGE 126 III 161, 166 f.; 23.9.2004 BGE 131 III 26, 29. 54 Dazu Tercier, Mélanges Deschneaux, S. 307, 311 f., 313. 55 Dazu Mazeaud/Tunc, Responsabilité, Bd. I, Rn. 304 ff.; Le Roy, Évaluation, Rn. 232; Savatier, Responsabilité, Bd. II, S. 102 f., 105 f.; s. auch Giese, Dommages-intérêts, S. 20 ff.; Stoll, 45. DJT, Bd. I, S. 76. 56 Marty/Raynaud, Obligations, Bd. I, S. 465; Planiol/Ripert/Esmein, Droit civil VI, Rn. 546; dazu Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 92 f. Rn. 25; Mazeaud/ Tunc, Responsabilité, Bd. I, Rn. 313 ff.

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seien zwar inkommensurabel, aber der Geschädigte könne sich anderweitige Annehmlichkeiten verschaffen. Zudem entstünden ideelle Schäden vor allem bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter, mit deren Bedeutung und Rang es unvereinbar sei, sie nicht auszugleichen.57 Ihre Entschädigung lasse sich auf den Schutz der Menschenwürde und die Unverletzlichkeit der Person stützen.58 Vor diesem Hintergrund wäre es nicht hinzunehmen, die Entschädigung immaterieller Einbußen einzuschränken, während jeder Vermögensschaden auszugleichen ist.59 Vereinzelt wurde befürwortet, den Ersatz von Nichtvermögensschäden auf Straftaten oder die Verletzung sozial bedeutsamer Güter wie die Ehre oder den guten Ruf zu beschränken60, ohne dass sich diese Ansicht durchsetzte. Die Cour de cassation gewährte bereits 1833 eine Entschädigung für ideelle Schäden im Deliktsrecht.61 Die vertragliche und die deliktische Verschuldenshaftung gewähren ebenso wie die Gefährdungshaftung einen Entschädigungsanspruch für immaterielle Einbußen.62 Der Ausgleich der Nichtvermögensschäden erfolgt unter den gleichen Voraussetzungen wie bei den Vermögensschäden. Ihre Ersatzfähigkeit hängt nicht von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung ab. Weder der Haftungstatbestand noch die Rechtsfolgenbestimmung verengen die Haftung auf immaterielle Schäden infolge bestimmter Rechtsgutsverletzungen.63 Es genügt, dass die Haftungsvoraussetzungen vorliegen und ein Schaden eingetreten ist. Ersatzfähig sind daher nicht nur Schäden infolge von Körperverletzungen, Freiheitsberaubungen oder Eingriffen in die sexuelle Integrität, sondern auch Trauerschäden von Angehörigen in Todesfällen oder verletzte Affektionsinteressen infolge von Sachbeschädigungen.64 Das Gleiche gilt bei familienrechtlichen Sachverhalten wie dem Ehebruch oder der Auflösung des Verlöbnisses.65

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Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87. Savatier, D. 1955, Chron., 5 f., 8, 10; ähnlich Mazeaud/Tunc, Responsbilité, Bd. I, Rn. 314, 315; dazu Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 92 f. Rn. 25. 59 Mazeaud/Tunc, Responsabilité, Bd. I, Rn. 315; s. auch Galand-Carval, in: Rogers, Nonpecuniary loss, S. 87, 93 Rn. 26. 60 Dazu Mazeaud/Tunc, Responsabilité, Bd. I, Rn. 307 f., 314. 61 Cass. réun. 15.6.1833 RS 1833, 1, 458; s. auch Cass. civ. 13.2.1923 DP 1923, 1, 52; Cass. req. 2.2.1931 DP 1931, 1, 38. Die Verwaltungsgerichte gewährten zunächst keinen Ausgleich für ideelle Schäden und schlossen sich erst 1961 dem Cour de cassation an, s. Cons. d’Ètat ass. plèin. 24.11.1961 D. 1962, 34, 37. 62 Mazeaud/Tunc, Responsabilité, Bd. I, Rn. 299, 330 ff. 63 Starck/Roland/Boyer, Obligations, Bd. I, Rn. 90; Viney/Jourdain, Conditions, Rn. 248 ff.; s. auch v. Bar/Gotthardt, Deliktsrecht, Frankreich S. 22. 64 Cass. civ. 1ère 16.1.1962 JCP 1962, Éd. G, II, 12557 (Affektionsinteressen); Starck/Roland/ Boyer, Obligations, Bd. I, Rn. 114; s. auch v. Bar/Gotthardt, Deliktsrecht, Frankreich S. 26; Schernitzky, Immaterieller Schaden, S. 38. 65 Z. B. Art. 266 Cc (altération définitive du lien conjugal); Cass. civ. 2ème 2.4.1979 Bull. civ. II, Nr. 110. 58

298 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Der Geschädigte darf nach französischem Recht die vertragliche und deliktische Haftung nicht kumulativ geltend machen.66 Unterschiede bei der Haftung resultieren vor allem aus der Schadenszurechnung, die nach unterschiedlichen Kriterien erfolgt.67 Die deliktische Haftung setzt einen aktuellen, direkten und bestimmten Schaden sowie die Verfolgung eines legitimen, rechtlich geschützten Interesses voraus.68 Die vertragliche Haftung beschränkt sich auf alle direkten und unmittelbaren Schäden (Art. 1151 Cc), die vorhersehbar sind (Art. 1150 Cc). Das Kriterium der Vorhersehbarkeit schließt den Ausgleich ideeller Schäden bei entgeltlichen Verträgen, die sich auf Waren oder Dienstleistungen beziehen, in der Regel aus. Nur bei Verträgen, die (auch) ideelle Zwecke verfolgen, sind Nichtvermögensschäden vorhersehbar.69 Das Gleiche gilt für immaterielle Schäden infolge von Personenschäden, die aus einer vertraglichen Pflichtverletzung resultieren.70 Sofern der Schädiger arglistig handelt, muss er jedoch auch die unvorhersehbaren Schäden tragen.71 Darin sieht die rechtsvergleichende Literatur vereinzelt eine Sanktion i. S. einer Strafe.72 Die Erweiterung der Haftung ist zwar eine Reaktion der Rechtsordnung auf das direkte Verschulden des Schädigers, die Haftungsfolgen beschränken sich aber weiter auf den Schadensausgleich. Der Schadensersatz erfolgt durch Naturalrestitution bzw. durch Entschädigung in Geld, wobei der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot gelten.73 Die Entschädigung sprechen nicht nur Zivilgerichte, sondern häufig auch Strafgerichte im Adhäsionsverfahren zu, sofern noch keine Zivilklage erhoben wurde.74 Insbesondere die Strafgerichte haben in Streitfragen über den Ausgleich ideeller Schäden Impulse gegeben.75 Das französische Zivilrecht legt insoweit einen weiten Schadensbegriff zugrunde, der materielle und immaterielle Schäden gleichermaßen erfasst. Das bestätigt Art. 3 Abs. 2 Code de la procédure pénale, der für das Adhäsions66 Sog. Verbot des non-cumul; Cass. civ. 2ème 9.6.1993 Bull. civ. II, Nr. 204; Viney, Conditions, Rn. 216; dazu auch v. Bar/Gotthardt, Deliktsrecht, Frankreich S. 14. 67 Siehe unten § 6.B.III., S. 296 ff. 68 Dazu Viney/Jourdain, Conditions, Rn. 271 ff., 275 ff. 69 Vgl. Dazu Mazeaud/Tunc, Responsabilité, Bd. I, Rn. 334 (mit Beispielen); allg. zur Vorhersehbarkeit Simler, JC, Art. 1146–1155, Fasc. 170, Rn. 20 ff. 70 Veaux, JC, Art. 1146–1155, Fasc. 15, Rn. 46. 71 Cass. civ. 1ère 6.12.1983 Bull. civ. I, Nr. 287; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-1 Rn. 22; dazu Giese, Dommages-intérêts, S. 56 ff. Str. Berücksichtigung der Versicherung des Schädigers, dafür: Schnyder, Basler Kommentar, Art. 43 OR Rn. 14; abl. Brehm, BernerKomm, Art. 43 OR Rn. 67; Stein, Genugtuung, S. 7. 72 Thüsing, VersR 2001, 285, 289. 73 Z. B. Cass. civ. 2ème 4.2.1982 JCP 1982, Éd. G, II, 19894; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-1 Rn. 16, 25; Viney/Jourdain, Conditions, Rn. 787; s. Giese, Dommages-intérêts, S. 100 ff.; Schernitzky, Immaterieller Schaden, S. 10 f. 74 Art. 3 Abs. 2 Code de la procédure pénal; dazu Viney, Conditions, Rn. 97 ff.; s. auch v. Bar/Gotthardt, Deliktsrecht, Frankreich S. 15 f. 75 Vgl. z. B. § 6.E.II.3.b. (Entschädigung empfindungsunfähiger Geschädigter), S. 346.

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verfahren materielle und immaterielle Einbußen zum ersatzfähigen Schaden zählt.76 Als ideelle Schäden gelten alle Schäden, die nicht das Vermögen betreffen (negative Abgrenzung).77 Positiv umschrieben handelt es sich um alle Beeinträchtigungen des physischen und psychischen Wohlbefindens, zu denen auch reine Gefühlsschäden zählen.78 Der immaterielle Schaden ist somit ein Gefühlsschaden, so dass es auf die tatsächlich empfundene Trauer, den Schmerz und das Leid ankommt, die das Wohlbefinden des Geschädigten beeinträchtigen.79 Teilweise wird hingegen ein objektiver Schadensbegriff favorisiert, der auf die Rechtsgutsverletzung abstellt und die Entschädigung nach deren Umfang und Intensität bemessen will, ohne dass es auf das Empfinden des Geschädigten ankommt.80 Dieses Verständnis hat sich bisher nicht durchgesetzt. Nur bei Geschädigten, die durch den Schadensfall empfindungsunfähig geworden sind, stellt die Cour de cassation auf die Rechtsgutsverletzung ab.81 Das französische Haftungsrecht unterliegt gegenwärtig einer Revision. Eine Expertengruppe hat dazu im September 2005 einen Vorentwurf für eine Reform des Code civil vorgelegt (Rapport Catala), dessen sich die Regierung angenommen hat.82 Die ursprüngliche Idee, die vertragliche und deliktische Haftung in einem Untertitel mit gemeinsamen allgemeinen Vorschriften zu regeln, verfolgt der Gesetzgeber indes nicht weiter. Der Kabinettsentwurf für die Reform des Vertragsrechts enthält eigenständige Regelungen für die vertragliche Haftung, wohingegen ein solcher Entwurf für die außervertragliche Haftung noch aussteht. Der dem Gesetzgebungsvorhaben zugrunde liegende Rapport Catala will den aktuellen Stand der Rechtsprechung aufnehmen und eine Reihe von Punkten regeln, über die in Rechtsprechung und Literatur Divergenzen bestehen.83 Der Ausgleich immaterieller Schäden soll nicht eingeschränkt werden. Der Rapport Catala schlägt aber die Regelung einer Privatstrafe vor, um das Schadensersatzrecht bei lukrativen Delikten zu ergänzen und den Rechtgüterschutz zu verbessern (Art. 1371).

76 „tous chefs de dommages, aussi bien matériels que corporels ou moraux, qui découleront des faits objects de la poursuite“; dazu Mazeaud/Tunc, Responsbilité, Bd. I, Rn. 301 f. 77 Mazeaud/Tunc, Responsbilité, Bd. I, Rn. 301 f.; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-12, Rn. 1. 78 Mazeaud/Tunc, Responsbilité, Bd. I, Rn. 293, 295; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 2021-2, Rn. 2. 79 Cass. ass. plèn. 19.12.2003 JCP 2004, Éd. G, II, 10008; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-1, Rn. 72, Fasc. 202-1-2, Rn. 1; Viney, Effets, Rn. 146; s. dazu Schwartz, Zufügung, S. 54. 80 Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 95 Rn. 32. 81 Siehe unten § 6. E.II.3.b., S. 346. 82 Französische Fassung: www.justice.gouv.fr/art_pix/RAPPORTCATALASEPTEMBRE2005.pdf, zuletzt am 10.10.2012; deutsche Fassung: ZEuP 2007, S. 633 ff. 83 Viney, Rapport Catala, S. 143.

300 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen IV. England Im englischen Recht beruht der Ausgleich immaterieller Schäden sowohl auf dem common law als auch auf gesetzlichen Regelungen. Das common law, das sich durch die binding precedents in den gerichtlichen Entscheidungen entwickelt, ist von einem aktionenrechtlichen Denken geprägt. Daher ist das Schadensersatzrecht für die vertragliche bzw. deliktische Haftung nicht einheitlich ausgebildet. Die Auseinandersetzung mit dem Schadensersatz als Rechtsfolge und Klageziel (remedy) erfolgt vielmehr klagebezogen.84 Somit entwickelte sich der Ausgleich immaterieller Schäden jeweils im Rahmen der einzelnen Klageart (cause of action), so dass sich verallgemeinernde Aussagen nur mit Vorsicht treffen lassen. Daneben enthalten die gesetzlichen Bestimmungen eigene Rechtsfolgenanordnungen, die den Ausgleich von Nichtvermögensschäden regeln.85 Bei deliktischem Handeln ist auf die speziellen Klagegründe des Deliktsrechts zurückzugreifen. Bei einer vertraglichen Pflichtverletzung ist wegen breach of contract zu klagen, der materielle und immaterielle Einbußen gleichbehandelt, aber voraussetzt, dass der Schaden vorhersehbar war.86 Der Ausgleich ideeller Schäden scheitert häufig an der Vorhersehbarkeit.87 Darüber hinaus scheint der Vertragszweck die Entschädigung immaterieller Einbußen bzw. deren Ablehnung zu beeinflussen.88 Sofern der Vertragszweck darauf gerichtet ist, dass der Gläubiger frei von Angst und Leid sein oder Vergnügen, Entspannung oder innere Ruhe erleben soll, kommt die Entschädigung ideeller Einbußen in Betracht.89 Das gelte bei Verträgen über Urlaubsreisen und Begräbnisse, aber auch bei Vereinbarungen darüber, einen anderen nicht zu belästigen oder vor Belästigungen zu schützen.90 Bei der Kündigung eines Arbeitsvertrags wird trotz Vorhersehbarkeit der emotionalen Belastung keine Entschädigung gewährt.91 Schließlich kommt ein Ersatz immaterieller Einbußen in Betracht, wenn infolge des Vertragsbruchs ein Personenschaden eingetreten und dem Vertragspartner zurechenbar ist.92 84

Allen/Harthorne/Martin, Damages, Rn. 2-002 f.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 94. Siehe unten zum Diskriminierungsrecht § 6.E.IV.4., S. 376 ff. 86 Hadley v. Baxendale [1854] 156 ER 165 (Courts of Exchequer, per Alderson); Heywood v. Wellers [1976] 1 Q.B. 446, 447, 459 (CA, per Denning); Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-026 ff. 87 Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 56; s. auch Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 109 f. 88 Watts v. Morrow [1991] EWCA Civ 9 (CA, per Gibson). 89 Watts v. Morrow [1991] EWCA Civ 9 (CA, per Gibson); Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-025 f.; McGregor, Damages, Rn. 3-022 ff.; Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 56. 90 Heywood v. Wellers [1976] Q.B. 446, 459 (CA, per Denning); Reed v. Madon [1989] Ch. 408, 426 (ChD, per Morritt). 91 Bliss v. South East Thames Regional Health Authority [1987] ICR 700, 717 f. (CA, per Dillon). 92 Rogers, in: Koch/Koziol, Compensation, S. 76, 78. 85

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Grundsätzlich unterscheidet auch das common law zwischen Vermögensund Nichtvermögensschäden (pecuniary/non-pecuniary losses), auch wenn kein umfassendes Konzept für non-pecuniary losses besteht93. Als Nichtvermögensschäden gelten alle Schäden, die keinen Geldwert haben und sich daher nicht auf das Vermögen auswirken.94 Die Gerichte legen regelmäßig ein subjektives Schadensverständnis zugrunde und stellen auf den erlittenen Gefühlsschaden ab. Die Entschädigung von Schmerzen und Leiden (damages for pain and suffering) setzt daher voraus, dass der Geschädigte wahrnehmungs- und empfindungsfähig ist.95 Für die Entschädigung des Verlusts an Lebensfreude (damages for loss of amenities) legt das House of Lords indes eine objektive Betrachtung zugrunde und setzt nicht voraus, dass der Geschädigte etwas empfindet.96 Daher enthält der Geschädigte, der infolge eines Unfalls empfindungsunfähig wurde, zwar keinen Ausgleich für erlittene Schmerzen, aber eine Entschädigung für den Verlust an Lebensfreude. Der ideelle Schaden gilt trotz seiner Inkommensurabilität als ersatzfähig.97 Das common law kennt grundsätzlich keine Naturalrestitution. Der Schaden wird durch einen pauschalen Betrag kompensiert, der anhand von Erfahrungswerten und des Vergleichs mit ausgeurteilten Entschädigungen bei ähnlichen Einbußen ermittelt wird.98 Das englische Recht beschränkt sich aber nicht nur auf den kompensatorischen Schadensersatz, der auf vollständigen Schadensausgleich zielt. Daneben ist der symbolische Schadensersatz in Form der nominal damages und der contemptuous damages sowie in bestimmten Fallgruppen ein Strafschadensersatz (exemplary damages) anerkannt.99 Zudem haben sich in den letzten Jahren restitutionary damages entwickelt, die nicht die Kompensation eines Schadens bezwecken, sondern auf Abschöpfung des Verletzergewinns zielen (account of profits).100

C. Funktion der Entschädigung immaterieller Einbußen I. Ausgleichsfunktion Die Entschädigung der immateriellen Schäden erfolgt in den dargestellten Rechtsordnungen mit dem Ziel, die erlittenen Schmerzen, Leiden und Unlust-

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Rogers, in: Magnus, Damages, S. 54; s. auch Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 999. McGregor, Damages, Rn. 1-021; Munkmann, Damages, S. 12. 95 Siehe unten § 6.E.II.4., S. 347 f. 96 Siehe unten § 6. E.II.4., S. 347. 97 Z. B. Flechter v. Autocar & Transporters [1968] 1 All E.R. 726, 734 (CA, per Denning); Wright v. BRB [1983] 2 All E.R. 699 f. (HL, per Lord Diplock); McGregor, Damages, Rn. 1-002. 98 Wright v. BRB [1983] 2 All E.R. 699 f. (HL, per Lord Diplock); s. auch Rogers, in: Magnus, Damages, S. 54. 99 Siehe unten § 6.C.III., S. 305. 100 Siehe unten § 6.E.III.4.c., S. 368. 94

302 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen gefühle umfassend auszugleichen.101 In der Vergangenheit wurde dem Schadensersatz zwar teilweise eine pönale Funktion zugesprochen, diese Ansichten sind aber überwunden. Vielmehr wird explizit darauf verwiesen, dass sich der Schaden zwar nicht in Geld messen lasse, der Geschädigte sich aber andere Annehmlichkeiten oder Erleichterungen verschaffen könne.102 Diese Begründung dient ebenso wie im deutschen Recht nur als Metapher. Für die Bemessung der Entschädigung kommt es nicht darauf an, was der Geschädigte benötigt, um sich positive Emotionen zu verschaffen, oder ob er dazu bereit ist, sein Leid als ausgeglichen oder gemindert zu betrachten. Besonderheiten ergeben sich im englischen Recht, das beim Schadensersatz zwischen compensatory, aggravated, nominal und exemplary damages unterscheidet. Die verschiedenen Funktionen des Schadensersatzes sind nicht in einer Entschädigung vereint, sondern werden separat durch unterschiedliche Rechtsfolgen (remedies) verwirklicht. Die compensatory damages dienen dem Ausgleich des konkreten Schadens.103 Die Entschädigung soll bei immateriellen Schäden die Situation des Geschädigten verbessern und einen ungefähren Ausgleich für den inkommensurablen Schaden gewähren.104 Zum Teil wird angenommen, dass die compensatory damages auch erzieherische Wirkung haben und sozialschädliches Verhalten verhindern.105 Vereinzelt wird ihnen so-

101 Österreich: OGH 9.5.1985 JBl. 1986, 114, 115; F. Bydlinski, JBl. 1965, 237, 253; Karner/ Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 24; Klang/Wolff, ABGB, Bd. VI, S. 136; Koziol/Welser, Grundriss, Bd. II, S. 301; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 43; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1325 Rn. 63; Schweiz: st. Rspr., BG 10.10.1997 BGE 123 III 10, 15; 19.1.2006 BGE 132 II 117, 119; z. B. Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 Rn. 9; Gurzeler, Genugtuung, S. 156 ff.; Honsell, Haftpflichtrecht, S. 105; Keller, Haftpflichtrecht, S. 120; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 17; Oftinger, Haftpflichtrecht, Bd. I, S. 286, 289; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.02; Tercier, Mélanges Deschenaux, S. 307, 314 f.; s. auch v. Tuhr/Peter, Obligationenrecht AT, Bd. I, S. 127; a. A. Herrmann, Umfang des Schadens, S. 159 f.; Frankreich: Agostinelli, Information, Rn. 690 f.; Mazeaud/Tunc, Responsabilité, Bd. I, Rn. 313; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-1 Rn. 16; England: Allen/Hartshorne/ Martin, Damages, Rn. 9-068; Tettenborn, Damages, Rn. 1.34, 1.36; dazu auch Winter, Wiedergutmachung, S. 233 ff. 102 Österreich: st. Rspr., OGH 22.11.1988 ZVR 1989, 147, 148; 14.11.1989 ZVR 1990, 309; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 25; Koziol/Welser, Grundriss, Bd. II, S. 344; Kath, Schmerzensgeld, S. 35; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 43; Steininger, FS Wilburg, S. 181, 202; Schweiz: st. Rspr., BG 12.5.1989 BGE 115 II 156, 158; 10.10.1997 BGE 123 III 10, 15; 19.1.2006 BGE 132 II 117, 119; Honsell, Haftpflichtrecht, S. 105; Oftinger, Haftpflichtrecht, Bd. I, S. 289; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.02; krit. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 15.; Frankreich: Kayser, Protection, Rn. 197; dazu Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 94 Rn. 31; England: Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-07; Tettenborn, Damages, Rn. 1.36. 103 Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 942, 951 ff. 104 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 1-011; Munkman, Damages, S. 14 f.; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-22. 105 Abraham/Jeffries, J.Leg.Stud. 18 (1989), 415, 416.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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gar eine strafende Wirkung zuerkannt.106 Seit der Entscheidung des House of Lords in Rookes v. Barnard, in der allein dem Strafschadensersatz (exemplary damages) eine strafende Wirkung beigemessen wird, sind diese Überlegungen zumindest für die Rechtsprechung überholt.107 Zudem zielen compensatory damages nicht final auf Abschreckung, vielmehr handelt es sich dabei um einen Nebeneffekt.108 Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das englische Recht bei den compensatory damages zwischen special und general damages unterscheidet. Special damages werden nur für bereits entstandene und berechenbare Schäden gewährt, deren Umfang und Kausalität zu beweisen ist.109 General damages erfassen hingegen Schäden, die typischerweise aus einer Verletzung resultieren. Daher lassen sich alle zukünftigen, nicht exakt berechenbaren Vermögensschäden sowie alle Nichtvermögensschäden allein durch general damages ausgleichen.110 Die Entschädigung immaterieller Einbußen kann daher nur auf der Grundlage solcher Klagen gewährt werden, die als Klageziel general damages zulassen. II. Genugtuungsfunktion Eine selbständige Genugtuungsfunktion, die die Entschädigung als Mittel zur Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls ansieht, ist weder im schweizerischen noch im österreichischen Schadensersatzrecht für die Entschädigung von Nichtvermögensschäden anerkannt.111 Die Genugtuung des Geschädigten wird höchstens als Nebeneffekt angesehen.112 Grundsätzlich gilt das auch im französischen Recht, wo nur der Entschädigung wegen einer Persönlichkeitsverletzung teilweise eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion beigemessen wird.113 Das englische Recht kennt hingegen eine besondere Form des Schadensersatzes, die aggravated damages. Sie gehören funktional zum kom106

Ogus, Damages, S. 32 (für den kompensatorischen Schadensersatzes); anders Browning v. War Office [1963] 1 Q.B. 750, 758 (CA, per Denning). 107 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 367, 369, 407 (HL, per Devlin). 108 Tettenborn, Damages, Rn. 1.41. 109 The Susquehanna [1926] All E.R. 127 (HL, per Dunedin); McGregor, Damages, Rn. 1031, 1-033; Markesinis/Deakin, Tort, S. 941. 110 McGregor, Damages, Rn. 1-031 ff. 111 Österreich: Karner, Ersatz, S. 132; Kath, Schmerzensgeld, S. 35; Prisching, Schadensersatz, S. 42 f.; Schweiz: BG 12.5.1989 BGE 115 II 156, 158; 10.10.1997 BGE 123 III 10, 15 f.; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 36 ff.; Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 7; Gurzeler, Genugtuung, S. 157 f., 161 ff.; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 21 ff., 25; Tercier, Contribution, S. 100 ff.; Vuille-Dit-Bille, Persönlichkeitsverletzung, S. 27 ff.; a. A. Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 120 f.; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 23. 112 Strasser, Immaterieller Schaden, S. 57; ähnlich Apathy/Riedler, Schuldrecht BT, Rn. 13/2. 113 Ravanas, Protection, Rn. 350; krit. Agostinelli, Information, Rn. 690, 698 f.; Carval, Responsabilité, Rn. 33 f.; dazu Bartnik, Bildnisschutz, S. 270 f.

304 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen pensatorischen Schadensersatz und können nur gefordert werden, wenn der Schädiger vorsätzlich handelte, die Gefühle des Geschädigten verletzte und ihn besonderen seelischen Belastungen aussetzte.114 Aggravated damages sollen den erhöhten Schaden ausgleichen und dem Geschädigten für das erlittene Ungemach Genugtuung verschaffen.115 Im Vordergrund stehen vor allem grobe Verletzungen des guten Rufs und des Gefühls sowie Persönlichkeitsverletzungen durch anmaßendes, böswilliges oder tyrannisches Verhalten, in denen der Schaden über das normale Maß hinausgeht.116 Aggravated damages treten insoweit neben compensatory damages und erhöhen den kompensatorischen Schadensersatz angesichts des höheren Schadens, so dass es sich weder um einen Strafschadensersatz noch um ein Tertium zwischen Schadenskompensation und Strafe handelt.117 Eine eigene Bedeutung haben aggravated damages im englischen Recht vor allem seit der Beschränkung des Strafschadensersatzes (exemplary damages) durch Rookes v. Barnard im Jahre 1964, da sie tatbestandlich keinen vergleichbaren Einschränkungen unterliegen.118 Zudem sind sie im Gegensatz zu exemplary damages in die Haftpflichtversicherung einbezogen und vererblich.119 Die Abgrenzung zwischen beiden Entschädigungen beruht auf den unterschiedlichen Zwecksetzungen und ist praktisch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.120 Gerade die Festlegung der aggravated damages auf die vorsätzliche Schädigung birgt die Gefahr, dass verdeckt eine pönale Sanktion erfolgt, obwohl diese eigentlich den exemplary damages vorbehalten ist.

114 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 407, 411 f. (HL, per Devlin); Cassel & Co Ltd v. Broome [1972] 1 All E.R. 825 f. (HL, per Hailsham); Thompson v. Commissioner of Police of the Metropolis [1998] Q.B. 498, 512, 517 (CA, per Woolf); Khodaparast v. Shad [2000] 1 W.L.R. 618, 632 (CA, per Stuart-Smith); Law Commission, Report No. 247, S. 3, 10 f.; Tettenborn, Damages, Rn. 2.20; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-8; s. auch Rogers, in: Magnus, Damages, S. 54. 115 Siehe Fn. 114. 116 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 407 (HL, per Devlin); A.B. v. South West Water Services Ltd [1993] 1 All E.R. 609, 624 f. (CA, per Stuart-Smith); Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-8. 117 Thompson v. Commissioner of Police of the Metropolis [1998] Q.B. 498, 512, 517 (CA, per Woolf); Rowlands v. Chief Constable of Merseyside Police [2006] 1 W.L.R. 1065, 1074 f. (CA, per Moore-Bick), die aber zugleich darauf verweisen, dass aggravated damages ein „penal element even if not punitive“ seien. 118 Zuvor sprach das Gericht meist damages at large zu, ohne zu differenzieren; dazu Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 412 (HL, per Devlin); Law Commission, Report No. 247, S. 11, 53; Tettenborn, Damages, Rn. 2.20. 119 Law Commission, Report No. 247, S. 10, 90 (zum Ausschluss der Vererblichkeit und Versicherbarkeit der exemplary damages, die von den aggravated damages unterschieden werden). 120 Thompson v. Commissioner of Police of the Metropolis [1998] Q.B. 498, 512, 517 (CA, per Woolf); Rowlands v. Chief Constable of Merseyside Police [2006] 1 W.L.R. 1065, 1074 (CA, per Moore-Bick).

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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III. Symbolischer bzw. feststellender Schadensersatz Eine besondere Form eines Schadensersatzes ist der symbolische Schadensersatz. Die Gerichte sprechen einen minimalen Betrag zu, um die Rechtswidrigkeit der Schädigung festzustellen und den Geschädigten in seinem Recht zu bestätigen.121 Ein symbolischer Schadensersatz ist in der Schweiz, Frankreich und England bekannt, in Österreich hingegen nicht122. In der Schweiz erfolgt eine Verurteilung auf einen symbolischen Franken oder einen substantiellen Betrag zugunsten einer wohltätigen oder kulturfördernden Einrichtung.123 Auch in Frankreich sprechen die Gerichte einen Euro symbolique zu, um das Interesse an der Feststellung einer rechtswidrigen Schädigung zu befriedigen, obwohl eine schlichte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Handlung, eine condemnation de principe, verboten ist.124 Ein Euro symbolique wird bei geringfügigen Beeinträchtigungen und Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährt, wenn kein (nennenswerter) Schaden nachweisbar ist oder der Kläger nicht in Verdacht geraten will, die Klage zur Gewinnerzielung zu nutzen.125 Auch das englische Recht kennt den symbolischen Schadensersatz (nominal damages) bei allen deliktischen Klagen, deren Klagegrund keinen Schadensnachweis voraussetzt (torts actionable per se).126 Sofern der Kläger keinen konkreten Schaden darlegen kann, erhält er einen geringfügigen Betrag, der dem verletzten Recht angesichts der unerlaubten Handlung Geltung verschaffen soll.127 Seit der Anerkennung der Feststellungsklage und der Entwicklung des vorläufigen Rechtsschutzes haben nominal damages an Bedeutung verloren und dienen hauptsächlich dazu, dem Beklagten infolge der Verurteilung die Verfahrenskosten aufzuerlegen, was aber nicht in jedem Fall erfolgt.128 Daneben existieren im englischen Recht contemptuous damages, die an die Stelle der compensatory damages treten, wenn die Klage zu missbilligen ist, weil der Kläger wegen einer geringfügigen Beeinträchtigung klagt oder es verdient hat, 121 Carval, Responsabilité, Rn. 28; Galand-Carval, in: Magnus, Damages, S. 77, 79; Kayser, Protection, Rn. 199. 122 Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 25. 123 BG 13.9.1991 BGE 117 IV 270, 273; Brehm, Berner Kommentar, Art. 49 OR Rn. 97 ff.; Engel, Traité des obligations, S. 526; Hausheer/Aebi-Müller, Personenrecht, Rn. 14.61; Widmer, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 41. 124 Viney/Jourdain, Conditions, Rn. 270; s. auch v. Bar/Gotthardt, Deliktsrecht, Frankreich, S. 26; Bartnik, Bildnisschutz, S. 276. 125 CA Paris 28.2.1989 JCP 1989, Éd. G, II, 21325; TGI Nanterre 12.11.2001 LP 2002, Nr. 188-I, 14 (nur zur Gewährung des franc symbolique); Kayser, Protection, Rn. 199; s. dazu F. Schubert, Wert des Individuums, S. 227 f. 126 Z. B. trespass to land, trespass to person, libel, false imprisonment, breach of contract. 127 The Mediana [1900-3] All. E.R. 127, 129 (HL, per Halsbury); Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-002 f.; McGregor, Damages, Rn. 10-002 ff.; Tettenborn, Damages, Rn. 2.17; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-7. 128 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-003; McGregor, Damages, Rn. 10-009 f.

306 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen dass der Schädiger ihn so behandelt hat.129 Die Klage wird nicht wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen, sondern der Schadensersatz wird faktisch versagt, indem symbolisch die kleinste Münze zugesprochen wird.130 Das ist im Grunde nicht mehr als die Feststellung der rechtswidrigen Rechtsverletzung. IV. Präventionsfunktion Bei der Prävention zukünftiger Rechtsverletzungen durch die Auferlegung von Entschädigungsansprüchen ist im Rahmen der Rechtsvergleichung zwischen der Prävention als Nebeneffekt des Schadensausgleichs und der selbständigen Präventionsfunktion zu unterscheiden, die eine Erhöhung der Entschädigung über den konkreten Schaden hinaus erlaubt, um den Schädiger abzuschrecken und verhaltenssteuernd auf ihn einzuwirken. Nur soweit eine selbständige Präventionsfunktion anerkannt ist, bleibt zu untersuchen, ob der Schadensersatz mit einer Privatstrafe in Form eines Strafschadensersatzes gleichgesetzt wird. Das österreichische Zivilrecht sieht in der Prävention einen Nebeneffekt des Schadensersatzes131, weist ihm aber keine selbständige Präventionsfunktion zu132. Auch für die Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt nichts anderes. Karner und Koziol lehnten die Präventionsfunktion in ihrem Gutachten für den Österreichischen Juristentag 2003 ausdrücklich ab133, weil die Entschädigung der unterschiedlichen Nichtvermögensschäden ansonsten verzerrt werde und die Gewinnabschöpfung nach dem Bereicherungsrecht vorzugswürdig sei.134 Auch die Reform des Schadensersatzrechts zielt nach dem Entwurf der Arbeitsgruppe nicht auf die Einführung einer selbständigen Präventionsfunktion. § 1292 Abs. 1 des Entwurfs ordnet zwar dem Schadensersatz die Aufgabe zu, „Schaden auszugleichen und zugleich einen Anreiz zu schaffen, Schäden zu vermeiden“. Koziol weist als Mitglied der Arbeitsgruppe darauf hin, dass die Ausgleichsfunktion bewusst betont wird, um einem Strafschadensersatz und einer selbständigen Präventionsfunktion entgegenzutreten.135 Zudem sei die Prävention als Nebeneffekt des Schadensersatzes seit langem 129 Pamplin v. Express Newspapers Ltd [1988] 1 All E.R. 283, 289 f. (CA, per Neill); Allen/ Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-004; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 942; Tettenborn, Damages, Rn. 2.17; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-6. 130 Pamplin v. Express Newspapers Ltd [1988] 1 All E.R. 283, 289 f. (CA, per Neill); Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-6. 131 Koziol/Welser, Grundriss, Bd. II, S. 301; Strasser, Immaterieller Schaden, S. 57; ähnlich Apathy/Riedler, Schuldrecht BT, Rn. 13/2. 132 F. Bydlinski, Liber Amicorum Widmer, S. 27, 30 ff.; P. Bydlinski, Grundzüge, S. 201; Karner, Ersatz, S. 132; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 25; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1325 Rn. 64. 133 Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 29 f. 134 Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 31. 135 Koziol, in: Griss/Kathrein/Koziol, Entwurf, S. 32; Koziol, JBl. 2006, 768, 769.

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anerkannt.136 Das erklärt indes nicht, warum ein solcher Nebeneffekt des Schadensausgleichs eigens in der Norm zu nennen ist, zumal das die Gefahr birgt, dass die Regelung zum Anknüpfungspunkt für die Entwicklung einer selbständigen Präventionsfunktion wird. Auch in der Schweiz wird dem Genugtuungsanspruch ganz überwiegend keine selbständige Präventionsfunktion beigemessen.137 Abgrenzend wird auf die Entschädigungsansprüche in Art. 336a, 337c Abs. 3 OR wegen missbräuchlicher oder grundloser außerordentlicher Kündigung verwiesen, die im Gegensatz zu den Ansprüchen auf Schadensersatz und Genugtuung einen pönalen Charakter haben.138 Zwischen Privatstrafe und selbständiger Präventionsfunktion wird nicht unterschieden. Auch das englische Recht weist dem Schadensersatz in Form der compensatory damages nur eine Ausgleichsfunktion zu, so dass die abschreckende Wirkung ein Nebeneffekt ist.139 In Frankreich findet die Präventionsfunktion des Schadensersatzanspruchs keine besondere Erwähnung. Das gilt sogar für die Autoren, die in der Entschädigung immaterieller Schäden eine Privatstrafe sehen.140 Auch der Rapport Catala zur Reform des Code civil enthält keine ausdrückliche Regelung. Nur mittelbar kommt der Präventionsgedanke zum Ausdruck, da der Richter im Rahmen der Naturalrestitution auf Antrag des Geschädigten Maßnahmen anordnen kann, um weitere Schäden zu vermeiden (Art. 1369-1), und der Geschädigte zudem die Kosten für die Abwendung unmittelbar drohender Schäden verlangen kann (Art. 1344). Dabei handelt es sich aber nicht um eine selbständige Präventionsfunktion, die einen überkompensatorischen Schadensersatz begründen kann, sondern um Ergänzungen des Schadensersatzrechts mit präventiver Wirkung. V. Strafschadensersatz 1. Strafschadensersatz in Österreich, der Schweiz und Frankreich a) Zum pönalen Charakter der Entschädigung Die hier untersuchten Rechtsordnungen des civil law messen dem Schadensersatz grundsätzlich keine Straffunktion (mehr) bei, wenngleich sich im französischen Zivilrecht verstärkt eine Gegenbewegung zugunsten eines Strafschadensersatzes formiert hat. Das österreichische Privatrecht beschränkt den 136 Koziol, JBl. 2006, 768, 769; krit. Reischauer, ÖJT 2006, 391, 402, der die präventive Wirkung der Schadensersatzpflicht bei der Gefährdungshaftung sowie bei Vorliegen einer Versicherung bestreitet. 137 Gegen eine überkompensatorische Entschädigung: Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 14; Gurzeler, Genugtuung, S. 157 f.; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 19. 138 Gurzeler, Genugtuung, S. 157. 139 Tettenborn, Damages, Rn. 1.41. 140 Siehe unten § 6.C.V.1.a., S. 308 f.

308 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Schadensersatz auf den Ausgleich des konkreten Schadens141, eine Straffunktion ist nicht anerkannt142. In der Schweiz wurde der Genugtuung wegen ihrer Abhängigkeit vom Verschulden nach Art. 49 OR143 zunächst eine Straffunktion zugesprochen. Mit der Streichung dieser Voraussetzung wurde dieses Verständnis aber aufgegeben.144 Eine Minderansicht will das Verschulden zwar weiterhin genugtuungserhöhend berücksichtigen,145 das begründet aber nicht zwingend eine Straffunktion der Entschädigung. Eine Sanktion mit strafendem Charakter enthält das schweizerische Privatrecht gesondert von Schadensersatz und Genugtuung in Form der sog. Entschädigung, die bei missbräuchlichen und diskriminierenden Kündigungen sowie bei Diskriminierungen allgemein verhängt wird und zugleich straft sowie die erlittenen Schäden ausgleicht.146 In Frankreich galt der Ausgleich ideeller Schäden zwar vor der Regelung des Code civil als Privatstrafe,147 die sog. action criminielle privée des altfranzösischen Rechts wurde aber nicht in den Code civil übernommen, so dass die überwiegende Ansicht die Entschädigung heute nicht als Privatstrafe qualifiziert148. Die Gegenansicht verweist hingegen darauf, dass der Strafgedanke dem französischen Recht nicht fremd sei.149 Das dokumentiere die astreinte, die als ein vom Gericht verhängtes Strafgeld die Erfüllung zivilrechtlicher Ansprüche sichern und durchsetzen soll. Die Entschädigung ideeller Einbußen sei zudem wegen ihrer Inkommensurabilität keine Kompensation, so dass es sich um eine Privatstrafe handeln müsse, die das Zufügen von Gefühlsschäden sanktioniert.150 Darüber hinaus gehen einige Autoren davon aus, dass unaus141 Ausnahme: § 87 Abs. 3 öUrhG (doppelter Schadensersatz); s. dazu OGH 26.5.1998 GRUR Int. 1999, 182, 184; keine Parallelregelung für das Patent- oder Geschmacksmusterrecht. 142 F. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 343 ff.; Schwimann/Harrer, ABGB, Vor §§ 1293 ff. Rn. 4; krit. Kletečka, ÖJZ 2008, 785 ff.; Kocholl, Punitive Damages, S. 76 ff. 143 Siehe oben § 6.B.II., S. 294 ff. 144 BG 12.5.1989 BGE 115 II 156, 158; 10.10.1997 BGE 123 III 10, 15 f.; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 36 ff., Art. 49 Rn. 18; Herrmann, Umfang des Schadens, S. 135 ff., 157 f.; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 21 ff., 25; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 7 ff.; Tercier, Contribution, S. 100 ff.; v. Tuhr/Peter, Obligationenrecht AT, Bd. I, S. 127. 145 Inderkum, Schadenersatz, S. 143 f.; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 120 f.; Widmer, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 42; s. entschädigungserhöhendes Verschulden: Dasser, SJZ 2000, 101, 105. 146 Siehe unten § 6.E.IV.2., S. 372 f. 147 Dazu Mazeaud/Tunc, Responsabilité, Bd. I, Rn. 297 ff., 304 ff. 148 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 92; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-1 Rn. 16 f.; s. auch Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 94 f. Rn. 29 ff.; Borghetti, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 55, 56; Schernitzky, Schadensersatz, S. 9 f. 149 Carval, Responsabilité, Rn. 22 ff., 115 ff., 157 ff.; Kayser, Protection, Rn. 197; vgl. Planiol/Ripert/Esmein, Droit civil, Bd. VI, Rn. 546; s. auch Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 2021-2, Rn. 3. 150 Siehe Fn. 149.

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gesprochen ein Strafschadensersatz im Gewand des einfachen Schadensersatzes verhängt wird.151 Das gelte insbesondere bei der Entschädigung immaterieller Schäden, die die Rechtsprechung wegen einer Persönlichkeitsverletzung mit Gewinnerzielungsabsicht zuspricht.152 Zudem lasse die Rechtsprechung bei Persönlichkeitsverletzungen für den Schadensersatz generell die Rechtsverletzung ausreichen, um eine Entschädigung zuzusprechen.153 Auch bei Verletzungen des Wettbewerbsrechts werde ein überkompensatorischer Schadensersatz gewährt.154 Zum Teil wird auch auf die Rechtsfolgen bei der Verletzung des geistigen Eigentums verwiesen, die die Richtlinie 2004/48/EG umsetzen.155 Einen Vorschlag für die Einführung einer Privatstrafe enthält nunmehr der Rapport Catala zur Reform des Code civil. Nach Art. 1371 des Entwurfs soll dem Richter erlaubt sein, bei offenkundig pflichtwidrigem Handeln, insbesondere wenn der Schädiger mit Gewinnerzielungsabsicht agiert, auf eine Entschädigung mit Privatstrafencharakter zu erkennen.156 Ein kompensatorischer Schadensersatz sei in diesen Fällen nicht ausreichend.157 Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Entschädigung immaterieller Einbußen grundsätzlich dem Schadensausgleich dient und nur in Ausnahmefällen pönalen Charakter haben soll. Der Rapport Catala unterscheidet insoweit nicht zwischen selbständiger Präventionsfunktion und Privatstrafe, sondern setzt den überkompensatorischen Schadensersatz mit der Privatstrafe gleich, ohne das zu erläutern. Der Aufschlag auf die Entschädigung geht grundsätzlich an den Geschädigten. Das Gericht kann aber anordnen, dass er teilweise dem allgemeinen Haushalt zufließt. In jedem Fall sei der Aufschlag vom Richter gesondert auszuweisen und könne nicht versichert werden.158 Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Strafaufschlag verhaltenssteuernd wirkt. Zudem bleiben seine Auferlegung sowie seine Höhe überprüfbar.

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Viney, Effets, Rn. 64; dazu Borghetti, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 55, 63 f.; Carval, RDC 2006, 822, 823. 152 Siehe unten § 6.E.III.3., S. 358 ff. 153 Carval, Responsabilité, Rn. 24 f.; Ravanas, Protection, Rn. 350; dazu Borghetti, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 55, 64. 154 Carval, Responsabilité, Rn. 129; dies., RDC 2006, 822, 823; Fasquelle, Gaz. Pal. 2001, Doctr., 1681, 1684; dazu Borghetti, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 55, 65 f. 155 Borghetti, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 55, 59 f. Siehe zur Richtlinie 2004/ 48/EG und ihre Umsetzung im nationalen Recht § 8.B.II.2, S. 442 ff., § 18.A.II., S. 797 ff. 156 Art. 1371 Rapport Catala: „L’auteur d’une faute manifestement délibérée, et notamment d’une faute lucrative, peut être condamné, outre les dommages-intérêts compensatoires, à des dommages-intérêts compensatoires, à des dommages-intérêts punitifs dont le juge a la faculté de faire bénéficier pour une part le Trésor public. La décision du juge d’octroyer de tels dommagesintérêts doit être spécialement motivée et leur montant distingué de celui des autres dommagesintérêts accordés à la victime. Les dommages-intérêts punitifs ne sont pas assurables.“. 157 Dazu Viney, Rapport Catala, S. 148. 158 Siehe Fn. 156.

310 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Die Reaktionen auf den Reformvorschlag waren geteilt.159 Die Kritik verweist auf die unpräzise Beschreibung der Verschuldensanforderungen im Entwurf160, die fehlenden Kriterien für die Gewährung der Privatstrafe und die mangelnde Beschränkung des richterlichen Ermessens161. Die Anordnung des Gerichts, dass der Aufschlag an den Staatshaushalt zu zahlen sei, führe zudem zur Vermischung mit der Geldbuße und der astreinte.162 Insgesamt bleibt die Einführung eines Strafschadensersatzes in das französische Privatrecht in Theorie und Praxis hoch kontrovers. Mit einer alsbaldigen Verwirklichung des Reformvorschlags wird nicht gerechnet.163 b) L’astreinte Unabhängig von den Überlegungen zur Einführung einer Privatstrafe enthält das französische Vertragsrecht seit langem ein pönales Instrument zur Durchsetzung von Forderungen in Form der astreinte. Bei der Nichterfüllung einer Obligation kann der Richter festlegen, dass der Schuldner einen Geldbetrag – einen Globalbetrag oder einen Tages-, Wochen- oder Monatssatz – an den Gläubiger zahlen muss, wenn jener die Forderung nicht erfüllt.164 Der Richter droht die astreinte in einem ersten Urteil an und verhängt sie bei fortgesetzter Nichterfüllung durch ein zweites Urteil, das anschließend vollstreckt wird. Die astreinte tritt neben den Ersatz des konkreten Schadens und ist von ihm unabhängig.165 Ursprünglich leitete die Rechtsprechung die astreinte aus dem Schadensersatzrecht ab.166 Sie entwickelte sich allmählich zu einem Rechtsinstitut eigener Art, obwohl sie als Privatstrafe galt und mangels einer gesetzlichen Bestimmung stark umstritten war.167 Der Gesetzgeber regelte sie erstmals im Gesetz vom 5.7.1972 und ging dabei über die bereits entwickelte astreinte hinaus. Die Reform des Zivilprozesses änderte das damals geltende Gesetz Nr. 91-650 vom 9.7.1991 (Art. 33–37) durch das Gesetz Nr. 92-644 vom 13.7.1992 (Art. 51–53).168 159

Befürwortend z. B. Carval, RDC 2006, 822, 823 f.; Fabre-Magnan, Responsabilité, Rn. 158; aus schweizerischer Perspektive Wessner, RDC 2007, 171, 174 f.; aus deutscher Perspektive Lehmann, RDC 2007, 1427, 1443 f. 160 Rapport du groupe de travail de la Cour de cassation sur l’avant-projet de réforme du droit des obligations et de la prescription, 15.6.2007, Rn. 92. 161 Borghetti, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 55, 72; Carval, RDC 2006, 822, 825; Chany, JCP Éd. G, 2006, I, 149 Rn. 11; s. auch Wessner, RDC 2007, 171, 175 f. 162 Siehe Fn. 160; zust. zum Gesetzgebungsvorschlag insoweit Carval, RDC 2006, 822, 824. 163 Borghetti, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 55, 72 f. 164 Simler, JC, Art. 1136–1145, Fasc. 10 Rn. 126; Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rn. 1024. 165 Cass. civ. 1ère 28.2.1989 D. 1989, IR, 102; Simler, JC, Art. 1136–1145, Fasc. 10 Rn. 126; nunmehr Art. 34 Loi 91-650 v. 9.7.1991. 166 Simler, JC, Art. 1136–1145, Fasc. 10 Rn. 126; Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rn. 1025. 167 Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rn. 1025; s. auch Großfeld, Privatstrafe, S. 22 ff. 168 Dazu Chabas, D. 1992, Chron., 299.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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Die astreinte ist eine Privatstrafe, deren Androhung den Gläubiger zur Erfüllung seiner Verpflichtung bewegen soll.169 Sie ist bei allen zivil- und verwaltungsrechtlichen Forderungen zulässig, egal ob sie die Zahlung eines Geldbetrages oder ein anderes Tun oder Unterlassen zum Gegenstand haben.170 Jeder Richter kann über die Verhängung und die Höhe der astreinte nach richterlichem Ermessen entscheiden (art. 33 loi 91-650).171 Ihre Höhe muss eine Drohwirkung entfalten und hängt daher von den Umständen des Falles sowie den Verhältnissen des Schuldners ab. Sie muss höher sein als der durchschnittliche Vorteil, den der Schuldner aus der Nichterfüllung zieht.172 Ausgeschlossen ist die astreinte nur, wenn dem Schuldner die Erfüllung der Forderung unmöglich ist oder wenn es sich um eine höchstpersönliche Verpflichtung handelt.173 Die astreinte kann in zwei Formen verhängt werden: l’astreinte provisoire und l’astreinte définitive. Erstere droht das Gericht vorläufig an und kann ihre Höhe nachträglich während ihrer Liquidation erhöhen oder herabsetzen (art. 34 al. 2 loi 91-650).174 Dabei muss es das Verhalten des Adressaten der Verfügung und die Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Obligation berücksichtigen (art. 36 loi 91-650). Die astreinte définitive, die ausdrücklich zu verhängen ist, steht hingegen mit ihrer Androhung fest und lässt sich nachträglich nicht ändern.175 Sie ist erst zulässig, wenn die astreinte provisoire erfolglos war (art. 34 al. 3 loi 91-650).176 Die Gerichte beurteilen die astreinte stets im Einzelfall nach ihrer Opportunität, unabhängig davon, ob sie vom Gläubiger gefordert oder von Amts wegen angedroht wird (art. 33 loi 91-650). Daneben kennt das französische Zivilrecht Vertragsstrafenvereinbarungen (astreinte conventionelle) nach Art. 1152 Code civil, die der Richter herabsetzen kann, wenn sie exzessiv sind, oder erhöhen, wenn sie zu geringfügig sind. Schließlich regelt Art. 1740 Code général des impôts die astreinte légale – eine zivil- oder steuerrechtliche Geldbuße, die an die Staatskasse zu zahlen ist.177

169 Simler, JC, Art. 1136–1145, Fasc. 10 Rn. 126; Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rn. 1024, 1025. 170 Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rn. 1026. 171 Cass. civ. 2ème 18.10.1978, JCP 1980, Éd. G, II, 19299; Simler, JC, Art. 1136–1145, Fasc. 10 Rn. 128. 172 Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rn. 1024. 173 Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rn. 1026 (insbesondere wenn die Gewissensfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht des Künstlers oder Autors betroffen ist). 174 Simler, JC, Art. 1136–1145, Fasc. 10 Rn. 129. 175 Simler, JC, Art. 1136–1145, Fasc. 10 Rn. 129. 176 Beide astreinte entfallen teilweise oder vollständig, wenn die Nichterfüllung auf einem Grund außerhalb des Verantwortungsbereichs des Schuldners beruht (art. 36 al. 3 Loi 91-650, 9.7.1991, cause étrangère). 177 Terré/Simler/Lequette, Obligations, Rn. 1024.

312 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen 2. Strafschadensersatz im englischen Recht (exemplary damages) Im englischen Recht hat sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts neben den compensatory damages ein selbständiger Strafschadensersatz etabliert.178 Eine wesentliche Konsolidierung erfuhr diese Entwicklung durch die Grundsatzentscheidung des House of Lords in Rookes v. Barnard im Jahre 1964, die die exemplary damages in der heutigen Form maßgeblich prägte.179 Lord Devlin stellte in seiner Urteilsbegründung heraus, dass der Strafschadensersatz eine Anomalie des englischen Rechts sei und vorrangig das Strafrecht der Abschreckung, Vergeltung und Rehabilitation diene.180 Exemplary damages seien gegenüber aggravated damages subsidiär und nur bei Schadensfällen erforderlich, die das Rechtsverständnis der Öffentlichkeit besonders verletzten. Ihre Höhe sei moderat zu bemessen.181 Für die Zulässigkeit von exemplary damages entwickelte das House of Lords drei Fallgruppen. Zunächst ist ein Strafschadensersatz möglich, wenn er gesetzlich geregelt ist.182 Die Auslegung einzelner Normen ist insoweit streitig, wenn sie nicht explizit von exemplary damages sprechen. Das gilt insbesondere für s. 97 (2) und s. 229 (3) Copyright, Design and Patents Act 1988, die dem Gericht die Verhängung von sog. additional damages angesichts der offenkundigen Rechtsverletzung und des Verletzergewinns erlauben.183 Eine eindeutige Anordnung eines Strafschadensersatzes, die das House of Lords voraussetzt, fehlt. Für die Zulässigkeit von exemplary damages wird darauf verwiesen, dass der vom Gesetz vorgesehene Aufschlag auf den kompensatorischen Schadensersatz eine Missbilligung des Verletzerverhaltens darstelle, so dass es sich nicht nur um aggravated damages handle (Strafe und Abschreckung).184 Unabhängig von den gesetzlich geregelten Fällen ist ein Strafschadensersatz zulässig, wenn Regierungsbedienstete durch ein unterdrückendes, willkürliches oder verfassungswidriges Verhalten einen Schaden verursachen.185 Das soll dem Missbrauch exekutiver Befugnisse im 178 Z. B. Huckle v. Money [1763] 95 E.R. 768; Wilkes v. Wood [1763] 98 E.R. 489 (zitiert nach Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 407 ff.); s. dazu Marx, Damages, S. 2 ff. 179 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 367, 407 ff. (HL, per Devlin). 180 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 407 (HL, per Devlin). 181 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 411 (HL, per Devlin); McGregor, Damages, Rn. 11-035. 182 Z. B. s. 13 (2) Reserve and Auxiliary Forces (Protection of Civil Interests) Act 1951. 183 Dagegen Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-027; McGregor, Damages, Rn. 11032; Tettenborn, Damages, Rn. 2.53; dafür Williams v. Settle [1960] 2 All E.R. 806, 811 f. (CA, per Sellers), zu einer früheren Regelung. 184 Nottinhamshire Healthcare v. News Group [2002] R.P.C. 49, 987 f. (ChD, per Pumfrey); Law Commission, Report No. 247, S. 53; Cornish & Llewelyn, Intellectual Property, Rn. 12-61; s. auch Kocholl, Punitive damages, S. 100 f. 185 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 410 (HL, per Devlin); Rowlands v. Chief Constable of Merseyside Police [2007] 1 W.L.R. 1065, 1076 (CA, per Moore-Bick); dazu McGregor, Damages, Rn. 11-017 ff.; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-10.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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öffentlichen Amt entgegenwirken und setzt nicht nur ein erniedrigendes Verhalten, sondern einen besonders gravierenden Rechtsbruch der öffentlichen Gewalt voraus.186 Die Entwicklung dieser Fallgruppe steht auch vor dem Hintergrund, dass bis 1991 keine selbständige Verwaltungsgerichtsbarkeit existierte, so dass kein Primärrechtsschutz bestand. Schließlich werden exemplary damages bei Rechtsverletzungen mit Gewinnerzielungsabsicht gewährt. Diese Fallgruppe entwickelte sich anhand von Schadensersatzklagen wegen presserechtlicher Ehrverletzungen und wegen der rechtswidrigen Räumung von Mietobjekten durch den Vermieter.187 Der Strafschadensersatz soll dem Schädiger den Gewinn nehmen, um ihm vor Augen zu führen, dass sich das Delikt nicht lohnt.188 Für die Verhängung von exemplary damages genügt es, wenn der Schädiger davon ausgeht, dass er mit der Rechtsverletzung einen Gewinn macht, ohne dass sein Umfang der Höhe nach kalkuliert sein muss.189 Die bloße Absicht, mit dem rechtswidrigen Handeln Gewinn zu erzielen, genügt indes nicht, sondern es muss tatsächlich ein Gewinn erwirtschaftet werden.190 Zudem muss der Handelnde Unrechtsbewusstsein oder zumindest den Verdacht gehabt haben, dass die Darstellung des Geschädigten nicht von dessen Einwilligung gedeckt oder inhaltlich falsch ist.191 Es wird befürwortet, diese Fallgruppe auf alle absichtlichen oder grob fahrlässigen schriftlichen Ehrverletzungen (libel) auszudehnen.192 Allerdings übernehmen inzwischen die sog. restitutionary damages mehr und mehr die Funktion, den Verletzergewinn des Schädigers abzuschöpfen (account of profits).193 Ob das den Strafschadensersatz langfristig bei dieser Fallgruppe überflüssig macht, ist in der Literatur umstritten.194 Neben der Beschränkung auf die angeführten Fallgruppen unterliegen die exemplary damages einer weiteren Einschränkung. Grundsätzlich sprechen die englischen Gerichte exemplary damages bisher nur bei deliktischen Klagen zu. Nach Rookes v. Barnard hatte der Court of Appeal sogar angenommen, dass nur solche Klagegründe (cause of action) eine Verurteilung zu exemplary 186

Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-007. Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 948. 188 Z. B. Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 411 (HL, per Devlin) („to teach the wrongdoer that tort does not pay“); Cassel & Co Ltd v. Broome [1972] 1 All E.R. 826 (HL, per Hailsham); John v. Mirror Group Newspaper Ltd [1997] Q.B. 586, 616 ff. (CA, per Bingham); dazu Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-138; McGregor, Damages, Rn. 11-021. 189 John v. Mirror Group Newspapers Ltd [1997] Q.B. 586, 618 f. (CA, per Bingham); Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-10. 190 Manson v. Associated Newspapers [1965] 1 All E.R. 954, 956 (Q.B., per Widgery); Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-10. 191 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-024; McGregor, Damages, Rn. 11-021. 192 Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-10; a. A. McGregor, Damages, Rn. 11-023 f. 193 Siehe unten § 6.E.III.4.c., S. 368. 194 Andeutend McGregor, Damages, Rn. 11-028 f.; dagegen Wilcox, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 7, 52 f.; s. auch Law Commission, Report No. 247, S. 100 (exemplary damages nicht vollständig durch restitutionary damages ersetzbar). 187

314 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen damages zuließen, die bereits im Zeitpunkt der Grundsatzentscheidung bestanden.195 Daher schloss er einen Strafschadensersatz für die später entwickelten Klagegründe wie das Fahrlässigkeitsdelikt (tort of negligence) oder die Rechtsverletzung durch Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der Rasse oder der Behinderung (breach of statutory duty) von vornherein aus. Das House of Lords wies die Einschränkung aber in Kuddus v. Chief Constable of Leicestershire zurück, so dass nun auch die später entwickelten Klagegründe eine Verurteilung zu exemplary damages erlauben.196 Zugleich betont das House of Lords, dass es zu keiner Ausweitung des Strafschadensersatzes kommen soll, was als widersprüchlich kritisiert wird.197 Eine Ausdehnung der exemplary damages auf die vertragliche Haftung ist hingegen streitig, es sei denn, die Vertragsverletzung ist zugleich ein Delikt.198 Exemplary damages dienen sowohl der Bestrafung des Schädigers für sein Verhalten als auch der Abschreckung des Schädigers und der Allgemeinheit.199 Somit wird Vergeltung geübt und das schädigende Verhalten missbilligt. Das wirkt zugleich als Genugtuung für den Geschädigten, befriedigt dessen Rachegefühl und erhält den Rechtsfrieden.200 Schließlich schöpft der Strafschadensersatz den Verletzergewinn ab und wirkt zukünftigen Rechtsverletzungen entgegen.201 Grundsätzlich müssen exemplary damages moderat bemessen sein und unterbleiben, wenn der kompensatorische Schadensersatz ausreicht, um Abschreckung und Genugtuung zu bewirken.202 Grundsätzlich hängt die Bemessung des Strafschadensersatzes wegen seiner Zwecksetzung vor allem vom Verhalten des Schädigers ab.203 Sein nachtatliches Handeln kann den Strafschadensersatz mindern (z. B. eine Entschuldigung), aber auch erhöhen (z. B. die Verzögerung der Schadensregulierung oder Prozessverschleppung).204 Daneben sind die Vermögensverhältnisse des Schädigers zu berück195 A. B. v. South West Water Service [1993] 1 All. E.R. 609, 623 f. (CA, per Stuart-Smith), Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-11; krit. Law Commission, Report No. 247, S. 61 f., 106 f. 196 Kuddus v. Chief Constable of Leicestershire [2002] A.C. 122, 130 ff. (HL, per Slynn of Hadley); ebenso Douglas v. Hello! [2003] EWHC 786 Rn. 272 f. (ChD, per Lindsay); dazu McGregor, Damages, Rn. 11-011. 197 Rowlands v. Chief Constable of Merseyside Police [2007] 1 W.L.R. 1065, 1080 (CA, per Moore-Bick); Steele, Tort Law, S. 541; s. auch J. Schubert, JR 2008, 139, 141. 198 Abl. McGregor, Damages, Rn. 11-016; dafür Tettenborn, 41 San Diego Law Review 2004, 1551, 1561 ff. 199 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 407 (per Devlin); Cassel & Co Ltd v. Broome [1972] 1 All E.R. 826 (HL, per Hailsham); Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28–139; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-9; s. auch Marx, Damages, S. 19 ff. 200 Cassel & Co Ltd v. Broome [1972] 1 All E.R. 870 f. (HL, per Diplock). 201 Siehe Fn. 199. 202 Rookes v. Barnard [1964] 1 All E.R. 369, 411 (HL, per Devlin); Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 29-147; McGregor, Damages, Rn. 11-034; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-11. 203 McGregor, Damages, Rn. 11-038. 204 Loudon v. Ryder [1953] 1 All E.R. 741, 744 (CA, per Singleton).

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sichtigen.205 Die Beträge der exemplary damages waren insbesondere in Verfahren, an denen eine Jury mitwirkte, zeitweilig sehr hoch und wurden zum Teil vom EGMR für unverhältnismäßig erklärt, zumal kein ausreichender Rechtsschutz gegen die Entscheidung der Jury bestand.206 Seit 1980 darf der Court of Appeal den Strafschadensersatz herabsetzen. Zudem kann sich die Berufung seit 1990 gegen die Höhe der exemplary damages richten und eine Rechtskontrolle herbeiführen (s. 8 Courts and Legal Service Act 1990). Trotz der grundsätzlichen Anerkennung der exemplary damages wird dem Strafschadensersatz zum Teil entgegengehalten, dass er Zivil- und Strafrecht vermische und dem Grundsatz nullum crimen sine lege sowie dem Verbot der Doppelbestrafung widerspreche.207 Zudem werde der Geschädigte durch den überkompensatorischen Schadensersatz bereichert. Allerdings findet das Verbot der Doppelbestrafung bei der Verurteilung zu exemplary damages Berücksichtigung.208 Die bereits verhängten strafrechtlichen Sanktionen und disziplinarischen Maßnahmen gegen den Schädiger stehen der Auferlegung von exemplary damages entgegen. Im Einzelfall wird genau geprüft, ob die deliktische Handlung im vollen Umfang strafrechtlich relevant war.209 Sofern die Klage wegen des zivilrechtlichen Delikts weitere Handlungen erfasst, die die Strafe nicht sanktioniert, können exemplary damages verhängt werden, wobei ihre Höhe die verhängte Strafe berücksichtigen muss. 3. Strafschadensersatz in den USA a) Punitive damages Anknüpfend an das englische common law des 18. Jahrhunderts entwickelte sich im US-amerikanischen Deliktsrecht des 19. Jahrhunderts ein Strafschadensersatz.210 Punitive damages211 sind Teil des common law (punitive dama-

205

McGregor, Damages, Rn. 11-037; s. auch Marx, Damages, S. 95 f. EGMR 19.7.1995 App. No. 17506/90 (Kerojärvi); dazu Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-040. 207 Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 949; Ogus, Damages, S. 32 ff.; für exemplary damages: Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-09, 12; s. auch Amelung, Schutz, S. 223 ff.; Marx, Damages, S. 116 ff. 208 A. B. v. South West Water Services [1993] 1 All E.R. 609, 624 (CA, per Stuart-Smith); Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-032; McGregor, Damages, Rn. 11-041; zurückhaltender Law Commission, Report No. 247, S. 131 ff. 209 Borders (UK) Ltd. v. Commissioner of Police of the Metropolis 2005 EWCA Civ. 197, Rn. 17 (CA, per Sedley); KD v. Chief Constable of Hampshire 2005 EWHC 2550, Rn. 193 (QB, per Tugendhat). 210 Exxon Shipping Co. v. Baker, 128 S. Ct. 2605, 2620 (2008) (per Souter); ausführlich dazu Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 127 ff., 180 ff.; s. auch Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 156. 211 Alternative Terminologie: exemplary damages, vindictive damages, punitory damages; s. Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 53. 206

316 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen ges i. e. S.) aber auch in Gesetzen geregelt212. Über die Zulässigkeit der punitive damages bestimmt das Recht der Bundesstaaten213, das insoweit uneinheitlich ist.214 In einem kleinen Teil der Staaten ist der Strafschadensersatz unzulässig.215 Im Grundsatz ist er aber fest in der amerikanischen Rechtskultur verankert, auch wenn die Literatur ihn zum Teil kritisiert216. Systematisch stehen punitive damages ebenso wie im englischen Recht neben compensatory damages und erhöhen den Schadensersatz somit über den Schadensausgleich hinaus. Sie fließen grundsätzlich dem Geschädigten zu217. Trotz der medialen Aufmerksamkeit, die spektakuläre Strafschadensersatzsummen in der deutschen Öffentlichkeit erlangen, spielen punitive damages bei Schadensersatzklagen nach US-amerikanischem Recht nur eine untergeordnete Rolle und werden nur in Fällen krasser Missachtung fremden Rechts gewährt.218 Der Geschädigte hat keinen Anspruch auf Strafschadensersatz, dieser steht vielmehr im Ermessen der Civil Jury.219 Für punitive damages ist eine Vielzahl von Funktionen anerkannt. Hauptsächlich dienen sie der Bestrafung und Vergeltung sowie der Abschreckung und Belehrung des Schädigers.220 Insoweit werden weder Tagessätze auferlegt 212 Siehe unten zu den treble damages, § 6.C.V.3.b., S. 322 f.; zur Einordnung der treble damages als punitive damages, Dobbs, Remedies, § 3.12; Schlueter, Punitive Damages, § 2.1(B). 213 Nach Erie Railroad v. Tompkins (304 U. S. 64, 78 [1938], per Brandeis) gibt es grundsätzlich kein federal common law im Privatrecht. 214 Exxon Shipping Co. v. Baker, 128 S. Ct. 2605, 2623 f. (2008) (per Souter); Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155 f. 215 So in Massachusetts, Nebraska, New Hampshire, Washington sowie in Louisiana (in der civil law Tradition); dazu Schlueter, Punitive Damages, § 2.2; Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155; Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 56 f. 216 Colby, 87 Minnesota Law Review 2002–2003, 583; dazu Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, Rn. 155, 156; ders., 92 Iowa Law Review 2006–2007, 957 ff. 217 Vgl. in einzelnen Staaten muss ein Teil der punitive damages an den Bundesstaat abgeführt werden, z. B. Georgia, Indiana, Iowa; dazu Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 176. Im Übrigen muss der Geschädigte, soweit ein Erfolgshonorar vereinbart ist, einen Teil der Urteilssumme als Honorar zahlen. Aus fiskalischen Gründen legen einzelne Bundesstaaten fest, dass ein Teil der punitive damages an den Staat oder bestimmte staatliche Projekte abzuführen ist; dazu Brockmeier, Punitive Damages, S. 16 f. 218 Eisenberg u. a., 87 Cornell Law Review 2001–2002, 743, 748 ff.; Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 156 f.; s. auch Dasser, SJZ 2000, 101, 103; Klode, NJOZ 2009, 1762, 1772; Mörsdorf-Schulte, punitive damages, S. 189; dies., NJW 2006, 1184, 1186. 219 Dobbs, Remedies, § 3.11(1); dazu Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 84 f. 220 Restatement (Second) Torts, § 908 (1), Comment a (1979); City of Newport v. Fact Concerts Inc., 453 U. S. 247, 266 f. (1981) (per Blackmun); Pacific Mutual Insurance Co. v. Haslip, 499 U. S. 1, 22 (1991) (per Blackmun); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U. S. 559, 568 (1996) (per Stevens); Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U. S. 424, 432 (2001) (per Stevens); Philip Morris USA v. Williams, 549 U. S. 346 (2007) (per Breyer); Exxon Shipping Co. v. Baker, 128 S. Ct. 2605, 2621 (2008) (per Souter); Hardeman v. City of Albuquerque, 377 F. 3d 1106 (10th Cir. 2005, per Henry); Fleming, Tort Process, S. 214; Schlueter, Punitive Damages, § 2.2(A)(1); Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 174 ff.; anders z. B. in Conneticut, wo sie nur der Entschädigung der Prozesskosten dient; dazu Dasser, SJZ 2000, 101, 102; Fritz, Punitve damages, S. 27 f.

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noch eine Entschädigung im Sinne einer optimalen Abschreckung nach der ökonomischen Analyse zugesprochen. Mit der Straf- und Präventionsfunktion geht zudem die Vorstellung einher, dass punitive damages der Bekräftigung einer Rechtsposition sowie der Rechtsdurchsetzung dienen, indem sie ein Exempel statuieren (Abschreckung der Allgemeinheit221). Zum Teil wird ihnen eine strafrechtsvertretende Funktion beigemessen, um die Schwächen des materiellen Strafrechts auszugleichen.222 Bei der Erhebung einer Schadensersatzklage nimmt der Geschädigte daher die Rolle des Sachwalters der Allgemeinheit wahr und behauptet die Rechtsordnung gegen Angriffe.223 Zum Teil muss der Kläger einen Teil der punitive damages an den Bundesstaat abführen, sei es, um dessen Bereicherung, sei es, um übermäßige Klageanreize zu vermeiden.224 Daneben führt der überkompensatorische Schadensersatz zur Abwälzung der Rechtsverfolgungskosten. Das US-amerikanische Zivilprozessrecht kennt grundsätzlich keine Kostenerstattung, und die Klägeranwälte vereinbaren regelmäßig einen Teil des Schadensersatzes als Vergütung.225 Allerdings sind punitive damages in ihrem Umfang nicht von den konkreten Kosten des Verfahrens abhängig. Ihre Gewährung hat rein tatsächlich den Effekt, dass der Kläger aus ihnen die Prozesskosten bestreiten kann, ohne dass es als ihre unmittelbare Funktion allgemein anerkannt ist.226 Zudem enthalten die Gesetze vereinzelt Bestimmungen, dass bei Rechtsverletzungen, die einen Mehrfachschadensersatz erlauben (double oder treble damages)227, zusätzlich die Kosten des Verfahrens zu erstatten sind. Das lässt zumindest den Rückschluss zu, dass punitive damages nicht primär dem Ausgleich der anfallenden Prozesskosten dienen, ansonsten bestünden solche Regelungen nicht.228 221

Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 179 f. Zur strafenden Funktion Pacific Mutual Insurance Co. v. Haslip, 499 U. S. 1, 18 ff. (1991) (per Blackmun); s. einige Bundestaaten anerkennen eine Überschneidung mit strafrechtlichen Sanktionen: Indiana, Maine, Minnesota, Nebraska, New Jersey, Vermont, Washington; Fleming, Tort Process, S. 214 f.; Schlueter, Punitive Damages, § 2.2(A)(1), § 2.2(C)(1); dazu Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 175; Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 64 ff.; Rosengarten, Punitive Damages, S. 51 ff. 223 Dobbs, Remedies, § 3.11(3); Fleming, Tort Process, S. 214 f.; Schlueter, Punitive Damages, § 2.2(C)(1); dazu Brockmeier, Punitive Damages, S. 19; Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 70 f.; Rosengarten, Punitive Damages, S. 51 ff. 224 Z. B. in Georgia: GA. CODE ANN. § 51-12-5.1e(1)-(2) (1987); Indiana: Ind Code Ann. § 34-51-3-6(c)(1)-(2) (2007); Iowa: Iowa Code Ann. § 668A.1(2)(b) (1986); s. ausführlich Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 176 ff. 225 Dobbs, Remedies, § 3.11(3); Fleming, Tort Process, S. 214; Schlueter, Punitive Damages, Bd. I, § 2.2(B)(1) (unter Verweis auf die abweichenden gesetzlichen Regelungen); dazu Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 72 f.; Schack, US-amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 21; a. A. Zekoll, VersR 1992, 1059, 1060, der dies nur für einen Nebeneffekt hält. 226 Schlueter, Punitive Damages, § 2.2.(B)(1), § 20.1(B); auch Fritz, Punitve damages, S. 30 ff. 227 Siehe unten § 6.C.V.3.b., S. 322 f. 228 Dazu Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 100 f. 222

318 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Schließlich wirken punitive damages als Ausgleich für Schäden, die schwer zu erfassen sind oder für die kein Klagegrund besteht.229 In einzelnen Bundesstaaten gilt der Strafschadensersatz daher als kompensatorisch, soweit er Schäden erfasst, auf die sich der Schadensersatz nicht erstreckt.230 Zum Teil dienen punitive damages der Abschöpfung des Verletzergewinns.231 Ihre Bemessung erfolgt aber nicht anhand des tatsächlichen Gewinns. Die Gewinnerzielung dient vor allem der Begründung eines überkompensatorischen Schadensersatzes, weniger seiner konkreten Berechnung. Punitive damages sollen den wirtschaftlichen Überlegungen des Schädigers, der den Schadensfall einkalkuliert, etwas entgegensetzen, um das Rechtsgut zu schützen.232 In der Literatur wird den punitive damages zum Teil entgegengehalten, sie verletzten den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.233 Zudem ist der Strafschadensersatz hinsichtlich seiner Funktionen und seiner praktischen Wirksamkeit umstritten.234 Manche verweisen darauf, dass Wirtschaftsunternehmen den Strafschadensersatz auf die Kunden umlegen, so dass keine wirksame Verhaltenssteuerung erfolge.235 Zum Teil wird er als Finanzierung des Anwaltsstandes kritisiert.236 Gleichwohl halten die meisten Bundesstaaten an punitive damages fest. Ein Strafschadensersatz wird grundsätzlich nur bei deliktischen Klagen und bei Klagen wegen Verstößen gegen den Civil Rights Act gewährt, der beispielsweise Diskriminierungsverbote enthält. Bei der vertraglichen Haftung beschränkt sich der Schadensersatz prinzipiell auf den Schadensausgleich, da Strafe und Prävention nicht mit den Zielen des Vertragsrechts kompatibel seien.237 Bei einer Klage wegen Vertragsbruchs (breach of contract) wird ein Strafschadensersatz nur gewährt, wenn zugleich ein Delikt vorliegt oder zwischen den Vertragsparteien eine besondere Vertrauensbeziehung bestand, die verletzt wurde.238 Das gilt beispielsweise im Versicherungsrecht bei arglistiger Täuschung (fraudulent misrepresentation).239 Punitive damages sind davon ab229

Fleming, Tort Process, S. 214; dazu Großfeld, Privatstrafe, S. 51 f. Michigan, Minnesota, Connecticut; Fleming, Tort Process, S. 214; Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 171 f.; s. auch Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 56 f. 231 So Lenz, Punitive damages, S. 35 f.; krit. Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 78 ff. 232 Z. B. Grimshaw v. Ford Motor Company, 119 Cal.App.3d 757 (4th Distr. 1981, per Tamura). 233 Fleming, Tort Process, S. 221; dazu auch Schlueter, Punitive Damages, § 3.11(A). 234 Fleming, Tort Process, S. 222 f.; s. auch Fay v. Parker 53 N. H. 342, 382 f., 397 (1873); dazu Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 180 ff. 235 Fleming, Tort Process, S. 222. 236 Fleming, Tort Process, S. 214, 223. 237 Corpus Juris Secundum, Bd. 25, „Damages“ § 120, S. 1126; Schlueter, Punitive damages, § 7.2; dazu Dasser, SJZ 2000, 101, 102; Zekoll, VersR 1992, 1059, 1060. 238 Schlueter, Punitive damages, Bd. I, § 7.3(A)(D); s. auch Corpus Juris Secundum, Bd. 25, „Damages“ § 120, S. 1128. Zu weiteren Einzelfällen siehe Schlueter, Punitive damages, § 7.3(B)-(C). 239 Schlueter, Punitive damages, § 7.3(A); Dasser, SJZ 2000, 101, 102; Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 710 ff.; Zekoll, VersR 1992, 1059, 1061 f. 230

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hängig, dass der Kläger einen Schaden darlegen und beweisen kann, es sei denn, es handelt sich um eine deliktische Klage, die vom Nachweis eines konkreten Schadens unabhängig ist (tort actionable per se).240 Das Auferlegen von punitive damages ist stets ultima ratio und kommt nur zum Einsatz, wenn die Verhaltenssteuerung durch zivil-, gesellschafts- oder strafrechtliche Instrumente versagt, obwohl offensichtlich eine Rechtsverletzung vorliegt.241 Zudem bedarf es einer besonders verwerflichen Schädigung.242 Dafür ist insbesondere maßgeblich, ob der Schädiger rücksichtslos gegenüber Dritten oder aus böswilligen Motiven (evil motivs, malice) gehandelt hat.243 Feste Tatbestände bestehen nicht, da die Rechtsentwicklung anhand von Einzelfällen erfolgt und nur vereinzelt Kriterienkataloge zur Orientierung existieren.244 Die Höhe der punitive damages setzt die Civil Jury oder in Non-jury-trials der Richter nach freiem Ermessen unter Würdigung aller Umstände des Falles fest.245 Die Bundesstaaten sehen zum Teil Maßgaben für ihre Bemessung vor.246 Bisweilen bestehen Vorgaben, in welchem Verhältnis punitive damages zu dem zugesprochenen kompensatorischen Schadensersatz stehen müssen.247 Vereinzelt sind absolute Obergrenzen geregelt.248 Streitig ist insoweit, ob die Vermögensverhältnisse des Schädigers sowie die Rechtsverfolgungskosten des Klägers in die Bemessung der Entschädigung einfließen dürfen.249 Lange galt die Bemessung des Strafschadensersatzes als Teil der Tatsachenfeststellung, so dass die Jury eigenständig handelte und keiner Rechtskontrolle unterlag.250 Inzwischen überprüfen die Berufungsgerichte die Voraussetzungen für die Ge240 Zur Akzessorietät der punitive damages, Alcorn County v. U.S. Interstate Supplies, Inc. 731 F.2d 1160, 1170 Rn. 44 (5th Cir. 1984, per Jolly); s. auch Restatement (Second) of Torts, § 908, Comment b (1979). 241 Ausführlich zu den Fallgruppen Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 247 ff. 242 Corpus Juris Secundum, Bd. 25, „Damages“ § 123(1), S. 1133, 1135; Restatement (Second) Torts, § 908 (2), Comment b (1979); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U. S. 559, 575 f. (1996) (per Stevens); Boston, Punitive Damages, § 3:2; dazu Brockmeier, Punitive Damages, S. 5 f.; Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 211 f., 278 ff. 243 Corpus Juris Secundum, Bd. 25, „Damages“ § 123(1), S. 1133, 1135 f.; Restatement (Second) of Torts § 908 (2), Comment b (1979); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U. S. 559, 576 (1996) (per Stevens); Boston, Punitive Damages, § 3:2; Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 181; s. auch Brockmeier, Punitive Damages, S. 5 f. 244 Dobbs, Remedies, § 3.11(1); dazu Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 210 ff. 245 Restatement (Second) of Torts § 908, Comment d (1979); Dobbs, Remedies, § 3.11(1); dazu Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 233 ff. 246 Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 185. 247 Z. B. Alabama: Ala. Code § 6-11-20; Colorado: Col. Rev. St. Ann. § 13-21-102(1)(a); Ohio: Ohio Rev. Code § 2315.21 (D)(2); North Dakota: N. D. Cent. Code Ann. § 32-3.2-11(4), 2007; Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 187. 248 Z. B. Virginia: Virginia Code Ann. § 8.01-38.1; North Dakota: N. D. Cent. Code Ann. § 32-3.2-11(4), 2007; dazu auch Brockmeier, Punitive Damages, S. 11 f. 249 Schlueter, Punitive Damages, Bd. I, § 5.3(F); ausführlich Boston, Punitive Damages, § 32; krit. Abraham/Jeffries, J.Leg.Stud. 18 (1989), 415 ff. 250 Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 120 ff.

320 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen währung eines Strafschadensersatzes und seine Höhe, die vernünftig und vertretbar (not excessive, not outrageous) sein muss.251 Die Rechtsmittelgerichte prüfen einen Ermessensfehlgebrauch (abuse of discretion) und setzen die punitive damages herab. In manchen Bundesstaaten ist dem Richter auch ein Heraufsetzen des Schadensersatzbetrages erlaubt.252 Darüber hinaus sichern die Bundesstaaten durch eine Vielzahl verfahrensrechtlicher Bestimmungen die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens.253 Die Überprüfung der punitive damages ist grundsätzlich Aufgabe der Gerichte der Bundesstaaten. Eine zusätzliche Überprüfung durch den US Supreme Court kommt nur in Betracht, wenn die Auferlegung des Strafschadensersatzes mit der Verfassung in Konflikt gerät. Punitive damages gelten grundsätzlich als mit der Verfassung vereinbar. Vereinzelt werden Einwände gegen den Strafschadensersatz wegen seiner (quasi-)strafrechtlichen Natur und wegen des weiten Jury-Ermessens erhoben.254 Der US Supreme Court erwog daher die Überprüfung der zugesprochenen punitive damages anhand des 8. und 14. Verfassungszusatzes. Der 8. Verfassungszusatz verbietet exzessive Bußen sowie grausame und ungewöhnliche Strafen. Der US Supreme Court hat ihn bisher nicht zugrunde gelegt, um punitive damages für verfassungswidrig zu erklären.255 Allerdings überprüft der Gerichtshof die Entscheidungen anhand des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit und des fairen Verfahrens (due process of law) nach dem 14. Verfassungszusatz darauf, ob die verhängten punitive damages irrational oder willkürlich sind (reprehensibility, ratio, no grossly excessive punishments).256 Das Gericht entwickelte sukzessive eine Reihe von Kriterien, um diesen Maßstab zu konkretisieren. Berücksichtigung finden insbesondere der Grad der Vorwerfbarkeit des Schädigerhandelns sowie vergleichbare Ent-

251 Pacific Mut. Life Insurance v. Haslip, 499 U.S. 1, 15 f. (1991) (per Blackmun); Honda Motor Co. v. Oberg, 512 U.S. 415 (per Stevens), 421 ff. (1994); Boston, Punitive Damages, § 30:27; s. dazu Brockmeier, Punitive damages, S. 8; Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 207 ff. 252 Schack, US-amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 168. 253 Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 200 ff. 254 So Justice O’Connor (dissenting opinion) in: Bankers Life & Casualty Co. v. Crenshaw, 486 U.S. 71, 87 f. (1988); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 44 ff. (1991); s. auch Schlueter, Punitive damages, § 3.6. 255 Browning-Ferries Industries, Inc. v. Kelco Disposal, Inc., 492 U. S. 257, 262 ff. (1989) (per Blackmun); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 9 (1991) (per Blackmun); Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U. S. 424, 433 f. (2001) (per Stevens). 256 Zuerst Pacific Mutual Insurance Co. v. Haslip, 499 U. S. 1, 19 ff. (1991) (per Blackmun); TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 506 U. S. 443, 458 (1993) (per Stevens); Philip Morris USA v. Williams, 127 S. Ct. 1057, 1064 (2007) (per Breyer); s. dazu Lenenbach, WM 2003, 2398, 2402 ff.; Mörsdorf-Schulte, Punitive damages, S. 196 f.; Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 189 ff.

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scheidungen über einen solchen Schadensersatz.257 Zugleich wurde entschieden, dass Verletzungen Dritter, die nicht Partei des Verfahrens sind, nicht bei der Bemessung des Strafschadensersatzes einbezogen werden dürfen, zumal nicht immer feststeht, wie viele Personen betroffen sind und welche Schäden sie im Einzelnen erlitten haben.258 Das betraf das Verfahren gegen Philip Morris, so dass alle anderen Personen, die durch den Tabakkonsum geschädigt wurden, die Bemessung des Schadensersatzes nicht beeinflussen durften.259 Darüber hinaus kann die Verfassungswidrigkeit der Entscheidung über den Strafschadensersatz darauf beruhen, dass das Gericht die Jury falsch oder unzureichend instruiert hatte.260 Auch das Verhältnis zwischen punitive damages und kompensatorischem Schadensersatz bezieht der US Supreme Court in die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Strafschadensersatzes ein, ohne eine klare Obergrenze für die punitive damages zu ziehen.261 Die Entscheidung State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell wurde in der Literatur zum Teil zwar so verstanden, dass die Höhe der punitive damages nicht mehr als ein einstelliges Vielfaches des kompensatorischen Schadensersatzes erreichen darf (sog. single-digit-rule) und somit maximal in einem Verhältnis von 9:1 zum übrigen Schadensersatz stehen kann.262 In der folgenden Entscheidung Philip Morris USA v. Williams zog der US Supreme Court diesen Maßstab aber nicht wieder heran, obwohl er eine Entscheidungsgrundlage geboten hätte. Er stützte die Verfassungswidrigkeit darauf, dass die Bemessung der Entschädigung in unzulässiger Weise die Verletzung Dritter berücksichtigt hatte.263 Die singledigit-rule wird zudem in der Literatur in Frage gestellt, weil der Richter bei der Bemessung des kompensatorischen Schadensersatzes Spielraum habe und der Maßstab daher manipulierbar sei, so dass er die Rechtssicherheit nicht erhöhe.264 In Exxon Shipping Co. v. Baker legte der US Supreme Court das Verhältnis von compensatory damages zu punitive damages schließlich auf 1:1 fest und orientiert sich dabei am Mittelwert des Strafschadensersatzes in Fällen zum 257 BMW of North America v. Gore, 517 U. S. 559, 580 ff., 583 ff. (1996) (per Stevens); Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U. S. 424, 434 ff., 441 ff. (2001) (per Stevens) (Erweiterung der Rechtsprechung zu BMW v. Gore auf das Urheberrecht). 258 Philip Morris USA v. Williams, 127 S. Ct. 1057, 1063 f. (2007) (per Breyer). 259 Philip Morris USA v. Williams, 127 S. Ct. 1057, 1063 (2007) (per Breyer). 260 Pacific Mutual Insurance Co. v. Haslip, 499 U. S. 1, 18 (1991) (per Blackmun). 261 Berger/Wilske, RIW 2007, 245, 246 f.; Klode, NJOZ 2009, 1762, 1768 ff.; Nodoushani, VersR 2005, 1313, 1316; krit. Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 192 ff. 262 State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 424 ff. (2003) (per Kennedy). 263 Philip Morris USA v. Williams, 127 S. Ct. 1057, 1063 (2007) (per Breyer). 264 Sebok, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 155, 193; s. auch Welker, RIW 2004, 439 f., der der Entscheidung State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell den Vorbildcharakter abspricht.

322 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen allgemeinen Seerecht.265 Ob sich daraus eine Regel ableiten lässt, ist zweifelhaft, zumal das Gericht erklärt, dass eine strikte Begrenzung der punitive damages durch Gesetz erfolgen muss.266 Die Überprüfung des Strafschadensersatzes ist stets eine Einzelfallentscheidung darüber, ob der Strafschadensersatz grossly excessive ist, wobei eine Mehrzahl von Faktoren für die Bemessung der Höhe Bedeutung hat. Das zeigen die Entscheidungen des US Supreme Court, die mal auf die Belehrung der Jury, mal auf die Bemessungskriterien oder auf das Verhältnis von kompensatorischem und strafendem Schadensersatz abstellen. Die Entwicklung einer absoluten oder relativen Obergrenze aus dem 14. Verfassungszusatz ist insofern nicht zu erwarten. Allerdings können die Bundesstaaten eine Obergrenze gesetzlich regeln, was zum Teil bereits erfolgt ist. Angesichts der allgemein zurückhaltenden Gewährung und Bemessung der punitve damages sind Urteile über Strafschadensersatz in exorbitanter Höhe indes ohnehin eher selten. b) Multiple bzw. treble damages Neben punitive damages enthalten die Bundesgesetze zum Immaterialgüterrecht besondere Bestimmungen, die es dem Richter erlauben, dem Verletzer entweder den Ersatz des Schadens und die Herausgabe des Verletzergewinns oder das Dreifache des Schadens (sog. treble damages) aufzuerlegen.267 Insbesondere bei Verletzungen des Kartellrechts und des Patentrechts sowie in Korruptionsfällen kann das Gericht dem Geschädigten treble damages zuzüglich der Prozesskosten und des Anwaltshonorars gewähren.268 Allerdings darf der Richter bei Patentverletzungen den dreifachen Betrag nur in außergewöhnlichen Fällen zusprechen, in denen der Patentverletzer rücksichtslos gehandelt hat.269 Im Markenrecht kann der Geschädigte den dreifachen Betrag des Schadensersatzes oder den Verletzergewinn verlangen, wenn es sich um eine absichtliche Markenrechtsverletzung ohne mildernde Umstände handelte (15 U.S.C. § 1117 [b]). Bei der Urteilsfindung ist es dem Gericht erlaubt, die Entschädigung zu pauschalieren und dabei auf eine Summe bis zum Dreifachen des tatsächlichen Schadens festzusetzen, ohne dass es sich um eine Strafe handelt (15 U.S.C. § 1117 [a]). Der Kläger kann daneben Ersatz der Prozesskosten fordern.

265 Exxon Shipping Co. v. Baker, 128 S. Ct. 2605, 2633 f. (2008) (per Souter); krit. Justices Stevens (S. 2638) und Ginsburg (S. 2638), die für die Beibehaltung des abuse-of-discretion standard votieren. 266 Exxon Shipping Co. v. Baker, 128 S. Ct. 2605, 2629 (2008) (per Souter). 267 15 U.S.C. § 15 (a), 15 U.S.C. § 1117 (a), 18 U.S.C. § 1964 (c), 35 U.S.C. § 284; siehe im Urheberrecht gem. 17 U.S.C. § 504(d). 268 15 U.S.C. § 15 (a), 18 U.S.C. § 1964 (c), 35 U.S.C. § 284. 269 Deere & Co v. International Harvester Co., 658 F.2d 1137, 1146 (7th Cir. 1981); dazu ausführlich Fort, Strafelemente, S. 79 ff.

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Diese Sonderregelungen haben für den Ausgleich der materiellen Schäden keine Bedeutung im engeren Sinne, da sie sich auf Rechtsverletzungen beziehen, aus denen Vermögensschäden resultieren. Sie zeigen aber, dass unabhängig von den punitive damages Regelungen existieren, die sich nicht auf den bis zur Urteilsfindung erlittenen und bezifferbaren Schaden beschränken. Treble damages ordnet das Gesetz selbst nicht als Strafe ein, zum Teil schließen die Regelungen sogar ausdrücklich aus, dass es sich um Strafe handelt.270 Die Gewährung eines Vielfachen soll einen möglichst vollständigen Schadensausgleich sicherstellen, da gerade bei Rechtsverletzungen im Immaterialgüterrecht und im gewerblichen Rechtsschutz Schwierigkeiten bei der Ermittlung des konkreten Schadens bestehen.271 Gleichwohl ist den treble damages eine abschreckende sowie pönale Wirkung eigen, weil ihr Umfang vom Verschuldensgrad abhängig ist.272

D. Bemessung der kompensatorischen Entschädigung I. Überblick Die Bemessung der Entschädigung richten die untersuchten Rechtsordnungen an deren Funktion aus. Die Gerichte in Österreich, der Schweiz und Frankreich legen übereinstimmend die Ausgleichsfunktion zugrunde.273 In vergleichbarer Weise bemessen auch die englischen Gerichte die compensatory damages, die auf einen Schadensausgleich zielen. Für den kompensatorischen Schadensersatz gelten in Österreich, Frankreich sowie England ebenso wie im deutschen Recht der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot, so dass der Schaden in voller Höhe auf den Schädiger abgewälzt wird.274 Wegen der Inkommensurabilität des ideellen Schadens ist eine angemessene Entschädigung zu gewähren, die im richterlichen Ermessen steht und eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls voraussetzt.275 Für 270 15 U.S.C. § 117(a) „Such sum in either of the above circumstances shall constitute compensation and not a penalty.“. 271 Fort, Strafelemente, S. 96. 272 Zu Markenrechtsverletzungen: Sands, Taylor & Wood Co. v. Quaker Oats Co. 34 F.3d 1340, 1348 (7th Cir. 1994) (per Ripple); zur pönalen Funktion bei Patentverletzungen: SRI International, Inc v. Technologies Labratory, Inc. 127 F.3d 1462, 1468 f. (Fed. Cir. 1997) (per Newman). 273 Österreich: F. Bydlinski, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 27, 32; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 119 f.; Frankreich: Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 89 Rn. 9. 274 Frankreich: Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-1 Rn. 16, 25; Viney/Jourdain, Conditions, Rn. 787; s. auch Giese, Dommages-intérêts, S. 100 ff.; Schernitzky, Immaterieller Schaden, S. 10 f.; England: Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-07; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-16. 275 Frankreich: „une somme equitable et raisonable“, Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 2021-1 Rn. 51; England: Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-07; McGregor, Damages, Rn. 35-202; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-16.

324 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen diese Länder ist der entstandene Schaden übereinstimmend der maßgebende Faktor für die Bemessung der Entschädigung. Zugleich berücksichtigen die Gerichte die bereits zugesprochenen Entschädigungsbeträge in vergleichbaren Schadensfällen, um die Gleichbehandlung der Geschädigten sicherzustellen.276 In Österreich und Frankreich bestehen zu diesem Zweck Entscheidungssammlungen, die den Richtern die Beurteilung erleichtern sollen.277 Die Kompendien sind nicht verbindlich, sondern dienen nur als Bemessungshilfe.278 Letztlich sprechen die Gerichte einen einheitlichen Gesamtbetrag zu, um alle Schäden – materielle wie immaterielle – auszugleichen.279 Das gilt auch für die englischen Gerichte, die ebenfalls einen Globalbetrag (lump sum) zusprechen. II. Österreich In Österreich wird die Gewährung einer Entschädigung ebenso wie in Deutschland auf die Überlegung gestützt, dass sich der Geschädigte damit Annehmlichkeiten verschaffen könne.280 Auf die Höhe der Entschädigung hat das keinen Einfluss.281 Die Richter legen ihrer Bemessung grundsätzlich eine objektivierende Betrachtung des Schadens zugrunde, bei der auf einen Geschädigten mit normaltypischem Gefühlsleben abgestellt wird.282 Daneben werden alle subjektiv erlittenen Einbußen berücksichtigt, die sich nachweisen lassen.283 Die objektivierende Herangehensweise reagiert nur auf die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des ideellen Schadens. Anhaltspunkte liefern die Art der Verletzung sowie ihre Schwere, die anhand der Dauer und Intensität 276 Österreich: Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 121; Frankreich: Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 220-20 Rn. 305 f.; Le Roy, Évaluation, Rn. 141 f.; England: McGregor, Damages, Rn. 1-10, 35-202; Munkmann, Damages, S. 19 f. 277 Österreich: Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld; Jarosch/Müller/Piegler, Schmerzensgeld; Frankreich: Entscheidungssammlung des Justizministeriums nach Art. L.21123 Code des assurances; Sammlung der Association pour la Gestion de L’Information sur le Risque Automobile nach Art. 26 Loi 85-577 v. 5.7.1985; dazu Le Roy, Évaluation, Rn. 142; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-1 Rn. 52. 278 Österreich: OGH 14.10.2002 ZVR 2004, 164, 165; Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 91 ff.; Fucik/Hartl, RZ 1994, 148, 149; Kath, Schmerzensgeld, S. 44 f.; Frankreich: Viney, Effets, Rn. 148. 279 Österreich: OGH 20.6.1989 ZVR 1990, 377; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/ 1, S. 120; Frankreich: Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-1 Rn. 51; auch Bartnik, Bildnisschutz, S. 255; England: Winfield & Jolowicz, Tort, 22-2; s. auch Rogers, in: Koch/Koziol, Compensation, S. 76, 95. 280 OGH 26.2.2009 JBl. 2009, 646; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 120; Strasser, Immaterieller Schaden, S. 21 ff. 281 Karner, Ersatz ideeller Schäden, S. 135 f.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 120; zum metaphorischen Charakter: F. Bydlinski, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 27, 30 ff., 34, 40 ff. 282 OGH 18.4.2002 ZVR 2002, 268, 271; 26.2.2009 JBl. 2009, 646; Danzl/Gutiérrez-Lobos/ Müller, Schmerzensgeld, S. 63 f.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 122 f. 283 OGH 9.5.1985 JBl. 1986, 114, 115; Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 63.

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der Rechtsgutsverletzung zu beurteilen ist.284 Der sozialen Stellung und den kulturellen Bedürfnissen des Geschädigten messen die Rechtsprechung und die herrschende Ansicht keine Bedeutung bei.285 Auch die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem gelten als unerheblich.286 Zudem beeinflussen das Verschulden des Schädigers und die sonstigen Umstände des Schadensfalls die Höhe der Entschädigung nur, wenn sie die Rechtsgutsverletzung intensivieren.287 Schließlich gelten die Vorteile, die der Schädiger aus dem Schadensfall zieht, als unerheblich. Eine andere Ansicht vertreten nur die Autoren, die dem Entschädigungsanspruch eine Präventions- oder Straffunktion zumessen wollen.288 III. Frankreich Auch die französischen Gerichte orientieren die Entschädigung am Schadensumfang, den sie meist anhand einer objektivierenden Betrachtung ermitteln.289 Maßgeblich sind Intensität und Dauer der Beeinträchtigung.290 Zur Bewertung des Schadens sind in der Rechtsprechung vor allem für die Personenschäden einzelne Schadenspositionen anerkannt (z. B. pretium doloris, préjudice ésthetique, préjudice d’agrément, préjudice sexuel). Zusätzlich werden die immateriellen Schäden berücksichtigt, die sich aus den emotionalen Belastungen bei einer verzögerten Schadensregulierung ergeben, ohne dass präventive oder pönale Zwecke verfolgt werden.291 Im Gegensatz zum deutschen sind im französischen Recht die Haftung und die Entschädigung immaterieller Einbußen nicht von einer Rechtsgutsverletzung abhängig. Es genügt der ideelle Schaden in Form einer seelischen Belastung, die durch die Entschädigung zu kompensieren ist. Für die Höhe der Entschädigung werden angesichts ihrer Ausgleichsfunktion weder die Einkommensverhältnisse des Geschädigten noch sein soziales 284

OGH 20.6.1989 ZVR 1990, 377; 26.2.2009 JBl. 2009, 646; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 121; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/20; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1325 Rn. 71, 76. 285 OGH 16.10.1975 ZVR 1976, 220; 15.11.1989 SZ 62/176, S. 236, 241; 19.12.1990 SZ 63/ 223, S. 474, 485; Jarosch/Müller/Piegler/Danzl, Schmerzensgeld, S. 187 f.; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1325 Rn. 75; a. A. Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/22; Steininger, FS Wilburg, S. 181, 202. 286 Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 81. 287 OGH 11.4.1956 ZVR 1957, 7; 5.6.1962 ZVR 1963, 22; F. Bydlinski, JBl. 1965, 237, 254; Dittrich/Tades, ABGB, § 1325 E 403; dazu Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 125. 288 Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 121 f.; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/23 f.; Steininger, FS Wilburg, S. 181, 202. 289 Cass. civ. 2ème 10.12.1986 Bull. civ. II, Nr. 188; Viney, Effets, Rn. 146; s. auch Schernitzky, Immaterieller Schaden, S. 174. 290 Agostinelli, Information, Rn. 693; Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 89 Rn. 9. 291 Cass. crim. 10.5.1984 D. 1984, IR, 447; Viney, Effets, Rn. 143.

326 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Lebensumfeld berücksichtigt.292 Ebenso wie im österreichischen und deutschen Recht wird nicht darauf abgehoben, welche Annehmlichkeiten zum Ausgleich des Gefühlsschadens erforderlich sind und welche Kosten sie verursachen. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse und das Verschulden des Schädigers sind nach herrschender Ansicht ohne Einfluss auf die Entschädigungshöhe, es sei denn, das Verschulden intensiviert die Rechtsgutsverletzung.293 Einen anderen Standpunkt vertreten jene, die in der Entschädigung eine Privatstrafe erblicken.294 Die französischen Gerichte sprechen für alle Schäden einen einheitlichen Gesamtbetrag zu, den sie nur knapp begründen. Für die einzelnen Schadenspositionen gewährt das Gericht keine separaten Entschädigungen. Die Bemessung des Schadensersatzes gilt als Sache der Tatsacheninstanz (juge au fond), so dass sich die Rechtskontrolle auf den Schutz vor Willkür beschränkt.295 IV. England Um die Bemessung der Entschädigung vergleichend zu betrachten, ist für das englische Recht vor allem auf die compensatory damages abzustellen, die einen Schadensausgleich bezwecken und daher funktional mit der Entschädigung nach deutschem, französischem und österreichischem Recht vergleichbar sind. Der Umfang der compensatory damages orientiert sich am erlittenen Schaden, wobei einzelne Schadenspositionen unterschieden werden (z. B. pain and suffering, loss of amenities, damages for bereavement).296 Die Vermögensverhältnisse der Parteien und ihre soziale Stellung gelten als unerheblich.297 Der Schadensersatz wird als Globalbetrag (lump sum) für alle erlittenen Schäden festgesetzt. Soweit es sich um zukünftige Schäden handelt (z. B. andauernde Schmerzen und fortgesetzte Beeinträchtigungen der Lebensführung), schätzt das Gericht den zu erwartenden Umfang, ohne dass der Betrag nachträglich an die tatsächlich eingetretenen Schäden angepasst werden kann.298 Daher bleibt der Schadensersatz gegebenenfalls hinter dem vollständigen Schadensausgleich zurück oder übertrifft ihn, so dass der Geschädigte bereichert ist (sog. windfall), ohne dass der Grundsatz der Totalreparation aufgegeben wird. 292

Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 10; Le Roy, Évaluation, Rn. 136-1. Cass. civ. 2ème 8.5.1964 JCP 1965, Éd. G, II, 14140; Agostinelli, Information, Rn. 691; Viney, Effets, Rn. 58; s. auch Giese, Dommages-intérêts, S. 103 ff. 294 Carval, Responsabilité, Rn. 33 f., 316; Viney/Jourdain, Effets, Rn. 58-1; s. auch Lindon, JCP 1970, Éd. G, I, 2336. 295 Z. B. Cass. civ. 2ème 2.11.1994 Bull. civ. II, Nr. 216; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 2021-1 Rn. 49, 54. 296 Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-20 f.; McGregor, Damages, Rn. 35-221; keine Mehrfachentschädigung: Lim Poh Choo v. Camden and Islington [1980] A.C. 174, 190 f. (HL, per Diplock). 297 Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1001. 298 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 1-024 ff.; Winfield & Jolowicz, Tort, 22-2. 293

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Seit der Reform des Zivilverfahrens im Jahre 1964 wird die Entschädigung grundsätzlich durch den Richter festgesetzt.299 Ein Verfahren mit einer Jury, die auch den Schadensersatz bestimmt, ist nur noch bei wenigen Klagen zulässig, vor allem bei Ehrverletzungen (defamation).300 Seit 1990 darf der Court of Appeal als Berufungsinstanz trotz des Verfahrens vor der Jury unangemessen hohe Entschädigungen herabsetzen.301 Zudem ist es dem Richter nun erlaubt, die Jury über die Schadensbemessung zu belehren und eine Entschädigungssumme für den konkreten Fall nahezulegen.302 Das soll die Bildung von Tarifen begünstigen.303 Um darauf hinzuwirken, dass der Ausgleich immaterieller Schäden bei Körper- und Ehrverletzungen in einem stimmigen Verhältnis steht, kann der Richter die Jury auf bereits zugesprochene Entschädigungen in Körperverletzungsfällen verweisen.304 Eine Besonderheit ergibt sich im englischen Recht bei den aggravated damages, die ebenfalls zum kompensatorischen Schadensersatz gehören. Für ihre Höhe gelten grundsätzlich die gleichen Kriterien wie beim kompensatorischen Schadensersatz für immaterielle Schäden.305 Daneben ist das Verhalten des Schädigers maßgeblich306, was angesichts der Ausgleichsfunktion nur gilt, soweit es den Schaden erhöht. Insoweit ist der Übergang zum Strafschadensersatz fließend. Wohl auch vor diesem Hintergrund begrenzte die Rechtsprechung die aggravated damages auf maximal das Doppelte der general damages.307 V. Schweiz Das schweizerische Zivilrecht nimmt hinsichtlich der Bemessung der Entschädigung eine Sonderstellung ein. Die Entschädigung hat eine Ausgleichsfunktion, so dass sich ihre Höhe am Schadensumfang ausrichtet, der anhand der Intensität und des Umfangs der Rechtsgutsverletzung zu ermitteln ist.308 Dabei 299

McGregor, Damages, Rn. 45-015. Siehe dazu Ward v. James [1966] 1 Q.B. 273 (CA, per Denning). 301 S. 8 Courts and Legal Service Act 1990; dazu Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-037. 302 McGregor, Damages, Rn. 39-024. 303 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-011; McGregor, Damages, Rn. 39-024. 304 Siehe Fn. 303; krit. Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-037. 305 Law Commission, Report No. 247, S. 15; Tettenborn, Damages, Rn. 2.23. 306 Cassel & Co Ltd v. Broome [1972] 1 All E.R. 836 (HL, per Reid); Law Commission, Report No. 247, S. 15; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 943. 307 Thompson v. Metropolitan Police Commissioner [1998] Q.B. 498 (CA); Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-8; Law Commission, Report No. 247, S. 16. 308 BG 27.10.1992 BGE 118 II 404, 408; 10.10.1997 BGE 123 III 10, 16; Giesen, Persönlichkeitsverletzung, S. 229; Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 14; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 132; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 19; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.12. Zur Berücksichtigung des Alters des Geschädigten: Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 16; s. auch Schnyder, Basler Kommentar, Art. 43 OR Rn. 6, 8; Roberto, Schadensrecht, S. 249 ff. 300

328 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen erfolgt ebenso wie im österreichischen und französischen Zivilrecht eine objektivierende Betrachtung, ohne die Berücksichtigung subjektiv erlittener Einbußen auszuschließen.309 Im Gegensatz zu den anderen Vergleichsländern gilt im schweizerischen Zivilrecht aber nicht der Grundsatz der Totalreparation, sondern der Proportionalitätsgedanke. Der Schädiger haftet dem Geschädigten nicht im vollen Umfang für den Schaden, sondern nur in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Fehlverhalten. Daher berücksichtigen Rechtsprechung und Literatur neben dem Schadensumfang analog Art. 43, 44 OR weitere Umstände, die nach dem Wortlaut nur für den Ersatz der materiellen Schäden gelten.310 Maßgeblich sind insbesondere das Verschulden von Schädiger und Geschädigtem sowie die sonstigen Umstände des Schadensfalls.311 Die Berücksichtigung des Verschuldens hat eine doppelte Relevanz, da es die Rechtsgutsverletzung intensiviert und zugleich der Orientierung dient, um ein angemessenes Verhältnis von Fehlverhalten und Entschädigung sicherzustellen. Das Straf- und Rachebedürfnis des Geschädigten beeinflusst die Entschädigung nicht.312 Für die Festsetzung der Entschädigung sind die Vermögensverhältnisse des Geschädigten nach herrschender Ansicht indes unerheblich.313 Von Bedeutung sind nur die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers. Soweit der Schadensersatz ihn in eine wirtschaftliche Notlage bringen würde, ist die Entschädigung zu mindern, es sei denn, der Schädiger hat grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt (Art. 44 Abs. 2 OR analog).314 Das soll die Verhältnismäßigkeit der zivilrechtlichen Haftung sicherstellen. Insofern erscheint es konsequent, dass sich die Schadensprädisposition des Geschädigten anders als im österreichischen und französischen Haftungsrecht entschädigungsmindernd aus309 BG 6.5.1997 BGE 123 III 306, 315; 14.5.2002 BGE 128 IV 53, 71; Brehm, Berner Kommentar, Art. 49 OR Rn. 22; Keller, Haftpflichtrecht, S. 120 f.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 11. 310 BG 11.12.1990 BGE 116 II 733, 735 f.; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 84 ff.; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 122 f.; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 21; Tercier, Personalité, Rn. 2059. 311 BG 3.4.1984 BGE 110 II 163, 166; 29.4.1986 BGE 112 II 131, 133; Bucher, Persönlichkeitsschutz, Rn. 591; Giesen, Persönlichkeitsverletzung, S. 229; Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 12; str., ob Gesamtwürdigung (Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 7 Rn. 12) oder zwingende Entschädigungsminderung bei geringem Verschulden des Schädigers (Schnyder, Basler Kommentar, Art. 43 OR Rn. 8, 10). 312 Gurzeler, Genugtuung, S. 273; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 36; Sidler, in: Münch/Geiser, Schaden, Rn. 10.25; s. auch Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 75. 313 BG 14.7.1995 BGE 121 III 252, 255; 10.1.1997 BGE 123 III 10, 13 f.; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 136; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 130 ff.; Oftinger/ Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 29; a. A. Tercier, Contribution, S. 253 f.; Vuille-Dit-Bille, Persönlichkeitsverletzung, S. 61 f. 314 BG 11.7.1978 BGE 104 II 184, 188; Gurzeler, Genugtuung, S. 162, 274 f.; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 37; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 43 OR Rn. 14.

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wirken kann.315 Wenn die Haftung auf vollen Schadensersatz angesichts der Vorbelastung des Geschädigten unbillig erscheint, wird die Entschädigung herabgesetzt. Ihre Höhe setzt der Richter als Ergebnis einer Gesamtwürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen fest.316 Dabei orientiert er sich auch an den vom Bundesgericht und den Kantonsgerichten zugesprochenen Beträgen, um die Gleichbehandlung der Geschädigten sicherzustellen.317

E. Ersatz immaterieller Schäden in einzelnen Teilbereichen I. Ersatz immaterieller Schäden beim Todesfall 1. Entschädigung für den Tod selbst In Österreich, der Schweiz, Frankreich sowie England wird der Verlust des Rechtsguts Leben beim Tod eines Menschen nicht entschädigt, da mit dem Tod die personenbezogenen Rechtsgüter nicht mehr existieren.318 Zum Teil wird darauf verwiesen, dass sich der Geschädigte mit der Entschädigung keine Annehmlichkeiten verschaffen könne.319 Zudem gibt es kein pretium mortis, so dass eine Entschädigung für den Tod kein Schadensersatz, sondern eine Privatstrafe wäre.320 In Frankreich wird die Gefahr der doppelten Entschädigung gesehen, da ein Angehörigenschmerzensgeld anerkannt ist.321 In Österreich und Frankreich wird es zum Teil als widersprüchlich empfunden, dass bei der Tötung als schwerster Rechtsgutsverletzung kein Anspruch auf Entschädigung besteht und es somit für den Schädiger günstiger

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Brehm, Berner Kommentar, Art. 44 Rn. 54 ff.; Gurzeler, Genugtuung, S. 282 ff.; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 271; zu Österreich: OGH 29.4.1965 JBl. 1967, 144; Karner, Ersatz ideeller Schäden, S. 141 f.; zu Frankreich: Cass. civ. 2ème 21.5.1990 RCA 1990, comm., Nr. 272. 316 BG 16.2.1977 BGE 103 Ia 73, 74; 27.10.1992 BGE 118 II 410, 413; 26.11.2002 BGE 129 IV 22, 35; 19.1.2006 BGE 132 II 117, 120; Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 12; Gurzeler, Genugtuung, S. 248 f.; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 131; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 21. 317 BG 6.5.1997 BGE 123 III 306, 315; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 Rn. 63; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 195; Art. 47 OR Rn. 21 ff.; Tercier, Contribution, S. 243. 318 Österreich: OGH 1.3.2005 ZVR 2005, 253; Karner, ZVR 2005, 253 f.; Koziol, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 203, 210 ff.; Koziol/Welser, Grundriss, Bd. II, S. 345; Schweiz: Widmer, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 52, 55; dazu Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, Comparative Report, S. 245, 247; Frankreich: Le Roy, Évaluation, Rn. 224; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-20 Rn. 30. 319 Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 71; Koziol, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 203, 218. 320 Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 70; Koziol, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 203, 211. 321 Cass. crim. 30.10.1979 Bull. crim. Nr. 299; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-20, Rn. 30.

330 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen ist, wenn der Geschädigte stirbt, statt schwer verletzt zu überleben.322 Vereinzelt erwägt die österreichische Literatur eine Entschädigung für den Nichtvermögensschaden infolge der Tötung eines Menschen, um den Verlust des Lebens auszugleichen.323 Dazu wird auf den Rechtsfortsetzungsgedanken verwiesen und eine objektive Schadensberechnung zugrunde gelegt.324 Zudem habe dieser Anspruch eine Präventionsfunktion.325 Offen bleibt aber, wie der Rechtsfortsetzungsgedanke bei einem personengebundenen Rechtsgut, das mit dem Tod seines Inhabers erlischt, wirken kann. Zudem fiele der Entschädigungsanspruch in den Nachlass, so dass die Erben mehr erhielten, als sie sonst hätten.326 Eine besondere Entwicklung nahm das englische Recht. Zunächst bestand für den Tod eines Menschen eine strafrechtliche Sanktion. Zudem regelte der Fatal Accidents Act von 1846 nur eine Entschädigung für die Vermögensschäden wegen des Todesfalls (Beerdigungskosten, entgangener Unterhalt), so dass ideelle Schäden nicht auszugleichen waren.327 Ab 1934 gewährte die Rechtsprechung einen vererblichen Entschädigungsanspruch für den Verlust an Lebenserwartung (loss of expectations of life).328 Die Entschädigung sollte aber nicht den Eingriff in das Rechtsgut Leben, sondern die Folgen der Körperverletzung kompensieren. Die Verminderung der Lebenserwartung galt als objektiver Schaden, so dass die Entschädigung vom Bewusstsein des Geschädigten für seine Situation unabhängig war. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung bestanden erhebliche Unsicherheiten. Zunächst gewährte die Rechtsprechung sehr hohe Beträge, beschränkte die Entschädigung aber später auf eine pauschale Summe unabhängig von der individuellen Situation des Geschädigten, die lange bei £ 1250 lag.329 Daneben konnte Ersatz für entgangenes Einkommen gefordert werden. Die Entschädigung diente im Grunde der Absicherung der Angehörigen. Daher ersetzte der Gesetzgeber die Entschädigung für loss of expectations of life 1982 auf Empfehlung der Law Commission durch einen Anspruch der Angehörigen auf Schmerzensgeld. Der Verlust der Lebenserwartung ist nur noch zu entschädigen, wenn der Geschä322 Österreich: Greiter, FS Kohlegger, S. 239, 261; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 67; Koziol, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 203, 204; Frankreich: Berchon, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 133-1 Rn. 7; anders in der Schweiz, s. Widmer, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 52, 55. 323 Greiter, FS Kohlegger, S. 239, 243; Hinteregger, 15. DJT, Bd. II/2, S. 11, 31 f.; Prisching, Schadensersatz, 2003, S. 58 f.; abl. Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 67 ff. 324 Hinteregger, 15. DJT, Bd. II/2, S. 11, 31 f. 325 F. Bydlinski, System, S. 191 f.; Hinteregger, 15. DJT, Bd. II/2, S. 11, 31. 326 Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 69. 327 Hinz v. Berry [1970] 2 Q.B. 40, 42 (CA, per Denning). 328 Rose v. Lord [1937] A.C. 826, 836 ff. (HL, per Russell of Killowen); Benham v. Gambling [1941] A.C. 157, 161 (HL, per Viscount Simon); dazu McGregor, Damages, Rn. 35-219 f. 329 Gammell v. Wilson [1982] A.C. 27 (HL, per Diplock); Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-19.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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digte unter dem Wissen über die Lebensverkürzung leidet (damages for pain and suffering).330 2. Körperverletzungen kurz vor dem Tod Die Rechtsprechung in der Schweiz, Frankreich und England gewährt eine Entschädigung auch für Körperverletzungen kurz vor dem Tod.331 Eine bestimmte Überlebensdauer wird nicht vorausgesetzt, die Verletzung darf nur nicht unmittelbar in den Tod münden.332 Der Entschädigungsanspruch ist in allen drei Rechtsordnungen vererblich.333 Er besteht selbständig neben dem Anspruch der Angehörigen auf Entschädigung ihrer Trauer wegen des Todesfalles, da er an der Körperverletzung und nicht am Tod anknüpft.334 Der österreichische OGH hat einen solchen Fall noch nicht entschieden. Die Literatur befürwortet zum Teil eine Entschädigung, obwohl der Geschädigte den Schadensersatz nicht mehr zur Verschaffung von Annehmlichkeiten nutzen kann, da die Kompensation nicht von der Verwendung des Geldbetrags abhänge.335 Die Gegenansicht will eine Entschädigung nur gewähren, wenn eine widmungsgemäße Verwendung möglich ist, und schließt den Anspruch aus, wenn die Verschaffung von Annehmlichkeiten von vornherein ausgeschlossen ist.336 3. Entschädigung der Angehörigen für Trauer und Schock a) Entschädigung von Trauerschäden aa) Schweiz Bei Todesfällen gewährt Art. 47 OR den Angehörigen des Getöteten einen Anspruch auf Genugtuung. Rechtsprechung und Literatur legen den Angehörigenbegriff weit aus, so dass jede Person erfasst ist, die in einem persönlichen 330 Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-55; s. das Verbot der Entschädigung von loss of expectations of life in sec. 1 (1) (b) Administration of Justice Act 1982. 331 Schweiz: BG 27.10.1992 BGE 118 II 404, 407; Frankreich: Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 5; Fasc. 202-20, Rn. 25; krit. Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 177; dazu Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 96 Rn. 40, 97 Rn. 42; England: Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-77 f.; Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 61. 332 Frankreich: Cass. civ. 2ème 21.12.1965 D. 1966, Jur., 181; England: Hicks v. Chief Constable of South Yorkshire [1992] 1 All E.R. 690 (HL). 333 Frankreich: Cass. crim. 30.10.1979 Bull. crim. 299; 28.10.1992 Bull. crim. Nr. 349; Le Roy, Évaluation, Rn. 223; England: Law Reform (Miscellaneous Provisions) Act 1934; Exall, Fatal Accidents, S. 93; dazu Rogers, in: Koch/Koziol, Compensation, S. 76, 94; Stahmer, Nichtvermögensschäden, S. 166. 334 Schweiz: BG 27.10.1992 BGE 118 II 404, 407; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 6; für eine Berücksichtigung beim Angehörigenschmerzensgeld: Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 128; Ch. Müller, Privatrecht, Art. 47 OR Rn. 5, Art. 49 OR Rn. 13. 335 Karner, Ersatz, S. 135 f.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 61; Koziol, FS Hausheer, S. 597, 604 f. 336 Danzl/Guttiérrez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 187; Ch. Huber, NZV 1998, 345, 350.

332 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Näheverhältnis zum Getöteten stand.337 Sofern eine familienrechtliche Beziehung existiert, wie bei Ehegatten, Eltern und deren Kindern, wird ein persönliches Näheverhältnis unterstellt.338 Im Übrigen ist die persönliche Nähebeziehung nachzuweisen. Einen Genugtuungsanspruch haben daher auch Verlobte oder Schwiegereltern. Die Einbeziehung nichtehelicher Lebenspartner hat das Bundesgericht offen gelassen.339 Partnern gleichgeschlechtlicher Beziehungen hat es bisher keine Ansprüche gewährt.340 Der Entschädigungsanspruch wird nicht nur durch den Angehörigenbegriff beschränkt, sondern auch durch die Erheblichkeitsschwelle, die allgemein für das Haftungsrecht gilt. Die Tötung naher Angehöriger ist stets erheblich.341 Je entfernter die verwandtschaftliche Beziehung ist und je weiter die Personen räumlich voneinander getrennt wohnen, desto weniger erheblich ist in der Regel die Beeinträchtigung.342 Geschwister haben daher nur einen Anspruch, wenn sie zusammen lebten oder in einer besonders engen Beziehung standen.343 bb) Frankreich Die deliktische Haftung nach Art. 1382 Cc setzt für den deliktischen Schadensersatzanspruch keine Rechtsgutsverletzung voraus, so dass Schock- und Trauerschäden der Angehörigen zu entschädigen sind (préjudice d’affection), wenn sie direkt, gegenwärtig sowie bestimmt sind und ein legitimes Interesse besteht. Die Cour de cassation lässt die Gefühlsbindung zwischen den Angehörigen als berechtigtes Interesse genügen344, so dass hauptsächlich die Anfor337 BG 15.10.1963 BGE 89 II 396, 400 f.; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 133; Engel, Obligations, S. 530; Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 10; Gurzeler, Genugtuung, S. 148 f.; Herrmann, Umfang des Schadens, S. 152; Landolt, Zürcher Kommentar, Art. 47 OR Rn. 408 f.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 84; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 9. 338 Ehegatten: BG 2.6.1987 BGE 113 II 323, 339; Eltern: BG 13.11.1962 BGE 88 II 455, 461 f.; 11.3.1986 BGE 112 II 118, 122; 27.10.1992 BGE 118 II 404, 409; Kinder: BG 22.6.1987 BGE 113 II 323, 339; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 9; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.09. 339 BG 31.5.1988 BGE 114 II 144, 149; dafür Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 160; Keller, Haftpflichtrecht, Bd. II, S. 149 f.; Landolt, Zürcher Kommentar, Art. 47 OR Rn. 415; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 9; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.09; a. A. Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 10; Sidler, in: Münch/Geiser, Schaden – Haftung – Versicherung, Rn. 10.62. 340 Anders Gurzeler, Genugtuung, S. 150; Sidler, in: Münch/Geiser, Schaden, Rn. 10.62. 341 Geisen, Persönlichkeitsverletzung, S. 223; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 133. 342 BG 31.5.1988 BGE 114 II 144, 151; s. auch Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 31 f.; Inderkum, Schadenersatz, S. 132 f.; Keller, Haftpflichtrecht, Bd. II, S. 133. 343 BG 31.5.1988 BGE 114 II 144, 149 (Verlobte); 27.10.1992 BGE 118 II 404, 409 (Geschwister); Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 136 ff., 159; Deschenaux/Tercier, Responsabilité, S. 94; Keller, Haftpflichtrecht, Bd. II, S. 148 f.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 84, 87; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.09. 344 Cass. civ. 13.2.1923 DP 1923, 1, 52, 53; Viney/Jourdain, Conditions, Rn. 272, 311.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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derungen an den Kausalzusammenhang (préjudice direct) den Entschädigungsanspruch beschränken. Sie betreffen den Kreis der ersatzberechtigten Angehörigen, der gesetzlich nicht geregelt ist. Die Rechtsprechung veränderte sich mehrfach. Zunächst war der Kreis der ersatzfähigen Angehörigen sehr weit, beschränkte sich aber seit 1931 auf die direkt mit dem Opfer verwandten und verschwägerten Personen.345 Im Laufe der 1950er und 1960er Jahre wurde der Angehörigenbegriff wieder erweitert, so dass alle nahestehenden Personen Ersatz für die Affektionsschäden verlangen können, auch wenn keine Rechtsbeziehung durch Abstammung, Verwandtschaft oder Ehe zum Verstorbenen bestand.346 Die tatsächliche Nähebeziehung zwischen Verstorbenem und Trauernden reicht aus.347 Einbezogen sind daher die Ehegatten sowie alle verwandten und verschwägerten Personen. Zudem sind Pflegeeltern, Pflegekinder, Patenkinder, Vormünder sowie Verlobte und sogar Geliebte ersatzberechtigt.348 Nichteheliche Lebenspartner können seit den 1960er Jahren Entschädigung geltend machen.349 Der Kläger muss den Trauerschaden darlegen und beweisen, was anhand der affektiven Bindung zum Getöteten erfolgt.350 Bei Verwandten in direkter Linie und Ehegatten sowie Angehörigen, die bis zum Tode in einer Lebensgemeinschaft lebten, vermuten die Zivilgerichte diese Bindung und den ideellen Schaden.351 Zum Beweis des Gegenteils muss dargelegt und bewiesen werden, dass keine gefühlsmäßige Bindung vorlag. Der Umfang der Entschädigung hängt von der Intensität der Gefühle ab. Insoweit sind das Alter des Verstorbenen und des Angehörigen, ihre persönliche Nähe sowie die Dauer ihrer Beziehung maßgeblich.352 Das Mitverschulden des Getöteten wirkt entschädigungsmindernd.353 Um die Bemessung der Entschädigung zu erleichtern, haben die Berufungsgerichte ein Tarifsystem entwickelt (barèmes d’indemnisation).354 Die 345 Cass. req. 2.2.1931 DP 1931, 1, 38; Cass. civ. 2ème 19.10.1943 Gaz. Pal. 1944, 1 5; s. auch Schwartz, Zufügung, S. 90 ff. 346 Cass. crim. 5.1.1956 DS 1956, Jur., 216; Mazeaud/Tunc, Résponsabilité I, Rn. 323. 347 Mazeaud/Tunc, Responsabilité I, Rn. 323; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-20, Rn. 302; s. auch v. Bar/Gotthardt, Deliktsrecht, Frankreich S. 24, 27. 348 Z. B. Cass. civ. 2ème 20.1.1967 Bull. civ. II, Nr. 30; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 20220, Rn. 313; s. auch Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 186 f. 349 Cass. crim. 14.6.1973 D. 1973, Jur., 585; 19.6.1975 D. 1975, Jur., 679; s. dazu Stahmer, Nichtvermögensschäden, S. 123 f. 350 Cass. civ. 2ème 16.4.1996 Bull. civ. II, Nr. 94; krit. Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 93 f.; Le Roy, Évaluation, Rn. 257; s. dazu v. Bar/Gotthardt, Deliktsrecht, Frankreich S. 27. 351 Cass. civ. 2ème 16.4.1996 Bull. civ. II, Nr. 94. 352 Le Roy, Évaluation, Rn. 247, 250; für die Schadenshöhe sei unerheblich, ob es sich um eine eheliche Verbindung handelte: Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-20, Rn. 304. 353 Cass. ass. plén. 19.6.1981 JCP 1982, Éd. G, II, Nr. 19712; dazu Malaurie/Aynès, Obligations, Rn. 224; Stahmer, Nichtvermögensschäden, S. 133 ff. 354 Für eine Zentralisierung: Bourrié-Quenillet, JCP 1996, Éd. G, I, Nr. 3919, Rn. 14–16; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-20, Rn. 304 f.

334 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Entschädigung ist moderat, aber der große Kreis ersatzberechtigter Personen hat zur Folge, dass der Schädiger insgesamt mit hohen Summen belastet wird.355 Daher fordert ein Teil der Literatur, den Kreis der Ersatzberechtigten zu beschränken.356 Manche wollen nur dem engsten Familienkreis oder Personen einen Anspruch gewähren, mit denen eine Lebensgemeinschaft bestand.357 Der Rapport Catala zur Reform des Code civil enthält keine Bestimmung, die diese Diskussion auflöst. Art. 1379 Abs. 2 regelt nur, dass seelische Schäden Dritter im Zusammenhang mit einer Körperverletzung zu ersetzen sind. cc) England Seit der Änderung von s. 1A Fatal Accidents Act im Jahre 1982 haben die Angehörigen in Todesfällen einen Anspruch auf eine pauschale Entschädigung (damages for bereavement), sofern der Verstorbene selbst gegen den Schädiger hätte klagen können. Die Entschädigung gleiche Trauer und Leid des Angehörigen sowie den ideellen Verlust der Gesellschaft und der Pflege durch den Verstorbenen aus, diene so der Anerkennung des Erlittenen358 und sei keine Sanktion359. Anspruchsberechtigt sind nur der Ehegatte und die Eltern eines minderjährigen, unverheirateten Kindes. Die Eltern erhalten einen Pauschalbetrag, den sie sich teilen; bei unehelichen Kindern bekommt die Mutter den Betrag allein. Die Entschädigung betrug anfangs £ 3500 und wurde schrittweise auf nunmehr £ 10 000 (im Jahre 2002) erhöht. Somit hat das englische Recht ein sehr formales und rigides System für die Entschädigung der Angehörigen für Trauerschäden.360 Das kritisierte die Law Commission bereits 1999 und schlug eine Erweiterung des Personenkreises sowie eine Erhöhung des Pauschalbetrags auf £ 30 000 vor.361 Eine Gesetzesänderung erfolgte bisher nicht. dd) Österreich Das österreichische Zivilrecht regelt den Ersatz von Trauerschäden der Angehörigen nicht, so dass sie lange ohne Ausgleich blieben. Seit 2001 gewährt der 355

Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 94 Rn. 28. Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 93 f. Rn. 28; Lambert-Faivre, D. 1992, Chron., 165, 168; dies., Dommage corporel, Rn. 202; Viney/Jourdain, Conditions, Rn. 267. 357 Savatier, D. 1955, Chron., 5, 10; s. auch Viney/Jourdain, Conditions, Rn. 267; ähnlich Marty/Raynaud, Obligations, Bd. I, S. 467. 358 McGregor, Damages, Rn. 36-019; s. auch Law Commission, Report No. 263, S. 32 f., 91 f.; s. weiter Stahmer, Nichtvermögensschäden, S. 159 f. 359 Law Commission, Report No. 263, S. 91 f., die sich für eine Klarstellung in einer explanatory note zum Gesetz ausspricht. 360 Janssen, ZRP 2003, 156, 158; Stahmer, Nichtvermögensschäden, S. 146. 361 Law Commission, Report No. 263, S. 99, 101 (Einbeziehung von gleichgeschlechtigen Lebenspartnerschaften, nichtehelichen Lebensgemeinschaften von mehr als zwei Jahren, Geschwistern, Onkel, Tante); gegen eine Erweiterung: Rogers, in: Koziol/Steininger, European Tort Law 2006, S. 52, 58. 356

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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OGH rechtsfortbildend eine Entschädigung für Trauerschäden, unabhängig davon, ob der Angehörige einen Schock mit Krankheitswert erlitten hat.362 Dazu relativiert der Gerichtshof nicht den Körperverletzungsbegriff in § 1325 ABGB, was das Schadensersatzrecht erheblich erweitert hätte.363 Auch eine Analogie zu § 1327 ABGB, der einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Unterhalts wegen eines Todesfalls gewährt, erfolgte nicht.364 Der Entschädigungsanspruch beruht auf einer Gesamtanalogie zu den Normen, die eine Entschädigung für Nichtvermögensschäden wegen der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter gewähren (§§ 1328, 1329 ABGB, § 213a ASVG), und der allgemeinen Bestimmung in § 1324 ABGB.365 Zugleich zieht der OGH einen Erst-recht-Schluss zu § 1331 ABGB und gewährt den Angehörigen einen Entschädigungsanspruch, wenn der Schädiger in böser Absicht oder mit auffallender Sorglosigkeit getötet hat.366 Ein Mitverschulden des Getöteten muss sich der Anspruchsinhaber anrechnen lassen.367 Eine Entschädigung erhielten bisher nur die Eltern und der Lebensgefährte des Getöteten, ohne dass der OGH abschließend über den Kreis der Anspruchsberechtigten entschieden hat.368 Die Literatur will den Anspruch auf den engsten Familienkreis (Eltern, Kinder und Ehegatten) beschränken.369 Allerdings soll die familienrechtliche Angehörigeneigenschaft nicht entscheidend sein, sondern die tatsächliche Intensität der persönlichen Verbundenheit zum Getöteten, so dass die Trauer eine typische Verletzungsfolge ist.370 Der OGH geht gleichwohl davon aus, dass die familienrechtliche Angehörigeneigenschaft für den Entschädigungsanspruch genügt, so dass er nicht entfällt, 362 OGH 16.5.2001 ZVR 2001, 284; 1.7.2004 JBl. 2004, 792; dazu Dittrich/Tades, ABGB, § 1325 E 331d; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 76 f.; Schobel, RdW 2002, 206 ff.; krit. Koziol/Welser, Grundriss, Bd. 2, S. 340. 363 Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 142; Karner, ZVR 2001, 287; Schobel, RdW 2002, 206, 207. 364 Dazu Ch. Huber, ZVR 2000, 218, 230; a. A. Karner, ecolex 2001, 37; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/11. 365 OGH 16.5.2001 ZVR 2001, 284; Karner, ZVR 2001, 206, 208 f.; Schobel, RdW 2002, 206, 207 f. 366 OGH 16.5.2001 ZVR 2001, 284, 287; zust. Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 77, 81 f.; a. A. (bei leichter Fahrlässigkeit) Rummel/Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 5a; Schobel, RdW 2002, 206, 208. 367 OGH 23.9.2004 ZVR 2004, 371; Karner, ZVR 2001, 287, 288 f.; krit. Kath, Schmerzensgeld, S. 125. 368 OGH 16.5.2001 ZVR 2001, 284, 287; 5.5.2003 JBl. 2003, 118; s. auch Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44, 52 ff., 62, die dafür plädieren, nicht nur die Trauer, sondern auch die Einschränkung bei der Persönlichkeitsentfaltung als ersatzfähigen immateriellen Schaden anzusehen. 369 Karner, ZVR 2001, 206, 207 f.; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 5b. 370 OGH 10.11.2004 ZVR 2005, 254, 256; 7.7.2004 ZVR 2005, 301, 302; Ch. Huber, NZV 1998, 345, 352; Karner, ZVR 2001, 206, 208; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 5b; dazu Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44, 56 ff.; a. A. Schwimann/Harrer, ABGB, Anh § 1325 Rn. 6 ff.

336 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen wenn die familiären Beziehungen gestört sind.371 Etwas anderes gelte nur, wenn zu keiner Zeit ein Näheverhältnis bestand oder völlige Entfremdung eingetreten war.372 Die Beschränkung des Anspruchs erfolgt somit im Rahmen der objektiven Zurechnung des Schadens (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Die Bemessung der Entschädigung macht der OGH von der Intensität der familiären Bindung, dem Bestehen einer Hausgemeinschaft und dem Alter des Getöteten und des Angehörigen abhängig.373 Die aktuellen Reformvorschläge zum Schadensersatzrecht wollen den Entschädigungsanspruch der Angehörigen ausdrücklich regeln. Die Arbeitsgruppe schlägt einen Entschädigungsanspruch für die Trauerschäden nahe stehender Personen vor, wenn ein Mensch getötet oder besonders schwer verletzt wurde.374 Die Nähebeziehung wird bei Ehegatten, Eltern und Kindern gesetzlich vermutet. Der Arbeitskreis hingegen will den Anspruch auf die Ehegatten, Eltern und Kinder sowie nahe stehende Personen beschränken, die in Hausgemeinschaft mit dem Getöteten lebten oder dem Schwerverletzten leben.375 Ein schweres Verschulden des Schädigers, wie es die Rechtsprechung gegenwärtig fordert, ist nicht erforderlich. Der nunmehr vorliegende Fusionsentwurf führt das Reformvorhaben weiter, indem er nahe stehenden Personen in Todesfällen und Fällen schweren Siechtums eine Entschädigung für ihre Leiden unabhängig von der Schwere des Verschuldens gewährt (§§ 1325 Abs. 3, 1327 Abs. 2 FE). Das Näheverhältnis vermutet das Gesetz bei Ehegatten, eingetratenen Partnern, Lebensgefährten sowie Eltern und Kindern. b) Eigenständiger Ausgleich von Schockschäden Der Tod eines Menschen kann nicht nur Trauerschäden im Sinne einer seelischen Belastung verursachen, sondern auch Schockschäden mit Krankheitswert. Schmerzen und Leiden infolge einer Krankheit werden als Folge einer Gesundheitsbeschädigung in allen untersuchten Rechtsordnungen entschädigt. Dieser Schadensersatzanspruch hat aber nur dann selbständige Bedeutung, wenn nicht bereits ein Entschädigungsanspruch wegen der erlittenen 371 OGH 22.2.2001 ZVR 2001, 204, 206; a. A. Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 84; zust. Hinteregger, 15. DJT, Bd. II/2, S. 11, 29. 372 So OGH 22.2.2001 ZVR 2001, 204, 206. 373 OGH 1.7.2004 JBl. 2004, 792,793. 374 § 1316 Abs. 3: „Eine angemessene Entschädigung (Schmerzensgeld) ist insbesondere zu leisten […] 2. Für das Leiden nahe stehender Personen bei Tötung oder besonders schwerer Verletzung eines Menschen; bei Ehegatten, Eltern und Kindern wird eine Nahebeziehung vermutet, andere Personen müssen eine vergleichbare Beziehung nachweisen.“; dazu Karner, in: Griss/Kathrein/Koziol, Entwurf, S. 83, 86; s. auch Koch, FS Koziol, S. 721, 740. 375 § 1327 Abs. 2 ABGB-E: „Den mit dem Getöteten in Hausgemeinschaft lebenden Eltern, Kindern und dem Ehegatten sowie in einem vergleichbaren Naheverhältnis stehenden Personen gebührt Ersatz für erhebliches seelisches Leid.“, Reischauer/Spielbüchler/Welser, Reform, Bd. III, S. 9. Dieser Vorschlag scheint aber nicht von der Mehrheit des Arbeitskreises getragen, s. Reischauer/Spielbüchler/Welser, Reform, Bd. III, S. 76 Fn. 154.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

337

Trauer besteht, der angesichts des eingetretenen Schocks erhöht wird. Daher hat der Ersatz der Schockschäden in Frankreich und in der Schweiz keine eigenständige Relevanz. In England, wo Trauerschäden nur eingeschränkt zu ersetzen sind, behält die Entschädigung für Schockschäden (pain and suffering) ihre Bedeutung. Die Gerichte sprechen eine solche Entschädigung zu, wenn der Nervenschock eine normale Reaktion auf das Ereignis war.376 Der Angehörige muss in einer engen, durch Liebe und Zuneigung geprägten Beziehung zum Getöteten gestanden und den tödlichen Unfall oder die vorsätzliche Tötung angesehen haben (zeitliche und räumliche Nähe),377 der Erhalt der Todesnachricht genügt nicht. In Österreich unterliegt die Entschädigung für Schockschäden seit der Gewährung eines Schadensersatzes für Trauerschäden der Angehörigen einem Wandel. Sofern ein solcher Entschädigungsanspruch besteht, ist er zu erhöhen, wenn ein Nervenschock eintritt.378 Ein selbständiger Anspruch wegen der Gesundheitsbeschädigung besteht nicht. Für alle Zweitgeschädigten, die keinen solchen Anspruch haben, kommt es weiter darauf an, ob die erlittene Gesundheitsverletzung in Form eines Nervenschocks einen Entschädigungsanspruch nach § 1325 ABGB nach sich zieht. Das gilt für Angehörige und andere Personen, die das Unfallgeschehen unmittelbar miterlebt haben.379 Seit 2001 gewährt der OGH auch Angehörigen eine Entschädigung, die auf die Todesnachricht mit einem Schock reagierten.380 Die Zurechnung des Schadens (Rechtswidrigkeitszusammenhang) beruht nicht auf der Nähe zum Unfallgeschehen, sondern auf dem persönlichen Näheverhältnis zwischen Erst- und Zweitgeschädigtem.381 Der Zweitgeschädigte muss aber kein Angehöriger im Rechtssinne sein, sondern es genügt nach der Rechtsprechung eine besonders enge Beziehung zum Erstgeschädigten, wie sie üblicherweise zwischen Eltern und Kindern, Ehegatten oder Lebensgefährten besteht.382

376

Alcock v. Chief Constable of South Yorkshire [1992] 1 A.C. 310, 311 (HL, per Keith). Siehe Fn. 376. 378 OGH 1.7.2004 JBl. 2004, 792,793. 379 OGH 16.6.1994 ZVR 1995, 116, 117; 21.12.1995 ZVR 1997, 186, 187; 22.2.2001 ZVR 2001, 204, 206; 23.9.2004 ZVR 2004, 371, 372; 20.1.2005 ZVR 2005, 166, 168; 12.5.2005 ZVR 2005, 300, 301; zur Schadenszurechnung Karner, ZVR 1998, 182, 187 ff.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 78. 380 OGH 22.2.2001 ZVR 2001, 204, 206; 16.5.2001 ZVR 2001, 283, 284; dazu Karner, ecolex 2001, 37; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 74 ff.; Koziol/Welser, Grundriss, Bd. II, S. 340. 381 OGH 22.2.2001 ZVR 2001, 204, 206; 16.5.2001 ZVR 2001, 283, 284; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 78 f.; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 5; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1295 Rn. 16. 382 OGH 29.8.2002 JBl. 2003, 118, 120; Karner, ZVR 2001, 206, 207; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 5; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1295 Rn. 16. 377

338 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen II. Immaterielle Schäden infolge von Körperverletzungen 1. Österreich Immaterielle Schäden infolge von Körperverletzungen sind im Rahmen der vertraglichen, der deliktischen und der Gefährdungshaftung auszugleichen. § 1325 ABGB macht die Entschädigung wegen des Stellenwerts der körperlichen Integrität als Rechtsgut nicht von einem schweren Verschulden abhängig.383 Nicht ersatzfähig sind seelische Schmerzen, die unabhängig von einer Körperverletzung eintreten, es sei denn, die psychische Beeinträchtigung hat Krankheitswert384 und ist somit eine eigene Gesundheitsverletzung.385 Daher ist das Erleiden von Todesangst nach § 1325 ABGB nur zu entschädigen, wenn sie infolge einer Körperverletzung eintritt oder selbst Krankheitswert erreicht.386 Darüber hinaus will ein Teil der Literatur einen Entschädigungsanspruch auf die §§ 1323, 1324 ABGB stützen, so dass ein Ausgleich der seelischen Belastungen erfolgen muss, wenn der Schädiger in böser Absicht oder mit auffallender Sorglosigkeit gehandelt hat.387 Die Rechtsprechung hat bisher keinen solchen Anspruch gewährt. Zumindest anerkennt sie inzwischen einen Entschädigungsanspruch für die Trauerschäden der Angehörigen analog §§ 1323, 1324 ABGB. Als immaterielle Schäden sind der körperliche und der seelische Schmerz ersatzfähig, der aus der Körperverletzung resultiert.388 Daher sind auch Trauer, Furcht und Depressivität sowie Unlustgefühle wegen des Verletztseins, der Entstellung oder der Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit bzw. der Freizeitgestaltung auszugleichen.389 Der OGH gewährt selbst empfindungsunfähig gewordenen Geschädigten eine Entschädigung wegen der Zerstörung

383 Ehrenzweig/Mayrhofer, Privatrecht, Bd. II/1, S. 323; Karner, Ersatz, S. 81; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 48 f.; Prisching, Schadenersatz, S. 32. 384 Kriterien: Behandlungsbedürftigkeit oder zumindest ärztliche Diagnostizierbarkeit, s. Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 120; Karner, Ersatz, S. 99 f.; grds. zum Ersatz bei psychischen Erkrankungen Danzl, ZVR 1990, 1, 7 ff., 14. 385 OGH 13.2.1986 ZVR 1987, 79, 83; 16.6.1994 ZVR 1995, 116, 117; Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 120; Karner, Ersatz, S. 84, 90 f.; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 1, 44. 386 Karner, Ersatz, S. 106 f.; Kath, Schmerzensgeld, S. 52; Koziol, FS Hausheer, S. 597, 607; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1325 Rn. 79; ähnlich Dittrich/Tades, ABGB, § 1325 E 319. 387 Karner, Ersatz, S. 107; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 66; zust. Hinteregger, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 11, 28; für eine gesetzliche Regelung einer solchen Entschädigung im Rahmen der Schadensersatzrechtsreform Koch, FS Koziol, S. 721, 740. 388 OGH 2.10.1991 ZVR 1992, 178, 179; 9.12.1993 ZVR 1995, 112, 114; Karner, Schäden, S. 88; Klang/Wolff, ABGB, Bd. VI, 135; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. II, S. 138 f.; Rummel/ Reischauer, ABGB, § 1325 Rn. 44. 389 Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld, S. 117 ff.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 54 f.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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ihrer Persönlichkeit.390 Die Ausgleichsfunktion sei bei Nichtvermögensschäden idealisierend, so dass die tatsächliche Empfindungsunfähigkeit nicht entgegenstehe. Die Literatur verweist darauf, dass die Metapher von der Verschaffung von Annehmlichkeiten für das Opfer nur ein Notbehelf war, der nicht zur Verweigerung der Entschädigung führen dürfe.391 Ansonsten entstünde ein Wertungswiderspruch zur Verletzung des betroffenen Rechtsguts, zumal nicht immer eindeutig sei, ob und in welchem Umfang Schwerstgeschädigte noch empfinden.392 Die Bemessung der Entschädigung weist bei Körperverletzungen keine Besonderheiten auf. Maßgeblich sind Dauer und Intensität der Schmerzen, wobei sich die Gerichte an der Schwere und dem Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung sowie den Auswirkungen auf die individuelle Lebensführung orientieren.393 Bei jungen Geschädigten, deren Lebensführung dauerhaft beeinträchtigt ist, wirkt sich das Alter somit schadenserhöhend aus, so dass die Entschädigung steigt.394 Die Verkürzung der Lebenserwartung, die die Leidenszeit des Geschädigten verkürzt, mindert den Schaden.395 2. Schweiz Das schweizerische Obligationenrecht gewährt bei der vertraglichen, der deliktischen sowie der Kausalhaftung eine Genugtuung für alle ideellen Schäden infolge einer Körperverletzung (Art. 47 OR), sofern sie die Erheblichkeitsschwelle überschreiten und es nach Würdigung der besonderen Umstände einer Genugtuung bedarf.396 Das setzt eine erhebliche Beeinträchtigung des psychischen Gleichgewichts voraus, die nicht mehr als Teil des allgemeinen Lebensrisikos vom Geschädigten zu tragen ist.397 Es kann sich um eine dauernde 390 OGH 14.1.1993 ZVR 1993, 339, 340; 26.2.2009 JBl. 2009, 646; zust. F. Bydlinski, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 27, 37 f. (der eine objektivierende Schadensbetrachtung vornehmen will, indem er auf eine durchschnittlich empfindende Person abstellt); Danzl/GuttiérrezLobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 109 ff.; Karner, Ersatz, S. 123 ff., 138 f.; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/23; s. auch Dittrich/Tades, ABGB, § 1325 E 323, 323a; a. A. Huber, ZVR 2000, 218, 224 f.; Kath, Schmerzensgeld, S. 49 ff.; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1325 Rn. 80. 391 F. Bydlinski, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 27, 37 f.; Karner, Ersatz ideeller Schäden, S. 133 ff., 138 f.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 59. 392 Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 59. 393 Z. B. OGH 27.11.1991 ZVR 1992, 217, 218; 9.12.1993 ZVR 1995, 112, 114; 25.10.1996 ZVR 1997, 195, 196; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 124, 127; Koziol, FS Hausheer, S. 597, 599 f.; Schwimann/Harrer, ABGB, § 1325 Rn. 76 f. 394 Danzl/Guttiérez-Lobos/Müller, Schmerzensgeld, S. 76 f.; Koziol, FS Hausheer, 2002, S. 597, 598. 395 Krit. Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 63. Das überzeugt nur, wenn die Entschädigung der Prävention dient oder dem Rechtsfortsetzungsgedanken folgt. 396 BG 3.4.1984 BGE 110 II 163, 166; 9.6.1997 BGE 123 III 204, 206; Ch. Müller, Privatrecht, Art. 47 OR Rn. 7, 9 f. 397 BG 3.4.1984 BGE 110 II 163, 166; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 29; Ch. Müller, Privatrecht, Art. 47 OR Rn. 10.

340 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Beeinträchtigung handeln oder um vorübergehende, aber erhebliche Schmerzen (z. B. durch Komplikationen beim Heilungsverlauf) oder um das Schweben in Lebensgefahr.398 Das Verschulden des Schädigers und des Geschädigten ist zu berücksichtigen, ebenso ihr persönliches Näheverhältnis.399 Diese Kriterien bestimmen auch die Bemessung der Genugtuung. Ideelle Schäden sind nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur Gefühlsschäden. Dennoch spricht das Bundesgericht dem empfindungsunfähig gewordenen Geschädigten eine Genugtuung zu, um einen Widerspruch zu den Wertungen des Art. 47 OR zu vermeiden.400 Zudem verweist das Gericht darauf, dass selbst juristische Personen eine Genugtuung erhalten.401 Ein Teil der Literatur will indes Genugtuung nur gewähren, wenn nicht sicher ist, ob der Geschädigte auf Dauer empfindungsunfähig ist oder ob er später seine Urteilsfähigkeit wiedererlangt.402 Ein anderer Teil macht sie davon abhängig, ob sie eine objektive Wirkung für den Geschädigten hat und seine Lebenssituation verbessert.403 Diese Diskussion hat in der Schweiz an Schärfe verloren, seit die Angehörigen der Schwerverletzten einen Genugtuungsanspruch haben.404 3. Frankreich a) Überblick Die Haftung für immaterielle Schäden infolge einer Körperverletzung beruht in Frankreich auf der deliktischen Generalklausel in Art. 1382 Cc, die keine Rechtsgutsverletzung voraussetzt und für alle zurechenbaren Körperverletzungen einen Entschädigungsanspruch gewährt. Auch Schadensersatzansprüche aus Gefährdungshaftung erstrecken sich auf Nichtvermögens398 BG 3.4.1984 BGE 110 II 163, 166; Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 161, 166 ff.; Geisen, Persönlichkeitsverletzung, S. 223; Gurzeler, Genugtuung, S. 209 f.; Inderkum, Schadenersatz, S. 133; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 132 f.; Schwenzer, Obligationenrecht AT, Rn. 17.08. 399 Zunehmend wird die Genugtuung nach Art. 47 OR nicht mehr davon abhängig gemacht, dass der Verletzer subjektiv vorwerfbar handelt; s. Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 20; Rey, Haftpflichtrecht, Rn. 477; Widmer, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 49. 400 BG 6.7.1982 BGE 108 II 422, 431 f.; 23.10.1990 BGE 116 II 519, 521; zust. Gurzeler, Genugtuung, S. 86; Honsell, Haftpflichtrecht, S. 107; Inderkum, Schadenersatz, S. 138; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 89 ff.; dazu Widmer, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 50. 401 BG 6.7.1982 BGE 108 II 422, 431. 402 Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 21 ff.; Dunand, in: Gauch u. a., Mélanges Pierre Tercier, S. 173, 175; Geisen, Persönlichkeitsverletzung, S. 221; Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 7; Ch. Müller, Privatrecht, Art. 47 OR Rn. 8; Oftinger, Haftpflichtrecht, Bd. I, S. 289; Schnyder, Basler Kommentar, Art. 47 OR Rn. 13; Tercier, Personnalité, Rn. 2043 ff.; ders., Contribution, S. 153 (relativierend). 403 Brehm, Berner Kommentar, Art. 47 OR Rn. 25; Ch. Müller, Privatrecht, Art. 47 OR Rn. 8. 404 Honsell, Haftpflichtrecht, S. 107; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 141; Widmer, 15. ÖJT, Bd. II/2, S. 36, 51.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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schäden.405 Der Schadensausgleich bei Körperverletzungen war in Frankreich in den letzten Jahren Veränderungen unterworfen, die einen gerechten und transparenten Schadensersatz zum Ziel haben.406 Die Schwierigkeiten beim Schadensausgleich beruhten insbesondere auf der Wechselwirkung zwischen Privat- und Sozialversicherungsrecht.407 Lange wurde beim Ersatz von Personenschäden zwischen dem objektiven Teil des Schadensersatzes (préjudice à caractère objectif) und einem personenbezogenen Teil (préjudice à caractère personnel) unterschieden. Ersterer differenzierte zwischen vorübergehenden und dauerhaften Schäden. Der Ausgleich für vorübergehende Schäden umfasste den Ersatz der Heilbehandlungskosten und der Schäden wegen der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit (incapacité temporaire de travail, ITT). Der Ersatz der dauerhaften Schäden schloss die Erstattung der zukünftigen Kosten und die Entschädigung für die dauerhafte teilweise oder vollständige Einschränkung der Arbeitskraft ein (incapacité permanente partielle oder totale, IPP, IPT). Die Ansprüche, die sich auf diese Schadenspositionen bezogen, gingen unabhängig von den erbrachten Leistungen der Sozialversicherung auf deren Träger über. Der Ausgleich des personenbezogenen Teils der Schäden erfolgte hingegen zwischen Schädiger und Geschädigtem. Das Sozialversicherungsrecht differenziert insoweit zwischen drei Gruppen von ideellen Schäden: Schmerzen und Leiden (pretium/quantum doloris, préjudice de souffrances physiques et morales), Verunstaltungsschäden (préjudice esthétique) und entgangener Lebensfreude (préjudice d’agrément).408 Daneben erfasst die Rechtsprechung den Sexualschaden (préjudice sexuel) und den Schaden jugendlicher Opfer (préjudice juvénile) eigenständig.409 Allerdings bestanden Unsicherheiten, ob und inwieweit beim objektiven Teil des Schadensausgleichs im Rahmen der ITT bzw. IPP auch die erlittenen Schmerzen und der Verlust an Lebensqualität410 entschädigt wurden. Insbesondere Schmerzen, die trotz der Heilbehandlung blieben, wurden vom Schadensersatz wegen der Behinderung (incapacité permanente partielle, IPP) erfasst.411 Dieser Entschädigungsanspruch ging auf 405 Z. B. Gesetz über die Haftung für Unfälle im Straßenverkehr (Loi Badinter 5.7.1985 Loi 85-677); Produkthaftung gem. Art. 1386-1 f. Cc. 406 Dazu auch Weber, DAR 2009, 561 ff. 407 Zum Einfluss des Sozialversicherungsrechts auf die Entwicklung der Schadenspositionen: Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 2; Le Roy, Évaluation, Rn. 129 ff.; s. auch Schwartz, Zufügung, S. 56 f. 408 Art. 452-3 Abs. 1, 454-3 Abs. 3 Code de la securité sociale. 409 Bourrié-Quenillet, JCP 1996, Éd. G, I, 3986; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 2; Viney, Effets, Rn. 143; krit. zum préjudice juvenile s. Galand-Carval, in: Rogers, Nonpecuniary loss, S. 87, 93 Rn. 27; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 66. 410 Dazu Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 135; Le Roy, Évaluation, Rn. 133, 135; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 28 f., 41; Viney/Jourdain, Effets, Rn. 105; s. auch Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 91 Rn. 18. 411 Le Roy, Évaluation, Rn. 144.

342 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen den Sozialversicherungsträger über, was von der Literatur als Widerspruch zu seinem Personenbezug empfunden wurde.412 Zudem wurde vielfach auf die unklare Abgrenzung der Schadenspositionen und auf die Gefahr einer doppelten Entschädigung verwiesen.413 Vor diesem Hintergrund erarbeitete eine Arbeitsgruppe des Conseil national d’aide aux victimes (CNAV) einen Vorschlag für die Neugestaltung des Ersatzes von Personenschäden, der 2003 dem Justizministerium übergeben wurde.414 Darüber hinaus entwickelte eine Arbeitsgruppe der Cour de cassation ein neues System der Schadenspositionen, das seit Juli 2005 vorliegt.415 Die Berichte kommen im Wesentlichen zu den gleichen Schlussfolgerungen416 und führten bereits zur Änderung des Sozialversicherungsrechts, so dass nunmehr die Schadensersatzansprüche nur noch auf den Sozialversicherungsträger übergehen, soweit der Geschädigte Leistungen erhalten hat.417 Zudem entschied die Cour de cassation bereits nach der neuen Konzeption und passte die Entschädigung der entgangenen Lebensfreude an.418 Das neue System der Schadenspositionen bei Personenschäden beruht auf einer doppelten Unterscheidung.419 Zunächst wird zwischen materiellen Schäden (préjudices patrimoniaux) und immateriellen Schäden (préjudices extrapatrimoniaux) differenziert. Anschließend ist jeweils zwischen temporären Schäden (préjudices temporaires) und dauerhaften Schäden (préjudices permanentes) zu trennen. Als dauerhaft werden alle Schäden bezeichnet, die nach Abschluss der sog. consolidation verbleiben. Die consolidation ist der Zeitpunkt, zu dem sich die Verletzung nicht mehr (insbesondere nicht durch Heilbehandlung) verändert, so dass die Beeinträchtigung einen dauerhaften Charakter erhält.420 Für den Zeitraum bis zur consolidation (période evolutive) wird ein Ersatz für die materiellen Schäden und die vorübergehende Funktionseinschränkung (déficit fonctionnel temporaire) gewährt. Daneben sind nach diesen Vorschlägen die erlittenen Schmerzen zu entschädigen, so dass ein pretium doloris (souffrances endurées) zu gewähren ist.421 Weiter kann der Geschädigte Ausgleich für vorübergehende Entstellung verlangen.422 412

Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 134. Le Roy, Évaluation, Rn. 135; s. auch Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 141; Viney/Jourdain, Effets, Rn. 105. 414 Ministère de la Justice, Conseil national d’aide aux victims, Rapport Y. Lambert-Faivre „L’indemnisation du dommage corporel“. 415 Rapport du groupe de travail chargé d’élaborer une nomenclature des préjudices corporels, dirigé par J. P. Dintilhac, Cour de cassation, 2005. 416 Dazu Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 96-2. 417 Art. 25 Loi 2006-1640 vom 21.12.2006; dazu Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 96-4. 418 Cass. Civ. 2ème 28.5.2009 D. 2009, 1606 f. 419 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 96-2, 98, 128. 420 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 129. 421 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 131, 132. 422 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 143. 413

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

343

Nach der consolidation (période stabilisée) erhält der Geschädigte eine Entschädigung für die verbleibenden dauerhaften Beeinträchtigungen (déficit fonctionnel permanent). Insoweit ist nunmehr anerkannt, dass das déficit fonctionnel permanent immaterielle Schäden umfasst und somit die Entschädigung der Nichtvermögensschäden einschließt.423 Daneben kann der Geschädigte kein selbständiges pretium doloris beanspruchen424, sondern nur noch einen Schadensersatz für die verbleibenden Schadenspositionen: dauerhafte Entstellungen (préjudice esthétique permanent), entgangene Lebensfreude (préjudice d’agrément specifique), Sexualschäden (préjudice sexuel) sowie préjudice d’étabilissement. Der früher anerkannte Schaden jugendlicher Opfer (préjudice juvénile) wird nicht als eigenständige Schadensposition aufrechterhalten.425 Nur der sog. préjudice d’etablissement, der Jugendlichen mit schweren Behinderungen einen Ausgleich für den Verlust der Chance gewährt, ein normales Leben zu führen426, bleibt bestehen. Trotz der Ausdifferenzierung der Schadenspositionen sprechen die französischen Gerichte bisher nur eine Gesamtsumme zu, die die Entschädigung für alle materiellen und immateriellen Schäden umfasst. Der Vorentwurf zur Reform des Code civil (Rapport Catala) zählt in Art. 1379 Abs. 1 die Schadenspositionen – préjudice physiologique et souffrances endurées, préjudice esthétique, préjudice d’agrément und préjudice sexuel – als ersatzfähige auf. Der préjudice juvénile fehlt auch hier. Der Richter soll verpflichtet sein, in seiner Entscheidung für alle Schadenspositionen gesonderte Beträge zuzusprechen und zu begründen, wenn er die Klage bezüglich einer Schadensposition zurückweist (Art. 1374, 1379 Abs. 3). Das erleichtere die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Entschädigungsbeträge und erlaube, den juge au fond stärker an die bestehende Rechtsprechung der höheren Instanzen zu binden und die Rechtssicherheit beim Zuspruch von Schadensersatzbeträgen zu erhöhen.427 b) Schadenspositionen beim Ausgleich immaterieller Personenschäden Das pretium doloris erfasst körperliche und psychische Leiden.428 Wegen der Unabhängigkeit der Haftung von der Rechtsgutsverletzung sind auch seelische Belastungen durch langwierige Gerichtsverfahren, Frustrationen wegen 423

Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 134. Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 134. 425 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 138. 426 Cass. civ. 2ème 11.9.2003 RCA 2003, Comm., Nr. 315; 30.6.2005 RCA 2005, Comm., Nr. 316, 317; Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 138. 427 Viney, Rapport Catala, S. 161, 163. 428 Cass. civ. 2ème 9.12.2004 RCA 2005, Comm., Nr. 50; 11.10.2005 Bull. civ. II, Nr. 242; 9.2.2006 Légifrance n° 04-30392; 14.2.2007 Légifrance n° 05-11819; Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 90 Rn. 14; Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 132; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 7 ff. 424

344 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen des Arbeitsplatzverlusts sowie Todesängste einbezogen.429 Der Umfang des Schmerzensgelds bemisst sich nach der Schwere der Verletzung, der Dauer der Pflege und den erlittenen Ängsten, die Lebensverhältnisse des Geschädigten und das Verschulden des Schädigers haben indes keinen Einfluss.430 Die Schwere der Schmerzen ist anhand eines medizinischen Gutachtens zu ermitteln, wobei ihnen ein Schweregrad zwischen 1 und 7 anhand der von Thierry und Nicourt entwickelten Tabelle zuzuordnen ist.431 Für jeden Schweregrad ist eine Spanne für die Entschädigung festgelegt. Dabei handelt sich um eine regelmäßig aktualisierte Bemessungshilfe, die das Justizministerium empfiehlt.432 Schmerzen, die trotz der Heilung bleiben, gleicht die Entschädigung für die eingetretene Behinderung (incapacité permanente partielle, IPP) aus.433 Diese wird nach dem Grad der Behinderung (taux de l’incapacité permanente partielle) im Verfahren des calcul au point d’incapacité berechnet.434 Der sog. Verunstaltungsschaden (préjudice esthétique) umfasst alle Beeinträchtigungen durch dauernde oder vorübergehende körperliche Verunstaltungen (Narben, Verlust oder Verformung von Körperteilen), unabhängig von der Beeinträchtigung der Körperfunktion.435 Der Schadensumfang hängt von der Schwere der Verunstaltung ab, für die vor allem Art und Stelle der Verunstaltung sowie Alter, Geschlecht, Familienstand und Beruf des Geschädigten maßgeblich sind.436 Die Bemessung der Entschädigung erfolgt wie beim pretium doloris anhand einer Bemessungshilfe mit einer Skala von 1 bis 7.437 Zum Teil wird die Entwicklung verbindlicher Tabellen gefordert, um divergierende Entscheidungen zu vermeiden.438 Neben dem pretium doloris und dem préjudice esthétique ist die entgangene Lebensfreude (préjudice d’agrément) auszugleichen. Diese Schadensposition beschränkte sich zunächst auf Schadensfälle, in denen der Geschädigte sportliche, künstlerische oder spielerische Aktivitäten nicht mehr ausüben 429

TGI Chartes 24.7.1980 JCP 1983, Éd. G, II, 20108. Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 89 Rn. 9; Perier, JC, Art. 1382– 1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 10. 431 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 132; Le Roy, Évaluation, Rn. 145 ff.; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 11 f. 432 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 76; Le Roy, Évaluation, Rn. 146; Viney/Jourdain, Effets, Rn. 148. 433 Le Roy, Évaluation, Rn. 144. 434 Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 90 Rn. 15; Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 134; Le Roy, Évaluation, Rn. 137 f. 435 Cass. civ. 2ème 13.3.1968 Bull. civ. II, Nr. 81; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 15; Viney, Effets, Rn. 149; s. auch Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 90 Rn. 16. 436 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 137; Le Roy, Évaluation, Rn. 151; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 18; Viney/Jourdain, Effets, Rn. 149. 437 Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 17; Viney, Effets, Rn. 149. 438 Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 27. 430

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

345

konnte.439 Sie erfasste später die Beeinträchtigungen bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens.440 Daher sind der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns sowie Urlaubsschäden einbezogen, unabhängig davon, ob ein wirtschaftlicher Verlust eintritt.441 Nach der neuen Systematisierung der Schadenspositionen legt die Cour de cassation nun ein engeres und zugleich subjektiv geprägtes Verständnis der entgangenen Lebensfreude zugrunde.442 Die Entschädigung wegen permanenter Behinderung (IPP, IPT) erfasst danach die ideellen Schäden und bezieht insofern alle Beeinträchtigungen der Lebensqualität ein, die infolge der Behinderung im alltäglichen Leben eintreten. Die Entschädigung für den préjudice d’agrément gleicht daher nur noch die Einbußen aus, die der Geschädigte erleidet, weil ihm das Sporttreiben und andere Freizeitaktivitäten nicht mehr möglich sind.443 Das entspricht auch den Vorschlägen der Arbeitsgruppen.444 Der Umfang der Entschädigung richtet sich nach dem Grad der Einschränkungen für das tägliche Leben, wobei als Bemessungshilfe erneut eine Skala von 1 bis 7445 sowie die persönlichen Umstände des Geschädigten herangezogen werden.446 Der Sexualschaden (préjudice sexuel) wurde ursprünglich durch die Entschädigung für entgangene Lebensfreude oder die indemnisation d’incapacité permanente ausgeglichen.447 Die Rechtsprechung hat ihn zur eigenen Schadenspositionen weiterentwickelt. Der Sexualschaden umfasst die vollständige oder teilweise Unfähigkeit zur Fortpflanzung oder zu sexuellen Handlungen.448 Auf die Entschädigung haben das Alter und der Verlust der Chance zur Eheschließung und Familiengründung Einfluss, nicht aber das Geschlecht und die gesellschaftliche Stellung.449 Angesichts des nunmehr vertretenen engen Konzepts der entgangenen Lebensfreude behält der Sexualschaden eine eigenständige Bedeutung. 439

Le Roy, Évaluation, Rn. 130; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 31. Cass. civ. 2ème 20.5.1978 JCP 1978, Éd. G, IV, 221; 19.3.1997 D. 1998, Jur., 59; s. auch Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 32 ff., 45; Le Roy, Évaluation, Rn. 132; Viney, Effets, Rn. 144, die darin eine Objektivierung des Schadens sehen, der sich aus einer physiologischen Beeinträchtigung ergibt. 441 Cass. civ. 2ème 4.10.1985 Bull. civ. II, Nr. 163; 23.6.1993 JCP 1993, Éd. G, IV, 2191; Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 75. 442 Cass. Civ. 2ème 5.6.2008 RCA 2008, Comm., Nr. 257; 28.5.2009 D. 2009, 1606 f.; s. auch Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 135. 443 Cass. Civ. 2ème 28.5.2009 D. 2009, 1606 f. 444 Rapport Lambert-Faivre, S. 182; Rapport Dinthilac, S. 40; Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 135. 445 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 135; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2 Rn. 37. 446 Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 135. 447 Cass. crim. 20.12.1988 JCP 1989, Éd. G, IV, 82; zust. Le Roy, Évaluation, Rn. 152; krit. Galand-Carval, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 87, 93 Rn. 27. 448 Cass. crim. 12.5.2005 RCA 2005, Comm., Nr. 212; 17.1.2007 Légifrance n° 05-12399; zu dieser Entwicklung: Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2 Rn. 53 ff. 449 S. dazu krit. Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 61, 64. 440

346 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Cour de cassation auch dem Geschädigten, der infolge des Schadensfalls empfindungsunfähig wurde, einen Entschädigungsanspruch für seinen Nichtvermögensschaden gewährt. Die Rechtsprechung war zunächst uneinheitlich. Die Zivilkammern betrachteten den Schaden subjektiv und lehnten den Schadensersatz ab, zumal sich der Geschädigte keine Annehmlichkeiten verschaffen könne.450 Die Strafkammern legten hingegen eine objektive Betrachtung zugrunde, so dass es nicht auf das Empfinden des Geschädigten ankam, und gewährten im Adhäsionsverfahren eine Entschädigung.451 Seit 1995 haben sich die Zivilkammern den Strafkammern angeschlossen, weil die Empfindungsunfähigkeit keine Schadensposition ausschließen könne.452 Die Literatur sieht darin zum Teil eine Privatstrafe und lehnt diese ab.453 4. England Die Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer Körperverletzung kann im englischen Recht durch Klage wegen trespass to the person454 bei vorsätzlichen Körperverletzungen oder durch Klage wegen tort of negligence (personal injury) bei fahrlässiger Körperverletzung geltend gemacht werden. Daneben bestehen Gesetze zur Gefährdungshaftung.455 Ihre Anzahl ist im englischen Recht zwar geringer als in anderen Mitgliedstaaten der EU456, die Ausdehnung der Sorgfaltspflichten beim tort of negligence und die Beweislastumkehr für die Kausalität relativieren aber den Unterschied zwischen deliktischer Verschuldens- und Gefährdungshaftung457. Das gilt insbesondere im Straßenverkehrsrecht, für das keine Gefährdungshaftung besteht.458 Die Entschädigung für Nichtvermögensschäden wird als Globalbetrag zugesprochen.459 Dennoch unterscheiden Rechtsprechung und Literatur seit den 450 Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 79; so auch Barrot, Dommage corporel, S. 385; Givord, La reparation, S. 135. 451 Cass. crim. 3.4.1978 JCP 1979, Éd. G, II, 19168; s. auch Lambert-Faivre, Dommage corporel, Rn. 149 ff. 452 Cass. civ. 2ème 22.2.1995 Bull. civ. II, Nr. 61; 28.6.1995 Bull. civ. II, Nr. 224; zust. Lambert-Faivre, Dommage coporel, Rn. 151. 453 Für eine subjektive Betrachtung: Barrot, Dommage corporel, S. 384; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 81 ff. 454 Insofern wird zwischen battery – vorsätzliche Körperverletzung – und assault – Bedrohung – unterschieden. 455 Z. B. Consumer Protection Act 1987, Reservoirs Act 1975, Water Industry Act 1991, Gas Act 1965, Environmental Protection Act 1990, Merchant Shipping Act 1995, Submarine Pipelines Act 1998, Civil Aviation Act 1982, Nuclear Installations Act 1965, Animals Act 1971. 456 Dazu Rogers, in: Koch/Koziol, Compensation, S. 76, 81. 457 Zur Entwicklung des tort of negligence: Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 113 ff.; s. auch v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 314, 371 f. 458 Rogers, in: Koch/Koziol, Compensation, S. 76, 81. 459 Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-07; McGregor, Damages, Rn. 35–221; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-18, 22-19; s. auch Rogers, in: Koch/Koziol, Compensation, S. 76, 91.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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1970er Jahren zwei Schadenspositionen: Schmerzen und Leiden (pain and suffering) sowie Verlust an Lebensfreude (loss of amenities).460 Die Entschädigung für pain and suffering erfasst alle physischen Schmerzen und mentale Belastungen infolge der Körperverletzung, wie Angst, Furcht oder Schock.461 Daneben sind psychische Belastungen zu entschädigen, wenn sie Krankheitswert haben.462 Ohne Ausgleich bleiben reine Gefühlsschäden ohne Krankheitswert. Das gilt auch für die Todesangst, die nicht aus einer Körperverletzung resultiert.463 Loss of amenities schließt im englischen Recht sowohl den Verlust von Fähigkeiten als auch von Lebensfreude im engeren Sinne ein.464 Der Verlust eines der fünf Sinne ist ebenso erfasst wie die Fortpflanzungsfähigkeit sowie physische und soziale Beschränkungen, die aus der Körperverletzung folgen (z. B. Nichtausüben eines Hobbys).465 Dieser Schaden ist nach der Rechtsprechung des House of Lords nicht vom subjektiven Empfinden des Geschädigten abhängig, so dass eine Entschädigung auch zugesprochen wird, wenn der Geschädigte infolge des Schadensfalls empfindungsunfähig geworden ist.466 Schmerzensgeld (damages for pain and suffering) erhält der Geschädigte indes nicht, weil er keinen Schmerz empfindet.467 Zu diesem Ergebnis kommt auch die Law Commission, die die Persönlichkeit jedes Rechtssubjekts als Gesamtheit seiner vermögenswerten und nicht vermögenswerten Rechtsgüter begreift und verlangt, dass der Schadensersatz für jede Einbuße den status quo ante herstellen müsse (konzeptionelle Herangehensweise).468 Die Literatur wendet dagegen ein, dass die Entschädigung funktionslos sei, weil sich der Geschädigte keine Vorteile verschaffen könne.469 Zudem wird auf die Ungleichbehandlung zu den Todesfällen verwiesen, in denen auch kein Schadensersatz für den Verlust des Lebens gewährt werde. 460 Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-55 ff.; McGregor, Damages, Rn. 3-002 ff.; Rogers, in: Koch/Koziol, Compensation, S. 76, 91. 461 McGregor, Damages, Rn. 35–205; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-19. 462 Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-55; McGregor, Damages, Rn. 3-006 m. w. N; Tettenborn, Damages, Rn. 4.05. 463 Rothwell v. Chemical and Insulating Co Ltd [2006] EWCA Civ 27 Rn. 25 f., 63, 86 ff. (CA, per Phillips and Longmore); dazu Rogers, in: Koziol/Steininger, European Tort Law 2006, S. 52, 55. 464 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 9-073; McGregor, Damages, Rn. 35–211; Tettenborn, Damages, Rn. 27.12. 465 McGregor, Damages, Rn. 35–211; s. Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 9-073 m. w. N. 466 Vgl. Fn. 467; s. auch McGregor, Damages, Rn. 35–213; Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 59. 467 West v. Shephard [1964] A.C. 326, 340 ff. (HL, per Reid); Lim Poh Choo v. Camden Area Health Authority [1980] A.C. 174, 188 f. (HL, per Diplock); Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 9-072; Tettenborn, Damages, Rn. 4.07; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-19 f. 468 Law Commission, Report No. 257, S. 5 f.; dazu Ogus, Damages, S. 172. 469 Kemp, Damages, S. 135 f.; McGregor, Damages, Rn. 35–214; dazu Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-20 f.

348 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Die Höhe der Entschädigung bestimmt die Rechtsprechung anhand des konkreten Schadens, der nach den Umständen des Einzelfalls durch eine Gesamtwürdigung der Intensität der Beeinträchtigung für den Geschädigten ermittelt wird (personelle Herangehensweise).470 Für Schmerzen werden wegen ihrer Inkommensurabilität aber keine Tagessätze festgesetzt.471 Daneben erfolgt ein Vergleich mit den Entschädigungen, die bei vergleichbaren Verletzungen zugesprochen wurden.472 Das Judicial Studies Board gibt seit 1992 alle zwei Jahre eine Sammlung der Entscheidungen zu Personenschäden mit Anmerkungen heraus, die als Bemessungshilfe dienen.473 Das führt trotz der Einzelfallbetrachtung zu einer gewissen Standardisierung unter Anpassung an die Inflationsrate.474 Zudem sind in der Berufungsinstanz nur wenige Richter mit diesen Fällen betraut, was die Angleichung der Rechtsprechung erleichtert.475 5. Trauerschäden bei schweren Körperverletzungen Bei schweren Körperverletzungen wird der Trauerschaden der Angehörigen seltener entschädigt als bei Todesfällen. Ein Schadensersatz wird übereinstimmend gewährt, wenn der Schock der Angehörigen Krankheitswert hat und ein hinreichender Zurechnungszusammenhang besteht. Im Übrigen divergiert die Rechtslage in den untersuchten Rechtsordnungen. Das schweizerische Bundesgericht gewährt eine Genugtuung. Art. 47 OR regelt einen Genugtuungsanspruch der Angehörigen zwar nur für Todesfälle, das Bundesgericht greift aber auf Art. 49 OR zurück, der die Genugtuung bei Persönlichkeitsverletzungen normiert und von Art. 47 OR nicht vollständig verdrängt wird.476 Die psychische Bindung an einen engen Familienangehörigen sei eine Ausprägung des geschützten Persönlichkeitsrechts, so dass ein Entschädigungsanspruch bestehe, wenn die Angehörigen bei außergewöhnlich schweren Körperverletzungen einer vergleichbaren Belastung wie beim Todesfall ausgesetzt sind.477 470 West v. Shephard [1964] A.C. 326, 343 (HL, per Reid); Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 9-069; McGregor, Damages, Rn. 35–203; Munkmann, Damages, S. 14 f.; Ogus, Damages, S. 172. 471 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 9-081; Ogus, Damages, S. 199; s. auch Rogers, in: Koch/Koziol, Compensation, S. 76, 96. 472 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 9-075. 473 Guidelines for the Assessment of General Damages in Personal Injury Cases; dazu Allen/ Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 9-075; McGregor, Damages, Rn. 35–229. 474 Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 66; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-22. 475 Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 66. 476 BG 22.4.1986 BGE 112 II 220, 222 ff.; 22.4.1986 BGE 112 II 226, 228; 12.3.1991 BGE 117 II 50, 56; 27.12.1995 BGE 122 III 5, 7; 9.6.1997 BGE 123 III 204, 210; dazu Brehm, Berner Kommentar, Art. 49 OR Rn. 67; Guhl/Koller, Obligationenrecht, § 10 Rn. 11; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 125; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht, Bd. I, § 8 Rn. 77; Rey, Haftpflichtrecht, Rn. 470 f.; Tercier, Contribution, S. 145 ff. 477 St. Rspr., BG 22.4.1986 BGE 112 II 220, 223; 12.3.1991 BGE 117 II 50, 56, 59; 27.12.1995 BGE 122 III 5, 7; 9.6.1997 BGE 123 III 204, 210; Brehm, Art. 49 OR Rn. 67, 67b; Oftinger, Haftpflichtrecht, Bd. I, S. 287; krit. Gurzeler, Genugtuung, S. 223 ff.

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Anspruchsberechtigt sind Ehegatten, Eltern und Kinder, solange eine persönliche Nähebeziehung besteht.478 Das österreichische Recht kennt bisher keinen Entschädigungsanspruch für Angehörige bei schweren Körperverletzungen. Die Literatur befürwortet die Ausdehnung der neuen Rechtsprechung zur Entschädigung von Angehörigen in Todesfällen.479 Die Gesamtanalogie beruhe auf Normen, die keine Tötung voraussetzten. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehe auch bei schweren Körperverletzungen. Im Rahmen der Schadensersatzreform wird ebenfalls ein Schadensersatz für Trauerschäden der Angehörigen wegen schwerer Körperverletzungen vorgeschlagen. Die Arbeitsgruppe verweist darauf, dass die Invalidität und Pflegebedürftigkeit des Geschädigten häufig schweres Leid bei den Angehörigen hervorruft (§ 1316 Abs. 3 Nr. 2 ABGB).480 Die Abgrenzung der besonders schweren Verletzungen konkretisiert der Gesetzesvorschlag nicht, und sie findet keine Parallele im ABGB. Der Gegenentwurf des Arbeitskreises bezieht die Trauerschäden der Angehörigen bei Verletzungen mit besonders schweren Dauerfolgen ein und sieht eine entsprechende Anwendung der Regelung zu den Todesfällen vor.481 Der Fusionsentwurf stellt auf ein schweres Siechtum infolge der Verletzung ab (§ 1325 Abs. 3 FE). In Frankreich setzen die vertragliche und deliktische Haftung keine bestimmte Rechtsgutsverletzung voraus, so dass eine Entschädigung gewährt wird, wenn der Erstgeschädigte infolge des Schadensfalls schwer körperlich oder geistig behindert ist oder der Angehörige den körperlichen und seelischen Verfall des Erstgeschädigten mit ansehen muss.482 Die anfängliche Beschränkung des Entschädigungsanspruchs auf besonders schwere Leiden wurde aufgegeben.483 Anspruchsberechtigt sind bisher Ehegatten, Eltern und Kinder.484 Die Entschädigung bemisst sich nach dem konkreten Schaden unter Berücksichtigung des Verwandtschafts- und Verschuldensgrades.485 Das englische Recht gewährt den Angehörigen hingegen keine Entschädigung, da sich der Fatal Accidents Act auf Todesfälle beschränkt.

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Tercier, Contribution, S. 152; ähnlich Gurzeler, Genugtuung, S. 222 f. (auch Geschwister bei persönlicher Nähebeziehung). 479 Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834, 855; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 89; zust. Hinteregger, 15. DJT, Bd. II/2, S. 11, 29 f.; a. A. Kath, Schmerzensgeld, S. 121 f. 480 Karner, in: Griss/Kathrein/Koziol, Entwurf, S. 83, 86. 481 Reischauer/Spielbüchler/Welser, Reform, Bd. III, S. 73 zu § 1325 Abs. 2 ABGB-E. 482 Cass. civ. 2ème 10.6.1964 Bull. civ. II, Nr. 460; Le Roy, Évaluation, Rn. 157 ff.; Mazeaud/ Tunc, Responsbilité, Bd. I, Rn. 326; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2, Rn. 47. 483 Cass. civ. 2ème 3.2.1993 JCP 1993, Éd. G, IV, 879; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-12 Rn. 49. 484 Le Roy, Évaluation, Rn. 159; Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2 Rn. 49. 485 Perier, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 202-1-2 Rn. 52.

350 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen III. Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 1. Schweiz Das schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) ist die einzige der hier untersuchten großen Kodifikationen, die bereits bei ihrem Inkrafttreten eine ausdrückliche Regelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts enthielt. Art. 28 ZGB erfasst durch den Begriff der Persönlichkeit den Einzelnen als „Geisteswesen“ in seiner Einmaligkeit mit der Gesamtheit seiner Anlagen und Tätigkeiten in der ihm eigenen Ausprägung.486 Dazu gehören der physische und psychische Schutzbereich487 sowie der soziale Schutzbereich488.489 Daneben schützt Art. 29 ZGB den Namen. Eigene Regelungen bestehen für das Wettbewerbsrecht und die Immaterialgüterrechte, die auch das Erfinder- und Schöpferpersönlichkeitsrecht erfassen (URG, MSchG, DesG). Art. 28a ZGB knüpft an die widerrechtlichen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts eine Mehrzahl von Rechtsfolgen, zu denen Ansprüche auf Schadensersatz und Genugtuung sowie Gewinnherausgabe nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag zählen. Art. 28a ZGB verweist insoweit auf das Obligationenrecht. Das Gleiche gilt für die Spezialregelungen des Immaterialgüter- und Wettbewerbsrechts.490 Die Genugtuung wegen widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzungen regelt Art. 49 OR einheitlich. Die Erheblichkeitsschwelle des Genugtuungsanspruchs hat zur Folge, dass er nur bei schweren Persönlichkeitsverletzungen besteht. Dafür ist grundsätzlich ein Verschulden des Schädigers erforderlich.491 Die Genugtuung gleicht nur den erlittenen ideellen Schaden aus.492 Das Verschulden beeinflusst die Höhe der Genugtuung nur, soweit es den Schaden 486 Aebi-Müller, Informationen, S. 8, 17 ff.; Bucher, Persönlichkeitsschutz, Rn. 430; Jäggi, Persönlichkeit, S. 146a; Meili, Basler Kommentar, Art. 28 ZGB Rn. 5; Tercier, Personnalité, Rn. 344 ff. 487 Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Freiheit, persönliche Freiheit, insbesondere Bewegungsfreiheit; Beziehungen zu Nahestehenden, Respekt gegenüber Nahestehenden und auf Gefühlsleben. 488 Recht auf Namen und andere Identifikationsmerkmale, Recht am eigenen Bild, an der eigenen Stimme, am eigenen Wort, auf informationelle Selbstbestimmung, insbesondere Datenschutz, Recht auf Ehre, Unternehmensgeheimnis sowie Wettbewerb, Wirtschaftsfreiheit und vertragliche Ansprüche. 489 Bucher, Persönlichkeitsschutz, Rn. 439; Meili, Basler Kommentar, Art. 28 ZGB Rn. 17; Rey, Haftpflichtrecht, Rn. 467 ff.; Tercier, Personnalité, Rn. 344 ff. 490 Art. 9 Abs. 3 UWG, Art. 62 Abs. 2 URG, Art. 55 Abs. 3 MSchG, Art. 35 Abs. 2 DesG. 491 BG 23.12.1999 BGE 126 III 161, 166 f.; 23.9.2004 BGE 131 III 26; Bucher, Persönlichkeitsschutz, Rn. 591; Gurzeler, Genugtuung, S. 207; Hausheer/Aebi-Müller, Personenrecht, Rn. 14.66; Keller, Haftpflicht, Bd. II, S. 134; Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 17. Anders bei der Kausalhaftung, s. Aebi-Müller, Handkommentar, Art. 28a ZGB Rn. 17; Hausheer/Aebi-Müller, Personenrecht, Rn. 14.67; dies., recht 2004, 129, 145. 492 Aebi-Müller, Handkommentar, Art. 28a ZGB Rn. 18; Inderkum, Schadensersatz, S. 174; Landolt, Zürcher Kommentar, Vorbem zu Art. 47/49 OR Rn. 44.

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vergrößert. Eine selbständige Präventionsfunktion hat der Anspruch nicht.493 Die zugesprochene Genugtuung ist in der Regel gering.494 Daher hat der Genugtuungsanspruch neben den Ansprüchen auf Schadensersatz und Gewinnherausgabe wenig Bedeutung495, zumal das Bundesgericht dem Geschädigten erlaubt, die Ansprüche auf Schadensersatz, Gewinnherausgabe und Genugtuung zu kumulieren.496 Schadensersatz und Gewinnherausgabe schlössen sich nicht aus, wenn der Verletzte das usurpierte Geschäft nicht selbst geführt hätte und somit keinen Ersatz für entgangenen Gewinn verlangen könne.497 Die Abschöpfung des Verletzergewinns erfolgt nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 423 OR i. V. mit Art. 28a Abs. 3 ZGB), unabhängig davon, ob der Rechtsinhaber den Persönlichkeitsbestandteil selbst nutzen wollte und er den gleichen Gewinn erzielt hätte.498 Art. 423 OR setzt voraus, dass der Geschäftsführer ohne Rücksicht auf das Interesse des Geschäftsherrn gehandelt hat. Zunächst behandelte das Bundesgericht Art. 28a Abs. 3 ZGB als Rechtsfolgenverweis, so dass es nicht auf die Bösgläubigkeit des Geschäftsführers ankam.499 In neueren Entscheidungen scheint es aber ein Verschulden des Geschäftsführers vorauszusetzen und bei dessen Fehlen das Bereicherungsrecht anzuwenden.500 Die Lehre sieht den Anspruch allerdings überwiegend als verschuldensunabhängig an.501 Verletzergewinn i. S. von Art. 423 OR ist der Nettogewinn.502 Bei Persönlichkeitsverletzungen durch Presseerzeugnisse legt das Bundesgericht nicht den direkten Gewinn aus einzelnen Presseartikeln zugrunde, der in der Regel nicht nachweisbar ist.503 Es lässt genügen, dass das Presseerzeugnis durch Nachrichten, die regelmäßig an der Grenze der Persönlichkeitsverletzung liegen, seinen Absatz fördert und Leser bindet, und unterstellt, dass jeder Beitrag 493 Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 17; Geisen, Persönlichkeitsverletzung, S. 231. 494 Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 17; zu § 62 URG: Barrelet/Egloff, URG, Art. 62 Rn. 14. 495 Barrelet/Egloff, URG, Art. 62 Rn. 14; Honsell, Haftpflichtrecht, S. 109; Sidler, in: Münch/Geiser, Schaden, Rn. 10.80. 496 BG 7.12.2006 BGE 133 III 153, 159 f.; Barrelet/Egloff, URG, Art. 62 Rn. 16; a. A. Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 18. 497 BG 7.12.2006 BGE 133 III 153, 160. 498 BG 7.12.2006 BGE 133 III 153, 158 f.; Aebi-Müller, Handkommentar, Art. 28a ZGB Rn. 19; Hausheer/Aebi-Müller, recht 2004, 129, 145 f.; Hausheer, FS Wiegand, S. 319, 329; Schmid, in: Rechtsentwicklung, S. 428; Tercier, Personnalité, Rn. 2130; a. A. Holenstein, Wertersatz, S. 162; Nietlispach, Gewinnherausgabe, S. 136. 499 BG 7.7.2003 BGE 129 III 422, 425; 7.12.2006 BGE 133 III 153, 158; ebenso Aebi-Müller, Handkommentar, Art. 28a ZGB Rn. 19; Hausheer/Aebi-Müller, Personenrecht, Rn. 14.72; Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 18; a. A. Holenstein, Wertersatz, S. 168 ff. 500 BG 7.7.2003 BGE 129 III 422, 425 (Fall unberechtigter Vermietung); dazu Hausheer/ Aebi-Müller, recht 2004, 129, 146. 501 Hausheer, FS Wiegand, S. 319, 329. 502 Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 19. 503 BG 7.12.2006 BGE 133 III 153, 162.

352 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen auf die Gewinnerzielung Einfluss hat.504 Das Gericht stellt insoweit auf den Gewinn durch das einzelne Produkt ab, der auch in einer Verlustminderung bestehen kann.505 In die Berechnung des Nettogewinns werden die konkreten Aufwendungen des Geschäftsführers einbezogen, die für die Gewinnerzielung kausal waren.506 Fixkosten und nicht konkret zurechenbare Gemeinkosten bei der Nutzung vorhandener Infrastruktur sind nicht abzugsfähig, wenn die Infrastruktur ohne die Rechtsverletzung nicht ausgenutzt worden wäre und somit ein Verlust vermieden wurde.507 Das Gericht kann den Gewinn schätzen (Art. 42 Abs. 2 OR analog).508 Die Beweislast für die Abzugsfähigkeit der Kosten trägt der Geschäftsführer.509 Daneben zieht ein Teil der Literatur einen Anspruch aus Eingriffskondiktion (Art. 62 OR) heran und will dem Geschädigten einen Anspruch auf entgangene Lizenzgebühr gewähren.510 2. Österreich Das österreichische Zivilrecht kennt kein allgemeines Persönlichkeitsrecht. § 16 ABGB gilt zwar als zentrale Norm des Persönlichkeitsschutzes511, die Rechtsprechung hat bisher aber kein allgemeines Persönlichkeitsrecht anerkannt und eine Haftung für seine Verletzung abgeleitet.512 Ein Teil der Literatur legt dem Zivilrecht hingegen ein allgemeines Persönlichkeitsrecht zugrunde und stützt den Entschädigungsanspruch für immaterielle Einbußen bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten des Schädigers auf die §§ 1323, 1324 ABGB.513 Unabhängig davon schützen die gesetzlichen Regelungen einzelne Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Ehre, 504

BG 7.12.2006 BGE 133 III 153, 164. BG 7.12.2006 BGE 133 III 153, 165. 506 BG 3.3.2008 BGE 134 III 306, 311. 507 BG 3.3.2008 BGE 134 III 306, 311; dazu Hausheer, FS Wiegand, S. 319, 330; Jenny, Eingriffskondiktion, S. 154 f. (anteilig, soweit durch die Rechtsverletzung erhöht). 508 BG 12.2006 BGE 133 III 153, 162; 3.3.2008 BGE 134 III 306, 309; Aebi-Müller, Handkommentar, Art. 28a ZGB Rn. 19; Hausheer/Aebi-Müller, Personenrecht, Rn. 14.70. Auch für Darlegung und Beweis der Kausalität genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit, wenn die Tatsachen keinem direkten Beweis zugänglich sind, BG 12.2006 BGE 133 III 153, 162; AebiMüller, Handkommentar, Art. 28a ZGB Rn. 19. 509 BG 3.3.2008 BGE 134 III 306, 311. 510 Barrelet/Egloff, URG, Art. 62 Rn. 17; Inderkum, Schadenersatz, S. 171 ff.; Meili, Basler Kommentar, Art. 28a ZGB Rn. 19; Tercier, Personnalité, Rn. 2122; s. auch Jenny, Eingriffskondiktion, S. 183 ff., 308 ff. (Wert der unbefugten Nutzung, Lizenzgebühr nur ein Faktor); krit. BG 7.12.2006 BGE 133 III 153, 157. 511 OGH 23.10.2000 JBl. 2001, 390, 391; Hinteregger, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 143, 156; Rummel/Aicher, ABGB, § 16 Rn. 3; Schwimann/Posch, ABGB, § 16 Rn. 2, 3. 512 OGH 22.10.1986 SZ 59/182, S. 928; 11.10.1988 SZ 61/210, S. 222, 226 ff.; 21.10.1992 SZ 65/134, S. 199, 204; ebenso Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. II, S. 6. 513 Karner, Ersatz, S. 77 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/6; für ein allgemeines Persönlichkeitsrecht Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 33 f., 36; Rummel/Aicher, ABGB, § 16 Rn. 12 f.; s. auch Hinteregger, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 143, 157 ff.; Schwimann/Posch, ABGB, § 16 Rn. 13 f. 505

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Privatsphäre, Recht am eigenen Bild).514 Die Haftung für Rechtsverletzungen ist uneinheitlich, was ihre Verschuldensabhängigkeit, die Erheblichkeitsschwelle und die Haftungshöchstbeträge anbelangt. Der eingeschränkte Ausgleich ideeller Schäden wird damit begründet, dass die Schäden nur schwer objektivierbar seien und Beeinträchtigungen mit geringer Intensität zum allgemeinen Lebensrisiko gehörten.515 Für Ehrverletzungen schließt § 1330 ABGB die Entschädigung ideeller Einbußen grundsätzlich aus.516 Ein Teil der Literatur fordert jedoch, § 1330 ABGB bei einer Verletzung der Menschenwürde einzuschränken und auf § 16 ABGB sowie die §§ 1323, 1324 ABGB zurückzugreifen, so dass bei grobem Verschulden eine Entschädigung zu gewähren ist.517 Die Rechtsprechung hat sich dem bisher nicht angeschlossen. Spezialgesetzliche Ansprüche bestehen nur bei Ehrverletzungen durch die Medien (§ 6 Abs. 1 S. 1 MedienG) und wegen unlauteren Wettbewerbs (§§ 13, 16 Abs. 2 UWG). Der Schadensersatzanspruch518 nach § 6 Abs. 1 S. 1 MedienG ist verschuldensunabhängig und zielt auf Ausgleich der erlittenen Kränkung, so dass sich die Entschädigung am Schadensumfang orientiert.519 Daher sind der Umfang und die Auswirkungen der Veröffentlichung, vor allem das Ausmaß des Angriffs auf die Ehre, das Gewicht der Straftat und der soziale Störwert maßgeblich.520 Eine wiederholte Ehrverletzung wird entschädigungserhöhend berücksichtigt.521 Die Leistungsfähigkeit des Medienunternehmens ist indes ohne Bedeutung.522 Zum Schutz der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen ist die Entschädigung

514 Ehrschutz, Privatsphäre, Recht am eigenen Bild, Name und Erfinder- bzw. Schöpferpersönlichkeitsrecht. 515 F. Bydlinski, JBl. 1965, 237, 252 ff.; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 38 f., 98; Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn. 11/8. 516 OGH 10.4.1991 SZ 64/36, S. 207, 220; Hinteregger, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 143, 149; Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 98; Rummel/Reischauer, ABGB, § 1330 Rn. 3. 517 F. Bydlinski, JBl. 1965, 237, 253 f.; zust. Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 99. 518 Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz, Vor §§ 6–8 Rn. 21 f., § 6 Rn. 51; Brandstetter/ Schmid, Mediengesetz, § 6 Rn. 36; Hartmann/Rieder, Mediengesetz, § 6 Anm. I, XI; a. A. Litzka/Strebinger, Mediengesetz, § 6 Rn. 4; dogmatische Qualifikation str., e. A. Gefährdungshaftung Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz, Vor §§ 6–8 Rn. 22; a. A. Anspruch sui generis OGH 7.10.1997, 14 Os 75/97; der Anspruch ist im Strafverfahren geltend zu machen, sofern ein solches durchgeführt wird (§ 8 MedienG). 519 Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz, Vor §§ 6–8 Rn. 23; Lazarakos, ZfRV 2002, 1, 10; anders Fort, Strafelemente, S. 127. 520 Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz, Vor §§ 6–8 Rn. 43; Brandstetter/Schmid, Mediengesetz, § 6 Rn. 38; Vrba/Lampelmayer/Wulff-Gegenbaur, Schadenersatz, S. 121. Zur Berücksichtung von Art und Ausmaß der Verbreitung des Mediums: Brandstetter/Schmid, Mediengesetz, § 6 Rn. 39; Litzka/Strebinger, Mediengesetz, § 6 Rn. 4. 521 Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz, Vor §§ 6–8 Rn. 44. 522 Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz, Vor §§ 6–8 Rn. 48.

354 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen im Gesetz auf 20 000 €, bei Verleumdung oder übler Nachrede mit besonders schweren Auswirkungen auf 50 000 € beschränkt. Auch der Schutz der Privatsphäre erfolgte zunächst punktuell. Das Medienrecht schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich des Einzelnen vor öffentlicher Bloßstellung durch die Medien und gewährt dem Geschädigten einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch mit Ausgleichsfunktion (§ 7 MedienG). Die Entschädigung ideeller Einbußen ist der Höhe nach aber auf 20 000 € beschränkt. Daneben ergibt sich aus § 87 Abs. 2 UrhG i. V. mit § 77 UrhG ein verschuldensabhängiger Entschädigungsanspruch für die Veröffentlichung von vertraulichen Briefen, Tagebüchern und ähnlichen Aufzeichnungen. Schließlich enthält das Datenschutzrecht einen Entschädigungsanspruch für Kränkungen, die infolge der Verletzung einer Geheimhaltungspflicht entstanden sind und deren Intensität dem Verstoß gegen § 7 MedienG entspricht (§ 33 Abs. 1 S. 2 DSG 2000). Seit 2004 enthält zudem § 1328a ABGB einen subsidiären verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung ideeller Einbußen, die infolge einer erheblichen Verletzung der Privatsphäre entstanden sind.523 Er hat eine Ausgleichsfunktion, so dass sich die Höhe der Entschädigung nach dem konkreten Schaden bemisst, für den entscheidend ist, in welchem Maß und mit welcher Intensität die Privatsphäre verletzt wurde.524 Maßgeblich sind die psychische Beeinträchtigung sowie die kränkende Wirkung, aber auch die Bereicherungsabsicht und das Verschulden des Schädigers, soweit sie den Schaden vergrößern. Das Recht am eigenen Bild schützt eigens § 78 UrhG, dessen Verletzung einen verschuldensabhängigen Entschädigungsanspruch nach sich zieht. Der OGH macht die Entschädigung davon abhängig, dass die Beeinträchtigung den mit jeder Bildveröffentlichung verbundenen Ärger übersteigt und eine empfindliche Kränkung vorliegt.525 Dieser Maßstab stimmt mit dem des wettbewerbsrechtlichen Entschädigungsanspruchs aus § 16 Abs. 2 UWG überein.526 Die Höhe der Entschädigung bemisst sich angesichts der Ausgleichsfunktion des Anspruchs nach der Intensität der Beeinträchtigung, auf die insbesondere die Bekanntheit der Person, der Verbreitungsgrad des Mediums und das Ausmaß der Unrichtigkeit Einfluss haben.527 Schließlich besteht bei der Verletzung des Schöpfer- oder Erfinderpersönlichkeitsrechts ein verschuldensabhängiger Entschädigungsanspruch (§ 87 Abs. 2 UrhG, § 150 Abs. 4 PatG, § 34 S. 2 MSchG, § 41 S. 2 GebrMG). Auch bei diesem Anspruch kommt es 523

Krit. Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 103 f. Karner/Koziol, Gutachten 15. ÖJT, Bd. II/1, S. 101 f. 525 Z. B. unvorteilhafte Abbildung, die das wirtschaftliche Fortkommen beeinträchtigt; grobe Verletzungen des Bildnisschutzes; s. OGH 29.5.1996 4Ob2059/96i, zit. nach ris; Dillenz/ Gutman, UrhG, § 87 Rn. 5, 22; Hinteregger, Liber Amicorum Pierre Widmer, S. 143, 151. 526 Krit. Mahr, in: Dittrich, Beiträge zum Urheberrecht IV, S. 33, 48 f.; Holzhammer/Rinner, Handelsrecht, S. 163. 527 OLG Wien 13.12.2001 MR 2002, 211 (3 R 137/01s). 524

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nach der Rechtsprechung des OGH darauf an, das die Beeinträchtigung über den mit jeder Urheberrechtsverletzung verbundenen Ärger hinausgeht und eine ganz empfindliche Kränkung darstellt.528 Allerdings stellt der OGH inzwischen nicht nur auf den Gefühlsschaden ab, sondern nimmt eine objektive Betrachtung der Einbuße vor.529 Die Zusammenschau der einzelnen Ansprüche zeigt, dass die Entschädigung wegen Verletzung der geschützten Persönlichkeitsrechte – trotz ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung – übereinstimmend nur eine Ausgleichsfunktion hat und sich am erlittenen Schaden orientiert. Neben den Ansprüchen auf eine Entschädigung der Nichtvermögensschäden bestehen zum Teil Ansprüche auf Schadensersatz oder Gewinnherausgabe, die gerade bei lukrativen Persönlichkeitsverletzungen Bedeutung erlangen. Sofern die Verletzung des Rechts am eigenen Bild nicht nur die ideellen Interessen des Rechtsinhabers betrifft, sondern zugleich die materiellen, spricht die Rechtsprechung nach § 78 UrhG eine Entschädigung zu, da beide Interessen gleichermaßen geschützt seien.530 Das Immaterialgüterrecht gewährt dem Geschädigten zudem einen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt (§ 87 Abs. 3 UrhG, § 53 Abs. 3 MSchG, § 150 Abs. 3 PatG), solange er keinen höheren Schaden nachweist.531 Es handelt sich um eine Schadenspauschalierung wegen des schwer nachweisbaren konkreten Vermögensschadens. Dieser Anspruch gilt als Privatstrafe532, weil die Rechtsprechung und die überwiegende Literatur ihn nicht vom Schaden abhängig machen533. Die Regelung wird daher teils als Anomalie des Schadensersatzrechts kritisiert, teils als notwendige Ungleichbehandlung bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten angesehen.534 Gewinnabschöpfungsansprüche bestehen nur im Urheberrecht. § 87 Abs. 4 UrhG findet nur bei Verletzungen des Urheberrechts Anwendung, aber nicht bei der Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach § 78 UrhG. Zudem lehnt die Rechtsprechung bei einem Verstoß gegen § 78 UrhG grundsätzlich auch den Rückgriff auf die Eingriffskondiktion nach § 1041 ABGB ab, weil das UrhG eine abschließende Regelung aller Rechtsfolgen enthalte.535 Ein An528 OGH 10.11.1998 MR 1998, 345, 346; dazu Dillenz/Gutman, UrhG, § 87 Rn. 6; Walter, MR 1998, 346; krit. zu dieser Rspr. Mahr, MR 1996, 9, 9 f., 11 f. 529 OGH 10.11.1998 MR 1998, 345, 346; dazu Dillenz/Gutman, UrhG, § 87 Rn. 6; Walter, MR 1998, 346. 530 OGH 7.11.2007 ZEuP 2009, 812, 815. 531 §§ 53 Abs. 3 MSchG, 150 Abs. 3 PatG setzen grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz voraus, wohingegen § 87 Abs. 3 UrhG ein Verschulden des Schädigers genügen lässt. 532 Mahr, in: Dittrich, Beiträge zum Urheberrecht IV, S. 33, 46; Walter, MR 1995, 2, 4. 533 So zu § 87 Abs. 3 UrhG: OGH 26.5.1998 GRUR Int 1999, 182, 184; verweisend auf Mahr, MR 1994, 183; Walter, MR 1995, 2, 4. 534 Mahr, in: Dittrich, Beiträge zum Urheberrecht IV, S. 33, 46; krit. Koziol, Haftpflichtrecht, Bd. II, S. 237 f. (fehlender Schaden, sofern der Geschädigte die Einwilligung verweigert hätte). 535 OGH 4.4.1989 JBl. 1989, 786, 788; 7.11.2007 ZEuP 2009, 812, 815; Schwimann/Apathy, ABGB, § 1041 Rn. 19; a. A. Nowakowski, JBl. 1989, 788 f.

356 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen spruch aus Eingriffskondiktion bestehe nur, wenn die Persönlichkeitsmerkmale einen vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt besitzen und die Rechtsverletzung die wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt.536 Die tatsächliche Verwendung des Bildes zu kommerziellen Zwecken genügt hingegen nicht. Ein solcher Zuweisungsgehalt bestehe bei der Öffentlichkeit bekannten Persönlichkeiten, die ihre Popularität und ihr Image wirtschaftlich verwerten können, indem sie die Nutzung ihres Bildes, Namens oder anderer Persönlichkeitsmerkmale gegen ein Entgelt gestatten.537 Sie können Wertersatz für die gezogene Nutzung in Höhe des sog. üblichen Benützungsentgelts verlangen.538 Ein Anspruch auf Herausgabe aller Vorteile besteht selbst bei Unredlichkeit nicht.539 3. Frankreich Der Code civil regelte den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anfangs nicht. Daher entwickelte sich der Schutz der Persönlichkeit für einzelne Teilbereiche sukzessive. Der Schutz der Privatsphäre erfolgte zunächst durch einen Rückgriff auf das Eigentumsrecht, um die (räumliche) Privatsphäre vor dem Eindringen Dritter sowie dem Ausspähen und Abhören zu schützen. Ihr deliktischer Schutz entwickelte sich auf der Grundlage der Generalklausel (Art. 1382 Cc), die keine Rechtsgutsverletzung, sondern nur eine schuldhafte Schädigung voraussetzt, so dass es darauf ankam, ob die Persönlichkeitsverletzung ein schuldhaftes Verhalten (faute) im Sinne dieser Regelung war. Seit 1970 ist das Recht auf Achtung der Privatsphäre in Art. 9 Cc geregelt, dem eine Reihe von Autoren eine privilegierte Position unter den Persönlichkeitsrechten zuweisen.540 Der Schutz der Privatsphäre erfolgt nun durch das Privatrecht und das Strafrecht541 gleichermaßen. Zivilrechtlich bestehen Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz. Maßnahmen wie die Beschlagnahme und die Einziehung verletzender Schriftstücke lassen sich mit dem Schadensersatz kombinieren (Art. 9 Abs. 2 Cc).542 Einen effektiven Rechtsschutz sollen einstweilige Verfügungen im référé-Verfahren ermöglichen543, so dass Schäden verhindert werden, ohne die Hauptsache vorwegzu-

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OGH 4.4.1989 JBl. 1989, 786, 788; 7.11.2007 ZEuP 2009, 812, 815; Schwimann/Apathy, ABGB, § 1041 Rn. 7, 19. 537 OGH 7.11.2007 ZEuP 2009, 812, 816; Nowakowski, JBl. 1989, 788, 789. 538 OGH 4.4.1989 JBl. 1989, 786, 788. 539 Schwimann/Apathy, ABGB, § 1041 Rn. 26. 540 Carbonnier, Personnes, Rn. 86; Malaurie/Aynès, Personnes, Rn. 319; Marty/Raynaud, Personnes, S. 6 ff.; dazu Agostinelli, Information, Rn. 186 ff. 541 Absichtliche Verletzungen des privaten Lebensbereichs sind mit Strafe bedroht, Art. L.226-1, 226-22 Code pénal. 542 Dazu Cass. civ. 1ère 13.4.1988 Bull. civ. I, Nr. 97; Berchon, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 1332, Rn. 85 ff. 543 Art. 808, 809 Nouveau Code de la procédure civile.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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nehmen.544 Die Gerichte können die Beschlagnahme von Presseerzeugnissen, territoriale Publikationsverbote, Verbote einzelner Passagen oder die Verpflichtung zur Anonymisierung anordnen.545 Die Ansprüche auf Unterlassung oder Beseitigung der Persönlichkeitsverletzung sowie auf Schadensersatz aus Art. 1382 Cc sind grundsätzlich verschuldensabhängig. Seit 1995 leitet die Cour de cassation verschuldensunabhängige Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche direkt aus Art. 9 Cc ab.546 Der Schadensersatzanspruch ergibt sich weiterhin aus Art. 1382 Cc. Der Schutz der Privatsphäre nach Art. 9 Cc gilt aber als subjektives Recht547, was im französischen Recht zur Folge hat, dass für den Schadensersatzanspruch die Verletzung der Privatsphäre genügt.548 Schaden und Kausalzusammenhang werden vermutet.549 Der Anspruch setzt aber grundsätzlich einen Schaden voraus und bezweckt den Schadensausgleich, so dass die Prävention ein Nebeneffekt ist.550 Neben dem Schutz der Privatsphäre sind keine anderen Ausprägungen der Persönlichkeitsrechte selbständig geregelt. Das gilt auch für das Recht am eigenen Bild.551 Sein deliktischer Schutz beruht allein auf Art. 1382 Cc, so dass nur bei einer schuldhaften Verletzung ein Schadensersatzanspruch besteht.552 Sofern mit der Verletzung des Rechts am eigenen Bild eine Verletzung der Privatsphäre einhergeht, besteht nach Art. 1382 Cc i. V. mit Art. 9 Cc ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch. Auch bei der Verletzung des Namensrechts und des Rechts an der eigenen Stimme gewährt nur Art. 1382 Cc einen Anspruch auf Schadensersatz.553 Bisher ist in der Literatur streitig, ob 544 TGI Paris 23.1.1971 JCP 1971, Éd. G, II, 16758; Lindon, JCP 1970, Éd. G, I, Nr. 2336 f.; Normand, RTDC 1985, 434, 438; CA Paris 23.11.1974 JCP 1974, Éd. G, II, 17873; Agostinelli, Information, Rn. 584, 631; Kayser, D. 1989, Chron., 11, 18; s. auch Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, S. 136 f. 545 CA Paris 28.12.1987 D. 1989, Somm., 91; CA Basse-Terre 15.5.1988 D. 1990, Somm., 240; Kayser, D. 1989, Chron., 11, 18; dazu Heisig, Persönlichkeitsschutz, S. 275. 546 Cass. civ. 1ère 5.11.1996 Bull. civ. I, Nr. 378; 25.2.1997 Bull. civ. I, Nr. 73. 547 Kayser, RTDC 1971, 445, 454; s. dazu Heisig, Persönlichkeitsschutz, S. 77 ff. 548 Cass. civ. 1ère 5.11.1996 Bull. civ. I, Nr. 378; 25.2.1997 Bull. civ. I, Nr. 73; vgl. Berchon, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 133-1, Rn. 33; Joudain, D. 1997, Somm., 289; Viney, JCP 1997, Éd. G, I, 4025. 549 Dazu Trebes, Schutz der Persönlichkeit, S. 133. 550 Cass. civ. 1ère 5.11.1996 Bull. civ. I, Nr. 378; 30.5.2000 LP 2000, Nr. 174-III, 137; Laulom, D. 1997, Jur., 403, 404 f.; Ravanas, JCP 1997, Éd. G, II, 22805; Viney, JCP 1997, Éd. G, I, 4025; vgl. Joudain, D. 1997, Somm, 289, 290; s. dazu Trebes, Schutz der Persönlichkeit, S. 133. 551 TGI Lyon 17.12.1980 D. 1981, Jur., 202; Starck/Roland/Boyer, Obligations, Rn. 126; Berchon, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 133-1, Rn. 61; a. A. (Teil des Schutzes der Privatsphäre oder Ehre) Lindon, Personnalité, S. 120 ff. 552 Cass. civ. 1ère 25.1.2000 D. 2000, Somm., 270; s. dazu Bartnik, Bildnisschutz, S. 254; Schwartz, Zufügung, S. 61 f.; zum materiellen Gehalt der Norm, Rubellin-Devichi, RTDC 1988, 79, 95; Edelman, D. 1970, Chron., 119, 120 f.; s. auch Balthasar, Privatsphäre, S. 187 f.; Bartnik, Bildnisschutz, S. 257 f. 553 Name: Berchon, JC, Art. 1382–1386, Fasc. 133-1, Rn. 1; Stimme: Rubellin-Devichi, RTDC 1988, 79, 92 ff.; s. auch Heisig, Persönlichkeitsschutz, S. 135.

358 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen die Stimme ein subjektives Persönlichkeitsrecht ist und somit ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch besteht.554 Der Schutz der Ehre erfolgt im französischen Recht durch das Strafrecht. Rechtsverletzungen durch die Presse sind im Presserecht (Gesetz vom 29.7.1881) speziell geregelt, um die Medien zum Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit zu privilegieren. Die Schäden, die aus einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit resultieren, sind entweder im Adhäsionsverfahren vor den Strafgerichten geltend zu machen oder durch eine action civile vor den Zivilgerichten. Im Übrigen beruht die deliktische Haftung wegen Ehrverletzungen auf Art. 1382 Cc und ist verschuldensabhängig.555 Bei diffamation und injure vermutet die Cour de cassation das Verschulden, um die Haftung derjenigen bei der Verletzung der Privatsphäre anzunähern.556 Trotz der presserechtlichen Sonderregelungen ist der Rückgriff auf die deliktische Haftung erlaubt, soweit das Pressegesetz nichts anderes regelt.557 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Schutz der Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht einheitlich geregelt ist, aber in der Regel Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz aus Art. 1382 Cc bzw. Art. 9 Cc bestehen.558 Der Geschädigte kann die entgangene angemessene Lizenzgebühr verlangen, wenn er die Veröffentlichung gegen ein Entgelt genehmigt hätte.559 In der Regel verlangen die Geschädigten jedoch nur den Ersatz der ideellen Schäden. Als Entschädigung gewährte die Rechtsprechung anfangs nur geringe Geldbeträge, zum Teil sogar nur einen symbolischen Euro.560 Daneben ordnete der Richter weitere Maßnahmen, insbesondere die Urteilsveröffentlichung an, die in Frankreich eine größere Rolle spielt als in Deutschland.561 Ein Anspruch auf Gewinnherausgabe besteht nicht. Diese Praxis stieß auf Kritik, da sich die Rechtsverletzung insbesondere bei der kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen trotz der delik-

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Dafür Lindon, Personnalité, S. 307; wohl auch TGI Paris 19.5.1982 D. 1983, Jur., 147; a. A. Rubellin-Devichi, RTDC 1988, 79, 92 f. 555 Cass. ass. plèn. 12.7.2000 D. 2000, IR, 218. 556 Cass. ass. plèn. 12.7.2000 D. 2000, IR, 218; Cass. civ. 2ème 17.10.1990 Bull. civ. II, Nr. 198. 557 Cass. civ. 2ème 22.6.1994 JCP 1994, Éd. G, IV, 2114; Cass. ass. plén. 12.7.2000 D. 2000, IR 218; dazu Malaurie/Aynès, Personnes, Rn. 338 f. Weitergehend der Cour d’Appel de Paris, der Art. 1382 Cc zum Schutz der Presse nur bei schwerem Fehlverhalten (abus) anwenden will, CA Paris 19.11.1990 D. 1991, IR, 9. 558 Zum Übereinstimmen der Ansprüche hinsichtlich Funktion und Bemessung des Schadensersatzes: z. B. CA Versailles 16.1.1998 D. 1999, Somm., 168; s. auch F. Schubert, Wert des Individuums, S. 224. 559 CA Paris 11.5.1994 D. 1995, Jur., 185; Ravanas, JC, Art. 9 Cc, Fasc. 20 Rn. 71; Kayser, Protection, Rn. 200; s. auch Balthasar, Privatsphäre, S. 140; Bartnik, Bildnisschutz, S. 258. 560 Starck/Roland/Laurent, Responsabilité, Rn. 1049. 561 Starck/Roland/Laurent, Responsabilité, Rn. 1049 f.; dazu auch Stürner, FS Großfeld, S. 1201, 1207 f.

§ 6 Der Ersatz immaterieller Schäden im Rechtsvergleich

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tischen Haftung für den Schädiger lohne.562 Die untergerichtliche Rechtsprechung hob in den letzten Jahren den Schadensersatz zum Teil erheblich an.563 Das gilt insbesondere für die Rechtsprechung des Tribunal de Grande Instance de Nanterre, die insbesondere die Wiederholung der Rechtsverletzung, die Schwere des Verschuldens und die ökonomische Leistungsfähigkeit des Schädigers für die Anhebung der Entschädigung berücksichtigt.564 Die Cour de cassation und die herrschende Ansicht gehen bisher davon aus, dass der Schadensersatzanspruch aus Art. 1382 Cc nur dem Schadensausgleich dient und die Anwendung des Art. 9 Cc nichts an der Ausgleichsfunktion ändert.565 Einen Strafschadensersatz im Sinne einer Privatstrafe (peine privée) lehnt die Cour de cassation nach wie vor ab.566 Er bemisst die Entschädigung anhand der Ausgleichsfunktion nach dem Schadensumfang, der anhand der Schwere der Rechtsverletzung zu ermitteln ist.567 Bei der Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit sieht der Gerichtshof den immateriellen Schaden bereits darin, dass die Veröffentlichung den Eindruck erwecke, der Geschädigte wäre mit ihr einverstanden gewesen.568 Bei Verletzungen der Privatsphäre sind insbesondere die Qualität der Information über das Privatleben, die Reichweite des Mediums und sein Ruf wesentlich.569 Schadensmindernd werden die spätere Richtigstellung sowie der Umstand berücksichtigt, dass der Geschädigte sein Privatleben selbst in die Öffentlichkeit getragen hat.570 Eine Wiederholung der Rechtsverletzung wirkt hingegen entschädigungserhöhend.571 Das Verhalten des Schädigers, insbesondere sein Verschulden, berück562 Bertrand, Vie privée, S. 199; Bigot, D. 1999, Somm., 168; Carval, Responsabilité, Rn. 29 f., 33; Gridel, D. 2005, Chron., 391, 397; Kayser, Protection, Rn. 202; Lindon, Personnalité, S. 248; Ravanas, JC, Art. 9 Cc, Fasc. 20 Rn. 75; s. auch Agostinelli, Information, Rn. 697 (relativierend). 563 Z. B. CA Paris 12.5.1986 D. 1986, IR, 445; 26.3.1987 JCP 1987, II, 20904. 564 TGI Nanterre 11.1.2000 LP 2000, Nr. 176-I, 134; 25.4.2000 LP 2000, Nr. 174-I, 110; 12.12.2001 LP 2002, Nr. 189-I, 30; dazu Bigot, D. 1999, Somm., 168; Gridel, D. 2005, Chron., 391, 397; vgl. Carval, Responsabilité, Rn. 29; s. auch ausführlich F. Schubert, Wert des Individuums, S. 224 ff. 565 CA Versailles 16.1.1998 D. 1999, Somm., 168; Jourdain, D. 1997, Somm., 289 f.; Ravanas, JCP 1997, Éd. G, II, 22805; Viney, JCP 1997, Éd. G, I, 4025; zu Art. 9 Cc: Cass. 1ère 5.11.1996 Bull. civ. I, Nr. 378. 566 Cour cass crim. 8.2.1977 Bull. crim. 1977, Nr. 52; s. auch CA Paris 25.4.2000 LP 2000, Nr. 174-I, 110. 567 TGI Nanterre 3.7.2002 LP 2002, Nr. 196-I, 133; s. dazu Mahlmann, Schaden, S. 298; Trebes, Persönlichkeit, S. 134. 568 Z. B. CA Paris 24.1.1962 D. 1962, Jur. 639; 16.3.1974 JCP 1975, Éd. G, II, 17935. 569 CA Paris 4.1.1988 D. 1989, Somm., 92; TGI Paris 3.4.2002 LP 2002, Nr. 197-I, 150; Ravanas, JC, Art. 9, Fasc. 20, Rn. 73 f.; s. auch Mahlmann, Schaden, S. 298; Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, S. 143; Wernicke, Verletzungen, S. 148 f. 570 CA Paris 28.2.1989 JCP 1989, Éd. G, II, 21325; Wernicke, Verletzungen des Privatlebens, S. 149. 571 CA Paris 28.1.1982 D. 1985, IR, 165; s. auch CA Paris 25.4.2000 LP 2000, Nr. 174-I, 110 (ablehnend zur Präventionsfunktion, allein Schadensausgleich).

360 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen sichtigt die Cour de cassation nicht.572 Die besondere Schwere der Pflichtverletzung hat daher keinen Einfluss auf die Höhe der Entschädigung, es sei denn, sie vergrößert den Schaden.573 Die Instanzgerichte sprechen inzwischen höhere Entschädigungen zu, die in der Kassationsinstanz Bestand hatten. Die Überprüfung der instanzgerichtlichen Entscheidungen ist der Cour de cassation aber dadurch erschwert, dass in der Regel für alle materiellen und immateriellen Schäden ein einheitlicher Betrag zugesprochen wird. In der Kassation ist für die Cour de cassation daher selten erkennbar, ob die Untergerichte das Verschulden bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt haben. Zudem räumt sie den Instanzgerichten ein weites Ermessen ein und überprüft die Urteilsgründe nur auf ihre Widerspruchsfreiheit.574 Solange die Erwägungen, die der Ausgleichsfunktion widersprechen, keinen Eingang in die Urteilsbegründung gefunden haben, ist die Bemessung der Entschädigung in der Revision nicht angreifbar. Die Literatur sieht darin eine Gefahr für die einheitliche Rechtsanwendung und einen Einstieg in die Privatstrafe.575 Zugleich bestehe die Gefahr, dass sich der Schadensersatz allgemein erhöhe.576 Der Entschädigungsumfang bei Persönlichkeitsverletzungen ist im französischen Zivilrecht gestiegen, er ist aber niedriger als in Deutschland.577 Diese Entwicklung in der französischen Rechtsprechung wertet die Literatur als Einführung einer Straffunktion im Schadensersatzrecht. Ein Teil der Autoren plädiert für die offene Anerkennung der Straffunktion des Schadensersatzes im Sinne einer Privatstrafe (peine privée).578 Der Anspruch erlaube daher, die Bereicherung des Schädigers abzuschöpfen.579 Manche wollen schlicht auf die Auflagenstärke bei der Bemessung des Schadensersatzes Bedacht nehmen.580 Darüber hinaus will Carval den Gerichten die Möglichkeit eröffnen festzustellen, dass der Geschädigte vom Schadensersatz nicht profitieren will und einen Betrag Gemeinwohleinrichtungen zukommen lasse.581

572 Cass. civ. 2ème 16.1.1998 D. 1999, Somm., 168; s. auch TGI Paris 5.5.1999, D. 2000, Somm., 269 (gegen die Berücksichtigung des Gewinns). 573 Cass. civ. 2ème 8.5.1964 JCP 1965, Éd. G, II, 14140; CA Paris 31.5.2000 LP 2000, Nr. 175I, 126. 574 St. Rspr., z. B. Cass. civ. 1ère 3.4.2002 D. 2002, Jur., 3164. 575 Carval, Responsabilité, Rn. 33 f.; Lindon, Personnalité, S. 248; s. auch Bigot, D. 1999, Somm., 168; s. auch Viney/Jourdain, Effets, Rn. 89. 576 Carval, Responsabilité, Rn. 33 f. 577 S. dazu Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, S. 143; Trebes, Persönlichkeit, S. 134. 578 Carval, Responsabilité, Rn. 33, 256 ff.; Kayser, Protection, Rn. 197 (neben der Kompensationsfunktion); Savatier, Responsabilité II, Rn. 527; ausführlich Starck, Essai, 1947; s. auch Malaurie/Aynès, Obligations, Rn. 247; zurückhaltender Ravanas, Protection, Rn. 350; a. A. Agostinelli, Information, Rn. 690. 579 Starck, Essai, S. 495. 580 Lindon, D. 1983, Jur., 376; s.auch Kayser, Protection, Rn. 197. 581 Carval, Responsabilité, Rn. 34.

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Unabhängig davon wird zunehmend der vermögensrechtliche Gehalt des Persönlichkeitsrechts anerkannt.582 Grundsätzlich werden die Persönlichkeitsrechte im französischen Recht zwar nicht als Vermögensrechte beschrieben, für das Recht am eigenen Bild haben Rechtsprechung und Literatur inzwischen aber anerkannt, dass das Recht nicht nur einen ideellen, sondern auch einen materiellen Gehalt hat.583 Der Rechtsinhaber habe ein vermögenswertes Verwertungsrecht an seinem Bild (monopole patrimoniale d’auto-exploitation). Der verletzte Rechtsinhaber hat daher aus Art. 1382 Cc einen Anspruch auf entgangene Lizenzgebühr, unabhängig von seiner Verwertungsbereitschaft.584 Dieser Anspruch ist bei gleichzeitiger Verletzung der Privatsphäre sogar verschuldensunabhängig (Art. 9 Cc). Daher hat das Bereicherungsrecht neben der deliktischen Haftung kaum Bedeutung.585 Ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns besteht nicht. Nur bei Verletzungen des Wettbewerbs, von Patenten oder Markenrechten erlaubt das französische Recht die Beschlagnahme der rechtswidrig hergestellten Sachen und des rechtswidrig erzielten Gewinns (confiscation). Im Rahmen des Schadensersatzes kann es höchstens zu einer unausgesprochenen Gewinnabschöpfung kommen, wenn die Entschädigung für die immateriellen Schäden angesichts des Verletzergewinns erhöht wird.586 In der Literatur wird zum Teil die Anerkennung eines vermögenswerten Verwertungsrechts hinsichtlich der Privatsphäre befürwortet.587 Die Diskussion über ein solches monopole d’exploitation de sa vie privée ist noch nicht beendet.588 Die Rechtsprechung hat sich dazu noch nicht geäußert. Bisher kann der Geschädigte einen Anspruch auf die entgangene Lizenzgebühr nur geltend machen, wenn er zur Verwertung von Persönlichkeitsbestandteilen

582 Derieux/Gras, LP 1998, Nr. 148-II, S. 1, 7 ff., 10, die darin die Umsetzung einer Privatstrafe sehen. 583 TGI Aix-en Provence 24.11.1988 JCP 1989, Èd. G II, 21329; CA 11.5.1994 D. 1995, Jur., 185, 186; Edelmann, D. 1970, Chron., 119, 120 f.; Malaurie/Aynès, Personnes, Rn. 334; Ravanas, JC, Art. 9 Cc, Fasc. 10, Rn. 54; Rubellin-Devichi, RTDC 1988, 79, 95; dazu Balthasar, Privatsphäre, S. 187 f.; Bartnik, Bildnisschutz, S. 257 f. 584 CA Paris 1.12.1965 JCP 1966, Èd. G, II, 14711; 11.5.1994 D. 1995, Jur., 185, 187; s. auch Balthasar, Privatsphäre, S. 187 ff.; Marx, Abschöpfung, S. 263 f.; Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, S. 141. 585 Dazu rechtsvergleichend Bartnik, Bildnisschutz, S. 257; Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, S. 141. 586 CA Paris 19.9.1985 D. 1986, IR, 189; TGI Paris 9.7.1985 D. 1986, IR, 191; 10.7.1986 JCP 1986, Éd. G, II, 20712; Agostini, JCP 1987, I, 3284; dazu Marx, Abschöpfung, S. 262 f. 587 Vgl. z. B. (Persönlichkeit als schöpferisches Werk) Beignier, L’honneur, S. 77 ff.; Bertrand, Droit d’auteur, S. 915 ff.; Kayser, Protection, Rn. 182; Loiseau, Nom, S. 343 ff.; dazu krit. Ravanas, JC, Art. 9 Cc, fasc. 10, Rn. 7; s. auch F. Schubert, Wert des Individuums, S. 315 ff. 588 Abl. Petit (Avocat Général à la Cour de cassation), Cass. civ. 1ère 14.12.1999 JCP 2000, Éd. G, II, Nr. 10241.

362 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen bereit gewesen wäre.589 Ein Anspruch aus Bereicherungsrecht ist daneben wegen der Verschuldensunabhängigkeit des Schadensersatzanspruchs aus Art. 1382 Cc i. V. mit Art. 9 Cc entbehrlich. Diese Entwicklung zeigt, dass auch für das französische Privatrecht – ähnlich wie im deutschen Recht – nach rechtlichen Mitteln gesucht wird, um einen angemessenen Rechtsgüterschutz sicherzustellen. Als Alternativen haben sich ebenfalls die Privatstrafe – insbesondere in Form des Strafschadensersatzes – und die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelt, deren Verletzung zusätzliche Schadensersatzansprüche gewährt. Die Erhöhung der Entschädigungsansprüche erfolgt aber nur verdeckt, ohne dass eine Präventions- oder Straffunktion von den Gerichten reklamiert wird. Insofern bleibt offen, ob die Anhebung der Entschädigung unterbleibt, wenn der Geschädigte neben der Entschädigung der immateriellen Schäden zugleich die entgangene Lizenzgebühr verlangt. 4. England a) Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist im englischen Recht nicht traditionell verankert. Die Rechtsprechung hat bisher kein solches right of privacy abgeleitet, weil es Sache des Gesetzgebers sei, eine allgemeine rechtliche Grundlage zu schaffen.590 Der Schutz verwirklicht sich nur punktuell im Rahmen der tradierten Klagegründe des common law und der equity.591 Diese Klagegründe erlauben die Entschädigung ideeller Einbußen aber nur, wenn die Gewährung von general damages möglich ist und der Schutzzweck der Klage den eingetretenen Schaden umfasst. Insbesondere bei Klagen, die nur die wirtschaftlichen Interessen des Klägers schützen sollen, scheidet eine Entschädigung ideeller Einbußen aus. Am ausgeprägtesten ist im englischen Recht der Ehrschutz entwickelt. Zivilrechtlich wird er durch die Klagen wegen Beleidigung (defamation) in schriftlicher oder mündlicher Form (libel/slander) gewährleistet.592 Eine Entschädigung ideeller Einbußen in Form von general damages gewähren die Gerichte aber nur, wenn es sich um ein sog. tort actionable per se handelt. Das ist bei schriftlichen Beleidigungen stets der Fall, bei mündlicher Beleidigung hin589 TGI Aix-en-Provence 24.11.1988 JCP 1989, Éd. G, II, Nr. 21329; Kayser, Protection, Rn. 196. 590 Z. B. Wainwright v. Home Office [2003] UKHL 53 Rn. 15 ff. (HL, per Hoffmann); Douglas v. Hello! Ltd [2003] EWHC 786, Rn. 229 (ChD, per Lindsay); Mulheron, MLR 69 (2006) 679, 695 ff. (mit Vorschlägen für eine Weiterentwicklung des Schutzes von privacy). 591 Markesinis, MLR 53 (1990) 802 ff.; s. auch Ohly, RabelsZ 65 (2001), 39, 42 ff., 57 f.; Gounalakis, AfP 2001, 271 f.; Lehr, Harmonisierung, S. 169 ff. 592 Daneben dienen die Klage wegen injurious falsehood, passing off und negligence dem Ehrschutz, erlauben aber nicht den Ausgleich immaterieller Schäden; dazu Funkel, Schutz, S. 65 ff.; Ohly, RabelsZ 65 (2001), 39, 42 ff., 46 ff.

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gegen nur, wenn dem Betroffenen Inkompetenz im Handel oder Geschäftsverkehr, die Begehung einer mit Gefängnisstrafe bedrohten Straftat oder, bei Frauen, Unkeuschheit unterstellt wird593. Ein Eingriff in die Privatsphäre als räumlich-gegenständlichem Bereich einer Person kann eine Klage wegen trespass to land und nuisance begründen.594 Die Klage beruht aber auf der Eigentumsverletzung und erlaubt nicht den Ausgleich ideeller Schäden infolge einer Persönlichkeitsverletzung.595 Daneben schützt die Klage wegen Vertrauensbruchs (breach of confidence) die Privatsphäre vor Verletzungen der Geheimhaltung. Die Klage war ursprünglich auf kommerzielle Interessen beschränkt596, erfuhr aber wegen des Human Rights Act 1998, der am 2.10.2000 in Kraft trat, eine Erweiterung. Das Gesetz gilt zwar nur für Eingriffe der staatlichen Gewalt in die Menschenrechte, seine Wertungen werden aber bei der Anwendung der Klagegründe des common law berücksichtigt.597 Die Klage wegen breach of confidence gewährt daher bei jedem Eindringen in die Privatsphäre ohne Zustimmung des Geschädigten nun einen Schadensersatzanspruch.598 Eine Vertrauensbeziehung zwischen Kläger und Beklagtem ist nicht mehr erforderlich599, sondern es genügt, wenn der Geschädigte erwarten durfte, dass der andere seine Privatsphäre respektiert, und der Schädiger dies wusste oder wissen musste.600 Die deliktsrechtliche Klage wegen breach of confidence erfuhr nicht nur tatbestandlich, sondern auch hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen eine Erweiterung. Zunächst beschränkte sie sich auf den Schutz immaterieller Interessen bei der Verletzung der Privatsphäre. Eine Erweiterung brachte die Entscheidung Douglas v. Hello!. Sie betraf die ungenehmigte Veröffentlichung der Hochzeitsfotos von Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones, die die Bilder exklusiv an ein englisches Boulevardblatt verkauft hatten. Der Court of Appeal erkannte in der Entscheidung aus dem Jahre 2005 an, dass diese Klage nicht nur die ideellen Interessen an der Privatsphäre schützt, sondern auch die Ver593

Vgl. s. 2 Defamation Act 1996; Slander of Women Act 1891; Tettenborn, Damages, Rn. 18.37. 594 Ausführlich dazu Buckley, in: Clerk & Lindsell, Tort, Rn. 20-01; Murphy, in: Clerk & Lindsell, Tort, Rn. 19-01 ff.; Lehr, Harmonisierung, S. 169 ff.; Ohly, RabelsZ 65 (2001), 39, 44 f. 595 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 1-017. 596 Z. B. Albert v. Strange (1849) 64 E.R. 293 (ChD); s. auch Balthasar, Privatsphäre, S. 141 f.; Ohly, RabelsZ 65 (2001), 39, 49 f. 597 Wainwright v. Home Office [2003] UKHL 53 Rn. 11, 14 (HL, per Hoffmann); s. auch Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 74; G. Wagner, JZ 2004, 319, 329; ausführlich Lehr, Harmonisierung, S. 187 ff. 598 Douglas v. Hello! Ltd. [2003] EWHC 786, Rn. 186 (ChD, per Lindsay); Douglas v. Hello! [2005] EWCA Civ. 595 Rn. 63 ff. (CA); Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 75; s. auch Balthasar, Privatsphäre, S. 141 ff. 599 Coco v. A. N. Clark (Engineers) [1969] R.P.C. 41, 47 f. (ChD, per Megarry); dazu Balthasar, Privatsphäre, S. 145. 600 S. Fn. 598; bestätigend Campbell v. MGN Ltd [2004] UKHL 22, Rn. 14 (HL, per Nicholls); s. auch Balthasar, Privatsphäre, S. 157 f.

364 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen wertungsinteressen der Betroffenen erfasst.601 Den Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten, der die Informationen zum Schaden des Klägers kommerziell genutzt hatte, machte das Gericht aber von der Verwertungsbereitschaft des Klägers abhängig.602 Die Gewährung der Lizenzgebühr hänge von einer fiktiven Vereinbarung zwischen Kläger und Beklagtem ab, die ausscheide, wenn der Kläger seine Einwilligung nicht erteilt hätte.603 Auch das Recht am eigenen Bild und an der eigenen Stimme sind nicht durch spezielle Klagen geschützt. Ein right of publicity, das die Verwertung der eigenen Persönlichkeit gewährleistet, ist nicht anerkannt.604 Abhilfe leistet die Klage wegen passing off605, die ursprünglich nur zwischen Wettbewerbern bestand606, aber auf alle Arten der rechtswidrigen Ausbeutung des goodwill einer Person ausgedehnt wurde.607 Ergänzend schützen der Protection from Harassment Act 1997 vor wiederholten Belästigungen und der Data Protection Act 1998 vor der Verletzung des Datenschutzes. Darüber hinaus anerkennt das englische Recht inzwischen auch das Urheberpersönlichkeitsrecht (s. 77 ff. Copyright, Designs and Patents Act 1988).608 Verletzungen der gesetzlichen Vorgaben erlauben eine Klage wegen breach of statutory duty. b) Einzelne Schadenspositionen bei non-personal injuries und deren Entschädigung Im Gegensatz zur Entschädigung wegen Körperverletzung oder Tötung (personal injuries) hat die Rechtsprechung für den Ausgleich ideeller Schäden bei sog. non-personal injuries eigene Schadenspositionen entwickelt, um die erlittene Einbuße phänomenologisch zu erfassen: physical inconvenience and discomfort, injury to feelings und social discredit. Physical inconvenience and discomfort erfasst alle physischen Beeinträchtigungen, Erschwernisse und Unannehmlichkeiten, die nicht unmittelbar aus einer Körperverletzung resultieren.609 Im Bereich der Persönlichkeitsverletzungen kommen solche Schäden insbesondere bei böswilliger Falschverdächtigung (malicious prosecution)610 601 Douglas v. Hello! [2005] EWCA Civ. 595, Rn. 113, 118 ff. (CA, per Phillips); Douglas v. Hello! [2001] 2 All E.R. 289, Rn. 98 (CA, per Brooke). 602 Douglas v. Hello! [2005] EWCA Civ. 595, Rn. 246 (CA, per Phillips); s. auch Balthasar, Privatsphäre, S. 188. 603 Douglas v. Hello! [2005] EWCA Civ. 595, Rn. 246 (CA, per Phillips). 604 A. M. Dugdale, in: Clerk & Lindsell, Torts, 19. Aufl., Rn. 27-04; dazu Balthasar, Privatsphäre, S. 196. 605 Irreführung über die betriebliche Herkunft einer Sache. 606 Sim v. H. J. Heinz Co. [1959] 1 W.L.R. 313 (CA, per McNair); vgl. Balthasar, Privatsphäre, S. 196. 607 Irvine v. Talksport [2002] EWHC 367, Rn. 38 (ChD, per Laddie). 608 Ausführlich dazu Cornish & Llewelyn, Intellectual Property, Rn. 12-68, 12-69 ff.; Laddie, Copyright and Design, Rn. 23.18 ff., 27.1 ff., s. auch Jahn, Urheberpersönlichkeitsrecht, S. 47 ff., 100 ff. 609 McGregor, Damages, Rn. 3-009; Tettenborn, Damages, Rn. 4.27. 610 McGregor, Damages, Rn. 37-007 f.

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und bei Beleidigungen in Form von libel oder slander actionable per se in Betracht.611 Social discredit umfasst alle Nichtvermögensschäden, die infolge der Herabsetzung gegenüber einem Dritten entstanden sind und eine Beeinträchtigung der Reputation darstellen.612 Diese Schadensposition wird daher auch als injury to reputation bezeichnet. Ihr Ausgleich hängt nicht (mehr) davon ab, dass zugleich ein Vermögensschaden eintritt. Der Klagegrund muss lediglich die Gewährung von general damages ermöglichen und die Schädigung des Rufs in den Schutzzweck einbeziehen. Das ist bei Beleidigungen in Form von libel und slander actionable per se sowie bei böswilliger Falschverdächtigung (malicious prosecution) und Vertrauensbruch (breach of confidence) anzunehmen.613 Neben dem kompensatorischen Schadensersatz in Form von compensatory damages wird ein erhöhter Schadensersatz in Form von aggravated damages gewährt, sofern dem Schädiger Vorsatz oder böse Gesinnung zur Last fallen und die Ehrverletzung besondere Intensität besitzt.614 Um die Motivation des Schädigers zu ermitteln, ist das Verhalten vor und nach der Ehrverletzung bis zur Urteilsverkündung zu würdigen.615 Vorausgegangene abfällige Äußerungen sprechen für eine bewusste Ehrverletzung, wohingegen die alsbaldige Entschuldigung oder Richtigstellung den Schädiger entlastet.616 Die Schadensposition injury to feelings bzw. mental distress vereint alle reinen Gefühlsschäden, die nicht in die beiden anderen Schadensgruppen einbezogen sind. Es handelt sich um ideelle Einbußen wie Leid, Frustration, Angst, Verdruss, Anspannung oder Ärger, die weder eine physische Beeinträchtigung noch einen Rufschaden darstellen.617 Solche Schäden sind im englischen Recht grundsätzlich nicht ersatzfähig, da der ausgeglichene Gefühlszustand nicht als geschütztes Interesse gilt, es sei denn, der Schädiger haftet wegen eines Delikts, bei dem der Gefühlsschaden Folge der haftungsbegründenden Rechtsgutsverletzung ist.618 Das betraf früher insbesondere die Klagen wegen 611

McGregor, Damages, Rn. 39-030; Tettenborn, Damages, Rn. 18.30. John v. Mirror Group Newspapers [1997] 1 Q.B. 586, 607 f. (CA, per Bingham); Allen/ Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-003; McGregor, Damages, Rn. 3-010. 613 Khodaparast v. Shad [2000] 1 All E.R. 545, 557 (CA, per Stuart-Smith); Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-004; Tettenborn, Damages, Rn. 4.32 f.; libel/slander actionable per se: McGregor, Damages, Rn. 39-027; malicious prosecution: Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-018; McGregor, Damages, Rn. 3-010; a. A. Tettenborn, Damages, Rn. 18.65. 614 Tettenborn, Damages, Rn. 18.156; s. auch Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 82; ferner Peus, Ehrverletzungen, S. 57 ff. 615 Tettenborn, Damages, Rn. 18.19. 616 Vgl. s. 2 Defamation Act 1996; Tettenborn, Damages, Rn. 18.19 f.; s. auch Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 82. 617 Watts v. Morrow [1991] 1 W.L.R. 1421, 1445 (CA, per Bingham); Allen/Hartshorne/ Martin, Damages, Rn. 8-025. 618 Lynch v. Knight (1861) 11 E.R. 854, 598 (HL, per Brougham): „Mental pain or anxiety the law cannot value […] when the unlawful act […] cause that alone; though when material damage occurs, and is connected with it, it is impossible a jury, estimating it.“; s. auch McGregor, 612

366 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen der Verletzung des Familienfriedens, die aber durch Gesetz abgeschafft wurden.619 Heute erlauben vor allem Klagen wegen libel oder slander actionable per se den Ausgleich für solche Schäden, da Gefühlsverletzungen in Form von Ärger und verletztem Ehrgefühl wesentlicher Bestandteil des immateriellen Schadens bei solchen Delikten sind.620 Gleiches gilt bei böswilliger Falschverdächtigung (malicious prosecution).621 Schließlich hat die Ausdehnung des Schutzes der Privatsphäre zur Folge, dass auch bei deren Verletzung ein Schadensersatz für injury to feelings bzw. mental distress gewährt wird, damit ein effektiver Rechtsbehelf zum Schutz der Privatsphäre besteht.622 Für die Bemessung der Entschädigung sind Art und Inhalt der veröffentlichten Informationen, der Verbreitungsgrad des verwendeten Mediums sowie das Verhalten der Parteien wesentlich.623 Auch aggravated und exemplary damages können die Gerichte zusprechen.624 Die Schadensersatzbeträge sind im Vergleich zu Deutschland gering und werden vor allem als unbefriedigend beurteilt, wenn sich die Rechtsverletzung für den Schädiger wirtschaftlich weiterhin lohnt.625 Den Ausgleich von Gefühlsschäden regelt überdies s. 3 Protection from Harassment Act 1997, wenn eine Belästigung den Schaden verursacht. Sofern die Angstzustände des Geschädigten infolge der Belästigung sogar körperliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen, kann auch Entschädigung für physical inconvenience verlangt werden. Zum Ersatz des gefühlsmäßigen Leids verpflichtet auch s. 13 Data Protection Act 1998, sofern der Schaden unmittelbar aus der rechtswidrigen Erhebung, Speicherung, Verarbeitung oder Übertragung von Daten zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwe-

619 Damages, Rn. 3-011; Rogers, in: Rogers, Non-pecuniary loss, S. 54, 56; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 97; ähnlich Tettenborn, Damages, Rn. 4.14; krit. Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-025. 619 Ss. 4, 5 Law Reform (Miscellaneous Provisions) Act 1970; McGregor, Damages, Rn. 3011. 620 John v. Mirror Group Newspapers Ltd [1997] Q.B. 586, 607 f. (CA, per Bingham); Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-051; McGregor, Damages, Rn. 3-011, 39-028. 621 Malicious prosecution: Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 8-041; Tettenborn, Damages, Rn. 18.65; false imprisonment: Thompson v. Commissioner of Police of the Metropolis [1998] Q.B. 498, 511 (CA, per Woolf); Tettenborn, Damages, Rn. 16.12. 622 Zuerst Cornelus v. De Taranto [2000] EWHC 561 Rn. 79 f. (QB, per Morland); weiter Campbell v. MGN Ltd [2002] EWHC 499 Rn. 130 ff. (QB, per Morland); Campbell v. MGN Ltd [2004] UKHL 22 Rn. 33 f. (HL, per Nicholls); Douglas v. Hello! Ltd [2005] EWCA Civ. 595, Rn. 256 (CA, per Phillips); McKennitt v. Ash [2005] EWHC 3003 Rn. 81 f., 162 (QB, per Eady); McKennitt v. Ash [2006] EWHC 3003 Rn. 81 f., 162 (QB, per Eady); Archer v. Williams [2003] EWHC 1670 Rn. 76 (QB, per Jackson); Max Mosley v. News Group Newspapers Ltd [2008] EWHC 1777 Rn. 216 (QB, per Eady); s. auch Lehr, Harmonisierung, S. 220 f. 623 Siehe Fn. 622. 624 Douglas v. Hello! Ltd [2003] EWHC 786, Rn. 272, 275 (ChD; per Lindsay); Campbell v. MGN Ltd [2002] EWHC 499 Rn. 143 ff. (QB, per Morland). 625 Z. B. Archer v. Williams [2003] EWHC 1670 Rn. 76 (QB, per Jackson).

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cken resultiert. Selbst bei Verletzungen des Urheberrechts (copyright infringement) sowie des Urheberpersönlichkeitsrechts (breach of statutory duty) sind Gefühlsschäden zu ersetzen.626 c) Restitutionary damages Neben den Klagen auf Schadensersatz haben Rechtsprechung und Literatur die Klage auf restitutionary damages entwickelt, mit der ein angemessenes Entgelt für die Nutzung einer Sache oder eines Rechts verlangt, so dass zumindest teilweise der Gewinn des Verletzers abgeschöpft werden kann.627 Die restitutionary damages sind Teil des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung (law of restitution), das sich erst nach dem Schadensersatzrecht am Ende des 20. Jahrhunderts voll entwickelte und Teil des Billigkeitsrechts (law of equity) ist.628 Der Restitutionsanspruch besteht bei Vermögensverschiebungen und Gewinnen durch Rechtsverletzungen.629 Anders als im deutschen Recht handelt es sich nicht um die Rechtsfolge der Eingriffsbereicherung, die Klage beruht vielmehr auf einem Verhaltensunrecht.630 Die Rechtsprechung erkannte einen solchen Anspruch zuerst in Fällen rechtswidriger Eigentumsnutzung an und gewährte dem Rechtsinhaber eine Klage gegen den Verletzer auf ein angemessenes Nutzungsentgelt.631 Zudem wurde bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten durch die Verwendung von Bildern und Texten ohne Einwilligung des Rechtsinhabers ein Betrag als restitutionary damages zugesprochen, den der Urheber vernünftigerweise für die Nutzungserlaubnis hätte verlangen können, oder es wird Gewinnherausgabe gewährt.632 Die Rechtsprechung beschränkt restitutionary damages nicht auf diese Rechtsverletzungen, sondern gewährt sie auch bei Vertragsverletzungen, insbesondere bei der Verletzung von Vereinbarungen darüber, die Nutzung einer Sache oder eines Rechts zu unterlassen.633 Auch bei der verspäteten Rückgabe 626 Zur Anerkennung immaterieller Rechte durch den Copyright, Designs and Patents Act 1988: Laddie/Prescott/Vitoria/Speck/Lane, Copyright and Designs, Rn. 13.1 ff. Zum Schadensersatz: Laddie/Prescott/Vitoria/Speck/Lane, Copyright and Designs, Rn. 39.40 f., 59. 627 Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-057 ff.; Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-152; Tettenborn, Damages, Rn. 2.74 ff.; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-13. 628 McGregor, Damages, Rn. 12-001; s. auch Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 671. Die Rechtsprechung ist in der dogmatischen Zuordnung nicht eindeutig, z. B. Ministry of Defence v. Ashmann (1993) 25 H.L.R. 513, 514 (CA, per Kennedy) (restitutorisch); Swordheath Properties Ltd v. Tabet [1979] 1 W.L.R. 285, 288 (CA, per Megaw) (kompensatorisch); dazu Allen/ Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-064 ff.; Tettenborn, Damages, Rn. 2.75. 629 McGregor, Damages, Rn. 12-002. 630 Zu den Fallgruppen Goff & Jones, Restitution, Rn. 32-003 ff., 36-005 ff.; s. auch Virgo, Restitution, S. 425, 454 ff. 631 Dazu z. B. McGregor, Damages, Rn. 12-008 f., 12-012 ff.; Winfield & Jolowicz, Tort, Rn. 22-13. 632 Island Records Ltd v. Tring International plc [1995] EWHC 8 Rn. 7 (ChD, per Lightman); Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 28-152; Tettenborn, Damages, Rn. 2.80. 633 McGregor, Damages, Rn. 12-021 ff.; Tettenborn, Damages, Rn. 1.48, 2.76.

368 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen der Mietsache wird ein angemessenes Nutzungsentgelt zugesprochen.634 Darüber hinaus wird eine Klage gewährt, wenn der Vertragsbruch durch den Abschluss eines Vertrags mit einem Dritten oder durch die Verletzung von vertraglichen Verschwiegenheitspflichten erfolgte.635 Der Schuldner muss in diesen Fällen ein angemessenes Nutzungsentgelt zahlen. Zum Teil wird ein Prozentsatz des Verletzergewinns zugesprochen, ohne dass der Gewinn vollständig abgeschöpft werden kann.636 Diese Rechtsprechung bezog sich aber stets auf die Nutzung vermögenswerter Rechtsgüter. Restitutionary damages knüpfen auch bei Urheber- und Markenrechtsverletzungen an die Beeinträchtigung des Verwertungsrechts an. Der verschuldensunabhängige Anspruch auf account of profits ist spezialgesetzlich geregelt.637 Im Immaterialgüterrecht sind die restitutionary damages zudem Teil der Sondergesetze, so dass die Haftung eigenständig und somit außerhalb des equity law geregelt ist. Sie enthalten neben Schadensersatzansprüchen auch Ansprüche auf Gewinnherausgabe.638 Letztere sind grundsätzlich von einer schuldhaften Rechtsverletzung abhängig639 und können nicht kumulativ neben dem Schadensersatz, sondern nur an dessen Stelle geltend gemacht werden.640 Insofern wird klar zwischen Schadensersatz und Gewinnherausgabe unterschieden.641 Der herauszugebende Verletzergewinn muss auf der Rechtsverletzung beruhen, wobei der Verletzer die Gemeinkosten in Abzug bringen darf.642 Restitutionary damages können bei der Verletzung vermögenswerter Rechtsgüter somit die Notwendigkeit vermindern, zusätzlich zu den compensatory damages weitergehende exemplary damages zuzusprechen, und tarieren das Gesamtsystem der Rechtsfolgen für Rechtsverletzungen neu aus.643

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McGregor, Damages, Rn. 12-021 ff.; Tettenborn, Damages, Rn. 1.48, 2.76. Attorney-General v. Blake [2000] UKHL 45 (HL, per Nicholls); McGregor, Damages, Rn. 12-036 f.; Tettenborn, Damages, Rn. 2.82. 636 McGregor, Damages, Rn. 12-047 f.; anders Tettenborn, Damages, Rn. 1.49 (Verlust des angemessenen Mietzinses). 637 S. 96 (2) und s. 229 (2) Copyright, Designs and Patents Act 1988; s. zum Markenrecht auch s. 14 (2), 31(6) Trade Marks Act 1994; vgl. auch s. 61(1)(d) Patents Act 1977. 638 Vgl. s. 61 (1)(d) Patents Act 1977; s. 96 (2), 229 (2), 298 (2) Copyright, Designs and Patents Act 1988. 639 Patentverletzungen: Fahrlässigkeit, s. 62 (1) Patents Act 1977; Verletzung sonstiger Immaterialgüterrechte: unverschuldensunabhängig, s. Law Commission, Report No. 247, S. 35. 640 Island Records Ltd v. Tring International plc [1995] EWHC 8 Rn. 7 (ChD, per Lightman); Cornish & Llewelyn, Intellectual Property, Rn. 2-43 f. 641 Celanese Int. Corp. v. BP [1999] R.P.C. 203, Rn. 35 ff. (1998, per Laddie); Virgo, Restiution, S. 436; dazu auch Tilman, GRUR 2003, 647. 642 Celanese Int. Corp. v. BP [1999] R.P.C. 203, Rn. 47 ff., 53 ff., 60 ff., 107 ff. (1998, per Laddie). 643 Steele, Tort Law, S. 545, die darauf verweist, dass auch die Richter des House of Lords angesichts der restitutionary damages zurückhaltender gegenüber exemplary damages sind. 635

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Bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter erfolgt die Gewinnabschöpfung allein durch exemplary damages.644 Daher kann bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht auf restitutionary damages geklagt werden. Auch die Literatur ist bei Ehrverletzungen hinsichtlich der Gewinnherausgabe zurückhaltend, da der Kläger ein rein ideelles Interesse habe und die Ehre nicht vermarktungsfähig sei.645 Auch die anerkannten Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts haben ideellen Charakter.646 Ein right of publicity wie im US-amerikanischen Recht ist im englischen Recht nicht anerkannt. In der Literatur wird zum Teil befürwortet, restitutionary damages generell zur Abschöpfung des Verletzergewinns heranzuziehen.647 Die Rechtsprechung hat sich dem bisher nicht angeschlossen. Selbst bei Anerkennung einer Klage auf restitutionary damages wären die Konsequenzen für die Gewährung von exemplary damages ungewiss. Die Law Commission hat sich gegen eine Gleichsetzung von restitutionary und exemplary damages ausgesprochen, da der Strafschadensersatz speziell auf die Motive des Schädigers abstelle und über den Gewinn hinausgehen könne.648 Daher führten restitutionary damages nicht notwendig zur Beschränkung des Strafschadensersatzes. Allerdings bleiben exemplary damages auch hinter den restitutionary damages zurück, da jene nur bei vorsätzlicher Gewinnerzielung bestehen.649 IV. Ersatz immaterieller Schäden wegen einer Diskriminierung 1. Österreich Das Gleichbehandlungsrecht zur Umsetzung der europäischen Richtlinien ist in Österreich nicht einheitlich geregelt. Für die Beschäftigungsverhältnisse mit dem Bund und den Ländern gelten das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (BGlBG) sowie die Länder-Gleichbehandlungsgesetze. Für die Privatwirtschaft enthält das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) die einschlägigen Bestimmungen. Eigenständig geregelt ist der Schutz der Behinderten im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) und Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG). Konzeptionell stimmen die Gesetze darin überein, dass bei der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots bzw. des Diskriminierungsverbots ein Schadensersatzanspruch besteht (§ 17 B-GlBG, Art. 1 § 12 GlBG, Art. 1 644 McGregor, Damages, Rn. 12-034; krit. Burrows, in: Clerk & Lindsell, Torts, Rn. 29-152; Allen/Hartshorne/Martin, Damages, Rn. 5-074; Goff & Jones, Restitution, Rn. 36-006 ff. (für eine Erweiterung); s. auch Borders (UK) Ltd v. Commissioner of Police of the Metropolis [2005] EWCA Civ. 197 (CA, per Sedley). 645 Goff & Jones, Restitution, Rn. 36-006; s. auch Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 673. 646 Z. B. Kaye v. Robertson [1991] F.S.R. 62, 68 (CA, per Glidewell); dazu Amelung, Schutz, S. 242. 647 Goff & Jones, Restitution, Rn. 36-006 ff.; Virgo, Restitution, S. 425 ff.; vgl. Amelung, Schutz, S. 252 f. 648 Law Commission, Report No. 247, S. 44. 649 Law Commission, Report No. 247, S. 44.

370 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen § 9 BGStG, Art. 2 § 7e BEinstG). Zusätzlich sehen Bestimmungen des Nebenstrafrechts (Art. 1 §§ 10, 24 GlBG) für diskriminierende Stellenausschreibungen die Verhängung einer Geldstrafe von bis zu 360 € gegen private Arbeitgeber vor. Ein erstmaliger Verstoß führt aber nur zur Verwarnung. Der Schadensersatzanspruch ist weder vom Verschulden noch von einer Rechtsgutsverletzung abhängig. Er gilt als Systembruch im österreichischen Haftungsrecht, da ansonsten nur die Gefährdungshaftung einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch gewährt und der Ausgleich immaterieller Schäden von einer Rechtsgutsverletzung abhängig ist.650 Der Anspruch ist auch nicht durch eine Erheblichkeitsschwelle begrenzt, wie bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts.651 Die Höhe der Entschädigung ist durch Mindest- und Höchstbeträge begrenzt. Die Mindestbeträge sichern einen angemessenen Schadensausgleich652, wohingegen die Höchstbeträge einen ausufernden Schadensersatz verhindern sollen653. Trotz der Orientierung am Schaden sind die Mindest- und Höchstbeträge für die Schadensersatzansprüche bei Beschäftigungsverhältnissen mit dem Bund und den Ländern auf der einen Seite und der Privatwirtschaft auf der anderen Seite nicht einheitlich. Der Bestbewerber auf eine Stelle erhält nach dem B-GlBG mindestens drei Monatsgehälter als Entschädigung, nach dem GlBG nur zwei. Die übrigen Diskriminierten erhalten nach dem B-GlBG eine Entschädigung von höchstens drei Monatsgehältern, nach dem GlBG maximal 500 € bzw. bei sexuellen Belästigungen 720 €, um die besondere Verletzung der Würde und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu berücksichtigen654. Diese Beschränkung des Schadensersatzes soll die Privatwirtschaft vor unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastungen schützen. Ob die Regelung richtlinienkonform ist655, hängt davon ab, ob trotz der Höchstbeträge ein angemessener Ausgleich aller immateriellen Schäden sichergestellt ist.656 Daran bestehen angesichts der höheren Beträge im B-GlBG und dem Zweck der Regelung des GlBG Zweifel. Zudem verstößt die Differenzierung gegen den Äquivalenzgrundsatz, wenn eine derart differenzierende Rechtsfolgenfestsetzung im österreichischen Recht unüblich ist. Darüber hinaus regelt § 10 Abs. 2 B-GlBG eine Obergrenze von maximal fünf Monatsbezügen, Gahleitner, ZAS 2007, 148, 154 f.; Kletečka, in: Tomandl/Schrammel, Diskriminierungsverbote, S. 91, 99; Krejci, DRdA 2005, 501, 512; Rebhahn/Kletečka, GlBG, § 12 Rn. 22 f.; relativierend Majoros, DRdA 2007, 515, 517. 651 Kletečka, in: Tomandl/Schrammel, Diskriminierungsverbote, S. 91, 99 f.; Rebhahn/Kletečka, GlBG, § 12 Rn. 21, 23, der für eine verfassungskonforme Reduktion des GlBG plädiert. 652 Majoros, DRdA 2007, 515, 517; Mosler, wbl. 1997, 365, 369; s. auch Gahleitner, ZAS 2007, 148, 154; Hopf/Smutny, DRdA 2002, 99, 107 f. (an der Richtlinienkonformität zweifelnd); krit. Rebhahn/Kletečka, GlBG, § 12 Rn. 24. 653 Krit. zur Europarechtskonformität: Hopf/Smutny, DRdA 2002, 99, 108. 654 Heidinger/Frank-Thomasser/Schmidt, Antidiskriminierung, S. 147. 655 Dazu krit. Hopf/Smutny, DRdA 2002, 99, 106. 656 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 30, 33 f. (Draehmpaehl). 650

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wenn bei einem Einstellungsverfahren mehrere Bewerber für dieselbe Stelle diskriminiert wurden. Diese Beschränkung ist angesichts der Vorgaben des EuGH in der Rechtssache Draehmpaehl wohl unionsrechtswidrig.657 Der Schadensersatzanspruch hat nach überwiegender Ansicht eine reine Ausgleichsfunktion, so dass die Prävention nur ein erwünschter Nebeneffekt ist.658 Daher sei professionellen Diskriminierungsklägern keine Entschädigung zu gewähren, weil es an einer ernsthaften Bewerbung und einem kausalen Schaden mangele.659 Die Bemessung der Entschädigung orientiert sich an den gleichen Kriterien wie das übrige Schadensersatzrecht.660 Maßgebend sind Art und Dauer der Diskriminierung sowie die Intensität der damit einhergehenden Persönlichkeitsverletzung.661 Die schadenserhöhende Wirkung mehrfacher Diskriminierungen berücksichtigt das Gesetz.662 Für die Diskriminierung wegen einer Behinderung verweisen Art. 1 § 9 Abs. 4 BGStG und Art. 2 § 7j BEinstG auf die gleichen Kriterien sowie auf die Schwere des Verschuldens. Das widerspricht der Ausgleichsfunktion des Entschädigungsanspruchs nicht, da die schuldhafte Diskriminierung die Persönlichkeitsverletzung intensiviert und den Schaden erhöht. Die Gegenansicht weist dem Schadensersatzanspruch indes eine Präventionsfunktion zu.663 Er müsse Diskriminierungen effektiv entgegenwirken und daher eine abschreckende Wirkung entfalten. Angesichts der Mindestbeträge für die Entschädigung wurde den Ansprüchen vereinzelt sogar ein pönaler Charakter zugesprochen.664 Die Mindestbeträge für Bestbewerber gehen indes nicht offensichtlich über den Schaden hinaus, da sie alle erlittenen Schäden, also auch das entgangene Einkommen, einbeziehen. Zudem haben Privatstrafen und präventiver Schadensersatz im österreichischen Haftungsrecht keine Tradition. 2. Schweiz Das Gleichstellungsrecht der Schweiz beschränkt sich auf die Gleichstellung von Mann und Frau sowie von Behinderten. Das Gleichstellungsgesetz (GlG) 657

Rosenkranz, B-GlBG, S. 210 f. OGH 21.1.1999 JBl. 1999, 538, 540; Hopf/Smutny, DRdA 2002, 99, 102 f.; a. A. Enzelsberger, ZAS 2009, 232, 234, 235. 659 Hopf/Smutny, DRdA 2002, 99, 103, 109; Rebhahn/Kletečka, GlBG, § 12 Rn. 36; Windisch-Graetz, Zeller Kommentar, § 12 GlBG Rn. 5; a. A. Krejci, DRdA 2005, 501, 513. 660 OGH 21.1.1999 JBl. 1999, 538, 540; zu den Schwierigkeiten der Bemessung wegen mangelnder Objektivierung: Enzelsberger, ZAS 2009, 232, 233 f.; s. aber Majoros, DRdA 2007, 515, 519 f., der angesichts der Mindestbeträge die Bemessung auch in Relation zu dem stets zu gewährenden Mindestbetrag bemessen will und Divergenzen zum übrigen Schadensersatzrecht angesichts der Richtlinien hinnehmen will. 661 Z. B. OGH 2.9.2008 ZAS 2009, 231, 232; Enzelsberger, ZAS 2009, 232, 235. 662 § 19a B-GlBG, §§ 12 Abs. 13, 26 Abs. 13, 51 Abs. 10 GlBG. 663 Majoros, DRdA 2007, 515, 519 f.; krit. Rebhahn/Kletečka, GlBG, § 12 Rn. 24. 664 Gahleitner, ZAS 2007, 148, 155; Krejci, DRdA 2005, 501, 513; krit. Majoros, DRdA 2007, 515, 519; s. auch Rebhahn/Kletečka, GlBG, § 12 Rn. 24, der die Regelung verfassungskonform auf eine objektiv-abstrakte Schadensberechnung beschränken will. 658

372 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen gilt für Arbeitsverhältnisse mit dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit privaten Arbeitgebern und schützt vor Diskriminierungen durch Benachteiligungen und sexuellen Belästigungen. Der Arbeitnehmer kann gegen Diskriminierungen mit Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen vorgehen und hat einen Anspruch auf Feststellung der Diskriminierung sowie einen Entschädigungsanspruch (Art. 5 Abs. 2 GlG). Sofern der Arbeitgeber präventive Maßnahmen gegen sexuelle Belästigungen unterlassen hat, besteht ebenfalls ein Entschädigungsanspruch (Art. 5 Abs. 3 GlG), und dem Arbeitgeber droht nach Art. 59, 61 Arbeitsgesetz eine Verwaltungsstrafe. Der Schutz Behinderter erfolgt durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG), das aber nicht auf die umfassende Gleichstellung Behinderter zielt. Es soll den uneingeschränkten Zugang zu privaten Dienstleistungen gewähren, die jedermann offenstehen. Als Sanktion ist ebenfalls ein Entschädigungsanspruch vorgesehen (Art. 8 Abs. 3 BehiG). Die Entschädigungsansprüche sind unabhängig vom Verschulden und vom konkreten Schaden. Das Bundesgericht und ein Teil der Literatur qualifizieren sie als Ansprüche sui generis, die die Folgen der Persönlichkeitsverletzung ausgleichen und strafenden Charakter haben.665 Für diese Funktionszuweisung spricht bereits die Terminologie. Die Rechtsfolge ist anders als beim Ausgleich materieller und immaterieller Schäden nicht als Schadensersatz oder Genugtuung, sondern als Entschädigung bezeichnet. Zudem sind Art. 5 Abs. 2, 3 GlG und Art. 8 Abs. 3 BehiG leges speciales zu Art. 336a und 337c Abs. 3 OR, die einen Entschädigungsanspruch bei missbräuchlichen Kündigungen und bei grundlosen außerordentlichen Kündigungen gewähren.666 Ihnen wird ebenfalls eine doppelte Funktion zugewiesen: der Ausgleich der Persönlichkeitsverletzung und die Sanktion.667 Das muss auch für Art. 5 Abs. 2, 3 GlG und Art. 8 Abs. 3 BehiG gelten. Die Literatur meint zum Teil sogar, dass der Entschädigungsanspruch ausschließlich strafende Funktion habe und somit Strafschadensersatz sei.668 Die Doppelfunktion des Entschädigungsanspruchs beeinflusst auch die Bemessung der Entschädigung. Sie muss die Persönlichkeitsverletzung kompensieren und zugleich Sanktion sein. Die Gerichte haben einen weiten Ermes665

BG 4.7.2000 BGE 126 III 395 ff.; Gurzeler, Genugtuung, S. 107, 108 f.; Nordmann, Kündigung, S. 246. 666 Streiff/v. Kaenel, Arbeitsvertrag, Art. 336a Rn. 12. 667 BG 30.7.1997 BGE 123 III 391, 392, 394; Brand, Einzelarbeitsvertrag, Art. 336a Rn. 1; Brühwiler, Einzelarbeitsvertrag, Art. 336a Rn. 1, Art. 337a Rn. 10; Brunner/Bühler/Waeber/ Bruchez, Arbeitsvertragsrecht, Art. 336a OR Rn. 2; Emmel, Handkommentar, Art. 336a OR Rn. 1; Nordmann, Kündigung, S. 202 f. m. w. N.; Portmann, Basler Kommentar, Art. 336a OR Rn. 1; Staehelin, Zürcher Kommentar, Art. 336a ZGB Rn. 3, Art. 337c Rn. 14; Streiff/v. Kaenel, Arbeitsvertrag, Art. 336a OR Rn. 2; a. A. Lempen, AJP 2001, 2208, 2220; Rehbinder, Berner Kommentar, Art. 336a Rn. 1, Art. 337c Rn. 8 (Rechtsverletzungsbuße). 668 Kaufmann, in: Schwandner/Schaffhauser, Gleichstellung, S. 59, 72; s. auch Dasser, SJZ 2007, 101, 106 f.; Mader, in: Schwandner/Schaffhauser, Gleichstellung, S. 9, 28 f.

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sensspielraum und berücksichtigen alle Umstände des Einzelfalls.669 Die Kriterien orientieren sich an der Rechtsprechung zu den Art. 336a, 337c Abs. 3 OR. Bei der Diskriminierung der Arbeitnehmer sind insbesondere die Schwere der Fürsorgepflichtverletzung und der Umfang der Persönlichkeitsverletzung maßgeblich, aber auch das Verschulden und die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers sowie das Mitverschulden des Arbeitnehmers.670 Insgesamt sind die Gerichte bei der Entschädigung zurückhaltend.671 Sie sprechen einen einheitlichen Entschädigungsbetrag zu und weisen den Strafaufschlag nicht gesondert aus.672 Die Literatur erwägt, ob die Entschädigung geringer sein müsse, wenn bereits eine Verwaltungsstrafe gegen den Arbeitgeber verhängt wurde.673 Das Bundesgericht hat dazu noch nicht entschieden. In jedem Fall ist die Entschädigung durch Art. 5 Abs. 4 GlG auf maximal drei Monatseinkommen für Diskriminierungen bei der Einstellung674 und auf sechs Monatseinkommen für Diskriminierungen bei der Kündigung oder sexuellen Belästigungen beschränkt.675 Bei der Diskriminierung von Behinderten orientiert sich die Entschädigung an deren Schwere und dem Wert der vorenthaltenen Dienstleistung. Sie kann maximal 5000 Fr. betragen. Neben dem Entschädigungsanspruch können nach Art. 5 Abs. 5 GlG weitere gesetzliche Schadensersatz- und Genugtuungsansprüche sowie vertragliche Ansprüche bestehen. Um den Schaden nicht doppelt zu kompensieren, ist die Entschädigung bei der Gewährung einer Genugtuung nach Art. 49 OR zu berücksichtigen. Das ist dadurch erschwert, dass die Gerichte einen einheitlichen Betrag für Schadensausgleich und Sanktion zusprechen. Um dem zu begegnen, wurde einerseits die Begrenzung der Entschädigung auf den Schadensausgleich befürwortet, andererseits die selbständige Ausweisung des Strafaufschlags vorgeschlagen.676 Das Bundesgericht hat indes seine Rechtsprechung zu den Entschädigungsansprüchen aus Art. 336a, 337c Abs. 3 OR übertragen, wonach neben dem Entschädigungsanspruch grundsätzlich keine zusätzlichen 669

Gurzeler, Genugtuung, S. 109; so zu Art. 336a, 337c Abs. 3 OR: BG 23.3.1993 BGE 119 II 157, 160; 22.4.1997 BGE 123 III 246, 255; 30.7.1997 BGE 123 III 391, 392; Portmann, Basler Kommentar, Art. 336a OR Rn. 2; Rehbinder, Berner Kommentar, Art. 336a Rn. 4; Vischer, Arbeitsvertrag, S. 246. 670 Gurzeler, Genugtuung, S. 109 f.; so zu Art. 336a, 337c Abs. 3 OR: BG 23.3.1993 BGE 119 II 157, 160; 22.4.1997 BGE 123 III 246, 255; Brühwiler, Einzelarbeitsvertrag, Art. 336a Rn. 2, Art. 337a Rn. 11; Geiser, BJM 1994, 169, 192; Nordmann, Kündigung, S. 215; Staehelin, Zürcher Kommentar, Art. 336a Rn. 6. 671 So zu Art 336a OR: Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Arbeitsvertragsrecht, Art. 336a OR Rn. 3; Staehelin, Zürcher Kommentar, Art. 336a ZGB Rn. 6. 672 BG 4.7.2000 BGE 126 III 395, 397. 673 Gurzeler, Genugtuung, S. 111 f. 674 Das gilt, selbst wenn mehrere Personen bei einem Einstellungsverfahren diskriminiert wurden. 675 Wegen des gravierenden Eingriffs ist der schweizerische Durchschnittslohn zugrunde zu legen. 676 Gurzeler, Genugtuung, S. 110, 112 f.

374 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Genugtuungsansprüche bestehen, es sei denn, die Persönlichkeitsverletzung wiege so schwer, dass der Entschädigungsanspruch wegen des Höchstbetrags den Ausgleich der immateriellen Einbuße nicht sicherstelle.677 Das verdeutlicht die Schwierigkeiten beim Umgang mit Ansprüchen, die zugleich Schadensausgleich und Strafe sind. 3. Frankreich Bereits die Verfassung der 5. Republik von 1958 enthielt in Art. 55 eine Aufzählung unzulässiger Diskriminierungsgründe. Privatpersonen konnten sich untereinander aber nicht darauf berufen. Die Abwehr von Rassismus und Diskriminierungen wegen des Geschlechts erfolgte in Frankreich durch das Strafrecht, um eine besondere Symbolwirkung zu erzielen und die praktische Durchsetzung zu erleichtern.678 Die europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien wurden vor allem im Code du travail umgesetzt.679 Für das Mietrecht besteht ein eigenes Gesetz (Gesetz Nr. 89-462 vom 6.7.1989). Das Diskriminierungsrecht bleibt in seiner Ausgestaltung hinter den europäischen Richtlinien zurück.680 Die Sanktionen sind im Strafrecht wie im Privatrecht geregelt. Art. 225-2 Code pénal sieht für eine Diskriminierung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und eine Geldstrafe von bis zu 45 000 € vor. Art. 1146-1 Code du travail, der Diskriminierungen wegen des Geschlechts bei Einstellung, Kündigung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses erfasst, enthält eine Strafandrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe und bis zu 3750 € Geldstrafe.681 Das Gleiche gilt für Belästigungen nach Art. L. 1155-2 Code du travail. Die Normen erfassen aber nur vorsätzliche unmittelbare Diskriminierungen. Verurteilungen sind zudem in der Praxis sehr selten und die verhängten Strafen gering.682 Daher haben die zivilrechtlichen Rechtsfolgen größere Bedeutung. Diskriminierende Akte sind zivilrechtlich nichtig, und der Betroffene kann die Wiederherstellung des Zustands vor der Diskriminierung oder Scha677 BG 4.7.2000 BGE 126 III 395, 397 f.; krit. Gurzeler, Genugtuung, S. 104; zu Art. 336a, 337c Abs. 3 OR: BG 30.7.1997 BGE 123 III 391, 392 ff.; Emmel, Handkommentar, Art. 336a OR Rn. 3; Portmann, Basler Kommentar, Art. 336a OR Rn. 8; Rehbinder, Berner Kommentar, Art. 336a Rn. 6; Staehelin, Zürcher Kommentar, Art. 336a ZGB Rn. 8; krit. Lempen, AJP 2001, 1108, 1111. 678 Cœuret/Gaurian/Miné, Droit du travail, Rn. 563. 679 Art. L.1132-1 ff. (allgemeinen Bestimmungen), Art. L.1142-1 ff. (Diskriminierung wegen des Geschlechts, der Schwangerschaft oder der familiären Situation ), Art. L.1152-1 ff. (Belästigung). 680 Zur unvollständigen Richtlinienumsetzung insbesondere Berthou, IRLR 2003, 110, 136 f. 681 Es gilt der Spezialitätsgrundsatz, s. Peru-Pirotte, Lutte, S. 322 ff. 682 TGI D’Arras 18.3.2003 Dr. ouvr. 2004, 92; anders z. B. Conseil de Prud’hommes de Lyon 30.1.2003 Dr. ouvr. 2003, 449 f.; krit. Peru-Pirotte, Lutte, S. 311; s. auch Berthou, IRLR 2003, 110, 111.

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densersatz verlangen.683 Mangels spezieller Bestimmungen ist für den Schadensersatz auf die allgemeinen Regelungen zur vertraglichen und deliktischen Haftung (Art. 1134, 1147 und Art. 1382 Cc) zurückzugreifen, die aber verschuldensabhängig sind.684 Die vertragliche Haftung setzt neben der zu vertretenden unzulässigen Diskriminierung voraus, dass der Schaden vorhersehbar war. Für die deliktische Haftung bedarf es eines aktuellen, direkten und bestimmten Schadens sowie der Verfolgung eines legitimen, rechtlich geschützten Interesses. Der Schadensersatzanspruch hat auch im Diskriminierungsrecht eine Ausgleichsfunktion.685 Der immaterielle Schaden des benachteiligten Bewerbers besteht darin, dass er die Chance verliert, auf einer bestimmten Position tätig zu sein, und ihm somit die berufliche Weiterentwicklung abgeschnitten wird.686 Das beeinträchtige die Selbstverwirklichung der Person und bewirke einen Verlust an Lebensfreude.687 Zudem führten Diskriminierungen regelmäßig zu Persönlichkeitsverletzungen, die einen ideellen Schaden nach sich ziehen.688 Für die Bemessung der Entschädigung besteht keine differenzierte Rechtsprechung, da in der Regel ein Globalbetrag zugesprochen wird.689 Die Literatur kritisiert die Zurückhaltung der Rechtsprechung beim Schadensausgleich, insbesondere die niedrigen Entschädigungsbeträge.690 Unter Hinweis auf die europäischen Richtlinien fordert sie einen überkompensatorischen Schadensersatz, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.691 Sogar die Einführung einer Privatstrafe wird vereinzelt befürwortet, um neben oder statt der Kriminalstrafe auf eine Privatstrafe und Schadensersatz erkennen zu können.692 Insgesamt scheint die Entwicklung der zivilrechtlichen Rechtsfolgen im französischen Antidiskriminierungsrecht noch nicht abgeschlossen. Ob sich die Forderung nach einer Privatstrafe durchsetzt, bleibt abzuwarten.

683 CA Paris 10.3.2006 Dr. ouvr. 2007, 477, 480 (Bizot); Cœuret/Gaurian/Miné, Droit du travail, Rn. 563; Gaudu/Vatinet, Droit du travail, Rn. 50; Miné, Dr. ouvr. 2003, 270, 275; ders., Dr. ouvr. 2004, 352, 365. 684 Miné, Dr. ouvr. 2004, 352, 366; Peru-Pirotte, Lutte, S. 355 f. 685 Dazu Latraverse, in: Rudolf/Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, S. 167, 177. 686 CA Paris 10.3.2006 Dr. ouvr. 2007, 477, 480 (Bizot); Bonnard-Plancke/Verkindt, Dr. soc. 2006, 393, 400; Gaudu/Vatinet, Droit du travail, Rn. 50; Miné, Dr. ouvr. 2004, 352, 365 f.; PeruPirotte, Lutte, S. 356. 687 Peru-Pirotte, Lutte, S. 356. 688 Miné, Dr. ouvr. 2004, 352, 365. 689 Z. B. CA Paris 10.3.2006 Dr. ouvr. 2007, 477 (Bizot); dazu Peru-Pirotte, Lutte, S. 356. 690 Lanquetin, Dr. soc. 2008, 778, 787; Miné, Dr. ouvr. 2003, 270, 275; ders., Dr. ouvr. 2004, 352, 366. Zu den seltenen Entscheidungen der französischen Gerichten nach Diskriminierungsrecht Berthou, IRLR 2003, 110, 111 f. 691 Carval, Responsabilité, Rn. 218, 240; so wohl auch Miné, Dr. ouvr. 2003, 270, 275. 692 Carval, Responsabilité, Rn. 218, 240.

376 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen 4. England Das Antidiskriminierungsrecht ist in England in einer Vielzahl von Einzelgesetzen geregelt, die sich jeweils auf ein bestimmtes Diskriminierungsmerkmal beziehen. Die Gesetzgebung war ursprünglich vom US-amerikanischen Recht inspiriert und erfasste Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der Rasse und der Behinderung693. Die europäischen Richtlinien erweiterten den Kreis der unzulässigen Differenzierungskriterien im Arbeitsrecht um die Merkmale Religion, Weltanschauung und sexuelle Orientierung sowie Alter und wurden mit eigenen Gesetzen in das nationale Recht umgesetzt.694 Für die zivilrechtlichen Verträge außerhalb des Arbeitsrechts beschränkt sich das englische Recht bisher auf Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Rasse oder ethnischen Herkunft. Der Individualrechtsschutz beruht insbesondere auf der Gewährung von Schadensersatz, der durch die deliktsrechtliche Klage wegen breach of statutory duty geltend zu machen ist.695 Die Klage schließt den Ausgleich von Gefühlsschäden ein.696 Wegen der Vorgaben des europäischen Rechts erstreckt sie sich auf direkte und indirekte Diskriminierungen und setzt kein Verschulden voraus.697 Haftungshöchstbeträge bestehen nicht mehr (früher: £ 7500). Auf dieser Grundlage sprechen die Gerichte compensatory damages zu, die ausschließlich den konkreten Schaden ausgleichen.698 Die Entschädigung dient nicht der Bestrafung und darf nicht zu hoch sein. Der Schaden ist darzulegen und zu beweisen. Allerdings genügt der Nachweis der Kenntnis des Geschädigten von der Diskriminierung.699 Für die Bemessung der Entschädigung wird objektivierend darauf abgestellt, was eine durchschnittliche Person bei einer solchen Diskriminierung fühlte.700 Zusätzlich sind die besonderen Umstände des Einzelfalls heranzu693 Equal Pay Act 1970, Sex Discriminations Act 1975, Race Relations Act 1976, Disablity Discrimination Act 1995. 694 The Employment Equality (Religion and Belief) Regulations 2003, The Employment Equality (Sexual Orientation) Regulations 2003, Equality Act 2006, The Equality Act (Sexual Orientation) Regulation 2007. 695 Bamforth/Malik/O’Cinneide, Discrimination, S. 1166, 1223; Deakin/Morris, Labour Law, Rn. 6.67. 696 Klarstellend s. 8 (4) Disability Discrimination Act 1995 (DDA 1995), s. 31 (3) The Employment Equality (Religion, Belief) Regulations 2003, s. 68 (4) Equality Act 2006, s. 22 (1) (b) The Equality Act (Sexual Orientation) Regulations 2007; i. Ü. unstreitig: IDS, Age Discrimination, S. 169. 697 Bamforth/Malik/O’Cinneide, Discrimination, S. 1222 f.; IDS, Sex Discrimination, S. 476, 481. 698 Deakin/Morris, Labour Law, Rn. 6.67; IDS, Race and Religion Discrimination, S. 300, 301; IDS, Sex Discrimination, S. 483. 699 Alexander v. Home Office [1988] I.C.R. 685, 693 (CA, per May); Ministry of Defence v. Sullivan [1994] I.C.R. 193, 200 (EAT, per Tuckey); Deakin/Morris, Labour Law, Rn. 6.67; Eady/Mayhow/Smith, Discrimination, S. 89. 700 Eady/Mayhew/Smith, Disciminations, S. 93.

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ziehen. Die Höhe der Entschädigung orientiert sich vor allem an der Dauer und Intensität der Gefühlsverletzung, die anhand der erkennbaren Auswirkungen der Diskriminierung wie medizinischen Folgen, Leiden und Verlust von Lebensmut beurteilt wird.701 Bei der Diskriminierung von Beschäftigten ist die subjektive Bedeutung der Berufstätigkeit erheblich, die anhand der Dauer und des Umfangs der Tätigkeit bewertet wird.702 Mehrfache Diskriminierungen erhöhen die Entschädigung.703 Auch das nachträgliche Verhalten des Beklagten ist zu berücksichtigen, wenn es sich auf den Schadensumfang auswirkt (z. B. Entschuldigung, Ergreifen von Maßnahmen zur Verringerung oder Beseitigung der Benachteiligung, Verzögerung des Verfahrens).704 Die Größe des beklagten Unternehmens ist jedoch unerheblich.705 Die Entschädigungsbeträge sind seit dem Wegfall der gesetzlichen Haftungsobergrenze erheblich gestiegen. Um dem entgegenzuwirken und die Beurteilungsschwierigkeiten zu überwinden, wird gefordert, den Wert des zugesprochenen Betrags im täglichen Leben zu beachten und einen Vergleich mit der kompensatorischen Entschädigung von Körper- und Gesundheitsverletzungen sowie Ehrverletzungen vorzunehmen.706 Zudem entwickelte das Judicial Studies Board Richtlinien für die Entschädigung. Seit der Rechtssache Vento teilt die Rechtsprechung die Fälle in einmalige Diskriminierungen (£ 500–5000), schwerwiegende Diskriminierungen ohne besondere Schwere (£ 5000–15 000) und besonders schwere Diskriminierungen (£ 15 000–25 000) ein.707 Sofern die Diskriminierung mit einer Körperverletzung einhergeht, hat der Geschädigte eine zusätzliche Klage (personal injury) auf Entschädigung für die erlittenen Schmerzen und den Verlust an Lebensfreude (pain and suffering, loss of amenities).708 Die Bemessung der Entschädigung erfolgt nach den aufgezeigten Maßgaben. Zudem achten die Gerichte darauf, keine doppelte Entschädigung zuzusprechen.709 Neben compensatory damages kann der Kläger aggravated damages verlangen, wenn der Beklagte den Schaden durch sein anmaßendes Verhalten ab701

Bamforth/Malik/O’Cinneide, Discrimination, S. 1241; IDS, Sex Discrimination, S. 519. Orlando v. Didcot Power Station Sports and Social Club, BAILII case number: [1995] UKEAT 95_95_0311, Rn. 2 (EAT, per Morison); IDS, Sex Discrimination, S. 522. 703 Vento v. Chief Constable of West Yorkshire Police (No. 2) [2003] IRLR 102 Rn. 65 (CA, per Ward); IDS, Sexual Discrimination, Rn. 507. 704 Eady/Mayhew/Smith, Disciminations, S. 92; IDS, Sex Discrimination, S. 519. 705 Evans v. Oaklands Nursing Home Group Ltd., BAILII case number: [1999] UKEAT 331_99_1312, Rn. 11 (EAT, per Lindsay); IDS, Sex Discrimination, S. 523. 706 HM Prison Service v. Johnson [1997] I.C.R. 275, 283 (EAT, per Smith); basierend auf Alexander v. Home Office [1988] IRLR 190; dazu IDS, Sex Discrimination, S. 501 ff. 707 Vento v. Chief Constable of West Yorkshire Police (No. 2) [2003] IRLR 102 Rn. 65 (CA, per Ward); dazu Bamforth/Malik/O’Cinneide, Discrimination, S. 1235 f.; IDS, Sex Discrimination, S. 506 ff. 708 Bamforth/Malik/O’Cinneide, Discrimination, S. 1231; IDS, Sex Discrimination, S. 531. 709 London Borough of Lambeth v. D’Souza [1997] IRLR 677 (EAT); IDS, Age Discrimination, S. 172; IDS, Sex Discrimination, S. 481 f. 702

378 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen sichtlich vergrößert hat.710 Insbesondere die Beförderung des Mitarbeiters, von dem die Diskriminierung oder Belästigung ausging, und der Versuch, die Diskriminierung zu vertuschen, oder die Behinderung der Schadensersatzklage können einen Anspruch auf die Erhöhung des Schadensersatzes begründen.711 Das Gericht weist aggravated damages als eigenen Betrag aus. Ob daneben Strafschadensersatz (exemplary damages) zugesprochen werden darf, ist umstritten. Die Richter des House of Lords haben in obiter dicta unterschiedliche Standpunkte vertreten.712 Das Employment Appeal Tribunal hat sich in Virgo Fidelis Senior School v. Boyle713 für einen Strafschadensersatz ausgesprochen und verweist darauf, dass auf die Klage wegen breach of statutory duty Strafschadensersatz zugesprochen werden könne, wenn sich ein Regierungsbediensteter unterdrückend, willkürlich oder verfassungswidrig verhielt (oppressive, arbitrary and unconstitutional behaviour of governmental servants) oder die Rechtsverletzung mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgte. Das ist in der Privatwirtschaft – anders als bei Freiheitsberaubungen oder bei der Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit – wohl eher selten.

F. Vergleichende Zusammenfassung und Schlussfolgerungen I. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden 1. Überblick Eine vergleichende Betrachtung der untersuchten Rechtsordnungen zeigt, dass immaterielle Schäden übereinstimmend in den Schadensausgleich einbezogen sind, der Umfang ihrer Ersatzfähigkeit weicht aber teilweise erheblich voneinander ab. In Österreich, der Schweiz und Deutschland ist der Ersatz von Nichtvermögensschäden im Allgemeinen von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängig. Darüber hinaus sind ideelle Schäden unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung (z. B. im Urlaubsrecht, Diskriminierungsrecht) auszugleichen. Dabei handelt es sich überwiegend um Ergänzungen des ursprünglichen Konzepts des Ausgleichs immaterieller Schäden, die auf europarechtlichen Vorgaben beruhen. Ähnliches lässt sich im englischen 710

Z. B. HM Prison Service v. Johnson [1997] IRLR 162; HM Prison Service v. Beart (No. 2) [2005] IRLR 568 (EAT, per Anson); Atos Origin IT Services Ltd v. Haddoch [2005] IRLR 20 (EAT, per Mitting); Lockton, Employment, S. 173 f. 711 British Telecommunications plc v. Reid [2004] IRLR 327 Rn. 36 ff. (CA, per Ward); Eady/Mayhew/Smith, Disciminations, S. 95 f.; IDS, Sex Discrimination, S. 523 f. 712 Kuddus v. Chief Constable of Leicestershire Consabulary [2002] A.C. 122 (CA, per Mackay, Scott, Hutton); dazu Connolly, Discrimination, Rn. 13-023; IDS, Sex Discrimination, S. 538 f.; für exemplary damages s. Alexander v. Home Office [1988] I.C.R. 685, 693 f. (CA, per May); Bradford City Metropolitan Council v. Arora [1991] 2 Q.B. 507, 508, 518 f. (CA, per Neill), 519 f. (per Farquharson). 713 [2004] IRLR 268 (EAT); ebenso Bamforth/Malik/O’Cinneide, Discrimination, S. 1246; Monaghan, Equality, S. 575; schon vorher McColgan, Diskriminiation, S. 343.

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Recht beobachten, wenngleich es wegen des aktionenrechtlichen Denkens im common law und den daneben bestehenden gesetzlichen Vorgaben eine andere Struktur aufweist als das kontinentaleuropäische Recht. Immaterielle Schäden werden auch im englischen Recht vor allem bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter entschädigt. Lediglich bei der Haftung für Vertragsbruch hängt die Klage nicht von der Verletzung eines solchen Rechtsguts, sondern von der Vorhersehbarkeit des Schadens ab. Ein grundsätzlich anderes Konzept liegt dem französischen Zivilrecht zugrunde, das die Ersatzfähigkeit ideeller Schäden nicht von der Rechtsgutsverletzung abhängig macht, sondern sie den Vermögensschäden gleichstellt. Daher werden Affektionsinteressen, aber auch Belastungen und Leiden ersetzt, die unabhängig von der Rechtsgutsverletzung eintreten (z. B. Ängste, Belastungen durch die verzögerte Prozessführung714). Beschränkungen der vertraglichen und deliktischen Haftung ergeben sich vor allem bei der Schadenszurechnung (Vorhersehbarkeit, unmittelbarer, gegenwärtiger und direkter Schaden, legitimes Interesse). Die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz für die vertragliche und die deliktische Haftung sowie die Gefährdungshaftung grundsätzlich einheitlich. Bei der vertraglichen Haftung können sich höchstens Erweiterungen wegen der vertraglich vereinbarten Entschädigung ideeller Einbußen ergeben. Zudem bestehen die bereits angeführten Erweiterungen, die auf europarechtlichen Vorgaben beruhen. Für das englische Recht lässt sich hingegen zwischen der vertraglichen Haftung, die nicht von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts, sondern von der Vorhersehbarkeit des Schadens abhängt, und der deliktischen Haftung sowie der Gefährdungshaftung unterscheiden. In Frankreich sind die materiellen und immateriellen Schäden in ihrer Ersatzfähigkeit zwar gleichgestellt, allerdings führen die Unterschiede bei der Schadenszurechnung zu Divergenzen beim Schadensausgleich zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung. Im Ergebnis zeigen sich somit zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Auf der einen Seite steht die von der Rechtsgutsverletzung unabhängige Ersatzfähigkeit ideeller Schäden. Sie beruht im französischen Deliktsrecht auf der Generalklausel des Art. 1382 Cc, der eine Haftung für Verhaltensunrecht bestimmt, so dass der Erfolg – die Rechtsgutsverletzung – nicht Gegenstand des Haftungstatbestands oder der Rechtsfolgenbestimmung ist. Eine Beschränkung der Haftung ist somit nur anhand der Schadenszurechnung möglich. Ähnliches gilt für die vertragliche Haftung in Frankreich und England, die ebenfalls unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung erfolgt und anhand der Vorhersehbarkeit des Schadens beschränkt wird. Auf der anderen Seite steht die von der Rechtsgutsverletzung abhängige Ersatzfähigkeit immateriel714 Für diese Schäden gewährt die Rechtsprechung nach deutschem Recht eine Entschädigung, die sich aber nicht ohne weiteres in das Schadesersatzrecht einfügt; s. oben § 4.C.VII., S. 255 ff.

380 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen ler Schäden, wie sie für die vertragliche und deliktische Haftung in Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch für das englische Deliktsrecht kennzeichnend ist. Durch die Anknüpfung an die Rechtsgutsverletzung ist die Beschränkung der Haftung auf der Grundlage der Schadenszurechnung entlastet. Zugleich besteht aber das Risiko, dass einzelne immaterielle Einbußen nicht erfasst sind. Zudem hat der zum Teil nur bruchstückhafte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Folge, dass ideelle Schäden ohne Ausgleich bleiben. Insofern muss der Gesetzgeber jeweils bestimmen, ob und inwieweit über den Schaden wegen der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter hinaus ein Ausgleich immaterieller Schäden erfolgen soll. Das gilt insbesondere für die Entschädigung von Ängsten, seelischen Belastungen durch Trauer und Einbußen wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder Diskriminierungen. 2. Immaterielle Schäden bei Todesfällen und Körperverletzungen Für den Ausgleich ideeller Schäden bei Todesfällen und Körperverletzungen bestehen weitgehende Übereinstimmungen zwischen den verglichenen Rechtsordnungen. Das Rechtsgut Leben und die Verkürzung der Lebenserwartung werden nicht entschädigt, etwas anderes gilt nur, sofern der Geschädigte unter dem Wissen um die Lebensverkürzung litt715. Bei Körperverletzungen kann der unmittelbar Geschädigte für die erlittenen Schmerzen und Leiden sowie die entgangene Lebensfreude Entschädigung verlangen. Ängste werden generell nur entschädigt, wenn sie Krankheitswert haben oder Folge einer Körperverletzung sind. Das wird in der nationalen Diskussion zum Teil als Defizit angesehen. Darüber hinaus erlaubt nur die rechtsgutsunabhängige Haftung des französischen Deliktsrechts einen Schadensersatz. Den Ausgleich von Schäden bei mittelbar geschädigten Personen wie den Angehörigen handhaben die verglichenen Rechtsordnungen sehr unterschiedlich. In Todesfällen gewähren die Schweiz, Frankreich sowie England und nunmehr auch Österreich eine Entschädigung für die Trauerschäden, die nicht davon abhängt, dass der Angehörige einen Schock mit Krankheitswert erlitten hat. Nur in Deutschland beschränkt sich das Schadensersatzrecht auf die Entschädigung von Schockschäden, die für sich genommen eine Körperverletzung sind. Die Rechtsprechung stellt zudem erhöhte Anforderungen an die Gesundheitsbeschädigung und schränkt dadurch den Schadensausgleich noch weiter ein. Auch in den untersuchten Rechtsordnungen, die sich über das Ob einer Entschädigung für Trauerschäden einig sind, variiert die Ausgestaltung des Schadensersatzes erheblich. Am restriktivsten ist das englische Recht, das den 715 Das gilt auch für das englische Recht, obwohl ein Schadensersatz für loss of expectation of life ausgeschlossen ist, da zumindest ein Schadensersatz für pain and suffering bei Körperverletzungen fortbesteht.

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Anspruch auf einen formal abgegrenzten, eng limitierten Personenkreis (Ehegatten, Eltern minderjähriger Kinder) sowie eine pauschale Summe beschränkt. In Frankreich, der Schweiz und Österreich kommt es hingegen für die Zurechnung des Schadens auf die persönliche Nähebeziehung des Geschädigten zum Getöteten an, die bei nahen Angehörigen vermutet wird. Das französische Recht ist hinsichtlich der Zurechnung der Schäden wohl am großzügigsten, so dass ein sehr großer Kreis von Anspruchsberechtigten bei einem Todesfall bestehen kann. Neben dem Anspruch auf Trauerschäden hat die Entschädigung des Schockschadens als Gesundheitsbeschädigung keine eigene Bedeutung. Etwas anderes gilt in England wegen der restriktiven Entschädigung von Trauerschäden. Größere Zurückhaltung als bei der Entschädigung von Trauerschäden in Todesfällen besteht indes bei schweren Körperverletzungen von Angehörigen. Nur in Frankreich und in der Schweiz wird den Angehörigen Schadensersatz gewährt. In Österreich hat die Rechtsprechung bisher keinen Schadensersatz zugesprochen. Die Literatur befürwortet eine solche Erweiterung des Ersatzes von Trauerschäden, und auch die Reformvorschläge wollen sie in den Schadensausgleich einbeziehen. Etwas anderes gilt in England, dessen Gesetz sich auf Todesfälle beschränkt, so dass die Angehörigen auf die Entschädigung von Schockschäden verwiesen bleiben. In Deutschland beschränkt die Rechtsprechung die Entschädigung von Schockschäden nach wie vor auf die Todesfälle und bleibt somit erneut hinter der Entwicklung in den übrigen Rechtsordnungen zurück. 3. Immaterielle Schäden infolge von Persönlichkeitsverletzungen Die Haftung für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten ist in den untersuchten Rechtsordnungen sehr heterogen. Das beruht darauf, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts unterschiedlich weit reicht und zudem nur sukzessive Anerkennung und Ausgestaltung fand, da nur die Schweiz das Persönlichkeitsrecht von Anfang an im Zivilgesetzbuch kodifizierte. Zudem sind Persönlichkeitsverletzungen häufig lukrative Delikte, so dass der Ersatz des erlittenen Schadens keine abschreckende Wirkung vor der Rechtsverletzung entfaltet. Auf dieses Defizit des Rechtsgüterschutzes reagieren die Rechtsordnungen unterschiedlich. Soweit eine Verletzung der Ehre oder Privatsphäre, des Rechts am eigenen Bild oder anderer Persönlichkeitsrechte vorliegt, ist der Schädiger in den untersuchten Rechtsordnungen grundsätzlich übereinstimmend verpflichtet, den ideellen Schaden des Geschädigten auszugleichen. Die Unterschiede ergeben sich vielmehr daraus, welche zusätzlichen Ansprüche gegen einen Schädiger bestehen, dessen Gewinn aus der Persönlichkeitsverletzung über den Schaden und die dafür zu zahlende Entschädigung hinausgeht. Um einen effektiven Rechtsschutz bei der Zwangskommerzialisierung von Persönlichkeitsbestandteilen mit Gewinnerzielungsabsicht sicherzustellen, erlaubt das

382 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen schweizerische Recht die Kombination von Ansprüchen auf Schadensausgleich (Schadensersatz, Genugtuung) und Gewinnherausgabe nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag, auf die Art. 28a Abs. 3 ZGB verweist. Bei der Durchsetzung des verschuldensabhängigen Gewinnherausgabeanspruchs ist den Gerichten die Schätzung des Gewinns möglich, was einer Vereitelung des Anspruchs ebenso entgegenwirkt wie die Beschränkung der abzugsfähigen Kosten auf solche, die kausal auf der Rechtsverletzung beruhen. In Österreich wird der Geschädigte hingegen auf die Eingriffskondiktion verwiesen, die aber nur prominenten Personen mit einem wirtschaftlich verwertbaren und insoweit vermögenswertem Image einen Anspruch auf ein angemessenes Benützungsentgelt gewährt. Im Übrigen bleibt es bei einem Schadensersatzanspruch. In Frankreich gewährt die Rechtsprechung ebenfalls eine Entschädigung für den immateriellen Schaden infolge der Persönlichkeitsverletzung. Dieser ist bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild sogar verschuldensunabhängig und die Entschädigungsbeträge sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Die Cour de cassation geht aber weiterhin davon aus, dass es sich um einen Schadensausgleich handelt und das französische Zivilrecht keine Privatstrafe kennt. In der Literatur wird hingegen zum Teil angenommen, dass der Schadensersatz über den Schaden hinausgehe. Die Autoren weisen ihm daher eine pönale Funktion zu, deren Anerkennung sie befürworten. Es handle sich um eine unausgesprochene Privatstrafe in Form eines Strafschadensersatzes. Auch der Entwurf zu einer Reform des Code civil enthält eine Regelung, die eine Privatstrafe für lukrative Delikte vorschlägt, wenn die Rechtsverletzung offensichtlich war. Einen anderen Weg beschreiten die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur, indem sie vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts anerkennen, so dass der Geschädigte einen Anspruch auf entgangene Lizenzgebühr unabhängig von seiner Verwertungsbereitschaft hat. Daneben kommen Gewinnabschöpfungsansprüche in Betracht. Darin besteht eine Alternative zur Privatstrafe, zumindest wenn sie nur verhindern soll, dass das Delikt für den Schädiger lukrativ bleibt und sich die Rechtsverletzung für ihn lohnt. Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. In England werden insbesondere bei Ehrverletzungen (wegen der Beteiligung der Jury) hohe Schadensersatzbeträge zugesprochen, die in der Berufungsinstanz zum Teil korrigiert werden. Auch für die Verletzung der Privatsphäre bestehen Entschädigungsansprüche, die insbesondere die ideellen Schäden ausgleichen. Daneben wird auf die Klage wegen Vertrauensbruchs (breach of confidence) nicht nur eine Entschädigung für immaterielle Schäden, sondern auch für beeinträchtigte Verwertungsinteressen gewährt. Das setzt aber voraus, dass der Geschädigte verwertungsbereit war. Neben den compensatory damages kann der Geschädigte einen erhöhten Schadensersatz (aggravated damages) sowie einen Strafschadensersatz (exemplary damages)

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geltend machen, soweit deren Voraussetzungen vorliegen. Unabhängig von deliktischen Klagen haben sich im Bereicherungsrecht Ansprüche auf restitutionary damages entwickelt, die auf ein Benutzungsentgelt, aber auch auf Gewinnherausgabe zielen können. Die Klage auf restitutionary damages hat sich jedoch für vermögenswerte Rechtspositionen entwickelt und wird bei Verletzungen ideeller Persönlichkeitsrechte und der Ehre bisher nicht gewährt. Im deutschen Recht haben sich die Entschädigungsansprüche zur Abschreckung gegenüber einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung mit Gewinnerzielungsabsicht ebenfalls erheblich erhöht, um eine präventive Wirkung zu erzielen. Die Entschädigung soll auch den Verletzergewinn abschöpfen, ohne dass eine gezielte oder vollständige Abschöpfung intendiert ist. Der Verletzergewinn ist nur ein Bemessungsfaktor für die Entschädigung. Daneben sind seit der Marlene-Dietrich-Rechtsprechung des BGH vermögenswerte Persönlichkeitsbestandteile anerkannt, deren Verletzung vermögensrechtliche Ansprüche auf eine Lizenzgebühr, Gewinnherausgabe oder Ersatz des entgangenen Gewinns auslöst. Das hat bisher nicht zu einer konzeptionellen Veränderung der Entschädigung der immateriellen Einbußen geführt. Der 6. Zivilsenat des BGH hat die selbständige Präventionsfunktion noch nicht aufgegeben und auch in der Literatur ist umstritten, ob weiterhin eine überkompensatorische Entschädigung zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzuerkennen ist. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Verletzung eines Persönlichkeitsrechts grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung der ideellen Schäden nach sich zieht. Sofern die Rechtsverletzung der Gewinnerzielung dient, was insbesondere bei Persönlichkeitsverletzungen gegenüber der Öffentlichkeit bekannten Personen häufig geschieht, besteht jedoch ein Rechtsschutzdefizit, dem die untersuchten Rechtsordnungen auf drei Wegen entgegenwirken. Die Schweiz erlaubt die Gewinnabschöpfung nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag unabhängig davon, ob der verletzte Persönlichkeitsbestandteil einen ideellen oder vermögensrechtlichen Charakter hat. In Österreich, Frankreich und England werden vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts in Teilbereichen anerkannt. Daher hat der Geschädigte in Österreich einen Anspruch aus Eingriffskondiktion. In Frankreich stützt sich der Anspruch überwiegend auf Art. 1382 Cc i. V. mit Art. 9 Cc, neben dem das Bereicherungsrecht keine eigene Bedeutung erlangt. In England gewährt die Klage wegen breach of confidence einen Entschädigungsanspruch aber nur, wenn der Geschädigte verwertungsbereit war. Allerdings kann ein Anspruch auf Strafschadensersatz bestehen, der zugleich die dritte Möglichkeit darstellt, gegen das Rechtsschutzdefizit vorzugehen. Diesen Weg hat im Grunde auch das deutsche Recht durch die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion beschritten. Er ist durch die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile wieder in Frage gestellt.

384 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Die Ansprüche auf angemessene Lizenzgebühr oder Gewinnherausgabe stehen insofern mit dem Vermögensrecht in den verglichenen Rechtsordnungen in Einklang, da das Recht diesen Ertrag oder den Gewinn aus der Verwertung dem Rechtsinhaber zuweist. Sofern die Ansprüche zur Folge haben, dass der Geschädigte etwas erhält, was ihm das Vermögensrecht nicht zuordnet, handelt es sich im Grunde um eine als Gewinnabschöpfung ausgestaltete Form der Privatstrafe. Daher hat der Verweis des schweizerischen Rechts auf die Geschäftsführung ohne Auftrag zur Folge, dass es sich um einen Anspruch aus dem Vermögensrecht handelt, soweit ein vermögenswerter Persönlichkeitsbestandteil verletzt wurde. Im Übrigen ist es eine Gewinnabschöpfung, die eine Form der Privatstrafe darstellt. 4. Immaterielle Schäden infolge von Diskriminierungen Das Diskriminierungsrecht ist in den verglichenen Rechtsordnungen, mit Ausnahme der Schweiz, inzwischen von den europäischen Richtlinien geprägt. Es bestehen verschuldensunabhängige Entschädigungsansprüche. Nur in Frankreich setzt die Haftung im Widerspruch zur Richtlinie ein Verschulden voraus. Haftungsobergrenzen bestehen in Frankreich und England nicht, nur in Österreich sind Höchstbeträge geregelt, die zudem uneinheitlich für Arbeitsverhältnisse mit Bund und Land auf der einen und Arbeitsverhältnisse der Privatwirtschaft auf der anderen Seite sind, was mit den europäischen Richtlinien unvereinbar ist. Übereinstimmend werden die immateriellen Schäden des Benachteiligten ausgeglichen, wobei sich der Umfang der Entschädigung an der erlittenen Einbuße orientiert. Professionelle Diskriminierungskläger haben keinen Schadensersatzanspruch. In Österreich und England wird für die Bemessung der Entschädigung auf die Dauer und Intensität der Gefühlsverletzung und den Verlust der Lebensfreude abgestellt, wobei in England auch ein Vergleich mit der zugesprochenen Entschädigung für Schmerzen und Leiden bei Körperverletzungen erfolgen soll, damit die Relation zwischen den Schadensersatzbeträgen stimmig bleibt. In Frankreich wird insbesondere auf den Verlust der Chance für den Bewerber abgestellt. Das entspricht dem hier entwickelten Verständnis des erlittenen Schadens nach deutschem Recht, der nicht allein in der Gefühlsbeeinträchtigung besteht, sondern in der verweigerten gleichberechtigten Partizipation am Zugang zur Beschäftigung sowie dem Zugang zu Waren und Dienstleistungen. Das spiegelt treffender die Einbuße an Selbstentfaltung wider, die insoweit rechtlich geschützt ist. Somit zeigt sich, dass die Beschreibung des immateriellen Schadens als Gefühlsschaden den erlittenen Verlust nicht immer vollständig erfasst. Neben den Schadensersatzansprüchen bestehen im französischen, aber auch im österreichischen Recht Regelungen über strafrechtliche Sanktionen. Praktisch scheinen strafrechtliche Verurteilungen indes extrem selten. Eine Besonderheit kennzeichnet das schweizerische Recht, das dem Diskriminier-

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ten einen sog. Entschädigungsanspruch gewährt, der sowohl den entstandenen Schaden ausgleichen als auch strafen soll. Der Anspruch ist durch einen Höchstbetrag begrenzt. Der Geschädigte kann daneben Schadensersatz und Genugtuung verlangen, für die immateriellen Schäden indes nur, wenn die Verletzung so schwer wiegt, dass die Entschädigung bis zur Obergrenze nicht ausreicht, um sie auszugleichen. Daneben erlaubt das Arbeitsrecht die Verhängung einer Verwaltungsstrafe. Ob und wie die Verwaltungsstrafe auf die Entschädigung anzurechnen ist, hat das Bundesgericht noch nicht entschieden. II. Begriff des immateriellen Schadens Die Beschreibung des immateriellen Schadens erfolgt in den untersuchten Rechtsordnungen in ähnlicher Weise. Einerseits wird er negativ als Nichtvermögensschaden beschrieben und somit zum Vermögensschaden abgegrenzt, so dass alle Einbußen erfasst sind, die keinen Vermögenswert auf dem Markt haben. Andererseits beschreiben ihn die Rechtsordnungen positiv als Gefühlsschaden. Bei Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen wird übereinstimmend auf die Schmerzen und Leiden des Geschädigten sowie den Verlust an Lebensfreude abgestellt. In Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich ist für ideelle Schäden gleichermaßen das subjektive Empfinden des Geschädigten maßgebend (subjektive Betrachtungsweise). Etwas anderes gilt in England, wo das House of Lords für die Schmerzen und Leiden in einer subjektiven Beurteilung auf die Gefühle des Geschädigten abstellt, beim Verlust an Lebensfreude (loss of amenities) aber eine objektive Betrachtung zugrunde legt, die auf die Beeinträchtigung an Entfaltungsmöglichkeit abstellt. Ein Teil der englischen Literatur will hingegen einheitlich auf das subjektive Empfinden des Geschädigten Bezug nehmen. Trotz der Anknüpfung am Empfinden erhält der Geschädigte, der infolge des Schadensfalls empfindungsunfähig geworden ist, in allen untersuchten Rechtsordnungen eine Entschädigung. In Österreich, der Schweiz und Frankreich weicht die Rechtsprechung unter Kritik der Literatur vom subjektiven Schadensverständnis ab, verweist auf den Schutz der Persönlichkeit und stützt die Entschädigung auf den Verlust an Entfaltungsmöglichkeiten. Ähnlich geht die Rechtsprechung in Deutschland vor. Die Gerichte gewähren aber eine geringere Entschädigung als bei empfindungsfähigen Geschädigten. Dieses Abweichen von dem als unbefriedigend empfundenen Ergebnis, dass der Schwerstgeschädigte ohne Gefühlsschaden keine Entschädigung erhält, führt aber in keiner der Rechtsordnungen dazu, dass der Begriff des immateriellen Schadens neu konzipiert wurde. Grundsätzlich wird an der Gleichsetzung des immateriellen Schadens mit dem Gefühlsschaden festgehalten und die Entschädigung des Empfindungsunfähigen als Sonderfall dargestellt. Eine konsistente Lösung weist allein die Rechtsprechung des House of Lords auf, die für den Verlust an Lebensfreude generell nicht auf das Empfinden, sondern

386 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen den Verlust an Entfaltungsmöglichkeit abstellt. Der empfindungsunfähig gewordene Geschädigte erhält daher eine Entschädigung, ohne dass eine Ausnahme erforderlich ist. Eine Entschädigung für Schmerzen und Leiden erfolgt nicht, so dass der Schadensersatz geringer ist als bei empfindungsfähigen Geschädigten. Besondere Beschreibungen für den ideellen Schaden finden sich bei einer Persönlichkeitsverletzung oder einer Diskriminierung – anders als bei Körperverletzungen – in den untersuchten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen nicht. Es bleibt bei dem Anknüpfen an den subjektiven Schaden des Geschädigten und sein Empfinden. Eine Ausnahme weist nur das französische Antidiskriminierungsrecht auf, das auf den Verlust der Chance abstellt. Bei Ehrverletzungen und Rufschädigungen wird zudem nicht nur die erlittene Kränkung, sondern auch der soziale Störwert berücksichtigt, der auf die Lebensführung einwirkt. Daneben werden die psychischen Beeinträchtigungen aus dem Schadensfall einbezogen. Soweit zugleich eine Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung eintritt, sind insoweit die Schmerzen und Leiden sowie die Einbuße in der Lebensführung maßgebend. Im englischen Recht haben sich einzelne phänomenologische Kategorien entwickelt, die den Schaden umschreiben: physical inconvenience, social discredit or injury of reputation, mental distress oder injury to feelings. Sie ähneln den Einbußen, die auch in Österreich, der Schweiz, Frankreich und Deutschland zur Beschreibung des Schadens herangezogen werden. Die selbständige Erfassung mag auf dem aktionenrechtlichen Konzept beruhen, bei dem für jede Klageart die klagbaren Rechtsfolgen benannt werden. Die Beschreibung des immateriellen Schadens bleibt somit vorwiegend auf den Gefühlsschaden bezogen und nimmt nicht allgemein auf den Eingriff in die Selbstbestimmung und Selbstentfaltung Bezug, die dem Geschädigten kraft seines Personseins zukommen und die durch Persönlichkeitsverletzungen oder die Diskriminierungen beeinträchtigt werden. Das lässt sich darauf zurückführen, dass insbesondere die Selbstentfaltung in den untersuchten Rechtsordnungen grundsätzlich nicht geschützt ist und das Antidiskriminierungsrecht diesbezüglich eine punktuelle Ausnahme darstellt. Auch die Selbstbestimmung als Teil des Persönlichkeitsrechts erfährt nur teilweise Schutz. Eine Ausnahme ist insoweit das schweizerische Privatrecht, das einen umfassenden Schutz der Persönlichkeit in die Rechtsordnung integriert. Die Erheblichkeitsschwelle und die Proportionalhaftung relativieren jedoch dieses weite Konzept, so dass keineswegs jede Rechtsverletzung einen ersatzfähigen Schaden nach sich zieht. Der punktuelle Rechtsschutz mag somit eine Ursache dafür sein, dass die Beschreibung des immateriellen Schadens nicht pauschal an den Verlust an Selbstbestimmung und die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung anknüpft. Zudem hatte sich historisch zuerst die Entschädigung für Schmerzen und Leiden bei Körperverletzung entwickelt. Die Beschreibung des Schadens anhand des Gefühls wurde fortgeführt, als die ideellen Schäden

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infolge einer Persönlichkeitsverletzung ersatzfähig wurden. Insofern lässt sich feststellen, dass die Beschreibung des immateriellen Schadens als Gefühlsschaden ein fest verwurzelter gemeinsamer Nenner in den untersuchten Rechtsordnungen ist, auch wenn in einzelnen Bereichen Abweichungen bestehen. Das emotionale Empfinden gilt somit als Verlust, den der Geschädigte erleidet, ohne dass untersucht wird, ob über die Gefühlsbeeinträchtigung hinaus weitere Einbußen bestehen, die ebenfalls keinen Vermögenswert haben. III. Zweck des Schadensersatzes Der Zweck der Schadensersatzansprüche ist in allen untersuchten Rechtsordnungen trotz der Inkommensurabilität des Schadens und der Gefahr arbiträrer Entschädigungen vorrangig der Schadensausgleich. In Frankreich wurde der Strafcharakter der Entschädigung in der Literatur zwar vergleichsweise lange diskutiert. Die Rechtsprechung und herrschende Lehre gehen indes angesichts der Wertungen der Menschenwürde und der Unverletzlichkeit der Person seit geraumer Zeit davon aus, dass es sich um einen Schadensersatzanspruch mit Ausgleichsfunktion handelt. Die Ausgleichsfunktion ist auch in Österreich und der Schweiz anerkannt. Das Gleiche gilt für Deutschland, wo der Entschädigung zugleich eine Genugtuungsfunktion zugesprochen wird. Eine Besonderheit besteht in England, wo sich der Schadensersatz in eine Mehrzahl von Untergruppen gliedert. Er dient einerseits dem Schadensausgleich (compensatory damages), im Einzelnen aber auch der Genugtuung des Geschädigten (aggravated damages) sowie der Bestrafung und Abschreckung des Schädigers (exemplary damages). Die compensatory damages und aggravated damages gleichen jedoch nur den erlittenen Schaden aus. Eine überkompensatorische Entschädigung erlauben grundsätzlich nur die exemplary damages, auch wenn die Abgrenzung zu den aggravated damages fließend ist. Die Ausgleichsfunktion zielt auf die Wiedergutmachung des Schadens in Geld, wobei insbesondere bei den Personenschäden übereinstimmend darauf verwiesen wird, dass der Geschädigte sich Annehmlichkeiten mit dem Geld verschaffen könne. Im Widerspruch zu dieser Annahme gewährt die Rechtsprechung der verglichenen Rechtsordnungen übereinstimmend einen Schadensersatz, wenn kurz vor dem Tod Schmerzen und Leiden eintreten. Auf die Verwendung der Entschädigung durch den Verletzten kommt es nicht an, so dass die vererblichen Entschädigungsansprüche praktisch in die Erbmasse fallen und nur den Erben zugutekommen. Auch die empfindungsunfähigen Geschädigten erhalten eine Entschädigung, wobei vor allem auf den Schutz der Persönlichkeit und den Verlust an Entfaltungsmöglichkeit verwiesen wird. Diese Einbuße soll durch die Entschädigung in Geld kompensiert werden. Neben der Ausgleichsfunktion weisen nur Deutschland und England der Entschädigung eine Genugtuungsfunktion zu. In Deutschland spielt sie jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle und hat allein bei Persönlichkeits-

388 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen verletzungen oder vorsätzlichen Delikten selbständige Bedeutung. In England führt sie zum Schadensersatz in Form von aggravated damages. Ein solcher erhöhter Schadensersatz wird gewährt, wenn eine grobe Verletzung des guten Rufs und des Gefühls bei Persönlichkeitsverletzungen oder Diskriminierungen vorliegt oder wenn der Schädiger sich anmaßend, böswillig oder tyrannisch verhalten hat. Damit wird in Deutschland und England im Grunde nur die ungleich intensivere Rechtsverletzung und die Schadensvergrößerung durch vorsätzliches Handeln erfasst. Das Handeln des Schädigers ist eine Missachtung des Geschädigten und verletzt ihn in seiner Persönlichkeit. Das wirkt schadenserhöhend und führt zu einer Anhebung der Entschädigung. Auch in Frankreich wird in der Literatur vereinzelt eine Genugtuungsfunktion des Schadensersatzes befürwortet, die einen pönalen Charakter annimmt. Neben der Ausgleichsfunktion hat der Schadensersatz in Frankreich und der Schweiz die Funktion, die rechtswidrige Rechtsverletzung festzustellen. Sie hat eigenständige Bedeutung, wenn die Gerichte den Geschädigten lediglich zu einem symbolischen Betrag verurteilen. Das kommt insbesondere bei geringen Schäden und in Fällen in Betracht, in denen sich der Geschädigte nicht mit der Schadensersatzklage Geld verschaffen möchte und daher nur einen symbolischen Betrag verlangt. Ähnlich erlaubt auch das englische Recht die Verurteilung zu sog. nominal damages oder contemptuous damages. Die Feststellung soll den Geschädigten (nur) in seinem Recht bestätigen. Einen vergleichbaren feststellenden Schadensersatz kennen das österreichische und deutsche Schadensersatzrecht hingegen nicht. Allerdings kann der Geschädigte seine Klage auf eine minimale Entschädigung beschränken, so dass ein Urteil gesprochen werden kann, auch wenn der Geschädigte keine Entschädigung haben möchte. Darüber hinaus ist der Entschädigung bzw. Genugtuung immaterieller Schäden in Österreich, der Schweiz und Frankreich grundsätzlich keine selbständige Präventions- oder Straffunktion eigen. Bei Rechtsverletzungen mit Gewinnerzielungsabsicht (insbesondere bei Persönlichkeitsverletzungen) werden zusätzliche Ansprüche auf der Grundlage des Vermögensrechts gewährt. In Österreich wird auf die Verzerrung des Ausgleichs von Nichtvermögensschäden bei der Anerkennung einer solchen Funktion verwiesen und die Abschöpfung der Bereicherung des Schädigers mittels Eingriffskondiktion vorgezogen, wenn die wirtschaftliche Verwertung der geldwerten Persönlichkeitsbestandteile erfolgt ist. In der Schweiz beschränkt sich die Genugtuung grundsätzlich auf den Schadensausgleich, der durch die Gewinnabschöpfung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ergänzt wird. Eine Präventionsfunktion des Schadensersatzes erkennen in der Schweiz nur Autoren an, die dem Schadensersatzrecht die ökonomische Analyse des Rechts zugrunde legen. Eine Sonderregelung enthält jedoch das schweizerische Diskriminierungsrecht. Der sog. Entschädigungsanspruch dient dem Schadensausgleich und hat zugleich strafende Funktion.

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Ähnlich ist die Rechtslage in Frankreich. Strafschadensersatz gewährt die Rechtsprechung grundsätzlich nicht. Allerdings geht die Literatur zum Teil davon aus, dass insbesondere bei Persönlichkeitsverletzungen mit Gewinnerzielungsabsicht, aber auch bei Wettbewerbsverletzungen eine Entschädigung gewährt wird, die über den erlittenen Schaden hinausgeht und somit ein verdeckter Strafschadensersatz sei. Insoweit differenzieren die Autoren nicht zwischen der selbständigen Präventionsfunktion und der Straffunktion des Anspruchs, sondern qualifizieren jeden überkompensatorischen Schadensersatz als Strafschadensersatz. Daneben besteht im Vertragsrecht seit langem die astreinte, ein Strafgeld, mit deren Androhung und Verhängung die Gerichte die Erfüllung vertraglicher Pflichten durchsetzen können. Die Regelung ist dem Ordnungsgeld nach § 890 ZPO nicht unähnlich, wenngleich sie weniger Beschränkungen unterliegt und daher effektiver auf die Durchsetzung der Forderung hinwirkt. Die astreinte mag zwar als pönale Komponente angesehen werden, führt aber nicht dazu, dass ein Strafschadensersatz oder eine Privatstrafe als allgemeines Kennzeichen des französischen Privatrechts gelten kann. Allerdings befürwortet ein Teil der französischen Literatur die Anerkennung einer Straffunktion des Schadensersatzes oder die Einführung einer Privatstrafe. Zudem enthalten die Vorarbeiten für eine Überarbeitung des Deliktsrechts im Rapport Catala neben der Regelung zur Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes eine Bestimmung zu einem Strafaufschlag auf den Schadensersatz, insbesondere für lukrative Delikte. Die Realisierung des Gesetzgebungsvorhabens ist hinsichtlich der deliktischen Haftung inzwischen ungewiss. Zudem ist die Privatstrafe als solche kontrovers, zusätzlich ist die konkret vorgeschlagene Bestimmung im Rapport Catala umstritten. Selbst Befürworter einer Privatstrafe kritisieren sie wegen der fehlenden Vorgaben für die Bemessung des Strafaufschlags. Somit bleibt es hinsichtlich des Strafschadensersatzes bei der grundlegenden Unterscheidung zwischen den Ländern des civil law und des common law. Der Strafschadensersatz entwickelte sich zuerst im englischen common law und hat sich im US-amerikanischen Recht eigenständig weiterentwickelt. Die exemplary damages sind fester Bestandteil des englischen Rechts, auch wenn sie Ausnahmecharakter haben und auf bestimmte Fallgruppen beschränkt werden. Die Jury spricht sie getrennt von der schadensausgleichenden Entschädigung zu. In den USA wird Strafschadensersatz nicht auf bestimmte Fallgruppen beschränkt, so dass er einen deutlich größeren Anwendungsbereich hat. In England wie den USA dient der Strafschadensersatz vor allem der Vergeltung und Abschreckung. Zudem wird insbesondere in den USA davon ausgegangen, dass der Einzelne im Interesse der Allgemeinheit dem Recht zum Durchbruch verhelfe, was insbesondere auf der Vorstellung vom Staat und den praktischen Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung durch die Verwaltung

390 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen und die Gerichte beruht. De facto deckt der Strafschadensersatz auch die Prozesskosten des Klägers ab, ohne dass es sich um das primäre Ziel des Anspruchs handelt. Ein Strafschadensersatz wird in England und den USA insgesamt nicht häufig auferlegt, und die Beträge erreichen selten spektakuläre Höhen, die das Medieninteresse auf sich ziehen. Maßgeblichen Einfluss auf die Höhe hat die Jury, wenngleich in einzelnen Bundesstaaten der USA zum Teil Maßgaben für die Zuerkennung für den Strafschadensersatz bestehen. Der zugesprochene Betrag wird in beiden Ländern der Rechtskontrolle unterzogen, wobei die Rechtsmittelgerichte eingreifen, wenn der auferlegte Strafschadensersatz exzessiv und somit inadäquat ist, wobei hierfür keine formalen Maßstäbe bestehen, sondern die Gerichte eine Mehrzahl von Kriterien für die Entscheidung des Einzelfalls entwickelt haben. IV. Bemessung des Schadensersatzes Die Bemessung des Schadensersatzes für immaterielle Schäden orientiert sich grundsätzlich an dessen Funktion und zielt daher im Allgemeinen auf den Ausgleich des erlittenen Schadens. In Deutschland, Österreich, Frankreich und England gelten übereinstimmend der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot. In der Schweiz besteht hingegen eine Proportionalhaftung, die die Auferlegung des Schadens hinsichtlich des Ob und des Umfangs vom Verschuldensgrad des Schädigers abhängig macht. Ungeachtet dieses Unterschieds erfolgt der Schadensersatz in Geld für immaterielle Schäden trotz ihrer Inkommensurabilität in den verglichenen Rechtsordnungen grundsätzlich anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls, ohne dass alle berücksichtigungsfähigen Kriterien übereinstimmen. Die Aufwendungen für Annehmlichkeiten werden aber gleichermaßen nicht berücksichtigt. Neben der Gesamtwürdigung erfolgt ein Vergleich mit bereits ausgeurteilten Beträgen in anderen Entscheidungen, um die Gleichbehandlung vergleichbarer Schäden bei der Entschädigung sicherzustellen. Tabellen und Entscheidungssammlungen sind aber nur unverbindliche Bemessungshilfen. Eine bindende Tarifierung besteht bisher nicht. Bestrebungen zu einer weitergehenden Festlegung der Beträge zulasten der Einzelfallgerechtigkeit sind nicht erkennbar. Die Höhe des Schadensersatzes in Geld orientiert sich in den Rechtsordnungen übereinstimmend am erlittenen Schaden. Wegen der Schwierigkeiten beim intersubjektiven Nachvollziehen des Schadens wird allgemein eine objektivierende Schadensbetrachtung zugrunde gelegt. Daneben berücksichtigen die Gerichte dennoch die subjektive Situation des Geschädigten, ohne dass sich die Intensität des subjektiven Bezugs genau präzisieren ließe. Bei der Bemessung der Entschädigung wird übereinstimmend das Mitverschulden des Geschädigten berücksichtigt. Das Verschulden des Schädigers spielt nicht nur in der Schweiz eine Rolle (Proportionalhaftung), sondern auch in Deutschland

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und England, indem seine schadensvergrößernde Wirkung bedacht wird. Die Vermögensverhältnisse des Schädigers und Geschädigten sowie ihre soziale Stellung sind in den verglichenen Rechtsordnungen irrelevant. Etwas anderes gilt für das deutsche Recht, wobei die Berücksichtigung dieser Umstände sich auf eine Genugtuungsfunktion der Entschädigung zurückführen lässt, die sich nicht auf den Schadensausgleich beschränkt, sondern eine Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls bewirken soll. Das geht indes über einen bloßen Schadensausgleich hinaus. In der Schweiz ist im Zusammenhang mit der Proportionalhaftung eine Minderung des Schadensersatzes und der Genugtuung möglich, wenn eine wirtschaftliche Notlage für den Schädiger entstünde und er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig handelte. Insofern erfolgen keine Differenzierungen nach dem verletzten Rechtsgut, sondern es handelt sich um eine für den Schadensausgleich allgemein geltende Begrenzung. Sie unterscheidet sich von den punktuellen Haftungsbeschränkungen des deutschen und österreichischen Rechts. Eine Haftungsbegrenzung besteht für den Ausgleich immaterieller Schäden grundsätzlich nicht. Für die Gefährdungshaftung wegen Sach- und Personenschäden besteht aber in Deutschland eine Haftungsobergrenze, um die Versicherbarkeit der Schäden zu gewährleisten. In den übrigen Rechtsordnungen finden sich solche Beschränkungen für die Gefährdungshaftung nicht, was die Erforderlichkeit dieser Haftungshöchstbeträge in Zweifel zieht. Eine Begrenzung der Haftung enthält schließlich das österreichische Medienrecht, wo Höchstbeträge festgelegt sind, um die Medienunternehmen zu schützen. Auch das österreichische Antidiskriminierungsrecht enthält Haftungsobergrenzen, die sogar zwischen den Arbeitsverhältnissen mit dem Bund und den Ländern sowie der Privatwirtschaft differenzieren. Sie widersprechen dem Unionsrecht.

§ 7 Der Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung A. Zur verbindlichen Rechtsvereinheitlichung des Ausgleichs immaterieller Schäden durch völkerrechtliche Verträge I. Überblick über die für Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Verträge zum Ersatz immaterieller Schäden Der Ausgleich von Schäden zwischen Privaten ist nicht nur Gegenstand des nationalen Rechts, sondern auch von völkerrechtlichen Verträgen. Zum einen bestehen Abkommen, die gerade zivilrechtliche Verträge mit grenzüberschreitendem Bezug erfassen und Bestimmungen zur Haftung bei Vertragspflichtverletzungen enthalten. Dazu gehören insbesondere die internationalen Über-

392 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen einkommen zum Transportrecht, die sich jeweils auf die Beförderung von Personen bzw. Gütern auf dem Seeweg, per Eisenbahn, Flugzeug oder auf der Straße beziehen, und das UN-Kaufrecht. Auf sie ist im Anschluss separat einzugehen. Zum anderen gibt es Konventionen, die auf die Herstellung eines bestimmten Rechtsstandards in den Vertragsstaaten zielen. Das betrifft die außervertragliche Haftung sowie das Diskriminierungsrecht. Die völkerrechtlichen Verträge enthalten aber nicht immer Bestimmungen zum Schadensersatz oder eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, solche Schadensersatzbestimmungen im nationalen Recht zu regeln. Für die außervertragliche Haftung bestehen mehrere Konventionen, die eine Haftung für Schäden regeln, die aus der Verwirklichung bestimmter Gefahren resultieren, sowie Verträge zur Rechtsvereinheitlichung für den Schadensausgleich bei Straßenverkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen und bei Straftaten. Sie sind nur zum Teil auf den Schadensausgleich zwischen Privaten bezogen. Inwieweit der Schadensersatz den Ersatz immaterieller Schäden erfasst, ist in diesen Konventionen uneinheitlich geregelt. Die OECD Convention on Third Party Liability in the Field of Nuclear Energy von 1960 (Pariser Konvention) und die IAEA Vienna Convention on Civil Liability for Nuclear Damage von 1963 (Wiener Konvention) regeln eine Haftung für die Betreiber von Kernkraftanlagen. Nach Art. 3 lit. a (i) Pariser Konvention setzt die Haftung den Tod eines Menschen oder eine Verletzung der körperlichen Integrität voraus, den zu ersetzenden Schaden bestimmt die Konvention jedoch nicht. Das Gleiche gilt für die Wiener Konvention, die hinsichtlich der Natur, der Form und des Umfangs der Kompensation auf das Recht des zuständigen Gerichts verweist (Art. 8). In ähnlicher Weise regelt die European Convention on Civil Liability for Damage caused by Motor Vehicles1 des Europarats die Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs für Verkehrsunfallschäden. Die Haftungsvoraussetzungen sind im Detail ausgestaltet. Die Natur, die Form sowie den Umfang des Schadensersatzes überlässt die Konvention hingegen den Vertragsstaaten (Art. 12 Abs. 1 lit. a). Noch weniger ergiebig zum Schadensersatzrecht sind die UN-Konventionen zur Gewährleistung von Bürgerrechten und zur Bekämpfung von Diskriminierungen, die keine Schadensersatzansprüche enthalten und die Vertragsstaaten nur vereinzelt verpflichten, Schadensersatzansprüche zu gewährleisten. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte2 sowie die Internationale Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte3 enthalten keine ausdrücklichen Regelungen zum Schadensausgleich. Ersterer bestimmt in Art. 2 Abs. 3 lit. a nur, dass die Vertragsstaaten ein effektives 1 European Convention on Civil Liability for Damage caused by Motor Vehicles, 14.5.1973, ETS No. 079. 2 International Covenant on Civil and Political Rights, 16.12.1966, No. I:14668. 3 International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 16.12.1966, No. I:14531.

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Rechtsmittel zugunsten des Rechtsinhabers sicherstellen müssen. Die UNÜbereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen4 sowie die UN-Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen5 enthalten keine selbständigen Regelungen über einen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Diskriminierung. Allein das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung6 verpflichtet die Vertragsstaaten in Art. 6, die Geltendmachung der Rechte sicherzustellen sowie die gerechte und angemessene Entschädigung für die Schäden zu gewährleisten, die infolge von Rassendiskriminierung eingetreten sind.7 II. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem Internationalen Transportrecht Das Transportrecht ist durch internationale Übereinkommen für die einzelnen Transportwege umfassend geregelt, die neben der Haftung für die Beschädigung und den Verlust der transportierten Güter, deren Verspätung auch die Haftung für Personenschäden vereinheitlichen. Explizite Regelungen zum Ersatz immaterieller Schäden sind die Ausnahme. Die meisten Übereinkommen differenzieren nicht ausdrücklich zwischen den verschiedenen Schadensarten und regeln den ersatzfähigen Schaden nicht autonom. Zudem muss die im Übereinkommen geregelte Haftung immaterielle Schäden überhaupt einbeziehen. Nichtvermögensschäden treten vor allem infolge von Personenschäden ein, die aber nicht generell von den völkerrechtlichen Verträgen im Transportrecht erfasst sind. Die Abkommen zum Eisenbahn- und Flugverkehr enthalten Bestimmungen über die Personenschäden, die aber den Ausgleich ideeller Schäden nicht speziell regeln. Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) beschränkt die Haftung für Personenschäden in den Art. 27, 28 auf die materiellen Schäden und verweist für die immateriellen Schäden auf das nationale Recht (Art. 29 COTIF). Auch die Haftung für Verspätung, Versäumnis der Anschlusszüge oder Zugausfall erfasst nur Vermögensschäden 4

Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 18.12.1979, No. I:20378. 5 Convention on the Rights of Persons with Disabilities, 13.12.2006, http://www.un.org/ disabilities/convention/conventionfull.shtml, zuletzt am 10.10.2012. 6 International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, 7.3.1966, No. I:9464. 7 Art. 6 International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination: „States Parties shall assure to everyone within their jurisdiction effective protection and remedies, through the competent national tribunals and other State institutions, against any acts of racial discrimination which violate his human rights and fundamental freedoms contrary to this Convention, as well as the right to seek from such tribunals just and adequate reparation or satisfaction for any damage suffered as a result of such discrimination.“.

394 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen und überlässt die Nichtvermögensschäden dem Landesrecht (Art. 32 COTIF). Für den Flugverkehr bestimmt vor allem das Montrealer Übereinkommen8 die Haftung für Personenschäden, die Beschädigung von Gütern und für Verspätungen. Art. 17 Abs. 1 gewährt einen Schadensersatzanspruch bei Körperverletzungen und Todesfällen zulasten des Reisenden. Art. 19 räumt einen Anspruch auf Verspätungsschäden ein. Das Abkommen regelt den Ersatz der ideellen Schäden, die bei Personenschäden regelmäßig entstehen, nicht ausdrücklich. Ihr Ausgleich ist aber auch nicht ausgeschlossen, obwohl Schmerzen und Leiden sowie Einschränkungen in der Lebensführung typische Folgen von Personenschäden sind. Zudem soll die Konvention den Transport und die Haftung für Pflichtverletzungen bei der Vertragsdurchführung regeln. Daher ist davon auszugehen, dass der Schadensersatzanspruch auch Nichtvermögensschäden einschließt. Die Rechtsvereinheitlichung erstreckt sich indes nicht auf Art und Umfang der Entschädigung. Insoweit ist ergänzend auf das Kollisionsrecht zurückzugreifen. Maßgeblich ist daher das nach dem Vertragsstatut einschlägige Recht für den Ausgleich immaterieller Schäden. Allerdings schließt Art. 29 des Übereinkommens explizit eine Klage auf Strafschadensersatz aus. Die Abkommen zum Gütertransport auf der Straße und auf See umfassen nur die Haftung für Beschädigung und Verlust des transportierten Gutes sowie für Verspätungen und beschränken sich auf Vermögensschäden.9 Allerdings ist im Rahmen von Art. 26 CMR streitig, ob der Absender immaterielle Schäden als besonderes Interesse beim Vertragsschluss für ersatzfähig erklären und im Schadensfall liquidieren kann. Das wird vereinzelt angenommen, weil die CMR keine Regelung enthalte, die dies ausschließe.10 Die überwiegende Ansicht geht indes davon aus, dass die Schadensersatzpflicht nicht regle, welche Schäden ersatzfähig sind, so dass insoweit das nach dem Kollisionsrecht anwendbare nationale Recht ergänzend heranzuziehen ist.11 Neben den Abkommen zum Gütertransport besteht die Athener Konvention zur Beförderung von Personen und Gepäck auf See von 197412. Nach Art. 3 haftet der Vertragspartner des Passagiers für alle Personenschäden und Todesfälle beim Transport auf See. Die Konvention präzisiert indes nicht, ob sich der Scha8

Convention for the Unification of Certain Rules for International Carriage by Air, 28.5.1999, No. I:39917. 9 Vgl. Art. 23–25 CMR; Art. 2 International Convention for the Unification of Certain Rules of Law relating to Bills of Lading 25.8.1924 (Hague Rules); Art. 2 Hague-Visby-Rules; Art. 5 UN Convention on the Carriage of Goods by Sea, 1978 (Hamburg Rules); Art. 17 UN Convention on Contracts for the International Carriage of Goods Wholly or Partly by Sea (Rotterdam Rules). 10 Basedow, MünchKomm-HGB, Art. 2 CMR Rn. 11. 11 Koller, VersR 1994, 384 ff.; Otte, in: Ferrari u. a., Internationales Vertragsrecht, Art. 26 Rn. 27; Thume, CMR, Art. 26 Rn. 14. 12 Athens Convention relating to the Carriage of Passengers and their Luggage by Sea, 13.12.1974, No. I:24817.

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densersatz auf die materiellen und immateriellen Schäden erstreckt, schließt die Entschädigung von Nichtvermögensschäden aber nicht aus, obwohl diese typischerweise mit Personenschäden einhergehen. Daher ist davon auszugehen, dass sich der Schadensersatzanspruch auch auf die ideellen Schäden erstreckt. Im Übrigen ist auf das Vertragsstatut zurückzugreifen. Somit erweitert das Übereinkommen die Ersatzfähigkeit von Nichtvermögensschäden im Vergleich zum deutschen Recht nicht. III. Ausgleich immaterieller Schäden nach dem UN-Kaufrecht Das UN-Kaufrecht gilt in seinem persönlichen Anwendungsbereich unmittelbar für Privatrechtssubjekte, die grenzüberschreitend Kaufverträge und Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware abschließen. Die Ersatzfähigkeit von Nichtvermögensschäden im Rahmen des Schadensersatzes wegen einer Vertragsverletzung nach Art. 74 CISG ist in der Literatur umstritten. Die Streitfrage betrifft aber nur eine sehr limitierte Zahl von Fällen. Art. 5 CISG nimmt die Haftung des Verkäufers für Körperverletzungen und Todesfälle, die durch die Ware verursacht wurden, aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens aus. Die Produkthaftung13 galt in den Verhandlungen über das UN-Kaufrecht als zu brisant für die Rechtsvereinheitlichung und sollte das Abkommen nicht gefährden.14 Die Haftung des Verkäufers erstreckt sich daher nicht auf die Entschädigung für Schmerzen, Leiden und die Beeinträchtigung der Lebensfreude infolge einer Körperverletzung, die ein mangelhaftes Produkt verursacht. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig, dass Nichtvermögensschäden vom UN-Kaufrecht generell ausgenommen sind. In seinem Anwendungsbereich bleiben insbesondere die Einbußen in der Reputation des Verkäufers.15 Sofern sie sich in entgangenem Gewinn oder anderen Vermögenseinbußen niederschlagen, handelt es sich aber um Vermögensschäden.16 Ferner schließt Art. 5 CISG nicht die Sach-, Personen- und Vermögensschäden vom Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts aus, die nicht durch die mangelhafte Ware, sondern infolge sonstiger Vertragsverletzungen eingetreten sind.17 Das Schrifttum 13 Der Terminus Produkthaftung wurde wegen seiner mangelnden begrifflichen Präzision nicht verwendet; dazu Schlechtriem/Ferrari, UN-Kaufrecht, Art. 5 Rn. 2; Staudinger/Magnus, CISG, Art. 5 Rn. 2 f. 14 Honsell/Siehr, UN-Kaufrecht, Art. 5 Rn. 1; Schlechtriem/Ferrari, UN-Kaufrecht, Art. 5 Rn. 1 f. 15 Zu deren Ersatzfähigkeit als Nichtvermögensschäden Ferrari/Flechtner/Brand, Digest, S. 783; Honsell/Schönle/Koller, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 7; Huber, MünchKomm-BGB, Art. 74 CISG Rn. 39; Staudinger/Magnus, CISG, Art. 74 Rn. 27, 50. 16 Zu deren Ersatzfähigkeit als Vermögensschäden Honsell/Schönle/Koller, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 7; Neumayer/Ming, Convention, S. 488; Ryffel, Schadensersatzhaftung, S. 50; Schlechtriem, UN-Kaufrecht, Rn. 299; Witz/Salger/Lorenz, CISG, Art. 74 Rn. 14. 17 Honsell/Siehr, UN-Kaufrecht, Art. 5 Rn. 5; Koller, FS Wiegand, S. 422, 425; Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 39; Staudinger/Magnus, CISG, Art. 5 Rn. 9.

396 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen beschränkt die Haftung nach Art. 74 CISG aber überwiegend auf die Entschädigung von Vermögensschäden, so dass der Ersatz von Nichtvermögensschäden nach dem nationalen Recht erfolgt, das nach dem Kollisionsrecht des Forums und den vertraglichen Abreden anzuwenden ist.18 Die Norm definiert den Schadensersatz als eine „sum equal to the loss“ und differenziert nach dem Wortlaut nicht zwischen materiellen und immateriellen Schäden. Die Regelung fügt klarstellend an, dass sie den entgangenen Gewinn umfasst, auf den sich die vertragliche Haftung nicht in allen Vertragsstaaten erstreckt. Die mit „including“ eingeleitete Anfügung indiziert eine beispielhafte Aufzählung19, so dass sich der Schadensersatzanspruch nicht auf die genannten Schadenspositionen beschränkt. Zudem besteht keine dem § 253 Abs. 1 BGB vergleichbare Norm.20 Für die Einbeziehung der ideellen Schäden sprechen auch die vom Internationalen Institut für die Rechtsvereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) erarbeiteten Principles of International Commercial Contracts von 1994, die 2004 in einer revidierten Fassung publiziert wurden. Sie beschränken die vertragliche Haftung nicht auf Vermögensschäden, sondern begrenzen sie nur auf die vorhersehbaren Schäden. Ihre Berücksichtigung bei der Auslegung des UN-Kaufrechts ist zwar umstritten21, das CISG war aber die Grundlage für die Entwicklung der UNIDROIT-Prinzipien.22 Trotz der fehlenden Rechtsverbindlichkeit der UNIDROIT-Prinzipien haben sie ein konventionsübergreifendes Begriffsverständnis entwickelt. Sie können wie ein allgemeines Vertragsrecht die Auslegung beeinflussen und eine einheitliche Rechtsanwendung begünstigen. Bei der Auslegung des UN-Kaufrechts kann darauf Bedacht genommen werden, wenn keine Legaldefinition besteht.23 Art. 74 CISG definiert den Schadensbegriff nicht, sondern setzt ihn voraus. Das spricht dafür, Art. 74 CISG ebenso wie die UNIDROIT-Prinzipien auf Nichtvermögensschäden zu erstrecken. 18

Achilles, CISG, Art. 74 Rn. 4; Honsell/Schönle/Koller, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 7; Mankowski, MünchKomm-HGB, Art. 74 CISG Rn. 11; Neumayer/Ming, Convention, S. 488; Ryffel, Schadensersatzhaftung, S. 50; Witz/Salger/Lorenz, CISG, Art. 74 Rn. 14; Ziegler, Leistungsstörungsrecht, S. 209 f.; s. auch Brunner, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 20, der ideelle Schäden ersetzen will, sofern sie einen wirtschaftlichen Wert haben, und beschränkt Art. 74 mit dieser widersprüchlichen Äußerung auf Vermögensschäden; a. A. Ferrari/Flechtner/Brand, Digest, S. 783; Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 8, 19, 39; Staudinger/ Magnus, CISG, Art. 74 Rn. 27; Weber, Vertragsverletzungsfolgen, S. 195. 19 Nicht berücksichtigt bei Achilles, CISG, Art. 74 Rn. 4. 20 Heilmann, Mängelgewährleistung, S. 568. 21 Dafür Magnus, in: Cashin Ritaine/Lein, UNIDROIT Principles, S. 57, 63; Vogenauer/ Kleinheister-kamp/Michaels, PICC, Preamble Rn. 89 m. w. N.; s. auch Schlechtriem, UNKaufrecht, S. 47. 22 Magnus, in: Cashin Ritaine/Lein, UNIDROIT Principles, S. 57; Vogenauer/Kleinheisterkamp/Michaels, PICC, Preamble Rn. 100. 23 Magnus, in: Cashin Ritaine/Lein, UNIDROIT Principles, S. 57, 63; Vogenauer/Kleinheisterkamp/Michaels, PICC, Preamble Rn. 102; s. auch Koch, IHR 2005, 65, 67.

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Allerdings beschränkt sich die Haftung der Vertragspartei auf die vorhersehbaren Schäden (Art. 74 S. 2 CISG). Das gilt ebenso für die UNIDROITPrinzipien (Art. 7.4.4). Daher sind nur solche Schäden ersatzfähig, mit denen der Verkäufer rechnen musste. Bei Kaufverträgen oder Verträgen über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Waren steht jedoch allein die Ware im Vordergrund, so dass immaterielle Schäden als atypische Folgen nicht erfasst sind. Sofern auf Seiten des Käufers ideelle Interessen betroffen sind, die besondere Bedeutung haben, erfolgt zudem regelmäßig eine vertragliche Vereinbarung, die die vertragliche Haftung erweitert oder eine Vertragsstrafe vorsieht.24 Daher erstreckt sich die Haftung nach Art. 74 CISG wegen ihrer Beschränkung auf vorhersehbare Schäden grundsätzlich nicht auf immaterielle Schäden, zumal die Produkthaftung ausgeschlossen ist. IV. Zusammenfassung Der Ersatz ideeller Schäden ist in den internationalen Konventionen kaum vereinheitlicht. In den Übereinkommen zum Transport von Personen per Bahn, Flugzeug oder Schiff finden sich Regelungen zum Schadensersatz infolge von Personenschäden. Sie nennen die immateriellen Schäden zwar nicht ausdrücklich, schließen sie aber nicht aus. Der Schadensersatz ist hinsichtlich seiner Natur und Form sowie seines Umfangs in den Konventionen nicht geregelt, so dass auf das Recht des Vertragsstatuts nach dem Kollisionsrecht zurückzugreifen ist. Das UN-Kaufrecht erfasst wegen des Ausschlusses der Produkthaftung und der Beschränkung auf die vorhersehbaren Schäden die Entschädigung immaterieller Einbußen nicht. Auch die deliktische Haftung regeln die internationalen Konventionen nur vereinzelt. Selbst wenn ein Haftungstatbestand enthalten ist, sind Natur, Form und Umfang der Schadenskompensation nicht geregelt. Insoweit ist das einschlägige nationale Recht anzuwenden. Lediglich das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung verpflichtet die Vertragsstaaten, die gerechte und angemessene Entschädigung aller Schäden sicherzustellen, die aus der Rassendiskriminierung folgen.

B. Internationale Vorhaben zur Rechtsvereinheitlichung und der Ersatz immaterieller Schäden Neben der verbindlichen Rechtsvereinheitlichung durch völkerrechtliche Verträge hat UNIDROIT allgemeine Prinzipien für internationale Handelsverträge erarbeitet. Diese UNIDROIT-Prinzipien sind ein unverbindliches 24 Brunner, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 21; Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn. 19, 39; Staudinger/Magnus, CISG, Art. 74 Rn. 35, 50; a. A. die Vorhersehbarkeit meist verneinend Honsell/Schönle/Koller, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rn.7; Witz/Salger/Lorenz, CISG, Art. 74 Rn. 14.

398 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Regelwerk im Sinne eines Restatements des Rechts für internationale Handelsverträge, das auf Konventionen wie dem UN-Kaufrecht, Standardvertragsbedingungen wie den INCOTERMS und rechtsvergleichenden Studien beruht.25 Ihr Inhalt ist maßgeblich vom UN-Kaufrecht beeinflusst, beschränkt sich aber nicht auf einen Vertragstyp und ist gleichsam ein allgemeines Vertragsrecht für die internationalen Handelsverträge.26 Die UNIDROIT-Prinzipien dienen einerseits als Rechtserkenntnisquelle und als Modell für zukünftige Regelungen auf internationaler Ebene wie in den Nationalstaaten.27 Andererseits können sie bei der Vertragsgestaltung herangezogen oder insbesondere in Schiedsgerichtsverfahren von den Parteien für anwendbar erklärt werden.28 Für das Unionsprivatrecht haben die UNIDROIT-Prinzipien bisher keine Bedeutung als Auslegungshilfe erlangt29, zumal in sie Elemente aus Rechtsordnungen von Staaten eingeflossen sind, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Das mindert ihren Wert als Erkenntnisquelle für das Unionsprivatrecht.30 Im europäischen Privatrecht steht zudem das Verbraucherschutzrecht im Vordergrund, das nicht Teil der UNIDROIT-Prinzipien ist.31 Die Haftung für Nichterfüllung oder eine andere Vertragspflichtverletzung32 gewährt dem Gläubiger nach den Art. 7.4.1 ff. der UNIDROIT-Prinzipien einen Anspruch auf Ersatz der vorhersehbaren Schäden. Die Vorhersehbarkeit beschränkt die Haftung ebenso wie nach Art. 74 S. 2 CISG und Art. 9:503 Principles of European Contract Law (PECL) sowie Art. III.-3:703 Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens (DCFR). Im Gegensatz zu den PECL und dem DCFR gilt die Haftungsbeschränkung nach Art. 7.4.4 auch bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln des Schuldners. Aus dem Regelungszweck ergibt sich nichts anderes.33 Allein die Natur des Vertrags und der Vertragszweck bestimmen, ob der Schuldner beim Vertragsschluss einen ideellen Schaden erwarten musste und für ihn haftet.34 Das schließt den Ersatz immaterieller Schäden nicht generell aus, da die UNIDROIT-Prinzipien nicht nur für Kaufverträge oder Verträge über herzustellende oder zu erzeugende Waren gelten. 25

Vogenauer/Kleinheisterkamp/Michaels, PICC, Preamble Rn. 3. Dazu Vogenauer/Kleinheisterkamp/Michaels, PICC, Preamble Rn. 9. 27 Vogenauer/Kleinheisterkamp/Michaels, PICC, Preamble Rn. 3, 5. 28 Vogenauer/Kleinheisterkamp/Michaels, PICC, Preamble Rn. 7. 29 Dazu Jung, in: Cashin Ritaine/Lein, UNIDROIT Principles, S. 77, 81 ff., 84. 30 Jung, in: Cashin Ritaine/Lein, UNIDROIT Principles, S. 77, 82. 31 Jung, in: Cashin Ritaine/Lein, UNIDROIT Principles, S. 77, 83. 32 Regelungen für die Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung finden sich in Art. 2.15, 2.16, 3.18, für die eine analoge Anwendung der Art. 7.4.1. ff. des UNIDROIT befürwortet wird; s. UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.1 Nr. 3. 33 UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.4; Bonell, UNIDROIT 2004, Comment zu Art. 7.4.4. 34 UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.4. 26

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Dem Schadensersatzanspruch liegt ein weiter Schadensbegriff zugrunde35, der die erlittenen Einbußen und den entgangenen Gewinn erfasst. Insoweit entspricht Art. 7.4.2 UNIDROIT dem Art. 74 CISG.36 Im Gegensatz zum UN-Kaufrecht stellt Art. 7.4.2 in Absatz 2 klar, dass ideelle Schäden eingeschlossen sind, wobei beispielhaft („includes“) physische Leiden und emotionale Belastungen aufgezählt sind. Als Beispiele für ideelle Schäden zählt der Kommentar zu den UNIDROIT-Prinzipien Schmerzen und Leiden, den Verlust an Lebensfreude sowie ästhetische Schäden, aber auch Schäden an der Reputation infolge von Angriffen auf die Ehre und das Ansehen auf.37 Der Begriff „Leiden“ wird weit verstanden und reicht von mentalen Belastungen durch Stress und Angst bis zur psychischen Erkrankung.38 Somit hängt der Ersatz der Nichtvermögensschäden nicht von der Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes ab. Solche Schäden werden insbesondere bei Verträgen mit Künstlern, herausragenden Sportlern oder Beratern ersetzt.39 Wesentliche Einschränkungen für den Ausgleich ideeller Schäden ergeben sich nur aus dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit, was vor allem den Ausgleich psychischer Beeinträchtigungen beschränken kann40. Vereinzelt wird Art. 7.4.2 Abs. 2 dahin ausgelegt, dass bei Körperverletzungen ein Anspruch auf Entschädigung ideeller Einbußen bestehe und bei Todesfällen ein Anspruch in den Nachlass des Geschädigten falle.41 Dabei wird nicht deutlich, ob damit eine Entschädigung für den Tod gemeint ist oder nur der Übergang des Schadensersatzanspruchs wegen der vor dem Tod erlittenen Schmerzen auf den Erben. Der Tod selbst wird jedoch zumindest in den europäischen Rechtsordnungen nicht eigens entschädigt. Der Schadensersatz beschränkt sich auf selbständige Schäden vor dem Tod und Trauerschäden der Angehörigen wegen des Todesfalles.42 Angesichts des Restatementcharakters der UNIDROIT-Prinzipien spricht das dafür, dass nicht der Tod selbst auszugleichen ist, aber die entstandenen Ansprüche in den Nachlass fallen. Nach Art. 7.4.2 muss eine Totalreparation erfolgen, die nicht zur Bereicherung des Geschädigten führen darf.43 Der Schadensersatz wird somit von der Ausgleichsfunktion beherrscht. Die UNIDROIT-Prinzipien regeln keinen 35 Bonell, UNIDROIT 2004, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 2; Vogenauer/Kleinheisterkamp/ McKendrick, PICC, Art. 7.4.2 Rn. 1. 36 Dazu Bonell, UNIDROIT, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 2; Vogenauer/Kleinheisterkamp/ McKendrick, PICC, Art. 7.4.2 Rn. 2. 37 UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 5; Bonell, UNIDROIT 2004, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 5. 38 Vogenauer/Kleinheisterkamp/McKendrick, PICC, Art. 7.4.2 Rn. 17. 39 UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 5; Bonell, UNIDROIT 2004, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 5. 40 Dazu Vogenauer/Kleinheisterkamp/McKendrick, PICC, Art. 7.4.2 Rn. 18. 41 Vogenauer/Kleinheisterkamp/McKendrick, PICC, Art. 7.4.2 Rn. 10. 42 Dazu § 6.E.I.3.a., S. 331 ff.; s. auch Kadner Graziano, ZEuP 2002, 840 ff. 43 UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 3.

400 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Strafschadensersatz, da er im internationalen Handelsverkehr unüblich ist.44 Auch ein Gewinnabschöpfungsanspruch ist nicht aufgenommen.45 Zudem lässt sich der Schadensersatzanspruch nicht nach Billigkeitsgesichtspunkten herabsetzen. Die UNIDROIT-Prinzipien enthalten auch keine Reduktionsklausel, weil ihre Anwendung von Gericht zu Gericht variieren würde, was die Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheit birgt.46 Die stärkere Formalisierung der Haftung dient der Rechtssicherheit und der Einheitlichkeit der internationalen Rechtsanwendung. Die Form des Schadensausgleichs regelt Art. 7.4.2 nicht, sondern überlässt es den Gerichten, die vollständige Reparation sicherzustellen.47 Dem Schädiger kann daher anstelle einer Geldzahlung auch die Veröffentlichung einer Darstellung oder Gegendarstellung in einer Zeitung (insbesondere bei Beleidigungen) auferlegt werden.48

C. Notwendigkeit einer Rechtsvereinheitlichung nach Maßgabe der EMRK I. Rechtsvereinheitlichende Wirkung der EMRK für den Ausgleich immaterieller Schäden Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Deutschland infolge ihrer Ratifikation im Rang einfachen Bundesrechts (Art. 59 Abs. 2 GG)49 und bindet alle Vertragsstaaten als Adressaten der Konvention (Art. 1, 33 und 34 EMRK). Die Menschenrechte sind zwar subjektive Rechte, entfalten aber keine unmittelbare Drittwirkung im Privatrecht.50 Art. 13 EMRK eröffnet den Privaten zwar die Individualbeschwerde, erweitert aber nicht den persönlichen Anwendungsbereich der Menschenrechte.51 Die Vertragsstaaten müssen 44 Vogenauer/Kleinheisterkamp/McKendrick, PICC, Art. 7.4.2 Rn. 5; siehe dazu Arbitral Award März 2000 ICC Nr. 10114. 45 Gegen die Gewinnabschöpfung mittels des Schadensersatzanspruchs: Vogenauer/Kleinheisterkamp/McKendrick, PICC, Art. 7.4.2 Rn. 5. 46 UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 1; Bonell, UNIDROIT 2004, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 1. 47 UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 5; Bonell, UNIDROIT 2004, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 5; Vogenauer/Kleinheisterkamp/McKendrick, PICC, Art. 7.4.2 Rn. 20. 48 UNIDROIT 1994, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 5; Bonell, UNIDROIT 2004, Comment zu Art. 7.4.2 Nr. 5. 49 BVerfG 26.3.1987 E 74, 358, 370; 29.3.1990 E 82, 106, 114; BVerwG 22.4.1977 E 52, 313, 334; Ellger, RabelsZ 63 (1999), 625, 634; Frowein/Peukert, EMRK, Einf. Rn. 7; a. A. Guradze, EMRK, Einleitung § 5. 50 Ehlers, Europäische Grundrechte, S. 43; Ellger, RabelsZ 63 (1999), 625, 636; Frowein/ Peuckert, EMRK, Art. 1 Rn. 11, 17; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 120 ff.; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 1 Rn. 10; a. A. Golsong, DVBl. 1958, 809 ff. 51 Nichts anderes ergibt sich aus Art. 13 EMRK („auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben“), der die Haftung des Staates für seine Amtsträger klarstellt; s. Ellger, RabelsZ 63 (1999), 625, 635; Holoubek, JBl. 1992, 137, 151; vgl. Grabenwarter, EMRK, § 9 Rn. 1, 2.

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die Menschenrechte bei der Ausübung hoheitlicher Gewalt indes nicht nur beachten, sondern auch gewährleisten. Rechtsprechung und Literatur leiten daher positive Handlungspflichten, Institutspflichten sowie Verfahrensgarantien aus der EMRK ab, die den Vertragsstaaten auferlegen, die tatsächliche Wirkung der Menschenrechte sicherzustellen.52 Daneben erlangt die mittelbare Drittwirkung der Menschenrechte bei der Auslegung des nationalen Rechts keine selbständige Bedeutung.53 Die Schutzpflichten beruhen primär auf dem materiellen Gehalt des einzelnen Menschenrechts, das den Vertragsstaaten die Gewährleistung tatsächlicher Freiheit auferlegt.54 Zudem verpflichten Art. 1 EMRK und das 11. Zusatzprotokoll zur Konvention die Vertragsstaaten zur Achtung und Sicherung der Menschenrechte und stützen somit die Ableitung positiver Handlungspflichten.55 Darüber hinaus verlangt Art. 2 Abs. 1 EMRK den Schutz des Lebens durch das Gesetz und regelt ausdrücklich eine positive Handlungspflicht.56 Verpflichtet sind alle staatlichen Gewalten des Vertragsstaates.57 Die Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 3 GG hat zur Folge, dass die Legislative bei der Schließung gesetzlicher Lücken das Primat hat.58 Exekutive und Judikative sind gleichfalls im Rahmen ihrer Kompetenzen verpflichtet, die Schutzpflichten zu erfüllen, dürfen bei einem legislativen Unterlassen dem Gesetzgeber grundsätzlich aber nicht vorgreifen.59 Bei der Verletzung einer Schutzpflicht besteht für den Geschädigten ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Vertragsstaat nach Art. 41 EMRK. 52 EGMR 13.8.1981 Appl. No. 7601/76, 7800/77 Rn. 49 (Young, James und Webster); später z. B. EGMR 26.3.1985 Appl. No. 8978/80 Rn. 23 ff. (X und Y v. Niederlande); 21.6.1988 Appl. No. 10126/82 Rn. 32 (Plattform „Ärzte für das Leben“); 20.4.1993 Appl. No. 14327/88 Rn. 27 (Sibson); 9.12.1994 Appl. No. 16798/90 Rn. 51 ff., 55 (López Ostra); s. Dröge, Positive Verpflichtungen, S. 13 ff.; Grothe/Marauhn/Krieger, EMRK, Kap. 6 Rn. 24 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 125. 53 Grabenwarter, EMRK, § 20 Rn. 15; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 906 ff.; s. auch Holoubek, Gewährleistungspflichten, S. 270 ff. 54 Keine allgemeine Theorie, sondern Einzelfallentscheidungen EGMR 13.8.1981 Appl. No. 7601/76, 7800/77 Rn. 49, 65 (Young, James und Webster); 21.6.1988 Appl. No. 10126/82 Rn. 31 (Plattform „Ärzte für das Leben“); s. auch Jaeckel, Schutzpflichten, S. 131 ff.; a. A. v. Dijk/v. Hoof, ECHR, S. 345, die die Schutzpflichten generell aus dem Recht auf Freiheit und Sicherheit aus Art. 5 Abs. 1 EMRK ableiten wollen; weitergehend Bleckmann, FS Bernhardt, S. 309, 313; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 117 f. 55 EGMR 13.8.1981 Appl. No. 7601/76, 7800/77 Rn. 49 (Young, James und Webster); 18.1.1978 Appl. No. 5310/71 Rn. 236 ff. (Irland v. Vereinigtes Königreich); 4.12.2003 Appl. No. 39272/98 Rn. 149 (M. C. v. Bulgarien); Bleckmann, FS Bernhardt, S. 309, 312; Frowein/ Peukert, EMRK, Art. 1 Rn. 2, 12; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 112. 56 Bleckmann, FS Bernhardt, S. 309, 310 f.; Frowein/Peukert, EMRK, Art. 2 Rn. 7; Grothe/ Marauhn/Alleweldt, EMRK/GG, Kap. 10 Rn. 34; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 112 f. 57 Bleckmann, FS Bernhardt, S. 309, 313; Dröge, Positive Verpflichtungen, S. 79; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 166. 58 Dröge, Positive Verpflichtungen, S. 79 f. 59 Dröge, Positive Verpflichtungen, S. 79 f.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 167.

402 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Für die zivilrechtliche Haftung zwischen Privatpersonen haben nur die Schutzpflichten aus den Menschenrechten Bedeutung. Sie bestehen nur, wenn eine Beeinträchtigung oder konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsgutes vorliegt.60 Welche Wahrscheinlichkeit die Rechtsverletzung haben muss, ist nicht abschließend geklärt.61 Sofern eine Schutzpflicht wegen eines legislativen Unterlassens begründet werden soll, muss zwischen dem staatlichen Unterlassen und der Verletzung des Schutzgutes durch eine Privatperson ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, den der EGMR im Einzelfall prüft.62 Inhalt und Reichweite der Schutzpflicht sind für jeden Einzelfall zu konkretisieren, wobei eine Mehrzahl von Aspekten in Einklang zu bringen ist. Zum einen bestehen in der Regel mehrere Handlungsmöglichkeiten, um auf die tatsächliche Verwirklichung des verletzten oder gefährdeten Menschenrechts hinzuwirken. Die zivilrechtliche Haftung ist nur eine von ihnen. Daneben kommen Ge- und Verbote, Anzeige- und Genehmigungspflichten, aber auch verwaltungs-, zivil- und strafrechtliche Sanktionen in Betracht. Daher lässt sich aus den Menschenrechten in der Regel keine Pflicht zu einer bestimmten Handlung ableiten.63 Vielmehr kann der Vertragsstaat eine Maßnahme nach seinem Ermessen wählen, die sich in das nationale Recht einfügt.64 Das stellt zugleich sicher, dass die Gewaltenteilung im Vertragsstaat sowie das Demokratieprinzip gewahrt sind.65 Die Maßnahme muss geeignet und ein ausreichendes Mittel zum Schutz des gefährdeten oder verletzten Rechtsguts sein.66 Die Ableitung positiver Handlungspflichten erfolgt auf der Grundlage einer evolutiv-dynamischen Auslegung der Konventionsrechte, die darauf zielt, dass tatsächliche Freiheit garantiert wird. Der Spielraum der Vertragsstaaten ist umso enger, je einheitlicher der Standard im Vertragsstaat oder auf

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EGMR 28.10.1998 Appl. No. 23452/94 Rn. 115 (Osman); Grothe/Marauhn/Krieger, EMRK, Kap. 6 Rn. 57; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 165 f. 61 Jaeckel, Schutzpflichten, S. 165. 62 EGMR 26.3.1985 Appl. No. 8978/80 Rn. 34 (X und Y v. Niederlande); Grothe/Marauhn/ Krieger, EMRK, Kap. 6 Rn. 58. 63 Zu einem grundsätzlich bestehenden Beurteilungsspielraum EGMR 26.3.1985 Appl. No. 8978/80 Rn. 34 (X und Y v. Niederlande); 4.12.2003 Appl. No. 39272/98 Rn. 154 (M. C. v. Bulgarien); dazu Grothe/Marauhn/Krieger, EMRK, Kap. 6 Rn. 63 f.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 169. 64 Z. B. EGMR 13.8.1981 Appl. No. 7601/76, 7800/77 Rn. 65 (Young, James und Webster); 26.3.1985 Appl. No. 8978/80 Rn. 24 (X und Y v. Niederlande); 21.6.1988 Appl. No. 10126/82 Rn. 34 (Plattform „Ärzte für das Leben“); Dröge, Positive Verpflichtungen, S. 286; Grothe/Marauhn/Krieger, EMRK, Kap. 6 Rn. 64; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 169. 65 EGMR 7.8.2003 Appl. No. 36022/97 Rn. 97 (Hatton); Jaeckel, Schutzpflichten, S. 170 f.; Mahoney, HRLJ 19 (1998), 1, 2 ff. 66 EGMR 21.6.1988 Appl. No. 10126/82 Rn. 36 (Plattform „Ärzte für das Leben“); Grothe/ Marauhn/Krieger, EMRK, Kap. 6 Rn. 63.

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europäischer Ebene ist.67 Auch die Vorhersehbarkeit und der Grad der Rechtsverletzung, die Ausweichmöglichkeiten des Rechtsgutsinhabers und der Umfang der staatlichen Steuerungsmöglichkeiten sind in die Abwägung einzubeziehen.68 Zugleich müssen die Vertragsstaaten bei der Umsetzung der positiven Handlungspflichten die Konventionsrechte mit ihrer abwehrrechtlichen Funktion beachten und dürfen nicht die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschreiten.69 Für die Annahme einer Schutzpflichtverletzung ist es von entscheidender Bedeutung, welche Maßnahmen zur Erfüllung der Schutzpflicht im konkreten Fall unerlässlich sind.70 Die Schutzpflichten aus der EMRK können den Ersatz immaterieller Schäden nur beeinflussen, wo der Schadensersatz Lücken aufweist und ein Menschenrecht betroffen ist. Daher lassen sich aus der EMRK keine Vorgaben für die Entschädigung reiner Gefühlsschäden ableiten, die nicht mit einer Rechtsgutsverletzung verbunden sind. Eine rechtsvereinheitlichende Wirkung entfaltet die EMRK vor allem für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen der deliktischen Haftung. Art. 8 EMRK wirkt insbesondere auf den Haftungstatbestand ein.71 Solange ein Schadensausgleich für die Rechtsverletzung gewährleistet ist, beeinflussen die Menschenrechte die Ausgestaltung der Entschädigung nicht. Allerdings kann der Schutz der Presseund Meinungsfreiheit aus Art. 10 EMRK vor einem Entschädigungsanspruch schützen.72 Insofern wirkt Art. 10 EMRK aber als Abwehrrecht der Belastung mit der deliktischen Haftung entgegen. Defizite weist der Ausgleich immaterieller Schäden vor allem bei Todesfällen auf, in denen weder der Verlust des Lebens noch die Trauer der Angehörigen entschädigt wird, sondern nur ein Ausgleich für Schockschäden erfolgt. Tritt ein solcher nicht ein, bleibt es beim Ersatz der Vermögensschäden. Eine Lücke besteht auch beim Ausgleich von Affektionsinteressen bei der Beschädigung oder Zerstörung von Sachen und bei Gefühlsschäden, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB eintreten. Die 67 EGMR 26.3.1985 Appl. No. 8978/80 Rn. 27 (X und Y v. Niederlande); 17.10.1986 Appl. No. 9532/81 Rn. 37 (Rees); 11.7.2002 Appl. No. 25680/94 Rn. 55, 64 f. (I v. Vereinigtes Königreich); 4.12.2003 Appl. No. 39272/98 Rn. 154 (M. C. v. Bulgarien); Dröge, Positive Verpflichtungen, S. 367 f.; Grothe/Marauhn/Krieger, EMRK, Kap. 6 Rn. 69. 68 Jaeckel, Schutzpflichten, S. 172. 69 EGMR 13.8.1981 Appl. No. 7601/76, 7800/77 Rn. 65 (Young, James und Webster); 17.10.1986 Appl. No. 9532/81 Rn. 37 (Rees); Grothe/Marauhn/Krieger, EMRK, Kap. 6 Rn. 65; ausführlich dazu Dröge, Positive Verpflichtungen, S. 315 ff. 70 Bleckmann, FS Bernhardt, S. 309, 319 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 172. 71 Z. B. EGMR 24.6.2004 Appl. No. 59320/00 = NJW 2004, 2647 (v. Hannover); 16.11.2004 Appl. No. 53678/00 = NJW 2006, 591 (Karhuvaara und Iltalehti); 15.11.2007 Appl. No. 12556/ 03 = NJW-RR 2008, 1218 (Pfeifer); 4.6.2009 Appl. No. 21277/05 = NJW 2010, 751 (Standard Nr. 2). 72 EGMR 6.4.2010 Appl. No. 6372/06 Rn. 46 ff. (Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 Rn. 69 ff. (Flinkkilä).

404 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen fehlende Entschädigung für Affektionsinteressen ist aber keine Lücke im Eigentumsschutz, die eine Schutzpflicht auslöst. Bei Eigentumsverletzungen haftet der Schädiger stets für alle Vermögensschäden, so dass die Entschädigung nur geringfügig hinter dem Gesamtschaden zurückbleibt. Folglich entsteht kein so wesentliches Defizit, dass eine Verletzung der EMRK vorliegen könnte. Schließlich enthält die EMRK Gleichheitsrechte, die sich an die Vertragsstaaten richten und ihnen höchstens im Rahmen der Schutzpflichten aufgeben, Diskriminierungen durch Privatpersonen entgegenzuwirken. Für die Verwirklichung der Gleichheitsrechte bestehen im deutschen Recht bereits gesetzliche Regelungen, die europäische Richtlinien umsetzen, die gedanklich auf den Vorgaben der EMRK beruhen.73 Daher ist Art. 14 EMRK vor allem bei der Auslegung der Richtlinien zu beachten und soll ausschließlich dort Erwähnung finden. Somit ist vor allem zu untersuchen, ob Art. 2, 13 EMRK Vorgaben für die Einführung einer Entschädigung für Trauerschäden von Angehörigen in Todesfällen machen. Zudem ist zu untersuchen, inwieweit Art. 10 EMRK der Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Grenzen setzt. II. Vorgaben der EMRK für den Ausgleich der Trauerschäden von Angehörigen 1. Reichweite und Intensität der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK Art. 2 Abs. 1 S. 1 EMRK bestimmt, dass das Leben rechtlichen Schutz genießen muss, und beschränkt sich somit nicht auf ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern verpflichtet den Staat, für den Schutz des Lebens einzutreten. Daraus leitete der EGMR ab, dass in den Vertragsstaaten ein Tötungsverbot bestehen muss.74 In der Rechtssache X and Y v. Netherlands nahm er sogar an, dass wegen der fundamentalen Bedeutung des Rechtsgutes zur Abschreckung von vorsätzlichen Tötungen eine strafrechtliche Sanktion bestehen muss.75 Zugleich seien die Vertragsstaaten gehalten, die staatliche Untersuchung der Todesfälle sicherzustellen, für deren Durchführung der Gerichtshof weitere Anforderungen entwickelte.76 Bei Gefahren müssen die 73 Erwägungsgrund 2 Richtlinie 2000/43/EG; Erwägungsgrund 1 Richtlinie 2000/78/EG; Erwägungsgrund 1 Richtlinie 2004/113/EG. 74 EGMR 28.3.2000 Appl. No. 22535/93 Rn. 85 (Kaya); 28.10.1998 Appl. No. 23452/94 Rn. 115 (Osman); 14.3.2002 Appl. No. 46477/99 Rn. 54 (Paul und Audrey Edwards); 30.11.2004 Appl. No. 48939/99 Rn. 91 (Öneryildiz); Frowein/Peukert, EMRK, Art. 2 Rn. 7; Grabenwarter, EMRK, § 20 Rn. 16. 75 EGMR 26.3.1985 Appl. No. 8978/80 Rn. 24 ff. (X und Y v. Niederlande); s. auch 30.11.2004 Appl. No. 48939/99 Rn. 91 (Öneryildiz). 76 EGMR 20.5.1999 Appl. No. 21594/93 Rn. 88, 91 (Oður); 27.6.2000 Appl. No. 21986/93 Rn. 105, 109 (Salman); 28.3.2000 Appl. No. 22535/93 Rn. 102 (Kaya); 28.5.2002 Appl. No. 43290/98 Rn. 92, 94 ff. (McShane); 30.11.2004 Appl. No. 48939/99 Rn. 92 f. (Öneryildiz).

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Vertragsstaaten im Einzelfall zum Schutz der bedrohten Person sogar präventiv eingreifen. Ob neben der strafrechtlichen Sanktion ein Schadensersatzanspruch wegen der vorsätzlichen Tötung durch eine Privatperson bestehen muss, hat der EGMR bisher nicht entschieden.77 In der Rechtssache Zavoloka v. Lettland lag dem Gerichtshof eine Beschwerde der Mutter eines Verkehrsunfallopfers vor, die sich dagegen richtete, dass die nationalen Zivilgerichte der Beschwerdeführerin mangels einer entsprechenden Bestimmung im lettischen Zivilgesetzbuch keinen Ersatz für ihren Trauerschaden zugesprochen hatten.78 Der EGMR lehnte eine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK ab und verwies darauf, dass die Straftat durch die Behörden aufgeklärt und der Fahrer zu einer Strafe verurteilt worden sei.79 Art. 2 Abs. 1 EMRK lasse sich nicht dahin auslegen, dass der Vertragsstaat zusätzlich zur Strafverfolgung den Ersatz ideeller Schäden der Angehörigen gewährleisten müsse. Die Tötung durch eine Privatperson löst grundsätzlich eine Schutzpflicht aus. Das kann auch für fahrlässige Tötungen wie im Fall Zavoloka gelten. Allerdings hat der Vertragsstaat bei der Erfüllung der Schutzpflicht einen Ermessensspielraum. Art. 2 Abs. 1 EMRK verpflichtet vor allem zur Regelung eines Tötungsverbots und zu dessen strafrechtlicher Sanktion sowie zur Verfolgung der Straftat.80 Die Ableitung einer zusätzlichen Pflicht zur Gewährung eines sog. Angehörigenschmerzensgelds setzt nach dem dargestellten Maßstab voraus, dass eine solche Entschädigung zum Schutz des Konventionsrechts erforderlich ist und sich der Ermessensspielraum des Vertragsstaats so verengt, dass auch ein Ausgleich ideeller Schäden erforderlich ist, um das Freiheitsrecht zu gewährleisten. Eine Beschränkung des Ermessens könnte sich höchstens daraus ergeben, dass ein allgemeiner europäischer Standard für ein Angehörigenschmerzensgeld besteht und eine evolutiv-dynamische Auslegung des Art. 2 Abs. 1 EMRK ergibt, dass der Ausgleich solcher Schäden zum notwendigen Schutz gehört. Der Europarat erließ bereits 1975 eine Resolution, um die Vertragsstaaten anzuregen, den Schadensersatz in Todesfällen anzugleichen, weil die damaligen Regelungen sehr uneinheitlich waren.81 Sie strebt aber keine vollständige Harmonisierung der Ausgestaltung der Entschädigung für Trauerschäden an, sondern empfiehlt hauptsächlich die Einführung eines solchen Schadensersatzes. Die Harmonisierung ist auch nach 35 Jahren nicht abgeschlossen. Allerdings besteht in Ländern, die vorher ein Angehörigenschmerzensgeld ablehnten – wie Österreich –, nun ein Schadensersatzanspruch für Trauerschäden bei 77 Allgemein dazu EGMR 17.1.2002 Appl. No. 32967/96 Rn. 51 (Calvelli); Lewisch, FS Platzgummer, S. 381, 386 f.; Machacek, EuGRZ 1983, 453, 462 f. 78 EGMR 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 (Zavoloka). 79 EGMR 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 Rn. 34 (Zavoloka). 80 Siehe Fn. 75, 76. 81 Siehe § 7.D., S. 421 ff.

406 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Todesfällen.82 Der Umfang der Entschädigung und der Kreis der Begünstigten variiert indes erheblich.83 Somit lässt sich dem gegenwärtigen Stand des nationalen Rechts der Vertragsstaaten höchstens eine Harmonisierung hinsichtlich des Ob einer Entschädigung, aber nicht für ihre Ausgestaltung entnehmen. Daraus ergibt sich für die Ableitung einer Schutzpflicht zudem nur etwas, wenn die Entschädigung für Trauerschäden dem Schutz des Lebens dient. Das ist nur anzunehmen, wenn sie zusätzlich zur Bestrafung eine selbständige Abschreckungswirkung entfaltet. Das ist zweifelhaft und ließe sich ohnehin nur annehmen, wenn die Ausgestaltung der Entschädigung in den Vertragsstaaten vergleichbar wäre. Bei der Bewertung der Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Zavoloka ist zudem zu beachten, dass die Beschwerdeführerin zumindest Ersatz für ihre materiellen Schäden erhielt. Somit käme es darauf an, ob die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK über den Ausgleich der materiellen Schäden hinaus einen Ausgleich der immateriellen Einbußen gebietet. Schließlich handelte es sich um eine fahrlässige Tötung bei einem Verkehrsunfall, die als Rechtsgutsverletzung weniger schwer wiegt als eine vorsätzliche Tötung, für die der EGMR bisher die Schutzpflicht der Vertragsstaaten konkretisiert hatte. Unter diesen Umständen erweitert sich der Ermessensspielraum der Vertragsstaaten, so dass es in ihrer Entscheidungsmacht liegt zu bestimmen, mit welchen straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen die fahrlässige Tötung bewehrt sein soll.84 Das spricht gegen die Begründung einer Schutzpflicht des Vertragsstaats aus Art. 2 Abs. 1 EMRK, die zusätzlich zum Ausgleich der Vermögensschäden eine Entschädigung der Trauer für Privatpersonen gebietet.85 2. Ableitung und Inhalt einer Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK i. V. mit Art. 13 EMRK Die Ableitung einer positiven Verpflichtung für die Vertragsstaaten beruhte zunächst auf dem materiellen Gehalt der Menschenrechte, aus denen auch Vorgaben für die Geltendmachung der Konventionsverletzungen entwickelt wurden. Inzwischen leitet der EGMR auch aus dem Recht auf Beschwerde aus Art. 13 EMRK Schutzpflichten ab.86 Nach dem vorherrschenden Verständnis bezieht sich Art. 13 EMRK auf das Verfahren des Verletzten wegen einer Konventionsverletzung, in dem er das Menschenrecht als Abwehrrecht oder die 82

Kadner Graziano, ZEuP 2002, 840 ff. Zu Österreich siehe oben § 6.E.I.3.a.dd., S. 334 ff. Siehe oben § 6.E.I.3., S. 331 ff. 84 EGMR 17.1.2002 Appl. No. 32967/96 Rn. 51 (Calvelli); Lewisch, FS Platzgummer, S. 381, 387; Machacek, EuGRZ 1983, 453, 462 f. 85 Ebenso Stahmer, Entschädigung, S. 301. 86 EGMR 28.3.2000 Appl. No. 22535/93 Rn. 124 (Kaya); 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 123, 129 ff. (Keenan); 10.5.2001 Appl. No. 30054/96 Rn. 153 (X u. a. v. Vereinigtes Königreich). 83

§ 7 Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung 407

Nichterfüllung einer Schutzpflicht durch den Vertragsstaat geltend machen kann.87 Es handelt sich nicht um eine allgemeine Rechtsweggarantie für alle subjektiven Rechte, nur die Geltendmachung von Konventionsverletzungen ist vom Vertragsstaat zu gewährleisten.88 Der Gerichtshof geht daher davon aus, dass Art. 13 EMRK keine eigenständige Bedeutung hat und sein Schutzbereich akzessorisch zu den materiellen Menschenrechten ist, die im Beschwerdewege durchgesetzt werden sollen.89 Art. 13 EMRK komme daher nur zur Anwendung, wenn der Beschwerdeführer hinreichend beschwert ist („grief défendable“, „arguable complaint“).90 Die Beschwer kann sich aus der Verletzung eines Abwehrrechts oder der Nichterfüllung einer Schutzpflicht ergeben. Somit stellt Art. 13 EMRK nur ein effektives Vorgehen gegen die Konventionsverletzung sicher. Art. 13 EMRK verpflichtet die Vertragsstaaten, der Privatperson, deren Rechte die EMRK gewährleistet, im Falle einer Rechtsverletzung eine wirksame Beschwerde zu ermöglichen, die zu einer vollständigen Sach- und Rechtsprüfung führt und Abhilfe schaffen kann.91 Bei der Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens haben die Vertragsstaaten erheblichen Spielraum.92 Sofern fundamentale Menschenrechte verletzt sind, insbesondere bei der Verletzung der Rechte aus Art. 2 und 3 EMRK, leitet der EGMR aus Art. 13 EMRK aber die Pflicht der Vertragsstaaten ab, grundsätzlich eine Entschädigung für die Konventionsverletzung zu gewährleisten.93 Das sprach der Gerichtshof erstmals in der Rechtssache Keenan aus, in der die Mutter eines Mannes, der im Gefängnis unmenschlich behandelt wurde und sich daraufhin das Leben nahm, Schadensersatz aus eigenem Recht bzw. dem Anspruch ihres Sohnes wegen der Verletzung vor dem Tod geltend machte.94 Das Vereinigte Königreich als Vertragsstaat hatte das Folterverbot nach Art. 3 Abs. 1 EMRK verletzt. Der EGMR nahm die Bedeutung dieses Menschenrechts zum Grund, 87 Grote/Marauhn/Richter, EMRK, Kap. 20 Rn. 16, 70 f; Matscher, FS Seidl-Hohenveldern, S. 315, 320 f., 328 f. 88 Grote/Marauhn/Richter, EMRK, Kap. 20 Rn. 9 f., 16; Matscher, FS Seidl-Hohenveldern, S. 315, 319 f. 89 EGMR 14.3.2002 Appl. No. 46477/99 Rn. 96 (Paul und Audrey Edwards); 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 Rn. 35 (Zavoloka). 90 EGMR 14.3.2002 Appl. No. 46477/99 Rn. 96 (Paul und Audrey Edwards); 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 Rn. 35 (Zavoloka); Matscher, FS Seidl-Hohenveldern, S. 315, 320 f. 91 Grote/Marauhn/Richter, EMRK, Kap. 20 Rn. 26 ff. 92 Frowein/Peukert, EMRK, Art. 13 Rn. 3; Grabenwarter, EMRK, § 24 Rn. 166; Stahmer, Entschädigung, S. 294 f. 93 EGMR 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 130 (Keenan); 20.5.2001 Appl. No. 29392/95 Rn. 109 (Z u. a. v. Vereinigtes Königreich); 14.3.2002 Appl. No. 46477/99 Rn. 97 (Paul und Audrey Edwards); 29.4.2003 Appl. No. 50390/99 Rn. 63, 66 (McGlinchey u. a.); 30.11.2004 Appl. No. 48939/99 Rn. 147 (Öneryildiz); 17.3.2005 Appl. No. 50196/99 Rn. 171 (Bubbins); 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 Rn. 35 (Zavoloka); dazu Grote/Marauhn/Richter, EMRK, Kap. 20 Rn. 48; Jacobs/White, ECHR, S. 470. 94 EGMR 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 129 ff. (Keenan).

408 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen um aus Art. 13 EMRK abzuleiten, dass der Vertragsstaat verpflichtet sei, im nationalen Recht die Entschädigung des Verletzten bzw. seiner Angehörigen nach dem Tod sicherzustellen. Der Gerichtshof stellte fest, dass es unzureichend sei, wenn die Mutter des Verstorbenen weder aus eigenem noch aus abgeleitetem Recht eine Entschädigung fordern könne.95 Diese Aussage bezieht sich aber nur auf die Verletzung des Konventionsrechts durch den Vertragsstaat und gilt daher nicht in gleicher Weise für die vorsätzliche oder fahrlässige Tötung durch eine Privatperson. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 13 EMRK bleibt nach dem Verständnis des EGMR die Verletzung eines materiellen Konventionsrechts (Akzessorietät), so dass die Verpflichtung zur Entschädigung davon abhängt.96 Art. 13 EMRK verpflichte die Vertragsstaaten nicht allgemein dazu, die Entschädigung bei Verletzungen der Konventionsrechte sicherzustellen, selbst wenn die Rechtsverletzung zwischen Privatpersonen erfolgte. Der EGMR verneinte daher in der Rechtssache Zavoloka, die eine fahrlässige Tötung infolge eines Verkehrsunfalls zwischen zwei Privatpersonen betraf, eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 EMRK i. V. mit Art 13 EMRK.97 Zunächst prüfte er, ob dem Vertragsstaat eine Verletzung des materiellen Gehalts eines Menschenrechts zur Last fiel. Mangels der Verletzung eines Abwehrrechts durch den Staat kam nur eine Verletzung der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK in Betracht, die der EGMR wie bisher ablehnte.98 Insofern fehlte der notwendige Anknüpfungspunkt für Art. 13 EMRK, der nur die Geltendmachung der Konventionsverletzung gewährleistet.99 Der Gerichtshof hat zwar aus Art. 13 EMRK bei der Verletzung fundamentaler Rechte eine Pflicht der Vertragsstaaten abgeleitet, die Entschädigung des Verletzten für materielle und immaterielle Schäden sicherzustellen, das gilt aber nur, wenn der Vertragsstaat ein Menschenrecht verletzt und daraus ein Schaden resultiert.100 Bei der Tötung oder Folter durch Privatpersonen ist keine Entschädigung der Opfer durch die Konvention garantiert. Insofern gehen die Vorgaben für die Staatshaftung weiter als für die Haftung von Privatpersonen. Die unterschiedliche Behandlung der Staatshaftung und der Haftung von Privatpersonen lässt sich auf die Garantenstellung des Staates für die Rechte aus Art. 2, 3 EMRK stützen. Im Hinblick auf die Rechtsverletzung durch Privatpersonen muss der Staat seine Garantenpflichten durch die strafrechtliche Verfolgung und Sanktion wahrnehmen. Darüber hinaus ist die Ausgestaltung des Privatrechts Sache der Vertragsstaaten und kann folglich variieren. Eine 95

EGMR 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 130 (Keenan). Grote/Marauhn/Richter, EMRK, Kap. 20 Rn. 16. 97 EGMR 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 (Zavoloka). 98 Siehe oben Fn. 93. 99 EGMR 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 Rn. 35 (Zavoloka). 100 Vgl. EGMR 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 130 f. (Keenan). 96

§ 7 Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung 409

Ungleichbehandlung der Staatshaftung und der Haftung Privater kann höchstens gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Im Falle eines Grundrechtsverstoßes ist der Gesetzgeber verpflichtet, korrigierend einzugreifen. Angesichts seiner Verpflichtungen aus der EMRK muss dann die Haftung des Staates wie der Privaten zur Entschädigung der Trauerschäden führen. 3. Art. 13 EMRK als Garantie effektiven Rechtsschutzes Die Ableitung einer positiven Verpflichtung der Vertragsstaaten, die Entschädigung von Angehörigen in Todesfällen sicherzustellen, ist somit nur möglich, wenn Art. 13 EMRK zu einem eigenständigen Menschenrecht weiterentwickelt wird. Er müsste eine eigenständige Gewährleistung enthalten, die die Vertragsstaaten verpflichtet, einen effektiven Rechtsschutz sicherzustellen. Das setzt eine Neuausrichtung des Schutzbereichs von Art. 13 EMRK i. S. einer allgemeinen Garantie effektiven Rechtsschutzes voraus, die unabhängig von der Verletzung eines materiellen Konventionsrechts ist. Die bisherige Beschränkung des Art. 13 EMRK auf die Rechtsweggewährleistung bei Konventionsverletzungen durch die Vertragsstaaten kritisieren vor allem jene Autoren, die Art. 13 EMRK als Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit ansehen, so dass er den Rechtsweg gegen Verletzungen der Konventionsrechte durch den Staat oder Privatpersonen garantiere.101 Hierfür wird zum Teil auf die Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Kudła verwiesen, in der es darauf ankam, ob auf nationaler Ebene tatsächlich ein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung stand, um die Wirksamkeit der Beschwerde zu gewährleisten.102 Allerdings bedarf es selbst bei der Anerkennung des Art. 13 EMRK als Garantie des effektiven Rechtsschutzes in den Vertragsstaaten noch eines zusätzlichen Begründungsschritts, um aus Art. 13 EMRK die Verpflichtung der Vertragsstaaten abzuleiten, für die Verletzung des Lebens durch Private eine Entschädigung ihrer immateriellen Einbußen sicherzustellen. Art. 13 EMRK darf sich nicht auf die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes beschränken, sondern es muss sogar vorgeben, dass in Todesfällen alle materiellen wie immateriellen Schäden vom Schädiger zu ersetzen sind. Ein effektiver Rechtsschutz setzt indes nur voraus, dass der Rechtsinhaber gegen die Rechtsverletzung vorgehen und dazu den Rechtsweg beschreiten kann. Das gilt auch in Todesfällen für die Angehörigen des Getöteten. Daraus ergibt sich nicht zwingend, dass alle Schäden aus der Rechtsgutsverletzung zu entschädigen sind. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 2, 3 EMRK i. V. mit Art. 13 EMRK, in der er ableitet, dass der Rechtsinhaber bzw. seine Angehörigen zu

101 van Dijk/van Hoof, ECHR, S. 697, 700; Ziemele, Sondervotum Rn. 2 ff. zu EGMR 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 (Zavoloka). 102 EGMR 26.10.2000 Appl. No. 30210/96 Rn. 148 f. (Kudła).

410 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen entschädigen sind103, stützt sich gerade auf die fundamentale Bedeutung der Menschenrechte aus Art. 2, 3 EMRK als ius cogens und insofern auf ihre Funktion als Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Daher ist diese Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf Rechtsverletzungen Privater zu übertragen. Das ist selbst mit einer Erweiterung des Art. 13 EMRK zu einer selbständigen Gewährleistung nicht möglich, da die Wertungen aus Art. 2, 3 EMRK, die das Verhältnis des Einzelnen gegenüber dem Vertragsstaat betreffen, nicht substituiert werden. Zudem gewährleistet Art. 13 EMRK als effektiven Rechtsschutz primär die Möglichkeit, im Beschwerdewege gegen die Rechtsverletzung vorzugehen. Art. 13 EMRK ist zudem nicht nur gewahrt, wenn jede Reaktion der Rechtsordnung auf eine Rechtsverletzung seinen Anforderungen entspricht, sondern auch wenn erst die Summe aller Sanktionen und Rechtsmittel genügt.104 Im deutschen Recht kommt es bei Tötungsdelikten nicht nur zu einem staatlichen Ermittlungsverfahren, wie es die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 EMRK gebietet. Die Angehörigen können im Wege des Klageerzwingungsverfahrens nach § 172 StPO oder der Dienstaufsichtsbeschwerde darauf Einfluss nehmen und sich als Nebenkläger nach § 395 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 StPO am Strafprozess beteiligen. Zivilrechtlich stehen ihnen Ansprüche auf Ausgleich aller materiellen Schäden zu (§§ 844, 845 BGB). Die immateriellen Schäden werden indes nur entschädigt, wenn die Angehörigen eine Gesundheitsbeschädigung in Form eines Nervenschocks erlitten haben.105 Vor diesem Hintergrund kommt es darauf an, ob sich aus Art. 13 EMRK ergibt, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, auch die Entschädigung aller Einbußen im Todesfall zu gewährleisten, selbst wenn keine Verletzung von Art. 2 EMRK vorliegt, sondern eine Tötung durch eine Privatperson. Das würde Art. 13 EMRK nicht nur zu einer selbständigen Rechtsweggarantie weiterentwickeln, die die Beschwerde wegen der Rechtsverletzung sicherstellt. Vielmehr würde sich der Gewährleistungsgehalt der Norm auf die Schaffung bestimmter Rechtsmittel beziehen. Das erhöhte die Intensität der inhaltlichen Vorgaben gegenüber den Vertragsstaaten stark, so dass ihnen nur ein begrenzter Spielraum bliebe. Das gilt selbst, wenn man die Gewährleistung des Art. 13 EMRK auf das Ob eines Ersatzes der Trauerschäden beschränkt und die Ausgestaltung den Vertragsstaaten überlässt. Eine so weitgehende Garantie ist der allgemeinen Regelung des Art. 13 EMRK nicht zu entnehmen, zumal sie in diesem Fall gerade nicht in Verbindung mit einem fundamentalen Menschenrecht zur Anwendung kommt. 103 EGMR 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 130 (Keenan); 20.5.2001 Appl. No. 29392/95 Rn. 109 (Z u. a. v. Vereinigtes Königreich); 14.3.2002 Appl. No. 46477/99 Rn. 97 (Paul und Audrey Edwards); 29.4.2003 Appl. No. 50390/99 Rn. 63, 66 (McGlinchey u. a.); 30.11.2004 Appl. No. 48939/99 Rn. 147 (Öneryildiz); 17.3.2005 Appl. No. 50196/99 Rn. 171 (Bubbins). 104 EGMR 26.3.1987 Appl. No. 9248/81 Rn. 78 (Leander). 105 Siehe oben § 2.A.I.3., S. 66 f.

§ 7 Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung 411

4. Vorbildwirkung der Entschädigung nach Art. 41 EMRK Angesichts des Nebeneinanders der Rechtsfolgen der deliktischen Haftung von Privatpersonen und des Staates ist zur Vervollständigung des Gesamtbildes der Ausgleich ideeller Schäden von Angehörigen nach Art. 41 EMRK zu berücksichtigen. Die Regelung enthält keinen Schadensersatzanspruch, sondern ermächtigt den Gerichtshof auf Antrag, eine gerechte Entschädigung zuzusprechen, um das erlittene Unrecht auszugleichen.106 Dazu muss die Konventionsverletzung einen adäquat kausalen Schaden verursacht haben, dessen Entschädigung notwendig ist.107 Durch die Aufnahme des Art. 41 EMRK in der Konvention haben die Vertragsstaaten im Grunde die Verantwortung für die Rechtsverletzungen übernommen und ermächtigen den Gerichtshof zur Festsetzung einer Kompensation. Ersatzfähig sind Vermögens- und Nichtvermögensschäden wie Schmerzen und Leiden, Ängste und Stress, so dass die psychischen Wirkungen der Konventionsverletzung erfasst sind.108 Eine Entschädigung scheidet nur aus, wenn die Feststellung der Konventionsverletzung genügt.109 Grundsätzlich wird nur der Inhaber des verletzten Menschenrechts entschädigt. In Todesfällen setzt der EGMR indes nach Art. 41 EMRK für die seelische Beeinträchtigung der Angehörigen des Verstorbenen eine Entschädigung fest.110 Den Kreis der zu entschädigenden Angehörigen hat der Gerichtshof bisher nicht abstrakt beschrieben. Er hat aber nur engen Familienangehörigen – Ehegatten und Kindern bzw. Eltern und Geschwistern – eine Entschädigung zugesprochen.111 Sofern der Ehegatte oder die Kinder entschädigt werden, erhalten die Eltern und Geschwister manchmal nichts. Der Umfang der Entschädigung richtet sich wegen ihrer Ausgleichsfunktion nach dem Ausmaß der Konventionsverletzung und den Auswirkungen für die Betroffe-

106

Grabenwarter, EMRK, § 15 Rn. 1 f.; Grothe/Marauhn/Dörr, EMRK, Kap. 33 Rn. 10, 62. EGMR 10.5.2001 Appl. No. 29392/95 Rn. 119 (Z u. a. v. Vereinigtes Königreich). Das Notwendigkeitskriterium hat bisher jedoch nicht zu Einschränkungen geführt; s. Grothe/Marauhn/Dörr, EMRK, Kap. 33 Rn. 12 ff.; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 41 Rn. 4. 108 EGMR 18.5.2000 Appl. No. 41488/98 Rn. 98 (Velikova); 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 138 (Keenan); 10.12.2002 Appl. No. 49771/99 Rn. 50 (Jordan Nr. 2); Grabenwarter, EMRK, § 15 Rn. 7 f. (Furcht, Hilflosigkeit, Ungewissheit); Grothe/Marauhn/Dörr, EMRK, Kap. 33 Rn. 24; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 41 Rn. 9 (Besorgnisse, Furcht, Frustration, Unannehmlichkeiten und Ungewissheiten); Oskierski, Schadensersatz, S. 260 ff. 109 Z. B. EGMR 22.4.1993 Appl. No. 15070/89 Rn. 30 (Modinos); 28.3.2000 Appl. No. 22535/93 Rn. 139 (Kaya); 18.5.2000 Appl. No. 41488/98 Rn. 98 (Velikova). 110 EGMR 20.5.1999 Appl. No. 21594/93 Rn. 95, 98 (Oður); 8.7.1999 Appl. No. 23657/94 Rn. 130 (Çakici); 27.6.2000 Appl. No. 21986/93 Rn. 138, 140 (Salman); 10.10.2000 Appl. No. 22947/93, 22948/93 Rn. 136 ff. (Akkoç); 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 135 ff. (Keenan); 14.3.2002 Appl. No. 46477/99 Rn. 164 (Paul und Audrey Edwards); 14.3.2002 Appl. No. 25657/94 Rn. 445 (Avsar); 29.4.2003 Appl. No. 50390/99 Rn. 69, 71 (McGlinchey u. a.); 17.2.2004 Appl. No. 25760/94 Rn. 237 (Ipek); dazu Oskierski, Schadensersatz, S. 275 ff. 111 Siehe Fn. 110. 107

412 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen nen.112 Der EGMR setzt sie nach billigem Ermessen fest und begründet die Entscheidungen nur pauschal, so dass sich keine verallgemeinerbaren Kriterien erkennen lassen.113 Der Gerichtshof nimmt bei der Gewährung der Entschädigung und ihrer Bemessung nicht auf die Genugtuung des Verletzten Bedacht.114 Auch Präventions- und Sanktionsüberlegungen ist der EGMR bisher nicht beigetreten und hat die Anträge auf Strafschadensersatz abgewiesen oder nur einen Bruchteil des beantragten Betrags zum Schadensausgleich zugesprochen.115 Zudem gewährt er keinen symbolischen Schadensersatz, sondern belässt es beim Ausspruch der Konventionswidrigkeit, wenn keine Entschädigung erforderlich ist.116 Im Gegensatz dazu befürwortet das Schrifttum, bei der Gewährung der Entschädigung Präventions- und Sanktionsüberlegungen einzubeziehen und sogar einen überkompensatorischen Schadensersatz zuzusprechen.117 Das sei für einen effektiven Schutz der Menschenrechte erforderlich. Der Wortlaut des Art. 41 EMRK stehe nicht entgegen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Entschädigung nach Art. 41 EMRK auf diese Weise einen repressiven Charakter erhält und als Strafe für den Vertragsstaat fungiert. Die Regelung zielt aber darauf, die Rechtsinhaber bzw. in Todesfällen ihre Angehörigen von den Folgen der Konventionsverletzung freizustellen, wenn das innerstaatliche Recht hierfür keine zureichenden Ansprüche zur Verfügung stellt. Bereits die Zulässigkeit der Klage Privater wegen einer Verletzung der EMRK ist eine Besonderheit im Vergleich zur UN-Menschenrechtskonvention. Für eine darüber hinausgehende Konventionsdurchsetzung gegenüber den Vertragsstaaten im Wege von überkompensatorischen Entschädigungen ist der EMRK nichts zu entnehmen, und sie war auch von den Vertragsstaaten nicht intendiert. Im Ergebnis ist die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 13 und 41 EMRK konsistent. Art. 13 EMRK verpflichtet nur bei der Verletzung von Konventi112

Z. B. EGMR 22.4.1993 Appl. No. 15070/89 Rn. 30 (Modinos); 28.3.2000 Appl. No. 22535/93 Rn. 139 (Kaya); 18.5.2000 Appl. No. 41488/98 Rn. 98 (Velikova); Grothe/Marauhn/Dörr, EMRK, Kap. 33 Rn. 26, 63; Harris/O’Boyle/Warbrick, ECHR, S. 860. 113 So Dannemann, Schadensersatz, S. 4; Grabenwarter, EMRK, § 15 Rn. 8; Oskierski, Schadensersatz, S. 278; Stahmer, Entschädigung, S. 270. 114 Dazu Stahmer, Entschädigung, S. 279; für die Genugtuungsfunktion Dannemann, Schadensersatz, S. 403. 115 EGMR 24.4.1998 Appl. No. 23184/94, 23185/94 Rn. 119 (Selçuk und Asker); 18.2.1999 Appl. No. 27267/95 Rn. 89 (Hood); 18.2.1999 Appl. No. 24436/94 et al. Rn. 30 (Cable u. a.); 6.11.2002 Appl. No. 25656/94 Rn. 448 f. (Orhan); ausführlich dazu mit Differenzierungen Oskierski, Schadensersatz, S. 98 ff., der aber auch davon ausgeht, dass der Ausgleichsgedanke dominierend ist. 116 EGMR 30.1.2003 Appl. No. 38884/97 Rn. 104 (Nikolova); Dannemann, Schadensersatz, S. 363 ff.; Harris/O’Boyle/Warbrick, ECHR, S. 861. 117 Frowein/Peukert, EMRK, Art. 41 Rn. 6; dagegen Grothe/Marauhn/Dörr, EMRK, Kap. 33 Rn. 62; zur präventiven Funktion auch Dannemann, Schadensersatz, S. 408 f.; Stahmer, Entschädigung, S. 295 f.

§ 7 Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung 413

onsrechten durch die Vertragsstaaten zur Entschädigung der Trauerschäden von Angehörigen. Der Gerichtshof kann dementsprechend den Vertragsstaaten eine Entschädigung der Angehörigen nach Art. 41 EMRK nur für die Verletzung der Konventionsrechte auferlegen. Demgegenüber führt die EMRK nicht zu einer vollständigen Ausgestaltung der Haftung Privater. 5. Zulässige Ungleichbehandlung der Haftung des Staates und der Privatpersonen Die Entschädigung der Trauerschäden von Angehörigen erfolgt je nach der Art des Beklagten und des angerufenen Gerichts verschieden. Der EGMR verhängt nach Art. 41 EMRK eine Entschädigung, sofern die Feststellung der Konventionsverletzung nicht ausreicht, um die erlittene Beeinträchtigung auszugleichen. Eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland nach deutschem Haftungsrecht in Todesfällen führt grundsätzlich nur zum Ausgleich materieller Schäden, aber nicht zu einem Angehörigenschmerzensgeld. Das widerspricht den Maßgaben des EGMR, der in der Rechtssache Keenan aussprach, dass bei der Verletzung der fundamentalen Menschenrechte aus Art. 2, 3 EMRK der Ersatz materieller und immaterieller Schäden einklagbar sein muss, und sich dabei auf Art. 13 EMRK stützt.118 Diese Vorgaben der EMRK setzt das deutsche Staatshaftungsrecht bisher nicht um und gewährt den Angehörigen, ebenso wie die deliktische Haftung Privater, keine Entschädigung für ihre Trauer. Innerhalb des geltenden deutschen Deliktsrechts besteht insofern keine Ungleichbehandlung. Die unterschiedliche Berücksichtigung der Trauerschäden nach Art. 41 EMRK und dem nationalen Recht ist keine unzulässige Ungleichbehandlung nach den Gleichheitsrechten der EMRK oder der deutschen Verfassung, da Art. 41 EMRK kein Entschädigungsanspruch ist, sondern nur dem EGMR die Auferlegung einer Entschädigung erlaubt. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung ergäbe sich nur, wenn der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben aus Art. 2, 3 EMRK i. V. mit Art. 13 EMRK umsetzt und die Entschädigung für Trauerschäden von Angehörigen auf die Staatshaftung beschränkte. Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsprechung aus § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG und den Art. 2, 3, 13 EMRK einen solchen Anspruch zur Umsetzung der staatlichen Schutzpflichten ableitete.119 Die Ungleichbehandlung der deliktischen Haftung des Staates und von Privatpersonen verstößt indes nur gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn kein sachlicher Grund für eine solche Differenzierung besteht. Der Schaden, den die Angehörigen in Form von Trauer bei einem Todesfall erleiden, ist grundsätzlich bei der Tötung durch eine Privat- oder eine Amts118

EGMR 3.4.2001 Appl. No. 27229/95 Rn. 130 f. (Keenan). Zur Ableitung eines Anspruchs im Rahmen des Staatshaftungsrechts Grothe/Marauhn/ Richter, EMRK/GG, Kap. 20 Rn. 52. 119

414 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen person gleichermaßen ein immaterieller. Im Unterschied zur Privatperson hat jedoch der Staat die Aufgabe, Leib und Leben seiner Bürger zu schützen. Die Begründung der modernen Staatlichkeit rechtfertigt die Existenz des Staates gerade damit, dass er befriedend wirkt und die Rechtsgüter seiner Bürger sichert. Eine Verletzung der zu schützenden Rechtsgüter, gerade des fundamentalen Rechtsguts Leben, kann insoweit eine intensivere Wirkung auf den Angehörigen entfalten als bei der Verletzung durch eine Privatperson. Das ist zumindest bei grob fahrlässigen und vorsätzlichen Verletzungen anzunehmen. Zudem lässt sich bei einer Tötung durch den Staat nicht im gleichen Maße wie bei der Tötung durch eine Privatperson darauf verweisen, dass die normale Trauer, die nicht zu einer selbständigen Gesundheitsbeschädigung erwächst, Teil des allgemeinen Lebensrisikos ist, die jeder Geschädigte selbst tragen muss. Diese Vorstellung mag für das Verhältnis von Privatpersonen untereinander der vorherrschenden Auffassung entsprechen. Für den Staat, der zum Schutz der Rechtsgüter des Einzelnen antritt, kann dies nicht im gleichen Maße gelten. Für ihn als Schutzgarant lässt sich begründen, dass der Einzelne die emotionalen Folgen eines Todesfalls nicht unentschädigt hinnehmen muss. Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung zwischen der Staatshaftung und der außervertraglichen Haftung von Privatpersonen können sich darüber hinaus aus dem Haftungsgrund und dem Zweck der Haftung ergeben. Die außervertragliche Haftung von Privatpersonen ist heute Ausdruck einer Lastenverteilung zwischen Schädiger und Geschädigtem. Schließlich beruhen die Schadensersatzansprüche nicht nur auf einer verschuldensabhängigen Haftung für rechtswidrige Rechtsgutsverletzungen, sondern auch auf der Gefährdungshaftung. Für die Amtsperson als deliktisch Handelndem besteht zumindest bei schuldhaften Rechtsverletzungen die Besonderheit, dass damit der Staat seiner Aufgabe, die Rechtsgüter des Einzelnen zu sichern und zu wahren, nicht gerecht wird. Insofern muss sich die Staatshaftung ihrem Zweck nach nicht allein an der sozialen Lastenverteilung orientieren, sondern kann auch die Rolle des Schädigers in der staatlichen Rechtsordnung berücksichtigen. Somit erlauben das hoheitliche Handeln des Staates und seine Aufgaben im Verhältnis zum Bürger eine unterschiedliche Ausgestaltung der Haftung, die sowohl an die Art und die Zurechenbarkeit der Rechtsfolgen als auch dem Haftungszweck anknüpfen kann. III. Vorgaben der EMRK für den Umfang der Entschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen Die (deliktische) Haftung für schwere Persönlichkeitsverletzungen durch die Presse ist eine rechtliche Sanktion und als solche ein staatlicher Eingriff in die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit, die Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK schützt. Die EMRK gewährleistet die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit ebenso wie das Grundgesetz wegen ihrer Bedeutung für die demokratische Gesell-

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schaft.120 Dieser Schutz ist aber keine carte blanche für die Presse, wie der EGMR betont, sondern kann gesetzlich beschränkt werden.121 Die Rechtfertigung für einen staatlichen Eingriff in die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit ist an den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 EMRK zu messen. Die staatliche Maßnahme muss gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, um den guten Ruf und die Rechte anderer zu schützen (Art. 10 Abs. 2 EMRK). Als Recht Dritter ist insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK maßgeblich, das auch den guten Ruf einer Person schützt. Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR ist die staatliche Maßnahme nur notwendig, wenn mit dem Eingriff ein zwingendes gesellschaftliches Bedürfnis verfolgt wird.122 Dieses legitime Interesse muss mit dem Eingriff in einem Sachzusammenhang stehen („relevant“) und ausreichen, um einen Eingriff mit dieser Intensität darauf zu stützen („sufficient“).123 Zudem muss der Eingriff angesichts des verfolgten Zwecks verhältnismäßig sein.124 Insoweit räumt der EGMR den Vertragsstaaten aber einen Einschätzungsspielraum ein.125 Diesen Anforderungen muss auch die Haftung wegen einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts genügen. Vor diesem Hintergrund entwickelte der EGMR zum Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK eine Reihe von Anforderungen an die Berichterstattung durch die Presse.126 Auf diese Weise wird zwischen den kollidierenden Menschenrechten – dem Schutzgebot aus Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem Ab120 EGMR 23.9.1994 Appl. No. 15890/89 Rn. 31, 35 (Jersild); 24.2.1997 Appl. No. 7/1996/ 626/809 Rn. 37 (De Haes); 20.5.1999 Appl. No. 21980/93 Rn. 59 (Bladet Tromsø); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 93 (Cumpănă und Mazăre); s. auch Grabenwarter, EMRK, § 23 Rn. 39; Heer-Reißmann/Dörr/Schüller-Keber, in: Dörr/Kreile/Cole, Medienrecht, S. 22 f., 26. 121 Z. B. EGMR 20.5.1999 Appl. No. 21980/93 Rn. 65 (Bladet Tromsø); 10.2.2009 Appl. No. 3514/02 Rn. 63 (Eerikainen u. a.); 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 Rn. 49 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 Rn. 65 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 Rn. 62 (Soila). 122 St. Rspr., EGMR 26.4.1979 Appl. No. 6538/74 Rn. 62 (Sunday Times Nr. 1); 20.5.1999 Appl. No. 21980/93 Rn. 58 (Bladet Tromsø); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 88 (Cumpănă und Mazăre); 10.2.2009 Appl. No. 3514/02 Rn. 59 (Eerikainen u. a.); 16.4.2009 Appl. No. 34438/04 Rn. 48 (Egeland). 123 EGMR 26.4.1979 Appl. No. 6538/74 Rn. 62 (Sunday Times Nr. 1); 8.7.1986 Appl. No. 9815/82 Rn. 40 (Lingens); 21.1.1999 Appl. No. 29183/95 Rn. 45 (Fressoz und Roire); 21.1.1999 Appl. No. 25716/94 Rn. 30 (Janowski); 23.9.1994 Appl. No. 15890/89 Rn. 31 (Jersild); 19.4.2001 Appl. No. 32686/96 Rn. 53 (Marônek); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 90 (Cumpănă und Mazăre). 124 Siehe Fn. 123. 125 Z. B. EGMR 21.1.1999 Appl. No. 29183/95 Rn. 45 (Fressoz und Roire); 21.1.1999 Appl. No. 25716/94 Rn. 30 (Janowski); 20.5.1999 Appl. No. 21980/93 Rn. 58 (Bladet Tromsø); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 89 (Cumpănă und Mazăre); 16.4.2009 Appl. No. 34438/04 Rn. 50 (Egeland). 126 EGMR 24.6.2004 Appl. No. 59320/00 Rn. 95 ff. (v. Hannover); 16.11.2004 Appl. No. 53678/00 Rn. 37 ff. (Karhuvaara und Iltalehti); 15.11.2007 Appl. No. 12556/03 Rn. 33 ff. (Pfeifer); 4.6.2009 Appl. No. 21277/05 Rn. 42 ff. (Standard Nr. 2).

416 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen wehrrecht aus Art. 10 Abs. 1 EMRK – im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine praktische Konkordanz hergestellt.127 Die Rechtsprechung des EGMR bezog sich vor allem auf den Haftungstatbestand und die Voraussetzungen unter denen die Presse in Ausübung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit in das Privatleben aus Art. 8 Abs. 1 EMRK eingreifen darf. Insoweit kam es vor allem darauf an, wann ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung besteht und wie weit der Schutz des Privat- und Familienlebens bei Personen der Zeitgeschichte reicht. Zudem wurden die Anforderungen an die Pressearbeit konkretisiert, die für ihre Schutzwürdigkeit maßgeblich sind. Das Abwehrrecht aus Art. 10 Abs. 1 EMRK ist nicht nur durch die Ausgestaltung des Haftungstatbestands betroffen. Die Beeinträchtigung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit wird darüber hinaus maßgeblich durch die Sanktionen beeinflusst, die das Presseunternehmen sowie den verantwortlichen Journalisten bzw. den Chefredakteur treffen.128 Der EGMR beschränkt die Prüfung dabei nicht auf die zivilrechtlichen Folgen, wie Schadensersatzansprüche für die erlittenen Vermögens- und Nichtvermögensschäden, sondern bezieht alle Sanktionen ein. Insbesondere strafrechtliche Sanktionen in Form von Geld- oder Freiheitsstrafe oder zeitigen Berufsverbote intensivieren den Eingriff in die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit. Der Umfang und die Schwere der Sanktion werden in die Abwägung bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung eingestellt.129 Der EGMR geht davon aus, dass die Überprüfung des staatlichen Handelns besonders sorgfältig erfolgen muss, wenn sie die Presseunternehmen und Journalisten abschrecken, an Auseinandersetzungen im legitimen öffentlichen Interesse teilzunehmen.130 Eine solche Beeinträchtigung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit läuft ihrem Zweck, der gerade den Schutz der Presse im Interesse einer demo127 EGMR 6.2.2001 Appl. No. 41205/98 Rn. 59 ff. (Tammer); 11.1.2000 Appl. No. 31457/96 Rn. 52 ff. (News Verlags GmbH & Co.KG); 26.2.2002 Appl. No. 34315/96 Rn. 33 ff. (Krone Verlag GmbH & Co.KG); 24.6.2004 Appl. No. 59320/00 Rn. 57 ff. (v. Hannover); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 91 (Cumpănă und Mazăre); 10.2.2009 Appl. No. 35/14/02 Rn. 61 (Eerikainen u. a.); 16.4.2009 Appl. No. 34438/04 Rn. 55 (Egeland); 7.2.2012 Appl. 39954/08 Rn. 87 f. (Axel Springer AG). 128 EGMR 23.9.1994 Appl. No. 15890/89 Rn. 35 (Jersild); 20.5.1999 Appl. No. 21980/93 Rn. 64 (Bladet Tromsø); 19.4.2001 Appl. No. 32686/96 Rn. 58 (Marônek); 21.3.2002 Appl. No. 31611/96 Rn. 54 (Nikula); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 111 (Cumpănă und Mazăre); 10.2.2009 Appl. No. 35/14/02 Rn. 67 (Eerikainen u. a.). 129 EGMR 23.9.1994 Appl. No. 15890/89 Rn. 35 (Jersild); 21.3.2002 Appl. No. 31611/96 Rn. 54 (Nikula); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 111, 114 (Cumpănă und Mazăre); 10.2.2009 Appl. No. 35/14/02 Rn. 67 (Eerikainen u. a.). 130 EGMR 22.2.1989 Appl. No. 11508/85 Rn. 29 (Barfod); 23.9.1994 Appl. No. 15890/89 Rn. 35 (Jersild); 28.10.1999 Appl. No. 28396/95 Rn. 50 (Wille); 21.3.2002 Appl. No. 31611/96 Rn. 54 (Nikula); 20.5.1999 Appl. No. 21980/93 Rn. 64 (Bladet Tromsø); 13.11.2003 Appl. No. 23145/93, 25091/94 Rn. 714 (Elci); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 111 (Cumpănă und Mazăre).

§ 7 Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung 417

kratischen Gesellschaft im Auge hat, besonders zuwider und unterliegt daher engen Grenzen.131 Aus dieser seit langem bestehenden Rechtsprechung leitete der EGMR zunächst Schlussfolgerungen für die strafrechtliche Verfolgung der Meinungsäußerung oder Berichterstattung und die Auferlegung von Berufsverboten ab.132 Eine strafrechtliche Verurteilung habe bereits wegen ihrer Natur einen Abschreckungseffekt und sei nur bei gravierenden Verletzungen der Menschenrechte Dritter gerechtfertigt, wobei auf Hassreden oder Aufforderungen zur Gewalt als Beispiel verwiesen wird.133 Auch ein Berufsverbot sei nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt.134 Die Auferlegung einer Schadensersatzpflicht hatte der Gerichtshof nur in einem Verfahren gegen das Vereinigte Königreich als unvereinbar mit den Vorgaben des Art. 10 Abs. 1 EMRK angesehen, weil die Jury in Beleidigungsfällen damals Schadensersatzbeträge noch frei zusprechen konnte, ohne dass dem Berufungsgericht eine Korrektur möglich war.135 Inzwischen hat sich der EGMR auch zur Vereinbarkeit der Schadensersatzpflicht und ihres Umfangs mit Art. 10 Abs. 1 EMRK geäußert. Im Jahre 2009 machte er die Rechtfertigung des Schadensersatzes als Sanktion davon abhängig, ob relevante sowie ausreichende Gründe für die Verpflichtung zum Schadensersatz bestehen.136 Damit wurden die allgemeinen Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK auf den Schadensersatzanspruch, insbesondere auf das Bestehen eines Anspruchs, übertragen. Im Jahre 2010 setzte sich der EGMR in fünf Verfahren gegen Finnland mit den Anforderungen an die Bemessung des Schadensersatzes auseinander.137 Die Parallelentscheidungen betrafen übereinstimmend Fernsehberichte und Artikel, in denen die Identität der Geliebten eines Politikers aufgedeckt und ihr Bild veröffentlicht wurde, obwohl es sich nicht um eine der Öffentlichkeit bekannte Person handelte. Die Berichterstattung erfolgte im Zusammenhang mit einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen dem Politiker und seiner Ehefrau sowie dessen erwachsenen Kindern, in die auch die Geliebte involviert war und in deren Folge sie wegen Körperverletzung durch das Strafgericht verurteilt wurde. Die Berichte erschienen finnlandweit in einer Reihe von Zeitschriften und Fernsehsendungen. Wegen der Verletzung des Privatlebens wurden gegen die Presseunter131

Siehe Fn. 130. EGMR 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 111 ff. (Cumpănă und Mazăre). 133 EGMR 8.7.1999 Appl. No. 23927/94, 24277/94 Rn. 63 (Sürek); 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 115 (Cumpănă und Mazăre). 134 EGMR 17.12.2004 Appl. No. 33348/96 Rn. 118 (Cumpănă und Mazăre); s. auch 17.7.2001 Appl. No. 39288/98 Rn. 56 (Association Ekin) (Verzögerung der Publikation). 135 EGMR 13.7.1995 Appl. No. 18139/91 Rn. 49 ff. (Tolstoy). 136 EGMR 10.2.2009 Appl. No. 3514/02 Rn. 67 (Eerikainen u. a.); s. auch EGMR 19.4.2001 Appl. No. 32686/96 Rn. 58 (Marônek). 137 EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/06 (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 (Soila). 132

418 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen nehmen, die verantwortlichen Chefredakteure und Journalisten Geldstrafen verhängt. Zudem gewährten die Gerichte der Geschädigten für jeden Verstoß einen Anspruch auf Ersatz des Nichtvermögensschadens. Hiergegen erhoben die Presseunternehmen, die Chefredakteure und Journalisten mit Erfolg beim EGMR Beschwerde. In den Entscheidungen entwickelte der EGMR keinen neuen Maßstab zur Rechtfertigung von Eingriffen in Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK, sondern überprüfte den Umfang der Sanktionen nach Maßgabe seiner ständigen Rechtsprechung, indem er die Schwere der Sanktion in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser staatlichen Maßnahmen einstellte.138 Für das Schadensersatzrecht sind zwei Punkte von entscheidender Bedeutung. Erstens differenziert der EGMR nicht zwischen den unterschiedlichen Sanktionen, die sich aus dem Strafrecht und dem Zivilrecht ergeben, sondern berücksichtigt in einer Gesamtbetrachtung alle Sanktionen, die den Verantwortlichen wegen der Verletzung des Rechts auf Privatleben treffen.139 Einbezogen sind daher die verhängten Geldbußen und die Schadensersatzansprüche. Sofern es nacheinander zu mehreren Rechtsverletzungen kam und der Geschädigte für jede Verletzung einen Schadensersatzanspruch hat, ist auch das zu beachten. Insbesondere wenn die Sanktion ihrer Höhe nach als erheblich anzusehen ist, wird die Rechtfertigung des Eingriffs besonders sorgfältig geprüft.140 Zweitens verlangt der EGMR, dass bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen ist, dass es sich nicht um die erstmalige Verletzung des Rechts auf Privatleben handelte.141 Alle Daten und Bilder waren zuvor von Dritten veröffentlicht worden. Die wiederholte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ziehe nicht den gleichen Schaden nach sich wie der erste Eingriff. Dieser sei geringer, was sich in der Bemessung der Entschädigung niederschlagen müsse.142 Zur Beurteilung der Höhe des Schadensersatzes nahm der Gerichtshof auf die Entscheidungen der finnischen Gerichte in anderen Fällen Bezug, in denen Scha-

138 EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 Rn. 35 ff., 41 ff. (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 Rn. 63 ff., 69 ff. (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 Rn. 51 ff., 57 ff. (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/06 Rn. 40 ff., 46 ff. (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 Rn. 48 ff., 54 ff. (Soila); 7.2.2012 Appl. 39954/08 Rn. 95 (Axel Springer AG). 139 EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 Rn. 62 ff. (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 Rn. 89 ff. (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 Rn. 77 ff. (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/06 Rn. 66 ff. (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 Rn. 74 ff. (Soila). 140 EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 Rn. 62 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 Rn. 91 (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 Rn. 77 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/ 06 Rn. 68 (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 Rn. 74 (Soila). 141 EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 Rn. 63 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 Rn. 90 (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 Rn. 78 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/ 06 Rn. 67 f. (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 Rn. 75 (Soila); 7.2.2012 Appl. 39954/08 Rn. 92 (Axel Springer AG). 142 Siehe Fn. 141.

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densersatz wegen der Verletzung des Rechts auf Privatleben zugesprochen wurde.143 Diese Vorgaben sind auch bei der Anwendung des nationalen Schadensersatzrechts zu berücksichtigen. Das kann insbesondere durch eine völkerrechtsfreundliche Auslegung144 des Begriffs der angemessenen Entschädigung erfolgen, so dass für die Höhe des Schadensersatzes nicht nur der Umfang des erlittenen Schadens maßgebend ist, sondern auch die Vorgaben des Art. 10 EMRK145. Danach darf die Sanktion nicht unverhältnismäßig zum angestrebten legitimen Ziel sein. Grundsätzlich dient der Entschädigungsanspruch vor allem dem Schadensausgleich. Zugleich hat die Haftung de facto eine abschreckende Wirkung und bewirkt einen Schutz zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sofern das Handeln des Presseunternehmens oder des verantwortlichen Redakteurs rechtswidrig und schuldhaft war, ist die Entschädigung als Schadensausgleich grundsätzlich verhältnismäßig. Zwar hat der Schadensersatz wie jede Sanktion abschreckende Wirkung. Das Verhalten hat den Geschädigten aber in seinem grund- und menschenrechtlich geschützten Privatleben verletzt. Insofern kann sich aus Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK nicht ergeben, dass der Geschädigte seinen Schaden selbst tragen soll. Der Schadensausgleich steht in einem Sachzusammenhang mit dem legitimen Ziel, das Recht auf Privat- und Familienleben zu schützen. Die Begrenzung des Schadensersatzanspruchs auf den erlittenen Schaden beschränkt ihn in seiner Höhe. Zudem besteht er nur bei schweren Persönlichkeitsverletzungen und tritt gegenüber Unterlassungs-, Widerrufs- und Gegendarstellungsansprüchen subsidiär zurück, wenn sie hinreichend Abhilfe schaffen. Außerdem mindert das Mitverschulden des Geschädigten den Umfang der angemessenen Entschädigung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des EGMR, der die von den Zivilgerichten zugesprochene Entschädigung kritisiert, weil bei ihrer Bemessung keine Berücksichtigung fand, dass es sich nicht um eine erstmalige Rechtsgutsverletzung handelte und die betroffenen Daten der Öffentlichkeit bereits vorher bekannt waren. Der Gerichtshof verweist nur darauf, dass sich die Entschädigung nicht am tatsächlich erlittenen Schaden orientiert. Damit erinnert der EGMR nur daran, dass der Schadensersatz, der als Schadenausgleich gedacht ist, sich auch am Schaden ausrichten muss, sonst handelte es sich um eine überkompensatorische Entschädigung, die zur Einwir143 EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 Rn. 62 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 Rn. 89 (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 Rn. 77 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/ 06 Rn. 66 (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 Rn. 74 (Soila). 144 Allg. dazu Herdegen, Völkerrecht, S. 160 f. 145 Bisher berücksichtigt die Rechtsprechung des BGH vor allem Art. 8 und 10 EMRK bei der Konkretisierung des Haftungstatbestands bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, z. B. BGH 15.11.2005 VersR 2006, 274; 6.3.2007 NJW 2007, 1977, 1978 ff. (v. Hannover); 6.3.2007 NJW 2007, 1981 (Prinz Ernst August).

420 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen kung auf den Schädiger erfolgt und für die somit ein anderer Rechtfertigungsbedarf besteht als bei einem reinen Schadensausgleich. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung der Haftung wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen kommt höchstens in Betracht, wenn den Schädiger zusätzlich zum Schadensausgleich weitere Sanktionen treffen und ein Abschreckungseffekt eintritt, der die Presse an einer Teilnahme an der Auseinandersetzung im legitimen öffentlichen Interesse behindert. Im Zusammenhang mit der Gewährung einer Entschädigung kommt ein Einwirken des Art. 10 EMRK vor allem in folgenden Konstellationen in Betracht: wenn der Schädiger nicht nur Schadensersatz leisten muss, sondern auch strafrechtlich verurteilt wurde, wenn die Entschädigung über den Schadensausgleich hinaus durch einen Aufschlag erhöht wird, um vor zukünftigen Rechtsverletzungen abschrecken oder um den Gewinn des Schädigers abzuschöpfen. Der Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit beschränkt sich somit nicht auf den Schadensausgleich. In diesen Fällen müssen alle Sanktionen wegen der Persönlichkeitsverletzung bei der Beurteilung der Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 10 Abs. 1 EMRK in ihrer Summe beachtet werden. Das hat aber nicht zwingend zur Folge, dass der Geschädigte seine Schäden selbst tragen muss. Die Wirkung der Gesamtheit der Sanktionen auf das Presseunternehmen bzw. den verantwortlichen Journalisten kann vor allem die Verhängung der Strafe und den Zuspruch einer überkompensatorischen Entschädigung betreffen. Das setzt aber zunächst voraus, dass eine überkompensatorische Entschädigung bei einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugesprochen werden kann oder anderweitig eine Gewinnabschöpfung oder Privatstrafe vorgesehen ist. IV. Zusammenfassung Die EMRK kann den Vertragsstaaten verbindliche Vorgaben für die Ausgestaltung ihres Privatrechts machen, soweit sich aus den Schutzpflichten einzelner Menschenrechte ableiten lässt, wie das nationale Privatrecht auszugestalten ist. Impulse für eine Weiterentwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden bestehen bei Trauerschäden naher Angehöriger in Todesfällen. Art. 2, 3 EMRK verpflichten die Vertragsstaaten aber nur zur Entschädigung von Privatpersonen, wenn sie selbst die geschützten Rechte verletzt haben. Bei Rechtsverletzungen zwischen Privaten muss der Vertragsstaat zwar zum Schutz des Lebens eingreifen, seine Schutzpflicht erstreckt sich indes nicht auf die Regelung von Entschädigungsansprüchen für die Angehörigen. Es muss nur ein strafrechtliches Verbot vorsätzlicher Tötungen bestehen und sichergestellt sein, dass Todesfälle durch Fremdeinwirkungen einer Untersuchung unterzogen werden. Darüber hinaus erfasst die verpflichtende Wirkung der EMRK nicht die Ausgestaltung des Privatrechts und gibt insbesondere nicht vor, dass die immateriellen Schäden von Angehörigen auszugleichen sind. Darüber hinaus ergeben

§ 7 Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung 421

sich aus Art. 13 EMRK keine zwingenden Vorgaben. Die Regelung gewährt nur ein akzessorisches Recht auf Beschwerde wegen der Verletzung materieller Konventionsrechte. Daraus resultiert eine unterschiedliche Ausgestaltung der Haftung des Staates und der Haftung von Privatpersonen für die Verletzung von Rechtsgütern, die von der EMRK geschützt werden. Adressat der Konvention ist aber allein der Vertragsstaat, so dass sie nur die Staatshaftung, aber nicht die deliktische Haftung Privater im Detail beeinflussen kann. Daher besteht keine Verpflichtung eine Entschädigung für Trauerschäden von Angehörigen vorzusehen. Berücksichtigung finden vor allem die Art. 8, 10 EMRK, deren Wirkung sich nicht auf den Haftungstatbestand beschränkt, sondern auch die Rechtsfolgen betreffen kann. Die bloße Verpflichtung zum Schadensausgleich ist aber ein gerechtfertigter Eingriff in Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK. Höchstens beim Zusammentreffen des Schadensersatzes mit einer strafrechtlichen Verurteilung oder dem Zuspruch einer überkompensatorischen Entschädigung erlangt Art. 10 EMRK Bedeutung.

D. Zur Resolution des Ministerkomitees des Europarates 75-7 über den Schadensausgleich bei Personenschäden und Todesfällen Unabhängig von der Rechtsprechung des EGMR hat das Ministerkomitee des Europarates bereits am 14.3.1975 eine Empfehlung für die Ausgestaltung der deliktischen Haftung auf Schadensersatz bei Körperverletzungen und in Todesfällen ausgesprochen, um die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten zu reduzieren.146 Diese Empfehlung ist nicht verbindlich, sondern legt den Staaten nur nahe, bei der Ausarbeitung neuer Gesetze oder Gesetzesänderungen zu dieser Materie den Beschluss des Ministerkomitees zu berücksichtigen.147 Inhaltlich erstrecken sich die Empfehlungen auf den Ausgleich aller Schäden bei Körperverletzungen und Todesfällen. Bei Körperverletzungen sollen die immateriellen Schäden in Form von Verunstaltungen, physischen Schmerzen und psychischen Leiden des Geschädigten ausgeglichen werden.148 Psychische Leiden seien alle Unannehmlichkeiten wie Ärger, Unwohlsein, Schlafstörungen, Minderwertigkeitsgefühle oder der Verlust an Lebensfreude. Zugleich legt das Ministerkomitee den Staaten nahe, den nationalen Gerichten aufzugeben, in ihren Entscheidungen die einzelnen Schadenspositionen aufzuzählen, für die sie die Entschädigungssumme, die als einheitlicher Betrag zugesprochen wird, gewährt haben. Das soll die Nachvollziehbarkeit und die Überprüfung der Entscheidungen sowie die Vergleichbarkeit der Schadensersatzbeträge in ähnlichen Fällen absichern. 146 Beschluss 75-7 des Ministerkomitees des Europarats v. 14.3.1975, Bekanntmachung v. 5.2.1976, BGBl. II, S. 323, 330. 147 B Nr. 1 des Beschlusses 75-7 des Ministerkomitees des Europarats. 148 C.II. Nr. 11 des Beschlusses 75-7 des Ministerkomitee des Europarats.

422 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Für die Bemessung der Entschädigung wird empfohlen, bei den Schmerzen und Leiden auf deren Intensität und Dauer abzustellen, ohne auf das Vermögen des Opfers Rücksicht zu nehmen.149 Aus der Sicht des Ministerkomitees hat der Schadensersatz somit eine reine Ausgleichsfunktion. Auch das Verschulden hat keine Bedeutung für den Umfang der Entschädigung. Selbst für Fälle der Vorsatzhaftung sieht die Resolution keine Ausnahme vor. Ein Schadensersatz mit Sanktions- oder Präventionscharakter ist nicht vorgesehen. Über die Entschädigung des Verletzten hinaus befürwortet die Resolution die Entschädigung der Angehörigen (Vater, Mutter, Ehegatte), die wegen des Angriffs auf die körperliche oder geistige Integrität des Geschädigten psychisch leiden.150 Ein solcher Anspruch sollte aber auf Fälle außergewöhnlichen Leides beschränkt sein. Zudem sollten andere als die benannten Angehörigen keine Entschädigung verlangen dürfen. Für den Schadensersatz bei Todesfällen wird nicht empfohlen, den Verlust des Lebens selbst auszugleichen, allerdings sollten die Angehörigen eine Entschädigung für die erlittene Trauer verlangen können.151 In Vertragsstaaten, die damals noch keinen Schadensersatzanspruch für die Leiden nahe stehender Personen im Todesfall gewährten, sollte zumindest den Eltern und Kindern, dem Ehegatten oder dem Verlobten des Verstorbenen ein Entschädigungsanspruch zustehen, sofern zum Zeitpunkt des Todesfalls eine enge emotionale Beziehung zum Getöteten bestand. Die übrigen Staaten, die zumindest für bestimmte Drittgeschädigte eine Entschädigung für den Todesfall einräumen, müssen nach der Empfehlung des Ministerkomitees die Schadensersatzansprüche für Angehörige nicht erweitern. Für das sog. Angehörigenschmerzensgeld wird somit keine vollständige Harmonisierung angestrebt.152 Dieser Empfehlung ist die Bundesrepublik Deutschland bisher nicht gefolgt. Eine Entschädigung erhalten weiterhin nur die Angehörigen, die einen Schockschaden und somit eine eigene Gesundheitsbeschädigung erleiden. Aus der Empfehlung resultieren wegen ihrer Unverbindlichkeit keine Vorgaben für das nationale Recht. Sie gibt aber einen Anhaltspunkt, auf welchen gemeinsamen Nenner sich die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten annähern ließen, was im Zusammenhang mit der Europäisierung des Schadensersatzrechts erneut Bedeutung gewinnt. Vor dem Hintergrund der hier verglichenen Rechtsordnungen ist zudem bereits an dieser Stelle hervorzuheben, dass sich der Vorschlag des Ministerkomitees für ein sog. Angehörigenschmerzensgeld auf einen eng begrenzten Personenkreis bezieht. Diese Formalisierung erleichtert die Rechtsanwendung. Diese Begrenzung der Entschädigung für 149

C.II. Nr. 12 des Beschlusses 75-7 des Ministerkomitee des Europarats. C.II. Nr. 13 des Beschlusses 75-7 des Ministerkomitee des Europarats. 151 C.III. Nr. 19 des Beschlusses 75-7 des Ministerkomitee des Europarats. 152 Das hat zur Folge, dass Vertragsstaaten, wie das Vereinigte Königreich, die ein Angehörigenschmerzensgeld gewähren, aber nur die Eltern minderjähriger Kinder und die Ehegatten erfassen (Art. 1A Fatal Accidents Act), von der Empfehlung ausgenommen sind. 150

§ 7 Ersatz immaterieller Schäden in der internationalen Rechtsvereinheitlichung 423

Trauerschäden ist gegenläufig zu der Entwicklung der Entschädigungsansprüche in der Schweiz, Frankreich und Österreich, die den Schadensersatz inzwischen nicht mehr auf diesen engen Personenkreis beschränken. Das mag zum Teil auf der veränderten Sozialstruktur der Gesellschaft beruhen. Den Ausschluss von nichtehelichen Lebenspartnern und gleichgeschlechtigen Lebenspartnern sahen die Gerichte zum Teil als nicht mehr hinnehmbar an, sofern die persönliche und emotionale Nähebeziehung zur Rechtfertigung der Entschädigung dient. Das Gleiche gilt bei Adoptiv- und Pflegekindern sowie deren Adoptiv- und Pflegeeltern.

E. Zusammenfassung Der Ausgleich immaterieller Schäden fand bei der internationalen Rechtsvereinheitlichung nur partiell Berücksichtigung. Verbindliche Regelungen über Schadensersatzansprüche, die die Nichtvermögensschäden einbeziehen, finden sich primär in internationalen Abkommen zum Vertragsrecht. Das gilt für die Übereinkommen über den Transport von Personen, die sich aber auf die Regelung des Haftungsgrundes beschränken. Für die Art und den Umfang des Schadensausgleichs gilt das nach dem Kollisionsrecht anwendbare nationale Recht. Die unverbindlichen UNIDROIT-Prinzipien als allgemeine Regeln internationaler Handelsverträge beschränken die vertragliche Haftung auf die vorhersehbaren Schäden und beziehen die immateriellen Schäden ein. Der Ausgleich erfolgt im Wege der Totalreparation. Eine Regelung zum Strafschadensersatz ist nicht enthalten. Verbindliche Vorgaben zur Vereinheitlichung der Kompensation von Nichtvermögensschäden bestehen darüber hinaus nicht. Auch die Schutzpflichten der EMRK verpflichten die Bundesrepublik Deutschland nicht, den Ausgleich immaterieller Schäden auszuweiten. Somit besteht lediglich ein unverbindlicher Vorschlag für die Entschädigung von Personenschäden und Todesfälle in der Resolution des Ministerkomitees des Europarates aus dem Jahre 1975. Der angeregte Harmonisierungsprozess hat bisher indes keinen Abschluss gefunden. Zudem soll bei Trauerschäden nur das Ob einer Entschädigung, nicht ihre Ausgestaltung vereinheitlicht werden. Der Einfluss des internationalen Rechts auf den Ausgleich immaterieller Schäden ist somit sehr gering. Von aktueller Bedeutung ist zwar die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK, wonach die Sanktionen wegen der Verletzung des Rechts auf Privatleben den Vorgaben der Pressefreiheit genügen müssen. Er steht einer Verpflichtung zum Schadensausgleich indes nicht entgegen, so dass der Impuls für die Weiterentwicklung des nationalen Privatrechts gering ist. Höchstens im Zusammenhang mit der Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion erlangt Art. 10 EMRK Bedeutung.

424 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden Das Unionsrecht beeinflusst das Haftungsrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es enthält zwar keine allgemeinen Regelungen zum Haftungsrecht, wirkt aber punktuell auf das nationale Schadensersatzrecht ein. Die Mitgliedstaaten müssen Richtlinienvorgaben in nationales Recht umsetzen, dieses anwenden und dabei die primärrechtlichen Vorgaben aus Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV beachten. Die Regelungen des Primärund Sekundärrechts prägen darüber hinaus die Entwicklung eines europäischen Schadensersatzrechts im Rahmen der Europäisierung des Vertrags- und Deliktsrechts. Daher sind die Regelungen des Unionsrechts daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie zum Ausgleich immaterieller Schäden verpflichten und ob eine Gleichbehandlung mit den Vermögensschäden erfolgt. Dabei ist zu ermitteln, ob den Regelungen ein unionsrechtlicher Begriff des Nichtvermögensschadens oder das nationale Begriffsverständnis zugrunde liegt. Schließlich ist von zentraler Bedeutung, ob das Unionsrecht die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, sich nicht auf den Ausgleich immaterieller Schäden zu beschränken, sondern eine Entschädigung mit selbständiger Präventions- oder Straffunktion vorzusehen. Insoweit ist zu ermitteln, ob ein Strafschadensersatz im europäischen Recht anerkannt ist.

A. Vorgaben des Primärrechts der Europäischen Union I. Allgemeine Vorgaben des Primärrechts für den Ersatz immaterieller Schäden zwischen Privaten Das Primärrecht der Europäischen Union enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über den Ausgleich immaterieller Schäden zwischen Privaten. Der EuGH leitet lediglich im Wettbewerbsrecht aus Art. 101 AEUV ab, dass der wettbewerbswidrig Handelnde die entstandenen Schäden ausgleichen müsse. Um die effektive Wirksamkeit des Verbots sicherzustellen, entfaltet Art. 101 AEUV nicht nur unmittelbare Wirkung und führt zur Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender und -verfälschender Verträge, sondern gebietet auch einen Schadensersatzanspruch.1 Der ersatzfähige Schaden und seine Entschädigung sind nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch Sache des nationalen Rechts, wobei die Maßgaben des Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatzes nach Art. 4 Abs. 3 EUV zu beachten sind.2 Vorgaben für den 1 EuGH 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 26 f. (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 90 f. (Manfredi). 2 EuGH 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 29 (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 92 (Manfredi).

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden

425

Ausgleich ideeller Schäden lassen sich im europäischen Primärrecht daher nur aus Art. 4 Abs. 3 EUV ableiten. Diese Regelung verpflichtet die Mitgliedstaaten aber nur, soweit das europäische Primär- oder Sekundärrecht ihnen die Regelung von Schadensersatzansprüchen aufgibt oder solche selbst enthält. Für den Vollzug des Unionsrechts enthält das Primärrecht allgemeine Vorgaben für die Sanktion von Verstößen gegen das Unionsrecht, zu denen auch der Ausgleich ideeller Schäden zählen kann. Die Mitgliedstaaten wenden die europäischen Verordnungen an und transformieren die Richtlinien in nationales Recht, um den Vollzug des Unionsrechts zu bewirken (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Die Umsetzung der Richtlinien muss die effektive Wirksamkeit des Unionsrechts sicherstellen. Art. 4 Abs. 3 EUV hat insoweit Einfluss auf die Auslegung der Richtlinie, aber auch auf die Umsetzung in nationales Recht.3 Zusätzlich müssen die Mitgliedstaaten wegen ihrer Pflicht zur Unionstreue aus Art. 4 Abs. 3 EUV sicherstellen, dass Verstöße gegen das Unionsrecht sanktioniert werden.4 Das gilt für Verstöße gegen Verordnungen und das nationale Recht, das Richtlinien transformiert. Die Pflicht zur Unionstreue wirkt somit auf den Rechtsvollzug in den Mitgliedstaaten ein und beeinflusst den Schadensausgleich, soweit er an einen Verstoß gegen das Unionsrecht anknüpft. Die Unionstreue ist ein originärer unionsrechtlicher Grundsatz und ein fundamentales Verfassungsstrukturprinzip.5 Angesichts des Vollzugs des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten ist die Funktionsfähigkeit der Union von ihrem loyalen Mitwirken abhängig, um die Einheitlichkeit und Wirksamkeit des primären wie sekundären Unionsrechts sicherzustellen.6 Der Grundsatz der Unionstreue ähnelt darin dem Grundsatz der Bundestreue.7 Der EuGH leitet aus Art. 4 Abs. 3 EUV seit langem selbständige mitgliedstaatliche Handlungspflichten ab, die auf den Geltungsanspruch des Unionsrechts gegenüber 3

EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 14 ff. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 26 (Harz); 8.6.1994 Slg. 1994, I-2435 Rn. 55 (Kommission/Vereinigtes Königreich); s. auch EuGH 13.11.1990 Slg. 1990, 4135 Rn. 8 (Marleasing); 14.7.1994 Slg. 1994, I-3325 Rn. 26 (Faccini Dori); 5.10.2004 Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 (Pfeiffer); 19.1.2010 NJW 2010, 427 Rn. 48 (Kücükdevici); Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 64. 4 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 14 ff. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 26 (Harz). 5 Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 34; Hatje, Loyalität, S. 35 f.; Lenz/ Borchardt, EUV/EGV, Art. 10 EGV Rn. 1; Wille, Pflicht der Organe, S. 74 ff., 88 ff., 128 f.; Lück, Gemeinschaftstreue, S. 145 f., 154 ff.; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 3. 6 Zur Pflicht zur normativen Umsetzung und zur administrativen wie gerichtlichen Durchsetzung des Unionssrechts EuGH 26.4.2005 Slg. 2005, I-3331 Rn. 42 f. (Kommission/Irland); v. Bogdandy, GS Grabitz, S. 17 ff.; Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 35; Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 2; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 31 f., 46, 50, 60. 7 Bleckmann, in: Bieber/Ress, Dynamik, S. 161, 196 f.; Lück, Gemeinschaftstreue, S. 103 ff., 125 f., 158; Zuleeg, NJW 2000, 2846.

426 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen den Mitgliedstaaten zurückzuführen sind.8 Art. 4 Abs. 3 EUV zielt auf die Herstellung eines einheitlichen Rechtsrahmens und die materielle Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte, um den fortschreitenden Integrationsprozess und insbesondere die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes zu fördern.9 Um die Funktionsfähigkeit des Unionsrechts sicherzustellen, stellt Art. 4 Abs. 3 EUV Anforderungen an den Vollzug des europäischen Rechts durch die Mitgliedstaaten.10 Der EuGH leitet aus Art. 4 Abs. 3 EUV insbesondere den Effektivitätsgrundsatz und den Äquivalenzgrundsatz ab, die auch für die Ausgestaltung der Sanktionen maßgeblich sind, die wegen Verstößen gegen das Unionsrecht verhängt werden.11 Der Effektivitätsgrundsatz wurde zunächst im Sinne eines Vereitelungsverbots darauf bezogen, dass das nationale Recht die Geltung und Wirksamkeit des Unionsrechts weder praktisch unmöglich machen noch erheblich erschweren darf.12 Daneben entwickelte der EuGH den Anwendungsvorrang des Unionsrechts, die unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten und der Richtlinien im Verhältnis zwischen Mitgliedstaat und Bürger13 sowie die

8 EuGH 31.3.1971 Slg. 1971, 263 Rn. 20/22, 77/78 (AETR); v. Bogdandy, GS Grabitz, S. 17, 19; Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 38 f.; Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 1; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 31 f.; zunächst galt Art. 10 EG wegen seiner Unbestimmtheit als unverbindlich und nicht justiziabel, s. GA Roemer, Schlussanträge zu EuGH 19.12.1968 Slg. 1969, 1, 27 (Walt Wilhelm). 9 Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 38; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 33 f. 10 Z. B. EuGH 14.12.1995 Slg. 1995, I-4599 Rn. 12 ff. (Peterbroeck); 14.12.1995 Slg. 1995, I4705 Rn. 17 (van Schijndel); 8.2.1996 Slg. 1996, I-389 Rn. 52 (FMC); 12.5.1998 Slg. 1998, I-2661 Rn. 15 (Steff-Houlberg); 15.9.1998 Slg. 1998, I-4997 Rn. 18 (Spac); 15.9.1998 Slg. 1998, I-5025 Rn. 16 (Ansaldo Energia u. a.); Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 54. 11 Z. B. EuGH 27.3.1980 Slg. 1980, 1206 Rn. 25 (Denkavit italiana); 21.9.1983 Slg. 1983, 2633 Rn. 21 ff. (Deutsche Milchkontor); 14.12.1995 Slg. 1995, I-4705 Rn. 17 (van Schijndel); 10.7.1997 Slg. 1997, I-4025 Rn. 27 (Palmisani); 12.5.1998 Slg. 1998, I-2661 Rn. 15 (Steff-Houlberg); 15.9.1998 Slg. 1998, I-4951 Rn. 34 ff. (Edis); 15.9.1998 Slg. 1998, I-4997 Rn. 18 (Spac); 15.9.1998 Slg. 1998, I-5025 Rn. 16 (Ansaldo Energia u. a.); 13.6.2002 Slg. 2002, I-5163 Rn. 90 (Niederlande/Kommission); 17.6.2004 Slg. 2004, I-6051 Rn. 17 (Recheio); Calliess/Ruffert/ Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 61; v. Danwitz, DVBl. 1998, 421, 422; von der Groeben/ Schwarze/Zuleeg, EUV/EGV, Art. 10 EGV Rn. 6; Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 16; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 34. 12 Z. B. EuGH 21.9.1983 Slg. 1983, 2633 Rn. 19 (Deutsche Milchkontor); 9.11.1983 Slg. 1983, 3595 Rn. 12 (San Giorgio); 2.2.1988 Slg. 1988, 355 Rn. 18 (Barra); 2.2.1989 Slg. 1989, 175 Rn. 12 (Kommission/Deutschland); 14.12.1995 Slg. 1995, I-4599 Rn. 12 (Peterbroeck); 14.12.1995 Slg. 1995, I-4705 Rn. 17 (van Schijndel); 8.2.1996 Slg. 1996, I-389 Rn. 52 (FMC); 12.5.1998 Slg. 1998, I-2661 Rn. 15 (Steff-Houlberg); 15.9.1998 Slg. 1998, I-4951 Rn. 34 f. (Edis); 15.9.1998 Slg. 1998, I-4997 Rn. 18 f. (Spac); 15.9.1998 Slg. 1998, I-5025 Rn. 16 (Ansaldo Energia u. a.); 13.6.2002 Slg. 2002, I-5163 Rn. 90 (Niederlande/Kommission); v. Danwitz, DVBl. 1998, 421, 424; Nettesheim, GS Grabitz, S. 447, 459. 13 Z. B. EuGH 5.2.1963 Slg. 1963, 1, 26 (van Gend und Loos); 28.2.1991 Slg. 1991, 825 Rn. 5 (Kommission/Deutschland); Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 16 ff.; v. Danwitz, DVBl. 1998, 421, 423 ff.

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden

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Haftung der Mitgliedstaaten für die mangelnde Richtlinienumsetzung14. Darüber hinaus verpflichtet Art. 4 Abs. 3 EUV zur europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts.15 Das Vereitelungsverbot entwickelte sich somit zu einem echten Effektivitätsgrundsatz, der einen unionsrechtlichen Standard für die Geltung des Unionsrechts verbürgt.16 Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um die Geltung und Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten.17 Daher sind sie gehalten, Regelungen, die die Europäische Union nicht vollständig ausgestaltet hat oder kompetenziell nicht ausgestalten kann, so zu vervollständigen, dass die Wirksamkeit des Unionsrechts sichergestellt ist.18 Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, stets das jeweils effektivste Mittel zu ergreifen.19 Die Rechtsdurchsetzung muss aber vergleichbaren Bestimmungen des nationalen Rechts entsprechen. Insoweit ergänzen sich Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz. Danach dürfen die Umsetzung und der Vollzug des Unionsrechts nicht hinter dem zurückbleiben, was für ähnliche Sachverhalte nach nationalem Recht gilt.20 Aus dem Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz ergeben sich allgemeine Anforderungen an die Sanktion unionsrechtswidrigen Handelns.21 Zunächst 14 EuGH 19.11.1991 Slg. 1991, I-5357 Rn. 38 ff. (Francovich); 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 67 ff. (Brasserie du Pêcheur/Factortame III); 8.10.1996 Slg. 1996, I-4845 Rn. 72 (Dillenkofer u. a.); s. auch Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 31. 15 EuGH 13.11.1990 Slg. 1990, I-4135 Rn. 8 (Marleasing); 18.12.1997 Slg. 1997, I-7411 Rn. 40 (Inter-Environment Wallonie); 5.10.2004 Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 ff. (Pfeiffer); 16.6.2005 Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47 (Pupino); 4.7.2006 Slg. 2006, I-6057 Rn. 117 (Adeneler); Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 27 ff. 16 Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 219 ff.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 559; Buck, Auslegungsmethoden, S. 208 ff.; Grundmann, Auslegung, S. 369 ff.; Streinz, FS Everling, Bd. II, S. 1491, 1506 f. 17 Z. B. EuGH 21.9.1989 Slg. 1989, 2965 Rn. 23 (Kommission/Griechenland); 2.10.1991 Slg. 1991, I-4371 Rn. 11 (Vandevenne); 8.7.1999 Slg. 1999, I-4883 Rn. 9 f. (Nunes); 13.6.2002 Slg. 2002, I-5163 Rn. 90 (Niederlande/Kommission); von der Groeben/Schwarze/Zuleeg, EUV/ EGV, Art. 10 EGV Rn. 6; Schermers/Pearson, FS Steindorff, S. 1359, 1369 f.; Streinz, EUV/ AEUV, Art. 4 EUV Rn. 32 f.; Zuleeg, NJW 2000, 2846, 2849. 18 v. Bogdandy, GS Grabitz, S. 17, 21; Schermers/Pearson, FS Steindorff, S. 1359, 1369 f.; zur Bedeutung des Art. 4 Abs. 3 EUV für die Funktionsfähigkeit der EU als Rechtsgemeinschaft z. B. Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 2, 10; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 33; Unruh, EuR 2002, 41, 58 f. 19 v. Bogdandy, GS Grabitz, S. 17, 21 f. 20 EuGH 21.9.1989 Slg. 1989, 2965 Rn. 23 ff. (Kommission/Griechenland); 10.7.1990 Slg. 1990, I-2911 Rn. 17 (Hansen); 2.10.1991 Slg. 1991, I-4371 Rn. 11 (Vandevenne); 26.10.1995 Slg. 1995, I-3573 Rn. 20 (Siesse); 27.2.1997 Slg. 1997, I-1111 Rn. 35 (Ebony Maritime u. a.); 30.9.2003 Slg. 2003, I-10155 Rn. 62 (Inspire Art); 15.1.2004 Slg. 2004, I-937 Rn. 36 (Pennycoed); 3.5.2005 Slg. 2005, I-3565 Rn. 65 (Berlusconi u. a.); Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 70; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 34. 21 Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 70; von der Groeben/Schwarze/Zuleeg, EUV/EGV, Art. 10 EGV Rn. 6; Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 30; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 34; Zuleeg, NJW 2000, 2846, 2847.

428 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen leitete der EuGH die Pflicht ab, Verstöße gegen europäisches Recht bzw. in nationales Recht umgesetzte Richtlinien zu sanktionieren (Ob), wobei es nicht darauf ankomme, ob das Unionsrecht selbst die Sanktion vorsehe oder näher ausgestalte.22 Auch Art, Umfang und rechtliche Durchsetzung der Sanktion müssen sich an Art. 4 Abs. 3 EUV messen lassen. Die Sanktion muss grundsätzlich wirksam und verhältnismäßig sein sowie eine abschreckende Wirkung haben, wobei die konkreten Anforderungen an die Rechtsfolgen im Einzelfall präzisiert werden.23 Die Mitgliedstaaten sind frei, das Sanktionsmittel zu wählen.24 Es kann sich sowohl um einen Schadensersatzanspruch als auch um einen Bußgeld- oder Straftatbestand handeln.25 Nähere Vorgaben zum Sanktionsmittel kann die Europäische Union nur bedingt regeln, da ihre Kompetenzen begrenzt sind und sich insbesondere nicht auf das Strafrecht erstrecken. Darüber kann Art. 4 Abs. 3 EUV nicht hinweggehen. Wegen des Effektivitätsgrundsatzes muss die Sanktion aber in einem angemessenen Verhältnis zum Normverstoß stehen. In den Entscheidungen von Colson und Kamann sowie Harz stellte der EuGH fest, dass die Richtlinienumsetzung in nationales Recht gegen Art. 4 Abs. 3 EUV verstoße, wenn nur eine symbolische Entschädigung vorgesehen sei, die keinen effektiven Rechtsschutz gewährleiste.26 Allerdings verlangt Art. 4 Abs. 3 EUV von den Mitgliedstaaten nicht, die optimale Sanktion zu ergreifen.27 Der EuGH verwies mehrfach darauf, dass es sich nicht um die effektivste Möglichkeit handeln müsse, die das nationale Recht zur Verfügung stelle, sondern es sei primär das 22 EuGH 2.2.1977 Slg. 1977, 137 Rn. 33 (Amsterdam Bulb); so auch EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 14 ff. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 18 (Harz); 21.9.1989 Slg. 1989, 2965 Rn. 23 (Kommission/Griechenland); 10.7.1990 Slg. 1990, I-2911 Rn. 17 (Hansen); 26.10.1995 Slg. 1995, I-3573 Rn. 20 (Siesse); 30.9.2003 Slg. 2003, I-10155 Rn. 62 (Inspire Art); von der Groeben/Schwarze/Zuleeg, EUV/EGV, Art. 10 EGV Rn. 6; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 17. 23 EuGH 21.9.1989 Slg. 1989, 2965 Rn. 24 (Kommission/Griechenland); Slg. 1990, I-2911 Rn. 17 (Hansen); 2.10.1991 Slg. 1991, I-4371 Rn. 11 (Vandevenue); 26.10.1995 Slg. 1995, I-3573 Rn. 20 (Siesse); 27.2.1997 Slg. 1997, I-1111 Rn. 35 (Ebony Maritime u. a.); 30.9.2003 Slg. 2003, I-10155 Rn. 62 (Inspire Art); 15.1.2004 Slg. 2004, I-937 Rn. 36 (Pennycoed); 3.5.2005 Slg. 2005, I-3565 Rn. 65 (Berlusconi u. a.); Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 70; Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 30; Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 34. 24 EuGH 2.2.1977 Slg. 1977, 137 Rn. 32 f. (Amsterdam Bulb); 21.9.1989 Slg. 1989, 2965 Rn. 23 (Kommission/Griechenland); 30.9.2003 Slg. 2003, I-10155 Rn. 62 (Inspire Art); 3.5.2005 Slg. 2005, I-3565 Rn. 65 (Berlusconi u. a.); Schwarze/Hatje, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rn. 30; s. aber EuGH 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 27 (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 90 f. (Manfredi), in denen der EuGH zur Durchsetzung des Art. 81 EG einen Schadensersatzanspruch aus dem Primärrecht ableitet. 25 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 17 f. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 17 f. (Harz). 26 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 17 f. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 17 f. (Harz). 27 Nettesheim, GS Grabitz, S. 447, 463 ff.

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden

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Wirksamwerden des Europarechts sicherzustellen.28 Das muss auch für die Sanktion von Rechtsverstößen gelten, da sie der Rechtsdurchsetzung dient.29 Zusätzliche Vorgaben für die Ausgestaltung der Sanktionen ergeben sich aus dem Äquivalenzgrundsatz, der dazu verpflichtet, Sanktionen zu schaffen, wie sie für die nach Art und Schwere vergleichbaren Verstöße gegen das nationale Recht vorgesehen sind.30 Das betrifft die Art und den Umfang der Sanktion. Daher stellte der EuGH in der Rechtssache Hansen fest, dass für vergleichbare Verstöße gegen das Arbeitsschutzrecht im dänischen Recht Straftatbestände enthalten sind und dass die subjektiv strafrechtliche Verantwortung dem allgemein geltenden System zum Schutz der Arbeitsumwelt in Dänemark entspreche.31 Der Äquivalenzgrundsatz gebiete daher, dass auch der Verstoß gegen die vergleichbaren unionsrechtlichen Bestimmungen strafrechtlich zu sanktionieren sei, obwohl die Europäische Union nicht zur Regelung strafrechtlicher Sanktionen ermächtigt ist.32 In ähnlicher Weise hat der Gerichtshof in der Rechtssache Brasserie du Pêcheur/Factortame III geurteilt, die einen Verstoß des Vereinigten Königreichs gegen seine Pflicht zur Richtlinienumsetzung betraf.33 Im englischen Recht ist es üblich, dass dem Verletzten ein Strafschadensersatz (exemplary damages) gewährt wird, wenn eine öffentliche Stelle seine Rechte in unbilliger, willkürlicher oder verfassungswidriger Weise verletzt hat.34 Sofern ein Verstoß gegen das Unionsrecht vorliegt, der einem rechtswidrigen Akt nach nationalem Recht vergleichbar ist, ist der Mitgliedstaat nach dem Äquivalenzgrundsatz verpflichtet, ebenfalls exemplary damages vorzusehen. Ansonsten bliebe die Sanktion von Verstößen gegen das Unionsrecht hinter jenen Sanktionen zurück, die bei vergleichbaren Verletzungen des nationalen Rechts gelten.35 Insofern kann Art. 4 Abs. 3 EUV die Verhängung eines Strafschadensersatzes gebieten.36 Das zwingt aber nicht zu dem Schluss, dass der Strafschadensersatz zu den Grundsätzen des Unionsrechts gehört. Die Eigenart des Äquivalenzgrundsatzes besteht darin, dass er angesichts des Geltungsanspruchs des Unionsrechts fordert, die gleiche Sanktion wie im nationalen Recht zu verhängen. Damit werden die Eigenarten des Rechts der Mitgliedstaaten auf die Verstöße gegen das Unionsrecht in diesem Mitgliedstaat übertragen, ohne sie für die Europäische Union als Rechtsraum zu verallgemeinern. Das bestätigt die 28

Siehe Fn. 23. EuGH 15.9.1998 Slg. 1998, I-4951 Rn. 36 f. (Edis); ebenso EuGH 15.9.1998 Slg. 1998, I4997 Rn. 18 (Spac); 17.11.1998 Slg. 1998, I-7141 Rn. 18 (Aprile). 30 EuGH 10.7.1997 Slg. 1997, I-4025 Rn. 27 (Palmisani); 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 29 (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 92 (Manfredi). 31 EuGH 10.7.1990 Slg. 1990, I-2911 Rn. 17 (Hansen). 32 EuGH 10.7.1990 Slg. 1990, I-2911 Rn. 17 (Hansen). 33 EuGH 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 89 f. (Brasserie du Pêcheur). 34 Siehe § 6.C.V.2., S. 312 ff. 35 EuGH 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 89 f. (Brasserie du Pêcheur). 36 Vgl. EuGH 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 93, 99 (Manfredi). 29

430 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Rechtsprechung des EuGH, der in mehreren Entscheidungen zu den Schadensersatzansprüchen wegen einer Verletzung von Art. 101 AEUV klarstellte, dass die nationalen Gerichte nicht durch das Unionsrecht daran gehindert sind, den Schutz des Rechtsinhabers durch ein Bereicherungsverbot zu beschränken, so dass er nicht mehr als den Schadensausgleich erhält.37 Eine solche Entscheidung wäre nicht möglich, wenn der überkompensatorische Schadensersatz Teil der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts wäre, um die Rechtsdurchsetzung effektiv zu gestalten. Der Äquivalenzgrundsatz führt nicht zur Rechtsangleichung innerhalb der Europäischen Union, sondern nur zur Gleichbehandlung von Verstößen gegen das nationale Recht und das Unionsrecht. Daher wirkt er nicht maßstabsbildend für die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Europarechts. Demzufolge entsteht kein Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Brasserie du Pêcheur/Factortame III und Manfredi, wenn die Rom-IIVerordnung in Art. 26 bestimmt, dass die Anwendung von Vorschriften ausländischen Rechts versagt werden kann, wenn diese offensichtlich unvereinbar mit der öffentlichen Ordnung des Staates sind, in dem das Gericht angerufen wurde.38 Diese Bestimmung wurde eingeführt, um Normen gegebenenfalls unberücksichtigt zu lassen, die einen überkompensatorischen Schadensersatz mit abschreckender Wirkung oder einen Strafschadensersatz ermöglichen.39 Damit bringt die Verordnung zum Ausdruck, dass der Strafschadensersatz ebenso wie der überkompensatorische Präventionsschadensersatz nicht zu den allgemeinen Grundsätzen gehört, die in allen Mitgliedstaaten gelten. Gegenstand der Entscheidungen Brasserie du Pêcheur/Factortame III und Manfredi war indes nur die Gleichbehandlung der Rechtsverstöße nach englischem Recht nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 3 EUV. II. Europäisches Staatshaftungsrecht Eine eigenständige Haftung für immaterielle Schäden bestimmt im Primärrecht allein das Staatshaftungsrecht der Europäischen Union für ihre Bediensteten nach Art. 340 AEUV. Die Staatshaftung kann jedoch ein Anhaltspunkt für die allgemeinen Grundsätze des Europarechts zum Schadensausgleich sein. Die vertragliche Haftung richtet sich gem. Art. 340 Abs. 1 AEUV nach dem Recht, das nach dem Internationalen Privatrecht auf den Vertrag anwendbar ist40. Insoweit ist nunmehr die Rom-I-Verordnung maßgebend, wobei vorrangig die Rechtswahl der Vertragspartner das anwendbare Recht be37 EuGH 4.10.1979 Slg. 1979, 2955 Rn. 14 (Ireks-Arkady); 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 30 (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 94, 99 (Manfredi); s. auch 21.9.2000 Slg. 2000, I-7145 Rn. 31 (Michaïlidis) zu Erstattungsansprüchen. 38 Anders Staudinger, NJW 2006, 2433, 2436 f. 39 Erwägungsgrund 32 Verordnung (EG) Nr. 864/2007. 40 Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 7.

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden

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stimmt. Die außervertragliche Haftung beruht auf Art. 340 Abs. 2 AEUV, der für den Schadensausgleich nur bestimmt, dass der Schaden nach den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ zu ersetzen ist, „die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“. Diese Vorgabe haben das EuG und der EuGH in ihrer Rechtsprechung nicht im Detail konkretisiert. In vielen Fällen erfolgt nur ein Grundurteil und die Parteien müssen sich über den Umfang des Schadensersatzes einigen, so dass das Gericht die Entschädigung nur festsetzt, wenn sich die Parteien uneins sind.41 Allgemeine Rechtsgrundsätze für den Schadensausgleich, die sich in allen Mitgliedstaaten wiederfinden lassen, haben sich bisher nicht vollständig herausgebildet. Das Europarecht hat den Schadensausgleich, insbesondere die Entschädigung immaterieller Einbußen, wenig harmonisiert, sondern vor allem dem Recht der Mitgliedstaaten überlassen. Insoweit gibt weniger die Staatshaftung eine Orientierung für das Herausarbeiten eines Gemeinsamen Referenzrahmens, vielmehr könnte dieser zur Entwicklung solcher Grundsätze führen. Die bisherigen Entscheidungen der Gerichte zum Schadensausgleich nach Art. 340 Abs. 2 AEUV mussten hingegen auf diejenigen Gemeinsamkeiten zurückgreifen, die in den Mitgliedstaaten bestehen.42 Insofern sind das EuG und der EuGH gehalten, im Wege des Rechtsvergleichs zu ermitteln, inwieweit Gemeinsamkeiten zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Ob sich angesichts von 27 Mitgliedstaaten, die in unterschiedlichen Rechtstraditionen stehen, allgemeine Prinzipien mit solcher Detailgenauigkeit ermitteln lassen, die stets eine Einzelfallentscheidung erlauben, ist zu bezweifeln. Zumindest lässt sich aber auf die Grundsätze Bezug nehmen, die für eine große Zahl der Mitgliedstaaten akzeptabel sind. Die Gerichte setzten für den Schadensersatzanspruch stets einen Schaden voraus.43 Ohne nähere Begründung gehen das EuG und der EuGH davon aus, dass materielle und immaterielle Schäden gleichermaßen ersatzfähig sind.44 Eine Vielzahl von Entscheidungen zur Ersatzfähigkeit ideeller Schäden resultiert aus Rechtsstreitigkeiten der Bediensteten gegen die Europäische Union. Art. 340 Abs. 2 AEUV findet zwar nicht unmittelbar auf sie Anwendung, die Haftung richtet sich aber nach den gleichen Maßstäben45. Für den Ausgleich immaterieller Schäden setzen die Gerichte keine bestimmte Rechtsgutsverlet41 Z. B. EuGH 27.3.1990 Slg. 1990, I-1203 (Grifoni); 3.2.1994 Slg. 1994, I-341 (Grifoni II); 19.6.1992 Slg. 1992, I-3061 (Mulder); EuG 16.4.1997 Slg. 1997, II-563 (Saint und Murray); s. dazu Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 66. 42 Streinz/Gellermann, EUV/AEUV, Art. 340 AEUV Rn. 8. 43 Z. B. EuG 21.3.1996 Slg. 1996, II-195 Rn. 42 f. (Farrugia); Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 58. 44 EuGH 7.11.1985 Slg. 1985, 3539 Rn. 53 (Adams); 5.10.1988 Slg. 1988, 6141 Rn. 19 (Hamill); EuG 21.3.1996 Slg. 1996, II-195 Rn. 42 f. (Farrugia); s. auch EuGH 14.5.1998 Slg. 1998, I2915 Rn. 25 (Rat/De Nil und Impens); Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 58. 45 GA Lenz, Schlussanträge zu EuGH 1.6.1994 Slg. 1994, I-1981 Rn. 70 ff. (Brazelli Lualdi); dazu Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 2.

432 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen zung voraus und erkennen auch ideelle Schäden wegen Ehrverletzungen und Rufschädigung als ersatzfähig an.46 Das Gleiche gilt für Schmerzen und Leiden, Entstellungen, Beeinträchtigungen der Empfindungsfähigkeit und des gesellschaftlichen sowie des familiären Lebens47, aber auch für Ungewissheit, Angst und Schock48. Die psychischen Belastungen durch das Verfahren, mit dem der Schadensersatzanspruch durchgesetzt wird, finden ebenfalls Berücksichtigung.49 Materielle und immaterielle Schäden erscheinen somit als gleichgestellt. Der Schadensausgleich beschränkt sich auf die Schäden des Gläubigers. EuG und EuGH haben die Entschädigung immaterieller Einbußen von Angehörigen eines Geschädigten wiederholt abgelehnt, weil es sich nur um einen mittelbaren Schaden handelt.50 Eine eingehendere Begründung erfolgt nicht. Die Schlussanträge von Generalanwalt Slynn in der Rechtssache Leussink verweisen insoweit darauf, dass es in der Union keinen allgemeinen Grundsatz gebe, wonach ideelle Schäden von Angehörigen eines Geschädigten zu ersetzen seien.51 Eine Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Regelungen bzw. der Rechtsprechung in einer großen Zahl von Mitgliedstaaten, die ein sog. Angehörigenschmerzensgeld gewähren, erfolgte nicht. Die Ausgestaltung des Entschädigungsanspruchs mag von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren, aber über das Ob der Entschädigung besteht weitgehend Einigkeit.52 Der zu entscheidende Sachverhalt war allerdings kein Todesfall, sondern eine schwere Verletzung, die zur Invalidität mit einem Grad von 75 führte. Die Rechtsprechung einiger Mitgliedstaaten gewährt (inzwischen) auch in solchen Fällen ein Angehörigenschmerzensgeld.53 Die bloßen Trauerschäden werden bei schwe-

46 EuG 26.10.1993 Slg. 1993, II-1129 Rn. 106 (Caronna); 15.6.1999 Slg. 1999, II-1825 Rn. 82 ff. (Ismeri); 6.4.2006 Slg. 2006, II-1173 Rn. 156 ff., 162 (Camós Grau); zu Rufschäden eines Unternehmens EuG 9.7.1999 Slg. 1999, II-2403 Rn. 68 (New Europe Consulting); s. auch EuG 27.6.1991 Slg. 1991, II-407 Rn. 163 (Valverde); Oliphant, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 11/57. 47 EuGH 3.2.1994 Slg. 1994, I-341 Rn. 37 (Grifoni II); s. auch zur Haftung der Gemeinschaft gegenüber Bediensteten EuGH 7.10.1982 Slg. 1982, 3493 Rn. 25 (Berti I); 8.10.1986 Slg. 1986, 2801 Rn. 20 (Leussink); EuG 3.3.2004 Slg. 2004, II-197 Rn. 178 (Vainker); s. auch Oliphant, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 11/52; Oskierski, Schadensersatz, S. 255 ff. 48 EuG 8.11.1990 Slg. 1990, II-619 Rn. 49 f. (Barbi); 8.10.1992 Slg. 1992, II-2335 Rn. 89 (Meskens); 9.8.1994 Slg. 1994, I-3757 Rn. 89 (Meskens II); 14.5.1998 Slg. 1998, I-2915 Rn. 25 (Rat/De Nil und Impens); 17.12.1998 Slg. 1998, I-4239 Rn. 108 (Embassy Limousines); Oliphant, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 11/57; zur Entschädigung für Freiheitsberaubungen EuGH 7.11.1985 Slg. 1985, 3539 Rn. 53 (Adams); EuGH 6.2.1986 Slg. 1986, 497 (Castille); EuG 24.1.1991 Slg. 1991, II-35 Rn. 49 (Latham). 49 EuG 22.3.1995 Slg. 1995, II-665 Rn. 108 (Kotzionis). 50 EuGH 8.10.1986 Slg. 1986, 2801 Rn. 22 (Leussink); EuG 3.3.2004 Slg. 2004, II-197 Rn. 210 (Vainker). 51 GA Sir Slynn, Schlussanträge zu EuGH 8.10.1986 Slg. 1986, 2801, 2819 (Leussink). 52 Siehe oben § 6.E.I.3.a., S. 331 ff. 53 Siehe oben § 6.E.I.3.a., S. 331 ff.; ausführlich dazu Kadner Graziano, ZEuP 2002, 840, 844.

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden

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ren Körperverletzungen in den Mitgliedstaaten aber nicht gleichermaßen entschädigt. Eher wäre es möglich, den Ausgleich von Schockschäden der Angehörigen, die eine eigene Körperverletzung darstellen, als allgemeinen Grundsatz anzusehen. Jedoch gewähren selbst dann nicht alle Mitgliedstaaten Schadensersatz in jedem Fall, insbesondere nicht die deutschen Gerichte.54 Die Form des Schadensausgleichs gibt Art. 340 Abs. 2 AEUV nicht ausdrücklich vor. Das Schrifttum geht zum Teil davon aus, dass eine Naturalrestitution nach dem Zweck des Haftungsrechts nicht erfolge55, wohingegen ein anderer Teil sie für möglich, aber praktisch unbedeutend hält56. In der Regel erfolgt eine Entschädigung in Geld, da eine Naturalrestitution meist nicht in Betracht kommt. In einzelnen Fällen von Ehrverletzungen hat der Gerichtshof aber zumindest eine teilweise Naturalrestitution durch Veröffentlichung des Urteils zugelassen.57 Für die verbleibenden ideellen Schäden hat er ergänzend eine Entschädigung zugesprochen. Die Entschädigung in Geld ist somit die dominierende Form des Schadensausgleichs. Neben dem Staatshaftungsrecht aus Art. 340 Abs. 2 AEUV besteht eine Haftung der Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Unionsrecht. Der Vollzug des Unionsrechts erfolgt überwiegend durch die Mitgliedstaaten, die für ihr pflichtwidriges Handeln haften. Diese Haftung richtet sich nach nationalem Recht, das jedoch den primärrechtlichen Vorgaben entsprechen muss. Hinsichtlich des Haftungsgrunds hat der EuGH seit der Rechtssache Francovich aus Art. 4 Abs. 3 EUV eine Reihe von Anforderungen entwickelt.58 Er lehnt sich dabei an Art. 340 Abs. 2 AEUV als Ausdruck eines generellen Prinzips an, das den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vertraut sei und darin wurzele, dass für die Folgen eines rechtswidrigen Aktes Wiedergutmachung verlangt werden könne59. Der Gerichtshof geht auf der Grundlage des Effektivitätsgrundsatzes von einem Kohärenzgebot aus, so dass aus der Perspektive des Marktbürgers ein stimmiges Haftungssystem bestehen muss.60 Die Ermittlung des ersatzfähigen Schadens und sein Ausgleich orientieren sich nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch am Recht der Mitgliedstaaten, solange 54

Siehe oben § 2.A.I.3., S. 66 ff. Streinz/Gellermann, EUV/AEUV, Art. 340 AEUV Rn. 30; s. auch GA Capotorti, Schlussanträge zu EuGH 14.2.1978 Slg. 1978, 371, 375 (IFG); wegen der Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane zum hoheitlichen Handeln und des damit verbundenen Eingriffs in die Kompetenz anderer Gemeinschaftsorgane. 56 Detterbeck, AöR 125 (2000), 202, 217; Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 EGV Rn. 66. 57 Klage eines Bediensteten der EU EuG 26.10.1993 Slg. 1993, II-1129 Rn. 107 (Caronna). 58 EuGH 19.11.1991 Slg. 1991, I-5357 Rn. 38 ff. (Francovich); 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 39 (Brasserie du Pêcheur). 59 EuGH 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 40 ff. (Brasserie du Pêcheur). 60 EuGH 4.7.2000 Slg. 2000, I-5291 Rn. 41 (Bergaderm); Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 340 AEUV Rn. 39; Streinz/Gellermann, EUV/EGV, Art. 288 Rn. 2; Schwarze/Berg, EUKommentar, Art. 288 Rn. 3. 55

434 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen keine Regelungen im Unionsrecht bestehen.61 Das Schadensersatzrecht muss insoweit den Vorgaben aus Art. 4 Abs. 3 AEUV entsprechen und dem Effizienz- und Äquivalenzgrundsatz genügen.62 Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs darf daher nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert sein.63 Zudem darf der Schadensausgleich nicht hinter vergleichbaren Regelungen des nationalen Rechts zurückbleiben.64 Im Grundsatz geht der EuGH angesichts des Effizienzgrundsatzes davon aus, dass der Schadensausgleich die materiellen und immateriellen Schäden umfasst.65 Die Entschädigung setzt einen Schaden voraus66 und muss ihrerseits angemessen sein, um einen effektiven Schutz der Rechte des Einzelnen zu gewährleisten67. Sie orientiert sich am Umfang des erlittenen Schadens.68 Es gilt als unvereinbar mit Art. 4 Abs. 3 EUV, wenn die Entschädigung des entgangenen Gewinns vollständig ausgeschlossen ist.69 Aus den Entscheidungen lässt sich indes nicht entnehmen, ob eine vollständige Wiedergutmachung aller Schäden erfolgen muss. Insofern geht das Schrifttum davon aus, dass Einschränkungen für den Schadensausgleich grundsätzlich zulässig sind.70 Die Schadensersatzansprüche können auf Schäden infolge bestimmter Rechtsgutsverletzungen oder durch Ausschlussfristen für die Geltendmachung der Ansprüche beschränkt sein. Im Einzelfall müssen sie sich jedoch stets an den Vorgaben des Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatzes nach Art. 4 Abs. 3 AEUV messen lassen.71

61 EuGH 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 83, 90 (Brasserie du Pêcheur); 10.7.1997 Slg. 1997, I-4051 Rn. 37 (Maso). 62 Siehe oben § 8.A.I., S. 424 ff.; vgl. auch Rebhahn, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 9/80, 82. 63 EuGH 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 74, 90 (Brasserie du Pêcheur); 10.7.1997 Slg. 1997, I-4051 Rn. 37 (Maso); 10.7.1997 Slg. 1997, I-3969 Rn. 49 (Bonifaci); 10.7.1997 Slg. 1997, I-4025 Rn. 27 (Palmisani); Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 340 AEUV Rn. 71; Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 99. 64 EuGH 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 83, 90 (Brasserie du Pêcheur); 10.7.1997 Slg. 1997, I-4051 Rn. 37 (Maso); 10.7.1997 Slg. 1997, I-3969 Rn. 49 (Bonifaci); 10.7.1997 Slg. 1997, I-4025 Rn. 27 (Palmisani); Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 340 AEUV Rn. 71; Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 99. 65 Rebhahn, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 9/83. 66 Schwarze/Berg, EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 97; Streinz/Gellermann, EUV/AEUV, Art. 340 AEUV Rn. 56. 67 EuGH 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 82, 90 (Brasserie du Pêcheur); 10.7.1997 Slg. 1997, I-4051 Rn. 41 (Maso); 10.7.1997 Slg. 1997, I-3969 Rn. 48 (Bonifaci); Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Art. 340 AEUV Rn. 72. 68 Rebhahn, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 9/82. 69 EuGH 5.3.1996 Slg. 1996, I-1029 Rn. 87, 90 (Brasserie du Pêcheur); bestätigend EuGH 13.7.2006 Slg. 2006, I- 6619 Rn. 95 f., 100 (Manfredi). 70 Rebhahn, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 9/82. 71 EuGH 10.7.1997 Slg. 1997, I-4025 Rn. 27 (Palmisani); Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 340 AEUV Rn. 71.

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden

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B. Vorgaben des Sekundärrechts der Europäischen Union I. Vorgaben aus den Richtlinien zur Harmonisierung innerhalb des Vertragsrechts 1. Überblick über die Vorgaben zum Schadensausgleich Das europäische Sekundärrecht enthält keine vereinheitlichenden Bestimmungen für das allgemeine Schadensersatzrecht der Mitgliedstaaten. Eine unmittelbare Ergänzung des Haftungsrechts der Mitgliedstaaten durch Schadensersatzansprüche erfolgt nur durch die Verordnung (EG) Nr. 261/ 2004, die der Verspätung, Annullierung und Nichtbeförderung von Fluggästen entgegenwirken soll und im Fall von Nichtbeförderung und Annullierung den Fluggästen einen direkten Ausgleichsanspruch gegen die Fluggesellschaft gewährt.72 Es handelt sich um einen pauschalierten Ausgleichsanspruch, bei dem streitig ist, ob es sich um eine reine Schadenspauschalierung oder (zugleich) um eine bewusst über den Schadensausgleich hinausgehende Sanktion handelt.73 Gegen die Qualifikation des Anspruchs als Sanktion oder Strafschadensersatz spricht jedoch der Wortlaut der Verordnung („Ausgleichszahlung“) und die Höhe des Ausgleichsbetrags, der niedriger ist als noch im Entwurf der Kommission74 und damit dem potentiellen Schaden angepasst wurde, was zumindest indiziell gegen den Sanktionscharakter spricht. Darüber hinaus hat der Strafschadensersatz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine Tradition.75 Die Pauschale ist zudem auf die im Übrigen bestehenden Schadensersatzansprüche anzurechnen, was einer selbständigen Sanktionsfunktion widerspricht.76 Der Anspruch auf Ausgleichszahlung ist somit ein pauschalierter Schadensersatzanspruch. Insoweit besteht Einigkeit, dass sich dieser Anspruch nicht auf die Vermögensschäden beschränkt. Gleiches gilt für die Entschädigungsansprüche zugunsten der Fahrgäste von Eisenbahnen nach Art. 17 Abs. 1, 3 VO (EG) Nr. 1371/2007. Darüber hinaus harmonisiert das Sekundärrecht mittels Richtlinien punktuell das nationale Recht. Das dient insbesondere dem Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und der Herstellung des gemeinsamen Binnenmarkts. Das hat vor allem im Verbraucherschutzrecht zu einer weitgehenden Rechtsangleichung geführt. Auf die Richtlinie zu den Haustürgeschäften folgten die Richtlinien zu den Verbraucherkrediten, den missbräuchlichen Klauseln und zu

72

Präambel Nr. 9, 12, Art. 4 Abs. 3, 5 Abs. 1 lit. c, 7 VO (EG) Nr. 162/2004. Siehe oben § 2.C.IV., S. 120 ff. 74 Vorschlag vorgelegt am 21.12.2001, KOM (2001) 784 endg., ABl. EG Nr. C 103 E v. 30.4.2002, S. 225. 75 Ausführlich dazu § 6.F.III., S. 388 f. 76 Siehe oben § 2.C.IV., S. 119. 73

436 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Teilzeitwohnrechten sowie zum Fernabsatz.77 Schließlich erfolgte eine (Mindest-)Harmonisierung des Rechts der Pauschalreisen, des Verbrauchsgüterkaufs sowie des elektronischen Geschäftsverkehrs.78 Über das Verbraucherschutzrecht hinaus wurden die Bestimmungen zum Zahlungsverzug und zu den Finanzdienstleistungen (Überweisungen, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen) in Richtlinienform geregelt.79 Insoweit bedarf es stets der mitgliedstaatlichen Transformation in nationales Recht. Diese Richtlinien enthalten, abgesehen von Art. 5 Pauschalreiserichtlinie (90/314/EWG), keine expliziten Regelungen zum Schadensersatz oder zum Ausgleich immaterieller Schäden im Besonderen. Die Richtlinie 1999/44/ EWG zum Verbrauchsgüterkauf hat bewusst keinen Schadensersatzanspruch in die Verkäuferrechte aufgenommen.80 In der Regel ist den Mitgliedstaaten nur aufgegeben, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung des nationalen Rechts sicherzustellen, das die Richtlinie umsetzt.81 Soweit die Richtlinien eigene Bestimmungen über die Sanktion von Verstößen enthalten, ist bestimmt, dass die Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss.82 Für den Ausgleich ideeller Schäden ergeben sich daraus nur dann Vorgaben, wenn sich die Mitgliedstaaten für einen Schadensersatzanspruch als Sanktion entschieden haben. Insoweit ist von Bedeutung, ob der Schadensersatzanspruch angesichts der Richtlinie einen rein kompensatorischen Charakter haben kann oder ob eine abschreckende Sanktion i. S. dieser Vorschrift nur vorliegt, wenn ein überkompensatorischer Schadensersatz in Form eines Strafschadensersatzes zugesprochen werden kann, um weiteren Rechtsverletzungen vorzubeugen. Hierauf ist im Zusammenhang mit den Antidiskriminierungsrichtlinien einzugehen.83 Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen 77 Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985, ABl. EG Nr. L 372 v. 31.12.1985, S. 31; Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22.12.1986, ABl. EG Nr. L 42 v. 12.2.1987, S. 48; ersetzt durch Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008, ABl. EU Nr. L 133 v. 22.5.2008, S. 66; Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993, ABl. EG Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29; Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.1994, ABl. EG Nr. L 280 v. 29.10.1994, S. 83; Richtlinie 97/7/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1999, ABl. EG Nr. L 144 v. 4.6.1997, S. 19. 78 Richtlinie 90/314/EWG des Rates v. 13.6.1990, ABl. EG Nr. L 158 v. 23.6.1990, S. 59; Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. L 171 v. 7.7.1999, S. 12; Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2000, ABl. EG Nr. L 178 v. 17.7.2000, S. 1. 79 Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.6.2000, ABl. EG Nr. L 200 v. 8.8.2000, S. 35; Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.9.2002, ABl. EG Nr. L 271 v. 9.10.2002, S. 16. 80 Erwägungsgrund 6 Richtlinie 1999/44/EG. 81 Z. B. Art. 7 Richtlinie 93/13/EWG; Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 85/577/EWG. 82 Vgl. z. B. Art. 20 Richtlinie 2000/31/EG, Art. 11 Richtlinie 2002/65/EG, die eine angemessene Sanktion zur Ahndung von Verstößen des Anbieters verlangen, die ihrerseits wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss. 83 Siehe unten § 8.B.III., S. 451 ff.

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden

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zur wortgleichen Bestimmung der Richtlinie 76/207/EWG herausgearbeitet, welche Anforderungen an einen solchen Schadensersatzanspruch bestehen.84 Diese Richtlinienauslegung basiert auf dem Effektivitätsgrundsatz aus Art. 4 Abs. 3 EUV, der bei der Auslegung zu berücksichtigen ist. Daher lassen sich die Auslegungsergebnisse auf andere Richtlinien übertragen. Eine verdeckte Regelung, die einen Ausgleich für Nichtvermögensschäden gewährt, scheint in Art. 3 Abs. 5 Spiegelstrich 3 der Richtlinie 1999/44/EG zum Verbrauchsgüterkauf enthalten. Die Richtlinie regelt zwar nicht eigens einen Schadensersatzanspruch für den Käufer einer mangelhaften Sache, sie lässt aber eine Minderung des Kaufpreises zu, wenn die Abhilfe durch den Verkäufer mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verbunden war. Somit ist das Herabsetzen des Kaufpreises nicht nur zulässig, wenn das Äquivalenzverhältnis durch den geminderten Wert der Kaufsache gestört ist, sondern auch bei einer vollständigen Abhilfe, solange sie mit Unannehmlichkeiten für den Käufer einherging. Riesenhuber sieht in der Minderung des Kaufpreises in solchen Fällen einen verdeckten Schadensersatz, insbesondere für die immateriellen Einbußen des Käufers während der Abhilfe (z. B. durch Baulärm, belästigende Gerüche, vertane Freizeit).85 Die Regelung kann indes auch so verstanden werden, dass sich der Wert der Leistung für den Käufer mindert, wenn sie nicht vertragsgemäß geleistet wird und erst nach der Abhilfe, die mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden war, Erfüllung eingetreten ist. Das verweist darauf, dass für die Kaufentscheidung nicht allein die Qualität der Kaufsache und der Preis maßgeblich sind, sondern auch die reibungslose Abwicklung des Vertrags. So verstanden enthält Art. 3 Abs. 5 Spiegelstrich 3 der Richtlinie 1999/44/EG keinen verdeckten Schadensersatzanspruch, sondern eine Erweiterung des Maßstabs für das Äquivalenzverhältnis, so dass sich dieser nicht auf den Wert von Leistung und Gegenleistung beschränkt. Dafür spricht, dass die Richtlinie nicht auf Schäden, sondern lediglich auf Unannehmlichkeiten für den Käufer (inconvenience, inconvénient) Bezug nimmt. Diese Terminologie ist weder im Recht der Mitgliedstaaten noch im Unionsrecht üblich, um Schäden und ihren Ersatz zu bezeichnen. Zudem ist die Alternative zur Minderung nach Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie die Vertragsauflösung, mit der der Käufer auf die Störungen bei der Vertragsabwicklung und die Beeinträchtigung des Äquivalenzverhältnisses reagieren kann. Das spricht ebenfalls dafür, die Bestimmung auf das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu beziehen, statt in ihr einen Anspruch auf Ersatz von immateriellen Folgeschäden zu sehen.

84 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 23, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 23, 28 (Harz); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 31 f. (Marshall II); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22 (Draehmpaehl). 85 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, S. 287.

438 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen 2. Zum Ersatz immaterieller Schäden nach Art. 5 Abs. 2 Richtlinie 90/314/EWG Die Pauschalreiserichtlinie (90/314/EWG) bestimmt in Art. 5 Abs. 2 allgemein, dass die Mitgliedstaaten dem Reiseveranstalter die Haftung für Schäden unter den dort genannten Voraussetzungen auferlegen müssen. Den Schadensbegriff der Richtlinie legte der EuGH in der Entscheidung Leitner/TUI autonom aus und entwickelte ein weites Begriffsverständnis, das die materiellen und immateriellen Schäden gleichermaßen erfasst.86 Der Wortlaut beziehe sich auf Schäden, ohne zwischen beiden Schadensarten zu differenzieren. Zudem unterscheide Art. 5 Abs. 2 im Unterabsatz 4 zwischen Körper- und Nichtkörperschäden, von denen offenbar auch ideelle Schäden erfasst seien. Zuvörderst verweist der EuGH aber darauf, dass die Richtlinie Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Schadensersatzansprüche abbauen solle und dem Verbraucherschutz diene.87 Diese Ziele ließen sich nur erreichen, wenn sich Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie nicht auf Vermögensschäden beschränke, sondern auch Nichtvermögensschäden einbeziehe, deren Entschädigung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet sei.88 Diese Rechtsprechung hat in der deutschen Literatur Kritik hervorgerufen.89 Art. 5 Abs. 2 Richtlinie 90/314/EWG sei eine sehr knappe Regelung zum Schadensersatz. Das spreche dagegen, sie im Sinne eines umfassenden Ausgleichs aller Schäden auszulegen, zumal die Richtlinie nur eine Mindestharmonisierung anstrebe.90 Einen anderen Schluss lasse auch Unterabsatz 4 nicht zu, der lediglich zwischen Körper- und Nichtkörperschäden unterscheide und die vertragliche Beschränkung des Schadensersatzes für beide Schadensarten in unterschiedlichem Maße erlaube. Daraus ergebe sich nicht eindeutig, dass zu den Körperschäden auch Nichtvermögensschäden wie Schmerzen und Leiden zählen.91 In der Tat lässt die Differenzierung zwischen Körperschäden und sonstigen Schäden noch keinen Rückschluss auf die Einbeziehung ideeller Schäden zu. Allerdings werden in den Mitgliedstaaten Schmerzen und Leiden infolge einer Körperverletzung übereinstimmend entschädigt.92 Insofern besteht ein hohes Maß an Konvergenz, so dass die Einbeziehung der Nichtvermögensschäden insoweit als allgemeiner Grundsatz anzusehen ist. Zudem indiziert die Kürze der Regelung keineswegs, dass ideelle 86

EuGH 12.3.2002 Slg. 2002, I-2631 Rn. 24 (Leitner/TUI). EuGH 12.3.2002 Slg. 2002, I-2631 Rn. 20 (Leitner/TUI). 88 EuGH 12.3.2002 Slg. 2002, I-2631 Rn. 23 (Leitner/TUI). 89 Doehner, EuZW 2002, 340, 341 f.; Tonner/Lindner, NJW 2002, 1475 f.; Tonner, EuZW 2002, 1475 f. 90 Doehner, EuZW 2002, 340, 341; Tonner, EuZW 2002, 1475, 1476; s. auch krit. Jud, ecolex 2002, 307 f. 91 Doehner, EuZW 2002, 340, 341; Tonner/Lindner, NJW 2002, 1475; s. auch Jud, ecolex 2002, 307. 92 Dazu Rogers, in: Rogers, Damages, S. 245, 247. 87

§ 8 Die Vorgaben des Unionsrechts für den Ersatz immaterieller Schäden

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Schäden vom Schadensausgleich ausgenommen sind. Inhaltlich liegt gerade eine weite Regelung ohne Unterscheidung nach der Schadensart vor, was für die Einbeziehung aller Schadensarten spricht. Das erscheint im Gegenschluss zur Harmonisierung der Produkthaftung nach der Richtlinie 85/374/EWG stimmig, die in Art. 9 den Schadensbegriff für die Richtlinie konkretisiert und dabei explizit die immateriellen Schäden dem Recht der Mitgliedstaaten überlässt.93 Beschränkte sich der Schadensbegriff im Unionsrecht an sich auf die Vermögensschäden, wäre eine solche Begrenzung nicht erforderlich gewesen. Die Pauschalreiserichtlinie folgte der Produkthaftungsrichtlinie nach, so dass dem Unionsgesetzgeber die Unterscheidung der Schadensarten und die Möglichkeit, die immateriellen Schäden von der Entschädigung auszunehmen, bewusst gewesen sein muss. Eine solche Schlussfolgerung lehnt die Literatur indes ab, da die Produkthaftungsrichtlinie nur eine punktuelle Regelung sei und den Schadensbegriff nicht allgemein klären wollte.94 Dem ist entgegenzuhalten, dass spätere Regelungen zur Schadensersatzhaftung dennoch vor dem Hintergrund der bestehenden Richtlinien erfolgen. Daher müssen sie bei ihrer Wortwahl das bis dahin in anderen Richtlinien zugrunde gelegte Verständnis berücksichtigen und gegebenenfalls mit einer Definition oder Klarstellung reagieren, sofern es sich um einen genuin europarechtlichen Begriff und nicht um einen Verweis auf die Rechtsbegriffe der Mitgliedstaaten handelt. Zudem ist auf das weite Verständnis des Schadensbegriffs in anderen Zusammenhängen des europäischen Rechts Rücksicht zu nehmen. Die Produkthaftungsrichtlinie gehörte zu den ersten Richtlinien der Privatrechtsharmonisierung im Unionsrecht und war daher hinsichtlich des immateriellen Schadens zurückhaltend. Der EuGH gewährte jedoch im Rahmen des europäischen Staatshaftungsrechts in der Folgezeit stets eine Entschädigung für materielle und immaterielle Schäden.95 In den Rechtssachen von Colson und Kamann sowie Harz sprach der Gerichtshof ebenfalls aus, dass sich der Schadensersatz in Diskriminierungsfällen nicht auf einen symbolischen Schadensersatz und den Ausgleich von Vermögensschäden beschränken könne, sondern alle, insbesondere die immateriellen Schäden auszugleichen seien.96 Diese Entwicklung betraf zwar nicht die Rechtsangleichung im Vertragsrecht, zu dem das Pauschalreiserecht gehört. Sie zeigt aber, dass sich der Schadensbegriff im Unionsrecht keineswegs per se auf Vermögensschäden beschränkt, auch wenn in einigen Mitgliedstaaten – vor allem in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 2. Schadensersatz93

Tonner, EuZW 2002, 1475 f. Doehner, EuZW 2002, 340, 341. 95 EuGH 7.11.1985 Slg. 1985, 3539 Rn. 53 (Adams); 5.10.1988 Slg. 1988, 6141 Rn. 19 (Hamill); EuG 21.3.1996 Slg. 1996, II-195 Rn. 42 f. (Farrugia); s. auch EuGH 14.5.1998 Slg. 1998, I2915 Rn. 25 (Rat/De Nil und Impens); krit. zur Bezugnahme auf das Staatshaftungsrecht als deliktische Haftung Doehner, EuZW 2002, 340, 341. 96 Siehe oben § 8.B.III.1., S. 451 ff. 94

440 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen rechtsreformgesetz – der Ersatz ideeller Schäden bei der vertraglichen Haftung eine eher untergeordnete Rolle spielte. Das ist bei der Auslegung der Pauschalreiserichtlinie ebenso zu bedenken wie der Gegenschluss zu Art. 9 Produkthaftungsrichtlinie (85/374/EWG). Beides spricht für ein weites Begriffsverständnis. Dieses Ergebnis stützt der Zweck der Richtlinie, auf den der EuGH maßgeblich abhebt und der in der Vereinheitlichung des Schadensersatzes zum Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen und dem Verbraucherschutz besteht.97 Damit führt er im Grunde seine Rechtsprechung zum Effektivitätsgrundsatz (Art. 4 Abs. 3 EUV) fort.98 Um die Einbeziehung immaterieller Schäden in den Schadensausgleich nach Art. 5 Abs. 2 Richtlinie 90/314/EWG zu begründen, bedarf es keiner dynamisch-evolutiven Auslegung wie im Völkerrecht, die das gewandelte Verständnis der Vertragsstaaten in die Auslegung einbezieht, so dass sich der Bedeutungsgehalt der Regelung mit Zeitablauf ändert.99 Selbst zu dem Zeitpunkt, als die Richtlinie geschaffen wurde, bestand aus rechtsvergleichender Sicht gerade beim Ausgleich von verdorbenem Urlaub in den Mitgliedstaaten mit wenigen Ausnahmen die Überzeugung, dass eine Entschädigung zu gewähren ist. Auch die internationalen Übereinkommen zum Verkehrsrecht beschränken den Schadensersatzanspruch nicht auf materielle Schäden.100 Dagegen wird zwar eingewandt, dass eine Verallgemeinerung des Höchstmaßes an Schutz erfolge, obwohl die Richtlinie nur eine Mindestharmonisierung bezwecke.101 Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die weite Auslegung des Schadensersatzbegriffs nicht zu einer Vollharmonisierung des Pauschalreiserechts führt. Die Mitgliedstaaten können die Rechtsposition der Reisenden zusätzlich verbessern. Eine Mindestharmonisierung schließt zudem nicht aus, dass ein Mitgliedstaat in einzelnen Punkten seinen Rechtsschutz zugunsten des Verbrauchers erweitern muss. Im Ergebnis ist der Entscheidung des EuGH zuzustimmen, die auch durch die nachfolgende Entwicklung nicht in Frage gestellt wurde. Vielmehr erstrecken sich alle späteren Regelungen zum Schadensersatz gleichermaßen auf materielle wie immaterielle Schäden, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt wurde oder der Schadensersatz vollständig ausgeklammert ist102. Dies kommt auch in den Vorschlägen zur Rechtsvereinheitlichung zum Ausdruck.

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Präambel Richtlinie 90/314/EWG. Siehe oben § 8.A.I., S. 424 ff. 99 Krit. zu dieser Auslegung Tonner, ZEuP 2003, 623, 627 f. 100 Z. B. Warschauer Abkommen 1929, Berner Übereinkomm 1961, Athener Übereinkommen 1974, Übereinkommen von Montreal 1999; s. auch die rechtsvergleichenden Ausführungen in den Schlussanträgen des GA Tizziano, Slg. 2002, I-2631 Rn. 40 ff. 101 Doehner, EuZW 2002, 340, 341; Tonner/Lindner, NJW 2002, 1475, 1476. 102 Richtlinie 1999/44/EG, ABl. EG 1999 Nr. L 171 v. 25.5.1999, S. 12. 98

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II. Vorgaben aus den Richtlinien zur deliktischen Haftung 1. Überblick über die Vorgaben zum Schadensausgleich Das Deliktsrecht ist – unabhängig von den internationalen Übereinkommen – bisher nur in Teilbereichen durch europäische Richtlinien harmonisiert, ohne dass ein systematisches Deliktsrecht entwickelt wurde. Im Jahre 1985 trat die Richtlinie zur Produkthaftung103 in Kraft, die aber in Art. 9 Abs. 2 den Ausgleich immaterieller Schäden wegen der erheblichen Abweichungen zwischen den nationalen Rechtsordnungen ausnimmt.104 Die Gewährung eines Schmerzensgelds und die Wiedergutmachung anderer seelischer Schäden bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Auch die Umwelthaftungsrichtlinie, die auf die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden ausgerichtet ist, regelt die Entschädigung von immateriellen Einbußen nicht. Der Ausgleich von Personenschäden, einschließlich der ideellen Schäden, die aus gesundheitsschädigenden Umweltbeeinträchtigungen resultieren, ist ausgeklammert. Eigene Schadensersatzregelungen enthält Art. 23 der Richtlinie 95/46/EG zum Datenschutz, auf deren Rechtsfolgenbestimmungen auch Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2002/58/EG verweist. Der Ausgleich immaterieller Schäden ist nicht ausgeschlossen und der Gesetzgeber hat die Richtlinie durch Schadensersatzansprüche für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden in § 8 BDSG und in der deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 1, 2 BGB umgesetzt.105 Die Entschädigung der immateriellen Einbußen stützt sich auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die aus der Verletzung des Datenschutzes folgt.106 Wesentliche Impulse für den Schutz der Immaterialgüterrechte und die Diskussion über die Prävention durch Schadensersatz gehen in jüngerer Zeit von der Richtlinie 2004/48/EG107 zum Schutz des geistigen Eigentums aus, die spezielle Vorgaben zum Schadensersatz enthält und den Ausgleich immaterieller Schäden einbezieht. Die Richtlinie steht neben dem TRIPS-Abkommen und regelt den Schadensersatz detaillierter als Art. 45 TRIPS.108 Das 103

Richtlinie 85/374/EWG v. 25.7.1985, ABl. EG Nr. L 210 v. 7.8.1985, S. 29. Vgl. Art. 5 CISG, der die Produkthaftung wegen der Divergenzen zwischen den Vertragsstaaten vollständig vom UN-Kaufrecht ausnimmt, s. dazu § 7.A.III., S. 395 f. 105 Wuermeling, DB 1996, 663, 670. 106 Siehe oben § 2.A.VI.3., S. 96 ff. 107 Richtlinie 2004/48/EG v. 29.4.2004, ABl. EU Nr. L 157 v. 30.4.2004, S. 45. 108 Art. 45 TRIPS-Abkommen: „1. The judicial authorities shall have the authority to order the infringer to pay the right holder damages adequate to compensate for the injury the right holder has suffered because of an infringement of that person’s intellectual property right by an infringer who knowingly, or with reasonable grounds to know, engaged in infringing activity. 2. The judicial authorities shall also have the authority to order the infringer to pay the right holder expenses, which may include appropriate attorney’s fees. In appropriate cases, Members may authorize the judicial authorities to order recovery of profits and/or payment of pre-established damages even where the infringer did not knowingly, or with reasonable grounds to know, engage in infringing activity.“. 104

442 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Richtlinienziel ist eine Mindestharmonisierung für den Schutz des geistigen Eigentums, um im Wege der Rechtsangleichung Wettbewerbsverzerrungen abzubauen.109 Zudem soll die Durchsetzung der Immaterialgüterrechte verbessert werden.110 2. Zum Schadensersatz nach der Richtlinie 2004/48/EG a) Einbeziehung der immateriellen Schäden Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2004/48/EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten den Ausgleich des erlittenen „tatsächlichen Schadens“ durch einen angemessenen Schadensersatz sicherstellen müssen. Der Schadensersatzanspruch setzt somit grundsätzlich das Vorliegen eines Schadens voraus.111 Art. 13 Richtlinie 2004/ 48/EG definiert den Schadensbegriff der Richtlinie nicht und nimmt auch nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten Bezug. Es handelt sich um einen unionsrechtlichen Begriff, der somit der autonomen Auslegung bedarf.112 Art. 13 Abs. 1 lit. a nimmt für die Festsetzung des Schadensersatzes ausdrücklich auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Rechtsverletzung und die immateriellen Schäden des Rechtsinhabers Bezug. Daher ist von einem weiten Schadensbegriff auszugehen, der Vermögens- und Nichtvermögensschäden erfasst, auch wenn letztere nicht immer ersatzfähig sind. Einzelne Schadenspositionen, die in den Kreis der immateriellen Schäden gehören, zählt die Richtlinie nicht auf.113 Das bleibt den Mitgliedstaaten überlassen114, die aber auch eine allgemeine Regelung treffen können115. Das vorrangige Abstellen der Richtlinie auf Vermögensschäden signalisiert, dass der Richtliniengeber davon ausging, dass grundsätzlich der Ersatz des materiellen Schadens genügt und ein Bedürfnis nach Entschädigung immaterieller Einbußen nur besteht, wenn das verletzte Immaterialgüterrecht eine besonders enge Beziehung zum Persönlichkeitsrecht des Schöpfers aufweist.116 Gerade bei gewerblichen Schutzrechten hat das Persönlichkeitsrecht des Er109

Erwägungsgründe 7, 26 Richtlinie 2004/48/EG. Erwägungsgründe 1, 3, 9 sowie Art. 1 Richtlinie 2004/48/EG. 111 Dazu v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 461, der aber bei der Festsetzung des Schadensersatzes anhand des Verletzergewinns und der Lizenzanalogie keinen Schaden des Anspruchsinhabers voraussetzt. 112 EuGH 7.12.2006 Slg. 2006, I-11562 Rn. 31 (SGAE/Rafael) (Entscheidung zu Art. 3 Richtlinie 2001/29/EG: „… Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen sind“); v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460. 113 Krit. Reich, Liber Amicorum Alpa, S. 846, 866 (Art der einbezogenen ideellen Schäden unklar). 114 Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 205. 115 Kein Umsetzungsbedarf im nationalen Recht Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 303 f. 116 Ähnlich Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 206; s. auch Metzger, Schutz, S. 195. 110

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finders eine geringere Bedeutung als beim Urheberrecht.117 Insofern spielt der Ausgleich der ideellen Schäden eher eine untergeordnete Rolle. Für die Bemessung der Entschädigung wegen ideeller Schäden macht die Richtlinie keine konkreten Vorgaben. Zum Teil wird daher vorgeschlagen, bei der Umsetzung ins nationale Recht eine Regelung zu schaffen, die es erlaubt, eine doppelte Lizenzgebühr zuzusprechen, um zugleich die materiellen und die immateriellen Schäden auszugleichen.118 Dieser Vorschlag wurde indes nicht Gesetz. Soweit sich der Schadensersatz anhand der erlittenen materiellen und immateriellen Schäden bestimmt, zielt der Schadensersatzanspruch auf Schadensausgleich. Das entspricht auch dem Ziel der Richtlinie.119 Darüber hinaus kann der Verletzergewinn berücksichtigt oder eine Schadenspauschale in Höhe der Lizenzgebühr festgesetzt werden. Daher gab die Richtlinie Anlass zu der Überlegung, ob und inwieweit ein überkompensatorischer Entschädigungsanspruch mit Präventionsfunktion eingeführt werden sollte. b) Selbständige Präventionsfunktion oder Straffunktion des Schadensersatzes Die Richtlinie 2004/48/EG gab vor allem wegen ihrer Zwecksetzung und der Ausgestaltung des Art. 13 Abs. 1 Anlass zu der Überlegung, ob und inwieweit der Schadensersatz über den Schadensausgleich hinausgehen muss und ihm eine (selbständige) Präventionsfunktion zukommt. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie soll zum einen eine Rechtsangleichung zum Abbau von Wettbewerbsverzerrungen erfolgen, zum anderen die Durchsetzung der Immaterialgüterrechte verbessert werden.120 Die allgemeine Bestimmung in Art. 3 verpflichtet daher die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zur Durchsetzung des Rechts am geistigen Eigentum vorzusehen (Abs. 1), die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind (Abs. 2). Diese Formulierung entspricht dem Effektivitätsgrundsatz und den allgemeinen Anforderungen an eine Sanktion zur Durchsetzung des Unionsrechts, wie sie sich im Zusammenhang mit der Richtlinie 76/207/EWG entwickelt haben. Die Rechtsbehelfe müssen präventive Wirkung entfalten. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie gilt zum Teil als entscheidende Regelung, die zur 117

Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 206. Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 229; Metzger/Wurmnest, ZUM 2003, 922, 931 f. (auf vorsätzliche Rechtsverletzungen beschränkend); Kur, FS Kolle/Stauder, S. 365, 367; Haft/ Donle/Ehlers/Nack, GRUR Int. 2005, 403, 406; Tilmann, GRUR 2003, 647, 651; s. auch GRUR-Stellungnahme, GRUR 2003, 682, 684; eine Prävention über den Schadensausgleich hinaus befürwortend Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 708; s. auch OLG Düsseldorf 9.5.2006 NJWRR 2007, 486, 487 (charakterisiert den Aufschlag als Vertragsstrafe); krit. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 784; abl. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 464, weil die generelle Festsetzung auf die doppelte Lizenzgebühr dem Verbot des Strafschadensersatzes widerspreche. 119 Erwägungsgrund 26 Richtlinie 2004/48/EG. 120 Erwägungsgründe 1, 3, 9 sowie Art. 1 Richtlinie 2004/48/EG. 118

444 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Einführung des Präventionsgedankens in das europarechtliche Sanktionensystem zum Schutz des geistigen Eigentums führe.121 Die Vorstellung, dass die Sanktion von Verstößen gegen das Unionsrecht bzw. das nationale Recht, das der Umsetzung einer Richtlinie dient, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss, hat sich jedoch schon vorher entwickelt.122 Die Besonderheit beim Schutz des geistigen Eigentums besteht aber darin, dass die Rechtsverletzung häufig mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt und der bloße Schadensausgleich somit nicht genügt. In Erwägungsgrund 26 stellt die Richtlinie klar, dass die Festsetzung des Schadensersatzes nach ihren Maßgaben nicht die Einführung eines Strafschadensersatzes bezweckt, sondern dass es sich um einen Ausgleichsanspruch handelt, dessen Höhe auf objektiver Grundlage festzusetzen ist und die Kosten des Rechtsinhabers bei der Rechtsverfolgung berücksichtigt.123 Die Zahlung erfolgt zur Entlastung des Geschädigten von den Kosten und nicht ausschließlich zur Bestrafung oder zur Verhaltenssteuerung. Die Schadensersatzbestimmung in Art. 13 Richtlinie 2004/48/EG trägt somit den gleichen Zielkonflikt wie Art. 45 TRIPS in sich. Sie regelt grundsätzlich einen kompensatorischen Schadensersatz und soll zugleich die Abschreckung zukünftiger Rechtsverletzungen sicherstellen. Dazu genügt bei lukrativen Delikten der Schadensausgleich indes nicht.124 Sofern der Verletzer einen höheren Gewinn erzielt, als der Rechtsinhaber einen Schaden erleidet, muss das Recht eine Sanktion bereit halten, deren Nachteile die Vorteile des Delikts zumindest neutralisiert, um tatsächlich eine verhaltenssteuernde Wirkung zu erreichen.125 Die Literatur erwägt angesichts der Vorgaben in Art. 3 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie, ob und inwieweit auf der Grundlage des Schadensersatzanspruchs eine überkompensatorische Entschädigung gewährt werden kann, ohne dass ein Strafschadensersatz besteht, dem die Richtlinie widerspricht.126

121 Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 222 (verweisen zugleich auf eine Umsetzung durch eine die Schadensersatzbestimmung übersteigende Regelung). 122 Siehe § 8.A.I., B.III., S. 424 ff., 451 ff. 123 Metzger, Schutz, S. 121; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 461; s. auch Bodewig/ Wandtke, GRUR 2008, 220, 221 f.; Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 707, die die Richtlinie indes so auslegen, dass sie einen überkompensatorischen Schadensersatz zulässt. 124 Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 198 f.; Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 707; s. auch Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 222; krit. zur Ungenauigkeit des Art. 17 des Richtlinienvorschlags Metzger/Wurmnest, ZUM 2003, 922, 932. 125 Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 707, der verlangt, dass die Sanktion die Vorteile für den Verletzer erheblich überwiegen muss. Er erwägt daher eine Abführung des Verletzergewinns an die Allgemeinheit im Wege einer Geldbuße und einer überkompensatorischen Schadensersatzanspruch zur Gewinnabschöpfung. 126 Z. B. Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, § 139 Rn. 63a; Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 222 ff.; Lehmann, GRUR Int. 2004, 762, 762 f.; Tetzner, GRUR 2009, 6, 7 ff.; Weiden, GRUR 2007, 304; s. auch Stellungnahme der GRUR, GRUR 2005, 747.

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Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG regelt den Schadensersatz des verletzten Rechtsinhabers und differenziert dabei nicht nach der Schadensart, sondern danach, ob der Handelnde wusste oder wissen musste127, dass er das geistige Eigentum eines anderen verletzt. Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2004/48/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, einen angemessenen Schadensersatz zu regeln. Der Schadensersatz ist bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Rechtsverletzers nach Art. 13 Abs. 1 S. 2 lit. a der Richtlinie von den Gerichten unter Berücksichtigung aller negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich des entgangenen Gewinns und des Verletzergewinns, festzusetzen. Daneben sind in geeigneten Fällen auch andere als die wirtschaftlichen Faktoren, insbesondere die immateriellen Schäden des Rechtsinhabers, einzubeziehen. Alternativ kann das Gericht nach Art. 13 Abs. 1 S. 2 lit. b der Richtlinie in geeigneten Fällen den Schadensersatz als Pauschalbetrag festsetzen, der mindestens der üblichen Vergütung für die Nutzung des verletzten Rechts entsprechen muss. Der Schadensersatz löst sich damit von der konkreten Schadensberechnung, um die Durchsetzung des Anspruchs und somit den Schutz des geistigen Eigentums sicherzustellen. Gleichwohl soll es sich nach der Vorstellung des Richtliniengebers nicht um einen Strafschadensersatz handeln.128 Damit bestätigt sich zum einen, dass der Strafschadensersatz im europäischen Recht keine Tradition hat. Zum anderen strebt die Richtlinie eine Verhaltenssteuerung an. Maßgeblich für den Umfang des Schadensersatzanspruchs ist nicht allein der konkrete Schaden, der infolge der Rechtsverletzung entstand. Die Regelung integriert durch die Bezugnahme auf den Verletzergewinn den Abschöpfungsgedanken in den deliktischen Anspruch und stellt so sicher, dass sich die Rechtsverletzung für den Schädiger nicht lohnt.129 Auf diese Weise wollte die Europäische Kommission ein Element der Abschreckung in den Schadensersatz einführen und differenziert somit zwischen Strafe und Prävention.130 Zugleich erlaubt sie eine Pauschalierung des Schadens, die insbesondere den Schwierigkeiten bei der Ermittlung des konkreten Vermögensschadens wie des Verletzergewinns abhilft.131 127 Zur Diskussion über den Fahrlässigkeitsmaßstab der Richtlinie 2004/48/EG Rohlfing, Umsetzung, S. 193 f.; so bereits zum Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 707; GRUR Stellungnahme, GRUR 2003, 682, 685; Metzger/Wurmnest, ZUM 2003, 922, 932. 128 Erwägungsgrund 26 Richtlinie 2004/48/EG; Richtlinienvorschlag der Kommission v. 30.1.2003, KOM (2003) 46 endg., S. 25; s. auch Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 200, 202; Metzger, Schutz, S. 121. 129 Richtlinienvorschlag der Kommission v. 30.1.2003, KOM (2003) 46 endg., S. 25. 130 Richtlinienvorschlag der Kommission v. 30.1.2003, KOM (2003) 46 endg., S. 25 f.; vgl. die allgemeine Regelung in Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 2004/48/EG; s. auch Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 200, 202; krit. zu der Differenzierung Metzger/Wurmnest, ZUM 2003, 922, 931. 131 Erwägungsgrund 26 Richtlinie 2004/48/EG; Richtlinienvorschlag der Kommission v. 30.1.2003, KOM (2003) 46 endg., S. 25.

446 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Zum Teil wird daraus gefolgert, dass der (präventive) Schadensersatzanspruch im Sinne der Richtlinie von der Existenz eines konkreten Schadens unabhängig sei und somit die Rechtsverletzung als solche genüge (Per-se-Schaden).132 Das komme darin zum Ausdruck, dass die Gerichte den Schadensersatz festsetzen und nicht berechnen sollen.133 Zudem sei die Herausgabe des Verletzergewinns wohl nicht von einem Schaden abhängig zu machen, und es bestehe auch kein Erfahrungssatz, dass der Verletzergewinn dem konkreten Schaden entspreche.134 Der Verletzergewinn und der erlittene Schaden hätten nur die gleiche Höhe, wenn man davon ausgeht und ausgehen darf, dass der Geschädigte den gleichen Gewinn gemacht hätte. In der Tat hält die Regelung in Art. 13 nicht strikt am Ausgleich des konkreten Schadens fest. Es ginge jedoch zu weit, darin eine generelle Abkehr von der Schadensbindung zu sehen. Art. 13 eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, bei der Festsetzung neben den wirtschaftlichen Einbußen und dem immateriellen Schaden den Verletzergewinn einzubeziehen, oder anstelle des konkret berechneten Schadens einen Pauschalbetrag zuzusprechen, der mindestens der Lizenzgebühr entspricht. Das grundsätzliche Festhalten an der Schadensabhängigkeit des Anspruchs ergibt sich daraus, dass für die Bemessung des Schadensersatzes zuerst auf die erlittenen wirtschaftlichen Nachteile verwiesen wird. Der Anspruch ist aber, anders als allgemein das deutsche Schadensersatzrecht, in seiner Abhängigkeit vom konkreten Schaden gelockert. Art. 13 Abs. 1 S. 2 lit. b Richtlinie 2004/48/EG, der erlaubt, den Schadensersatz anhand der üblichen Nutzungsvergütung zu bestimmen, zeigt eine Alternative auf, um die Schwierigkeiten bei der Ermittlung und Berechnung des konkreten Schadens im Wege der Schadenspauschalierung zu beheben. Das verbessert die Durchsetzbarkeit des Rechts am geistigen Eigentum und somit den Rechtsschutz. Art. 13 beseitigt das Defizit, indem er dem Gericht erlaubt, die Herausgabe des Verletzergewinns oder einen Pauschalbetrag zu verlangen. Ob die Herausgabe des Verletzergewinns tatsächlich an die Stelle des Schadensersatzes tritt, ohne dass es auf den Schadenseintritt ankommt, lässt die Richtlinie im Grunde im Vagen, indem sie die Berücksichtigung des Verletzergewinns bei der Festsetzung des Schadensersatzes erlaubt. Die Richtlinie ermöglicht damit eine Gewinnabschöpfung. Zum Teil wird angenommen, es erfolge eine Gesamtabwägung, in die der Verletzergewinn einbezogen sei.135 Der Wortlaut vermischt die verschiedenen Berechnungsmethoden, so dass der Verletzergewinn nur als Aspekt der Schadensberechnung erscheint.136 Das kann 132

Gedert, Schadensersatz, S. 220; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 461; anders Kur, FS Kolle/Stauder, S. 365, 367 f. 133 Gedert, Schadensersatz, S. 220; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 461; anders Kur, FS Kolle/Stauder, S. 365, 367 f. 134 v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 461. 135 Peukert/Kur, GRUR Int. 2006, 292, 293. 136 Dazu Nägele/Nitsche, WRP 2007, 1047, 1053; Peukert/Kur, GRUR Int. 2006, 292, 293.

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zu einer Kumulation von Schadensersatz und Gewinnherausgabe führen, die die Richtlinie gerade nicht eindeutig vorsieht. Daraus wird zum Teil geschlossen, dass der Verletzergewinn nur alternativ zum Ersatz der wirtschaftlichen Nachteile gewährt werden darf.137 Art. 13 Abs. 1 lit. a der Richtlinie belässt den Gerichten aber einen Spielraum, indem er auf den Verletzergewinn nicht als alternative Berechnungsform („oder“) verweist, sondern ihn durch ein „und“ anschließt und dadurch zum Bemessungsfaktor macht.138 Der Geschädigte muss insofern nicht wählen, ob er seinen konkreten Schaden oder den Verletzergewinn dem Schadensersatzanspruch zugrunde legen will. Allerdings kann das Gericht dem Geschädigten nicht kumulativ den Ersatz des konkreten Schadens und die Herausgabe des Verletzergewinns zusprechen.139 Dafür spricht auf den ersten Blick das systematische Verhältnis der sich als gleichberechtigt darstellenden Alternativen in Art. 13 Abs. 1 S. 2 lit. a und b der Richtlinie 2004/48/EG. Nach lit. b kann dem Rechtsinhaber ein pauschalierter Schadensersatz zugesprochen werden, ohne dass der Verletzergewinn einzubeziehen ist, wohingegen nach lit. a bei der Festlegung des Schadensersatzes der Verletzergewinn zu berücksichtigen ist. Die Alternativität von lit. a und b wäre in Frage gestellt, wenn der Geschädigte bei der gleichen Rechtsverletzung entweder den Ersatz des konkreten Schadens und den Verletzergewinn (lit. a) oder nur die Schadenspauschale (lit. b) sollte verlangen können. Das legt nahe, dass die Herausgabe des Verletzergewinns im Grunde eine Alternative zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs anhand des konkreten Schadens ist.140 Die Gegenansicht verweist hingegen darauf, dass Art. 13 Abs. 1 S. 2 lit. b Richtlinie 2004/48/EG bestimmt, dass eine Schadenspauschale in Höhe von mindestens einer fiktiven Lizenzgebühr festgesetzt werden soll. Somit sei ein Schadensersatz in Höhe einer mehrfachen Lizenzgebühr möglich, was eher einer Kumulation von Schadensersatz und Gewinnherausgabe entspreche.141 Zudem sei eine solche überkompensatorische Schadenspauschale eine Ab137 Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, § 139 Rn. 60a; Rohlfing, Umsetzung, S. 195; Wolff, in: Wandtke/Bullinger/von Wolff, Urheberrecht, § 97 Rn. 59; s. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, § 14 Rn. 354. 138 Frey/Rudolph, ZUM 2004, 522, 528; Rohlfing, Umsetzung, S. 195 f.; Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 709. 139 Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 204 f.; Tilmann, ZEuP 2007, 288, 291 f.; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 461. 140 Ein solches Verständnis scheint auch der deutsche Gesetzgeber bei der Richtlinienumsetzung zugrunde zu legen, der damit an die tradierte Rechtsprechung des BGH zur dreifachen Schadensberechnung anknüpft, s. Begründung des Regierungsentwurfs, BR-Drs. 64/07, S. 76, 87; Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 16/5048, S. 61; s. auch Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 16/5048, S. 54, der zur Vermeidung eines Strafschadensersatzes und zur Verbesserung der Situation des Verletzten vorschlägt, eine widerlegliche Vermutung ins Gesetz aufzunehmen, dass der Verletzergewinn der doppelten Lizenzgebühr entspreche. Dieser Vorschlag wurde indes nicht Gesetz. 141 Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 199; Metzger/Wurmnest, ZUM 2003, 922, 931.

448 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen schreckung, wie Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie sie fordere.142 Die Kommission hatte in ihrem Richtlinienvorschlag eine Schadenspauschalierung auf eine doppelte Lizenzgebühr vorgesehen, um eine hinreichende Abschreckung zu bewirken.143 Dieser Vorschlag war in den Mitgliedstaaten indes nicht konsensfähig. Daher ist die in Kraft getretene Regelung ein Kompromiss144, der zum Ausdruck bringt, dass eine Lizenzgebühr als Schadenspauschale festgesetzt werden kann und es den Mitgliedstaaten aber nicht verwehrt ist, die Schadensersatzbestimmung so auszugestalten, dass die Gerichte mehr als eine Lizenzgebühr als Schadensersatz festlegen. Zudem steht es den Mitgliedstaaten offen, andere Pauschalierungsmaßstäbe zu entwickeln, da die Lizenzgebühr nur beispielhaft genannt ist. Außerdem kann das nationale Recht bei den Sanktionen über den Schadensersatz nach Art. 13 der Richtlinie hinausgehen (Art. 16).145 Gerade die Schadenspauschalierung nach Art. 13 Abs. 1 S. 2 Richtlinie 2004/48/EG erschwert die Abgrenzung, da sich die Pauschalierung vom konkreten Schaden löst. Schadenspauschalierung und Privatstrafe sind indes nicht gleichzusetzen, da es sich um Regelungen mit unterschiedlicher Zwecksetzung handelt.146 Der Erwägungsgrund 26 der Richtlinie spricht mehr für eine Schadenspauschalierung mit dem Ziel des Schadensausgleichs, bei der die Prävention nur ein Nebeneffekt ist. Allerdings verwirklicht das nicht in jedem Fall die gleichzeitig angestrebte Durchsetzung des geistigen Eigentums bei lukrativen Delikten. Zudem bleibt Art. 13 Abs. 1 S. 2 Richtlinie 2004/48/EG im Detail vage. Im Ergebnis regelt die Richtlinie nicht eindeutig, ob es sich eher um einen kompensatorischen Schadensersatz handelt, der auf verschiedene Weise berechnet werden kann, oder um eine überkompensatorische Entschädigung zur effektiven Abschreckung bei lukrativen Delikten.147 Die Mitgliedstaaten können somit selbst entscheiden, ob sie es bei einem Schadensausgleich belassen oder selbständige Präventionselemente einführen.148 Art. 13 Abs. 1 142

Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 199; Metzger/Wurmnest, ZUM 2003, 922, 931. Vgl. Art. 17 des Richtlinienentwurfs der Kommission, KOM (2003) 46 endg., S. 43 („entweder Schadensersatz in doppelter Höhe der Vergütung oder Gebühr, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Immaterialgüterrechts eingeholt hätte“). 144 Ausführlich dazu Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 199 ff. 145 Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 710; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 463. 146 In Abgrenzung zur Vertragsstrafe (sog. Trennungstheorie) Beuthien, FS Larenz, 1973, S. 495 ff.; Bötticher, ZfA 1970, 3, 35 ff.; Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl. 2008, Vor § 339 Rn. 2; Larenz, Schuldrecht I, S. 383 ff.; a. A. (sog. Einheitstheorie) D. Fischer, Vertragsstrafe, S. 173 ff., 180 ff. 147 Ebenso Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 202. 148 So Amschewitz, Durchsetzungsrichtlinie, S. 202; krit. zur Begrenzung der Lizenzanalogie auf eine einfache Gebühr v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 463 f.; für eine Prävention über den Schadensausgleich hinaus Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 708. Für die Einführung einer doppelten Lizenzgebühr Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 223, 225 ff.; Metzger/Wurmnest, ZUM 2003, 922, 931 f. (auf vorsätzliche Rechtsverletzungen beschränkend); Kur, FS Kolle/ 143

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S. 2 lit. a gibt zudem nicht vor, dass eine vollständige Abschöpfung des Verletzergewinns erfolgen muss. Die mangelnde Präzision der Regelung mag auch Ausdruck der Unsicherheit sein, wann ein ausgleichender Schadensersatz mit präventiver Wirkung vorliegt und wann es sich um einen Strafschadensersatz handelt. Eine klare Unterscheidung beider Kategorien regelt die Richtlinie jedenfalls nicht. Angesichts der Vorgabe, dass es sich nicht um einen Strafschadensersatz handeln soll, widerspräche aber zumindest eine vollständige Loslösung vom Ausgleich eines Schadens der Richtlinie. Aus deutscher Sicht erscheint vor allem bemerkenswert, dass der Unionsgesetzgeber es mit dem grundsätzlichen Ziel des Schadensausgleichs für vereinbar hielt, sich vom Ersatz des konkreten Schadens zu lösen. Die Richtlinie entspricht in Art. 13 daher mehr den unterschiedlichen Schadensberechnungsformen, wie sie die Rechtsprechung entwickelte. 3. Berücksichtigung des Strafschadensersatzes in der Rom-II-Verordnung Als exemplarisch für den Umgang der Europäischen Union mit dem Strafschadensersatz gilt insbesondere die Rom-II-Verordnung und deren Entstehungsprozess.149 Die Verordnung enthält kein ausdrückliches Verbot, Strafschadensersatz zuzusprechen, regelt in Art. 26 aber einen allgemeinen ordrepublic-Vorbehalt, so dass die Anwendung von Vorschriften, die nach dem Kollisionsrecht eingreifen, versagt werden kann, wenn sie offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung des Staates verstößt, in dem das angerufene Gericht seinen Sitz hat. Erwägungsgrund 32 der Verordnung stellt klar, dass der Vorbehalt insbesondere vermeiden soll, einen überkompensatorischen Schadensersatz oder Strafschadensersatz zusprechen zu müssen. Der ursprüngliche Richtlinienvorschlag der Kommission erklärte hingegen den überkompensatorischen Schadensersatz, insbesondere in Form eines Strafschadensersatzes, ausdrücklich für unvereinbar mit der „öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft“.150 Somit wurde zunächst nicht auf den ordre public der Mitgliedstaaten Bezug genommen, sondern auf die öffentliche Ordnung der Union selbst. Eine solche Regelung hätte klar dokumentiert, dass der Strafschadensersatz nicht Teil der europäischen Rechtstradition ist und keinen 149 Stauder, S. 365, 368; Haft/Donle/Ehlers/Nack, GRUR Int. 2005, 403, 406 (eineinhalbfache Lizenzgebühr); Tilmann, GRUR 2003, 647, 651; s. auch GRUR-Stellungnahme, GRUR 2003, 682, 684. 149 In unterschiedlicher Hinsicht Koch, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 197 ff.; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 71. 150 Art. 24 des Vorschlags der Kommission v. 22.7.2003, KOM (2003) 427 endg., S. 32, 43 („Die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts, die zur Folge hätte, dass eine über den Ausgleich des entstandenen Schadens hinausgehende Entschädigung etwa in Form eines Schadensersatzes mit Strafcharakter oder mit abschreckender Wirkung zugesprochen werden könnte, ist mit der öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft nicht vereinbar.“).

450 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Platz in der Rechtsordnung der Union hat. Diese Einführung eines Konzepts der „öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft“ wurde aber verworfen, weil ein solches Konzept über den Anwendungsbereich der Verordnung hinausgegangen wäre.151 Daher wird der ordre-public-Vorbehalt auf die Rechtsordnungen in den Mitgliedstaaten bezogen, so dass jeweils nach Maßgabe des nationalen Rechts und der bestehenden öffentlichen Ordnung im Mitgliedstaat zu entscheiden ist. Eine Aussage über die öffentliche Ordnung der Union wird nicht mehr getroffen. Schließlich wird im Europäischen Parlament der Änderungsantrag gestellt, klarstellend in der Rom-II-Verordnung zu regeln, dass ein überkompensatorischer Schadensersatz dem ordre public der Mitgliedstaaten widersprechen kann.152 Eine vergleichbare Regelung enthält schließlich der geänderte Verordnungsvorschlag der Kommission, der aber davon ausgeht, dass der überkompensatorische Schadensersatz nicht als solcher gegen die öffentliche Ordnung verstoßen kann, sondern nur, wenn er eine unverhältnismäßige Höhe hat.153 Diese Wende der Kommission mag man als Wankelmütigkeit im Umgang mit dem Strafschadensersatz kritisieren154, sie dokumentiert aber die Abstimmungsschwierigkeiten der Mitgliedstaaten hinsichtlich des überkompensatorischen Schadensersatzes. Schließlich wurde der Regelungsvorschlag der Kommission aus diesem Grund letztlich vollständig abgelehnt, so dass die Rom-II-Verordnung nur einen einfachen ordre-public-Vorbehalt enthält. Eine Einigung über gemeinsame Kriterien oder Referenzen für die öffentliche Ordnung wurde nicht erzielt. Im Grunde bleibt es daher Sache jedes Mitgliedstaates zu beurteilen, ob und inwieweit ein überkompensatorischer Schadensersatz seiner öffentlichen Ordnung widerspricht. Eine Harmonisierung in diesem Teilbereich des Schadensersatzrechts erfolgte nicht. Für das Kollisionsrecht ist dieses Ergebnis konsequent. Der erste Verordnungsvorschlag hätte dazu geführt, dass in England keine ausländischen Normen, die einen überkompensatorischen Schadensersatz erlauben, anwendbar gewesen wären, obwohl das englische Recht selbst einen Strafschadensersatz kennt.155 Auch der geänderte Verordnungsvorschlag der Kommission barg Konflikte für die Mitgliedstaaten, die eine überkompensatorische Entschädi151

Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) v. 27.6.2005, Berichterstatterin: Diana Wallis, A6-0211/2005, S. 36. 152 Siehe Fn. 151. 153 Geänderter Vorschlag der Kommission v. 21.2.2006, KOM (2006) 83 endg., S. 23 (Art. 23 S. 2: „Als mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar kann nach dieser Verordnung insbesondere ein Recht angesehen werden, das eine über den Ausgleich des entstandenen Schadens hinausgehende Entschädigung in unverhältnismäßiger Höhe zur Folge hätte.“). 154 Koch, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 197; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 71. 155 Dazu Koch, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 197, 199.

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gung generell ablehnen. Die Verordnung hätte einerseits auf den ordre public der Mitgliedstaaten verwiesen und andererseits in diesen eingegriffen, indem sie geregelt hätte, dass der überkompensatorische Schadensersatz nur bei unverhältnismäßiger Höhe einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstellen könne. Über diese Beschränkung des ordre-public-Vorbehalts, die zugleich bewirkt hätte, dass ein überkompensatorischer Schadensersatz in Mitgliedstaaten zugesprochen werden kann, obwohl er nicht Teil des nationalen Rechts ist, konnten sich die Mitgliedstaaten nicht einigen. Das verdeutlicht letztlich, wie groß die Zurückhaltung gegenüber einem überkompensatorischen Schadensersatz ist. Dass die Verordnung – entgegen des ersten Vorschlags der Kommission – dennoch keine allgemeine Regelung gegen einen solchen Schadensersatz enthält, lässt sich auf die Anerkennung eines solchen Schadensersatzes in einzelnen Mitgliedstaaten156 sowie den Widerstand gegen die Einführung eines allgemeinen Konzepts eines ordre public der Gemeinschaft zurückführen. III. Vorgaben aus den Richtlinien zum Gleichbehandlungsrecht 1. Entwicklung der Sanktionsbestimmungen in den Richtlinien zum Gleichbehandlungsrecht Der Schutz vor Diskriminierungen hat sich stufenweise entwickelt und intensiviert. Anfangs bestanden nur das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) und die Bestimmung zur Entgeltgleichheit von Mann und Frau (Art. 157 AEUV), die vor allem das integrationspolitische Ziel der Schaffung eines eigenen Binnenmarktes flankierten. Allerdings hob der EuGH in seiner Grundsatzentscheidung zu Art. 119 EG-Vertrag a. F. aus dem Jahre 1976 bereits hervor, dass die Europäische Union auch sozialpolitische Ziele verfolge und sich nicht auf die Liberalisierung der Wirtschaft beschränke.157 Zudem traten die Richtlinien 75/177/EWG und 76/207/EWG in Kraft, die der Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts beim Entgelt und beim Zugang zum Beruf entgegenwirken sollten.158 Schließlich wurden die Kompetenzen der Europäischen Union durch Art. 19 AEUV auf Vorkehrungen gegen Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Ausrichtung erweitert, so dass der Diskriminierungsschutz und die Förderung der Gleichbehandlung zu einer wesentlichen Komponente der Sozialpolitik wurden. Zugleich entwickelte sich die Union zu einer Wertegemeinschaft. Die Charta der Grundrechte der Europäischen 156

Siehe oben § 6.C.V.1.a, 2, S. 307 ff., 312 ff. EuGH 8.4.1976 Slg. 1976, 455 Rn. 8/11 (Defrenne II). 158 Richtlinie 75/177/EWG v. 10.2.1975, ABl. EG Nr. L 45 v. 19.2.1975, S.19; Richtlinie 76/ 207/EWG v. 9.2.1976, ABl. EG Nr. L 39 v. 14.2.1976, S. 40. 157

452 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Union, die zunächst zwar nicht für die Mitgliedstaaten verbindlich war, inzwischen aber durch Art. 6 Abs. 1 EUV zu einem Teil des Primärrechts der Union geworden ist, regelt in Art. 21–23 Gleichheitsrechte. Art. 22 der Charta verbietet die Diskriminierung wegen der bereits in Art. 19 AEUV aufgezählten Kriterien. Es handelt sich aber um keine Kompetenzbestimmung, sondern um ein Gleichheitsrecht, das die Union und ihre Organe bindet. Sanktionen für eine unzulässige Ungleichbehandlung forderte erstmals die Richtlinie 76/207/EWG. Deren Art. 6 beschränkte sich aber darauf, den Mitgliedstaaten aufzugeben, innerstaatliche Vorschriften zu schaffen, damit die benachteiligte Person „ihre Rechte gerichtlich geltend machen kann“. Konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung der Rechtsdurchsetzung entwickelte der EuGH aus Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG auf der Grundlage des Art. 288 Abs. 3 AEUV i. V. mit Art. 4 Abs. 3 EUV, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, auf die effektive Verwirklichung des Richtlinienziels hinzuwirken.159 Trotz des Gestaltungsspielraums bei der Umsetzung sei das Richtlinienziel für den Mitgliedstaat verbindlich, so dass er die effektive Wirkung der Richtlinie im nationalen Recht sicherstellen müsse.160 Daher seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, für Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz beim Zugang zur Beschäftigung Sanktionen vorzusehen, um die Gleichbehandlung zu gewährleisten und Chancengleichheit herzustellen (Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 76/207/ EWG).161 Lex specialis für die Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten ist Art. 288 Abs. 3 AEUV, der in der Zielsetzung mit dem Effektivitätsgrundsatz in Einklang steht.162 Der EuGH entnahm der Richtlinienauslegung nicht, dass eine bestimmte Sanktion erfolgen müsse, sondern ging davon aus, dass die Mitgliedstaaten die Wahl zwischen verschiedenen Maßnahmen haben, zu denen neben dem Einstellungsanspruch, die angemessene finanzielle Entschädigung und die sie gegebenenfalls verstärkende Bußgeldregelung gehören.163 Die Sanktion müsse aber geeignet sein, „einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz zu ge159 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 15 f. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 17 (Harz); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 22 (Marshall II). 160 Zum Effektivitätsgrundsatz § 8.A.I., S. 424 ff. 161 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 16, 26 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 17 f. (Harz); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 22 (Marshall II). 162 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 15 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 15 (Harz); 13.11.1990 Slg. 1990, I-4135 Rn. 8 (Marleasing); 5.10.2004 Slg. 2004, I-8835 Rn. 110 (Pfeiffer); Brechmann, Auslegung, S. 256 ff. (Art. 4 Abs. 3 EUV nur hilfsweise heranzuziehen); Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 288 Rn. 77 f.; Everling, FS Carstens, S. 95, 101; Streinz/Schroeder, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rn. 78; s. auch Herrmann, Richtlinienumsetzung, S. 108 ff. (der auf Art. 4 Abs. 3 EUV nur als lex generalis verweisen will); a. A. Klein, FS Everling, Bd. I, S. 641, 646 f. (Vorrang des Gemeinschaftsrechts); Grundmann, ZEuP 1996, 399 ff. (Richtlinienzweck). 163 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 18 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 15, 18 (Harz); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 24 (Draehmpaehl).

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währleisten“.164 Zudem müsse sie eine „wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber“ haben.165 Diese Anforderungen lassen sich auf den Effektivitätsgrundsatz aus Art. 4 Abs. 3 EUV zurückführen, der bei der Auslegung der Richtlinie und ihrer Transformation nach Art. 288 Abs. 3 AEUV zu berücksichtigen ist. Angesichts der Regelung in § 611a BGB a. F. entschied der EuGH in den Rechtssachen von Colson und Kamann sowie Harz zunächst, dass die Entschädigung als Sanktion in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen müsse, um die Wirksamkeit der Sanktion und die abschreckende Wirkung zu gewährleisten.166 Ein symbolischer Schadensersatz genüge nicht.167 Daher war die Beschränkung auf den Ausgleich des Vertrauensschadens – in der Regel die Bewerbungskosten – nach der ersten Fassung des § 611a BGB a. F. richtlinienwidrig. Diese Auslegung bestätigte der EuGH in den Entscheidungen Dekker und Marshall II und stellte klar, dass die erlittenen Schäden vollständig auszugleichen sind.168 Zudem lässt der Gerichtshof bereits erkennen, dass jeder Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreichen müsse, um die volle Haftung des Handelnden auszulösen.169 Im nationalen Recht darf daher die Haftung nicht verschuldensabhängig oder durch Rechtfertigungsgründe einschränkbar sein.170 Im Anschluss daran erklärt der EuGH in der Rechtssache Draehmpaehl die zu überprüfende Fassung des § 611a BGB a. F. für richtlinienwidrig, soweit sie den Entschädigungsanspruch vom Verschulden abhängig mache und den Anspruch des sog. Bestbewerbers durch einen Haftungshöchstbetrag begrenze, der einen angemessenen und vollständigen Schadensausgleich verhindere.171 Das Gleiche gelte für die Haftungsobergrenze in § 61b Abs. 2 ArbGG a. F., die die Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers zusätzlich limitiert, wenn in 164 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 18, 23 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 18, 23 (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 23 (Dekker); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 24 (Draehmpaehl). 165 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 23 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 23 (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 23 (Dekker); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 26 (Marshall II); 22.4.1997 Slg. 1997 I-2195 Rn. 25 (Draehmpaehl). 166 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 23, 28 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 23 (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 23 (Dekker); 22.4.1997 Slg. 1997, I2195 Rn. 24 (Draehmpaehl). 167 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 23 f. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 24 (Harz); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 25 (Draehmpaehl). 168 EuGH 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 25 (Dekker); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 26 (Marshall II). 169 EuGH 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 25 (Dekker); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 26, 30 (Marshall II). 170 EuGH 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 24 (Dekker). 171 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22, 27, 37 (Draehmpaehl). Die Entscheidung wurde zum Teil angegriffen, weil es sich nicht um eine ernsthafte Bewerbung gehandelt hätte. Diesen Punkt prüfte der EuGH nicht, da er hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage die Beurteilung des nationalen Gerichts als maßgeblich erachtete.

454 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen demselben Auswahlverfahren für eine Einstellung oder Beförderung mehrere Bewerber diskriminiert wurden. Auch diese Bestimmung vereitle den vollen Schadensausgleich, so dass es sich nicht mehr um eine tatsächliche und wirksame Sanktion im Sinne der Richtlinie handle.172 Haftungsobergrenzen seien mit der Richtlinie nur vereinbar, wenn der benachteiligte Bewerber auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. In diesem Fall erleide er nur einen Schaden durch die unzureichende Berücksichtigung und die objektiv fehlerhafte Beurteilung seiner Bewerbungsunterlagen.173 Die gesetzlich geregelte Obergrenze von drei Monatseinkommen könne als gesetzliche Vermutung angesehen werden, dass der Schaden nicht höher sei als dieser Betrag. Eine solche Regelung verhindere den vollständigen Schadensausgleich nicht und sei daher nicht unangemessen.174 Bei seiner Begründung stützt sich der EuGH nicht nur auf die effektive Umsetzung des Richtlinienziels. Er verweist zudem auf den Äquivalenzgrundsatz, wonach die Mitgliedstaaten bei der Richtlinienumsetzung darauf achten müssen, dass sie Verstöße gegen das Unionsrecht sachlich und verfahrensrechtlich in ähnlicher Weise sanktionieren wie vergleichbare Verstöße gegen nationales Recht.175 Dieser Grundsatz führt aber für § 611a BGB a. F. nicht weiter, da die Regelung einer solchen verschuldensunabhängigen Haftung ohne Vorbild war und als Systembruch galt176. Die Haftung für unzulässige Benachteiligungen wurde im nationalen Recht in die Nähe der Haftung wegen culpa in contrahendo gerückt, die indes ein Verschulden voraussetzt.177 Das deutsche Haftungsrecht kennt zwar eine Gefährdungshaftung. Diese regelt aber nur die Haftung für Schäden, die sich aus einem erlaubten Risiko entwickeln. Das ist bei der Haftung für eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht der Fall. Die haftungsbegründende Diskriminierung bzw. unzulässige Benachteiligung sind von den Richtlinien und dem nationalen Umsetzungsrecht verboten und somit rechtswidrig. Auch im Verhältnis zwischen den Vorgängerregelungen in § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F., § 81 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB IX a. F. und den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG greift der Äquivalenzgrundsatz nicht ein. Das AGG hat die Vorgängerregelungen abgelöst, so dass sie nicht zeitgleich nebeneinander gelten, wie es der Äquivalenzgrundsatz voraussetzt. Eine Vorgabe für die lex posterior ergibt sich nur aus 172

EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 43 (Draehmpaehl). EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 34 (Draehmpaehl). 174 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 35, 37 (Draehmpaehl). 175 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 29, 42 (Draehmpaehl); allg. zum Äquivalenzgrundsatz EuGH 21.9.1989 Slg. 1989, 2965 Rn. 24 (Kommission/Griechenland). 176 Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 49; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 93; Worzalla, NJW 1997, 1809, 1812; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; s. auch Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 258 f.; ähnlich Annuß, NZA 1999, 738, 742; ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 36. 177 Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 255; Herrmann, ZfA 1996, 19, 30; Kandler, Sanktionsregelungen, S. 125. 173

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dem Verschlechterungsverbot, das die Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2006/54/EG enthalten. Diese Rechtsprechung des EuGH wurde bei der Abfassung der seit 2000 geltenden Gleichbehandlungsrichtlinien berücksichtigt. Insbesondere die Bestimmungen über die Sanktion für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot sind konkreter gefasst. Die Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/113/EG und 2006/54/EG normieren übereinstimmend, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen festlegen müssen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.178 Zudem wird klargestellt, dass die Sanktion auch Schadensersatzleistungen an das Opfer umfassen können. Diese Regelungen beruhen auf den dargestellten Entscheidungen des EuGH zu § 611a BGB a. F., in denen er Schadensersatzansprüche als tatsächliche und wirksame Sanktion akzeptierte, die den Mitgliedstaaten zur Wahl steht.179 Die Richtlinien 2004/113/EG und 2006/54/EG enthalten neben der allgemeinen Regelung über die Sanktion der unzulässigen Benachteiligung eine Bestimmung, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen tatsächlichen und wirksamen Ausgleich der diskriminierungsbedingten Schäden sicherzustellen.180 Dieser müsse auf abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise erfolgen. Art. 18 Richtlinie 2006/54/EG enthält angesichts der Entscheidung Draehmpaehl eine eigene Regelung, dass Haftungsobergrenzen nur bestehen dürfen, wenn die Benachteiligung des Bewerbers allein darin bestand, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt wurde. Diese enge Anbindung an die Rechtsprechung des EuGH war bei der Abfassung der Richtlinie gewollt181 und lässt sich darauf zurückführen, dass die Richtlinie 2006/54/EG die damals entscheidungserhebliche Richtlinie 76/207/EWG ablöste. Zudem betrifft die Richtlinie 2004/113/EG ebenso wie die Richtlinie 2006/54/EG die Gleichbehandlung von Mann und Frau und dehnt den Schutz vor Diskriminierungen über den Zugang zur Beschäftigung hinaus auf den Zivilrechtsverkehr aus. Da sich die Regelungen aber nicht auf den Zugang zur Beschäftigung beziehen, sondern auf den Zugang zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, bestimmt Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG generell, dass Haftungshöchstgrenzen keine einschränkende Wirkung entfalten. 178

Art. 15 Richtlinie 2000/43/EG, Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG, Art. 14 Richtlinie 2004/ 113/EG, Art. 25 Richtlinie 2006/54/EG. 179 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 18 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 18 (Harz); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 24 (Draehmpaehl); s. auch Begründung des Richtlinienentwurfs der Kommission v. 7.6.2000, KOM (2000) 334 endg., S. 12. 180 Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG, Art. 18 Richtlinie 2006/54/EG; dazu die Begründung des Richtlinienentwurfs der Kommission v. 7.6.2000, KOM (2000) 334 endg., S. 12; Geänderter Richtlinienvorschlag der Kommission v. 7.6.2001, KOM (2001) 321 endg., S. 11 (zur Vorgängerrichtlinie 2002/73/EG); Richtlinienvorschlag der Kommission v. 21.4.2004, KOM (2004) 279 endg., S. 49, 66. 181 Erwägungsgrund 33 Richtlinie 2006/54/EG; so bereits nach der Vorgängerrichtlinie s. Erwägungsgrund 18, Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2002/73/EG.

456 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Auch der Vorschlag der Kommission für eine weitere Richtlinie, die Diskriminierungen wegen der Religion und der Weltanschauung, der Behinderung und des Alters sowie der sexuellen Orientierung außerhalb von Beschäftigung und Beruf bekämpfen soll, enthält eine vergleichbare Sanktionsbestimmung.182 Angesichts der Rechtsprechung des EuGH erklärt sie im Voraus festgelegte Haftungshöchstbeträge für unzulässig.183 Die vorgeschlagene Regelung differenziert nicht zwischen den Bestbewerbern und den übrigen Bewerbern. Das war nicht notwendig, soweit bei der Eröffnung des Zugangs zu Bildung, zum Sozialschutz und zu sozialen Vergünstigungen sowie beim Vertragsschluss in der Regel keine vergleichbare Situation wie bei einer Bewerbung um einen Arbeitsplatz besteht. Sofern ausnahmsweise eine Konkurrenzsituation wie bei einer Bewerbung eintritt (z. B. Mehrzahl von Bewerbern um einen Mietvertrag für eine Wohnung), ist eine Differenzierung zwischen dem Bestbewerber und den übrigen Bewerbern möglich, wie sie der EuGH in der Entscheidung Draehmpaehl entwickelt hatte. Weder Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG noch der Richtlinienentwurf haben diese Fallgruppen berücksichtigt. Es wird allgemein bestimmt, dass vorher festgesetzte Höchstbeträge die Ausgleichspflicht nicht einschränken. Das nimmt den Mitgliedstaaten indes nicht die Möglichkeit, für den Entschädigungsanspruch der übrigen Bewerber eine Schadenspauschalierung für den Schaden vorzusehen, der typischerweise damit einhergeht, dass die Bewerbung nicht berücksichtigt wird. Es muss nur gewährleistet sein, dass der Geschädigte für den Fall, dass sein Schaden höher ist, ihn geltend machen kann. Die Schadenspauschalierung fungiert insofern als Bemessungshilfe. Die Richtlinienvorgaben zum Schadensersatz und zur Entschädigung haben zur Folge, dass die Mitgliedstaaten stets den angemessenen Ausgleich der erlittenen Schäden sicherstellen müssen, obwohl der EuGH den Schadensersatz bei der Anwendung des Art. 6 Richtlinie 76/207/EWG nur als eine von mehreren Möglichkeiten für eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion ansah.184 Auch die geltenden Sanktionsbestimmungen in den Richtlinien stellen den Schadensersatz nur als eine Alternative dar. Den Mitgliedstaaten sollte ein Gestaltungsspielraum bleiben. Das hat die Kommission gesehen und wollte bei ihrem Richtlinienvorschlag von dieser Konzeption nicht abweichen.185 Insofern hat sie ihren Regelungsvorschlag nicht konse182

Art. 14 des Richtlinienvorschlags der Kommission v. 2.7.2008, KOM (2008) 426 endg.,

S. 24. 183 Erläuterung des Richtlinienvorschlags der Kommission v. 2.7.2008, KOM (2008) 426 endg., S. 12. 184 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 18 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 18 (Harz); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 24 (Draehmpaehl). 185 Begründung des Richtlinienentwurfs der Kommission v. 7.6.2000, KOM (2000) 334 endg., S. 12; Geänderter Richtlinienvorschlag der Kommission v. 7.6.2001, KOM (2001) 321 endg., S. 11 (zur Vorgängerrichtlinie 2002/73/EG); Richtlinienvorschlag der Kommission v. 21.4.2004, KOM (2004) 279 endg., S. 49, 66.

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quent gestaltet.186 Das hat zur Folge, dass die Richtlinien die Mitgliedstaaten nun ihrem Wortlaut nach verpflichten, bei Diskriminierungen i. S. der Richtlinie 2004/113/EG und der Richtlinie 2006/54/EG stets einen Schadensausgleich vorzusehen. Der Schadensausgleich bezieht sowohl materielle als auch immaterielle Schäden ein, die vollständig zu entschädigen sind. Die Richtlinien beschreiben den Schaden – insbesondere den immateriellen Schaden – nicht. Ein Anhaltspunkt ergibt sich vor allem aus Art. 18 S. 2 Richtlinie 2006/54/EG, der die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Draehmpaehl kodifiziert. Der Bewerber, der auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, kann den Schaden ersetzt verlangen, der ihm entsteht, weil die Berücksichtigung seiner Bewerbung verweigert wurde. Das kann die individuelle Gefühlsregung des Bewerbers sein. Unabhängig davon ist der Bewerber darin geschützt, dass er beim Zugang zur Beschäftigung gleichbehandelt wird. Dazu gehört, wie Art. 18 S. 2 Richtlinie 2006/54/EG zeigt, auch der gleichberechtigte Zugang zum Bewerbungsverfahren. Der Bewerber ist nicht nur geschützt, wenn er eine Einstellungschance im engeren Sinne hatte und bei diskriminierungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre. Die Einbuße besteht für den Bewerber grundsätzlich darin, dass seine Bewerbung nicht ohne Vorbehalte beurteilt wurde. Damit ist zugleich der Geltungsanspruch des Bewerbers verletzt, zumindest wenn es sich um eine offene oder verdeckte unmittelbare Diskriminierung handelt.187 Es ist nicht erforderlich, dass der Geschädigte von der Diskriminierung Kenntnis erlangt. 2. Angemessener Schadensausgleich als hinreichende Sanktion Die Sanktion für die Diskriminierung muss nach den europäischen Diskriminierungsrichtlinien wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Ob der bloße Ausgleich der erlittenen Schäden den Vorgaben der Richtlinie genügt, ist in der Literatur seit langem umstritten.188 Zum Teil wird angenommen, dass über die schadensausgleichende Entschädigung hinaus eine Sanktion erforderlich ist, die sich insbesondere durch die Regelung einer Ordnungswidrigkeit umsetzen lasse, weil pönale Elemente dem deutschen Schadensersatzrecht 186

Geänderter Richtlinienvorschlag der Kommission v. 7.6.2001, KOM (2001) 321 endg., S. 11; s. auch Bericht des Europäischen Parlaments v. 16.5.2001, A5-0173/2001 endg., S. 16. 187 Siehe § 3.B.V.2, S. 167 ff. 188 Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 48; Deinert, DB 2007, 398, 398 f.; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 1; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 33 f., 62 f.; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 14, 16, zumindest wenn für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden gleichermaßen eine verschuldensunabhängige Haftung bestünde; Walker, NZA 2009, 5, 8 f.; s. auch ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 514; Nollert-Borasio/Perreng, AGG, § 15 Rn. 19 ff.; Rühl/Schmidt/Viethen, AGG, S. 156; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 20, 52; a. A. Kamanabrou, ZfA 2006, 327, 336; zu § 611a BGB ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 38; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1013; s. auch Treber, DZWiR 1998, 177, 184.

458 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen fremd seien.189 Andere wollen dem bestehenden Schadensersatzanspruch hingegen eine Straffunktion oder eine selbständige Präventionsfunktion zuweisen, so dass § 611a BGB a. F. und § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX a. F. oder nun die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG erlauben, dem diskriminierenden Schädiger eine überkompensatorische Entschädigung aufzuerlegen.190 Die Richtlinien verlangen zwar eine abschreckende Sanktion, die Kommission hat aber in den Begründungen der Richtlinienvorschläge zum Teil ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Richtlinie keine strafrechtlichen Bestimmungen erfordert.191 Diese Klarstellung beruht auch darauf, dass die Europäische Union nur im Rahmen der begrenzten Einzelermächtigung Richtlinien erlassen kann und für das Strafrecht keine entsprechende Kompetenz besteht. Die Mitgliedstaaten können zwar strafrechtliche Normen zur Richtlinienumsetzung schaffen, die Richtlinie kann sie aber nicht dazu zwingen. Auch der EuGH hat in seinen Entscheidungen die Strafe stets als eine von mehreren angemessenen Sanktionen dargestellt, ohne sie als notwendig für die Richtlinienumsetzung zu bezeichnen.192 Daraus ergibt sich indes noch kein zwingender Schluss darauf, dass der bloße Schadensausgleich eine ausreichende Sanktion zur Umsetzung der Richtlinie ist und die Mitgliedstaaten somit nicht gehalten sind, überkompensatorische Entschädigungsansprüche, Privatstrafen oder Geldbußen vorzusehen. Die Durchsicht der Entscheidungen des EuGH zu § 611a BGB a. F. hat jedoch gezeigt, dass der Gerichtshof die Norm stets als Schadensersatzbestimmung behandelte.193

189 Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363 f.; Kocher, AuR 1998, 221, 221 Fn. 6 (verschuldensunabhängige Ordnungswidrigkeit); Kamanabrou, ZfA 2006, 327, 337 f.; dies., RdA 2006, 321, 337; s. auch Annuß, NZA 1999, 738, 744; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 102, 106 f.; Volmer, BB 1997, 1582, 1585; Wank, NZA Sonderbeilage Heft 22/2004, 16, 19 (verschuldensabhängige Ordnungswidrigkeit); dazu auch KR/Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a Rn. 104; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 412. 190 Selbständige Präventionsfunktion Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 38; Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 36; zurückhaltender Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; s. auch Möller, Präventionsprinzip, S. 220 ff.; Löwe, Prävention, S. 224 f.; so zu § 611a BGB wohl Raab, DStR 1999, 854, 857; pönale Funktion KR/Pfeiffer, AGG Rn. 144; zu § 611a BGB Annuß, NZA 1999, 738, 740, 741; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 254; Herrmann, ZfA 1996, 19, 37; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 19, 98; Volmer, BB 1997, 1582, 1584 f.; Wank, FS Wißmann, S. 599, 616; Zwanziger, BB 1995, 1404, 1406; ähnlich Birk, NZA 1984, 145, 148; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 350 f., 353 f.; Hoppe, ZEuP 2002, 78, 89; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 411. Für die selbständige Präventionsfunktion wohl auch BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952, das den Sanktionszweck bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigen will, um die abschreckende Wirkung sicherzustellen. 191 Richtlinienvorschlag der Kommission v. 25.11.1999, KOM (1999) 565 endg., S. 14; Richtlinienvorschlag der Kommission v. 2.7.2008, KOM (2008) 426 endg., S. 12. 192 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 18, 23 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 18, 23 (Harz); s. auch EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 24 f. (Draehmpaehl). 193 Siehe oben § 8.B.III.1., S. 451 ff.

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Die Literatur will zum Teil den Ausführungen des EuGH, dass es sich um eine abschreckende Sanktion handeln muss, entnehmen, dass § 611a BGB a. F. eine Privatstrafe sei.194 Dafür lässt sich den Entscheidungen aber nichts entnehmen. Der EuGH überprüft auf das Vorabentscheidungsersuchen nur, ob die Bestimmung des nationalen Rechts den vollständigen Ausgleich aller erlittenen Schäden in jedem Diskriminierungsfall sicherstellt. Zudem hat sich die Formulierung, dass die Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müsse, insbesondere in den Entscheidungen von Colson und Kamann sowie Harz entwickelt.195 Sie betrafen die erste Fassung des § 611a BGB a. F., die sich in der Regel auf die Bewerbungskosten beschränkte.196 Daher entschied der Gerichtshof, dass eine Schadensersatzregelung den Anforderungen einer effektiven Richtliniendurchsetzung nur genügt, wenn bei jedem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot alle erlittenen Schäden angemessen ausgeglichen werden. Damit verlangt der EuGH die vollständige Kompensation aller Schäden, sagt indes nichts darüber, dass die Entschädigung über den erlittenen Schaden hinausgehen muss, und verlangt auch keine zusätzlichen Sanktionen. Gerade die Entwicklung der Anforderungen an die Sanktion im Rahmen der Rechtsprechung zu § 611a BGB in seiner ersten Fassung und die Ablehnung eines nur symbolischen Schadensersatzes sprechen dafür, dass der vollständige Schadensausgleich eine wirksame und zugleich abschreckende Sanktion ist. Der EuGH hat die Anforderungen an die Sanktion nicht im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch entwickelt, der alle materiellen und immateriellen Einbußen erfasst, sondern bezog sich auf einen Schadensersatzanspruch für den materiellen Vertrauensschaden und verlangte im Anschluss daran den angemessenen Ausgleich aller erlittenen Schäden. In keiner der Entscheidungen hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass die Entschädigung unabhängig vom Schaden zum Zwecke der Verhaltenssteuerung festzusetzen ist. Zudem hat im Grunde jede Verpflichtung zum vollständigen Schadensausgleich abschreckende Wirkung auf den Schädiger und die Allgemeinheit. Die Anforderung, dass die Sanktion abschrecken müsse, macht den Schadensersatz daher nicht zwangsläufig zu einer unzureichenden Richtlinienumsetzung.197 Diese Annahme stützt auch die Entscheidung Draehmpaehl, in der der EuGH die Haftungsobergrenze für den Entschädigungsanspruch des Bestbewerbers für richtlinienwidrig erklärte, sie aber als gesetzliche Vermutung des erlittenen Schadens bei allen übrigen Bewerbern akzeptierte.198 Wenn der 194

Siehe oben Fn. 190. EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 23 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 23 (Harz). 196 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 (Harz). 197 Ebenso Deinert, DB 2007, 398, 399; s. auch Reich, Liber Amicorum Alpa, S. 846, 867. 198 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 30, 33 ff., 37 (Draehmpaehl). 195

460 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Schadensersatzanspruch eine selbständige Präventionsfunktion oder Straffunktion hätte oder haben müsste, die es erlaubt, dem Geschädigten eine überkompensatorische Entschädigung aufzuerlegen, ließe sich die Richtlinienkonformität des Haftungshöchstbetrags für den Entschädigungsanspruch der übrigen Bewerber schwerlich begründen. Der EuGH hebt indes darauf ab, dass der Haftungshöchstbetrag eine gesetzliche Vermutung hinsichtlich des maximalen Schadens sei.199 Damit orientiert er sich klar am Schadensausgleich. Zur Verhaltenssteuerung durch überkompensatorische Entschädigung bedürfte es hingegen der Möglichkeit, insbesondere bei wiederholten oder systematischen Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot unabhängig vom vermuteten Schaden auf den handelnden Schädiger einzuwirken, um von zukünftigen Rechtsverletzungen abzuschrecken. Das schließt die Haftungsobergrenze indes aus. Daran zeigt sich, dass der Gerichtshof in der Entschädigung eine schadensausgleichende Rechtsfolge ohne selbständige Präventions- oder Straffunktion sieht und das als ausreichend für die Transformation der Richtlinie erachtet. Zudem haben Privatstrafen in den Mitgliedstaaten keine Tradition, sondern sind die Ausnahme200. Das unterstützt die Annahme, dass die Richtlinien keine solche Privatstrafe gebieten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der EuGH die Begriffe Sanktion und Abschreckung nicht im zivil- und strafrechtlichen Kontext entwickelt hat und verwendet. Sie resultieren aus der Auslegung des Art. 288 Abs. 3 AEUV unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 3 EUV. Die Mitgliedstaaten sollen bei der Umsetzung der Richtlinie die Wirkung der unionsrechtlichen Vorgaben sicherstellen, was voraussetzt, dass Verstöße gegen das Unionsrecht eine Sanktion nach sich ziehen. Der Begriff der Sanktion trifft somit keine Aussage über die Zuordnung zum Zivil- oder Strafrecht. Das ist zudem nicht Sache des EuGH, da den Mitgliedstaaten die Wahl der Sanktion bleibt.201 Insofern interpretierte man die Entscheidung des EuGH über Gebühr, wenn man davon ausginge, dass mit Begriffen wie Sanktion und Abschreckung mehr als ein kompensatorischer Schadensersatzanspruch gemeint sein muss. Schließlich ist zu beachten, dass bereits die verschuldensunabhängige Haftung für jede unzulässige Benachteiligung den Diskriminierenden stärker belastet als die verschuldensabhängige vertragliche und deliktische Haftung, auch wenn es sich nur um einen kompensatorischen Schadensersatz handelt. Zudem kann sich der Diskriminierende nicht auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe des nationalen Rechts berufen, um die Haftung auszuschließen. Auf diese Weise wird die abschreckende Wirkung des Entschädigungsanspruchs erheblich verstärkt. 199

EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 35, 37 (Draehmpaehl). Z. B. astreinte im französischen Recht oder die exemplary damages im englischen Recht, s. § 6.C.V.1.b, 2, S. 310 ff., 312 ff.; darauf verweist auch Reich, Liber Amicorum Alpa, S. 846, 867. 201 Siehe § 8.A.I., S. 424 ff. 200

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG eine Haftungsobergrenze für die Entschädigungsansprüche wegen einer Diskriminierung generell ausschließt. Eine vergleichbare Regelung enthält der Richtlinienvorschlag der Kommission von 2008.202 Die Richtlinie und der Richtlinienvorschlag beziehen sich jedoch nicht auf Diskriminierungen beim Zugang zum Beruf, für die der EuGH in der Entscheidung Draehmpaehl die Haftungshöchstbeträge für Schadensersatzansprüche der Bewerber akzeptierte, die auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wären. Sie beziehen sich vielmehr auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. In diesen Fällen ergibt sich regelmäßig keine dem Bewerbungsverfahren vergleichbare Situation, in der mehrere Bewerber um einen Vertragsschluss konkurrieren. Das ist nur bei Bewerbungen auf die Ausschreibung von Aufträgen der Fall. Insoweit enthält aber das europäische Vergaberecht eine eigenständige Regelung, so dass es nicht um den Zugang zu Waren oder Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie geht. Daneben ist eine vergleichbare Konkurrenz um den Vertragsschluss bei Mietverträgen denkbar. Das wurde bei der Richtlinienabfassung wohl nicht bedacht. Zudem soll Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG primär den vollständigen Schadensausgleich sicherstellen. Daher ist die abweichende Regelung kein Indiz dafür, dass das europäische Recht von dem Verständnis, dass der ausgleichende Schadensersatz Diskriminierungen hinreichend sanktioniert, abgerückt ist. Zudem nahm die Kommission in der Begründung des Richtlinienvorschlags ausdrücklich auf die Rechtsprechung des EuGH Bezug.203 Sie sollte lediglich kodifiziert werden. Eine Verschärfung der Sanktion oder die Einführung strafrechtlicher Sanktionen wurden nicht angestrebt.204 Auch der EuGH hat zusätzliche Sanktionen neben dem Schadensersatz bisher nicht gefordert. Die Sanktionsbestimmungen in Art. 14 Richtlinie 2004/ 113/EG und Art. 25 Richtlinie 2006/54/EG verweisen im Anschluss an diese Rechtsprechung darauf, dass der Schadensersatz eine Sanktion im Sinne der Richtlinie ist. Etwas anderes kann sich höchstens daraus ergeben, dass die Richtlinien 2004/113/EG und 2006/54/EG die Mitgliedstaaten nicht nur verpflichten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für die Verstöße gegen die nationalen Vorschriften vorzusehen, sondern zugleich verlangen, dass für alle Schäden infolge einer Diskriminierung ein Ersatzanspruch besteht. Aus dem Nebeneinander dieser Vorgaben ergibt sich die Frage, ob das nationale Recht über den Schadensersatzanspruch hinaus weitere Sanktionen regeln muss. Insoweit ist zu beachten, dass die Sanktionsbestimmungen in beiden Richtlinien ausdrücklich darauf verweisen, dass der Schadensersatz Sank202

Richtlinienvorschlag der Kommission v. 2.7.2008, KOM (2008) 426 endg., S. 24 (Art. 14). Richtlinienvorschlag der Kommission v. 2.7.2008, KOM (2008), 426 endg., S. 12. 204 Siehe Richtlinienvorschlag der Kommission v. 5.11.2003, KOM (2003), 657 endg., S. 20; s. auch Richtlinienvorschlag der Kommission v. 2.7.2008, KOM (2008), 426 endg., S. 12. 203

462 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen tion im Sinne der Vorschrift sein kann. Die Richtlinie geht in der Sanktionsbestimmung davon aus, dass der Mitgliedstaat die Wahl hat, einen Schadensersatz vorzusehen. Das steht freilich im Widerspruch zu der Regelung, die ihnen gerade zwingend auferlegt, einen tatsächlichen und wirksamen Schadensausgleich sicherzustellen. Hieran zeigt sich, dass die Bestimmungen nicht hinreichend aufeinander abgestimmt sind. Die Richtlinienvorschriften lassen sich miteinander in Einklang bringen, indem der Schadensersatz als die geforderte Sanktion im Sinne der Richtlinie angesehen wird. Die Sanktionsbestimmung verliert dadurch nicht ihre eigenständige Bedeutung, da sie die Mitgliedstaaten auch verpflichtet, die Durchsetzung der Sanktion zu gewährleisten. Insoweit betrifft sie die Regelungen zu den Ausschlussfristen und zu den Prozesskosten sowie zur Prozesskostenhilfe. Zudem sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, über den Schadensersatz hinaus weitere straf- und verwaltungsrechtliche Sanktionen vorzusehen. Allerdings lässt sich nicht entnehmen, dass eine über den Schadensausgleich hinausgehende Sanktion erfolgen muss. Der Schadensersatz ist gerade als eine Möglichkeit der Sanktion ausdrücklich benannt. Zudem lässt sich den Materialien der Richtlinie nicht entnehmen, dass die Mitgliedstaaten in Zukunft zu einer über den Schadensersatz hinausgehenden Sanktion verpflichtet sind. Vielmehr zeigen sie, dass nur die Rechtsprechung des EuGH übernommen werden sollte. Dieser hat den tatsächlichen und wirksamen Schadensersatz gerade als Sanktion ausreichen lassen. Im Ergebnis genügt nach den europäischen Richtlinien somit der bloße Schadensausgleich, solange der Anspruch verschuldensunabhängig ist und ihm keine nationalen Rechtfertigungsgründe entgegengehalten werden können. Die Richtlinien verpflichten die Mitgliedstaaten nicht zur Regelung von Kriminalstrafen oder Ordnungswidrigkeiten. Zudem muss dem Schadensersatz keine selbständige Präventionsfunktion zugewiesen und auch keine überkompensatorische Entschädigung erlaubt werden. 3. Auswirkungen des richtlinienwidrigen Schadensersatzanspruchs für materielle Schäden Die gegenwärtige Umsetzung der Richtlinie ist dadurch gekennzeichnet, dass nur für den Ausgleich immaterieller Schäden ein verschuldensunabhängiger Anspruch besteht, wohingegen der Schadensersatzanspruch wegen materieller Schäden ein Verschulden voraussetzt (§§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG). Das entspricht nicht den Vorgaben des EuGH zu einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion.205 Zudem enthalten die Richtlinien ein 205 Zu § 15 AGG Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 30; Deinert, DB 2007, 298, 299; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rn. 2; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 3; Kamanabrou, RdA 2006, 321, 336; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 20; Stoffels, RdA 2009, 204, 210; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 Rn. 24; Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085, 1091; s. auch VG Frankfurt

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Verschlechterungsverbot, das den Mitgliedstaaten verbietet, die Umsetzung zum Anlass zu nehmen, den Diskriminierungsschutz zu verschlechtern. Eine solche Verschlechterung wurde zwar für den Ausgleich der immateriellen Schäden durch die Auslegung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 3 S. 2 AGG vermieden, die in ihnen einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch sieht.206 Der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch ist aber eine Verschlechterung, soweit Diskriminierungen wegen des Geschlechts oder der (Schwer-)Behinderung beim Zugang zur Beschäftigung erfolgen.207 Die Ansprüche aus § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F. und § 81 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB IX a. F. waren verschuldensunabhängig. Somit verstoßen die §§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG gegen die Richtlinienvorgaben.208 Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 288 Abs. 3 AEUV verpflichtet, der Richtlinienwidrigkeit des AGG hinsichtlich dieser Schadensersatzansprüche abzuhelfen. Insoweit muss die Rechtsprechung alle Möglichkeiten zur richtlinienkonformen Auslegung nutzen, einschließlich der Rechtsfortbildung.209 Eine Grenze setzen nur der Wortlaut und der eindeutige Wille des Gesetzgebers oder verfassungsrechtliche Vorgaben.210 Sofern eine solche Auslegung nicht möglich ist, kann der Private nur Ansprüche auf Staatshaftung geltend machen. Die Schadensersatzansprüche aus § 15 Abs. 1 AGG und § 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG sind ausdrücklich verschuldensabhängig. Eine abweichende Auslegung ist ausgeschlossen. Auch eine teleologische Reduktion der Norm kommt nicht in Betracht, da eine planwidrige Regelungslücke fehlt. Den Gesetzgebungsmaterialien ist eindeutig zu entnehmen, dass ein verschuldensabhängiger Anspruch geregelt werden sollte.211 Zu erwägen bleibt, ob die Richtlinien die Gerichte dazu verpflichten, nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG eine überkompensatorische Entschädi206 21.4.2008 ArbRB 2008, 261; richtlinienkonforme Auslegung, so dass der Arbeitgeber für alle zurechenbaren Benachteiligungen haftet Meinel/Herms/Heyn, AGG, § 15 Rn. 7 ff.; Oetker, MünchArb, § 15 Rn. 55; a. A. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 15; Bauer/Evers, NZA 2006, 893; Richardi, NZA 2006, 881, 885; zu § 21 AGG Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 362; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 21 Rn. 38; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 21 Rn. 48; zweifelnd auch Schiek, AGG, § 21 Rn. 19; a. A. Maier-Reimer, NJW 2006, 2577, 2581; Meinel/ Herms/Heyn, AGG, § 21 Rn. 18; Wagner/Potsch, JZ 2006, 1085, 1099. 206 Siehe § 2.C.VII.2.b., S. 135 ff. 207 HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 3; Schiek, AGG, § 21 Rn. 19 (indirekt zu § 15 AGG). 208 Vgl. die förmliche Aufforderung der Kommission v. 17.10.2007 im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland betreffend die Richtlinie 2000/43/EG (K [2007] 4872, S. 6 f.) und vom 31.1.2008 betreffend die Richtlinie 2000/78/EG (K [2008], 103, S. 9 f.); s. auch Fn. 205. 209 EuGH 13.11.1990 Slg. 1990, I-4135 Rn. 8 (Marleasing); 18.12.1997 Slg. 1997, I-7411 Rn. 40 (Inter-Environment Wallonie); 5.10.2004 Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 ff. (Pfeiffer); 16.6.2005 Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47 (Pupino); 4.7.2006 Slg. 2006, I-6057 Rn. 117 (Adeneler). 210 EuGH 16.6.2005 Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47 (Pupino); 4.7.2006 Slg. 2006, I-6057 Rn. 110 (Adeneler). 211 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38.

464 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen gung zuzusprechen, um eine ausreichende Sanktion zu gewährleisten. Dem Wortlaut nach sind § 15 Abs. 2 AGG und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG Entschädigungsansprüche. Grundsätzlich ist das Schadensersatzrecht auf einen Schadensausgleich ausgerichtet.212 Ausnahmen mögen bei der Haftung für lukrative Persönlichkeitsverletzungen bestehen. Der Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot wurden bisher aber nicht aufgegeben. Die Sonderfälle beruhen einerseits auf grundrechtlichen Regelungen, andererseits (inzwischen) auf ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben. Etwas anderes ergibt sich für das AGG nicht daraus, dass der Entschädigungsanspruch in § 15 Abs. 2 AGG und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG terminologisch bewusst vom Schadensersatzanspruch in § 15 Abs. 1 AGG und § 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG getrennt wurde. Die begriffliche Trennung soll verdeutlichen, dass sich der Entschädigungsanspruch allein auf ideelle Schäden bezieht.213 Die Gesetzgebungsmaterialien lassen indes nicht erkennen, dass damit vom bloßen Schadensausgleich zugunsten einer selbständigen Präventions- oder Straffunktion abgerückt werden sollte. Insofern ist der Entschädigungsanspruch nach Wortlaut und Zwecksetzung ein Anspruch auf Schadensausgleich. Darüber hinaus verweist der Gesetzgeber darauf, dass die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG eine Ausnahme i. S. des § 253 Abs. 1 BGB sind und ordnet sie damit in das Schadensersatzrecht ein.214

C. Zusammenfassende Ableitung allgemeiner Grundsätze zum Ersatz immaterieller Schäden aus dem Unionsrecht I. Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden nach dem Unionsrecht Das Unionsrecht enthält zwar keine allgemeinen Bestimmungen zum Schadensausgleich. Die punktuellen Regelungen beschränken sich aber nicht generell auf Vermögensschäden, sondern erstrecken sich auch auf Nichtvermögensschäden. Das Staatshaftungsrecht nach Art. 340 Abs. 2 AEUV, dessen Ausgestaltung sich nach den gemeinsamen Rechtsgrundsätzen zum Schadensausgleich im Recht der Mitgliedstaaten richtet, bezieht die ideellen Schäden in den Schadensersatz ein, ohne ihren Ausgleich von der Verletzung bestimmter Rechtsgüter abhängig zu machen. Der EuGH hat bisher indes eine Entschädigung der Trauerschäden von Angehörigen abgelehnt. Allerdings musste er noch nicht über einen Todesfall, sondern nur über den Trauerschaden wegen einer schweren Körperverletzung eines Angehörigen entscheiden. Bei Todesfällen besteht in den Mitgliedstaaten weitgehend Einigkeit über das Ob der Entschädigung, nur die Ausgestaltung variiert, so dass in ei212 213 214

Siehe dazu § 3.B., S. 150 ff. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38.

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nem solchen Fall eine Einbeziehung des Trauerschadens in die Staatshaftung möglich ist. Auch das Sekundärrecht erstreckt die Schadensersatzansprüche auf ideelle Schäden, soweit die Richtlinie keine entgegenstehenden Vorgaben enthält. Eine Ausnahme stellt die Produkthaftungsrichtlinie (85/374/EWG) dar, die den Ausgleich immaterieller Schäden ausdrücklich ausnimmt und den Mitgliedstaaten überlässt. Die später in Kraft getretenen Richtlinien zum Vertrags- und zum Deliktsrecht beziehen die immateriellen Schäden hingegen ein. Art. 5 Pauschalreiserichtlinie (90/314/EWG) benennt die ideellen Schäden zwar nicht ausdrücklich, die Regelung ist jedoch im Sinne eines umfassenden Schadensersatzes auszulegen.215 Die Richtlinie 2004/48/EG führt in Art. 13 Abs. 1 S. 2 lit. a den immateriellen Schaden des Urhebers als ersatzfähigen Schaden an, der bei der Bemessung des Schadensersatzes zu berücksichtigen ist. Die Richtlinie 76/207/EWG zum Diskriminierungsrecht enthielt zunächst keine expliziten Vorgaben zum Schadensersatz. Die Rechtsprechung des EuGH legte die Sanktionsbestimmung dahin aus, dass ein vollständiger Ausgleich aller Schäden, die infolge der Diskriminierung eingetreten sind, eine wirksame und abschreckende Sanktion ist. Auch Nichtvermögensschäden sind zu ersetzen. Infolge dieser Rechtsprechung ist der Schadensersatz nunmehr ausdrücklich in den Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/113/ EG und 2006/54/EG als Sanktion benannt. Zudem verpflichten die Richtlinien 2004/113/EG und 2006/54/EG die Mitgliedstaaten in speziellen Regelungen, den Ausgleich der erlittenen Schäden sicherzustellen. Diese Bestimmungen gehen auf die Rechtsprechung des EuGH zurück und erfassen die materiellen und immateriellen Schäden gleichermaßen. Im Ergebnis lassen die bestehenden Bestimmungen des europäischen Primär- und Sekundärrechts erkennen, dass der Schadensersatz sich grundsätzlich nicht auf materielle Schäden als ersatzfähige Einbuße beschränkt.216 Soweit keine besonderen Regelungen zum Schadensersatz bestehen und die Mitgliedstaaten nur allgemein verpflichtet sind, Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht oder das nationale Recht, das eine Richtlinie umsetzt, zu sanktionieren, gelten die vom EuGH entwickelten Anforderungen, dass die Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss. Sofern sich die Mitgliedstaaten für einen Schadensersatzanspruch entscheiden, ist ebenso wie bei der Anwendung der Richtlinie 76/207/EWG ein vollständiger Schadensausgleich geboten. Das entspricht auch dem Effektivitätsgrundsatz nach Art. 4 Abs. 3 EUV. Zudem lässt sich dieses Ergebnis auf den Äquivalenzgrundsatz stützen, wenn im nationalen Recht bei vergleichbaren Rechtsverletzungen auch die immateriellen Einbußen entschädigt werden. 215 216

Siehe § 8.B.I.2., S. 438 ff. Ähnlich Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 129.

466 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen II. Begriff des immateriellen Schadens im Unionsrecht Weder das Primär- noch das Sekundärrecht der Europäischen Union enthält eine eigene Definition des Schadensbegriffs oder des Begriffs des Nichtvermögensschadens. Im Staatshaftungsrecht spricht der EuGH eine Entschädigung sowohl für Schmerzen und Leiden sowie für Entstellungen und Beeinträchtigungen der Lebensführung in Form von (temporärer) Empfindungsunfähigkeit als auch für Störungen des gesellschaftlichen und familiären Lebens zu. Daneben bezieht er psychische Beeinträchtigungen wie Ungewissheit, Angst und Schock ein. Insofern erfasst er vor allem Gefühlsschäden. Die Entschädigung bei Einschränkungen der Empfindungsfähigkeit und der Ausgleich von Rufschäden lässt indes nicht eindeutig erkennen, ob dabei auf die emotionale Belastung des Geschädigten abgestellt wird oder zugleich die Beeinträchtigung der Entfaltungsfreiheit unabhängig vom Empfinden des Geschädigten als ausgleichsfähiger immaterieller Schaden angesehen wird. Die Verordnungen (EG) Nr. 261/2004 und (EG) Nr. 1371/2007 enthalten eine Schadenspauschalierung, so dass die exakte Bestimmung des immateriellen Schadens nicht erforderlich war. Die Richtlinien 90/314/EWG, 95/46/EG und 2004/48/EG verweisen für den Schadensersatz nicht auf das nationale Recht, so dass der Schadensbegriff unionsrechtsautonom auszulegen ist. Der EuGH hat noch nicht präzisiert, welche Schadenspositionen die ersatzfähigen immateriellen Schäden einschließen. Anhaltspunkte für die Konkretisierung des erfassten ideellen Schadens ergeben sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und der Richtlinie, die den Schadensersatz regelt. Grundsätze für ersatzfähige immaterielle Schäden haben sich vor allem im Rahmen der Haftung nach Art. 340 Abs. 2 AEUV entwickelt, so dass vor allem Gefühlsschäden als Nichtvermögensschäden anzusehen sind. Daneben ist anhand des Gegenstands der Richtlinien zu ermitteln, welche ideellen Einbußen typischerweise mit der Verletzung der Richtlinienvorgaben einhergehen, so dass ihre Entschädigung vom Normzweck der Richtlinie getragen ist. III. Funktion des Schadensersatzes 1. Ausgleichsfunktion Die untersuchten Regelungen des Primär- und Sekundärrechts stimmen darin überein, dass der Schadensersatz auf den Ausgleich der erlittenen Schäden zielt.217 Die Staatshaftung strebt die vollständige Wiedergutmachung der er217 S. auch Oskierski, Schadensersatz, S. 85 f.; Wurmnest, Grundzüge, S. 96, der aber bei der Auseinandersetzung mit der Präventionsfunktion (S. 98 ff.) zu wenig zwischen einer unselbständigen Präventionsfunktion, die keine überkompensatorische Entschädigung legitimiert, und einer selbständigen Präventionsfunktion unterscheidet; differenzierend Magnus, in: Magnus, Damages, S. 185, 187.

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littenen Schäden an. Das Gleiche gilt für die Regelungen des Sekundärrechts, unabhängig davon, ob die Regelungen eine überkompensatorische Entschädigung erlauben. Zumindest ein Schadensausgleich soll erfolgen, um die Verwirklichung des Richtlinienziels sicherzustellen. Das steht in Einklang mit dem Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, das Unionsrecht effektiv durchzusetzen. Ein symbolischer oder nomineller Schadensersatz genügt nicht. Auf dieser Grundlage entschied der EuGH bereits zu der ersten diskriminierungsrechtlichen Richtlinie (76/207/EWG), dass eine Sanktion im Sinne der Richtlinie durch einen Schadensersatz erfolgen könne. Dieser müsse aber zu einem vollständigen Ausgleich aller Schäden führen, die aus der Diskriminierung resultieren. Die Richtlinie 2004/48/EG regelt in Art. 13 einen Schadensersatzanspruch, der den Schutz des geistigen Eigentums verbessern soll. Daher muss zumindest ein vollständiger Schadensausgleich erfolgen. 2. Selbständige Präventionsfunktion und Strafschadensersatz Wiederholt bestand bei der Auslegung der Vorgaben des Unionsrechts Unsicherheit darüber, ob die Mitgliedstaaten zur Einführung eines Schadensersatzanspruchs mit selbständiger Präventionsfunktion oder Straffunktion verpflichtet sind, so dass eine überkompensatorische Entschädigung von den Gerichten zugesprochen werden kann. Dabei sind einerseits die allgemeinen Vorgaben des Primärrechts für die Sanktion von Verstößen gegen das Unionsrecht bzw. das nationale Recht, das eine Richtlinie umsetzt, zu betrachten. Andererseits ist auf die speziellen Regelungen in einzelnen Sekundärrechtsakten einzugehen. a) Primärrechtliche Vorgaben Der Effektivitätsgrundsatz als allgemeines Prinzip des europäischen Primärrechts ist die Grundlage für die Ableitung von Anforderungen an die Sanktionen von Verstößen gegen das Unionsrecht. Diese müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Weder der Begriff der Sanktion noch der Begriff der Abschreckung haben einen klaren Bezug zum Straf- oder Zivilrecht, sondern kennzeichnen nur, dass die Verstöße gegen das Unionsrecht Rechtsfolgen nach sich ziehen sollen, die auf den Rechtsverletzer einwirken und ihn von zukünftigen Rechtsverstößen abhalten. Das zwingt aber nicht zu der Schlussfolgerung, dass es sich um eine Kriminal- oder Privatstrafe oder einen Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion handeln muss, der eine überkompensatorische Entschädigung des Verletzten erlaubt218. Der Effektivitätsgrundsatz fordert, dass die Sanktion einen abschreckenden Effekt hat. Auch die Haftung und die Verschuldensunabhängigkeit der Einstandspflicht 218

S. auch Oskierski, Schadensersatz, S. 105.

468 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen wirken auf den Verletzer ein, ohne dass der Schadensersatz über den Schaden hinausgehen muss. Insofern lässt sich aus dem Effektivitätsgrundsatz zwar ableiten, dass die Sanktion zumindest eine (unselbständige) Präventionsfunktion haben muss. Dabei handelt es sich aber nur um den allgemein anerkannten Nebeneffekt jeder Haftung. Darüber hinaus ist weder ein Strafschadensersatz noch ein (überkompensatorischer) Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion primärrechtlich geboten. Der EuGH hat mehrmals entschieden, dass es dem Effektivitätsgrundsatz nicht widerspricht, wenn der Schadensersatz durch ein Bereicherungsverbot beschränkt ist. Gegen die Annahme, dass das Primärrecht einen Strafschadensersatz fordert, spricht zudem, dass in den Mitgliedstaaten keine einheitliche Tradition eines Strafschadensersatzes besteht. Das spiegelt sich auch im primärrechtlichen Staatshaftungsrecht wider, dessen Rechtsfolgen sich an den allgemeinen Grundsätzen ausrichten. Es beschränkt sich auf die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Äquivalenzgrundsatz, auf dessen Grundlage der EuGH wiederholt entschieden hat, dass eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts mit einem Strafschadensersatz sanktioniert werden muss, wenn für eine vergleichbare Verletzung nach dem Recht des Mitgliedsstaats ebenfalls ein Strafschadensersatz verhängt wird. Der Äquivalenzgrundsatz stellt nur die Gleichbehandlung des Unionsrechts mit dem nationalen Recht bei seiner Rechtsdurchsetzung in den Mitgliedstaaten sicher. Ein Strafschadensersatz ist daher nur geboten, wenn das nationale Recht einen solchen kennt und für vergleichbare Verstöße auferlegt. Dadurch wird er indes nicht zu einem Bestandteil des europäischen Primärrechts. b) Sekundärrechtliche Vorgaben Auch das Sekundärrecht enthält oder verlangt keine Schadensersatzregelung mit einer Straffunktion. Für die Verordnungen (EG) Nr. 261/2004 und (EG) Nr. 1371/2007 wurde zwar erwogen, ob die Entschädigungszahlung eine Sanktion im Sinne einer Privatstrafe oder einer selbständigen Präventionsfunktion ist. Es handelt sich jedoch um eine Schadenspauschalierung, die insbesondere die Abwicklung erleichtert und den Geschädigten nicht hindert, weitere Schadensersatzansprüche nach dem nationalen Recht geltend zu machen, soweit ein darüber hinausgehender Schaden entstanden ist. Auch die Entstehungsgeschichte der Rom-II-Verordnung hat gezeigt, dass erhebliche Vorbehalte in den Mitgliedstaaten gegenüber Privatstrafen und einem Strafschadensersatz bestehen. Die Streichung der vorgeschlagenen Richtlinienbestimmung, die den Strafschadensersatz als im Widerspruch zum ordre public der Union kennzeichnet, erlaubt nicht den Umkehrschluss, dass ein solcher Strafschadensersatz Teil der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts ist. Das beruht nur darauf, dass kein allgemeiner ordre public der Union entwickelt werden sollte und einzelne Mitgliedstaaten einen Strafschadensersatz

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kennen. Eine europarechtliche Tradition für solche Regelungen besteht weiterhin nicht. In den hier dargestellten Richtlinien zum Vertrags- und Deliktsrecht sind keine Bestimmungen enthalten, die einen Strafschadensersatz stützen. Grundsätzlich fordern sie auch keinen Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion. Auch die diskriminierungsrechtlichen Richtlinien verpflichten die Mitgliedstaaten nicht, einen überkompensatorischen Schadensersatz einzuführen oder einen Strafschadensersatz zuzulassen. Sofern sich die Mitgliedstaaten für einen Schadensersatz entscheiden, muss er in Form einer verschuldensunabhängigen Haftung bestehen und alle erlittenen Schäden ausgleichen. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung lässt sich nicht darauf stützen. Besonderheiten weist demgegenüber die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung des geistigen Eigentums auf. Auch sie schließt aber in den Erwägungsgründen die Einführung eines Strafschadensersatzes durch ihre Regelungen generell aus. Zugleich zielt sie darauf, die effektive Durchsetzung des Rechts auf geistiges Eigentum sicherzustellen und zukünftigen Rechtsverletzungen vorzubeugen. Ob sich daraus die Verpflichtung ergibt, einen Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion anzuerkennen, ist umstritten. Zudem stellt sich die Frage, ob es einen Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion geben kann, der kein Strafschadensersatz ist. Art. 13 der Richtlinie verlangt grundsätzlich die Regelung eines angemessenen Schadensersatzes. Eine selbständige Präventionsfunktion kann sich nur aus einer systematischen Auslegung anhand der allgemeinen Bestimmung zur Prävention in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie und den Vorgaben zur Festsetzung des Schadensersatzes durch die Gerichte ergeben. Die Regelung lässt die Berücksichtigung des Verletzergewinns und somit eine Gewinnabschöpfung im Rahmen des Schadensersatzes zu, damit eine effektive Sanktion gegen lukrative Delikte besteht. Allerdings spricht die Richtlinie nur von der Berücksichtigung des Verletzergewinns und gibt somit nicht vor, dass der Verletzergewinn vollständig abzuschöpfen ist. Diese Vagheit erlaubt es den Mitgliedstaaten, selbst zu entscheiden, wie sie den Schadensersatzanspruch ausgestalten. Das beruht darauf, dass die Richtlinie zwar den Strafschadensersatz ablehnt, aber eine Prävention fordert. Die Richtlinie bestimmt indes nicht eindeutig, wann ein Schadensersatzanspruch (mit selbständiger Präventionsfunktion) und wann ein Strafschadensersatz vorliegt, dessen Einführung die Richtlinie nicht anstrebt. Zudem konnten sich die Mitgliedstaaten nicht auf eine feste Pauschalierung einigen, die, wie eine doppelte oder dreifache Lizenzgebühr im Sinne der US-amerikanischen double oder treble damages, eindeutig über den Schaden hinausgeht. Die Vorstellung der Mitgliedstaaten ist grundsätzlich vom Schadensausgleich geprägt. Privatstrafen werden überwiegend ebenso abgelehnt wie Strafschadensersatz. Es besteht aber ein Bewusstsein dafür, dass bei Delikten mit

470 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Gewinnerzielung – die insbesondere bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten häufig sind – auch eine Gewinnabschöpfung möglich sein muss, um einen effektiven Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. Ob dies im Rahmen des Schadensersatzes, des Bereicherungsrechts oder der Geschäftsführung ohne Auftrag erfolgen soll, wird in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich beurteilt. Vor diesem Hintergrund steht die Richtlinie 2004/48/EG, so dass ihr keine eindeutige Forderung nach einer (allgemeinen) selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes entnommen werden kann. Sie stützt vor allem eine Gewinnabschöpfung, um den Rechtsschutz bei lukrativen Delikten zu verbessern. Die Gewinnabschöpfung als Teil des Schadensersatzes hat eine selbständige Präventionsfunktion, ist aber hinsichtlich ihres Umfangs limitiert. Zudem bezieht sie sich auf einen Gewinn, den die Rechtsordnung, die das geistige Eigentum schützt, dem Rechtsinhaber zuweist. Wegen des speziellen Bezugs zu lukrativen Delikten im Immaterialgüterrecht kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie 2004/48/EG zu einer grundsätzlichen Wende im Unionsrecht führt, mit der Folge, dass in Zukunft Schadensersatz mit einer selbständigen Präventionsfunktion, der eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, als fester Bestandteil des Unionsrechts gelten muss. Es handelt sich um eine punktuelle Weiterentwicklung des Europarechts im Interesse des Rechtsgüterschutzes.

§ 9 Die Europäisierung des Schadensersatzrechts und der Ersatz immaterieller Schäden A. Initiativen zur Entwicklung eines europäischen Privatrechts I. Entwicklung bis zum Aktionsplan der Europäischen Kommission Unabhängig von der Rechtsetzung der Europäischen Union beschäftigte sich die Rechtswissenschaft seit Mitte der 1970er Jahre intensiver damit, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Privatrechts der Mitgliedstaaten durch rechtsvergleichende Forschung herauszuarbeiten.1 Ziel war die Entwicklung eines gemeinsamen Privatrechtsverständnisses, auf dessen Grundlage in der Zukunft ein europäisches Privatrecht gestaltet werden kann. Das betraf zunächst nur das Vertragsrecht. Die Lando-Kommission erarbeitete seit 1980 auf rechtsvergleichender Grundlage die Grundregeln eines Europäischen Ver1 Z. B. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Bd. I, 1996, Bd. II, 1999; Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. I, 1985, Bd. II, 1989; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, Bd. I, 1996; Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa, Bd. I, 2000, Bd. II, 2001; dazu Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529; Jansen, RabelsZ 70 (2006), 732, 733; Zimmermann, in: Reimann/Zimmermann, Handbook Comparative Law, S. 539, 548 ff.

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 471

tragsrechts (Principles2 of European Contract Law, PECL), die in drei Teilen 1997, 2000 und 2003 sukzessive veröffentlicht wurden.3 Die PECL sind ein privat erarbeitetes Regelwerk mit konkreten Tatbeständen und präzisen Rechtsfolgenanordnungen, aber ohne normative Geltung.4 Ursprünglich sollte sich die Arbeit auf ein in Regelform abgefasstes Restatement beschränken, das die funktional beste Lösung für ein europäisches Vertragsrecht darstellen sollte.5 Die Regelungen weichen aber zum Teil erheblich von den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ab, so dass sie ein über ein Restatement hinausgehender Vorschlag für eine genuine Vertragsrechtsordnung sind.6 Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten haben diese Prinzipien in der Folgezeit zum Teil in ihre Gesetzgebung einfließen lassen.7 Seit den 1990er Jahren ist auch die außervertragliche Haftung stärker in den Fokus der rechtsvergleichenden Forschung gerückt.8 Die European Group on Tort Law (vormals Tilburg-Wien-Gruppe), die aus Rechtswissenschaftlern mehrerer Mitgliedstaaten besteht, entwickelte aus den rechtsvergleichenden Darstellungen der einzelnen Teilbereiche des außervertraglichen Haftungsrechts die Principles of European Tort Law (PETL), die mit Anmerkungen und rechtsvergleichenden Hinweisen publiziert und besprochen wurden.9 Daneben bestand eine Reihe weiterer Initiativen, namentlich die Akademie der europäischen Privatrechtswissenschaftler (sog. Gandolfi-Gruppe), die ebenfalls einen Code Européen des contrats erarbeitete10, sowie eine Commission on 2 Die Bezeichnung Grundregel bzw. Principle meint insoweit weder Prinzipien im rechtstheoretischen Sinne noch bloß abstrakte Aussagen, s. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, Intr. 10; Jansen, RabelsZ 70 (2006), 732, 733 Fn. 3; Michaels, RabelsZ 62 (1998), 580, 584 ff., 623; Zimmermann, Principles, S. 8. 3 Lando/Beale, Principles of European Contract Law, Bd. I, II; Lando/Clive/Prüm/Zimmermann, Principles of European Contract Law, Bd. III; zur Restatement-Idee im kontinentaleuropäischen Recht Jansen, JZ 2006, 536, 537. 4 Flessner, ZEuP 2007, 112, 115; Zimmermann, Europäisierung, S. 35 f. 5 Zimmermann, Symposium Kötz, S. 111, 141; dazu auch Pfeiffer, ZEuP 2008, 679, 681. 6 Zimmermann, Europäisierung, S. 36 f. 7 Z. B. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7052, S. 178; Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, S. 1051, 1066; Zimmermann, Symposium Kötz, S. 111, 141 f.; Vendrell Cervantes, ZEuP 2008, 534, 547 f.; Busch, ZEuP 2008, 549, 552 ff., 557 ff. (zur Berücksichtigung in der Rechtsprechung und Juristenausbildung). 8 Z. B. Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, 1999; auf der Grundlage des acquis communautaire Wurmnest, Grundzüge des europäischen Haftungsrechts, 2003. 9 Rechtsvergleichende Vorarbeiten: Koziol, Unification of Tort Law: Wrongfulness, 1998; Spier, The Limits of Expanding Liability, 1998; ders., Unification of Tort Law: Causation, 2000; Magnus, Unification of Tort Law: Damages, 2001; Koch/Koziol, Unification of Tort Law: Strict Liability, 2002; Spier, Unification of Tort Law: Liability for Damages Caused by Others, 2003; Koch/Koziol, Compensation for Personal Injury in a Comparative Perspective, 2003; van Boom/Koziol/Witting, Pure Economic Loss, 2004; PETL: European Group on Tort Law, Principles of European Tort Law, 2005; dazu Zimmermann, Principles, S. 2 ff., G. Wagner, CMLR 42 (2005), 1269 ff. 10 Accademia di Giusprivati Europei, Code Européen des contrats, 2004; dazu Gandolfi, ZEuP 2002, 1 ff.; s. zur weiteren Entwicklung Blanc-Jouvan, RIDC 2009, 187 ff.

472 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen European Family Law (CEFL), die die Harmonisierung des Familienrechts durch rechtsvergleichende Analysen begleitet. Die Project Group on a Restatement of European Insurance Law beschäftigt sich speziell mit dem Versicherungsvertragsrecht.11 Zudem bestand ein Projekt zum Common Core of European Private Law, das falllösungsorientiert die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des europäischen Privatrechts herausarbeitete. Im Vordergrund stand dabei noch nicht die vollständige Harmonisierung des europäischen Privatrechts, sondern die rechtsvergleichende Untersuchung des nationalen Rechts, die eine Vorarbeit für die Privatrechtsvereinheitlichung war und den fortschreitenden Konvergenzprozess im europäischen Privatrecht vorbereitet hat. II. Vom Aktionsplan der Kommission zum Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens Im Jahre 2001 erläuterte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft, welche Handlungsalternativen sie für die Entwicklung des europäischen Privatrechts sieht12, und stellte dem Europäischen Parlament und dem Rat 2003 einen Aktionsplan für die Entwicklung eines europäischen Vertragsrechts vor.13 Die Kommission erklärte die Erarbeitung eines Gemeinsamen Referenzrahmens (DCFR/Draft Common Frame of Reference) zum Ziel, der die Basis für eine Steigerung der Qualität des Unionsrechts und für Reformen des nationalen Rechts sein soll. Nach der Vorstellung der Kommission handelt es sich um ein optionales Instrument, um einen Werkzeugkasten für die zukünftige Gesetzgebung der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten.14 Ob der Gemeinsame Referenzrahmen später zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch entwickelt werden soll, ist höchst umstritten.15 Die Kommission verfolgte die Idee eines Zivilgesetzbuchs zumindest nicht offiziell.16 Der Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens wurde insbesondere von acht internationalen Forschergruppen erarbeitet, wobei sieben unter einer Leitung als Study Group on a European Civil Code zusammengefasst sind.17 11

Dazu Wurmnest, ZEuP 2003, 714, 727 f. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum europäischen Vertragsrecht v. 11.7.2001, KOM (2001) 398 endg. 13 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat v. 12.2.2003, ABl. EG Nr. C 63 v. 15.3.2003, S. 1; eine inhaltliche Konkretisierung erfolgt später, s. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat v. 11.10.2004, KOM (2004) 651 endg. 14 Dazu Flessner, ZEuP 2007, 112, 113. 15 Dagegen insbesondere die französische Literatur Cornu, D. 2002, Chr., 351 f.; Lequette, D. 2002, Chr., 2202 ff.; Malinvaud, D. 2002, Chr., 2542 ff.; s. auch die Beiträge in Smits, The Need for a European Contract Law, 2005; dazu Jansen, JZ 2006, 536, 539; Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2166. 16 Dazu auch v. Bar, ERCL 2007, 349, 352; Jansen, JZ 2006, 536, 539. 17 v. Bar, FS Henrich, S. 1 ff.; Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 532; Wurmnest, ZEuP 2003, 714, 732 ff.; s. auch www.sgecc.net, zuletzt am 10.10.2012. Zu den weiteren Forschergruppen Beale, ERCL 2007, 257, 258. 12

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Diese Gruppe nahm die von der Lando-Kommission erarbeiteten Grundregeln für ein Europäisches Vertragsrecht (PECL) zum Ausgangspunkt und unterzog sie einer Revision.18 Sie waren ohne einen feststehenden Gesamtplan entstanden, so dass konzeptionelle und strukturelle Defizite existierten, die beseitigt wurden.19 Zudem machte es sich die Study Group zum Ziel, klare und konsistente Begriffe zu entwickeln.20 Zum Vertragsrecht traten die Geschäftsführung ohne Auftrag, die außervertragliche Haftung sowie das Bereicherungsrecht hinzu. Die Study Group erarbeitete einen eigenen Entwurf für ein europäisches Deliktsrecht (Principles of European Law, Non-Contractual Liability Arising out of Damage Caused to Another, PEL Liab. Dam.), der inhaltlich von den Ergebnissen der European Group on Tort Law abweicht. Methodisch beruhen die Arbeiten auf dem Vergleich des Rechts der Mitgliedstaaten. Neben der Study Group konstituierte sich im Jahre 2002 die European Research Group on the Existing EC Private Law (Acquis Group).21 Sie untersuchte das damalige Gemeinschaftsprivatrecht, das insbesondere in den 1990er Jahren erheblich zugenommen hatte22, aber aus punktuellen Regelungen ohne Gesamtkonzept besteht. Dieser acquis communautaire war für die Acquis Group der Ausgangspunkt, um ein Regelwerk zu entwickeln, das als Gegenmodell zu den PECL fungieren sollte, die das Gemeinschaftsprivatrecht nicht einbezogen.23 Die Grundregeln sind aber keine kritische Revision des Gemeinschaftsprivatrechts. Die bestehenden Regelungen wurden vor allem in einzelnen Punkten verallgemeinert.24 Entsprechend der Gesetzge18 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, Intr. 40 ff.; Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/ Zimmermann, JZ 2008, 529, 532; Zimmermann, ZEuP 2007, 109, 110. 19 Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 532; Zimmermann, Symposium Kötz, S. 111, 116 f.; ders., Principles, S. 9 f. 20 Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 532. 21 Dazu Schulze/Schulte-Nölke, in: Schulte-Nölke/Schulze/Bernardeau, Europäisches Vertragsrecht, S. 11, 14 ff.; Schulze, ZEuP 2007, 731 ff.; Wurmnest, ZEuP 2003, 714, 740 ff.; s. auch www.acquis-group.org, zuletzt am 10.10.2012. 22 Systematisierende Darstellungen zum Unionsprivatrecht unabhängig von der AcquisGruppe z. B. Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 2005; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2001; Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, 2003; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003; Schulze/Ebers/Grigoleit, Informationspflichten und Vertragsschluss im acquis communautaire, 2003; Schulze, ERPL 2005, 841 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2000; Wurmnest, Grundzüge eines europäischen Haftungsrechts, 2003. 23 Jansen/Zimmermann, JZ 2007, 1113, 1115; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 58; krit. zu diesem Defizit der PECL Wurmnest, ZEuP 2003, 714, 729 f.; s. auch Basedow, in: Zimmermann/Knütel/Meincke, Rechtsgeschichte, S. 79, 81 f.; Jansen, Binnenmarkt, S. 63; Schulze, ZRP 2006, 155, 156; Zimmermann, New German Law, S. 159 f.; zu den Divergenzen zwischen europäischem Privatrecht und nationalem Privatrecht Micklitz, ZEuP 1998, 253, 257 ff., 262 ff. 24 Schulze, ZRP 2006, 155, 156; s. auch Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2163; zur Arbeitsweise Wurmnest, ZEuP 2003, 714, 740 f.

474 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen bungsaktivitäten der Europäischen Union beziehen sie sich vor allem auf das Verbraucherschutzrecht, die Informationspflichten und das Antidiskriminierungsrecht und somit auf Bereiche des Privatrechts, die die PECL überwiegend ausklammern. Somit ergänzen sich die Arbeiten der Acquis Group und der Lando-Kommission bzw. der ihr nachfolgenden Study Group. Das gilt für die bearbeitete Materie und für die Herangehensweise. Das Zusammenfügen der Arbeiten soll sicherstellen, dass das europäische Privatrecht eine Einheit bildet. Die Arbeitsergebnisse der Study Group und der Acquis Group wurden zusammengeführt und 2008 in der sog. Interim outline edition sowie 2009 als endgültiger Entwurf für einen Gemeinsamen Referenzrahmen (Draft Common Frame of Reference, DCFR) publiziert.25 Der DCFR vereint die revidierten PECL, die neu entwickelten Grundregeln für die Geschäftsführung ohne Auftrag, die außervertragliche Haftung und das Bereicherungsrecht sowie die teilweise überarbeiteten Ergebnisse der Acquis Group. Ausgeklammert sind das Gesellschaftsrecht, das Wertpapierrecht, das Arbeitsrecht, das Grundstücksrecht sowie das Familien- und Erbrecht, aber auch das Recht der Geschäftsfähigkeit.26 Der DCFR ist ein von Wissenschaftlern erarbeitetes kodifikationsförmiges Regelwerk27, das bisher weder politisch autorisiert ist noch vom Unionsgesetzgeber für rechtsverbindlich erklärt wurde28. Daher ist es zunächst ein akademischer Entwurf.29 Stilprägend war zum Teil die Idee eines Restatements im Sinne des US-amerikanischen Rechts.30 Es handelt sich aber nicht um eine Kompilation der Gemeinsamkeiten des geltenden Rechts in den Mitgliedstaaten. Der DCFR betrifft eine Vielzahl von Rechtsmaterien, deren Konvergenz in den Mitgliedstaaten der EU sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Beim Vertragsrecht liegt weitgehend eine gemeinsame Konzeption zugrunde, wohingegen im Deliktsund Bereicherungsrecht oder bei der Geschäftsführung ohne Auftrag erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen.31 Der DCFR geht somit über ein bloßes Restatement hinaus. Er hat eine gesetzesförmige Gestalt 25 v. Bar/Clive/Schulte-Nölke, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law, Interim Outline Edition 2008, Outline Edition 2009; dazu v. Bar, JI 2008, 4 f. v. Bar/ Clive/Beale/Schulte-Nölke, DCFR, Bd. I, Intr. 40, 48; s. auch Clive, JI 2008, 18 ff.; Lando, ERCL 2007, 245, 246 ff. 26 Art. I.-1:101 Abs. 2 DCFR. 27 Insofern ist der Begriff principles ebenso irreführend wie bei den PECL: Eidenmüller/ Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 533. 28 v. Bar/Clive/Beale/Schulte-Nölke, DCFR, Introduction, S. 6. 29 v. Bar/Clive/Beale/Schulte-Nölke, DCFR, Introduction, S. 7. 30 Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 533; SchulteNölke, NJW 2009, 2161, 2162. 31 Zum Deliktsrecht Jansen/Zimmermann, NJW 2009, 3401, 3403; Spier, PETL, General Introduction Rn. 31; allg. dazu v. Bar, in: Schmidt-Kessel, Der gemeinsame Referenzrahmen, S. 23, 26 f.; zum Bereicherungsrecht Wendehorst, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der gemeinsame Referenzrahmen, S. 215 ff.

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und besteht nicht nur aus nebeneinanderstehenden einzelnen Regelungsblöcken, sondern es handelt sich um ein systematisiertes Regelwerk.32 Die Regelungen sind sehr ausführlich und ähneln stärker der Gesetzgebungspraxis der Länder des Common Law als den kontinentaleuropäischen Kodifikationen, bei denen systematische Bezüge und teleologische Aspekte üblicherweise nicht geregelt, sondern in den Text hineingelesen werden.33 Insgesamt kommt der DCFR eher als ein Modellgesetz für das europäische Privatrecht daher.34 Die Zukunft des vorliegenden DCFR ist bislang ungewiss. Das gilt für seine Funktion wie für seine Verbindlichkeit.35 Die Europäische Kommission wirkt gegenwärtig vor allem auf die Überarbeitung des bestehenden acquis communautaire zum Verbraucherschutz hin.36 Am 11.10.2011 hat sie zudem einen Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht veröffentlicht, die auch einen allgemeinen Teil enthält.37 Im Vordergrund des Interesses steht die Harmonisierung des Vertragsrechts, wohingegen der DCFR auch Regelungen zum Delikts- und Bereicherungsrecht sowie zur Geschäftsführung ohne Auftrag enthält. Die ursprüngliche Idee eines europäischen Zivilgesetzbuchs, für die sich insbesondere das Europäische Parlament ausgesprochen hatte, hat die Kommission vorerst aufgegeben.38 Zudem bestehen erhebliche Zweifel an der Kompetenz der Europäischen Union für eine derart umfassende Zivilrechtskodifikation.39 Soweit die Harmonisierung des Privatrechts dem Abbau von Handelshemmnissen, der Verbesserung des Wettbewerbs und somit der Herstellung des Binnenmarktes dient, kann sich die Europäische Kommission auf Art. 114 AEUV stützen. Eine umfassende Zivilrechtskodifikation geht darüber hinaus, da für die gesetzlichen Schuldverhältnisse nicht der gleiche Harmonisierungsbedarf wie im Vertragsrecht besteht, da die Unternehmen in den Mitgliedstaaten jeweils un32

Jansen/Zimmermann, NJW 2009, 3401, 3405. Zur Stilistik Pfeiffer, ZEuP 2008, 679, 685 ff. 34 Leible, NJW 2008, 2558, 2561. 35 Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 530; Schulze, ZEuP 2007, 130, 135 f. 36 Bericht der Kommission v. 23.9.2005, KOM (2005) 456 endg.; Grünpapier zur Überarbeitung des Verbraucherschutzrechts v. 8.2.2007, KOM (2006) 744 endg.; Bericht der Kommission v. 25.7.2007, KOM (2007), 447 endg.; Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission v. 8.10.2008, KOM (2008) 614 endg.; dazu v. Bar/Clive/Beale/Schulte-Nölke, DCFR, Introduction, S. 38 f.; Beale, ERCL 2006, 303, 309, 311 ff.; Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 530; Zimmermann, ZEuP 2007, 109, 111. 37 KOM (2011) 635 endg. 38 Eine Chance für eine praktische Umsetzung des DCFR als rechtsverbindliche Regelung daher verneinend Beale, ERCL 2006, 303, 309 f., 313; Zimmermann, ZEuP 2007, 109, 110. 39 Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 530; Georgiades, FS Canaris, Bd. II, S. 603, 604 ff.; Honsell, ZIP 2008, 621, 629; Staudenmayer, ZEuP 2003, 828, 841 ff.; G. Wagner, ZEuP 2007, 180, 182 f.; dazu auch Hähnchen, in: Schmidt-Kessel, Der gemeinsame Referenzrahmen, S. 147, 161 ff.; anders v. Bar/Schulte-Nölke, ZRP 2005, 165, 168, soweit es sich nicht um einen verbindlichen Text handle; s. auch Weatherill, ERCL 2006, 136 ff.; ders., ERPL 2005, 405 ff. 33

476 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen abhängig von ihrer Niederlassung gleich behandelt werden. Eine Notwendigkeit für eine Rechtsvereinheitlichung lässt sich zwar im Deliktsrecht darauf stützen, dass die Anpassung der Produkte an die Vorgaben das nationale Deliktsrecht eine kostenträchtige Folge der Vielfalt deliktischer Normen in den Mitgliedstaaten ist.40 Für das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag und das Bereicherungsrecht, die ebenfalls Teil des Entwurfs sind, gilt das aber nicht in gleicher Weise. Der Entwurf ist nicht nur von dem Gedanken getragen, was im Sinne einer Herstellung des Binnenmarktes erforderlich ist, sondern sieht in der Entwicklung des Europäischen Privatrechts einen Eigenwert. Der Entwurf des DCFR zielt angesichts seiner weitreichenden und gut systematisierten Regelungen langfristig darauf, ein optionales Instrument zu werden, das neben dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten steht.41 Die Privatrechtssubjekte können sich auf seine Geltung einigen (sog. opt in), so dass der Gemeinsame Referenzrahmen in diesem Fall das Rechtsverhältnis normativ regelt.42 Ein Referenzrahmen ist keine dem europäischen Recht bisher bekannte Normenkategorie i. S. des Art. 288 AEUV. Sofern das Regelwerk Rechtsnormenstatus erlangte, auch wenn es nur optional gälte, wäre der EuGH für seine Auslegung zuständig.43 Zudem dürfte die Rechtsfortbildung im Sinne einer Lückenfüllung nur unter Rückgriff auf das Unionsprivatrecht als sedes materiae erfolgen.44 Ein opt in zugunsten des DCFR in kollisionsrechtlichen Fällen ist bisher nicht möglich.45 Art. 3 Abs. 1 Rom-I-Verordnung sieht, anders als zunächst geplant, nicht vor, dass die Vertragsparteien die europäischen Principles wählen können, sondern hat das einem späteren Rechtsakt überlassen.46 Nur für die Schiedsgerichtsbarkeit ist anerkannt, dass auch ein nichtstaatliches Recht wählbar ist (§ 1051 ZPO).47 Zum Teil wird sogar befürwortet, dass der Gemeinsame Referenzrahmen ein bloßes Dokument bleiben soll.48 Unabhängig davon, ist dessen Entwick40

Dazu G. Wagner, CMLR 42 (2005), 1269, 1272 f. v. Bar/Clive/Beale/Schulte-Nölke, DCFR, Introduction, S. 7; v. Bar/Schulte-Nölke, ZRP 2005, 165, 167; Flessner, ZEuP 2007, 112, 115; Jansen/Zimmermann, NJW 2009, 3401, 3406; Martiny, ZEuP 2007, 212, 214; s. auch v. Bar, in: Schmidt-Kessel, Der gemeinsame Referenzrahmen, S. 23, 30 f.; Leible, NJW 2008, 2558, 2561; Schulte-Nölke, ERCL 2007, 332, 348 f.; Schulze, ZEuP 2007, 130, 136 f. (Gemeinsamer Referenzrahmen mit vorbereitender Funktion); zu den Gestaltungsmöglichkeiten Staudenmayer, EuZW 2005, 103, 105. 42 Siehe Fn. 41. 43 Flessner, ZEuP 2007, 112, 115 f. 44 Flessner, ZEuP 2007, 112, 115. 45 Für eine Weiterentwicklung dieses Zustands v. Bar, in: Schmidt-Kessel, Der gemeinsame Referenzrahmen, S. 23, 30 f.; Beale, ERCL 2007, 257, 271; Leible, NJW 2008, 2558, 2561. 46 Anders noch Art. 3 Abs. 2 des Verordnungsvorschlags der Europäischen Kommission v. 15.12.2005, KOM (2005) 650 endg., S. 5 f., 16; dazu Pfeiffer, ZEuP 2008, 679, 682; SchulteNölke, ZGS 2006, 41; Schulze, ZEuP 2007, 130, 136. 47 Pfeiffer, ZEuP 2008, 679, 682. 48 Jansen, JZ 2006, 536, 542 f., der die Berücksichtigung des Gemeinsamen Referenzrahmens durch die Rspr. des EuGH befürwortet. 41

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lung ein Prozess, der zu einer Systematisierung der Begrifflichkeiten führt und eine Auseinandersetzung mit den Regelungszielen und -konzepten nach sich ziehen muss. Er befördert die Entstehung eines Europäischen Privatrechts, indem er Inspiration für den Gesetzgeber ist. Insoweit kann der Referenzrahmen als „tool box“ fungieren. Das gilt zum einen für den nationalen Gesetzgeber49 mit der Folge, dass der Konvergenzprozess zwischen den Mitgliedstaaten unterstützt wird. Zum anderen kann er den Organen der Union als Orientierung dienen und so zur kohärenteren Gestaltung des Unionsrechts beitragen.50 Der Gemeinsame Referenzrahmen soll seiner Idee nach eine einheitliche, verbindende gedankliche Grundstruktur haben51 und ist darauf ausgerichtet, so dass er eine Integrationsfunktion erfüllen kann52. Er übernimmt insoweit die Definitionshoheit im europäischen Privatrecht, wirkt begriffsbildend und setzt Maßstäbe für die Konzeption einzelner Institute.53 Die Entwicklung des Gemeinsamen Referenzrahmens auf der Basis des vorliegenden Entwurfs kann die Konsensbildung für die einzelnen Regelungsbereiche, aber auch für Begriffe und Strukturen eines europäischen Privatrechts befördern. Dazu bedarf es aber einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den Regelungszielen für die einzelnen Teilbereiche des Europäischen Privatrechts, für die ein länger währender Diskussionsprozess erforderlich ist, wenn es sich nicht nur um die Kompilation des bestehenden Rechts handeln soll. Dieser Prozess ist angesichts der Abweichungen zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere bei den gesetzlichen Schuldverhältnissen erschwert.

B. Ausgleich immaterieller Schäden nach den Entwürfen für ein europäisches Vertragsrecht Als Entwürfe für ein europäisches Vertragsrecht liegen Grundregeln eines Europäischen Vertragsrechts der Lando-Kommission (PECL), die Grundregeln der Acquis Group (ACQP) und der Entwurf des DCFR vor. Sie weisen eine erhebliche Konvergenz auf. Das gilt auch für den Schadensausgleich, so dass sie hier gemeinsam dargestellt werden können. Die Prinzipien des europäischen Vertragsrechts erfassen übereinstimmend den Schadensausgleich bei der vertraglichen Haftung. Das gilt für die PECL und die ACQP, auch der Code Européen des Contrats der Gandolfi-Gruppe bezieht sie ein. Bei der Entwick49 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, Intr. 8; v. Bar, in: Schmidt-Kessel, Der gemeinsame Referenzrahmen, S. 23, 32; Beale, ERCL 2007, 257, 261, 268.; Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2165; vgl. auch G. Wagner, CMLR 42 (2005), 1269, 1290 f. 50 Leible, NJW 2008, 2558, 2561; Jansen, JZ 2006, 536, 540; Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2162; Zimmermann, EuZW 2007, 455, 462 f. 51 Jansen, JZ 2006, 536, 541; s. auch Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2162. 52 Jansen, JZ 2006, 536, 541; ähnlich v. Bar, in: Schmidt-Kessel, Der gemeinsame Referenzrahmen, S. 23, 30. 53 Flessner, ZEuP 2007, 112, 115; Jansen/Zimmermann, NJW 2009, 3401, 3406.

478 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen lung des DCFR wurden die PECL und die ACQP zusammengeführt. Angesichts der übereinstimmend gestalteten Haftung auf Schadensersatz als Rechtsfolge der Nichterfüllung enthält auch der DCFR eine entsprechende Regelung. Dogmatische Probleme bestehen in der Entwicklung eines einheitlichen Konzepts der Nichterfüllung (breach of contract)54 und vor allem darin, ob es sich um eine verschuldensabhängige Haftung oder eine Garantiehaftung bzw. eine Mischform handelt.55 Unabhängig von der Konzeption des Haftungsgrunds ist als Rechtsfolge der vertraglichen Haftung in allen Entwürfen übereinstimmend ein Schadensersatz vorgesehen. Der Gläubiger muss tatsächlich einen Schaden erlitten haben, und der Umfang des Schadensersatzes bemisst sich anhand des eingetretenen Schadens.56 Ein Schadensersatz, der unabhängig vom konkreten Schaden gewährt wird, wie die sog. nominal damages im englischen Recht, und sich meist nur auf einen symbolischen Betrag beschränkt, sehen die PECL, die ACQP und der Entwurf zum DCFR nicht vor.57 Die Schadensabhängigkeit der Haftung hat zur Folge, dass der Gläubiger keinen Schadensersatz verlangen kann, selbst wenn der Schuldner durch die Pflichtverletzung einen Gewinn erzielt, der Gläubiger aber keinen Schaden erlitten hat.58 Aus dem engen Bezug zum Schaden folgt auch, dass kein Anspruch auf einen überkompensatorischen Schadensersatz oder einen Strafschadensersatz besteht, dessen Höhe unabhängig vom konkreten Schaden ist. Das steht im Einklang mit dem Recht der Mitgliedstaaten, die die vertragliche Haftung auf den Schadensausgleich beschränken. Selbst im englischen Recht sind exemplary damages grundsätzlich auf die deliktische Haftung limitiert.59 Lediglich das französische Recht kennt eine Privatstrafe in Form der astreinte, die aber nicht Teil der vertraglichen Haftung ist, sondern vom Gericht verhängt wird, ohne dass ein Anspruch darauf besteht.60 Im Unionsprivatrecht existiert ebenfalls keine Tradition eines Strafschadensersatzes.61 Der Schadensersatz geht in allen drei Regelwerken auf das Erfüllungsinteresse des Gläubigers. Der Schuldner muss für die ersatzfähigen Schäden die 54

Schmidt-Kessel, in: Schulze, New Features, S. 183 ff. Kritisch zur Interpretation der PECL als verschuldensunabhängige Haftung und von einem Mischsystem ausgehend Schmidt-Kessel, FS Löwisch, S. 325, 331; ders., in: Schulze, New Features, S. 183, 185, 191 f.; für eine objektive Haftung mit begrenzter Entlastungsmöglichkeit nach dem acquis communautaire: Magnus, ZEuP 2007, 260, 275; ähnlich Zoll, in: Schulze, Common Frame of Reference, S. 189, 201; a. A. Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 867 f. (für eine objektive Haftung); keine strikte Garantiehaftung nach dem DCFR Leible, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 97, 109. 56 Art. 9:501 Abs. 1, 9:502 PECL, Art. 8:402 Abs. 1, 2 ACQP, Art. III.-3:701 Abs. 1, III.3:702 DCFR; vgl. v. Bar/Zimmermann, PECL, S. 527. 57 Dazu v. Bar/Zimmermann, PECL, S. 530; v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, III.-3:701 B. 58 v. Bar/Zimmermann, PECL, S. 530. 59 Siehe oben § 6.C.V.2., S. 312 ff. 60 Siehe oben § 6.C.V.1.b, S. 310 ff. 61 Siehe oben § 8.C.III.2, S. 467 ff. 55

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Summe zahlen, die erforderlich ist, um den Gläubiger in den Zustand zu versetzen, in dem er bei pflichtgemäßer Vertragserfüllung gewesen wäre.62 Dabei wird nicht zwischen materiellen und immateriellen Schäden differenziert. Der Schadensersatzanspruch geht vorrangig auf Kompensation in Geld.63 Die Regelwerke stimmen darin überein, dass sich die vertragliche Haftung nicht auf den Ersatz von Vermögensschäden beschränkt, sondern Nichtvermögensschäden einbezieht, die infolge der Nichterfüllung entstanden sind.64 Den Begriff des Nichtvermögensschadens definieren die PECL und die ACQP nicht. Art. III.-3:701 Abs. 3 S. 2 DCFR erläutert nur, dass die ideellen Schäden die Leiden und Schmerzen des Gläubigers sowie die Beeinträchtigung der Lebensqualität einschließen. Insoweit stimmt er mit Art. VI.-2:101 Abs. 4 lit. b DCFR zur deliktischen Haftung überein. Es handelt sich dabei nicht um eine Definition oder abschließende Aufzählung der ersatzfähigen ideellen Schäden. Das ergibt sich aus der Formulierung „includes“, die eine beispielhafte Aufzählung indiziert.65 Der systematische Vergleich mit den Bestimmungen der PECL und der ACQP bestätigt diesen Befund. Die Erläuterungen zu Art. 9:501 PECL verweisen darauf, dass Nichtvermögensschäden nicht nur Schmerzen und Leiden infolge körperlicher Verletzungen, sondern auch enttäuschte Erwartungen oder Schikanen sowie die Folgen des Angriffs auf das Persönlichkeitsrecht, den Ruf oder die Ehre sind. Auch die Trauer wegen des Todes des Ehegatten oder eines nahen Verwandten sind ideelle Schäden.66 Somit wird ein sehr weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt. Das gilt auch für Art. 8:402 ACQP, obwohl er die Ersatzfähigkeit der immateriellen Schäden beschränkt. Unterschiede zwischen den Regelwerken ergeben sich vor allem hinsichtlich der Ersatzfähigkeit der ideellen Schäden. Die PECL begrenzen den Schadensausgleich bei der Haftungsbegründung, indem die Entschuldigung für die Nichterfüllung die Haftung ausschließt (Art. 9:501 Abs. 1). Zudem beschränkt sich die Haftung auf die vorhersehbaren Schäden (Art. 9:503). Daher ist der Schaden nur ersatzfähig, wenn der Schuldner ihn als wahrscheinliche Folge der Nichterfüllung bereits beim Vertragsschluss vorhergesehen hat oder vorhersehen musste.67 Nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Nichterfül62

Art. 9:502 PECL, Art. 8:402 Abs. 1 ACQP, Art. III.-3:702 DCFR. Leible, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 97, 110. 64 Art. 9:501 Abs. 2 lit. a PECL, Art. 8:402 Abs. 4 ACQP, Art. III.-3:701 Abs. 3 DCFR. Die Regelung in Art. 8:402 Abs. 4 ACQP geht auf die Entscheidung des EuGH 12.3.2002 Slg. 2002, I-2631 (Leitner/TUI Deutschland) zurück; dazu Zoll, in: Schulze, Common Frame of Reference, S. 189, 202. 65 Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 539; Pfeiffer, ZEuP 2008, 679, 686; s. auch v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, III.-3:701 F, wo neben Schmerzen und Leiden, Unannehmlichkeiten, psychischer Stress und andere Beeinträchtigungen der Lebensqualität als auszugleichende immaterielle Schäden aufgeführt sind. 66 v. Bar/Zimmermann, PECL, S. 529, 531. 67 v. Bar/Zimmermann, PECL, S. 536. 63

480 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen lung sind auch nicht vorhersehbare Schäden zu ersetzen. Beide Beschränkungen gelten für materielle und immaterielle Schäden gleichermaßen, so dass die Schadensarten gleichbehandelt werden. Diese Haftungsbegrenzung entspricht insbesondere dem französischen Recht.68 Der Ausgleich der ideellen Schäden reicht daher teilweise weiter als in den Mitgliedstaaten (z. B. Deutschland), die die Entschädigung von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängig machen. So sind nach den PECL auch das Affektionsinteresse und entgangenes Vergnügen zu entschädigen, soweit sie vorhersehbar waren.69 Solange der Vertrag keine ideellen Zwecke verfolgt, ist das Eintreten eines Nichtvermögensschadens jedoch für den Schuldner grundsätzlich nicht vorhersehbar. Insofern kann nicht anderes als bei den UNIDROIT Prinzipien gelten.70 Eine Haftung, die sich auf alle immateriellen Schäden infolge der Verletzung von personenbezogenen Rechtsgütern bezieht, die im Gesetz aufgezählt sind, bleibt dahinter zurück, sofern kein solches Rechtsgut verletzt ist, und geht darüber hinaus, soweit der ersatzfähige Schaden nicht vorhersehbar war. Der Haftungsumfang ist bei der vertraglichen und deliktischen Haftung nicht gleich. Um der Eigenart des Haftungsgrundes Rechnung zu tragen und die Haftung des Schuldners zu begrenzen, wird die vertragliche Haftung durch das Kriterium der Vorhersehbarkeit beschränkt. Das erleichtert es, auf die Eigenart des konkreten Vertrages einzugehen. Gerade bei Verträgen, die nach übereinstimmender Vorstellung der Vertragspartner der Verfolgung ideeller Interessen dienen, ist ein Ausgleich immaterieller Schäden möglich, ohne dass es einer vertraglichen Vereinbarung bedarf. Auch die ACQP gewähren bei der Nichterfüllung vertraglicher Pflichten einen Schadensersatz nur, wenn keine Entschuldigung vorliegt (Art. 8:401 Abs. 1). Die materiellen und immateriellen Schäden werden aber nicht formal gleichbehandelt. Ideelle Schäden sind nur zu ersetzen, „soweit der Zweck der Verpflichtung den Schutz oder die Befriedigung immaterieller Interessen einschließt“ (Art. 8:402 Abs. 4 ACQP). Somit hängt die Ersatzfähigkeit der Nichtvermögensschäden vom Vertragszweck ab, der anhand des übereinstimmenden Willens der Vertragspartner zu ermitteln ist. Anders als nach den PECL genügt es somit nicht, dass die Schäden für die Vertragsparteien erkennbar waren, sondern sie müssen in den Vertrag einbezogen sein. Zudem soll die Beschränkung durch das Vorhersehbarkeitskriterium nach den PECL entfallen, wenn die Nichterfüllung vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte, so dass der Schädiger dann alle materiellen und immateriellen Einbußen ausgleichen muss. Insoweit reicht die Haftung nach den ACQP nicht so weit wie die nach den PECL. Die Beschränkung soll vor allem sicherstellen, dass die Vertrags68 69 70

Vgl. v. Bar/Zimmermann, PECL, S. 537 f.; s. auch § 6.B.III., S. 298. Dazu Coester-Waltjen/Coester, FS Medicus, S. 43, 48. Siehe oben § 7.B., S. 398.

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 481

parteien beim Vertragsschluss die mit dem Vertrag verbundenen Haftungsrisiken einschätzen können.71 Die unterschiedliche Ausgestaltung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden in den PECL und den ACQP lässt sich darauf zurückführen, dass das bisherige Unionsprivatrecht keine Regelungen zur vertraglichen Haftung wegen Nichterfüllung enthält, die alle Schäden unabhängig vom Vertragsgegenstand einbeziehen. Nur die Bestimmung zum Schadensersatz in der Pauschalreiserichtlinie (Richtlinie 90/314/EG) bezieht materielle und immaterielle Schäden ein, wobei der Vertrag einen spezifischen Bezug zur Verschaffung von Lebensfreude hat. Daher konnte die Acquis Group keine andere Grundregel ableiten. Die Beschränkung der vertraglichen Haftung nach den ACQP hat der DCFR nicht übernommen. Die vertragliche Haftung ist ebenso wie bei den PECL nur durch die Entschuldigung der Nichterfüllung und bei der Haftungsausfüllung durch das Kriterium der Vorhersehbarkeit beschränkt (Art. III.-3:703 DCFR). Bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Nichterfüllung haftet der Schuldner uneingeschränkt. Vermögens- und Nichtvermögensschäden sind gleichermaßen ersatzfähig. Diese Haftungskonzeption entspricht vor allem dem französischen Recht.72 Eine vergleichbare Haftungsbegrenzung kennt das deutsche Vertragsrecht nicht. Hinsichtlich der Haftung für Vermögensschäden ergibt sich keine ähnliche Beschränkung aus der haftungsbegründenden Zurechnung.73 Der Ausgleich für ideelle Schäden weicht ebenfalls erheblich vom deutschen Recht ab, das einen Ersatz für Nichtvermögensschäden nur gewährt, wenn eines der in § 253 Abs. 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter verletzt ist oder die Vertragspartner die immateriellen Schäden in die Haftung einbezogen haben. Die vertragliche Haftung, wie der DCFR sie vorsieht, hat insbesondere zur Folge, dass bei Verträgen, mit denen die Vertragspartner übereinstimmend einen ideellen Zweck verfolgen, auch immaterielle Schäden des Gläubigers zu entschädigen sind, soweit sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhersehbar waren. Es kommt – anders als im deutschen Recht – nicht mehr darauf an, ob der Vertrag eine entsprechende Vereinbarung über die Haftung für Nichtvermögensschäden enthält oder sich die Haftung durch ergänzende Vertragsauslegung erweitern lässt. Folglich wären Fälle, in denen die Gewährung einer Entschädigung heute noch mit erheblichen Zweifeln belastet ist, wie die Nichterfüllung des vereinbarten Hochzeitsbanketts, die misslungene Frisur oder die Vernichtung von kryokonserviertem Sperma, unter dem DCFR bedeutend einfacher zu lösen. Die mit dem Vertrag verfolgten Interessen stehen 71 Zoll, in: Schulze, Common Frame of Reference, S. 189, 202; diese Zurückhaltung befürwortet Leible, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 97, 109. 72 Krit. zur Weite der Haftung Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 539; ähnlich Leible, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 97, 109. 73 Dazu Leible, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 97, 110.

482 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen besser mit der Haftung in Einklang, wenn zumindest die vorhersehbaren Schäden zu entschädigen sind. Dem Schuldner ist zudem der Umfang der Haftung erkennbar. Bei vorsätzlicher und grob fahrlässiger Nichterfüllung haftet der Schädiger zwar uneingeschränkt, in diesen Fällen ist er jedoch nicht schutzbedürftig.

C. Ausgleich immaterieller Schäden nach den Entwürfen für ein europäisches Deliktsrecht I. Regelungen zum Ausgleich immaterieller Schäden in den Principles of European Tort Law Die European Group on Tort Law entwickelte unabhängig von der Study Group einen eigenen Entwurf für ein europäisches Deliktsrecht (Principles of European Tort Law, PETL). Dem gingen umfangreiche rechtsvergleichende Arbeiten voraus. Die Gruppe stellte sich die Aufgabe, auf rechtsvergleichender Grundlage nach der besten Lösung für die deliktische Haftung zu suchen. Es ging nicht um ein Restatement, sondern um eine Neuausrichtung des Deliktsrechts.74 Die abgeleiteten Prinzipien für ein europäisches Deliktsrecht sind daher keineswegs der kleinste gemeinsame Nenner der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, sondern gehen über die analysierten Rechtssysteme hinaus. Die PETL regeln das Deliktsrecht als systematische Einheit, ohne das Verhältnis von vertraglicher und deliktischer Haftung zu bestimmen. Die Konzeption des Deliktsrechts orientierte sich an dem von Wilburg entwickelten „beweglichen System“75, das nicht auf starren Regeln basiert.76 Vereinfacht skizziert werden darin normative Grundsätze und Regeln miteinander verbunden, ohne dass ihr Anwendungsbereich und ihre Gewichtung im Gesetz fixiert sind. Das soll ermöglichen, auf sämtliche Argumente Bedacht zu nehmen, die nicht immer das gleiche Gewicht haben. Im konkreten Fall muss der Rechtsanwender eine wertende Entscheidung durch Abwägung treffen.77 Das bewegliche System soll in seinem Konkretisierungsgrad zwischen Generalklausel und der Normierung konkreter Fälle stehen. Verglichen mit der Regelung von Fallgruppen sind daher die Ergebnisse der Rechtsanwendung 74

Spier, PETL, General Introduction Rn. 30 ff. Wilburg, Elemente des Schadensrechts, S. 26 ff.; ders., AcP 163 (1963), 346 ff. Zur Weiterentwicklung des beweglichen Systems in der Rechtstheorie und Methodenlehre z. B. F. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 329 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 299; dazu Schilcher, FS Canaris, Bd. II, S. 1299, 1307 ff. 76 Spier, PETL, General Introduction Rn. 22 ff.; Koziol, PETL, Comment Art. 2:102 Rn. 5; s. auch Jansen, RabelsZ 70 (2006), 732, 752. 77 Wilburg, Elemente des Schadensrechts, S. 26 ff.; ders., AcP 163, (1963), 346 ff.; dazu Jansen, Struktur, S. 593 ff., 606; für die Plausibilität dieses Ansatzes z. B. Posch, in: Bydlinski u. a., Bewegliches System, S. 253, 255, 258 ff.; Koziol, JBl. 1998, 619 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 412 ff. 75

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 483

schwer vorhersehbar, so dass die Rechtssicherheit und somit die rechtsstaatsförmige Streitentscheidung leiden können.78 Der Richter erhält einen enormen Gestaltungsspielraum und unterliegt dabei nur eingeschränkt der Kontrolle. Allerdings lassen sich zumindest in Teilbereichen des Deliktsrechts die Grundstrukturen für die Rechtsprechung normieren, wo eine Einzelfallregelung nicht wünschenswert oder praktisch erschwert ist (z. B. Verkehrspflichten). Die Bewertung des methodischen Rückgriffs auf das bewegliche System kann daher nicht per se befürwortet oder verworfen werden, sondern muss sich danach richten, ob eine solche Herangehensweise und ihre konkrete Umsetzung zielführend ist. Der konzeptionelle Ansatz kommt in den PETL dadurch zum Ausdruck, dass sie vielfach keine zwingenden Vorgaben enthalten, sondern die Bestimmungen dem Richter nur eine Orientierung geben. Aufzählungen sind häufig nicht abschließend79, und das Gewicht der einzelnen Wertungselemente wird nur skizziert, aber nicht verbindlich geklärt80.81 Diese Vagheit betrifft nicht nur die Ausgestaltung des Haftungstatbestands, sondern auch der Haftungsfolgen. Darin liegt der wesentliche Kritikpunkt an den PETL.82 Die Motivation für dieses Konzept mag darauf beruhen, dass seine Offenheit Spielräume schafft, innerhalb derer sich die nationalen Besonderheiten und gewachsenen Vorstellungen in den nationalen Rechtsordnungen entfalten können. Die Grundregeln werden dadurch zwar konsensfähiger, bergen aber die Gefahr, dass das Ziel einer Neuausrichtung des europäischen Deliktsrechts partiell konterkariert wird, weil es vielfach möglich ist, die bestehende Rechtsprechung unverändert fortzuführen. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit konzeptionelle Entscheidungen wirklich durch die PETL vorgezeichnet werden. Das ist hier für den Ersatz ideeller Schäden im Besonderen zu bezweifeln. Die deliktische Haftung nach den PETL ist stets vom Eintritt eines Schadens abhängig.83 Ein nomineller Schadensersatz, der keinen Schaden voraussetzt, ist damit unvereinbar.84 Der Schadensbegriff ist nicht definiert. Art. 2:101 PETL stellt zumindest klar, dass ein ersatzfähiger Schaden nur ein Nachteil an einem rechtlich geschützten Interesse sein kann. Somit unterscheiden die PETL zwischen ersatzfähigen und nicht ersatzfähigen Schäden. Letztere sind von der Haftung ausgenommen.85 Materielle und immaterielle Schäden sind grundsätzlich gleichermaßen ersatzfähig (Art. 2:101 PETL). Im Ge78

Dazu Jansen, RabelsZ 70 (2006), 732, 753 f.; G. Wagner, CMRL 42 (2005), 1269, 1287,

1289. 79 80 81 82 83 84 85

Z. B. Art. 1:101 Abs. 2, 4:102 Abs. 1, 2, 10:202 Abs. 1 PETL. Z. B. Art. 2:102, 3:201, 10:301 PETL. Dazu Spier, PETL, General Introduction Rn. 38, Art. 3:201 Rn. 7 ff. Jansen, RabelsZ 70 (2006), 732, 754; G. Wagner, CMLR 42 (2005), 1269, 1287 ff. Widmer, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 21/6. Siehe die Grundregel in Art. 1:101 PETL. Widmer, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 21/7.

484 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen gensatz zum deutschen Recht erscheint die Entschädigung ideeller Einbußen nicht als Ausnahme, sondern als Regelfall. Zudem ist ihre Ersatzfähigkeit nicht von der Verletzung bestimmter, abschließend aufgezählter Rechtsgüter abhängig. Art. 2:102 erläutert schließlich das Ausmaß des Schutzes der berechtigten Interessen. Aus der Bestimmung ergibt sich, dass zumindest alle Rechtsgüter und Rechte zu den geschützten Interessen zählen. Inwieweit darüber hinaus einzelne Interessen die Qualität eines rechtlich geschützten Interesses haben, hängt von der Bewertung des Richters ab. Daneben sind bei der Konkretisierung die Vorgaben der nationalen Rechtsordnung heranzuziehen. Sofern es zu einer Regelung auf europäischer Ebene kommt, sind die unionsrechtlichen Vorgaben für den Schutz individueller Interessen zu berücksichtigen, wenn nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wird. Die Abgrenzung zwischen materiellen und immateriellen Schäden hat daher für die PETL keine so tragende Bedeutung wie im deutschen Recht, da die Ersatzfähigkeit der immateriellen Schäden nicht von der Verletzung bestimmter Rechtsgüter oder Rechte abhängig ist. Gleichwohl ordnet Art. 10:203 Abs. 2 PETL den Nutzenentgang ausdrücklich als Vermögensschaden ein und stellt ihn auf die gleiche Stufe wie den entgangenen Gewinn. Diese Gleichstellung ist konsequent. Art. 10:101 PETL regelt den Geldersatz einheitlich und differenziert nicht zwischen dem Aufwendungsersatz bei Naturalrestitution – entsprechend § 249 Abs. 2 BGB – und der Entschädigung als Kompensation des Wertinteresses – entsprechend § 251 BGB. Die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Nutzenentgang beruhen im deutschen Recht vor allem auf dem Nebeneinander von Naturalrestitution und Kompensation in Geld.86 Das wird durch die einheitliche Regelung und die klarstellende Zuordnung in Art. 10:203 vermieden. Zweck des Schadensersatzes ist der Schadensausgleich, der grundsätzlich durch eine Geldzahlung erfolgt (Art. 10:101 PETL). Davon abweichend kann der Geschädigte Naturalrestitution verlangen (Art. 10:104 PETL), wenn sie möglich und nicht mit zu großen Belastungen für den Schädiger verbunden ist. Das ähnelt den Kriterien für die Abgrenzung zwischen Naturalrestitution und Kompensation im deutschen Recht, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen, da im deutschen Recht die Naturalrestitution den Vorrang hat und nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen die Entschädigung an ihre Stelle tritt. Der Geldersatz im Sinne von Art. 10:101 PETL ist zudem keine Entschädigung wie in § 251 BGB. Der Geschädigte ist durch Geld, soweit möglich, so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. In der Regelung verbinden sich der Aufwendungsersatz nach § 249 Abs. 2 BGB und die Entschädigung nach § 251 BGB. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus Art. 10:203 Abs. 1 S. 2 PETL, der bestimmt, dass bei tatsächlicher Reparatur oder Ersatzbeschaffung die entstandenen Kosten verlangt werden können, 86

Siehe oben § 1.C.I.2.a., S. 35 ff.

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 485

wenn es vernünftig ist, sie zu ersetzen oder zu reparieren. Die Regelung hätte zusammen mit der Naturalrestitution in Art. 10:104 PETL erfolgen müssen, wenn die PETL den Geldersatz auf die Kompensation ähnlich wie § 251 BGB hätten beschränken und vollständig vom Aufwendungsersatz für die Naturalrestitution trennen wollen. Die bestehende Regelung lässt sich nur damit begründen, dass der Schädiger vorrangig auf Geldzahlung in Anspruch genommen werden soll und die Regelung zur Naturalrestitution sich auf die Wiederherstellung durch den Schädiger selbst beschränkt. Die Geldzahlung ihrerseits kann in einem Aufwendungsersatz oder einem Ersatz des Wertinteresses bestehen. Im Grunde entspricht diese Konzeption der Praxis der Schadensabwicklung des abweichend gestalteten deutschen Rechts, da der Geschädigte die Wiederherstellung durch den Schädiger persönlich im Regelfall nicht verlangt. Der Schadensausgleich erfolgt nach dem Grundsatz der Totalreparation (Art. 10:101 PETL), den aber die Reduktionsklausel in Art. 10:401 PETL relativiert. Das ändert aber nichts daran, dass der Schadensersatz primär Ausgleichsfunktion hat (Art. 10:101 S. 1 PETL).87 Zugleich soll er aber dem Ziel dienen, Schäden zu vermeiden, und hat somit eine Präventionsfunktion. Die Prävention als Aufgabe des Schadensersatzrechts ist in den Mitgliedstaaten zumindest anerkannt, soweit die Abschreckung als Nebeneffekt des Schadensausgleichs verstanden wird.88 Die Prävention ist insoweit aber keine eigenständige Funktion, die einen überkompensatorischen Schadensersatz begründen kann.89 Zudem regelt Art. 10:101 PETL eindeutig die Totalreparation des Schadens, und die Prävention wird nur als weiterer Zweck genannt.90 Für den Vorrang der Ausgleichsfunktion spricht schließlich Art. 10:301 Abs. 2 S. 2 PETL, wonach das Verschulden des Schädigers die Bemessung des Geldersatzes für immaterielle Schäden nur beeinflusst, wenn es erheblich zur Verletzung beigetragen hat. Der Umfang der Verletzung des Geschädigten ist somit entscheidend für die Höhe des Geldersatzes, was der Ausgleichsfunktion entspricht. Wenn die Prävention eine eigenständige Bedeutung für den Schadensersatz hätte, müsste das Verschulden generell Berücksichtigung finden. Das Primat des Schadensausgleichs hat zur Folge, dass auch ein Strafschadensersatz mit den PETL unvereinbar ist. Insoweit entsprechen sie der Konzeption der deliktischen Haftung in den meisten Mitgliedstaaten91. 87

Widmer, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 21/41. Magnus, PETL, Comment Art. 10:101, Rn. 3, 8; Widmer, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 21/41; s. auch § 6.C.V, F.III., S. 306 f., 387 ff. 89 Widmer, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 21/42; s. aber Magnus, PETL, Comment Art. 10:101, Rn. 4, 9 (keine Straffunktion, aber der Gewinn soll im Rahmen der Prävention bei der Bemessung der Entschädigung Beachtung finden). 90 Widmer, in: Koziol/Schulze, Tort Law, Rn. 21/42. 91 Koziol, in: Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 275, 282 ff.; vgl. auch § 6.B., F, S. 289 ff., 329 ff. 88

486 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Der Ersatz materieller und immaterieller Schäden ist unterschiedlich ausgestaltet. Bei Vermögensschäden ist die eingetretene Vermögensminderung auszugleichen (Art. 10:201 PETL). Nichtvermögensschäden sind nur zu ersetzen, soweit der Schutz des verletzten Interesses das rechtfertigt (Art. 10:301 Abs. 1 PETL). Diese Beschränkung des Schadensausgleichs ist systematisch bei der Bemessung des Geldersatzes eingeordnet. Sie betrifft aber nicht nur die Höhe, sondern auch das Ob der Entschädigung. Im Kern begrenzt sie die Ersatzfähigkeit der ideellen Schäden, so dass die grundsätzliche Gleichstellung der Vermögens- und Nichtvermögensschäden nach Art. 2:101 PETL relativiert wird. Die Ersatzfähigkeit der ideellen Schäden umschreibt Art. 10:301 Abs. 1 PETL nur skizzenhaft unter Bezug auf die Intensität des Interessenschutzes, ohne sie von der Verletzung bestimmter Rechtsgüter oder Rechte abhängig zu machen. Er zählt beispielhaft auf, dass bei Personenschäden, Verletzungen der menschlichen Würde, Freiheit und anderer Persönlichkeitsrechte ein Geldersatz erfolgt. Daher sind insbesondere alle Nichtvermögensschäden erfasst, die infolge der Verletzung von personenbezogenen Rechtsgütern eintreten. Die sexuelle Integrität ist als Personenschaden bzw. Beeinträchtigung anderer Persönlichkeitsrechte einbezogen, auch wenn sie nicht ausdrücklich genannt ist. Hervorzuheben ist insbesondere die umfassende Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts. Der Geldersatz ist zwar nicht ausdrücklich von der Schwere der Verletzung und vom Verschulden des Schädigers wie im deutschen Recht abhängig, allerdings haben beide Aspekte nach Art. 2:102, 10:301 Abs. 1 PETL auf die Ersatzfähigkeit der immateriellen Schäden Einfluss. Die PETL sehen keine Entschädigung für den Tod eines Menschen als immateriellen Schaden per se vor. Art. 10:301 Abs. 1 S. 3 PETL gewährt aber Personen, die zum Getöteten oder einem Schwerverletzten in einer engen Beziehung stehen, einen Anspruch auf Ersatz der Nichtvermögensschäden. Das in Europa überwiegend anerkannte sog. Angehörigenschmerzensgeld für Trauerschäden ist somit in die PETL aufgenommen. Der Drittgeschädigte muss keine Gesundheitsbeschädigung erlitten haben, um Kompensation verlangen zu können. Art. 10:301 Abs. 1 S. 3 PETL anerkennt ein berechtigtes Interesse an der Entschädigung der erlittenen Einbuße im Sinne der Art. 2:102, 10:301 Abs. 1 S. 1 PETL. Indem die PETL auch bei schweren Verletzungen einen Ausgleich für Trauerschäden vorsehen, gehen sie über den kleinsten gemeinsamen Nenner der Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinaus, die eine solche Entschädigung für Trauerschäden anerkennen.92 Insoweit zeigt sich, dass sich die PETL nicht auf ein Restatement beschränken, sondern eine Neuausrichtung der deliktischen Haftung anstreben. Im Übrigen ist der Geldersatz der Angehörigen nur vage ausgestaltet. Insbesondere ist nicht bestimmt, welche Personen einen solchen Geldersatz beanspruchen können. Damit müssen die Gerichte den Geldersatz nicht auf die nächsten Angehörigen 92

Siehe § 6.E.I.3.a., S. 331 ff.

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 487

(Ehegatte, Eltern, Kinder) beschränken. Auch der Umfang der Entschädigung ist weder pauschaliert noch in seiner Höhe beschränkt. In diesem Punkt bestehen zwischen den Mitgliedstaaten jedoch erhebliche Abweichungen, so dass die richterliche Rechtsfindung zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, je nachdem wie die Entschädigungsfähigkeit der geschützten Interessen beurteilt wird. Keine ausdrückliche Erwähnung findet der Ersatz von Affektionsinteressen bei Eigentumsverletzungen. Insoweit ist auf die allgemeine Bestimmung in Art. 10:301 Abs. 1 S. 1 PETL zurückzugreifen, so dass es auf die wertende Beurteilung des Schutzes durch den Richter ankommt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei der Zerstörung von Liebhaberstücken oder der Tötung oder schweren Verletzung von Tieren ideelle Schäden auszugleichen sind. Auch seelische Belastungen, die nicht mit der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts zusammenhängen, wie Todesangst wegen eines drohenden Schadensereignisses oder die Verzögerung der Schadensregulierung, sind nicht ausdrücklich erfasst. Sofern die verzögerte Schadensregulierung mit einer Herabwürdigung des Geschädigten verbunden ist, liegt eine Entschädigung wegen des Personenbezugs der Verletzung nahe. Für alle anderen Fälle ergibt sich das weniger klar. Hier zeigt sich der Nachteil der offenen Gestaltung des Schadensersatzrechts, die gerade in Grenzfällen zu Unsicherheiten führt, die zwangsläufig in eine Einzelfallrechtsprechung mündet, deren Vereinheitlichung gegebenenfalls lange Zeit in Anspruch nimmt. Die Höhe des Geldersatzes ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu bemessen (Art. 10:301 Abs. 2 PETL). Hervorgehoben sind Schwere, Dauer und Folgen der Verletzung. Das Verschulden des Schädigers ist nur von Bedeutung, wenn es erheblich zur Verletzung beigetragen hat. Entsprechend dem Ausgleichsgedanken kommt es grundsätzlich auf den Schadensumfang an. Der Umfang der Rechtsgutsverletzung ist dabei zu berücksichtigen, ohne dass Schaden und Rechtsgutsverletzung generell gleichgesetzt werden dürfen. Allerdings ist nicht immer eindeutig, ob und inwieweit eine Gleichsetzung von Rechtsgutsverletzung und Schaden im Rahmen der PETL erfolgt. Die Aufzählung der einzelnen Schadenspositionen bei Personenschäden in Art. 10:301 Abs. 3 PETL stellt die emotionale Belastung im Sinne von Schmerzen und Leiden neben die Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit. Letztere ist nur dann subjektiver Schaden, wenn die Beeinträchtigung nicht allein die Rechtsgutsverletzung unabhängig von ihren Folgen ist, sondern die Beeinträchtigung der Lebensführung gemeint ist, was sich aus dem Wortlaut nicht klar ergibt. Es könnte sich auch um die partielle Einführung eines objektiven Schadensbegriffs oder um eine Neuausrichtung des Begriffs des immateriellen Schadens handeln, so dass es nicht mehr auf die negative Gefühlsbilanz, sondern die Beschränkung der individuellen Entfaltungsmöglichkeit ankommt. Gegen die Einführung eines objektiven Schadensbegriffs spricht insbesondere der Zweck des Schadensersatzes. Solange

488 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen der Anspruch vor allem Schadenausgleich ist und keine selbständige Präventionsfunktion hat, muss es auf den subjektiven Schaden ankommen. Die Prävention zukünftiger Rechtsverletzungen hat keine eigenständige Bedeutung bei der Bemessung der Entschädigung. Den Vorrang des Schadensausgleichs bestätigt Art. 10:301 Abs. 3 PETL, der für die Personenschäden beispielhaft die Leiden des Geschädigten und die Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit, wohl im Sinne einer Beeinträchtigung der Lebensführung, als auszugleichende ideelle Schäden ausweist. Die Vermögensverhältnisse des Geschädigten wie des Schädigers haben keinen Einfluss auf die Bemessung des Geldersatzes, sofern sie den Schaden nicht erhöhen. Das Gleiche gilt für die Versicherung des Schädigers. Diese Umstände können nur im Rahmen der allgemeinen Reduktionsklausel nach Art. 10:401 PETL zum Tragen kommen, die den Grundsatz der Totalreparation relativiert. Diese Klausel gilt für materielle und immaterielle Schäden gleichermaßen und rückt von dem Dogma ab, dass die deliktische Haftung den Schädiger auch bei leichter Fahrlässigkeit stets zum Ausgleich aller Schäden verpflichtet, sofern dem Geschädigten kein Mitverschulden zur Last fällt. Sie soll eine faire Schadensverteilung ermöglichen, die dem Geschädigten den Schaden nur soweit abnimmt, als er dem Schädiger wegen seines Verschuldens zurechenbar ist und angesichts der sonstigen Umstände i. S. einer materiell gerechten Lastenverteilung auferlegt werden kann. Schließlich verweisen die PETL beim Ersatz ideeller Schäden darauf, dass bei objektiv ähnlichen Verletzungen vergleichbare Geldersatzbeträge zu gewähren sind. Der Richter soll beim Ausgleich immaterieller Schäden angesichts ihrer Inkommensurabilität zumindest die Gleichbehandlung der Geschädigten sicherstellen. Unklar bleibt aber, in welchem räumlichen Bereich die Gleichbehandlung erfolgen soll, insbesondere ob sie sich auf den Mitgliedstaat beschränkt, in dem das zuständige Gericht seinen Sitz hat. Die Regelung reflektiert nicht die Schwierigkeit, dass die Entschädigung für Nichtvermögensschäden in Europa je nach Kaufkraft und nach der Einstellung der jeweiligen Rechtsordnung zu ideellen Schäden eine sehr unterschiedliche Höhe hat und die Rechtsvergleichung nicht darauf hinweist, dass sich diese Unterschiede in Europa alsbald angleichen lassen.93 Soweit die PETL als Vorlage für die Weiterentwicklung des nationalen Rechts dienen, bleibt der Richter auf den Vergleich mit der zugesprochenen Entschädigung innerhalb des Staates beschränkt. Zudem ist nicht nur ein Vergleich der Entschädigungsbeträge innerhalb einer Fallgruppe vorzunehmen, sondern auch die Konsistenz der Entschädigungsbeträge zwischen ihnen zu wahren.

93

Roger, in: Roger, Damages, S. 245, 268 ff.

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 489

II. Ersatz immaterieller Schäden nach den Principles on European Law und dem Entwurf eines DCFR 1. Außervertragliche Haftung in den Principles on European Law und im Entwurf des DCFR Um eine Modellregelung für ein europäisches Deliktsrecht zu entwickeln, unternahm die Study Group eigene Vorarbeiten und erarbeitete Grundregeln für die außervertragliche Haftung (Principles on European Law. Non-Contractual Liability Arising out of Damage Caused to Another, PEL Liab. Dam.) und erweiterte damit die Entwicklung eines europäischen Privatrechts über das von der Lando-Kommission in den Vordergrund gerückte Vertragsrecht hinaus. Diese Erweiterung der Harmonisierungsbemühungen kann sich nicht darauf stützen, dass eine einheitliche außervertragliche Haftung zur Gewährleistung der einheitlichen Rechtsanwendung im Grunde nicht nötig ist. Die Rom-IIVerordnung bestimmt in Art. 4 Abs. 1, dass das Recht des loci delicti gilt, so dass keine unterschiedliche Behandlung nach der Staatsbürgerschaft erfolgt. Für eine Harmonisierung der außervertraglichen Haftung soll in aller Kürze auf drei Aspekte verwiesen werden. Die unterschiedlich ausgestaltete Deliktsund Gefährdungshaftung in den Mitgliedstaaten hat zur Folge, dass sich die Unternehmen mit einem Produkt an die unterschiedlichen deliktsrechtlichen Standards anpassen müssen. Das löst nicht nur Beratungsbedarf aus, sondern führt zu einer Erhöhung der Transaktionskosten, die von Unternehmen an ihre Kunden weitergegeben werden.94 Die Richtlinie zur Produkthaftung hat dem nicht abgeholfen, da sie den Mitgliedstaaten erlaubt, zusätzlich ihr nationales Deliktsrecht anzuwenden. Somit bleibt es bei einem Nebeneinander des nationalen Rechts und der damit verbundenen Kostenbelastung. Auch die Möglichkeit der Rechtswahl nach Art. 10 Rom-II-Verordnung vermindert das nicht, da sich nach dem Schadensfall eine Rechtswahl nur schwer durchsetzen lässt. Neben den Transaktionskosten für das Unternehmen können die Folgen der mangelnden Harmonisierung für die Versicherungswirtschaft ein Anreiz für die Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet der außervertraglichen Haftung sein. Sofern sich insbesondere die Unternehmen versichern, wirkt sich die unterschiedliche Ausgestaltung der außervertraglichen Haftung auch auf die Versicherungswirtschaft aus. Entsprechend den erwarteten Schäden und Regulierungskosten kalkuliert die Versicherung die Prämie, so dass ihre Höhe in erheblichem Maße von dem anwendbaren Recht und den ersatzfähigen Schäden in der jeweiligen Rechtsordnung abhängt. Schließlich kann die Harmonisierung der außervertraglichen Haftung auch als Selbstzweck im Rahmen der Entwicklung eines Europäischen Privatrechts begriffen werden. Die Europäische Kommission rückt zwar die Revi94

Dazu G. Wagner, CMLR 42 (2005), 1269, 1272 f.; krit. zu dieser Argumentation Jansen, JZ 2006, 536, 540 (wegen der Kosten der Einführung neuen Rechts).

490 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen sion des Verbraucherschutzrechts und die Vereinheitlichung des Privatrechts gegenwärtig in den Vordergrund. Soweit sie mit Unterstützung des Europäischen Parlaments auf die Entwicklung eines Gemeinsamen Referenzrahmens hinwirkte, steckte darin aber auch eine Weiterentwicklung der Europäischen Union vom Binnenmarkt zum einheitlichen Rechtsraum (im Privatrecht).95 Die PEL Liab. Dam. sind ein Harmonisierungsvorschlag auf der Basis eines Vergleichs der nationalen Rechtsordnungen. Der acquis communautaire ist nicht explizit einbezogen, allerdings beruhen einzelne Modellregeln wie der Ersatz von Umweltschäden und die Produkthaftung auf dem Unionsprivatrecht, weil das nationale Recht europäische Richtlinien umsetzt, so dass sie mittelbar in den Rechtsvergleich eingingen. Die PEL Liab. Dam. wurden mit nur geringen inhaltlichen Änderungen in den DCFR übernommen und bilden dessen sechstes Buch. Daher steht der DCFR hier im Vordergrund. Auf die PEL Liab. Dam. wird nur eingegangen, sofern sie vom DCFR abweichen. Das sechste Buch des DCFR regelt die Schadensersatzansprüche in Fällen der außervertraglichen Haftung, aber auch einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die der Geschädigte zur Schadensabwehr getätigt hat. Daneben kann der Geschädigte alle Rechtsbehelfe geltend machen, die ihm aus anderen Rechtsgründen zustehen. Die Struktur der außervertraglichen Haftung legt der DCFR ebenso wie die PETL in einer Grundregel (Art. VI.1:101) fest. Die Haftung des Schädigers hängt davon ab, ob er einen ersatzfähigen Schaden (legally relevant damage) verursacht hat, für den er wegen vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens oder aus einem anderen gesetzlich geregelten Grund verantwortlich ist. Verschuldens- und Gefährdungshaftung sind somit zusammengefasst.96 Für den Schadensersatzanspruch legt der DCFR für das Deliktsrecht in Art. VI-2:101 einen allgemeinen Begriff, den des ersatzfähigen Schadens, zugrunde, um die Vielfalt der Schäden vollständig zu erfassen.97 Der ersatzfähige Schaden wird in einer Reihe von Bestimmungen fallgruppenweise ausgestaltet. Die detaillierten Regelungen legen die geschützten Interessen nicht abschließend fest, so dass die Haftung keine starren Konturen hat. Die endgültige Entscheidung über die Haftung lässt sich nur im Einzelfall durch den Richter treffen. Somit enthält der DCFR auch Elemente eines beweglichen Systems. Die Principles, die den Begriff des ersatzfähigen Schadens konkretisieren, umreißen jedoch klarer als die PETL, inwieweit immaterielle Schäden ersatzfähig sind. Ihr systematischer Zusammenhang erleichtert die Auslegung des allgemeinen Begriffs in den ungeregelten Fällen.

95

Vgl. Jansen, JZ 2006, 536, 540, 541. Der Haftungsumfang kann bei vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln variieren, dazu v. Bar, PEL Liab. Dam., Chapter I, Introduction, A 21. 97 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, B. 96

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 491

Allerdings erlaubt die Offenheit der Regelungen den nationalen Gerichten, ihre eigene Rechtstradition zu integrieren, und macht die Modellregelungen konsensfähiger.98 Das hat aber zur Folge, dass die Modellregelungen nur teilweise zur Harmonisierung des nationalen Rechts führen. Das gilt unabhängig davon, ob der DCFR nur als Vorbild für die Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten dient oder eine verbindliche Regelung auf europäischer Ebene zustande kommt. Der DCFR kombiniert somit Generalklauseln mit der Regelung von Fallgruppen. Auf diese Weise wird die Vagheit der Generalklauseln verringert und die Rechtsunsicherheit reduziert. Das kann zwar nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Konkretisierung der Generalklauseln durch die Rechtsprechung mit Ungewissheit belastet ist. Eine vollständige Regelung aller Einzelfälle ist aber ebenfalls unmöglich. Vielmehr bedarf es einer Balance zwischen Generalklausel und fallgruppenbezogenen Regelungen. Inwieweit sie im DCFR gelungen ist, soll für den Ersatz der immateriellen Schäden nach Durchsicht der einschlägigen Regelungen beurteilt werden. 2. Vermögensschaden, Nichtvermögensschaden und Schaden per se Die Haftung nach der Grundregel des Deliktsrechts in Art. VI.-1:101 DCFR setzt stets einen Schaden voraus, auf den sich auch das Verschulden beziehen muss (Art. VI. 3:101 ff. DCFR). Die Haftung ist, anders als im deutschen Recht, nicht auf eine Rechtsguts- oder Schutzgesetzverletzung, sondern auf einen Schaden bezogen. Das entspricht insbesondere der deliktischen Haftung im französischen Recht. Der Schaden ist Teil des Haftungstatbestands und bestimmt den Umfang der Entschädigung.99 Die Orientierung am ersatzfähigen Schaden hat zugleich zur Folge, dass ohne einen Schaden kein Schadensersatz zu gewähren ist. Die Grundregel macht die Haftung zudem von einem legally relevant damage, einem ersatzfähigen Schaden, abhängig. Diese Formulierung wurde eingeführt, weil es an einem einheitlichen Schadensbegriff in Europa fehlt.100 Den Schadensbegriff definiert der DCFR nicht, legt aber nach seinem Anhang I einen weiten Schadensbegriff zugrunde. Dieser umfasst jeden Nachteil (loss) sowie die Verletzung als solche (injury as such). Als loss werden die Einbußen bezeichnet, die auch nach deutschem Recht als Schaden gelten, was Vermögens- wie Nichtvermögensschäden gleichermaßen einschließt (Art. VI.-2:101 DCFR).101 Eine allgemeine Definition des Nichtvermögensschadens enthält der DCFR nicht. Art VI.-2:101 Abs. 4 zählt aber beispielhaft die wichtigsten Formen des 98

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, B; s. auch v. Bar, PEL Liab. Dam., Chapter I, Introduction, A 16. 99 So zu den PEL Liab. Dam. Schmidt-Kessel, Reform, Bd. I, S. 86. 100 v. Bar, PEL Liab. Dam., Chapter I, Introduction, A 22; ders., in: Hartkamp, European Civil Code, S. 387, 394 f. 101 v. Bar, PEL Liab. Dam., Chapter I, Art. 1:101, A 5; v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.2:101, A; G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 173.

492 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Nichtvermögensschadens auf („includes“).102 Im Übrigen entscheiden die Gerichte, welche sonstigen Beeinträchtigungen einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellen.103 Insbesondere negative emotionale Reaktionen wie Ärger, Angst, Abscheu, die im Spektrum des Alltäglichen liegen, sollen nicht genügen, um einen Schaden zu begründen.104 Etwas anderes soll bei Todesangst gelten.105 Ersatzfähig sind zudem grundsätzlich Schmerzen und Leiden des Verletzten sowie die Verminderung seiner Lebensqualität, soweit diese über den unmittelbaren Schmerz der erlittenen Verletzung hinausgeht. Darunter fallen auch Beeinträchtigungen infolge von Freiheitsberaubungen oder Verletzungen des Persönlichkeitsrechts.106 Insofern wird der Schaden in den Kommentaren als objektiver Verlust beschrieben, aus seinem Leben das Beste zu machen.107 Schließlich wird auch der Trauerschaden ausdrücklich als immaterieller Schaden erfasst, wobei auf die Leere im Leben nach dem Tod einer nahe stehenden Person abgestellt wird, aber auch auf die Trauer, die bewirkt, dass der Geschädigte nicht mehr zur Selbstentfaltung wie bisher in der Lage ist.108 Zusätzlich wird für Vergewaltigungsfälle darauf verwiesen, dass ein Schaden auch darin besteht, zur Aufnahme einer emotionalen Beziehung zum anderen Geschlecht unfähig zu sein.109 Diese Übersicht zeigt, dass immaterielle Schäden vor allem Beeinträchtigungen durch negative Emotionen sind. Die Aufnahme der Beeinträchtigung, die darin besteht, aus seinem Leben nicht mehr das Beste machen zu können, weist aber darüber hinaus, wenn es nicht darauf ankommt, dass der Geschädigte das empfindet. Das klären die Kommentare zum Entwurf des DCFR aber nicht vollständig auf. Der Begriff injury as such bezieht sich auf den sog. Per-se-Schaden, den Art. VI.-2:201 ff. des DCFR punktuell für ersatzfähig erklärt. Diese „Schadensart“ lehnt sich an den danno biologico des italienischen Deliktsrechts an, der vom italienischen Kassationsgerichtshof entwickelt wurde, um die Beschränkung der Entschädigung ideeller Einbußen auf die Folgen von Straftaten nach Art. 2059 Codice civile zu überwinden.110 Dazu nimmt die Rechtsprechung auf die Garantie des Gesundheitsschutzes in der italienischen Verfassung Bezug, misst ihm Drittwirkung für das Privatrecht bei und erklärt den reinen Gesundheitsschaden für ersatzfähig. Auch das englische Recht kennt 102

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F. 104 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F. 105 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F. 106 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F. 107 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F. 108 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F. 109 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F. 110 Zum DCFR v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, Note 18; zum danno biologico Alpa, in: Bussani, European Tort Law, S. 152, 168 ff.; s. auch Bender, Personenschaden, S. 96 f.; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 46 ff.; vgl. Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/ Zimmermann, JZ 2008, 529, 540. 103

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 493

Klagen, die nicht den Beweis eines konkreten Schadens voraussetzen (tort actionable per se). Allerdings werden bei der Bemessung der Entschädigung die erlittenen Einbußen berücksichtigt.111 Die Art. VI.-2:201 Abs. 1, 2:203 DCFR bestimmen für Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen sowie für Verletzungen der Würde, Freiheit, Privatsphäre oder Reputation, dass nicht nur die materiellen wie immateriellen Schäden, sondern auch der Per-seSchaden auszugleichen ist. Damit wird die Rechtsgutsverletzung zum auszugleichenden Nachteil, so dass es in diesen Fällen nicht auf den subjektiven Schaden ankommt, sondern ein objektiver Schadensbegriff zugrunde gelegt wird. Die Anerkennung einer dritten Schadenskategorie erscheint auf den ersten Blick überflüssig, da die ersatzfähigen immateriellen Schäden uneingeschränkt auszugleichen sind. Zudem ist der Kreis dieser Schäden nicht so stark eingeschränkt, dass es einer zusätzlichen Schadenskategorie bedarf. Die Aufnahme des Per-se-Schadens in den DCFR wird wegen der Gefahr einer doppelten Entschädigung kritisiert.112 Bei der Beurteilung der Regelung ist aber nicht nur die Ersatzfähigkeit des ideellen Schadens, sondern auch der zugrunde liegende Begriff des Nichtvermögensschadens zu berücksichtigen. Der DCFR definiert ihn zwar nicht, Art. VI.-2:101 Abs. 4 lit. b führt aber beispielhaft Schmerzen und Leiden sowie Beeinträchtigungen der Lebensführung als wichtigste Formen des immateriellen Schadens an. Aus dieser Aufzählung und den Kommentaren zum Entwurf113 ergibt sich, dass die Modellregeln einen subjektiven Schadensbegriff voraussetzen und insbesondere die negative Gefühlsbilanz als immateriellen Schaden qualifizieren. Empfindungsunfähige Opfer erleiden daher keinen Schaden. Allerdings wird darauf verwiesen, dass der ideelle Schaden darin besteht, dass der Geschädigte nicht in der Lage ist, aus seinem Leben das Beste zu machen. Sofern nicht verlangt wird, dass ihm die Einbuße an Entfaltungsfreiheit bewusst ist, kann dem empfindungsunfähigen Geschädigten eine Entschädigung gewährt werden. Bei einem solchen Schadensverständnis besteht zumindest bei den Körperverletzungen keine Lücke für einen Per-se-Schaden. Seine Anerkennung ist somit überflüssig oder zwingt zu der Schlussfolgerung, dass nur Gefühlsschäden als ideelle Schäden erfasst sind. Sofern der Nichtvermögensschaden einen Schaden in der Gefühlsbilanz voraussetzt, erleidet der empfindungsunfähige Geschädigte keine solche Ein111 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, Note 20. Die Kommentare verweisen zusätzlich auf das spanische Recht, das bei Verletzungen des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts einen Schadensersatz unabhängig vom Schaden gewährt; ebenso das österreichische Recht bei Freiheitsberaubungen, v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, Note 17, 19. 112 Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 539 f.; G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 176 ff.; erläuternd zur Einführung des Per-se-Schadens v. Bar, in Hartkamp, European Civil Code, S. 387, 395. 113 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, A.

494 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen buße. Daher hat die Sonderregelung in Art. VI.-2:201 Abs. 1 DCFR eine eigene Funktion, indem sie die immateriellen Verletzungsfolgen für einen empfindungsunfähig gewordenen Geschädigten in den Schadensersatz einbezieht. Folglich hat die Anerkennung des Per-se-Schadens zur Folge, dass ein objektiver ideeller Schaden Teil des Schadensausgleichs wird, den der Begriff des Nichtvermögensschadens ansonsten nicht erfasst. Der Begriff des Nichtvermögensschadens wird nicht weiterentwickelt, indem auf das Gefühl und die Beschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten des Geschädigten abgestellt wird. Stattdessen erfolgte eine Ergänzung durch einen objektiven Schadensbegriff, die den Unterschied zwischen Rechtsverletzung und Schaden überspielt. Die Erweiterung des Schadensersatzes bei Verletzungen der Würde, Freiheit, Privatsphäre oder Reputation auf den Per-se-Schaden muss hingegen auf einer anderen Begründung als bei den Personenschäden beruhen. Solche Rechtsgutsverletzungen führen nicht zur Empfindungs- oder Wahrnehmungsunfähigkeit des Opfers. Die Kommentare zum DCFR begründen die Einführung des Per-se-Schadens nicht explizit, sie verweisen nur darauf, dass es sich um Verletzungen von Menschenrechten handelt.114 Somit soll die Begründung für die Anerkennung des Per-se-Schadens vor allem in der Qualität des verletzten Rechtsguts liegen. Die Verletzung dieser Rechte führt nicht nur zu Beeinträchtigungen, die sich in einem Gefühlsschaden niederschlagen. Daher würde der Begriff des ideellen Schadens, der auf eine negative Gefühlsbilanz abstellt, den Schaden nicht vollständig erfassen. Das gilt insbesondere bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts von Kleinkindern oder Kindern, die durch das Fotografiertwerden und die Publikation des Fotos in einer Zeitschrift keine Gefühlsschäden erleiden. Allerdings schützt das Persönlichkeitsrecht nach deutschem Recht gemäß Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und nach den Vorgaben aus Art. 8 EMRK auch die Eltern-KindBeziehung zugunsten des Kindes als Teil seiner Privatsphäre, zu der auch die ungestörte Entwicklung und Entfaltung des Kindes im Verhältnis zu den Eltern gehört.115 Insbesondere darf durch die Beeinträchtigung von außen weder dem Kind noch den Eltern ein ungehemmter Kontakt erheblich erschwert werden. Ein bloßes Abstellen auf den Gefühlsschaden erfasste die Einbuße, die das Kind erleidet, nicht. Allerdings geht der Per-se-Schaden, den der Entwurf des DCFR anerkennt, zu weit. Er hat zur Folge, dass sich der Schadensersatz vom Schadensausgleich entfernt und zu einer schadensunabhängigen Sanktion der Rechtsgutsverletzung entwickelt.116 Diese Neuausrichtung mag auf dem Defizit beim Schutz der Persönlichkeitsrechte beruhen, fügt sich aber 114

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:203, A, B. BVerfG 31.3.2000 NJW 2000, 2191; 14.2.2005 NJW 2005, 1857, 1858; 6.6.2006 ZUM-RD 2007, 1, 3; 22.3.2007 NJW-RR 2007, 1055, 1056 f.; BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 305 (Caroline IV). 116 G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 178. 115

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 495

nicht bruchlos in das sonst auf Schadensausgleich zielende außervertragliche Haftungsrecht ein.117 Zudem enthält der DCFR einen Gewinnabschöpfungsanspruch, der gerade bei lukrativen Delikten einen effektiven Rechtsgüterschutz erlaubt, so dass es einer zusätzlichen Anerkennung des Per-se-Schadens nicht bedarf. 3. Ersatzfähige Schäden im außervertraglichen Haftungsrecht a) Übersicht über die Regelungen des DCFR Die außervertragliche Haftung gewährt nur einen Anspruch für ersatzfähige Schäden, alle übrigen Schäden trägt der Geschädigte.118 Die Ersatzfähigkeit des Schadens bestimmt Art. VI.-2:101 DCFR anhand von drei Alternativen: die ausdrücklich geregelten ersatzfähigen Schäden (lit. a), die Schäden, die aus der Verletzung eines Rechts (lit. b) oder aus der Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses resultieren (lit. c). Zunächst sind jene Schäden zu ersetzen, die in den Art. VI.-2:201 ff. DCFR als ersatzfähig bezeichnet werden (Art. VI.-2:101 Abs. 1 lit. a). Diese Normen regeln einzelne Fallgruppen und erfassen Schäden infolge der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter sowie des Eigentums und des Besitzes. Zudem bestimmen die Art. VI.-2:207VI.-2:211 DCFR die Ersatzfähigkeit von Schäden, die nicht mit der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts einhergehen. Dazu gehören Schäden wegen des Vertrauens auf falsche Informationen, wegen der Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs eines Unternehmens, wegen schuldhafter Täuschung oder Verleitung zum Vertragsbruch. Somit kombiniert der DCFR die schadensbezogenen Generalklauseln in den Art. VI.-1:101, VI.-2:101 mit rechtsgutsbezogenen Regelungen zum ersatzfähigen Schaden und begrenzten Tatbeständen, die für die Ersatzfähigkeit des Schadens Regelbeispielcharakter haben.119 Die Art. VI.-2:201 ff. DCFR sind anhand der Rechtsgutsverletzung bzw. Verletzungshandlung geordnet. Ihre beispielhaften Regelungen grenzen die zurechenbaren Schäden von jenen ab, die zu entfernt von der Schadensursache oder Teil des allgemeinen Lebensrisikos sind, so dass sie keines Ausgleichs bedürfen. Die Aufzählungen der zu ersetzenden Schäden sind jedoch regelmäßig nicht abschließend. Sie sind aber ein Anhaltspunkt für die Abgrenzung der ersatzfähigen Schäden. Daneben sind solche Schäden (loss or injury)120 auszugleichen, die auf der Verletzung eines von der Rechtsordnung geschützten Rechts beruhen (Art. VI.-2:101 Abs. 1 lit. b DCFR). Mit solchen Rechten sind aus deutscher 117

Vgl. G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 178, der das Präventionsbedürfnis bei der Schadensberechnung berücksichtigen will, was aber mit der Ausrichtung des DCFR am Ausgleichsgedanken unvereinbar ist. 118 G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 163. 119 G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 165 f., der die Auswahl der Einzeltatbestände nicht als gelungen ansieht. 120 Zur Abgrenzung von loss und injury v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, A.

496 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Sicht insbesondere subjektive Rechte gemeint, die die Rechtsordnung zubzw. anerkennt.121 Die vage Umschreibung des DCFR beruht darauf, dass weder die subjektiven noch die absoluten Rechte in Europa harmonisiert sind und die nationalen Gesetze ihre Anerkennung beeinflussen, so dass von ihrer Definition im DCFR Abstand genommen wurde.122 Die Verletzung eines relativen Rechts aus einer Obligation ist hingegen nicht erfasst.123 Daneben erklärt Art. VI.-2:101 Abs. 1 lit. c DCFR solche Schäden (loss or injury) für ersatzfähig, die auf der Verletzung eines schutzwürdigen Interesses beruhen. Es handelt sich um eine Öffnungsklausel, die auf die mangelnde Harmonisierung in den Mitgliedstaaten reagiert124 und zugleich die Entwicklungsoffenheit des Gemeinsamen Referenzrahmens sicherstellt125. Sie erlaubt insbesondere die Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen in den Mitgliedstaaten.126 Schäden im Sinne von Art. VI.-2:101 Abs. 1 lit. b und c DCFR, die aus der Verletzung eines geschützten Rechts oder schutzwürdigen Interesses resultieren, sind nur ersatzfähig, wenn ein Schadensausgleich oder ein Ersatz von Aufwendungen zur Schadensabwehr fair und angemessen wären.127 Dabei sind die Natur des Schadens, seine Nähe zur Rechtsgutsverletzung, der Verschuldensgrad und seine Erwartbarkeit, aber auch die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen.128 Die Unbestimmtheit dieser Öffnungsklausel wird als problematisch angesehen, wenn ihre Ausfüllung nicht durch sachliche Kriterien gesteuert wird.129 Die Kriterien „fair und angemessen“ erlauben es aber, die Eigenarten in der Rechtsordnung und der Rechtskultur des Mitgliedstaats zu berücksichtigen, die auf historisch gewachsenen Überzeugungen beruhen können. Das lässt sich mit einer konkreteren Regelung kaum bewirken. Der DCFR ist an dieser Stelle wiederum mit dem Konflikt konfrontiert, dass sich die potentiellen Adressaten in einer zu engen Regelung nicht hinreichend wiederfinden, eine zu weite Regelung den Mitgliedstaaten aber den Spielraum lässt, ihr bisheriges Deliktsrecht fortzuführen. Die Kombination aus ausführlichen Regelungen und den Auffangbestimmungen ist ein Kompromiss, der zumindest den Mitgliedstaaten Anhaltspunkte für eine konvergierende Entwicklung gibt. Aus deutscher Sicht ist zu begrüßen, dass dem DCFR ebenfalls die Vorstellung zugrunde liegt, dass ein Schaden eine Einbuße an einem Rechtsgut, Recht oder rechtlich geschützten Interesse ist. Somit knüpft das 121 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, C; G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 164. 122 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, B, C. 123 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, C. 124 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, C. 125 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, B, D. 126 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, B. 127 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, E. 128 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, E. 129 G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 164.

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Konzept an die Unterscheidung zwischen Rechts(guts)verletzung und Schaden an. Umso schwerer wiegt der Systembruch, der sich aus der Einbeziehung des Per-se-Schadens ergibt. b) Ausgleich immaterieller Einbußen infolge von Personenschäden und im Todesfall Bei Personenschäden sind nach dem Entwurf alle materiellen und immateriellen Schäden sowie die Per-se-Schäden zu ersetzen. Art. VI.-2:201 Abs. 2 lit. a DCFR stellt klar, dass neben den Schäden wegen Verletzung der physischen Integrität auch Schäden ersatzfähig sind, die infolge der Verletzung der psychischen Integrität eintreten, soweit die Verletzung Krankheitswert hat. Mentale Belastungen ohne Krankheitswert wie Irritationen und Trauer sind nicht auszugleichen.130 Auch Belästigungen sind nicht erfasst. Die Regelung zählt aber die zu ersetzenden Schadenspositionen nicht abschließend auf, sondern nennt nur die Heilbehandlungskosten, nicht aber die Kosten für vermehrte Bedürfnisse oder Erwerbsschäden.131 Das bedeutet indes nicht, dass jene Schadenspositionen nicht auszugleichen sind. Auch die immateriellen Schäden infolge der Körperverletzung sind zu kompensieren. Darüber hinaus bestehen Schadensersatzansprüche für die injury as such, die aber nur die objektiven Schäden wahrnehmungsunfähiger Personen bei Körperverletzungen erfasst.132 Der Tod selbst ist allerdings kein ersatzfähiger Schaden.133 Das ergibt der Umkehrschluss zu Art. VI.-2:202 DCFR, der gezielt Dritten Ansprüche wegen des Todes eines anderen Menschen einräumt und nicht zur Zahlung in den Nachlass verpflichtet.134 Der DCFR gewährt Personen, die in einer besonders engen persönlichen Beziehung zu dem Toten oder der verletzten Person stehen, ein sog. Angehörigenschmerzensgeld, und erklärt ihre Schäden in sehr weitem Umfang für ersatzfähig (Art. VI.-2:202 DCFR). Die Trauer des Geschädigten muss keinen Krankheitswert haben.135 Sie kann auf der Tötung, aber auch auf der Verletzung eines Angehörigen beruhen, ohne dass es sich um eine schwere Verletzung handeln muss. Der Kreis der Ersatzberechtigten ist auf Personen beschränkt, die in einer besonders engen Beziehung zum Erstgeschädigten stehen. Er ist somit nur vage umrissen und beschränkt sich nicht auf einen bestimmten Personenkreis.136 Das können mit dem Getöteten oder 130

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:201, A. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:201, C; krit. G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/SchulteNölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 173 f. 132 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:201, B. 133 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, C; krit. wegen der fehlenden Regelung zum Rechtsgut Leben G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 166. 134 Etwas anderes gilt für Ansprüche, die vor dem Todesfall entstanden waren und in den Nachlass fallen; v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, D. 135 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, B. 136 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, B. 131

498 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Verletzten rechtlich verbundene Personen wie Ehegatten, Eltern und Kinder und de facto nahestehende Personen wie Lebensgefährten oder Stiefeltern bzw. -kinder sein.137 Ausgeschlossen sind Kollegen und Geschäftspartner oder Freunde, da keine besondere persönliche Nähe besteht, die eine Entschädigung rechtfertigt.138 Dieser weiten Regelung wird entgegengetreten, weil die Gefahr bestehe, dass insbesondere in Fällen der Körperverletzung Erst- und Zweitgeschädigter zum Nachteil des Schädigers zusammenwirken, um weitere Schadensersatzansprüche geltend zu machen.139 Dieses Risiko scheint aber angesichts der Ausnahme von Kollegen, Geschäftspartnern und Freunden begrenzt. Gerade bei Personen mit einer besonderen persönlichen Nähe resultiert aus der damit einhergehenden emotionalen Verbundenheit die Gefühlsbeeinträchtigung, die den Trauerschaden ausmacht. Insgesamt räumt der DCFR aber in sehr weitem Umfang einen Schadensersatz für Angehörige ein und geht dabei über die PETL und zum Teil auch über das Recht der Mitgliedstaaten erheblich hinaus.140 Das Fehlen oder die zurückhaltende Ausgestaltung des Angehörigenschmerzensgeldes in einzelnen Rechtsordnungen galt als inakzeptabel141, weil die Kompensation der Trauerschäden weder eine Kommerzialisierung des Todes noch eine Bereicherung des Angehörigen sei142. Vielmehr berücksichtigt die Modellregelung, dass der Tod eines Menschen zu den schwersten Belastungen für die nahestehenden Personen gehört. Das erklärt indes nicht, warum das sog. Angehörigenschmerzensgeld auf Körperverletzungen ausgedehnt wurde, ohne dass es sich dabei um besonders schwere Fälle handeln muss.143 Eine Beschränkung auf schwere Körperverletzungen ist insbesondere angezeigt, um eine Vergleichbarkeit zwischen den Trauerschäden in Todesfällen und bei Körperverletzungen sicherzustellen. Die Abgrenzung der Körperverletzung ist anhand der Intensität der Rechtsgutsverletzung, des Heilungsverlaufs und der Dauerhaftigkeit der Folgen zu entwickeln. Dabei kann typisierend auf die Wirkung der Verletzung und der Verletzungsfolgen auf einen durchschnittlichen Angehörigen abgestellt werden und mit dem Todesfall verglichen werden. Für eine solche Beschränkung der Trauerschäden spricht, dass zwar ganz überwiegend Konsens über das Ob der Entschädigung von Trauerschäden ei137

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, B. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, A (Entschädigung aber nur in extremen Ausnahmefällen). 139 G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 168. 140 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, B; s. auch Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/ Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 534. 141 G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 167 f. 142 Zum Missverständnis bei der Bezeichnung eines solchen Schadensersatzes als Kommerzialisierung des Todes v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, B. 143 Krit. wegen der Gefahr der Multiplikation der Schadensersatzansprüche G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 168. 138

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nes Angehörigen im Todesfall herrscht. Das gilt nicht für Körperverletzungen, wie der Vergleich der hier untersuchten Rechtsordnungen zeigt. Zudem geht der DCFR weit über den Vorschlag hinaus, den der Ministerrat in seiner Resolution von 1975 unterbreitet hat, um die Entschädigung bei Körperverletzungen und Todesfällen zu vereinheitlichen.144 Er beschränkte sich auf die Entschädigung der Angehörigen in Todesfällen und strebte keine vollständige Harmonisierung bei der Ausgestaltung der Entschädigungsansprüche an. Zudem ist nach dem DCFR de facto jeder Trauerschaden der Angehörigen auszugleichen, was Missbrauchsgefahren birgt. Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet die Bemessung des Geldersatzes. Es wurden keine pauschalen Summen festgesetzt wie im englischen Recht, zumal solche Pauschalierungen in vielen Mitgliedstaaten keine Tradition haben.145 Für eine Beschränkung oder Pauschalierung der Entschädigung spricht, dass für ihre Bemessung wenige Anhaltspunkte bestehen, die intersubjektiv nachvollziehbar sind. Insbesondere die Veränderung der Lebensführung kann Indiz dafür sein, welche Wirkung der Todesfall auf die psychische Verfassung und die Lebensführung des Geschädigten hatte. Den Schwierigkeiten bei der Schadensbemessung kann zwar eine objektivierende Betrachtung entgegenwirken. Das läuft in solchen Fällen auf eine pauschale Schadensbetrachtung hinaus, so dass die Entschädigung auch durch eine konkretisierende Regelung zu leiten und zumindest durch eine Obergrenze zu limitieren ist. Gerade wegen der unterschiedlichen Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der einbezogenen Personen und der Höhe der Entschädigung bewirkt eine solche Vorgabe eine dosierte Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten. Das wirkt zugleich dem Missbrauch entgegen und macht die Entschädigung kalkulierbar. c) Ersatz immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsverletzungen Die ersatzfähigen Schäden wegen Persönlichkeitsverletzungen sind im DCFR nicht in einem Tatbestand zusammengefasst, sondern auf drei Regelungen verteilt (Art. VI.-2:203-2:205). Der DCFR unterscheidet zwischen Schäden infolge der Verletzung der Würde und der Privatsphäre, Schäden wegen falscher Informationen und Schäden wegen Vertrauensbruchs. Eine Regelung zum Ehrschutz enthält der Entwurf indes nicht, da in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Vorstellungen dazu bestehen.146 Auch an strafrechtliche Bestimmungen im nationalen Recht ließ sich nicht anknüpfen, da sie nicht harmonisiert sind und nicht alle Mitgliedstaaten Ehrschutzdelikte kennen.147 Zudem 144

Siehe oben § 7.D., S. 421 ff. Für eine solche Standardisierung des Geldersatzes G. Wagner, in: Schulze/v. Bar/SchulteNölke, Der akademische Entwurf, S. 161, 168 f. 146 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:203, E. 147 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:203, E. 145

500 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen berührt die Haftung wegen Ehrverletzungen zugleich die Meinungs- und Pressefreiheit, deren Verhältnis zum Ehrschutz im nationalen Recht erheblich divergiert.148 Daher beschränkt sich der DCFR auf Schäden, die durch falsche Informationen eingetreten sind, die durch die Meinungs- und Pressefreiheit nicht geschützt sind149, sowie auf Schäden, die aus einer Verletzung der Würde des Geschädigten resultieren. Das verringert die Schutzlücke, die wegen der fehlenden Regelung zum Ehrschutz besteht. Wegen der unterschiedlichen Rechtslage in den Mitgliedstaaten qualifiziert der DCFR auch Schäden, die aus der Verletzung der Reputation folgen, nicht generell als ersatzfähig, sondern macht den Geldersatz davon abhängig, dass das nationale Recht einen entsprechenden Schutz vorsieht. Ein Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist vom DCFR wegen der unterschiedlichen nationalen Regelungen vollständig ausgenommen. Insgesamt zeigt sich, dass der Harmonisierung der außervertraglichen Haftung wegen Persönlichkeitsverletzungen angesichts der Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten Grenzen gesetzt sind. Das gilt sowohl für den Haftungstatbestand als auch für die Rechtswidrigkeit der Rechtsverletzung. Nur in Teilbereichen lassen sich so weitgehende Übereinstimmungen identifizieren, dass ersatzfähige Schäden in einer Modellregelung festgelegt werden konnten. Allerdings wurde das Rechtsschutzbedürfnis bei der Verletzung der Würde und der Privatsphäre als so gewichtig erachtet, dass die Rechtsverletzung unabhängig vom subjektiven Schaden genügen soll (Per-se-Schaden), um einen Anspruch auf Geldersatz zu begründen.150 Die zurückhaltende Ausgestaltung der Schadensersatzbestimmungen wird teilweise durch Art. VI.-2:101 Abs. 1 lit. b, c DCFR kompensiert. Seine Anwendung ist durch die Art. VI.-2:201 ff. nicht ausgeschlossen. Es handelt sich gerade um die Fallgruppen, hinsichtlich derer in den Mitgliedstaaten ein gewisses Maß an Übereinstimmung besteht. Die ergänzende Regelung in Art. VI.-2:101 Abs. 1 lit. b, c DCFR lässt daneben Raum für die Eigenarten der nationalen Rechtsordnungen. Das hat zwar zur Folge, dass der DCFR keine vollständige Harmonisierung bewirkt, stellt aber gerade im Hinblick auf das unterschiedliche Verständnis über den Schutz des Persönlichkeitsrechts in den Mitgliedstaaten eine Konsensfähigkeit sicher. Je mehr sich die Rechtsordnungen – auch unter dem Eindruck der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8, 10 EMRK – aufeinander zu bewegen, umso weiter geht auch die Übereinstimmung bei der Entschädigung immaterieller Schäden nach Art. VI.-2:101 Abs. 1 lit. b, c DCFR.

148 149 150

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:203, E. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:203, E; v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:204, A. Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:203, A, B.

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d) Ersatz immaterieller Schäden unabhängig von der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter Der Ersatz immaterieller Schäden beschränkt sich nach dem DCFR nicht auf die Verletzung personenbezogener Rechtsgüter. Auch bei der Verletzung des Eigentums und des rechtmäßigen Besitzes sind ideelle Schäden ersatzfähig (Art. VI.-2:206 Abs. 1). Die Eigentums- oder Besitzrechtsverletzung ist indes kein ersatzfähiger Per-se-Schaden. Art. VI.-2:206 Abs. 1 DCFR gilt nicht nur bei vorsätzlichen Eigentumsverletzungen, die der Schädiger vornimmt, um dem Eigentümer Schmerzen zuzufügen, sondern auch bei vorsätzlichen Eigentums- und Besitzrechtsverletzungen, wenn sich der Vorsatz nicht auf das Herbeiführen von Gefühlsbeeinträchtigungen erstreckt.151 Daher sind auch die Folgen eines Einbruchsdiebstahls auf das Sicherheitsempfinden des Besitzrechtsinhabers einbezogen, selbst wenn der Dieb nichts wegnimmt, sondern nur die Sachen durchwühlt.152 Im Einzelfall – insbesondere bei fahrlässigen Eigentums- und Besitzrechtsverletzungen – ist es Sache des Richters festzustellen, ob tatsächlich ein Gefühlsschaden wegen der Beschädigung oder Zerstörung der Sache oder der Verletzung des Besitzrechts eingetreten ist. Gerade bei gewöhnlichen Unfällen mit handelsüblichen Pkws entsteht in der Regel kein ersatzfähiger ideeller Schaden.153 Etwas anderes gilt bei der Zerstörung von Liebhaber- oder Erinnerungsstücken oder der Verletzung oder Tötung von Tieren.154 Diese Regelung macht es zudem entbehrlich, die entgangenen Nutzungen des Eigentümers als immateriellen oder materiellen Schaden zu qualifizieren, da sie in jedem Fall ersatzfähiger Schaden sind (Art. VI.-2:206 Abs. 2 lit. a). Der Kreis der ersatzfähigen ideellen Schäden ist somit sehr weit gezogen. Er geht über jene Rechtsordnungen weit hinaus, die den Ausgleich immaterieller Schäden, wie in Deutschland, von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängig machen. Auf diese Weise ist zwar die Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden bei entgangenen Nutzungen obsolet, aber um den Preis der schwierigen Ermittlung tatsächlich erlittener Schäden. Zudem ist ein ideeller Schaden, der die Erheblichkeitsschwelle übersteigt, wegen der Beschädigung oder Verletzung einer Sache selten und tritt am ehesten bei Sammlerstücken und Haustieren auf, sofern zu ihnen eine Gefühlsbeziehung bestand. Insofern bleibt die Frage, ob ein solcher Schaden überhaupt ersetzt werden muss. Positiv zu bewerten ist aber, dass die psychischen Folgen, die mit der vorsätzlichen Verletzung der Wohnung einhergehen, erfasst sind. Da mit der Wohnung nicht nur das Eigentum oder das Besitzrecht des Inhabers, sondern auch die Privatsphäre betroffen ist, hat diese Rechtsver151 152 153 154

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:206, F. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:206, F. Vgl. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:206, F. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:206, F.

502 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen letzung einen Personenbezug. Selbst für eine Rechtsordnung, die sich auf die Kompensation von Nichtvermögensschäden beschränkt, die aus der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts resultieren, ist die Entschädigung eines solchen Schadens plausibel und vervollständigt den Schutz des Persönlichkeitsrechts. Vor allem das deutsche Recht entschädigt solche seelischen Belastungen und Einschränkungen der Lebensführung bisher nicht. Schließlich bestimmen die Art. VI.-2:207 f., VI.-2:210 f. DCFR Schäden, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung auszugleichen sind (falsche Auskunft und falscher Rat, Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs eines Unternehmens, schuldhafte Täuschung und Verleiten zum Vertragsbruch). In der Regel handelt es sich um reine Vermögensschäden. Die Modellregelungen beschränken den Schadensersatz aber nicht auf materielle Schäden. Die Kommentare zum DCFR stellen für Art. VI.-2:210 f. klar, dass sich die Haftung nicht auf Vermögensschäden beschränkt. Allein Art. VI.-2:209 hebt auf die Belastungen (burdens) ab, die infolge staatlich verursachter Umweltschäden entstehen, und begrenzt die ersatzfähigen Schäden auf die finanziellen Einbußen, die aus der Wiederherstellung der geschädigten Umwelt erwachsen. 4. Ausgleich der immateriellen Schäden sowie der injury as such Der DCFR gestaltet den Schadensausgleich für alle Schäden in gleicher Weise. Der Schädiger ist zur Wiederherstellung des Zustands verpflichtet, in dem sich der Geschädigte befunden hätte, wenn der ersatzfähige Schaden nicht eingetreten wäre (Art. VI.-6:101 Abs. 1). Somit gilt der Grundsatz der Totalreparation155, der aber durch eine Reduktionsklausel durchbrochen ist (Art. VI.6:202 DCFR). Die Wiederherstellung ist durch Geldzahlung (compensation) oder auf andere Weise – in natura – vorzunehmen, wobei die Form zu wählen ist, die nach Art und Umfang des Schadens angemessen ist.156 Nach den Kommentaren zum DCFR ist auch eine Kombination beider Formen möglich.157 Bei immateriellen Schäden kommt eine Wiederherstellung in natura nur bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Widerruf, Gegendarstellung oder Veröffentlichung des Urteils in Betracht. Die Reparation i. S. von Art. VI.-6:101 Abs. 1 DCFR bezieht sich nur auf die Wiederherstellung und differenziert im Gegensatz zum deutschen Recht nicht zwischen den Fällen, in denen eine Naturalrestitution möglich und zumutbar ist, und jenen, bei denen nur noch eine Entschädigung der erlittenen Einbuße erfolgen kann. Das hat aber nicht zur Folge, dass im Falle der Un155

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, C; so zu PEL Liab. Dam. Schmidt-Kessel, Reform des Schadensersatzrechts, Bd. I, S. 92. 156 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, D. Im Kommentar zu den PEL Liab. Dam. ist von einem Vorrang der Kompensation die Rede, der sich aber nicht im Normtext niedergeschlagen hat, s. v. Bar, Comment E zu Art. 6:101 PEL Liab. Dam. Rn. 6; Schmidt-Kessel, Reform des Schadensersatzrechts, Bd. I, S. 92. 157 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, D.

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 503

möglichkeit der Naturalrestitution kein Schadensersatz zu leisten ist. Das widerspräche dem Zweck der Regelung, die auf Schadensausgleich zielt. Zudem ist das Verhältnis von Geldersatz und Naturalrestitution anders geregelt als im deutschen Recht. Der Geldersatz ist der Regelfall und die Naturalrestitution die zu begründende Ausnahme. Die Kommentare zum DCFR legen ein weites Verständnis der Reparation nahe.158 Die Geldzahlung (compensation) umfasst den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Wiederherstellung und die Entschädigung der erlittenen Einbußen, wenn die Wiederherstellung im engeren Sinne unmöglich oder unzumutbar ist.159 Letztlich sind darin die §§ 249 Abs. 2, 251 BGB zusammengefasst. Auf den Schadensersatz in Geld sind alle Vorteile anzurechnen, die dem Geschädigten gleichzeitig mit dem Schadensfall zufließen (Art. VI.-6:103). Somit wird der Grundsatz der Totalreparation nach dem DCFR, ebenso wie im deutschen Schadensersatzrecht, durch ein Bereicherungsverbot ergänzt.160 Konsequenterweise stellen die Kommentare zum DCFR klar, dass die Modellregelung keinen Strafschadensersatz umfasst.161 Die Bestrafung sei Sache des Strafrechts und lasse sich mit Restitution und Totalreparation nicht vereinbaren.162 Einem Strafschadensersatz und dessen Personenbezug widerspräche auch Art. VI.-6:106 DCFR, der die Abtretung von Schadensersatzansprüchen regelt. Der Anspruch des Geschädigten auf Totalreparation unterliegt zwei Begrenzungen: der Erheblichkeitsschwelle (Art. VI.-6:102) und der Reduktionsklausel (Art. VI.-6:202). Der Geschädigte muss minimale Schäden ohne Ausgleich hinnehmen.163 Das soll nach den Kommentaren zum DCFR verhindern, dass der Geschädigte nicht wegen der Reparation klagt, sondern um den Beklagten im Verfahren mit Kosten zu belasten.164 Zugleich soll Sammelklagen wegen Kleinstschäden entgegengewirkt werden.165 Für die Unerheblichkeit des Schadens stellt der Kommentar nicht auf dessen Umfang bei ökonomischer Betrachtung ab, sondern auf die soziale Hinnehmbarkeit der Beeinträchtigung.166 Maßgeblich seien weniger der Schadensumfang, sondern das geschützte Interesse, der Kausalzusammenhang und die Verantwortung des Schädigers. Vorsätzlich verursachte Schäden sind daher stets erheblich, wohingegen Unachtsamkeiten im täglichen Leben eher unerheblich sind.167 Diese 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, C. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, A, D. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, C. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, C. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, C. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:102, A. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:102, A. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:102, A. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:102, A. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:102, A.

504 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Konkretisierung der Erheblichkeitsschwelle hebt vor allem auf die Hinnehmbarkeit der Schäden für den Geschädigten ab. Schäden, die typischerweise im sozialen Zusammenleben eintreten, sind als Teil des allgemeinen Lebensrisikos vom Geschädigten zu tragen. Das Verhindern von Klagen wegen geringer Schadensersatzbeträge ist insoweit eher ein Nebeneffekt. Durch die Erheblichkeitsschwelle wird der sehr weitgehenden Ersatzfähigkeit der materiellen und immateriellen Schäden etwas entgegengesetzt und sichergestellt, dass kein Missbrauch erfolgt und zugleich eine unverhältnismäßige Belastung des Schädigers vermieden wird. Auch die Reduktionsklausel im DCFR, die es erlaubt, von der Totalreparation des Schadens abzuweichen, wo diese unverhältnismäßig erscheint, dient dem Schutz des Schädigers. Die Reduktionsklausel als Beschränkung des Schadensausgleichs in den Mitgliedstaaten ist sehr kontrovers, so dass der Entwurf des DCFR über das nationale Recht erheblich hinausgeht.168 Der Entwurf nahm die Bestimmung insbesondere auf, um den Unterschied zwischen der vertraglichen Haftung, die sich auf vorhersehbare Schäden beschränkt, und der außervertraglichen Haftung zu relativieren. Bei einer vorsätzlichen Schädigung gewähren beide vollen Schadensausgleich. Darüber hinaus enthält der DCFR keine speziellen Vorgaben für die Bemessung des Geldersatzes bei immateriellen Schäden. Das soll dem nationalen Recht überlassen bleiben.169 Angesichts des Grundsatzes der Totalreparation muss sich der Geldersatz am Umfang der erlittenen Einbuße orientieren und darf das Verschulden des Schädigers nur berücksichtigen, soweit es sich auf den Umfang des ersatzfähigen Schadens auswirkt. Daher sind die Vermögensverhältnisse des Geschädigten und des Schädigers oder das Bestehen einer Versicherung zugunsten des Schädigers unerheblich. Diese Umstände haben nur für die Anwendung der Reduktionsklausel Relevanz. Die Ausrichtung der Kompensation in Geld am eingetretenen Schaden ist beim Ersatz materieller und immaterieller Schäden möglich, aber nicht bei Per-se-Schäden, bei denen es gerade am subjektiven Schaden fehlt. Der DCFR enthält nur eine knappe Regelung zur Kompensation von Perse-Schäden, in der darauf verwiesen wird, dass die Entschädigung unabhängig vom Schaden ist (Art. VI.-204). Sofern der Geschädigte einen subjektiven Schaden erleidet, ist dieser auszugleichen, wobei zusätzlich der Per-se-Schaden bei der Bemessung des Geldersatzes zu berücksichtigen ist.170 Die Regelung lehnt sich an das italienische Recht an und findet sich so nicht in den Rechtsordnungen der übrigen Mitgliedstaaten.171 Der Maßstab für den 168

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:202, A und Notes 1 ff. Art. 6:203 Abs. 2 PEL Liab. Dam., dazu Schmidt-Kessel, Reform des Schadensersatzrechts, Bd. I, S. 93. 170 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:204. 171 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:204. 169

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 505

Geldersatz bei Per-se-Schäden wird aber nicht präzisiert. Mangels einer in Geld messbaren Einbuße, erlittener Schmerzen oder eines Verlusts an Lebensfreude ist ein eigenständiger Maßstab für die Bemessung des Geldersatzes erforderlich. Anknüpfungspunkt für den Per-se-Schaden ist die Rechtsgutsverletzung, so dass ihr Umfang Maßstab für die Bemessung der Entschädigung sein muss. Damit zeigt sich nochmals deutlich, dass der Per-se-Schaden als objektiver Schaden die Unterscheidung von Rechtsgutsverletzung und Schaden aufhebt, so dass der Geldersatz die Rechtsgutsverletzung unabhängig vom erlittenen Schaden sanktioniert. Etwas anderes gilt nur, wenn die Begriffe Vermögensund Nichtvermögensschaden nicht alle Einbußen an rechtlich geschützten Interessen erfassen, so dass der Per-se-Schaden eigentlich den subjektiven Schadensbegriff erweitert. Nach dem DCFR genügt jedoch die Rechtsgutsverletzung zur Begründung des Per-se-Schadens, ohne dass das Ob und der Umfang der subjektiven Einbuße beim Verletzten Berücksichtigung findet. Daher erfolgt keine Erweiterung des subjektiven Schadensbegriffs, sondern eine Ergänzung des materiellen und immateriellen Schadens um einen objektiven Schaden. Hierfür sprechen indirekt auch die Kommentare zum DCFR, wonach der Ausgleich der Per-se-Schäden neben dem Ersatz der materiellen sowie immateriellen Schäden möglich ist.172 Der DCFR stellt nicht ausreichend klar, wann über die subjektiven immateriellen Schäden hinaus die injury as such zu einem Geldersatz führt. Das birgt das Risiko einer doppelten Entschädigung, da die Rechtsverletzung und die subjektiven Einbußen zu entschädigen sind. 5. Abschöpfungsanspruch Alternativ zur Reparation des Schadens kann der Geschädigte, sofern es angemessen ist, die Abschöpfung aller Vorteile verlangen, die der Schädiger wegen des Schadensfalls erlangt hat (Art. VI.-6:101 Abs. 4 DCFR). Der DCFR ordnet den Abschöpfungsgedanken nicht ausschließlich dem Bereicherungsrecht oder der Geschäftsführung ohne Auftrag zu.173 Das ist insofern stimmig, als sich die Regelungen zur Geschäftsführungen ohne Auftrag im DCFR auf Fälle beschränken, in denen tatsächlich fremdnützig und gerechtfertigt ein Geschäft des Geschäftsherrn geführt wird. Die Geschäftsanmaßung ist nicht einbezogen, so dass die Gewinnerzielung durch deliktisches Handeln, das zugleich das Geschäft eines anderen ist, nicht erfasst wird. Der Abschöpfungsanspruch nach Art. VI.-6:101 Abs. 4 DCFR weist vor allem Ähnlichkeit mit der Eingriffskondiktion nach Art. VII.-4:101 lit. c DCFR auf, die eine Bereicherung durch Handlungen erfasst, die häufig auch ein De172 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:204; s. auch Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/ Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 539. 173 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, F.

506 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen likt sind. Zudem geht die Eingriffskondiktion über die außervertragliche Haftung hinaus, da der Anspruch unabhängig vom Verschulden ist und sich auch gegen den gutgläubig Handelnden richtet. Dennoch wurde der Anspruch auf Gewinnabschöpfung in die außervertragliche Haftung des DCFR-Entwurfs integriert. Der Abschöpfungsgedanke folge der inhärenten Logik des Deliktsrechts, dem die Vorstellung zugrunde liege, dass sich deliktisches Verhalten nicht lohnen darf.174 Zudem lasse sich der außervertraglichen Haftung im Gegensatz zum Bereicherungsrecht nicht der Einwand der Entreicherung entgegenhalten.175 Damit wird das Deliktsrecht vom Schadensausgleich gelöst und eine alternative Sanktion zur Verfügung gestellt. Solange auch ein Anspruch aus Eingriffskondiktion besteht, geht die Gewinnabschöpfung vor allem auf dasjenige, was die Rechtsordnung dem Geschädigten unabhängig vom Delikt zuordnet. Zumindest bleibt zu beachten, dass sich der Anspruch von der Anbindung an die Vermögenszuordnung löst, wenn der Geschädigte den Gewinn unabhängig von der Zuordnung des Vermögenswertes durch die Rechtsordnung verlangen kann. Der DCFR setzt sich nicht damit auseinander, ob die Gewinnabschöpfung eine Privatstrafe ist. Er stellt lediglich klar, dass der Entwurf keinen Strafschadensersatz gewährt und eine Strafe jenseits des Abschöpfungsanspruchs Sache des Strafrechts ist. Als Vorbild für den Abschöpfungsanspruch gilt Art. 13 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2004/48/EG, der die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten bezweckt.176 Auch das Recht gegen unlauteren Wettbewerb kennt solche Ansprüche.177 Der Abschöpfungsgedanke als Reaktion der Rechtsordnung auf eine Rechtsverletzung habe somit Vorbilder im Unionsprivatrecht. Angesichts der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Richtlinienumsetzung finden sich entsprechende Regelungen in den nationalen Rechtsordnungen.178 Dabei wird aber nicht ausreichend beachtet, welche Ambiguität die Richtlinie 2004/48/EG besitzt.179 Sie regelt gerade keinen Abschöpfungs-, sondern einen Schadensersatzanspruch und spricht sich in Erwägungsgrund 26 ausdrücklich gegen einen Strafschadensersatz aus. Gleichwohl erlaubt Art. 13 der Richtlinie die Berücksichtigung des Verletzergewinns, wobei damit nicht unbedingt dessen vollständige Abschöpfung gemeint ist. Zudem kann eine Schadenspauschale geregelt werden, die über die einfache Lizenzgebühr hinausgeht. Den Mit174 v. Bar/Clive/Beale/Schulte-Nölke, DCFR, Bd. I, Princ. 48; v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, F (hinsichtlich der Immaterialgüterrechte wird zugleich auf Art. 13 Richtlinie 2004/ 48/EG verwiesen). 175 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, F. 176 Siehe oben § 8.B.II.2., S. 442 ff. 177 Z. B. § 10 UWG, §§ 34, 34a GWB, Art. L.121-1 Code de la propriété intellectuelle. 178 Zum Verhältnis des Immaterialgüterrechts und des Wettbewerbsrechts zum Schadensersatz- bzw. Abschöpfungsanspruch aus außervertraglicher Haftung siehe Art. VI.-1:103 lit. c, d DCFR. 179 Ausführlich oben § 8.B.II.2.b., S. 443 ff.

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gliedstaaten bleibt insofern erheblicher Spielraum bei der Richtlinienumsetzung, so dass die vollständige Gewinnabschöpfung keineswegs zwingend vorgegeben ist. Die Regelung in Art. 13 ist aber von dem Gedanken getragen, dass sich das Delikt nicht lohnen soll, was für eine Gewinnabschöpfung spricht. Probleme bereitet vor allem die Umsetzung dieser Überlegung wegen der Beschränkungen des Vermögensrechts und der grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber der Privatstrafe und dem Strafschadensersatz. Der Abschöpfungsanspruch ist eigenständig geregelt und kann als Versuch angesehen werden, dogmatisch eine eigene Sanktionskategorie zu begründen. Der DCFR geht jedoch weiter als die Richtlinie, weil er die vollständige Abschöpfung des Verletzergewinns bestimmt. Zudem gilt der Abschöpfungsanspruch nicht nur bei der Verletzung vermögenswerter Rechte, sondern ist eine alternative Rechtsfolge zum Schadensersatz bei jedem Anspruch aus außervertraglicher Haftung. Der Gewinnabschöpfungsanspruch integriert Präventionsüberlegungen in die außervertragliche Haftung, die ansonsten auf Schadensausgleich angelegt ist. Sofern der Schädiger durch sein deliktisches Handeln einen darüber hinausgehenden Gewinn erzielt, hat der bloße Schadensausgleich keine abschreckende Wirkung. Die Ergänzung der außervertraglichen Haftung um den Abschöpfungsanspruch hat zur Folge, dass der Rechtsgüterschutz bei lukrativen Delikten erhalten bleibt, ohne dass der Schadensersatz seine Ausgleichsfunktion verliert.180 Diese Erweiterung der Rechtsfolgen der außervertraglichen Haftung hat somit keinen Einfluss auf die konzeptionelle Ausrichtung des Schadensersatzes bei der deliktischen Haftung, da die Ansprüche separat und alternativ sind. Der Gewinnabschöpfungsanspruch zielt auf einen effektiven Rechtsgüterschutz, der sich nicht darauf beschränken kann, den konkreten, subjektiven Schaden des Geschädigten auszugleichen.181 Es erfolgt keine Erhöhung des Schadensersatzes über den Schaden hinaus, sondern der Geschädigte erhält anstelle des Schadensersatzanspruchs einen Abschöpfungsanspruch. Auch das führt praktisch zu einer Bereicherung des Geschädigten, sofern ihm das Vermögensrecht den Gewinn nicht zuordnet und er über den Schaden hinausgeht. Der Schadensersatzanspruch bleibt hingegen auf den Schadensausgleich beschränkt. Anders als bei der Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts kann der Geschädigte nicht mehr fordern, als der Schädiger erlangt hat. Das Verschulden des Schädigers, insbesondere seine Gewinnerzielungsabsicht oder die Wiederholung der Rechtsgutsverletzung bzw. Schädigung haben keinen Einfluss auf den Umfang des Anspruchs. Nur der tatsächlich erzielte Gewinn wird abgeschöpft. Für seine Berechnung bietet der DCFR keine Lösung, obwohl sie mit erheblichen Schwierigkeiten belastet ist. Die Bemessung des ab180 181

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, F. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-6:101, F.

508 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen zuschöpfenden Gewinns entscheidet darüber, welche Bedeutung dieser Anspruch in der Praxis erlangt. Der Abschöpfungsanspruch hat eine Gemeinsamkeit mit der Anerkennung der Per-se-Schäden. Beide sind eine Antwort der Rechtsordnung auf eine Rechtsgutsverletzung, für die der Ersatz des subjektiven Schadens nicht ausreicht. Der subjektive Schadensbegriff, der auf einen Gefühlsschaden abstellt, versagt bei Personen, die durch eine Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung ihr Wahrnehmungsvermögen verloren haben, und bleibt bei der Verletzung der Würde, Freiheit und Privatsphäre möglicherweise hinter der Intensität und Dauer der Rechtsgutsverletzung zurück. Im Unterschied zum Abschöpfungsgedanken rückt die Erweiterung des Schadensersatzes durch die injury as such in die Nähe eines Strafschadensersatzes. Der Schadensersatzanspruch ist nicht mehr von der subjektiven Einbuße des Geschädigten abhängig, sondern von der bloßen Rechtsgutsverletzung. Das ließe sich vermeiden, indem der subjektive Schadensbegriff weit gefasst und die Besonderheiten der ideellen Einbußen besser erfasst werden. Das widerspricht jedoch der Konzeption der Schadensersatzansprüche im Rahmen der außervertraglichen Haftung, die durch den Grundsatz der Totalreparation und das Bereicherungsverbot gekennzeichnet sind und den Ausgleich einer erlittenen Einbuße bezwecken.

D. Entwürfe für den Ausgleich immaterieller Schäden bei Diskriminierungen Das Antidiskriminierungsrecht ist vor allem durch das Unionsrecht geprägt. Es bezog sich zunächst nur auf Diskriminierungen wegen des Geschlechts beim Zugang zur Beschäftigung, beim beruflichen Aufstieg und den Beschäftigungsbedingungen.182 Durch weitere Richtlinien wurde es seit 2000 auf Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft, der Rasse, der Weltanschauung, der Religion, der sexuellen Orientierung, der Behinderung und des Alters erweitert und erstreckt sich inzwischen auch auf Diskriminierungen beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, soweit die Diskriminierung das Geschlecht, die Rasse und die ethnische Herkunft betreffen. Vor dem Inkrafttreten der Richtlinien und über sie hinaus bestanden und bestehen nur in wenigen Mitgliedstaaten, insbesondere in England, Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierungen. Wegen der rechtsvergleichenden Herangehensweise der Lando-Kommission fand das Antidiskriminierungsrecht daher keinen Eingang in die PECL. Es ist jedoch Teil der Grundregeln des acquis communautaire (ACQP). Die Antidiskriminierungsrichtlinien gehören zum gesicherten Bestand des euro182

Siehe Art. 157 AEUV, Richtlinie 76/207/EWG, Richtlinie 75/117/EWG.

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päischen Privatrechts.183 Zudem enthält das Primärrecht in Art. 18 AEUV eine eigenständige Regelung zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit und räumt in Art. 19 AEUV der Europäischen Union eine Rechtsetzungskompetenz ein.184 Weiter sind die Gleichheitsrechte in der Grundrechtecharta vermittels Art. 6 Abs. 1 EUV Teil der allgemeinen Rechtsgrundsätze. Gleichwohl blieb es umstritten, ob der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wegen bestimmter Merkmale in das Vertragsrecht eingeführt werden sollte.185 Er gilt manchen als unvereinbar mit den Grundprinzipien des Vertragsrechts186, die die Privatautonomie und die freie Wahl des Vertragspartners garantieren. Zudem gilt das Antidiskriminierungsrecht manchen als eine dem Strafrecht zugehörige Materie oder wird zumindest stärker dem Deliktsrecht als dem Vertragsrecht zugeordnet.187 Die ACQP enthalten keine Revision des Antidiskriminierungsrechts, sondern fassen die bestehenden Regelungen verallgemeinernd zusammen, ohne das Diskriminierungsverbot auf andere Kriterien als Geschlecht, Rasse oder ethnische Herkunft zu erweitern.188 Das Antidiskriminierungsrecht ist ein eigenes Kapitel innerhalb des Vertragsrechts. Der erste Abschnitt enthält den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, die Definitionen und eine allgemeine Ausnahmebestimmung, der zweite regelt die Rechtsbehelfe und die Beweislast. Nach Art. 3:201 Abs. 1 ACQP hat der Diskriminierte stets einen Anspruch auf Entschädigung aller materiellen und immateriellen Einbußen. Daneben können nach Art. 3:201 Abs. 2 ACQP weitere Rechtsbehelfe treten, um die Diskriminierungsfolgen zu beseitigen und weitere Diskriminierungen zu verhindern, soweit das angemessen ist. Die Acquis Group konnte sich indes nicht auf einen Katalog von Rechtsbehelfen gegen Diskriminierungen einigen, zumal die Richtlinien keine eindeutigen Vorgaben für deren Ausgestaltung machen.189 Die Entschädigung der ideellen Schäden ist somit die zentrale Rechtsfolge bei Diskriminierungen, zu der weitere Rechtsbehelfe hinzutreten können.190 Die Ableitung einer solchen Grundregel war angesichts der Antidiskriminierungsrichtlinien nicht zwingend. Sie verlangen überwiegend nur eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion und überlassen es den

183

Siehe oben § 8.B.III., S. 451 ff. Leible, in: Schulze, Common Frame of Reference, S. 127, 127 f.; Stork, Anti-Diskriminierungsrecht, S. 47 ff.; Zoll, in: Schulze, Features, S. 85, 88. 185 Dazu Lehmann, in: Schmidt-Kessel, Features, S. 67 f.; Pfeiffer, ZEuP 2008, 679, 695. 186 Picker, JZ 2002, 880, 882; ders., JZ 2003, 540, 543. 187 Zoll, in: Schulze, Features, S. 85, 87; a. A. Riesenhuber, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsschutz, S. 123, 127. 188 Acquis Group, Contract I, Art. 2: 101 Rn. 10; Art. 3:201 Rn. 1, 4. 189 Acquis Group, Contract I, Art. 3:201 Rn. 1, 4. 190 Acquis Group, Contract I, Art. 3:201 Rn. 13; Leible, in: Schulze, Common Frame of Reference, S. 127, 140; Zoll, in: Schulze, Features, S. 85, 93. 184

510 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Mitgliedstaaten, die Sanktion festzulegen.191 Daher weist die Ausgestaltung der Sanktionen im nationalen Recht erhebliche Unterschiede auf und beschränkt sich nicht auf das Zivilrecht, sondern bezieht zum Teil verwaltungsoder strafrechtliche Sanktionen ein.192 Selbst die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche sind uneinheitlich.193 Die Mitgliedstaaten regeln zum Teil Schadenspauschalierungen oder Haftungshöchstbeträge oder ziehen als Maßstab für die Bemessung der Entschädigung das Monatseinkommen des Arbeitnehmers oder absolute Beträge heran.194 Gleichwohl erscheint der Entschädigungsanspruch nach Art. 3:201 Abs. 1 ACQP eine angemessene Erfassung des acquis communautaire. Dieser beschränkt sich auf das Privatrecht und muss daher verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionen ausklammern. Zudem ist der Entschädigungsanspruch innerhalb der privatrechtlichen Regelungen der gemeinsame Kern. Schließlich hat der EuGH bereits die allgemeine Sanktionsregelung der Richtlinie 76/207/ EWG dahin ausgelegt, dass bei der Wahl eines Schadensersatzanspruchs zumindest die erlittenen Schäden vollständig auszugleichen sind und ein symbolischer Betrag nicht genügt.195 Zudem verpflichten Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG und Art. 18 Richtlinie 2006/54/EG ausdrücklich zum Ersatz der mit der Diskriminierung einhergehenden materiellen und immateriellen Schäden.196 Der EuGH legt die Sanktionsbestimmungen der Richtlinien zudem dahin aus, dass der Entschädigungsanspruch verschuldensunabhängig sein, den Ausgleich der tatsächlich erlittenen Schäden sicherstellen muss und ihn insbesondere nicht durch Haftungshöchstbeträge derart begrenzen darf, dass ein vollständiger Schadensausgleich ausgeschlossen ist.197 Diese Konzeption haben die ACQP übernommen. Die Höhe der Entschädigung für die immateriellen Einbußen bestimmt Art. 3:202 Abs. 2 ACQP anhand der Verletzung. Zugleich ist es erlaubt, die abschreckende Wirkung der Rechtsbehelfe in die Betrachtung einzubeziehen (Art. 3:202 Abs. 2 ACQP). Nach dem Wortlaut ist die zusätzliche Berücksichtigung der Abschreckungswirkung aber auf die übrigen Rechtsbehelfe be191

Siehe oben § 8.B.III.1., S. 451 ff.; s. auch Acquis Group, Contract I, Art. 3:201 Rn. 1. Z. B. der Verlust des Anspruchs auf öffentliche Leistungen, Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge; Erweiterung der Befugnisse des Ombudsman in den skandinavischen Ländern; Art. 225-2 Code penal (Freiheitsstrafe von drei Jahren sowie Geldstrafe bis zu 45 000 €; für Taten in der Öffentlichkeit sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe und 75 000 € Geldstrafe); dazu Lehmann, in: Schmidt-Kessel, Features, S. 67, 81 ff. sowie oben § 6.E.IV., S. 369 ff. 193 Dazu Lehmann, in: Schmidt-Kessel, Features, S. 67, 83. 194 Z. B. Österreich, siehe § 6.E.IV.1., S. 369 ff. 195 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 17 f. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 17 f. (Harz). 196 S. auch Leible, in: Schulze, Common Frame of Reference, S. 127, 140; Riesenhuber, in: Leible/Schlachter, Diskriminierungsverbote, S. 123, 135; Zoll, in: Schulze, Features, S. 85, 93. 197 EuGH 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 22, 27, 37 (Draehmpaehl); s. auch EuGH 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 25 (Dekker); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 Rn. 26 (Marshall II). 192

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schränkt und betrifft nicht den Schadensersatzanspruch, der im ersten Halbsatz kumulativ neben den Rechtsbehelfen genannt ist.198 Zudem ist der Schadensersatz nach der Rechtsprechung des EuGH im Antidiskriminierungsrecht am Ausgleichsprinzip ausgerichtet.199 Die europäischen Richtlinien verpflichten nicht zu einer überkompensatorischen Entschädigung, auch wenn eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion erforderlich ist.200 Daher ist Art. 3:202 Abs. 2 ACQP, der nur den acquis communautaire festschreibt, nicht zu entnehmen, dass die Entschädigung zum Zwecke der Prävention überkompensatorisch sein muss.201 Für den Ersatz von Vermögensschäden kommt eine Berücksichtigung der abschreckenden Wirkung ohnehin nicht in Betracht, da sich Art. 3:202 Abs. 2 ACQP nicht auf sie bezieht.202 Der DCFR hat die Grundregeln des Antidiskriminierungsrechts der Acquis Group übernommen und gestrafft, aber inhaltlich kaum überarbeitet, da die Materie rechtspolitisch umstritten ist.203 Sie sind in das Vertragsrecht integriert und bilden keine vollständig autonome Materie.204 Dem Diskriminierten stehen alle Rechtsbehelfe der vertraglichen Haftung zu, einschließlich des Schadensersatzes für Vermögens- und Nichtvermögensschäden (Art. II.-2:104 Abs. 1 DCFR). Damit sind die Ansprüche wegen der Diskriminierung im Vertragsrecht abschließend konkretisiert. Daneben bestehen deliktische Ansprüche. Straf- und verwaltungsrechtliche Sanktionen sind wegen der Beschränkung des DCFR auf das Privatrecht nicht einbezogen. Die Rechtsbehelfe müssen verhältnismäßig zur (zu erwartenden) Verletzung sein, wobei berücksichtigt werden darf, ob sie abschreckende Wirkung entfalten (Art. II.-2:104 Abs. 2 DCFR). Anders als nach Art. 3:202 Abs. 2 ACQP kann auf die abschreckende Wirkung auch bei der Bemessung der Entschädigung in Bedacht genommen werden.205 Das ermöglicht in Diskriminierungsfällen einen überkompensatorischen Schadensersatz, der ein strafendes Element in das Schadensersatzrecht einführt.206 Allerdings dürfe der Schadensersatz nicht außer Verhältnis zum Schaden stehen, auch wenn die abschreckende Wirkung berücksichtigt wird.207 Die vertragliche Haftung, auf die jene Bestimmung verweist, ist jedoch beim Schadensersatz auf Kompensation der 198

Ohne Wortlautauslegung und Differenzierung Zoll, in: Schulze, Features, S. 85, 93. Siehe oben § 8.B.III.1., S. 451 ff. 200 Siehe oben § 8.B.III.2., S. 457 ff.; Acquis Group, Contract I, Art. 3:202 Rn. 3. 201 Acquis Group, Contract I, Art. 3:202 Rn. 2. 202 Acquis Group, Contract I, Art. 3:202 Rn. 2; Zoll, in: Schulze, Features, S. 85, 93. 203 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, II.-2:101 A; Pfeiffer, ZGS 2002, 165; ders., ZGS 2003, 441; ders., ZEuP 2008, 679, 695; krit. zur Eingliederung des Antidiskriminierungsrechts in das Privatrecht Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 535, 544. 204 So zu den ACQP Zoll, in: Schulze, Features, S. 85, 94 f. (nur der Umfang des Schadens sei nach Maßgabe der übrigen Regeln des ACQP zu bestimmen). 205 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, II.-2:101 F. 206 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, II.-2:101 F. 207 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, II.-2:101 F. 199

512 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen vorhersehbaren Schäden ausgerichtet. Zudem beruht der DCFR auf den Acquis-Regeln, die eine Abschreckung mittels des Entschädigungsanspruchs nicht vorsehen. Die Abschreckungswirkung ist auf die übrigen Rechtsbehelfe und deren Zusammenwirken mit dem Schadensersatz beschränkt. Insofern besteht ein Widerspruch zwischen dem DCFR und seinen Vorarbeiten. Schließlich fußt der DCFR auf einem Vergleich des mitgliedstaatlichen Rechts. Trotz der Heterogenität der nationalen Rechtsfolgenbestimmungen besteht zumindest keine Tradition eines Strafschadensersatzes in den Mitgliedstaaten.208 Nur das englische Recht kennt einen Strafschadensersatz in Form von exemplary damages209, dessen Gewährung in Diskriminierungsfällen aber umstritten ist.210 Zudem kommt er nur in Fällen in Betracht, in denen der Schädiger mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. Das ist im Diskriminierungsrecht jedoch eher selten. Daher ist selbst das englische Recht kein Paradigma für einen Strafschadensersatz in Diskriminierungsfällen. Das spricht dagegen, einen solchen Strafschadensersatz in den Gemeinsamen Referenzrahmen aufzunehmen. Es erfolgte eine Verallgemeinerung eines singulären Instituts. Zudem bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, unabhängig von einem späteren Referenzrahmen, straf- und verwaltungsrechtliche Bestimmungen zur Sanktion von Diskriminierungen zu erlassen, so dass selbst die Rechtswahl zugunsten des Referenzrahmens ihre Wirkung nicht beschränken kann.

E. Zusammenfassung und zum Einfluss der Europäisierung auf die Weiterentwicklung des Ersatzes immaterieller Schäden im nationalen Recht Die Europäisierung des Schadensersatzrechts befindet sich weiterhin in der Entwicklung, wenngleich der DCFR diesen Prozess ganz erheblich befördert hat. Die Auseinandersetzung mit dem Ersatz immaterieller Schäden im Rahmen der vertraglichen und außervertraglichen Haftung hat gezeigt, dass der DCFR in einzelnen Bereichen einer Überarbeitung bedarf und auch die zugrunde liegenden konzeptionellen Entscheidungen kritisch zu überprüfen sind. An dieser Stelle sollen zunächst die Ergebnisse der vorangehenden Analyse zusammengefasst und zugleich aufgezeigt werden, welche Abweichungen zum nationalen Recht Impulse für dessen Weiterentwicklung geben können. Die Vorschläge für eine Verbesserung des DCFR sollen im Teil 3 der Arbeit zusammen mit den Vorschlägen für eine Neuausrichtung des Ersatzes der ideellen Schäden im nationalen Recht dargestellt werden. Insofern zeigt sich die doppelte Relevanz des Europäisierungsprozesses auch in der vorliegenden Ar208 209 210

Siehe oben § 6.C.V., F.III., S. 307 ff., 387 ff. Siehe oben § 6.C.V.2., S. 312 ff. Siehe oben § 6.E.IV.4., S. 376 ff.

§ 9 Europäisierung des Schadensersatzrechts und Ersatz immaterieller Schäden 513

beit. Er dient der Erarbeitung von Regeln für einen Gemeinsamen Referenzrahmen, und er regt die Mitgliedstaaten zur Weiterentwicklung und Harmonisierung des nationalen Rechts an. Dabei ist nach den schon wiederholt verwendeten Kategorien vorzugehen: Begriff des immateriellen Schadens, Ersatzfähigkeit der immateriellen Schäden, Funktion und Bemessung des Entschädigungsanspruchs. Der Begriff des immateriellen Schadens ist in den PECL nicht konkretisiert. Die PETL und der DCFR definieren den Begriff ebenfalls nicht. Die PETL zählen beispielhaft Gefühlsschäden (Schmerzen und Leiden) sowie die Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit auf. Insoweit ist nicht eindeutig, ob ein subjektiver Schaden vorausgesetzt wird, der eine negative Gefühlsbilanz für den Geschädigten mit sich bringt. Die Bezugnahme auf die Gesundheitsbeeinträchtigung kann ein Abrücken vom Gefühlsbezug des immateriellen Schadens sein, so dass die Einbuße in der Lebensführung, unabhängig vom Empfinden, ein ersatzfähiger subjektiver Schaden ist. Es kann aber auch ein Aufgeben der subjektiven Betrachtung des Schadens zugunsten eines objektiven Schadensbegriffs sein. Im DCFR sind neben den (subjektiven) Vermögens- und Nichtvermögensschäden auch Per-se-Schäden anerkannt. Sie sind grundsätzlich bei Personenschäden sowie bei Verletzungen der Menschenwürde, bei falschen Informationen über die Person und Vertrauensbruch ersatzfähig. Die Nichtvermögensschäden sind beispielhaft erläutert, wobei Gefühlsschäden, aber auch Beeinträchtigungen erfasst sind, die darin bestehen, dass der Geschädigte nicht das Beste aus seinem Leben machen kann. Insoweit machen die Kommentare zum DCFR nicht klar, ob ausschließlich ein Gefühlsschaden erfasst sein soll oder ob der Begriff des ideellen Schadens über die emotionale Einbuße hinaus erweitert wird. Daher besteht angesichts der Anerkennung des Per-se-Schadens, der die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden gleichsetzt, die Gefahr einer doppelten Entschädigung. Die Anerkennung des Per-se-Schadens kann bei Personenschäden insbesondere mit den Fällen in Verbindung gebracht werden, in denen der Geschädigte empfindungsunfähig geworden ist. Im Übrigen beruht die Anerkennung dieser Schäden vor allem auf den Spezifika in einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Insofern vermögen die Europäisierungsvorschläge keinen Beitrag für die Neuausrichtung des Begriffs des ideellen Schadens im nationalen Recht zu leisten, da sie selbst unter Inkonsistenz und Begründungsschwächen leiden. Zudem ergeben sich erhebliche Unterschiede zum deutschen Recht, das für die immateriellen Schäden primär auf das Vorliegen einer negativen Gefühlsbilanz abstellt. Das wird bei Persönlichkeitsverletzungen und Diskriminierungen zum Teil relativiert, ohne dass sich bisher ein bestimmtes Verständnis vom Nichtvermögensschaden herausgebildet hätte. Die Ersatzfähigkeit der Nichtvermögensschäden ist grundsätzlich anerkannt, wenngleich ihr Umfang divergiert. Bei der vertraglichen Haftung sind

514 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen alle vorhersehbaren immateriellen Schäden ersatzfähig, bei vorsätzlichen und grob fahrlässigen Pflichtverletzungen entfällt aber diese Beschränkung. Damit folgt der Umfang der vertraglichen Haftung nach den Principles einem ganz anderen Konzept als das deutsche Recht, das die Entschädigung immaterieller Schäden für die vertragliche und außervertragliche Haftung einheitlich gestaltet und von bestimmten Rechtsgutsverletzungen abhängig macht oder voraussetzt, dass die Vertragsparteien die vertragliche Haftung auf andere Nichtvermögensschäden erweitern. Das Kriterium der Vorhersehbarkeit begründet einerseits eine weitergehende Haftung des Schuldners, wenn die Vertragspartner einen ideellen Vertragszweck verfolgen, aber die Haftung nicht vertraglich auf die ideellen Schäden ausgedehnt haben. Das erlaubt den Ausgleich immaterieller Schäden auch in Fällen, die nicht mit einer Rechtsgutsverletzung einhergehen und in denen der Schädiger den Umfang seiner Haftung aber bei Vertragsschluss erkennen konnte, so dass die Belastung mit der Haftung nicht unverhältnismäßig ist. Der DCFR bleibt andererseits hinter der deutschen Regelung zurück, da nicht alle Schäden infolge bestimmter Rechtsgutsverletzungen zu ersetzen sind. Bei der außervertraglichen Haftung beschreiben die PETL und der DCFR die ersatzfähigen Schäden unterschiedlich, stellen materielle und immaterielle Schäden aber grundsätzlich gleich. Die PETL setzen stets einen Nachteil an einem rechtlich geschützten Interesse voraus, wobei es aber der wertenden Abwägung des Richters überlassen bleibt, ob ein ersatzfähiger Schaden vorliegt. Die Grundregel gibt Anhaltspunkte, bei welchen Verletzungen von Rechtsgütern und Rechten ein solcher Schaden vorliegt. Daneben kann aber auch die Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses genügen. Die Regelungen sind sehr offen, so dass sich ihre Konkretisierung durch die Rechtsprechung schwer prognostizieren lässt. Zumindest die immateriellen Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts werden wohl erfasst sein. Der DCFR beschreibt die ersatzfähigen Schäden durch drei Alternativen: als feste Fallgruppen, die in den Principles geregelt sind, als Einbußen wegen der Verletzung eines Rechts oder eines rechtlich geschützten Interesses, sofern der Schadensausgleich fair und angemessen ist. Die Tatbestände erfassen zum einen Schäden infolge von Rechtsgutsverletzungen, zum anderen Schäden, die davon unabhängig sind (insbesondere reine Vermögensschäden). Der gemeinsame Nenner zwischen den PETL und dem DCFR besteht darin, dass der Schaden sich als Einbuße eines rechtlich geschützten Interesses darstellen muss. Insoweit besteht auf europäischer Ebene zwar Konsens, der eigentliche Harmonisierungsbedarf besteht letztlich in der weiterführenden Konkretisierung der Bestimmungen. Die offenen Regelungen zum ersatzfähigen Schaden zeigen, dass die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden gerade bei der außervertraglichen Haftung davon abhängt, in welchem Maße Rechte oder Interessen den Schutz der Rechtsordnung genießen und ein Schadensausgleich für erforderlich erachtet wird.

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Formal stehen materielle und immaterielle Schäden zwar gleich, der Ersatz hängt zum Teil aber davon ab, ob der Ausgleich der Nichtvermögensschäden als notwendig erachtet wird. Schließlich soll ein Schadensersatz nur gewährt werden, wenn dies als fair und angemessen gilt. Damit kann sich insbesondere auswirken, welche Bedeutung und Wertigkeit dem Ausgleich nicht vermögenswerter Einbußen beigemessen wird. Das dokumentiert zum einen, dass in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Vorstellungen über den Schadensausgleich bestehen können und der Konvergenzprozess im europäischen Privatrecht insofern Grenzen unterliegt. Zum anderen lässt die offene Ausgestaltung der ersatzfähigen Schäden Raum für die Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts entsprechend den gesellschaftlichen Veränderungen, soweit sie zum Schutz anderer Rechte und Interessen führen. Beide Konzeptionen – die der PETL und des DCFR – mögen in vielen Fällen zu den gleichen Ergebnissen führen. Sie lassen jeweils Spielraum für nationale Besonderheiten hinsichtlich der geschützten Rechte und Interessen. Die fallgruppenweise Regelung im DCFR lässt die Konturen des ersatzfähigen Schadens besser erkennen als das offener gestaltete bewegliche System der PETL und trifft klarere Aussagen über die Ersatzfähigkeit der erlittenen Schäden. Insofern hat der DCFR mit den ausformulierten Tatbeständen den Vorteil der weitergehenden Harmonisierung und der höheren Rechtssicherheit für sich. Der Ersatz ideeller Schäden geht über das deutsche Recht weit hinaus, das einen Ausgleich nur gewährt, wenn sie aus der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts resultieren. Insbesondere der Ersatz von Affektionsinteressen bei der Verletzung von Eigentum und berechtigtem Besitz ist ausgeschlossen. Hinsichtlich der ersatzfähigen immateriellen Schäden ist hervorzuheben, dass die Grundregeln der PETL und des DCFR darin übereinstimmen, dass neben den Folgen der Körperverletzung auch der Trauerschaden der Angehörigen in Todesfällen und bei schweren Körperverletzungen zu den ersatzfähigen Personenschäden gehört, auch wenn er keinen Krankheitswert erreicht. Der DCFR lässt sogar einfache Körperverletzungen für einen ersatzfähigen Trauerschaden ausreichen. Der Kreis der anspruchsberechtigten Personen wird indes nicht konkretisiert, auch die Bemessung der Entschädigung bleibt dem Richter überlassen, ohne Tarife oder Obergrenzen vorzusehen. Somit ist der Kreis der ersatzberechtigten Personen wie der Schadensfälle sehr weit. Das lässt das Defizit des deutschen Rechts, das sich auf die Entschädigung der Schockschäden beschränkt, wesentlich gravierender erscheinen. Allerdings geht die Einbeziehung immaterieller Schäden der Angehörigen bei allen Körperverletzungen zu weit. Eine Grundlage für dieses Prinzip lässt sich anhand der Rechtsvergleichung und angesichts der Resolution des Ministerrats von 1975 nicht erkennen. Der Geldersatz für immaterielle Schäden dient übereinstimmend dem Schadensausgleich, wenngleich der Grundsatz der Totalreparation durch eine Reduktionsklausel durchbrochen ist, um unverhältnismäßige Belastungen des

516 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Schädigers zu verhindern. Im Grundsatz ist aber der Schadensumfang für die Bemessung des Ersatzes maßgeblich. Die PETL verpflichten den Richter, vergleichbare Fälle zu berücksichtigen. Ein Strafschadensersatz ist übereinstimmend nicht anerkannt. Der Schadensausgleich hat grundsätzlich keine selbständige Präventionsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt. Eine Ausnahme gilt für das Diskriminierungsrecht im DCFR, das die Abschreckung des Diskriminierenden zu einem Faktor für die Bemessung der Entschädigung erhebt, obwohl das nach den Vorgaben der europäischen Richtlinien nicht erforderlich ist. Das ermöglicht eine überkompensatorische Entschädigung, obwohl sich der DCFR sonst auf den Schadensausgleich beschränkt. Selbst bei lukrativen Delikten erfolgt nur ein Ausgleich der erlittenen Einbußen. In die außervertragliche Haftung des DCFR ist neben den Schadensersatzansprüchen ein Abschöpfungsanspruch aufgenommen, da es zu den Zielen des Deliktsrechts zähle, dass sich das Delikt für den Schädiger nicht lohnen dürfe. Zur Begründung wird auf die Vorbildwirkung des Art. 13 Richtlinie 2004/48/ EG verwiesen. Der Abschöpfungsanspruch nach dem DCFR geht darüber weit hinaus. Er besteht unabhängig davon, ob das verletzte Rechtsgut ein Vermögensrecht oder ein vermögenswerter Bestandteil eines Rechts ist. Insofern wäre die Abschöpfung des Gewinns eine Fortführung der Vermögenszuordnung. Der Abschöpfungsanspruch nach dem DCFR ist hingegen eine alternative Rechtsfolge zum Schadensersatzanspruch im Fall der außervertraglichen Haftung, um den Rechtsgüterschutz durch das Deliktsrecht zu verbessern, wenn der Schadensersatzanspruch nicht ausreicht. Um keinen Strafschadensersatz einzuführen, erfolgt keine Vermengung des Abschöpfungsgedankens mit den Schadensersatzansprüchen. Der Gewinnabschöpfungsanspruch kann nur alternativ zum Anspruch auf Geldersatz geltend gemacht werden. Für seine Berechnung sind keine präzisen Vorgaben enthalten.

§ 10 Zusammenfassung des zweiten Teils 1. Die Durchsicht der internationalen und europäischen Regelungen zum Ausgleich immaterieller Schäden hat gezeigt, dass bisher nur punktuell eine verbindliche Rechtsvereinheitlichung besteht. Im internationalen Recht verweisen die Konventionen für die Bestimmung des Schadensbegriffs sowie für Art und Umfang des Schadensersatzes häufig auf das einschlägige nationale Recht. Allerdings beschränken sie sich auf den Schadensausgleich. Die konkreteste Ausgestaltung für den Ersatz ideeller Schäden enthalten für das Vertragsrecht die unverbindlichen UNIDROITPrinzipien, die alle vorhersehbaren immateriellen Schäden als ersatzfähig qualifizieren, und für das Deliktsrecht die unverbindliche Resolution des

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Ministerkomitees des Europarats zu den Personenschäden, die sowohl Schäden infolge einer Körperverletzung als auch Trauerschäden in Todesfällen erfassen. Aus der EMRK lässt sich keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten ableiten, den Ausgleich ideeller Schäden zu erweitern. Die Konvention gebietet insbesondere keine Entschädigung für Trauerschäden von Angehörigen in Todesfällen bei der Haftung Privater. Impulse für die Weiterentwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden können sich vor allem aus der Rechtsvergleichung und der Europäisierung des Schadensersatzrechts ergeben. Eine Gesamtschau zeigt, dass nicht alle Probleme gelöst sind, die sich beim Ausgleich von Nichtvermögensschäden ergeben. 2. Die Schwierigkeiten bei der begrifflichen Erfassung immaterieller Schäden sind in den Mitgliedstaaten und im Europarecht ebenso wenig gelöst wie in den Vorschlägen zur Europäisierung des Schadensersatzrechts. In den Mitgliedstaaten wie im Europarecht wird überwiegend ein subjektiver Schadensbegriff zugrunde gelegt und auf den Gefühlsschaden des Verletzten abgestellt. Davon werden Abweichungen zugelassen, wenn der Geschädigte empfindungsunfähig geworden ist. Zudem wird bei Persönlichkeitsverletzungen unabhängig vom Gefühl vor allem an Intensität und Dauer der Rechtsgutsverletzung angeknüpft, um den Schaden zu bemessen. Daneben finden Gefühlsschäden und Beeinträchtigungen der sozialen Kontakte Berücksichtigung. Auch bei Diskriminierungen wird nicht nur auf negative Gefühle, sondern zum Teil auch auf die verlorenen Chancen abgestellt. Diese Unstimmigkeiten beseitigt der DCFR nicht konsequent. Die Nichtvermögensschäden werden in den Kommentaren nicht nur als negative Gefühlsbilanz beschrieben, sondern auch als Verlust der Möglichkeit, das Beste aus seinem Leben zu machen. Dabei wird indes nicht deutlich, ob damit der Begriff des ideellen Schadens weiterentwickelt werden soll, so dass das Gefühl nicht der einzige Anknüpfungspunkt ist, um einen solchen Schaden zu begründen. Unter diesen Umständen bedürfte es keiner Ausnahme für die empfindungsunfähigen Geschädigten. Zudem erkennt der DCFR neben materiellen und immateriellen Schäden auch den sog. Per-seSchaden als ersatzfähig an, der die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden gleichsetzt (objektiver Schaden). Das Verhältnis zum Begriff des Nichtvermögensschadens ist nicht geklärt. Außerdem ist nicht eindeutig, ob und inwieweit immaterielle Schäden und Per-se-Schäden nebeneinander geltend gemacht werden können. Das birgt die Gefahr der doppelten Entschädigung. Der Begriff des immateriellen Schadens ist daher weiterhin unzureichend definiert und vermag es nicht, den unterschiedlichen Schadensfällen umfassend gerecht zu werden. 3. Die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden ist in den Mitgliedstaaten, im europäischen Recht und in den Grundregeln zur Europäisierung des Schadensersatzrechts unterschiedlich ausgestaltet. In einigen Staaten wird die Entschädigung ideeller Einbußen bei der vertraglichen und deliktischen

518 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen Haftung grundsätzlich von der Verletzung bestimmter Rechtsgüter abhängig gemacht (z. B. Österreich, Schweiz, Deutschland), auch wenn einzelne Normen einen Schadensersatzanspruch unabhängig davon gewähren. Im Gegensatz dazu stimmen im Vertragsrecht das französische und englische Recht, die UNIDROIT-Prinzipien, die PECL sowie der DCFR darin überein, dass die vertragliche Haftung alle Vermögens- und Nichtvermögensschäden erfasst, sofern sie vorhersehbar sind. Bei vorsätzlichen und grob fahrlässigen Pflichtverletzungen sind sogar alle Schäden zu ersetzen, etwas anderes bestimmen nur die UNIDROIT-Prinzipien, die die vertragliche Haftung generell auf vorhersehbare ideelle Schäden beschränken. Bei der deliktischen Haftung kommt es auf die Ersatzfähigkeit der immateriellen Schäden an. Sie ist in Frankreich nicht von der Rechtsgutsverletzung, sondern vom Verschulden, der Kausalität und der Zurechnung abhängig. Die Vorschläge zur Europäisierung des Deliktsrechts setzten für die Ersatzfähigkeit der Schäden einen Nachteil an einem geschützten Recht oder Interesse voraus. Der DCFR konkretisiert die ersatzfähigen Schäden (legally relevant damage), indem er für die typischen Schadensfälle die auszugleichenden Schäden ausdrücklich regelt. Daneben sind die Einbußen des Geschädigten an geschützten Rechten und Interessen ersatzfähig, wenn ein Schadensausgleich fair und angemessen ist. Daran zeigt sich, dass die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden gerade im Deliktsrecht davon abhängt, in welchem Maße Rechte oder Interessen den Schutz der Rechtsordnung genießen und ihr Ausgleich für erforderlich erachtet wird, selbst wenn materielle und immaterielle Schäden gleichstehen. Insofern wirkt sich aus, welche Bedeutung und Wertigkeit dem Ausgleich nicht vermögenswerter Einbußen beigemessen wird. Das dokumentiert zum einen, dass in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Vorstellungen über den Schadensausgleich bestehen und der Konvergenzprozess im europäischen Privatrecht insofern Grenzen unterliegt. Zum anderen lässt die offene Ausgestaltung der ersatzfähigen Schäden Raum für die Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts entsprechend den gesellschaftlichen Veränderungen, soweit sie zum Schutz anderer Rechte und Interessen führen. Bei einem Vergleich des ersatzfähigen immateriellen Schadens für einzelne Rechtsverletzungen zeigt sich, dass weitgehend Konsens hinsichtlich der Entschädigung von Personenschäden besteht. Auch über den Ersatz von Trauerschäden für nahestehende Personen (Angehörige) in Todesfällen besteht Einigkeit. Zudem dehnen einzelne Mitgliedstaaten und der DCFR die Entschädigung für Trauerschäden auf die Körperverletzungen aus, um die zum Teil gravierenden emotionalen Folgen für die Angehörigen auszugleichen. Diese Erweiterung geht aber zu weit, wenn sie sich nicht auf die schweren Körperverletzungen beschränkt, deren Folgen für die Angehörigen ähnlich gravierend sind wie in Todesfällen. Erhebliche Unterschiede bestehen beim Kreis der entschädigungsberechtigten Personen und der

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Höhe der Entschädigung. Der Konvergenzprozess ist für die einzelnen Aspekte des Trauerschadens somit unterschiedlich weit fortgeschritten. Uneinheitlich ist auch die Entschädigung von Persönlichkeitsverletzungen. Das beruht vor allem auf dem unterschiedlichen Schutz dieses Rechtsguts im Rahmen der Haftungstatbestände. Für die Rechtsfolgen besteht Einigkeit, dass ein Schadensausgleich in Geld erfolgen soll. Für den Umgang mit lukrativen Delikten finden sich hingegen unterschiedliche Lösungen. Der Schadensersatz ist schließlich im Diskriminierungsrecht die zentrale Rechtsfolge bei Diskriminierungen. Es erfolgt primär ein Schadensausgleich, selbst wenn unterschiedliche Vorstellungen über die zu entschädigende Einbuße bestehen. Haftungshöchstbeträge bestehen überwiegend nicht. Professionellen Diskriminierungsklägern wird übereinstimmend keine Entschädigung gewährt. Neben den Schadensersatzansprüchen bestehen in den untersuchten Rechtsordnungen zum Teil Straftatbestände. Die Verhängung von Verwaltungs- und Kriminalstrafen scheint aber sehr selten zu erfolgen. Daneben enthalten das schweizerische und das englische Diskriminierungsrecht pönale Elemente im Privatrecht. Der Entschädigungsanspruch dient dem Schadensausgleich und der Bestrafung gleichermaßen. Im englischen Recht ist die Auferlegung von exemplary damages bei Diskriminierung indes umstritten und würde sich ohnehin auf die in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen beschränken müssen, die bei Diskriminierungen selten einschlägig sind. 4. Zweck des Schadensersatzes ist in den Mitgliedstaaten und im Europarecht übereinstimmend grundsätzlich der Schadensausgleich. Für die Entschädigung immaterieller Einbußen verweisen die untersuchten Rechtsordnungen vielfach darauf, dass sich der Geschädigte mit dem Geld Freude und Annehmlichkeiten für das Erlittene verschaffen könne. Diese Begründung hinkt bei empfindungsunfähigen Geschädigten, aber auch bei Persönlichkeitsverletzungen und Diskriminierungen, wo der Schaden mit der negativen Gefühlsbilanz nur unvollkommen erfasst ist. Die Grundregeln zur Europäisierung des Vertrags- und Deliktsrechts enthalten keine vergleichbare Erläuterung zum Schadensausgleich. Neben der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes ist nur in Deutschland und England eine Genugtuungsfunktion anerkannt, wobei die aggravated damages des englischen Rechts den erhöhten Schaden wegen der intensiveren Rechtsverletzung erfassen und nicht zu überkompensatorischem Schadensersatz führen sollen. Somit bleibt der Schadensausgleich die dominierende Funktion des Schadensersatzes. Auf der Grundlage der Ausgleichsfunktion erfolgt überwiegend eine Entschädigung nach dem Grundsatz der Totalreparation, wobei sich der Umfang des Geldersatzes am Schaden ausrichtet. Häufig werden die Gerichte verpflichtet zu berücksichtigen, welche Beträge für vergleichbare Verletzungen zugesprochen wurden. Vom Grundsatz der Totalreparation weicht vor allem die Proportionalhaftung nach dem schweizerischen Recht

520 Teil 2: Ersatz immaterieller Schäden im Kontext internationaler Rechtsordnungen ab, das dem Schädiger den Schaden entsprechend seiner Verantwortung und Leistungsfähigkeit auferlegt. Allerdings enthält auch der DCFR eine Reduktionsklausel. 5. Ein Strafschadensersatz hat in den Mitgliedstaaten und im Europarecht keine Tradition. Er hat keine Aufnahme in den DCFR sowie die übrigen Europäisierungsvorschläge gefunden. Ausnahme sind die exemplary damages des englischen Rechts. Auch in der Schweiz besteht ein vom Schadensersatz getrennter Entschädigungsanspruch mit pönaler Funktion, allerdings nur im Diskriminierungs- und im Kündigungsschutzrecht. In einigen Mitgliedstaaten – insbesondere in Frankreich und Deutschland – werden bei lukrativen Persönlichkeitsverletzungen inzwischen höhere Entschädigungen zugesprochen. Als Strafschadensersatz wird diese Entschädigung jedoch nur von einem Teil der Literatur qualifiziert. Auch eine selbständige Präventionsfunktion des Schadensersatzes ist überwiegend nicht anerkannt. Die Prävention ist zwar Nebeneffekt des Schadensausgleichs, eine eigenständige Bedeutung, die einen überkompensatorischen Schadensersatz rechtfertigt, wird ihr aber nur im deutschen Recht bei der Entschädigung von Persönlichkeitsverletzungen zugesprochen. In Frankreich, wo die Entschädigungen ebenfalls angestiegen sind, ist eine solche Funktion nicht anerkannt. Die Cour de cassation geht immer noch vom Grundsatz des Schadensausgleichs aus, und die Stimmen in der Literatur, die darin eine überkompensatorische Entschädigung sehen, bezeichnen diese als Privatstrafe. Die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion ist auch bei der Entschädigung von Diskriminierungen streitig. Das beruht auf dem unterschiedlichen Verständnis der europarechtlichen Vorgaben, die eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion verlangen. Es bedarf keines überkompensatorischen Schadensersatzanspruchs für immaterielle Einbußen, um den Vorgaben der Richtlinien gerecht zu werden. Ein Anknüpfungspunkt für die Entwicklung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes ist im Europarecht insbesondere die Richtlinie 2004/48/EG, die den lukrativen Verletzungen des geistigen Eigentums entgegenwirken will, indem im Rahmen des Schadensersatzes eine Gewinnabschöpfung erfolgt. Die Richtlinie verlangt aber keine konsequente Gewinnabschöpfung. Der Verletzergewinn ist nur im Rahmen der Festsetzung des Schadensersatzes zu berücksichtigen. Zudem soll der überkompensatorische Schadensersatz kein Strafschadensersatz sein. Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung erheblichen Spielraum, ob und inwieweit sie über einen pauschalierten Schadensausgleich hinausgehen. Zudem klärt sie die begriffliche Unterscheidung zwischen einem unerwünschten Strafschadensersatz und einem Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion, der auch der Gewinnabschöpfung dienen soll, nicht auf.

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Diese Entwicklung hat der DCFR aufgegriffen. Er weist dem Schadensersatz aber keine selbständige Präventionsfunktion zu, sondern regelt einen eigenständigen Abschöpfungsanspruch, um bei lukrativen Delikten den Rechtsgüterschutz zu verbessern. Das entbindet zugleich von der Abgrenzung zwischen überkompensatorischem Schadensersatz mit Präventionsfunktion und Strafschadensersatz im Sinne einer Privatstrafe. 6. Für den Rechtsgüterschutz bei lukrativen Delikten, die insbesondere bei Persönlichkeitsverletzungen in Betracht kommen, haben sich somit unterschiedliche Lösungen entwickelt. Der Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion, der eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, ist also nicht die einzige Möglichkeit, um den Rechtsgüterschutz zu verwirklichen. Daneben kommt ein Strafaufschlag zum Schadensersatz in Betracht, wie ihn der Rapport Catala vorschlägt. Vielfach sind jedoch Gewinnabschöpfungsansprüche anerkannt. Diese ergeben sich bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Österreich, Deutschland sowie England aus dem Vermögensrecht und setzen die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus. In Österreich und Deutschland stützt sich der Anspruch zudem auf das Bereicherungsrecht und beschränkt sich auf die entgangene Lizenzgebühr. In Deutschland besteht darüber hinaus ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Ähnliches wird in Frankreich diskutiert. Diese Erweiterung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts wird vereinzelt als verdeckte Form der Privatstrafe angesehen. In der Schweiz besteht hingegen eine Gewinnabschöpfung unabhängig von der Anerkennung eines vermögensrechtlichen Bestandteils, da die Regelungen zum Persönlichkeitsrecht auf die Bestimmungen der Geschäftsführung ohne Auftrag verweisen. Der DCFR regelt den Abschöpfungsanspruch selbständig im Deliktsrecht. Es wird nicht der Schadensersatzanspruch erhöht, sondern der Abschöpfungsanspruch kann anstelle des Schadensersatzes verlangt werden. Insgesamt zeigt sich, dass gegenüber überkompensatorischen Schadensersatzansprüchen erhebliche Zurückhaltung besteht. Zugleich ergibt die Durchsicht der verglichenen Rechtsordnungen sowie des Europarechts, dass die Begriffe Privatstrafe und Strafschadensersatz im Grunde kaum geklärt sind. Vielfach wird der überkompensatorische Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion mit der Privatstrafe gleichgesetzt, wohingegen die Richtlinie 2004/48/EG versucht, eine Unterscheidung zwischen beidem einzuführen. Auch im deutschen Recht ist ein Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion bei Persönlichkeitsverletzungen anerkannt, obwohl die Privatstrafe dem ordre public widerspricht. Im Diskriminierungsrecht setzen hingegen viele Autoren den Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion und die Privatstrafe gleich.

Teil 3

Der Ersatz immaterieller Schäden – Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen § 11 Der Begriff des immateriellen Schadens A. Der immaterielle Schaden als Rechtsbegriff Das deutsche Recht beschreibt den immateriellen Schaden in seinen Normen nur negativ als Nichtvermögensschaden. Bei der positiven Beschreibung knüpft die überwiegende Ansicht vor allem an die Gefühlseinbuße des Geschädigten an.1 Dieses Begriffsverständnis geht auf das in der deutschen Rechtstradition seit Jahrhunderten gewährte Schmerzensgeld bei Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen zurück.2 Das war für die Folgen einer solchen Verletzung in einer agrarisch geprägten Gesellschaft sowie in einer frühindustriellen Gesellschaft noch ausreichend. Zu wesentlichen Veränderungen führte allerdings die Individualisierung, die seit den 1950er Jahren ein enormes Ausmaß gewonnen hat3, und in deren Folge die Einbußen der privaten Lebensführung in der Wahrnehmung des Einzelnen viel stärkere Bedeutung erlangten. Die Individualisierung beruht auf einem Zusammenwirken mehrerer Entwicklungen. Es kam seit der Industrialisierung zu einer erheblichen Veränderung der Wirtschafts- und Arbeitswelt.4 Die noch im 19. Jahrhundert stabilisierend wirkenden festen gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen verloren allmählich an Bedeutung, was insbesondere mit einem Wegfall der Großfamilie und dem Bedeutungsverlust der Religion einherging.5 Somit konnte sich der Einzelne von den Bindungen gesellschaftlicher Strukturen stärker lösen als zuvor. Das ermöglicht und erzwingt zugleich die zuneh1

Siehe oben § 1.C.II.1., S. 47 ff. Siehe oben § 1.A.II., S. 13 ff. 3 Beck, Risikogesellschaft, S. 155 f.; Beck, in: Beck/Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, S. 43, 46 ff. 4 Beck, Risikogesellschaft, S. 121 ff. 5 Zu den Ursachen der Individualisierung Beck, in: Beck/Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 9, 10 ff.; Beck, in: Beck/Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, S. 43, 48 ff.; Bell, Kulturelle Widersprüche, S. 188 ff.; Inglehart, Modernisierung, S. 109 f., 119 f.; Keupp, in: Beck/ Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, S. 336, 337 ff.; s. auch den Band von Beck/Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, 1994; zu den Existenzbedingungen von Individualisierung auch Beck, in: Beck/Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 41 ff. 2

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mende Individualisierung, deren Bedeutung in extremem Maße stieg.6 Zugleich gehen von der modernen wie postmodernen Gesellschaft erhebliche Gefährdungen für die Individualität des Einzelnen aus7, die den Wunsch nach Identitätssicherung auslösten und verstärkten8. Zudem wurde die Einbuße an Selbstbestimmung und Selbstentfaltung wesentlich stärker als Verlust empfunden als zuvor.9 Nicht nur das gesellschaftliche Umfeld der Normanwendung hat sich verändert. Mit diesem Wandel ging zeitgleich eine erhebliche Erweiterung des Ersatzes von Nichtvermögensschäden gerade in den letzten Jahren einher. Somit sind immaterielle Einbußen ersatzfähig, die sich mit der Bezeichnung als Gefühlseinbuße nur unvollständig erfassen lassen. Die Beschreibung des ideellen Schadens versagt nicht nur in den Fällen, in denen der Geschädigte durch den Schadensfall empfindungsunfähig wurde, sondern auch bei Persönlichkeitsverletzungen. Das gilt in besonderem Maße, wenn die geschützte Eltern-Kind-Beziehung betroffen ist, und das geschädigte Kind Säugling oder Kleinkind ist und auf die Beeinträchtigung seines geschützten Persönlichkeitsrechts nicht in jedem Fall mit einer Gefühlsregung reagiert, obwohl es die Folgen einer solchen Beeinträchtigung zu tragen hat. Auch die Verletzungen des Datenschutzes oder des Rechts auf Namensnennung als Urheber sind keine Persönlichkeitsverletzungen, die sich in den Gefühlsregungen erschöpfen, sondern solche, bei denen das Gefühl nur die affektive Reaktion im Zusammenhang mit der Rechtsgutsverletzung ist, auf die sich der Schaden aber keineswegs beschränkt. Ähnliches gilt für unzulässige Benachteiligungen i. S. des AGG. Für das nationale Recht ist daher im Hinblick auf die bestehenden Schadensersatzansprüche der Begriff des Nichtvermögensschadens – oder positiv: des ideellen Schadens – neu zu beschreiben. Es sind die historischen Ursachen für die Verengung der positiven Begriffsbestimmung aufzuzeigen, und es muss vor diesem Hintergrund eine neue Beschreibung entwickelt werden, um den vollständigen Schadensausgleich sicherzustellen. Ohne eine klare und systemgerechte Beschreibung des immateriellen Schadens ist der Schadensersatzan6 Dazu Beck, in: Beck/Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 9, 11; ders., in: Beck/BeckGernsheim, Riskante Freiheiten, S. 43, 54 ff.; ders., in: Kreckel, Soziale Ungleichheit, S. 37 ff.; Hitzler/Honer, in: Beck/Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, S. 307 ff.; Inglehart, Modernisierung, S. 117 f., 120 f.; Lasch, Zeitalter des Narzissmus, S. 58 ff., 64 ff.; Schimank, in: Kron, Individualisierung, S. 107 ff. 7 Beck, Risikogesellschaft, S. 155 ff.; ders., in: Beck/Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 9, 10 ff. 8 Beck, Risikogesellschaft, S. 155 ff.; ders., in: Beck/Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 9, 12 f.; Keupp, in: Beck/Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, S. 336, 339 ff. 9 Zur verstärkten Wahrnehmung von Lebenszielen und Lebenssituation Beck, in: Beck/ Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 9, 13 f.; ders., in: Kreckel, Soziale Ungleichheiten, S. 35, 58 f.; Hitzler/Honer, in: Beck/Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, S. 307 ff.; Schimank, in: Kron, Individualisierung, S. 107.

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spruch gegebenenfalls dem Einwand ausgesetzt, dass kein Schaden bestehe. Sofern gleichwohl eine Entschädigung gewährt wird, ließe sich unterstellen, dass es sich nicht um einen Schadensausgleich, sondern einen Anspruch mit selbständiger Präventionsfunktion oder eine Privatstrafe handle. Zudem vermeidet die Neubeschreibung des ideellen Schadens, auf den sich der am Schadensausgleich orientierte Schadensersatz bezieht, eine unvollständige Erfassung des Schadens, was sich auf die Bemessung der Entschädigung in Geld auswirkt. Der Normbefehl des Schadensersatzrechts wird folglich nicht im vollen Umfang umgesetzt. Die Begriffserneuerung stabilisiert somit die Normanwendung im nationalen Recht. Die (Re-)Konstruktion des Begriffsinhalts muss vor dem Hintergrund des geltenden Rechts erfolgen. Dazu ist im Wege einer vollständigen Induktion vorzugehen. Zunächst ist induktiv anhand der bereits vorliegenden Analyse der bestehenden Defizite und der präzisen Beschreibung ihrer Ursachen ein Ansatz für eine Neubeschreibung des Begriffs des immateriellen Schaden zu entwickeln. Insoweit sind das geltende Recht sowie die verbindlichen Vorgaben des europäischen und internationalen Rechts zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus den Ergebnissen des ersten und zweiten Teils. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff des immateriellen Schadens von der Ersatzfähigkeit solcher Schäden zu unterscheiden ist. Im Hinblick auf eine mögliche Weiterentwicklung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden muss der Begriff so konzipiert sein, dass er auch diese zu tragen vermag. Insoweit ist die Begriffsbildung nicht nur applikativ auf die bestehenden Normen ausgerichtet, sondern konstruktiv auf die positive Beschreibung des Nichtvermögensschadens. Insofern vermögen insbesondere Beispiele aus anderen Rechtsordnungen und der Europäisierung des Privatrechts Anhaltspunkte zu geben, in welcher Form immaterielle Schäden auftreten können, auch wenn sie nach den Vorgaben des geltenden Rechts (noch) nicht ersatzfähig sind. Nach der induktiven Entwicklung eines Begriffs des ideellen Schadens ist in einem weiteren – deduktiven – Schritt auf der Grundlage des neuen Begriffsverständnisses zu zeigen, was den immateriellen Schaden ausmacht, der gegenwärtig nach dem nationalen Recht ersatzfähig ist. Schließlich ist zu begründen, warum es sich dabei um einen subjektiven Schaden handelt und der objektive Schadensbegriff keine überzeugende Alternative für eine Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts ist. Dabei ist insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Schadensbegriff und der Funktion des Schadensersatzanspruchs maßgebend.

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B. Keine Begrenzung des immateriellen Schadens auf den Gefühlsschaden I. Historische Grundlagen für die Begrenzung des Ausgleichs immaterieller Schäden auf den Gefühlsschaden Der Ausgleich immaterieller Schäden im Sinne eines Schmerzensgelds, das am Empfinden des Geschädigten anknüpft, lässt sich im deutschen Raum auf altdeutsche Rechtsüberzeugungen zurückführen.10 Bereits in der fränkischen Zeit waren bei Körperverletzungen Bußen zu leisten.11 Die Bußen waren in jener Zeit noch Unrechtsausgleich, aber zugleich Entschädigung der erlittenen materiellen und immateriellen Schäden.12 Erst nach der Trennung von Zivil- und Strafrecht entwickelte sich die Buße vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer allein auf Schadensausgleich zielenden Rechtsfolge.13 Die Gewährung einer Buße für Schmerzen war vor allem bei Körperverletzungen verbreitet. Die Constitutio Criminalis Carolina von 1532 verpflichtet zum Ausgleich von Schmerzen, die infolge der peinlichen Befragung wegen einer unredlichen Anzeige oder der Anzeige wegen Zauberei eintraten.14 Im Gegensatz zur deutschrechtlichen Tradition beschränkte sich das römische Recht auf den Vermögensschaden und gewährte in der klassischen Zeit in Fällen der contumelia auf der Grundlage der actio iniuriarum eine pönale Buße.15 Die actio legis Aquiliae gewährte zunächst keinen Anspruch bei Körperverletzungen. Mit dem Usus modernus pandectarum erfolgte aber nicht nur eine Erweiterung der actio legis Aquiliae auf Körperverletzungen. Zugleich richtet sie sich nunmehr auf eine Entschädigung für Schmerzen, Narben 10

Siehe auch Jansen, Struktur, S. 501 ff.; ders., JZ 2005, 160, 167. Ausführlich dazu Ebert, Pönale Elemente, S. 15 ff.; Hofstetter, Geschichte, S. 7 ff.; Walter, Schmerzensgeld, S. 75 ff. 12 Vgl. Schumann, HRG, Buße, S. 791. 13 St. Rspr., RG 7.3.1887 St 15, 352, 354; 20.11.1893 St 24, 397, 398; 19.11.1898 St 31, 334, 335; Binding, Grundriss Strafrecht, S. 268; Boehmer, Rechtsordnung, S. 22, 82; Dochow, Busse, S. 9 f., 14 ff.; Dohna, Buße, S. 455 ff.; Enneccerus/Lehmann, Bürgerliches Recht, S. 927; v. Gierke, Privatrecht, Bd. III, S. 971; Jagusch, LK-StGB, 8. Aufl. 1958, vor § 13 Anm. A III 3a; Kohlrausch/Lange, StGB, vor § 13 Anm. B.7, § 188 Anm. 1; Maurach, Strafrecht, Bd. I, 1958, S. 649; Ulmer, Urheber- und Vertragsrecht, 1960, S. 411. 14 Art. 20 CCC: „Jtem wo nit zuuor Redliche annzeyung der mißthat, […] Wo auch eyniche oberkeyt oder richter in solchem überfüren, Sollen, die dem so also wider recht, on die bewisen anzeyung gemartert wer, seiner schmach schmertzen, kosten vnd schaden, der gebüre ergetzung zuthun schuldig sein; …“ Art. 21: „Jtem es soll auch auff der anzeyen, die auß zauberei oder andern kunsten, warzusagen sich anmassen […] So auch der richter darüber auff solche der warsäger angeben weither furfüre, soll er dem gemarterten kosten, schmertzen, iniurien, vnd schaden, wie inn nechst obgesatztem artickel gemelt, abzulegen schuldig sein.“. 15 Ulpian D. 47, 10, 1 pr.: „Iniuria ex eo dicta est, quod non iure fiat: omne enim, quod non iure fit, iniuria fieri dicitur. hoc generaliter. specialiter autem iniuria dicitur contumelia.“; s. auch Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. I, S. 513; Walter, Schmerzensgeld, S. 71. 11

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und Entstellungen. Belege finden sich vor allem bei Struve16, dessen „Jurisprudentia Romano-Germanica Forensis“ eine erhebliche Verbreitung hatte und das Verständnis nachfolgender Juristengenerationen nachhaltig prägte.17 In diese Weiterentwicklung mag insbesondere die deutsche Tradition der Buße für Körperverletzungen eingeflossen sein, die sich in der Praxis erhalten hatte.18 Struve berief sich auf den Naturrechtler Grotius sowie die italienischen Juristen Menochius19 und Farinacius20, ersterer einer der berühmtesten Zivilrechtslehrer seiner Zeit, letzterer ein Strafrechtler und Vertreter der Strafgerichtsbarkeit der Apostolischen Kammer21. Im Anschluss an Struve geht auch Stryk davon aus, dass auf der Grundlage der actio legis Aquiliae ein Schmerzensgeld verlangt werden kann.22 Die Vertreter der Naturrechtslehre waren sich bei der Entschädigung immaterieller Schäden indes nicht einig, obwohl ihre Vertreter einen weiten Schadensbegriff entwickelten.23 Die Entschädigung für Ehrverletzungen wurde von Grotius und wohl auch von Pufendorf sowie später von Barbeyrac angenommen, war aber nicht einhellig anerkannt.24 Zum Teil wurde eine strafrechtliche Sanktion befürwortet.25 Hinsichtlich der Körperverletzungen und des Schmerzensgelds finden sich gerade bei Grotius unterschiedliche Ausführungen. In seiner Schrift zum holländischen Recht spricht er sich – wohl angesichts regionaler Tradition – für eine Entschädigung aus26, wohingegen er später in „De iure belli ac pacis“ die gegenteilige Position zu den Verstümmelungen vertritt und nicht ausdrücklich zum Schmerzensgeld Stellung nimmt27. 16 Struve, Jurisprudentia Romano-Germanica Forensis, 1670, lib. III, tit. 23, § 20: „Hodie damnum illatum estimator, & ejus reparationem agitur, sic & si vulneratus quis fit, non solum Mercedes Medicis & chirurgis praestitae aut operae, quibus quis caruit aut cariturus est, ob vulnus in hanc aestimationem folent, fest & doloris & cicatricum atque deformitatis ratio habeatur, si id nominatim petat vulneraturus.“. 17 Dazu Luig, in: Stolleis, Juristen, S. 591. 18 Zur Rechtsprechungspraxis jener Zeit Walter, Schmerzensgeld, S. 104; Wieling, Interesse, S. 137 ff.; s. auch Zimmermann, Law of obligations, S. 1026 f. 19 Menochius, De arbitrariis iudicum, lib. II, cent. II, casus 122, dessen Ausführungen aber nicht explizit einen Ausgleich der Schmerzen und Entstellungen anerkennen. 20 Farinacius, Operum Criminalium, pars 4, tit. 14, nr. 118 f. (der zwar nicht generell bei Narben und Entstellungen, aber zumindest bei der Entstellung unverheirateter Frauen eine Entschädigung zulässt); dazu Wieling, Interesse, S. 133 f. 21 Vgl. Holthöfer, in: Stolleis, Juristen, S. 424; Mazzacane, in: Stolleis, Juristen, S. 199 f. 22 Stryk, Specimen usu moderni pandectarum, lib. IX, tit. II, § 10. 23 Siehe z. B. Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XVII, § 2, lib. I, cap. II, § 1. 24 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XVII, § 22. 25 Dazu Walter, Schmerzensgeld, S. 124 ff. 26 Grotius, Inleidinge tot de hollandsche Rechtsgeleerdheid, 1631, III. Buch, 34. Teil, 2. Abs.: „De smert ende ontcieringh van’t lichaem, hoewel eighentlick niet en zijn vergoedelick, werden op geld geschat, soo wanneer sulcks versocht werd.“ („Der Schmerz und die Entstellung des Körpers ist in der Tat nicht kompensierbar, aber auf Antrag soll es in Geld bemessen werden.“). 27 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XVII, § 14.

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Diese Ausführungen lassen sich auf die spanische Spätscholastik zurückführen, die Grotius rezipierte. In ihr wirkten die Lehren des heiligen Thomas von Aquin ebenso nach wie die Tradition des römischen Rechts fort. Insbesondere der von Grotius zitierte Soto prägte die Überzeugung, dass ein Mann solche Schäden hinnehmen müsse und hierfür keine Entschädigung verlangen könne.28 Heineccius und Lauterbach sprechen sich ebenfalls gegen ein Schmerzensgeld aus, wohingegen Pufendorf und Boehmer angesichts der Praxis des Schmerzensgelds ein solches gewähren wollen.29 Unabhängig davon blieb das Schmerzensgeld im deutschen Raum in der Neuzeit erhalten. Insbesondere Struve wurde bis ins 19. Jahrhundert rezipiert und prägte auch die Vorstellung von Waechters mit, dass es sich beim Schmerzensgeld, ebenso wie bei der Buße, um Schadensersatz handle.30 Im Anschluss an von Waechter qualifizierte auch Windscheid das Schmerzensgeld als Schadensersatz und beeinflusste damit maßgeblich die Regelung im BGB.31 Daneben fand das Schmerzensgeld Eingang in die Kodifikationen des 19. Jahrhunderts. Das gilt beispielsweise für das Preußische Allgemeine Landrecht, das für Schmerzen infolge einer Körperverletzung für Personen des Bauern- und des Bürgerstands einen Schadensersatzanspruch regelte.32 Auch das sächsische BGB enthielt in § 1489 eine Bestimmung zum Schmerzensgeld. Daneben war die sog. Sachsenbuße (§ 1497) normiert, eine feste Entschädigung (in Höhe von „einem Thaler zehn Neugroschen“) als Tagessatz für Freiheitsberaubungen.33 Schließlich gab es keine Schadensersatzansprüche wegen Ehrverletzun28 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XVII, § 14, dort Soto, De iustitia et iure, lib. IV. q. 6, art. 3: „Dolor et corporis deformitas quamvis propie reparari nequeant, pecunia aestimantur, si laesus hoc desideret.“. 29 Heineccius, Instiutionum, § 1092; Lauterbach, Compendium Iuris, S. 145; s. aber Boehmer, Doctrina, sect. II, cap. XI, § 17; Pufendorf, De iure naturae, lib. III, cap. I, § 8; dazu auch Zimmermann, Law of obligations, S. 1026 f. 30 v. Waechter, Buße, S. 79 f.; zur historischen Bedeutung v. Waechter s. Kern, in: Kern, Romanistik, S. 149, 152 ff. 31 Windscheid, Lehrbuch, Bd. II, 4. Aufl. 1875, § 455 Fn. 31. 32 ALR I 6 § 112 „Wegen erlittener Schmerzen können Personen vom Bauer- oder gemeinen Bürgerstande, denen dergleichen Verletzung aus Vorsatz oder groben Versehen zugefügt worden, ein billiges Schmerzensgeld fordern.“. 33 § 1489 SächsBGB „Wer durch seine Verschuldung Jemanden an dessen Körper verletzt, ist verpflichtet, dem Beschädigten die Heilungskosten zu vergüten, ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen und wegen des entgangenen, auch, soweit Erwerbsunfähigkeit eintritt, wegen des künftig entgehenden Verdienstes, Schadensersatz nach richterlichem Ermessen zu leisten.“, § 1497 SächsBGB „Hat Jemand einen Anderen die persönliche Freiheit widerrechtlich entzogen oder durch falsche Angaben deren Entziehung veranlasst, so ist er verpflichtet, dem Beschädigten die Freiheit wieder zu verschaffen, den entgangenen Verdienst und allen sonst verursachten Schaden nach richterlichem Ermessen zu ersetzen, auch überdieß für jeden Tag einer Gefangenhaltung den Betrag von einem Thaler zehn Neugroschen zu bezahlen.“; dazu Haubold, Lehrbuch, § 302, der für das Schmerzensgeld auf die Literatur des frühen 18. Jahrhunderts und für die Entschädigung bei Verstümmelungen auf den Sachsenspiegel sowie die Ausführungen Carpzovs (Practica Rerum Criminalia, q. 99) verweist und für die Sachsenbuße ebenfalls den Sachsenspiegel heranzieht.

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gen.34 Der Ehrschutz erfolgte primär strafrechtlich. Ein Schadensersatz erfolgte nur beim Eintritt von Vermögensschäden. Das BGB hat die bestehenden parktikularrechtlichen Bestimmungen im Grunde nur kompiliert und keine neue Konzeption entwickelt.35 Damit war das Schmerzensgeld über Jahrhunderte ein anerkannter Ausgleich für immaterielle Einbußen. Das Anknüpfen an die Schmerzen hatte eine lange Tradition und war somit der Ausgangspunkt für die Beschreibung der immateriellen Schäden nach dem Inkrafttreten des BGB. Die einbezogene Sachsenbuße des Sächsischen BGB änderte daran nichts, zumal sie auf einen festen Betrag lautete und keine eigene Schadensbeschreibung enthielt. Insofern verwundert es nicht, dass auch begrifflich an den Schmerzen und Leiden und somit am Gefühl angeknüpft wurde. Der Bezug auf das Gefühl wurde zum selbstverständlichen Bestandteil der Schadensbeschreibung bei Nichtvermögensschäden.36 Zwar erstreckte sich die Entschädigung auch auf die Beeinträchtigungen der Lebensführung, die aber bezeichnenderweise als Verlust der Lebensfreude benannt wurden. Diese Herangehensweise fand keine grundlegende Korrektur bei der Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden, zumal es beim Schadensfall in der Regel auch zu einer emotionalen Reaktion des Geschädigten kommt. Das gilt zunächst für die Schäden infolge einer Persönlichkeitsverletzung, wenngleich die Höhe der Entschädigung wegen der Schwierigkeiten bei der Ermittlung des subjektiven Schadens anhand einer objektivierenden Betrachtung bemessen und auf die Intensität und Dauer der Persönlichkeitsverletzung abgestellt wird.37 Allerdings wurde die Rufschädigung daneben berücksichtigt. Auch bei Verletzungen der Privatsphäre gegenüber Kleinkindern, die in ihrer Eltern-Kind-Beziehung besonders geschützt sind, spielt das Empfinden keine zentrale Rolle.38 Insofern zeigt sich, dass das Anknüpfen an das Gefühl des Geschädigten auf eine Tradition zurückgeht, die vor allem die Schäden infolge einer Körperverletzung betrifft. Diese Bezugnahme auf das Gefühl wurde auf andere Schadensersatzansprüche übertragen, als der Ersatz immaterieller Schäden erweitert wurde. Es handelt sich dabei um eine pragmatische Akkomodation der Schadensbeschreibung angesichts der Erweiterung des Schadensersatzes. Bei der Entschädigung ideeller Schäden infolge einer unzulässi34 Siehe den strafrechtlichen Ehrschutz in ALR II 20 §§ 538 ff., der die Auferlegung einer „Privatgenugtuung“ in Form von mündlichen oder schriftlichen Ehrenerklärungen, Widerruf und Abbitte erlauben; dazu Armasow, Schaden, S. 111 f.; Walter, Schmerzensgeld, S. 162 ff. 35 Siehe Mot. II, S. 799 f. 36 Ebenso Jansen, JZ 2005, 160, 167. 37 Z. B. BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 26.11.1996 NJW 1997, 1148, 1150 (Stern-TV); Prinz, NJW 1996, 953, 955; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 241 ff.; Steffen, NJW 1997, 10, 11; s. oben § 4.C.I., S. 234 ff. 38 Z. B. BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 304 f. (Caroline IV), in der der BGH nicht auf das Empfinden des Kindes abstellt; krit. dazu Ebert, VersR 2005, 127, 128 f.

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gen Benachteiligung wird vor allem auf die damit einhergehende Persönlichkeitsverletzung Bezug genommen.39 Zum Teil wird aber unabhängig von einer Erörterung des Gefühlsschadens bloß auf die Art und Intensität der Benachteiligung abgestellt.40 II. Erweiterung der positiven Beschreibung des ersatzfähigen immateriellen Schadens 1. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts Der Gefühlsschaden oder die negative Gefühlsbilanz ist der zentrale Anknüpfungspunkt für die positive Beschreibung des immateriellen Schadens, über den die Rechtsprechung jedoch teils ausdrücklich, teils unausgesprochen hinausging. Historisch betrachtet standen Schmerzen und Leiden als ideelle Schäden zwar im Vordergrund. Die körperliche Integrität und die Gesundheit werden heute aber als zentrale Voraussetzungen für die Lebensgestaltung und Selbstentfaltung berücksichtigt, was sich auf die Beurteilung des erlittenen immateriellen Schadens auswirkt. Die Beschränkung der Selbstentfaltung infolge einer Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung wird als entgangene Lebensfreude bei der Beurteilung des Schadens einbezogen. Dabei stellt die Rechtsprechung weniger auf das subjektiv-emotionale Moment ab, das mit dem Verlust an Gestaltungsmöglichkeiten einhergeht. Maßgeblich sind Dauer und Intensität der Beeinträchtigung für die konkrete Lebensführung.41 Dazu gehören insbesondere die Beschränkungen der Freizeit, aber auch der beruflichen Tätigkeit, solange sie nicht in einem entgangenen Gewinn bestehen, der nach § 252 BGB als Vermögensschaden zu kompensieren ist.42 Somit ist die Bedeutung der Berufsausübung oder der Arbeit an sich für die Persönlichkeitsentfaltung erfasst. Darüber hinaus sind die Folgen für die sozialen Bezie39 LAG Berlin-Brandenburg 26.11.2008 AuR 2009, 134, 136; Adomeit/Mohr, AGG § 15 Rn. 39; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 46; Kocher, AuR 1998, 221, 222; Nollert/ Borasio, AGG, § 15 Rn. 19; Rühl/Schmidt/Viethen, AGG, S. 155; Rust/Falk/Bücker, AGG, § 15 Rn. 58; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 32. 40 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; LAG Hamm 7.8.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 6; LAG Hessen 28.8.2009 BB 2009, 2533; ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 513; Adomeit/Mohr, AGG, § 15 Rn. 44; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 67, 72; HWK/Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 8; Jacobs, RdA 2009, 193, 202; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 64; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39. 41 Siehe oben § 4.C.II.2., S. 237 ff. 42 BGH 8.6.1976 VersR 1976, 967, 969; OLG Köln 4.9.2003 VersR 2005, 1744, 1745; OLG München 10.9.2003 VersR 2005, 1745 f.; BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 34, 39; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 699; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 442; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 87; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 41; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 37.

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hungen des Geschädigten einbezogen.43 Die Einschränkungen der Persönlichkeitsentfaltung gehen häufig mit emotionalen Reaktionen des Geschädigten einher, so dass sich die Rechtsprechung nicht von der Beschreibung des immateriellen Schadens als Gefühlsschaden distanzieren musste. Allerdings spielt die emotionale Gefühlsreaktion des Geschädigten keine zentrale Rolle bei der Bemessung der Entschädigung. Sie ist ein Indiz dafür, dass der Geschädigte seine Persönlichkeit nicht mehr so entfalten kann, wie es ohne den Schadensfall möglich gewesen wäre und angestrebt war. Aus der Sicht des Geschädigten ist die wesentliche Einbuße weniger die Belastung mit den negativen Emotionen, sondern die Beschränkung in der Lebensführung selbst. Ein Abrücken vom Gefühlsschaden war für die Rechtsprechung erst erforderlich, als über die Entschädigung eines Geschädigten zu entscheiden war, der durch den Schadensfall empfindungsunfähig wurde, so dass ihm eine gefühlsmäßige Evaluation der eigenen Lebenssituation unmöglich war. Nachdem der BGH zunächst mangels eines Gefühlsschadens den Ausgleich immaterieller Schäden im Grundsatz abgelehnt und nur eine symbolische Entschädigung zum Zwecke der Genugtuung zugesprochen hatte, gewährte er später wegen der weitgehenden Zerstörung der Persönlichkeit unter Bezug auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG eine Entschädigung und lehnte sowohl den symbolischen Schadensersatz als auch eine hypothetische Betrachtung des Gefühlsschadens ab.44 Eine Revision des Begriffs des immateriellen Schadens erfolgte nicht, sondern die Rechtsprechung beschränkte sich auf den Sonderfall. Es ist nicht eindeutig, ob der BGH die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden im Sinne eines objektiven Schadensbegriffs gleichsetzt.45 Es hätte nahegelegen, ebenso wie bei der Beeinträchtigung der Lebensführung in anderen Fällen, auf die Beschränkung der Selbstentfaltung abzustellen, die dem Geschädigten wegen des Schadensfalls nicht mehr möglich ist. Auf diese Weise erfolgt keine Gleichsetzung von Rechtsgutsverletzung und Schaden. Die Einbuße besteht nicht im Verlust der abstrakten Möglichkeit eines Menschen zur Lebensgestaltung und Selbstentfaltung, sondern im konkreten Verlust für die Lebensführung des individuellen Geschädigten. Insofern kommt es für die Evaluation des Schadens darauf an, wie der Geschädigte vorher gelebt hat, wie seine berufliche Tätigkeit, seine Freizeitgestaltung und seine sozialen Kontakte ausgeprägt waren, die infolge des Schadensfalls weggefallen sind. Insofern erfolgt eine ähnliche Betrachtung wie bei einem Geschädigten, der sein Empfindungsvermögen nicht verloren hat und bei dem ebenfalls geprüft wird, welchen Einschränkungen seine Lebensführung unter43 Z. B. BGH 21.9.1982 VersR 1982, 1141, 1142; dazu BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 38; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 443; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 42. 44 BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5 ff. 16.2.1993 NJW 1993, 1531; 29.11.1994 Z 138, 388, 392; anders noch BGH 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148 f.; 22.6.1982 NJW 1982, 2123. 45 Ausführlich dazu § 3.B.III., S. 155 ff.

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liegt. Zur Erleichterung der praktischen Handhabung kann bezüglich der Lebensumstände des Geschädigten von einem Durchschnittswert ausgegangen werden, und es ist Sache des Geschädigten, im Prozess die besonderen Umstände seines Falles vorzutragen. Insofern ist ein Anknüpfen am subjektiv erlittenen Schaden möglich, obwohl die Rechtsprechung diesen Weg bisher nicht beschritten hat. Die zentrale Bedeutung, die das Gefühl für die Schmerzen und Leiden infolge einer Körperverletzung hat, besteht auch bei Persönlichkeitsverletzungen nicht in gleicher Weise, selbst wenn der Geschädigte auf rechtswidrige Eingriffe in seine Privatsphäre oder das Recht am eigenen Bild emotional reagiert. Bei der Rechtsverletzung durch heimlich aufgenommene Fotos und deren spätere Veröffentlichung in den Medien ist der Geschädigte einerseits in seinem Empfinden negativ betroffen, wenn er auf den Einbruch in die Privatsphäre mit Ängsten und Verunsicherung oder Ärger reagiert. Andererseits ist sein Bild gegen seinen Willen in der Öffentlichkeit. Darin liegt ein Verlust an Steuerungsmöglichkeit, an Selbstbestimmung, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Rechtsinhaber zuweist. Dieser Kontrollverlust ist eine Einbuße, die nicht mit der Rechtsverletzung identisch ist. Ihre Berücksichtigung führt daher nicht zu einer Gleichsetzung von Rechtsverletzung und Schaden im Sinne des objektiven Schadensbegriffs. Der Schaden variiert mit der Dauer und Intensität des Eingriffs und den Verhältnissen auf Seiten des Geschädigten, die die Rechtsprechung teilweise berücksichtigt. Bei der rechtswidrigen Veröffentlichung von Informationen oder Fotos einer Person hängen die Auswirkungen auf den Geschädigten vom Verbreitungsgrad des Mediums (Auflage, räumlicher Verbreitungsgrad), der Dauer sowie der Perpetuierung der Veröffentlichung (Printmedien, Internet) sowie dem Ruf des Mediums ab.46 Wenn nicht die Rechtsgutsverletzung, sondern der Schaden im Sinne einer Einbuße des Geschädigten wesentlich ist, muss dessen individuelle Situation Berücksichtigung finden. Wenn die veröffentlichte Information bereits vorher von Dritten publiziert wurde, wirkt der zweite Eingriff in die Persönlichkeit nicht gleichermaßen intensiv, da die Privatsphäre als geschützter Bereich bereits dem Einblick Dritter geöffnet war.47 Daher hat die Rechtsverletzung nicht die gleiche Wirkung wie die erste Persönlichkeitsverletzung. Sie ist aber auch nicht unerheblich, da sie gegebenenfalls einen anderen Personenkreis erreicht und sich zumindest die Dauer, während der die geschützte Privatsphäre dem Blick der Öffentlichkeit preisgegeben ist, verlängert. 46 Zur Berücksichtigung dieser Faktoren in der Rechtsprechung vgl. BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 359 (Herrenreiter); 19.9.1961 Z 36, 363, 370 (Ginsengwurzel); 5.3.1963 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 8.12.1964 NJW 1965, 685, 686 (Soraya). 47 Siehe EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 Rn. 63 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/ 04 Rn. 90 (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 Rn. 78 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/06 Rn. 67 f. (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 Rn. 75 (Soila).

§ 11 Der Begriff des immateriellen Schadens

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Für den Umfang des Schadens ist weiter von Bedeutung, ob und in welchem Umfang der Geschädigte Informationen und Bilder über sein Privatleben freiwillig publiziert. Wenn das zusätzliche Bild und die weiteren Informationen in ihrer Qualität den vorherigen vergleichbar sind, wirkt die Rechtsverletzung weniger intensiv auf den Geschädigten. Daher hat das LG Berlin zu Recht in einer Entscheidung darauf Bedacht genommen, dass sich die Geschädigte mit ihrem Privatleben regelmäßig selbst in der Öffentlichkeit darstellte und die zusätzlich veröffentlichten Bilder und Informationen davon nicht wesentlich abwichen.48 Das Landgericht hat dabei nicht ausdrücklich auf den Schaden abgestellt, sondern wohl bereits die schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung verneint, weil nicht ersichtlich war, dass die veröffentlichten Informationen und Bilder nicht wie in der Vergangenheit auch der Darstellung in der Öffentlichkeit dienen sollten. Ungeachtet der konkreten Umstände der Entscheidung kann eine schwere Persönlichkeitsverletzung jedoch vorliegen, wenn eine Person, die sich mit ihrem Privatleben in die Öffentlichkeit begibt, in die Veröffentlichung der konkreten Information oder des Bildes nicht eingewilligt hat und keine sonstige Berechtigung zur Verwertung bestand. Wenn der Handelnde wusste, dass er die Verwertungshandlung nicht vornehmen darf, liegt eine schwere Persönlichkeitsverletzung vor. Gleichwohl ist der Schaden nicht mit dem einer Person vergleichbar, die ihre Privatsphäre bewusst abschottet. Insofern kann – unabhängig von den negativen Gefühlen des Geschädigten – ein Schaden ermittelt werden, der nicht mit der Rechtsgutsverletzung identisch ist. Seine Beschreibung ergibt sich vor allem aus der Einbuße am geschützten Interesse. Die emotionale Reaktion mag ein Indiz für einen solchen Verlust sein, die eigentliche Einbuße des Geschädigten geht aber darüber hinaus. Daher ist es richtig, dass die Rechtsprechung bei der Persönlichkeitsverletzung durch das Fotografieren von Kindern und das Publizieren der Fotos nicht auf deren emotionale Reaktion abstellt.49 Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bezieht sich auf die Eltern-Kind-Beziehung, die durch das Handeln des konkreten Fotografen bzw. Presseunternehmens gestört wird. Dem BGH wurde vorgeworfen, dass er im konkreten Fall nicht untersucht habe, ob und in welchem Maße die Persönlichkeitsentwicklung gestört wurde.50 Allerdings hatte das BVerfG entschieden, dass die Eltern-Kind-Beziehung als Grundlage für die ungestörte Persönlichkeitsentwicklung des Kindes geschützt wird. Damit kommt es nicht auf die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung im konkreten Fall an, sondern es genügt, dass die Eltern-Kind-Beziehung durch das Handeln des Presseunternehmens belastet wird. Der Schutz zielt auf die Eltern-Kind-Beziehung als Voraussetzung der 48 49 50

LG Berlin 27.6.2006 AfP 2006, 388, 389 f. Siehe BGH 5.10.2004 NJW 2005, 215. Ebert, VersR 2005, 127, 128 f.

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Persönlichkeitsentfaltung und schützt sie als solche vor Störungen.51 Der Schutz ist im Interesse des Kindes und der Sensibilität des Entwicklungsprozesses nach vorn verlagert. Die emotionale Reaktion des Kindes oder der Eltern ist ein Indiz für die eingetretene Störung, die den eigentlichen Schaden ausmacht. Der Gefühlsschaden ist auch bei den Verletzungen des Datenschutzes nicht die zentrale Einbuße, die der Geschädigte erleidet, wenngleich mit der Weitergabe von Daten an Dritte eine emotionale Reaktion wie Ärger oder Verunsicherung im Privatleben oder bei der Ausübung von Rechten einhergehen kann (z. B. Weitergabe von Informationen über die Gesundheit). Der Schaden besteht zudem in der Verbreitung der Daten, obwohl das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem Geschädigten die Entscheidung darüber zuweist, wer die Daten erheben, speichern, verarbeiten und verbreiten darf, sofern kein gesetzlicher Erlaubnistatbestand eingreift. Ebenso wie bei den Persönlichkeitsverletzungen muss gelten, dass der Umfang des Schadens nicht nur von der Rechtsgutsverletzung, sondern auch von den Verhältnissen des Geschädigten abhängt. Sofern er die Daten z. B. selbst weitergibt, wenngleich nicht an den Rechtsverletzer, und großzügig Einblick in seine Daten gewährt, kann im Einzelfall der Schaden geringer sein als bei einem Geschädigten, der seine Daten sehr vorsichtig verwaltet. Die Rechtsgutsverletzung bleibt zwar bestehen, aber die Folgen für die informationelle Selbstbestimmung variieren. Die Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden über Schmerzen und Leiden hinaus stellt die Beschreibung des Nichtvermögensschadens als negative Gefühlsbilanz infrage. Mit dem Schadensfall gehen zwar häufig negative Emotionen des Geschädigten einher, die Rechtsprechung stellt bei der Ermittlung des Schadens jedoch nicht durchgehend auf die Gefühlseinbuße ab. Sie hat den immateriellen Schaden bisher aber keiner neuen Beschreibung zugeführt. Neben der emotionalen Belastung ist bei Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen vor allem die Beschränkung der Selbstentfaltung eine Einbuße des Geschädigten, die regelmäßig Ersatz findet. Auf dieser Grundlage lässt sich der Schaden des empfindungsunfähig gewordenen Geschädigten als subjektiver Schaden beschreiben. Bei den Persönlichkeitsverletzungen steht vor allem die Selbstbestimmung in ihren unterschiedlichen Ausprägungen (z. B. Recht am eigenen Bild, Privatsphäre, informationelle Selbstbestimmung) im Mittelpunkt, wohingegen die Selbstentfaltung nicht pauschal vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt ist. Der Schaden besteht somit neben den negativen Emotionen in dem Verlust an Steuerungsmöglichkeit und der Preisgabe von Privatem gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit. 51 Zum Schutz der Eltern-Kind-Beziehung als Voraussetzung der Persönlichkeitsentwicklung durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG: BVerfG 31.3.2000 NJW 2000, 2191; 14.2.2005 NJW 2005, 1857, 1858; 6.6.2006 ZUM-RD 2007, 1, 3; 22.3.2007 NJW-RR 2007, 1055, 1056 f.

§ 11 Der Begriff des immateriellen Schadens

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Um den Schaden infolge einer Persönlichkeitsverletzung als subjektiven Schaden zu erfassen und nicht mit der Rechtsverletzung gleichzusetzen, sind insbesondere die Verhältnisse des Geschädigten in Bezug auf das geschützte Rechtsgut zu berücksichtigen. 2. Immaterielle Schäden in anderen Fällen Neben immateriellen Schäden, die aus der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts resultieren, bestehen Schadensersatzansprüche, die für den Ausgleich ideeller Schäden nicht notwendig eine solche Rechtsgutsverletzung voraussetzen oder sogar gänzlich von ihr unabhängig sind. Das AGG gewährt den benachteiligten Personen nach § 15 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 S. 3 einen Entschädigungsanspruch. Die unzulässige Benachteiligung kann mit einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einhergehen, ist von ihr aber nicht abhängig.52 Mangels einer Anknüpfung an eine Rechtsgutsverletzung besteht Unsicherheit, worin der Schaden der benachteiligten Person besteht.53 Sofern eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt, lassen sich die Vorstellungen vom Schaden bei einer solchen Rechtsgutsverletzung übertragen. In der Regel hebt die Rechtsprechung zur Bemessung der Entschädigung auf die Intensität der Benachteiligung ab.54 Damit beschreibt sie aber vor allem die Rechtsgutsverletzung, weniger den Schaden. Der Schaden besteht bei Benachteiligungen im Rahmen des Zugangs zum Beruf in der Beeinträchtigung der Chancengleichheit.55 Das AGG gewährt in Übereinstimmung mit dem Zweck der Antidiskriminierungsrichtlinien ein Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung und beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen, so dass keine Schlechterstellung wegen der im Gesetz genannten personenbezogenen Merkmale erfolgen darf. Damit lässt sich der Schaden des Benachteiligten beschreiben, ohne ihn mit der Rechtsverletzung gleichzusetzen. Der Schaden ist die Beeinträchtigung der Chancengleichheit beim Zugang zur Beschäftigung oder zu Waren oder Dienstleistungen entgegen den Vorgaben des AGG.56 Insofern schützt das AGG punktuell die Selbstentfaltungsfreiheit des Einzelnen. In der Beschränkung dieser Entfaltungsmöglichkeit liegt sein Schaden. Daher tritt ein Schaden nicht ein, wenn sich eine Person auf eine gesetzeswidrige Stellenanzeige nur 52 So zu § 15 AGG BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 951; LAG Niedersachsen 15.9.2008 NZA-RR 2009, 126, 128; Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 896; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 50, 54; Diller, NZA 2007, 649, 650; Jacobs, RdA 2009, 193, 195; Meinel/Heyn/ Herms, AGG, § 15 Rn. 58; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 29; Schrader/Schubert, AGG, S. 145; s. auch § 2.C.VII.2.c., S. 141 f. 53 Siehe oben § 3.B.V.2., S. 167 ff. 54 Z. B. BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; LAG Hamm 7.8.2008 LAGE § 15 AGG Nr. 6; LAG Hessen 28.8.2009 BB 2009, 2533; ArbG Düsseldorf 10.6.2008 NZA-RR 2008, 511, 513; s. oben § 4.E.II.2.a., S. 273 ff. 55 Siehe oben § 3.B.V.2.b., S. 170 ff. 56 Siehe oben § 3.B.V.2.b., S. 170 ff.

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bewirbt, um anschließend einen Anspruch auf Entschädigung geltend zu machen (sog. professioneller Diskriminierungskläger).57 Es geht nicht um die Selbstentfaltung durch den Zugang zur Beschäftigung, so dass ihre Ablehnung wegen des unzulässigen Merkmals zwar eine Rechtsverletzung ist, aber keinen Schaden verursacht. Daneben gewährt vor allem das Vertragsrecht durch § 651f Abs. 2 BGB und die Verordnungen (EG) Nr. 261/2004 und (EG) Nr. 1371/2006 einen Anspruch auf Ausgleich immaterieller Schäden. Die Verordnungen pauschalieren die Entschädigungen, so dass eine konkrete Beschreibung des ideellen Schadens im Grunde nicht erforderlich ist. Im Kern geht es um die Entschädigung des entstandenen Ärgers, der Hektik oder des Stresses sowie der vertanen Freizeit, was die Lebensgestaltung des Reisenden beeinträchtigt. Insofern erfolgt ein punktueller Schutz der Selbstentfaltung, deren Beeinträchtigung zu einem Schaden führt, der pauschal entschädigt wird. § 651f Abs. 2 BGB gewährt eine Entschädigung für den vertanen Urlaub wegen eines Reisemangels. Der Reisevertrag bezweckt neben der Erbringung der Reiseleistung auch die Verschaffung von Urlaubsgenuss als ideellen Erfolg. Der immaterielle Schaden besteht darin, dass die Reise hinter dem versprochenen Genuss zurückbleibt. Der Schutz des Urlaubsgenusses als Interesse, dessen Einbuße zum Schadensersatz führt, beruht auf dem punktuellen Schutz der Selbstentfaltung des Reisenden, der zu diesem Zweck mit dem Reiseveranstalter einen Vertrag mit (auch) ideeller Zwecksetzung abgeschlossen hat. Vom Schadensersatz ausgenommen sind bisher die Trauerschäden von Angehörigen in Todesfällen oder bei (schweren) Körperverletzungen. Ihr subjektiver Schaden besteht vor allem in der gefühlsmäßigen Belastung, dem Mangel an Lebensfreude und dem seelischen Rückzug, die regelmäßig mit einer Lebenshemmung einhergehen und daher die Lebensführung des Geschädigten einschränken.58 Gerade soziale Kontakte gehören zur Selbstentfaltung des Menschen, die durch den Schadensfall beeinträchtigt wird. Die Rechtsordnung schützt die Selbstentfaltung vor dieser Form von Beeinträchtigungen nicht generell. Der Schutz der Selbstentfaltung ist im deutschen Privatrecht ein punktueller59, so dass sich zumindest de lege lata nach der vorliegenden Untersuchung wie der herrschenden Ansicht der Schadensersatzanspruch nicht auf solche Einbußen erweitern lässt60. Sofern die Trauerschäden in den Kreis der ersatzfähigen ideellen Schäden aufgenommen werden, sind die ge57 Siehe oben § 3.B.V.3., S. 174 ff.; ebenso Kern, Diskriminierungskläger, S. 141 f.; HWK/ Annuß/Rupp, § 15 AGG Rn. 6 (Widerlegung des vermuteten immateriellen Schadens). 58 Vgl. Art. VI.-2:101 Abs. 4 und Art. VI.-2:202 DCFR; v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.2:101, F; s. oben § 9.C.II.2., 3.b., S. 491 ff., 497 ff. 59 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 513; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 133; insoweit weichen der verfassungsrechtliche und der privatrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voneinander ab, vgl. Erman/Klass, BGB, Anh. § 12 Rn. 4. 60 Siehe oben § 2.A.I.2., S. 63 ff.

§ 11 Der Begriff des immateriellen Schadens

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fühlsmäßigen Belastungen und die Einbußen in der Lebensführung der auszugleichende subjektive Schaden. Schließlich bestehen Affektionsinteressen bei der Beschädigung oder Zerstörung von Sachen und der Verletzung oder Tötung von Tieren, die nach geltendem Recht nicht entschädigt werden. Die Bindung an eine Sache oder ein Tier ist nicht generell eine emotionale Beziehung. Die Eigentumsverletzung löst keinen so weitreichenden Schaden aus wie die Verletzung oder Tötung eines Menschen. In Ausnahmefällen werden bei der Verletzung oder Tötung eines Tieres ebenfalls starke emotionale Reaktionen ausgelöst, wenn sie den Sozialkontakt zum Menschen ersetzen oder ergänzen. Ein Schaden, der über die Verletzung des Affektionsinteresses hinausgeht, tritt vor allem bei der gleichzeitigen Verletzung des Eigentums und der Privatsphäre ein (z. B. beim Einbruchdiebstahl in die Wohnung). Die Verletzung der Wohnung als privatem Rückzugsraum führt regelmäßig zu Verunsicherung, Ängsten und kann Beeinträchtigungen sowie Schlafstörungen nach sich ziehen, so dass der Geschädigte über die Gefühlseinbuße hinaus in der Lebensführung beeinträchtigt ist.

C. Immaterieller Schaden – Neuausrichtung der positiven Beschreibung I. Positive Beschreibung der Einbuße an Interesse ohne Vermögenswert 1. Systematische Erfassung der immateriellen Schäden als Grundlage ihrer positiven Beschreibung Die Durchsicht der gegenwärtig ersetzten immateriellen Schäden hat gezeigt, dass der kompensierte Verlust vielfach nicht nur die Gefühlseinbuße ist, sondern auch die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung der Person erfasst. Damit allein ist indes noch keine neue Charakterisierung des immateriellen Schadens gewonnen, die eine systematische Beschreibung darstellt. Für die Neuausrichtung des Begriffs soll an den Schadensbegriff angeknüpft werden, der über viele Jahre zentraler Gegenstand einer Diskussion war, die versuchte, die Probleme des Ersatzes von Vermögensschäden durch Deduktion aus einem allgemeinen Begriff zu lösen. Von diesem Vorgehen wurde jedoch Abstand genommen, da mit ihm der Nachteil verbunden war, dass es zu einer zu starken inhaltlichen Verdichtung sowie Vermischung verschiedener Aspekte kam.61 Der Schadensbegriff wurde als zu kryptisch empfunden, um tragfähige Lösungen 61

Brinker, Vermögensschadensersatz, S. 180 ff., 188; Dreier, Kompensation, S. 31 f.; Ehrenzweig, Schuldhaftung, S. 162, 173 ff.; Erman/Ebert, BGB, Vor §§ 249–253 Rn. 14; Flessner/ Kadner, JuS 1989, 879, 881; Hagen, FS Hauß, S. 83, 100; Heck, Schuldrecht, S. 40; Honsell, JuS 1973, 69, 72, 74 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 22; Magnus, Schaden, S. 4 f.; Palandt/ Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, Vorb v § 249 Rn. 7; Schiemann, FS Hagen, S. 27, 39, 42 f.; Schlechtriem, ZEuP 1997, 232, 239 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, Vorbem zu §§ 249 ff. Rn. 41; Stoll, Haftungsfolgen, S. 238 f.

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für die Detailprobleme des Schadensersatzrechts zu liefern.62 Es wird inzwischen mit einer Mehrzahl von Prinzipien gearbeitet und dadurch der Schadensbegriff im Grunde entlastet. Auch im hiesigen Kontext ergeben sich für die Neuausrichtung der positiven Beschreibung des immateriellen Schadens keine unmittelbaren Impulse aus dem allgemeinen Schadensbegriff. An den allgemeinen Schadensbegriff soll nur angeknüpft werden, um aufzuzeigen, dass sich die Beschreibung der ideellen Schäden stimmig in das Schadensersatzrecht einordnet. Dabei ist auf den natürlichen Schadensbegriff Bezug zu nehmen, der den Schaden als Einbuße am Interesse beschreibt.63 Es handelt sich dabei freilich nicht um einen vorrechtlichen Begriff, sondern um das Begriffsverständnis, das den §§ 249 ff. BGB zugrunde liegt.64 Zum Teil wird der Schaden auch als Verlust des Rechtssubjekts an seinen Rechtsgütern verstanden, der im Rechtsverkehr allgemein als ersatzfähige Einbuße angesehen wird.65 Beide Definitionen führen in vielen Fällen zu gleichen Ergebnissen, zumal sich die Haftung auf Schadensersatz bei Nichtvermögensschäden gegenwärtig vor allem auf die Folgen bestimmter Rechtsgutsverletzungen bezieht. Allerdings bestehen Ansprüche auf Entschädigung immaterieller Einbußen auch bei Vertragsverletzungen, insbesondere wenn der Vertrag vorrangig einen ideellen Zweck verfolgt. Insoweit erfolgt eine Entschädigung für einen nicht erlangten immateriellen Vorteil (z. B. Urlaubsgenuss). Das Gleiche gilt bei unzulässigen Benachteiligungen, die nicht in jedem Fall mit einer Persönlichkeitsverletzung verbunden sind. Das Anknüpfen an einem Verlust an Rechtsgütern als Schaden ist insofern zu eng. Zur umfassenden Beschreibung der ideellen Schäden ist daher auf die Einbuße am Interesse abzustellen. Für den Schaden als Rechtsbegriff muss es sich dabei um ein rechtlich anerkanntes Interesse handeln. Für die Konkretisierung des Begriffs des immateriellen Schadens kommt es insbesondere darauf an, wie die positive Beschreibung der Interesseneinbuße ausfällt. Die Schadensbeschreibung sagt aber noch nichts darüber aus, ob der ideelle Schaden zu ersetzen ist. Angesichts des § 253 Abs. 1 BGB hängt die Ersatzfähigkeit des Nichtvermögensschadens von den gesetzlichen Regelungen ab und wird zudem durch die haftungsausfüllende Kausalität und Zurechnung beschränkt. Der immaterielle oder Nichtvermögensschaden ist daher als Einbuße an Interesse zu beschreiben, das keinen Vermögenswert hat. Damit ist vor allem die negative Abgrenzung zu den Vermögensschäden gewährleistet, aber noch 62 Brinker, Vermögensschaden, S. 181, 188; Dreier, Kompensation, S. 32; Hagen, FS Hauß, S. 83, 102; Schiemann, FS Hagen, S. 27, 42 f. 63 Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 77; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 38 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 17; krit. zum Interessebegriff Brinker, Vermögensschadensersatz, S. 183 f. 64 Hohloch, Gutachten, S. 375, 416; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 17. 65 Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 426; Magnus, AnwK-BGB, Vor §§ 249–255 Rn. 17; Palandt/Grüneberg, BGB, Vor § 249 Rn. 9.

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nichts für die positive Beschreibung des Schadens gewonnen. Eine Einbuße, die keinen Vermögenswert hat, ist nicht mit der Gefühlseinbuße deckungsgleich, auch wenn diese ein Teil der Nichtvermögensschäden ist. Um den immateriellen Schaden in angemessener Weise positiv zu beschreiben, ist sein Auftreten systematisch zu erfassen, wobei über die beschriebenen Fallgruppen hinaus zu abstrahieren ist, in denen immaterielle Schäden über den Gefühlsschaden hinaus ersetzt werden. Die geschilderten Fälle, in denen sich der Ausgleich immaterieller Schäden von den Gefühlsschäden löst, sind nur das Anschauungsmaterial, ohne systematische Kriterien für das Auftreten immaterieller Schäden zu liefern. Bei der Betrachtung der Gesamtheit aller Schäden bei einem Schadensfall lässt sich zwischen dem Schaden wegen der Verletzung des Rechtsguts selbst und den Verletzungsfolgeschäden unterscheiden. Die Interesseneinbuße ist ein Verlust des Geschädigten als Rechtssubjekt an seinem Recht bzw. Rechtsobjekt (Verletzungsschaden). Darüber hinaus treten infolge der Verletzung weitere Einbußen an Interesse zulasten des Geschädigten ein, die sich aus der Rechtsgutsverletzung ergeben (Verletzungsfolgeschaden). Der Verletzungsschaden und der Verletzungsfolgeschaden bestehen aus unterschiedlichen Einbußen, je nachdem, ob es sich um die Verletzung einer Person oder einer Sache handelt. Diese sind weder ausschließlich materieller noch ausschließlich immaterieller Natur. Schließlich treten materielle und immaterielle Schäden auch unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung ein. Sie resultieren zum einen aus der Verletzung der Haupt- und Nebenleistungspflichten eines Vertrags. Zum anderen finden im Deliktsrecht sog. reine Vermögensschäden Ausgleich. Untersucht man das Auftreten von Schäden anhand dieser Kategorien, so ergibt sich folgende Übersicht: Bei Sachen ist der Schaden die Einbuße an der Sache selbst. Dieser Objektschaden tritt durch die Zerstörung oder Beschädigung der Sache ein, auf die sich das Recht des Geschädigten bezieht, oder durch die Berühmung des Rechts, das dem Geschädigten zusteht, durch den Schädiger. Zudem entgeht dem Geschädigten gegebenenfalls die Nutzung der Sache (Gebrauchsvorteile und Früchte). Ein subjektiver Schaden tritt beim Geschädigten hinsichtlich der entgangenen Gebrauchsvorteile zumindest ein, wenn er zur Nutzung bereit und in der Lage war. Die unterlassene Fruchtziehung ist ein subjektiver Schaden, sofern dem Geschädigten das Fruchtziehungsrecht zustand. Darüber hinaus können zulasten des Geschädigten weitere Folgeschäden im Zusammenhang mit dem Schadensfall eintreten. Das sind zum einen Schäden an anderen Rechtsgütern des Geschädigten, zum anderen Vermögensfolgeschäden (z. B. Kosten der Rechtsverfolgung, Versicherungsschäden, entgangener Gewinn). Die Objektschäden sind bei Sachen Vermögensschäden, es sei denn, es handelt sich um eine Sache ohne Vermögenswert (z. B. Fotos mit bloßem Erinnerungswert). Die entgangenen Nutzungen als subjektiv-wirtschaftlicher Schaden führen hingegen nur dann zu einem Vermögensschaden, wenn dem Ge-

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schädigten ein Gewinn entgeht oder die entgangenen Nutzungen der Sache zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung gedient hätten, so dass sie wie ein entgangener Gewinn analog § 252 BGB als Vermögensschaden zu entschädigen sind. Im Übrigen handelt es sich um ideelle Schäden, die nach geltendem Recht nicht zu entschädigen sind. Schäden an anderen Rechtsgütern sind Vermögens- oder Nichtvermögensschäden, je nachdem, ob und in welcher Weise Sachen, Rechte oder die Person betroffen sind. Daneben bestehen die Vermögensfolgeschäden. In vergleichbarer Weise treten materielle und immaterielle Schäden bei der Verletzung eines Rechts einer Person an einem Vermögensrecht auf. Bei Personen besteht die Einbuße in der Verletzung der Person. Bei Verletzungen der körperlichen Integrität handelt es sich um die physischen und psychischen Auswirkungen der Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung und bei der Fortbewegungsfreiheit um die Freiheitsberaubung. Sie betrifft zum einen das geschützte Rechtsgut selbst. Insofern erfolgt der Schadensersatz – soweit möglich – durch Naturalrestitution, insbesondere in Form des Aufwendungsersatzes nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (z. B. Heilbehandlungskosten). Ansonsten bleibt es bei der Entschädigung des immateriellen Schadens in Geld. Ebenso wie bei den Sachbeschädigungen büßt der Geschädigte nicht nur die Integrität seiner Person ein, sondern auch deren „Nutzung“, die durch die Selbstentfaltung als Person erfolgt. Die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung ist vor allem der Folgeschaden bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter. Das Rechtsgut der körperlichen Integrität erschöpft sich in seiner Bedeutung für den Geschädigten nicht in dem körperlichen Unversehrtsein und der Gesundheit. Beides ist Grundlage der Selbstentfaltung des Geschädigten als Mensch, der eine eigenständige Bedeutung zuzumessen ist und die bei der Beschreibung des Schadens nicht unberücksichtigt bleiben darf. Das betrifft zum einen die berufliche Tätigkeit, deren Verhinderung zu einem Vermögensschaden führt, wenn dem Geschädigten sein Einkommen oder ein Gewinn entgeht. Zum anderen kann auch die Selbstentfaltung des Geschädigten als Person eingeschränkt sein, da die Berufstätigkeit Teil der Selbstverwirklichung ist. Weitere Einbußen der Selbstentfaltung bestehen z. B. in der Einschränkung bei der Ausübung des Hobbys, im Verlust sozialer Kontakte oder Beeinträchtigungen bei der Familiengründung oder sexuellen Beziehungen. Daneben treten gegebenenfalls Vermögensfolgeschäden ein (z. B. erhöhter Aufwand für die Lebensführung infolge bleibender Verletzungsfolgen, Umbau des Hauses). Für die Verletzung der Person lässt sich die Schadensbeschreibung so zusammenfassen, dass die Objektschäden bei der Verletzung einer Person immaterielle Schäden sind. Vermögensschäden treten nur bei der Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein, die gerade von ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts unterschieden werden. Die Verletzungsfolgeschäden sind Vermögensschäden, soweit dem

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Geschädigten ein Gewinn entgangen oder ein Vermögensfolgeschäden eingetreten ist. Darüber hinaus sind die Beeinträchtigungen der Selbstentfaltungsfreiheit des Geschädigten immaterielle Schäden.66 Unabhängig von der Verletzung einer Person, einer Sache oder eines Rechts treten ideelle Schäden vor allem im Zusammenhang mit der Beschränkung der Selbstentfaltungsfreiheit der Person auf. Das zeigt sich in den Fällen unzulässiger Benachteiligung nach dem AGG. Benachteiligungsverbote schützen die Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung und beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen (§§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1, 2 AGG), unabhängig davon, ob gleichzeitig mit der Benachteiligung eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eintritt. Auch bei der Entschädigung des vertanen Urlaubs nach § 651f Abs. 2 BGB wird die Einbuße der Selbstentfaltung des Reisenden entschädigt, soweit sie vom Zweck des Reisevertrags getragen war. Ähnliches gilt für immaterielle Schäden infolge der Verletzung des Beförderungsvertrags durch Verzögerung oder Annullierung der Beförderung sowie Nichtbeförderung, die nach den Verordnungen VO (EG) Nr. 261/2004 und VO (EG) Nr. 1371/2006 auszugleichen sind. Die Unannehmlichkeiten für den Geschädigten und die vertane Freizeit werden in Geld kompensiert, so dass auf diese Weise Einbußen bei der Selbstentfaltung entschädigt werden. Im Ergebnis lassen sich die immateriellen Schäden dadurch beschreiben, dass es sich einerseits um die Einbuße an einem nicht auf dem Markt gehandelten und somit nicht vermögenswerten Rechtsgut (Verletzungsschaden) und andererseits um den Verlust an Selbstentfaltungsfreiheit (Verletzungsfolgeschaden) handelt. Die Beschreibung des Verletzungsschadens als Einbuße am nicht vermögenswerten Rechtsgut führt nicht zur Gleichsetzung der Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden. Insbesondere Art und Umfang des Verlusts, der sich aus der Rechtsgutsverletzung ergibt, sind zu ermitteln. Dieser variiert insbesondere in Abhängigkeit von der Konstitution des Geschädigten. Bei Persönlichkeitsverletzungen kann beispielsweise die Einbuße am geschützten Persönlichkeitsrecht durch die Veröffentlichung von Informationen und Bildern ohne Einwilligung den Geschädigten unterschiedlich intensiv treffen, je nachdem, wie sehr er seine Privatsphäre abschirmt oder ob die Information bereits vorher auf anderem Wege an die Öffentlichkeit gelangt sind. Die immateriellen Verletzungsschäden sind in der Regel Einbußen an personenbezogenen Rechtsgütern. Bei der Verletzung von Persönlichkeitsbestandteilen ist aber zu berücksichtigen, ob es sich um einen vermögensrechtlichen oder ideellen Bestandteil handelt. Daneben sind die Einbußen an nicht vermögenswerten Sachen, wie private Fotos mit Erinnerungswert, ideelle Schäden. In den weit verstandenen Begriff der Selbstentfaltung fallen zum einen die Einbußen, die sich aus der Verwirklichung der Person selbst ergeben, 66

Auf die Relevanz der personalen Selbstentfaltung verweist jüngst auch v. Mayenburg, Bemessung, S. 119.

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zum anderen Einbußen aus der Nutzung einer Sache. Für die Qualifikation der Beschränkung der Selbstentfaltung des Geschädigten kommt es nicht darauf an, infolge welcher Rechts- oder Pflichtverletzung sie eingetreten ist. Es handelt sich grundsätzlich um immaterielle Schäden, es sei denn, es liegt ein entgangener Gewinn nach § 252 BGB oder eine eigenwirtschaftliche Nutzung einer Sache vor, die dem gleichgestellt wird. 2. Zulässiges Anknüpfen an der Selbstentfaltungsfreiheit Die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung der Person ist zur Beschreibung des Schadens geeignet, wenn darin eine Einbuße an Interesse besteht, die als Schaden zu begreifen ist. Der Begriff des Interesses wird in sehr unterschiedlicher Weise verwendet.67 Im hiesigen Kontext ist der Begriff weit zu verstehen, da er zur allgemeinen Beschreibung des Schadens dient. Interesse ist somit alles, was dem Geschädigten als Rechtssubjekt eigen oder zugeordnet ist, so dass er es vollständig oder teilweise verlieren kann. Das sind die subjektiven Rechte an Sachen oder Rechten. Das Rechtssubjekt selbst ist insbesondere in seiner körperlichen Integrität und seiner Freiheit sowie seinen Persönlichkeitsrechten geschützt. Der Geschädigte als Mensch ist jedoch nicht nur die Summe seiner höchstpersönlichen Rechtsgüter, sondern er ist zugleich ein autonomes Wesen, das zur Selbstbestimmung und zur Selbstentfaltung in der Lage ist. Gerade Selbstbestimmung und Selbstentfaltung zeichnen den Menschen aus. Dieses Verständnis prägt das Menschenbild, das sich in Europa seit der Frührenaissance entwickelt hat. Es beschränkt sich nicht auf den philosophischen Diskurs, sondern ist sowohl in das Verständnis der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG als auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG eingeflossen. Was den philosophischen Diskurs anbelangt, so hat sich seit der Philosophie der Frührenaissance die Vorstellung vom Menschen und seiner Würde grundsätzlich verändert.68 Seitdem wird zwischen der Menschenwürde als Eigenart des Menschen und der Würde im Sinne von Ansehen und Verdienst unterschieden. Die Menschenwürde ist dem Menschen bereits kraft seines Menschseins eigen.69 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Mensch das Vermögen besitzt, sich selbst zu bestimmen und durch seine Entscheidungen 67

Vgl. Brinker, Vermögensschadensersatz, S. 183 f. m. w. N. Blum, Renaissance, S. 24 ff.; Gerl, Philosophie, S. 67; Gröschner, in: Siegetsleitner/Knoepffler, Menschenwürde, S. 17, 27 f.; ders., in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 215, 219 ff.; s. auch Keßler, in: Siegetsleitner/Knoepffler, Menschenwürde, S. 41 ff. 69 Der Begriff der Menschenwürde wird darüber hinaus wohl in einem zweiten Sinne verwandt. Die Menschenwürde besteht danach auch darin, dass der Mensch auf die Verwirklichung dieses Potentials hinwirkt. Er sei gehalten, seiner Bestimmung, Ebenbild Gottes zu sein, zu genügen, indem er die Realisierung seiner menschlichen Möglichkeiten anstrebt, dazu Lembcke, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 159, 174 ff.; s. auch Dougherty, in: Dougherty, Pico della Mirandola, S. 114, 142 ff. 68

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seine Identität und sein Selbst maßgeblich zu prägen.70 Dem Menschen wird Autonomie zugesprochen, die sich in Wahlfreiheit sowie Schöpfertum ausdrückt und die er zu seiner Selbstentfaltung nutzen kann. Das Menschsein hängt somit nicht vom gegenwärtigen Dasein ab, sondern ihm wird ein Entwurfsvermögen zugesprochen.71 Damit setzten sich die Philosophen der Frührenaissance zugleich von der mittelalterlichen Scholastik ab, die den Menschen in seinen gesellschaftlichen Lebensverhältnissen verankert sah, so dass sich seine Entwicklung und sein Werden auf diese Verhältnisse beschränkten.72 Sie sprach dem Menschen nicht per se das Potential zu, sich gleichsam selbst zu erfinden. Über diese Beschränkung setzen sich die Philosophen der Frührenaissance, insbesondere Pico della Mirandola, hinweg, indem sie dem Menschen kraft seiner Natur das Potential zuordnen, sich selbst zu entwickeln.73 Sie wenden sich von der Vorstellung der Scholastik ab, dass für den Menschen grundsätzlich vom Sein auf das Werden zu schließen sei und dass sein Anfang auch sein Ende determiniere. Sie kehren diesen Ansatz vielmehr um, indem sie den Menschen als ein Wesen sehen, das durch sein selbstbestimmtes Werden seine Existenz, das Sein, gestaltet.74 Er hat somit ein Potential zur Selbstgestaltung, das ihm als Person zukommt. Menschenwürde ist nunmehr die schöpferische Kraft, das Entwurfsvermögen des Menschen, das er im Laufe seines Lebens verwirklichen kann. Damit ist die Vorstellung von der Freiheit, von der Autonomie des Menschen verbunden. Im Zusammenhang mit dieser Vorstellung von der Menschenwürde, die mit der Freiheit des Einzelnen verknüpft ist, haben sich bei Manetti zugleich erste Ansätze einer Vorstellung von der Chancengleichheit entwickelt.75 Er setzt neben die individuelle Würde des Menschen, die ihm als Vernunftwesen Schöp70 Gerl, Philosophie, S. 67; Gröschner, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 215, 221 f. 71 Pico della Mirandola, Oratio, S. 8 f.; dazu Gerl, Philosophie, S. 67; Gröschner, in: Siegetsleitner/Knoepffler, Menschenwürde, S. 17, 27 f.; Lembcke, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 159, 171 ff.; Toussaint, in: Blum, Philosophen, S. 65, 68. 72 Lembcke, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 159, 171; s. auch Blum, Renaissance, S. 26 f.; Dougherty, in: Dougherty, Pico della Mirandola, S. 114, 140; Gerl, Philosophie, S. 67; Gröschner, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 215, 222. 73 Pico della Mirandola, Oratio, S. 8 f.; dazu Gerl, Philosophie, S. 67; s. auch Lembcke, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 159, 171 ff.; Toussaint, in: Blum, Philosophen, S. 65, 68; v. Unruh, Verfassungsbegriff, S. 344 f. 74 Lembcke, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 159, 171; s. auch v. Unruh, Verfassungsbegriff, S. 343. 75 Die Vorstellung von der Menschenwürde deckt sich bei Manetti und Pico della Mirandola nicht, da der Mensch bei Manetti keine undeterminierte Rangstellung im Kosmos hat wie für Pico, sondern als „Mitarbeiter Gottes“ in die Ordnung des Kosmos eingebunden ist und als sterblicher Gott das Schöpfungswerk weiterführen soll. Er weist dem Menschen aber auch eine schöpferische Kraft zu, s. Manetti, De dignitate et excellentia hominis, S. 79, 91, 95, 96 f.; dazu Schmeisser, Gott, S. 32 ff., 157, 161.

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ferqualität zuweist, eine gesellschaftliche Würde.76 Alle Menschen seien in ihrer Würde gleich. Daraus leite sich nicht nur die Nächstenliebe, sondern auch die Achtung der Menschen untereinander ab. Die Gleichheit und Gleichbehandlung der Menschen bezieht Manetti in seine Gerechtigkeitsvorstellung ein.77 Sowohl Pico della Mirandola als auch Manetti bleiben in ihren Konzepten sehr abstrakt, haben jedoch ein Menschenbild zu prägen begonnen, das bis heute fortwirkt. Die Moralphilosophie erweitert die Vorstellung von der Autonomie und dem Entwurfsvermögen des Menschen und untersucht deren Verwirklichungsmöglichkeiten und ihre Bedingungen in einer Gesellschaft. Damit geht sie über die solipsistische Vorstellung vom Menschen in der Frührenaissance weit hinaus. Die Idee vom Menschen als autonomes Wesen, das durch die Fähigkeit zur Selbstgestaltung gekennzeichnet ist, bleibt aber erhalten und liegt gleichsam als Voraussetzung zugrunde.78 Die Frührenaissance war somit der Ausgangspunkt für ein Menschenbild und den Begriff der Menschenwürde im Sinne einer individuellen Würde unabhängig vom gesellschaftlichen Ansehen. Darin lag seinerzeit eine Verabsolutierung der menschlichen Autonomie, die später durch die Anthropologie, die Soziologie und zuletzt die Hirnforschung relativiert wurde. Die Vorstellung vom Menschen und seiner Würde hat sie dennoch nachhaltig geprägt und ging auch in das Menschenwürdekonzept des Grundgesetzes in Art. 1 Abs. 1 GG ein.79 Darüber hinaus ist der Schutz vor Diskriminierungen und die Herstellung der Chancengleichheit durch Art. 3 Abs. 2, 3 GG sowie vom Schutzgebot der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG erfasst, die die staatliche Gewalt verpflichten, auch im Privatrechtsverkehr auf die Verwirklichung tatsächlicher Freiheit hinzuwirken.80 Folglich ist die Selbstentfaltung der Menschen nicht nur in ihrer solipsistischen Dimension, sondern auch im Zusammenleben zumindest durch einen Schutz vor Diskriminierungen wegen der in Art. 3 Abs. 2, 3 GG aufgezählten Gründe erfasst. Die unausgesprochene Bezugnahme des Grundgesetzes auf die Menschenwürdekonzeption, die sich seit der Frührenaissance entwickelt hat, bewirkt, 76 Manetti, De dignitate et excellentia hominis, S. 91, 95 f.; dazu Keßler, in: Siegetsleitner/ Knoepffler, Menschenwürde, S. 41, 54 ff.; Thumfart, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 73, 76 ff. 77 Manetti, De dignitate et excellentia hominis, S. 93 ff.; dazu Thumfart, in: Gröschner/ Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 73, 82 ff. 78 Siehe auch Kant, der in der Metaphysik der Sitten (1785, AB 79) die Würde des Menschen auf seine Autonomie stützt („Autonomie ist also der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur.“); vgl. Gröschner, in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 215, 226. 79 Dreier, GG, Art. 1 I Rn. 9; Gröschner, in: Siegetsleitner/Knoepffler, Menschenwürde, S. 17, 26 ff.; ders., in: Gröschner/Lembcke/Kirste, Des Menschen Würde, S. 215, 225 ff.; Lembcke, in: Hierle/Preul, Menschenwürde, S. 49, 62 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 6 f. 80 Siehe oben § 3.B.V.2.b., S. 170 ff.

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dass Selbstbestimmung und Selbstentfaltung des Menschen rechtlich relevante Kategorien sind. Die objektive Wertung der Verfassung ist auch bei der Beschreibung von Einbußen im Schadensersatzrecht heranzuziehen. Wollte man ausschließlich auf die negative Gefühlsbilanz abstellen, blieben die Selbstbestimmung und Selbstentfaltung des Menschen unberücksichtigt. Die Selbstentfaltung ist ein Potential, dessen Bestand und Verwirklichung den Menschen ausmachen. Seine Beeinträchtigung im Schadensfall ist für den Geschädigten daher als Einbuße an Interesse anzusehen. Die Ersatzfähigkeit der Einbuße hängt davon ab, wie weit der Schutz der Selbstbestimmung und der Selbstentfaltung vor der Einwirkung Dritter im geltenden Recht reicht. Bei der Beschreibung des immateriellen Schadens ist daher der Verlust an Selbstentfaltung zu berücksichtigen. Der Schaden besteht aber nicht in dem Verlust an abstraktem Entwurfsvermögen. Ansonsten würden Rechtsverletzung und Schaden gleichgesetzt. Der Schaden als Einbuße ist der Verlust an Gestaltungsfreiheit, so wie sie der Geschädigte nach seiner Lebensführung ohne das schädigende Ereignis wahrnehmen wollte und hätte wahrnehmen können. Diese Differenzierung wird im Grunde bereits bei der Entschädigung für die Beeinträchtigung der Lebensführung wegen einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung berücksichtigt, indem auf den Verlust der konkreten Berufsausübung oder Freizeitgestaltung abgestellt wird.81 Diese Neuausrichtung der Beschreibung des immateriellen Schadens lässt sich nicht nur auf rechtsphilosophische und verfassungsrechtliche Argumente stützen, sondern ist auch vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung plausibel. Die Einbuße in der Lebensführung wurde nicht vor dem Ende des 19. Jahrhunderts als Schaden anerkannt. Zuvor wurden bei Körperverletzungen neben den Heilbehandlungskosten vor allem die Schmerzen und die Entstellung des Geschädigten als Schaden berücksichtigt, sofern überhaupt eine Kompensation für immaterielle Schäden gewährt wurde. Die Schmerzensgeldklagen, die sich auf Schmerzen und Entstellungen beschränkten, gingen auf das bereits im Mittelalter entwickelte Wehrgeld zurück und somit auf eine Zeit, in der die Selbstentfaltung des Einzelnen noch nicht so im Menschenbild und im Bewusstsein der Bevölkerung verankert war82, dass sie sich in der Beurteilung der Rechtsfolgen einer Körperverletzung niederschlug. Erst mit dem Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse, der eine Individualisierung zuließ, fand das Menschenbild, das die Selbstbestimmung und Selbstentfaltung des Einzelnen betont, Eingang in die rechtlichen Überlegungen, so dass die Selbstverwirklichung des Einzelnen in seiner Lebensführung stärker Beachtung fand. Vor allem im Laufe des 19. Jahrhunderts erlangten Selbstbestimmung und Selbstentfaltung einen höheren Stellenwert, und es kam insbesondere zur 81

Siehe oben § 4.C.II.2., S. 237 ff. Vgl. Ebert, Pönale Elemente, S. 15 ff.; Hofstetter, Geschichte, S. 7 ff.; Walter, Schmerzensgeld, S. 75 ff. 82

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Anerkennung der Persönlichkeitsrechte.83 Der Ausgleich ideeller Schäden bei Körperverletzungen bezog die Einbußen der Lebensführung ein, wenn auch auf die Lebensfreude im Besonderen abgestellt wurde. Auf diese Weise wurde das über Jahrhunderte geprägte Verständnis vom Ausgleich der Schmerzen auf die Beeinträchtigungen der Lebensführung erweitert. Wie sehr der gesellschaftliche Wandel inzwischen das Schadensersatzrecht verändert hat, zeigt nicht nur der Schadensersatz wegen einer Körperverletzung, sondern auch die gesetzliche Regelung in § 651f Abs. 2 BGB für vertanen Urlaub, die erst mit dem Auftreten des Massentourismus in das Gesetz eingefügt wurde.84 Die europäischen Verordnungen gewähren einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 und Art. 17 Abs. 1, 3 VO (EG) Nr. 1371/2006, um die Beeinträchtigungen bei der Mobilität und der Freizeitgestaltung zu berücksichtigen. Gerade die europäischen Verordnungen reagieren auf die Entwicklung, dass vor allem seit den 1980er Jahren das berufsbezogene Pendeln zwischen Wohnort und Arbeitsplatz zunahm und Mobilität einen eigenen Stellenwert erlangte.85 Der Einbeziehung der Selbstentfaltung des Geschädigten in die positive Beschreibung des immateriellen Schadens steht nicht entgegen, dass insbesondere die Selbstentfaltung nur sehr eingeschränkt von der Rechtsordnung geschützt wird. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht beschränkt sich in seinem Schutzbereich grundsätzlich auf die Selbstbestimmung des Rechtsinhabers.86 Nur der Diskriminierungsschutz des AGG erweitert den Schutz auf die Selbstentfaltung, soweit sie durch unzulässige Benachteiligungen beim Zugang zur und der Ausübung wie Beendigung der Beschäftigung oder beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen beeinträchtigt wird. Daneben schützen die personenbezogenen Rechtsgüter – Körper, Gesundheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung – die Selbstentfaltung zumindest, soweit die Lebensführung infolge der Verletzung eingeschränkt ist. Diese Beschränkung des Rechtsschutzes der Selbstentfaltung ändert aber nichts daran, dass ihr vollständiger oder teilweiser Verlust für den Geschädigten eine Einbuße an Interesse ist. Dem Geschädigten wird Potential zur Selbstverwirklichung genommen. Der eingeschränkte rechtliche Schutz wirkt sich darin aus, dass der Schaden in Form einer Einbuße der Selbstentfaltungsfreiheit nur eingeschränkt ersatzfähig ist. Er muss sich entweder aus der Verletzung eines der Rechtsgüter ergeben, die in § 253 Abs. 2 BGB oder den Gesetzen zur Gefährdungshaftung 83 Zur Entwicklung Coing, FS Maihofer, S. 75 ff.; Damm, AcP 202 (2002), 841 ff.; Holzhauer, in: Erichsen/Kollhosser/Welp, Recht der Persönlichkeit, S. 51 ff.; Klippel/Lies-Benachib, in: Falk/Mohnhaupt, Das Bürgerliche Gesetzbuch, S. 343 ff.; Leuze, Entwicklung des Persönlichkeitsrechts, 1962; Scheyhing, AcP 158 (1959/1960), 503 ff. 84 Siehe oben § 1.C.I.2.b., S. 39 ff. 85 Vgl. Erwägungsgründe 1, 2, 12 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. 86 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 513; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 133.

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genannt sind, oder sein Schutz muss gesondert normiert sein wie im AGG. Auch die Haftung im Reisevertrags- oder Transportrecht für vertanen Urlaub oder vertane Freizeit schützt die Selbstentfaltung, indem sie an die Pflichtverletzung einen Anspruch auf Entschädigung der ideellen Einbußen knüpft. Zudem können sich Beschränkungen aus der haftungsausfüllenden Kausalität und Zurechnung ergeben. 3. Bedeutung der Gefühlsschäden Die Beschreibung des immateriellen Schadens als Verlust an nicht vermögenswerten Rechtsgütern und als Einbußen an der Selbstentfaltung hat nicht zur Folge, dass die Gefühlsschäden ihre Bedeutung verlieren.87 Einen anderen Weg beschreitet zunächst Lorenz, der die Gefühle des Geschädigten außen vor lassen will, weil sie intersubjektiv schwer nachvollziehbar sind und ihre gerichtliche Aufklärung erschwert ist, so dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beweiserhebung entgegensteht.88 Das Ziel der Neuausrichtung ist jedoch die vollständige Erfassung des Schadens. Sie soll zum einen in jenen Fällen Abhilfe schaffen, bei denen der Rückgriff auf das Gefühl zu Schwierigkeiten führt. Zum anderen bedarf es der Ergänzung der Beschreibung des immateriellen Schadens als Gefühlsschaden, um alle Einbußen zu erfassen, die keinen Marktwert haben. Somit stehen die Gefühlseinbußen als emotionaler Teil des ideellen Schadens neben der Beeinträchtigung der Selbstbestimmung und Selbstentfaltung. Die negativen Gefühle wie Schmerzen, Ängste und Trauer sowie ähnliche seelische Belastungen behalten insbesondere eine eigenständige Bedeutung, wenn es sich um eine Einbuße handelt, die nicht bereits durch die Beschreibung des immateriellen Schadens als Einbuße an Selbstentfaltung erfasst ist. Eine Gefühlsreaktion des Geschädigten kann sowohl Teil des Verletzungsschadens als auch des Verletzungsfolgeschadens sein. Der Verletzungsschaden ist die Einbuße, die unmittelbar aus der Verletzung des geschützten Rechts oder Rechtsguts resultiert, wohingegen der Verletzungsfolgeschaden jene Einbuße ist, die sich aus der Verletzung für die Lebensführung und somit für die Selbstentfaltung des Geschädigten ergibt. Mit einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung gehen in der Regel Schmerzen und Leiden einher. Der Schmerz ist ein Warn- und Leitsignal des Körpers infolge seiner Schädigung. Die erlittene Einbuße am Rechtsgut der körperlichen Integrität besteht aus dem (temporären) Verlust der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit sowie der Einbuße der Schmerzfreiheit, die mit der Gesundheit und körperlichen Integrität verbunden ist. Bis die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität durch eine Heilbehandlung wiederhergestellt ist, sind die Schmer87

Ebenso Canaris, FS Deutsch, S. 85, 103. E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 51 ff.; krit. F. Bydlinski, Liber Amicorum Widmer, S. 27, 35 ff. 88

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zen und Leiden des Geschädigten zentraler Verletzungsschaden neben den erforderlichen Kosten für die Wiederherstellung des Geschädigten i. S. von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Heilbehandlung beendet die Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung und die mit ihr einhergehenden Schmerzen und Leiden so weit wie möglich. Sofern der Gefühlsschaden in Form von Schmerzen ausgeklammert würde, grenzte man einen Teil des erlittenen Schadens aus der Betrachtung aus und verkürzte folglich den Schadensersatz des Geschädigten. Verletzungsfolgeschäden sind alle Einbußen des Geschädigten an Selbstentfaltung, die sich aus dem (temporären) Verlust der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit ergeben. Darüber hinaus sind die emotionalen Reaktionen des Geschädigten auf die Beeinträchtigung seiner Lebensführung in Form von Enttäuschung, Frustration oder Verzweiflung einzubeziehen. Die psychische Reaktion tritt zum Verlust an Selbstentfaltung hinzu und erhöht den Schaden, weil sie eine zusätzliche Belastung darstellt, die ohne das schädigende Ereignis nicht bestanden hätte. Daneben ergeben sich Verletzungsfolgeschäden aus Gefühlsbeeinträchtigungen wie Schmerzen und Ängste, die beispielsweise im Zusammenhang mit einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung eintreten. Sie wirken sich auf die Lebensführung aus, indem sie eine Lebenshemmung bewirken und damit die Selbstentfaltung beeinträchtigen. Diese Beschreibung des immateriellen Schadens lässt sich auch auf Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts übertragen. Das Eindringen in die Privatsphäre einer Person und die Veröffentlichung von Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren oder nicht der Realität entsprachen, bewirken beim Geschädigten einen Kontrollverlust. Die Kontrolle der Privatsphäre und der Außendarstellung ist ein zentraler Bestandteil der Selbstbestimmung der Person, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt. Auf diesen Verlust reagiert der Rechtsinhaber grundsätzlich emotional. Damit bildet er den eingetretenen Verlust gefühlsmäßig ab. Insoweit ist das Gefühl Teil des Verletzungsschadens. Darüber hinaus kann der erlittene Kontrollverlust beim Geschädigten zu Zwangs- oder Rückzugshandlungen führen, die eine Einschränkung der Lebensführung nach sich ziehen. Dieser Verletzungsfolgeschaden ist meist auch auf emotionaler Ebene durch psychische Reaktionen wie Ängste begleitet. Insofern können die Beschränkungen der Selbstentfaltung mit Gefühlseinbußen des Geschädigten einhergehen. Die Gefühle, wie Ängste oder Trauer, wirken sich zudem auf die Lebensführung aus und stehen mit der Beschränkung der Selbstentfaltung in einem Wechselverhältnis. Insofern können Gefühle bei der Betrachtung des Schadens nicht unberücksichtigt bleiben. Im Ergebnis haben die Gefühlsschäden eine selbständige Bedeutung. Sie sind ein Teil der vom Geschädigten erlittenen Einbuße und somit in die Ermittlung des Schadens einzubeziehen. Als selbständige Komponente bei der Beschreibung des immateriellen Schadens ist der Gefühlsschaden aber nur aufzuneh-

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men, wenn er weder ein Verlust an dem nicht vermögenswerten Rechtsgut noch eine Einbuße der Selbstentfaltung ist. Nur in diesem Fall bedarf die hier entwickelte Beschreibung des ideellen Schadens einer Ergänzung. Schmerzen und Leiden als Gefühlsschaden sind bereits als Verlust an dem nicht vermögenswerten Rechtsgut erfasst, sofern das Freisein von Schmerzen oder Leiden als Teil des geschützten Rechtsguts zu begreifen ist. Gerade bei der körperlichen Integrität geht die Schmerzfreiheit mit dem Unverletztsein des Rechtsinhabers einher. Für die Beschreibung des Schadens kann somit der Verweis auf den Verlust an dem nicht vermögenswerten Rechtsgut genügen. Allerdings soll die positive Beschreibung des immateriellen Schadens gerade sicherstellen, dass die unterschiedlichen Einbußen vollständig und möglichst klar erfasst sind. Das spricht dafür, den Gefühlsschaden, der mit der Verletzung des nicht vermögenswerten Rechtsguts und mit der Beeinträchtigung der Selbstentfaltung einhergeht, explizit in die Beschreibung des immateriellen Schadens aufzunehmen und dadurch klarzustellen, dass die Gefühlseinbuße schadenserhöhende Wirkung hat. Zudem lässt sich der Gefühlsschaden bei der Verletzung anderer Rechtsgüter nicht gleichermaßen als Teil der Verletzung des nicht vermögenswerten Rechtsguts ansehen. Diese Betrachtung scheitert vollends bei Entschädigungsansprüchen, die von einer Rechtsgutsverletzung unabhängig sind. Im Ergebnis haben die Gefühlseinbußen eine selbständige Bedeutung, so dass sie Teil der Beschreibung des immateriellen Schadens sein müssen. Die Gefühlseinbuße wirkt schadenserhöhend. Sie ist eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines immateriellen Schadens. Darüber hinaus ist das Auftreten emotionaler Reaktionen und das Eintreten einer Gefühlseinbuße zugleich ein Indiz dafür, dass die Rechtsgutsverletzung für den Geschädigten Folgen zeitigt, die seine Lebensführung betreffen. Umgekehrt sind die – in der Regel leichter festzustellenden – Folgen für die Lebensführung beim Geschädigten Indiz dafür, dass er auch durch Ängste, Trauer oder andere seelische Belastungen beeinträchtigt wird, sofern er wahrnehmungs- und empfindungsfähig ist. II. Beschreibung der ersatzfähigen immateriellen Schäden nach geltendem Recht 1. Immaterielle Schäden infolge einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung Die immateriellen Schäden infolge einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung sind die erlittene Krankheit und die Schmerzen, die als Verletzungsschaden eintreten. Die Krankheit selbst wird im Wege der Naturalrestitution grundsätzlich durch den Geschädigten bzw. durch die von ihm eingeschalteten Personen beseitigt, so dass die Aufwendungen für die Restitution nach § 249 Abs. 2 BGB als Schaden geltend gemacht werden. Die Schmerzen sind nach § 253 Abs. 2 BGB oder den Gesetzen zur Gefährdungshaftung zu

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entschädigen. Soweit die körperliche Integrität oder die Gesundheit nicht vollständig wiederhergestellt werden kann, sind die Auswirkungen auf die Lebensführung des Geschädigten zu ermitteln und angemessen zu entschädigen. Das betrifft nicht nur die dauerhaften Beschränkungen, sondern auch die temporären. Daneben sind die negativen Folgen für die Selbstentfaltung des Geschädigten als immaterieller Schaden auszugleichen, sofern es sich nicht um einen entgangenen Gewinn handelt. Die Selbstentfaltung ist zwar kein generell geschütztes Interesse. Sofern jedoch die Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung eine Beschränkung der Lebensführung nach sich zieht, ist diese kausale und zurechenbare Einbuße an Selbstentfaltung zu ersetzen. Körper und Gesundheit sind als Grundlage des Daseins und der Lebensführung geschützt. Zur Ermittlung des Schadens ist auf die konkreten Lebensverhältnisse des Geschädigten abzustellen und durch einen Vergleich mit der hypothetischen Lebensführung ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln, in welchem Maße die Selbstentfaltung beeinträchtigt ist und welche Bedeutung die Folgen für die Entfaltung des Geschädigten haben. Bei Dauerschäden ist auch die zu erwartende Entwicklung ohne den Schadensfall zu berücksichtigen, um den tatsächlich eingetretenen Verlust des Geschädigten korrekt schätzen zu können. Wenn negative Emotionen wie Ängste oder Niedergeschlagenheit mit den Folgen des Schadensfalls einhergehen, sind sie schadenserhöhend zu berücksichtigen. Sofern der Geschädigte infolge des Schadensfalls seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, erleidet er einerseits einen Vermögensschaden in Form von entgangenem Gewinn. Andererseits ist die Berufsausübung häufig Teil der Persönlichkeitsentfaltung. Die Berufstätigkeit führt zur Teilhabe an der Berufswelt, zur Selbstbestätigung durch Anerkennung der erbrachten Leistung und zur Befriedigung durch die Verwirklichung eigener Ideen. Die Relevanz der Berufsausübung für die Persönlichkeitsverwirklichung ist auch verfassungsrechtlich anerkannt, so dass die Berufsausübung als Selbstverwirklichung Teil des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG ist.89 Die Berufsunfähigkeit ist daher ein Verlust an Selbstentfaltung, der bei der Entschädigung zu berücksichtigen ist. Das gilt nicht nur für den Geschädigten, der zum Zeitpunkt des Schadensfalls berufstätig war. Ein solcher Schaden tritt auch bei Geschädigten ein, die zwar zum Zeitpunkt des Schadensfalls nicht berufstätig waren, aber darlegen können, dass sie in der Zeit, in der sie infolge der Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung arbeitsunfähig waren, eine Beschäftigung aufgenommen hätten und die Berufsausübung somit zu ihrer Selbstentfaltung gehörte. Die bloße Hoffnung genügt indes nicht. Es wird nicht pauschal die Be89 BVerfG 11.6.1958 E 7, 377, 397; 16.3.1971 E 30, 292, 334; 19.11.1985 E 71, 183, 201; Bachof, Grundrechte, Bd. III/1, S. 168; Bryde, NJW 1984, 2177, 2181 f.; Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 31, 49; Rittstieg, AK-GG, Art. 12 Rn. 12; Schneider, VVDStRL 43 (1985), 7, 18 f.

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schränkung der möglichen Selbstverwirklichung entschädigt, sondern nur die tatsächliche Beeinträchtigung für den konkreten Geschädigten. Andernfalls handelte es sich nicht um den Ausgleich seines subjektiven Schadens. Ein Schaden tritt aber nicht nur bei vergüteten Tätigkeiten ein, sondern auch bei ehrenamtlichem Engagement. Darüber hinaus werden Einbußen der Lebensgestaltung jenseits der beruflichen Tätigkeit entschädigt. Das betrifft Einbußen bei der Freizeitgestaltung sowie der sozialen Kontakte. Sofern der Geschädigte infolge des Schadensfalls empfindungsunfähig geworden ist, erleidet er ebenfalls einen Schaden durch den Verlust an Selbstentfaltung. Der Geschädigte kann über seine Einschränkung zwar nicht mehr reflektieren. Es bestehen somit keine Emotionen, die als immaterieller Schaden kompensiert werden müssten. Allerdings erleidet der Geschädigte zumindest dadurch einen Verlust, dass er sein Leben nicht mehr wie bisher führen kann. Diese Einbuße hängt nicht vom Empfinden ab, sondern besteht in dem Nichtumsetzen eines dem Menschen gegebenen Potentials, des Vermögens zur Selbstentfaltung. Die Einordnung dieser Einbuße als Schaden führt nicht zu einer Gleichsetzung von Rechtsgutsverletzung und Schaden. Es soll nicht der Verlust des dem Menschen eigenen Entwurfsvermögens entschädigt werden, sondern die konkrete Einbuße für die Lebensführung des Geschädigten. Für die Bemessung der Entschädigung sind die Art der Lebensführung und das Alter des Geschädigten maßgeblich, um ermessen zu können, welchen Verlust der Geschädigte für welchen Zeitraum erleidet. Diese Herangehensweise hat zwangsläufig zur Folge, dass die Entschädigung nicht nur nach dem Alter, sondern auch nach den Lebensverhältnissen variiert. Der Geschädigte, der seine persönlichen Möglichkeiten in vielfältiger Weise ausschöpft, sei es beruflich, sei es bei seiner Freizeitgestaltung, verliert mehr als ein Geschädigter, der sich seiner Möglichkeiten nicht bedient. Darin liegt keine Bewertung der Lebensführung oder der Lebensleistung des Geschädigten. Auch bei einer Körperverletzung, die nicht zur Empfindungsunfähigkeit führt, ist die Höhe der Entschädigung von der Lebensführung des Geschädigten abhängig und variiert entsprechend dem Umfang, in dem die Freizeitgestaltung oder der soziale Kontakt beeinträchtigt wird. Schließlich fällt der Schadensersatz auch in Fällen geringer aus, in denen der Schädiger eine Person verletzt, die bereits vorher unter erheblichen Einschränkungen im täglichen Leben zu leiden hatte. Der Schadensausgleich beschränkt sich dann auf den Verlust, der kausal durch den Schadensfall eingetreten ist. Es handelt sich um den Ersatz eines konkreten subjektiven Verlusts, nicht um einen Geldbetrag für das Menschsein an sich. Die Entschädigung bezieht sich nach der Ausgleichsfunktion auf den vom Geschädigten erlittenen Schaden, nicht auf die Rechtsgutsverletzung. Ein Geschädigter, der infolge des Schadensfalls wahrnehmungs- und empfindungsunfähig wird, erhält somit eine Entschädigung für die konkret erlittene Einbuße bei der Lebensführung. Da er keine Schmerzen, Ängste oder andere seelische Belastungen erleidet, ist die Entschädigung

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aber geringer als bei einer vergleichbar schwer geschädigten Person, die ihre Situation noch wahrnehmen und reflektieren kann. Die Darstellung zeigt zugleich, dass sich der Schaden einer empfindungsunfähig gewordenen Person im Rahmen des subjektiven Schadensbegriffs erfassen lässt. Es bedarf keines objektiven Schadensbegriffs, der die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden gleichsetzt. Auch die Anerkennung eines Per-seSchadens, wie ihn Brüggemeier vorschlägt, ist überflüssig. Die Neuausrichtung des Schadensbegriffs beschreibt die Einbuße des Geschädigten vollständig und stellt klar, welche Schadenspositionen vom Empfinden des Geschädigten abhängig sind. Der immaterielle Schaden wird aus seiner Gleichsetzung mit dem Gefühlsschaden gelöst. Die Einbuße an Selbstverwirklichung hängt nicht vom Empfinden ab, sondern ist ein Potential, das dem Geschädigten als Mensch zukommt. Soweit er ohne den Schadensfall willens und in der Lage gewesen wäre, dieses Potential im Rahmen seiner Selbstentfaltung zu nutzen, erleidet er eine konkrete subjektive Einbuße. 2. Immaterielle Schäden infolge einer Freiheitsberaubung Im Falle einer Freiheitsberaubung erhält der Geschädigte eine Entschädigung für den zeitweisen Verlust seiner Fortbewegungsfreiheit und die damit einhergehende Einbuße an Selbstentfaltung. Ebenso wie bei der Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung ist die Einbuße an Selbstentfaltung als ersatzfähiger Schaden anzusehen, sofern sie gerade aus der Verletzung des geschützten Rechtsguts resultiert. Ein Schaden liegt aber nur vor, wenn sich der Geschädigte fortbewegen wollte und dazu in der Lage war. Bei behinderten Personen genügt es, wenn sie sich mit Hilfe Dritter hätten fortbewegen können und sie von deren Unterstützung durch die deliktische Handlung abgeschnitten sind. Eine Entschädigung, die davon unabhängig wäre, diente zwar dem Rechtsgüterschutz, beschränkt sich aber nicht auf den Schadensausgleich und entwickelte sich daher zur Privatstrafe. Sofern ein Schaden eingetreten ist und der Geschädigte auf die Freiheitsberaubung zusätzlich mit Ängsten und Panik reagiert und dadurch stärker unter dem Freiheitsentzug leidet, erhöht sich der Schaden, wenn das Verhalten des Geschädigten dem Schädiger zurechenbar ist (psychisch vermittelte Kausalität). 3. Immaterielle Schäden infolge einer Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung Bei Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung tritt eine Mehrzahl von Verletzungs- und Verletzungsfolgeschäden nebeneinander. Die Verletzung der sexuellen Integrität geht regelmäßig mit Körperverletzungen und physischen und psychischen Gesundheitsbeschädigungen einher und ist zudem eine Herabwürdigung der geschädigten Person im Sinne einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Verletzung ist von gravierenden emotionalen Reaktionen begleitet, die den Schaden erhöhen. Darüber hinaus leiden die Ge-

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schädigten über lange Zeit unter psychischen Folgeschäden, die ihre Selbstentfaltung hemmen. Das betrifft nicht nur die Beziehung zu einem Sexualpartner, sondern auch das Sozialverhalten im Übrigen. Das Verhalten in der Freizeit ist häufig verändert, in schweren Fällen kann auch die Berufsausübung betroffen sein. Zudem bestehen nach der Tat weiterhin Ängste, traumatische Störungen und andere seelische Belastungen. Der Umfang des Schadens ist bei Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung vollständig zu ermitteln. Das Gericht darf nicht bei den Verletzungsschäden stehenbleiben, sondern muss insbesondere die Verletzungsfolgeschäden vollständig würdigen, soweit sie vorgetragen werden. Dabei sind die konkreten Folgen für die geschädigte Person zugrunde zu legen. Der Schaden ist nach § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. 4. Immaterielle Schäden infolge einer Verletzung des (ideellen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Urheberpersönlichkeitsrechts Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt tatbestandlich grundsätzlich nur die Selbstbestimmung der Person in ihren verschiedenen Ausprägungen, nicht die Selbstentfaltung. Etwas anderes gilt wegen der Regelung des AGG bei unzulässigen Benachteiligungen. Sofern eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts eintritt und somit in die Selbstbestimmung des Geschädigten eingegriffen wurde, besteht der Verletzungsschaden beispielsweise in der Öffnung der Privatsphäre, der Preisgabe von Informationen oder Bildern. Für den Geschädigten ist durch den Eingriff in die Selbstbestimmung jeweils ein Kontrollverlust über seine Privatsphäre oder seine Darstellung in der Öffentlichkeit eingetreten, auf den er regelmäßig auch emotional reagiert, so dass er zugleich einen Gefühlsschaden erleidet. Darüber hinaus können Folgeschäden in Form von Ängsten und Rückzugshandlungen eintreten, die zur Einschränkung und Erschwerung sozialer Kontakte führen. Bei einer Rufschädigung treten Störungen im sozialen Kontakt ein bis hin zu Beeinträchtigungen der Berufsausübung (z. B. der fälschlicherweise nachgesagte Kontakt eines Politikers zum Rotlichtmilieu führt zu seinem Austritt aus der Bundestagsfraktion90). Dabei handelt es sich um Einschränkungen der Selbstentfaltung und um Gefühlsschäden, die durch die Rechtsverletzung ausgelöst werden und eine typische Reaktion auf den eingetretenen Kontrollverlust des Geschädigten sind. Somit handelt es sich um einen zurechenbaren Folgeschaden. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beschränkt sich zwar primär auf die Selbstbestimmung, die aus der Verletzung resultierenden Folgen für die Selbstentfaltung sind aber ersatzfähig, wenn es sich um kausale und zurechenbare Folgen des Schadensfalls handelt. Bei der Ermittlung des Schadens sind die Dauer und Intensität der Rechtsgutsverletzung von Bedeutung. Insoweit ist zu berücksichtigen, ob z. B. die Veröffentlichung privater Informationen über den Geschädigten erstmals er90

LG Berlin 24.8.2006 AfP 2007, 63, 64.

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folgte und eine sonst zurückgezogene Person betraf, so dass die Privatsphäre schwerer betroffen ist als bei einer Person, die regelmäßig im Licht der Öffentlichkeit steht. Auch die emotionale Reaktion ist in solchen Fällen wesentlich intensiver als bei einer Person, die die Informationen der veröffentlichten Art vielfach selbst freiwillig publiziert. Die Wirkung auf die Person und ihre Lebensführung ist dann weniger intensiv. Auch bei der wiederholten Publikation derselben privaten Informationen ist der Schaden gegebenenfalls nicht gleich hoch wie bei der erstmaligen Verletzung der Privatsphäre einer sonst nicht in der Öffentlichkeit bekannten Person.91 Der Schaden entfällt nicht, weil Informationen oder Bilder länger in der Öffentlichkeit sind und wahrscheinlich einem größeren Personenkreis bekannt werden. Die Wirkung ist im Einzelfall aber nicht unbedingt so intensiv wie bei der erstmaligen Verletzung. Das ist bei der Entschädigung zu berücksichtigen. Bei Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts (z. B. durch die Nichtnennung des Namens) besteht der Schaden indes für den Geschädigten nicht in dem Kontrollverlust über das, was zu seiner Privatsphäre gehört, sondern darin, dass er als Urheber nicht durch Dritte mit dem Werk in Verbindung gebracht wird. Somit geht es ähnlich wie bei der Rufschädigung um die Darstellung des Urhebers in der Öffentlichkeit. Dabei steht hier im Vordergrund, dass sich der Ruf des Urhebers als solcher nur entwickeln kann, wenn er mit dem Werk identifiziert wird, so dass das Nichtnennen des Namens gerade die Entwicklung des Rufs behindert. 5. Immaterielle Schäden infolge einer Diskriminierung a) Beeinträchtigung der Chancengleichheit als immaterieller Schaden Die unzulässige Benachteiligung ist eine Pflichtverletzung, die nicht notwendig mit einer Rechtsgutsverletzung einhergeht. Der Schaden für den Benachteiligten besteht nach dem hier entwickelten Verständnis in der Beeinträchtigung der Chancengleichheit beim Zugang zu Beschäftigung und beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen, deren Schutz auch die europäischen Richtlinien bezwecken.92 Beeinträchtigung der Chancengleichheit meint aber nicht nur die verlorene Chance zur Einstellung, zur Beförderung oder zum sonstigen Vertragsschluss, sondern auch die gleichberechtigte Teilhabe am Bewerbungsverfahren selbst.93 Sofern es sich um eine Benachteiligung bei den Arbeitsbedingungen, insbesondere bei der Vergütung, oder Kündigung handelt, liegt eine Ungleichbehandlung vor, die ebenfalls den gleichberechtigten Zugang zum Beruf betrifft. Dieses anhand des AGG und der Richtlinien entwi91 EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 Rn. 63 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 Rn. 90 (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 Rn. 78 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/ 06 Rn. 67 f. (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 Rn. 75 (Soila). 92 Siehe oben § 3.B.V.2.b., S. 170 ff. 93 Siehe oben § 3.B.V.2.b., S. 170 ff.

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ckelte Verständnis lässt sich mit der Beschreibung des immateriellen Schadens als Beeinträchtigung der Selbstentfaltung in Einklang bringen. Die Bewerbung und ihre Ernstnahme durch den potentiellen Vertragspartner gehören zur Entfaltung der Person. Sie ist notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung der materiellen Vertragsfreiheit und zur Durchsetzung der Gleichbehandlung. Die Selbstentfaltung des Menschen ist im Ansatz allerdings auf die Person selbst und nicht auf ihre Interaktion mit Dritten bezogen. Umfasst ist die eigene Lebensführung durch den Menschen in autonomer und schöpferischer Weise. Das ist im Ursprung eine solipsistische Betrachtung, die die Gleichberechtigung, Gleichbehandlung und Chancengleichheit nicht unmittelbar erfasst. Es bedarf somit einer Begründung, warum die Selbstentfaltung darüber hinaus die Gleichberechtigung und Chancengleichheit der Person einbeziehen soll. Unabhängig von den rechtlichen Vorgaben ist zu berücksichtigen, dass die Betrachtung der Selbstentfaltung unvollständig ist, wenn sie sich auf den einzelnen Menschen beschränkte und das Nebeneinander einer Vielzahl von Personen mit der gleichen Menschenwürde und Selbstentfaltungsfreiheit ausblendete. Die Verwirklichung der Selbstentfaltung ist nicht voraussetzungslos, sondern wird durch das Verhalten Dritter – in diesem Fall der (potentiellen) Vertragspartner – beeinflusst. Die von ihnen ausgehende Ungleichbehandlung, die Teil ihrer Selbstentfaltung ist, beschränkt zugleich die Selbstentfaltung des Benachteiligten. Diesen Konflikt löst das AGG, indem es die Benachteiligung wegen der in § 1 AGG erfassten Merkmale verbietet. Auf diese Weise erhält die Selbstentfaltung eine zusätzliche Dimension, indem sie den Menschen nicht nur in seiner Lebensführung schützt, so wie sie nach seinen Möglichkeiten besteht, sondern auch die Bedingungen für die Selbstentfaltung sichert. Der Schutz vor unzulässigen Benachteiligungen gewährleistet die tatsächliche Vertragsfreiheit zugunsten des Benachteiligten, indem die Vertragspartnerwahlfreiheit beschränkt wird. Verfassungsrechtlich lässt sich dieser Schutz der Selbstentfaltung durch Gleichbehandlung zum einen auf die Wertungen der Gleichheitsrechte aus Art. 3 Abs. 2, 3 GG stützen, die den Staat verpflichten, auf die Verwirklichung der Gleichbehandlung hinzuwirken.94 Zum anderen ergibt sich aus den Freiheitsrechten aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG für den Staat eine grundrechtliche Schutzpflicht, wenn die Verwirklichung der Freiheit durch Private mit hoher Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt wird und sich daraus gravierende Folgen für den Grundrechtsinhaber ergeben.95 Das AGG ist auch als Verwirklichung dieser grundrechtlichen Vorgaben anzusehen. Zudem setzt es die eu94

Siehe oben § 3.B.V.2.b., S. 172. Isensee/Kirchhof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 96 (die Schutzpflicht ergebe sich aus dem Freiheitsrecht); zur Wechselwirkung von Freiheit und Gleichheit auch Erichsen, DVBl. 1989, 289, 295; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 291 f., 295 (die Schutzpflicht wird nur auf das Freiheitsrecht gestützt). 95

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ropäischen Richtlinien um, die die Verwirklichung der Gleichbehandlung schützen und mit den Wertungen der Art. 21 Abs. 1, 23 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU und Art. 14 EMRK in Einklang stehen. Somit bestehen auf nationaler wie europarechtlicher Ebene Vorgaben, die erkennen lassen, dass Selbstentfaltung neben der sich auf das einzelne Individuum konzentrierenden Sicht auch einen gleichheitsrechtlichen Aspekt hat, weil die Diskriminierung die Autonomie des Einzelnen beschränkt. Ihre Verletzung verursacht somit einen ideellen Schaden, der zu entschädigen ist. b) Immaterielle Schäden bei den unterschiedlichen Formen von Benachteiligungen Der Schaden variiert bei unzulässigen Benachteiligungen nach ihrer Art. Er kann sich in der Beeinträchtigung der Chancengleichheit erschöpfen oder mit Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder sogar mit Gesundheitsbeschädigungen verbunden sein. Insbesondere Belästigungen nach § 3 Abs. 3 AGG und sexuelle Belästigungen nach § 3 Abs. 4 AGG gehen mit Persönlichkeitsverletzungen und nicht selten mit psychischen Erkrankungen einher. Bei sexuellen Belästigungen können zudem Verletzungen der sexuellen Integrität vorliegen. Das ergibt sich bereits aus der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 3, 4 AGG, die die erniedrigende, entwürdigende Form des Umgangs als Voraussetzung für eine solche Belästigung benennt. § 3 Abs. 4 AGG führt zudem die unerwünschten sexuellen Handlungen und die Aufforderung zu ihnen als Form der sexuellen Belästigung an. Ideelle Schäden, die aus diesen Rechtsverletzungen resultieren, erhöhen den Umfang des ersatzfähigen Schadens. Auch die unmittelbare Diskriminierung hat über die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung hinaus eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Folge. Die direkte Benachteiligung wegen eines von § 1 AGG erfassten Merkmals, das der Person unmittelbar anhaftet und zu ihrer Persönlichkeit gehört, bringt stets eine Geringschätzung und somit Erniedrigung dieser Person zum Ausdruck. Sofern der Benachteiligte von dieser Handlung Kenntnis erlangt, reagiert er regelmäßig emotional, so dass sich der immaterielle Schaden vergrößert. Sofern er von der Benachteiligung wegen des Merkmals i. S. des § 1 AGG nicht direkt erfährt, sondern z. B. die Bewerbungsunterlagen einfach zurückerhält oder eine andere Begründung vorgeschoben wird (verdeckte Diskriminierung), entfällt der Schaden dennoch nicht. Zum einen besteht weiterhin die Beeinträchtigung der Chancengleichheit, zum anderen kann eine Erniedrigung ebenso wie eine Beleidigung auch gegenüber Dritten erfolgen. Insbesondere bei der Beteiligung weiterer Personen am Auswahlverfahren kann es im Verhältnis der Personen untereinander zu Äußerungen kommen, die die Erniedrigung des Bewerbers ausdrücklich oder konkludent bewirken, so dass auch in diesen Fällen eine gleichzeitige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eintritt und ein Schaden entsteht, auch wenn er

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sich nur schwer darlegen und beweisen lässt. Sein Umfang ist jedoch regelmäßig geringer, weil die emotionale Reaktion des Benachteiligten nicht wie bei einer offenen Diskriminierung gegenüber dem Benachteiligten eintritt. Der Eintritt des Schadens wird insbesondere bei mittelbaren Diskriminierungen bezweifelt, bei denen die Ungleichbehandlung an ein neutrales Kriterium anknüpft. Eine Persönlichkeitsverletzung tritt insofern nicht ein und eine emotionale Reaktion des Benachteiligten liegt nicht in gleicher Weise vor. Allerdings führt die mittelbare Benachteiligung grundsätzlich zu einer Beeinträchtigung der Selbstentfaltung. Dieser ideelle Schaden ist aber nicht in Geld zu entschädigen, wenn er durch andere Maßnahmen nachträglich beseitigt wird. Insbesondere bei Diskriminierungen hinsichtlich des Entgelts führt die nachträgliche Zahlung des entgangenen Einkommens zur Wiederherstellung in materieller Hinsicht. Zugleich wird damit die ursprüngliche Beeinträchtigung der Chancengleichheit egalisiert. 6. Immaterielle Schäden infolge einer vertraglichen Pflichtverletzung (ohne Berücksichtigung des AGG) Jenseits des AGG bestimmen weitere Regelungen eine Entschädigung immaterieller Schäden wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten. Der Schaden resultiert, sofern es sich nicht um die Verletzung einer Schutzpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB handelt, nicht aus einer Rechtsgutsverletzung i. S. des § 253 Abs. 2 BGB, sondern ist in der Regel Folge der Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflicht. Das gilt für den Entschädigungsanspruch nach dem Reisevertragsrecht (§ 651f Abs. 2 BGB) wie für den Ausgleichsanspruch bei der Personenbeförderung per Flugzeug und Bahn (Art. 7 VO [EG] Nr. 261/ 2004, Art. 17 Abs. 1, 3 VO [EG] Nr. 1371/2006). Auch die vertraglichen Erweiterungen der Haftung beziehen sich hauptsächlich auf die Verletzung der Hauptleistungspflicht, sofern sie auf die Herbeiführung eines ideellen Zwecks gerichtet ist. Die Pflichtverletzung ruft beim Gläubiger zumindest Unannehmlichkeiten hervor, die eine emotionale Belastung darstellen können (z. B. Hektik, Stress). Vor allem ist aber die Selbstentfaltung beeinträchtigt. Da der Vertrag den Schuldner in diesen Fällen zu einer Leistung verpflichtet, die dem Gläubiger die Selbstentfaltung ermöglichen oder ihn dabei unterstützen soll, sind die Folgen der Pflichtverletzung, die die Lebensgestaltung des Gläubigers betreffen, vom Schuldner zu ersetzen, soweit seine Leistung sie gewährleisten sollte. Bei Reisemängeln besteht der ideelle Schaden im entgangenen Urlaubsgenuss, der aus dem Erholungs- oder Erlebniswert der Reise hervorgehen sollte. Bei Verspätungen oder Annullierungen der Beförderung mit dem Flugzeug oder der Bahn und bei der Nichtbeförderung entstehen Unannehmlichkeiten vor allem dadurch, dass der geplante Tagesablauf verhindert wird. Das kann insbesondere zu vertaner Freizeit führen. Die Haftung nach den Verordnungen macht die Entschädigung davon unabhängig. Diese bewerten die Zuver-

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lässigkeit und Planbarkeit der Beförderung so hoch, dass die Störung bei der Flug- oder Bahnreise als Beeinträchtigung der Selbstentfaltungsfreiheit anzusehen ist. Zwar dienen Verträge und vertraglich vereinbarte Leistungen generell der Selbstverwirklichung von Schuldner und Gläubiger, aber nur in den gesetzlich geregelten oder vertraglich vereinbarten Fällen sind die ideellen Einbußen für die Gläubiger ausnahmsweise zu entschädigen. Hieran wird nochmals deutlich, dass die Beschreibung des immateriellen Schadens als Einbuße an Selbstentfaltungsfreiheit über den Kreis der ersatzfähigen Schäden hinausgeht. Das spricht aber nicht gegen die Schadensbeschreibung, da auch das Gesetz zwischen den Schäden und ihrer Ersatzfähigkeit unterscheidet (§ 253 Abs. 1 BGB). III. Ablehnung des Rückgriffs auf den sog. objektiven Schadensbegriff Die Einführung eines objektiven Schadensbegriffs wurde beim Ersatz ideeller Schäden vor allem befürwortet, wenn der subjektive Schadensbegriff versagte oder angenommen wurde, dass er den ersatzfähigen Schaden nicht vollständig erfasse. Das galt zum einen für die empfindungsunfähigen Geschädigten, die keine Gefühlsschäden erleiden96, und zum anderen für die Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts97. Einer solchen Ergänzung des subjektiven immateriellen Schadens bedarf es nach der hier vorgenommenen Neuausrichtung der positiven Beschreibung des Nichtvermögensschadens nicht. Indem neben den Gefühlsschäden der Verlust an dem nicht vermögenswerten Rechtsgut und die daraus resultierende Beschränkung der Selbstentfaltung als Einbuße an Interesse anerkannt werden, lassen sich die Folgen des Schadensfalles, die keine Vermögenseinbuße sind, vollständig erfassen. Insbesondere die Selbstentfaltung nimmt auf die Handlungsmöglichkeiten Bezug, die dem Geschädigten ohne das schädigende Ereignis offengestanden hätten. Mit diesem Begriff lässt sich die gesamte Aktivität eines Menschen, die er in Verwirklichung seines Potentials unternimmt, erfassen. Die Selbstentfaltung knüpft zudem nicht an einem bestimmten Rechtsgut an und versagt bei der positiven Beschreibung des immateriellen Schadens daher nicht, wenn der Schaden unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung ist, weil er sich aus einer vertraglichen Pflichtverletzung ergibt. Zudem hat die Bezugnahme auf die Selbstentfaltung den Vorteil, dass die positive Beschreibung des immateriellen Schadens auch bei einer Erweiterung der ersatzfähigen Nichtvermögensschäden funktionsfähig bleibt. Das gilt beispielsweise für den Trauerschaden von Angehörigen, der im Gefühlsschaden und in der Lebenshemmung besteht, die wegen des Todesfalls eintritt. Auch die Erweiterung der Entschädigungsansprüche für ideelle Einbußen aus ver96 97

Siehe Brüggemeier für die Anerkennung eines Per-se-Schadens, dazu § 1.C.II.2., S. 51 f. Zu dem Vorschlag v. Bars, s. § 1.C.II.3., S. 53 f.

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traglicher Haftung lässt sich durch diese Beschreibung erfassen, weil der Vertragsschluss Teil der Lebensgestaltung ist und die Verletzung der Hauptleistungspflicht die Selbstentfaltung beeinträchtigt. Somit bedarf es keines Rückgriffs auf den objektiven Schaden, der die Rechtsgutsverletzung mit dem Schaden gleichsetzt. Angesichts der umfassenden positiven Beschreibung des subjektiven Schadens hätte der kumulative Rückgriff auf den objektiven Schadensbegriff, z. B. durch die Anerkennung eines Per-se-Schadens, zur Folge, dass die Gefahr einer Überkompensation besteht. Zudem wird nicht mehr die Einbuße des Geschädigten in den Vordergrund gerückt, sondern das verletzte Rechtsgut, so dass es sich um einen vom Schaden unabhängigen Rechtsgüterschutz handelt. Die Schadensersatzansprüche haben zwar einen abschreckenden Effekt und wirken somit präventiv, so dass sie eine Form des Rechtsgüterschutzes sind. Die §§ 249 ff. BGB regeln aber die Wiederherstellung bzw. Kompensation der ersatzfähigen Schäden, so dass sich der objektive Schadensbegriff mit den gesetzlichen Regelungen ohnehin nur vereinbaren lässt, wenn der Schadensersatzanspruch nicht einseitig auf die Restitution und Kompensation ausgerichtet ist, sondern eine gleichberechtigte Präventionsfunktion oder einen pönalen Zweck hat, der eine überkompensatorische Entschädigung fordert. Hierauf ist im vierten Teil der Arbeit näher einzugehen.

D. Verallgemeinerbarkeit des Begriffs für ein europäisches Schadensersatzrecht I. Verallgemeinerbarkeit des Begriffs für ein Europäisches Privatrecht Die bisherigen Vorschläge für ein Europäisches Privatrecht enthalten keine Definition des Nichtvermögensschadens oder des immateriellen Schadens, sondern begnügen sich mit einer beispielhaften Aufzählung einzelner Einbußen. Erfasst sind nicht nur emotionale Reaktionen, sondern auch Beeinträchtigungen der Lebensqualität. Daneben bezieht der DCFR die sog. Per-seSchäden (injury as such) ein, die neben die subjektiven Schäden des Geschädigten treten. Ihre Ersatzfähigkeit ist in speziellen Bestimmungen über Schäden infolge einer Körperverletzung (Art. VI.-2:202) und infolge einer Verletzung der Würde, Freiheit und Privatsphäre (Art. VI.-2:203) geregelt.98 Das Verhältnis zwischen dem Begriff des immateriellen Schadens und der injury as such als ersatzfähigem Schaden ist ungeklärt. Das beruht bereits darauf, dass der Perse-Schaden allein an der Rechtsverletzung anknüpft, wohingegen der immaterielle Schaden eine tatsächliche Einbuße voraussetzt. Bei der Entwicklung eines allgemeinen Begriffs des immateriellen Schadens ist an die Grundpfeiler eines Europäischen Zivilrechts anzuknüpfen, das 98

Ausführlich oben § 9.C.II.2, 3.b, c., S. 491 ff., 497 ff., 499 f.

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Unionsprivatrecht und das Recht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union99. Insofern zeigen die Ergebnisse aus Teil 2 der Arbeit, dass sich im Europarecht bisher kein allgemeiner Begriff entwickelt hat. In den unterschiedlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten wird ebenso wie im deutschen Recht an den Gefühlsschaden angeknüpft, so dass beim Ersatz der Schäden empfindungsunfähiger Geschädigter vergleichbare Begründungsschwierigkeiten auftreten. Daneben kennen das französische und das englische Recht weitere Schadenspositionen, wie die Beeinträchtigung der Lebensführung oder den dommage sexuel. Gerade bei Einbußen in der Lebensführung wird nicht einheitlich beurteilt, ob ein Empfindungsvermögen für die Annahme eines Schadens notwendig ist. Darüber hinaus besteht bei Persönlichkeitsverletzungen oder Diskriminierungen die Schwierigkeit, den ideellen Schaden vollständig und korrekt zu erfassen. Insofern ist zu erwägen, ob die Überlegungen, die der Weiterentwicklung des Begriffs des immateriellen Schadens im nationalen Recht zugrunde liegen, auch für die europäische Diskussion fruchtbar gemacht werden können. Es ist zu zeigen, inwieweit allgemeine Grundstrukturen bestehen, auf die sich die Überlegungen zurückführen und für das Europäische Privatrecht verallgemeinern lassen. Die Begriffsbildung im Unionsrecht erfolgt mangels einer bestehenden festgefügten Dogmatik nicht applikativ, sondern es ist konstruktiv vorzugehen. Dabei sind Gemeinsamkeiten in den Rechtsordnungen und die Aussagen des Unionsprivatrechts, aber auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze heranzuziehen.100 Zum einen sind die bestehenden rechtlichen Bestimmungen, zum anderen die Rechtsprechung zum Ersatz immaterieller Schäden zu berücksichtigen. Die Systematisierung dieses Ausgangsmaterials ist die Grundlage für ein rechtsordnungsübergreifendes Verständnis des ideellen Schadens, das zudem den Anforderungen innerer Kohärenz genügen muss.101 Die Darstellung bezieht sich nur auf die hier untersuchten Rechtsordnungen, so dass das Ergebnis nur ein vorläufiges sein kann. Allerdings kommt es für die Bildung eines allgemeinen Begriffs nicht darauf an, dass der gewonnene Begriff von allen Mitgliedstaaten in jedem Detail geteilt wird. Die nationalen Besonderheiten können sogar helfen, um den allgemeinen Begriff herauszuarbeiten. Zumindest soll der Inkonsistenz des bestehenden Entwurfs hinsichtlich des Per-se-Schadens entgegengewirkt werden. Dazu sind die Gründe für die Anerkennung des Per-se-Schadens zu berücksichtigen, um das Verhältnis zum immateriellen Schaden zu klären oder die Aufnahme der zusätzlichen 99

Jansen, ZEuP 2005, 750, 763 f., 773 f. Jansen, ZEuP 2005, 750, 763 f., 773 f. 101 Jansen, ZEuP 2005, 750, 768, zur Kohärenz als Anforderung der juristischen Argumentation und Theoriebildung Alexy/Peczenik, Concept of Coherence, S. 130 ff.; Bracker, Kohärenz, S. 217 ff., 244 f.; Jansen, Gerechtigkeit, S. 300 ff. 100

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Kategorie überflüssig zu machen. Am Ende der Diskussion muss ein kohärentes Schadensersatzrecht stehen, dessen Begriffe aufeinander abgestimmt sind und bei dem die Bemessung der Entschädigung entsprechend der Funktion des Schadensersatzanspruchs erfolgt. II. Grundlage für den Begriff des ideellen Schadens im Europäischen Privatrecht Die Rechtsvergleichung hat gezeigt, dass in den einbezogenen Rechtsordnungen ebenso wie im deutschen Recht ein subjektiver Begriff des Nichtvermögensschadens zugrunde gelegt wird. Der Schadensersatz wird häufig als Ausgleich von Unannehmlichkeiten durch die Verschaffung von Annehmlichkeiten beschrieben, so dass die Gefühlseinbuße als ideeller Schaden angesehen wird. Bei den Körperverletzungen wird daher auf die Schmerzen und Leiden sowie den Verlust von Lebensfreude abgestellt. In den Vergleichsländern kommt es für die ideellen Schäden somit überwiegend auf das Empfinden des Geschädigten an.102 Etwas anderes gilt nur für die Rechtsprechung des House of Lords, das bei den loss of amenities auf den objektiven Lebensführungsschaden abstellt, ohne dass es auf die Wahrnehmung oder das Empfinden des Geschädigten ankommt.103 Daher sprechen die englischen Gerichte dem Geschädigten, der nicht mehr über seine Situation reflektieren kann, eine Entschädigung zu, auch wenn sie – mangels einer zusätzlichen Gefühlseinbuße – geringer ist als bei empfindungsfähigen Geschädigten. In Frankreich und Österreich gewähren die Gerichte in diesen Fällen ebenfalls eine Entschädigung, obwohl kein Gefühlsschaden vorliegt.104 Die Metapher von der Verschaffung von Annehmlichkeiten dürfe eine Entschädigung nicht verhindern. Zudem wird auf die Wertungen der Rechtsordnung verwiesen. Eine grundsätzliche Revision der positiven Beschreibung des immateriellen Schadens erfolgt indes nicht. Für die Entschädigung der Nichtvermögensschäden, die infolge einer Persönlichkeitsverletzung oder Diskriminierung eingetreten sind, haben sich in den Vergleichsländern keine eigenen Schadensbeschreibungen entwickelt. Soweit emotionale Reaktionen des Geschädigten eintreten, werden diese berücksichtigt. Ansonsten orientiert sich die Bemessung der Entschädigung am Umfang und an der Intensität der Rechtsgutsverletzung sowie den sich daraus ergebenden Auswirkungen für den Geschädigten.105 Ähnlich wie im deutschen Recht hat die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung einzelner Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts oder wegen einer Diskriminierung an den bestehenden Begriff des immateriellen Schadens an102 103 104 105

Siehe oben § 6.E.II., S. 338 f., 340, 347. Siehe oben § 6.E.II.4., S. 346. Siehe oben § 6.E.II.1, 3., S. 338 f., 340. Siehe oben § 6.E.III., S. 350 ff.

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geknüpft, ohne ihn allgemein zu korrigieren. Vor allem die Bemessung der Entschädigung wurde an diese Schadensersatzansprüche angepasst. Im internationalen Recht finden sich keine vereinheitlichenden Regelungen zum Begriff und zur Entschädigung ideeller Einbußen. Als paradigmatisch kann höchstens die Rechtsprechung des EGMR nach Art. 41 EMRK angesehen werden, der den Vertragsstaaten eine Pflicht zur Entschädigung der materiellen und immateriellen Schäden zugunsten des Geschädigten auferlegt. Art. 41 EMRK beschränkt sich auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Die immateriellen Schäden, für die bisher eine Entschädigung zugesprochen wurde, waren stets psychische Folgen, so dass auf die Gefühlsbeeinträchtigung abgestellt werden konnte.106 Auch im Unionsrecht besteht keine eigene Definition für den Begriff des ideellen Schadens, obwohl die Richtlinien in ihre Sanktionsbestimmungen zum Teil auch die Entschädigung der Nichtvermögensschäden einbeziehen. Eine Ausgestaltung des Begriffs fehlt. Ein Anhaltspunkt für die Entwicklung einer positiven Beschreibung des immateriellen Schadens auf der Grundlage des Unionsrechts kann sich allein aus der Haftung der Europäischen Union gegenüber ihren Bediensteten nach Art. 340 Abs. 2 AEUV ergeben, der auf der Grundlage der allgemeinen Rechtsüberzeugung vom EuG konkretisiert wird. Das Gericht berücksichtigt bei der Bemessung der Entschädigung die Gefühlseinbußen und bezieht daneben die Beeinträchtigungen der Lebensführung ein, zu denen auch die Störung des gesellschaftlichen Lebens gehört.107 Der teilweise Verlust der Empfindungsfähigkeit wurde ebenfalls als Schaden berücksichtigt.108 Den Fall eines Geschädigten, der durch das schädigende Ereignis empfindungsunfähig wurde, musste der EuG bisher nicht entscheiden. Eine positive Beschreibung des Nichtvermögensschadens ist auf der Grundlage des internationalen und des Unionsrechts, die bereits rechtsordnungsübergreifend wirken, mangels konkreter Bestimmungen kaum möglich. Selbst die Regelungen zur Staatshaftung gestalten diesen Begriff nicht aus. Daher ist aus dem Vergleich der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und aus der Anschauung der bestehenden Rechtsprechung eine Grundlage für die Konkretisierung des Begriffs des immateriellen Schadens in Form einer positiven Beschreibung zu gewinnen. Übereinstimmend werden in den untersuchten Mitgliedstaaten und im Rahmen der Staatshaftung nach Art. 41 EMRK und Art. 340 Abs. 2 AEUV die Gefühlsschäden und die Beeinträchtigungen der Lebensführung entschädigt. Die Entschädigung der empfindungsunfähigen Geschädigten zeigt aber, dass das Gefühl nicht als notwendige Vorausset106

Siehe dazu § 7.C.II.4., S. 411. Siehe oben § 8.A.II., S. 432. 108 EuGH 3.2.1994 Slg. 1994, I-341 Rn. 37 (Grifoni II); s. auch zur Haftung der Gemeinschaft gegenüber Bediensteten EuGH 7.10.1982 Slg. 1982, 3493 Rn. 25 (Berti I); 8.10.1986 Slg. 1986, 2801 Rn. 20 (Leussink); EuG 3.3.2004 Slg. 2004, II-197 Rn. 178 (Vainker). 107

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zung anzusehen ist. Allerdings stellt allein das House of Lords klar, dass loss of amenities vom Gefühl unabhängig ist. Die Entwicklung eines Verständnisses vom immateriellen Schaden kann sich insofern nicht auf die Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten der Rechtsordnungen beschränken. Darauf ziehen sich auch die bereits entwickelten Principles des Europäischen Privatrechts nicht zurück. Sie definieren den Begriff zwar nicht, erläutern ihn aber zum Teil durch nicht abschließende Aufzählungen. Art. 9:501 PECL erfasst neben den Gefühlseinbußen wie Schmerzen, Leiden und enttäuschten Erwartungen auch Schikanen und die Folgen von Angriffen auf das Persönlichkeitsrecht, den Ruf oder die Ehre. Eine vergleichbare Aufzählung enthalten die PETL nicht. Hinsichtlich der Bemessung der Entschädigung wird aber klargestellt, dass eine Einbuße an Interesse eine Entschädigung rechtfertigen kann, insbesondere bei der Verletzung der Person, ihrer Würde, Freiheit oder anderer Persönlichkeitsrechte (Art. 10:301 Abs. 1). Die Entschädigung muss bei Personenschäden den Schmerzen und Leiden sowie der Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit entsprechen. Das lässt nicht eindeutig erkennen, ob die Entschädigung unabhängig vom Empfinden des Geschädigten sein soll. Der DCFR beschreibt den immateriellen Schaden ebenfalls nur beispielhaft als Schmerzen und Leiden sowie Einbußen an Lebensqualität. Aus den Kommentaren zum DCFR ergibt sich, dass neben den Gefühlseinbußen ein Schaden auch darin besteht, aus dem eigenen Leben nicht das Beste machen zu können. Insoweit lässt sich zusammenfassen, dass übereinstimmend die Gefühlsschäden sowie die Beeinträchtigung der Lebensführung zu entschädigen sind, aber keine Klarheit darüber besteht, ob und inwieweit es auf das Empfinden des Geschädigten ankommt. Die übereinstimmende Rechtsprechung in den untersuchten Rechtsordnungen spricht dafür, dass der Geschädigte auch dann zu entschädigen ist, wenn er seine Situation nach dem Schadensfall nicht mehr reflektieren kann. Für eine positive Beschreibung des immateriellen Schadens lässt sich der hiesige Ansatz auch auf europäischer Ebene fruchtbar machen, wenn dessen Grundlage verallgemeinerbar ist. Die positive Beschreibung des ideellen Schadens knüpft an die Vorstellung an, dass der Schaden eine Einbuße an Interesse ist, und erfasst den Verletzungs- und Verletzungsfolgeschaden nicht nur als Gefühlsschaden, sondern zugleich als Einbuße am nicht vermögenswerten Rechtsgut und als Beeinträchtigung der Selbstbestimmung. Die Einbuße des nicht vermögenswerten Rechtsguts, die bei Körperverletzungen durch die Heilbehandlung wiederhergestellt wird, ist in den untersuchten Rechtsordnungen und den Principles übereinstimmend als ersatzfähig beschrieben. Auch die Einbuße infolge der Verletzung des Persönlichkeitsrechts, z. B. in Form von Rufschäden oder durch die Öffnung der Privatsphäre, erfassen die Gerichte in den Rechtsordnungen und die Principles bereits als immateriellen Schaden, wenngleich der Schutz des Persönlichkeitsrechts und der Ersatz der Schäden unterschiedlich weit reicht.

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Darüber hinaus lässt sich der Verletzungsfolgeschaden auf europäischer Ebene als Einbuße an der Selbstentfaltung beschreiben, wenn sie ebenfalls ein anerkanntes Interesse des Geschädigten ist. Das setzt nicht voraus, dass die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung in vollem Umfang ersatzfähig ist. Es genügt, wenn die Selbstentfaltung als Interesse der Person anerkannt ist und nicht mit der Rechtsordnung in Konflikt steht. Die Entschädigung einer solchen Einbuße hängt zwar davon ab, ob der ideelle Schaden für ersatzfähig erklärt wird. Das Heranziehen der Selbstbestimmung zur Beschreibung des immateriellen Schadens ist aber nicht von der Ersatzfähigkeit abhängig. Somit sind Ansatzpunkte für die Übertragung der hier entwickelten Schadensbeschreibung in den bestehenden Principles erkennbar. Zudem beruht der Rückgriff auf die Selbstbestimmung auf dem Menschenbild, das den rechtlichen Bestimmungen zugrunde liegt und das im Schutz der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ausdruck gefunden hat. Diese Wertungsgrundlage beschränkt sich nicht auf die nationale Rechtsordnung, zumal sie insbesondere auf die philosophische Entwicklung der Frührenaissance zurückgeht, die in Europa im Zeitalter der Aufklärung und des Humanismus rezipiert wurde. Die Menschenwürde ist Teil der Verfassungstradition der Mitgliedstaaten und stellt einen allgemeinen Grundsatz der Europäischen Union dar, der bereits vor dem Inkrafttreten der Grundrechtecharta der Europäischen Union anerkannt war.109 Art. 1 der Grundrechtecharta regelt nun die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Ihre Definition wird zwar offengelassen, das darin wurzelnde Menschenbild der Charta spiegeln aber die Regelungen der übrigen Grundrechte wider.110 Im Rahmen dieser Freiheitsrechte ist die Selbstentfaltung des Einzelnen gewährleistet. Durch die Anerkennung dieser Rechte in Art. 6 Abs. 1 EUV werden sie zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Europäischen Union. Das gilt ebenfalls für die EMRK. Sie nennt zwar den Schutz der Menschenwürde nicht ausdrücklich, der EGMR geht aber davon aus, dass der EMRK die Vorstellung von der Menschenwürde zugrunde liegt, da sie ihre Elemente im Einzelnen schützt.111 Somit lässt sich die positive Beschreibung des ideellen Schadens für das Europäische Privatrecht fruchtbar machen. Der DCFR sollte diese Schadensbeschreibung aufnehmen, um die ideellen Schäden zu beschreiben. Die Begriffsbestimmung ist durch den Bezug auf die Selbstentfaltung offen ge109 EuGH 30.4.1996 Slg. 1996, I-2143 Rn. 22 (P); Schwarze/Stumpf, EU-Kommentar, Art. 6 EUV Rn. 12. 110 Zur Menschenwürde als Fundament der Charta Rengeling/Szczekalla, Grundrechte, S. 323. 111 EGMR 29.4.2002 Appl. No. 2346/02 Rn. 65 (Pretty); 12.6.2003 Appl. No. 35968/97 Rn. 69 (van Kück); 6.7.2005 Appl. No. 43577/98, 43579/98 Rn. 145 (Nadova u. a.); s. auch Meyer-Ladewig, NJW 2004, 981, 982 f.; Schwarze/Voet van Vormizeele, EU-Kommentar, Art. 1 GRC Rn. 2.

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nug, um alle ideellen Schäden zu erfassen, auch wenn der DCFR hinsichtlich der Ersatzfähigkeit der Nichtvermögensschäden weiter geht als das nationale Recht. Die Beschreibung des immateriellen Schadens, die nicht allein an den Gefühlsschaden anknüpft, sondern auch die Einbuße an dem nicht vermögenswerten Rechtsgut und den Verlust an Selbstentfaltung erfasst, macht eine Ergänzung des Ersatzes materieller und immaterieller Schäden um den Ersatz eines Per-se-Schadens bei Körperverletzungen und den im DCFR erfassten Persönlichkeitsverletzungen nicht erforderlich. Die Aufnahme der Per-seSchäden lehnt sich an das italienische Recht an112, das jedoch mit der Entwicklung des danno biologico insbesondere auf die eingeschränkte Ersatzfähigkeit der immateriellen Schäden reagierte. Um den Geschädigten bei Körperverletzungen eine Entschädigung zu gewähren, wurde unter Rückgriff auf den Gesundheitsschutz nach Art. 32 der italienischen Verfassung der danno biologico entwickelt. Für die Einführung eines solchen Per-se-Schadens in den DCFR wird zudem darauf verwiesen, dass auf diese Weise die Körperverletzung als Schaden erfasst sei.113 Eine solche Erweiterung ist aber nicht erforderlich, wenn der Schadensbegriff die Einbuße an einem nicht vermögenswerten Rechtsgut und den Verlust an Selbstentfaltung erfasst. Zudem geht die Ersatzfähigkeit der ideellen Schäden im DCFR so weit, dass ein Schadensersatz für die Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen in vollem Umfang auch zugunsten empfindungsunfähiger Geschädigter gewährt wird. Ein Bedürfnis für die Erweiterung des Schadensersatzes um den Per-se-Schaden ergibt sich auch nicht bei den Persönlichkeitsverletzungen, für die ebenfalls darauf zu verweisen ist, dass der weite Schadensbegriff alle subjektiven Einbußen erfasst. Die Anerkennung des Per-se-Schadens birgt die Gefahr einer mehrfachen Entschädigung oder eines überkompensatorischen Schadensersatzes, obwohl der DCFR auf die Kompensation des erlittenen Schadens angelegt ist. Das zeigt auch der Gewinnabschöpfungsanspruch, der nur anstelle des Schadensersatzes geltend gemacht werden kann.

E. Zusammenfassung Der immaterielle Schaden grenzt sich negativ vom Vermögensschaden ab. Sein positive Beschreibung darf sich nicht auf die negative Gefühlsbilanz beschränken, wenn der nicht vermögenswerte Schaden vollständig erfasst werden soll. Der ideelle Schaden sind die Einbuße an dem verletzten, nicht vermögenswerten Rechtsgut (Verletzungsschaden) und der Verlust an Selbstentfaltung (Verletzungsfolgeschaden) sowie die damit einhergehenden Gefühlsschäden. Diese 112 113

v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, II.-2:201, B. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. I, II.-2:201, B.

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Schadensbeschreibung ist dem nationalen Recht zugrunde zu legen. Zudem lässt sie sich für das Europäische Privatrecht fruchtbar machen. Ihre Aufnahme in den Gemeinsamen Referenzrahmen hat den Vorteil der vollständigen Schadensbeschreibung. Zudem bedarf es des Per-se-Schadens als dritter Schadenskategorie neben materiellen und immateriellen Schäden nicht. Das gilt für das nationale wie für das europäische Privatrecht.

§ 12 Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden A. Ausgleich und Genugtuung immaterieller Schäden – Defizite der historisch gewachsenen Funktionsbeschreibung Der Gedanke des Schadensausgleichs ist im Schadensersatzrecht für Vermögens- und Nichtvermögensschäden seit langem verankert. Für die erlittene Einbuße soll ein Äquivalent in Geld gewährt werden. Das lässt sich bei Vermögensschäden als Schadensausgleich oder Entschädigung im Wortsinne beschreiben, da zumindest das bilanzielle Defizit kompensiert wird, so dass der Geschädigte vermögensmäßig so steht, wie er ohne den Schadensfall gestanden hätte. In Anlehnung daran wird die Entschädigung immaterieller Schäden vielfach als ein Gewähren von Annehmlichkeiten für die erlittenen Unannehmlichkeiten beschrieben, so dass gleichsam die Gefühlsbilanz – als Parallele zur Vermögensbilanz – ausgeglichen wird.1 Diese Funktionsbeschreibung wurde bereits im ersten Teil der vorliegenden Arbeit abgelehnt.2 Ihre Defizite führten vor allem in Schadensfällen, in denen der Geschädigte empfindungsunfähig wurde, zu der Überlegung, ob an die Stelle des auszugleichenden, subjektiven Schadens ein objektiver Schadensbegriff oder ein sog. Per-seSchaden treten sollte.3 Die Ergänzung der ersatzfähigen Schäden um einen Per-se-Schaden ist nicht erforderlich, weil der ideelle Schaden nicht vollständig vom Gefühl abhängt. Auch die Entschädigung hängt nicht von der Verschaffung von Annehmlichkeiten ab, so dass es auf die Empfindungsfähigkeit nicht ankommt. 1 Z. B. BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 227; 8.7.1953 NJW 1953, 1626; 6.7.1955 Z 18, 149, 154; 16.12.1975 NJW 1976, 1147, 1148; 22.6.1982 NJW 1982, 2123; F. Bydlinski, Liber Amicorum Widmer, S. 27, 40 ff.; Kern, AcP 191 (1991), 247, 248; Knöpfel, AcP 155 (1955), 135, 142; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 78; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 702; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 435; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/1, S. 591; Schmid, Schmerzensgeld, S. 84; Soergel/Zeuner, BGB, § 847 Rn. 26; so bereits Windscheid, Lehrbuch, Bd. II, 4. Aufl. 1875, § 251 Fn. 3, § 455 Fn. 31; ähnlich Gierke, Entwurf, S. 197; Kohler, Patentrecht, S. 651 ff.; ders., Bürgerliches Recht, Bd. II/1, S. 124; s. oben § 1.C.II.1., S. 47 ff., § 3.B.I., S. 150 ff. 2 Siehe oben § 3.B.I., S. 150 ff. 3 Vgl. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 575, 577; ebenso für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts v. Bar, Deliktsrecht, Bd. II, Rn. 22.

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Neben der Ausgleichsfunktion wurde der Entschädigung ideeller Einbußen bereits im 19. Jahrhundert eine Genugtuungsfunktion zugesprochen.4 Darin wirkt die historische Entwicklung des Schadensersatzes für Nichtvermögensschäden nach, deren Vorgänger die mittelalterliche Buße war, die sowohl dem Unrechtsausgleich als auch dem Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden diente.5 Nachdem das RG und der BGH nach Inkrafttreten des BGB dem Entschädigungsanspruch zunächst allein eine Ausgleichsfunktion zugewiesen hatten, sprach der Große Senat für Zivilsachen dem Anspruch aus § 847 BGB a. F. eine doppelte Funktion zu – Ausgleichsund Genugtuungsfunktion.6 Die Genugtuungsfunktion rückt die Entschädigung immaterieller Einbußen jedoch wieder in die Nähe einer Privatstrafe. Zudem vermag die Argumentation des BGH keine Genugtuungsfunktion zu begründen, die eine eigenständige Bedeutung neben dem Schadensausgleich entfaltet.7 Die Genugtuungsfunktion hatte zur Folge, dass die Entschädigung immaterieller Schäden dem Ausgleich materieller Schäden nicht vollständig gleichgestellt war. Bei Inkrafttreten des BGB wies insbesondere die Zurückhaltung des Gesetzgebers gegenüber der Kompensation ideeller Schäden in diese Richtung. Der Ersatz war nach § 253 BGB a. F. generell ausgeschlossen, und die Ausnahmen in § 847 BGB a. F. und § 1300 BGB a. F. nahmen eine Sonderstellung ein. Spätestens seit der Reform des Schadensersatzrechts von 2002 ist der Ersatz immaterieller Schäden Teil des allgemeinen Schadensersatzrechts. Es handelt sich um eine Rechtsfolgenbestimmung, die neben dem Ausgleich materieller Schäden im allgemeinen Schadensersatzrecht steht. § 253 Abs. 1 BGB schließt zwar weiterhin die Entschädigung von Nichtvermögensschäden grundsätzlich aus. Die Integration des § 253 Abs. 2 BGB in das allgemeine Schadensersatzrecht und die damit einhergehende Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen auf alle Haftungstatbestände bringt aber zum Ausdruck, dass die immateriellen Schäden ebenso ersetzt werden wie die materiellen Schäden, solange die zusätzlichen Voraussetzungen der Bestimmungen erfüllt sind, die eine Kompensation ideeller Schäden regeln.8 Die Be4 v. Jhering, JhJb. 18 (1880), 1, 51 ff. (Satisfaktionsfunktion); ebenso Binding, Normen, Bd. I, S. 415; Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 22 ff.; Gierke, Entwurf, S. 197. 5 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 226; s. auch RG 7.4.1932 Z 136, 60, 61 f. (Berücksichtigung des Verschuldens nur, soweit es verbitternd und somit schadenserhöhend wirkte); RG 6.3.1940 Z 163, 87, 88 f. 6 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 150; seitdem st. Rspr., BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 4 f.; 29.11.1994 Z 128, 117, 120 f. 7 Ausführlich oben § 3.D.II., S. 181 ff. 8 Vgl. zur Einordnung als Rechtsfolgenbestimmung des allgemeinen Schadensersatzrechts Ady, ZGS 2003, 13, 16; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 253 Rn. 7; Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 2; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 16; Palandt/ Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 253 Rn. 2; Rauscher, Jura 2002, 577, 579; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 23; s. auch § 16.C.II.3., S. 696 f.

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schränkung der Ersatzfähigkeit in § 253 Abs. 1 BGB zwingt aber nicht, diese Schäden bei der Beschreibung der Funktion der Entschädigung eine Sonderrolle zuzuweisen. Die Genugtuungsfunktion ist schon vor der Reform des Schadensersatzrechts in der Praxis zurückgetreten und wird heute vor allem bei den Vorsatztaten gegen die Person und bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herangezogen.9 Bei Vorsatztaten soll die Herabwürdigung des Geschädigten kompensiert werden, die mit einer solchen Tat gegen die Person verbunden ist.10 Somit lässt sich die Genugtuung als Ersatz des immateriellen Schadens wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betrachten, die mit der Vorsatztat gegen die Person einhergeht. Die Genugtuungsfunktion hat daher nur dann eine Existenzberechtigung, wenn bei Persönlichkeitsverletzungen wegen der Art des betroffenen Rechtsguts eine gesonderte Funktionsbeschreibung erforderlich ist oder wenn eine Entschädigung über den eingetretenen Schaden hinaus gerechtfertigt werden kann. Die Überwindung der Genugtuungsfunktion hat Einfluss auf die Bemessung der Entschädigung. Sofern allein der erlittene Schaden für die Höhe der Entschädigung maßgeblich ist, lassen sich die Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht berücksichtigen.11 Auch das Verschulden des Schädigers hat lediglich Einfluss auf den Schadensersatzanspruch, wenn es den Schaden vergrößert.12 Etwas anderes gilt nur, wenn eine Proportionalitätshaftung im Schadensersatzrecht eingeführt würde. Angesichts der Kritik an der Ausgleichs- und der Genugtuungsfunktion ist es entscheidend, zunächst die Entschädigung der Nichtvermögensschäden trotz ihrer Inkommensurabilität stimmig zu begründen. Es bedarf einer allgemeinen Beschreibung der Funktion des Ersatzes immaterieller Schäden in Geld, die allen Entschädigungsansprüchen zugrunde liegen kann. Der Gesetzgeber hat die Entschädigung der Nichtvermögensschäden bewusst in das allgemeine Schadensersatzrecht verlagert, damit zum Schutz des Opfers die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nicht mehr vom Haftungsgrund abhängt.13 Angesichts dieser Zielsetzung gebietet der Regelungszweck eine einheitliche Funktionsbeschreibung. Der Gesetzgeber geht von der Ausgleichsfunktion aus und verweist nur für die Entschädigung bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und den Vorsatztaten auf die Genugtuungsfunktion. Soweit die Entschädigung immaterieller Einbußen wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Besonderheiten

9

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25. Ebert, Pönale Elemente, S. 466 ff.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 155; s. oben § 4.C.IV.2., S. 249 ff. 11 Siehe oben § 4.C.IV.1., S. 246 ff. 12 Siehe oben § 4.C.IV.2., S. 249 ff. 13 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14 f., 24. 10

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aufweist, die eine eigenständige Genugtuungsfunktion rechtfertigen, ist ihre Kompensation in eine einheitliche Funktionsbeschreibung zu integrieren. Davon unabhängig ist im vierten Teil der Arbeit der Frage nachzugehen, ob die Entschädigung immaterieller Schäden darüber hinaus eine Präventionsfunktion haben kann, die einen überkompensatorischen Schadensersatz erlaubt. Die Entscheidung darüber tangiert die allgemeine Beschreibung der Funktion des Entschädigungsanspruchs nicht. Bisher wurde nur eine Ergänzung des Schadensausgleichs um eine selbständige Präventionsfunktion gefordert. Einen Entschädigungsanspruch, der nicht zumindest auch einen Schadensausgleich bezweckt, fordert die Literatur grundsätzlich nicht. Ein solcher Anspruch auf Geldzahlung wäre eine Privatstrafe, aber kein Schadensersatz mehr.14

B. Entschädigung immaterieller Einbußen trotz Inkommensurabilität I. Geldzahlung für einen Schaden ohne Marktwert 1. Gleichsetzung der Geldzahlung mit dem ideellen Schaden Ein zentrales Hindernis für den Ersatz immaterieller Schäden in Geld war zunächst die Inkommensurabilität des Schadens. Bereits im römischen Recht galt der Körper eines freien Mannes als der Wertschätzung entzogen.15 Lediglich für die Verletzung des Sklaven wurde dem Eigentümer ein Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der actio legis Aquiliae gewährt. Für den Freien bestand nur die Klage der actio iniuriarum, die für Beleidigungen im Sinne der contumelia eine pönale Buße gewährte.16 Im germanischen Recht bestand seit dem Mittelalter insbesondere bei Körperverletzungen ein Anspruch auf Wergeld, später auf Bußen, die sowohl der Abgeltung des immateriellen und materiellen Schadens als auch dem Unrechtsausgleich dienten.17 Mit der zunehmenden Verselbständigung der Strafen, mit der die Monopolisierung der Strafgewalt einherging, löste sich allmählich der Ersatz ideeller Schäden von der Strafe. Im Usus modernus pandectarum wurde unter dem Eindruck der gewohnheitsrechtlichen Bußen im deutschen Raum sowie der Constitutio Criminalis Carolina die actio legis Aquiliae auf Körperverletzungen und – insbesondere von Struve – auf den Ausgleich der Schmerzen erweitert.18 Die In14 Siehe die Diskussion über einen Entschädigungsanspruch bei der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts § 2.A.VII.1., S. 98 ff. 15 Gaius D. 9, 3, 7: „Liberum corpus nullam recipit aestimationem.“; ebenso Gaius D. 9, 1, 3; Ulpian D. 9, 3, 1, 5; dazu Wieling, Interesse, S. 131 f. 16 Ausführlich dazu Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. I, S. 513; Walter, Schmerzensgeld, S. 71 f.; Zimmermann, Law of obligations, S. 1050 ff. 17 Wieling, Interesse, S. 136 ff. 18 Struve, Jurisprudentia Romano-Germanica Forensis, 1670, lib. III, tit. 23, § 20.

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kommensurabilität der Schmerzen spielte dabei keine erkennbare Rolle, was auf der langanhaltenden Tradition der Bußen beruht haben mag. Ähnlich erweiterte Stryk die Klage nach der lex Aquilia auf Schmerzen bei Körperverletzungen.19 Mit der endgültigen Trennung der Bußen bzw. des Schmerzensgelds von der Strafe wurde das Schmerzensgeld als Schadensersatz eingeordnet.20 Der Zweck der Geldzahlung ließ sich angesichts der Inkommensurabilität des Schadens aber schwer als Ausgleich im Wortsinne beschreiben. Insbesondere Windscheid, aber auch Kohler und von Gierke gingen nicht davon aus, dass der zu zahlende Geldbetrag der Gegenwert des erlittenen Schadens war.21 Das Problem der Inkommensurabilität des Schadens wurde dadurch gelöst, dass für die Unannehmlichkeiten, die den Schaden ausmachen, Annehmlichkeiten gewährt werden sollten und ihr Preis die Entschädigung begründe.22 In der Praxis setzte sich diese Berechnung der Entschädigung anhand der zu leistenden Annehmlichkeiten zwar nicht durch, aber zumindest erfolgte bei der Funktionsbeschreibung keine direkte Gleichsetzung des immateriellen Schadens mit einem Geldbetrag. Darin zeigt sich aber, dass der Rückgriff auf die gewährten Annehmlichkeiten eher ein Ausweg war, um die Gleichsetzung des immateriellen Schadens mit einem Geldbetrag zu begründen.23 Im französischen Recht wurde zur Begründung der Geldzahlung auch darauf verwiesen, dass es sich um den Preis handle, den der Geschädigte von einem anderen verlangen würde, um sich einen solchen Schaden zufügen zu lassen.24 Das gibt die Bezeichnung pretium doloris treffend wieder. Diese Begründung des Schadensersatzes in Geld für einen Nichtvermögensschaden war jedoch nicht auf Ehrverletzungen übertragbar, da in solchen Fällen nicht mit der Einwilligung des Geschädigten gerechnet werden konnte. Gerade für immaterielle Schäden aus solchen Rechtsgutsverletzungen entwickelte sich daher die Genugtuungsfunktion, die später der Entschädigung für alle Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugewiesen wurde.25 Daneben beruht die Genugtuungsfunktion auf der pönalen Wurzel des Schadensersatzes für immaterielle Schäden.26 Die Buße als ihr Vorgänger diente auch der Ge19

Stryk, Specimen usu moderni pandectarum, lib. IX, tit. II, § 10. Zuerst v. Waechter, Buße, S. 74 ff.; v. Jhering, JhJb 18 (1880), 1, 41 ff., 49 f.; Kohler, Patentrecht, S. 651 f.; Windscheid, Lehrbuch, Bd. II, 4. Aufl. 1875, § 251 Fn. 3, S. 3; ausführlich zur historischen Entwicklung Braschos, Immaterielle Schäden, S. 14 ff.; Deutler, Schmerzensgeld, S. 16 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 448 ff.; Göthel, AcP 205 (2005), 36 ff.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 121 f. 21 Windscheid, Lehrbuch, Bd. II, 4. Aufl. 1875, § 251 Fn. 3, § 455 Fn. 31; ähnlich Gierke, Entwurf, S. 197; Kohler, Patentrecht, S. 651 ff.; ders., Bürgerliches Recht, Bd. II/1, S. 124. 22 Siehe oben § 3.B.I., S. 150 ff. 23 Dazu Brusiin, Problem, S. 23 ff.; F. Bydlinski, Liber Amicorum Widmer, S. 27, 35 ff. 24 Jansen, JZ 2005, 160, 167. 25 Siehe oben § 3.D.V., S. 189 ff. 26 Siehe oben § 3.D.III, IV., S. 184 ff. 20

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nugtuung des Geschädigten.27 Die Beschreibung des Schadensausgleichs als Verschaffung von Annehmlichkeiten für Unannehmlichkeiten, als pretium doloris, oder der Rückgriff auf die Genugtuung des Geschädigten reagieren auf die Inkommensurabilität des immateriellen Schadens. Sie beschreiben die Funktion des Entschädigungsanspruchs, ohne den immateriellen Schaden direkt mit einem Geldbetrag gleichzusetzen. Um sich von diesen Funktionsbeschreibungen zu lösen, soll insbesondere eine direkte Zuordnung des Geldbetrags zum immateriellen Schaden als Entschädigung erwogen werden, ohne dass eine neue Hilfskonstruktion wie bei der Ausgleichs-, Überwindungs- oder Genugtuungsfunktion eingeführt wird, die plausibel macht, dass es sich um einen Schadensausgleich handelt. Die Entschädigung nach den §§ 251–253 BGB und den übrigen Regelungen zum Ersatz ideeller Schäden ist jeweils eine Kompensation in Geld. Es erfolgt ein Wertersatz und keine Restitution, so dass es nicht um die Wiederherstellung des Zustands ohne das schädigende Ereignis im engeren Sinne geht. Bei den Vermögensschäden kann für den Wertersatz auf den bilanziellen Verlust abgestellt werden, so dass tatsächlich ein Schadensausgleich durch Wertersatz in Geld erfolgt. Diese Begründung eines Wertersatzes ist für die immateriellen Schäden wegen ihrer Inkommensurabilität verstellt. Soll ein Geldbetrag direkt dem erlittenen Schaden als Entschädigung gegenübergestellt werden, so bedarf es zunächst einer Begründung, dass eine Geldzahlung als Schadensersatz bei einem immateriellen Schaden zulässig ist. Zudem ist darzulegen, warum eine solche Entschädigung erfolgen soll, obwohl sie dem Geschädigten seinen Schaden weder unmittelbar noch wertmäßig abnimmt. Dabei ist zu untersuchen, ob die Funktionsbeschreibung unabhängig vom Haftungsgrund und vom verletzten Rechtsgut für alle Schadensfälle trägt. Die direkte Gleichsetzung des immateriellen Schadens mit einer Geldzahlung als Entschädigung darf zudem nicht gegen die Außengrenzen der Rechtsordnung verstoßen. Historisch betrachtet, galt es in bestimmten Bevölkerungskreisen lange als untunlich, einen inkommensurablen Nichtvermögensschaden in Geld zu bemessen.28 Insoweit ist zu prüfen, ob diese Gleichsetzung unbillig i. S. der guten Sitten ist. Darüber hinaus darf die schlichte Gleichsetzung des Schadens mit Geld, ohne dass es auf die Verschaffung von Annehmlichkeiten ankommt, nicht den §§ 249 ff. BGB widersprechen.

27

Schumann, HRG, Buße, S. 790, 791. Ausführlich § 12.B.I., S. 569 ff.; zur Diskussion bei der Erarbeitung des BGB z. B. Prot. I, S. 622; Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 24 f., der es ablehnt, die Vergütung wegen eines nichtökonomischen Schadens als Schadensersatz anzusehen, und den Satisfaktionsgedanken betont; ebenso Gierke, Entwurf, S. 197 f. (Gierke sieht die Entschädigung aber zugleich als Postulat der Gerechtigkeit an, so dass die Satisfaktion eher illustrierenden Charakter hat.); Mataja, ArchBürgR 1 (1889), 267, 276 f. 28

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2. Geldzahlung für immaterielle Schäden Eine Gleichsetzung des immateriellen Schadens mit einer Geldzahlung durch den Entschädigungsanspruch lässt sich vor allem darauf stützen, dass Geld ein allgemeiner Wertvertreter ist und der Anspruch auf Geld zum Ausdruck bringt, dass der Geschädigte eine Einbuße erlitten hat, die einen Wertverlust darstellt, auch wenn dieser keinen Vermögenswert hat. Der immaterielle Schaden ist eine Einbuße an Interesse, die entweder wegen der Verletzung eines Rechtsguts oder einer vertraglichen Pflicht zu ersetzen ist. Dem betroffenen absoluten oder relativen Recht ist zumindest objektiv durch den Schutz der Rechtsordnung ein (rechtlicher) Wert zugewiesen, indem es als subjektives Recht anerkannt und geschützt ist. Diese Wertschätzung des Rechts würde ignoriert, wenn die ideellen Schäden, die infolge der Rechtsgutsverletzung eintreten, ohne Folgen blieben. Die Einbuße, die sich aus der Verletzung eines solchen Rechts ergibt, ist für den Geschädigten somit ein Wertverlust. Dieser bezieht sich zum einen auf die Einbuße durch die Verletzung des Rechts selbst, zum anderen auf die Folgeschäden, die sich für den Geschädigten aus dieser Rechtsgutsverletzung ergeben. Das betroffene Interesse, die Selbstentfaltung des Geschädigten, ist für diesen ebenfalls ein Interesse, das durch die Rechtsordnung im Rahmen der Freiheitsrechte anerkannt und dem ein eigener Wert beigemessen ist, auch wenn es sich nicht um einen Vermögenswert handelt. Eine Geldzahlung kann einen Ersatz für diesen Verlust bewirken. Der universelle Wertvertreter ist insoweit die Zahlung in Geld, da Geld als allgemeines Zahlungsmittel einen Wert repräsentiert.29 Selbst wenn der Schaden nicht berechenbar ist, bringt die Zahlung von Geld doch zum Ausdruck, dass der Geschädigte eine rechtlich relevante Einbuße an Interesse erlitten hat, die Wertschätzung in der Rechtsgemeinschaft genießt. Die Geldzahlung ist gleichsam eine Anerkennung des erlittenen Schadens als auszugleichende Belastung. Damit wird der Geschädigte als Inhaber des verletzten Rechts in seiner Rechtsinhaberschaft bestätigt und ihm zugleich ein Vorteil in Geld gewährt.30 Das steht in Einklang mit dem Schutz des Rechtsguts durch die Rechtsordnung, an dessen Verletzung der Schadensersatzanspruch anknüpft. Sofern die Haftung für Nichtvermögensschäden unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung ist, legitimiert der rechtliche Schutz der verletzten Interessen eine Entschädigung der erlittenen Einbuße. Bei der Haftung wegen unzulässiger Benachteiligungen ist auf die Wertungen der europäischen Richtlinien sowie auf die Gleichheitsrechte aus Art. 3 Abs. 2, 3 GG und die staatliche Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG 29

Dazu Druey, Forderung, S. 38 f. Dieser Anerkennungsgedanke lässt sich auf Luhmanns Rechtssoziologie (S. 53 ff.) zurückführen, wonach die Sanktion der Abwicklung der vom Recht geweckten und durch die Rechtsverletzung enttäuschte Verhaltenserwartung dient, dazu unten § 12.III., S. 590 ff.; s. auch v. Medem, Schadensersatz, S. 133; auf den Rechtsgüterschutz verweist v. Mayenburg, Bemessung, S. 117; ähnlich Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 329, der die Entschädigung deswegen als Privatstrafe einordnet. 30

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zu verweisen. Zudem ist bei der vertraglichen Haftung, der keine gesetzliche Regelung zugrunde liegt, auf die Anerkennung der ideellen Interessen durch den Vertragspartner Bezug zu nehmen. Dieser Anerkennungsgedanke tritt zum Teil als Argument im Rahmen der Genugtuungsfunktion auf, wenngleich überwiegend auf die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls des Geschädigten verwiesen wird. Der Anerkennungsgedanke verweist auf ein psychologisches wie rechtssoziologisches Moment. Vermögens- und Nichtvermögensschäden sind als Schadensarten zwar grundsätzlich verschieden, und die Rechtsverletzungen, aus der sie resultieren, betreffen unterschiedliche Rechtsgüter bzw. Rechte oder der Schaden ist Folge von Verhaltensunrecht. Für den Geschädigten ist dennoch jede Verletzung eine Beeinträchtigung, die ihn als Person trifft. Er ist infolge des Schadensfalls in seiner individuellen Freiheit und somit in seiner Selbstentfaltung beeinträchtigt. Die Art des betroffenen Rechtsguts ist dabei weniger von Belang.31 Der Schadensersatzanspruch ist die Reaktion, das reziproke Verhalten, der Rechtsordnung auf die Rechtsverletzung. Zudem werden die personenbezogenen Rechtsgüter wie Körper, Gesundheit, Freiheit und der Schutz der Persönlichkeit regelmäßig als bedeutsamer für die Lebensführung erachtet als Vermögensgüter, gerade weil sie nur eingeschränkt reparabel sind. Insofern wäre es widersprüchlich, wenn die immateriellen Schäden nur wegen ihrer Inkommensurabilität nicht in Geld entschädigt würden. Das berührt auch die teleologische Kohärenz der Rechtsordnung, soweit sie Rechtgüter anerkennt und schützt. Daher ist das Geld als universelles Mittel zur Abbildung von Wert heranzuziehen, um zumindest eine Entschädigung in dieser Form zu gewähren, wenn keine Naturalrestitution möglich ist. Dabei handelt es sich freilich nicht um einen Schadensausgleich im engeren Sinne. Es erfolgt aber eine Wiedergutmachung auf anderer Ebene. Diese Funktion des Geldes ist bereits seit der Spätscholastik anerkannt und hat sich auch durch das Naturrecht in ganz Europa verbreitet.32 Es bestanden unterschiedliche Auffassungen darüber, was sich in Geld entschädigen lässt. Für Beeinträchtigungen des Ansehens und der Ehre war eine Geldzahlung nur zum Teil anerkannt.33 Die Zahlung von Geld für Schmerzen, Narben und Entstellungen war vor allem im deutsch-holländischen Raum verbreitet.34 Die 31

Dazu Druey, Forderung, S. 43 f. Soto, De iustitia et iure, lib. IV. q. VI, art. III; vgl. daran anknüpfend zum Naturrecht Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XVII, § 22. Zur Rolle des Naturrechts in der Privatrechtsgeschichte, Thieme, Naturrecht, 1947; zum Verhältnis von Spätscholastik und Naturrecht Seelmann, Theologie, 1997. 33 Z. B. Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. VI, art. 3; s. auch Molina, De iustitia et iure, Bd. VI, tract. III, disp. 88, nr. 5; dazu Nufer, Restitutionslehre, S. 39 f. 34 Art. 20, 21 CCC; Carpzovs, Practica Rerum Criminalia, q. 99; Grotius, Inleidinge tot de hollandsche Rechtsgeleerdheid, 1631, III. Buch, 34. Teil, 2. Abs.; Struve, Jurisprudentia Romano-Germanica Forensis, 1670, lib. III, tit. 23, § 20; Stryk, Specimen usu moderni pandectarum, lib. IX, tit. II, § 10; dazu Walter, Schmerzensgeld, S. 71 f.; Wieling, Interesse, S. 136 ff. 32

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Vorbehalte gegen die Entschädigung für Schmerzen und Entstellungen durch Narben beruhten vor allem auf der fortgeführten Position des römischen Rechts, das den Körper des Freien – im Gegensatz zu dem des Sklaven – als der Schätzung in Geld entzogen ansah.35 Das Versagen der Geldzahlung ist auch Ausdruck der gesellschaftlichen Position. Ein Schmerzensgeld hätte den Freien nicht anders behandelt als den Sklaven, für dessen Verletzung der Eigentümer Schadensersatz erhielt. Diese Einstellung gegen die Entschädigung von Schmerzen und Leiden in Geld wurde von den Vertretern der Restitutionslehre in der Hoch- und Spätscholastik zum Teil fortgeführt.36 Sie wurde von Grotius rezipiert.37 Die Vertreter der Naturrechtslehre vertreten dazu unterschiedliche Positionen.38 Die moralischen Vorbehalte gegenüber der Zahlung von Geld für Schmerzen oder Ehrverletzungen bestand bis in die Entstehungszeit des BGB. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 beschränkt den Anspruch auf Schmerzensgeld daher gezielt auf Personen des Bauern- und Bürgerstands (ALR I 6 § 112). Auch die Gesetzgebungsmaterialien des BGB verweisen auf die vorherrschende Volksauffassung, die einer Entschädigung von Nichtvermögensschäden entgegenstehe, so dass sich das BGB darauf beschränkte, die bestehenden partikularrechtlichen Regelungen im BGB zu normieren.39 Diese Auffassung mag sich bereits zur Zeit der Erarbeitung des BGB auf einzelne Kreise der Bevölkerung beschränkt und insgesamt nur einen kleinen Teil der Bevölkerung repräsentiert haben. Diese behielten aber maßgebenden Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess und prägten auch das Verständnis von der Funktion der Entschädigung nach § 847 BGB a. F. mit. Bei der Beurteilung der Entschädigung immaterieller Einbußen in Geld aus heutiger Sicht ist jedoch der gesellschaftliche Wandel zu berücksichtigen.40 Das Entschädigungsbedürfnis hat sich durch die Veränderung der Lebensverhältnisse stetig erweitert. Die gesellschaftliche Stellung des Geschädigten war dafür ohne Belang. Seit der Überwindung der ständischen Gliederung der Gesellschaft tragen die Unterscheidungen, die in der Vergangenheit gegen eine Entschädigung sprachen, im Grunde nicht mehr. Zudem ist die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung stärker ins Bewusstsein getreten. Mit der strukturellen Veränderung der 35

Gaius D. 9, 3, 7; ebenso Gaius D. 9, 1, 3; Ulpian D. 9, 3, 1, 5. Vgl. z. B. Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. VI, art. 3 (bei „ex his fit consequens“); a. A. Molina, De iustitia et iure, Bd. VI, tract. III, disp. 88, nr. 4 f.; s. dazu Nufer, Restitutionslehre, S. 34; Otte, Francisco de Vitoria, S. 71. 37 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XVII, § 14. 38 Ablehnend Heineccius, Institutionum, § 1092; Lauterbach, Compendium Iuris, S. 145; anders aber angesichts der Praxis des Schmerzensgeldes Boehmer, Doctrina, sect. II, cap. XI, § 17; Pufendorf, De iure naturae, lib. III, cap. I, § 8; dazu auch Zimmermann, Law of obligations, S. 1026 f.; s. oben § 11.B.I., S. 527 ff. 39 Mot. II, S. 800 f.; Prot. I, S. 622. 40 Auf diese Veränderungen verweisen auch Diederichsen, FS Klingmüller, S. 65, 80; Löwe, Prävention, S. 90; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1. 36

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Gesellschaft, die insbesondere angesichts des materiellen Wohlstands eine Individualisierung erlaubt, tritt auch die Selbstentfaltung des Einzelnen stärker in den Vordergrund. Gerade die Bedeutung der Privatsphäre ist in dem Maße gestiegen, in dem der Einzelne überhaupt Rückzugsmöglichkeiten hatte und nicht notwendig mit anderen auf so engem Raum leben musste, dass von einer Privatheit, die andere vom Privatleben ausschloss, keine Rede sein konnte.41 Zugleich bestehen heute erheblich mehr Gefährdungen für die Individualität des Einzelnen42, so dass auch der Wunsch nach Identitätssicherung wuchs43. Zugleich wurde der Verlust an Selbstbestimmung und Selbstentfaltung wesentlich intensiver als Verlust empfunden.44 In diesem Zusammenhang sind die immateriellen Schäden stärker ins Bewusstsein gerückt und werden als ersatzbedürftige Einbuße wahrgenommen. In dem Maße, in dem Einbußen an Selbstentfaltung als nicht mehr hinnehmbar galten, wurden Entschädigungsansprüche zugunsten des Geschädigten geregelt.45 Daran zeigt sich, dass Geld als Wertmesser auch für die immateriellen Schäden Bedeutung hat, ohne dass es zwingend der Annahme bedarf, dass sich der Geschädigte dafür Annehmlichkeiten verschafft, die er gefühlsmäßig empfindet. Das dokumentiert insbesondere die Ausdehnung der Geldentschädigung für ideelle Schäden im Laufe des 20. Jahrhunderts. Die zunehmende Gefährdung der Persönlichkeit durch die Presse und andere Medien führt nicht nur zur Anerkennung des allgemeinen und der besonderen Persönlichkeitsrechte, sondern auch zur Gewährung einer Entschädigung für die immateriellen Einbußen. Die Erweiterung des Reisevertragsrechts um den Entschädigungsanspruch für vertanen Urlaub ist ebenso Beleg für diese Entwicklung. Ein Bedürfnis nach einer solchen Entschädigung entstand erst mit dem Aufkommen des Pauschaltourismus für eine Vielzahl von Personen. Wegen der Beschränkung des Ausgleichs immaterieller Schäden galt der Urlaub zunächst als Vermögensschaden, da der Berufstätige sich ihn erarbeiten muss, er wurde aber später als ideeller Schaden anerkannt und entschädigt.46 Die Reform des Schadensersatzrechts im Jahre 2002 dehnte die Entschädigung ideeller Schäden wegen der Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung schließlich auf die Gefährdungshaftung und die vertragli41

Beck, in: Beck/Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 41 ff. Beck, Risikogesellschaft, S. 155 ff.; ders., in: Beck/Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 9, 10 ff. 43 Beck, Risikogesellschaft, S. 155 ff.; ders., in: Beck/Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 9, 12 f.; Keupp, in: Beck/Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, S. 336, 339 ff. 44 Zur verstärkten Wahrnehmung von Lebenszielen und der Lebenssituation Beck, in: Beck/ Vossenkuhl/Ziegler, Eigenes Leben, S. 9, 13 f.; ders., in: Kreckel, Soziale Ungleichheiten, S. 35, 58 f.; Hitzler/Honer, in: Beck/Beck-Gernsheim, Riskante Freiheiten, S. 307 ff.; Schimank, in: Kron, Individualisierung, S. 107. 45 Dazu Diederichsen, FS Klingmüller, S. 65, 80; v. Medem, Schadensersatz, S. 137 f.; zur parallelen Entwicklung in den USA Ingber, Cal. L. Rev. 73 (1985), 772, 773. 46 Siehe oben § 1.C.I.2.b., S. 39 ff. 42

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che Haftung aus, um sie zum Schutz des Opfers unabhängig vom Haftungsgrund auszugestalten.47 Mit der zunehmenden Mobilität der Menschen und deren Bedeutung für die Berufsausübung und private Lebensführung erlangten auch die Störungen und Unannehmlichkeiten sowie die vertane Freizeit durch die verspätete Beförderung oder Nichtbeförderung mit Bahn und Flugzeug eine größere Bedeutung und führten zur Verabschiedung der europarechtlichen Verordnungen (EG) Nr. 261/2004 und 1371/2006, die einen pauschalierten Ausgleichsanspruch gewähren. Zudem erweiterte das AGG die Entschädigung auf die Folgen der unzulässigen Benachteiligung. Diese Entwicklung beruht auf der politischen Entscheidung, gegen bestehende Ungleichbehandlungen beim Zugang zur Beschäftigung und beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen vorzugehen. In diesem Fall ging die gesellschaftliche Entwicklung der Regelung des Entschädigungsanspruchs nicht voraus, sondern die politisch gewollte Veränderung stand im Vordergrund. Zur Begründung einer Entschädigung inkommensurabler Schäden in Geld ist zudem auf den Vergleich mit den Vermögensschäden zurückzugreifen.48 Die Kompensation des Vermögensschadens nach § 251 BGB ist zwar ein Ausgleich des bilanziellen Schadens und insoweit ein Ausgleich im engeren Sinne. Anders als bei der Naturalrestitution handelt es sich aber nicht um eine Wiederherstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestünde, sondern um einen Wertersatz. Bei ideellen Schäden ist die Bewertung, gerade bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter, zwar nicht anhand des Marktwerts möglich. Bliebe die Entschädigung auf Vermögensschäden beschränkt, käme es aber zu dem inkonsistenten Ergebnis, dass gerade Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts nicht entschädigt werden. Daher muss als Entschädigung der ideellen Einbuße zumindest eine wiedergutmachende Geldzahlung erfolgen, da ansonsten der Geschädigte die erlittene Einbuße vollständig trüge.49 Für eine solche Ungleichbehandlung der Vermögens- und Nichtvermögensschäden ist die Inkommensurabilität des Schadens allein kein sachlicher Grund, zumal die Durchbrechungen des § 253 Abs. 1 BGB gerade zum Ausdruck bringen, dass der Schaden nicht ohne Kompensation bleiben soll. Der Parallele zwischen der Entschädigung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden könnte höchstens entgegenstehen, dass § 253 Abs. 1 BGB den Ausgleich immaterieller Schäden grundsätzlich ausschließt und damit zum Ausdruck bringt, dass die Gleichsetzung des erlittenen Schadens mit Geld keine Lösung für den Ersatz ideeller Schäden sein soll. § 251 BGB wäre somit 47

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14 f., 24. Dazu (im Ergebnis ablehnend) Druey, Forderung, S. 41 f., 69 ff., der insbesondere auf die französische Literatur verweist; s. Ripert, D. 1948, Chr., 1 (Schadensersatz bei beiden Schadensarten mit der Wirkung eines Solatiums). 49 Darauf verweist auch Gierke, Entwurf, S. 197. 48

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eine Ausnahme, weil beim Vermögensschaden eine bilanzielle Einbuße besteht.50 Eine solche Interpretation, die § 251 BGB eine Ausnahmestellung zuweist, ist jedoch zu eng. Historisch wurde die Naturalrestitution erst spät als primäre Form des Schadensersatzes gegenüber der Entschädigung in Geld bestimmt, auch wenn sie sich bis auf die Restitutionslehre der Spätscholastik zurückführen lässt.51 Sie hat gegenüber der Entschädigung in Geld zwar Vorrang erhalten, damit sollte aber nicht die Aussage getroffen werden, dass eine Entschädigung in Geld grundsätzlich nicht möglich ist und nur bei Vermögensschäden ausnahmsweise zugelassen werden soll. Dann hätte es im Grunde der Regelung in § 253 Abs. 1 BGB nicht bedurft. Der Vorrang der Naturalrestitution sollte vielmehr den Interessen des Geschädigten Rechnung tragen, ohne die Entschädigung in Geld als eine mögliche Form des Schadensersatzes grundsätzlich auszuschließen.52 Dem Vergleich zwischen den Vermögens- und Nichtvermögensschäden wird zudem entgegengehalten, dass die Zahlung von Geld ein andersartiger und somit kein voller Ausgleich sei, so dass dem Wertersatz nicht die Funktion der Entschädigung zukomme. Grundsätzlich trifft es zwar zu, dass ein voller Schadensausgleich im engeren Sinne bei Nichtvermögensschäden durch Geld unmöglich ist. Gleichwohl ist eine Gleichsetzung des ideellen Schadens mit einer Geldsumme eine Möglichkeit, den Schaden auf andere Weise wiedergutzumachen.53 Der Rückgriff auf Geld als universelles Bewertungsmittel ist durch § 253 Abs. 1 BGB nicht per se ausgeschlossen. Er verhindert zwar eine generelle Gleichstellung der immateriellen mit den materiellen Schäden. Soweit aber eine Ausnahme gesetzlich geregelt ist, lässt sich der Schaden durch Geldzahlung entschädigen und steht insofern der Entschädigung der Vermögensschäden gleich. Der Verweis auf die Beschränkung in § 253 Abs. 1 BGB zur Begründung der Sonderstellung der Geldzahlung für Nichtvermögensschäden mag für die Zeit kurz nach Inkrafttreten des BGB und vor der Erweiterung des Ersatzes immaterieller Schäden nähergelegen haben, da sich die Entschädigung auf die deliktische Haftung nach § 847 BGB a. F. und das Kranzgeld nach § 1300 BGB a. F. beschränkte. Spätestens seit der Einbeziehung des Ersatzes immaterieller Schäden in das allgemeine Schadensersatzrecht lässt sich das nicht mehr aufrechterhalten. Trotz der fortbestehenden Regelung in § 253 Abs. 1 BGB haben sich die Entschädigungsansprüche für ideelle Schäden erheblich erweitert und beziehen sich auf die Verletzung aller 50

So Druey, Forderung, S. 69. Grotius, De iure belli ac pacis, libri tres, lib. II, cap. XVII, §§ 5 f., 12, 16; dazu Becker, in: Zimmermann/Knütel/Meincke, Rechtsgeschichte, S. 159, 166; Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 21 ff.; Wieling, Interesse, S. 21 ff.; Wolter, Naturalrestitution, S. 28 ff. 52 Mot. II, S. 20. 53 Dazu Eickhoff, Bemessung, S. 91; zum Wertersatzgedanken auch Kohler, Lehrbuch, S. 123 f., der aber zugleich auf die genussvermittelnde Wirkung des Geldes abstellt; ebenso Wiese, Immaterieller Schaden, S. 14 f. 51

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personenbezogenen Rechtsgüter. Daneben gewährt im Rahmen der vertraglichen Haftung inzwischen eine Reihe von Bestimmungen einen Entschädigungsanspruch für immaterielle Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung. Diese Durchbrechungen des § 253 Abs. 1 BGB erlauben einen Schadensersatz in Geld, wie er für Vermögensschäden in den §§ 251 f. BGB geregelt ist.54 Somit geht das Gesetz selbst davon aus, dass die Gleichsetzung eines inkommensurablen Schadens mit Geld möglich sein soll. Der Anspruch hängt nicht davon ab, dass sich der Geschädigte Annehmlichkeiten verschafft oder verschaffen kann. Ein Bedenken gegen die unmittelbare Gleichsetzung des immateriellen Schadens mit einem Geldbetrag resultiert daraus, dass sie den Eindruck der Käuflichkeit erwecken kann.55 Das widerspreche gerade den personenbezogenen Rechtsgütern, vor allem der Persönlichkeit, wenn sie auf diese Weise ihre Eigenart und ihren Stellenwert verlören. Dagegen lässt sich auf zwei Aspekte verweisen. Sofern in der Sanktion der Rechtsverletzung eine Reaktion der Rechtsordnung gesehen wird, mit der das Recht bestätigt und somit in seiner Geltung stabilisiert wird, liegt im Geldersatz kein Angriff auf den Geschädigten, sondern eine Bestätigung seiner Position. Solange zum Ausdruck kommt, dass es eine Wiedergutmachung des Schadens zur Verfolgung eines übergeordneten Interesses wie der ausgleichenden Gerechtigkeit ist und insofern eine symbolische Wirkung hat, ist der Verdacht der Käuflichkeit genommen.56 Darüber hinaus spricht für die Entschädigung der immateriellen Einbuße in Geld, dass ohne einen solchen Schadensersatzanspruch der Schaden auch für die Zukunft nicht in das Kalkül des Schädigers eingeht. Die präventive Wirkung des Schadensersatzanspruchs ist zwar nur ein Nebeneffekt des am erlittenen Schaden ausgerichteten Entschädigungsanspruchs. Er lässt sich dennoch für eine Entschädigung in Geld anführen. II. Ersatz immaterieller Schäden in Geld als Gebot materieller Gerechtigkeit 1. Historische Entwicklung des Schadensausgleichs als Verwirklichung ausgleichender Gerechtigkeit Die Einbeziehung der rechtsphilosophischen Überlegung zur ausgleichenden Gerechtigkeit in das Schadensersatzrecht erfolgte vor allem seit Thomas von Aquin, der insbesondere die Nikomachische Ethik des Aristoteles rezipierte und in das kanonische Recht seiner Zeit integrierte.57 Aristoteles galt die Ge54 Eickhoff, Bemessung, S. 95 f. (§ 253 BGB ermögliche die Einordnung der Wiedergutmachungsansprüche bei immateriellen Schäden in das Schadensersatzrecht des BGB.). 55 Vgl. Mugdan II, S. 1297; dazu abl. v. Medem, Schadensersatz, S. 137; Radin, Duke L. J. 43 (1993), 56, 85. 56 Ähnlich Radin, Duke L. J. 43 (1993), 56, 85. 57 v. Aquin, Summa theologiae, Secunda secundae partis, q. 61 und 62.

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rechtigkeit als höchste Tugend und oberster Vorzug des Charakters.58 In seiner systematischen Analyse der Gerechtigkeit ordnete er die verteilende und die ausgleichende Gerechtigkeit als besondere Formen der Gerechtigkeit ein. Zur ausgleichenden Gerechtigkeit gehört nicht nur die freiwillige Tauschgerechtigkeit des Wirtschaftslebens, sondern auch die unfreiwillige korrigierende Gerechtigkeit, die nach damaligem Verständnis Teil des Strafrechts war und der Wiedergutmachung und der Kompensation des Geschädigten diente.59 Dieser Gerechtigkeitsvorstellung liegt eine arithmetische Methode zugrunde.60 Aristoteles verweist darauf, dass der Geschädigte durch die Rechtsverletzung einen Verlust erleide und der Schädiger einen Gewinn erziele. Insofern seien Gewinn und Verlust auszugleichen. Die Vorstellung vom Gewinn des Schädigers wirkt zumindest bei Delikten unzutreffend, wenn in der Kategorie des materiellen Gewinns und Verlusts gedacht wird. Sofern die Begriffe Gewinn und Verlust normativ verstanden werden, lässt sich die Rechtsverletzung als der Gewinn des Schädigers und der (zurechenbare) Schaden des Geschädigten als dessen Verlust begreifen. Die Rechtsverletzung lässt die Rechtsbeziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem entstehen. In diesem Verhältnis muss daher die Gerechtigkeit zwischen den Personen wiederhergestellt werden. Nach der Vorstellung des Aristoteles von einem arithmetischen Verhältnis zwischen Gewinn und Verlust muss der Schadensersatz, den der Schädiger zu leisten hat, dem Schaden entsprechen.61 Als gerecht gilt, wenn der Geschädigte und der Schädiger nach der Kompensation so viel haben wie vorher.62 Der Geschädigte soll nicht bereichert werden, und der Schädiger soll keine Einbuße erleiden, die über das hinausgeht, was er dem Geschädigten zugefügt hat. Ansonsten wäre der Schadensersatz eine erneute Verletzung. Daran knüpfte Thomas von Aquin an und entwickelte daraus die Restitutionslehre der Hochscholastik. Diese sah insbesondere die Naturalrestitution als Ausdruck ausgleichender Gerechtigkeit an.63 Zudem sollte grundsätzlich der Geschädigte nur dasjenige verlangen können, was er verloren hat.64 Der Geschädigte dürfe sich nicht durch den Schadensfall bereichern. Außerdem sei eine Forderung, die über die erlittene Einbuße hinausgeht, Strafe. Die ausgleichende Gerechtigkeit verlange und erlaube nur, dass der Schädiger den Verlust ausgleiche.65 Das Schadensersatzrecht dient somit nur der Korrektur erlittener 58

Aristoteles, Nikomachische Ethik, V. Buch, Kap. 3, 1129b. Aristoteles, Nikomachische Ethik, V. Buch, Kap. 3, 1130b, 1131a. 60 Aristoteles, Nikomachische Ethik, V. Buch, Kap. 3, 1131b. 61 Aristoteles, Nikomachische Ethik, V. Buch, Kap. 3, 1131b. 62 Aristoteles, Nikomachische Ethik, V. Buch, Kap. 3, 1132a, 1132b. 63 v. Aquin, Summa theologiae, Secunda secundae partis, q. 62; dazu Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 17; Wolter, Naturalresitution, S. 28 ff. 64 v. Aquin, Summa theologiae, Secunda Secunde pratis, q. 61, art. 1, 2, q. 62, art. 1–3; dazu Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 18. 65 v. Aquin, Summa theologiae, Secunda Secunde pratis, q. 61, art. 1, 2, q. 62, art. 1–3; dazu Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 18. 59

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Einbußen. Im Mittelpunkt stehen – im Gegensatz zum römischen Recht – der Verlust des Geschädigten und dessen Ausgleich.66 Diese Konzeption wurde von den Theologen der Schule von Salamanca in der spanischen Spätscholastik übernommen67 und von den Naturrechtlern aufgegriffen. Insbesondere Grotius verweist in seinen Ausführungen auf das Werk des Spätscholastikers Soto.68 Die Werke von Grotius’ wurden in Europa in großem Umfang rezipiert und fanden selbst in England Verbreitung und können nach dem römischen Recht und der Restitutionslehre der Hoch- und Spätscholastik als wesentlicher Beitrag zur Europäisierung des Schadensersatzrechts in dieser Zeit angesehen werden.69 Grotius wurde auch von Struve als einem wichtigen Vertreter des Usus modernus pandectarum rezipiert und hat dessen Ausführungen zum Schadensersatz beeinflusst.70 Auch von Waechter, der sich im 19. Jahrhundert mit der Natur der Buße und des Schmerzensgelds auseinandersetzte, verweist in seinen Ausführungen auf Grotius.71 Auf diesem Wege blieb der Gedanke, dass das Schadensersatzrecht Ausdruck der ausgleichenden Gerechtigkeit ist, im Grundsatz erhalten. Die Ausrichtung des Schadensersatzrechts an der ausgleichenden Gerechtigkeit fand angesichts der zunehmenden Verstaatlichung des Strafrechts und der damit einhergehenden Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht verbreitet Aufnahme.72 Das Schadensersatzrecht war infolgedessen auf den Geschädigten und den Schadensausgleich ausgerichtet. Der Grundsatz des vollständigen Ersatzes (Totalreparation) und das Bereicherungsverbot gehen auf diese Entwicklung zurück.73 Thomas von Aquin hatte zwar die biblisch überlieferten Privatstrafen noch aufrechterhalten, sie wurden aber nunmehr klar vom Schadensersatz getrennt.74 Der Grundsatz des vollständigen Schadensausgleichs vermag auch als Grundlage für die Kompensation ideeller Schäden in Geld zu dienen. Die Entschädigung gefühlsmäßiger Verluste scheint von der ausgleichenden Gerechtigkeit geboten, um den Schaden im vollen Umfang auszugleichen.75 Allerdings hatte sich der Ersatz immaterieller 66

Dazu Wolter, Naturalrestiution, S. 30. Z. B. Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. VI, art. III; dazu Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 17. 68 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XVII, § 14 und 22. 69 Zur Rolle Grotius’: Jansen, ZRG (RA) 120 (2003), 106, 137 ff.; Thieme, Naturrecht, S. 19 ff., 32 ff. 70 Struve, Jurisprudentia Romano-Germanica Forensis, 1670, lib. III, tit. 23, § 20. 71 v. Waechter, Buße, S. 82. 72 Dazu Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 17. 73 Becker, in: Zimmermann/Knütel/Meincke, Rechtsgeschichte, S. 159, 166; Jansen, HKKBGB, §§ 249–253, 255 Rn. 18; Wolter, Naturalrestitution, S. 30 ff. 74 v. Aquin, Summa theologiae, Secunda Secunde pratis, q. 62, art. 3; dazu Jansen, HKKBGB, §§ 249–253, 255 Rn. 18. 75 Vgl. v. Aquin, Summa theologiae, Secunda Secunde pratis, q. 62, art. 2. Er stellt heraus, dass eine Kompensation auch dann vorzunehmen ist, wenn der Verlust nicht wiederhergestellt werden kann. Sie habe dann soweit zu erfolgen wie möglich. Daher sei beim Körperschaden 67

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Schäden in Geld in der Spätscholastik keineswegs durchgesetzt.76 Geld galt zwar als universelles Zahlungsmittel, aber der Schadensersatz sollte nicht zu einer Bereicherung führen.77 Insbesondere bei Körperverletzungen wurde für Schmerzen und Entstellungen zum Teil, wie im römischen Recht, keine Entschädigung gewährt.78 Die Zahlung von Geld wird von Soto als etwas dargestellt, was vor allem der einfache Mann aus dem Volk annehmen würde.79 Auch bei Verletzungen der Ehre und des Ansehens wurde grundsätzlich die Restitution gefordert, die z. B. in einem Widerruf bestehen konnte.80 Eine Entschuldigung galt ebenfalls als Ausgleich. Zum Teil wurde auch die Zahlung einer Entschädigung befürwortet.81 Diese Konzeption findet sich bei Grotius in „De iure belli ac pacis“ wieder, dessen Schadenslehre bestimmend war82. Seine Einstellung ist jedoch wegen der gesellschaftlichen Veränderungen überholt. Insoweit zeigt sich, dass der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit dem Schadensersatz – zumindest für das Deliktsrecht – eigen ist, auch wenn er die Diskussion über die Funktion des Schadensersatzanspruchs nicht mehr explizit bestimmt. Es handelt sich aber um eine Überlegung, die im Grundsatz der Totalreparation und dem Bereicherungsverbot mitschwingt. Beide Vorgaben sind für die gegenwärtige Konzeption des Schadensersatzrechts zentral. Insofern liegt es nahe, zur Begründung einer Entschädigung in Geld für einen immateriellen Schaden auf diese rechtsphilosophische Grundlage zurückzugreifen. Um sie für den Ersatz ideeller Schäden in Geld fruchtbar zu machen, bedarf es jedoch einer Begründung, warum eine Geldzahlung für einen Nichtvermögensschaden eine vollständige Reparation bewirkt, ohne gegen das Bereicherungsverbot zu verstoßen. Gerade hierin lag zur Zeit der Spätscholastik ein wesentliches Problem bei der Begründung der Entschädigung immaterieller Einbußen in Geld. 76 (Verlust eines Gliedes) so viel zu zahlen, wie ein gerechter Schiedsrichter unter Berücksichtigung der Verhältnisse beider Parteien festsetzt. Bei Ehrverletzungen führen insbesondere die Richtigstellung, das Wiederherstellen des guten Namens oder die Geldzahlung den Schadensausgleich herbei. Siehe auch Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 20; Nufer, Restitutionslehre, S. 32 f. 76 Nufer, Restitutionslehre, S. 33 f. 77 Z. B. Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. VI, art. 3 (bei „ex his fit consequens“); dazu Jansen, HKK-BGB, §§ 249–253, 255 Rn. 20. 78 Z. B. Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. VI, art. 3 (bei „ex his fit consequens“); anders Molina, De iustitia et iure, Bd. VI, tract. III, disp. 88, nr. 4 f.; s. dazu Nufer, Restitutionslehre, S. 34; Otte, Francisco de Vitoria, S. 71. 79 Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. VI, art. 3; Nufer, Restitutionslehre, S. 40. 80 Z. B. Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. VI, art. 3; dazu Nufer, Restitutionslehre, S. 39 f.; Otte, Francisco de Vitoria, S. 72. 81 Vgl. z. B. Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. VI, art. 3; s. auch Molina, De iustitia et iure, Bd. VI, tract. III, disp. 88, nr. 5; dazu Nufer, Restitutionslehre, S. 39 f. 82 Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. XVII, § 14 und 22; zur Rezeption Nufer, Restitutionslehre, S. 72 f.

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2. Anwendbarkeit des Gedankens der ausgleichenden Gerechtigkeit auf die Entschädigung von Nichtvermögensschäden a) Begründung des Ersatzes immaterieller Schäden mit der materiellen Gerechtigkeit im US-amerikanischen Recht Der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit als Rechtfertigung für den Schadensersatz fand in den letzten 30 Jahren vor allem im US-amerikanischen Deliktsrecht eigenständige Berücksichtigung und ist insoweit eine Gegenbewegung zu den Überlegungen der Law-and-Economics-Schule. Insbesondere seit den 1970er Jahren wurden Aristoteles, Kant und Hegel stärker rezipiert und in das funktionale Verständnis des Deliktsrechts integriert.83 Eine einheitliche Interpretation besteht insoweit nicht. Als führende Autoren, die sich mit der ausgleichenden Gerechtigkeit (corrective justice) in diesem Kontext auseinandersetzen, gelten insbesondere Coleman und Weinrib.84 Trotz unterschiedlicher Beschreibungen gehen sie im Grundsatz davon aus, dass die deliktische Haftung dazu dient, die unerlaubte Handlung zu berichtigen und das Gleichgewicht zwischen Schädiger und Geschädigtem wiederherzustellen.85 Der Schadensersatz soll die eingetretene Ungerechtigkeit rückgängig machen. Die Haftung erfolge somit nicht nur wegen des eingetretenen Verlusts, sondern weil sie rechtens sei. Insofern wird vor allem auf den Gegensatz von Recht und Unrecht abgestellt. Diese allgemeinen Überlegungen zum Schadensersatz sagen nichts darüber, ob und wie sich die Entschädigung ideeller Einbußen in Geld durch die ausgleichende Gerechtigkeit rechtfertigen lässt. Die Entschädigung immaterieller Einbußen zielt nach der Rechtsprechung auf den Schadensausgleich zugunsten des Geschädigten, berücksichtigt aber zugleich die Angemessenheit der Zahlung für den Schädiger.86 Mangels eines Marktwerts orientiert sich die Bemessung der Entschädigung vor allem an der Dauer des Leidens, der Art der Verletzung, aber auch am Alter, der Gesundheit und den Gewohnheiten des Geschädigten.87 Im Rahmen der wissenschaft83 Z. B. Fletcher, Harv. L. Rev. 85 (1972), 537 ff.; zu dieser Entwicklung Schwartz, Tex. L. Rev. 75 (1997), 1801, 1802 ff.; dazu Göthel, RabelsZ 69 (2005), 255, 280 f. 84 Coleman, Risks, S. 209 ff., 361 ff.; ders., in: Weinrib, Tort Law, S. 129 ff. = Iowa L. Rev. 77 (1992), 427 ff.; ders., in: Weinrib, Tort Law, S. 147 ff. = Arizona L. Rev. 37 (1995), 15 ff.; Weinrib, in: Weinrib, Tort Law, S. 1 ff. = Iowa L. Rev. 77 (1992), 402 ff.; ders., in: Smith, Restitution, S. 547 ff. = Duke L. J. 44 (1994), 277 ff.; ders., in: Weinrib, Tort Law, S. 47 = Theoretical Inquiries in Law 1 (2000), 1 ff.; s. auch Weinrib, Private Law, S. 75 ff., 115 ff., 133 ff. 85 Weinrib, in: Smith, Restitution, S. 547, 563 ff. = Duke L. J. 44 (1994), 277, 293 ff.; ders., Private Law, S. 134 f. 86 The Little Silver, 189 F. 980, 986 f. (D. New Jersey, 1911, per Rellstab); Van Gorden v. United States, 91 F. Supp. 834, 835 (W. D. Missouri, 1950). 87 Die Berechnung des Schmerzensgeldes orientiert sich zum Teil an Zeiteinheiten (perdiem-Methode), dazu Corpus Juris Secundum, Bd. 25, Damages, § 93; Harper/James/Gray, Torts, Bd. IV, S. 565 m. w. N.; zum Teil wurde die Summe ermittelt, indem die Jury befragt wurde, was sie verlangen würde, wenn sie den Schmerz des Geschädigten durchleben müssten (sog. golden-rule-Argument); dazu Corpus Juris Secundum, Bd. 25, Damages, § 93 m. w. N.;

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lichen Auseinandersetzung mit der Entschädigung von Nichtvermögensschäden ist zunächst das erste Restatement of the Law of Torts hervorzuheben, das vom American Law Institute erarbeitet und zwischen 1934 und 1939 veröffentlicht wurde.88 Darin wird zum Schmerzensgeld konstatiert, dass eine Wiederherstellung unmöglich ist. Gleichwohl sei eine Kompensation durch eine Geldzahlung für die erlittenen Schmerzen und die Erniedrigung zu gewähren. Mangels eines konkreten Maßstabs sei die Höhe der Entschädigung ungefähr anhand der Leiden zu bestimmen. Das Restatement bestätigt, dass die Entschädigung in Geld im US-amerikanischen Deliktsrecht anerkannt ist, gibt aber keine Begründung dafür, warum eine Entschädigung zu zahlen ist, obwohl eine Wiederherstellung unmöglich ist. In der Literatur wird zunächst darauf abgestellt, welchen Nutzen das Geld für den Geschädigten hat. Zum Teil wird darauf verwiesen, dass der Geschädigte sich damit Freude verschaffen könne, zum Teil darauf, dass die Geldzahlung Trost spende oder die Empörung des Geschädigten erleichtere.89 Insofern bestehen ähnliche Begründungen für die Zahlung eines Geldbetrags wie im deutschen Recht. Es wird ein subjektiver Schadensbegriff zugrunde gelegt. Allerdings gewährt die Rechtsprechung eine Entschädigung für ideelle Schäden auch, wenn das Opfer seines Bewusstseins und seiner Möglichkeit, das Leben zu genießen, beraubt wurde.90 Die Rezeption der rechtsphilosophischen Überlegungen zur ausgleichenden Gerechtigkeit im Deliktsrecht führte nur selten zu konkreten Schlussfolgerungen für den Ersatz ideeller Schäden und das sog. Schmerzensgeld im Besonderen. Diese sind zudem nicht einheitlich. Radin verweist darauf, dass eine Wiederherstellung des moralischen Gleichgewichts zwischen Schädiger und Geschädigtem durch die Wiederherstellung des Zustands, der ohne das schä88 Harper/James/Gray, Torts, Bd. IV, S. 564 m. w. N.; dazu inzwischen abl. z. B. Klotz v. Sears, Roebuck & Co., 267 F.2d 53, 54 f. (7th Cir., 1959); F. W. Woolworth Co. v. Wilson, 74 F.2d 439, 442 f. (5th Cir., 1934); Harper/James/Gray, Torts, Bd. IV, S. 563 ff. 88 Restatement of the Law of Torts, 1939, § 903 Anm. a: „Where, however, the tort causes bodily harm or emotional distress, the law cannot even attempt to restore the injured person to his previous position … and a sum of money is not the equivalent of peace of mind. Nevertheless, damages given for pain and humiliation are compensatory in that they give to the injured person some pecuniary return for what he has suffered or is likely to suffer. There is no scale by which the detriment caused by suffering can be measured and hence there can be only a very rough correspondence between the amount awarded as damages and the extent of the suffering. However, such damages, although frequently not segregated in a verdict differ from punitive damages, both in the reasons for their existence and in the method of their computation.“; ebenso Restatement of the Law of Torts 2d, 1979, § 903 Anm. a. 89 Freude erwerben Bell, U. Fla. L. Rev. 36 (1984), 333, 398; Haas, Georgia L. Rev. 21 (1987), 843, 881; Trost spenden Bell, U. Fla. L. Rev. 36 (1984), 333, 398 f.; Peck, Michigan L. Rev. 72 (1974), 1355, 1370 (Anerkennung des Erlittenen); Empörung erleichtern Ingber, Cal. L. Rev. 73 (1985), 772, 782 ff. 90 Holsten v. Sisters of the Third Order of St. Francis, 247 Ill. App. 3d 985, 618 N.E.2d 334, 347 (1993); zitierend Flannery v. U. S. 297 S.E.2d 433, 439 (W. Va., 1982); Gregory v. Carey 246 Kan. 504, 791 P.2d 1329, 1336 (1990).

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digende Ereignis bestünde, im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit nicht möglich sei.91 An die Stelle der Wiederherstellung (restitution, rectification) solle daher die Wiedergutmachung (redress) treten, um dem Geschädigten zu zeigen, dass seine Rechte ernst genommen werden und von der Rechtsordnung anerkannt sind.92 Maßstab und Modus für die Wiedergutmachung bleiben offen. Es spricht vieles dafür, dass nach dem Verständnis von Radin eine Geldzahlung erfolgen soll, ohne dass diese sowie ihre Bemessung ausdrücklich problematisiert werden. Radin verlangt, dass der Schädiger etwas Wichtiges aufgeben müsse.93 Diese Herangehensweise ist – abgesehen von der Unbestimmtheit des Maßstabs – auch dadurch gekennzeichnet, dass die Verhältnisse des Schädigers Einfluss auf die Wiedergutmachung erlangen. Anders als bei den Vermögensschäden ist nicht allein die erlittene Einbuße maßgeblich, sondern es kommt darauf an, welche Leistung den Schädiger zur Aufgabe eigener Rechte in bedeutsamem Umfang zwingt. Der damit einhergehenden Ungleichbehandlung des Schadensersatzes von materiellen und immateriellen Schäden wird nicht nachgegangen. Allerdings hält Radin bei der Gewährung der Entschädigung eine pragmatische Herangehensweise für möglich, indem eine Bemessungshilfe mit verschiedenen Fallgruppen geschaffen wird, ohne sich endgültig für eine bestimmte Vorgehensweise auszusprechen.94 Einen Zusammenhang zwischen der ausgleichenden Gerechtigkeit und der Gewährung eines Schmerzensgelds stellt auch Feldman her, indem er die Glückseligkeit als höchstes menschliches Gut i. S. der aristotelischen Ethik für das Schadensersatzrecht fruchtbar zu machen versucht. Glückseligkeit sei Wohlbefinden oder inneres Glück. Auf deren Wiederherstellung sei das Deliktsrecht auszurichten, da die unerlaubte Handlung das Wohlbefinden mindere bzw. die Fähigkeit des Geschädigten zur Glückseligkeit schmälere.95 Diese Glückseligkeit sei wiederherzustellen, was auf unterschiedlichen Wegen erfolgen könne.96 Damit steht nicht mehr allein der erlittene Schaden im Mittelpunkt. Auf diese Weise bleibt Feldman einerseits dichter an der Wiederherstellung im Sinne der Restitution, zugleich entfernt sie sich vom aristotelischen Konzept, da nicht allein der Schaden im Zentrum des Schadensersatzes steht.97 Vielmehr wird die Glückseligkeit des Menschen als Hilfsgröße eingeführt, um eine Restitution zu konstruieren. Das entspricht im Grunde der Beschreibung der Ausgleichsfunktion als Verschaffen von Freude oder Trost. Die Art der Wiederherstellung und ihre Bemessung bleiben offen. Für den Schadensersatz zugunsten eines empfindungsunfähigen Opfers stellt sie darauf ab, 91 92 93 94 95 96 97

Radin, Duke L. J. 43 (1993), 56, 68 f. Radin, Duke L. J. 43 (1993), 56, 68 f. Radin, Duke L. J. 43 (1993), 56, 69. Radin, Duke L. J. 43 (1993), 56, 69. Feldman, Tex. L. Rev. 75 (1997), 1567, 1585, 1587. Feldman, Tex. L. Rev. 75 (1997), 1567, 1585, 1587, 1593. Ähnlich Göthel, RabelsZ 69 (2005), 255, 285.

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welche Geldsumme eine sinnvolle Ergänzung des Erbes wäre, da eine Geldzahlung die Fähigkeit des Geschädigten zur Selbstentfaltung nicht wiederherstellen könne. Die Berücksichtigung der Überlegungen zur ausgleichenden Gerechtigkeit im Schadensersatzrecht beschränkt sich in den USA auf das Deliktsrecht und trennt zudem nicht zwischen Haftungsgrund und Haftungsfolge. Das ist letztlich systembedingt, da kein allgemeines Schadensersatzrecht besteht und die aktionenrechtliche Herangehensweise eine Gesamtbetrachtung der Klage nahelegt. Insofern bleibt zu erörtern, ob diese Überlegungen geeignet sind, den Ersatz immaterieller Schäden in Geld für ein allgemeines Schadensersatzrecht zu begründen. Inhaltlich gehen zudem nur die Ausführungen von Radin über die Herangehensweise der Ausgleichsfunktion wirklich hinaus. Sie kennzeichnen die Entschädigung als Wiedergutmachung, weil eine Restitution im engeren Sinne unmöglich ist. Schließlich weisen die Konzepte zum Schmerzensgeld vor allem Schwächen bei der Bestimmung der Rechtsfolgen auf. Der Rückgriff auf die materielle Gerechtigkeit konkretisiert den Maßstab für den Schadensersatz nur eingeschränkt. Beide Konzepte sind hinsichtlich der Bemessung des Schadensersatzes offen und legen sich insoweit nicht fest. Bei der Entwicklung einer Konzeption für das deutsche Recht ist somit ein Augenmerk darauf zu richten, ob auf der Grundlage von Überlegungen zur ausgleichenden Gerechtigkeit eine Funktionsbeschreibung für die Entschädigung ideeller Schäden in Geld für das allgemeine Schadensersatzrecht entwickelt werden kann. Insoweit bedarf es einerseits einer klaren Anbindung an den erlittenen Schaden, andererseits einer Begründung, dass die Geldzahlung ein Schadensersatz ist, ohne gegen das Bereicherungsverbot zu verstoßen. b) Ersatz immaterieller Schäden als Ausdruck ausgleichender Gerechtigkeit im deutschen Recht Bei der Begründung der Entschädigung immaterieller Einbußen in Geld mit dem Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit geht es hier nicht darum, die Angemessenheit der Totalreparation zu überprüfen oder auf Gerechtigkeitserwägungen unabhängig vom positiven Recht zurückzugreifen. Es soll vor allem klargestellt werden, dass hinter dem Gedanken des Schadensausgleichs und der Totalreparation die Idee der ausgleichenden Gerechtigkeit steht. Die bisher formulierte Ausgleichsfunktion ist nichts anderes als eine Konkretisierung dieses Gedankens für das Schadensersatzrecht. Diese Funktionsbeschreibung weist für die Anwendung auf die Entschädigung der Nichtvermögensschäden jedoch Defizite auf, so dass es naheliegt, für eine Neuformulierung der Funktion auf den allgemeinen Grundgedanken zurückzugreifen und danach zu fragen, ob auf seiner Grundlage eine treffendere Funktionsbeschreibung für die Entschädigung möglich ist. Das Schadensersatzrecht in den §§ 249 ff. BGB und der für sie anerkannte Grundsatz der Totalreparation beruhen auf einer Tradition, die sich auf die Re-

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stitutionslehre der Hoch- und Spätscholastik zurückführen lässt, die auf den aristotelischen Überlegungen von der ausgleichenden Gerechtigkeit beruht. Der Totalreparation hat der Gesetzgeber des BGB seinerzeit bewusst den Vorrang gegenüber der Proportionalhaftung des Preußischen Allgemeinen Landrechts eingeräumt.98 Ein Abgehen vom vollständigen Schadensausgleich im Sinne einer Proportionalhaftung lässt sich zum Schutz des Schädigers – angesichts des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – erwägen.99 Das ändert nichts daran, dass der Schadensersatz nach der gegenwärtigen Regelung der Verwirklichung ausgleichender Gerechtigkeit durch vollständigen Schadensausgleich dient. Selbst wenn die Schadensersatzpflicht zum Schutz des Schädigers vor unzumutbaren Belastungen gemindert wird, bleibt die grundsätzliche Vorstellung erhalten, dass der Schädiger für den zurechenbaren Schaden einen Ausgleich gewähren muss. Das gilt auch, weil der Geschädigte selbst bei der Proportionalhaftung maximal den vollen Ersatz der Schäden verlangen kann. Im Bereicherungsverbot schlägt sich gleichermaßen die Vorstellung nieder, dass die angemessene Reaktion auf den Schaden dessen vollständiger Ersatz sein soll, damit der Geschädigte nicht am Schadensfall verdient. Der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit ist zudem in den bestehenden Regelungen so weitgehend verankert, dass er dem Schadensausgleich unabhängig vom Haftungsgrund zugrunde liegt. Ursprünglich wurde er in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles sowohl für den Austausch von Waren und Gegenleistung im Rahmen vertraglicher Beziehungen als auch für die Schadensfälle herangezogen. Der Schadensausgleich sollte die Reaktion des Richters auf das eingetretene Unrecht sein. Diese Vorstellung ist – unabhängig vom aristotelischen Verständnis von Vertrag und Delikt – in das Schadensersatzrecht bei der vertraglichen und deliktischen Haftung eingegangen und ist seit der Verallgemeinerung des Schadensersatzrechts einheitlich für beide Bereiche geregelt, was sich im geltenden Recht in den §§ 249 ff. BGB ausdrückt. Seit der Erweiterung des Schadensersatzes von Nichtvermögensschäden erfolgt auch ihre Entschädigung unabhängig vom Haftungsgrund. Der Gesetzgeber strebte eine Gleichbehandlung der Geschädigten an, so dass ihre Ansprüche nicht vom Haftungsgrund abhängen.100 Das gilt nicht nur für die vertragliche und deliktische Haftung, die jeweils Rechtswidrigkeit voraussetzen, sondern auch für die Gefährdungshaftung. Die Haftungsausfüllung hat der Gesetzgeber bewusst verallgemeinert, um den Schutz des Geschädigten zu verbessern. Somit sollten die Überlegungen zur Funktion des 98

Mot. II, S. 21. Dazu Canaris, JZ 1987, 993 ff.; ders., JZ 1988, 494 ff.; ders., JZ 1990, 679 ff.; ebenso Rolfs, JZ 1999, 233 ff. 100 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24, 25; zur Entschädigung in Geld als Gleichbehandlung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 329, der die Entschädigung ideeller Einbußen dennoch als Privatstrafe qualifiziert. 99

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Schadensersatzes hinsichtlich der Haftungsausfüllung ebenfalls übergreifend entwickelt werden, wenn die Intention des Gesetzgebers nicht konterkariert werden soll. Ein solches Vorgehen setzt sich nicht in Widerspruch zu der normativen Differenzierung zwischen Verschuldenshaftung und strikter Haftung. Die ausgleichende Gerechtigkeit ist ein Wertungsgedanke, der sich auf die Beurteilung des Haftungsgrunds oder auf die Haftungsfolgen beziehen kann, ohne dass beide Bereiche notwendig miteinander verbunden sind.101 Die ausgleichende Gerechtigkeit kann sich auf die Frage des richtigen Verhaltens beziehen (Haftungsgrund) und auf die Verteilung des Schadens zwischen Schädiger und Geschädigtem (Haftungsfolge). Insofern kann sie für den Schadensersatz bei Nichtvermögensschäden umfassend und unabhängig vom Haftungsgrund fruchtbar gemacht werden. Die Unterscheidung zwischen Haftungsgrund und Haftungsfolge spiegelt die Zusammenfassung der Regelungen im allgemeinen Schadensersatzrecht normativ wider. Die Gesetze zur Gefährdungshaftung wiederholen deren Regelungen weitgehend und ergänzen sie um Haftungsbeschränkungen. Sie bilden aber einen in der Gesamtheit zu betrachtenden normativen Rahmen, innerhalb dessen auf die ausgleichende Gerechtigkeit als analytische Kategorie zurückgegriffen werden kann. Der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit stützt vor allem die vollständige Naturalrestitution des Schadens. Die Entschädigung in Geld, die im Falle der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Wiederherstellung gezahlt wird, lässt sich nur bei Vermögensschäden an den Gedanken der Wiederherstellung annähern, indem auf den Ausgleich des bilanziellen Defizits abgestellt wird. Diese Vorgehensweise wurde für die ideellen Schäden nachvollzogen, indem das Verschaffen von Annehmlichkeiten für Unannehmlichkeiten für maßgeblich erklärt wurde. Eine Loslösung von dieser Hilfskonstruktion setzt voraus, dass der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit auch die Zahlung eines Geldbetrags für einen inkommensurablen Schaden trägt. Die Gleichsetzung des ideellen Schadens mit einer Geldzahlung setzt voraus, dass die ausgleichende Gerechtigkeit auch einen Schadensausgleich im übertragenen Sinne zu begründen vermag und die Zahlung nicht als Bereicherung des Geschädigten gelten muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die ausgleichende Gerechtigkeit, die sich im Schadensausgleich konkretisiert, vor allem die angemessene Reaktion der Rechtsordnung auf den Schadensfall sein soll. Eine solche Reaktion kann auch in dem Entschädigungsanspruch für einen immateriellen Schaden gesehen werden. Letztlich müsste der Geschädigte ohne einen solchen Anspruch den Schaden vollständig selbst tragen. Das wurde – historisch be101 Jansen, Struktur, S. 88 f.; anders Coleman, Risks, S. 361, der gleichwohl den Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit zumindest in einem Teil der Fälle der Gefährdungshaftung heranzieht (S. 371 f.), in anderen Fällen verweist er auf Argumente der ökonomischen Analyse (S. 387 ff.).

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trachtet – im deutschen Rechtsraum für Schmerzen und Leiden infolge einer Körperverletzung über Jahrhunderte als nicht hinnehmbar angesehen, was zur Entwicklung des Schmerzensgelds führte. Die Zahlung eines Geldbetrags war zwar keine Wiederherstellung, aber eine Form der Wiedergutmachung auf andere Weise. Solange sich der Ausgleich ideeller Schäden auf die Schmerzen und Leiden beschränkte, ließ sich für die Rechtfertigung der Entschädigung auf die Verschaffung von Annehmlichkeiten verweisen. Das ist angesichts der Erweiterung der Entschädigungsansprüche für Nichtvermögensschäden, die in der Einbuße an Selbstentfaltung bestehen, nicht mehr möglich. Sie gehen zwar regelmäßig mit Gefühlseinbußen einher, erschöpfen sich darin aber nicht. Zudem wurde der Schaden nie nach den Kosten der Annehmlichkeiten bestimmt, sondern nach den erlittenen Einbußen. Insofern wurde der Ausgleichsgedanke bereits in der Vergangenheit weit verstanden.102 Für einen Ausgleich inkommensurabler Schäden im übertragenen Sinne spricht auch, dass selbst bei Vermögensschäden eine Entschädigung i. S. von § 251 BGB keine Wiederherstellung ist, sondern Kompensation des Wertinteresses. Dieses ausgleichsfähige Interesse beruht auf der Bewertung des Marktes und anerkennt zugleich die erlittene Einbuße. Wenn der Markt die einzige Grundlage für die Anerkennung des Werts eines Interesses wäre, ließe sich die Beschränkung der Entschädigung in Geld auf die Vermögensschäden begründen. Die historische Entwicklung der Entschädigung ideeller Schäden weist hingegen in eine andere Richtung. Die erlittenen ideellen Einbußen gelten ebenfalls als Verlust, den der Geschädigte nicht ohne Schadensersatz soll hinnehmen müssen. Die Zurückhaltung beruhte vor allem auf den gesellschaftlichen bzw. moralischen Vorbehalten gegenüber einer Zahlung in Geld für immaterielle Verluste. Mit dem Wandel der Einstellung gegenüber der Geldzahlung für inkommensurable Schäden nahmen solche Ansprüche zu. Ein weiterer Grund für die Ausdehnung der Ansprüche liegt in der zunehmenden Individualisierung und der gestiegenen Bedeutung der Selbstentfaltung des Einzelnen sowie der Berücksichtigung dieser ideellen Rechte. Das belegt die Anerkennung ideeller Rechtsgüter wie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner Ausprägungen wie die Privatsphäre oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Erweiterung der Rechtsordnung um diesen Schutz der Person dokumentiert die gestiegene Berücksichtigung der ideellen Lebensumstände, was sich auch in der Erwartung eines Ersatzes bei immateriellen Schäden widerspiegelt. Die Bedeutung, die die Geldzahlung für den Geschädigten hat, verdeutlicht ein Beispiel, das bereits Soto im 16. Jahrhundert heranzog. Er verwies darauf, dass jemand auf die Frage, für welche Summe Geldes er sich ein Auge nehmen 102

So auch Canaris, FS Deutsch, S. 85, 103.

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oder die Hand abschlagen ließe, wohl antwortete, dass er das für keinen Betrag wolle.103 Zugleich verweist er darauf, dass der gemeine Mann nach dem Schadensfall eine Geldzahlung für den Verlust gleichwohl zu nehmen bereit sei.104 Die Zahlung in Geld wird trotz der Unvergleichlichkeit und Unerwünschtheit des Verlusts gleichsam als „kleine Münze“ für das Unersetzliche angenommen, um nicht ohne jeden Ausgleich für den erlittenen Verlust dazustehen. Zugleich bringt die Bezugnahme auf den „plebeius“ bei Soto zum Ausdruck, welche moralischen Vorbehalte in einzelnen Bevölkerungskreisen gegenüber der Geldzahlung für solche Einbußen bestanden. Diese historische Situation besteht so nicht mehr, was die Erweiterung der Entschädigungsansprüche und ihre Aufnahme in das allgemeine Schadensersatzrecht belegen. Schwierigkeiten bereitet bei der Gewährung einer Entschädigung in Geld für inkommensurable Schäden, dass sich – anders als bei Vermögensschäden – die Obergrenze des Schadensersatzes, die das Bereicherungsverbot zieht, nicht ohne weiteres anwenden lässt. Daher ist ebenso wie bei der Ausgleichsfunktion auf die dahinterstehende Wertung zurückzugreifen und auf den Fall der inkommensurablen Schäden anzupassen. Das Bereicherungsverbot soll zwei Wirkungen haben: zum einen soll der Geschädigte durch den Schadensfall keinen Gewinn erzielen, zum anderen soll den Schädiger keine unverhältnismäßige Belastung angesichts des Schadens treffen. Dem Schädiger soll nicht mehr als der Ersatz des Verlusts auferlegt werden. Damit steht der erlittene Schaden im Mittelpunkt der Betrachtung, so dass es geboten erscheint, die Entschädigung an dem eingetretenen Verlust auszurichten. Zudem sollte die Entschädigung nicht an einem Maßstab ausgerichtet sein, der die Begehrlichkeiten des Geschädigten auslöst, was das Risiko birgt, dass der Geschädigte den Schaden vergrößert oder bei der Darlegung des Schadens übertreibt. Bereits diese Überlegungen sprechen dagegen, die Entschädigung an der Verschaffung von Annehmlichkeiten für den Geschädigten auszurichten. Die Orientierung am Schaden birgt zwar bei intersubjektiv nur schwer nachvollziehbaren Gefühlsschäden auch die Gefahr, dass der Geschädigte den Schaden vergrößert. Dem kann zumindest mit einer objektivierenden Schadensbetrachtung entgegengewirkt werden. Dazu ist auf das Empfinden einer normaltypischen, einer durchschnittlichen Person abzustellen. Zusätzlich sind die individuellen Umstände des Geschädigten zu berücksichtigen. Ein Rückgriff auf den objektiven Schadensbegriff ist hingegen nicht geboten, da er nicht auf den erlittenen Schaden, sondern die Rechtsgutsverletzung abstellt. Eine Einschränkung der Willkür bei der Bemessung der Entschädigung ist darüber hinaus dadurch zu bewirken, dass sich die Rechtsprechung an den bereits zugesprochenen Entschädigungsbeträgen orientiert.

103 104

Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. 6, art. 3. Soto, De iustitia et iure, lib. IV, q. 6, art. 3.

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III. Entschädigung immaterieller Einbußen als Reaktion der Rechtsordnung auf enttäuschte Verhaltenserwartungen Die Funktion der Entschädigung immaterieller Einbußen, die hier als Wertersatz i. S. ausgleichender Gerechtigkeit und einer konsistenten Ausgestaltung des Schadensersatzrechts beschrieben wird, beruht auf den normativen Vorgaben des Schadensersatzrechts. Die Anerkennung einer Entschädigung von Nichtvermögensschäden, die unabhängig von der Verschaffung von Annehmlichkeiten ist, bestätigen zudem rechtssoziologische Erwägungen. Sie erzwingen ein solches Normverständnis zwar nicht, es lässt sich aber aufzeigen, dass sich die Entschädigung ideeller Einbußen in Geld in die rechtssoziologische Betrachtung stimmig einfügt, auch wenn sie nicht zur Verschaffung von Annehmlichkeiten erfolgt, sondern der Geldbetrag unmittelbar mit dem immateriellen Schaden gleichgesetzt wird. Die Funktion des Schadensersatzes lässt sich rechtssoziologisch vor allem anhand der systemtheoretischen Überlegungen Luhmanns beschreiben, der dem Recht insbesondere die Funktion der Erwartungssicherung zuschreibt.105 Auf dieser Grundlage lässt sich der Zweck des Schadensersatzes als Reaktion der Rechtsordnung zur Verarbeitung der enttäuschten Verhaltenserwartungen beschreiben, die mit der Rechts- oder Pflichtverletzung einhergeht. Die Anerkennung subjektiver Rechte und die Zuordnung einer bestimmten Rechtsmacht korrelieren mit der Erwartung des Rechtssubjekts, dass seine Rechtsposition Beachtung findet und keine Rechtsverletzungen erfolgen.106 Rechtssätze sind als Sollenssätze zwar kontrafaktisch stabilisiert und in ihrer Geltung nicht von der Rechtswirklichkeit abhängig. Die Rechtsnorm erzeugt aber eine Erwartungshaltung an das Verhalten Dritter, die durch die Rechtsverletzung enttäuscht wird. Um das Vertrauen in die Rechtsordnung zu erhalten, bedarf es einer Reaktion auf die Rechtsverletzung. Die Sanktion hat eine symbolische Wirkung und anerkennt das verletzte Recht. Sie dient der Verarbeitung der enttäuschten Verhaltenserwartung und stärkt damit die tatsächliche Wirkung der Norm, so dass letztlich die Rechtssicherheit befördert wird.107 Diese Überlegung gilt unabhängig davon, ob die verletzte Rechtsnorm bereits vorrechtlich auf einer Verhaltenserwartung beruhte, die durch ihre Insti-

105 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 53 ff.; ders., Ausdifferenzierung des Rechts, S. 73, 78 ff.; ders., Das Recht der Gesellschaft, S. 221. An dieser Stelle ist nicht auf die Konzeption Luhmanns zur Entstehung von Verhaltenserwartung und deren Institutionalisierung durch rechtliche Normen einzugehen, die vor allem einen Entstehungsprozess beschreibt und sich heranziehen lässt, um z. B. die Ausdehnung der Schadensersatzansprüche zu begründen, s. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 64 ff., 80 ff.; daran anknüpfend v. Medem, Schadensersatz, S. 107 ff., 145 ff.; Röhl, Rechtssoziologie, S. 391 ff. 106 Luhmann, JbRSoz 1 (1970), 321 ff. 107 Zur stabilisierenden Wirkung der Sanktion Luhmann, Rechtssoziologie, S. 54, 60 f.

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tutionalisierung zu einer normativen Erwartung wurde.108 Zu dieser Gruppe von Normen gehört beispielsweise § 847 BGB a. F., der das über Jahrhunderte im deutschen Rechtsraum praktizierte Schmerzensgeld bei Körperverletzungen normiert. Daneben ist die Beschreibung auf verhaltenssteuernde Normen wie die Benachteiligungsverbote des AGG anwendbar, denen nicht in gleichem Maße eine vorrechtliche kognitive Verhaltenserwartung vorausging. Vielmehr sollte durch die Normen gerade zukunftsbezogen auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse hingewirkt werden. In beiden Fällen reagiert die Rechtsordnung auf ein Abweichen vom erwarteten Verhalten, so dass der Geschädigte in seinem Vertrauen auf die Rechtsordnung bestätigt wird. Diese rechtssoziologische Beschreibung beschränkt sich nicht auf den Schadensersatz, sondern lässt sich auf alle Sanktionen der Rechtsordnung i. w. S.109 übertragen. Sofern sich der Gesetzgeber für Schadensersatz entschieden hat, kann seine tatsächliche Wirkung aber auf diese Weise beschrieben werden.110 Für die Enttäuschungsverarbeitung ist es nicht erforderlich, dass eine Naturalrestitution erfolgt oder dem Geschädigten durch eine Geldzahlung die Verschaffung von Annehmlichkeiten möglich wird. Vielmehr genügt die Geldzahlung für den inkommensurablen Schaden, wenn sie für den Geschädigten zum Ausdruck bringt, dass sein Recht anerkannt wird und der erlittene Schaden eine von ihm eigentlich nicht zu tragende Einbuße darstellt. Daher kommt es darauf an, ob die Geldzahlung für den Geschädigten als Entschädigung annehmbar ist. Insofern ist erneut darauf zu verweisen, dass die Geldzahlung für einen ideellen Schaden rechtshistorisch betrachtet über Jahrhunderte zumindest in bestimmten Bevölkerungskreisen als untunlich galt. Das beruhte auf der Annahme, dass sich die Persönlichkeit gerade darin manifestiere, dass bei ideellen Beeinträchtigungen keine Entschädigung in Geld verlangt wird. Diese Vorbehalte, die den Gesetzgeber des BGB bei der Regelung von Entschädigungsansprüchen für Nichtvermögensschäden noch zurückhielten, sind inzwischen überholt. Der Ersatz immaterieller Schäden in Geld wurde nicht nur von der deliktischen Haftung auf die vertragliche Haftung und die Gefährdungshaftung erweitert. Zudem traten die Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Ansprüche hinzu, die die Entschädigung nicht von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängig machen. Die veränderte Erwartungshaltung hinsichtlich der Entschädigung immaterieller Einbußen dokumentiert insbesondere die Rechtsprechung zum Ersatz vertanen Urlaubs. Jener war zur Zeit des Seereise-Falles noch 108 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40 ff. Zum Verhältnis von Erwartungssicherung und Verhaltenssteuerung auch Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 73 ff. 109 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 54, 60 f.; zum Sanktionsbegriff auch § 16.B.I., S. 675 ff. 110 v. Medem, Schadensersatz, S. 133 f., 137, 147 ff.

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nicht gesetzlich geregelt, und die Rechtsprechung qualifizierte den vertanen Urlaub unter Rückgriff auf den Kommerzialisierungsgedanken als Vermögensschaden, um den Erwartungen des Klägers zu entsprechen. Nach der gesetzlichen Regelung des § 651f Abs. 2 BGB und dem Wandel der Einstellung zur Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden gab der BGH seine ursprüngliche Annahme, dass es sich um einen Vermögensschaden handle, auf und qualifiziert die Einbuße nunmehr als ersatzfähigen Nichtvermögensschaden.111 Aus dieser rechtssoziologischen Beschreibung des Schadensersatzes als Form der Enttäuschungsverarbeitung ergibt sich nicht, ob sich die Höhe der Entschädigung am erlittenen Schaden ausrichtet. Das folgt aus dem Bezug des Schadensersatzes auf den erlittenen Schaden sowie aus dem Rückgriff auf die Überlegungen zur ausgleichenden Gerechtigkeit und zur Kohärenz. Eine Entschädigung, die über den erlittenen Schaden hinausgeht oder sich nicht an ihm orientiert, sondern die Abschreckung des Schädigers und die Prävention zukünftiger Rechtsverletzungen ins Auge fasst, muss zudem noch ein zulässiger Schadensersatz sein. Es darf sich nicht um eine unzulässige Privatstrafe handeln. Insoweit kommt es darauf an, ob eine Privatstrafe überhaupt anzuerkennen ist und ob sie sich ohne eine Gesetzesänderung in das geltende Recht einfügen lässt. Das ist insbesondere bei sog. lukrativen Delikten zu erwägen, bei denen der Schädiger aus der Rechtsverletzung mehr gewinnt, als er als Schadensersatz zahlen muss. In diesen Fällen versagt die erwartungsstabilisierende Wirkung der Entschädigung als Reaktion der Rechtsordnung auf eine Rechtsverletzung. Für den Schädiger lohnt es sich weiterhin, das Recht zu verletzen. Das Ziel der Enttäuschungsverarbeitung durch die Entschädigung ist in solchen Fällen zwar noch zu erreichen. Der effektive Rechtsschutz kann aber weitergehende Ansprüche gegen den Schädiger erforderlich machen. IV. Entschädigung immaterieller Einbußen – ein Gebot der Kohärenz Der Ausgleich immaterieller Schäden lässt sich auch auf den Gedanken der Kohärenz stützen. Der Kohärenzgedanke stammt ursprünglich aus der Wahrheits- oder Erkenntnisphilosophie. Er ist aber auch Teil der Argumentationstheorie und somit der Rechtstheorie. Im Rahmen der juristischen Argumentation wird die Kohärenz vor allem in einem formalen Sinne herangezogen. Aussagen sind danach kohärent, wenn sie widerspruchsfrei sind (konsistent) und eine umfassende Erklärung geben.112 Angesichts des formalen Charakters dieses Kohärenzverständnisses kann damit allein keine inhaltliche Beschreibung der Funktion des Entschädigungsanspruchs erfolgen. Es lässt sich aber durch eine Kohärenzkontrolle sicherstellen, dass die gewonnenen Aussagen über die Funktion der Entschädigung in Geld bei inkommensurablen Schäden 111

Ausführlich dazu § 1.C.I.2.b., S. 39 ff. Bracker, Kohärenz, S. 171 ff.; Dworkin, Law’s Empire, S. 225, 226 f.; Jansen, Gerechtigkeit, S. 300 ff.; ders., ZEuP 2005, 750, 775; s. auch Canaris, Systemdenken, S. 16 ff. 112

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valide Argumente für die Anwendung des geltenden Rechts sind. Den äußeren Rahmen für die Anwendung des Kohärenzbegriffs setzen bei der juristischen Argumentation die normativen Vorgaben der Rechtsordnung. Die Kohärenz der Aussage ist umso größer, in je mehr Zusammenhängen bzw. Argumentationsketten die Aussage widerspruchsfrei ist und den Regelungsgehalt vollständig erfasst. Die Konsistenz von Aussagen und Entscheidungen ist eine Form formeller Gerechtigkeit.113 Die bisher herangezogenen Erwägungen zur materiellen Gerechtigkeit lassen sich durch sie ergänzen. Die Entschädigung immaterieller Einbußen in Geld, die die Herstellung ausgleichender Gerechtigkeit bezweckt, muss sich somit widerspruchsfrei in das Schadensersatzrecht einfügen und eine umfassende Begründung für einen solchen Zahlungsanspruch sein. Betrachtet man zunächst die Entschädigung von Nichtvermögensschäden, so muss diese Funktionsbeschreibung für § 253 Abs. 2 BGB wie für die übrigen Ansprüche auf Entschädigung solcher Einbußen kohärent sein. Die Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB bezieht sich auf alle ideellen Schäden infolge der Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der sexuellen Integrität. Die früher herangezogene Funktionsbeschreibung, die auf den Ausgleich der Unannehmlichkeiten durch Annehmlichkeiten abstellte, erfüllt die Anforderungen der Kohärenz nach der hier zugrunde gelegten positiven Beschreibung des Nichtvermögensschadens nicht mehr. Dieser beschränkt sich nicht auf die Gefühlsschäden, sondern bezieht die Verletzung des nicht vermögenswerten Rechtguts und die Beeinträchtigungen der Selbstentfaltung des Geschädigten ein. Gefühlsschäden wie Schmerzen und Leiden sind zwar einbezogen, der Begriff des immateriellen Schadens erschöpft sich aber nicht darin. Folglich ist eine Beschreibung der Funktion des Entschädigungsanspruchs, die sich auf die Verschaffung von Annehmlichkeiten bezieht, keine Aussage, die den Ersatz immaterieller Schäden umfassend beschreibt. Eine Entschädigung erfolgt auch zugunsten empfindungsunfähig gewordener Geschädigter sowie zugunsten eines Vergewaltigungsopfers wegen der eingetretenen Lebenshemmung, die grundsätzlich über die Gefühlsbeeinträchtigung erheblich hinausgeht. Das Abstellen auf das Verschaffen von Annehmlichkeiten ist somit eine unvollständige Funktionsbeschreibung. Ergänzend müsste hinzugefügt werden, dass immaterielle Schäden auch unabhängig von eingetretenen Unannehmlichkeiten zu entschädigen sind. Das führte zu einem Widerspruch zur ersten Aussage. Eine vollständige und zugleich widerspruchsfreie Funktionsbeschreibung ermöglicht hingegen das Abstellen auf die Überlegung, dass 113 Bracker, Kohärenz, S. 171; Jansen, Gerechtigkeit, S. 300 ff.; ders., ZEuP 2005, 750, 775; s. auch Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 223 ff., 227, 229 f., der die Gerechtigkeit als formal im Sinne einer Konsistenz oder Regelhaftigkeit des Rechtssystems beschreibt und daher auch die Konsistenz von Entscheidungen als Vorgabe für die Gerechtigkeit eines Rechtssystems ansieht. Zur Kohärenz in der juristischen Interpretation Bracker, Kohärenz, S. 217 ff., 244 f.

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die Geldzahlung trotz der Inkommensurabilität des Schadens eine Maßnahme zur Anerkennung des Erlittenen und zur Herstellung ausgleichender Gerechtigkeit ist. Diese Überlegung gilt auch für die Entschädigungsansprüche außerhalb des § 253 Abs. 2 BGB in den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, § 651f Abs. 2 BGB, Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004, Art. 17 Abs. 1, 3 VO (EG) Nr. 1371/ 2006, §§ 9 f. KSchG, § 113 BetrVG und § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG sowie für den Entschädigungsanspruch bei schweren Persönlichkeitsverletzungen. Infolge der Rechts- bzw. Pflichtverletzung, die die Haftung des Schädigers begründet, entstehen nicht nur Gefühlsbeeinträchtigungen. Mit dem vertanen Urlaub, der Benachteiligung oder der Verletzung der Privatsphäre geht zwar regelmäßig eine Gefühlsregung beim Geschädigten einher. Darin erschöpft sich der Schaden aber nicht. Zudem ist zum Beispiel der Schaden wegen der Verletzung der Eltern-Kind-Beziehung, die Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, nicht von der gefühlsmäßigen Reaktion des Kindes abhängig.114 Daher lässt sich auch die Funktion der Entschädigung in Geld bei diesem Entschädigungsanspruch nicht durch die Verschaffung von Annehmlichkeiten zum Ausgleich von Unannehmlichkeiten vollständig beschreiben. Der Rückgriff auf den Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit ist zudem erforderlich, um das Nebeneinander der Entschädigung von Vermögensund Nichtvermögensschäden widerspruchsfrei und vollständig zu erklären. Sofern man den Ersatz der Vermögens- und Nichtvermögensschäden in Geld nach den §§ 251 ff. BGB sowie den übrigen Bestimmungen betrachtet, die einen Entschädigungsanspruch für ideelle Schäden regeln, ergeben sich zwei Aspekte für eine Kohärenzbetrachtung: zum einen die Beschreibung der Funktion der Entschädigung, zum anderen die Begründung für die Gewährung eines Schadensersatzes in Geld, obwohl die Wiederherstellung unmöglich oder unzumutbar ist. Die Entschädigung des Vermögensschadens in Geld dient dem Ausgleich des Wertinteresses und somit der Kompensation des bilanziellen Verlusts im Vermögen des Geschädigten. Diese Funktion der Entschädigung bei Vermögensschäden ist historisch betrachtet ebenfalls eine Ausprägung der ausgleichenden Gerechtigkeit. Sofern die Entschädigung für Vermögens- und Nichtvermögensschäden in ihrer Funktion konsistent und umfassend zu beschreiben ist, lässt sich daher auf den zugrunde liegenden Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit zurückgreifen. Die Beschreibung der Ausgleichsfunktion ist bei Vermögensschäden eine Konkretisierung, die auf der Art des Schadens beruht, ohne dass ein Widerspruch zum Gesamtkonzept eintritt. Beim Vergleich der Vermögens- und Nichtvermögensschäden hinsichtlich des Ob der Entschädigung in Geld ist zu berücksichtigen, dass die Entschädi114

Z. B. BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 304 f. (Caroline IV) (nicht auf das Empfinden des Kindes abstellend).

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gung immaterieller Schäden nur eingeschränkt erfolgt. Entweder ist die Entschädigung von der Verletzung eines personenbezogenen, absoluten Rechtsguts abhängig (s. § 253 Abs. 2 BGB, Gesetze zur Gefährdungshaftung), oder sie beruht auf der Verletzung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht unabhängig von der Rechtsgutsverletzung (z. B. § 651f Abs. 2 BGB), oder sie knüpft an eine vertragliche Pflichtverletzung an, die wegen ihres Schutzzwecks eine Entschädigung der ideellen Einbußen unabhängig von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts erforderlich macht (z. B. §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG). Daher muss eine Kohärenz an dieser Stelle nur für die einzelnen Teilbereiche bestehen. Soweit der Entschädigungsanspruch für einen ideellen Schaden die Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts voraussetzt, beruht er auf zwei Beweggründen. In § 847 BGB a. F. kompilierte der Gesetzgeber des BGB die etablierten Regelungen zum Ausgleich immaterieller Schäden, die nur Verletzungen personenbezogener Rechtsgüter erfassten. Hinzu trat der von der Rechtsprechung entwickelte Anspruch auf Geldentschädigung wegen schwerer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, um den Schutz dieses Rechtsguts zu verbessern, da die primärrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung der Rechtsverletzung nicht genügten. Die Entschädigung ist insofern Ausdruck der Anerkennung des Rechtsguts und hat zudem einen präventiven Nebeneffekt, der den Rechtsgüterschutz verbessert. Zwischen der Anerkennung des Rechtsguts sowie seinem Schutz durch die Rechtordnung und dem Schadensersatz besteht ein inhaltlicher Zusammenhang. Der Schadensersatz zielt zwar nicht primär auf den Rechtsgüterschutz. Die Gewährung einer Entschädigung ist aber Ausdruck der Anerkennung des Rechtsguts und führt de facto auch zu einem Rechtsgüterschutz. Ohne die Entschädigungsansprüche für ideelle Schäden wäre die Kompensation auf die Vermögensschäden beschränkt, so dass die erlittene Einbuße und ihre Bedeutung für die Entfaltung der Person nicht im vollen Umfang wiedergegeben wird und nur ein eingeschränkter Rechtsgüterschutz erfolgt. Der immaterielle Schaden ist zwar nicht mit der Rechtsgutsverletzung identisch, da ein subjektiver Schadensbegriff zugrunde zu legen ist. Der Umfang des Schadens spiegelt aber wider, welche Wirkung die Rechtsgutsverletzung auf die Selbstentfaltung des Verletzten und seine Lebensführung hat. Je mehr der Geschädigte mit den Folgen der Rechtsgutsverletzung belastet ist, umso mehr bedarf es der mit dem Schadensersatz einhergehenden Prävention und der Bestätigung des Rechtsguts trotz der Rechtsverletzung. Der Gedanke der Bestätigung des Rechtsguts beruht vor allem auf der Vorstellung, dass es sich um eine rechtwidrige Rechtsgutsverletzung handelt, auf die eine Reaktion der Rechtsordnung erfolgen muss. Auch bei der Gefährdungshaftung bleibt der Gedanke der Prävention durch die Auferlegung der Schadensersatzpflicht. Der Rechtsgüterschutz ist im deutschen Recht nach dem gegenwärtigen Schadensersatzrecht so ausgerichtet, dass die Prävention zukünftiger Rechts-

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gutsverletzungen nach dem vorherrschenden Verständnis Nebenfolge des Schadensersatzes ist. Zu seiner Verwirklichung ist der erlittene Schaden zu ersetzen. Dazu genügt der Ersatz der Vermögensschäden insbesondere dann nicht, wenn überwiegend immaterielle Schäden eingetreten sind. Hinzu kommt, dass bei Vermögensschäden in Fällen der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Wiederherstellung ein Wertausgleich in Geld erfolgt. Daher muss auch bei Nichtvermögensschäden eine vergleichbare Zahlung für die Schäden gewährt werden. Ansonsten käme es zu einer Ungleichbehandlung der materiellen und immateriellen Schäden, die unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes widersprüchlich erscheint. Umgekehrt wäre es eine Ungleichbehandlung, wenn der Ersatz der Nichtvermögensschäden unabhängig vom erlittenen Schaden bemessen würde und die abschreckende Wirkung auf den Schädiger maßgeblich wäre, wohingegen sich der Ersatz des Vermögensschadens am Schaden ausrichtet. Eine solche unterschiedliche Behandlung kommt nur in Betracht, wenn der Entschädigungsanspruch nicht als Schadensersatzanspruch, sondern als Anspruch sui generis zu qualifizieren ist oder wenn ihm eine Genugtuungs- oder Präventionsfunktion zukommt, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt. Das ist im vierten Teil der Arbeit zu erörtern. Sofern vorerst davon ausgegangen wird, dass sich die Entschädigung sowohl bei den Vermögensschäden als auch bei den Nichtvermögensschäden am erlittenen Schaden orientiert, ist auch ihre Funktion in vergleichbarer Weise zu beschreiben. Da ein Ausgleich im engeren Sinne unmöglich ist, muss auf die ausgleichende Gerechtigkeit als allgemeinen Gedanken zurückgegriffen werden. Insoweit ist die Entschädigung der materiellen und immateriellen Schäden kohärent. Diese vom Rechtsgüterschutz ausgehende Überlegung lässt sich auf die Bestimmungen zum Ersatz immaterieller Schäden erweitern, die zwar keine Verletzung eines personenbezogenen Rechts voraussetzen, aber durch den Schadensersatzanspruch die Rechtsverletzung sanktionieren. Das gilt insbesondere für die Schadensersatzansprüche aus den §§ 15 Abs. 1, 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG. Eine einseitige Beschränkung des Schadensersatzes auf Vermögensschäden gilt als unzureichende Sanktion und wird dem Rechtsschutz, den die Richtlinien verlangen, nicht gerecht115. Die europarechtlichen Vorgaben verlangen zwar nicht generell einen Schadensersatz zur Verwirklichung des Rechtsschutzes116, sofern sich der Mitgliedstaat aber für die Umsetzung der Richtlinie durch einen Schadensersatzanspruch entscheidet, müssen alle Schäden in Geld entschädigt werden. Ähnliches muss für die Entschädigungsansprüche wegen der Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten gelten, die immaterielle Schäden einbeziehen. Der Schadensersatzanspruch ist die Reaktion der Rechtsordnung auf die Verletzung der vertraglichen Pflicht und sanktioniert 115 116

Siehe oben § 2.C.VII.1., S. 126 ff., § 8.B.III.1., S. 453. Siehe oben § 8.B.III.1., S. 451 ff.

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den rechtswidrigen und schuldhaften Verstoß gegen den Grundsatz pacta sunt servanda. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Vermögens- oder Nichtvermögensschaden handelt. Neben den materiellen Argumenten für den Ersatz immaterieller Schäden, die sich aus dem Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit und der Haftung als Anerkennung des verletzten Rechts ergeben, stützen zusätzlich die Kohärenzerwägungen die Entschädigung von Nichtvermögensschäden in Geld. Sie bestätigen, dass sich der Ersatz ideeller Schäden konsistent in das Schadensersatzrecht einfügt. Das Zusammenwirken dieser drei Begründungsansätze vermag die Schwäche der einzelnen Begründungselemente zu beseitigen. Die Überlegungen zur ausgleichenden Gerechtigkeit geben eine Erklärung für das Ob und den Umfang der Haftung, erklären aber nur bedingt die Gleichsetzung von immateriellen Schäden und Geld. Hierüber hilft neben den rechtshistorischen Überlegungen insbesondere der Anerkennungsgedanke hinweg, aus dem allein sich aber kein Anhaltspunkt für die Höhe der Entschädigung ergibt. Die Kohärenzüberlegungen stellen abschließend sicher, dass die Entschädigung auch den Anforderungen gerecht wird, die an die Rechtsordnung als System zu stellen sind.

C. Entschädigung immaterieller Einbußen – Wiedergutmachung durch Geld I. Wiedergutmachung – Funktion des Schadensersatzanspruchs Eine Entschädigung für immaterielle Schäden ist nach dem hier entwickelten Verständnis eine Geldzahlung für einen inkommensurablen Schaden, um zumindest einen unvollkommenen Ersatz für die erlittene Einbuße zu gewähren. Es soll nicht erneut auf eine Hilfsgröße wie die Glückseligkeit des Geschädigten Bezug genommen werden.117 Sie hat ebenso wie die Formel vom Ausgleich der Unannehmlichkeiten durch Annehmlichkeiten einen metaphorischen Charakter. Inhaltlich sind die Kriterien zu unpräzise, um aus ihnen Vorgaben für die Ausgestaltung und Bemessung des Schadensersatzes ableiten zu können. Das Gleiche gilt für die Formel, dass die Entschädigung das verletzte Rechtsgefühl des Geschädigten besänftige.118 Die Entschädigung für Nichtvermögensschäden ist zudem Teil des allgemeinen Schadensersatzrechts und hat keine Sonderstellung. Die Entschädigung bezieht sich wie bei den Vermögensschäden auf den erlittenen Schaden, der sich nicht im verletzten Rechtsgefühl erschöpft. Nach der hier zugrunde gelegten Schadensbeschreibung sind auch die Beeinträchtigung des verletzten nicht vermögenswerten Rechtsguts und die Beschränkung der Selbstentfaltung zu entschädigen, soweit der Scha117 118

Feldman, Tex. L. Rev. 75 (1997), 1567, 1585, 1587. Zur Genugtuungsfunktion in dieser Form § 3.D.III., S. 184 ff.

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den ersatzfähig und zurechenbar ist. Die einbezogenen Emotionen beschränken sich zudem nicht auf das verletzte Rechtsgefühl, sondern beziehen zum Beispiel Schmerzen und Ängste ein. Der Bezug auf das verletzte Rechtsgefühl gibt somit den Gegenstand, auf den sich der Entschädigungsanspruch bezieht, nicht adäquat wieder. Die Entschädigung des inkommensurablen immateriellen Schadens in Geld ist daher als Reaktion der Rechtsordnung auf den erlittenen Schaden zu beschreiben und orientiert sich in ihrer Bemessung an der eingetretenen Einbuße. Die ausgleichende Gerechtigkeit fordert bei ideellen Schäden, sofern sie als ersatzfähig angesehen werden, eine Entschädigung in Geld, ebenso wie bei Vermögensschäden. Es wäre nicht hinnehmbar, wenn die Inkommensurabilität des Schadens den Ersatz vollständig ausschlösse, auch wenn es sich nur um einen unvollkommenen Ersatz handelt. Der Geschädigte müsste wegen dieses formalen Hindernisses den Schaden allein tragen, obwohl ein Haftungsgrund besteht, aus dem sich ergibt, dass nicht der Geschädigte mit dem Schaden belastet werden soll und dem Schädiger daher die Schadloshaltung des Geschädigten auferlegt wird. Zudem haben sich die moralischen Vorbehalte gegen die Zahlung von Geld bei ideellen Schäden zurückentwickelt, was nicht nur die Ausdehnung der Haftung für immaterielle Schäden dokumentiert. Die Entschädigung in Geld ist ein Schadensausgleich auf anderer Ebene. Der Schaden wird auf diese Weise anerkannt und dem Geschädigten durch den Geldbetrag ein Vorteil zugewandt, der in seiner Höhe einen Bezug zum erlittenen Schaden hat. Damit ist für die ideellen Schäden, für die in gleicher Weise eine Entschädigung angeordnet ist, die Gleichbehandlung mit den Vermögensschäden sichergestellt. Die Bemessung der Entschädigung erfolgt nach dem erlittenen Schaden und steht dem Geschädigten zur freien Verfügung. Eine Beschränkung der Dispositionsbefugnis, wie sie für die Verwendung der Heilbehandlungskosten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB besteht, existiert nicht. Der Aufwendungsersatz erfasst die Vermögensopfer, die zum Beispiel für die Wiederherstellung der Gesundheit erforderlich sind. Sofern die Heilbehandlung unterbleibt, erleidet der Geschädigte weitere immaterielle Schäden, deren Ersatzfähigkeit sich insbesondere nach § 253 Abs. 2 BGB bestimmt. Die Höhe der Entschädigung entspricht nicht dem Aufwendungsersatz. Insoweit ist der Aufwendungsersatz bei Sachbeschädigungen und Personenschäden nicht vergleichbar.119 Daher bedarf es der Beschränkung der Dispositionsbefugnis, um eine Rechtsumgehung zu verhindern. Das gilt für die Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB sowie die übrigen Bestimmungen, die eine Entschädigung für ideelle Schäden gewähren, indes nicht. Der Zweck der Entschädigung ist kein Schadensausgleich im engeren Sinne, sondern der Ersatz der ideellen Schäden auf einer anderen Ebene, um ausglei119

Zur Dispositionsbefugnis des geschädigten Eigentümers s. § 1.B.III.2., S. 29.

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chende Gerechtigkeit herzustellen. Daran ist die Funktionsbeschreibung anzupassen, so dass bei immateriellen Schäden nicht von einem Schadensausgleich, sondern von einer Wiedergutmachung zu sprechen ist. Dieser Begriff bringt klarer zum Ausdruck, dass es sich um eine Reaktion auf einen erlittenen Schaden handelt und nicht um einen Ausgleich im engeren Sinne. Zugleich ist die Reziprozität des Schadensersatzes gegenüber dem erlittenen Schaden zum Ausdruck gebracht. Entschädigung und Schaden sind aufeinander bezogen, auch wenn sie sich nicht decken. Der Begriff der Wiedergutmachung kann als Oberbegriff eines Schadensersatzes dienen, der eine ausgleichende Gerechtigkeit bezweckt. Er beschreibt einen Schadensersatz, der dem Schädiger etwas abverlangt, das sich an dem vom Geschädigten erlittenen Verlust ausrichtet. Eine Wiedergutmachung kann grundsätzlich auf verschiedene Art erfolgen. Ihre Durchführung gestaltet das Schadensersatzrecht in den §§ 249 ff. BGB aus. Sie kann durch einen tatsächlichen Ausgleich des Erlittenen erfolgen (Naturalrestitution nach § 249 BGB). Auch die Entschädigung von Vermögensschäden lässt sich noch als Schadensausgleich beschreiben, obwohl nur ein Ausgleich der bilanziellen Einbuße erfolgt. Zumindest wird der eingetretene Verlust tatsächlich ausgeglichen. Dieser Schadensausgleich lässt sich zusammen mit der Entschädigung immaterieller Einbußen unter dem Oberbegriff der Wiedergutmachung zusammenfassen. Zweck der Entschädigung ideeller Schäden ist ebenfalls die Wiedergutmachung, da es sich gerade nicht um einen Ausgleich im eigentlichen Sinne handelt. Diese begriffliche Konzeption erlaubt es, die Funktion des Schadensersatzes nach den §§ 249 ff. BGB kohärent zu beschreiben, so dass jeder Teilbereich adäquat erfasst ist. Davon unabhängig ist die Bezeichnung der Art des Schadensersatzes als Naturalrestitution oder Kompensation (Entschädigung in Geld). Dies beschreibt nicht den Zweck, sondern den Modus des Schadensersatzes. Die Wiedergutmachung als Funktion des Schadensersatzes ist zudem davon unabhängig, ob dem Schadensersatz partiell eine selbständige Präventionsfunktion zukommt, die es gebietet, eine Entschädigung zuzusprechen, die über den erlittenen Schaden hinausgeht. Jedenfalls besteht kein Schadensersatzanspruch ohne einen Schaden.120 Ansonsten handelte es sich um eine Privatstrafe zum Rechtsgüterschutz.121 Daher wird insbesondere für das postmortale Persönlichkeitsrecht zu Recht keine Entschädigung gewährt. Für die Einführung des Begriffs der Wiedergutmachung spricht auch ein systematisches Argument. Im Strafrecht und im Strafprozessrecht knüpfen eine Reihe von Regelungen an die Wiedergutmachung des Schadens durch den Straftäter an (z. B. § 153a Abs. 1 StPO, §§ 46 Abs. 2, 46a Nr. 2, 56b Abs. 2 120 121

Siehe oben § 3.B.V.1, 2., S. 163 ff., 167 ff. Zur Abgrenzung von Schadensersatz und Privatstrafe § 16.B.II.1., III., S. 677 ff., 682 ff.

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Nr. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 59a Abs. 2 Nr. 1 StGB). Der Begriff ist nicht auf die Strafe bezogen und hat keinen pönalen Aspekt, sondern bezeichnet die (vollständige oder teilweise) Erfüllung der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche des Opfers wegen der erlittenen Schäden, die durch die Straftat verursacht wurden.122 Der Begriff ist unabhängig von der Art des Schadens und dem Modus des Schadensersatzes.123 Er knüpft an den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch an und bezieht sich nur auf den tatsächlichen Ersatz des Schadens. Die Schadenswiedergutmachung wird bei der Strafzumessung berücksichtigt, um durch die Einbeziehung des nachtatlichen Verhaltens die individuelle Schuld des Täters vollständig zu ermitteln. Zudem wird die Schadenswiedergutmachung bei der Einstellung des Strafverfahrens zur Auflage gemacht, um dem Opfer die Schadensfolgen der Straftat abzunehmen und weil es bei Erfüllung der Auflage keiner Fortführung des Strafverfahrens im öffentlichen Interesse bedarf. Die Verwendung des Begriffs im Straf- und Strafprozessrecht schließt es nicht aus, ihn im Privatrecht heranzuziehen. Sein Gehalt weicht zudem nicht von der hier angestrebten Verwendung im Schadensersatzrecht ab124, so dass keine Verwirrungsgefahr besteht. Er bezieht sich im Straf- und Strafprozessrecht auf die Schadensersatzansprüche des Privatrechts.125 Im Strafrecht wird bei der Wiedergutmachung des Schadens zwar darauf abgestellt, ob der Straftäter den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch bereits erfüllt hat. Das führt aber zu keinem unterschiedlichen Begriffsinhalt. Im Zivilrecht soll der Zweck des Schadensersatzes als Wiedergutmachung bezeichnet werden. Im Strafrecht knüpfen die Bestimmungen, die auf die Wiedergutmachung Bezug nehmen, daran an, dass tatsächlich ein Schadensersatz erfolgt ist und sich der Zweck des zivilrechtlichen Anspruchs in seiner Erfüllung realisiert hat. Insofern tritt kein Widerspruch zwischen Zivil- und Strafrecht ein. Es wird nur auf den Zweck 122 Dazu BGH 17.1.1995 StV 1995, 249; Franke, MünchKomm-StGB, § 46a Rn. 13; Horn, SK-StGB, § 46a Rn. 7; Kilchling, NStZ 1996, 309, 314; Meier, GA 1999, 1, 4; ders., Strafrechtliche Sanktionen, S. 340; Schöch, FG 50 Jahre BGH, Bd. IV, S. 309, 318; Schulte, Wiedergutmachung, S. 23; siehe § 16.D.I.2., S. 711 ff. 123 Kilchling, NStZ 1996, 309, 314; Meier, GA 1999, 1, 4; ders., Strafrechtliche Sanktionen, S. 340; Schöch, FG 50 Jahre BGH, Bd. IV, S. 309, 318. 124 Streitig ist im Strafrecht nur die Auslegung des § 46a Nr. 1, 2 StGB. Der BGH wendet § 46a Nr. 1 StGB auf alle immateriellen Folgen der Tat an, wohingegen er die Schadenswiedergutmachung nach § 46a Nr. 2 StGB auf die materiellen Folgen der Tat beschränkt, s. BGH 17.1.1995 NStZ 1995, 284; 8.9.1999 NStZ 1999, 610; 14.12.1999 StV 2000, 129. Die herrschende Lehre bezieht § 46a Nr. 2 StGB hingegen auf die Wiedergutmachung aller Schäden, auch der immateriellen, s. OLG Stuttgart 8.3.1996 NJW 1996, 2109, 2110; Kaspar, StV 2002, 651, 652; Kilching, NStZ 1996, 309, 314; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Streng, StGB, § 46a Rn. 19; König, JR 2002, 252, 253; Meier, GA 1999, 1, 4; Pielsticker, § 46a StGB, S. 156 ff.; Theune, LKStGB, § 46a Rn. 32. Diese Auseinandersetzung ergibt sich aus den Besonderheiten der Regelung des § 46a StGB und hat nicht zur Folge, dass der Begriff der Wiedergutmachung zur Beschreibung der Funktion des Schadensersatzes unbrauchbar wird. 125 Siehe Fn. 120.

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des Anspruchs bzw. auf die Verwirklichung dieses Zwecks Bezug genommen. Die Funktion des Schadensersatzes ist daher als Wiedergutmachung zu beschreiben. II. Sonderrolle der Entschädigung bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nimmt nach wie vor eine Sonderrolle ein, die sich auch auf die Beschreibung der Funktion des Anspruchs auswirkt. Die Rechtsprechung weist dem Entschädigungsanspruch keine Ausgleichsfunktion, sondern eine Genugtuungsfunktion zu.126 Die Geldentschädigung wird bewusst von den übrigen Entschädigungsansprüchen für immaterielle Schäden abgesondert. Es wird darauf verwiesen, dass der Schaden noch schwerer einzuschätzen sei als bei der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB.127 Zudem resultiere der Anspruch unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und nehme wegen seiner grundrechtlichen Fundierung eine Sonderstellung ein.128 Das macht eine eigenständige Beschreibung der Funktion des Entschädigungsanspruchs aber nur erforderlich, wenn er tatsächlich einen anderen Zweck verfolgt. Die Bemessungsschwierigkeiten, die es als untunlich erscheinen ließen, von einem Schadensausgleich zu sprechen, genügen nicht. Der Begriff der Wiedergutmachung vermeidet dieses Problem und kommt nicht mit der Inkommensurabilität des Schadens in Konflikt. Die Sonderstellung der Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung beruht auf der dogmatischen Ausgangssituation bei der Ableitung des Anspruchs. § 253 BGB a. F. schloss die Entschädigung ideeller Schäden generell aus und stand einer Rechtsfortbildung grundsätzlich entgegen. Dem Verdikt der Rechtsfortbildung contra legem wich die Rechtsprechung aus, indem sie zur Ableitung des Anspruchs auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zurückgriff und annahm, dass es sich um einen besonderen Anspruch handle, der mit dem Ersatz ideeller Schäden in Geld nicht vergleichbar sei.129 Überzeugender wäre es gewesen, auf den vorkonstitutionellen Charakter des 126 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 369 (Ginsengwurzel); 5.3.1963 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); siehe oben § 3.D.V., S. 189 ff. 127 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 358 (Herrenreiter); 19.9.1961 Z 35, 363, 368 f. (Ginsengwurzel). 128 Anspruch eigener Art wegen der grundrechtlichen Ableitung des Entschädigungsanspruchs BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II). 129 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II). So BVerfG 8.2.2000 NJW 2000, 2187 f., das die einseitige Anerkennung einer Präventionsfunktion für die Entschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen und die Ungleichbehandlung bei den Schadensersatzbeträgen im Vergleich zu den Folgen eines Straßenverkehrsunfalls für verfassungsgemäß erachtet.

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§ 253 BGB a. F. zu verweisen und § 847 BGB a. F. analog anzuwenden.130 Beim Inkrafttreten des BGB war das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch nicht anerkannt, so dass es an einer Regelung dieses Rechts sowie der Sekundäransprüche im Falle seiner Verletzung fehlte. Vor der Reform des Schadensersatzrechts im Jahre 2002 lag somit eine fallgruppenbezogene Einschränkung des § 253 BGB a. F. und eine Analogie zu § 847 BGB a. F. nahe.131 Der Anspruch hätte sich in das Schadensersatzrecht eingeordnet. Dieser Weg ist seit der Reform des Schadensersatzrechts nicht mehr gangbar, da die Regelung des § 847 BGB a. F. in den Abs. 2 des § 253 BGB integriert und so auf die vertragliche Haftung erweitert wurde.132 Zugleich billigte der Gesetzgeber die bisherige Rechtsprechung des BGH zum Schadensersatz bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die sich auf die deliktische Haftung beschränkte, ohne ihre Erweiterung auf die vertragliche Haftung in Betracht zu ziehen.133 Insofern ist der Weg zur analogen Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB mangels planwidriger Regelungslücke versperrt. Das hat nicht zwingend zur Folge, dass sich der Entschädigungsanspruch wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen nicht in die Funktionsbeschreibung des Schadensersatzes als Wiedergutmachung einfügen ließe. Der Zweck des Entschädigungsanspruchs wird vor allem wegen der Bemessungsschwierigkeiten durch die Genugtuungsfunktion beschrieben. Das stellt klar, dass es sich nicht um eine Verschaffung von Annehmlichkeiten für Unannehmlichkeiten im Sinne eines Schadensausgleichs handelt. Die Entschädigung orientiert sich aber am erlittenen Schaden, der objektivierend bemessen wird134, um die Beurteilungsschwierigkeiten zu überwinden. Die Bezugnahme auf das verletzte Rechtsgefühl hat jedoch nicht zur Folge, dass sich der Entschädigungsanspruch vom Schadensersatz entfernt. Zum einen sind Gefühlsbeeinträchtigungen Teil der immateriellen Schäden, zum anderen wird nicht auf die Vergeltung der Tat abgestellt, was der Entschädigung einen pönalen Charakter verliehen hätte. Die bisherige Rechtsprechung hat zudem nicht berücksichtigt, welche emotionale Befriedigungswirkung für den Geschädigten von der Entschädigung im ausgeurteilten Umfang ausgeht. Das lässt sich insbesondere daran erkennen, dass den Vermögensverhältnissen des Geschädigten bei der Bemessung der Entschädigung keine (oder allenfalls eine untergeordnete) Rolle zukommt. 130 So Canaris, FS Deutsch, S. 85, 86, 100; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 452 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 494 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56; s. auch Deutsch, ZRP 1998, 292; Peifer, JR 1996, 420, 421 f.; H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 131. 131 BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 290 f. (Soraya). 132 Siehe oben § 2.A.VI.1.a., S. 82 ff. 133 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f. 134 Dazu § 4.A.II., S. 223 ff. Nicht zu verwechseln mit dem objektiven Schaden, der den Schaden mit der Rechtsgutsverletzung gleich setzt.

§ 12 Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden

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Insofern bleibt der Entschädigungsanspruch hauptsächlich auf den erlittenen Schaden bezogen und geht nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH darüber nur hinaus, soweit der Anspruch im Falle rücksichtsloser Zwangskommerzialisierungen eine Präventionsfunktion hat und die Erhöhung der Entschädigung über den Schaden hinaus geboten ist, um den Schädiger in der Zukunft von solchen Rechtsverletzungen abzuhalten. Ob an der Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs festzuhalten ist, bleibt im vierten Teil der vorliegenden Arbeit zu untersuchen. Soweit die Präventionsfunktion nicht eingreift, weist der Entschädigungsanspruch wegen der Schäden infolge einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Eigenart in seiner Zwecksetzung auf, die ihm eine Sonderrolle zuweist. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Entschädigungsanspruch auf den grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG beruht. Unabhängig von den ursprünglichen Zweifeln an der Tragfähigkeit der Ableitung verwirklicht die Rechtsprechung die Schutzpflichten im Rahmen des Privatrechts. Die Schutzpflicht gibt der staatlichen Gewalt nur auf, zum Schutz einzugreifen, ohne dass Ausgestaltung und Zwecksetzung des Anspruchs notwendig von anderen Ansprüchen des Deliktsrechts abweichen. Auch andere privatrechtliche Bestimmungen lassen sich als Umsetzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht ansehen, ohne dass sie deswegen außerhalb der Dogmatik des Privatrechts stünden und einen abweichenden Zweck verfolgen. Die grundrechtliche Schutzpflicht gibt nicht vor, dass es sich im Interesse des Rechtsgüterschutzes um etwas anderes als einen Schadensersatz im Sinne der Wiedergutmachung handeln müsse. Der Schadensersatzanspruch hat ebenfalls präventive Wirkung. Nur wenn die Wiedergutmachung zum Rechtsgüterschutz nicht ausreicht, kann ein über den Ersatz der erlittenen Schäden hinausgehender Anspruch geboten sein. Das zeigt die Entwicklung der selbständigen Präventionsfunktion für den Entschädigungsanspruch bei rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung. Unabhängig davon bleibt es aber bei einer Orientierung am erlittenen Schaden wie im allgemeinen Schadensersatzrecht. Für die Einordnung der Geldentschädigung wegen einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in den Kreis der Entschädigungsansprüche wegen immaterieller Schäden spricht schließlich, dass Persönlichkeitsverletzungen, die durch andere Schadensersatzansprüche erfasst sind, sich durch die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens beschreiben lassen. Das gilt zunächst für die Verletzung der sexuellen Integrität, mit der regelmäßig eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einhergeht. Die ideellen Schäden sind nach § 253 Abs. 2 BGB durch die Entschädigung wiedergutzumachen. Ähnliches gilt für den Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts nach § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG. Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist zwar vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu unterscheiden. Es zeichnet sich durch seinen Bezug auf das Werk des Urhebers aus und ist als spezielle Ausprägung des Persönlichkeitsrechts anzusehen.

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Teil 3: Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen

Die Funktion des Entschädigungsanspruchs nach § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG weicht von den übrigen Entschädigungsansprüchen für immaterielle Einbußen nicht grundsätzlich ab. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 2004/48/EG, die die Mitgliedstaaten anhält, dem Entschädigungsanspruch eine Präventionsfunktion beizumessen. Das betrifft vor allem die Berücksichtigung des Verletzergewinns. Eine selbständige Präventionsfunktion, die zu einer überkompensatorischen Entschädigung zum Schutz des geistigen Eigentums verpflichtet, ist für den Schadensersatzanspruch nicht vorgesehen. Im Ergebnis bleibt der Entschädigungsanspruch nach der bisherigen Regelung auf den Ersatz ideeller Schäden beschränkt und unterscheidet sich in seiner Ableitung und Ausgestaltung nicht so grundlegend, dass eine Erstreckung der Wiedergutmachungsfunktion auf ihn ausgeschlossen ist. Eine abschließende Entscheidung über den Rechtscharakter des Anspruchs hängt von der Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion ab. III. Keine Genugtuungsfunktion bei Vorsatztaten Eine Besonderheit weisen höchstens die Funktion des Entschädigungsanspruchs und die Bemessung der Entschädigung bei vorsätzlichen Rechtsverletzungen auf. In solchen Fällen wollen die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur dem Entschädigungsanspruch neben der Ausgleichs-, eine Genugtuungsfunktion zusprechen.135 Die Geldzahlung müsse höher sein, um das verletzte Rechtsgefühl des Geschädigten zu besänftigen. Das lässt sich mit der Wiedergutmachungsfunktion nicht erfassen, wenn sich der Anspruch nicht mehr auf den erlittenen Schaden bezieht. Bei Vorsatztaten gegen die Person ist der Geschädigte grundsätzlich wesentlich intensiver von der Rechtsverletzung betroffen als bei fahrlässigen Handlungen. Mit der gezielten Verletzung einer Person oder ihrer billigenden Inkaufnahme zeigt der Schädiger, dass ihm der Geschädigte und seine Integrität gleichgültig sind. Damit schätzt er ihn als Menschen gering und würdigt konkludent dessen Persönlichkeit herab.136 Somit geht mit der vorsätzlichen 135 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 698; Ebert, Pönale Elemente, S. 466 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 438 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 31; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Auflage 1999, § 847 Rn. 15; ferner Zeytin, Schmerzensgeld, S. 175 ff. (Genugtuungsfunktion nicht als einzige Möglichkeit); für eine eigenständige Genugtuung Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 155; die Genugtuungsfunktion abl. Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 84 ff.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 72 f.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; Pauker, VersR 2004, 1391, 1392. 136 RG 7.4.1932 Z 136, 60, 62; BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 158; OLG Frankfurt M. 6.6.2005 zfs 2005, 597; Deutler, Schmerzensgeld, S. 112 f.; Honsell, VersR 1974, 205; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 438 f.; S. Müller, Schmerzensgeld, S. 368 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 48; Stoll, Haftungsfolgen, S. 80; s. auch Zeytin, Schmerzensgeld, S. 181 f. (den normativen Schadensbegriff heranziehend); abl. E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 51 ff., 72 f. (Beschränkung auf äußere Verletzungsschäden/Verletzungsfolgeschäden); ebenso Pauker, VersR 2004, 1391, 1392 f.

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Rechtsgutsverletzung eine Persönlichkeitsverletzung in Form der Ehrverletzung einher. Sofern sich der Entschädigungsanspruch nicht auf die Rechtsfolgen am unmittelbar verletzten Rechtsgut beschränkt, sondern den Schaden wegen der Persönlichkeitsverletzung einbezieht, kommt es zu einer Entschädigung, wie sie sonst bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgt. Diese weicht in ihrer Zwecksetzung nicht von den übrigen Entschädigungsansprüchen ab, so dass es der Genugtuungsfunktion nicht bedarf. Somit lassen sich die Folgen der Vorsatztat in den Entschädigungsanspruch einbeziehen und wiedergutmachen. Die Haftung für den ideellen Schaden wegen dieser Persönlichkeitsverletzung ist vor allem dadurch erschwert, dass die Entschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG subsidiär ist und ein schweres Verschulden voraussetzt. Bei vorsätzlichen Verletzungen der Person durch Körperverletzung, Gesundheitsbeschädigung oder Freiheitsberaubung entstehen aber eigene Entschädigungsansprüche wegen der Verletzung dieser absoluten Rechte. Diese sind zudem durch strafrechtliche Normen geschützt, so dass es der Ableitung eines zusätzlichen Anspruchs aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nicht bedarf. Ein eigenständiger Entschädigungsanspruch wegen der Persönlichkeitsverletzung lässt sich daher nur schwer begründen.137 Allerdings ist die Ehrverletzung, die mit der Vorsatztat einhergeht, ein typischer Folgeschaden, den eine solche Rechtsgutsverletzung zwangsläufig bedingt. Die Entschädigung lässt sich auf § 253 Abs. 2 BGB stützen, wenn die Ersatzfähigkeit des Schadens nicht daran scheitert, dass der Wortlaut der Norm nur die Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung erfasst und der immaterielle Schaden ein zurechenbarer Folgeschaden ist. Insoweit ist vor allem darauf zu verweisen, dass der ideelle Schaden aus der Persönlichkeitsverletzung resultiert, die untrennbar mit der vorsätzlichen Verletzung des Rechtsguts verbunden ist, die § 253 Abs. 2 BGB erfasst. Die Einbeziehung dieses Nichtvermögensschadens führt zu keiner beliebigen Ausweitung der Ersatzfähigkeit ideeller Schäden. Der Schaden aus der Ehrverletzung ist zudem nicht nur adäquat kausale Folge der gesetzlich vorausgesetzten Rechtsgutsverletzung, sondern auch vom Vorsatz des Schädigers umfasst. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch bei der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung davon ausgegangen wird, dass die damit einhergehenden immateriellen Schäden infolge der gleichzeitig eintretenden Persönlichkeitsverletzungen nach § 253 Abs. 2 BGB zu entschädigen sind, ohne dass das Gesetz explizit hierauf Bezug nimmt.138 Im Vergleich zur Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung besteht bei einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung zwar der Unterschied, dass nicht mit jeder Verletzung des 137 138

S. Müller, Schmerzensgeld, S. 370 ff. Siehe oben § 2.A.IV., S. 75 ff.

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Teil 3: Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen

absoluten Rechts eine Persönlichkeitsverletzung einhergeht. Das schließt die Berücksichtigung dieses so unmittelbar mit der vorsätzlichen Rechtsgutsverletzung verbundenen ideellen Schaden aber nicht zwingend aus. Umgekehrt verdeutlicht die Betonung der gleichzeitigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dass ein Bewusstsein dafür besteht, dass mit dieser Rechtsgutsverletzung eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einhergehen kann, die zu entschädigen ist. Der Entschädigungsanspruch geht bei einer Vorsatztat darüber hinaus, wenn eine Vergeltung oder Prävention zukünftiger Rechtsgutsverletzungen erfolgen soll. Insofern bedarf es nicht nur der Kompensation des erlittenen Schadens, sondern einer überkompensatorischen Entschädigung. Ob sich eine solche Entschädigung in das geltende Schadensersatzrecht integrieren lässt und es sich um eine unzulässige Privatstrafe handelt, ist in Teil 4 zu untersuchen. Solange sich der Entschädigungsanspruch am erlittenen Schaden orientiert, besteht jedenfalls keine Notwendigkeit, eine selbständige Genugtuungsfunktion anzuerkennen.

D. Zusammenfassung Die Funktion der Entschädigung eines Nichtvermögensschadens kann wegen seiner Inkommensurabilität nicht als Schadensausgleich beschrieben werden. Zur Begründung einer Geldzahlung für einen immateriellen Schaden ist auf den Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit zurückzugreifen, um zu begründen, dass sich die Entschädigung am erlittenen Schaden orientieren muss. Die Gewährung eines Geldbetrags für den inkommensurablen Schaden stützt sich auf drei Aspekte: Zunächst sind die lange tradierten Vorbehalte gegen die Geldzahlung für solche Schäden überholt. Zudem ist die Verpflichtung zur Entschädigung eine Anerkennung des erlittenen Verlusts, an der es ansonsten fehlte. Das widerspräche insbesondere dem verletzten Recht und seiner Anerkennung durch die Rechtsordnung. Schließlich genügen die bisher verwendeten Metaphern nicht, um alle ideellen Schäden zu erfassen. Die Funktion des Schadensersatzanspruchs ist vielmehr als Wiedergutmachung zu bezeichnen, damit zum Ausdruck kommt, dass es sich um eine Reaktion auf den erlittenen Schaden handelt, die diesen selbst zum Maßstab des Schadensersatzes macht. Zugleich wird der Bezug auf den Schadensausgleich vermieden. Der Ersatz immaterieller Schäden dient der Wiedergutmachung unabhängig vom Haftungsgrund und gilt auch für die Entschädigung schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

§ 13 Die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung

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§ 13 Die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung A. Festsetzung der Entschädigung I. Ausrichtung am konkreten Schaden und objektivierende Schadensbetrachtung 1. Vorgehensweise bei der Ermittlung des Schadens Der Entschädigung der Nichtvermögensschäden wurde hier zunächst die Funktion zugewiesen, den erlittenen Schaden wiedergutzumachen. Dieser Zweck bestimmt auch die Bemessung der Entschädigung.1 Ihre Höhe ist daher nach dem Schadensumfang auszurichten. Eine andere Herangehensweise für die Bestimmung des Umfangs der Entschädigung ist nur geboten, wenn über die Wiedergutmachung hinaus eine selbständige Genugtuungs- oder Präventionsfunktion anzunehmen ist. Im Ausgangspunkt bleibt es bei einer Orientierung am erlittenen Schaden. Die Bemessung der Entschädigung ist nicht nur durch die Inkommensurabilität des Schadens erschwert, sondern auch durch die eingeschränkte, intersubjektive Nachvollziehbarkeit des immateriellen Schadens. Das gilt zum einen für die Gefühle des Geschädigten, zum anderen für die Beeinträchtigung seiner Selbstentfaltung. Für den Verlust an Selbstentfaltung besteht kein objektiver Maßstab. Der Schadensumfang hängt davon ab, ob und wie der Geschädigte sein Potential an Selbstentfaltung, sein Entwurfsvermögen, ohne den Schadensfall hätte nutzen wollen und können. Diese hypothetische Entfaltung des Geschädigten ist mit den tatsächlichen Möglichkeiten zu vergleichen, die ihm aufgrund des Schadensfalls verbleiben. Somit ist die Bemessung der Entschädigung anhand des erlittenen Schadens nach der hier zugrunde gelegten positiven Schadensbeschreibung von den subjektiven Empfindungen und konkreten Lebensumständen des Geschädigten abhängig. Um die Höhe der Entschädigung leichter festsetzen zu können, ist auf die bereits etablierte objektivierende Schadensbetrachtung zurückzugreifen.2 Das gilt zunächst für alle immateriellen Schäden, die auf einer Rechtsgutsverletzung beruhen. Dabei ist der immaterielle Schaden – anders als beim objektiven Schadensbegriff – nicht mit der Rechtsgutsverletzung gleichzusetzen. Allerdings ist an die Dauer und Intensität der Rechtsgutsverletzung anzuknüpfen und auf eine durchschnittliche Person abzustellen, um anhand dieser Modellvorstellung einen Ausgangswert für die Entschädigung zu ermitteln. Darüber hinaus werden die persönlichen Umstände des Geschädigten einbezogen, soweit sie vom Geschädigten dargelegt werden. Diese Vorgehensweise ist auch

1 2

Ausführlich § 4.A.II, C.I., S. 223 ff., 234 ff. Siehe oben § 4.A.II, C.I., S. 223 ff., 234 ff.

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auf die hier entwickelte Schadensbeschreibung zu übertragen. Soweit der ideelle Schaden aus Gefühlsbeeinträchtigungen besteht, ist auf das normaltypische Empfinden einer Person abzustellen. Infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts, die zu einem immateriellen Schaden führt, besteht der Schaden neben den Gefühlsbeeinträchtigungen grundsätzlich in der Einbuße bei der Lebensführung, die aus der physischen oder psychischen Beeinträchtigung des Geschädigten resultiert. Insoweit sind konkrete Angaben zur Lebensweise und den Lebensgewohnheiten des Geschädigten vor und nach dem Schadensfall erforderlich, um den Schaden schätzen zu können. Für eine objektivierende Betrachtung kann zunächst darauf abgestellt werden, welche grundsätzlichen Einschränkungen in der Lebensführung der Schadensfall für einen gesunden Geschädigten unabhängig von den konkreten Lebensverhältnissen hat. Auf diese Weise lassen sich die Folgen beim Verlust von Körperteilen oder Organen sowie von Sinneswahrnehmungen unabhängig von den konkreten Lebensgewohnheiten in einem ersten Schritt evaluieren. In einem zweiten Schritt sind die individuellen Folgen für den Geschädigten in die Betrachtung einzubeziehen. Sofern die Entschädigung der immateriellen Einbuße keine Rechtsgutsverletzung voraussetzt, ist für die objektivierende Schadensbetrachtung ein Anknüpfungspunkt zu wählen, der einen Rückschluss auf den individuellen Schaden zulässt. Dabei ist zum einen auf die Bemessung der Entschädigung nach den bestehenden Regelungen einzugehen, die eine Entschädigung unabhängig von der Rechtsgutsverletzung erlauben, zum anderen auf die Schadensersatzansprüche, die sich durch die individualvertragliche Erweiterung der vertraglichen Haftung auf Nichtvermögensschäden ergeben. Wegen der Schwierigkeiten der Schadensermittlung geben die gesetzlichen Ausnahmen zu § 253 Abs. 1 BGB, die eine Entschädigung unabhängig von der Rechtsgutsverletzung ermöglichen, einen Maßstab vor. So bestimmen Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 und Art. 17 VO (EG) Nr. 1371/2006 eine Schadenspauschalierung. § 10 KSchG legt fest, dass die Entschädigung in Monatsverdiensten zu bemessen ist. Im Übrigen ist zur Ermittlung des Schadens vor allem an die Rechts- bzw. Pflichtverletzung des Schädigers anzuknüpfen, um die daraus resultierenden Gefühlsschäden und Beeinträchtigungen der Selbstentfaltung zu ermitteln. Bei der vertraglichen Haftung wegen der Verletzung von Leistungspflichten kann der ideelle Schaden darin bestehen, dass die Selbstentfaltung des Gläubigers infolge der Pflichtverletzung beschränkt wird und eine negative Empfindung eintritt (z. B. bei Benachteiligungen in Bewerbungsverfahren, Belästigungen). Er kann auch dadurch eintreten, dass dem Geschädigten ein ideeller Vorteil entgeht, der gerade durch den Vertrag erstrebt wurde (z. B. Erlebnis- und Erholungswert einer Reise). In diesen Fällen muss sich die Beurteilung des erlittenen Schadens daran orientieren, wie der immaterielle Vorteil beschaffen gewesen wäre, den der Geschädigten nicht erhalten hat.

§ 13 Die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung

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Bei der Anwendung des § 651f Abs. 2 BGB stellt der BGH nunmehr auf den Reisepreis ab.3 Ein Zusammenhang zwischen Reisepreis und erlittenem Schaden besteht aber nur, soweit der Preis als Ausdruck der Wertschätzung für den erkauften Erlebnis- und Erholungswert gelten kann. Dieser Aspekt geht aber nicht in die Preisbildung ein. Der Reisepreis kann somit nur als Hilfsgröße fungieren, um einen Geldbetrag als Entschädigung des ideellen Schadens festzulegen.4 Ausgangspunkt der Schadensbeurteilung müssen vielmehr der Unterschied zwischen dem versprochenen und dem tatsächlichen Erlebnis- und Erholungswert der Reise sowie die eingetretenen Unannehmlichkeiten sein. Die Einbuße an Selbstentfaltung und die Gefühlseinbuße sind unter Rückgriff auf einen normaltypischen Reisenden zu ermitteln, wobei in einem zweiten Schritt die individuellen Umstände des Schadensfalls einzubeziehen sind. Bei unzulässigen Benachteiligungen nach dem AGG sind die Auswirkungen auf die Selbstentfaltung des Benachteiligten und seine emotionalen Reaktionen zu berücksichtigen. Auch bei diesen Schadensfällen sind hinsichtlich der Emotionen die normaltypische Reaktion des Geschädigten auf eine solche Benachteiligung zugrunde zu legen und zusätzlich die individuellen Umstände des Geschädigten zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Beeinträchtigung der Selbstentfaltung kommt es auf die Dauer und Intensität der Beeinträchtigung und ihrer Folgewirkungen auf den Geschädigten an, die ebenfalls zunächst typisierend und anschließend konkret anhand der Umstände des Einzelfalls betrachtet werden können.5 2. Zulässige Kriterien für die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung Angesichts der strikten Ausrichtung der Wiedergutmachung am Schaden steht dessen Evaluation im Mittelpunkt. Weitere Kriterien sind nur einzubeziehen, soweit sie der Ermittlung des Schadens dienen. Auf der Grundlage der Schadensbeschreibung und der Analyse der Entschädigungsbemessung der bisherigen Rechtsprechung6 werden die zulässigen Kriterien hier nur zusammengefasst. Bei der Ermittlung der Einbuße an dem nicht vermögenswerten Recht ist grundsätzlich der konkrete Verlust zu ermitteln. Das betrifft bei unheilbaren Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen die schon bestehende Beeinträchtigung des Geschädigten an Körper und Gesundheit, die seine Lebensführung beeinflusst. Bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist in die Betrachtung einzubeziehen, inwieweit der Geschädigte seine Privatsphäre vor Dritten abgeschottet oder sich freiwillig selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat. Der Umfang des Schadens variiert zum Teil auch in 3 4 5 6

BGH 11.1.2005 Z 161, 389, 398. Ausführlich dazu § 4.E.I., S. 269. Siehe dazu § 4.E.II.2.a, S. 273 ff. Siehe oben § 4.C., S. 234 ff., § 4.D., S. 260 ff., § 4.E., S. 268 ff.

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Abhängigkeit vom Alter des Geschädigten. Das Alter kann sowohl zur Vergrößerung des Schadens (z. B. langsamere Heilung) als auch zur Verringerung des Schadens (z. B. bleibende Behinderung) beitragen. Das Verschulden des Schädigers hat hingegen nur Einfluss auf die Entschädigung, wenn es zur Herabwürdigung des Geschädigten führt und somit schadenserhöhend wirkt. Der Verlust an Selbstentfaltung als ideeller Schaden ist ebenfalls für den Geschädigten zu ermitteln. Sofern die Entschädigung des Nichtvermögensschadens von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts abhängt, fußt dieser Verlust unmittelbar auf der Einbuße an dem nicht vermögenswerten Rechtsgut. Trotz der objektivierenden Betrachtung, die vor allem der Vereinfachung der Bemessung der Entschädigung dient, sind stets die individuellen Lebensumstände des Geschädigten vor dem Schadensfall zu ermitteln und in die Beurteilung des erlittenen Verlusts einzubeziehen. Dabei geht es nicht um eine qualitative Bewertung der Lebensführung, sondern nur um die Ermittlung der Einbuße. Bei dem Verlust von Freizeitbeschäftigungen kommt es nicht darauf an, welchen Geldbetrag der Geschädigte für das Hobby aufwendet, sondern in welchem Maße es der Selbstentfaltung dient. Auch der Verlust an sozialen Kontakten ist maßgeblich, wobei selbst in diesem Punkt zur Ermittlung des subjektiven Schadens die Lebensverhältnisse vor dem Schadensfall zu berücksichtigen sind. Der Umfang des Schadens wird zusätzlich durch die psychische Belastung des Geschädigten vergrößert. Das gilt für Schmerzen und Leiden sowie für die Lebenshemmung, die im Zusammenhang mit der Verletzung und dem Verlust an Selbstbestimmung einhergeht. Auch die entgangene Lebensfreude ist einzubeziehen, insbesondere bei der vertraglichen Haftung für eine Verletzung der Leistungspflicht, die unabhängig von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung eine Entschädigung der Nichtvermögensschäden nach sich zieht. Für die Bemessung der Entschädigung ist es in der Regel unerheblich, ob der Schädiger Familienangehöriger des Geschädigten ist.7 Zumindest führt die Verwandtschaft nicht zur Minderung der Entschädigung. Auch die Vermögensverhältnisse des Geschädigten sind unerheblich.8 Das Gleiche gilt für Vermögensverhältnisse und Versicherung des Schädigers.9 Nur bei Einführung einer Proportionalhaftung sind diese Umstände des Schadensfalls ebenso wie das Verschulden des Schädigers in vollem Umfang zu berücksichtigen. Erwägungen zur abschreckenden oder genugtuenden Wirkung der Entschädigung sind unerheblich.10 Auch die verhängten Kriminalstrafen bleiben grundsätzlich unberücksichtigt.11 Für den nach diesen Maßgaben ermittelten Schaden ist 7

Siehe § 4.C.III.3, S. 242 f. Siehe § 4.C.III.5, S. 245 f. 9 Siehe § 4.C.IV.1, S. 246 ff. 10 Siehe § 4.C.I, S. 234 ff. 11 Siehe § 4.C.VI, S. 253 ff. 8

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eine Entschädigung festzusetzen. Dabei ist das Mitverschulden des Geschädigten im Rahmen der Gesamtabwägung mindernd zu berücksichtigen.12 3. Keine selbständigen Schadenspositionen Bei der Bemessung der Entschädigung erfolgt eine Gesamtabwägung aller für den Schadensfall relevanten Umstände. Einzelne Schadenspositionen, denen jeweils ein Entschädigungsbetrag zugewiesen wird, haben sich nicht entwickelt. Es werden zwar die Schmerzen und Leiden sowie der Verlust an Lebensfreude als Nichtvermögensschäden bei Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen benannt, für andere Rechtsgutsverletzungen bestehen aber keine vergleichbaren Schadenspositionen. Zudem hat die Differenzierung einzelner Schäden keine Konsequenzen für die Bemessung der Entschädigung, da ein einheitlicher Betrag zugesprochen wird. Diese Vorgehensweise stimmt mit der in den hier untersuchten Rechtsordnungen in Österreich, der Schweiz und England überein.13 Eine Ausnahme stellt Frankreich dar, wo das Sozialversicherungsrecht und im Anschluss daran auch das Schadensersatzrecht einzelne Schadenspositionen unterscheiden.14 Das hat in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass gesonderte Schadensersatzbeträge für jede einzelne Schadensposition zugemessen wurden. Der Rapport Catala strebt allerdings an, dass der Richter in Zukunft explizit begründen muss, warum er für eine der geltend gemachten Schadenspositionen keine Entschädigung zuspricht. Die Anerkennung einzelner Schadenspositionen unterstützt eine rationale Bemessung der Entschädigung. Die Gefahr eines solchen Vorgehens besteht aber in der doppelten Entschädigung von Einbußen, wenn sich die Schadenspositionen überschneiden. Das hat jüngst in Frankreich zu einer Überarbeitung der Nomenklatur des Schadensersatzrechts geführt. Angesichts dieser praktischen Hindernisse ist eine Weiterentwicklung des deutschen Schadensersatzrechts in Anlehnung an das französische Recht nicht geboten. Für die Ausdifferenzierung ergeben sich aus dem Sozial- und Privatversicherungsrecht weder Vorgaben noch Anhaltspunkte, die durch das Schadensersatzrecht aufzugreifen sind. Gerade die Sozialversicherung unterscheidet nach einzelnen Leistungen bzw. Leistungsarten. Das lässt sich nicht auf das Schadensersatzrecht übertragen. Auch im Interesse einer nachvollziehbaren Begründung für die Festsetzung des Entschädigungsbetrags bedarf es keiner Einführung einzelner Schadenspositionen. Eine Begründungspflicht für die Bemessung der Entschädigung und insbesondere für die Ablehnung einzelner Schadenspositionen ergibt sich nach dem deutschen Zivilprozessrecht bereits aus § 313 Abs. 3 ZPO sowie Art. 103 Abs. 1 GG, soweit der Kläger zu den Schäden vorgetragen hat. Die 12 13 14

Siehe § 4.C.III.4, S. 243 ff. Siehe oben § 6.E.II.1, 2, 4., S. 338 f., 339 f., 346 ff. Siehe oben § 6.E.II.3., S. 340 ff.

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Entscheidungsgründe müssen sich mit dem wesentlichen Parteivortrag auseinandersetzen, um den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu verletzen, es sei denn, der Vortrag ist nach der Rechtsauffassung des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert.15 Darüber hinaus ist im Urteil die Höhe der Entschädigung so zu begründen, dass die Parteien die maßgebenden Erwägungen nachvollziehen können und dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung der Entscheidung möglich ist.16 Das macht es insbesondere bei der Entschädigung für Nichtvermögensschäden erforderlich, die tragenden Gesichtspunkte für die Bemessung der Entschädigung zu benennen, auch wenn die Höhe der Entschädigung für die erlittenen Schmerzen oder die Beschneidung der Selbstentfaltung nicht im Einzelnen zu beziffern ist, sondern die Festsetzung der Gesamtsumme genügt. Die Bezugnahme auf das Verschulden des Schädigers muss erkennen lassen, dass seine schadenserhöhende Wirkung berücksichtigt wurde, ansonsten handelte es sich nicht um eine Wiedergutmachung immateriellen Schadens. II. Vergleichende Betrachtung der Entschädigungsbeträge 1. Gleichbehandlung vergleichbarer Schadensfälle Wegen der Inkommensurabilität der immateriellen Schäden besteht bei ihrer Entschädigung anders als bei Vermögensschäden die Gefahr, dass der zugesprochene Betrag bei ähnlichen Schadensfällen variiert. Daher bedarf es eines Vergleichs mit den bereits zugesprochenen Beträgen, um die Gleichbehandlung der Schadensfälle sicherzustellen und somit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG Rechnung zu tragen.17 Damit wird der Willkür bei der Entschädigung ideeller Einbußen entgegengewirkt, wenngleich die Festlegung eines Betrags für einen inkommensurablen Schaden an sich eher arbiträren Charakter hat. Der Vergleich mit den übrigen Schadensfällen mildert diesen Umstand ab. Eine Abweichung von bereits zugesprochenen Entschädigungsbeträgen muss auf einem sachlichen Grund beruhen, der sich grundsätzlich aus den Besonderheiten des Schadensfalls ergibt. 2. Angemessene Relation zwischen den Schadensfällen Die Orientierung der Entscheidung an der bestehenden Rechtsprechung zu einer bestimmten Gruppe von Schadensfällen hat nur zur Folge, dass die Entschädigung in diesem Teilbereich der Wiedergutmachung immaterieller Schäden den Vorgaben von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG entspricht. 15 St. Rspr., BVerfG 2.12.1969 E 27, 248, 251 f.; 27.5.1970 E 28, 378, 384; 17.12.1996 NJWRR 1997, 688, 689; dazu Musielak, MünchKomm-ZPO, § 313 Rn. 15. 16 Gottwald, ZZP 98 (1985), 113, 114 f.; Hartmann, JR 1977, 181, 185; Musielak, MünchKomm-ZPO, § 313 Rn. 14. 17 Ausführlich dazu in § 4.A.II., S. 223 ff.

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Die Gleichbehandlung bezieht sich aber stets nur auf punktuelle Fallgruppen, ohne eine Ausgewogenheit der Entschädigung für die verschiedenen Schadensfälle untereinander systematisch herzustellen. Für ein ausgewogenes Verhältnis der zugesprochenen Entschädigungsbeträge untereinander kann sich die Betrachtung nicht auf die vergleichbaren Verletzungsfälle beschränken. Ansonsten wäre eine angemessene Relation zu den Entschädigungsbeträgen für immaterielle Schäden mit unterschiedlichem Umfang bei der Verletzung verschiedener Rechtsgüter nicht sichergestellt. Das hat insbesondere zur Folge, dass die Entschädigung für Körperverletzungen, die die Lebensführung nur vorübergehend beeinträchtigen, im Verhältnis zur Entschädigung für schwere Verletzungen, deren Folge den Geschädigten über lange Zeiträume, gegebenenfalls sogar ein Leben lang belasten, als inkonsistent empfunden werden. Um eine angemessene Relation der Schadensersatzbeträge etwa zwischen den unterschiedlichen Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen zu gewährleisten, sind insbesondere zwei Maßgaben von Bedeutung. Erstens bedarf es einer vollständigen Berücksichtigung der physischen und psychischen Folgewirkungen für den Geschädigten.18 Das macht eine Würdigung dieser Schäden im Urteil erforderlich. Eine pauschale Berücksichtigung der Folgen des Schadensfalls birgt die Gefahr, dass die Entschädigung zu gering ausfällt, weil bei der Entscheidung das Bewusstsein dafür fehlt, welche Konsequenzen die Verletzung für den Geschädigten hat. Gerade wegen der Hindernisse bei dem intersubjektiven Nachvollziehen der Schadensfolgen kann sich dabei das Erfahrungswissen des Richters niederschlagen und die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung beeinflussen. Darüber kann eine genauere Beschreibung der Schadensfolgen zwar nur partiell hinweghelfen, sie rationalisiert aber zumindest den Entscheidungsprozess mit der Folge, dass insbesondere schwer abzuschätzende langfristige Folgen des Schadensfalls eingehender gewürdigt werden. Zweitens ist der Schadensersatz für den zu entscheidenden Fall mit den Entschädigungsbeträgen zu vergleichen, die in Schadensfällen mit geringen oder wesentlich intensiveren Schadensfolgen zugesprochen werden, um sicherzustellen, dass die Relation zwischen den Entschädigungen in Anbetracht des ideellen Schadens konsistent ist. Weiter hat die gegenwärtige Beschränkung der vergleichenden Betrachtung auf ähnliche Schadensfälle zur Folge, dass die Entschädigung für Nichtvermögensschäden bei anderen Rechtsgutsverletzungen nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen wird. Solange sich die Entschädigung für jede Rechtsbzw. Pflichtverletzung eigenständig entwickelt, besteht die Gefahr, dass der Schadensersatz für Körperverletzungen, Vergewaltigungen, Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und für Diskriminierungen sowie vertanen Urlaub in keinem stimmigen Verhältnis zueinander stehen. Dieses Risiko hat 18

Zu den Vergewaltigungsfällen oben § 2.A.IV., S. 75 ff.

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sich seit Inkrafttreten des BGB zusätzlich dadurch vergrößert, dass sich die Entschädigung für Nichtvermögensschäden nicht mehr auf Einbußen beschränkt, die infolge der Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit und sexueller Integrität eintreten. Eine solche unabgestimmte Entwicklung der einzelnen Teilbereiche der Wiedergutmachung ideeller Schäden in Geld birgt das Risiko, dass die Relation zwischen den Entschädigungen in ihrer Höhe inkonsistent ist. Im Interesse einer rechtsstaatlichen Entscheidungsfindung kann sich die Bemessung der Entschädigung nicht nur an dem Entschädigungsbetrag orientieren, der in vergleichbaren Fällen bereits gewährt wurde. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die Rechtsprechung auch zur Gleichbehandlung der Entschädigungsansprüche wegen unterschiedlicher Rechtsgutsverletzungen, solange sie rechtlich vergleichbar sind. Die Entschädigung wird zwar für unterschiedliche Rechtsoder Pflichtverletzungen gewährt, solange die Geldzahlung aber gleichermaßen der Wiedergutmachung des erlittenen Schadens dient, müssen die Entschädigungsansprüche ihrer Höhe nach auch fallgruppenübergreifend in einem Verhältnis zueinander stehen, das sich durch den Umfang des erlittenen Schadens rechtfertigen lässt. Dieser Überlegung ist das BVerfG, als es über einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die divergierenden Entschädigungsbeträge für immaterielle Schäden bei Straßenverkehrsunfällen und schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu entscheiden hatte, nicht entgegengetreten, auch wenn die Verfassungsbeschwerde abgewiesen wurde.19 Es stützt seine Entscheidung auf die unterschiedliche Ableitung der Entschädigungsansprüche und die darauf beruhende Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion der Geldentschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen.20 Das steht einer Überprüfung der Vereinbarkeit der Entschädigung für ideelle Schäden bei unterschiedlichen Rechts- und Pflichtverletzungen nicht entgegen, solange die Geldzahlung zur Wiedergutmachung des erlittenen Schadens erfolgt. Der Vergleich zwischen den Fallgruppen stellt ein stimmiges Gesamtsystem des Ersatzes ideeller Schäden in Geld sicher. Ein ähnliches Vorgehen ist im englischen Diskriminierungsrecht zu beobachten.21 Nach der Aufhebung der gesetzlichen Obergrenzen für den Schadensersatz sah man die Gefahr, dass die Gerichte darauf mit einer Erhöhung der Entschädigungsbeträge für Diskriminierungen reagieren. Daher forderte das Employment Appeal Tribunal als Berufungsinstanz, dass die Gerichte nicht nur den Wert des zugesprochenen Betrags im täglichen Leben beachten, sondern auch mit den Entschädigungsbeträgen vergleichen, die bei Körperverletzungen oder Ehrverletzungen zuge19 20 21

BVerfG 8.3.2000 NJW 2001, 2187 f. BVerfG 8.3.2000 NJW 2001, 2187, 2188. Siehe oben § 6.E.IV.4., S. 376 ff.

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sprochen werden.22 Im deutschen Recht besteht im Arbeitsrecht zwar nicht die gleiche Gefahr, dass sich die Entschädigung erheblich erhöht. Die Bewerber, die auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wären, können höchstens eine Entschädigung von drei Monatseinkommen verlangen. Nur für die Bestbewerber hat der Entschädigungsanspruch keine Obergrenze. Die Qualifikation des Geschädigten als Bestbewerber ist aber schwer zu beweisen. Gleichwohl ist grundsätzlich eine vergleichende Betrachtung der Entschädigung auch über die Grenzen der Fallgruppen hinweg zu befürworten, um die Stimmigkeit der zugesprochenen Entschädigung sicherzustellen. Dafür sprechen Art. 3 Abs. 1 GG, das Rechtsstaatsprinzip und die Inkommensurabilität dieser Schäden. Die Bewertungsschwierigkeiten lassen sich vor allem durch den Vergleich mit ausgeurteilten Entschädigungsbeträgen überwinden. Der sonst arbiträren Festlegung der Entschädigung wird etwas entgegengesetzt, so dass ein rechtsstaatliches Verfahren sichergestellt ist. Dabei erfolgt nicht nur ein Vergleich zwischen den Entschädigungen für Nichtvermögensschäden, die infolge unterschiedlicher Rechts- oder Pflichtverletzungen eingetreten sind. Selbst wenn das gleiche Rechtsgut betroffen ist und der Schaden seinem Umfang nach variiert, muss die gewährte Entschädigung stimmig sein. Es darf nicht zu einer wertungsmäßigen Diskrepanz zwischen der vergleichsweise hohen Entschädigung geringfügiger Verletzungen und der Entschädigung von Dauerschäden kommen.23 3. Abweichen von der Entschädigung in vergleichbaren Schadensfällen Die Ermittlung der Entschädigung für einen Nichtvermögensschaden anhand der Umstände des Einzelfalls und unter vergleichender Betrachtung anderer Schadensfälle macht es erforderlich, die sachlichen Gründe zu präzisieren, die ein Abweichen von der Entschädigung erlauben, die in einem vergleichbaren Fall gewährt wurde. Die Verpflichtung der Gerichte, sich an den bereits zugesprochenen Beträgen zu orientieren, hat zur Folge, dass einmal zugesprochene Entschädigungsbeträge fortbestehen, so dass sich die Gerichte nicht ohne weiteres von ihnen lösen, auch wenn ihre absolute Höhe als zu niedrig angesehen 22

HM Prison Service v. Johnson [1997] I.C.R. 275, 283 (EAT, per Smith); dazu IDS, Sex Discrimination, S. 501 ff. Für ein vergleichbares Vorgehen nun auch OLG Stuttgart 12.12.2011 NJW 2012, 1185, 1186. 23 Z. B. OLG Naumburg 17.12.2002 NJW-RR 2003, 677 (Oberarm- und Nasenbeinfraktur, Schädelhirntrauma: 5000 €); OLG Hamm 22.4.1997 zfs 1997, 363 (Oberschenkelfraktur: 3000 €); OLG Celle 2.2.2000 zfs 2000, 241 (Unterschenkelfraktur: 6000 €); OLG Köln 9.1.2002 NJW-RR 2003, 308 (Entfernung des gesamten Darms: 150 000 €); OLG München 3.6.2004 VersR 2005, 657 (Hirnschaden, MdE 80%: 100 000 € zzgl. 100 € monatliche Rente); OLG Bremen 26.11.2002 NJW-RR 2003, 1255 (Hirnschädigung bei der Geburt: 250 000 €); KG 11.4.2005 20 U 23/04, zit. nach juris (Hirnödem, schwere Mittelhirnschädigung: 500 000 €); OLG Köln 20.12.2006 VersR 2007, 219 (schwerst hirngeschädigt geborenes Kind: 500 000 €).

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wird. Das gilt insbesondere in Vergewaltigungsfällen, bei denen die zu geringe Höhe der gewährten Entschädigung seit langem kritisiert wird. Die Schadensersatzbeträge haben sich in den letzten zehn Jahren zwar erhöht, die Argumentation der Gerichte stützt sich aber nicht darauf, dass die Entschädigung in der Vergangenheit zu gering bemessen wurde24. In der Regel wird auf den Umfang des Schadens, insbesondere auf die psychischen Dauerfolgen, verwiesen. Zum Teil wird aber auch an die Reform des Schadensersatzrechts von 2002 angeknüpft, um eine abweichende Bemessung zu rechtfertigen.25 Die Gesetzesänderung bewirkte jedoch keine Neuausrichtung der Entschädigungsansprüche in Vergewaltigungsfällen.26 Die Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung der sexuellen Integrität sind nun lediglich vom Geschlecht unabhängig. Der Kreis der ersatzfähigen Schäden wurde nicht erweitert, so dass sich eine veränderte Entschädigungshöhe nicht auf die Reform stützen lässt. Die Schwierigkeiten bei der Korrektur solcher Fehlentwicklungen beruhen im Wesentlichen auf zwei Ursachen. Solange die Richter verpflichtet sind, zur Verwirklichung der Gleichheit vor dem Gesetz und der Rechtsstaatlichkeit bei der Bemessung der Entschädigung einen Vergleich mit dem Schadensersatz vorzunehmen, der in ähnlichen Schadensfällen gewährt wird, ist eine Abweichung von den bestehenden Schadensersatzbeträgen stets sachlich zu begründen. Als legitime Gründe gelten vor allem die Besonderheiten des Einzelfalls und die Änderung der Rechtslage. Darüber hinaus wird eine Anpassung an die Veränderung der Kaufkraft vorgenommen, sofern ein großer Zeitabstand zwischen den ausgeurteilten und dem zu entscheidenden Fall besteht. Das entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung.27 Sofern es keine darüber hinausgehenden Gründe für ein Abweichen von den Schadensersatzbeträgen in vergleichbaren Fällen gibt, bliebe es bei einer einmal bestehenden Rechtsprechung. Obwohl die bisher zugesprochene Entschädigung als unzureichend empfunden wird, wäre eine abweichende Entscheidung trotz des Korrekturbedarfs schwer möglich. Der zweite Grund für das Fortbestehen eines einmal zugesprochenen Betrags für einen bestimmten Schaden beruht auf einem psychologischen Effekt, der sich insbesondere bei inkommensurablen Schäden auswirkt, deren Höhe sich nicht konkret berechnen lässt. Die Festlegung eines Geldbetrages für den erlittenen Schaden ist, solange keine Vergleichsfälle bestehen, im Grunde eine 24 Z. B. OLG Köln 30.9.2002 NJW-RR 2003, 743 f.; LG Arnsberg 12.9.2005 4 O 530/04, zit. nach juris.; OLG Bamberg 4.4.2001 NJW-RR 2001, 1316. 25 Z. B. OLG Köln 30.9.2002 NJW-RR 2003, 743 f.; LG Arnsberg 12.9.2005 4 O 530/04; LG Dresden 7.4.2006 10 O 3131/05, beide zit. nach juris; Verweis auf die Rechtsprechungsänderung zur Berücksichtigung der strafrechtlichen Verurteilung: LG Flensburg 29.1.1999 NJW 1999, 1640, 1641 f. 26 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24. 27 Z. B. OLG Celle 16.9.2009 MDR 2009, 1273; KG 28.7.2009 VRS 118, 91; OLG München 19.6.2009 10 U 5757/08, zit. nach juris; s. auch BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 28; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 37.

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arbiträre Entscheidung. Zur Orientierung mögen zwar der erlittene Schaden und auch die Kaufkraft des Geldes dienen, ohne dass sich auf dieser Grundlage die Entschädigung tatsächlich berechnen ließe. Eine einmal entwickelte Rechtsprechung, die ähnlichen Schäden wiederholt einen Betrag in einer bestimmten Größenordnung zugeordnet hat, determiniert die zukünftige Rechtsprechung auch unabhängig von der rechtlichen Vorgabe, dass der Richter den zuzusprechenden Schadensersatz mit den Beträgen vergleichen soll, die bereits in anderen Fällen zugesprochen wurden. Die mangelnde Berechenbarkeit hat grundsätzlich zur Folge, dass sich die Entscheidung nach den früheren Urteilen ausrichtet. Die zugesprochenen Beträge haben für die Entscheidungsfindung eine sog. Ankerwirkung.28 Dieser psychologische Effekt wurde 1974 von Tversky und Kahnemann erstmals beschrieben29 und in einer Reihe von Studien bestätigt und genauer untersucht30. Aus den Studien ergibt sich, dass die Informationen, die einer Person bei einem Entscheidungsprozess zur Verfügung stehen, ihren Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozess beeinflussen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Information für die Entscheidung überhaupt von Relevanz ist.31 Der kognitive Prozess geht von allen erhaltenen Informationen aus. Bezogen auf die Entscheidung eines Richters in einer Schadensersatzklage bedeutet dieser Ankereffekt, dass die Kenntnis von Entschädigungsbeträgen, die in vergleichbaren Fällen zugesprochen wurden, – unabhängig von den normativen Vorgaben – auf den Kognitionsprozess und die Entscheidung Einfluss haben. Das gilt aber nicht nur für diejenigen Vergleichsfälle, die tatsächlich einschlägig sind, sondern auch für alle anderen Entschädigungsbeträge der Rechtsprechung, von denen der Richter im Zeitpunkt der Entscheidung Kenntnis hat. Die Relevanz der Information hat keine oder kaum steuernde Wirkung auf den Entscheidungsprozess. Dieses sozialpsychologische Phänomen wird durch das Expertentum des Richters nicht nivelliert. Eine Reihe von sozialpsychologischen Studien hat nachgewiesen, dass der Ankereffekt auch für die richterliche Entscheidungsfindung Bedeutung entfaltet.32 Sie zeigen, dass die Entscheidung des Richters 28

Allg. dazu Aronson/Wilson/Robin, Social Psychology, S. 78 f. Tversky/Kahnemann, Science 185 (1974), 1124, 1128. 30 Z. B. Chapman/Bornstein, Applied Cognitive Psychology 10 (1996), 519, 521 ff.; Englich, Social Psychology 38 (2008), 896 ff.; Mussweiler/Strack/Pfeiffer, Personality and Social Psychology Bulletin 16 (2000), 1142 ff.; s. auch Kammerer, Zufriedenheit, S. 46 ff. 31 Aronson/Wilson/Robin, Social Psychology, S. 78; zuerst Tversky/Kahnemann, Science 185 (1974), 1124, 1128; den Forschungsstand zusammenfassend Englich, Law & Policy 28 (2006), 497 ff. 32 Chapman/Bornstein, Applied Cognitive Psychology 10 (1996), 519 ff.; ebenso Englich, Social Psychology 38 (2008), 896 ff.; Raitz/Greene/Goodman/Loftus, Law and Human Behavior 14 (1990), 385 ff. (selbst bei expliziter Aufklärung darüber, dass ein bestimmter Umstand ohne Bedeutung ist); den Forschungsstand zusammenfassend Englich, Law & Policy 28 (2006), 497 ff. 29

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auch dadurch beeinflusst wurde, welchen Betrag der Kläger in der Klage forderte, unabhängig von seiner rechtlichen Begründung.33 Allerdings lässt sich anderen Darstellungen entnehmen, dass die juristische Vorbildung zumindest den Effekt hat, dass die Beurteilung maßgeblich am erlittenen Schaden ausgerichtet wird. Der Ankereffekt, der von einem einmal ausgeurteilten Schadensersatzbetrag ausgeht, wird aber durchgehend sichtbar. Es lässt sich empirisch belegen, dass sich die Entschädigung für einen bestimmten Schadensersatzbetrag an bereits zugesprochenen Entschädigungen ausrichtet und von den Ankerwerten nur abweicht, wenn die Fallgestaltung dazu Anlass gibt. Zugleich sind die Geschädigten grundsätzlich mit der zugesprochenen Entschädigung zunächst zufrieden, wenn sie etwa im Bereich des Ankerwerts liegt.34 Kritisch wird die Entscheidung vor allem nach längeren Zeiträumen betrachtet, wenn sich der Geschädigte die Frage stellt, ob der Schadensersatzbetrag angesichts der Einschränkungen, mit denen er leben muss, einen angemessenen Umfang hat.35 Der Ankereffekt hat für die Entscheidungsfindung in mehrfacher Hinsicht Bedeutung. Sofern der Richter den Sachverhalt, der dem zu entscheidenden Verfahren zugrunde liegt, mit anderen Entscheidungen und den dort zugesprochenen Beträgen vergleicht, wird diese Orientierung bereits kognitionspsychologisch seine Entscheidung beeinflussen und darauf hinwirken, dass eine Relation zwischen den unterschiedlichen Schadensfällen hergestellt wird. Die Ankerwirkung bereits ausgeurteilter Schadensersatzbeträge erschwert aber auch die nachträgliche Änderung der einmal entwickelten Rechtsprechung und perpetuiert sie zusätzlich. Typischerweise erfolgen Abweichungen von einmal ausgeurteilten Beträgen nur bei Gesetzesänderungen oder Besonderheiten im Einzelfall, die diesen klar von den bestehenden Entscheidungen mit Ankerwirkung unterscheiden. Selbst dann erfolgt die Bemessung der Entschädigung in Anlehnung an die bestehenden Entscheidungen und bewegt sich in einer als angemessen empfundenen Relation. Insofern unterstützt der Ankereffekt die normative Entscheidungsvorgabe aus Art. 3 Abs. 1 GG und begünstigt die Normanwendung. Nachteilig wirkt er sich in zwei Situationen aus: zum einen, wenn die Bestimmung der Entschädigung in den verglichenen Fällen angreifbar ist, z. B. weil in der Vergangenheit wie in den Vergewaltigungsfällen die erlittenen Schäden nicht angemessen evaluiert wurden, zum anderen, wenn sich die Entschädigung für die unterschiedlichen Rechtsverletzungen sehr unterschiedlich entwickelt, weil nur Fälle mit ähnlichen Sachverhalten verglichen werden. Dem letztgenannten Defizit lässt sich entgegenwirken, indem dem Richter aufgegeben wird, nicht nur Fälle mit vergleichbaren Sachverhalten zu 33 34 35

Chapman/Bornstein, Applied Cognitive Psychology 10 (1996), 519 ff. Kammerer, Zufriedenheit, S. 101, 135. Kammerer, Zufriedenheit, S. 101 f.

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berücksichtigen, sondern auch die Konsistenz der zugesprochenen Entschädigung im Verhältnis zu anderen Schadensfällen zu beachten. Die sozialpsychologischen Studien weisen zwar darauf hin, dass der Ankereffekt eine intensive Wirkung hat und sich nicht ohne Weiteres aufheben lässt. Das gilt insbesondere bei professionellen Entscheidungen, wenn die Information, die den Ankereffekt auslöst, und die Entscheidung, die zu treffen ist, in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen.36 Zumindest sollte versucht werden, diesen Effekt durch den Vergleich mit anderen Schadensfällen zu relativieren, die zusätzliche Orientierungspunkte für den Richter sind.37 Diese Vorgabe lässt sich normativ begründen und insbesondere auf das Rechtsstaatsprinzip sowie auf Art. 3 Abs. 1 GG stützen, sofern die Entschädigung in den unterschiedlichen Fällen gleichermaßen zur Wiedergutmachung des erlittenen Schadens dienen soll. Kognitionspsychologisch haben auch die Entscheidungen in anderen als den zu entscheidenden Sachverhalten einen Ankereffekt. Die vorhandene Information beeinflusst den Entscheidungsprozess nicht nur, wenn es sich um ähnliche Fälle handelt, sondern auch, wenn die Sachverhalte sehr verschieden sind. Die Berücksichtigung der Urteile in anderen Sachverhalten kann zugleich die Ankerwirkung der Rechtsprechung relativieren, die besteht, wenn sie die zugesprochene Entschädigung in ähnlichen Schadensfällen in ihre Entscheidung einbezieht.38 Das kann Abhilfe in der aufgezeigten Situation schaffen, die für die Vergewaltigungsfälle kennzeichnend ist, in denen eine Rechtsprechung perpetuiert wird, obwohl die zugesprochenen Entschädigungen als zu niedrig angesehen werden. Rein kognitionspsychologisch erleichtert der Vergleich mit Entscheidungen in anderen Fällen (z. B. Straßenverkehrsunfälle) auch die Korrektur einer seit langem bestehenden Rechtsprechung und ermöglicht unabhängig von den normativen Vorgaben eine Veränderung in der Entscheidung. Unter normativen Gesichtspunkten ist allerdings entscheidend, dass der Richter auf eine Begründung verweisen kann, die ihm ein Abrücken von der früheren Rechtsprechung und somit eine Ungleichbehandlung erlaubt, ohne dass er mit Art. 3 Abs. 1 GG in Konflikt gerät. Trotz der Bindung des Richters an den Gleichheitssatz muss es dem Gericht möglich sein, die zugesprochene 36

Vgl. die Studien von Englich in: Social Psychology 38 (2008), 896 ff. Auf den Ankereffekt nimmt auch das OLG Karlsruhe (16.2.2011 NZV 2011, 258, 259 f.) Bezug, berücksichtigt ihn aber bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe mit dem Hinweis, dass dem Geschädigten ein möglichst hoher Klageantrag möglich sein muss, um eine angemessene Entschädigung zu erzielen. Richtiger scheint es, das Vorgehen bei der Schadensbemessung angesichts des Ankereffekts zu korrigieren. 38 Zur Mediatisierung von Ankereffekten durch zusätzliche Information, insbesondere durch anker-inkonsistente Informationen, die andere Fallgruppen als jene betreffen, aus der der ursprünglich verfügbare Ankerwert stammt, Mussweiler/Strack/Pfeiffer, Personality and Social Psychology Bulletin 26 (2000), 1142, 1143 f., 1146, 1148 f. (aber ohne spezifischen Bezug auf die Wiedergutmachung ideeller Schäden). 37

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Entschädigung signifikant zu verändern, wenn sich ermitteln lässt, dass in der Vergangenheit z. B. die psychischen Folgenwirkungen einer Rechtsverletzung und somit der Umfang des Schadens nicht im vollen Umfang erfasst wurden. Wäre eine solche Begründung ausgeschlossen, würde sich die als unangemessen erscheinende Relation zwischen tatsächlich erlittenem Schaden und der Entschädigung für die Zukunft wiederholen. Insofern muss es möglich sein, vor allem unter Verweis auf die umfassende Schadensbeschreibung von den etablierten Entschädigungsbeträgen abzuweichen. Dabei kann insbesondere die Relation zwischen erlittenem Schaden und Entschädigung in anderen – nicht vergleichbaren – Fällen hilfreich sein. Sie erlaubt es, die Unstimmigkeit der Entscheidungsfindung, insbesondere die Bezifferung der Entschädigung, aufzuzeigen.

B. Begrenzung der Entschädigung I. Erheblichkeitsschwelle 1. Erheblichkeitsschwelle bei der Entschädigung von Nichtvermögensschäden Die bestehende Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Entschädigung billig oder angemessen ist, wenn der ideelle Schaden nicht völlig unerheblich ist.39 Die Einschränkung des Schadensersatzes erfolgt nicht aus rechtspolitischen oder volkswirtschaftlichen Gründen, sondern hauptsächlich unter Verweis darauf, dass geringfügige Einbußen im täglichen Zusammenleben hinzunehmen sind.40 Nach dem hier entwickelten Verständnis hat der Entschädigungsanspruch die Funktion, den erlittenen Schaden wiedergutzumachen. Damit wird der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit verwirklicht und zugleich eine kohärente Ausgestaltung des Schadensersatzrechts sichergestellt, soweit die Nichtvermögensschäden als ersatzfähig angesehen werden. Der Genugtuungsgedanke hat nach der hier entwickelten Vorstellung keine eigenständige Bedeutung. Das Kriterium der Billigkeit bzw. Angemessenheit ist vor allem die notwendige Ergänzung der Rechtsfolgenbestimmung bei einem inkommensurablen Schaden, dem als Entschädigung ein Geldbetrag zugeordnet wird.41 Das Ob der Entschädigung ist somit nicht von der Billigkeit oder Angemessenheit abhängig. Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber durch die Regelung eines Schadensersatzanspruchs, der den Grundsatz des § 253 Abs. 1 BGB durchbricht, 39 BGH 10.1.1992 NJW 1992, 1043 f.; 27.5.1993 NJW 1993, 2173, 2175; OLG Koblenz 30.6.1999 NJW 2000, 963. 40 BGH 10.1.1992 NJW 1992, 1043 f.; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, Kap. 7 Rn. 14; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 115; G. Müller, VersR 1993, 909, 913; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 27; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 23 ff. 41 Siehe oben § 4.A.I., S. 220 ff.

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für eine Entschädigung der immateriellen Schäden entschieden. Daher sind die Nichtvermögensschäden ebenso wie Vermögensschäden nach dem Grundsatz der Totalreparation vollständig wiedergutzumachen. Das Schadensersatzrecht kennt einen Grundsatz minima non curat praetor nicht. Zudem ist der Gesetzgeber bei der Regelung des Schadensersatzrechts explizit von der Proportionalhaftung, wie sie dem Allgemeinen Landrecht der Preußischen Staaten eigen war, zugunsten der Totalreparation abgerückt.42 Das steht der Annahme einer Erheblichkeitsschwelle entgegen. Schließlich besteht beim Ausgleich der Vermögensschäden keine vergleichbare Einschränkung, so dass es zu einer rechtlichen Ungleichbehandlung von Vermögensschäden und Nichtvermögensschäden kommt. Diese ist nicht durch den Grundsatz in § 253 Abs. 1 BGB per se gerechtfertigt. Die Ausnahmebestimmungen zu § 253 Abs. 1 BGB, die eine Entschädigung der ideellen Einbußen anordnen, führen in ihrem Anwendungsbereich gerade die Gleichbehandlung von materiellen und immateriellen Schäden herbei. Eine Erheblichkeitsschwelle lässt sich höchstens auf die Eigenart des Nichtvermögensschadens stützen. Sein Vorliegen und die Ermittlung seines Umfangs sind wegen der nur eingeschränkten intersubjektiven Nachvollziehbarkeit erschwert. Das hat aber gegebenenfalls zur Folge, dass ganz geringe immaterielle Einbußen sich nicht darlegen und beweisen lassen, so dass sich bereits daraus der Effekt ergibt, dass geringfügige Schäden nicht entschädigt werden. Einer Erheblichkeitsschwelle bedarf es daher nicht. Sie vereinfacht höchstens prozessual die Beweiswürdigung, indem die Ermittlung und Schätzung des Schadens unterbleiben können, wenn der Schaden nur geringfügig ist. Eine einseitige Beschränkung der Kompensation immaterieller Schäden in Geld lässt sich indes nicht begründen, sofern dem Entschädigungsanspruch keine andere Funktion als bei den Vermögensschäden zugesprochen wird. Zudem wird der Ersatz geringfügiger immaterieller Schäden zumindest teilweise durch die Bestimmung über den Ausgleich von Nichtvermögensschäden sichergestellt. Zum einen setzen sie zum Teil Rechtsgutsverletzungen voraus. Zum anderen verlangt beispielsweise § 651f Abs. 2 BGB eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise, damit ideelle Schäden ersetzt werden. Insgesamt handelt es sich dabei aber nur um punktuelle Einschränkungen, aus denen keine Schlüsse auf eine generelle Erheblichkeitsschwelle für den Ersatz immaterieller Schäden gezogen werden können. 2. Erweiterung der Erheblichkeitsschwelle auf alle Schäden Eine Beschränkung des Ersatzes von Nichtvermögensschäden kommt nur in Betracht, wenn die Wiedergutmachung von Schäden generell unter einen Erheblichkeitsvorbehalt gestellt wird. Mangels einer gesetzlichen Regelung und der Anerkennung des Grundsatzes der Totalreparation ist vor allem an eine 42

Mot. II, S. 21.

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allgemeine Erheblichkeitsschwelle nur de lege ferenda zu denken. Eine Begründung für eine allgemeine Erheblichkeitsschwelle kann sich aus der ökonomischen Analyse des Rechts ergeben, die die Regelungen unter wohlfahrtsökonomischen Gesichtspunkten betrachtet. Die Gewährung oder Versagung eines Entschädigungsanspruchs lässt sich danach als Anreiz für schadensvorbeugende Maßnahmen betrachten. Somit ließe sich die Begründung der Erheblichkeitsschwelle insbesondere darauf stützen, dass der Geschädigte angehalten wird, eigene Maßnahmen zu ergreifen, um den Schaden zu vermeiden. Die Erheblichkeitsschwelle ist gleichsam ein Selbstbehalt des Geschädigten, wenn die erlittene Einbuße nur geringfügig ist. Die Einführung einer Erheblichkeitsschwelle lässt sich darauf aber nur stützen, wenn nicht bereits auf andere Weise ein Anreiz für eine eigene Schadensabwehr durch den Geschädigten besteht. Das geltende Recht beteiligt den Geschädigten bereits durch § 254 Abs. 1 BGB an den eingetretenen Schäden. Der Geschädigte muss sich sein Verschulden in eigenen Angelegenheiten anrechnen lassen. Dieser Maßstab hat – unabhängig von ökonomischen Überlegungen – unter wertenden Gesichtspunkten für sich, dass der Geschädigte nicht überfordert wird. Das schädigende Ereignis geht vom Schädiger aus, so dass der Geschädigte die Schadensverursachung nicht steuern und sich daher nur durch allgemeine Maßnahmen gegen Schadensfälle schützen kann. Das muss sich auch im Maßstab für das Mitverschulden niederschlagen (diligentia quam in suis). Insgesamt ist eine zusätzliche Erheblichkeitsschwelle nicht zwingend erforderlich, um für den Geschädigten einen Anreiz zur Schadensvorsorge zu treffen. Zudem ist der Geschädigte nach dem Schadensfall an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gebunden und muss zumutbare Maßnahmen zur Schadensabwehr ergreifen. Eine allgemeine Erheblichkeitsschwelle lässt sich insbesondere damit begründen, dass das tägliche Zusammenleben die fahrlässige Verursachung von Schäden mit sich bringt, und eine Erheblichkeitsschwelle klarstellt, dass geringfügige Beeinträchtigungen als Teil des allgemeinen Lebensrisikos von jedermann hinzunehmen sind. Diese Schäden sind danach abzugrenzen, ob sie gewöhnlich im täglichen Leben auftreten. Zudem sind nur Schäden in geringer Höhe von jedem selbst zu tragen. Schließlich muss der Geschädigte die Folgen eines vorsätzlichen Handelns grundsätzlich nicht hinnehmen, auch wenn sich der Vorsatz nur auf die Rechtsgutsverletzung und nicht auf den Schaden erstreckte. Der Schutz der absoluten Rechtsgüter bzw. die Wertungen der Schutzgesetze stehen der Annahme entgegen, dass eine vorsätzliche Rechtsverletzung Teil des allgemeinen Lebensrisikos ist. Das Gleiche muss für die Verletzung vertraglicher Pflichten gelten.43 Die Begrenzung der Schadensersatzpflicht nach Maßgabe des allgemeinen Lebensrisikos erfolgte auch in der Vergangenheit, soweit es um die Zurech43

Bei der vertraglichen Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung beschränkt § 281 Abs. 1 S. 3 BGB den Anspruch auf die Fälle einer erheblichen Pflichtverletzung.

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nung von Schäden ging, die mit der Rechtsguts- oder Pflichtverletzung durch eine psychisch vermittelte Kausalität verbunden waren. Das lässt sich auch mit der Überlegung in Einklang bringen, dass die Haftung für Schäden weniger eine Sanktion für rechtswidriges Handeln ist als ein Schadloshalten des Geschädigten, der ansonsten nach dem Grundsatz casum sentit dominus den Schaden tragen müsste. Eine solche Schadensabnahme erscheint nur gerechtfertigt, soweit sich nicht das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, das jeder tragen muss. Diese Überlegung ist auch in den Entwurf zum DCFR eingegangen, der zumindest die deliktische Haftung auf solche Schäden beschränken will, die nicht Teil des allgemeinen Lebensrisikos sind.44 Auf diese Weise werden Klagen vermieden, bei denen es hauptsächlich darum geht, dem Schädiger die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Zudem werden unwirtschaftliche Klagen wegen Kleinstschäden generell ausgeschlossen. Im Ergebnis sollte der Anspruch auf Schadensersatz generell unter den Vorbehalt der Erheblichkeit des Schadens gestellt werden. Eine Einschränkung ergibt sich nur bei der Umsetzung der europäischen Richtlinien zum Antidiskriminierungsrecht. Sofern die Mitgliedstaaten als Sanktion für die ungerechtfertigte Diskriminierung einen Schadensersatzanspruch regeln, müssen alle materiellen und immateriellen Schäden ausgeglichen werden. Der Haftende muss alle Schadensfolgen der Diskriminierung tragen. Insofern bedarf es einer Ausnahme von einer etwaigen Erheblichkeitsschwelle. Im Übrigen ist die Erheblichkeit des Schadens bei vorsätzlichen Rechtsgutsverletzungen stets anzunehmen, da solche Einbußen nicht zum allgemeinen Lebensrisiko gehören. Schließlich hängt die Ersatzfähigkeit des Schadens von der Art und dem Umfang des Schadens ab. Im Einzelfall ist darauf abzustellen, ob es sich um eine Beeinträchtigung handelt, die im täglichen Leben häufig auftritt, nicht schwer wiegt und entschädigungslos hinzunehmen ist. II. Beschränkung der Höhe der Entschädigung 1. Einwirkung der EMRK Der Schutz der Menschenrechte durch die EMRK hat für den Schadensersatz als Haftungsfolge zwischen Privaten nur Bedeutung, soweit die Belastung mit dem Schadensersatzanspruch ein unverhältnismäßiger Eingriff in eines der gewährleisteten Menschenrechte ist. Ein solcher Eingriff kommt nur bei der Haftung von Presseunternehmen, verantwortlichen Chefredakteuren oder Journalisten in Betracht.45 Jede staatliche Maßnahme, die wegen einer Meinungsäußerung oder sonstigen Veröffentlichung in der Presse auferlegt wird, 44

Art. VI.-6:102 DCFR. Explizit zur Vereinbarkeit eines Schadensersatzes mit Art. 10 EMRK EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/05 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/06 (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 (Soila). 45

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Teil 3: Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen

beeinträchtigt die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK und bedarf der Rechtfertigung.46 Das gilt auch für den Schadensersatzanspruch, dessen Bestand und Höhe bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs Einfluss haben. Die Pflicht zum Schadensausgleich bei einer rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht per se eine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK.47 Es kommt darauf an, ob der Anspruch auf Entschädigung, der dem Schutz des guten Rufs einer Person oder der Rechte Dritter in einer demokratischen Gesellschaft dient, erforderlich ist (Art. 10 Abs. 2 EMRK). Ein unverhältnismäßiger Eingriff liegt höchstens vor, wenn sich die Bemessung der Entschädigung nicht nach dem tatsächlich erlittenen Schaden richtet, sondern darüber hinausgeht und durch die überkompensatorische Entschädigung von der Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit abgeschreckt wird. Eine solche Entschädigung ist nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH vor allem bei einer rücksichtslosen Kommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts zu gewähren und betrifft somit Fälle, in denen besonders intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird und die Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nicht ausreichen, um den Geschädigten zu schützen. Für die Aufrechterhaltung dieser Rechtsprechung auch nach den Vorgaben der EMRK lässt sich auf den Schutz des Privatlebens durch Art. 8 EMRK verweisen. Eine ausführliche Diskussion der Grenzen, die Art. 10 Abs. 1 EMRK einer überkompensatorischen Entschädigung zieht, muss an dieser Stelle nicht erfolgen. Seit der Marlene-Dietrich-Rechtsprechung steht vielmehr grundsätzlich in Frage, ob und inwieweit die Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen aufrechtzuerhalten ist. Sofern eine überkompensatorische Entschädigung oder eine Privatstrafe in Betracht kommen48, ist in diesem Zusammenhang die Einwirkung des Art. 10 EMRK zu berücksichtigen. Soweit der Schadensersatz als Wiedergutmachung des erlittenen Schadens verstanden wird, beschränkt er sich auf eine Kompensation des eingetretenen Schadens, so dass Art. 10 Abs. 1 EMRK zu keiner Beschränkung des Entschädigungsanspruchs zwingt. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs muss auch gewährt bleiben, wenn neben die Schadensersatzansprüche weitere Einschränkungen der Meinungsund Pressefreiheit treten. Zum einen kann das Presseunternehmen bzw. der verantwortliche Chefredakteur oder Journalist bereits zur Unterlassung, zum Widerruf oder zur Gegendarstellung verpflichtet sein. Eine unverhältnismäßige Belastung wird in diesen Fällen nach geltendem Recht durch die Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs vermieden. Insbesondere der Primäranspruch auf Unterlassung oder Widerruf sowie der Gegendarstellungsanspruch 46 47 48

Dazu § 7.C.III., S. 414 ff. Siehe oben § 7.C.III., S. 414 ff. Dazu § 18.C., S. 833 ff.

§ 13 Die Bemessung der Entschädigung zur Wiedergutmachung

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können der Verpflichtung zur Entschädigung wegen der schweren Persönlichkeitsverletzung entgegenstehen, so dass auf diese Weise die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK sichergestellt ist. Eine Verletzung von Art. 10 EMRK kann sich daher nur aus dem Nebeneinander einer strafrechtlichen Verurteilung nach den Ehrschutzdelikten und eines Entschädigungsanspruchs wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen ergeben, zumal die strafrechtliche Verurteilung nicht auf die Entschädigung angerechnet wird.49 Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK sind alle Belastungen in eine Gesamtbetrachtung einzustellen. Im Rahmen des strafrechtlichen Opferschutzes ist es aber möglich, die Wiedergutmachung des Schadens zur Auflage für die Einstellung des Strafverfahrens zu machen (§ 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO). Darüber hinaus ist die (freiwillige) Wiedergutmachung des Schadens ebenso wie die Gegendarstellung und die Entschuldigung des Schädigers bei der Strafzumessung nach § 46 Abs. 2 StGB als nachtatliches Verhalten zu berücksichtigen. Diese Maßgaben setzen zwar voraus, dass der Schädiger tatsächlich nach der Tat entsprechend gehandelt hat. Fehlt es daran, so wiegt die individuelle Schuld schwerer, so dass eine höhere Strafe gerechtfertigt ist und auch das Zusammentreffen mit der Entschädigung des erlittenen Schadens keine unverhältnismäßige Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit darstellt. Auf diese Weise ist grundsätzlich sichergestellt, dass das Zusammentreffen von zivilrechtlichen Ansprüchen und strafrechtlicher Verurteilung keine unverhältnismäßige Beschränkung des Art. 10 Abs. 1 EMRK bewirkt. 2. Beschränkung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bei der Bemessung der Entschädigung für immaterielle Schäden berücksichtigt die Rechtsprechung auch die Vermögensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem sowie das Bestehen von Versicherungen.50 Diese Umstände des Schadensfalls haben keinen Einfluss auf den Umfang des erlittenen Schadens, so dass sie keine Bedeutung für die Höhe des Schadensersatzes in Geld haben, solange die Entschädigung eine Wiedergutmachung für die erlittenen Einbußen ist. Ihre Berücksichtigung lässt sich höchstens damit begründen, dass der Entschädigungsanspruch noch eine andere Funktion hat. Zudem kann eine verfassungskonforme Auslegung der Schadensersatzregelung die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse erforderlich machen, damit die Entschädigung nicht unverhältnismäßig ist. Ein Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit durch eine Beschränkung des Schadensersatzanspruchs nach Maßgabe der finanziellen Verhältnisse des Geschädigten wird nur bei ruinösen Entschädi49

Siehe oben § 7.C.III., S. 414 ff. BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 159 ff.; ebenso BGH 16.2.1993 NJW 1993, 1531, 1532; 27.9.1995 NStZ-RR 1996, 109; so schon RG 27.3.1906 Z 63, 104, 105; s. oben § 4.C.IV.1., S. 246 ff. 50

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gungen erwogen, die zur Folge haben, dass der Schädiger sein Vermögen verliert und auf lange Zeit auf das Existenzminimum beschränkt ist.51 Die Literatur hat gegen die Haftung mit so weitgehenden Folgen vor allem Widerspruch erhoben, wenn die Schädigung durch Minderjährige erfolgte.52 Die Rechtsprechung sieht die ordentlicn Gerichte wegen der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zwar gehalten, die Minderjährigkeit bzw. die Folgen für den Minderjährigen zu berücksichtigen, ohne aber eine Begrenzung des Schadensersatzes der Höhe nach zu verlangen.53 Bei Nichtvermögensschäden lassen sich das Schutzgebot der Grundrechte sowie Verhältnismäßigkeitserwägungen in die Ermittlung der angemessenen Entschädigung einbeziehen, da sie auf einer Gesamtabwägung anhand der relevanten Umstände des Einzelfalls beruht und keine Berechnung des konkreten Schadens erfolgt. Selbst wenn die Angemessenheit oder Billigkeit der Entschädigung grundsätzlich nach dem Zweck des Schadensersatzanspruchs auszurichten und somit der erlittene Schaden maßgeblich ist, ist zumindest eine verfassungskonforme Auslegung möglich. Unabhängig davon, ob eine Beschränkung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich ist, führt dessen einseitige Berücksichtigung bei der Ermittlung einer angemessenen Entschädigung für immaterielle Schäden zur Ungleichbehandlung. Die einseitige Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Geschädigten oder das Bestehen von Versicherungen ist nur verfassungskonform, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung besteht. Dieser kann sich nicht aus der wirtschaftlichen Belastung des Schädigers durch die Schadensersatzpflicht ergeben. Die Belastungswirkung ist den Entschädigungsansprüchen bei ersatzfähigen Schäden eigen, unabhängig davon, ob es sich um einen Vermögens- oder Nichtvermögensschaden handelt. Die Ungleichbehandlung kann sich höchstens darauf stützen, dass der immaterielle Schaden nicht im gleichen Maße ersatzfähig ist wie der materielle. § 253 Abs. 1 BGB beschränkt die Entschädigung ideeller Schäden auf die gesetzlich geregelten Ausnahmen. Soweit der Nichtvermögensschaden jedoch für ersatzfähig erklärt wird, ist er in gleicher Weise wie der Vermögensschaden zu kompensieren. Die vertragliche und deliktische Haftung sowie die Gefährdungshaftung machen das Entstehen des Entschädigungsanspruchs für immaterielle Einbußen nicht von seiner Billigkeit oder Angemessenheit abhängig wie bei der Billigkeitshaftung nach § 829 BGB. Auch die Regelungen zur Ent51 Canaris, JZ 1987, 993, 995 ff.; ders., JZ 1988, 494, 496 f.; Rolfs, JZ 1999, 233, 239 ff.; a. A. Ahrens, VersR 1997, 1064, 1066; Krause, JR 1994, 494, 495 ff.; Looschelders, VersR 1999, 141, 145 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 65 ff.; Ramm, JZ 1988, 489, 491 ff. 52 Canaris, JZ 1987, 993, 996 ff.; ders., JZ 1988, 494, 497 ff.; ders., JZ 1990, 679 ff.; Goecke, NJW 1999, 2305 ff.; Rolfs, JZ 1999, 233, 236 ff.; für eine Einwendung aus § 242 BGB: S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 353 ff.; 359; a. A. Ahrens, VersR 1997, 1064, 1065; Looschelders, VersR 1999, 141, 148 ff.; für eine Versicherungslösung v. Hippel, VersR 1998, 26. 53 BVerfG NJW 1998, 3557, 3558; BerlVerfGH 14.12.2009 NJW-RR 2010, 1141 f.

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schädigung ideeller Schäden weichen davon nicht ab. Eine billige oder angemessene Entschädigung ist als Rechtsfolge nur bestimmt, um der Inkommensurabilität des immateriellen Schadens Rechnung zu tragen.54 Die Entschädigungsansprüche für Vermögens- und Nichtvermögensschäden haben keine unterschiedliche Funktion. Bei der Bemessung der Entschädigung sind daher nur solche Kriterien heranzuziehen, die mit dem Zweck des Entschädigungsanspruchs in Einklang stehen. Nach der hier zugrunde gelegten Wiedergutmachungsfunktion ist für den Umfang der Entschädigung der erlittene Schaden maßgeblich. Aus der Art des Schadens und der Funktion des Entschädigungsanspruchs ergeben sich daher keine Besonderheiten, die eine Ungleichbehandlung der materiellen und immateriellen Schäden rechtfertigen. Die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Geschädigten sowie seines Verschuldens wurde in der Vergangenheit insbesondere auf die Genugtuungsfunktion des Entschädigungsanspruchs gestützt und auf diese Weise auf die immateriellen Schäden beschränkt. Bei Vorsatztaten geht die Genugtuungsfunktion jedoch in der Wiedergutmachungsfunktion der Entschädigung auf. Die vorsätzliche Rechtsgutsverletzung führt zu einer Persönlichkeitsverletzung, die einen ideellen Schaden verursacht, der als Folgeschaden der vorsätzlichen Rechtsgutsverletzung zu entschädigten ist.55 Insofern ist allein der ideelle Schaden maßgeblich, für dessen Höhe die Vermögensverhältnisse des Schädigers oder Geschädigten keine Bedeutung haben. Etwas anderes gilt nur, wenn eine selbständige Genugtuungs- oder Präventionsfunktion anzuerkennen ist, die eine Entschädigung über die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens hinaus rechtfertigt. Das setzt zunächst voraus, dass eine solche Funktion überhaupt zulässig ist. Sofern es sich um eine Privatstrafe handelt, ist zudem zu untersuchen, ob sie im Gewand eines Schadensersatzes zulässig ist oder einer eigenständigen Regelung bedarf. Auf der Grundlage der hier befürworteten Wiedergutmachungsfunktion des Entschädigungsanspruchs lässt sich hingegen die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem nicht begründen. Eine einseitige Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit der Belastung des Schädigers mit der Entschädigung ist daher sachlich nicht gerechtfertigt. Sie kann nur erfolgen, wenn und soweit für alle Schäden eine Proportionalhaftung besteht.

C. Zusammenfassung Die Bemessung der Entschädigung richtet sich allein nach dem erlittenen immateriellen Schaden, solange der Schadensersatz der Wiedergutmachung dient. Maßgeblich ist der subjektive Schaden des Geschädigten, so dass der im Einzelfall erlittene Verlust zu ermitteln ist. Es sind keine abgegrenzten Scha54 55

Ausführlich § 4.A.I., S. 220 ff. Siehe oben § 4.C.IV.2., S. 249 ff., § 12.C.III., S. 558 f.

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denspositionen zu entwickeln, die den Nichtvermögensschaden über die hier vorgenommene Schadensbeschreibung hinaus ausdifferenzieren. Das Verschulden des Schädigers ist zu berücksichtigen, soweit es den Schaden erhöht. Die Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Geschädigten sowie das Bestehen von Haftpflichtversicherungen sind für die Wiedergutmachung unerheblich. Zur Ermittlung der Entschädigung ist der Schaden zunächst objektivierend zu betrachten, um anschließend die besonderen Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Die Höhe der Entschädigung ist unter Berücksichtigung der in früheren Verfahren zugesprochenen Beträge festzulegen. Es sind nicht nur die Entscheidungen in die Betrachtung einzubeziehen, die vergleichbare Schadensfälle betreffen, sondern auch Entscheidungen zu anderen Fallgruppen wegen derselben sowie anderer Rechtsgutsverletzungen. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der Umfang der Entschädigungsansprüche in einem angemessenen Verhältnis steht und den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit und des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung getragen wird. Die Entschädigung der Nichtvermögensschäden ist nicht einseitig durch eine Erheblichkeitsschwelle zu beschränken, eine solche ist aber allgemein für das Schadensersatzrecht zu befürworten. Die Einführung einer Proportionalitätshaftung ist verfassungsrechtlich nicht geboten und kann auch nicht einseitig für die Nichtvermögensschäden im Rahmen der Billigkeit entwickelt werden, ohne dass eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliegt.

§ 14 Die Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden A. Keine vollständige Gleichstellung des Ausgleichs materieller und immaterieller Schäden Die sehr zurückhaltende Ausgestaltung des Ersatzes immaterieller Schäden hatte seit dem Inkrafttreten des BGB Kritiker, zumal § 253 BGB a. F. eine Rechtsfortbildung weitgehend verhinderte. Somit entschied die Qualifikation eines Schadens als materiell oder ideell häufig über dessen Ersatzfähigkeit, so dass die Abgrenzung beider Schadensarten über Jahrzehnte die Diskussion beherrschte.1 Daneben forderte die Literatur eine Erweiterung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden.2 Dem hat die Reform von 2002 nur insoweit Rechnung getragen, als sie die Entschädigung für Nichtvermögensschäden infolge der Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit und sexueller 1

Siehe oben § 1.C.I., S. 33 ff. Z. B. Bussmann, Gutachten 41. DJT, Bd. I, S. 70 ff.; Hohloch, Gutachten, S. 375, 426 ff., 434 ff.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 123 ff. 2

§ 14 Die Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden

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Selbstbestimmung auf die vertragliche Haftung und die Gefährdungshaftung erweiterte. Grundsätzlich blieb es aber dabei, dass die Entschädigung immaterieller Einbußen in Geld die Verletzung bestimmter Rechtsgüter voraussetzt. Daneben bestehen nur einzelne Regelungen, die eine Entschädigung unabhängig von der Rechtsgutsverletzung zulassen. Bei der Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen stellt sich zunächst die Frage, ob eine solche Ausdehnung des Schadensersatzrechts überhaupt erfolgen soll. Ausgangspunkt für die Überlegungen, die Entschädigung von Nichtvermögensschäden in Geld zu erweitern, sind die Defizite der nationalen Rechtsordnung, die sich im Rahmen der Bestandsaufnahme und der Rechtsvergleichung gezeigt haben. Daneben geben die Vorschläge für eine Harmonisierung des Schadensersatzrechts in Europa neue Impulse. Methodisch geht es vor allem um eine Neuordnung bzw. Erweiterung des Schadensersatzes für Nichtvermögensschäden de lege ferenda, da die Möglichkeiten der Rechtsfortbildung de lege lata bereits weitgehend erörtert wurden. Für die punktuelle Erweiterung sind im Einzelnen die Notwendigkeit und die Ausgestaltung des Schadensersatzrechts zu begründen. Gegen eine Erweiterung der Wiedergutmachung immaterieller Schäden und für die Aufrechterhaltung des § 253 Abs. 1 BGB streitet eine Interpretation des Schadensersatzrechts im Lichte der ökonomischen Analyse, die in § 253 Abs. 1 BGB einen Selbstbehalt des Geschädigten sieht, der ihn dazu veranlassen soll, selbst präventive Maßnahmen zu ergreifen.3 Adams verweist darauf, dass ein vollständiger Schadensersatz den Anreiz zu Vorsorgeaufwendungen nehme und den Schädiger übermäßig mit den Schadensfolgen belaste.4 Auch eine zu geringe Entschädigung solcher Einbußen sei unter Präventionsgesichtspunkten problematisch, weil der Schädiger keinen Anreiz habe vorzusorgen und daher zur Verantwortungslosigkeit neige. Die Steuerung der Prävention sei bei Nichtvermögensschäden grundsätzlich nicht über eine Versicherung und deren Vereinbarungen zum Selbstbehalt des Versicherten möglich, da eine Versicherung wegen solcher Schäden kaum erfolge.5 Ideelle Schäden lösen keinen akuten Finanzierungsbedarf aus, so dass bei potentiell Geschädigten kein Versicherungsbedürfnis wie bei Vermögensschäden bestehe. Das gilt zumindest für die immateriellen Schäden, soweit sie keiner Naturalrestitution zugänglich sind.6 Einen Anreiz für Vorsorgeaufwendungen soll nach Adams der Ausschluss der Entschädigung der Nichtvermögensschäden nach § 253 Abs. 1 BGB bewirken.7 Eine Interpretation des § 253 Abs. 1 BGB i. S. der ökonomischen Analyse ist methodisch problematisch, da der Gesetzgeber bei der Schaffung 3 4 5 6 7

Adams, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, S. 210, 213 ff. Adams, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, S. 210, 213 f. Adams, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, S. 210, 215 f. Anders z. B. bei Heilbehandlungskosten. Adams, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, S. 210, 216.

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der Norm diese Überlegung nicht in die Gesetzgebung einfließen ließ.8 Insofern lässt sich § 253 Abs. 1 BGB vor allem in seinen ökonomischen Wirkungen analysieren, um Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts zu ziehen. Die Interpretation der Norm als Selbstbehalt und Präventionsanreiz setzt aber voraus, dass der Geschädigte Einfluss auf den Schaden hat und die Höhe des Selbstbehalts eventuell sogar nach der Intensität der Vorsorge durch den Geschädigten differenziert. § 253 Abs. 1 BGB ist jedoch von der Möglichkeit des Geschädigten zur Schadensvorbeugung unabhängig und sein Anwendungsbereich ist nicht auf Fallgruppen beschränkt, in denen eine Steuerungsmöglichkeit für den Geschädigten besteht.9 Die Entschädigung in Geld ist vielmehr vollständig ausgeschlossen sowie vollkommen unabhängig davon, ob der Geschädigte den Schaden hätte vermeiden können. Zudem sind die Nichtvermögensschäden nicht einheitlich vom Ersatz ausgenommen, sondern nur deren Entschädigung in Geld. Darüber hinaus kann es vom Verhältnis des Geschädigten abhängen, ob eine Naturalrestitution in Betracht kommt oder nur eine Entschädigung, die § 253 Abs. 1 BGB ausschließt. Zum Beispiel sind die entgangenen Nutzungen einer Sache – soweit sie kein Vermögensschaden sind – nicht zu entschädigen, mietet der Geschädigte aber vorübergehend eine Ersatzsache, dann ist nach § 249 Abs. 2 BGB Ersatz zu leisten, soweit die Miete erforderlich war. Schließlich sind von § 253 Abs. 1 BGB immaterielle Schäden infolge einzelner Rechtsgutsverletzungen vollständig ausgenommen, ohne dass ein unmittelbarer Zusammenhang zu Präventionsüberlegungen besteht. Einen unmittelbaren Bezug zur Schadensminderung hat vor allem die Berücksichtigung des Mitverschuldens des Geschädigten bei der Bemessung der Entschädigung.10 Somit lässt sich § 253 Abs. 1 BGB nicht konsistent als Selbstbehalt qualifizieren, der gezielt oder systematisch einen Anreiz zu Vorsorgeaufwendungen gibt. Zu berücksichtigen bleibt aber Adams’ grundsätzliche Überlegung, dass eine vollständige Wiedergutmachung aller Schäden dem Geschädigten den Anreiz nimmt, Schadensvorsorge zu üben, und die Gefahr der Schadensvergrößerung birgt, sofern ihr Umfang vom Verhalten des Geschädigten abhängt (moral hazard). Das steht einer punktuellen Erweiterung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden aber nicht entgegen. Vielmehr ist für einzelne Fallgruppen zu prüfen, ob und inwieweit eine Erweiterung der Ersatzfähigkeit zielführend ist. Dabei sind die Schwierigkeiten bei der Darlegung und dem Beweis der Nichtvermögensschäden zu berücksichtigen, wenn sie nicht an eine Rechtsgutsverletzung anknüpfen oder sich anderweitig objektivieren lassen. Hierfür sprechen nicht nur praktische Gesichtspunkte, son8 Zu den Grenzen der Berücksichtigung der ökonomischen Analyse des Rechts bei der Auslegung geltender Normen Eidenmüller, Effizienz, S. 450 ff.; ebenso Bost, Effiziente Verhaltenssteuerung, S. 257 ff., 315 ff. (zum Schmerzensgeld im Besonderen). 9 Krit. auch v. Randow, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz, S. 218, 219 f. 10 Siehe dazu § 4.C.III.4., S. 243 ff.

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dern auch die Manipulationsanfälligkeit des Schadensersatzanspruchs in solchen Fällen. Die Erweiterung des Ersatzes immaterieller Schäden kann nicht erwogen werden, ohne die Konzeption des Schadensersatzrechts in diesem Bereich grundsätzlich in Frage zu stellen. Für die Neuausrichtung des Ersatzes immaterieller Schäden wird insbesondere die Alternative erörtert, materielle und ideelle Schäden bei der Entschädigung in Geld vollständig gleichzustellen.11 Ein solcher Vorschlag kann sich am französischen Zivilrecht (Art. 1149, 1382 Code civil) oder an den UNIDROIT-Prinzipien und den europäischen Principles für die vertragliche und deliktische Haftung orientieren, die Vermögens- und Nichtvermögensschäden grundsätzlich gleichstellen. Der Umfang der Haftung und seine Beschränkung ist somit unabhängig von der Schadensart. Für die vertragliche Haftung stellen das französische Recht, die UNIDROIT-Prinzipien und die europäischen Principles auf die Vorhersehbarkeit des Schadens ab12, so dass der Schadensersatz nicht von der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts abhängig ist. Die Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts hat bei dieser vertraglichen Haftung aber nicht zur Folge, dass alle zurechenbaren Schäden wiedergutzumachen sind. Die Vorhersehbarkeit immaterieller Schäden hängt insbesondere davon ab, ob der Vertrag auch ideelle Zwecke verfolgt.13 Die deliktische Haftung wird mit unterschiedlichen Regelungsmodellen beschränkt. Das französische Recht sieht den Schaden nur für ersatzfähig an, wenn er aktuell, direkt und bestimmt ist und die Haftung ein legitimes, rechtlich geschütztes Interesse verfolgt.14 Die PETL beschränken den Ersatz der Schäden auf das Maß, in dem das verletzte Interesse eine Wiedergutmachung rechtfertigt (Art. 10:301 Abs. 1 PETL). Das kann zur Folge haben, dass immaterielle Schäden nicht im gleichen Umfang wie materielle Schäden ersetzt werden, auch wenn eine grundsätzliche Gleichstellung beider Schadensarten erfolgt. Eine ähnliche Herangehensweise wählt der DCFR, der beide Schadensarten gleichstellt.15 Zu ersetzen sind aber nur die rechtlich relevanten Schäden, soweit es fair und angemessen ist (Art. VI.2:101 DCFR). Für einzelne Fallgruppen hat der DCFR die ersatzfähigen Schäden beispielhaft konkretisiert (Art. VI.2:201 ff. DCFR). Folglich sind Nichtvermögensschäden nicht uneingeschränkt oder im gleichen Maße wie die Vermögensschäden zu ersetzen, da sich bei der Beurteilung der Fairness und der Angemessenheit des Ersatzes die 11 Zur Weiterentwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden, aber ohne eine vollständige Gleichstellung der materiellen und immateriellen Schäden Magnus, Schaden, S. 307 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 2; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 124 ff., 163; ders., Haftungsfolgen, S. 345 ff.; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 65 ff. 12 Siehe oben § 6.B.III., S. 298, § 7.B., S. 398 und § 9.B., S. 479 ff. 13 Vgl. § 7.B., S. 398. 14 Siehe oben § 6.B.III., S. 298. 15 Siehe oben § 9.C.II.2., S. 491 ff.

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unterschiedliche Bewertung des verletzten Interesses niederschlägt. Die formale Gleichstellung materieller und immaterieller Schäden hat für sich, dass die Abgrenzung zwischen den Schadensarten eine geringere Bedeutung hat. Die Generalklauseln sind zudem entwicklungsoffen und erlauben es, auf Veränderungen der Wirklichkeit und der normativen Bewertung einzelner Interessen durch den Schadensersatz als Sanktion zu reagieren, ohne dass es einer Gesetzesänderung bedarf. Für eine vergleichbare Neuausrichtung des deutschen Schadensersatzrechts gibt es mehrere Gestaltungsmöglichkeiten. Die weitestgehende Lösung besteht in einer vollständigen Gleichstellung der Vermögens- und Nichtvermögensschäden bei der Haftung und die Beschränkung des Schadensersatzes durch eine allgemeine Regelung, die auf die Angemessenheit des Ersatzes abhebt. Damit würden die Entschädigung von Nichtvermögensschäden und das Ausmaß der Erweiterung ihres Ersatzes in die Hände der Gerichte gelegt, ohne den Gerichten für die Entscheidung Anhaltspunkte durch normative Vorgaben zu geben. Damit entsteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit, zumal immaterielle Schäden in der Vergangenheit eher zurückhaltend entschädigt wurden.16 Eine Alternative ist eine zumindest teilweise Gleichstellung der Vermögensund Nichtvermögensschäden. Das Privatrecht in Frankreich und England sowie der DCFR differenzieren hinsichtlich der zu ersetzenden Schäden zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung, wohingegen das deutsche Recht ein einheitlich ausgestaltetes Schadensersatzrecht hat. Eine Gleichstellung der Vermögens- und Nichtvermögensschäden ließe sich zumindest im Rahmen der vertraglichen Haftung verwirklichen, indem alle Schäden zu ersetzen sind, soweit sie für den Schuldner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhersehbar waren. Das führt insbesondere zu einer Erweiterung der Entschädigung für immaterielle Schäden, soweit der Vertrag die Verwirklichung ideeller Interessen bezweckt. Zugleich beschränkt das Kriterium der Vorhersehbarkeit die Haftung für die übrigen Schäden, so dass die Haftung zumindest teilweise hinter der bestehenden Regelung zurückbleibt. Die Beschränkung der vertraglichen Haftung auf vorhersehbare Schäden beruht nach dem DCFR und den vorhergehenden PECL sowie den UNIDROIT-Prinzipien auf der Beziehung zwischen den Vertragsparteien und der Unterscheidung zur außervertraglichen Haftung. Die ungleiche Behandlung vertraglicher und außervertraglicher Haftung resultiert aus dieser dogmatischen Differenzierung, auch wenn das Verhältnis beider Haftungregime dadurch nicht vollständig geklärt ist, sondern nur feststeht, dass sie unterschiedlichen Konzeptionen folgen. Dieser Ansatz lässt sich im deutschen Recht unter Fortführung des bestehenden außervertraglichen Haftungsrechts nicht in gleicher Weise durchhalten. Die Defizite des Deliktsrechts haben nicht nur zur Entwicklung der in16

Ähnlich G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 66.

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zwischen kodifizierten culpa in contrahendo geführt, sondern auch zur Anerkennung (vor-)vertraglicher Schutzpflichten.17 Auf diese Weise wurden nicht nur die Schranken der Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 BGB überwunden, sondern auch die eingeschränkte deliktische Haftung für Vermögensschäden durch die (vor-)vertragliche Haftung ausbalanciert. Somit hat insbesondere die vorvertragliche Haftung einen Teil der Aufgaben übernommen, die dem Deliktsrecht zukommen.18 Daher kann auf die vertragliche und vorvertragliche Haftung nicht einheitlich der Maßstab der Vorhersehbarkeit übertragen werden, ohne die Haftung, soweit sie das Deliktsrecht ergänzt, stark zu beschränken. Um einen so weitgehenden Schritt zu tun, bedürfte es der Überprüfung und Ergänzung der deliktischen Haftung, um Haftungslücken zu vermeiden. Da hier an die bestehenden Regelungen des Deliktsrechts angeknüpft werden soll, ist eine getrennte Ausgestaltung des Schadensersatzes für die vertragliche und deliktische Haftung abzulehnen, bei der die vertragliche und vorvertragliche Haftung den Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden von ihrer Vorhersehbarkeit abhängig macht. Vorzuziehen ist eine fallgruppenbezogene Lösung, für die mehrere Ausgestaltungen denkbar sind. Um die Differenzierung zwischen den Vermögensund Nichtvermögensschäden aufzuheben, bedürfte es der Normierung von Fallgruppen, die insbesondere am verletzten Rechtsgut anknüpfen. Dabei ließen sich zwischen Schäden wegen der Verletzung der Person bzw. der personenbezogenen Rechtsgüter, der Verletzung des Eigentums und des Besitzes unterscheiden. Angesichts der bestehenden Haftung für reine Vermögensschäden und für Nichtvermögensschäden, die von der Rechtsgutsverletzung unabhängig sind, bedürfte es daneben weiterer Regelungen zur Entschädigung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden. Sofern eine solche Gestaltung nicht als vorzugswürdig erscheint, muss es bei der Differenzierung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden bleiben und eine punktuelle Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen erwogen werden. Um den Schadensersatz entwicklungsoffen zu gestalten, kann daneben eine kleine Generalklausel treten, die es erlaubt, von den fallgruppenbezogenen Bestimmungen nicht erfasste Einbußen zu entschädigen, wenn das angemessen ist. Zumindest ist eine Streichung des § 253 Abs. 1 BGB zu befürworten, der die ergänzende Vertragsauslegung, die eine Haftung für immaterielle Schäden begründet, erschwert.

17

Emmerich, MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 38; Jauernig/Stadler, BGB, § 311 Rn. 35; Erman/Kindl, BGB, § 311 Rn. 15. 18 Emmerich, MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 38; Schulze, Hk-BGB, § 311 Rn. 13; Staudinger/Löwisch, BGB, § 311 Rn. 95; s. auch v. Hein, GPR 2007, 54, 55 f. Die vorvertraglichen Haftung wird im Europarecht als Teil der außervertraglichen Haftung qualifiziert wie die Rom-IIVerordnung belegt, die in Art. 2 Abs. 1 die Schäden aus einer Haftung aus culpa in contrahendo erfasst, dazu v. Hein, GPR, 2007, 54, 59.

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B. Konzeption für die Erweiterung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden I. Fallgruppenbildung Eine fallgruppenweise Regelung der Entschädigung, unabhängig von der Schadensart, hat den Vorteil, dass zunächst alle Schäden einbezogen sind und somit die Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden nicht mehr im Vordergrund steht. Sie bereitet insbesondere bei der Entschädigung des Verlusts der Arbeitskraft und bei entgangenen Nutzungen Schwierigkeiten.19 Ein Abrücken von der tradierten Differenzierung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden ist jedoch nur zielführend, wenn sie die Rechtsanwendung vereinfacht. Zudem konzentrierte sich die Diskussion vor allem wegen der engen Beschränkung der Entschädigung ideeller Einbußen in Geld auf die Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden. Sofern deren Ersatzfähigkeit erweitert wird, entlastet das die Abgrenzung zwischen den Schadensarten. Die Neugestaltung von Fallgruppen, die die ersatzfähigen Schäden abgrenzen, verschiebt die Auseinandersetzung über die Ersatzfähigkeit einzelner Schadenspositionen in die Regelung der jeweiligen Fallgruppe, sofern die Vermögens- und Nichtvermögensschäden nicht uneingeschränkt in Geld entschädigt werden sollen. Das Erfassen ersatzfähiger Schäden infolge einer Eigentums- oder Besitzverletzung macht es weiterhin notwendig, darüber zu entscheiden, ob bei diesen Rechtsverletzungen überhaupt ideelle Schäden, insbesondere verletzte Affektionsinteressen, zu entschädigen sind. Zudem muss sich aus der Bestimmung ergeben, ob und inwieweit entgangene Nutzungen in Geld auszugleichen sind. Die Zusammenfassung der Personenschäden hat insbesondere bei Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen den Effekt, dass sich der Verlust der Arbeitskraft nicht nur als Einbuße für die Selbstentfaltung des Geschädigten, sondern auch als Verlust an Erwerbspotential unabhängig von seiner Qualifikation als Vermögensschaden entschädigen ließe. Das hat zur Folge, dass im Grunde unabhängig von der Erwerbsfähigkeit und Erwerbswilligkeit des Geschädigten der Verlust der Arbeitskraft gegebenenfalls sogar durch eine lebenslange Rente zu entschädigen ist, sofern das Gesetz der Entschädigung keine Grenze zieht. Eine so weitgehende Entschädigung der verlorenen Arbeitskraft als Vermögensschaden wurde bereits abgelehnt.20 Eine solche Erweiterung der Entschädigung wäre nur begründbar, wenn der Verlust der Arbeitskraft ein immaterieller Schaden ist. Die Arbeitsfähigkeit ist zwar grundsätzlich ein Potential der Person, das ihrer Selbstentfaltung dienen kann. Ein Verlust im Sinne eines ideellen Schadens tritt aber nur ein, wenn der 19 20

Siehe oben § 1.C.I.2.a, c., S. 35 ff. Siehe oben § 1.C.I.2.c., S. 41 ff.

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Geschädigte ohne den Schadensfall arbeitswillig und arbeitsfähig sowie eine Tätigkeit möglich war. Ansonsten ist die Selbstentfaltung des Geschädigten nicht konkret betroffen, sondern nur das Potential, das jedem Menschen eigen ist. Das allein begründet aber keinen Schaden. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Entscheidung über die Ersatzfähigkeit der Einbuße nicht dadurch entfällt, dass die Regelung am verletzten Rechtsgut anknüpft. Hinzu kommt, dass eine Reihe von Nichtvermögensschäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung zu entschädigen ist, so dass, wie beim DCFR, weitere Fallgruppen erforderlich sind. Somit wird der Regelungsbedarf dadurch vergrößert, dass die Ersatzfähigkeit nach Schadensgruppen geregelt wird, die einheitlich für die vertragliche und deliktische Haftung gelten. Weiter müssen zumindest die Regelungen bestehen, die schon jetzt die Entschädigung auf Nichtvermögensschäden ausdehnen, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung sind. Im Ergebnis lösen sich die Abgrenzungsfragen nicht allein durch ein Abstellen auf die Rechtsgutsverletzung, sondern sie sind in dem neuen Kontext aufzulösen. Das gilt insbesondere, wenn nicht alle Schäden, die aus einer Eigentums- oder Besitzverletzung bzw. einem Personenschaden resultieren, entschädigt werden sollen. Daher ist an der etablierten Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden festzuhalten.21 Die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden ist fallgruppenweise zu erweitern. Daneben lässt sich die Weiterentwicklung der Entschädigung ideeller Einbußen in Geld erleichtern, indem § 253 Abs. 1 BGB gestrichen wird. II. Streichung des § 253 Abs. 1 BGB § 253 BGB a. F. enthält eine grundsätzliche Aussage zur Entschädigung immaterieller Einbußen, in der noch die Ablehnung des BGB-Gesetzgebers gegenüber der Wiedergutmachung solcher Schäden in Geld zum Ausdruck kommt. Die Reform des Schadensersatzrechts von 2002 hat die Entschädigung der Nichtvermögensschäden zwar erheblich erweitert, den Grundsatz aber unangetastet gelassen. Die Erweiterung der Bestimmungen, die eine Wiedergutmachung immaterieller Schäden zulassen, muss jedoch zu der Frage führen, ob § 253 Abs. 1 BGB das Regel-Ausnahme-Verhältnis noch korrekt abbildet und ob es dieser Regelung zur Beschränkung der Haftungsfolgen bedarf. Ursprünglich beschränkte sich die Entschädigung von Nichtvermögensschäden im Wesentlichen auf § 847 BGB a. F. Inzwischen sind bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter die ideellen Schäden unabhängig vom Haftungsgrund zu ersetzen. Etwas anderes gilt nur für den Geldersatz für Schäden infolge von schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeits21

Ebenso Magnus, Schaden, S. 308 (für eine kleine Generalklausel); G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 65 ff.

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rechts, die sich nach wie vor auf das Deliktsrecht beschränken. Daneben besteht eine Reihe von Normen, die eine Entschädigung immaterieller Einbußen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung erlaubt. Die Nichtvermögensschäden sind den Vermögensschäden zwar nicht gleichgestellt, soweit sie für ersatzfähig erklärt sind, erfolgt aber, ebenso wie bei den Vermögensschäden, eine vollständige Wiedergutmachung. Immaterielle Schäden sind zwar nicht im gleichen Umfang zu ersetzen wie die materiellen Schäden, ihre Entschädigung hat sich aber zu einem gleichberechtigten Teil des Schadensersatzrechts entwickelt, auch wenn ihre Ersatzfähigkeit von zusätzlichen Voraussetzungen abhängt. Eine Regelung wie § 253 Abs. 1 BGB ist nicht erforderlich, um klarzustellen, dass sich die Entschädigung von Nichtvermögensschäden auf die im Gesetz geregelten Fallgruppen beschränkt. Das ergibt sich schon aus der systematischen Gesetzesauslegung. Die getrennte Regelung der Entschädigung von Vermögens- und Nichtvermögensschäden sowie die Beschränkung der in Geld zu ersetzenden ideellen Schäden auf solche, die aus bestimmten Rechtsgutsverletzungen oder bestimmten Pflichtverletzungen resultieren, bringen klar zum Ausdruck, dass ideelle Schäden nicht generell, sondern nur in den gesetzlich geregelten Fällen einer Wiedergutmachung in Geld zugänglich sind. Die Funktion des § 253 Abs. 1 BGB besteht darin, eine Weiterentwicklung der Entschädigung immaterieller Einbußen durch Rechtsfortbildung zu verhindern. Zudem erschwert die Norm die ergänzende Vertragsauslegung, die zu einer Erweiterung der vertraglichen Haftung auf Nichtvermögensschäden führte. § 253 Abs. 1 BGB hat zur Folge, dass die Entschädigung ideeller Einbußen umfassend geregelt ist und jede Erweiterung einer gesetzlichen Normierung bedarf. Das steht auch der Annahme eines hypothetischen Parteiwillens bei der ergänzenden Vertragsauslegung regelmäßig entgegen, der zur Erweiterung der Haftung auf ideelle Schäden führte. Diese Zurückhaltung war geboten, so lange grundsätzliche Zweifel an der Entschädigung von Nichtvermögensschäden in Geld bestanden und die Richter keine so weitgehenden Entscheidungsspielräume erhalten sollten. Die Einstellung zur Entschädigung hat sich jedoch grundsätzlich gewandelt, so dass ein so striktes Regime angesichts der Ausnahmen zu § 253 Abs. 1 BGB weder dem Gesamtbild der gesetzlichen Regelungen noch der vorherrschenden Einstellung entspricht.22 Zudem ist die Rechtsfortbildung auf Fälle beschränkt, in denen eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, so dass die Streichung des § 253 Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig zu einer unkontrollierten Ausdehnung der Entschädigung immaterieller Einbußen führt. Gerade für die vertragliche Haftung behindert § 253 Abs. 1 BGB eine interessengerechte Lösung, wenn der Vertrag nach der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien auch die Verwirklichung ideeller 22

Zu diesem Wandel siehe § 11.B.I., S. 526 ff., § 12.B.I., S. 569 ff.

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Interessen verfolgt. Grundsätzlich ist eine vertragliche Erweiterung der Haftung zwar möglich. Sofern es an einer privatautonomen Regelung fehlt, bedarf es einer ergänzenden Vertragsauslegung. Die Streichung des § 253 Abs. 1 BGB würde die ergänzende Vertragsauslegung erleichtern und dem Schadensersatzrecht etwas mehr Elastizität gewähren, um dem Einzelfall gerecht zu werden. Angesichts der Entwicklung der Wiedergutmachung immaterieller Schäden ist § 253 Abs. 1 BGB daher zu streichen.

C. Ergänzungen der Rechtsordnung de lege ferenda I. Erweiterung der Entschädigung immaterieller Schäden auf weitere Rechtsgutsverletzungen 1. Kein Ersatz des Todes eines Menschen selbst Nach dem hier entwickelten Begriff des immateriellen Schadens sind die Einbußen an Selbstentfaltung dessen wesentlicher Bestandteil. Nach geltendem Recht bleibt der maximale Verlust der Selbstentfaltung – der Tod des Menschen – entschädigungslos.23 Insoweit stimmt das deutsche Recht mit den hier verglichenen Rechtsordnungen überein. Auch der DCFR enthält keine abweichende Regelung. Diese Rechtslage beruht auf dem personalen Konzept des Zivilrechts, so dass bei personenbezogenen Rechtsgütern nur der Rechtsinhaber den Schaden erleiden und einen Schadensersatzanspruch erlangen kann. Ohne eine Person, der das Rechtsgut und die Einbuße zuordenbar ist, entsteht kein Schadensersatzanspruch. Die Erben erlangen das Rechtsgut nicht und somit auch keinen Schadensersatz im Todesfall, außer für die persönlich erlittenen Schäden, soweit sie ersatzfähig sind. Am Personenbezug des subjektiven Rechts sowie des Schadensersatzanspruchs ist festzuhalten. Ansonsten würde die grundsätzliche Konzeption der Rechtsordnung zu stark verändert. Zudem ergeben sich für das pretium mortis gravierende Bemessungsschwierigkeiten, gerade wenn versucht werden soll, keinen einheitlichen Betrag zuzusprechen, sondern nach den subjektiven Verhältnissen des Geschädigten zu entscheiden. Der fehlende Ersatz für den Tod des Menschen steht nicht in Widerspruch dazu, dass für Körperverletzungen kurz vor dem Tod eine Entschädigung erfolgt, auch wenn der Geschädigte die Entschädigung nicht mehr verwenden kann bzw. sie erst nach dem Tod gezahlt wird und daher seinen Erben zufließt. Auch die Diskrepanz zwischen dem Schadensersatzanspruch einer schwer geschädigten, aber lebenden Person und den Ansprüchen im Todesfall ist hinzunehmen bzw. dadurch zu relativieren, dass zumindest der Trauerschaden der Angehörigen stärker Berücksichtigung findet. Eine Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts gebietet auch die ökonomische Analyse des Rechts nur, wenn zusätzliche Ansprüche gegen den Schä23

Ausführlich dazu § 2.A.I.1., S. 61 ff.

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diger notwendig sind, um mit präventiven Maßnahmen in wohlfahrtsökonomisch sinnvoller Weise auf den potentiellen Schädiger einzuwirken. Solange im Schadensersatzrecht an der Wiedergutmachung des erlittenen Schadens festgehalten wird, können diese ökonomischen Überlegungen indes nicht greifen, da es gerade an einem subjektiven Schaden fehlt. Die ökonomische Analyse muss insofern nicht nur das Ob, sondern auch den Zweck des Entschädigungsanspruchs unabhängig von der Wiedergutmachung eines Schadens begründen.24 Ein solcher schadensunabhängiger Anspruch ist im deutschen Recht bisher nicht anerkannt und rückt zudem in die Nähe der Privatstrafe. Unabhängig davon genügen die Argumente für eine Entschädigung im Todesfall nicht, um einen solchen Anspruch zu begründen. Ein solcher Schadensersatz lässt sich kaum anhand der Überlegung bestimmen, welche Beträge eine Person freiwillig für eine Versicherung im Todesfall aufwenden würde.25 Die zugrunde gelegten Daten stammen aus verschiedenen Studien aus den USA, vor allem aus den 1970er Jahren. Zum Teil beruhen die statistischen Werte auch auf den Prämien für Fälle von Arbeitsunfähigkeit. Insoweit erscheint zweifelhaft, ob sie eine geeignete Tatsachengrundlage liefern.26 Zudem hängt die Entscheidung über die Höhe der Versicherungsprämien nicht nur vom betroffenen Rechtsgut, sondern von der Beurteilung des Risikos, den verfügbaren Mitteln und den übrigen Bedürfnissen und Präferenzen des Handelnden ab. Hinzu kommt, dass Risikoversicherungen den immateriellen Schaden grundsätzlich nicht einbeziehen. Es werden nur die Kosten für den Mehrbedarf und den Unterhalt erfasst. Auch Adams verweist darauf, dass gerade für ideelle Schäden regelmäßig keine Versicherung erfolgt, weil sie keinen finanziellen Mehrbedarf auslösen27, es sei denn, sie sind der Naturalrestitution zugänglich. Insofern lässt sich aus der Perspektive ex ante auf der Grundlage eines Versicherungsmodells nur schwer ein Rückschluss ziehen, ob und in welcher Höhe eine Entschädigung erforderlich ist, um eine angemessene und ökonomisch sinnvolle Prävention von Todesfällen sicherzustellen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Tötungsdelikte strafrechtlich ausreichend sanktioniert sind und eine hohe Aufklärungsquote besteht.28 Die Sank-

24 Für die Einbeziehung des Werts des menschlichen Lebens in das Schadensersatzrecht Adams, Ökonomische Analyse, S. 174 ff.; Schäfer/Ott, JZ 1990, 563, 569 ff.; dies., Lehrbuch, S. 365 ff., 374 ff. 25 Schäfer/Ott, JZ 1990, 563, 569 ff.; dies., Lehrbuch, S. 370 f. Ein Vergleich zwischen den Kosten der Versicherung, der ex ante Betrachtung des Schadensfalls aus Sicht der potentiell Geschädigten (primäre Haftungsfolgen), und den Kosten der Schadensbeseitigung ex post scheitert, da ein Geldbetrag anders als bei Sachschäden den Schaden nicht im engeren Sinne beseitigt. 26 Dazu krit. selbst Schäfer/Ott, JZ 1990, 563, 571, 572 f. 27 Adams, in: Ott/Schäfer, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, S. 210, 215 f.; s. auch Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 372. 28 Bundesministerium des Inneren, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009, S. 23.

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tionsmittel des Strafrechts reichen aus.29 Es mag zwar eine erhebliche Dunkelziffer unerkannter Tötungsdelikte bestehen. In diesen Fällen vermag aber auch eine Erhöhung des Schadensersatzes die Prävention nicht zu verbessern, da das entscheidende Defizit in der Aufdeckung des unnatürlichen Todesfalls besteht.30 Insofern ist die Verbesserung der staatlichen Untersuchung von Todesfällen wesentlicher als eine Veränderung des Schadensersatzrechts. Eine Erweiterung des Schadensersatzes wegen des Todes eines Menschen ist daher abzulehnen. 2. Verletzung des allgemeinen und postmortalen Persönlichkeitsrechts a) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Trotz wiederholter Versuche, den Gesetzgeber zur Regelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bewegen, ist bisher keine Kodifikation erfolgt.31 Auch die Reform des Schadensersatzrechts von 2002 enthält trotz des Vorschlags des Bundesrats keine entsprechende Regelung, weil die Bundesregierung die Erarbeitung einer schlüssigen Regelung zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorzog.32 Der Vorschlag des Bundesrats beschränkte sich auf die Kodifizierung der bestehenden Rechtsprechung des BGH in Form der schon für die Schuldrechtsreform charakteristischen „Merkzettelgesetzgebung“.33 Die Klärung der Streitfragen war nicht angestrebt, und eine Erweiterung der Entschädigung immaterieller Schäden infolge schwerer Persönlichkeitsverletzungen auf die vertragliche Haftung war ebenfalls nicht beabsichtigt. Allerdings wäre selbst eine so allgemeine Regelung angesichts der Defizite bei der Ableitung des Entschädigungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG wünschenswert.34 Darüber hinaus hat die Bestandsaufnahme gezeigt, dass nicht alle Persönlichkeitsverletzungen, die als entschädigungswürdig angesehen werden, angemessen erfasst sind. Schwierigkeiten bereitet die Entschädigung von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die mit der Verletzung anderer personenbezogener Rechtsgüter einhergehen, so dass sie nicht selbständig entschädigt werden, sondern höchstens als Folgeschaden ersatzfähig sind. Das gilt zum einen für die Herabwürdigung des Geschädigten bei Vorsatztaten ge29 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 738; Medicus, JZ 2006, 805, 808; G. Wagner, JZ 2004, 319, 327; ders., Gutachten 66. DJT, Bd. I, A. 6262; s. auch Koch, FS Barta, S. 171, 189. 30 Vgl. Leder, Kriminalistik 1994, 381, 382 ff.; Mätzler, Todesermittlung, S. 10; Oehmichen, Kriminalistik 1993, 137, 138 f.; Schwimm, Kriminalistik 1991, 569, 572 f. 31 Bussmann, Gutachten 42. DJT, Bd. I, S. 70 ff.; Hohloch, Gutachten, S. 375, 474; dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 427 ff. 32 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/7752, S. 55. 33 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/7752, S. 49. 34 So bereits im Zusammenhang mit der letzten Reform des Schadensersatzrechts Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1033; v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 282 f.; s. auch Ebbing, ZGS 2003, 223, 226; a. A. Karczewski, VersR 2001, 1070, 1072.

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gen die Person, die zu einer Ehrverletzung führen. Eine Entschädigung für die Persönlichkeitsverletzung erfolgt nur im Rahmen des Schadensersatzes wegen der Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung. Eine eigenständige Entschädigung dieser Verletzung würde klarstellen, dass es sich vor allem um die Folgen der Ehrverletzung handelt. Insoweit ist keine tatbestandliche Erweiterung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erforderlich. Vor allem die Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs darf der Entschädigung der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht entgegenstehen. Eine Beschränkung der Subsidiarität hätte zur Folge, dass die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche und die strafrechtlichen Sanktionen wegen der Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung den Entschädigungsanspruch nicht ausschließen. Die Entschädigung ideeller Einbußen weist allerdings bei Eigentums- und Besitzrechtsverletzungen ein Defizit auf, wenn gleichzeitig die Privatsphäre des Geschädigten verletzt wird. Das kommt vor allem bei Wohnungseinbruchsdiebstählen in Betracht, die die Wohnung als Rückzugsraum der Person und räumlich-gegenständlichen Bereich der Privatsphäre betreffen. Eine schwere Persönlichkeitsverletzung liegt vor allem bei Einbruchsdiebstählen in privatgenutzten Wohnräumen vor, weniger bei Geschäftsräumen. Einer Erweiterung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedarf es in diesen Fällen nicht, da die Wohnung als räumlich-gegenständlicher Bereich der Privatsphäre erfasst ist.35 Allerdings besteht bereits ein strafrechtlicher Schutz (§§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB bzw. § 123 Abs. 1 StGB), der einer Entschädigung nach geltendem Recht wohl entgegensteht, so weit sein Anwendungsbereich reicht36. Anders als bei vorsätzlichen Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen, ist ein Nichtvermögensschaden, der mit der Verletzung der Privatsphäre einhergeht, kein Folgeschaden einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung, so dass die immateriellen Einbußen nicht entschädigt werden. Somit bleiben die Schäden ohne Ausgleich, obwohl die psychischen Auswirkungen zum Teil erheblich sind. Eine zu weitgehende Ausdehnung des Schadensersatzes wird verhindert, indem eine schwere Persönlichkeitsverletzung verlangt wird und eine Erheblichkeitsschwelle besteht. Die spezifischen Probleme bei der Erweiterung der Wiedergutmachung immaterieller Schäden ergeben sich somit aus der Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs gegenüber dem übrigen Rechtsgüterschutz des Zivil- und Strafrechts. Die Beschränkung beruht darauf, dass das verfassungsrechtliche Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet, einen vollständigen und angemessenen Schutz zu bewirken, sondern es genügt, wenn 35 KG 14.4.2005 NJW 2005, 2320; Jauernig/Teichmann, BGB, § 823 Rn. 65, 75; Palandt/ Sprau, BGB, § 823 Rn. 87; PWW/Prütting, BGB, § 12 Rn. 32, 36. 36 Siehe zur Amtshaftung LG Berlin 18.8.2010 86 O 652/09, zit. nach juris.

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das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht schutzlos ist.37 Bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung der Haftung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann der Gesetzgeber darüber hinausgehen. Zudem muss sich die Haftung nicht auf das Deliktsrecht beschränken. Die Aufnahme des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in § 253 Abs. 2 BGB neben den anderen personenbezogenen Rechtsgütern, erweiterte die vertragliche Haftung auf die Entschädigung immaterieller Einbußen infolge einer Persönlichkeitsverletzung.38 Das führt nicht notwendig zur Erweiterung der Haftung, da sich der Entschädigungsanspruch auf schwere Persönlichkeitsverletzungen beschränken ließe. Eine Erweiterung der Haftung erfolgt in diesem Fall vor allem durch § 278 BGB. Für die Eingliederung der schweren Persönlichkeitsverletzungen in das allgemeine Schadensersatzrecht spricht, dass die Haftung für Verletzungen der (vor-)vertraglichen Schutzpflichten nicht auf die in § 253 Abs. 2 BGB genannten personenbezogenen Rechtsgüter beschränkt bliebe. Gerade die culpa in contrahendo ist eine verdeckte Erweiterung der deliktischen Haftung. Insofern erscheint es nicht konsistent, wenn immaterielle Schäden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht in die vertragliche Haftung einbezogen sind, obwohl ideelle Schäden, die aus der Verletzung der übrigen personenbezogenen Rechtsgüter resultieren, auch von der vertraglichen Haftung erfasst sind. Ein Gleichklang der vertraglichen und deliktischen Haftung ist für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus den gleichen Gründen wünschenswert wie bei der Verletzung der anderen personenbezogenen Rechtsgüter. Die Wiedergutmachung ideeller Schäden lässt sich auf diese Weise für die Verletzung personenbezogener Rechtsgüter homogen regeln. Die vollständige Schadenswiedergutmachung steht zudem in angemessenem Verhältnis zur Anerkennung des Rechtsguts durch die Rechtsordnung und seiner Bedeutung für das Rechtssubjekt. In diesem Zusammenhang ist auch an eine Überarbeitung der Haftung zu denken, die an die Verletzung von ärztlichen Aufklärungspflichten anknüpft. Sie beruht nach der gegenwärtigen Rechtsprechung auf der Körperverletzung, so dass sich die unzureichende Aufklärung durch den Arzt auf die Einwilligung des Patienten und die Rechtswidrigkeit des Eingriffs auswirkt.39 Zum Teil wird vorgeschlagen, stattdessen eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten anzunehmen, die als Verletzung des allgemeinen Persön37 Zur Verfassungskonformität der Beschränkung der Haftung auf schwere Persönlichkeitsverletzungen, die nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden, BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 285 f.; 4.3.2004 NJW 2004, 2371, 2372; 25.8.2005 NJW 2006, 595 f.; 19.10.2006 BVerfGK 9, 317, 321 f.; 23.9.2009 1 BvR 1681, 1742/09, zit. nach juris. 38 Für die Erweiterung der vertraglichen Haftung Canaris, FS Deutsch, S. 85, 100; Däubler, JuS 2002, 625, 627; s. auch G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2057; a. A. Ströfer, JZ 1982, 663, 669 f. 39 Z. B. BGH 9.12.1958 Z 29, 46, 49 ff.; 14.2.1989 Z 106, 391, 397 f.; dazu Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, S. 105 f.

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lichkeitsrechts zu einer Entschädigung des Nichtvermögensschadens führt.40 Dabei geht es weniger um eine Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen, als um eine konzeptionelle Neuausrichtung des Arzthaftungsrechts, die mit einer Reihe von Folgefragen verknüpft ist. Das betrifft insbesondere den Umfang der Aufklärungspflicht, die durch die Rechtsprechung immer feiner ausdifferenziert wurde. Zudem dürfte sich der Entschädigungsanspruch nicht auf die schweren Persönlichkeitsverletzungen beschränken, wenn die bestehenden Schadensersatzansprüche des Patienten nicht eingeschränkt werden sollen. Überdies führte die Verselbständigung der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten gegebenenfalls dazu, dass selbst bei erfolgreicher Heilung ein Entschädigungsanspruch entstünde. Insofern bestehen grundsätzlich Fragen, die die Ausgestaltung des Schutzbereichs des Selbstbestimmungsrechts des Patienten betreffen, die wegen der hier vorgenommenen Konzentration auf die Rechtsfolgen nicht abschließend untersucht werden können. Eine Sonderstellung nimmt schließlich das Datenschutzrecht ein. Art. 23 Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) gebietet eine Erweiterung der Haftung für immaterielle Schäden. Bisher sind nur öffentliche Stellen bei schweren Verletzungen des Datenschutzrechts im Rahmen der automatisierten Datenverarbeitung nach § 8 S. 2 BDSG zur Entschädigung der immateriellen Schäden verpflichtet. Darüber hinaus haben die Geschädigten nur bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einen Entschädigungsanspruch. Dazu bedarf es einer vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Rechtsverletzung, wohingegen die Richtlinie in Art. 23 eine Haftung für jede Rechtsverletzung verlangt, bei der das Verschulden zumindest vermutet wird und alle eingetretenen Schäden, auch die immateriellen, zu ersetzen sind. Insofern bleibt das geltende Recht hinter den Vorgaben der Richtlinie zurück.41 Im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung lässt sich zwar der Entschädigungsanspruch auf alle Verletzungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung infolge eines Verstoßes gegen das Datenschutzrecht erweitern, die Anforderungen an das Verschulden bleiben indes bestehen. b) Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts Solange das Schadensersatzrecht an das Eintreten eines subjektiven Schadens anknüpft, ist bei der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts kein Schadensersatzanspruch begründbar.42 Es fehlt an einem Rechtssubjekt, das einen Schaden erleidet. Grundsätzlich sind subjektive Rechte von der Existenz 40 Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, § 55.I.1.b; Hart, FS Heinrichs, S. 291, 310 f.; Laufs/ Katzenmeier/Lipp, Arzthaftung, S. 134 f.; Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, § 103 Rn. 4; Taupitz, NJW 1986, 2851, 2859 f.; s. auch Brüggemeier, Deliktsrecht, Rn. 634 ff. 41 Zum geltenden Recht siehe § 2.A.VI.3., S. 96 ff. 42 Siehe § 2.A.VII.1., S. 98 ff.

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des Rechtssubjekts abhängig. Insofern besteht die Besonderheit des postmortalen Persönlichkeitsrechts darin, dass es über den Tod des ursprünglichen Rechtsinhabers hinaus gleichsam als rechtssubjektsloses Recht besteht.43 Somit fehlt es aber am Rechtssubjekt, das einen Schaden erleiden kann.44 Die Verneinung der Entschädigung ist angesichts der abgelehnten Entschädigung für den Tod eines Menschen auch konsistent. Der Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts macht zudem keine Erweiterung des Schadensersatzanspruchs erforderlich. Bei Verletzungen dieses Rechts haben die Wahrnehmungsberechtigten grundsätzlich Beseitigungsund Unterlassungsansprüche, die sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchsetzen lassen. Ein Bedürfnis nach einem zusätzlichen Schadensersatzanspruch besteht nur, wenn der Wahrnehmungsberechtigte die Primäransprüche nicht ausschöpft. Das galt auch im Fall „Mordkommission Köln“, in dem der BGH den Entschädigungsanspruch dem Sohn verweigerte, dessen tote Mutter halb entkleidet gefilmt und im Fernsehen gezeigt wurde.45 Auch das BVerfG bestätigte, dass es eines zusätzlichen Rechtsschutzes zugunsten des postmortalen Persönlichkeitsrechts aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht bedurfte, weil in dem Fall genug Zeit für die Geltendmachung von Abwehransprüchen war.46 Zudem besteht durch § 33 KUG ein strafrechtlicher Schutz des Rechts am eigenen Bild auch nach dem Tod. Ein Defizit kann sich höchstens bei der Kommerzialisierung einer bekannten Person nach ihrem Tod durch die Verwertung ihres Images oder sonstiger Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ergeben. Durch die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihrer Vererblichkeit seit der Marlene-Dietrich-Rechtsprechung hat der BGH jedoch diesem Rechtsschutzdefizit abgeholfen.47 Der Erbe kann wegen der Verletzung des vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Schadensersatz aus Deliktsrecht, auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion oder auf Gewinnherausgabe aus angemaßter Eigengeschäftsführung geltend machen.48 Die Erweiterung des Vermögensrechts hat das Rechtsschutzdefizit beseitigt. Die Einführung eines Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts wäre mangels Schaden ohnehin eine Privatstrafe gewesen, deren Zulässigkeit im Privatrecht einer eigenen Begründung bedarf.49 Sie kommt daher nicht in 43 Z. B. Bender, VersR 2001, 815, 821; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 341 f.; Schack, GRUR 1985, 352, 360 f. 44 Siehe oben § 2.A.VII.1., S. 100 f. 45 BGH 6.12.2005 Z 165, 203 (Mordkommission Köln). 46 BVerfG 19.10.2006 ZUM 2007, 380, 382 (Verweis auf den Zeitraum von vier Monaten zwischen den Filmaufnahmen und der Ausstrahlung der Sendung). 47 BGH 1.12.1999 Z 143, 214 (Marlene Dietrich). 48 Ausführlich § 17.D., S. 765 ff. 49 Ausführlich § 16.B.II.1, III., S. 677 ff., 682 ff., 833 ff., § 18.C.I., S. 833 ff.

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Betracht. Das Gleiche muss für Verletzungen des Urheber- oder Erfinderpersönlichkeitsrechts gelten, zumal es keinen Grund für eine unterschiedliche Behandlung gibt. Das Urheber- und Erfinderpersönlichkeitsrecht schützt nach dem Tod des Urhebers oder Erfinders ebenso wie das postmortale Persönlichkeitsrecht ideelle Interessen wegen der Nachwirkung der Persönlichkeit über den Tod hinaus.50 3. Verletzte Affektionsinteressen bei Eigentumsverletzungen Die Verletzung von Affektionsinteressen wegen der Beschädigung oder Zerstörung einer Sache sowie der Verletzung oder Tötung eines Tieres wird in den hier untersuchten Rechtsordnungen und in den europäischen Principles nicht einheitlich berücksichtigt. In der Schweiz und in England erfolgt ebenso wie in Deutschland grundsätzlich keine selbständige Entschädigung des verletzten Affektionsinteresses in Geld.51 In Österreich gewährt § 1331 ABGB einen Anspruch auf Ersatz des Werts der besonderen Vorliebe, wenn der Schaden aus einer strafrechtlich verbotenen Handlung oder aus Mutwillen bzw. Schadenfreude resultierte. Das französische Deliktsrecht entschädigt den Schaden hingegen unabhängig von solchen Einschränkungen.52 Auch die PETL und der DCFR beziehen das verletzte Affektionsinteresse ein. Aus dem Kommentar zum DCFR geht aber hervor, dass eine Entschädigung nicht bei jeder Beschädigung eines Alltagsgegenstands erfolgen soll, sondern vor allem, wenn der Schädiger dem Geschädigten durch die Beschädigung der Sache psychische Belastungen beibringen wollte, oder wenn es sich um die Beschädigung eines Sammlerstücks oder eines Tieres handelt, zu dem eine besondere affektive Beziehung bestand.53 Mit der Verletzung des Eigentums oder des Besitzes gehen zwar Beeinträchtigungen der Affektionsinteressen des Eigentümers oder Besitzers einher, in der Regel ist jedoch eine Reparatur oder eine Ersatzbeschaffung der beschädigten oder zerstörten Sache möglich. Zudem gehört die Verletzung des affektiven Interesses an einer Sache grundsätzlich zu den allgemeinen Lebensrisiken, da die Beschädigung oder Zerstörung von Sachen keine außergewöhnlichen Ereignisse sind. Der Geschädigte muss mit solchen Einbußen rechnen. Zudem haben die Verletzungen des Affektionsinteresses keine besondere Erschütterungswirkung auf die Psyche. Etwas anderes gilt höchstens, wenn es sich um Liebhaberstücke oder Sachen mit persönlichem Erinnerungswert handelt, sowie bei Tieren. Nur in diesen Fällen ist die Einbuße als Verlust anzusehen, der über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht.

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Dazu § 2.A.VII.2., S. 102 f. Siehe § 2.B.I., S. 104 f. Siehe § 6.B.III., S. 297. Art. VI.-2:206 Abs. 1; v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:206, F.

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Bei der Entscheidung über die Erweiterung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden auf das verletzte Affektionsinteresse ist zudem der Kreis der ersatzfähigen immateriellen Schäden zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass das Schadensersatzrecht wertungsmäßig konsistent ist. Grundsätzlich beschränkt sich die Entschädigung immaterieller Einbußen vor allem auf die Verletzung personenbezogener Rechtsgüter. Diese sind unmittelbar mit der Person des Geschädigten verknüpft, so dass eine viel intensivere persönliche Betroffenheit als bei der Beschädigung von Sachen oder bei der Verletzung von Tieren besteht. Der Geschädigte ist in seinen höchstpersönlichen Rechtsgütern betroffen, so dass seine Lebensführung regelmäßig beeinträchtigt ist. Zudem werden selbst Trauerschäden von Angehörigen nach deutschem Recht bisher nicht entschädigt. Sie sollen nach dem hiesigen Vorschlag zwar in den Kreis der ersatzfähigen Schäden aufgenommen werden, die Wirkung auf den Angehörigen ist in Todesfällen oder bei schweren Körperverletzungen jedoch ungleich schwerer. Auch wenn es grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist, dass in besonderen Ausnahmefällen die affektive Beziehung eines Menschen zu einem Tier eine hohe Intensität haben kann, so dass erhebliche ideelle Beeinträchtigungen eintreten, so handelt es sich nur um Ausnahmen. Das genügt nicht, um diese Erweiterung des Schadensersatzrechts zu rechtfertigen. Auch ökonomische Erwägungen rechtfertigen eine Ausdehnung des Schadensersatzrechts nicht. Die Haftung löst zwar sekundäre Kosten in Form von Schadensersatzzahlungen oder Versicherungsprämien aus. Eine Schadensprävention ist dem Schädiger aber regelmäßig unmöglich. Die besondere affektive Beziehung des Geschädigten zu einer Sache oder einem Tier ist nicht immer nach außen erkennbar. Nur wenn der Schädiger die Lebensverhältnisse des Geschädigten gut kennt, weiß er um die affektive Beziehung zu der Sache oder dem Tier. Eine Steuerungswirkung, die den Rechtsgüterschutz des Geschädigten verbessert, besteht somit nicht allgemein. Im Ergebnis ist eine Erweiterung des Ersatzes ideeller Schäden auf die verletzten Affektionsinteressen bei Eigentumsverletzungen abzulehnen. II. Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung 1. Ersatz von Trauerschäden für Angehörige a) Entschädigung von Trauerschäden bei Todesfällen bzw. schweren Körperverletzungen Das deutsche Schadensersatzrecht, das die Angehörigen in Todesfällen grundsätzlich auf den Ersatz der Vermögensschäden beschränkt und ihnen nur eine Entschädigung für Schockschäden gewährt, ist in Europa inzwischen die Ausnahme. Die Ausgestaltung der Entschädigung von Trauerschäden in Todesfällen variiert in den europäischen Rechtsordnungen zwar erheblich, es besteht

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jedoch weitgehend Einigkeit, dass der Trauerschaden ersetzt werden soll.54 Selbst die österreichische Rechtsprechung hat inzwischen einen solchen Entschädigungsanspruch anerkannt.55 Auch das lettische Zivilrecht, das noch Gegenstand der Beschwerde vor dem EGMR in der Rechtssache Zavoloka war, ist inzwischen geändert.56 Darüber hinaus sehen die europäischen Principles – die PETL und der DCFR – einen solchen Schadensersatzanspruch vor.57 Für die Einführung einer Entschädigung für Trauerschäden lässt sich insbesondere darauf verweisen, dass sich inzwischen gravierende Unterschiede für den Angehörigen ergeben, je nachdem, ob der Todesfall in Deutschland oder in einem anderen europäischen Staat eintritt, da nach Art. 4 Abs. 1 Rom-II-Verordnung das Recht des Staats gilt, in dem der Schaden eingetreten ist. Für eine Erweiterung des nationalen Schadensersatzrechts auf die Trauerschäden der Angehörigen bedarf es einer Gesetzesänderung. § 253 Abs. 2 BGB beschränkt sich grundsätzlich auf immaterielle Schäden, die aus der Verletzung eines absoluten Rechts des Geschädigten resultieren. Daran fehlt es bei Trauerschäden. Zudem erstreckt sich das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht auf das Recht zur Familienplanung und das Ausleben der persönlichen Beziehungen zu nahen Angehörigen.58 Das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht bezieht zwar auch das Recht des Menschen auf Selbstfindung in enger Beziehung zu Familienangehörigen ein.59 Das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht beschränkt sich jedoch überwiegend auf den Schutz der Selbstbestimmung. Ein Aktivitätsschutz besteht nur ausnahmsweise, soweit die Rechtsordnung (z. B. durch die Benachteiligungsverbote des AGG) einen solchen vorgibt. Der Einführung einer Entschädigung der Angehörigen für Trauerschäden könnte entgegenstehen, dass eine solche Geldzahlung – insbesondere bei niedrigen Beträgen – keine hinreichende Wiedergutmachung sein kann, sondern dem Angehörigen eher als vollkommen inadäquat erscheinen muss.60 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Angehörigen und ihre Trauer wegen des Todesfalls ohne einen solchen Entschädigungsanspruch keine Berücksichtigung finden. Wenn die Funktion des Entschädigungsanspruchs gerade in der Anerkennung des Erlittenen liegt, lässt sich der Zweck des Schadensersatzes durchaus erreichen. Die Höhe der Entschädigung orientiert sich am Schaden des Angehörigen.61 Nicht der Tod des Erstgeschädigten ist für die Entschädi54

Siehe oben § 6.E.I.3., S. 331 ff. OGH 16.5.2001 ZVR 2001, 284; 1.7.2004 JBl. 2004, 792; dazu Kadner Graziano, ZEuP 2002, 840 ff.; dazu § 6.E.I.3.a.dd., S. 338 f. 56 EGMR 7.7.2009 Appl. No. 58447/00 (Zavoloka). 57 Vgl. Art. 10:301 Abs. 1 S. 3 PETL, Art. VI.-2:202 DCFR. 58 BGH 18.1.1983 Z 86, 240, 249. 59 BVerfG 5.2.1981 E 57, 170, 176 f. (Kontakt zwischen Familienangehörigen); Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 47 (enge Beziehung zu ausgewählten Vertrauten). 60 Anders Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44, 61 f. 61 So zu Art. VI.-2:202 v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:202, B. 55

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gung maßgeblich, sondern die durch den Todesfall ausgelöste Trauer sowie die damit einhergehende Lebenshemmung und die Rückzugshandlungen, die für den Betroffenen zu einem erheblichen Verlust seiner Selbstentfaltung führen können. Der Einführung einer Entschädigung für Trauerschäden wird weiter entgegengehalten, dass sich ihre Höhe kaum bemessen lasse.62 Zudem besteht ein Vorbehalt gegen die Erweiterung des Schadensersatzanspruchs wegen der damit einhergehenden Kostensteigerung bei Schadensfällen, die sich insbesondere für die Versicherungen wirtschaftlich auswirkt. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Großteil der Schäden, z. B. bei Straßenverkehrsunfällen, Sachschäden sind, und die Personenschäden beim Schadensersatz nur ca. 25% ausmachen63. Die Einwände gegen die Einführung einer Entschädigung für Trauerschäden, die sich aus der Finanzierbarkeit der Versicherung für solche Schadensfälle ergeben, relativieren sich durch einen Blick auf die übrigen Mitgliedstaaten, die eine solche Entschädigung kennen und zum Teil einem sehr großen Personenkreis Schadensersatzansprüche gewähren64. Die Kosten und die praktischen Schwierigkeiten bei der Ausurteilung der Entschädigungsansprüche in Trauerfällen streiten zudem nicht zwingend gegen die Einführung einer solchen Entschädigung, sondern lassen sich bei ihrer Ausgestaltung berücksichtigen, wenn es um den Kreis der anspruchsberechtigten Personen und die Höhe der Entschädigung geht. Insbesondere eine pauschale Entschädigung und eine Begrenzung des Personenkreises vermögen ein Ausufern der Entschädigungsansprüche zu vermeiden, ohne dass auf die Anerkennung des Erlittenen durch eine Entschädigung in Geld verzichtet werden muss. Das spricht für die Entschädigung der Trauerschäden von Angehörigen in Todesfällen, zumal auch ein Interesse an der Angleichung an die übrigen europäischen Rechtsordnungen besteht, die zumindest hinsichtlich des Ob eines solchen Schadensersatzanspruchs einig sind.65 Darüber hinaus ist in einigen Mitgliedstaaten sowie den europäischen Principles vorgesehen, dass auch bei Körperverletzungen eine Entschädigung für Trauerschäden der Angehörigen zu gewähren ist.66 Rechtsvergleichend besteht für die Entschädigung solcher Trauerschäden kein so einheitliches Bild 62

Dressler, DAR 1996, 81; G. Müller, VersR 1995, 489, 494; dies., VersR 2006, 1289, 1290; Jansen, ZEuP 2001, 30, 60 f.; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 398, 406 ff.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 51 f., 55, 67. 63 Hacks, NJW 1975, 1450; Kötz, FS Steindorff, S. 389, 403. 64 Z. B. Frankreich, dazu § 6.E.I.3.a.bb., S. 332 ff. 65 Greger, NZV 2002, 222, 223; Janssen, ZRP 2003, 156, 158; Odersky, Schmerzensgeld, S. 19 ff.; Pflüger, Schmerzensgeld, S. 366; Stahmer, Entschädigung, S. 365 ff.; Scheffen, NZV 1995, 218, 219; so schon Gontard, DAR 1990, 375, 378; Hacks, NJW 1975, 1450, 1452; Lieberwirth, DAR 1966, 179, 181; s. auch Steffen, FS Odersky, S. 723, 731; Zeytin, Schmerzensgeld, S. 98; krit. Diederichsen, DAR 2011, 122, 124. 66 Art. 10:301 Abs. 1 S. 3 PETL; ohne Beschränkung auf schwere Körperverletzungen: Art. VI.-2:202 DCFR.

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wie bei den Todesfällen. Für eine Erweiterung der Entschädigung von Trauerschäden lässt sich aber auf den Gleichheitssatz verweisen, sofern sich der Schadensfall für den Angehörigen nicht grundsätzlich vom Todesfall unterscheidet. Der Schaden, der zulasten des Angehörigen eintritt, ist bei Körperverletzungen nicht generell mit den Todesfällen vergleichbar. Nur bei besonders gravierenden Körperverletzungen kann bei Angehörigen durch empathisches Mitleiden und das Herausgerissenwerden aus dem bisherigen Leben eine ähnlich gravierende Belastung entstehen wie bei Todesfällen. Bei schweren Körperverletzungen besteht der Schaden zwar nicht in einer Lebenshemmung, die sich aus der Leere ergibt, die infolge des Verlusts eines nahen Angehörigen eintritt. Die emotionale Belastung durch das Mitleiden ist für den betroffenen Angehörigen aber nicht weniger beeinträchtigend.67 Über die schweren Körperverletzungen hinaus ist eine Entschädigung von Trauerschäden indes nicht geboten. Eine wesentliche Schwierigkeit für die Einbeziehung der Trauerschäden bei schweren Körperverletzungen ist die tatbestandliche Abgrenzung der schweren von den übrigen Körperverletzungen, da das Gesetz eine solche Differenzierung bisher nicht kennt. Entscheidend ist vor allem die Gleichwertigkeit des Schadensfalls mit der Trauer bei Todesfällen. Die Eindruckswirkung des Schadensfalls auf den Angehörigen hängt insbesondere von Art und Umfang der Verletzungsfolgen ab. Insoweit muss eine Gesamtwürdigung des Schadensfalls erfolgen. Um eine Gleichbehandlung bei der Gewährung einer solchen Entschädigung sicherzustellen, ist ein objektivierbarer Anknüpfungspunkt hilfreich, an dem sich die Rechtsprechung orientieren kann. Insoweit kann für die Bewertung der Schadensfolgen auf das Unfallversicherungsrecht zurückgegriffen werden, das die Schadensfolgen bzw. die Behinderung infolge von Arbeitsunfällen systematisch erfasst und deren Schwere klassifiziert. Ein Schwerverletzter i. S. des Unfallversicherungsrechts ist eine Person, bei der der Grad der Schadensfolgen über 50 von 100 beträgt (vgl. § 57 SGB VII). Die Norm soll aber nur sicherstellen, dass bei Schwerverletzten ohne gesetzliche Rentenversicherung die Rente wegen der Erwerbsminderung derjenigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nahekommt. Diese Abgrenzung der Schwerverletzten ist daher nicht auf das Schadensersatzrecht übertragbar. Allerdings lässt sich die Klassifizierung der Schadensfolgen außerhalb des Unfallversicherungsrechts fruchtbar machen, da sie ein objektiver und standardisierter Maßstab ist und sich aus der Bewertung ein Hinweis auf die Einschränkung der Lebensführung ergibt.

67 Huber, NZV 2012, 5, 8; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 407; Pflüger, Schmerzensgeld, S. 370; a. A. wegen Abgrenzungsschwierigkeiten Odersky, Schmerzensgeld, S. 23; Scheffen, NZV 1995, 218, 219; Schramm, Haftung, S. 496 ff. Zur rechtspolitische Diskussion vgl. Schultzky, VersR 2011, 857, 859.

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b) Anspruchsberechtigter Personenkreis Der Schaden, der in Todesfällen oder bei schweren Körperverletzungen eintritt, besteht in der emotionalen Belastung und den Einschränkungen in der Lebensführung, sofern infolge des Schadensfalls ein Rückzugsverhalten und eine Lebenshemmung zu beobachten sind. Ein solches Verhältnis ergibt sich aus der persönlichen Betroffenheit durch den Tod oder die schwere Körperverletzung. Für die Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises kommt es somit auf die persönliche Nähe zwischen der getöteten oder schwer verletzten Person und den Angehörigen an.68 Darüber hinaus ist entlastend zugunsten des Schädigers zu berücksichtigen, in welchem Maße der Todesfall oder die schwere Körperverletzung bei einem Angehörigen zum allgemeinen Lebensrisiko gehört, so dass unter wertenden Gesichtspunkten kein Schadensersatz erforderlich ist. Die hier verglichenen Rechtsordnungen gestalten den anspruchsberechtigten Personenkreis nicht einheitlich. Die europäischen Principles konkretisieren ihn ihrerseits nicht abschließend, sondern überlassen es der Rechtsprechung, die anspruchsberechtigten Angehörigen abzugrenzen. Einen Begriff der (nahen) Angehörigen kennt das Zivilrecht nicht. Angesichts der aus dem Normzweck entwickelten Kriterien müssen zu den anspruchsberechtigten Angehörigen in jedem Fall die Ehegatten sowie Eltern und ihre Kinder gehören, zwischen denen in der Regel nicht nur familienrechtliche, sondern auch enge emotionale, familiäre Beziehungen bestehen.69 Zumindest lässt sich in diesem Personenkreis ebenso wie in anderen Rechtsordnungen eine persönliche Nähe vermuten.70 Darüber hinaus sind Verlobte wegen der rechtlich anerkannten Beziehung und der bestehenden persönlichen Nähe in den Kreis anspruchsberechtigter Angehöriger einzubeziehen. Dieser Personenkreis entspricht demjenigen, den bereits die Resolution des Ministerrats zur Harmonisierung des Schadensausgleichs bei Personenschäden und Todesfällen aus dem Jahre 1975 zugrunde legt, sofern in dem Vertragsstaat vorher noch kein Anspruch auf Ersatz der Trauerschäden bestand. Die Veränderung der Rechtslage und der Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse macht es erforderlich, über diesen Personenkreis hinauszugehen.71 Zum einen sind Lebenspartner im Sinne des LPartG einzubeziehen.72 Zum an68 Pflüger, Schmerzensgeld, S. 231 ff. (gegen eine Beschränkung auf einen abgeschlossenen Personenkreis). So auch Lieberwirth, DAR 1966, 179, 181 (Anspruch für nächste Angehörige ohne nähere Konkretisierung). Mit einem eigenen Entwurf Schramm, Haftung, S. 479, 490 ff. 69 Auf diesen Personenkreis abstellend Gontard, DAR 1990, 375, 378; ebenso Huber, NZV 2012, 5, 9; Scheffen, NZV 1995, 218, 219; Vorndran, ZRP 1988, 293, 295 (die zusätzlich die häusliche Gemeinschaft verlangen); ähnlich wohl Stahmer, Entschädigung, S. 366 f. 70 Siehe oben § 6.E.I.3.a., S. 331 ff. 71 Für die Einbeziehung aller Personen, die in häuslicher Gemeinschaft leben: Odersky, Schmerzensgeld, S. 22. 72 Ebenso Pflüger, Schmerzensgeld, 292 ff.

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deren sind nichteheliche Lebensgemeinschaften zu berücksichtigen.73 Die Entschädigung der Trauerschäden ist kein Anspruch, der zum Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG den nichtehelichen Partnern vorenthalten bleiben sollte. Die Begründung für die Entschädigung beruht auf der persönlichen Nähe der betroffenen Personen. Bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften ist jedoch die Abgrenzung erschwert, da es keine formalen Kriterien gibt. Daher ist auf die richterrechtlich geprägte Beschreibung zurückzugreifen. Die eheähnliche Gemeinschaft ist danach eine Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, so dass sie über eine reine Wirtschafts- oder Hausgemeinschaft hinausgeht.74 Für die emotionale Nähe, die für die Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises bei Trauerschäden maßgeblich ist, kommt es aber nicht auf die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner an. Daher sind auch lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften einzubeziehen.75 Dieses Begriffsverständnis, das sich ursprünglich zum Arbeitsförderungsrecht entwickelt hat, lässt sich auch für das Schadensersatzrecht fruchtbar machen76, weil die eheähnliche Gemeinschaft eine Beziehung mit persönlicher Nähe kennzeichnet, die somit Grundlage für emotionale Beeinträchtigungen in Todesfällen oder bei schweren Körperverletzungen ist. Daran anknüpfend hat der Gesetzgeber inzwischen in § 7 Abs. 3a SGB II eine widerlegliche Vermutung für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft geregelt, in der die konkreten Kriterien aufgegriffen werden, die die Rechtsprechung zur Ermittlung einer eheähnlichen Gemeinschaft zugrunde legt.77 Die Partner müssen seit mehr als einem Jahr oder mit gemeinsamen Kindern zusammenleben. Auch die Versorgung von Kindern oder Angehörigen im Haushalt oder die Befugnis, über das Vermögen des anderen zu verfügen, lassen eine Lebensgemeinschaft vermuten. Die Bestimmung soll der Verwaltung die Prüfung der Bedarfsgemeinschaft erleichtern, um die Gesetzesanwendung zu vereinfachen.78 Im Schadensersatzrecht ist es hingegen Sache des Geschädigten, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Entschädigung darzulegen und zu beweisen. Insofern lässt sich die Regelung nicht übertragen. Allerdings geben die Kriterien in § 7 Abs. 3a SGB II zumindest eine Orientierung, wann eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegen kann. Die Rechtsprechung hat die notwendige 73 Ebenso Huber, NZV 2012, 5, 9; Pflüger, Schmerzensgeld, S. 279 ff.; a. A. Scheffen, NZV 1995, 217, 219. 74 BVerfG 17.11.1992 E 87, 234, 264; LSG Berlin-Brandenburg 18.1.2006 NJ 2006, 239 f. 75 § 7 Abs. 3 Nr. 3c, Abs. 3a SGB II bezieht lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften in den Kreis der Bedarfsgemeinschaften ein; ebenso Pflüger, Schmerzensgeld, S. 294 ff. 76 Huber (NZV 2012, 5, 9) verweist hingegen auf § 86 VVG. 77 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/1410, S. 1, 19. 78 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/1410, S. 1, 19.

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Dauer des Zusammenlebens auf ein Jahr bemessen und verweist darauf, dass bei einem Zusammenleben mit gemeinsamen Kindern eine solche Lebensgemeinschaft schon eher anzunehmen ist.79 Über den bisher aufgezählten Personenkreis hinaus sind neben den leiblichen Kindern vor allem Adoptivkinder einzubeziehen, sofern es sich um eine Adoption eines minderjährigen Kindes oder mit Minderjährigenwirkung gehandelt hat (§ 1772 BGB). Damit ist die Entstehung eines familienrechtlichen Verhältnisses zum Annehmenden verbunden und aufgrund des Alters des angenommenen Kindes entsteht regelmäßig eine enge persönliche Beziehung. Darüber hinaus erleiden Personen wie Geschwister, Tanten, Onkel, Großeltern oder Pflegeeltern, die in einem Verhältnis persönlicher Nähe zum Erstgeschädigten stehen, durch den Todesfall oder die schwere Körperverletzung gegebenenfalls emotionale Belastungen. Der Ersatz der ideellen Schäden fungiert zwar als Anerkennung des Erlittenen, daraus ergibt sich aber nicht, dass zu diesem Zweck jede emotionale Erschütterung zu kompensieren ist. Es sollten vielmehr nur die gravierenden Folgen für besonders nahestehende Personen wiedergutgemacht werden. Im Übrigen bleibt der Schaden Teil des allgemeinen Lebensrisikos, Angehörige, Freunde und Bekannte durch einen Schadensfall zu verlieren. Das gilt auch für Personen, die Augenzeuge des Unfalls werden. Sie können eine Entschädigung nur verlangen, wenn sie einen Schockschaden erlitten haben. Die gesetzliche Beschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises vereinfacht die Rechtsanwendung und erspart insbesondere die Darlegung und den Beweis der besonderen Nähe.80 Sie wird in diesen Fällen widerleglich vermutet. Eine enge Beschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises ist zugleich ein Missbrauchsschutz. Gerade bei Nichtvermögensschäden, die nicht an eine Rechtsgutsverletzung anknüpfen, ist die intersubjektive Nachvollziehbarkeit des erlittenen Schadens erheblich erschwert. Soll ein Schadensersatz trotz dieses Hindernisses eingeführt werden, ist es angezeigt, ihn so zu begrenzen, dass er praktisch leicht zu handhaben ist. Um diesen Anforderungen Genüge zu tun, sollte eine abschließende Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises erfolgen, auch wenn im Einzelfall Personen trotz ihrer besonderen emotionalen Nähe nicht einbezogen sind. Angesichts der Schwierigkeiten, die mit der Ermittlung eines besonderen Näheverhältnisses verbunden sind, ist auf den angeführten Personenkreis abzustellen und eine besondere persönliche Nähe widerleglich zu vermuten. Der Schädiger kann sich von dem 79

LSG Berlin-Brandenburg 18.1.2006 NJ 2006, 239 f.; das BSG setzte ein Zusammenleben von drei Jahren voraus, verwies aber später darauf, dass es sich nicht um eine Mindestvoraussetzung handle, BSG 28.4.1998 SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; 17.10.2002 SozR 3-4100 § 119 Nr. 26; vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/1410, S. 1, 19. 80 Für die Beschränkung des Personenkreises auch Steffen, FS Odersky, S. 723, 731; ders., NZV 1995, 217, 219; Vorndran, ZRP 1988, 293; abl. Pflüger, Schmerzensgeld, S. 231 ff., die aber zumindest die Entschädigung enger Freunde ablehnt (S. 298 f.).

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Entschädigungsanspruch befreien, wenn er darlegt und beweist, dass kein persönliches Näheverhältnis besteht. Das ist insbesondere bei einem Ehegatten möglich, der die Ehescheidung beantragt hat. c) Bemessung der Entschädigung Die Bemessung der Entschädigung orientiert sich grundsätzlich an der erlittenen Einbuße, solange sie eine Wiedergutmachung des Schadens bezweckt. Daher ist auf die emotionale Wirkung des Todesfalls oder der schweren Körperverletzung abzustellen. Zugleich ist die Beeinträchtigung in der persönlichen Lebensführung zu berücksichtigen. Anders als bei immateriellen Schäden, die aus der Verletzung eines Rechtsguts resultieren, fehlen bei Trauerschäden von Angehörigen aber Anknüpfungspunkte, die eine objektivierende Betrachtung des Schadens und eine darauf aufbauende Bemessung der Entschädigung zulassen. Das spricht für eine Pauschalierung der Entschädigungsbeträge im Gesetz, wobei den Gerichten durch die Regelung einer Spanne für den Ersatz ideeller Schäden Spielraum für die Würdigung des Einzelfalls bleibt.81 Eine Alternative ist ein gesetzlicher Richtwert für die Entschädigung. Zum Teil wird vorgeschlagen, die Entschädigung immaterieller Schäden nach oben zu begrenzen, wenn mehrere Angehörige einen Entschädigungsanspruch wegen des Todesfalls oder der schweren Körperverletzung geltend machen.82 Der Maximalbetrag solle gleichmäßig zwischen den Angehörigen verteilt werden. Eine solche Obergrenze lässt sich im Prozess nur mit Schwierigkeiten handhaben, wenn der Kreis der Anspruchsberechtigten nicht von Anfang an feststeht. Viel wesentlicher ist, dass sich eine solche Obergrenze nicht damit vereinbaren lässt, dass die Entschädigung der Anerkennung des erlittenen Schadens dient und sich insoweit in ihrer Höhe grundsätzlich nach der Einbuße des Geschädigten richtet. Für die Begrenzung des Schadensersatzes spricht höchstens, dass eine unverhältnismäßige Belastung des Schädigers vermieden werden soll. Eine strikte Obergrenze für eine einzelne Schadensposition unter mehreren nimmt aber weder konkret noch abstrakt auf die Leistungsfähigkeit des Schädigers Bezug. Ein weiterer Grund für die Begrenzung besteht höchstens in der Kalkulierbarkeit des Schadensersatzes. Durch die Begrenzung des Personenkreises und die Regelung der Entschädigungshöhe ist diesem Interesse jedoch bereits Genüge getan.

81

Auf die Gefahr der Taxierung ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles verweist Steffen, FS Odersky, S. 723, 731. Für eine individuelle Bemessung Huber, NZV 2012, 5, 9; Pflüger, Schmerzensgeld, S. 374; Schramm, Haftung, S. 489; Stahmer, Entschädigung, S. 367 f. Für ein durch die Rechtsprechung zu entwickelndes Grobraster und gegen gesetzlich festgelegte Beträge Odersky, Schmerzensgeld, S. 25; ähnlich Scheffen, NZV 1995, 218, 219; vgl. auch v. Mayenburg, Bemessung, S. 137, der sich allgemein gegen Pauschalierungen wendet. 82 G. Wagner, Gutachten, 66. DJT, Bd. I, A 65.

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2. Todesangst Das deutsche Recht und die verglichenen Rechtsordnungen sehen grundsätzlich keine Entschädigung für das Erleiden von Todesängsten vor, es sei denn, es kommt zu einer Gesundheitsbeschädigung. Allein die deliktische Generalklausel des französischen Zivilrechts, die keine Rechtsgutsverletzung voraussetzt, erlaubt die Entschädigung von Einbußen, die den Geschädigten beim Durchleiden von Todesangst treffen.83 Die europäischen Principles erlauben trotz des rechtsvergleichenden Befunds den Ersatz von Schäden infolge von Todesangst. Die PETL und der DCFR regeln das nicht ausdrücklich. Die offenen Bestimmungen der PETL lassen eine Entscheidung zugunsten des Geschädigten jedoch zu. Für den DCFR stellt der Kommentar klar, dass Todesangst grundsätzlich ein ersatzfähiger Schaden ist, da sie über alltägliche emotionale Belastungen hinausgeht.84 Für eine Entschädigung müssen die Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung vorliegen. Die Ausdehnung der Haftung auf Todesängste als ideeller Schaden hängt vor allem davon ab, ob sich der Schaden abgrenzbar erfassen lässt. Todesangst ist grundsätzlich unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung, so dass die Ermittlung des Schadens vor allem von der Eindruckswirkung der Situation und ihren Folgen auf den Geschädigten ausgehen muss. Das erschwert die Feststellung der Todesangst erheblich. Zudem ist ungeklärt, ob die nur kurzzeitige Todesangst in einer Unfallsituation ausreichen kann oder ob es einer gravierenden Belastung bedarf, die erst eintritt, wenn der Geschädigte längere Zeit unter dem Eindruck einer Angst um das eigene Leben stand. Nur kurzzeitige Angst, die auch in alltäglichen Situationen (z. B. im Straßenverkehr) auftreten kann, führt nicht zu intensiven Beeinträchtigungen. Zudem kann das Durchleben solcher Erlebnisse auch positive Emotionen auslösen und bewusstseinsschärfende Wirkung haben. Etwas anderes gilt bei länger anhaltenden Belastungen mit Ängsten, die zu psychischen Erkrankungen, insbesondere in Form von posttraumatischen Belastungsstörungen, führen. Sie sind von der WHO als psychische Erkrankung anerkannt und somit eine Gesundheitsbeschädigung, die unabhängig von einer Gesetzesänderung einen Schadensersatz auslöst. Ängste, die unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsbeschädigung bleiben, sind – sofern sie in alltäglichen Situationen eintreten – Teil des allgemeinen Lebensrisikos und sollten von jedem selbst getragen werden. Als regelungsrelevanter Bereich bleiben die Fälle von Todesangst, die nicht mehr allgemeines Lebensrisiko sind, aber noch nicht zu einer Gesundheitsbeschädigung geführt haben. Die Abgrenzung dieser Fälle ist mangels einer Rechtsgutsverletzung erheblich erschwert und hängt in besonderem Maße davon ab, wie der Geschädigte die Situation und sein Erleben schildert. Die intersubjektive Nach83 84

Siehe oben § 6.E.II., S. 338 ff. v. Bar/Clive, DCFR, Bd. II, VI.-2:101, F.

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vollziehbarkeit ist wesentlich geringer als bei ideellen Schäden, die an einer Rechtsgutsverletzung anknüpfen. Zudem ist es, anders als bei der Trauer von Angehörigen, kaum möglich, auf typische Geschehensverläufe und Reaktionen zurückzugreifen. Unterhalb der Schwelle einer Traumatisierung fehlen objektivierbare Kriterien, um einen Schaden zu ermitteln. Die Gewährung eines solchen Anspruchs birgt daher ein erhebliches Missbrauchsrisiko. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher eine generelle Erweiterung des Ersatzes ideeller Schäden auf die Todesangst abzulehnen, zumal die psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert ohnehin als Gesundheitsbeschädigung erfasst sind und entschädigt werden. 3. Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden bei vertraglicher Haftung a) Ersatz verlorener Heilungschancen Das deutsche Schadensersatzrecht kennt bisher grundsätzlich keinen Schadensersatz für verlorene Chancen als Vermögensschaden.85 Es ist stets ein konkreter Schaden und seine Verursachung darzulegen zu beweisen. § 252 S. 2 BGB und § 842 BGB lockern diese Anforderungen für den entgangenen Gewinn und die Nachteile beim Erwerb und Fortkommen, ohne die Erwerbschancen generell einzubeziehen. Auch die Verringerung oder der Verlust von Heilungschancen wird nicht entschädigt, solange nicht feststeht, dass eine pflichtgemäße Behandlung eine Gesundheitsbeschädigung verhindert hätte. Sofern ein Patient mit einem Arzt einen Behandlungsvertrag schließt und ein Behandlungsfehler auftritt, kann er nach bisherigem Verständnis eine Entschädigung für immaterielle Schäden nur verlangen, wenn die Heilbehandlung bei pflichtgemäßer Ausführung Erfolg gehabt hätte und die Gesundheitsbeschädigung nicht eingetreten wäre bzw. die bereits bestehende Beschädigung fortbestanden hätte, ohne sich zu verschlimmern. Sofern die Heilung nicht gewiss ist und der Behandlungsfehler nur die Erfolgschancen der Behandlung verringerte, liegt danach kein kausaler Schaden vor, der nach § 253 Abs. 2 BGB zu entschädigen ist. Nur bei groben Behandlungsfehlern erfolgt eine Umkehr der Beweislast, so dass sich der Arzt von der Vermutung entlasten muss, dass der Behandlungsfehler den Gesundheitsschaden verursacht hat. Vereinzelt wird die verlorene oder verringerte Heilungschance als ersatzfähiger Schaden angesehen. Dabei geht es um die Entschädigung eines ideellen Schadens.86 Der Abschluss eines entgeltlichen Behandlungsvertrags, der auf 85 Großerichter, Hypothetischer Geschehensverlauf, S. 227 ff.; Oetker, MünchKommBGB, § 249 Rn. 28; dazu Mäsch, Chance, S. 146 ff. m. w. N. Zur Qualifizierung der Lehre vom Verlust der Chance einerseits als Problem der Haftungsbegründung (Heilungschance), andererseits als Problem der Haftungsausfüllung (Erwerbs- und Gewinnchancen), s. Fleischer, JZ 1999, 766, 772; krit. Kasche, Heilungschancen, S. 239 ff.; Koziol, FS Stoll, S. 233, 240. 86 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 57.

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die Durchführung einer ärztlichen Behandlung gerichtet ist, hat nicht zur Folge, dass die Beeinträchtigung der Heilungschance ein Vermögensschaden ist.87 Wie beim vertanen Urlaub kommt es nicht darauf an, dass für die vertragliche Leistung, die einen ideellen Erfolg bezweckt, ein Entgelt geschuldet ist. Maßgeblich ist, ob ein nicht vermögenswertes Rechtsgut betroffen oder die Selbstentfaltung des Geschädigten beeinträchtigt ist. Die Heilbehandlung betrifft die Gesundheit als immaterielles Gut, so dass ihre Beeinträchtigung einen ideellen Schaden bewirkt.88 Zur Begründung des Entschädigungsanspruchs wird meist nicht die Heilungschance als zu ersetzender Schaden angesehen, sondern der immaterielle Schaden infolge der Gesundheitsbeschädigung.89 Die Heilungschance selbst sei kein geschütztes Rechtsgut.90 Daher wird vor allem versucht, das Kausalitätsproblem zu lösen. Sofern nicht feststeht, dass der Behandlungsfehler die Heilung kausal vereitelt hat, sondern von vornherein nur eine Heilungschance bestand, die durch den Behandlungsfehler vermindert wurde oder vollständig verloren ist, liegt nach bisherigem Verständnis kein kausaler Gesundheitsschaden vor, es sei denn, die Kausalität wird wegen eines groben Behandlungsfehlers vermutet, so dass der Arzt für den gesamten Schaden haftet. Diesen Verursachungszweifel wollen Kasche und Koziol überwinden, indem sie § 830 Abs. 1 S. 2 BGB anwenden.91 Die Regelung erfasst aber nur den Fall, dass bei mehreren Nebentätern unsicher ist, wer die Rechtsgutsverletzung kausal verursacht hat. Der Geschädigte soll in einem solchen Zweifelsfall nicht ohne einen Schadensersatzanspruch dastehen. Selbst wenn man § 830 Abs. 1 S. 2 BGB anwenden wollte, sofern nicht sicher ist, ob der Schädiger oder der Geschädigte die Rechtsgutsverletzung verursacht hat92, ist der Fall der verlorenen Heilungschance nicht erfasst. Der Geschädigte hat nicht notwendig auf das Auftreten der Erkrankung und den Heilungsverlauf Einfluss genommen. 87 So aber Mäsch, Chance, S. 292, der die Haftung für die verlorene Heilungschance nur auf die vertragliche Haftung stützt, weil sich deliktische Fahrlässigkeitshaftung nicht auf reine Vermögensschäden erstreckt (S. 290 ff., 295 ff.). 88 Ein immaterieller Schaden liegt auch vor, wenn der Kranke nicht geheilt wird, so dass er ggf. – sofern kein zusätzlicher Schaden an der Gesundheit eintritt – so steht wie vorher. Die Begründung des ideellen Schadens ist darauf zu stützen, dass die pflichtgemäße Behandlung zur Beseitigung des Gesundheitsschadens geführt hätte. Die Vereitelung des Heilungserfolgs ist wie eine Gesundheitsbeschädigung zu behandeln, die einen Nichtvermögensschaden nach sich zieht. 89 Vgl. G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 58 f. 90 Kasche, Heilungschancen, S. 250 ff.; Koziol, FS Stoll, S. 233, 247 ff.; s. auch F. Bydlinski, Schadensverursachung, S. 77 ff., 113. 91 Kasche, Heilungschancen, S. 258 ff.; Koziol, FS Stoll, S. 233, 247 ff. 92 F. Bydlinski, Schadensverursachung, S. 78 ff., 85 ff.; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 526 f.; Heinze, VersR 1973, 1081, 1086; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 577 f.; s. auch BGH 16.1.2001 NJW 2001, 2538, 2539 f. (ohne nähere Begründung); a. A. BGH 30.1.1973 Z 60, 177, 181 ff.; BR/Spindler, BGB, § 830 Rn. 18; Erman/Schiemann, BGB, § 830 Rn. 7; G. Wagner, MünchKomm-BGB, § 830 Rn. 41 f.

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Wagner versucht der Alles-oder-nichts-Lösung des bisherigen Arzthaftungsrechts zu entgehen, indem er dem Patienten eine Entschädigung in der Höhe zusprechen will, die der Heilungschance entspricht (z. B. Entschädigung von 80% des Gesundheitsschadens bei 80% Heilungschance).93 Der ersatzfähige Schaden ist danach der prozentuale Anteil an dem Gesundheitsschaden, um den die Heilungschance durch den Fehler vermindert wurde. Wagner entwickelt somit eine Wahrscheinlichkeitshaftung, so dass der Arzt nur für den Anteil des Gesundheitsschadens aufkommen muss, den er durch seinen Behandlungsfehler, der die Heilungschance beseitigte, verursacht hat.94 Darin sieht er zum einen die akkuratere Form der Schadenszuweisung gegenüber dem Arzt, zum anderen werde ein optimaler Präventionsanreiz gesetzt.95 Zugleich überwindet er die Schwierigkeiten, die beim Nachweis der Kausalität des Behandlungsfehlers bestehen. Unabhängig von den Argumenten für die Einführung dieser Proportionalhaftung besteht das entscheidende praktische Problem dieser Lösung darin, dass die Höhe der Heilungschance sehr vage ist und in der gerichtlichen Auseinandersetzung vor allem darum gestritten werden wird, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Heilungserfolg eingetreten wäre.96 Zudem ist nach geltendem Recht problematisch, dass die Ersatzfähigkeit des immateriellen Schadens von einer Gesundheitsbeschädigung abhängt. Eine andere Lösung für diese Fälle besteht darin, den Verlust der Heilungschance selbst als immateriellen Schaden zu begreifen und nicht an den Gesundheitsschaden anzuknüpfen.97 Diese Chance ist mit Sicherheit entgangen, so dass anders als beim Gesundheitsschaden die Kausalität feststeht. Das setzt aber voraus, dass bereits die verlorene Chance ein ersatzfähiger immaterieller Schaden ist. Die Qualifikation der Chance als Schaden wird grundsätzlich abgelehnt. Eine Ausnahme enthält nur das Antidiskriminierungsrecht, das dem Bewerber einen Entschädigungsanspruch gewährt, selbst wenn er bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Das Gesetz gewährleistet zugunsten des Bewerbers bereits die Teilnahme an einem diskriminierungsfreien Auswahlverfahren und schützt seine Chancengleichheit, so dass ihre Beeinträchtigung ein ideeller Schaden ist.98 Das lässt sich auf den Verlust einer Heilungschance übertragen, wenn der Behandlungsvertrag dem Patienten die Heilungschance gewährleisten soll. Ansonsten handelt es sich nicht 93 Kasche, Heilungschancen, S. 250 ff.; Koziol, FS Stoll, S. 233, 247 ff.; Stoll, FS Steffen, S. 465, 475; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 58 f. 94 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 60. 95 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 60. 96 Ebenso Medicus, JZ 2006, 805, 808. 97 Mäsch, Chance, S. 145 f., 423 f.; ablehnend mangels Rechtsgutsbetroffenheit Kasche, Heilungschancen, S. 250 ff.; Müller-Stoy, Verlorene Chancen, S. 233 f.; Stoll, FS Steffen, S. 465, 475 f. (eine Erweiterung der Entschädigung ideeller Schäden wird nicht erwogen). 98 Ausführlich oben § 3.B.V.2., S. 167 ff.

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um ein rechtlich geschütztes Interesse, das einen immateriellen Schaden begründen kann. Der Behandlungsvertrag ist in der Regel kein Vertrag, bei dem ein Erfolg geschuldet ist. Die vertragliche Leistungspflicht beschränkt sich auf die Durchführung der Behandlung. Allerdings verfolgt der Vertrag in der Regel den Zweck, dem Patienten zumindest die Heilungschance durch die pflichtgemäße Behandlung zu gewähren. Der Vertrag gibt dem Patienten schließlich einen Anspruch, an der pflichtgemäß ausgeführten Heilbehandlung teilzuhaben. Der damit verfolgte ideelle Zweck ist zumindest Teil der Geschäftsgrundlage. Der Behandlungsfehler, der die Heilungschance verringert oder beseitigt, lässt sich somit als ideeller Schaden qualifizieren. Die Begründung des Schadens zeigt zugleich, dass sich ein Schadensersatzanspruch nur aus vertraglicher Haftung ergeben kann, nicht aus deliktischer, weil es an der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten, absoluten Rechts fehlt.99 Nach geltendem Schadensersatzrecht ist dieser Nichtvermögensschaden mangels Gesundheitsbeschädigung nicht ersatzfähig. Darin liegt ein wesentlicher Grund, warum versucht wird, den wahrscheinlichen Gesundheitsschaden proportional zu entschädigen. Eine solche Lösung ist jedoch nicht erforderlich, wenn die vertragliche Haftung auf ideelle Schäden erweitert wird, die unabhängig von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung eintreten, soweit der Vertrag die Verwirklichung eines ideellen Ziels verfolgt. Sofern der Nichtvermögensschaden danach ersatzfähig ist, besteht der ideelle Schaden darin, dass dem Patienten keine Behandlung zuteil wurde, die eine Heilung hätte ermöglichen können. Die Bemessung der Entschädigung bestimmt sich nach der erlittenen Einbuße. Insofern kann auch bei dieser Lösung die Wahrscheinlichkeit der Heilung Berücksichtigung finden. Es bedarf aber nicht der genauen Festlegung eines Wahrscheinlichkeitsgrads, sondern es genügt die Gesamtwürdigung des Falls auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens und die Schätzung des Schadens in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens (§ 287 Abs. 1 ZPO). b) Entschädigung von Nichtvermögensschäden infolge vertraglicher Pflichtverletzungen Die vertragliche Haftung für immaterielle Schäden hat § 253 Abs. 2 BGB zwar erweitert, der Schuldner haftet aber nur für Nichtvermögensschäden aus den aufgezählten Rechtsgutsverletzungen. Die Schäden, die unabhängig davon eintreten, sind grundsätzlich nicht ersatzfähig, auch wenn der Vertrag einen ideellen Zweck verfolgt.100 Sonderregelungen enthalten nur § 651f Abs. 2 BGB, die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG oder die europäischen Verordnun99 Ablehnend zur Haftung Kasche, Heilungschancen, S. 250 ff.; Müller-Stoy, Verlorene Chancen, S. 233 f.; Stoll, FS Steffen, S. 465, 475 f. 100 Krit. Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1032.

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gen Nr. 261/2004 oder Nr. 1372/2006. Eine Erweiterung der Haftung auf ideelle Schäden kann vertraglich vereinbart werden. Sofern eine Abrede fehlt, bleibt nur die ergänzende Vertragsauslegung, die durch die Wertung des § 253 Abs. 1 BGB erschwert ist. Ohne Anhaltspunkte ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass sich der Schuldner bei Kenntnis der Lücke im Vertrag zur Entschädigung der Nichtvermögensschäden verpflichtet hätte.101 Sofern der Gesetzgeber § 253 Abs. 1 BGB streicht, ist das Hindernis für eine ergänzende Vertragsauslegung geringer. Darüber hinaus ist eine Ausdehnung der vertraglichen Haftung auf ideelle Schäden zu erwägen, die unabhängig von der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts eintreten. Sie hat klarstellende Wirkung und hängt im Gegensatz zur ergänzenden Vertragsauslegung nicht von der Voraussetzung ab, dass sich ein übereinstimmender hypothetischer Parteiwille für eine solche Haftung ermitteln lässt. Die Haftungsanforderungen sind somit geringer. Die gesetzliche Erweiterung der vertraglichen Haftung auf immaterielle Schäden unabhängig von der Rechtsgutsverletzung macht die Streichung des § 253 Abs. 1 BGB nicht überflüssig. Auf diese Weise kommt klar zum Ausdruck, dass die Nichtvermögensschäden keine Ausnahmestellung mehr haben wie bei Inkrafttreten des BGB. Das hat sich bereits durch die schrittweise Erweiterung ihrer Ersatzfähigkeit entwickelt, und die hier gemachten Vorschläge wirken zusätzlich auf eine punktuelle Ausdehnung der Entschädigung der Nichtvermögensschäden hin. Für die Erweiterung der vertraglichen Haftung auf Nichtvermögensschäden sind mehrere Regelungsalternativen denkbar. In Anlehnung an die europäischen Principles und die UNIDROIT-Prinzipien könnte die Haftung über § 253 Abs. 2 BGB hinaus auf alle Schäden ausgedehnt werden, die nicht auf einer Rechtsgutsverletzung beruhen, aber bei Vertragsschluss bereits vorhersehbar sind. Die Vorhersehbarkeit bedürfte jedoch der Konkretisierung. Sie hängt grundsätzlich davon ab, ob der Vertrag einen ideellen Zweck verfolgt. Die Haftungserweiterung reicht unterschiedlich weit, je nachdem, ob für den Schuldner bei Vertragsschluss die ideelle Zwecksetzung durch den Gläubiger und der daraus resultierende Schaden bei Pflichtverletzung nur erkennbar sein oder ob der Schuldner die Zwecksetzung auch in seinen Willen aufgenommen haben muss, so dass er Teil der Geschäftsgrundlage ist. Die Ausdehnung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden auf alle Verträge, mit denen der Gläubiger (objektiv) erkennbar einen ideellen Zweck verfolgt, hätte indes zur Folge, dass der Schuldner für die Nichtvermögensschäden haften würde, selbst wenn er die ideelle Zwecksetzung subjektiv verkannt hat. Zudem kann der Gläubiger dem Schuldner eine Erweiterung der Haftung durch die Zwecksetzung aufdrängen. Der Schuldner müsste sich durch einen vertraglichen Haftungsausschluss von den Entschädigungsansprüchen für immaterielle Schäden infolge einer vertraglichen Pflichtverletzung freizeichnen. 101

Siehe oben § 2.C.I., S. 107 ff.

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Eine so einseitige Gestaltung der vertraglichen Haftung durch den Gläubiger ohne Mitwirkung des Schuldners widerspricht aber der Vertragsfreiheit und der Konzeption des Vertrags, der einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern ermöglichen soll. Der Ausgleich erfolgt im Rahmen der vertraglich geschuldeten Leistungen sowie der Rechte und Pflichten. Damit lässt sich nicht vereinbaren, dass eine Partei diesen Interessenausgleich einseitig durch die Festlegung eines ideellen Zwecks der vertraglich geschuldeten Leistung modifizieren kann, ohne dass ihr durch vertragliche Vereinbarung oder kraft Gesetzes ein einseitiges Leistungsbestimmungs- oder Gestaltungsrecht zukommt. § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet die Vertragsparteien zwar zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter, Rechte und berechtigten Interessen, darüber geht die Erweiterung der Haftung auf einseitig bestimmte ideelle Interessen indes erheblich hinaus. Eine Erweiterung der Haftung auf Nichtvermögensschäden unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung ist daher auf Fälle zu beschränken, in denen der ideelle Zweck zumindest Teil der Geschäftsgrundlage des Vertrags oder der vertraglich geschuldete Erfolg ist. Insofern kommt es im Einzelfall darauf an, ob der ideelle Zweck übereinstimmend verfolgt wurde oder ob eine Vertragspartei objektiv erkennbar einen solchen Zweck verfolgte, der vom Vertragspartner in seinen Geschäftswillen aufgenommen wurde.102 Bei einem Vertrag über die Ausrichtung einer Hochzeitsfeier wird eine übereinstimmende Verfolgung eines über die Leistungspflicht hinausgehenden Zwecks häufig vorliegen. Auch bei einem Vertrag über die Kryokonservierung des eigenen Spermas zur späteren Erfüllung des Kinderwunschs wird der ideelle Schaden infolge der Pflichtverletzung auf dieser Grundlage wohl ersatzfähig sein, wobei die Umstände des Einzelfalls jeweils zu berücksichtigen sind. Auch bei Verträgen über eine ärztliche Heilbehandlung ist es regelmäßig Zweck des Vertrags, dem Patienten die kurierende Behandlung zukommen zu lassen und somit die Heilungschance zu eröffnen, auch wenn die Heilung nicht als vertraglicher Erfolg geschuldet ist. Die Haftung für immaterielle Schäden hängt in diesen Fällen davon ab, dass das mit dem Vertrag verfolgte Ziel vereitelt oder erheblich beeinträchtigt ist. Das entspricht der Vorgabe, von der auch § 651f Abs. 2 BGB die Entschädigung für einen solchen Nichtvermögensschaden abhängig macht. Insoweit kommt es nicht auf die Schwere der Pflichtverletzung oder den Grad des Verschuldens an, sondern auf die Auswirkungen auf den ideellen Zweck, der dem Vertrag zugrunde liegt. Nur dessen Vereitelung begründet die ersatzfähige Einbuße. Der Schaden ist der Verlust an Selbstentfaltung, die dem Gläubiger 102 So zur Bestimmung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 2 BGB st. Rspr., BGH 23.10.1957 Z 25, 390, 392; 1.6.1979 Z 74, 370, 372 f.; 29.4.1982 Z 84, 1, 8; 15.12.1983 Z 89, 226, 231; 25.2.1993 Z 121, 378, 391; 3.5.1995 NJW 1995, 2031, 2032; 25.9.1997 NJW 1997, 3371, 3372; so bereits Oertmann, Geschäftsgrundlage, 1921.

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durch den Vertrag gerade ermöglicht werden sollte. Diese Erweiterung der vertraglichen Haftung ergänzt in stimmiger Weise die bestehende Regelung in § 651f Abs. 2 BGB. Eine zusätzliche Regelung bei einzelnen Vertragstypen des BGB ist nicht sinnvoll, da sie nicht gleichermaßen wie der Reisevertrag typisierend auf einen ideellen Zweck wie die Verschaffung von Urlaubsfreude durch eine Reise gerichtet sind. Es ist vielmehr eine Bestimmung in das allgemeine Schadensersatzrecht aufzunehmen, die als zusätzlicher Absatz in § 253 BGB eingefügt werden kann. Im Wortlaut sollte aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit nicht auf die Vorhersehbarkeit des immateriellen Schadens abgestellt werden, sondern darauf, dass die Vertragspartner die Verfolgung eines ideellen Zwecks zur Geschäftsgrundlage oder zum vertraglich geschuldeten Erfolg gemacht haben.

D. Ausschluss des Ausgleichs immaterieller Schäden Der Ausschluss der Haftung für immaterielle Schäden kraft privatautonomer Vereinbarung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre (§§ 138, 242, 276 Abs. 3 BGB), den Bestimmungen der AGB-Kontrolle (§§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1, 2, 309 Nr. 7 BGB) sowie den Sonderregeln einzelner Schuldverhältnisse (z. B. § 651h Abs. 1 BGB). Insoweit bestehen zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden keine Unterschiede. Ein gesetzlicher Ausschluss der Entschädigung von Nichtvermögensschäden erfolgt durch die Haftungsausschlüsse nach den Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 104 ff. SGB VII) sowie den parallelen Regelungen in den Gesetzen zur Soldaten- und Beamtenversorgung103. Der Anwendungsbereich der Haftungsausschlüsse der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht sich zum einen auf die Haftung des Unternehmers (§ 104 SGB VII), zum anderen auf die Haftung der Personen, die im selben Betrieb wie der geschädigte Versicherte einer betrieblichen Tätigkeit nachgehen (§ 105 SGB VII). § 106 SGB VII erweitert den Haftungsausschluss auf andere Gefahrengemeinschaften, die derjenigen zwischen dem Unternehmer und den im Betrieb tätigen Arbeitnehmern ähnlich sind. Der Haftungsausschluss bezieht sich auf alle Personenschäden, die infolge von Versicherungsfällen in Form von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gemäß §§ 7 Abs. 1, 8, 9 SGB VII eintreten. Nur für vorsätzliches Verhalten und die Wegeunfälle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII besteht die Haftung fort. Ebenso hat der Beamte keine Ansprüche gegen den öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträger und die in dessen Dienst stehenden Personen, sofern keine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorlag oder der Schaden bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. 103

§ 46 Abs. 2 S. 1 BeamtVG, § 81 BVG, § 80 SVG.

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Personenschäden i. S. der gesetzlichen Unfallversicherung sind alle Schäden, die aus Gesundheitsbeschädigungen und Todesfällen resultieren, da sich die Versicherungsfälle auf solche Schäden beschränken (§§ 8 Abs. 1 S. 2, 9 SGB VII). Dieser Haftungsausschluss erfasst auch die Entschädigung der Nichtvermögensschäden104, obwohl sich die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht auf sie erstrecken.105 Die Unfallversicherung übernimmt die Kosten der Heilbehandlung und der Pflege, sie gewährt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben der Gemeinschaft sowie die Geldleistungen für den Erwerbsausfall (§§ 26 ff. SGB VII). Die Heilbehandlung dient zwar der Naturalrestitution der Einbuße an der Gesundheit als nicht vermögenswertem Rechtsgut. Die darüber hinausgehenden Schmerzen und Leiden sowie die Einbußen bei der Selbstentfaltung und die damit einhergehenden Gefühlsschäden werden jedoch nicht in Geld entschädigt. Lediglich die Überkompensation des Vermögensschadens, die sich aus der abstrakten Bemessung der Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt, kann als verdeckte Entschädigung der Nichtvermögensschäden angesehen werden.106 Allerdings erfolgt die Begünstigung des Versicherten nicht gezielt und es besteht kein finaler Zusammenhang zu den erlittenen ideellen Schäden. Eine Entschädigung der Nichtvermögensschäden erfolgt auch nicht im Rahmen der §§ 75, 76 SGB VII, die statt der Rentenzahlung eine Abfindung des Versicherten ermöglichen. Die Bestimmungen sollen die verwaltungstechnische Abwicklung erleichtern.107 Ein Bezug zu den erlittenen Nichtvermögensschäden besteht nicht. Eine indirekte Entschädigung ideeller Einbußen wird zum Teil in § 57 SGB VII und § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI gesehen.108 § 57 SGB VII erhöht die Rente zugunsten der Schwerverletzten, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und keinen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben. § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI verringert seinerseits bei Schwerverletzten, die einen Anspruch gegen die gesetzliche Rentenversicherung haben, die Anrechnung der Unfallversicherung auf die Altersrente, so dass sich der Rentenanspruch des Versicherten erhöht. Die Bestimmungen zielen nicht darauf, immaterielle Schäden pauschaliert abzugelten. Sie sollen sicherstellen, dass die Versicherungsleistungen bei Schwerverletzten den Schäden wegen des Ausschlusses des fortgesetzten Erwerbs besser entspre104 Etwas anderes gilt nur für die Entschädigungsansprüche der Angehörigen eines Arbeitnehmers, der bei einem Arbeitsunfall getötet wurde, und die Schockschäden erlitten haben, s. BGH 6.2.2007 VersR 2007, 803 f.; ErfK/Rolfs, § 104 SGB VII Rn. 15; HWK/Giesen, § 104 SGB VII Rn. 6. 105 Brackmann/Krasney, SGB VII, § 104 Rn. 18; Franke/Molkentin/Rapp, SGB VII, § 104 Rn. 24; Schmitt, SGB VII, § 104 Rn. 16; Wannagat/Waltermann, SGB VII, § 104 Rn. 18. 106 Dazu Däubler, JuS 1986, 425; Marquardt, Ausgleich, S. 38, 53 ff. 107 So insbesondere zu § 75 SGB VII Franke/Molkentin/Streubel, SGB VII, § 75 Rn. 1; Schmitt, SGB VII, § 75 Rn. 2. 108 ErfK/Rolfs, § 104 SGB VII Rn. 3.

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chen.109 In vergleichbarer Weise gewährt das Soldaten- und Beamtenversorgungsrecht keine Geldzahlung für die erlittenen ideellen Schäden, soweit sie nicht restituierbar sind. Diesen Ausschluss der Entschädigung von Nichtvermögensschäden bewertet das BVerfG seit 1971 als verfassungskonform.110 Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG sei nicht verletzt und es liege keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Der Verlust des Entschädigungsanspruchs sei dadurch gerechtfertigt, dass der Arbeitnehmer einen verschuldensunabhängigen Anspruch gegen einen solventen Schuldner habe, der sich nicht durch sein Mitverschulden vermindert. Zudem werde der Schaden abstrakt berechnet und die Schadensabwicklung bei der gesetzlichen Unfallversicherung sei vereinfacht. Das schütze zugleich den Betriebsfrieden im Verhältnis zum Arbeitgeber wie zu den anderen im Betrieb tätigen Personen. An dieser Argumentation hat das BVerfG festgehalten und zugleich betont, dass es bei der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht darauf ankomme, ob die gesetzliche Unfallversicherung die bestmögliche Lösung sei, es genüge ihre sachliche Rechtfertigung.111 Die Reform des Schadensersatzrechts, die den Ersatz immaterieller Schäden auf die vertragliche Haftung und die Gefährdungshaftung erweitert hat, hat das Gericht nicht zu einer anderen Einschätzung bewogen.112 In der Literatur wird die Verfassungsmäßigkeit des Haftungsausschlusses seit der Reform des Schadensersatzrechts in Zweifel gezogen.113 Der Arbeitnehmer habe gegenüber dem Arbeitgeber einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch analog § 670 BGB, der sich auf immaterielle Schäden erstrecke.114 Das Mitverschulden des Arbeitnehmers mindere den Anspruch nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung bei einfacher Fahrlässigkeit nicht und im Übrigen nur unter Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse. Die gesetzliche Unfallversicherung gewähre somit keinen weitergehenden Anspruch als das Privatrecht.115 Zudem rechtfertige der Vorteil des solventen Schuldners nicht den vollständigen Ausschluss der Entschädigung 109 BSG 26.7.1973 E 36, 104, 106; Brackmann/Burchardt, SGB VII, § 57 Rn. 5; andeutend Schmitt, SGB VII, § 57 Rn. 2; s. auch Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 341; zu den Defiziten der alten Rechtslage Ulrich, BB 1972, 43, 33 ff., der darauf die Verfassungswidrigkeit der Norm stützt. 110 BVerfG 22.6.1971 E 31, 212, 218 ff.; 7.11.1972 E 34, 118, 128 ff. (zu § 636 Abs. 1 S. 1 RVO a. F.); 8.1.1992 E 85, 176, 186 ff. (zu § 46 Abs. 2 S. 1 BeamtVG); 8.2.1995 NJW 1995, 1607 f. (zu §§ 636, 637 RVO a. F.); 4.6.2009 NJW 2009, 2956, 2957 f. (zu § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII). 111 BVerfG 7.11.1972 E 34, 118, 128 ff. 112 BVerfG 4.6.2009 NJW 2009, 2956, 2957 f. (zu § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII). 113 Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 413; Fuchs, Deliktsrecht, S. 296 f.; Fuhlrott, Arbeitnehmer, S. 82 ff.; ders., NZS 2007, 237, 241 f.; Richardi, NZA 2002, 1004, 1009. 114 Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 413; Fuchs, Deliktsrecht, S. 296 f.; Fuhlrott, NZS 2007, 237, 241 f. 115 Fuhlrott, NZS 2007, 237, 238.

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für ideelle Einbußen, da auch bei anderen Gefährdungshaftungen ein Versicherungszwang ohne vergleichbare Einschränkungen bestehe.116 Schließlich seien die Entschädigungsbeträge für Nichtvermögensschäden in der Vergangenheit stark gestiegen, so dass sich der Nachteil für den Versicherten erhöht habe.117 Unabhängig von der rechtspolitischen Beurteilung des Haftungsausschlusses durch die gesetzliche Unfallversicherung und die parallelen Bestimmungen in den Soldaten- und Beamtenversorgungsgesetzen kommt es für die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG darauf an, ob eine Ungleichbehandlung besteht, für die es an einem (angemessenen) sachlichen Grund mangelt. Dabei sind der Haftungsausschluss zugunsten des Unternehmers und der zugunsten der übrigen im Betrieb tätigen Personen getrennt zu betrachten, da die Abweichung von der Haftung ohne die gesetzliche Unfallversicherung unterschiedlich weit reicht. Ein Arbeitnehmer, der bei der betrieblichen Tätigkeit einen Personenschaden erleidet, hat gegen den Arbeitgeber einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch aus § 670 BGB analog, der seit der Reform des Schadensersatzrechts auch Nichtvermögensschäden einschließt.118 Insofern verliert er durch den Haftungsausschluss den Anspruch auf Entschädigung ideeller Einbußen, ohne einen Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung zu erlangen, der hinsichtlich der Vermögensschäden über den Anspruch gegen den Arbeitgeber hinausgeht. Nur bei Mitverschulden ergibt sich eine geringfügige Verbesserung, da der Anspruch analog § 670 BGB nur eingeschränkt herabgesetzt wird. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht in allen Fällen, in denen § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII Anwendung findet, ein Anspruch analog § 670 BGB besteht. Das gilt zum Beispiel bei Unfällen in Kindergärten.119 Dem Verlust des Entschädigungsanspruchs stehen seit der Reform des Schadensersatzrechts erheblich weniger Vorteile gegenüber als nach alter Rechtslage. Die gesetzliche Unfallversicherung soll nach ihrer Konzeption den Betriebsfrieden schützen. Die Eignung der Versicherung für diesen Zweck wurde zwar in Zweifel gezogen, gerade weil der Konflikt mit dem Arbeitgeber nicht ausgetragen werde.120 Der Vorteil der gesetzlichen Unfallversicherung besteht aber darin, dass die Abwicklung der Schadensfälle durch einen neutralen Dritten erfolgt. Das wirkt vereinfachend und schont in der Regel den Betriebsfrieden, vor allem wenn die Leistungen ohne langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen gewährt werden. Der Schutz des Betriebsfriedens erscheint bei einem Arbeitsverhältnis, das durch Treue- und Fürsorgepflichten 116

Fuchs, Deliktsrecht, S. 297. Darauf verweist auch Fuhlrott, NZS 2007, 237, 240, ohne das als ausschlaggebend für eine Verfassungswidrigkeit des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII anzusehen. 118 Siehe oben § 1.B.II.2.b., S. 27 f. 119 BVerfG 4.6.2009 NJW 2009, 2956, 2958. 120 Gitter, Schadensausgleich, S. 240; a. A. Fuhlrott, NZS 2007, 237, 239. 117

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gekennzeichnet ist, zwar als legitimes Interesse. Ob eine Versicherungsleistung, die gerade bei schwerverletzten Versicherten erheblich hinter der zivilrechtlichen Haftung zurückbleibt, einen solchen Befriedungseffekt zu erzielen vermag, ist zweifelhaft. Die Schlechterstellung kann das Verhältnis zum Arbeitgeber in solchen Fällen in gleicher Weise gefährden wie die Klage gegen den Arbeitgeber wegen des Arbeitsunfalls. Das gilt umso mehr, wenn der Geschädigte die Erwerbsfähigkeit verliert und seine berufliche Tätigkeit in Frage gestellt ist, so dass das Verhältnis zum Arbeitgeber keine entscheidende Rolle mehr spielt. Der Schutz des Betriebsfriedens allein vermag die Ungleichbehandlung zumindest nicht für alle Fälle zu rechtfertigen, die von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst sind.121 Nur bei leichten Verletzungen, bei denen die ideelle Einbuße gering ist und die Entschädigung somit niedrig ausfällt, vermag er als Rechtfertigung zu genügen. Die wesentlichen Vorteile liegen somit in der schnelleren Abwicklung des Schadensfalls, die insbesondere durch die abstrakte Schadensberechnung begünstigt wird. Sie kann im Einzelfall dazu führen, dass der versicherte Arbeitnehmer mehr erhält, als er bei konkreter Schadensberechnung hätte fordern können.122 Das gilt gerade bei Verletzungen, bei denen der Grad der Schadensfolgen nicht schwer ist (GdS bis 50). In diesen Fällen haben sich die Beschäftigungsmöglichkeiten trotz der Beeinträchtigung erheblich verbessert, so dass die pauschale Rentenzahlung nicht selten zur Überkompensation führt. Dieser Vorteil tritt neben den der Solvenz der Berufsgenossenschaft als Schuldner. Es handelt sich um eine gesetzliche Versicherung, deren Kosten allein der Unternehmer trägt. Bei der Bewertung dieses Vorteils als Rechtfertigungsgrund ist zu berücksichtigen, dass der Unternehmer die Betriebsrisiken durch die Arbeitsorganisation in erheblichem Maße steuert. Insofern hat er auf das zu versichernde Risiko wesentlich Einfluss. Allerdings liegt ein versicherter Arbeitsunfall selbst dann vor, wenn der Arbeitnehmer sich verbotswidrig verhält (§ 7 Abs. 2 SGB VII), solange er nicht vorsätzlich handelt. Somit sind die Risiken, die der Arbeitnehmer durch sein eigenes Handeln setzt, ebenfalls auf Kosten des Arbeitgebers versichert. Zudem wäre der Arbeitnehmer ohne die gesetzliche Unfallversicherung vor einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers nur geschützt, wenn er sich gegen die Berufsunfähigkeit versicherte. Deren Kosten fielen ihm selbst zur Last. 121 Krit. auch Otto/Schwarze, Haftung, S. 339, die aber darauf verweisen, dass der Gedanke des Betriebsfriedens zu bruchstückhaft in der Rechtsordnung verwirklicht sei, um eine solche Rechtfertigung leisten zu können, zumal wegen Sachschäden kein Haftungsausschluss besteht. 122 Dazu Gitter, FS Sieg, S. 139, 142 f.; ders., BB Beil. 6/1998, S. 11; s. auch BVerfG 7.11.1972 E 34, 118, 128 ff.; Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 339 f. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass durch die abstrakte Schadensberechnung auch immaterielle Schäden entschädigt werden, s. Gitter, BB Beil. 6/1998, 11 f.; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 301 ff. Dem ist entgegenzuhalten, dass es die abstrakte Bemessung die Nichtvermögensschäden nicht gezielt einkalkuliert, so dass es sich um zufällige Effekte handelt.

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Des Weiteren umfasst der Versicherungsschutz nicht nur die Ansprüche gegen den Unternehmer, sondern auch die gegen seine Kollegen im Betrieb, bei denen das Risiko der Insolvenz gegebenenfalls höher ist als bei der Haftung des Unternehmers. Schließlich profitiert der Arbeitnehmer auch dadurch von der gesetzlichen Unfallversicherung, dass er selbst nicht haftet, wenn er einen Arbeitsunfall zulasten eines Kollegen verursacht. Ohne die Einbeziehung dieser Schadensfälle in die gesetzliche Unfallversicherung müsste sich der Arbeitnehmer selbst versichern und die damit verbundenen finanziellen Lasten tragen. Das spricht im Ergebnis dafür, dass sich die Benachteiligung des Arbeitnehmers durch den Haftungsausschluss sachlich rechtfertigen lässt und keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.123 Durch die Ausnahme für Wegeunfälle ist zudem sichergestellt, dass sich die Haftungsbeschränkung auf Fälle bezieht, in denen sich das tätigkeitsspezifische Risiko im Rahmen der Betriebsgemeinschaft auswirkt und der Versicherte nicht wie ein allgemeiner Verkehrsteilnehmer betroffen ist. Zugleich wird durch die Ausnahme für Vorsatztaten verhindert, dass dem vorsätzlich handelnden Unternehmer, der nicht schutzwürdig ist, die gesetzliche Unfallversicherung zugute kommt. Eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips scheidet angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers aus.124 Auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht. Die §§ 104, 105 SGB VII schließen zumindest bei Vorsatztaten den Entschädigungsanspruch nicht aus, so dass das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nicht verletzt ist.125 Bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Haftungsausschlusses nach § 105 Abs. 1 SGB VII ist die haftungsrechtliche Ausgangssituation eine andere als bei der Haftung des Unternehmers. Die Arbeitnehmer eines Betriebs haften untereinander nicht verschuldensunabhängig analog § 670 BGB. Auch die vertragliche Haftung, bei der das Verschulden vom Gesetz widerleglich vermutet wird (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), kommt nicht zur Anwendung. Es besteht grundsätzlich nur eine deliktische Haftung. Eine Gefährdungshaftung greift nicht ein. Das gilt selbst bei Straßenverkehrsunfällen, da der Arbeitnehmer nur Führer und nicht Halter des Kfz ist. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitnehmer ausnahmsweise sein eigenes Kfz bei der beruflichen Tätigkeit einsetzt. Im Regelfall ist der verschuldensunabhängige Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung bei einem Arbeitsunfall, der durch einen im Betrieb tätigen Arbeitnehmer verursacht wird, für den Versicherten ein erhebli123

So auch ErfK/Rolfs, § 104 SGB VII Rn. 3; Schmitt, SGB VII, § 104 Rn. 16; zur Rechtslage vor der Reform von 2002 Ilgenfritz, NJW 1963, 1046 ff.; Otto/Schwarze, Haftung, S. 336 ff.; Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 338 ff.; krit. Sieg, SGb 1972, 41, 42 ff.; anders wohl Böhmer, VersR 1973, 21 f.; Hanau, JurA 1970, 112, 122 ff. 124 BVerfG 7.11.1972 E 34, 118, 135; Fuhlrott, Arbeitnehmer, S. 56. 125 Fuhlrott, Arbeitnehmer, S. 57 f.; einen Verfassungsverstoß ablehnend BVerfG 7.11.1972 E 34, 118, 136 f.

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cher Vorteil. Zudem wird sein Mitverschulden – anders als bei der deliktischen Haftung des Kollegen – nicht berücksichtigt. Diese Vorteile werden durch die schnelle Abwicklung des Schadensfalls und die Solvenz des Schuldners ergänzt. Zudem schützt die Versicherung nicht nur den Arbeitnehmer, der den Arbeitsunfall verursacht hat, sondern auch den Geschädigten, wenn er selbst bei der betrieblichen Tätigkeit einen Unfall verursacht. Insofern lässt sich der Haftungsausschluss zugunsten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer leichter rechtfertigen als der zugunsten des Unternehmers. Daher ist der Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 1 SGB VII ebenfalls verfassungskonform. Diese Überlegungen lassen sich auf die Erweiterung des Haftungsausschlusses auf andere Gefahrengemeinschaften durch § 106 SGB VII übertragen. Solange die Haftung des Schädigers nicht analog § 670 BGB erfolgt oder auf einem Gesetz zur Gefährdungshaftung beruht, lassen sich die Argumente zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Haftungsausschlusses nach § 104 Abs. 1 SGB VII übertragen. Sofern der Geschädigte ohne die gesetzliche Unfallversicherung nur einen Anspruch aus verschuldensabhängiger Haftung hat, müssen für die Vereinbarkeit der Bestimmung mit Art. 3 Abs. 1 GG die gleichen Erwägungen wie bei § 105 Abs. 1 SGB VII gelten, ebenso für die parallelen Bestimmungen in den Gesetzen zur Versorgung von Beamten und Soldaten. Rechtspolitisch ist eine Erweiterung der Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung sowie der Beamten- und Soldatenversorgung zugunsten der Schwerverletzten zu befürworten. Die Schadensersatzbeträge können in solchen Fällen fünfstellige Beträge oder mehr erreichen126, so dass sich die Verkürzung der Rechtsposition des Arbeitnehmers in diesen Fällen besonders gravierend auswirkt. Zur Abgrenzung der Schwerverletzten lässt sich auf den Maßstab des § 57 SGB VII zurückgreifen, der die Erwerbsunfähigkeitsrente zugunsten der Schwerverletzten erhöht. Es kommt somit darauf an, dass der Grad der Schadensfolgen mehr als 50 beträgt. Diese Abgrenzung stellt sicher, dass ein Maßstab zugrunde liegt, den die Berufsgenossenschaft bei der Abwicklung des Schadensfalls ohnehin ermittelt, so dass die Entschädigung des Nichtvermögensschadens die einfache und schnelle Abwicklung des Versicherungsfalls nicht behindert. Die Entschädigung immaterieller Einbußen wird grundsätzlich auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Umstände des Schadensfalls ermittelt. Ein solches Vorgehen gefährdet die schnelle Schadensabwicklung, die ein wesentlicher Vorteil der gesetzlichen Unfallversicherung ist. Um ihn zu erhalten, ist die Entschädigung der Nichtvermögensschäden wie bei Vermögensschäden 126 Z. B. OLG Nürnberg 15.2.2008 VersR 2009, 71 (Querschnittslähmung: 300 000 €); OLG Karlsruhe 14.11.2007 VersR 2008, 545 (Erblindung: 90 000 €); OLG Hamm 19.11.2001 VersR 2002, 1250 (Amputation des Unterschenkels: 40 000 €); OLG Nürnberg 27.4.2001 NJW-RR 2002, 448 (Querschnittslähmung: 200 000 €).

§ 14 Die Erweiterung der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden

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abstrakt zu bestimmen. Sie sollte in pauschalierter Form gewährt werden, um die schnelle Abwicklung der Arbeitsunfälle weiterhin zu ermöglichen.127 Zu diesem Zweck kann ein Katalog von Pauschalen geregelt werden.128 Insoweit ist es zielführend, die Beträge nach dem Grad der Schadensfolgen abzustufen. Diese Größe sagt zwar nichts über den erlittenen Schmerz aus, lässt aber die Einbußen bei der Lebensführung erkennen, die Teil des ideellen Schadens sind. Abschließend ist auf einen Sonderfall einzugehen, der sich aus dem Zusammentreffen des Haftungsausschlusses der gesetzlichen Unfallversicherung mit den Vorgaben der europäischen Richtlinien ergibt. Bei unzulässigen Benachteiligungen haben die Arbeitnehmer Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche aus § 15 Abs. 1, 2 AGG. Bei Belästigungen und sexuellen Belästigungen i. S. von § 3 Abs. 3, 4 AGG tritt zum Teil auch eine Gesundheitsbeschädigung beim Arbeitnehmer ein, so dass ein Personenschaden vorliegt, der dem Versicherten bei der beruflichen Tätigkeit zugefügt wurde. Daher liegt ein Arbeitsunfall vor, so dass §§ 104 und 105 SGB VII einschlägig sind.129 Die (sexuellen) Belästigungen erfolgen vorsätzlich, so dass die Haftung des belästigenden Unternehmers oder der im Betrieb tätigen Person nicht ausgeschlossen ist, wenn sich der Vorsatz auch auf den eingetretenen Verletzungserfolg bezieht. Insoweit genügt ein bedingter Vorsatz, so dass der Haftungsausschluss in vielen Fällen wohl nicht eingreift. Sofern der Arbeitgeber nicht für sein eigenes Verhalten, sondern für das zurechenbare Handeln eines Erfüllungsgehilfen oder eines anderen Mitarbeiters im Betrieb nach § 15 Abs. 1, 2 AGG haftet, hat er den Versicherungsfall und den Personenschaden zumindest nicht selbst vorsätzlich verursacht. Ob § 104 Abs. 1 SGB VII bei der Zurechnung fremden Verschuldens Anwendung findet, hängt vom Zweck der Ausnahme vom Haftungsausschluss ab. Diese zielt darauf, dass dem Arbeitgeber angesichts des Unrechtsgehalts der Handlung nicht der Schutz des Haftungsausschlusses zugutek ommt.130 Das spricht dafür, dass § 104 Abs. 1 SGB VII nur bei eigenem Verschulden des Arbeitgebers ausgeschlossen ist. Daher ist in diesen Fällen die Haftung des Arbeitgebers ausgeschlossen, obwohl der ideelle Schaden durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht entschädigt wird. Das widerspricht den Vorgaben der europäischen Richtlinien, nach denen es einer wirksamen, abschreckenden und verhältnismäßigen Sanktion bedarf, die sich im Falle eines Schadensersatzes auf alle erlittenen Schäden erstrecken muss.131 Der Haftungsausschluss aus § 104 Abs. 1 SGB VII ist insoweit richtlinienwidrig. 127

Fuhlrott, Arbeitnehmer, S. 95 ff.; so schon Lieberwirth, DAR 1966, 179, 181. Ähnlich Fuhlrott, Arbeitnehmer, S. 96 f.; für eine Rentenprogression zur abstrakten Entschädigung der immateriellen Schäden Marquardt, Ausgleich, S. 97 ff. 129 Dazu G. Wagner, GS Heinze, S. 969, 981 f., der aber nicht auf die europäischen Richtlinien eingeht. 130 Franke/Molkentin/Rapp, SGB VII, § 104 Rn. 17. 131 Ausführlich § 8.B.III.1., S. 451 ff. 128

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Teil 3: Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen

E. Zusammenfassung Die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden ist über die bestehenden Regelungen hinaus zu erweitern. Zur Umsetzung sollte keine allgemeine Generalklausel in das Schadensersatzrecht eingefügt werden. Vielmehr ist § 253 Abs. 1 BGB zu streichen, um den bereits bis heute eingetretenen Gesetzesänderungen und der gewandelten Einstellung zur Wiedergutmachung ideeller Schäden in Geld Rechnung zu tragen. Die Entschädigung ist in Fallgruppen zu regeln, wobei an der Differenzierung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden festzuhalten ist. Bei der Regelung ist zwischen immateriellen Schäden, die von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung abhängig oder unabhängig sind, zu differenzieren. Eine Wiedergutmachung sollte für alle Nichtvermögensschäden erfolgen, die infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts eintreten. Ausgenommen sind nur der Tod des Menschen und die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts, da es an einem Rechtssubjekt fehlt, das einen Schaden erleidet. Die Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist gesetzlich zu regeln und auf die vertragliche Haftung zu erweitern, so dass die Entschädigung von Nichtvermögensschäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechts konsistent normiert ist. Bei einer einfach-rechtlichen Regelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist zudem die Subsidiarität des Anspruchs zu beschränken, so dass Nichtvermögensschäden wegen Persönlichkeitsverletzungen, die gegenwärtig höchstens als Folgeschaden der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts entschädigt werden können, selbständig wiedergutzumachen sind. Zudem bedarf es einer richtlinienkonformen Ausgestaltung des Schadensersatzes bei Verletzungen des Datenschutzes. Eine Entschädigung für verletzte Affektionsinteressen infolge der Verletzung des Eigentums oder des berechtigten Besitzes ist hingegen nicht erforderlich. Für immaterielle Schäden, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung eintreten, bedarf es zweier Ergänzungen. Zum einen ist eine Entschädigung für Trauerschäden von Angehörigen einzuführen, die infolge eines Todesfalls oder einer schweren Körperverletzung eingetreten sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Kreis der ersatzberechtigten Personen auf Eltern und Kinder, einschließlich der als Minderjährige oder mit Minderjährigenwirkung Angenommenen sowie auf Ehegatten, Lebenspartner, Verlobte und Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, zu beschränken. Der Entschädigungsanspruch scheidet aus, wenn der Schädiger darlegen kann, dass eine besondere persönliche Nähe zwischen den Personen nicht bestand und somit kein ideeller Schaden eingetreten ist. Für die Bemessung der Entschädigung wird eine Vorgabe in Form einer gesetzlich geregelten Betragsspanne befürwortet, innerhalb der die Entschädigung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls festzulegen ist.

§ 15 Zusammenfassung des dritten Teils

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Zudem ist die vertragliche Haftung für ideelle Schäden, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung ist, zu erweitern. Sofern ein Vertrag ideelle Zwecke verfolgt, die Teil seiner Geschäftsgrundlage oder sogar der vertraglichen Leistungspflicht ist, muss sich die Haftung auf die Nichtvermögensschäden erstrecken, die aus der Vereitelung oder erheblichen Beeinträchtigung des ideellen Zwecks resultieren. Insoweit ist auch die Entschädigung vereitelter oder erheblich beeinträchtigter Heilungschancen möglich. Der Schaden besteht nicht in den Folgen der wahrscheinlichen Gesundheitsbeschädigung, sondern dem Verlust der Heilungschance selbst. Zur Erweiterung der Entschädigungsfähigkeit immaterieller Schäden sollten die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung sowie der Beamtenund Soldatenversorgung zumindest bei schweren Körperverletzungen um eine pauschalierte Entschädigung für die erlittenen Nichtvermögensschäden erweitert werden. Der bestehende Haftungsausschluss für den Ersatz von Personenschäden in den §§ 104 ff. SGB VII sowie den parallelen Vorschriften zur Versorgung von Beamten und Soldaten ist zwar nicht verfassungswidrig aber stark reformbedürftig. Zudem ist der punktuelle Verstoß der Haftungsausschlüsse gegen die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien zu beseitigen.

§ 15 Zusammenfassung des dritten Teils 1. Für eine Re-Interpretation des Ersatzes immaterieller Schäden bedarf es nicht nur der Diskussion einer selbständigen Präventions- oder Genugtuungsfunktion, sondern zunächst einer konsistenten Beschreibung des Schadens und einer Überarbeitung der Ausgleichsfunktion. Das ist vor allem für die Entschädigung der Nichtvermögensschäden in Geld wesentlich. Nach dem hier entwickelten Verständnis ist der immaterielle Schaden einerseits negativ als Schaden, der kein Vermögensschaden ist, zu umschreiben. Andererseits bedarf es einer positiven Beschreibung, die den ideellen Schaden nicht auf die negative Gefühlsbilanz des Geschädigten beschränkt. Immaterielle Schäden sind die Einbuße am verletzten, nicht vermögenswerten Rechtsgut (Verletzungsschaden) und der Verlust an Selbstentfaltung (Verletzungsfolgeschaden) sowie die damit einhergehenden Gefühlsschäden. Diese Schadensbeschreibung erübrigt die Ergänzung des Schadensrechts um den sog. Per-se-Schaden oder den objektiven Schadensbegriff, da sie umfassend ist und nicht vom beeinträchtigten Gefühl des Geschädigten abhängt. Sie ist nicht nur für das nationale Recht geeignet, sondern lässt sich auch für das Europäische Privatrecht fruchtbar machen. 2. Die Funktion des Schadensersatzes, die bisher vor allem als Ausgleichsfunktion beschrieben wird, ist für die Entschädigung von Nichtvermö-

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Teil 3: Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen

gensschäden nicht treffend, da es sich bei inkommensurablen Schäden nicht um einen Ausgleich im engeren Sinne handeln kann. Vielmehr erfolgt eine Wiedergutmachung des Schadens. Das bringt terminologisch zum Ausdruck, dass die Geldzahlung eine Reaktion auf den erlittenen Schaden ist. Die Wiedergutmachung ist auf den Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit zu stützen, der auch hinter der Ausgleichsfunktion steht. Das begründet aber nur die Orientierung am erlittenen Schaden. Die Gewährung von Geld für einen inkommensurablen Schaden stützt sich darauf, dass die Vorbehalte gegen die Geldzahlung für solche Schäden überholt sind. Zudem ist die Verpflichtung zur Entschädigung eine Anerkennung des erlittenen Verlusts, an der es ansonsten fehlte. Die Wiedergutmachungsfunktion des Schadensersatzanspruchs ist unabhängig vom Haftungsgrund und lässt sich auch für die Entschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen heranziehen. 3. Der Umfang der Entschädigung bemisst sich angesichts der Funktion des Anspruchs allein nach dem subjektiven Schaden des Geschädigten. Die erlittene Einbuße ist anhand der Schadenskategorien zu ermitteln, die sich aus der positiven Beschreibung des immateriellen Schadens ergeben. Eine darüber hinausgehende Differenzierung ist nicht erforderlich. Die Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Geschädigten sind unerheblich, ebenso das Vorliegen einer Haftpflichtversicherung. Das Verschulden des Schädigers hat auf den Umfang der Entschädigung nur Einfluss, soweit es den Schaden erhöht. 4. Bei der Festsetzung der Entschädigung kann insbesondere für die Gefühlsbeeinträchtigung und die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung eine objektivierende Betrachtung zugrunde gelegt werden, indem auf die normaltypischen Folgen abgestellt wird. Daneben müssen aber die besonderen Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung finden. Die Höhe der Entschädigung ist unter Berücksichtigung der in früheren Fällen zugesprochenen Beträge festzulegen. Einzubeziehen sind nicht nur Entscheidungen über vergleichbare Schadensfälle, sondern auch Entscheidungen zu anderen Fallgruppen wegen derselben sowie anderer Rechtsgutsverletzungen. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der Umfang der Entschädigungsansprüche in einem angemessenen Verhältnis zueinander steht und den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit und des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung getragen wird. 5. Angesichts der ursprünglichen Beschränkung der Entschädigung immaterieller Einbußen und ihrer sukzessiven Erweiterung bedarf auch die Konzeption der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden einer Revision. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die Ersatzfähigkeit der Nichtvermögensschäden jedoch nicht durch eine kleine Generalklausel geregelt werden. Vielmehr ist § 253 Abs. 1 BGB zu streichen und fallgruppenweise die ersatzfähigen Schäden zu regeln. An der Differenzierung zwischen Vermö-

§ 15 Zusammenfassung des dritten Teils

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gens- und Nichtvermögensschäden kann festgehalten werden, da die Erweiterung der Ersatzfähigkeit ideeller Schäden die Bedeutung dieser Abgrenzung reduziert. Bei den Fallgruppen ist zwischen den immateriellen Schäden, die von der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts abhängig sind, und den davon unabhängigen zu unterscheiden. Eine Wiedergutmachung sollte für alle Nichtvermögensschäden erfolgen, die infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts eintreten. Ausgenommen sind nur der Tod des Menschen und die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts. Daher ist die Entschädigung für immaterielle Einbußen infolge einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesetzlich zu regeln und auf die vertragliche Haftung zu erweitern. Dabei ist die Subsidiarität des Anspruchs zu beschränken, so dass Nichtvermögensschäden wegen Persönlichkeitsverletzungen, die gegenwärtig höchstens als Folgeschaden der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts entschädigt werden können, selbständig wiedergutzumachen sind. Das Datenschutzrecht ist hinsichtlich der Entschädigung der Nichtvermögensschäden richtlinienkonform auszugestalten. Ein Ausgleich für verletzte Affektionsinteressen infolge der Verletzung des Eigentums oder des berechtigten Besitzes ist hingegen nicht erforderlich. 6. Eine Entschädigung der ideellen Einbußen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung ist nur punktuell geboten, zumal die Ermittlung dieser Schäden wegen der fehlenden Anknüpfungsmöglichkeit an die Rechtsgutsverletzung erschwert ist. Die Entschädigung der Nichtvermögensschäden ist insbesondere bei vertraglichen Pflichtverletzungen erforderlich, sofern der Vertrag ideelle Zwecke verfolgt, die Teil seiner Geschäftsgrundlage oder sogar der vertraglichen Leistungspflicht sind, die aus der Vereitelung oder erheblichen Beeinträchtigung des ideellen Zwecks resultieren. Dabei handelt es sich um eine Verallgemeinerung des in § 651f Abs. 2 BGB enthaltenen Gedankens. Insoweit ist auch die Entschädigung vereitelter oder erheblich beeinträchtigter Heilungschancen möglich. Der Schaden besteht nicht in dem wahrscheinlichen Gesundheitsschaden, sondern im Verlust der Heilungschance selbst. Darüber hinaus gewährt das europäische Transportrecht einen pauschalen Ausgleich für Unannehmlichkeiten bei der Verspätung oder Nichtbeförderung und Annullierung von Zügen oder Flügen. Zudem enthalten die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG eigenständige Ansprüche für die Folgen einer Schutzpflichtverletzung. Auch die Ansprüche aus §§ 9, 10 KSchG, § 113 BetrVG stehen im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem. 7. Unabhängig vom Haftungsgrund ist der Ersatz ideeller Schäden auf die Entschädigung der Trauerschäden von Angehörigen als Drittschaden eines Todesfalls oder einer schweren Körperverletzung zu erweitern. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Kreis der ersatzberechtigten Personen zu

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Teil 3: Wiedergutmachung nicht vermögenswerter Einbußen

beschränken auf Eltern und Kinder, einschließlich der als Minderjährige oder mit Minderjährigenwirkung angenommenen, sowie auf Ehegatten, Lebenspartner, Verlobte und Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben. Der Entschädigungsanspruch scheidet aus, wenn der Schädiger darlegen kann, dass eine besondere persönliche Nähe zwischen den Personen nicht bestand und somit kein ideeller Schaden eingetreten ist. Für die Bemessung der Entschädigung wird eine Vorgabe in Form einer gesetzlich geregelten Betragsspanne befürwortet, innerhalb derer die Entschädigung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls festzulegen ist.

Teil 4

Die Entschädigung von Nichtvermögensschäden zwischen Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe § 16 Der Entschädigungsanspruch – Wiedergutmachung, Privatstrafe oder Anspruch mit selbständiger Präventionsfunktion A. Überblick Die Beschreibung der Funktion des Schadensersatzes bei immateriellen Schäden in Teil 3 hat ausschließlich an die tradierte Ausgleichsfunktion angeknüpft und die Überlegungen ausgeblendet, die dem Entschädigungsanspruch darüber hinaus eine selbständige Präventionsfunktion zuweisen. Das betrifft vor allem den Entschädigungsanspruch wegen schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die Entschädigung wegen unzulässiger Benachteiligung. Die Wiedergutmachungsfunktion genügt für sie nur, wenn rechtlich keine überkompensatorische Entschädigung zur Abschreckung und Verbesserung des Rechtsgüterschutzes geboten ist und wenn die bestehenden Regelungen die Anerkennung einer Präventionsfunktion vorgeben oder zumindest zulassen. Die Entscheidung über diese Funktion des Entschädigungsanspruchs und die einheitliche oder differenzierende Ausgestaltung des Ersatzes immaterieller Schäden wie des Schadensersatzes allgemein hängt auch davon ab, ob der Anspruch auf Entschädigung eines Nichtvermögensschadens als Schadensersatzanspruch anzusehen ist oder als Anspruch, der eine vom allgemeinen Schadensersatzrecht abweichende Ausgestaltung, insbesondere hinsichtlich seiner Funktion und der Bemessung der Entschädigung, zulässt. Sowohl für den Entschädigungsanspruch aus § 847 BGB a. F. als auch für den Entschädigungsanspruch wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen nahm die Rechtsprechung an, dass es sich um einen Anspruch eigener Art handelte.1 Die Rechtsnatur und die Funktion des Schadensersatzes sind darüber hinaus im Zusammenhang mit den Entwicklungen des Straf- und Privatrechts zu betrachten.2 Die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion erlaubt eine überkompensatorische Entschädigung. Insofern stellt sich die Frage, ob 1 2

Siehe § 16.C., S. 688 ff. Siehe § 16.B.II., D.I., S. 677 ff., 709 ff.

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Teil 4: Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe

der Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion zum Strafschadensersatz und somit zur Privatstrafe wird, oder ob gleichsam zwischen Schadensersatz und Privatstrafe eine dritte Kategorie anzuerkennen ist. Eine Auseinandersetzung mit diesen begrifflichen Kategorien ist vor allem deshalb unvermeidlich, weil Privatstrafen wegen der Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht heute grundsätzlich als unzulässig gelten, obwohl der Wiedereinführung von Privatstrafen zum Teil das Wort geredet wird. Der Rückgriff auf die Prävention verdeckt gegebenenfalls, dass es sich um eine Privatstrafe handelt. Das mag auch darauf beruhen, dass die Forderung nach einer Präventionsfunktion des Schadensersatzes insbesondere auf die ökonomische Analyse des Rechts gestützt wird, deren utilitaristische Kategorien die Differenzierungen zwischen einer Privatstrafe und einem Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion nicht erforderlich machen. Die Entscheidung über eine selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs berührt nicht nur begrifflich, sondern auch inhaltlich das Verhältnis von Zivil- und Strafrecht. Ein überkompensatorischer Entschädigungsanspruch dient auch der Verhaltenssteuerung und der zukünftigen Vermeidung von Schadensfällen. Somit erfolgt ein Rechtsgüterschutz mit zivilrechtlichen Mitteln. Insofern ist die Frage zu beantworten, inwieweit dies Aufgabe des Privatrechts ist. Im Grenzbereich von Zivil- und Strafrecht haben sich in den letzten vier Jahrzehnten Entwicklungen vollzogen, die auch die Entschädigung immaterieller Einbußen betreffen. Auf der einen Seite berücksichtigt das Straf- und Strafprozessrecht im Rahmen der Entwicklung des Opferschutzes die Schadenswiedergutmachung. Auf der anderen Seite wurde im Privatrecht in den letzten Jahren wiederholt das Bestehen pönaler Elemente im Zivilrecht diskutiert und sogar die Verstärkung solcher Elemente vorgeschlagen.3 Daneben gibt es inzwischen eine Reihe von Befürwortern, die für eine verstärkte Implementierung des Präventionsgedankens im Schadensersatzrecht im Interesse des Rechtsgüterschutzes eintritt. Sie plädieren für die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion, wobei ein Teil der Autoren eine allgemeine Anerkennung präferiert, wohingegen andere die präventiven Überlegungen von vornherein auf einzelne Teilbereiche des Schadensersatzrechts beschränken.4 In dieser Diskussion und für die Begründung eines solchen allgemeinen Präventionsgedankens haben die Entschädigungsansprüche für Nichtvermögensschäden, gemeinsam mit den Schadensersatzansprüchen im Immaterialgüterrecht, paradigmatische Bedeutung, weil die Autoren davon ausgehen, dass die Entschädigungsansprüche wegen schwerer Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und wegen unzulässiger Benachteiligung eine selbständige Präventionsfunktion haben und daher eine überkompensatori3 4

Siehe § 16.D.II., S. 720 ff. Siehe § 16 D.III., S. 723 ff.

§ 16 Wiedergutmachung, Privatstrafe oder Präventionsfunktion

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sche Entschädigung rechtfertigen.5 Um diese Überlegungen für einen allgemeinen Präventionsgedanken im Schadensersatzrecht und die Notwendigkeit für die Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts würdigen zu können, müssen zunächst die rechtliche Qualität des Entschädigungsanspruchs und die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion untersucht werden. Im Anschluss daran sind die generellen Entwicklungen des Strafrechts und des Schadensersatzrechts darzustellen, die auf die Weiterentwicklung der Entschädigung immaterieller Schäden Einfluss nehmen können. Insoweit sollen die einzelnen Positionen zunächst vorgestellt und ihre Begründung für die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion aufgezeigt werden. Eine abschließende Stellungnahme zur Weiterentwicklung des Ersatzes von Nichtvermögensschäden soll erst erfolgen, wenn über die Präventionsfunktion der Entschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen entschieden ist.

B. Sanktion, Buße, Privatstrafe und Prävention – eine begriffliche Klärung I. Sanktion – Reaktion der Rechtsordnung auf den Normverstoß Rechtstheoretisch gelten als Sanktionen gewöhnlich Strafen und Vollstreckungszwang, mit denen der Staat auf den Normverstoß reagiert und die Geltung des Rechts sichert.6 Dieser enge Sanktionsbegriff führte insbesondere im Zusammenhang mit der Umsetzung europäischer Richtlinien, die eine Sanktion richtlinienwidrigen Verhaltens fordern, zu Missverständnissen. Bei der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 76/207/EWG in § 611a BGB a. F. wurde zum Teil angenommen, dass der bloße Schadensausgleich nicht als Sanktion im Sinne der Richtlinie genüge, sondern eine Privatstrafe erforderlich sei.7 Zum Teil wird die Regelung einer Ordnungswidrigkeit gefordert, soweit ein Strafschadensersatz oder eine Privatstrafe als unzulässig galt.8 Für den europarechtlichen Sanktionsbegriff ist neben den Richtlinienbestimmungen vor allem der Vollzug des Europarechts von Bedeutung. Dieser erfolgt grundsätzlich durch die Mitgliedstaaten, die im Rahmen der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) verpflichtet sind, dem Europarecht Geltung zu verschaffen. Daraus ergibt sich zugleich die Pflicht, Verstöße des nationalen Rechts gegen das Europarecht zu beseitigen und europarechtswidrigem Verhalten entgegenzuwirken. Die Rechtsdurchsetzung muss effektiv sein und darf nicht gegenüber der 5

Siehe § 16.D.III., S. 723 ff., § 18.A., S. 795 ff. Röhl/Röhl, Rechttheorie, S. 218. 7 Siehe oben § 3.F.IV.2., S. 457 ff., § 8.B.III.2., S. 213 ff. 8 Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363 f.; Kamanabrou, ZfA 2006, 327, 337 f.; dies., RdA 2006, 321, 337; Kocher, AuR 1998, 221, 221 Fn. 6; s. auch Annuß, NZA 1999, 738, 744; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 102, 106 f.; Volmer, BB 1997, 1582, 1585; Wank, NZA Sonderbeilage Heft 22/2004, 16, 19. 6

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Teil 4: Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe

des nationalen Rechts zurückbleiben.9 Die eingeforderte Sanktion ist somit in erster Linie eine Reaktion der Mitgliedstaaten auf den Verstoß gegen das Europarecht, wobei dem Mitgliedstaat grundsätzlich die Wahl des Mittels freisteht, solange es effektiv ist und nicht hinter den Sanktionen zurückbleibt, die der Mitgliedstaat für vergleichbare Verletzungen des nationalen Rechts anordnet.10 Eine Reaktion auf eine Normverletzung ist insofern nicht auf die staatliche Strafe und den Vollstreckungszwang beschränkt. Auch rechtssoziologisch ist eine Sanktion jede von der Rechtsordnung vorgesehene Reaktion auf eine Normverletzung.11 Im Sinne von Luhmann ist die Sanktion eine Reaktion auf die mit einer Rechtsnorm verbundene Verhaltenserwartung, die durch die Rechtsverletzung enttäuscht wurde.12 Die Sanktionen, die Teil der Rechtsordnung sind, haben regelmäßig einen negativen Charakter, indem sie dem Normverletzer einen Nachteil zufügen oder ihm Vorteile – Rechte – entziehen.13 Dieses weite Verständnis von der Sanktion korrespondiert mit dem im Europarecht zugrunde gelegten Verständnis, dass die Sanktion erfolgen soll, um das Europarecht durchzusetzen und ihm zu praktischer Wirksamkeit zu verhelfen. Bei der Auseinandersetzung mit der rechtlichen Qualifikation des Entschädigungsanspruchs für Nichtvermögensschäden soll dieser weite Sanktionsbegriff zugrunde gelegt werden, zumal die Diskussion über die Präventionsfunktion des Schadensersatzes und die pönalen Elemente im Privatrecht in erheblichem Maße von den Vorgaben des Europarechts und seiner Umsetzung im nationalen Recht beeinflusst ist. Sanktion im weiten Sinne sind alle Reaktionen der Rechtsordnung auf ein rechtswidriges Verhalten. Insoweit kann zwischen den Reaktionen der Rechtsordnung auf kriminelles Unrecht und ziviles Unrecht unterschieden werden. Beide Unrechtsformen haben eine gemeinsame Schnittmenge, da kriminelles Unrecht zugleich ziviles Unrecht ist, sofern es sich gegen ein Individualrechtsgut richtet. Das ergibt sich bereits aus § 823 Abs. 2 BGB. Straftaten, die ausschließlich die Interessen der Allgemeinheit verletzen, unterliegen hingegen nur den Sanktionen für kriminelles Unrecht. Zudem erfasst das Deliktsrecht auch Erfolgs- und Handlungsunrecht, das nicht zugleich kriminelles Unrecht darstellt. Als dritte Kategorie sind die Ordnungswidrigkeiten anzuführen, die als Verwaltungsunrecht keine Rechtsverletzung darstellen, die im Rahmen eines sozial-ethischen Unwerturteils gleichermaßen zu missbilligen sind wie Straftaten. Auch das Verwaltungsunrecht hat, wie das kriminelle Unrecht, eine gemeinsame Schnittmenge mit dem 9

Ausführlich oben § 8.A.I., S. 424 ff. Ausführlich oben § 8.A.I., S. 424 ff. 11 Raiser, Rechtssoziologie, S. 221 f.; Röhl/Röhl, Rechttheorie, S. 218. Den Sanktionsbegriff in einem umfassenden Sinne verwenden z. B. Hirsch, FS Engisch, S. 304, 314 f.; Maurach/Zipf, Strafrecht AT 1, § 1 Rn. 23 ff.; Mitsch, Ordnungswidrigkeiten, S. 4. 12 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 60 ff. 13 Raiser, Rechtssoziologie, S. 222; Röhl/Röhl, Rechttheorie, S. 218 f. 10

§ 16 Wiedergutmachung, Privatstrafe oder Präventionsfunktion

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zivilen Unrecht, sofern es dem Schutz individueller Rechtsgüter dient. Insoweit geht es an dieser Stelle nicht um eine Revision des Unrechtsbegriffs oder um die Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht. Es soll zunächst nur festgehalten werden, dass der Begriff der Sanktion weit verstanden wird, so dass er jede Reaktion der Rechtsordnung auf eine Normverletzung umfasst, wobei im Zusammenhang mit dem Privatrecht die Sanktionen für die rechtswidrige Verletzung von Individualrechtsgütern von zentraler Bedeutung sind. Als Sanktionen kriminellen Unrechts sieht die Rechtsordnung bei schuldhaftem Handeln Strafen vor. Daneben bestehen die Maßregeln der Sicherung und Besserung, die bei schuldhaftem wie schuldlosem Handeln nach Maßgabe der §§ 61 ff. StGB verhängt werden können. Ordnungswidrigkeiten werden durch Geldbußen geahndet (§ 1 OWiG). Ziviles Unrecht zieht auf der Ebene des Primärrechtsschutzes Ansprüche auf Herausgabe, Unterlassung oder Beseitigung nach sich. Auf der Sekundärebene hat der Verletzte deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche. Sie ergeben sich aus dem Deliktsrecht des BGB, aber auch aus den Gesetzen des Immaterialgüterrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes14, und erlauben zum Teil eine dreifache Schadensberechnung anhand des entgangenen Gewinns, der üblichen Lizenzgebühr und des Verletzergewinns.15 Darüber hinaus bestehen wegen der Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht keine selbständigen Zivilstrafen. Allerdings hat die Auseinandersetzung mit den pönalen Elementen des Zivilrechts darauf verwiesen, dass das Zivilrecht auch über die Primäransprüche und den Schadensersatz hinaus auf rechtswidrige Rechtsgutsverletzungen reagiert und somit Sanktionen bereithält. II. Strafrechtliche Buße und zivilrechtliche Privatstrafe 1. Schadensersatz und Privatstrafe Mit der Trennung von Zivil- und Strafrecht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschwanden die Privatstrafen16 und der Begriff der Privatstrafe blieb über viele Jahrzehnte ungebraucht. Erst Großfeld griff ihn 1961 in einer rechtsvergleichenden Arbeit wieder auf und forderte die Wiedereinführung von Privatstrafen im Zivilrecht für vorsätzliche und grob fahrlässige Persönlichkeitsverletzungen17. Eine intensivere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Privatstrafe erfolgte im deutschen Recht erst seit der Entschei14 Eine Besonderheit weisen die Gewinnherausgabeansprüche nach § 10 UWG und § 34a GWB auf, bei denen nicht der Anspruchsinhaber den Gewinn erhält, sondern nur Gewinnherausgabe an die Staatskasse verlangt werden kann, s. dazu § 18.A.III.3., S. 805 ff. 15 § 97 UrhG, § 42 Abs. 2 GeschMG, § 24 Abs. 2 GebrMG, § 139 Abs. 2 PatG, § 14 Abs. 6 MarkenG. 16 Zu dieser Entwicklung Ebert, Pönale Elemente, S. 197 ff., 204 ff.; Walter, Schmerzensgeld, S. 245 ff. 17 Großfeld, Privatstrafe, S. 125.

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Teil 4: Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe

dung des BGH, die die Vollstreckung eines US-amerikanischen Urteils auf Strafschadensersatz für unvereinbar mit dem deutschen ordre public erklärte.18 Zudem befürworten inzwischen einzelne Autoren eine Wiederbelebung der Privatstrafe als Element des Zivilrechts.19 Die Unterscheidung zwischen Schadensersatz und Privatstrafe lässt sich anhand des Anwendungsbereichs, des Zwecks und der Bemessung des Anspruchs charakterisieren. Beide stehen – im Gegensatz zur Kriminalstrafe – Privatpersonen zu, die sie geltend machen und die Zwangsvollstreckung betreiben müssen.20 Die Privatstrafe setzt eine rechtswidrige und schuldhafte Rechtsverletzung voraus21, wohingegen Schadensersatz auch für Schäden infolge schuldlosen Handelns (Billigkeitshaftung) oder der Verwirklichung eines erlaubten Risikos gewährt wird (Gefährdungshaftung). Die Privatstrafe fügt dem Schädiger einen Schaden zu, der dem Geschädigten als Vorteil zufließt, weil er mehr erhält, als er verloren hat.22 Sie soll somit wie die Kriminalstrafe für die Rechtsverletzung Vergeltung üben und dem Geschädigten Genugtuung verschaffen.23 Zugleich ist die Privatstrafe eine gezielte Abschreckung von weiteren Rechtsverletzungen, die sowohl gegenüber dem konkreten Schädiger als auch gegenüber der Allgemeinheit wirkt.24 Zum Teil wird der Zweck der Privatstrafe auf die Spezialprävention beschränkt.25 Die Privatstrafe reagiert auf einen Normverstoß und bringt die Missbilligung der Tat zum Ausdruck, indem sie dem Schädiger gezielt ein Übel zufügt.26 Im Gegensatz dazu hat der Schadensersatz nach herkömmlichem Verständnis nur eine Ausgleichsfunktion, auch wenn die Einstandspflicht den Schädiger de facto gleichermaßen von weiteren Rechtsverletzungen abschreckt. Insoweit unter18

BGH 4.6.1992 Z 118, 312; s. auch BVerfG 7.12.1994 E 91, 335; dazu z. B. Bentert, Das pönale Element, 1996; Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 2002; Körner, NJW 2000, 241 ff.; Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, 1999; P. Müller, Punitive Damages und deutsches Schadensersatzrecht, 2000; Rosengarten, NJW 1996, 1935 ff. 19 Ebert, Pönale Elemente, S. 577 f.; Kern, AcP 191 (1991), 247, 262 ff.; P. Müller, Punitive damages, S. 311 ff., 369 ff.; s. auch Körner, NJW 2000, 242, 246. 20 Großfeld, Privatstrafe, S. 9, 11; Klumpp, Privatstrafe, S. 32, 35 f.; Löwe, Prävention, S. 147; P. Müller, Punitive Damages, S. 55; s. auch Wieling, Privatstrafe, S. 238 ff. 21 Ähnlich Bentert, Das pönale Element, S. 4; Großfeld, Privatstrafe, S. 11; Klumpp, Privatstrafe, S. 33 (Normbruch); s. auch Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 405. 22 Großfeld, Privatstrafe, S. 11, 12; Klumpp, Privatstrafe, S. 35; Wieling, Privatstrafe, S. 238. 23 Ebert, Pönale Elemente, S. 14 f.; Großfeld, Privatstrafe, S. 9, 11, 77, 83; Klumpp, Privatstrafe, S. 17 ff., 35, 36; Strasser, Immaterieller Schaden, S. 17; v. Waechter, Buße, 75; s. auch Hirsch, FS Engisch, S. 304, 316 (jede Übelszufügung unabhängig von der Straftheorie). 24 Ebert, Pönale Elemente, S. 14 f.; Großfeld, Privatstrafe, S. 80 f.; Klumpp, Privatstrafe, S. 25 ff., 36; s. aber Bentert, Das pönale Element, S. 5 f., der Vergeltung oder Prävention als Zweck der Privatstrafe ausreichen lässt; ähnlich Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 405 f. 25 Klumpp, Privatstrafe, S. 114 f. (wobei sich die spezial- und die generalpräventive Funktion der Privatstrafe kaum trennen ließen). 26 Großfeld, Privatstrafe, S. 121; Löwe, Prävention, S. 147; s. auch Klumpp, Privatstrafe, S. 33.

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scheidet sich die Vorstellung von der Privatstrafe nicht von derjenigen des USamerikanischen oder englischen Rechts.27 Die unterschiedliche Konzeption von Schadensersatz und Privatstrafe hat zur Folge, dass ihre Bemessung erheblich voneinander abweicht. Der Schadensersatz ist auf vollständigen Ausgleich des konkreten Schadens ausgerichtet.28 Eine Proportionalhaftung entsprechend der Verantwortung des Schädigers kennt die zivilrechtliche Haftung – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – gegenwärtig nicht. Der Schadensausgleich verschafft dem Geschädigten faktisch zugleich Genugtuung und schreckt den Schädiger ab, ohne dass sich der Umfang des Schadensersatzes danach ausrichtet.29 Die Privatstrafe hingegen orientiert sich nicht am Schaden und kann ihn übersteigen.30 Maßgeblich sind insbesondere die sanktionierte Rechtsverletzung und das Verschulden des Rechtsverletzers. Ihre Höhe steht nicht von vornherein fest, und anders als bei Kriminalstrafen besteht kein fester Strafrahmen, auch wenn sie die Grenzen des Verhältnismäßigen nicht überschreiten darf.31 Der hier referierte Begriff der Privatstrafe lässt sich auf die frühmittelalterlichen Bußen beziehen, die gleichsam als Vorläufer der Privatstrafe verstanden werden. Zugleich weist er eine Parallele zur Kriminalstrafe auf. Diese Begriffsfassung wirkt verengend und sieht Differenzierungen nicht vor. Als Alternativen werden lediglich der auf den Schaden beschränkte Schadensersatz und die Privatstrafe, die an den Geschädigten zu zahlen ist und stets auch der Generalprävention dient, gegenübergestellt. Zwischenstufen wie die Gewinnabschöpfung, die entweder an den Geschädigten oder den Bundeshaushalt zu zahlen 27

Siehe oben § 6.C.V.2, 3., S. 312 ff., 315 ff. Mot. II, S. 19; so zum Ausgleich ideeller Schäden BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 226; 6.7.1955 Z 18, 149, 154; 13.10.1992 Z 120, 1, 4 f.; 29.11.1994 Z 128, 117, 119; dazu v. Caemmerer, Kausalzusammenhang, S. 12; Deutsch, Haftungsrecht, Bd. I, S. 14; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 176; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 477; Mertens, Begriff des Vermögensschadens, S. 93. 29 Z. B. Ehlers, Geldersatz, S. 184 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 170; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 244 f.; Göbel, Geldentschädigung, S. 127; Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 31, 44; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 592; G. Müller, VersR 1993, 909, 910; Schmid, Schmerzensgeld, S. 85; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 55 f.; krit. z. B. Bentert, Das pönale Element, S. 83 ff.; Kern, AcP 191 (1991), 247, 267; Stoll, Haftungsfolgen, S. 210 f.; ausführlich s. § 4.C., S. 234 ff. 30 Klumpp, Privatstrafe, S. 17 ff. 31 Das spricht bei Beibehaltung dieses Begriffsverständnisses gegen die Qualifikation der Vertragsstrafe als Privatstrafe, sie ist nur ein Mittel zur Durchsetzung einer vertraglichen Verbindlichkeit. Gegen den Privatstrafencharakter der Vertragsstrafe wegen deren Funktion, BVerfG 25.10.1966 E 20, 323, 332; Gottwald, MünchKomm-BGB, Vor § 339 Rn. 6; Hess, Vertragsstrafe, S. 181 ff.; Soergel/Lindacher, BGB, Vor § 339 Rn. 2; Steltmann, Vertragsstrafe, S. 27 ff.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 222; s. auch Staudinger/Rieble, BGB, Vorbem zu §§ 339 ff. Rn. 13, 20. Rechtshistorisch galt die Vertragsstrafe zunächst als Privatstrafe zur Ahndung von leichten und mittleren Vergehen und hatte gleichzeitig eine Schadensersatzfunktion, s. D. Fischer, Vertragsstrafe, S. 19 ff.; Knütel, Stipulatio poenae, S. 4 ff. Mit der Zurückdrängung der pönalen Elemente im Zivilrecht wandelte sie ihren Charakter, so dass ALR I.5, § 292 sie als Schadenspauschalierung ausgestaltete. 28

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ist, oder eine Sanktion, die nur der Spezialprävention dient, sind nicht vorgesehen. Die Gewinnabschöpfung, die an der Verletzung eines Abwehrrechts anknüpft, kann aus privatrechtlicher Perspektive gleichwohl als Privatstrafe zu qualifizieren sein. Sofern die Bereicherung des Schädigers den Schaden übersteigt und nicht auf Kosten des Geschädigten erfolgt ist wie bei der Verletzung eines reinen Abwehrrechts, handelt es sich weder um einen Schadensersatzanspruch noch um einen Anspruch aus Eingriffskondiktion oder angemaßter Eigengeschäftsführung. Der Schädiger hat sich einen Vorteil angeeignet, der gemeinfrei ist, so dass das Vermögensrecht keine Ansprüche gewährt. In den Kategorien des Privatrechts bleibt für einen solchen Anspruch nur die Einordnung als Privatstrafe. Das muss in gleicher Weise gelten, wenn die Gewinnabschöpfung, wie bei § 10 UWG und § 34a GWB, nicht zugunsten des Anspruchsinhabers, sondern zugunsten des Bundeshaushalts erfolgt. Die Gewinnabschöpfung weist in dieser Ausgestaltung eine Nähe zum Verfall auf. Der Verfall gilt im Strafrecht zwar nicht als Strafe, sondern als eine die Vermögensordnung wiederherstellende Maßnahme eigener Art neben der Strafe, die ein kriminalpolitisches Bedürfnis erfüllt.32 Diese Qualifikation des Verfalls wird seit der Berechnung des abgeschöpften Gewinns nach dem Bruttoprinzip aber in Zweifel gezogen, so dass er vor allem in der Literatur als Strafe qualifiziert wird.33 Unabhängig davon hindert selbst seine Einordnung als Maßnahme eigener Art nicht daran, einen ähnlichen Anspruch aus dem Blickwinkel des Privatrechts – ungeachtet der Auseinandersetzung mit dem Bruttoprinzip – als Privatstrafe zu qualifizieren. Der Verfall gilt im Strafrecht nicht als Strafe, weil er unabhängig vom Verschulden des Straftäters angeordnet werden kann und keinen Nachteil zufügt. Er dient weder der Gefahrenabwehr noch der Sanktion für individuelle Schuld. Es stellt vor allem sicher, dass sich das Delikt für den Schädiger nicht mehr lohnt. Zivilrechtlich betrachtet, erhält der Geschädigte jedoch einen zusätzlichen Anspruch, der ihm weder als Schadensersatzanspruch noch als Anspruch aus dem Vermögensrecht zusteht. Sofern sich der Anspruch darüber hinaus weder der Geschäftsführung ohne Auftrag zuordnen noch als Form der Schadenspauschalierung qualifizieren lässt, bleibt nur die Einordnung als Privatstrafe. Der Anspruch erweitert den Rechtskreis des Geschädigten, selbst wenn der Gewinn an den Bundeshaushalt abzuführen ist und der Geschädigte nur seine Aufwendungen ersetzt erhält. 32 BVerfG 14.1.2004 NJW 2004, 2073, 2074 f. (zum erweiterten Verfall); kein anderes Ergebnis wegen des Bruttoprinzips BVerfG 14.1.2004 NJW 2004, 2073, 2076; BGH 28.11.1997 NJW 1998, 1723, 1728; 22.11.2000 NStZ 2001, 312; 21.8.2002 NJW 2002, 3339, 3341; Güntert, Gewinnabschöpfung, S. 11 ff.; Hellmann, GA 1997, 503, 521; Schmidt, LK-StGB, § 73 Rn. 7 ff.; Schmidt, Gewinnabschöpfung, Rn. 30. 33 Z. B. Hellmann, GA 1997, 503, 521; Hoyer, GA 1993, 406, 421; Schönke/Schröder/Eser, StGB, § 73 Rn. 2, 17; dazu Tröndle, StGB, § 73 Rn. 3 f. m. w. N.; a. A. Schmidt, LK-StGB, § 73 Rn. 7 ff.

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Etwas anderes würde nur gelten, wenn sich neben der Privatstrafe eine zusätzliche Kategorie aufzeigen ließe, die nicht nur ein Unterfall der Privatstrafe wäre, sondern dogmatische Selbständigkeit besäße. Die Gewinnabschöpfung, die nicht von einem Vermögensrecht getragen ist, dient – egal ob sie an den Geschädigten oder den Bundeshaushalt fließt – der Abschreckung, indem sie dem Schädiger den Vorteil aus dem Delikt nimmt. Der Zweck des Anspruchs kann sich auf eine Spezialprävention zugunsten des Rechtsinhabers beschränken, so dass die Generalprävention nur ein Nebeneffekt ist, wie beim Schadensersatz. Es bleibt aber dabei, dass dem Schädiger gezielt ein Nachteil zugefügt wird, der auf einem Anspruch zugunsten des Geschädigten beruht und insofern keine staatliche Sanktion ist. Die Eigenarten des Anspruchs zeigen somit erhebliche Übereinstimmungen mit der Privatstrafe. Daher sollte der Begriff der Privatstrafe weit verstanden werden, so dass er nicht nur eine Sanktion erfasst, die dem Rechtsverletzer einen Nachteil zufügt, der sowohl der Spezial- als auch der Generalprävention dient und den der Geschädigte für sich verlangen kann. Ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung oder eine Sanktion zur bloßen Spezialprävention, die weder (pauschalierter) Schadensersatz noch Folge eines Vermögensrechts ist, sind ebenfalls als Privatstrafen zu qualifizieren. Ein solch weites Verständnis erlaubt es zudem, bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Privatstrafe mit den Vorgaben des Verfassungs- und des Privatrechts zu differenzieren, so dass die Privatstrafe nicht insgesamt als unzulässig gelten muss. 2. Buße – ein überholtes Element der Rechtsordnung Die Buße als Sanktion lässt sich bis in die fränkische Zeit zurückverfolgen und umfasste zunächst den Ausgleich aller materiellen und immateriellen Schäden sowie den vom Täter zu leistenden Unrechtsausgleich.34 Neben dem Schadensausgleich hatte die Buße zunächst eine Genugtuungs- und Sühnefunktion.35 Mit Beginn der Neuzeit wurde sie von der Strafe abgelöst und ging im 18. und 19. Jahrhundert weitgehend verloren; nur in den §§ 188, 231 StGB a. F. sowie in einigen Bestimmungen des Nebenstrafrechts36 blieb sie vorerst erhalten. Die §§ 188, 231 StGB a. F. erlaubten dem Strafrichter bei Ehr- bzw. Körperverletzungen, dem Täter neben der Strafe eine Buße aufzuerlegen, die den erlittenen Schaden ausgleichen und dem Opfer die Zivilklage auf Schadensersatz ersparen sollte.37 Zudem erleichterte sie die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs, da die Möglichkeit eines Anspruchs bereits genügte, um die Buße zu 34 Ebert, Pönale Elemente, S. 17; Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 18 f.; Schumann, HRG, Buße, S. 790 f.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 55 f. 35 Schumann, HRG, Buße, S. 790, 791. 36 § 35 KUG a. F., § 40 LUG a. F., § 14 GeschmMG a. F., § 26 UWG a. F. 37 Binding, Grundrisse Strafrecht, S. 268; Dochow, Busse, S. 10; Geyer, in: Holtzendorff, Handbuch Strafrecht, Bd. III, S. 550; Kohler, Patentrecht, S. 641.

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verhängen.38 Allerdings war die Buße der Höhe nach begrenzt und ihre Verhängung schloss die Geltendmachung weiterer Schäden auf dem Zivilrechtsweg aus (§§ 188 Abs. 2, 231 Abs. 2 StGB a. F.). Daher war sie bei schweren Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen für das Opfer nicht von Vorteil. Mit Inkrafttreten des § 847 BGB a. F. verloren die Bußen an Bedeutung und wurden 1974 abgeschafft.39 Dogmatisch betrachtet ist die im Strafprozess verhängte Buße im Verhältnis zu Schadensersatz und Privatstrafe kein Tertium. Rechtsprechung und Literatur waren sich über die Rechtsnatur der Buße zunächst uneins. Teils galt sie als Privatstrafe40, teils als reiner Schadensersatz41. Auch als Sanktion mit Mischcharakter wurde sie qualifiziert.42 Am Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich schließlich die Überzeugung durch, dass es sich um bloßen Schadensersatz handle, der Vermögens- und Nichtvermögensschäden gleichermaßen ausgleiche.43 Das ergebe ein Umkehrschluss zu den §§ 188 Abs. 2, 231 Abs. 2 StGB a. F., die weitere Schadensersatzklagen nach der Verhängung einer Buße ausschlossen.44 Daher hat die Buße als terminologische Kategorie neben dem Schadensersatz und der Privatstrafe hier keine selbständige Bedeutung. Das geltende Recht kennt nur noch die Geldbuße bei Ordnungswidrigkeiten, die im Gegensatz zur Buße nach den §§ 188, 231 StGB a. F. ausschließlich hoheitliche Sanktion für Unrecht ist und der Prävention zukünftiger Rechtsverletzungen dient. III. Schadensersatz und Prävention Eine Präventionsfunktion hat grundsätzlich jede Sanktion. Die Belastung des Normverletzers mit einer negativen Sanktion hat grundsätzlich eine abschreckende Wirkung auf ihn (Spezialprävention), aber auch auf die Allgemeinheit 38 RG 10.4.1888 JW 1888, 229 (Nr. 13); RG 17.1.1911 St 44, 294, 299 (insbesondere hinsichtlich der Höhe der Buße); Kohler, Patentrecht, S. 642 f.; Rüdorff/Stenglein, StGB, § 188 Nr. 3. 39 Schumann, HRG, Buße, S. 790, 794. 40 Heinze, in: Holtzendorff, Handbuch Strafrecht, Bd. II, S. 636 Fn. 10. 41 Dambach, in: Holtzendorff, Handbuch Strafrechts, Bd. III, S. 1041; Dochow, Busse, S. 9 f., 14 ff.; Geyer, in: Handbuch Strafrecht, Holtzendorff (Hrsg.), Bd. III, S. 550; Kohler, Patentrecht, S. 651 ff., 654; Rüdorff/Stenglein, StGB, § 188 Anm. 3. 42 Loening, Deutsches Strafrecht, S. 67; Merkel/Liepmann, Verbrechen, S. 292; Schütze, Lehrbuch, S. 363, Fn. 4; v. Waechter, Buße, S. 17 ff., 43 ff. 43 St. Rspr., RG 7.3.1887 St 15, 352, 354; 20.11.1893 St 24, 397, 398; 19.11.1898 St 31, 334, 335; 20.12.1920 St 55, 188, 189; BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 224; Binding, Grundrisse Strafrecht, S. 268; Boehmer, Grundlagen, S. 22, 82; Dochow, Busse, S. 9 f., 14 ff.; Dohna, Buße, S. 455 ff.; Enneccerus/Lehmann, Bürgerliches Recht, S. 927; v. Gierke, Privatrecht, Bd. III, S. 971; Jagusch, LK-StGB, 8. Aufl. 1958, vor § 13 Anm. A III 3a; Kern, FS Mezger, S. 407, 411; Kohlrausch/Lange, StGB, vor § 13 Anm. B.7, § 188 Anm. 1; Maurach, Strafrecht, Bd. I, 1958, S. 649; Ulmer, Urheber- und Vertragsrecht, 1960, S. 411; ebenso Deutler, Schmerzensgeld, S. 76 ff.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 27; ders., Haftungsfolgen, S. 58 f.; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 54. 44 Deutler, Schmerzensgeld, S. 78.

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und hält sie so zur Rechtstreue an (Generalprävention).45 Daher ist die Präventionsfunktion auch bei Schadensersatzansprüchen allgemein anerkannt. Jede Verpflichtung zum Schadensersatz hat grundsätzlich abschreckende Wirkung. Das Haftungsrecht bewirkt die Prävention auf einer sekundären Ebene.46 Die Rechtsguts- oder Pflichtverletzung wird nicht unmittelbar abgewendet (primäre Prävention), sondern die Belastung mit der Schadensersatzpflicht soll das menschliche Verhalten steuern. Diese präventive Wirkung resultiert bereits aus dem Ob der Haftung. Solange sie sich auf die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens bezieht, hat die Haftung keinen Präventionszweck, die Abschreckung ist nur ein Nebeneffekt.47 Eine selbständige Präventionsfunktion verfolgt der Schadensersatzanspruch nur, wenn sich seine Höhe nach dem angestrebten Ziel, der Abschreckung von weiteren rechtswidrigen Rechtsverletzungen, richtet. Mit der gezielten Erhöhung der Entschädigung aus Gründen der General- bzw. Spezialprävention nimmt das Haftungsrecht den einzelnen Schädiger im Interesse des Rechtsgüterschutzes in die Pflicht und schreckt zugleich den Schädiger selbst ab.48 Der Schadensersatzanspruch bezweckt in diesem Fall die Wahrung der Rechtsordnung durch gezieltes Einwirken auf den Schädiger49 und dient somit der Verhaltenssteuerung, um zukünftigen Rechtsverstößen entgegenzuwirken.50 An dieser Stelle soll noch nicht entschieden werden, ob eine selbständige Präventionsfunktion des Schadensersatzes anzuerkennen ist. Zunächst ist zu klären, ob ein Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion eine eigenständige dogmatische Kategorie und somit ein Tertium zwischen dem Schadensersatzanspruch mit Wiedergutmachungsfunktion und der Privat45

So auch zum Haftungsrecht Löwe, Prävention, S. 70; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 307 f.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 76 ff.; Bullinger, FS v. Caemmerer, S. 297, 303; s. auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 126 ff.; Schmidt, KritV 1986, 83, 89 f., der die Unterscheidung im Zivilrecht für unerheblich hält; Weyers, Unfallschäden, S. 462 f. 46 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 306. Zum Teil wird auch von nachtatlicher Prävention gesprochen, da an einem konkreten Verhalten in der Vergangenheit angeknüpft wird (Löwe, Prävention, S. 70), was begrifflich den Zukunftsbezug der Prävention und die angestrebte Verhaltenssteuerung relativiert. 47 Z. B. Heck, Schuldrecht, S. 41; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 439; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 423 f.; Möller, Präventionsprinzip, S. 205 f.; G. Müller, VersR 2006, 1289, 1294 f.; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 14; Roussos, Schaden, S. 9 ff.; Schiemann, Prinzipien, S. 189 ff.; für eine Berücksichtigung des Präventionsgedankens aber beim Versagen des Schadensersatzanspruchs unter gleichzeitiger Ablehnung des Strafschadensersatzes BR/Spindler, BGB, § 253 Rn. 17 ff. 48 Zur Steuerungswirkung des Schadensersatzrechts für das gesamte Privatrecht v. Falkenhausen, Vorhalte- und Vorsorgekosten, S. 76; Kötz, FS Steindorff, S. 643, 645; Löwe, Prävention, S. 71; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 304 ff. 49 Dreier, Kompensation, S. 416 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 256 ff., 260 ff., 272; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 456 f.; s. auch BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); abl. Klumpp, Privatstrafe, S. 50 Löwe, Prävention, S. 58; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 456 ff.; s. auch G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 82 f.

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strafe ist.51 Bei der Auseinandersetzung mit den pönalen Elementen des Privatrechts und der Präventionsfunktion wurde der Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion mit der Privatstrafe gleichgesetzt.52 Die Autoren, die für eine Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts plädieren, differenzieren hingegen zum Teil klar zwischen Privatstrafe und Präventionsfunktion.53 Insofern wiederholt sich in diesem Punkt die Diskussion, die bereits zur Genugtuungsfunktion des Schadensersatzes geführt wurde.54 Historisch erfolgte zunächst keine Trennung zwischen Privatstrafen und Ansprüchen mit Präventionszweck. Zwar wurde dem Haftungsrecht eine Präventionsfunktion zugewiesen. Das bezog sich aber nur auf die präventive Wirkung der Wiedergutmachungspflicht, ohne dass der Schadensersatz nach Abschreckungsgesichtspunkten bemessen und insbesondere eine überkompensatorische Entschädigung zugelassen wurde. Eine selbständige Bedeutung für die Haftungsfolgen erlangte die Präventionsfunktion seit ihrer Anerkennung für die Geldentschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen im Jahre 199455, ohne dass der BGH auf die Abgrenzung zur Privatstrafe einging. Später stellte der BGH lediglich klar, dass es sich, entgegen Stellungnahmen in der Literatur56, nicht um eine Strafe i. S. von Art. 103 GG handle, da die Geldentschädigung den Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG umsetze und ihre Wurzeln im Zivilrecht habe.57 Der Präventionsgedanke sei zudem nur ein Faktor bei der Bemessung der Entschädigung, der sich nicht in jedem Fall gleich auswirke.58 Das sagt indes nichts darüber, ob der überkompensatorische Entschädigungsanspruch eine Form der Privatstrafe oder eine davon unabhängige Sanktion ist. Rechtsvergleichend ist insoweit festzuhalten, dass die hier untersuchten Rechtsordnungen zwischen der Privatstrafe bzw. dem Strafschadensersatz und dem Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunk51 Zur Einordnung als Tertium Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 399 ff.; zur parallelen Diskussion hinsichtlich der Genugtuung Kern, AcP 191 (1991), 247, 253 ff., 255. 52 Für die Untrennbarkeit von Privatstrafe und Präventionsschadensersatz Körner, NJW 2000, 241, 242; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 405 f., 423 f.; ebenso F. Bydlinski, AcP 204, (2004), 309, 344 f.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 107; Stürner, FS Großfeld, S. 1201 f.; Westermann, in: Koller, Einheit, S. 125, 137 f.; ohne Differenzierung zwischen Privatstrafe und präventivem Schadensersatz Bentert, Das pönale Element, 1996; Ebert, Pönale Elemente, 2003; Klumpp, Privatstrafe, 2002. 53 Dreier, Kompensation, S. 521; Göbel, Geldentschädigung, S. 44; Löwe, Prävention, S. 137 ff.; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 77; ebenso Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 221, 222; Jansen, JZ 2005, 160, 169; skeptisch zur Abgrenzung zwischen Privatstrafe und Prävention Stoll, Haftungsfolgen, S. 79. 54 Siehe oben § 3.D., S. 180 ff. 55 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 ff. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); siehe oben § 3.F.III., S. 200 ff. 56 Gounalakis, AfP 1998, 10, 12, 14 ff.; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, S. 123 ff., 133 ff.; a. A. Körner, NJW 2000, 241, 246; Steffen, NJW 1997, 10, 13; krit. auch Seitz, NJW 1996, 2848, 2849; s. auch Funkel, Schutz, S. 163 ff. 57 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f. (Caroline IV). 58 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 303 (Caroline IV).

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tion nicht unterscheiden.59 Die über den Schadensersatz hinausgehende Gewinnabschöpfung bei lukrativen Delikten, die der Entwurf zur Reform des Code civil in Art. 1371 enthält, wird als Privatstrafe qualifiziert.60 Der Rückgriff auf den Begriff der Prävention mag auch darauf beruhen, dass Privatstrafen ebenso wie der Strafschadensersatz im deutschen Recht grundsätzlich als unvereinbar mit der Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht abgelehnt werden. Der Rückgriff auf den Präventionsgedanken erlaubt es, zumindest auf der begrifflichen Ebene die Auseinandersetzung mit der Trennung von Zivil- und Strafrecht in den Hintergrund treten zu lassen und die Aufgaben des Privatrechts neu auszurichten. Zudem lässt sich der Präventionsgedanke auf die ökonomische Analyse des Haftungsrechts stützen und im Interesse des Rechtsgüterschutzes einsetzen. Für die ökonomische Analyse ist die Unterscheidung zwischen einem Schadensersatzanspruch mit Präventionsfunktion und einer Privatstrafe im Grunde nicht von zentraler Bedeutung, da beide die Kosten erhöhen und somit verhaltenssteuernde Wirkung entfalten.61 Eine Differenzierung zwischen dem überkompensatorischen Schadensersatz und der Privatstrafe war insoweit überflüssig. Das begriffliche Dilemma dokumentiert auch die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Sie stellt in Erwägungsgrund 26 klar, dass die Richtlinie nicht die Einführung eines Strafschadensersatzes anstrebt, der Schadensersatz sei vielmehr eine Ausgleichsentschädigung, die auf objektiver Grundlage festgelegt werde. Zugleich regelt Art. 3 Abs. 2 allgemein, dass die ergriffenen Maßnahmen und Rechtsbehelfe abschreckend sein sollen. Die angestrebte Prävention weiterer Rechtsgutsverletzungen erzwingt zwar keine überkompensatorische Entschädigung, diese ist aber eine Möglichkeit, um die von der Richtlinie angestrebte Verbesserung des Schutzes geistigen Eigentums zu gewährleisten und dem Rechtsinhaber den Gewinn aus der Erfindung oder dem Werk zu sichern. Die konkrete Schadensersatzregelung in Art. 13 der Richtlinie sieht daher vor, dass der Schadensersatz in zweifacher Weise bestimmt werden kann. Zum einen kann sich der Schadensersatz nach den materiellen und immateriellen Schäden unter Berücksichtigung des Verletzergewinns richten. Zum anderen soll eine pauschalierte Festsetzung in Höhe von mindestens der Vergütung oder Gebühr möglich sein, die für die Einwilligung verlangt worden wäre. Insofern kann der Schadensersatz über den konkreten Schaden hinausgehen. Ob darin eine Schadenspauschalierung liegt – wie es der Erwägungsgrund 26 nahelegt –, oder eher ein Schadensersatz mit selbständiger Präventions59 Zur Diskussion über die Privatstrafe durch überkompensatorische Schadensersatzansprüche bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, § 6.E.III.3., S. 356 ff. 60 Zu Art. 1371 Rapport Catala, s. § 6.B.III., S. 299 und § 6.C.V.1.a., S. 307 ff. 61 Allg. zur Kostenanalyse Calabresi, Costs of Accidents, S. 26 ff.; s. auch Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 129 ff.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 138 ff.; ferner Schlobach, Präventionsgedanke, S. 360 ff.; Bost, Verhaltenssteuerung, S. 96 ff., 191 ff.

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funktion, der aber kein Strafschadensersatz sein soll, ergibt sich aus der Richtlinie nicht. Ein Widerspruch lässt sich zumindest dadurch vermeiden, dass Art. 13 nur die Berücksichtigung des Verletzergewinns gebietet und nicht dessen vollständige Abschöpfung verlangt. Insofern kann der Verletzergewinn lediglich als Anhaltspunkt für die Pauschalierung des Schadensersatzes dienen, ohne zu einem überkompensatorischen Schadensersatz zu verpflichten. Im Übrigen bleibt es Sache der Mitgliedstaaten, einen Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion einzuführen, der über die Wiedergutmachung hinausgeht, um den Rechtsgüterschutz zu verbessern.62 Für das Verhältnis von Privatstrafe und Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion ist von zentraler Bedeutung, dass ihre Konzeption und ihre Wirkung erhebliche Übereinstimmungen zeigen.63 Sie knüpfen an einen Normverstoß oder eine Pflichtverletzung an und sollen den Schädiger gezielt belasten. Etwas anderes gilt nur bei der Gefährdungshaftung, die sich auf ein erlaubtes Verhalten bezieht. Grundsätzlich ließe sich ein überkompensatorischer Schadensersatz auch bei erlaubten Handlungen denken. Das wird jedoch von den Vertretern, die die Präventionsfunktion auf die ökonomische Analyse stützen, abgelehnt, weil er insoweit keine Steuerungswirkung entfalten könne bzw. zu hohe Vorsorgeaufwendungen verursache.64 Insofern kommt ein Präventionsschadensersatz nur bei rechtswidrigem Handeln in Betracht. Zum gleichen Ergebnis gelangt, wer im Interesse des Rechtsgüterschutzes vor rechtswidrigen Angriffen Dritter wertend eine überkompensatorische Sanktion verlangt, sofern die Schadenswiedergutmachung für den Rechtsgüterschutz nicht genügt. Der Geschädigte erhält durch die Privatstrafe oder die überkompensatorische Entschädigung einen Vorteil, der über den Schadensausgleich hinausgeht oder unabhängig vom Schadensersatz gewährt wird. Dieser Vorteil muss dem Geschädigten nicht oder nicht vollständig zufließen, aber zumindest von der Privatperson eingefordert werden können.65 Der wesentliche Unterschied zwischen Privatstrafe und Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion ergibt sich aus dem Umstand, dass der Schadensersatz stets einen Schaden voraussetzt, sowie aus der Zwecksetzung beider Sanktionen. Die Privatstrafe ist nach dem traditionellen Verständnis Ausdruck der Missbilligung der Rechtsverletzung und dient der Vergeltung und zugleich der Genugtuung des Verletzten sowie zur Abschreckung.66 Un62

Ausführlich dazu § 8.B.II.2., S. 442 ff. Löwe, Prävention, S. 148 f. (der nachfolgend aber nicht spezifisch genug auf den überkompensatorischen Schadensersatz zu Präventionszwecken eingeht); Pecher, AcP 171 (1971), 44, 68. 64 So auch zur Haftung für Fahrlässigkeit Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 729; ders., RabelsZ 64 (2000), 661, 691. 65 Vgl. insbesondere den Gesetzgebungsvorschlag im Rapport Catala für eine Privatstrafe, die es erlaubt, dass die Privatstrafe ganz oder teilweise in die Staatskasse fließt, s. § 6.C.VI.1.a., S. 309 f. 66 S. oben § 16.B.II.1., S. 677 ff. 63

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abhängig von den Argumenten für oder gegen die Wiedereinführung der Privatstrafe lässt sich zumindest festhalten, dass die Vergeltung und die Genugtuung des Geschädigten sowie die Wiederherstellung und Sicherung des Rechtsfriedens zentrale Eigenarten der Privatstrafe sind. Sie geht damit über einen bloß individuellen Rechtsgüterschutz hinaus. Darin stimmt sie mit der Kriminalstrafe überein, die – unabhängig von den Straftheorien – als Sanktion auf die Straftat erfolgt, um den Normbefehl des Strafrechts aufrechtzuerhalten, und zielt somit darauf, die Rechtsordnung zu wahren sowie den Konflikt zu lösen und Rechtsfrieden wiederherzustellen. Die Strafe geht somit über den Schutz des Rechtsgutsinhabers hinaus und verfolgt auch die Interessen der Rechtsgemeinschaft. Dabei berücksichtigt sie auch das Tatopfer.67 Die Prävention zielt hingegen ausschließlich auf die Verhaltenssteuerung in der Zukunft und hat keine repressiven Ziele. Insofern überschneiden sich die Zwecke erheblich, sind aber nicht vollständig identisch.68 Besonders wesentlich erscheint, dass die Privatstrafe, anders als der Schadensersatz mit Präventionsfunktion, nach dem hier zunächst vorausgesetzten Verständnis nicht nur dem Rechtsgüterschutz und somit einem Schutz des Rechtsgutsinhabers sowie seines subjektiven Rechts als der ihm von der Rechtsordnung zugewiesenen Rechtsmacht dient. Die Privatstrafe verfolgt auch überindividuelle Interessen wie die Sicherung des Rechtsfriedens durch die Lösung des Konflikts, der durch die rechtswidrige Handlung entstand. Allerdings wird selbst für den Schadensersatz mit Präventionsfunktion darauf verwiesen, dass der Geschädigte, der den überkompensatorischen Schadensersatz geltend mache, zusätzlich im Interesse der Allgemeinheit agiere. Er stelle nicht nur für sich, sondern auch für andere sicher, dass sich in der Zukunft solche Rechtsgutsverletzungen nicht wiederholen, und strebe eine Verbesserung des Rechtsgüterschutzes an.69 Die Generalprävention zielt daher nicht nur auf den Schädiger. Das durch die Privatstrafe Erlangte sei gleichsam die Belohnung des Klägers für die Durchsetzung des Anspruchs im Interesse der Allgemeinheit. Der Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion verfolgt insofern einen Rechtsgüterschutz70 wie er der Privatstrafe zugrunde liegt. An dieser Stelle kann es auf sich beruhen, ob und inwieweit sich die Privatstrafe 67

Zur Entwicklung des Opferschutzes und zu seiner Integration in den strafrechtlichen Rechtsgutsbegriff und die Straftheorien s. § 16.D.I.2., S. 711 ff. 68 Göbel, Geldentschädigung, S. 44; ähnlich Dreier, Kompensation, S. 521 f.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 211 f., die eine Forderung auf Geldzahlung nicht als pönal einordnen wollen, wenn das Übel weder zum Schadensausgleich noch zur Rechtsdurchsetzung dient; abl. Körner, NJW 2000, 241, 242. 69 Dreier, Prävention, S. 416 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 272; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 273; G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 446 f.; s. auch K. W. Lange, VersR 1999, 274, 278. 70 K. W. Lange, VersR 1999, 274, 277 f.; Möller, Präventionsprinzip, S. 256 ff., 260 ff.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 273, 457; s. auch Dreier, Kompensation, S. 416 ff.; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 207 f.

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bzw. der Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion ausschließlich auf den Schutz der subjektiven Rechte beschränkt, die das Privatrecht dem Rechtsinhaber zuordnet, oder ob ein Rechtsgutsbegriff sowie ein materielles Unrechtsverständnis zugrunde gelegt wird, wie es für das Strafrecht typisch ist. Hierauf kommt es vor allem an, wenn die Vereinbarkeit der Privatstrafe mit dem geltenden Privatrecht zu beurteilen ist. Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass sich die Privatstrafe und der Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion auch in ihrer Zwecksetzung erheblich überschneiden. Dieser Schadensersatz ist daher als Unterfall der Privatstrafe zu qualifizieren. Insofern besteht zwischen Schadensersatz und Privatstrafe kein Tertium in Form eines Schadensersatzes mit Präventionsfunktion. Das gilt umso mehr, wenn für die Privatstrafe ein weites begriffliches Verständnis zugrunde gelegt wird. IV. Zusammenfassung Der hier zugrunde gelegte weite Sanktionsbegriff ist rechtssoziologisch fundiert. Er steht zudem mit dem europarechtlichen Verständnis in Einklang. Innerhalb der Sanktionen ist zwischen hoheitlichen und nicht-hoheitlichen Sanktionen zu differenzieren. Schadensersatz und Privatstrafe sind insofern übereinstimmend nicht-hoheitliche Sanktionen, die sich durch ihren Zweck und ihre Ausgestaltung unterscheiden. Diese Ausdifferenzierung hatte zur Folge, dass die Buße für das Privatrecht ihre Bedeutung verlor, die in der Rechtsgeschichte lange als Hybrid aus Strafe und Schadensersatz bestand und bereits im 19. Jahrhundert überwiegend als ausschließlich restitutive Sanktion galt. Schadensersatz und Privatstrafe unterscheiden sich durch ihren Zweck und die dementsprechende Bemessung der Rechtsfolge. Ein Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion, der eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, ist eine Form der Privatstrafe. Es handelt sich nicht um ein Tertium zwischen Privatstrafe und Schadensersatz.

C. Rechtliche Qualifikation des Entschädigungsanspruchs für ideelle Einbußen I. Zur Bedeutung der rechtlichen Qualifikation des Entschädigungsanspruchs Die rechtliche Qualifikation der Entschädigungsansprüche für Nichtvermögensschäden ist ein zentraler Punkt, der auf die Funktion und die Ausgestaltung des Anspruchs sowie auf die Bemessung der Entschädigung Einfluss nimmt.71 Insbesondere die Einordnung des Entschädigungsanspruchs als Anspruch eigener Art lässt erhebliche Freiheit. Sofern der Anspruch hingegen 71

Vgl. zur Funktionsbeschreibung oben § 3., S. 148 ff. sowie zur davon abhängigen Bemessung der Entschädigung § 4., S. 220 ff.

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Teil des allgemeinen Schadensersatzrechts ist, muss er sich hinsichtlich seiner Funktion und der Bemessung der Entschädigung in diesen Kontext systematisch einfügen, so dass alle Abweichungen von der Konzeption des allgemeinen Schadensersatzrechts der Rechtfertigung bedürfen. Das Schadensersatzrecht ist nach vorherrschendem Verständnis von der Ausgleichsfunktion geprägt und fordert eine Totalreparation, die durch das Bereicherungsverbot ergänzt wird, so dass die Entschädigung nicht über den Schaden hinausgehen darf. Die Anerkennung einer selbständigen Genugtuungs- oder Präventionsfunktion, die auch eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, steht dazu im Widerspruch. Zudem erfolgt eine zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Geschädigten, wenn sich diese Funktion auf einen Teilbereich des Schadensersatzrechts beschränkt. Zu begründen ist nicht nur die Ungleichbehandlung des Ausgleichs materieller und immaterieller Schäden, sondern auch die Differenzierung zwischen den Entschädigungsansprüchen für immaterielle Einbußen. Um diesen Rechtfertigungsbedarf zu verringern, wurde der Entschädigungsanspruch vielfach als Anspruch eigener Art qualifiziert und somit von den übrigen Schadensersatzansprüchen unterschieden, so dass eine Ungleichbehandlung keiner besonderen Begründung bedurfte. Daher konnten dem Entschädigungsanspruch neben der Ausgleichsfunktion weitere Funktionen wie die Genugtuungs- oder die Präventionsfunktion zugeordnet oder Kriterien bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt werden, die ansonsten den Schadensersatz nicht beeinflussen. Zudem war der Entschädigungsanspruch auf diese Weise zumindest begrifflich von der Privatstrafe unterschieden. Im Folgenden ist die rechtliche Qualifikation der Ansprüche unter Berücksichtigung der uneinheitlichen Rechtsprechung und der Gesetzesänderungen durch die Reform des Schadensersatzrechts und die Regelung des AGG zu analysieren. II. Zur uneinheitlichen Entwicklung des Ausgleichs immaterieller Schäden und den Folgen für die rechtliche Qualifikation des Entschädigungsanspruchs 1. Keine Privatstrafe Die Regeln zum Ausgleich immaterieller Schäden im BGB fußen auf den Entwicklungen der Zivilrechtsdogmatik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Vertreter der Historischen Rechtsschule gingen zunächst davon aus, dass immaterielle Einbußen nicht Gegenstand einer Obligation sein können, so dass ihre Entschädigung nicht Schadensersatz, sondern Strafe sei.72 Zudem 72 Z. B. Arndts v. Arnesberg, Pandekten, § 202, S. 341; Dernburg, Lehrbuch, Bd. II, § 21, S. 48 f.; Mommsen, Zur Lehre vom Interesse, S. 3, 5, 122, 133; Neuner, Wesen, S. 64 ff.; Puchta, Pandekten, S. 343 f.; Savigny, Obligationenrecht, Bd. I, S. 9; Schweppe, Privatrecht, Bd. II, §369,

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entwickelte sich unter dem Einfluss von Binding eine strikte Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht.73 Strafe und Schadensersatz waren nicht mehr die einheitliche Folge des Unrechts, vielmehr war die Strafe die einzige Folge des (kriminiellen) Unrechts, wohingegen der Schadensersatz nicht an die Schuld des Täters anknüpft, sondern an den Schaden. Das Schmerzensgeld galt daher einer Reihe von Autoren als strafrechtliche Buße oder Privatstrafe.74 Die zivilrechtliche Dogmatik erweiterte jedoch den Begriff der Obligation auf extrapatrimoniale Gegenstände. Zudem sprachen sich von Wächter und im Anschluss an ihn Windscheid, Jhering und Kohler dafür aus, das Schmerzensgeld als Schadensersatz und nicht als Privatstrafe zu qualifizieren75. Ob diese Vorstellung von der Rechtsnatur der Entschädigung dem BGB zugrunde liegt, lassen die Gesetzgebungsmaterialien nicht erkennen.76 Allerdings prägte Windscheid, der die schadensersatzrechtliche Natur des Schmerzensgeldes verfocht, maßgeblich die Erste Kommission zum BGB.77 Zudem hatte die strikte Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht zur Folge, dass es nach damaligem Verständnis als ausgeschlossen galt, dass der Geschädigte in pönaler Weise auf den Schädiger einwirken könne.78 Daher wird die Schadloshaltung bei immateriellen Schäden in die deliktische Haftung einbezogen und nicht allein dem Strafrecht überlassen.79 Zudem ging § 847 BGB a. F. auf die partikularrechtlichen Regelungen zur Zeit der Vorarbeiten des BGB zurück, die eine Entschädigung für Nichtvermögensschäden als Schadensersatz gewährten.80 Als Vorbild S. 1;73 zur rechtshistorischen Entwicklung Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 14 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 193; Göthel, AcP 205 (2005), 36, 38 ff.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 47; Nehlsen-v. Stryck, JZ 1987, 119, 120 f.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 54 ff.; s. auch Walter, Schmerzensgeld, S. 241 ff. 73 Binding, Normen, S. 166 ff., 207 ff., 212 ff.; Rotering, ArchBürgR 33 (1909), 45, 46; Thon, Rechtsnorm, S. 61 f.; s. auch Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 158 f.; Hirsch, FS Engisch, S. 306, 313 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 12 f.; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 423 f. 74 Beseler, System des Privatrechts, S. 538; Gengler, Privatrecht, S. 498; Gensler, AcP 1 (1818), 143, 147 Fn. 5; Seitz, Schmerzensgeldklage, 1860, S. 166 f.; Sintenis, Civilrecht, Bd. II, S. 774; Windscheid, Pandektenrecht, 2. Aufl. 1868, S. 660; a. A. Förster, Theorie, S. 524, Fn. 39. 75 Zuerst v. Waechter, Buße, S. 72 ff.; v. Jhering, JhJb 18 (1880), 1, 41 ff., 49 f.; Kohler, Patentrecht, S. 651 f.; Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, § 251 Fn. 3, S. 3; ausführlich zur historischen Entwicklung Braschos, Immaterielle Schäden, S. 14 ff.; Deutler, Schmerzensgeld, S. 16 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 448 ff.; Göthel, AcP 205 (2005), 36 ff.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 121 f.; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 202 ff. 76 Mot. II, S. 802; dazu Kern, AcP 191 (1991), 247, 258; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 124; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 226. 77 Windscheid, Pandektenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1875, § 251 Fn. 3, S. 3; dazu Ebel, Rechtsgeschichte, Bd. II, Rn. 577; Ebert, Pönale Elemente, S. 450; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 469. 78 Mot. II, S. 17 f. 79 Mot. II, S. 22. 80 Mot. II, S. 800, die auf das ALR (I 6 § 112–114), das württembergische Gesetz v. 5.9.1839 (Art. 14), das badische Gesetz v. 6.3.1845 (Art. 1382 ff.), das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch (§ 1489) sowie die hessischen Entwurf (§ 663), bayrischen Entwurf (§§ 946, 947) und Dresdner Entwurf (§ 1009 Abs. 2) für ein Bürgerliches Gesetzbuch verweisen.

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diente außerdem die Buße nach § 231 StGB a. F., die nach der Kontroverse über ihre Funktion überwiegend als Schadensersatz galt.81 Die Aufnahme eines Entschädigungsanspruchs in das Deliktsrecht spricht somit für seine Qualifikation als Schadensersatz. Diese Entwicklung beschränkte sich nicht auf Deutschland, sondern vollzog sich auch in Österreich, der Schweiz und Frankreich.82 Auch die Rechtsprechung qualifizierte das sog. Schmerzensgeld nicht als Privatstrafe, sondern als Schadensersatzanspruch. Bereits vor Inkrafttreten des BGB ordnete das RG den gewohnheitsrechtlich anerkannten Schmerzensgeldanspruch als Schadensersatz ein.83 Zur Rechtsnatur des § 847 BGB a. F. äußerte es sich nicht84, berücksichtigte aber das schwere Verschulden des Schädigers bei der Bemessung der Entschädigung nur, soweit es verbitternd wirkte und den Schaden erhöhte85. Das spricht für die Einordnung der Entschädigung als Schadensersatz und zugleich gegen eine Qualifikation als Anspruch sui generis.86 Auch der 3. Zivilsenat des BGH stellte 1952 mit Zustimmung der Literatur klar, dass der Entschädigungsanspruch aus § 847 BGB a. F. nicht pönaler Natur sei, sondern auf Schadensausgleich ziele.87 Daher sei die Entschädigung anhand der Dauer und Intensität der erlittenen Schmerzen zu bemessen, ohne Rücksicht auf das Verschulden und die Vermögensverhältnisse des Schädigers oder das Bestehen einer Haftpflichtversicherung. Zu einer Neuausrichtung der Entschädigung nach § 847 BGB a. F. führte aber die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen aus dem Jahre 1955. Der Entschädigungsanspruch habe zwar keinen unmittelbar strafenden Charakter, auch wenn der immaterielle Schaden inkommensurabel sei.88 § 847 81

Siehe oben § 16.B.II.2., S. 681 f. Siehe oben § 7.A., S. 391 ff. In neuerer Zeit wird in allen drei Staaten vereinzelt die Einführung eines Strafschadensersatzes gefordert, ohne dass sich diese Ansicht bisher durchsetzen konnte; s. für Österreich Kletečka, ÖJZ 2008, 785 ff.; Kocholl, Punitive damages, 2001; für die Schweiz Dasser, SJZ 2000, 101, 105; für Frankreich Carval, Responsabilité civile, Rn. 22 ff., 115 ff., 157 ff.; dies., RDC 2006, 822, 823 f.; Fabre-Magnan, Responsabilité, Rn. 158; Kayser, protection, Rn. 197; vgl. Art. 1371 des Rapport Catala zur Reform des Code civil; dazu § 6.C.V.1.a., S. 309 f. 83 RG 17.11.1882 Z 8, 117, 118. 84 Z. B. RG 27.3.1906 Z 63, 104, 105; 4.1.1932 SeuffArch 86, Nr. 113. 85 RG 7.4.1932 Z 136, 60, 61 f. 86 Ebert, Pönale Elemente, S. 452 f.; anders Kern, AcP 191 (1991), 247, 259. 87 BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 224 ff.; zust. Beier, MDR 1954, 591; Boettinger, VersR 1953, 197; Ehrenzweig, VersR 1953, 80; Gelhaar, NJW 1953, 1281; Lehmann, JZ 1953, 41; Seydel, NJW 1954, 1017, 1018; schon vorher Peterßen, JW 1936, 2965; Walter, JW 1936, 2773; Wussow, VersR 1950, 93; zum pönalen Charakter der Genugtuungsfunktion auch Bentert, Das pönale Element, S. 98; Kern, AcP 191 (1991), 247, 255; Klumpp, Privatstrafe, S. 73; Körner, NJW 2000, 241, 242 f.; P. Müller, Punitive damages, S. 260 ff. 88 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 151; selbst zur Geldentschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung, BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f. (Caroline IV). 82

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BGB a. F. sei aber ein Anspruch eigener Art89 und habe eine doppelte Funktion: eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion.90 Daher beeinflussen das Verschulden und die Vermögensverhältnisse des Schädigers sowie das Bestehen einer Haftpflichtversicherung die Höhe der Entschädigung. Das Schrifttum lehnt die Genugtuungsfunktion teilweise ab, weil sie den Entschädigungsanspruch in eine Privatstrafe verwandle.91 Maßgeblich für die Anerkennung der Genugtuungsfunktion waren indes die Defizite der Ausgleichsfunktion bei seelischen Störungen, die dem Geschädigten nicht bewusst sind oder kein Unlustgefühl auslösen, so dass ein Ausgleich im Sinne der Verschaffung von positiven Empfindungen nicht möglich ist, obwohl es einer Entschädigung bedurfte.92 Im Laufe der Zeit trat die Genugtuungsfunktion bei § 847 BGB a. F. aber in den Hintergrund, so dass der Entschädigungsanspruch auf die Ausgleichsfunktion zurückgeführt wurde.93 Die Ablehnung des strafenden Charakters des Entschädigungsanspruchs war für § 847 BGB a. F. zu befürworten und entspricht auch § 253 Abs. 2 BGB. Beide Bestimmungen zielen nach ihrem Wortlaut auf die „Entschädigung“ und somit auf die Beseitigung des Schadens durch Kompensation in Geld.94 Die systematische Stellung des § 847 BGB a. F. bestätigte das zwar nicht eindeutig, da er am Ende der deliktsrechtlichen Schadensersatzvorschriften nach der Bestimmung des Mitverschuldens in § 846 BGB platziert war, die im allgemeinen Schadensersatzrecht den Regelungskomplex beendet. Insofern ergab sich nicht klar, dass die Entschädigung noch Teil des Schadensersatz89 BGH 6.7.1955 Z 18, 149 (1. Leitsatz); ebenso Böhmer, JZ 1955, 675 f.; Deutler, Schmerzensgeld, S. 91 ff.; G. Müller, VersR 1993, 909, 911; Pohle, MDR 1956, 24; Smid, Schmerzensgeld, S. 80 f.; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 53 f.; so bereits Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 22 ff. (wegen Inkommensurabilität der Schäden und gegen eine Qualifikation als Schadensausgleich i. e. S.). 90 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 151; für die Qualifikation als Privatstrafe heranziehend Bentert, Das pönale Element, S. 98; Klumpp, Privatstrafe, S. 73; Körner, NJW 2000, 241, 242; P. Müller, Punitive damages, S. 260 ff. 91 F. Bydlinski, JBl. 1965, 237, 254; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 102 f.; Härtel, VGT 1977, S. 157; Honsell, VersR 1974, 205; Horter, Strafgedanke, S. 110 ff., 132; Kern, AcP 191 (1991), 247, 261 ff.; Klimke, VersR 1981, 390, 391; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 84 f., 117 f.; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 95 ff., 103 ff.; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 126; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563, 564 f., 573; Schiemann, Prinzipien, S. 222 ff.; Schwerdtner, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1993, § 12 Rn. 290; im Ergebnis ebenso Klumpp, Privatstrafe, S. 157 ff. 92 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156 ff. 93 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 14 f.; BGH 13.10.1992 Z 120, 1, 5 ff.; 22.6.1993 Z 123, 65, 70; 29.11.1994 Z 128, 117, 119, 120 f.; s. auch Cahn, Schadensersatzrecht, S. 92; Diederichsen, VersR 2005, 433, 434; Giesen, JZ 1993, 519 f.; Huber, DAR 2000, 20, 29; G. Müller, VersR 1993, 909, 912 ff.; dies., ZRP 1998, 258, 260; dies., VersR 2003, 1, 4; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 31; G. Wagner, NJW 2002, 2049, 2054; a. A. Ebert, Pönale Elemente, S. 466 ff.; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 155; vgl. auch Körner, NJW 2000, 241, 242 f.; a.A. Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 329. 94 Mot. II, S. 22; Ehrenzweig, VersR 1953, 80; Peterßen, JW 1936, 2965, 2966 f.; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 450.

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rechts war. Die Entschädigung unterlag aber derselben Verjährung wie die deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche, was für eine einheitliche rechtliche Bewertung sprach.95 Die Neuregelung der Entschädigung des Nichtvermögensschadens in § 253 BGB von 2002 hat insoweit Klarheit geschaffen, indem sie die Haftungsfolgen in das allgemeine Schadensersatzrecht einordnete. Darüber hinaus sind immaterielle Schäden nun im Rahmen der vertraglichen Haftung und der Gefährdungshaftung zu kompensieren, obwohl für erstere eine Verschuldensvermutung gilt und letztere einen verschuldensunabhängigen Anspruch wegen eines erlaubten Risikos gewährt. Eine Privatstrafe knüpft hingegen an einen schuldhaften Rechtsbruch an. Das gilt in ähnlicher Weise im US-amerikanischen und englischen Recht.96 Somit spricht die Erweiterung der Entschädigung ideeller Einbußen auf die vertragliche und die Gefährdungshaftung gegen ihre Qualifikation als Privatstrafe.97 Zudem ist der Entschädigungsanspruch seit 1990 übertragbar und vererblich98, was mit dem Ziel der Privatstrafe, Vergeltung durch den Geschädigten gegenüber dem Schädiger zu üben und Prävention zu bewirken, unvereinbar wäre.99 Auch die Haftung für fremdes Verschulden nach § 278 BGB widerspricht der Bestrafung für begangenes Unrecht.100 Schließlich lehnt der BGH die Anrechnung der strafrechtlichen Verurteilungen ab.101 Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung im Strafprozess. Das nachtatliche Verhalten des Straftäters, insbesondere die Wiedergutmachung der durch die Straftat verursachten Schäden, hat Einfluss auf das Strafmaß (§ 46 Abs. 2 StGB) bzw. den Strafrahmen (§ 46a StGB). Zudem kann die Wiedergutmachung als Auflage bei der Einstellung des Strafverfahrens (§ 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO), der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder der Strafaus95

Ebert, Pönale Elemente, S. 451; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 124. In Einzelfällen wird zwar auch bei der vertraglichen Haftung ein Strafschadensersatz gewährt, das bezieht sich aber insbesondere auf Fälle, in denen zugleich ein deliktisches Verhalten vorliegt. Siehe § 6.C.V.2, 3., S. 312 ff., 315 ff. 97 Ebert, Pönale Elemente, S. 462 f.; dazu bereits vor der Reform Großfeld, Privatstrafe, S. 85 f.; Horter, Strafgedanke, S. 123; ein pönales Element (aber keine Privatstrafe!) annehmend Bentert, Das pönale Element, S. 21; ähnlich Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 426 f. (zur Genugtuungsfunktion). 98 Die ursprünglich beschränkte Verfügbarkeit des Anspruchs war unabhängig von seiner Rechtsnatur, sie bezog sich auf seinen personenbezogenen Entstehungsgrund auf Seiten des Geschädigten; s. Mot. II, S. 802; Ebert, Pönale Elemente, S. 449, 451; Nehlsen-v. Stryk, JZ 1987, 119, 124. 99 Ebert, Pönale Elemente, S. 451; Hammen, VersR 1989, 1121, 1122 f.; Hofstetter, Geschichte des Schmerzensgeldes, S. 67; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 404 f.; a. A. Bentert, Das pönale Element, S. 96 ff. 100 Dazu Burst, Pönale Momente, S. 124 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 12 f.; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 421; Mertens, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, vor §§ 823–853 Rn. 41. 101 BGH 29.11.1994 Z 128, 117, 121 ff.; 16.1.1996 VersR 1996, 382; dennoch den pönalen Charakter des Entschädigungsanspruchs bejahend P. Müller, Punitive damages, S. 265. 96

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setzung zur Bewährung (§§ 56b Abs. 2 Nr. 1, 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB) angeordnet werden. Der Strafprozess berücksichtigt die Schadenswiedergutmachung als Konfliktlösung zwischen Täter und Opfer auch im Interesse des Opfers.102 Das dient dem Opferschutz und macht den Entschädigungsanspruch nicht zu einer Privatstrafe, zumal sich sein Zweck nicht ändert.103 Der Schadensersatzanspruch und seine Durchsetzung finden im Strafprozess Berücksichtigung, ohne dessen Funktion zu beeinflussen.104 Für den Strafprozess ist allein die tatsächliche Entschädigung des Opfers von Bedeutung. Insofern ändert sich an der Entschädigung durch ihre Einbeziehung in den Strafprozess nichts, sie hat vielmehr Einfluss auf die Strafverfolgung. Somit ist der Entschädigungsanspruch wegen eines Nichtvermögensschadens keine Privatstrafe. Ein Bruch mit diesem Verständnis ergibt sich nur bei der erhöhten Entschädigung, die wegen der verzögerten Schadensregulierung durch den Schädiger oder seine Versicherung gewährt wird.105 Sie lässt sich nur partiell mit der Wiedergutmachungsfunktion des Anspruchs vereinbaren. Insofern kommt es darauf an, ob ein Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion anzuerkennen ist und in das Schadensersatzrecht integriert werden kann. 2. Schadensersatzanspruch oder Anspruch eigener Art Seit der Entscheidung des Großen Senats qualifizierten die Rechtsprechung und Teile des Schrifttums den Anspruch aus § 847 BGB a. F. als Anspruch eigener Art.106 Formal gehöre er zwar zum Schadensersatzrecht, materiell handle es sich indes nicht um einen bloßen Schadensausgleich, so dass sich der Anspruch nicht auf die Kompensation des Schadens beschränke, sondern auch andere Zwecke, insbesondere die Genugtuung des Geschädigten, verfolgen könne.107 Für die Bemessung der Entschädigung seien daher nicht nur der Umfang der erlittenen Schmerzen und der Verlust an Lebensfreude maßgeblich, sondern 102 Die Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung ist de facto einen Anreiz für die Schadensregulierung Hubrach, LK-StGB, § 56b Rn. 11; Ebert, Pönale Elemente, S. 548 ff.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 67, die darin aber eine erneute Annährung zwischen Zivil- und Strafrecht sehen. 103 Ebert, Pönale Elemente, S. 548 ff.; P. Müller, Punitive Damages, S. 64 ff.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 67 ff.; Stürner, AfP 1998, 1, 8. 104 Ausführlich dazu § 16.D.I.2., S. 711 ff. 105 Ausführlich dazu § 4.C.VII., S. 255 ff. 106 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156; 18.12.1956 VersR 1957, 103; 19.1.1960 BB 1960, 574; 16.11.1961 MDR 1962, 118; 13.1.1964 VersR 1964, 389; Böhmer, JZ 1955, 675 f.; Deutler, Schmerzensgeld, S. 91 ff.; Eickhoff, Bemessung, S. 41 ff., 95 f.; G. Müller, VersR 1993, 909 ff.; Pohle, MDR 1956, 24; Schmid, Schmerzensgeld, S. 80 f.; Wiese, Immaterieller Schaden, S. 53 f.; Zeytin, Schmerzensgeld, S. 241, 244; ähnlich Ady, Ersatz, S. 91 f.; Ehrenzweig, VersR 1953, 80; s. auch Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 141 (schadensersatzähnlicher Genugtuungsanspruch); ähnlich bereits Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 22 ff.; a. A. Geigel, NJW 1954, 706; Gelhaar, NJW 1953, 1281; Günther, Schmerzensgeld, S. 60 ff.; Seydel, NJW 1954, 1017; ferner Ebert, Pönale Elemente, S. 464 ff. 107 Siehe Fn. 101; dazu auch Ebert, Pönale Elemente, S. 458 f.

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auch das Verschulden und die Vermögensverhältnisse des Schädigers sowie das Bestehen einer Haftpflichtversicherung.108 Die Begründung stützt sich auf die Inkommensurabilität als Eigenart des immateriellen Schadens. Die Entschädigung in Geld erlaubt es dem Geschädigten zwar, sich Lebensfreude zu verschaffen, es handle sich aber nicht um eine Schadensbeseitigung, sondern um die Gewährung eines Gegenvorteils.109 Zudem sei die Entschädigung des inkommensurablen Schadens nicht handhabbar, da sich nicht bestimmen lasse, welcher Betrag zur Verschaffung von Lebensfreude erforderlich sei, um einen angemessenen Ausgleich zu bewirken.110 Daher ordne § 847 BGB a. F. eine billige Entschädigung in Geld, aber keinen Schadensersatz an und weiche vom Grundsatz der Totalreparation ab.111 Hierauf verweise bereits die Bezeichnung als Entschädigung im Gegensatz zum Schadensersatz.112 Zudem sei die Entschädigung nicht „für“, sondern „wegen“ des ideellen Schadens zu leisten.113 Dem ist mit einem Teil des Schrifttums entgegenzuhalten, dass der Inkommensurabilität des Nichtvermögensschadens durch „billige“ Entschädigung in Geld Rechnung getragen wird.114 Anders als bei Vermögensschäden ist der Schadensersatz nicht konkret zu berechnen, sondern orientiert sich in seiner Höhe an der eingetretenen Einbuße und der Gleichbehandlung vergleichbarer Schadensfälle.115 Die billige Entschädigung in Geld erlaubt die Berücksichtigung anderer Kriterien als beim Ersatz von Vermögensschäden, solange ihre Bemessung mit der Funktion des Entschädigungsanspruchs kohärent ist.116 Insofern ergibt sich aus der Inkommensurabilität des Schadens nicht zwingend, dass es sich um einen Anspruch eigener Art handelt. Daher wurde bereits § 847 BGB a. F. zu Recht als Schadensersatz qualifiziert.117 Das steht mit 108

St. Rspr. seit BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156 ff.; anders noch BGH 29.9.1952 Z 7, 223,

227 ff. 109 Z. B. Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 24 f.; Deutler, Schmerzensgeld, S. 89, 96; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 142. 110 BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 156; Deutler, Schmerzensgeld, S. 96 f.; Geigel, NJW 1954, 706; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 141. 111 Deutler, Schmerzensgeld, S. 89; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 141; Seydel, NJW 1954, 1017, 1020 f.; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 91. 112 Ady, Ersatzansprüche, S. 91. 113 Geigel, NJW 1954, 706; Knöpfel, AcP 155 (1956), 135, 140; G. Müller, VersR 1993, 909, 911; ferner Ady, Ersatzansprüche, S. 91; ähnlich Möller, Präventionsprinzip, S. 217 (sieht aber den Bezug zu § 251 BGB). 114 Böhmer, VersR 1954, 105; Boettinger, VersR 1953, 197; Dieckertmann, NJW 1954, 1757 f.; Ehrenzweig, VersR 1953, 80; Geigel, NJW 1954, 706, 707; Walter, JW 1936, 2773; a. A. Ebert, Pönale Elemente, S. 464 f.; Gelhaar, NJW 1953, 1281, 1281 f.; Seydel, NJW 1954, 1017. 115 Siehe § 4.A.II., S. 224 ff., § 13.A.II., S. 612 ff. 116 Siehe Fn. 109. 117 Beier, MDR 1954, 591; Boettinger, VersR 1953, 197; Ehrenzweig, VersR 1953, 80 f.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, S. 1004 f.; Gelhaar, NJW 1953, 1281; Lehmann, JZ 1953, 41; Peterßen, JW 1936, 2965; Schroot, BB 1955, 144, 149; Seydel, NJW 1954, 1017; Steffen, FS Odersky, S. 723, 724; Walter, JW 1936, 2773; Weigelt, DAR 1953, 13, 14; Wussow, VersR 1950, 93; s. auch Canaris, FS Deutsch, S. 85, 102 f.; Huber, NZV 2006, 169, 171.

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der Änderung des § 847 BGB a. F. im Jahre 1990 in Einklang. Der Entschädigungsanspruch ist seitdem unabhängig von der Schadensart übertragbar und vererblich. Der BGH qualifizierte den Entschädigungsanspruch aus § 847 BGB a. F. später nicht mehr ausdrücklich als Anspruch eigener Art, wies ihm aber zumindest bei vorsätzlichen Rechtsverletzungen eine Genugtuungsfunktion zu.118 Diese wirkt eher als Ausprägung der Billigkeit, die die Bemessung der Entschädigung berührt, ohne die Qualifikation des Anspruchs zu beeinflussen.119 Für die Qualifikation des Entschädigungsanspruchs als Schadensersatz spricht inzwischen vor allem die Neuordnung des Schadensersatzrechts von 2002, die ihn zum systematischen Bestandteil des allgemeinen Schadensersatzrechts gemacht hat.120 Der Ausgleich ideeller Schäden ordnet sich seitdem in das allgemeine Schadensersatzrecht ein und ist systematisch Schadensersatz. Die §§ 251–253 BGB regeln die Kompensation der Vermögens- und Nichtvermögensschäden in Geld. Die unterschiedliche Bemessung der Entschädigung ist allein durch die Inkommensurabilität ideeller Schäden bedingt. 3. § 253 Abs. 2 BGB als Rechtsfolgenbestimmung Für § 847 BGB a. F. bestand weitgehend Einigkeit, dass es sich um eine eigene Anspruchsgrundlage handelte, obwohl die Regelung eine Ausnahme zur Rechtsfolgenbestimmung in § 253 BGB a. F. war.121 Der ideelle Schaden war daher nicht nur Rechnungsposten innerhalb des Schadensersatzes, sondern ein eigener Anspruch und prozessual ein selbständiger Streitgegenstand. Mit der Eingliederung des § 847 BGB a. F. in das allgemeine Schadensersatzrecht ist daran nicht mehr festzuhalten. Die Gesetzgebungsmaterialien sprechen zwar weiterhin von einem Anspruch auf Entschädigung122, es ist aber nicht ersichtlich, dass § 253 Abs. 2 BGB dadurch als eigener Anspruch charakterisiert werden sollte. Die Gesetzesbegründung setzt sich nicht substantiell mit der Anspruchsqualität der Regelung in § 253 Abs. 2 BGB auseinander, so dass es sich eher um einen unreflektierten Sprachgebrauch handelt, der darauf beruht, dass § 847 BGB a. F. über Jahrzehnte als Anspruchsgrundlage galt.123 Die §§ 249 ff. BGB enthalten aber nur Rechtsfolgenbestimmungen. Dem widerspräche es 118

BGH 29.11.1994 Z 128, 117, 121. BGH 29.11.1994 Z 128, 117, 121. 120 Ebert, Pönale Elemente, S. 463; s. auch Jaeger, VersR 2002, 719. 121 RG 6.4.1932 Z 140, 392, 394 f.; 24.9.1942 Z 170, 37, 39; BGH 29.9.1952 Z 7, 223, 224; 6.7.1955 Z 18, 149, 150, 151; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, S. 1004; Erman/Schiemann, BGB, 10. Aufl. 2000, § 847 Rn. 1; Kreft, RGRK-BGB, § 847 Rn. 17; Larenz, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 590; Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl. 2002, § 847 Rn. 1; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl. 1999, § 847 Rn. 2, 17; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rn. 7; a. A. auch Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; E. Schmidt, MDR 1971, 538, 540; Oetker, MünchKommBGB, § 253 Rn. 15. 122 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24. 123 Ebenso Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 23. 119

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systematisch, wenn § 253 Abs. 2 BGB eine Anspruchsgrundlage enthielte.124 § 253 Abs. 2 BGB ist zudem eine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB, der eine Entschädigung als Haftungsfolge bei Nichtvermögensschäden in Abgrenzung zu § 251 BGB ausschließt. § 253 Abs. 2 BGB kann schließlich als komplementäre Regelung zu den §§ 251 f. BGB für die immateriellen Schäden angesehen werden. § 253 Abs. 2 BGB teilt daher grundsätzlich deren Rechtscharakter und ist als bloße Rechtsfolgenbestimmung zu qualifizieren.125 Diese dogmatische Veränderung hat zur Folge, dass der Ausgleich von Vermögens- und Nichtvermögensschäden nicht mehr auf der Grundlage eigener Ansprüche erfolgt, die jeweils einen eigenen Streitgegenstand bilden. Es besteht ein einheitlicher Schadensersatzanspruch, dessen Umfang sich nach den §§ 249 ff. BGB bestimmt. Die Beträge, die den materiellen bzw. immateriellen Schaden wiedergutmachen sollen, sind Rechnungsposten dieses Anspruchs. Daher kann nur noch ein einheitlicher Streitgegenstand bestehen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass § 287 Abs. 1, 2 ZPO erlaubt, für die Entschädigung der ideellen Einbußen einen unbezifferten Klageantrag zu stellen. Die Behandlung des Schadensersatzanspruchs als einheitlichen Anspruch und Streitgegenstand im prozessualen Sinne hängt davon nicht ab. Maßgeblich ist vielmehr, dass ein einheitlicher Sachverhalt zugrunde liegt, der auf einen Anspruch bezogen ist. Der Klageantrag ist daher für die Vermögensschäden weiterhin konkret zu beziffern, um den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen. Hinsichtlich der Nichtvermögensschäden kann ein unbezifferter Klageantrag gestellt werden. III. Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Den Anspruch auf Ersatz der immateriellen Schäden, die infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingetreten sind, stützt der BGH auf den grundrechtlichen Schutz der Persönlichkeit durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.126 Der Entschädigungsanspruch beseitigt ein Rechtsschutzdefizit und trägt der Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rechtsgut 124 Ady, ZGS 2003, 13, 16; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 253 Rn. 7; Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 15; Rauscher, Jura 2002, 577, 579; Schulze/Ebers, JuS 2004, 366, 367; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 23. 125 Ady, ZGS 2003, 13, 16; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 253 Rn. 7; Diederichsen, VersR 2005, 433, 435; Huber, AnwK-BGB, § 253 Rn. 2; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 969; Oetker, MünchKomm-BGB, § 253 Rn. 16; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 253 Rn. 2; Rauscher, Jura 2002, 577, 579; Schulze/Ebers, JuS 2004, 366, 367; Vieweg, juris-PK, § 253 BGB Rn. 23. 126 St. Rspr., BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 367 f. (Ginsengwurzel); s. auch BGH 5.3.1961 Z 39, 124, 131 f. (Fernsehansagerin); 16.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 1.12.1999 Z 143, 214, 218 f. (Marlene Dietrich); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f.; s. auch BVerfG 14.2.1973 NJW 1973, 1221, 1222 (Soraya); 8.3.2000 NJW 2000, 2187 (Marlene Dietrich).

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Rechnung.127 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als immaterielles Rechtsgut wegen seiner Ubiquität leichter zu verletzen als Körper oder Eigentum. Zudem besitzen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nicht die gleiche Wirksamkeit wie beim Schutz anderer Rechtsgüter.128 Schließlich ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht in gleichem Maße wie Körper, Gesundheit und Leben durch das Strafrecht geschützt. Es besteht nur punktuell ein Schutz des Brief- und Fernmeldegeheimnisses und der Ehre, die Privatsphäre ist hingegen nicht vollständig erfasst.129 Dieses Defizit soll der Entschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG beseitigen. Der BGH qualifizierte den Entschädigungsanspruch daher in der ersten Caroline-Entscheidung als selbständigen Anspruch, der sich vom Schmerzensgeld nach § 847 Abs. 1 BGB grundlegend unterscheide und ein Anspruch eigener Art sei.130 Das erleichterte zugleich die eigenständige Weiterentwicklung im Sinne eines effektiven Rechtsgüterschutzes, da das Abweichen von der Ausgleichsfunktion so leichter zu rechtfertigen ist. Terminologisch unterscheidet die Rechtsprechung diese Haftungsfolge vom Schadensersatz und von der Entschädigung, indem sie jene als Geldentschädigung bezeichnet.131 Anders als der Schadensersatz habe der Anspruch eine Genugtuungsfunktion und diene in Fällen rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung zugleich der Prävention, obwohl die Verhaltenssteuerung traditionell nicht das primäre Ziel des Schadensersatzes, sondern nur ein Reflex der Haftung ist.132 Insoweit gewährt der BGH zum Zweck der Prävention eine überkompensatorische Entschädigung.133 Die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 253 Abs. 2 BGB und die Geldentschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen werden daher hinsichtlich des Zwecks und der Bemessung der Entschädigung unterschiedlich behandelt.134 Das BVerfG sieht darin angesichts 127 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); s. aber BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187, das auf § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verweist. 128 BGH 5.3.1963 Z 39, 124, 131 (Fernsehansagerin); Dreier, Kompensation, S. 60 ff., 101 ff. 129 Grundsätzlich gegen eine Erweiterung der strafrechtlichen Sanktion Dreier, Kompensation, S. 523 ff. 130 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); s. auch BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 232; Soehring, NJW 1997, 360, 372; Steffen, NJW 1997, 10. 131 Durch die Rspr. vollzogene begriffliche Trennung seit BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 370 (Ginsengwurzel); s. insbesondere BGH 14.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); dazu Löffler/Steffen, § 6 LPG Rn. 334; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 738 f.; Steffen, NJW 1997, 10; Wenzel/ Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 96; s. auch Soehring, Recht der journalistischen Praxis, S. 384 ff. 132 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III). 133 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f. 134 Siehe unten § 4.D.II., S. 266 f.

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der unterschiedlichen Ableitung der Ansprüche keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.135 Die Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt – ebenso wie § 847 BGB a. F. – als eigenständiger Anspruch.136 Daran ist trotz der Reform des Schadensersatzrechts festzuhalten, die die Entschädigung der Nichtvermögensschäden in § 253 Abs. 2 BGB als Rechtsfolgenbestimmung in das allgemeine Schadensersatzrecht eingliederte. Diese Veränderung erfasste die Entschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht. Der Gesetzgeber sprach sich für die Fortführung der bisherigen Rechtsprechung aus.137 Zudem steht die auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG beruhende Geldentschädigung für den BGH außerhalb der allgemeinen Systematik des Schadensersatzrechts, so dass dessen Reform keine Veranlassung gab, die Entschädigung immaterieller Einbußen wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Erweiterung der Rechtsfolgenbestimmungen in § 253 Abs. 2 BGB anzusehen. Allerdings qualifiziert der BGH den Entschädigungsanspruch auch nicht als Strafe i. S. des Art. 103 Abs. 1, 3 GG, weil es sich nicht um eine hoheitlich verhängte Sanktion handelt.138 Zudem verwirkliche der Anspruch auf Geldentschädigung das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und vervollständige den Rechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, so dass er Bezüge zum Verfassungs- und Zivilrecht aufweise und nicht als strafrechtliche Sanktion einzuordnen sei.139 Problematisch ist hingegen, ob die Geldentschädigung eine Privatstrafe ist. Das hängt davon ab, ob die selbständige Präventionsfunktion genügt, um den Entschädigungsanspruch als Privatstrafe zu qualifizieren. Nach dem hier entwickelten Verständnis ist der Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion, der eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, eine Form der Privatstrafe, da die Verhaltenssteuerung auch der Strafe eigen ist und der ausschließliche Zukunftsbezug der Prävention nicht ausreicht, um sie von der Privatstrafe zu unterscheiden. Einen anderen Ansatz verfolgt ein Teil der Literatur, der den Entschädigungsanspruch wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen in das Schadensersatzrecht eingliedert.140 Das gilt insbesondere für Autoren, die den Entschä135

BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187 f.; krit. Hoppe, VersR 2000, 1114 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 453; s. auch Ullmann, WRP 2000, 1049, 1052 f. 136 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 367 f. (Ginsengwurzel); 5.3.1963 Z 39, 124, 130 ff. (Fernsehansagerin); 29.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I). 137 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 24 f. 138 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f.; BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 232. 139 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f.; BR/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 232; Körner, NJW 2000, 241, 244, 246; Steffen, NJW 1997, 10, 12; abl. zur Anwendung von Art. 103 Abs. 2, 3 GG BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f.; BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 292 (Soraya). 140 Analogie zu § 847 BGB a. F. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 86, 100; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 452 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 494 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56; s. auch Deutsch, ZRP 1998, 292; Peifer, JR 1996, 420, 421 f.

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digungsanspruch vor der Reform des Schadensersatzrechts auf eine Analogie zu § 847 BGB a. F. stützten.141 Der Entschädigungsanspruch dient danach dem Schadensausgleich. Die Abschöpfung des Verletzergewinns soll auf der Grundlage von §§ 819, 818 Abs. 4, 285 BGB und der §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB erfolgen.142 Diese Ansprüche beruhen darauf, dass dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein Zuweisungsgehalt zuerkannt wird, soweit ein vermögensrechtlicher Bestandteil betroffen ist.143 Auch Westermann relativiert die Eigenständigkeit des Entschädigungsanspruchs bei Persönlichkeitsverletzungen und ordnet ihn in das Schadensersatzrecht ein.144 Die Gewinnabschöpfung integriert er indes in die Bemessung der Entschädigung.145 Zur Begründung verweist er auf den gewerblichen Rechtsschutz, der bei Vermögensschäden eine dreifache Schadensberechnung erlaube, so dass der Geschädigte zwischen der Entschädigung des entgangenen Gewinns, der entgangenen Lizenzgebühr (Lizenzanalogie) und der Herausgabe des Verletzergewinns wählen dürfe.146 Das solle in vergleichbarer Weise bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts möglich sein. Die rechtliche Qualität des Entschädigungsanspruchs wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hängt somit von zwei Aspekten ab. Ein Anspruch sui generis ist zwingend anzunehmen, wenn die Ableitung des Anspruchs aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG daran hindert, ihn als Schadensersatzanspruch zu qualifizieren. Der Rückgriff auf das Grundrecht erfolgte aber vor allem wegen des Ausschlusses der Entschädigung von Nichtvermögensschäden durch § 253 BGB a. F. Zudem gibt die grundrechtliche Schutzpflicht nur vor, dass der Gesetzgeber zum Schutz des Grundrechtsinhabers eingreift, ohne dass der Anspruch eine besondere Ausgestaltung haben muss. Auch andere privatrechtliche Bestimmungen lassen sich als Umsetzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht begreifen, ohne dass sie deswegen außerhalb der Dogmatik des Privatrechts stünden und einen anderen Zweck als vergleichbare Regelungen verfolgten. Somit zwingt die Ableitung des Entschädigungsanspruchs nicht zu seiner Qualifikation als Anspruch sui generis. Einer Einordnung des Entschädigungsanspruchs in das Schadensersatzrecht steht somit vor allem die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunk141

Canaris, FS Deutsch, S. 85, 100; Ehlers, Geldersatz, S. 170 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 494 f. (den Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ablehnend); H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 131; ebenso Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 452 f.; s. auch Staudinger/Schiemann, BGB, § 253 Rn. 56, der für die Zeit vor der Schadensersatzreform eine Analogie zu § 847 BGB a. F. für zulässig hält, eine vergleichbare Rechtsfortbildung hinsichtlich § 253 Abs. 2 BGB hingegen ablehnt. 142 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 109. 143 Ausführlich dazu § 17.B.II, D., S. 744 ff., 765 ff. 144 Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 131, 142. 145 Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 144 ff.; abl. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 105 ff.; Peifer, JR 1996, 420, 422. 146 Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 144 ff.

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tion entgegen, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt und den Anspruch zur Privatstrafe macht, um den Rechtsgüterschutz zu verbessern. Die vom 6. Zivilsenat des BGH entwickelte selbständige Präventionsfunktion des Anspruchs wird vor allem durch die Rechtsprechung des 1. Zivilsenats in Frage gestellt, der vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts anerkennt und bei ihrer Verletzung alternativ einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, auf Wertersatz aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB oder auf Herausgabe des Verletzergewinns aus den §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 S. 1 BGB gewährt.147 Eine Gewinnabschöpfung ist somit möglich, ohne dass es der Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion bedarf. Das spricht dafür, die selbständige Präventionsfunktion aufzugeben. Folglich hätte der Entschädigungsanspruch ausschließlich eine Wiedergutmachungsfunktion und gliederte sich in das Schadensersatzrecht ein. Zugleich befürworten indes einzelne Autoren, den Schadensersatzansprüchen generell eine Präventionsfunktion zuzuweisen.148 Sie verweisen für diese Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts insbesondere auf die Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und gliedern dadurch im Ergebnis den Anspruch auf Geldentschädigung ebenfalls in das Schadensersatzrecht ein, so dass er seine Sonderstellung verlöre. Allerdings hat das Schadensersatzrecht nach diesem Verständnis stets eine selbständige Präventionsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt. Eine abschließende Beurteilung der rechtlichen Qualifikation der Geldentschädigung ist somit erst möglich, wenn diese Entwicklungen bewertet wurden. Dabei ist zunächst auf die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts einzugehen, da sie die Anerkennung der selbständigen Präventionsfunktion beeinflusst. Im Anschluss daran sind die Vorschläge zu einer Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts im Sinne einer selbständigen Präventionsfunktion zu würdigen. IV. Entschädigung wegen einer ungerechtfertigten Benachteiligung 1. Zur Rechtsnatur der Entschädigungsansprüche aus § 611a BGB a. F. und § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX a. F. Die Rechtsnatur des Entschädigungsanspruchs wegen unzulässiger Benachteiligung war während der Geltung von § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F. und § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX a. F. stark umstritten, ebenso wie der Zweck der Entschädigung und ihre Bemessung. Das beeinflusste die Diskussion über die selb147 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 219 f. (Marlene Dietrich); 1.12.1999 NJW 2000, 2201 f. (Der blaue Engel); 5.10.2006 Z 169, 193, 196 (kinski-klaus.de); 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 AfP 2008, 598, 599 ff. (geschwärzte Worte); 5.6.2008 NJW 2008, 3782 (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 148 Siehe unten § 16.D.III., S. 776 f.

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ständige Präventionsfunktion im Schadensersatzrecht und die Rechtsnatur der nachfolgenden Bestimmungen in den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, da die Umsetzung der europäischen Richtlinien im AGG zu keiner Verschlechterung gegenüber der früheren Rechtslage führen darf149. § 611a BGB a. F. enthielt nach wiederholter Änderung einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch, der auf das positive Interesse ging und die ideellen Schäden einbezog.150 Diesen Schutz vor Benachteiligungen dehnte § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX a. F. auf die Schwerbehinderten aus. Das BAG sah weder in § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F.151 noch in § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX a. F. eine Privatstrafe.152 Es sprach moderate Beträge zu und erhöhte den Schadensersatz nicht durch Strafaufschläge. Auch die Literatur lehnte den pönalen Charakter des § 611a BGB a. F. überwiegend ab, weil es sich um einen verschuldensunabhängigen Anspruch handle und eine Strafe nicht unabhängig von der Schuld auferlegt werden könne.153 Einer Privatstrafe stünden sowohl verfassungsrechtliche Erwägungen (Art. 103 Abs. 2, 3 GG)154 als auch Art. 6 Abs. 2 EMRK entgegen155. Unabhängig davon war streitig, ob der Entschädigungsanspruch – ohne Privatstrafe zu sein – einen Anspruch auf überkompensatorische Entschädigung gewährt. Ein Teil des Schrifttums ging davon aus, dass sich der Entschädigungsanspruch auf den Schadensausgleich beschränke.156 Die Haf149 Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/43/EG, Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG, Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2004/113/EG, Art. 27 Abs. 2 Richtlinie 2006/54/EG. 150 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 (Dekker); 2.8.1993 Slg. 1993, I-4367 (Marshall II); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 (Draehmpaehl); s. dazu Kandler, Sanktionsregelungen, S. 83 ff.; zur letzten Fassung des § 611a BGB a. F. z. B. Annuß, NZA 1999, 738, 741; APS/Linck, KSchR, 2. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 101; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 255; ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 35, 37; Hohmeister, BB 1998, 1790 f.; Kandler, Sanktionsregelungen, S. 166 f.; KR-Pfeiffer, 8. Auf. 2007, § 611a BGB Rn. 99, 102 f.; Treber, NZA 1998, 856, 858; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1015; Zwanziger, DB 1998, 1330, 1331. 151 BAG 14.3.1989 AP Nr. 5 zu § 611a BGB. 152 BAG 15.2.2005 AP Nr. 7 zu § 81 SGB IX. 153 APS/Linck, KSchR, § 611a BGB Rn. 102; Herrmann, ZfA 1996, 19, 40; Körner, NJW 2000, 241, 245 f. (mit Zweifeln am reinen Ausgleichscharakter); KR-Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 104; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; Zwanziger, BB 1995, 1404, 1406; krit. auch Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 53; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1013. 154 Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3, 103 Abs. 2, 3 GG APS/Linck, KSchR, § 611a BGB Rn. 102; Herrmann, ZfA 1996, 19, 40; KR-Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 104; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; Zwanziger, BB 1995, 1404, 1406; krit. auch Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 53; a. A. Annuß, NZA 1999, 738, 741 f.; Richardi, MünchArbR, 2. Aufl. 2000, § 11 Rn. 39; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 412. 155 Westenberger, § 611a BGB, S. 51; s. auch Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 100. 156 ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 38; Kocher, AuR 1998, 221, 222; Raab, DStR 1999, 854, 858; Treber, DZWir 1998, 177, 184; Wendeling-Schröder/Buschkröger, FS Däubler, S. 127, 130 ff.; Wendeling-Schröder, DB 1999, 1012, 1013; s. auch Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2001, § 611a Rn. 61; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; ähnlich Zuleeg, RdA 1984, 325, 331; vgl. weiter Körner, NJW 2000, 241, 245 f. (aber mit Zweifeln am reinen Ausgleichscharakter).

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tung sei verschuldensunabhängig und entfalte daher eine hinreichend abschreckende Wirkung, so dass keine zusätzliche Verhaltenssteuerung durch eine überkompensatorische Entschädigung erforderlich sei. Zum Teil wurde sogar angenommen, dass es nicht in jedem Fall einer genauen Schadensbestimmung oder eines vollständigen Schadensausgleichs bedürfe, da nur eine angemessene Entschädigung erfolgen müsse.157 Angesichts der Vorgaben des EuGH, der eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion fordert158, wurde dem Entschädigungsanspruch aus § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F. von einem Teil der Literatur eine selbständige Präventionsfunktion zugesprochen, die eine überkompensatorische Entschädigung rechtfertigt.159 Art. 6 der Richtlinie 76/207/EWG fordere eine effektive Prävention zum Schutz der Chancengleichheit, so dass § 611a BGB a. F. Benachteiligungen ahnden und vor zukünftigen Rechtsverletzungen abschrecken müsse.160 Daher sei der Schadensausgleich um einen Strafaufschlag zu ergänzen.161 Autoren, die darin eine Privatstrafe sehen, machen den Strafaufschlag wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben vom Verschulden abhängig.162 Für die Qualifikation als Privatstrafe wird auch darauf verwiesen, dass die Entschädigung von der Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers abhänge und die wiederholte Benachteiligung zu ihrer Erhöhung führe.163 Zudem setze § 611a Abs. 2, 3 BGB a. F. keine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus und gewähre dennoch einen Entschädigungsan157 Buchner, MünchArbR, 2. Aufl. 2000, § 40 Rn. 203; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 256; ErfK/Schlachter, § 611a BGB Rn. 37; Henssler/Willemsen/Kalb/Thüsing, Arbeitsrecht, § 611a BGB Rn. 67; Herrmann, ZfA 1996, 19, 31; Raab, DStR 1999, 854, 858; Treber, NZA 1998, 856, 858; für eine Ermittlung des materiellen Schadens als Mindestschaden APS/Linck, KSchR, § 611a BGB Rn. 103; Henssler/Willemsen/Kalb/Thüsing, Arbeitsrecht, § 611a BGB Rn. 67. 158 EuGH 10.4.1984 Slg. 1984, 1891 Rn. 21 ff. (von Colson und Kamann); 10.4.1984 Slg. 1984, 1921 Rn. 21 ff. (Harz); 8.11.1990 Slg. 1990, I-3941 Rn. 23 (Dekker); 2.8.1993 Slg. 1993, I4367 Rn. 24 (Marshall II); 22.4.1997 Slg. 1997, I-2195 Rn. 25 ff. (Draehmpaehl). 159 Annuß, NZA 1999, 738, 740; Ebert, Pönale Elemente, S. 353 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 140 f.; zurückhaltend Treber, DZWir 1998, 177, 184 (geht wohl nicht davon aus, dass § 611a BGB eine überkompensatorische Entschädigung zulässt). 160 Annuß, NZA 1999, 738, 740 ff.; Eckert, Hk-BGB, 5. Aufl. 2007, §§ 611a-611b Rn. 3; Herrmann, ZfA 1996, 19, 35 f.; Hohmeister, BB 1998, 1790, 1791; P. Müller, Punitive Damages, S. 150 ff.; Müller-Glöge, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2001, § 611a Rn. 60; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 19, 98; Wank, FS Wißmann, S. 599, 616; Wendeling-Schröder/Buschkröger, FS Däubler, S. 127, 131; auf die Gesetzesbegründung verweisend Ebert, Pönale Elemente, S. 353; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 411. 161 Annuß, NZA 1999, 738, 740, 741; Ebert, Pönale Elemente, S. 350 f., 353 f.; Eckert, HkBGB, 5. Aufl. 2007, §§ 611a-611b Rn. 3; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 254; Herrmann, ZfA 1996, 19, 37; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 19, 98; Volmer, BB 1997, 1582, 1584 f.; Zwanziger, BB 1995, 1404, 1406; ähnlich Birk, NZA 1984, 145, 148. 162 Annuß, NZA 1999, 738, 740, 741; Ebert, Pönale Elemente, S. 349, 350 f.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 412; Westenberger, § 611a BGB, S. 44 ff. 163 Klumpp, Privatstrafe, S. 73; s. auch Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 411 unter Bezugnahme auf § 46 StGB.

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spruch.164 Die Autoren, die eine Differenzierung zwischen einer Privatstrafe und einem Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion für möglich erachten, qualifizieren § 611a BGB a. F. hingegen als einen Anspruch, der eine überkompensatorische Entschädigung erlaube, um die von der Richtlinie geforderte Prävention sicherzustellen.165 Das Gleiche wird für § 81 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX a. F. vertreten.166 2. Entschädigungsansprüche nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG a) Keine Privatstrafe und kein Anspruch eigener Art Die Entschädigungsansprüche aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG setzen die Vorgaben der neuen Antidiskriminierungsrichtlinien um, ohne dass ihre Rechtsnatur ausdrücklich geregelt ist. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch wegen unzulässiger Benachteiligung.167 Ein solcher Anspruch ist ein Bruch mit den tradierten Kategorien des deutschen Haftungsrechts, das die Haftung für rechtswidriges Verhalten vom Verschulden des Schädigers abhängig macht.168 Nur die Gefährdungshaftung gewährt einen verschuldensunabhängigen Anspruch, der sich indes auf die Verwirklichung der typischen Risiken der vom Gesetz erfassten, erlaubten Verhaltensweisen beschränkt. Die Rechtsnatur des Entschädigungsanspruchs hängt davon ab, ob sich der Anspruch trotz seiner Verschuldensunabhängigkeit in das Schadensersatzrecht einordnet und seine Funktion sowie der Umfang der Entschädigung nicht entgegenstehen. Die §§ 15 Abs. 1, 2, 21 Abs. 2 AGG trennen zwischen dem Schadensersatzanspruch für den Ausgleich der Vermögensschäden und einem Entschädigungsanspruch für die Kompensation der Nichtvermögensschäden. Die terminologische und systematische Trennung nahm der Gesetzgeber lediglich vor, um klarzustellen, dass die Entschädigung der Nichtvermögensschäden unabhängig vom Verschulden erfolgt.169 Daraus ergibt sich nicht, dass der Entschädigungsanspruch ein Anspruch eigener Art oder eine Privatstrafe ist. Der Begriff der Entschädigung verweist im Schadensersatzrecht vor 164

Annuß, NZA 1999, 738, 741; Herrmann, ZfA 1996, 19, 42 f.; Volmer, BB 1997, 1582,

1583. 165 Möller, Präventionsprinzip, S. 220 ff.; ebenso Löwe, Prävention, S. 224 f.; a. A. für die Entschädigung des Nicht-Bestbewerbers Schlobach, Präventionsprinzip, S. 40 f. 166 Maties, AP Nr. 7 zu § 81 SGB IX (der wegen verfassungsrechtlicher Vorgaben die Sanktion vom Verschulden abhängig machen will). 167 Siehe oben § 2.C.VII.2.b., S. 135 ff. 168 Z. B. Walker, NZA 2009, 5, 6; so zu § 611a BGB z. B. Hergenröder, JZ 1997, 1809, 1812; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 93 f.; Soergel/Raab, BGB, § 611a Rn. 49; Staudinger/ Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 93; Raab, DStR 1999, 854, 855; Treber, NZA 1998, 856, 859; Westenberger, AP Nr. 23 zu § 611a BGB; Worzalla, NJW 1997, 1809, 1812; ähnlich Annuß, NZA 1999, 738, 742; ErfK/Schlachter, 6. Aufl. 2006, § 611a BGB Rn. 36. 169 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38.

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allem auf die Kompensation des Schadens in Geld.170 Zudem sieht der Gesetzgeber in den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG eine Sonderregelung zu § 253 BGB.171 Dieses Spezialitätsverhältnis macht die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG zu einem Teil des Schadensersatzrechts und spricht dagegen, sie als Ansprüche eigener Art oder als Privatstrafe zu qualifizieren.172 Zudem ist der Anspruch abtretbar und vererblich, was ebenfalls mit einer Privatstrafe unvereinbar wäre. Schließlich verlangen die europäischen Richtlinien nur eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion, für die bereits der Ausgleich aller Schäden genügt, so dass es keiner Privatstrafe bedarf, um die Umsetzung der Richtlinien zu bewirken.173 Zudem haben im europäischen Recht Privatstrafe und Strafschadensersatz keine Tradition174, so dass sich weder aus dem Primär- noch dem Sekundärrecht Vorgaben ableiten lassen, die die Einführung einer Privatstrafe notwendig machen. b) Selbständige Präventionsfunktion und überkompensatorische Entschädigung Der Entschädigungsanspruch nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG hat eine Präventionsfunktion. Sie lässt sich zum einen auf die Vorgaben der Richtlinien stützen, die eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion fordern.175 Zum anderen verweisen die Gesetzesmaterialien zu §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 AGG auf den Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts176, für den eine (selbständige) Präventionsfunktion anerkannt ist. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob die Präventionsfunktion eine überkompensatorische Entschädigung rechtfertigt.177 Nach dem hier entwickelten Verständnis genügt die verschuldensunabhängige Haftung, die zum Ausgleich aller Schäden verpflichtet, um den An170

Siehe oben § 1.A.I., S. 11 ff. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38, 46; zu § 611a BGB a. F. KR-Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a BGB Rn. 101; Treber, DZWir 1998, 177, 182; Volmer, BB 1997, 1582, 1583. 172 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, § 15 Rn. 47 f., § 21 Rn. 52; KR/Pfeiffer, AGG Rn. 140; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 15 Rn. 52 f., 62; Thüsing, MünchKomm-BGB, § 15 AGG Rn. 14; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 21 Rn. 4, 22; s. auch Wendeling-Schröder/ Stein, AGG, § 15 Rn. 30 f. (Schadensersatz, aber keine Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB, da Schäden wegen der Persönlichkeitsverletzung auszugleichen sind); für eine Doppelnatur (Schadensausgleich und Privatstrafe) KR/Pfeiffer, AGG Rn. 144, der aber eine verfassungskonforme Reduktion vornimmt, da ein Strafschadensersatz verfassungswidrig sei. 173 Siehe oben § 8.B.III.2., S. 457 ff. 174 Siehe oben § 8.C.III.2., S. 467 ff. 175 Art. 15 Richtlinie 2000/43/EG, Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG, Art. 14 Richtlinie 2004/ 113/EG, Art. 25 Richtlinie 2006/54/EG. 176 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 46. 177 Für die Zulässigkeit einer überkompensatorischen Entschädigung Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 38; Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; s. auch Armbrüster, KritV 2005, 41, 49; zurückhaltender Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36. 171

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forderungen der Richtlinie gerecht zu werden.178 Die Gesetzgebungsmaterialien verweisen zwar darauf, dass bei einer Benachteiligung aus mehreren unzulässigen Gründen oder deren Wiederholung die Entschädigung zu erhöhen sei.179 Daraus folgt aber nicht eindeutig, ob zur Abschreckung des Handelnden eine überkompensatorische Entschädigung auferlegt werden soll. Die mehrfache Benachteiligung ist stets eine intensivere Rechtsgutsverletzung als der einfache Verstoß, so dass der Schaden im Einzelfall größer sein kann und eine höhere Entschädigung erfordert. Etwas anderes ergibt sich nicht zwingend aus der Bezugnahme auf die Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen. Damit verdeutlicht der Gesetzgeber, dass er den immateriellen Schaden grundsätzlich in der Persönlichkeitsverletzung sieht, die bei unzulässigen Benachteiligungen, ebenso wie bei anderen Verletzungen des allgemeinen oder besonderen Persönlichkeitsrechts, einen Entschädigungsanspruch auslöst. Ein Anspruch auf überkompensatorische Entschädigung ergibt sich daraus nicht. Der 6. Zivilsenat des BGH hat die selbständige Präventionsfunktion in der Caroline-Rechtsprechung auf Fälle rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung beschränkt.180 Bei Benachteiligungen nach § 7 Abs. 1 AGG und § 19 AGG liegt eine solche Zwangskommerzialisierung aber regelmäßig nicht vor, so dass sich aus der Nähe zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kein Anspruch auf überkompensatorische Entschädigung ergibt, zumal die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts die selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs bereits in Frage gestellt hat. Zu einer Entschädigung unabhängig vom konkreten Schaden verpflichten die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG höchstens, wenn kein Schaden besteht und dennoch eine Entschädigung zu leisten ist. Die unzulässige Benachteiligung geht grundsätzlich nicht in jedem Fall mit einer schweren Persönlichkeitsverletzung einher, die einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auslösen könnte.181 Gleichwohl besteht ein ersatzfähiger immaterieller Schaden, so dass die Entschädigung weiterhin dem Schadensausgleich dient. Die immaterielle Einbuße der benachteiligten Person liegt bei Einstellungs- und Beförderungsverfahren darin, dass der Bewerber nicht gleichberechtigt am Verfahren teilhatte.182 Bei Kündigungen ist auf die nicht gleichberechtigte Berücksichtigung bei der Auswahl der zu kündigenden Person abzustellen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Selbstentfaltung der Person an sich zwar nur sehr zurückhaltend, das AGG vergrößert 178

Ausführlich dazu § 8.B.III.2., S. 457 ff. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/1780, S. 38. 180 BGH 29.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III); 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f. 181 Siehe oben § 2.C.VII.2.c., S. 141 f., § 3.B.V.2.a., S. 168. 182 Ausführlich dazu § 3.B.V.2.b., S. 170 ff. 179

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aber durch seine Regelungen den Kreis der rechtlich geschützten Interessen und bezieht den Schutz der Selbstentfaltungsfreiheit gegenüber Benachteiligungen in seinen Regelungsbereich ein.183 Zudem knüpft das AGG an jede Benachteiligung, unabhängig vom Verschulden, einen Entschädigungsanspruch und geht nicht nur über den vorher anerkannten sachlichen Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinaus, sondern intensiviert zugleich den Schutz, indem jeder Normverstoß sanktioniert wird. Die Entschädigung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG ist somit eine intensivere Sanktion als ein verschuldensabhängiger Entschädigungsanspruch bei einer schweren Persönlichkeitsverletzung. Sie ist aber abhängig vom immateriellen Schaden, den die Benachteiligung herbeiführt. Es erfolgt keine Gleichsetzung zwischen der Rechtsverletzung und dem Schaden. Sofern trotz der Rechtsverletzung kein Schaden eintritt oder die nachträgliche Gewährung der entgangenen Vermögensvorteile ein hinreichender Ausgleich ist, bedarf es keiner Entschädigung. Das gilt beim professionellen Diskriminierungskläger, der bereits kein Bewerber i. S. des AGG ist.184 Das Gleiche ist bei Entgeltdiskriminierungen anzunehmen, wenn der Vermögensschaden vollständig ausgeglichen wird. Im Ergebnis genügt der Ersatz der erlittenen materiellen und immateriellen Schäden den Anforderungen der Richtlinie. Somit ist dem Entschädigungsanspruch keine selbständige Präventionsfunktion zuzusprechen, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt. Eine besondere Situation ergibt sich zwar daraus, dass der Schadensersatz für Vermögensschäden gegenwärtig nicht den Vorgaben der Richtlinie gerecht wird.185 Das hat aber nicht zur Folge, dass die Entschädigung zwangsläufig einen überkompensatorischen Umfang haben muss, um dieses Umsetzungsdefizit aufzufangen. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, wie die Richtlinie in nationales Recht zu transformieren ist. Eine richtlinienkonforme Auslegung ist zwar möglich, aber nur soweit der Wortlaut und der Wille des Gesetzgebers nicht entgegenstehen. Nach der hier zugrunde gelegten Auslegung des nationalen Rechts passt sich der Entschädigungsanspruch aber in das Schadensersatzrecht ein. Eine schadensübersteigende Entschädigung zum Zwecke der Prävention ist nicht angelegt. V. Weitere Entschädigungsansprüche wegen Vertragsverletzungen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung Neben den Entschädigungsansprüchen wegen unzulässiger Benachteiligung bestehen weitere Ansprüche auf Entschädigung immaterieller Einbußen infolge von Vertragsverletzungen, die nicht von einer Rechtsgutsverletzung ab183 184 185

Ausführlich dazu § 3.B.V.2.b., S. 170 ff. Ausführlich dazu § 3.B.V.3., S. 174 ff. Siehe oben § 8.B.III.3., S. 462 ff.

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hängen. Dazu gehören insbesondere die Schadensersatzansprüche aus § 651f Abs. 2 BGB, die Abfindungsansprüche nach den §§ 9, 10 KSchG und § 113 Abs. 1, 3 BetrVG, aber auch die Ansprüche auf Ausgleichszahlungen für die Fluggäste bzw. Fahrgäste der Eisenbahn aus Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 und Art. 17 Abs. 1, 3 VO (EG) Nr. 1371/2007. Über die Rechtsnatur dieser Ansprüche erfolgte nicht in gleicher Weise eine Diskussion wie in den übrigen Teilbereichen der Entschädigung immaterieller Einbußen. § 651f Abs. 2 BGB galt stets als Schadensersatzanspruch, bei dem in der Vergangenheit lediglich streitig war, ob es sich um den Ausgleich eines Vermögens- oder Nichtvermögensschadens handelt.186 Auch für die Ansprüche aus den §§ 9, 10 KSchG und § 113 BetrVG besteht Einigkeit, dass es sich um eine pauschale Abgeltung für die erlittene Einbuße handelt.187 Entschädigt werden der entgangene Arbeitsplatz und der darüber hinausgehende verlorene soziale Besitzstand. Lediglich bei den Ansprüchen auf Ausgleichszahlung aus Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 und Art. 17 Abs. 1, 3 VO (EG) Nr. 1371/2007 wurde diskutiert, ob es sich um einen Entschädigungsanspruch oder eine Sanktion im Sinne eines Strafschadensersatzes handelt.188 Ein Strafschadensersatz ist dem Europarecht jedoch grundsätzlich fremd.189 Zudem sprechen die Verordnungen von einem pauschalen Ausgleich. Die Ausgleichszahlung ist eine Sanktion für die vertragliche Pflichtverletzung im Interesse des Fahr- oder Fluggastes, die dem Schuldner die überwiegend immateriellen Schäden auferlegen soll, die mit dem verzögerten Transport einhergehen. Das hat zugleich eine präventive Wirkung und kann das Unternehmen zu Schadensvorsorgemaßnahmen veranlassen. Die Ausgleichszahlung ist eine Schadenspauschalierung, um den Schadensausgleich sicherzustellen und die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche zu erleichtern. Das wirkt zugleich den Defiziten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen für Streuschäden entgegen. VI. Zusammenfassung Die rechtliche Qualifikation der Entschädigungsansprüche wegen immaterieller Schäden wird uneinheitlich beurteilt und hat sich zudem im Laufe der Zeit verändert. Die Qualifikation des Entschädigungsanspruchs aus § 847 BGB a. F. als Anspruch eigener Art resultierte aus der Sonderstellung der Entschädigung ideeller Schäden bei der Abfassung des BGB. Sie beruhte einerseits auf der Nähe zur strafrechtlichen Buße, andererseits auf der Inkommensurabilität der Nichtvermögensschäden, so dass die Geldzahlung anders als bei den Vermögensschäden nicht unmittelbar den Verlust kompensieren kann. Infolge der 186 187 188 189

Siehe oben § 1.C.I.2.b., S. 39 ff. Siehe dazu § 2.C.V., S. 123 ff. Ausführlich dazu § 2.C.IV., S. 119 ff. Siehe oben § 8.C.III.2., S. 467 ff.

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Eingliederung der Entschädigung in das allgemeine Schadensersatzrecht ist § 253 Abs. 2 BGB nun als Rechtsfolgenbestimmung einzuordnen. Die Entschädigung ist keine Privatstrafe und kann systematisch nicht mehr als Anspruch eigener Art eingeordnet werden. Auch die Entschädigung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG wird zu Recht ganz überwiegend als Schadensersatzanspruch qualifiziert und ist keine Privatstrafe. Die dogmatischen Auseinandersetzungen betreffen vor allem die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion des Anspruchs und die Zulässigkeit einer überkompensatorischen Entschädigung. Die europäischen Richtlinien geben eine solche Ausgestaltung des Entschädigungsanspruchs nicht vor. Zudem gelten die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG als Ausnahmen zu § 253 Abs. 1 BGB, so dass sie Teil des Schadensersatzrechts sind und eine abweichende Bestimmung ihrer Funktion einer Rechtfertigung bedürfte, die das AGG und die Richtlinienvorgaben nicht stützen. Auch die übrigen Entschädigungsansprüche wegen vertraglicher Pflichtverletzungen, die nicht von einer bestimmten Rechtsgutsverletzung abhängen, sind am Schadensausgleich ausgerichtete Schadensersatzansprüche. Offen bleibt an dieser Stelle allein die rechtliche Qualifikation der Entschädigung von Persönlichkeitsverletzungen. Insbesondere die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, hängt davon ab, ob die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts zur Folge hat, dass es eines solchen Anspruchs zum Schutz des grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht bedarf. Nur soweit ein Bedürfnis nach einem solchen Rechtsgüterschutz noch besteht, ist zu erwägen, ob der Entschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG eine selbständige Präventionsfunktion haben und eine überkompensatorische Entschädigung rechtfertigen kann.

D. Ersatz immaterieller Schäden im Kontext der Entwicklung des Strafrechts und des Privatrechts I. Schadensausgleich im Spiegel des Strafrechts 1. Vorschläge zur Entkriminalisierung – Verlagerung von Sanktionen ins Privatrecht Trotz der grundsätzlichen Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht bestanden in den 1970er Jahren Bestrebungen, das Strafrecht und die Strafverfolgungsbehörden zu entlasten, indem Sanktionen in das Privatrecht verlagert werden. Insbesondere die Strafverfolgung von Ladendiebstählen sollte beschränkt werden, so dass der geschädigte Eigentümer auf zivilrechtliche Ansprüche verwiesen ist. 1974 legte ein Arbeitskreis aus deutschen und schweizerischen Strafrechtslehrern den Entwurf eines Gesetzes gegen Ladendiebstahl vor, um Taten

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zu entkriminalisieren, bei denen der Schaden 500 DM nicht übersteigt.190 Die Regelungen bezogen sich darüber hinaus auf Betrug, Urkundenfälschung und Sachbeschädigung. Die zivilrechtliche Sanktion für den Ladendiebstahl sollte in der Verpflichtung zur Herausgabe der Sache bzw. dem Ausgleich des eingetretenen Schadens sowie in einem zusätzlichen Zahlungsanspruch auf den Ladenpreis der erlangten Sache – mindestens aber 50 DM – bestehen. Die rechtliche Qualifikation dieses Anspruchs als Privatstrafe oder Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion wurde nicht erörtert. Die Strafverfolgung sollte bei erstmaliger Tatbegehung in einem Zeitraum von zwei Jahren ausgeschlossen sein. Im Anschluss daran setzte sich der 51. DJT mit der Entkriminalisierung der sog. kleinen Eigentums- und Vermögensdelikte auseinander. Der Gutachter und der zivilrechtliche Referent sprachen sich dafür aus, die Sanktion dieser Delikte im Bagatellbereich vom Straf- in das Zivilrecht zu verlagern.191 Der Eigentümer sollte einen pauschalen Schadensersatz erhalten, der sich am Sachwert orientiert, wenngleich er diesen übersteigen kann. Der strafrechtliche Referent wandte sich gegen die Vorschläge zur Entkriminalisierung, weil das Zivilrecht als Alternative zur Bestrafung von Eigentums- und Vermögensdelikten ungeeignet sei.192 Auch der DJT lehnte die Vorschläge ab.193 Selbst eine Pauschalierung des Schadensersatzes durch eine gesetzliche Regelung fand keine Unterstützung. Sowohl der Entwurf des Gesetzes gegen Ladendiebstahl als auch die Initiative des Gutachtens zum 51. DJT blieben im Ergebnis ohne Wirkung. Der offene Rückzug des Strafrechts aus einzelnen Kriminalitätsbereichen erfolgte nicht, obwohl der Strafverfolgung nach wie vor wegen der kapazitätsbedingten Überforderung der Strafverfolgungsbehörden Grenzen gesetzt sind. Seit der Einführung der §§ 153, 153a StPO wird das Legalitätsprinzip aus Gründen der Opportunität verstärkt eingeschränkt, wobei die Anordnung von Weisungen oder Auflagen ein zusätzliches Instrument zur Reaktion auf Bagatellkriminalität an die Hand gibt. Zivilrechtlich bleibt der Eigentümer auf den Ausgleich des konkreten Schadens verwiesen. Die allgemeinen Vorsorgekosten (z. B. Überwachungskameras, Spiegel, elektronische Diebstahlsicherung, Alarmanlage) sind ebenso wenig zu ersetzen wie die Bearbeitungskosten wegen des Diebstahls.194 Sofern der Eigentümer vor der Tat eine Fangprämie aus190 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Ladendiebstahls mit zivilrechtlichen Mitteln (AE-GLD); dazu Arzt, in: Schoreit, Ladendiebstahl, S. 9 ff.; ders., JZ 1976, 54; vgl. weiter Schoreit, JZ 1976, 49. 191 Deutsch, Gutachen 51. DJT, Bd. I, E 10 f., 77; Stoll, 51. DJT, Bd. II/1, N 32 ff.; s. auch Arzt, 51. DJT, Bd. II/1, N 50 ff., 60 f. (Ersttäter beim Diebstahl geringwertiger Sachen). 192 Naucke, Gutachten 51. DJT, Bd. I, D 98 ff. 193 Beschlüsse des 51. DJT, Bd. II/1, S. 178 ff. 194 BGH 6.11.1979 Z 75, 230, 232, 234 f., 237; 14.1.1992 NJW 1992, 1043, 1044; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 200, 204; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 119 f.; a. A. Möller, Präventionsprinzip, S. 231 f.; s. auch Canaris, NJW 1974, 521 ff.

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gelobt hat, ist diese vom Schädiger zu ersetzen, da die Leistungspflicht erst mit dem Diebstahl (aufschiebende Bedingung) entstanden ist und fällig wurde.195 Im Ergebnis haben die Überlegungen zur Entkriminalisierung von Bagatelldelikten nicht dazu geführt, dass Privatstrafen in das Zivilrecht Eingang gefunden haben. Der Schadensersatzanspruch, insbesondere der Ersatz einer vorher ausgelobten Fangprämie, entfaltet zwar präventive Wirkung, entlastet das Strafrecht aber nicht gezielt. Die Privatisierung der Strafverfolgung in ausgewählten Teilbereichen hätte zudem keine Auswirkungen auf den Ersatz des immateriellen Schadens, da sie ausschließlich Eigentums- und Vermögensdelikte betraf. Die Diskussion wäre im Zusammenhang mit dem Ersatz ideeller Schäden primär von Interesse, wenn sie zur Aufnahme von Privatstrafen geführt und somit die Auseinandersetzung mit einer überkompensatorischen Entschädigung oder einer selbständigen Privatstrafe beeinflusst hätte. 2. Wiedergutmachung als Form des Opferschutzes im Strafverfahren Insbesondere seit den 1980er Jahren sind in der strafrechtlichen und der kriminologischen Diskussion die Rolle des Opfers im Strafverfahren und die Wiedergutmachung der Tatfolgen stärker in den Vordergrund gerückt.196 Anknüpfend an Bindings Lehre vom geschützten Rechtsgut besteht grundsätzlich eine strikte Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht.197 Rechtsgüter werden nach diesem Verständnis strafrechtlich durch den Staat geschützt, weil sie für ein „gesundes Leben in der Rechtsgemeinschaft von Wert sind“ und daher der Erhaltung und des Schutzes gegenüber kriminellem Unrecht bedürfen.198 Daher hatte das Opfer anfangs keinen Platz im Strafverfahren, sondern war nur Beweismittel. Auch die Formulierung der Strafzwecke konzentrierte sich auf die Einwirkung auf den Täter (Vergeltung, Spezialprävention) und den Schutz der Interessen der Allgemeinheit (Generalprävention). Die stärkere Berücksichtigung des Opfers und seiner Genugtuung beruht zum einen auf der Einsicht in die begrenzte Wirkung der Strafe und auf der angestrebten Resozialisierung 195 BGH 6.11.1979 Z 75, 230, 238, 240 (allerdings nur „in angemessenem Umfang“, d. h. etwa eine Pauschale von 25 Euro oder ein Prozentsatz bei höherwertigen Waren); Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 386; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 203; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 121; a. A. Wollschläger, NJW 1976, 12, 15 f. 196 Ausführlich zu dieser Entwicklung und Bedeutung des Opferschutzes Bung, StV 2009, 430, 433 ff.; Eser, GS Kaufmann, S. 723 ff.; Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 122 ff.; Hirsch, GS Kaufmann, S. 699 ff.; Schünemann, NStZ 1986, 193, 194; Walther, Rechtsbruch, S. 67 ff.; Wenske, NStZ 2008, 434, 437; krit. zu dieser Entwicklung Rieß, FS Jung, S. 751 ff. 197 Binding, Normen, 2. Aufl. 1890, S. 300 f. 198 Binding, Normen, 2. Aufl. 1890, S. 353 f.; s. zur Diskussion über den Rechtsgutsbegriff mit unterschiedlichen Folgerungen Schünemann, in: Hefendehl, Rechtsgutstheorie, S. 133, 141 f.; Seher, in: Hefendehl, Rechtsgutstheorie, S. 39, 40 ff., 79; krit. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 52 ff., 339 ff., 367 ff.; Stratenwert, in: Hefendehl, Rechtsgutstheorie, S. 255, 256, 260; Wohlers, in: Hefendehl, Rechtsgutstheorie, S. 281, 283 f.. Für eine Beschränkung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes auf das Kernstrafrecht, den Bereich der schweren Kriminalität, s. Frommel, FS Schüler-Springorum, S. 257, 275 f.; Hassemer, ZRP 1997, 316, 318 f.

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des Täters.199 Zum anderen hat die Viktimologie als empirische Wissenschaft das Bewusstsein für die Folgen geschärft, die die Straftat für das Opfer hat, und arbeitete zugleich die Interessen des Opfers im Rahmen des Strafverfahrens heraus.200 Für die Integration des Opferschutzes in das Strafverfahren kam es zum einen darauf an, dass sich dieses Ziel mit dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz und den Strafzwecken vereinbaren lässt. Hinsichtlich des Rechtsgutsbegriffs wird insbesondere das Verständnis von von Liszt aufgegriffen, der – anders als Binding – auf die geschützten Lebensinteressen des Einzelnen abstellt, so dass nicht nur der Schutz der Rechtsgemeinschaft und die Bestätigung des Normbefehls, sondern auch der Schutz von Individualrechtsgütern erfasst sind.201 Auf der Grundlage dieser Vorstellung vom geschützten Rechtsgut stieß das Ausklammern der verletzten Person auf Widerspruch.202 Außerdem wird auf die Grund- und Menschenrechte verwiesen und aus ihrem Garantiegehalt gefolgert, dass der Rechtsgüterschutz nicht unabhängig von der verletzten Person gedacht werden könne, was auch im Strafverfahren zu berücksichtigen sei.203 Der Opferschutz wird in der Literatur zum Teil in die Generalprävention, zum Teil in die Spezialprävention als Strafzweck integriert, wenngleich sich General- und Spezialprävention darin nicht erschöpfen, weil sie vor allem das Einwirken auf den Täter bzw. die Allgemeinheit in den Mittelpunkt rücken.204 In der Konzeption der General- und Spezialprävention ist die Berücksichtigung des Opfers wegen der Täterorientierung nicht notwendig angelegt. Die Wiedergutmachung des Schadens zugunsten des Opfers lässt sich aber als unselbständiges Mittel in die Verwirklichung der Strafzwecke einbeziehen.205 Das gilt für die Spezialprävention, soweit der Täter durch die Wiedergutmachung den Rechtsfrieden im Verhältnis zum Verletzten als Vertre199

Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 14. Z. B. grundlegend Göppinger/Bock, Kriminologie, S. 175 ff.; Meier, Kriminologie, S. 197 ff.; Schneider, Viktimologie, S. 9 ff.; s. auch Walther, JR 2008, 405, 406 ff. 201 v. Liszt, Lehrbuch (1896), S. 50; dazu Frommel, Präventionsmodelle, S. 135; Hassemer, FS Kaufmann, S. 85, 91; Wollmann, Opferschutz, S. 56; anders Maier, Vernehmung kindlicher Opfer, S. 40 f. 202 Hassemer, FS Kaufmann, S. 85, 91; Hellmer, JZ 1979, 41, 46; Wollmann, Opferschutz, S. 56; zur Einbeziehung des Schutzes von Individualrechtsgütern zugunsten des Opfers auch Amelung, FS Eser, S. 3, 11 f.; Hassemer, Theorie, S. 71 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 35; Roxin, ZStW 81 (1969), 613, 622 ff. 203 Walther, Rechtsbruch, S. 269; ähnlich Eser, FS Lüderssen, S. 195, 196 ff.; ders., ZStW 104 (1992), 361, 377 f.; Hörnle, JZ 2006, 950, 952 f.; Jung, ZStW 93 (1981), 1147, 1152; SchülerSpringorum, Kriminalpolitik, S. 230 f. 204 Zur Strafzweckdiskussion und zum Opferschutz Frommel, FS Schüler-Springorum, S. 257 ff.; Kondziela, Opferrechte, S. 76 ff.; Maier, Vernehmung kindlicher Opfer, S. 34 ff. 205 Schulte, Wiedergutmachung, S. 18, 19 ff.; Theune, LK-StGB, § 46 Rn. 30 m. w. N.; s. auch Buhlmann, Täter-Opfer-Ausgleich, S. 140 f.; Trennung zwischen straf- und zivilrechtlichen Aspekten aus Sicht des Verletzen lebensfremd, Kilchling, DVJJ 2002, 14, 23. 200

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ter der Rechtsgemeinschaft wiederherstellt.206 Der Schuldausgleich erfolgt somit (partiell) durch die Wiedergutmachung des Täters.207 Die Einbeziehung des Opferschutzes gelingt im Rahmen der positiven Generalprävention im Sinne einer sog. Integrationsprävention.208 Die Prävention gegenüber der Allgemeinheit kann auch auf der Genugtuung des Opfers beruhen. Auf diese Weise werden das verletzte Rechtsgefühl befriedigt und der gestörte Rechtsfriede über das bilaterale Verhältnis zwischen Täter und Opfer hinaus wiederhergestellt.209 Aus der Sicht repressiver Straftheorien ist die Genugtuung des Opfers zudem die symbolische Bestätigung, dass es sich um Unrecht handelt.210 Der Opferschutz wird zudem von jenen Autoren in das Strafrecht integriert, die die Straftat als Realkonflikt erfassen, um sich von der vergeistigten Herangehensweise des Strafrechts zu lösen.211 Die Auseinandersetzung mit dem Opfer ist bei dieser Betrachtung die notwendige Ergänzung des Strafverfahrens, um den Konflikt zwischen Täter und Opfer zu befrieden. Die tatsächliche Reparation wird von diesen Autoren in das Strafverfahren einbezogen, da ihr eine friedensstiftende Wirkung zukommt. Sie schlagen zudem vor, den Opferschutz als eigenen Strafzweck anzuerkennen.212 Um das Strafverfahren durch einzelne Regelungen zu ergänzen, wäre ein so weitgehender Schritt nicht zwingend erforderlich.213 Solche Bestimmungen lassen sich auch mit der bestehenden Vorstellung von den Strafzwecken im Sinne der herrschenden Vereinigungstheorie, die General- und Spezialprävention gleichermaßen einbezieht, vereinbaren. Die schrittweise Ausdehnung des Opferschutzes und die Berücksichtigung der Wiedergutmachung des Schadens im Strafverfahren, bei der Festsetzung 206 Prittwitz, FS Hassemer, S. 162, 174 f. unter Bezug auf Reemtsma, Recht des Opfers, S. 26 f. (Schadensbegrenzung bei der verletzten Person); s. auch Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 94 ff.; unter Verweis auf die kriminologischen Theorien Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 358. 207 Stein, NStZ 2000, 393, 395; Wollmann, Opferschutz, S. 65; krit. wegen der Instrumentalisierung des Tatopfers für das Strafrecht Roxin, FS Schaffstein, S. 37, 47, 50; s. auch Schulte, Wiedergutmachung, S. 19. Zumindest lässt sich die faktische Wirkung der Wiedergutmachung berücksichtigen, soweit sie im Einverständnis mit dem Opfer erfolgt. 208 Roxin, FS Schaffstein, S. 37, 42, 50; ders., FS Bockelmann, S. 279, 305 f.; s. auch Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 87 ff.; Kaspar, Wiedergutmachung, S. 48 ff.; Kilchling, NStZ 2002, 57, 59; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 357. 209 Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 3 Rn. 32; Jerouschek, JZ 2000, 185, 194; Kilchling, NStZ 2002, 57, 59; Roxin, FS Bockelmann, S. 279, 305 f.; s. auch Momsen/Rackow, JA 2004, 336, 339; Rieß, 55. DJT, Bd. I, C 51; Schmoll, Videovernehmung, S. 96; Schulte, Wiedergutmachung, S. 19 f.; Schünemann, NStZ 1986, 193, 195. 210 Weber, Genugtuungsinteresse, S. 48 ff. 211 Walther, ZStW 111 (1999), 123, 131; dies., Rechtsbruch, S. 279, 281 ff.; s. auch Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 36 f. 212 Rössner, in: Marks/Rössner, Täter-Opfer-Ausgleich, S. 7, 35 f.; Seelmann, ZStW 101 (1989), 335, 336. 213 Schulte, Wiedergutmachung, S. 18, 19.

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der Strafe und im Strafvollzug hatten schließlich zur Folge, dass die Wiedergutmachung sogar als „dritte Spur“ der Sanktion neben Strafe und Maßregelung erwogen wurde.214 Sie sollte vom überkommenen Verständnis der präventiven Strafzwecke gelöst werden, die sich auf den Schuldausgleich beschränken.215 Die Integration des Opferschutzes in das Strafverfahren und die Strafvollstreckung setzt aber die Anerkennung einer solchen „dritten Spur“ nicht notwendig voraus.216 Im hiesigen Kontext ist vor allem von Bedeutung, dass dieses Herangehen nicht zum Ziel hat, den zivilrechtlichen Schadensersatz strafrechtlich zu überformen und ihm eine Straffunktion beizumessen. Vielmehr wird die tatsächliche Wirkung der Erfüllung der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche bzw. der Erfüllungsbemühungen des Täters berücksichtigt und als befriedendes Element in das Strafverfahren und die Strafvollstreckung einbezogen. Im Rahmen der Diskussion zum Opferschutz und zur Wiedergutmachung von Schäden im Strafverfahren verweisen die Autoren zum Teil zwar auf die Genugtuungsfunktion des Schadensersatzes – insbesondere auf die Genugtuungsfunktion des sog. Schmerzensgelds –, um die Berücksichtigung der Wiedergutmachung zu begründen.217 Die Genugtuung im zivilrechtlichen Sinne ist aber nicht notwendig mit der des Strafrechts identisch. Der Begriff der Genugtuung lässt eine Ausdeutung in mehrfacher Hinsicht zu und wird daher zu Recht als schillernder Begriff kritisiert.218 Er hat eine strafrechtliche und eine zivilrechtliche Dimension, die sich nicht decken. Im Strafrecht richtet sich die Genugtuung auf die Bestätigung der verletzten Norm und die Wiederherstellung der Rechtsordnung mit dem Ziel, Rechtsfrieden herzustellen oder zu sichern.219 Das zivilrechtliche Schadensersatzrecht hat hingegen vor allem den Schadensausgleich vor Augen. Selbst die Befürworter einer selbständigen Präventionsfunktion streben primär eine Verbesserung des Rechtsgüterschutzes zugunsten des Geschädigten an220, wohingegen die darüber hinausgehenden Interessen am Erhalt der Rechtsordnung im Sinne der Allgemeinheit als Rechtsgemeinschaft nicht final vom Privatrecht erfasst werden. Das auf subjektiven Rechten aufbauende Zivilrecht räumt dem Rechtsinhaber Rechtsmacht ein und schützt seine Rechtsposition. Eine darüber hinausgehende Konzeption des Schadensersatzes, die auf die Interessen der Allgemeinheit und nicht auf den Schutz individueller Rechte und Interessen gerichtet ist, 214 Zu dieser Debatte Lampe, GA 1993, 485 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 337 f.; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, § 3 Rn. 72 ff.; s. auch Buhlmann, Täter-Opfer-Ausgleich, S. 129 ff.; Jung, ZRP 2000, 159 ff.; Stein, NStZ 2000, 393, 395; Walther, Rechtsbruch, S. 157 ff., 279. 215 Walther, Rechtsbruch, S. 115 ff. 216 So Schulte, Wiedergutmachung, S. 17 f.; Wollmann, Opferschutz, S. 65. 217 Velten, SK-StPO, Vor §§ 374–406h Rn. 9. 218 Siehe oben § 3.D., S. 180 ff. 219 Velten, SK-StPO, Vor §§ 374–406h Rn. 9, 11. 220 Siehe dazu § 16.D.III., S. 723 ff.

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würde sich von der Trennung zwischen zivilrechtlichem Schadensersatz und strafrechtlicher Sanktion lösen. Im Gegensatz zum Zivilurteil richtet sich die Verurteilung durch das Strafgericht an den Verurteilten, die Allgemeinheit und die verletzte Person und ist Ausdruck der sozialethischen Missbilligung der Tat. Das Strafurteil stellt klar, dass es sich für das Opfer nicht um ein Unglück, sondern um Unrecht handelt.221 Die sich aus der Verurteilung ergebende Genugtuung bewirkt eine symbolische Restitution des beeinträchtigten Normvertrauens.222 Somit ist die Genugtuung eine Restitution des Normgeltungsschadens in der Rechtsgemeinschaft.223 Die Strafe ist für das Opfer zugleich ein Schritt bei der Bewältigung der traumatischen Erfahrungen durch die Straftat. Die Genugtuung hat aber selbst im Strafverfahren keinen Einfluss auf die Höhe der Strafe, sondern ist nur eine Wirkung der Strafe und ihres Vollzugs. Insofern unterscheidet sich die strafrechtliche Genugtuung von der zivilrechtlichen Vorstellung, die dem Schadensersatz zum Teil eine Genugtuungsfunktion zuspricht.224 Das gilt sowohl für die Entschädigung von Nichtvermögensschäden bei schweren Persönlichkeitsverletzungen, bei denen die Genugtuungsfunktion anstelle der Ausgleichsfunktion wegen der Inkommensurabilität des Schadens herangezogen wird, aber auch für die selbständige Genugtuungsfunktion, die ein Teil der Literatur anerkennt, wonach die Entschädigung der Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls dient. Zudem überformt der Gedanke der Genugtuung im Strafrecht nicht die Strafzumessung225 und kann daher erst recht keine Wirkung auf den zivilrechtlichen Schadensersatz und seine Bemessung haben. Die Einführung und der Ausbau des Opferschutzes bedurften der Öffnung des Strafverfahrens und der Strafvollstreckung für das Opfer als geschädigtes Individuum. Die ursprüngliche Distanz des Strafverfahrens zum Opfer wurde punktuell sowie schrittweise verringert, indem die Rechtsstellung des Opfers im Strafverfahren verbessert und die materielle Wiedergutmachung der Tatfolgen durch den Straftäter einbezogen wurde.226 Das hatte zur Folge, dass der Ersatz der Schäden durch den Täter Berücksichtigung findet. Die 221 BVerfG 9.7.1977 E 96, 245, 249; Merkel, Verbrechen, S. 194 f.; Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 130. 222 Holz, Justizgewähranspruch, S. 134, 190 ff. 223 Velten, SK-StPO, Vor §§ 374–406h Rn. 9. 224 Siehe oben § 3.D.III., S. 184 ff. 225 BGH 14.11.2007 NStZ-RR 2008, 106. 226 1. Strafrechtsreformgesetz vom 25.6.1969, BGBl. I, S. 645; 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4.7.1969, BGBl. I, S. 717; Gesetz v. 18.12.1986, BGBl. I, S. 2496; Einführung des § 153a StPO durch das Gesetz vom 2.3.1974, BGBl. I, S. 469; Reform des JGG durch das Gesetz vom 2.3.1974, BGBl. I, S. 469, das Gesetz vom 30.8.1990, BGBl. I, S. 1853; s. auch Gesetz vom 28.10.1994, BGBl. I, S. 3186; Gesetz vom 20.12.1999, BGBl. I, S. 2491; Opferrechtsreformgesetz vom 24.6.2004, BGBl. I, S. 1354; 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2280.

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(Schadens-)Wiedergutmachung kann bis zum Ende der Hauptverhandlung zur Einstellung des Strafverfahrens führen.227 Zudem findet sie bei der Festlegung des Strafrahmens und der Strafzumessung im Strafurteil Berücksichtigung228 und hat selbst auf die Strafvollstreckung Einfluss229. Darüber hinaus wird auf die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche des Geschädigten bei Eingriffen in das Vermögen des Straftäters, insbesondere bei der Vollstreckung der Geldstrafe, Rücksicht genommen, indem Zahlungserleichterungen gewährt werden.230 Angesichts dieser Veränderungen ist im hiesigen Kontext von Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen die Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer steht, wie sie sich in das strafrechtliche Sanktionenrecht einordnet und ob Auswirkungen auf das zivilrechtliche Schadensersatzrecht bestehen. Die Beseitigung der Folgen der Tat erfasst das StGB differenzierend durch den Begriff Schadenswiedergutmachung231 sowie den Terminus der Wiedergutmachung232, der synonym mit der Formulierung „Ausgleich mit dem Verletzten“ verwendet wird233. Die Begriffe Schadenswiedergutmachung und Wiedergutmachung sind nicht identisch.234 Die Schadenswiedergutmachung verbindet Zivil- und Strafrecht, indem sie an die zivilrechtliche Haftung des Täters wegen des Strafunrechts und die Erfüllung der zivilrechtlichen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche anknüpft.235 Soweit die Schadenswiedergutmachung Einfluss auf die Bemessung der Strafe oder deren Vollzug hat, kommt es nicht unbedingt auf die vollständige Erfüllung des Schadenser227 Absehen von der Strafverfolgung nach § 153 Abs. 1 StPO unter Berücksichtigung des § 46 Abs. 2 StGB; Absehen von der Klage gem. § 153b StPO infolge einer Wiedergutmachung nach § 46a Nr. 1 StGB oder einer Schadenswiedergutmachung nach § 46a Nr. 2 StGB; Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 1 Nr. 1, 5 StPO; Einstellung des Verfahrens unter Erteilungen von Weisungen oder Auflagen nach § 153a Abs. 1 StPO. Im Zusammenhang mit der Privatklage regelt zudem § 380 StPO den sog. Sühneversuch. 228 Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung und des Schadensausgleichs nach § 46 Abs. 2 StGB bei der Strafzumessung; Einwirkung des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a StGB i. V. mit § 49 Abs. 1 StGB auf die Strafzumessung; Strafaussetzung auf Bewährung nach § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB; Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59a Abs. 2 Nr. 1 StGB. 229 Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gem. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB; Bewährungsauflage der Schadenswiedergutmachung gem. § 56b Abs. 2 Nr. 1 StGB. 230 § 459a Abs. 1 StPO, § 42 S. 2 StGB. 231 §§ 42 S. 2, 46 Abs. 2, 46a Nr. 2, 56b Abs. 2 Nr. 1, 59a Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 153a Abs. 1 Nr. 1 StPO. 232 § 46a Nr. 1 StGB. 233 §§ 46 Abs. 2, 59a Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 153a Abs. 1 Nr. 5 StPO. 234 Die begriffliche Unterscheidung wird nicht immer durchgehalten, s. Meier, GA 1999, 1, 4; ders., Strafrechtliche Sanktionen, S. 363 ff.; Oehlmann, Wiedergutmachungsleistungen, S. 10 ff.; Schulte, Wiedergutmachung, S. 21 ff.; s. auch BT-Drs. 12/6853, S. 22. 235 Dazu BGH 17.1.1995 StV 1995, 249; Franke, MünchKomm-StGB, § 46a Rn. 13; Horn, SK-StGB, § 46a Rn. 7; Kilchling, NStZ 1996, 309, 314; Meier, GA 1999, 1, 4; ders., Strafrechtliche Sanktionen, S. 340; Schöch, FG 50 Jahre BGH, Bd. IV, S. 309, 318; Schulte, Wiedergutmachung, S. 23.

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satzanspruchs an. Die teilweise Erfüllung bzw. die Erfüllungsbemühungen werden als nachtatliches Verhalten bei der Strafzumessung berücksichtigt, da sie die individuelle Schuld des Täters beeinflussen und somit für die schuldangemessene Bestrafung nach § 46 Abs. 1 S. 1 StGB von Bedeutung sind. Für die Spezial- und Generalprävention im Strafrecht kann es genügen, wenn sich der Täter um überwiegenden Schadensersatz bemüht.236 Bei der Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB beeinflussen die gleichen Erwägungen, die auch die Strafzumessung tragen, die Gesamtwürdigung, die der Aussetzungsentscheidung zugrunde liegt.237 Der Begriff der Wiedergutmachung238 bzw. des Ausgleichs mit dem Verletzten ist hingegen weiter und erfasst die individuelle Befriedigung des Verletzten durch Leistungen des Täters.239 Er ist auf die Tatfolgen für das Opfer bezogen, beschränkt sich aber nicht auf die vergangenheitsbezogene Restitution, sondern dient auch der Sicherung gegenüber zukünftigen Rechtsverletzungen. Der Ausgleich kann durch die Schadenswiedergutmachung erfolgen, aber auch durch die Entschuldigung oder das Geständnis des Schädigers sowie den kommunikativen Kontakt zwischen Täter und Opfer240, der insbesondere im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a StGB als moderierte Schlichtung erforderlich ist241. Ziel ist die Konfliktlösung und der Friedensschluss zwischen Täter und Opfer.242 Ein vollständiger Schadensausgleich muss nicht erfolgen.243 Allerdings wird überwiegend davon ausgegangen, dass die Auflage nicht die Zahlung eines Betrags festsetzen kann, der 236

Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 37 ff.; Schulte, Wiedergutmachung, S. 29. OLG Karlsruhe 17.7.1997 NStZ-RR 1997, 323 f.; OLG Frankfurt 7.10.2004 StV 2005, 277, 278; Hubrach, LK-StGB, § 57 Rn. 36 m. w. N. 238 Ein abweichendes Verständnis legt der BGH bei der Anwendung des § 46a StGB zugrunde, wonach die Wiedergutmachung nach § 46a Nr. 1 StGB vor allem die immateriellen Schäden, die Schadenswiedergutmachung nach § 46a Nr. 2 StGB hingegen die materiellen Tatfolgen betreffe BGH 20.2.2001 StV 2001, 346, 347; 31.7.2002 NStZ-RR 2002, 329; 31.5.2002 NJW 2002, 3264, 3265; 19.12.2002 NJW 2003, 1466, 1467; krit. Dierlamm, NStZ 2000, 536 f.; Hüttemann, StV 2002, 678, 679 f.; Kaspar, GA 2003, 146, 148; Schöch, FG 50 Jahre BGH IV, S. 309, 323; s. auch BVerfG 30.10.2002 NJW 2003, 740. Die herrschende Lehre bezieht § 46a Nr. 2 StGB hingegen auf alle materiellen und immateriellen Schäden Dehn, § 46a StGB, S. 97 ff.; Dölling/Hartmann, NZS 2002, 366; Kaspar, StV 2002, 651, 652; Kilching, NStZ 1996, 309, 314; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Streng, StGB, § 46a Rn. 10; König, JR 2002, 252, 253; Meier, GA 1999, 1, 4; Pielsticker, § 46a StGB, S. 156 ff.; Theune, LK-StGB, § 46a Rn. 32. 239 Wiedergutmachung erfasst zumindest nicht ausschließlich den Ersatz des erlittenen Schadens, BGH 27.8.2002 NStZ 2003, 29, 30; Kilchling, NStZ 1996, 309, 314; s. auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Opferschutzgesetz, BT-Drs. 10/5828, S. 7. 240 Meier, GA 1999, 1, 3; ders., Strafrechtliche Sanktionen, S. 339; Schöch, FG 50 Jahre BGH IV, S. 309, 318, 336; Schönke/Schröder/Stree, StGB, § 46 Rn. 40; dagegen Horn, SK-StGB, § 46a Rn. 6. 241 Lackner/Kühl, StGB, § 46a Rn. 3; Theune, LK-StGB, § 46a Rn. 36. 242 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 12/6853, S. 21 f.; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8588, S. 4. 243 Franke, MünchKomm-StGB, § 46a Rn. 11. 237

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über den Schaden hinausgeht, der nach den zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen auszugleichen ist.244 Trotz dieser Divergenzen ist es sowohl für die Schadenswiedergutmachung als auch für den Ausgleich mit dem Verletzten kennzeichnend, dass das Opfer und die Folgen der Tat in die Betrachtung einbezogen sind. Bei der Schadenswiedergutmachung wird an die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche angeknüpft und kein eigener Maßstab für den Schadensersatz entwickelt.245 Die Bestimmungen bleiben zwar nicht bei der Feststellung und Durchsetzung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs stehen, sondern stellen weitere Voraussetzungen auf, die den Besonderheiten des Strafverfahrens Rechnung tragen. Die Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung im Strafverfahren und der Strafvollstreckung hängt anders als im Zivilrecht von der Freiwilligkeit der (teilweisen) Erfüllung des Schadensersatzanspruchs bzw. dem Erfüllungsbemühen des Täters ab.246 Darin liegen die Konfliktlösung und die Wiederherstellung des Rechtsfriedens.247 Das dokumentiert indirekt auch das Adhäsionsverfahren, das die Geltendmachung der zivilrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit dem Strafverfahren ermöglicht (§§ 403 ff. StPO). Die Verurteilung zum Schadensersatz hat keine unmittelbare Auswirkung auf das Strafverfahren. Umgekehrt kann die Berücksichtigung der zivilrechtlichen Ansprüche im Strafverfahren zu einer Erleichterung ihrer Durchsetzung führen. Insbesondere die Anordnung einer Auflage kann die Durchsetzung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs befördern.248 Der Rechtscharakter der Auflage bestimmt sich anhand der strafprozessualen Vorgaben und ist insoweit unabhängig vom Charakter des Schadensersatzanspruchs.249 Somit sind die zivilrecht244 Für diese Begrenzung OLG Stuttgart 7.1.1980 NJW 1980, 1114; LG Zweibrücken 23.12.1996 NJW 1997, 1084; Lackner/Kühl, StGB, § 56b Rn. 3a; Krekeler/Löffelmann/Walther, StPO, § 153a Rn. 10; anders Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 244; v. Heintschel-Heinegg, Beck-OK, § 46 StGB Rn. 6; Kindhäuser/Ostendorf, StGB, § 56b Rn. 7; Schulte, Wiedergutmachung, S. 37; vgl. auch Schönke/Schröder/Stree, StGB, § 46 Rn. 4, § 56b Rn. 9. 245 Beulke, LR-StPO, § 153a Rn. 52; Hubrach, LK-StGB, § 56b Rn. 6 (Strafrichter in ihrer Entscheidung vom bürgerlichen Recht abhängig); Kindhäuser/Streng, StGB, § 46a Rn. 18; Meyer-Goßner, StPO, § 153a Rn. 16 f.; Schöch, AK-StPO, § 153a Rn. 25, 27. Zur Erfüllung der zivilrechtlichen Ansprüche durch Leistung des Täters im Rahmen des Strafverfahrens Oehlmann, Wiedergutmachungsleistungen, S. 105 ff. 246 BGH 17.12.2008 NStZ-RR 2009, 133 f.; OLG Hamm 10.2.2009 NStZ-RR 2009, 272, 273; Franke, MünchKomm-StGB, § 46 Rn. 50; Lackner/Kühl, StGB, § 46a Rn. 5; Schönke/ Schröder/Stree, StGB, § 46 Rn. 40; a. A. Gribbohm, LK-StGB, 11. Aufl. 2003, § 46 Rn. 213. Zur Notwendigkeit eines darüber hinausgehenden kommunikativen Kontakts nach § 46a StGB Lackner/Kühl, StGB, § 46a Rn. 3; Theune, LK-StGB, § 46a Rn. 35. 247 Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 142; s. auch Walther, Jura 2008, 405, 409. 248 Hubrach, LK-StGB, § 56b Rn. 5. 249 Vgl. z. B. zu § 153a StPO BGH 13.11.1978 NJW 1979, 770; Saliger, GA 2005, 155, 168 (Auflage keine Strafe, aber Sanktion strafähnlicher Art); a. A. Beulke, LK-StPO, § 153a Rn. 8; Meyer-Goßner, StPO, § 153a Rn. 11 (sui generis, Beendigungsverfahren mit Selbstunterwerfung).

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lichen Ansprüche nur der Anknüpfungspunkt für die Modifikation des Strafverfahrens unter Opferschutzgesichtspunkten. Die Funktion und die Höhe des Schadensersatzanspruchs werden von seiner Berücksichtigung im Strafverfahren nicht beeinflusst.250 Neben der (Schadens-)Wiedergutmachung durch den Beschuldigten werden die Interessen des Opfers an der Wiedergutmachung der Tatfolgen noch auf andere Weise gesichert. Zum einen besteht die sog. Rückgewinnungshilfe, die die Sicherstellung von Gegenständen durch Beschlagnahme erlaubt, um die Ersatzansprüche des Geschädigten zu sichern (§ 111b Abs. 5 StPO). Daneben regelt § 111g StPO die vorrangige Befriedigung des Verletzten bei der Beschlagnahme. Zudem wird bei der Vollstreckung der Geldstrafe auf die Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer Rücksicht genommen, wenn die Strafvollstreckung den Schadensausgleich erschweren oder vereiteln würde. Dies erfolgt durch Zahlungserleichterungen (§ 42 Abs. 2 StGB). Im Sinne des Opferschutzes besteht zudem die Möglichkeit des Adhäsionsverfahrens (§§ 403 ff. StPO), das in der Praxis bisher von geringer Relevanz ist.251 Darüber hinaus kommt der Staat seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Opfer durch das Opferentschädigungsgesetz nach. Einfluss auf das Schadensersatzrecht hat diese Entwicklung indes nicht, sondern sie verbessert höchstens die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche oder die Verwirklichung des Schadensausgleichs zugunsten des Opfers. Die Einführung des Opferschutzes in das Strafverfahren hat zudem keine unmittelbaren Folgen für die Diskussion über die Einführung einer Privatstrafe oder einen präventiven Schadensersatz. Der Opferschutz öffnete das Strafverfahren für die Belange des Opfers und integrierte insbesondere die Wiedergutmachung. Bei der Auseinandersetzung um die Privatstrafe geht es hingegen um die Verbesserung des Rechtsgüterschutzes im Privatrecht über die Primäransprüche und die Wiedergutmachung der erlittenen Schäden hinaus. Dabei geht es nicht um die Integration der Strafe i. S. des Strafrechts in das Privatrecht, sondern um eine Vervollständigung des Rechtsgüterschutzes. Allerdings erleichtert die Anerkennung des Opferschutzes im Strafverfahren diese Entwicklung, weil Straf- und Zivilrecht weniger als unversöhnliche Gegensätze begriffen werden. Insofern ist leichter zu vermitteln, dass es ein abgestuftes Sanktionssystem geben kann, das sowohl aus strafrechtlichen, ordnungswidrigkeitenrechtlichen und zivilrechtlichen Sanktionen bestehen kann, ohne dass sich das Zivilrecht auf die Schadenswiedergutmachung beschränken muss.

250 251

Fehl, Monetäre Sanktionen, S. 158; vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 46a Rn. 2. Dazu Pfeiffer, StPO, Vorbemerkung § 403 Rn. 2.

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Teil 4: Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe

II. Pönale Elemente im Zivilrecht Im Jahre 1992 lehnte der BGH die Vollstreckbarkeit eines US-amerikanischen Urteils gemäß §§ 723 Abs. 2 S. 2, 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO als unvereinbar mit dem deutschen ordre public teilweise ab, weil das Gericht nicht nur kompensatorischen Schadensersatz in Höhe von 150 260 US-Dollar, sondern auch einen Strafschadensersatz in Höhe von 400 000 US-Dollar zusprach, von dem 40% dem Rechtsanwalt als Gebühr zustanden.252 Daraufhin erfolgte im deutschen Schrifttum nicht nur eine intensivere Auseinandersetzung mit US-amerikanischen punitive damages in der Rechtsvergleichung, sondern auch eine Untersuchung des deutschen Privatrechts auf pönale Elemente. Die Autoren beschränkten sich überwiegend darauf, den strafenden Charakter einzelner zivilrechtlicher Ansprüche oder Normen zu untersuchen.253 Der Ausgleich ideeller Schäden galt ihnen nicht stets als Privatstrafe, die Entschädigung bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts254 und für ungerechtfertigte Benachteiligungen nach § 611a BGB a. F. habe wegen ihres Präventionszwecks aber eine strafende Wirkung255. Zudem qualifizierten sie die Entschädigung immaterieller Einbußen als pönal, soweit sie die Genugtuung des Geschädigten bezwecke.256 Das Schadensersatzrecht stehe solchen Bestimmungen nicht entgegen, obwohl der Gesetzgeber sie nicht intendierte, da sie bei der Regelung des § 253 BGB offengeblieben seien. 252

BGH 4.6.1992 Z 118, 312, 334 ff. zust. Schack, ZZP 1993, 104, 112. Ausgehend von der Entscheidung des BGH zu US-amerikanischem Strafschadensersatz und deutschem ordre public Bentert, Das pönale Element, 1996; Brockmeier, Punitive damages, 1999; Burst, Pönale Momente, 1994; Fritz, Punitive/exemplary damages, 2004; P. Müller, Punitive damages, 2000. Allgemeine Untersuchung zu pönalen Elementen im deutschen Zivilrecht Ebert, Pönale Elemente, 2004; Fort, Strafelemente, 2001, der eine Gesetzgebungsvorschlag zur Ausdehnung strafender Elemente im Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz; Horter, Strafgedanke, 2004; Klumpp, Privatstrafe, 2002; Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661 ff. (Strafzuschlag); Körner, NJW 2000, 241 ff.; s. auch Kern, AcP 191 (1991), 247 ff.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397 ff.; Stürner, FS Großfeld, S. 1201 ff.; schon vorher Großfeld, Privatstrafe, 1961. 254 Brockmeier, Punitive damages, S. 65; Ebert, Pönale Elemente, S. 514 ff.; Horter, Strafgedanke, S. 153 ff.; Körner, NJW 2000, 241, 244 f., 246; P. Müller, Punitive damages, S. 277 ff. 255 Brockmeier, Punitive damages, S. 66; Ebert, Pönale Elemente, S. 353 ff.; Klumpp, Privatstrafe, S. 72 f.; Körner, NJW 2000, 241, 245 f.; P. Müller, Punitive damages, S. 148 ff.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 411. 256 Bentert, Das pönale Element, S. 83 ff., 98; Horter, Strafgedanke, S. 104 ff., 107; P. Müller, Punitive damages, S. 265 f.; so bereits Bötticher, MDR 1963, 353, 358 f.; Deutsch, JuS 1969, 197, 202; Großfeld, Privatstrafe, S. 82 f., 102 f.; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 306 ff.; Honsell, VersR 1974, 205 ff.; Kern, AcP 191 (1991), 247 ff.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 53, 62 ff.; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 96 ff.; Niemeyer, Genugtuung, S. 117; Schiemann, Prinzipen, S. 224, 306; Stoll, IECL, Rn. 8–151; ders., Gutachten 45. DJT, S. 151 ff., dort aber für eine selbständige Regelung eines Genugtuungsanspruchs; s. auch Burst, Pönale Momente, S. 127 ff., 136, die aus den Bemessungskriterien für die Entschädigung auf deren privatstrafenden Charakter schließt, aber im Ergebnis die Notwendigkeit einer stärkeren Pönalisierung verneint; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 329. 253

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Soweit sich die Arbeiten nicht auf die Analyse des bestehenden Privatrechts beschränken, stellen sie darüber hinaus zum Teil fest, dass der Einsatz der Privatstrafe im Interesse des Rechtsgüterschutzes zulässig und erforderlich ist.257 P. Müller und Ebert fordern einen fallgruppenweisen Ausbau der Privatstrafe de lege ferenda.258 P. Müller sieht in der selbständigen Präventionsfunktion eine eigenständige Funktion des Schadensersatzrechts259 und anerkennt im Anschluss an Neuner einen objektiven Schadensbegriff, der seinen Grund im Rechtsgüterschutz habe und eine Prävention durch Schadensersatz zulasse.260 Ebert verweist darauf, dass bei vorsätzlichen Verletzungen eines der von § 253 Abs. 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliege, so dass eine Privatstrafe zulässig sei.261 Zudem plädierte Ebert für eine klare Bezeichnung der pönalen Elemente des Zivilrechts als Privatstrafe und für die Übertragung eines Teils der strafrechtlichen Beklagtenschutzbestimmungen auf den Zivilprozess.262 Das Mahnverfahren und das Versäumnisurteil müssten ausgeschlossen sein.263 Die Bemessung der Privatstrafe solle nach täter- und tatbezogenen Kriterien erfolgen, wobei das Verschulden und die Vermögensverhältnisse des Verletzers hervorragende Bedeutung hätten.264 Für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schlägt sie eine Bemessung nach Tagessätzen vor.265 Köndgen erwägt hingegen einen Strafzuschlag auf den kompensatorischen Schadensersatz bei vorsätzlichen Vertragsbrüchen, wenn ein ausbeutendes Verhalten des Vertragspartners vorliegt, sowie bei der vorsätzlichen Aneignung fremder Rechtsgüter (erzwungener Nutzentransfer).266 Das begründet er, ähnlich den Befürwortern der Präventionsfunktion des Schadensersatzes, mit der ökonomischen Analyse des Rechts. Es komme zu einer statistischen Unterkompensation, wenn der potentiell vertragsbrüchige Vertragspartner damit rechnen könne, nur einen Teil des Schadens begleichen zu müssen, so dass sich der Vertragsbruch lohne.267 Die Privatstrafe soll daher den Rechtsgü257

Z. B. Ebert, Pönale Elemente, S. 576; P. Müller, Punitive damages, S. 325 ff. Ebert, Pönale Elemente, S. 576; P. Müller, Punitive damages, S. 325 ff.; so bereits Großfeld, Privatstrafe, S. 125. 259 P. Müller, Punitive damages, S. 328 ff. 260 P. Müller, Punitive damages, S. 321 f., der aber den subjektiven Schadensbegriff nicht vollständig verabschiedet. 261 Ebert, Pönale Elemente, S. 366 ff. 262 Ebert, Pönale Elemente, S. 525, 577; gegen die Verhängung einer Privatstrafe im Zivilprozess wegen des fehlenden Legalitäts- und Akkusationsprinzips, s. Klumpp, Privatstrafe, S. 118 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 443. Die Entscheidung im Zivilprozess basiere auf einer formellen, nicht notwendig auf einer materiellen Wahrheit; dazu Schlobach, Präventionsprinzip, S. 434 f. 263 Ebert, Pönale Elemente, S. 577. 264 Ebert, Pönale Elemente, S. 520 f. 265 Ebert, Pönale Elemente, S. 522; ähnlich bereits Prinz, NJW 1996, 953, 954. 266 Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 727 ff.; ders., RabelsZ 64 (2000), 661, 681 ff. 267 Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 727, 732; ders., RabelsZ 64 (2000), 661, 679 ff. 258

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terschutz sicherstellen und somit Rechtsfrieden und Rechtssicherheit gewährleisten. Den Gewinn will Köndgen dem Geschädigten zufließen lassen, damit er Ermutigung und Klageanreiz sei.268 Insoweit verweist er auf die Gewinnabschöpfung aus § 281 BGB a. F., § 687 Abs. 2 BGB und § 816 BGB.269 Dabei geht er nicht darauf ein, inwieweit der Gewinn, den der Gläubiger herausverlangt, ihm von der Rechtsordnung ohnehin zugeordnet war, so dass die Gewinnabschöpfung als eine konsequente Fortführung des Zuweisungsgehalts des subjektiven Rechts anzusehen ist. Zudem bezieht sich die Gewinnabschöpfung auf den erzwungenen Nutzentransfer, der typischerweise bei der Verletzung von Vermögensrechten oder vorsätzlichen Vertragsbrüchen erfolgt, so dass offen bleibt, inwieweit die Überlegungen auch bei der Verletzung nicht vermögenswerter Rechte gelten sollen. Zu einer verdeckten Einführung pönaler Erwägungen führt die Anerkennung eines normativ-ideellen Schadens bei grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Rechtsverletzungen, wie Zeytin vorschlägt.270 Der in solchen Fällen schwer festzustellende immaterielle Schaden sei ähnlich zu bestimmen wie der entgangene Gewinn bei der Verletzung einer Hausfrau, die arbeitsunfähig wird, aber keine Ersatzkraft beschäftigt. Der erhöhte Schaden sei auszugleichen, so dass die Lösung auch in Einklang mit der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts stehe.271 Der normative Schadensbegriff, den Zeytin heranzieht, ist jedoch kein einheitliches Konzept. Bisher diente er vor allem der Korrektur bei den Ermittlungen des Vermögensschadens nach der Differenzhypothese, wohingegen Zeytin den normativen Schaden zur Begründung eines unterstellten immateriellen Schadens heranzieht. Ein eigenes Konzept für den normativen Schaden entwickelt er nicht und klärt nicht präzise auf, worin der normativ-immaterielle Schaden besteht.272 Er verweist nur auf die besondere Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem infolge des Schadensfalles.273 Diese Begründung hatte der Große Senat des BGH in Zivilsachen in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1955 zur Begründung der Genugtuungsfunktion herangezogen. Insofern führt er im Gewand des normativ-immateriellen Schaden letztlich verdeckt die Genugtuungsfunktion bzw. pönale Überlegungen in das Schadensersatzrecht ein. Eine dogmatische Grundlage für eine Erweiterung des Schadensbegriffs im Sinne der Ausgleichsfunktion zeigt Zeytin hingegen nicht auf. Ein tatsächlicher Schadensausgleich erfolgt nur, soweit 268 Köndgen, in: Ott/Schäfer, Ökonomische Probleme, S. 169, 181; ders., RabelsZ 56 (1992), 696, 734; ders., RabelsZ 64 (2000), 661, 692. 269 Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 663 ff. 270 Zeytin, Schmerzensgeld, S. 181 ff. 271 Zeytin, Schmerzensgeld, S. 183. 272 Krit. auch S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 160 ff. 273 Zeytin, Schmerzensgeld, S. 183; an anderer Stelle bejaht Zeytin auch eine Präventionsfunktion im Sinne eines pönalen Elements des Privatrechts, wobei er erneut auf den normativen Schadensbegriff zurückgreift (S. 219 ff.).

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die grob fahrlässige oder vorsätzliche Rechtsverletzung zugleich zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt. Dieser Schaden ist jedoch als Folgeschaden der Rechtsgutsverletzung wiedergutzumachen274, so dass es der Einführung eines normativ-immateriellen Schadens insoweit nicht bedarf. Im Übrigen kommt es darauf an, ob sich die pönalen Erwägungen in das Schadensersatzrecht integrieren lassen. Die Pönalisierung des Schadensersatzrechts stieß allerdings im Schrifttum überwiegend auf Ablehnung, weil sie dem Prinzip des Schadensausgleichs widerspreche.275 Eine Vorrangstellung der Genugtuungsfunktion gilt als nicht begründbar und die Effizienz der Ansprüche als zweifelhaft.276 Zudem wird der Schadensausgleich für ausreichend erachtet.277 Klumpp lehnt eine Privatstrafe zum Zwecke der Spezial- oder Generalprävention ab, da sie nicht mit der qualitativen Relativität des Schuldverhältnisses in Einklang zu bringen sei.278 Der Zweck des Schuldverhältnisses sei allein zwischen den Beteiligten zu suchen und müsse im Rahmen der Privatautonomie auf dem Parteiwillen beruhen.279 Bei heteronomen Schuldverhältnissen wie im Deliktsrecht stützt er sich darauf, dass sich die Rechtskreise der Beteiligten in einer für die Rechtsordnung nicht hinnehmbaren Weise überschneiden und daher der status quo ante wiederherzustellen sei. Darüber gehe die Privatstrafe hinaus, so dass sie mit den Grundsätzen des Schuldrechts unvereinbar sei.280 Die Genugtuung und die Vergeltung als Strafgrund lehnt er ab.281 III. Anerkennung einer allgemeinen Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts 1. Schadensersatzansprüche mit selbständiger Präventionsfunktion Neben der Auseinandersetzung mit den pönalen Elementen der Rechtsordnung erfolgte in den letzten zehn Jahren vor allem eine Diskussion über eine Präventionsfunktion des Schadensersatzes zur Verhaltenssteuerung und zur Verbesserung des Rechtsgüterschutzes.282 Vor allem eine Gewinnabschöpfung 274

Siehe oben § 12.C.III., S. 604 ff. Siehe bereits BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 155; 4.6.1992 Z 118, 312, 339 ff.; Klumpp, Privatstrafe, S. 81 f.; Stürner, AfP 1998, 1, 9; Thüsing, ZRP 2001, 126, 127; s. auch Gounalakis, AfP 1998, 10, 15; gegen die Urteilsanerkennung nach §§ 723 Abs. 2 Satz 2, 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO z. B. Greger, NJW 1989, 3103 f.; Hoechst, VersR 1983, 13, 16 f.; Schack, IZVR, Rn. 960; Schütze, FS Nagel, S. 392, 400; Zekoll, Produkthaftpflichtrecht, S. 152 ff. 276 Zur Ablehnung der Genugtuungsfunktion s. § 3.B, D., S. 150 ff., 180 ff. 277 Burst, Pönale Momente, S. 136. 278 Klumpp, Privatstrafe, S. 114 ff. 279 Klumpp, Privatstrafe, S. 89 ff. 280 Klumpp, Privatstrafe, S. 81, 110 f., 114 ff.; s. auch Nauke, Gutachten 51. DJT, Bd. II, D 98 ff., der sich gegen die Entkriminalisierung von Delikten vermittels eines privatstrafenden Schadensersatzes wendet; zurückhaltender Stoll, Haftungsfolgen, S. 86. 281 Klumpp, Privatstrafe, S. 173 ff., 182. 282 Z. B. Dreier, Kompensation und Prävention, 2002; Göbel, Geldentschädigung und Schmerzensgeld, 2004; Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 2001; Löwe, Der 275

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wird zur Abschreckung gefordert. Die Autoren grenzen nicht immer zur Privatstrafe ab, so dass sich die Argumente für eine Erweiterung der pönalen Elemente des Privatrechts und zur Präventionsfunktion des Schadensersatzes ähneln. Die präventive Wirkung der vertraglichen und deliktischen Haftung ist allgemein anerkannt. Das beschränkte sich aber lange auf die Anordnung der Haftung, wohingegen dem Schadensersatz als Haftungsfolge traditionell nur eine Ausgleichsfunktion zukommt und die Prävention nicht durch einen überkompensatorischen Schadensersatz gezielt gesteuert wird. Die Prävention war insofern nur ein erwünschter Nebeneffekt des Schadensausgleichs, eine selbständige Bedeutung erlangt sie nur, wenn der Schadensersatz über den Schaden hinausgehen kann. Eine selbständige Präventionsfunktion erkannte der 6. Zivilsenat des BGH nur dem Entschädigungsanspruch bei rücksichtslosen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu, die vom Gewinnstreben getragen sind, so dass der Schadensersatz einen echten Hemmungseffekt entfalten müsse.283 Auch für den Schadensersatzanspruch nach § 611a BGB a. F. wurde zum Teil ein Präventionszweck anerkannt, der eine überkompensatorische Entschädigung erlaube.284 Auch bei den Ansprüchen aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG will die Rechtsprechung die Abschreckungswirkung der Entschädigung berücksichtigen. Eine allgemeine Präventionsfunktion des Schadensersatzes hat sich indes nicht entwickelt.285 In der wissenschaftlichen Diskussion wurde die Präventionsfunktion im Interesse des Rechtsgüterschutzes und auf der Grundlage der ökonomischen Analyse zu einem Präventionsprinzip weiterentwickelt, das allgemeine Geltung beanspruchen könne oder zumindest für zusätzliche Fallgruppen anzuerkennen sei.286 Dieses Präventionsprinzip wird induktiv anhand der Rechtsprechung und der gesetzlichen Regelungen mit Präventionszweck entwickelt. Neben der Caroline-Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und § 611a BGB a. F.287 wird vor allem auf den Anspruch auf doppelte 283 Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 2000; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2005; Sailer, Prävention im Haftungsrecht, 2005; Schäfer, AcP 202 (2002), 397 ff.; Schlobach, Das Präventionsprinzip im Recht des Schadensersatzes, 2004; G. Wagner, AcP 206 (2006), 352 ff; ders., 66. DJT, Bd. I, A 1 ff.; s. auch Rosengarten, NJW 1996, 1935; anders aber S. Müller, Schmerzensgeldbemessung, S. 308 f. 283 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III). 284 Möller, Präventionsprinzip, S. 220 ff.; Raab, DStR 1999, 854, 857; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 139 ff.; ebenso Löwe, Prävention, S. 224 f.; so auch zu den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 38; Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; Wendeling-Schröder/ Stein, AGG, § 15 Rn. 39. 285 BAG 22.1.2009 NZA 2009, 945, 952; s. auch Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 15 Rn. 36; Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 15 Rn. 50, 52; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39. 286 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 456 ff.; auf Teilbereiche beschränkend Möller, Präventionsprinzip, S. 238 ff. 287 Möller, Präventionsprinzip, S. 175 ff., 219 ff.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 87 ff., 139 ff.

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Lizenzgebühr bei der Verletzung der kleinen Musikaufführungsrechte (sog. GEMA-Rechtsprechung) und die dreifache Schadensberechnung bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten verwiesen.288 Die Schadensersatzansprüche gingen über den Ausgleich des konkreten Schadens hinaus und seien nicht nur eine Schadenspauschalierung zur Erleichterung des Schadensnachweises.289 Zudem gilt der erhöhte Verzugszins nach § 288 Abs. 2 BGB als Beleg für eine Präventionsfunktion im Privatrecht, da er Zahlungsverzögerungen im Zahlungsverkehr entgegenwirken solle.290 Auch das UmweltHG ziele auf die Vorbeugung weiterer Umweltschäden.291 Zur Begründung einer allgemeinen Präventionsfunktion für die Haftungsfolgen wird zudem darauf verwiesen, dass im Interesse eines effektiven Rechtsgüterschutzes und zur Verwirklichung der grundrechtlichen Schutzpflichten der bloße Schadensausgleich nicht genüge, sondern vielmehr eine überkompensatorische Entschädigung zu Präventionszwecken erforderlich sei.292 Der primäre Rechtsschutz durch Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche genüge nicht immer, um einen ausreichenden Rechtsgüterschutz zu gewährleisten.293 Zudem habe der bloße Schadensausgleich bei lukrativen Delikten und bei Delikten mit geringer Entdeckungswahrscheinlichkeit294 keine abschreckende Wirkung, da sich die Rechtsverletzung wirtschaftlich immer noch lohne. Nur wenn der Gewinn abgeschöpft werde, wirke die Haftung konsequent auf zukünftige Rechtstreue hin.295 Die Bereicherung des Geschädigten durch die überkompensatorische Entschädigung sei gerechtfertigt, da er auch im Interesse der Allgemeinheit agiere.296 Dafür werde er belohnt und zugleich für die Mühewaltung im Verfahren entschädigt.297 Die zivilrechtliche Haftung beschränke sich daher nicht mehr auf die Lösung eines Interessenkonflikts zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses. Die Kritik einer solchen allgemeinen Präventionsfunktion des Schadensersatzes beruht insbesondere auf ihrer Vagheit und den Schwierigkeiten bei der 288

Möller, Präventionsprinzip, S. 143 f., 169; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 199 ff. Möller, Präventionsprinzip, S. 128 ff.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 208 ff. 290 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 169 f., 170 ff. (kritisch zur präventiven Wirkung); G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 386 f.; s. auch P. Müller, Punitive damages, S. 293 ff.; a. A. Klumpp, Privatstrafe, S. 68 f. 291 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 11/7104, S. 14; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 78. 292 Möller, Präventionsprinzip, S. 256 ff., 260 ff., 272; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 456 f. 293 Dreier, Kompensation, S. 416 ff.; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 516. 294 Möller, Präventionsprinzip, S. 244 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 457; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 82 f. 295 Unter Verweis auf die ökonomische Analyse des Rechts Dreier, Kompensation, S. 530 f., 540 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 274 f.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 383 ff., 458 f.; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 82 f., 83 f., 88 ff. 296 Dreier, Kompensation, S. 551; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 273, 308 f., 456. 297 Dreier, Kompensation, S. 550; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 274, 456 f. 289

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Bestimmung eines abschreckenden Schadensersatzes.298 Zudem werde der Schädiger zum Objekt der Gesamtrechtsordnung gemacht, wenn ein überkompensatorischer Entschädigungsanspruch zum Zweck der Generalprävention bestehe, um die Allgemeinheit von weiteren Rechtsverletzungen abzuschrecken.299 Auch die Besserstellung des Geschädigten sei nicht gerechtfertigt. Daher wird von einzelnen Befürwortern der Präventionsfunktion vorgeschlagen, dass zumindest ein Teilbetrag an die Staatskasse oder wohltätige Einrichtungen abzuführen sei. Hierfür bedarf es indes einer gesetzlichen Regelung. Die Einführung eines Schadensersatzes mit selbständiger Präventionsfunktion wurde beim 66. DJT 2006 entgegen den Vorschlägen des Referenten abgelehnt. Die abschreckende Wirkung der schadensausgleichenden Haftung wurde in Sonderbereichen zwar anerkannt und befürwortet.300 Eine darüber hinausgehende präventive Ausgestaltung des Schadensersatzrechts durch eine Relativierung des Bereicherungsverbots, so dass eine überkompensatorische Entschädigung zulässig ist, sowie eine konsequente Gewinnabschöpfung im Rahmen des Schadensersatzrechts fanden indes keine Mehrheit.301 Vielmehr wurde eine Weiterentwicklung der angemaßten Eigengeschäftsführung nach den §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 S. 2 BGB zur Gewinnabschöpfung favorisiert.302 Einer Erweiterung des Schadensersatzrechts wird zudem entgegengehalten, dass die Grenze zum Bereicherungs- und Deliktsrecht verwischt werde.303 Zudem sei zu bezweifeln, ob es generell einer schadensersatzrechtlichen Gewinnabschöpfung bedürfe.304 Soweit sie im Rahmen des Bereicherungsrechts und des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag möglich sei, gingen diese Bestimmungen als leges speciales vor. Das gelte insbesondere wegen der Beschränkung der Gewinnabschöpfung auf vorsätzliche Handlungen nach §§ 285, 292, 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB und §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 S. 1 BGB, wohingegen eine allgemeine Erweiterung des Schadensersatzrechts auch fahrlässiges Handeln erfasste. Einer Prävention bedürfe es zudem nur, soweit keine ausreichenden strafrechtlichen Sanktionen bestünden.

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Siemes, AcP 201 (2001), 202, 213; Steffen, NJW 1997, 10, 14. Barton, AfP 1995, 452, 456; Gounlakis, AfP 1998, 10, 14, 16; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, S. 158 f.; Klumpp, Privatstrafe, S. 114 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 13; s. auch Deutsch, Haftungsrecht, S. 573 ff.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 212 f.; Steffen, NJW 1997, 10, 10 f. 300 Beschluss des 66. DJT, Bd. II, L 89. 301 Beschluss des 66. DJT, Bd. II, L 89, 91. 302 Beschluss des 66. DJT, Bd. II, L 91. 303 Siemes, AcP 201 (2001), 202, 213. 304 Abl. auch Schernitzky, Immaterieller Schadensersatz, S. 7; für die Ablehnung der Präventionsfunktion verweisen auf die Ungleichbehandlung zu Körperverletzungen und den Rückgriff auf Eingriffskondiktion und angemaßte Eigengeschäftsführung v. Holleben, Geldersatz, S. 120 ff.; Hoppe, VersR 2000, 1114; im Ergebnis ebenso Dünnwald, ZUM 2000, 949, 950. 299

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2. Begründung einer Präventionsfunktion für das gesamte Schadensersatzrecht Eine umfassende Berücksichtigung der selbständigen Präventionsfunktion, die sich nicht auf Teilbereiche des Schadensersatzrechts beschränkt, befürwortete erstmals Löwe.305 Er will den Präventionsgedanken bereits bei der Bestimmung des ersatzfähigen Schadens einfließen lassen und greift auf den Begriff des normativen Schadens zurück, der es erlaube, rechtliche Wertungen, und somit auch präventive Überlegungen, bei der Schadensfeststellung zu berücksichtigen.306 Daher ließe sich ein Schaden unabhängig vom konkreten Schaden des Geschädigten annehmen. Die Entschädigung gleiche nur den normativen Schaden aus und sei kein überkompensatorischer Schadensersatz, so dass kein Konflikt zwischen Ausgleichs- und Präventionsfunktion bestehe.307 Für die Bestimmung der Höhe der Entschädigung entwickelt er keine neuen Kriterien. Für den Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sieht er im Schädigergewinn aber keinen relevanten Maßstab, so dass sich die Bemessung der Entschädigung nicht danach richten dürfe.308 Dem Konzept Löwes ist entgegenzuhalten, dass der normative Schadensbegriff von keiner einheitlichen Wertung getragen ist.309 Er korrigierte die Berechnung des Vermögensschadens nach der Differenzhypothese vor allem in Fällen der Vorteilsausgleichung und der unechten Gesamtschuld.310 In der Vergangenheit hatte er zudem keinen Bezug zum Rechtsgüterschutz oder zur Prävention. Um die Erweiterung des normativen Schadens auf diese Fälle zu begründen, verweist Löwe lediglich darauf, dass ein zusätzlicher Schutz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht und gegenüber Diskriminierungen erforderlich sei.311 Substantiell entwickelte er keine Konzeption für ein solches Verständnis vom normativen Schaden und zeigte vor allem nicht auf, wie sich eine solche Neuausrichtung des Schadensersatzes mit den bestehenden Prinzipien vereinbaren ließe. Gegen diese Vorgehensweise ist weiter einzuwenden, dass der Begriff des normativen Schadens wegen seiner Vagheit nur eine begrenzte Leistungsfähig305

Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 2000. Löwe, Prävention, S. 122 ff.; ähnlich für pönale Elemente Zeytin, Schmerzensgeld, S. 219 ff. 307 Löwe, Prävention, S. 134 f. 308 Löwe, Prävention, S. 188 f. 309 Brinker, Vermögensschaden, S. 212 ff.; Hagen, JuS 1969, 61 ff.; Keuk, Vermögensschaden, S. 42 f.; Mertens, Vermögensschaden, S. 87 ff.; s. auch Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 186 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 36; Staudinger/Schiemann, BGB, Vor § 249 Rn. 38, 41. 310 Z. B. BGH 16.1.1952 Z 7, 30, 37 ff.; 22.6.1956 Z 21, 112, 114 ff.; 5.2.1963 NJW 1963, 1051 f.; BAG 24.4.1970 AP Nr. 5 zu § 60 HGB; s. auch Hohloch, Gutachten, S. 375, 398 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, Vor § 249 Rn. 37 ff.; ähnlich zur Begründung des Vermögensschadens bei der Verletzung einer Hausfrau BGH 9.7.1968 Z 50, 304, 306. 311 Löwe, Prävention, S. 174 ff., 185 ff., 215 ff. 306

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keit hat312 und eine so weitgehende Umgestaltung des Zivilrechts nicht trägt313. Schließlich will Löwe nicht den rechnerischen Schaden korrigieren, sondern einen Präventionsaufschlag vornehmen, so dass mehr als der erlittene Schaden auszugleichen ist. Der Konflikt zwischen Schadensausgleich und überkompensatorischem Schadensersatz zu Präventionszwecken wird durch den Rückgriff auf den normativen Schaden nicht gelöst, sondern nur verdeckt.314 Einen anderen Weg zur Einführung eines allgemeinen Präventionsgedankens in das Schadensersatzrecht beschreitet Schlobach, der einen Präventionsaufschlag zum Schadensersatz befürwortet, der separat auszuweisen sei, damit er aus der Versicherung ausgenommen werden könne.315 Der überkompensatorische Schadensersatz soll den Schädiger gezielt und bewusst mit Kosten belasten, um die Defizite des starren, am zufälligen Schaden ausgerichteten Ausgleichsprinzips zu beseitigen und einen vorbeugenden Rechtsgüterschutz sicherzustellen316. Das Präventionsprinzip nehme die normativen Wertungen auf und werde den Anforderungen einer modernen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gerecht.317 Es erlaube gleichzeitig den Schutz individueller Rechtsgüter und institutioneller Interessen, so dass das Schadensersatzrecht originär öffentliche Aufgaben wahrnehme, ohne in den marktwirtschaftlichen Güteraustausch einzugreifen.318 Ein Präventionsaufschlag soll nach Schlobachs Vorstellung erfolgen, wenn sich eine Rechtsgutsverletzung prozessual nur schwer verfolgen lasse und die Gefahr einer strukturellen Unterkompensation des Schadens bestehe.319 Der Aufschlag müsse sich am Präventionsbedarf orientieren, der anhand der Bedeutung des gefährdeten oder verletzten Rechtsguts entsprechend den verfassungsrechtlichen Wertungen, der Verletzlichkeit des Rechtsguts und dem Schutz durch andere Instrumentarien zu quantifizieren sei. Ähnlich wie bei den multiple damages nach US-amerikanischem Recht, soll die Berechnung des Präventionsaufschlags mit festen Multiplikatoren erfolgen und zugleich der Verletzergewinn vollständig abgeschöpft werden.320 Innerhalb des objektiven Rahmens für die Prävention seien die Eigenarten des Schädigers zu berücksichtigen, wie Verschulden, Motivation, Gewinnerzielungsabsicht und persönliche Verhältnisse, aber auch dessen Ingerenz. Grundlegende Bedeu312

Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 37; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 23; abl. zum normativen Schadensbegriff Deutsch, Haftungsrecht, S. 501 f.; s. auch RGRK/Steffen, BGB, § 823 Rn. 430 f. 313 Ebenso Göbel, Geldentschädigung, S. 91; s. auch Klumpp, Privatstrafe, S. 78 f., der dem Vorschlag bereits abspricht, überhaupt zu Veränderungen zu führen. 314 Ähnlich Klumpp, Privatstrafe, S. 78. 315 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 456 ff., 459, 469. 316 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 469. 317 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 309 f., 463 f. 318 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 309 f., 457, 461. 319 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 456, 458. 320 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 458.

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tung weist Schlobach dem Verschulden zu, zumal ein verschuldensunabhängiger Präventionsaufschlag ineffektive Vorsorgeaufwendungen auslösen könne, die ökonomisch nicht sinnvoll seien.321 Für den Ausgleich immaterieller Schäden befürwortet Schlobach bei schuldhaften Rechtsgutsverletzungen eine Erhöhung des sog. Schmerzensgelds entsprechend der Bedeutung des betroffenen Rechtsguts, da die Genugtuungsfunktion insoweit ihre Bedeutung behalte.322 Die Entschädigung solle nach Ausgleich und Genugtuung separat ausgewiesen werden.323 Auch eine Verurteilung zu einem symbolischen Schadensersatz solle möglich sein, um an das Verantwortungsbewusstsein des Schädigers appellieren zu können. Bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die kommerziellen Zwecken dienten, sei insbesondere die Gewinnabschöpfung wesentlich.324 Daneben müssten der Verschuldensgrad, die Vermögensverhältnisse und das Vorverhalten des Verletzers berücksichtigt werden. Für die Entschädigung in Diskriminierungsfällen fordert Schlobach, den Schadensersatzanspruch präventiv fortzuentwickeln.325 Jeder Bewerber müsse grundsätzlich eine Entschädigung in unbeschränkter Höhe erhalten können, selbst ein professioneller Diskriminierungskläger.326 Sofern der Schädiger erstmals und ohne Verschulden gegen das Benachteiligungsverbot verstoße, sei indes keine Entschädigung zuzusprechen.327 Diese Neuausrichtung des Schadensersatzrechts an einer selbständigen Präventionsfunktion ist nach Schlobachs Dafürhalten bereits de lege lata durch die Auslegung des Billigkeitskriteriums in § 253 Abs. 2 BGB möglich.328 Dem stehe die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts nicht entgegen, da die §§ 249 ff. BGB Raum für die Aufnahme einer Präventionsfunktion ließen.329 Für die Vermögensschäden sei auf § 251 Abs. 1, 2. Alt. BGB zurückzugreifen, der eine zusätzliche Entschädigung neben der Restitution zulasse, wenn die Wiederherstellung i. S. des § 249 BGB nicht genüge.330 Damit seien nicht die 321

Schlobach, Präventionsprinzip, S. 459, 460 f. Schlobach, Präventionsprinzip, S. 471. 323 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 471. 324 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 472. 325 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 472. 326 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 472; so aus pönalen Erwägungen Ebert, Pönale Elemente, S. 356 ff. 327 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 472. 328 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 476. 329 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 477 f. 330 Schlobach, Präventionsprinzip, S. 476 ff.; methodisch greift Schlobach im Anschluss an Larenz und Canaris auf eine Rechtsfortbildung extra legem zurück, die es erlaubt, eine planwidrige Regelungslücke anhand von rechtsethischen Prinzipien zu schließen, sofern keine Analogie zu einer gesetzlichen Regelung möglich ist. Insbesondere eine Analogie zum Immaterialgüterrecht lehnt er ab, weil die Vorschriften nicht verallgemeinerungsfähig seien. Als tragende rechtsethische Prinzipien zieht er den Rechtsgüterschutz, die Gewinnabschöpfung und den Gedanken der Proportionalitätshaftung heran, s. Schlobach, Präventionsprinzip, S. 479, 486 f. 322

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Fälle erfasst, in denen die Naturalrestitution praktisch unmöglich sei, da sie bereits in § 251 Abs. 1, 1. Alt. BGB geregelt seien. Daher müsse der Gesetzgeber mit dieser Alternative ein anderes Ziel verfolgt und somit die Möglichkeit eröffnet haben, eine Entschädigung zuzusprechen, wenn die Restitution nicht genüge, um den Zweck des Schadensersatzes zu erreichen.331 Die Auslegung des § 251 Abs. 1, 2. Alt. BGB lässt sich bereits mit Blick auf seine Entstehung angreifen. Sie geht auf das Preußische Allgemeine Landrecht (ALR I 6 §§ 80 f.) zurück, das zwischen der nicht hinreichenden und unmöglichen Erstattung unterschied.332 Es ordnete den Schadensersatz zudem objektbezogen nach der Beschädigung von Sachen (ALR I 6 §§ 82 ff.) und Personen (ALR I 6 §§ 98 ff.). Sofern die Unmöglichkeit der Naturalrestitution auf die Wiederherstellung des konkreten Objekts bezogen ist, bedarf es einer Regelung wie sie jetzt in § 251 Abs. 1, 2. Alt. BGB enthalten ist, um die Folgeschäden in den Schadensausgleich einzubeziehen. Zudem hatte der Gesetzgeber eine überkompensatorische Entschädigung bei der Regelung der §§ 249 ff. BGB nicht intendiert. Der Rechtsgüterschutz als Ziel der Rechtsordnung genügt zur Begründung nicht, weil sich daraus nicht zwangsläufig die Erweiterung des Schadensersatzes um eine überkompensatorische Entschädigung ergibt. Daran ändert auch die Rechtsprechung zur Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen nichts. Sie steht wegen ihrer Fundierung im grundrechtlichen Schutzgebot außerhalb der §§ 249 ff. BGB und hat auch nach der Vorstellung der Rechtsprechung eine Sonderstellung. Diese Annahme ist nach hiesigem Verständnis zwar nicht berechtigt, das ändert aber nichts daran, dass die §§ 249 ff. BGB nicht ohne weiteres um eine selbständige Präventionsfunktion ergänzt werden können. Die Begründung des Präventionsprinzips lässt sich zumindest de lege lata auch nicht als Proportionalhaftung darstellen. Das Schadensersatzrecht des BGB wurde bewusst unabhängig vom Verschulden geregelt, da die Proportionalhaftung des Preußischen Allgemeinen Landrechts überwunden und der Schadensberechnung ein einheitlicher Wert zugrunde gelegt werden sollte.333 Außerdem führt die Proportionalhaftung nicht notwendig zu einer überkompensatorischen Haftung, sondern ist in erster Linie eine Abkehr vom vollständigen Schadensausgleich im Sinne der Totalreparation. Der Schadensersatz bleibt daher eher hinter dem erlittenen Schaden zurück und übersteigt ihn nicht. 3. Beschränkung einer Präventionsfunktion auf einzelne Teilbereiche Die übrigen Autoren, die dem Schadensersatz eine selbständige Präventionsfunktion zuerkennen, wollen einen überkompensatorischen Schadensersatz331 332 333

Schlobach, Präventionsprinzip, S. 481 ff. Mot. II, S. 21. Mot. II, S. 21.

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anspruch nur in einzelnen Teilbereichen zulassen, in denen der vollständige Schadensausgleich dem Präventionsbedarf nicht genüge. Über die Fallgruppen besteht indes keine Einigkeit. Dreier sieht ein Präventionsbedürfnis im Wesentlichen bei der Verletzung immaterieller Güter334, die wegen ihres ubiquitären Charakters besonders verletzlich seien und bei denen negative Ansprüche häufig versagten.335 Zudem sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Rechtsverletzung entdeckt werde, relativ gering. Eine Gewinnabschöpfung sei durch die Schwierigkeiten bei der Gewinnermittlung wenig praktikabel, so dass ein Präventionsschadensersatz vorzugswürdig sei.336 Im Rahmen der §§ 249 ff. BGB hänge der überkompensatorische Schadensersatz davon ab, ob die Regelungen auch dem Rechtsgüterschutz sowie überindividuellen Ordnungszielen dienten. Das sei bisher nur bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt und müsse konsequent weiterentwickelt werden. Dreier befürwortet einen Präventionsschadensersatz in Form eines Duplum der Lizenzgebühr, der neben den Gewinnabschöpfungsansprüchen aus angemaßter Eigengeschäftsführung und Bereicherungsrecht bestehen solle.337 Beim Ausgleich immaterieller Schäden sei die Berücksichtigung der Präventionsfunktion grundsätzlich nicht geboten. Nur bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedürfe es einer überkompensatorischen Entschädigung, wenn die Verwertung des Persönlichkeitsrechts kein Geschäft des Verletzten sei, so dass weder die Eingriffskondiktion noch die Geschäftsführung ohne Auftrag eine Gewinnherausgabe erlaube.338 Das betreffe insbesondere Ehrverletzungen und Rufschädigungen. Möller will der Präventionsfunktion bei drei Fallgruppen den Vorrang gegenüber der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes einräumen, um Defizite des Schadensersatzrechts zu beseitigen.339 Die Rechtsdurchsetzung sei strukturell ineffizient, wenn die Rechtsverletzung nur einen geringen oder keinen Schaden verursache oder die Wahrscheinlichkeit, dass der Verletzer tatsächlich zum Schadensausgleich herangezogen wird, so gering ist, dass der zu erwartende Gewinn das Risiko lohne.340 Zudem bedürfe es eines überkompensato334 Dreier, Kompensation, S. 61 ff., 143, 416 ff. Insoweit verweist er auf das TRIPS-Abkommen und die Richtlinie 95/46/EG, die eine effektive Sanktion forderten. Siehe auch Mundhenke, Schmerzensgeldrechtsprechung, S. 216 f., der keine Notwendigkeit für eine generelle Erweiterung der Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB um einen Präventionsgedanken sieht. Vgl. zum Urheberpersönlichkeitsrecht Schork, Entschädigung, S. 241 f., der die Verletzerzuschläge nach dem UrhG auf die Entschädigung ideeller Einbußen erweitern will. Zudem befürwortet er eine Übertragung der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf das Urheberpersönlichkeitsrecht, wobei aber eine gesetzliche Regelung erfolgen soll (S. 246 ff.). 335 Dreier, Kompensation, S. 500. 336 Dreier, Kompensation, S. 531, 542. 337 Dreier, Kompensation, S. 546 ff. 338 Dreier, Kompensation, S. 541 f. 339 Möller, Präventionsprinzip, S. 242 ff. 340 Möller, Präventionsprinzip, S. 243, 244 f.

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rischen Schadensersatzanspruchs, wenn der Gewinn aus der Rechtsverletzung größer sei als der potentielle Schaden.341 Daher will Möller die bereits entwickelten Sonderfälle – die Entschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen und unzulässigen Benachteiligungen nach § 611a BGB a. F. – im Schadensersatzrecht aufrechterhalten.342 Bei der Bemessung der Entschädigung sei der Normzweck des Haftungsgrunds nach der Normzwecklehre zu berücksichtigen.343 Darauf lasse sich bei einem unzureichenden Rechtsgüterschutz eine selbständige Präventionsfunktion stützen, so dass der Richter eine überkompensatorische Entschädigung zusprechen könne, ohne gegen das Bereicherungsverbot zu verstoßen.344 Das Übermaßverbot setze der Entschädigung eine Obergrenze und verhindere „amerikanischen Verhältnisse“.345 Soweit die Entschädigung der Prävention diene, solle sie nicht versicherbar sein. Daher bedürfe § 81 VVG de lege ferenda einer Ergänzung.346 Auch über das Verhältnis von Schadensersatz oder Kriminalstrafe müsse der Gesetzgeber entscheiden. Sofern sich der Rechtsgüterschutz nur durch eine Kriminalstrafe gewährleisten lasse, scheide ein präventiver Schadensersatz aus. Im Übrigen entfalle bei einem präventiven Schadensersatz die Notwendigkeit einer Bestrafung.347 Damit zeigt sich deutlich, dass der Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion ein Strafschadensersatz, und insoweit eine Privatstrafe ist, auch wenn Möller diese Gleichsetzung nicht vornimmt. Die Begründung der selbständigen Präventionsfunktion stützt Möller primär auf den Haftungsgrund. Dieser entscheidet über die Umverteilung der mit dem Schadensfall verbundenen Lasten, indem er das Ob der Haftung bestimmt und die Zurechnung der zu ersetzenden Schäden beeinflusst. Der Rechtsgüterschutz, den die haftungsbegründende Norm verfolgt, erzwingt es aber nicht, die Bemessung des Schadensersatzes vollständig an der Prävention zukünftiger Rechtsgutsverletzungen auszurichten, zumal eine Unterscheidung zwischen dem Ob und Wie der Haftung möglich ist. Zudem liegt den §§ 249 ff. BGB der Ausgleichsgedanke zugrunde. Eine überkompensatorische Entschädigung lässt sich höchstens beim Ausgleich ideeller Schäden nachträglich in das Schadensersatzrecht implementieren, sofern der Begriff der angemessenen Entschädigung im Sinne einer selbständigen Präventionsfunktion ausgelegt wird. Möller bleibt aber eine überzeugende Erklärung dafür schuldig, wie ein überkompensatorischer Schadensersatz auf der Grundlage der 341

Möller, Präventionsprinzip, S. 244. Daneben will er die GEMA-Rechtsprechung, die dreifache Schadensberechnung und die Rechtsprechung zur Bekämpfung von Kleinkriminalität fortführen. 343 Möller, Präventionsprinzip, S. 246 ff.; verweisend auf Lange (Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9). 344 Möller, Präventionsprinzip, S. 261 ff. 345 Möller, Präventionsprinzip, S. 296. 346 Möller, Präventionsprinzip, S. 267 f. 347 Möller, Präventionsprinzip, S. 285. 342

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§§ 249–252 BGB zu begründen ist. Im Grunde ist nur ein Strafzuschlag denkbar, der den Schadensersatz erhöht. Dafür fehlt es aber an einer gesetzlichen Grundlage, da die §§ 249 ff. BGB nicht nach dem Haftungsgrund und seinem Zweck differenzieren.348 Auf die dienende Funktion des Schadensersatzrechts allein lässt sich nicht verweisen, auch wenn der Schadensersatzanspruch von der Verwirklichung eines Haftungsgrunds abhängig ist.349 Der Gesetzgeber hat bei der Abfassung des BGB keine Privatstrafen geregelt, um Zivil- und Strafrecht zu trennen. Nur durch privatautonome Regelungen können Privatstrafen in Form von Vertragsstrafen, Vereinsstrafen oder Betriebsbußen geschaffen werden. Daher kann der Normzweck des Haftungsgrunds allein nicht die Einführung eines Strafschadensersatzes ermöglichen, zumal das bei der Normsetzung nicht bezweckt war. Ähnlich wie Möller will auch Wagner mittels eines überkompensatorischen Schadensersatzes vor allem vor der gewinnbringenden Aneignung fremder Rechtsgüter abschrecken und Kompensationslücken bei der mangelnden Durchsetzung bestehender Schadensersatzansprüche schließen.350 Die Gewinnabschöpfung sei durch das Bereicherungsrecht und das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag nur unzureichend gewährleistet, zumal sie sich auf Eingriffe in Vermögensrechte beschränkten.351 Daher müsse der Verletzergewinn mittels eines überkompensatorischen Schadensersatzes abgeschöpft werden.352 Das Abstellen auf den Verletzergewinn behebe zugleich die Schwierigkeiten bei der Bemessung der Entschädigung, die vor allem entstehen, wenn der Berechtigte das betroffene Rechtsgut nicht verkaufen wollte. Wagner schlägt daher eine Ergänzung des Schadensersatzes um einen Gewinnherausgabeanspruch vor.353 Dieser Anspruch sei auf vorsätzliche Rechtsverletzungen zu beschränken, um eine ungünstige Kostenbelastung bei fahrlässigen Handlungen zu vermeiden.354 Der Umfang des Anspruchs sei nicht auf die Abschöpfung des Verletzergewinns fixiert. Für die Abschreckung genüge es, wenn die Entschädigung fühlbar über den vom Schädiger zu zahlen348 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, Vorbem zu §§ 249 ff. Rn. 4. 349 Bunte, FS Giger, S. 55, 57; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9; Löwe, Prävention, S. 105 f.; Staudinger/Schiemann, BGB, Vorbem zu §§ 249 ff. Rn. 4; s. aber Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, S. 158. 350 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 82 f. 351 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 85 f. 352 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 87 f., 96 f.; Vorschlag zur Einfügung eines § 251 Abs. 3 BGB: „Hat sich der Ersatzpflichtige vorsätzlich über die Berechtigung des Gläubigers [= des Geschädigten] hinweggesetzt, so kann dieser statt des Schadensersatzes die Herausgabe des Gewinns, den der Ersatzpflichtige erzielt hat, und Rechnungslegung über diesen Gewinn verlangen.“ Zugleich soll § 687 Abs. 2 BGB gestrichen werden. Krit. zur Ausgestaltung des § 251 Abs. 3 BGB Helms, Gewinnherausgabe, S. 481 ff. 353 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 85. 354 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 84.

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den Marktpreis hinausgehe.355 Daneben bestehe kein zusätzlicher Anspruch auf Gewinnherausgabe zugunsten des Geschädigten. Noch zurückhaltender sind die Autoren, die die selbständige Präventionsfunktion auf die Geldentschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen beschränken, der als Anspruch eigener Art eine Sonderrolle einnehme.356 Trotz dogmatischer Bedenken sei eine überkompensatorische Entschädigung einem eigenständigen Gewinnabschöpfungsanspruch vorzuziehen, da die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Verletzergewinns so vermieden werden. Die Gewinnabschöpfung im Rahmen der Entschädigung immaterieller Schäden sei denkbar, zumal der BGH in seinem Urteil zu punitive damages davon ausging, dass sich dies mit dem ordre public vereinbaren lasse.357 Darüber hinaus bleibe es beim Schadensausgleich. IV. Zusammenfassung Die Entwicklung des Strafrechts hat keinen Einfluss auf das Schadensersatzrecht genommen. Die Versuche einer Entkriminalisierung von Teilbereichen des Strafrechts fanden keine Unterstützung, sondern es wurde im Interesse des Rechtsgüterschutzes an der Strafbarkeit festgehalten. Die Bewältigung der Fallzahlen wurde zum Teil durch das Opportunitätsprinzip, insbesondere durch die Anwendung des § 153a StPO, erleichtert. Das führt de facto auch zu einer latenten Entkriminalisierung. Daneben erfolgte eine Integration der Wiedergutmachung in das Strafverfahren zugunsten des Opfers. Diese Erweiterung des Opferschutzes hat die Dogmatik des Schadensersatzrechts nicht beeinflusst. Vielmehr findet das nachtatliche Verhalten des Straftäters und die Konfliktlösung im kommunikativen Zusammenwirken mit dem Opfer Berücksichtigung. Die Einbeziehung des Schadensersatzes führt nicht zu einer Repönalisierung des Ersatzes immaterieller Schäden, zumal nur die (teilweise) Erfüllung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs bzw. das Erfüllungsbemühen Bedeutung hat. Vielmehr werden die Interessen des Opfers konsequent in die strafprozessuale Bewältigung der Folgen der Straftat einbezogen. Im Interesse des Rechtsgüterschutzes und als Reaktion auf strukturelle Defizite bei der Rechtsdurchsetzung wird in der Literatur teils der fallgruppenweise Ausbau der Privatstrafe de lege ferenda, teils die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion gefordert. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis ist auch die überkompensatorische Entschädigung mit selbständiger Präventionsfunktion Privatstrafe. Für die Anerkennung einer solchen Privatstrafe auf der Grundlage eines allgemeinen Präventionsprinzips im geltenden Recht ist nachfolgend zu untersuchen, welche Regelungen bzw. Rechtsentwicklungen für eine solche Ergänzung des Schadensersatzrechts um 355 356 357

G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 84 f. Siehe oben § 3.F.III., S. 200 ff. BGH 4.6.1992 Z 118, 312, 340.

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eine Privatstrafe sprechen. Dabei ist nicht nur auf die Normen einzugehen, die eine selbständige Präventionsfunktion haben. Eine wesentliche Grundlage für die Ableitung dieser Präventionsfunktion ist die Caroline-Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Diese ist jedoch seit der Marlene-Dietrich-Entscheidung des 1. Zivilsenats einer Gegenentwicklung ausgesetzt, die hier zu berücksichtigen ist, um eine belastbare Grundlage für die Verankerung der selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes als Form der Privatstrafe im geltenden Recht entwickeln zu können.

E. Zusammenfassung Die rechtliche Qualifikation der Entschädigung immaterieller Einbußen war historisch Gegenstand der Auseinandersetzung, die zugunsten der Einordnung als Schadensersatzanspruch entschieden ist. § 253 Abs. 2 BGB ist zudem eine bloße Rechtsfolgenbestimmung. Auch die Entschädigungsansprüche wegen unzulässiger Benachteiligung aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG beschränken sich nach dem hier entwickelten Verständnis auf den Schadensausgleich. Etwas anderes gilt nur für die Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen, die bisher eine selbständige Präventionsfunktion zur Umsetzung der Vorgaben des grundrechtlichen Schutzgebots aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG hatte. Ihre Anerkennung hängt zum einen davon ab, ob die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Folge hat, dass kein zusätzlicher Rechtsgüterschutz erforderlich ist (dazu § 17). Sofern die vermögensrechtlichen Ansprüche ausreichen, um sicherzustellen, dass sich das Delikt für den Schädiger nicht mehr lohnt, bedarf es keiner überkompensatorischen Entschädigung. Sofern weiterhin ein Präventionsbedarf besteht, ist zum anderen zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine solche Präventionsfunktion im geltenden Recht anzuerkennen ist. Die Diskussion über die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion, die eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, beschränkt sich aber nicht auf die Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen. Vielmehr befürworten einige Autoren aus der Gesamtschau der Privatrechtsordnung heraus die Anerkennung einer allgemeinen Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts. Einzelne Autoren wollen sie generell in das Schadensersatzrecht integrieren, wohingegen andere sie auf unterschiedliche Teilbereiche – vor allem auf die lukrativen Delikte – beschränken. Zudem wird der überkompensatorische Schadensersatz nicht übereinstimmend dahin verstanden, dass die Entschädigung nach pflichtgemäßem Ermessen und dem konkreten Abschreckungsbedürfnis festzusetzen ist. Sofern es um die Prävention gegenüber lukrativen Delikten geht, soll vor allem eine Gewinnabschöpfung erfolgen. Insoweit wird eine Pauschalierung erwogen, um die Schwierigkeiten bei

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Teil 4: Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe

der Ermittlung des Gewinns zu vermeiden. Im Ergebnis besteht selbst unter den Autoren, die eine (selbständige) Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts befürworten keine Einigkeit über den Anwendungsbereich dieser Funktion des Schadensersatzes und die Bemessung der Entschädigung. Zudem bestehen die aufgezeigten Zweifel an der Ableitung dieser Funktion und ihrer Einbindung in das geltende Recht. Daher sind in § 18 die Vorschläge zur Privatstrafe und zur Prävention im Privatrecht kritisch zu würdigen und zu untersuchen, inwieweit der Ersatz ideeller Schäden im Interesse einer Prävention von Rechtsverletzungen weiterzuentwickeln ist.

§ 17 Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und deren Folgen für den Ersatz immaterieller Schäden A. Wechselverhältnis zwischen der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem Ersatz immaterieller Schäden Die Geldentschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen nimmt innerhalb des Ausgleichs immaterieller Schäden eine Sonderstellung ein. Der Anspruch beruht auf dem Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG1 und gewährt bei Persönlichkeitsverletzungen, die auf einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung des Geschädigten mit Gewinnerzielungsabsicht beruhen, eine überkompensatorische Entschädigung zum Zweck der Abschreckung.2 Die Entschädigung dient dem Schutz des grundrechtlich gewährleisteten Rechtsguts vor Übergriffen vor allem durch die Presse und die Merchandisingindustrie, die die Persönlichkeit insbesondere wegen ihrer Popularität verwerten, so dass die bloße Schadenswiedergutmachung bei solchen lukrativen Delikten nicht ausreicht, um erneuten Rechtsverletzungen für die Zukunft entgegenzuwirken.3 Der 6. Zivilsenat des BGH sah in der Erhöhung des Entschädigungsanspruchs über den Schadensausgleich hinaus die einzige Möglichkeit, um den Rechtsgüterschutz zu verbessern, zumal er dem Rechtsinhaber keinen Anspruch auf Wertersatz oder Gewinnherausgabe zuerkannte,

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Zur Ableitung des Anspruchs s. § 2.A.VI.1.a., S. 82 ff.; zur Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung s. § 3.D., S. 180 ff. 2 BGH 19.9.1961 Z 35, 363, 369 (Ginsengwurzel); 5.3.1961 Z 39, 124, 133 (Fernsehansagerin); 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); Prinz, NJW 1995, 953, 954; s. auch § 3.F.III., S. 200 ff. 3 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III).

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wenn er zur Verwertung seiner Persönlichkeit nicht bereit war.4 Die Entschädigung des immateriellen Schadens übernahm somit eine „Aushilfsaufgabe“5 über die Wiedergutmachung hinaus, um das Rechtsgut effektiv zu schützen. Der 1. Zivilsenat des BGH anerkennt jedoch seit 1999 vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unabhängig von der Verwertungsbereitschaft der Person. Seit der Marlene-Dietrich-Entscheidung genügt es, dass die Bekanntheit einer Person in der Öffentlichkeit verwertbar ist, damit ein vermögensrechtlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts besteht und somit Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, § 812 Abs. 1, S. 1, 2. Alt. BGB oder §§ 667, 683 S. 1, 687 Abs. 2 S. 1 BGB entstehen können. Das entzieht der Begründung der selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs bei schweren Persönlichkeitsverletzungen ihre Grundlage, wenn die Ansprüche wegen der Verletzung des vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts ausreichen, um die notwendige und hinreichende Abschreckungswirkung zu erzielen und das grundrechtliche Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu verwirklichen.6 Es kommt darauf an, ob die Ansprüche ausreichen, um einen Hemmungseffekt zu erzielen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile bisher auf Personen beschränkte, die der Öffentlichkeit bekannt waren. Somit ist zu untersuchen, ob es zumindest zugunsten der übrigen Personen einer Fortführung der Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedarf. Schließlich ist aufzuzeigen, ob und in welchen Fällen neben den Ansprüchen auf Ersatz des Vermögensschadens, Wertersatz oder Gewinnherausgabe noch ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden entsteht. Die Rechtsprechung scheint davon auszugehen, dass ein solcher Entschädigungsanspruch wegen immaterieller Einbußen bestehen kann, ohne dass sie die Fallgruppen bisher abgrenzen musste, in denen die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch vorliegen.7 Auch die Literatur hat nur vereinzelt differenzierende Er4 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 f. (Caroline I); bestätigend BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III). 5 Steffen, FS Odersky, S. 723, 726 f. 6 Gegen das Festhalten an der selbständigen Präventionsfunktion Göbel, Geldentschädigung, S. 180 ff.; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 220; Helle, JZ 2007, 444, 445; Koos, WRP 2002, 202, 202 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 230; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 249; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 1, 29 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 213; ders., WRP 2000, 1049, 1052 f.; s. auch G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 224 f.; für deren Aufrechterhaltung Dreier, Kompensation, S. 348 ff.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 154 f.; zur Gewinnabschöpfung als Funktion des Entschädigungsanspruchs Ady, Ersatzansprüche, S. 120 ff. 7 Z. B. BGH 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3784 (Entschädigung für immaterielle Einbußen durch Vorinstanz abgelehnt und nicht mit der Revision angegriffen); BGH 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1529 f. (mangels rechtswidriger Rechtsgutsverletzung); s. auch OLG München 9.3.1995 NJW-RR 1996, 539, 541; LG Hamburg 15.10.1993 AfP 1995, 526, 527.

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wägungen unternommen.8 Bei der Entwicklung der Fallgruppen lassen sich insbesondere aus dem Urheberrecht Anhaltspunkte gewinnen.9 Der Urheber hat neben dem Verwertungsrecht ein Urheberpersönlichkeitsrecht, dessen Verletzung Entschädigungsansprüche für ideelle Einbußen auslösen kann, die ebenfalls neben den vermögensrechtlichen Ansprüchen wegen Verletzung des Verwertungsrechts bestehen können.

B. Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts I. Zur Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Anerkennung der Persönlichkeitsrechte vollzog sich schrittweise seit dem Aufkommen der Massenmedien und des Merchandising. Zunächst waren nur einzelne tatbestandlich abgegrenzte Persönlichkeitsrechte gesetzlich geregelt10 und Gegenstand der Rechtsprechung des RG11. Daran knüpfte der BGH an und konstatierte bereits in der Paul-Dahlke-Entscheidung, dass bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch kommerzielle Interessen berührt sein können.12 Zudem solle niemand, der in ein fremdes Recht eingreife, besser stehen als bei einer ordnungsgemäß erteilten Nutzungserlaubnis.13 Der BGH gewährte einen Anspruch auf angemessene Lizenzgebühr aus Eingriffskondiktion und verwies auf einen deliktischen Schadensersatzanspruch bei schuldhafter Rechtsgutsverletzung.14 Zunächst galt es als unerheblich, ob der Verletzte dem konkreten Verhalten des Schädigers zugestimmt hätte.15 8 Z. B. Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 361; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 98 f.; Dünnwald, ZUM 2000, 949, 951; Fornasier/Frey, AfP 2009, 110, 114 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 68, 282; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, S. 66, 98 f.; Magold, Personenmerchandising, S. 445 ff.; Seemann, Prominenz, S. 173; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 221; Wandtke, GRUR 2000, 942, 950; Witzleb, Geldansprüche, S. 119, 126, 183 ff. 9 Siehe oben § 2.A.V.1., S. 77 ff. 10 Z. B. Recht am eigene Bild, Namensrecht; dazu Helle, Persönlichkeitsrechte, S. 4 f., 45 ff. 11 RG 28.10.1910 Z 74, 308, 312 f. (Graf Zeppelin); grundsätzlich auch RG 26.6.1929 Z 125, 80, 82 ff. (Tull Harder). 12 BGH 8.5.1956, Z 20, 345, 353 (Paul Dahlke); andeutend zum Namensrecht schon RG 26.6.1929 Z 125, 80, 82 ff. (Tull Harder). 13 RG 8.6.1895 Z 35, 63; 7.3.1900 Z 46, 14; 11.1.1902 Z 50, 111; 4.4.1914 Z 84, 370; 29.3.1919 Z 95, 223; 22.10.1930 Z 130, 108. 14 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 353 ff. (Paul Dahlke); 18.3.1959 30, 7, 16 (Caterina Valente); zur Eingriffskondiktion BGH 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 26.6.1981 Z 81, 75, 81 f. (Carrera); 14.10.1986 NJW-RR 1987, 231, 232 (Nena); 14.4.1992 NJW 1992, 2084, 2085 (Joachim Fuchsberger). 15 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 353 (Paul Dahlke); bestätigend, soweit das Bildnis, der Name oder das Image eines Prominenten zu Werbezwecken oder im Rahmen einer Verkaufsstrategie verwendet wurde, BGH 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 26.6.1981 Z 81, 75,

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Gleichwohl behielt das allgemeine Persönlichkeitsrecht primär einen ideellen Charakter.16 Der 6. Zivilsenat beschränkte in der Herrenreiter-Entscheidung den Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens auf Fälle, in denen der Rechtsinhaber verwertungsbereit war und die Verwertungserlaubnis üblicherweise von der Zahlung eines Entgelts abhängig gemacht wurde.17 Anderenfalls empfinde der Betroffene die Veröffentlichung als Persönlichkeitsbeeinträchtigung, so dass nur ideelle Interessen beeinträchtigt seien.18 Ein Vermögensrecht sei nur verletzt, wenn sich der Geschädigte vorher zur Verwertung des Persönlichkeitsdetails entschlossen hatte.19 Vermögensrechtliche Ansprüche seien auf diese Fälle beschränkt. Im Übrigen komme nur ein Ersatz der ideellen Schäden in Betracht. Das galt für die in der Öffentlichkeit bekannten Personen, die sich gegen die Verwertung ihrer Persönlichkeitsmerkmale entschieden, ebenso wie für den sog. Normalbürger, der seine Persönlichkeit mangels Popularität nicht hätte verwerten können. Die Literatur sprach sich hingegen dafür aus, dem Rechtsinhaber nicht nur Ansprüche auf Ersatz der immateriellen Schäden zu gewähren, wenn ein Dritter Vorteile aus der Verwertung seiner Persönlichkeit zieht.20 Insbesondere auf der Grundlage der Lehre vom Zuweisungsgehalt wurden Ansprüche aus Ein81 16 f. (Carrera); 14.10.1986 NJW-RR 1987, 231, 232 (Nena); 14.4.1992 NJW 1992, 2084, 2085 (Joachim Fuchsberger). Zum Widerspruch zur Herrenreiter-Entscheidung Mestmäcker, JZ 1958, 521, 525; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 211. 16 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 218 (Marlene Dietrich); dazu Ullmann, AfP 1999, 209, 211 ff.; G. Wagner, VerR 2000, 1305, 1307 f. 17 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 352 f. (Herrenreiter); zust. Gounalakis, AfP 1998, 10, 19; G. Müller, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 53, 62 f.; Steffen, NJW 1997, 10, 13; krit. Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 50 ff.; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 210; ohne solche Beschränkung Soergel/Beater, BGB, § 823 BGB Anh. IV Rn. 234. 18 BGH 14.2.1958, Z 26, 349, 352 f. (Herrenreiter); abl. Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 400 ff.; s. auch Büchler, AcP 206 (2006), 300, 332 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 211 ff.; Witzleb, Geldansprüche, S. 172; zweifelnd Frommeyer, JuS 2002, 13, 17. 19 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 353 (Herrenreiter); 18.3.1959 Z 30, 7, 16 (Caterina Valente); 19.9.1961 Z 35, 363, 366 (Ginsengwurzel); 26.6.1981 Z 81, 75, 79 f. (Carrera); Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 364. 20 Beuthien, NJW 2003, 1220, 1221; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 62 ff.; Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 403; v. Caemmerer, FS v. Hippel, S. 27, 39 f.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 87 ff.; Forkel, GRUR 1988, 491, 496, 498; Frommeyer, JuS 2002, 13, 16; Göbel, Geldentschädigung, S. 185, 226; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 49 ff., 134 ff.; ders., GRUR 2004, 801, 803; Helle, RabelsZ 60 (1996), 448 ff., 459 ff.; Klein, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 158 ff.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 129 f.; Magold, Personenmerchandising, S. 515 ff.; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 449, 458 f.; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 228; Seemann, Prominenz, S. 148 ff.; Seifert, NJW 1999, 1889, 1895 ff.; Seitz, NJW 1996, 2848, 2849; Siemes, AfP 1997, 542, 543; dies., AcP 201 (2001), 202, 219; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 243; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 230 ff.; Ullmann, AfP 1999, 209, 211 ff.; Vollkommer, FS Leisner, S. 599, 605, 607 f.; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 210 ff., 221 ff.; s. auch OLG München 9.3.1995 NJW-RR 1996, 539; a. A. Gounalakis, AfP 1998, 10, 18 f.; Helle, JZ 2007, 445, 449 ff.; Kretna, GRUR Int. 1996, 298, 299 ff.; Peifer, Individualität, S. 283 ff., 306; ders., GRUR 2002, 495, 498; Peukert, ZUM 2000, 710, 718; ders., Güterzuordnung, S. 826 ff; Schack, JZ 2000, 1060, 1062; Steffen, NJW 1997, 10, 13.

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griffskondiktion begründet. Für Ansprüche aus angemaßter Geschäftsführung ohne Auftrag wurde auf die Fremdheit des Geschäfts abgestellt. Soweit die Nutzung des Persönlichkeitsmerkmals nicht gemeinfrei sei, ordne die Rechtsordnung sie dem Rechtsinhaber zu. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht beschränke sich nicht auf ein Abwehrrecht gegen den Zugriff Dritter, sondern räume dem Rechtsinhaber zugleich die Nutzung seiner Persönlichkeitsmerkmale ein.21 Neben den ideellen bestehen somit vermögenswerte Persönlichkeitsmerkmale. Zum Teil wurde unter Verweis auf die Entwicklung des right of publicity im US-amerikanischen Recht die Anerkennung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts gefordert.22 Über die konzeptionelle Ausgestaltung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit vermögensrechtlichen und ideellen Bestandteilen besteht noch keine Einigkeit im Detail, wenngleich sich, ebenso wie im Urheberrecht, wohl eine monistische Auffassung durchsetzt, wonach beide Bestandteile in einem einheitlichen Recht zusammentreffen.23 Eine Weiterentwicklung zu einem Persönlichkeitsgüterrecht, das die Übertragung und Vererbung der vermögensrechtlichen Bestandteile und sogar ihre Trennung von den ideellen Bestandteilen ermöglicht, ist umstritten.24 Für die Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. und §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 S. 1 BGB ist jedoch allein die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile entscheidend. Sofern das Persönlichkeitsrecht kein reines Abwehrrecht, sondern auch Nutzungsrecht ist und somit die Vermögensvorteile dem Rechtsinhaber zuordnet, lassen sich diese Ansprüche begründen. Sowohl das Bereicherungsrecht als auch die Geschäftsführung ohne Auftrag sind kein reiner Dispositionsschutz, der auch bei der Verletzung eines Abwehrrechts eingreift. Die Eingriffskondiktion setzt nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt voraus, dass die kondiktionsbegründende Nutzung des Persönlichkeitsbestandteils dem Bereicherungsgläubiger durch die Rechtsord21

Siehe Fn. 20. Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 168 ff., 275 f.; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 218 ff.; zum right of publicity auch Büchler, AcP 206 (2006), 300, 318 f.; Kretna, GRUR Int. 1996, 298, 299, 302 f. 23 Forkel, GRUR 1988, 491, 498; Freitag, Kommerzialisierung, S. 60 ff.; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 137 ff.; Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 459 ff.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 78; Magold, Personenmerchandising, S. 502, 538; Peukert, ZUM 2000, 710, 713; s. auch Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 138, 276; ders., GRUR 2004, 801, 804; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 223; ders., GRUR 2000, 717, 718; a. A. Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 16 ff., 37 f.; Lichtenstein, Idealwert, S. 303 ff., 361; so schon Heitmann, Schutz, S. 77 f., 81 ff. (dualistisches Konzept). 24 Fikentscher, Wirtschaftsrecht, S. 112 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 138, 276; ders., GRUR 2004, 801, 804; Magold, Personenmerchandising, S. 414 f.; Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 69; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 79; Ullmann, AfP 1999, 209, 214; G. Wagner, GRUR 2000, 717, 720; ders., VersR 2000, 1305, 1309; ders., ZEuP 2000, 200, 221 ff.; s. auch Lichtenstein, Idealwert, S. 224 ff., 303 ff.; a. A. Peifer, Individualität, S. 293 f., 306 f.; Peukert, ZUM 2000, 710, 718; Schack, JZ 2000, 1060, 1062; ders., JZ 2007, 366, 367; F. Schubert, AfP 2007, 20, 23. 22

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nung zugewiesen ist.25 Daran fehlt es, wenn dem Persönlichkeitsrecht nur ein ideeller Charakter zugesprochen wird.26 Auch eine Gewinnabschöpfung wegen angemaßter Eigengeschäftsführung ist ausgeschlossen, weil hinsichtlich der Nutzung nicht in den Rechtskreis des Geschäftsherrn eingegriffen wird, sofern die Rechtsordnung sie ihm nicht zuweist. Entgegen der Herrenreiter-Entscheidung des 6. Zivilsenats des BGH anerkannte der 1. Zivilsenat im Jahre 1999 vermögensrechtliche Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unabhängig von der konkreten Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers. Die Marlene-Dietrich-Entscheidung betraf die kommerzielle Nutzung des Vornamens und des Schriftzugs der verstorbenen Künstlerin zu Merchandisingzwecken.27 Ihr postmortales Persönlichkeitsrecht ist nur ein Abwehrrecht, das dem Wahrnehmungsberechtigten bei schwerwiegenden Entstellungen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, aber keinen Schadensersatzanspruch gewährt.28 Bei der kommerziellen Verwertung von Persönlichkeitsbestandteilen nach dem Tod blieb daher ein erhebliches Rechtsschutzdefizit. Eine Erweiterung des Ausgleichs immaterieller Schäden auf das postmortale Persönlichkeitsrecht lehnte der 1. Zivilsenat ab, da es sich um das nachwirkende Recht des Verstorbenen handle und diesem kein Schaden entstehen könne.29 Der Gerichtshof ordnete aber das Bild und den Namenszug als vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ein, deren Nutzung dem Rechtsinhaber zugewiesen ist. Auf die Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers komme es nicht an, sondern es genüge, dass der Verletzte der Öffentlichkeit bekannt war und dem verwerteten Persönlichkeitsdetail ein wirtschaftlicher Wert zukam, der sich bei der Zwangskommerzialisierung realisierte.30 Damit rückte der 1. Zivilsenat des BGH von der Herrenreiter-Doktrin des 6. Zivilsenats ab und nimmt zugleich an, dass das Vermögensrecht auf die Erben übergehe, so dass ihnen Ansprüche aus deliktischer Haftung oder Eingriffskondiktion zustehen.31

25 Anders nur die Rechtswidrigkeitslehre zur Eingriffskondiktion, die jede rechtswidrige Ausnutzung eines fremden identifizierbaren Rechtsobjekts genügen lässt, grundlegend F. Schulz, AcP 105 (1909), 1, 427 ff., 433; s. auch Haines, Bereicherungsansprüche, S. 102; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 104 ff. 26 Siehe oben § 17.B., S. 738 ff. 27 BGH 1.12.1999 Z 143, 214 (Marlene Dietrich). 28 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 223 f. (Marlene Dietrich); zum postmortalen Persönlichkeitsrecht § 2.A.VII.1., S. 98 ff. 29 Zu dieser Alternative Schack, JZ 2000, 1060, 1061. 30 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 225 (Marlene Dietrich); zust. z. B. Ehmann, AfP 2005, 237, 246; ders., AfP 2007, 81, 83; Götting, NJW 2001, 585 ff.; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 1, 24; G. Wagner, JZ 2004, 319, 322. 31 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 219 ff.; zust. Beuthien, ZUM 2003, 261, 262; Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 694; G. Wagner, GRUR 2000, 717, 720; Wanckel, NJW 2006, 3411; krit. Schack, JZ 2000, 1060 (nur zustimmend, wenn die Marlene-Dietrich-Entscheidung die äußere Grenze das allgemeinen Persönlichkeitsrechts markiert).

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Der 1. Zivilsenat rechtfertigt diesen Schritt mit der notwendigen Verbesserung des Rechtsschutzes gegen die kommerzielle Verwertung von Persönlichkeitsbestandteilen, die gerade nach dem Tod des Rechtsinhabers angesichts der Defizite beim Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts erforderlich sei.32 Somit leitete insbesondere die angestrebte Rechtsfolge die Argumentation. Zugleich verweist der Senat auf die dienende Funktion des Rechts, das einen Ordnungsrahmen für neue Vermarktungsformen bieten müsse.33 Die Entscheidung wurde durch die nachfolgende Rechtsprechung bestätigt34, wobei der 1. Zivilsenat von den „vermögensrechtlichen Bestandteilen des postmortalen Persönlichkeitsrechts“ bzw. vom „postmortale[n] allgemeine[n] Persönlichkeitsrecht“ spricht35, was angesichts der unterschiedlichen Ableitung des postmortalen Persönlichkeitsrechts und der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine eher verwirrende Begriffsvermischung ist. Zugleich präzisiert der 1. Zivilsenat Schutzgehalt und Schutzdauer der vererbten vermögensrechtlichen Bestandteile. Sie behalten dem Erben keine Nutzungshandlungen vor und erlauben ihm nicht, die Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Verstorbenen zu steuern.36 Es handle sich um einen offenen Rahmentatbestand, so dass es stets einer Güterabwägung bedürfe, um die Rechtswidrigkeit des Eingriffs festzustellen. Zeitlich wird die Geltendmachung der vermögensrechtlichen Bestandteile der Persönlichkeit analog dem Schutz des Rechts am eigenen Bild nach § 22 S. 3 KUG auf zehn Jahre nach dem Tod des Rechtsinhabers beschränkt.37 Diese Rechtsfortbildung zielt vor allem auf Rechtssicherheit. Sie hat zugleich zur Folge, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht gegebenenfalls zeitlich länger geschützt ist als die vermögensrechtlichen Bestandteile. Schließlich erweitert der 1. Zivilsenat diese Rechtsprechung auf die Zwangskommerzialisierung zu Lebzeiten des Betrof32

BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 225 f. (Marlene Dietrich). BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 225 (Marlene Dietrich). 34 BGH 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); 5.10.2006 Z 169, 193, 196 (kinski-klaus.de); s. auch BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 f. (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 35 BGH 5.10.2006 Z 169, 193, 196, 197 (kinski-klaus.de). 36 BGH 5.10.2006 Z 169, 193, 196 f. (kinski-klaus.de). 37 BGH 5.10.2006 Z 169, 193, 198 f. (kinski-klaus.de); so bereits Magold, Personenmerchandising, S. 573 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 214 (eine Gesetzesänderung vorschlagend); ders., WRP 2000, 1049, 1053; Wortmann, Vererblichkeit, S. 308 ff., 311. Das Schrifttum diskutiert auch andere Fristen, z. B. Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 128 ff., 131; Wenzel/Burkhardt, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 5 Rn. 124 (30 Jahren); Jung, AfP 2005, 317, 321 ff. (35 Jahre); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, S. 218 ff.; A. Fischer, Entwicklung, S. 260 f.; Götting, NJW 2001, 585; ders., GRUR 2004, 801, 806; ders., GRUR 2007, 170, 171; G. Wagner, GRUR 2000, 717, 719 (70 Jahre); Frommeyer, JuS 2002, 13, 18; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 246 (wie die ideellen Bestandteile); kritisch hins. der Vererblichkeit Schack, JZ 2007, 366, 367. 33

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fenen.38 Der Anspruch aus Eingriffskondiktion ist daher unabhängig davon, ob der Inhaber den wirtschaftlichen Wert des Persönlichkeitsbestandteils ohne den Eingriff nicht verwirklicht hätte.39 Das BVerfG billigte die Weiterentwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und differenzierte dabei zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Verfassungsrecht und im Zivilrecht.40 Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und die Beurteilung ihres Rechtsschutzes sei ausschließlich eine Fortentwicklung des Zivilrechts.41 Das Verfassungsrecht gebe sie nicht vor, da Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nur die ideellen Komponenten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schütze.42 Das BVerfG hält die Rechtsfortbildung angesichts des Alters des zugrunde liegenden Gesetzes und der veränderten Lebenswirklichkeit für vereinbar mit dem Rechtsstaatsprinzip und billigt den Zivilgerichten, ebenso wie bei der Ableitung eines Entschädigungsanspruchs wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts43, einen weiten Spielraum für eine Rechtsfortbildung praeter legem zu.44 Indem das BVerfG in so weitem Maße eine Rechtsfortbildung durch das Gericht zulässt, greift es zwar das Primat der Legislative und somit die Gewaltenteilung an. Angesichts eines Jahrhunderts der Untätigkeit des Gesetzgebers und der Überalterung des Gesetzes hinsichtlich des Persönlichkeitsschutzes ist diese Relativierung des Vorrangs der Legislative hinnehmbar. Schließlich hat der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Schadensersatzrechts die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht zumindest gebilligt und damit die fortgesetzte Rechtsschöpfung durch die Judikative eröffnet. Das entspricht zwar nicht der Verantwortlichkeit der Legislative in einer parlamentarischen Demokratie, ein Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz lässt sich zumindest nicht monieren. 38 BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 f. (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 39 BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers); Canaris, FS Deutsch, S. 85, 89; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 55; ders., GRUR 2004, 801, 803; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 123; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 250; Schricker/Götting, UrhR, § 60 UrhG/§§ 33–50 KUG Rn. 16 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 212 f.; a. A. Gounalakis, AfP 1998, 10, 19; Steffen, NJW 1997, 10, 13 f. 40 BVerfG 22.8.2006 NJW 2006, 3409 (Marlene Dietrich); 19.10.2006 ZUM 2007, 380 (Blauer Engel); mit eingehender Kritik dazu Peukert, Güterzuordnung, S. 838 ff. 41 BVerfG 22.8.2006 NJW 2006, 3409, 3410 (Marlene Dietrich). 42 BVerfG 22.8.2006 NJW 2006, 3409, 3410 (Marlene Dietrich); unter Verweis auf BVerfG 15.12.1999 E 101, 361, 386 ff.; 25.10.2005 NJW 2006, 207, 208 (IM Stolpe); für eine verfassungsrechtliche Anerkennung der wirtschaftlichen Dimension des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Leisner, FS Hubmann, S. 295, 302 f. 43 So bereits BVerfG 8.12.1964 NJW 1965, 685, 686 (Soraya). 44 BVerfG 22.8.2006 NJW 2006, 3409, 3410 (Marlene Dietrich); s. auch BVerfG 14.2.1973 E 34, 269.

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Schließlich geht das BVerfG davon aus, dass die Rechtsprechung des BGH mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum postmortalen Persönlichkeitsrecht in Einklang stehe, wenngleich diese den Schutz der vermögensrechtlichen Bestandteile der Persönlichkeit nicht forderten.45 Art. 1 Abs. 1 GG schütze den Verstorbenen vor Verletzungen seiner Würde durch kommerzielle Ausnutzung nur, sofern eine erniedrigende und entstellende Werbung mit der Person erfolgt. Alle anderen Formen der Zwangskommerzialisierung berührten die Verfassung nicht, da sie die Anerkennung des Verstorbenen grundsätzlich nicht beeinträchtigten.46 Zudem gebiete die Schutzpflicht aus Art. 1 Abs. 1 GG selbst bei der Verletzung der Menschenwürde keinen Entschädigungsanspruch, solange das Grundrecht nicht schutzlos sei.47 II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht – Einheit aus Abwehrund Verwertungsrecht Eine umfassende Überprüfung und kritische Würdigung der Diskussion über die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ginge über den Rahmen der vorliegenden Arbeit hinaus. Um die Auswirkungen dieser Weiterentwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf den Ersatz immaterieller Schäden zu beurteilen, ist aber darzulegen, auf welcher Grundlage die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts beruht und in welchem Umfang der Rechtsinhaber ein Verwertungsrecht hat. Der Widerstand gegen die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts beruht insbesondere auf der Annahme, dass das Persönlichkeitsrecht nur ein Abwehrrecht sei und das Individuum von der Beeinträchtigung durch Dritte freihalten solle.48 Das schließe den Schutz der Verwertung der Persönlichkeitsbestandteile nicht ein. Zudem sei es Teil der privatautonomen Entscheidung des Einzelnen, ob und in welchem Umfang er seine Persönlichkeit wirtschaftlich nutze. Aus der rechtlichen Anerkennung eines Abwehrrechts ergibt sich zwar nicht automatisch ein Verwertungsrecht49, das zwingt aber nicht dazu, den Schutz des ideellen Persönlichkeitsrechts und den Schutz seiner wirtschaftlichen Verwertung derart strikt zu trennen. Vielmehr können Abwehr- und Verwertungsrecht als die 45 46 47

BVerfG 22.8.2006 NJW 2006, 3409 f. (Marlene Dietrich). BVerfG 22.8.2006 NJW 2006, 3409 f. (Marlene Dietrich). BVerfG 19.10.2006 ZUM 2007, 380, 381 f.; s. auch BVerfG 27.12.2005 NJW 2006, 1580,

1581. 48

Gounalakis, AfP 1998, 10, 18 f.; Helle, JZ 2007, 444, 449 f.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 133 f.; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 104 f.; Kretna, GRUR Int. 1996, 298, 299 ff.; Peifer, Individualität, S. 283 ff., 306, 322; ders., GRUR 2002, 495, 498 f.; Peukert, ZUM 2000, 710, 718; ders., Güterzuordnung, S. 829; Schack, AcP 195 (1995), 445, 454; ders., JZ 2000, 1060, 1062; Steffen, NJW 1997, 10, 13. 49 Darauf verweisend z. B. Schwab, MünchKomm-BGB, § 812 Rn. 247; Klein, Persönlichkeitsverletzungen, S. 150 f.; Wortmann, Vererblichkeit, S. 129.

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beiden Seiten eines rechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verstanden werden.50 Ihr Schutzgehalt ergänzt sich wechselseitig und gewährleistet erst in der Summe die Autonomie des Rechtssubjekts hinsichtlich seiner Persönlichkeitsbestandteile und stellt seine Selbstbestimmung sicher. Die Annahme eines Verwertungsrechts setzt voraus, dass einem Rechtssubjekt ein Herrschaftsrecht über ein Rechtsobjekt zukommt, das den Gebrauch und die Änderung des Rechtsobjekts in seine Rechtsmacht stellt. Dieser Ausgangspunkt entspricht der bereicherungsrechtlichen Diskussion über den Zuweisungsgehalt des Persönlichkeitsrechts. Nach der Zuweisungstheorie hängt der Anspruch aus Eingriffskondiktion davon ab, dass dem Bereicherungsgläubiger ein Vermögensvorteil durch die Rechtsordnung zugewiesen ist.51 Diese Zuordnung geht mit der Anerkennung des Verwertungsrechts an Persönlichkeitsbestandteilen einher, wohingegen bei einem Abwehrrecht die unerlaubte Nutzung nur ein rechtswidriges Handeln ist, das die Güterbzw. Vermögenszuweisung nicht tangiert. Mit der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts geht somit die Entscheidung über die Zuordnung der Nutzung der Persönlichkeitsbestandteile und ihres wirtschaftlichen Werts einher. Sofern die wirtschaftliche Nutzung des Persönlichkeitsbestandteils nicht der Rechtsmacht einer Person untersteht, handelt es sich um einen gemeinfreien Wert, den sich jeder aneignen kann, ohne ihn herausgeben zu müssen. Sofern die Aneignung ohne oder gegen den Willen der betroffenen Person erfolgt, ist nur das Abwehrrecht verletzt und der Rechtsinhaber erleidet lediglich einen ideellen Schaden, z. B. durch die Beeinträchtigung seiner Privatsphäre oder die Verletzung des Rechts am eigenen Bild.52 Die Verengung des Persönlichkeitsrechts auf ein ideelles Recht tritt letztlich in Widerspruch zu der Annahme, dass die geschützten Persönlichkeitsbestandteile zentrale Elemente der Identität und Integrität der Person sind und die Autonomie diesbezüglich von zentraler Bedeutung ist. Das gilt auch für die Verwertung der Persönlichkeitsbestandteile, da sich ansonsten Dritte den wirtschaftlichen Wert aneignen können und der Geschädigte lediglich einen Schadensersatz für die immateriellen Einbußen verlangen kann, obwohl er sich gerade gegen die Verwertung seiner Person entschieden hat. Davon ist auch die wirtschaftliche Verwertung durch Dritte erfasst. Das wird nur unvollkommen von der Rechtsordnung abgebildet, wenn der Geschädigte auf 50 Büchler, AcP 206 (2006), 300, 313, 334 f.; Stieper, MMR 2007, 108, 109; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 221 f. 51 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 65; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 73 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 171 f.; Lieb, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 245; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 258 ff.; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 448; Schwab, MünchKomm-BGB, § 812 Rn. 244, 249 ff.; Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 23. 52 Ausführlich dazu § 17.B.II., S. 744 ff.

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Entschädigungsansprüche für den erlittenen Nichtvermögensschaden beschränkt ist. Der Umstand, dass der Einzelne, der sich gegen die kommerzielle Nutzung seiner Vermögensbestandteile wehrt, vielfach nur den Wunsch hat, in Ruhe gelassen zu werden, widerspricht der Anerkennung eines Verwertungsrechts nicht. Sofern Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zu spät kommen, kann der Geschädigte die Nutzung nicht mehr verhindern, sondern nur noch die Folgen dieses Eingriffs geltend machen. Angesichts der stetig angewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung einzelner Persönlichkeitsbestandteile ist die Forderung nach einer Verrechtlichung der wirtschaftlichen Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen berechtigt.53 Sie dient nicht nur demjenigen, der seine Persönlichkeitsbestandteile versilbern möchte, sondern auch demjenigen, der sich gerade einer solchen Kommerzialisierung nicht aussetzen will. Versteht man das Persönlichkeitsrecht als Gewährleistung der Selbstbestimmung des Menschen, sind die kommerziellen Aspekte der Persönlichkeitsentfaltung genauso zu erfassen wie die ideellen. Die Entscheidung über die Verwertung der eigenen Persönlichkeitsbestandteile ist nicht konsequent von der Rechtsordnung geschützt, wenn das Persönlichkeitsrecht nur als ideelles Recht gilt und die rechtliche Zuordnung der Verwertung ausgeblendet wird. Ohne die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile bliebe die Verwertung gemeinfrei, so dass jeder sich den wirtschaftlichen Wert aneignen könnte. Auch wenn der Rechtsinhaber keine Verwertung wollte, wäre die Aneignung des Vermögenswerts nicht zu korrigieren. Die Vermögensverteilung bliebe erhalten, obwohl sie aus der Missachtung der persönlichen Entscheidung des Rechtsinhabers, eine solche Verwertung nicht zu wollen, resultiert. Damit perpetuieren sich die wirtschaftlichen Folgen der Rechtsverletzung. Der Schädiger ist zwar mit dem Ausgleich der ideellen Schäden belastet, eine Korrektur der Vermögensverhältnisse erfolgte indes nicht. Die Anerkennung eines Verwertungsrechts ist somit konsequent, wenn eine geldwerte Nutzung besteht, die angesichts des Schutzes der Person nicht gemeinfrei sein kann. Wem sollte dieses Verwertungsrecht grundsätzlich zustehen, wenn nicht der Person, deren Persönlichkeitsmerkmale betroffen sind. Nur soweit die Nutzung wegen gesetzlicher Regelungen oder der Güterund Interessenabwägung, insbesondere unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1, 3 GG, gemeinfrei ist, steht sie nicht der Person zu, deren Persönlichkeitsbestandteile betroffen sind. Daran zeigt sich, dass die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile eine positive Wirkung für den Schutz des Rechtsinhabers vor dem Zugriff 53 Freitag, Kommerzialisierung, S. 59; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54 f.; Magold, Personenmerchandising, S. 536 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 130 ff.; Ullmann, AfP 1999, 209, 211; Wortmann, Vererblichkeit, S. 156 ff.; a. A. z. B. Peukert, ZUM 2000, 710, 711, weil keine spezifisch rechtlich Wertung zugrunde liege.

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Dritter hat, obwohl er keine eigene Verwertung will. Die Anerkennung des Verwertungsrechts räumt dem Rechtsinhaber nicht nur die Rechtsmacht ein, sich für die Verwertung seiner Persönlichkeitsbestandteile zu entscheiden, sondern auch gegen sie. Die Entscheidung über das Ob der Verwertung ist nicht nur eine Entscheidung gegen die eigene Verwertung, sondern auch gegen die Verwertung durch Dritte. Die Rechtsordnung spiegelt diese Entscheidung der Person nur vollständig wider, wenn neben den ideellen auch vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts anerkannt sind. Erst sie sichern durch die Zuordnung des Vermögenswerts zur Person die vollständige Verwirklichung ihrer Autonomie. Somit ist ein Schutz der Person, die in Ruhe gelassen werden will, ohne die Anerkennung eines Verwertungsrechts kein umfassender. Im Persönlichkeitsrecht treffen ideelle und kommerzielle Aspekte zusammen, so dass sein Schutz keine der Komponenten ausklammern darf. Die notwendige Konsequenz eines solchen Verständnisses besteht allerdings darin, dass zugleich jene Personen in ihrem Verwertungswillen geschützt sind, die ihre Persönlichkeitsmerkmale wirtschaftlich nutzen wollen. Die wirtschaftliche Verwertung zum eigenen Vorteil ist eine Folge der Privatautonomie des Einzelnen wie die Entscheidung, eine kommerzielle Verwertung abzulehnen. Soweit die Verwertung nicht gegen die Außengrenzen des Privatrechts nach den §§ 134, 138 BGB verstößt, ist sie erlaubt. Ob die Verwertung in jedem Fall wünschenswert ist, bleibt Teil des gesellschaftlichen Diskurses. Ob das „Dschungelcamp“ eine angemessene Verwertung der Persönlichkeitsmerkmale ist, muss der Rechtsinhaber entscheiden, genauso wie es Sache jedes Einzelnen ist, ob er Konsument einer solchen Verwertung sein will. Die Anerkennung eines Herrschaftsrechts, das die Nutzung eines Persönlichkeitsbestandteils dem Rechtsinhaber zuweist, könnte sich höchstens als Bruch mit der bisherigen Begründung von Herrschaftsrechten erweisen. Die Anerkennung der Herrschaftsrechte stützt sich bei geistigem Eigentum, das sich ebenso wie das Persönlichkeitsrecht nicht auf einen Gegenstand bezieht, nach dem naturrechtlichen Verständnis darauf, dass es auf der Arbeit des Schöpfers beruht und daher auch als sein Eigen gelten müsse.54 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die persönliche Leistung die Herrschaft über die Nutzung des Geschöpften rechtfertigt. Dieser Gedanke trägt bei den Persönlichkeitsrechten nicht in jedem Fall.55 Sofern die Berühmtheit einer Person auf der persönlichen Leistung beruht (z. B. Künstlern), lässt er sich übertragen. Sie kann sich aber schlicht aus der Herkunft ergeben (z. B. Mitglied des Königshauses), so dass dieser Leitgedanke nicht durchgehend trägt. 54 Locke, Two Treaties of Government, S. 21 f., 29; daran anknüpfend Kohler, Autorrecht, S. 112; ders., AcP 82 (1894), 141, 150 ff.; dazu Kirchhof, FS Zeidler, S. 1639, 1640; Oberndörfer, Grundlage, S. 23 ff.; Schack, FS Wadle, S. 1005, 1011 f.; Ulmer, Urheberrecht, S. 55. 55 Wortmann, Vererblichkeit, S. 255.

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Das geistige Eigentum wird aber nicht nur auf die persönliche Leistung, sondern zum Teil auch auf die Persönlichkeitsentfaltung des Schöpfers zurückgeführt, so dass die geistige Schöpfung als Persönlichkeitsverwirklichung mit wirtschaftlichem Wert Schutz erfährt.56 Die Persönlichkeitsverwirklichung erfolgt bei der Entscheidung über die Verwertung der eigenen Person in ähnlicher Weise, obwohl sie anders als bei den Immaterialgüterrechten nicht generell auf eine wirtschaftliche Verwertung der Person angelegt ist. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass auch die Schöpfung eines künstlerischen Werks, an dem ein Urheberrecht besteht, nicht in jedem Fall zum Zwecke seiner wirtschaftlichen Verwertung erfolgt. Auch der Schöpfer, der nur zur persönlichen Freude oder Konfliktbewältigung schafft und eine kommerzielle Verwertung sogar ablehnt, hat das Verwertungsrecht und kann gerade dadurch Dritte an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werks hindern. Das Persönlichkeitsrecht als Schutz der Selbstbestimmung sollte daher sowohl die ideelle als auch die kommerzielle Verwirklichung der Persönlichkeitsbestandteile erfassen. Darüber hinaus muss die Eigenart des Menschen, ein mit Würde ausgestattetes Individuum zu sein, grundsätzlich zu dem Schluss führen, dass die Person selbst über die Nutzung ihrer Persönlichkeitsmerkmale entscheidet. Mit der Anerkennung der Persönlichkeit als Schutzgut und Gegenstand des subjektiven Rechts muss auch eine Zuordnungsentscheidung zugunsten der Person des Rechtsinhabers einhergehen. Die Persönlichkeitsbestandteile stehen in einem so engen Zusammenhang mit der Person, dass ihre Nutzung nicht gemeinfrei zu jedermanns Aneignung zur Verfügung stehen kann, wenn der Rechtsinhaber nicht verwertungsbereit ist. Im Ergebnis ist ein Schutz der Persönlichkeit ohne die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unvollständig. Die Verwirklichung der ideellen und vermögensrechtlichen Bestandteile ist nicht strikt zu trennen. Das gilt einerseits, wenn der Einzelne sich gegen die wirtschaftliche Verwertung seiner Person entscheidet, und andererseits, wenn er für eine bestimmte Verwertung votiert. Eine Missachtung dieser Entscheidung durch einen Dritten betrifft nicht notwendig nur die vermögensrechtlichen oder nur die ideellen Bestandteile. Dem steht nicht entgegen, dass die Verfassung durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG das Persönlichkeitsrecht lediglich in einem ideellen Sinne schützt und seine Verwertung nicht erfasst.57 Das Verwertungsrecht und die damit einhergehende Zuordnung der Nutzung gegenüber dem Rechtsinhaber ist Teil der zivilrechtlichen Umsetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Erst diese erlaubt den vollständigen Schutz der Persön56 Grundlegend zur persönlichkeitsrechtlichen Deutung des Urheberrechts Gareis, Buschs Archiv 35 (1877), 185, 187 ff.; v. Gierke, Privatrecht, Bd. I, S. 764 ff.; s. zum schöpferischen Aspekt als Begründung des Urheberrechts Hubmann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 14 ff.; Schack, FS Wadle, S. 1005, 1013. 57 BVerfG 15.12.1999 NJW 2000, 1021, 1022 (Caroline); 22.8.2006 NJW 2006, 3409 f. (Marlene Dietrich).

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lichkeit, soweit die Entscheidung über die wirtschaftliche Verwertung der eigenen Person betroffen ist. Auch das BVerfG unterscheidet insoweit zwischen dem verfassungsrechtlichen und dem zivilrechtlichen Persönlichkeitsrecht.58 Der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile steht zudem nicht entgegen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Rahmenrecht ist, das eine generalklauselartige Weite hat.59 Der Begriff des Vermögensrechts hat sich im deutschen Recht nicht so verfestigt, dass nur klar umgrenzte Rechtsgüter Vermögensrechte sein können. Die Rechtsordnung baut vielmehr auf der Anerkennung subjektiver Rechte des Einzelnen auf, die ihnen eine bestimmte Rechtsmacht zuweisen. Bei absoluten Rechten einer Person gelten, insbesondere im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB, die Erkennbarkeit und die sozialtypische Offenkundigkeit als ein wesentliches Merkmal.60 Die Zuordnung des Persönlichkeitsrechts an sich ist hinreichend offenbar. Die Vagheit bezieht sich auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs bzw. die Gemeinfreiheit einzelner Nutzung und somit auf den Umfang des Schutzes. Das schließt die Anerkennung als Vermögensrecht nicht per se aus. Vielmehr wird gerade den Interessen der Allgemeinheit sowie Dritter unter besonderer Berücksichtigung der grundrechtlichen Wertungen Rechnung getragen. Das kann nicht zur Folge haben, dass die vermögensrechtlichen Bestandteile in ihrem rechtlichen Schutz verkürzt werden, obwohl sie für die Person und ihre Selbstverwirklichung von besonderer Bedeutung sind.

C. Abgrenzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts I. Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers Rechtsprechung und Literatur haben für die Abgrenzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Mehrzahl von Vorschlägen entwickelt. Sie lassen sich auf die Schwierigkeiten zurückführen, die aus der Beschreibung des Herrschaftsrechts als eine Herrschaftsmacht des Rechtssubjekts über ein Rechtsobjekt resultieren.61 Jene orientiert sich am Eigentumsrecht, das sich auf eine von der Person getrennte Sache bezieht. Beim 58 Mit Bedenken G. Müller, VersR 2000, 797, 804; Ladeur, ZUM 2000, 879, 889 f.; anders G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 42. 59 A. A. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 363; für ein Vermögensrecht, soweit man bei ihnen von Güterzuweisung i. S. der überkommenen subjektiven Rechte sprechen kann, v. Caemmerer, FS v. Hippel, S. 27, 39 f. 60 Grundlegend Fabricius, AcP 160 (1961), 273, 289 ff.; s. auch Canaris, FS Steffen, S. 85, 93 f.; Köndgen, Selbstbindung, S. 367; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 374; Mertens, MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1997, § 823 Rn. 123; krit. dazu G. Wagner, MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 143 ff. 61 v. Savigny, System, Bd. I, S. 334 ff.; dazu Scheyhing, AcP 158 (1959/60), 503, 516 f.; s. auch Büchler, AcP 206 (2006), 300, 309 f.

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Persönlichkeitsrecht fallen Rechtssubjekt und Rechtsobjekt hingegen zusammen. Die Bestimmungsgewalt über Bestandteile der eigenen Person und deren Nutzung galt daher lange als abhängig von der privatautonomen Entscheidung der Person.62 Es kam auf ihre Verwertungsbereitschaft an. Ein vermögensrechtlicher Bestandteil war somit nur ein Teil des Persönlichkeitsrechts, wenn der Rechtsinhaber ihn üblicherweise Dritten zur Nutzung überlässt. Zugleich wurde darauf verwiesen, dass es für einen Schadensersatz nach § 252 BGB und einen Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB erforderlich war, den Abschluss eines Lizenzvertrags zu unterstellen, was für den nicht verwertungsbereiten Verletzten eine erneute Kränkung und Herabsetzung bedeute.63 Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich nur um eine Berechnungsmethode für den Schadens- bzw. Wertersatz handelt, um der Nutzung einen Geldwert zuzuordnen, ohne tatsächlich einen Nutzungswillen vorauszusetzen oder zu unterstellen.64 Entscheidend ist vielmehr, ob dem Rechtsinhaber über das Herrschaftsrecht an den Persönlichkeitsbestandteilen hinaus ein Nutzungsrecht nur in Abhängigkeit von seiner Verwertungsbereitschaft zustehen kann.65 Der 6. Zivilsenat des BGH musste darüber seit der Marlene-Dietrich-Entscheidung des 1. Zivilsenats nicht entscheiden. Ein Teil der Literatur hat aber trotz der Rechtsprechung des 1. Zivilsenats seinen Standpunkt aufrechterhalten, weil das Privatrecht auf der Selbstbestimmung der Privatrechtssubjekte und insbesondere auf der Privatautonomie beruhe.66 Seine Selbstbestimmung kann der Rechtsinhaber aber auch bei der Anerkennung vermögensrechtlicher Persönlichkeitsbestandteile, die unabhängig von seiner Verwertungsbereitschaft sind, durch die Erlaubnis der Nutzung oder deren Untersagung weiterhin ausüben. Zudem belässt diese Ansicht, indem sie den nicht verwertungsbereiten Inhaber ausschließlich auf den Ersatz seiner ideellen Schäden verweist, 62 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 354 (Paul Dahlke); 14.2.1958 Z 26, 349, 352 f. (Herrenreiter); 18.3.1959 Z 30, 7, 17 (Caterina Valente); 19.9.1961 Z 35, 363, 366 (Ginsengwurzel); 26.6.1976 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 26.6.1981 Z 81, 75, 82 (Carrera); zust. Gounalakis, AfP 1989, 10, 19; Helle, JZ 2007, 444 ff.; ders., Persönlichkeitsrechte, S. 219; G. Müller, in: Taupitz/ Müller, Rufausbeutung, S. 53, 62 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 132, 250; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2466, 2474; Steffen, NJW 1997, 10, 13. 63 BGH 14.2.1958 Z 26, 349, 353 (Herrenreiter); s. auch Gounalakis, AfP 1998, 10, 19. 64 BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers); s. auch Beuthien/ Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 41 f.; Schricker/Götting, UrhR, § 60 UrhG/§§ 33–50 KUG Rn. 16 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 212 f.; Wenzel/v. Strobl-Albeg, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 9 Rn. 10. 65 Gegen die Abhängigkeit von der Verwertungsbereitschaft Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 361; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 41; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 89; Ehmann, AfP 2005, 237, 246; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 50 ff., 129 f.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 81 ff.; Magold, Personenmerchandising, S. 536; Sack, FS Hubmann, S. 373, 380; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 453, 457; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 222; Staudinger/ Schmidt, Jura 2001, 241, 247; Ullmann, AfP 1999, 209, 212 f.; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 210 f.; s. auch Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 403 f.; Kleinheyer, JZ 1970, 471, 476. 66 Helle, JZ 2007, 444, 449; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 832; F. Schubert, AfP 2007, 20, 23.

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dem Schädiger den Wert der Nutzungen und den Gewinn, so dass sich die Folgen der rechtswidrigen Handlung perpetuieren. Das wird mühsam durch die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs korrigiert. Zudem erscheint es widersprüchlich, dass gerade die Entscheidung gegen die Verwertung eines Persönlichkeitsbestandteils dessen Nutzung gemeinfrei macht, so dass jedermann die Aneignung offensteht, ohne etwas herausgeben zu müssen. Gerade eine vollständige Verwirklichung der Selbstbestimmung muss auch die Entscheidung über die Verwendung des ökonomischen Werts der Nutzung einschließen, sofern ihr ein solcher zukommt. II. Persönlichkeitsgüter Die Unabhängigkeit der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von der Verwertungsbereitschaft sagt noch nichts darüber, wie solche Bestandteile zu identifizieren und abzugrenzen sind. Wegen der Ähnlichkeit des Herrschaftsrechts an den vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts und dem Eigentum sowie den eigentumsähnlichen Rechten wurde vor allem auf die Verdichtung der Persönlichkeitsbestandteile zu Persönlichkeitsgütern abgestellt. Daher wurde zunächst den besonderen Persönlichkeitsrechten – dem Namen, der Firma, dem Recht am eigenen Bild –, die eigens gesetzlich geregelt sind, wegen ihrer klaren Abgrenzung ein Zuweisungsgehalt zugunsten des Rechtsinhabers zugesprochen.67 Der Rechtsinhaber hat nicht nur ein Abwehr-, sondern auch ein Verwertungsrecht. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht komme wegen seiner generalklauselartigen Weite und seiner Unbestimmtheit indes kein Zuweisungsgehalt zu.68 Die Literatur hält das nicht generell für ein Hindernis, um einen Zuweisungsgehalt anzuerkennen.69 Die im Deliktsrecht erfolgende Güter- und Interessenabwägung, die der Begründung der Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsverletzung diene, sei auch im Bereicherungsrecht möglich. Die Anerkennung eines Zuweisungsgehalts wird aber von der Vergleichbarkeit des Bezugsgegenstands des betroffenen Rechts mit dem Eigentum an Sachen abhängig gemacht. Insbesondere von Caemmerer stellt darauf ab, ob sich die Persönlichkeitsgüter verfestigt haben (sog. präformierte Güter) und eine Güterzuweisung i. S. der überkommenen subjektiven Rechte vorliege.70 Neben den besonderen Persönlichkeitsrechten erfasst er Aufnahmen des ge67 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 238, 241, 242; Wilburg, Bereicherung, S. 43, 44; s. auch BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 353 (Paul Dahlke); 26.6.1981 Z 81, 75, 82 (Carrera); Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 363 f. (der zugleich die Verwertungsbereitschaft verlangt). 68 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 363; s. auch Forkel, FS Neumayer, S. 229, 242 f. (unter Anerkennung von Ausnahmen in Einzelbereichen). 69 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 267 f.; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 457 f.; a. A. Mestmäcker, JZ 1958, 521, 525; Raiser, JZ 1961, 465, 471. 70 v. Caemmerer, FS v. Hippel, S. 27, 39 f.; ferner Bötticher, AcP 158 (1959/69), 385, 400 ff.; Esser, Schuldrecht, Bd. II, 4. Aufl., 1971, S. 365 f.

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sprochenen Worts, vertrauliche Briefe und private Aufzeichnungen.71 Die Abgrenzung dieser sog. präformierten Güter ist im Schrifttum aber nicht einheitlich.72 Daneben heben andere Autoren auf die Materialisierung des Persönlichkeitsdetails ab, weil das dem begrifflichen Verständnis einer eigentumsähnlichen Position nahekomme und mit den Immaterialgüterrechten vergleichbar sei.73 Ein vermögensrechtlich verwertbares Herrschaftsobjekt bestehe indes nicht, wenn das Persönlichkeitsrecht unmittelbar mit der Person des Rechtsinhabers verbunden sei.74 Nach dieser Abgrenzung kommt Persönlichkeitsdetails, die vergegenständlicht sind oder sich zur Fixierung eignen, ein Zuweisungsgehalt zu.75 Das gilt insbesondere für Aufnahmen der Stimme, Bilder, Transkripte von illegalen Aufnahmen eines Telefongesprächs, Krankenblätter, Tagebücher und Briefe.76 Bei der Beschädigung des Ansehens durch Beleidigungen, abfällige Werturteile und herabsetzende Äußerungen, Einbrüchen in die Privatsphäre oder Beeinträchtigungen des Lebensbilds durch unwahre Behauptungen bestehe hingegen kein Anspruch aus Eingriffskondiktion.77 Diesen Überlegungen ist zwar zu konzedieren, dass der Zugriff Dritter auf die Persönlichkeitsbestandteile einer Person voraussetzt, dass eine Ablösung vom Rechtssubjekt möglich ist, so dass der Inhaber selbst oder ein Dritter sie verwerten kann. Daher sind insbesondere Ehre und Identität keine vermögensrechtlichen Bestandteile. Sie lassen sich nicht nutzen oder übertragen. Der Nutzung unterliegt allerdings der Name oder das Image einer Person.78 Eine Materialisierung der Persönlichkeitsbestandteile erscheint für die Abgrenzung der vermögensrechtlichen Bestandteile indes nicht erforderlich. Das belegen bereits die anerkannten Persönlichkeitsgüter wie Name und Firma.79 Zudem ließe das Anknüpfen an der Verkörperung es vom Zufall abhängen, ob 71

v. Caemmerer, FS v. Hippel, S. 27, 39 f. Bötticher, AcP 158 (1959/69), 385, 400 ff.; Esser, Schuldrecht, Bd. II, 4. Aufl. 1971, S. 365 f. (Recht am eigenen Bild und Intimsphäre); Wilburg, Bereicherung, S. 43 (Recht am eigenen Bild, Namensrecht). 73 Lieb, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 262 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 268; Rümker, Eingriffskondiktion, S. 59; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 452 f., 454. 74 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 268. 75 Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 453. 76 Sofern sie Werke i. S. von § 2 UrhG sind, gelten dessen Bestimmungen. 77 Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 449; s. auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 268, die darauf verweisen, dass kein vermögensrechtliches Herrschaftsobjekt bestehe, wenn das Persönlichkeitsrecht unmittelbar mit der Person des Rechtsinhabers verbunden sei. 78 S. auch Beuthien, NJW 2003, 1220, 1221; Seemann, Prominenz, S. 245 ff. 79 BGH 26.6.1982 Z 81, 75, 80, 81 f. (Carrera); 27.9.1982 Z 85, 221, 223; anders noch RG 21.5.1904 Z 58, 166, 169 (Ablehnung der Zugehörigkeit der Firma zur Konkursmasse ohne Einwilligung des Inhabers). 72

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ein Verwertungsrecht besteht. Es bestünde kein vermögensrechtlicher Bestandteil, wenn der Verletzer ein Gespräch mithört und die erlangten persönlichen Informationen auf dem Markt verwertet, wohingegen ein Verwertungsrecht zu bejahen wäre, wenn er von einem Dritten einen Mitschnitt des Gesprächs erhielte. Bei elektronischen Dokumenten käme es darauf an, ob die Datei erlangt wird oder ein Ausdruck, den der Verletzer unschwer selbst herstellen könnte. Leider besteht im deutschen Recht – anders als im schweizerischen ZGB – keine vollständige rechtliche Regelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, so dass sich nicht an das Bestehen eines rechtlichen Rahmens für die Anerkennung eines Verwertungsrechts anknüpfen lässt. Das kann aber nicht zur Folge haben, dass sich der Zuweisungsgehalt auf die gesetzlich geregelten Persönlichkeitsgüter beschränkt. Das ginge darüber hinweg, dass auch andere Persönlichkeitsbestandteile aneignungsfähig sind. Eine Beschränkung auf die materiellen Persönlichkeitsbestandteile kann letztlich nur mit den Anforderungen begründet werden, die für die Anerkennung eines Vermögensrechts bestehen. Gerade in diesem Punkt hat die Rechtsordnung jedoch keine strikten Kriterien entwickelt. Das Kriterium der Abgrenzbarkeit oder sozialtypischen Offenkundigkeit ergibt sich primär aus dem Deliktsrecht und dem dortigen Schutz absoluter Rechte. Allerdings ist das Persönlichkeitsrecht seit langem als geschütztes Recht i. S. von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Sein Charakter als Rahmenrecht schließt seinen Schutz nicht aus, sondern hat nur zur Folge, dass nicht jede Rechtsverletzung grundsätzlich rechtswidrig ist, sondern die Rechtswidrigkeit zu begründen ist. Die Rechtsprechung und ein großer Teil der Literatur beziehen daher zu Recht auch die nicht materialisierten Bestandteile der Persönlichkeit ein.80 III. Beschränkung auf typischerweise rechtswidrige Persönlichkeitsverletzungen Bei Verwertungsrechten besteht die Besonderheit, dass einer Person die (geldwerte) Nutzung an den Persönlichkeitsbestandteilen zugeordnet wird. Das setzt voraus, dass die Rechtsposition dem Rechtssubjekt allein zugeordnet ist. Daher wird vorgeschlagen, das Verwertungsrecht auf alle Persönlichkeitsgüter sowie Zugriffstatbestände zu beziehen, in denen typischerweise die Rechtsverletzung rechtswidrig ist.81 Diese Einschränkung ist eine Folge der Abwägungsoffenheit des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht. Bei der Beurteilung dieses Vorschlags ist zu berücksichtigen, dass die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts deren ökonomische Verwertung betrifft. Eine Verwertung der Persönlichkeit für Werbung oder 80 81

Siehe § 17.C.IV., S. 754 ff. Büchler, AcP 206 (2006), 300, 314 ff.

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Merchandising steht jedoch grundsätzlich nur dem Rechtsinhaber zu.82 Etwas anderes gilt bei Veröffentlichungen in den Medien, bei denen wegen des Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht zu dulden sind und es einer Abwägung bedarf.83 Der Schutz der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts hat keinen allgemeinen Vorrang gegenüber der Meinungs- und Pressefreiheit.84 Angesichts des dargelegten Schutzbedürfnisses des Persönlichkeitsrechts führte es jedoch zu einer Aushöhlung der rechtlichen Gewährleistung, wenn die Qualifikation des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht zur Folge hätte, dass es sich auf den Schutz ideeller Bestandteile beschränkt, weil sich die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs erst aus der Güter- und Interessenabwägung ergibt. Zudem ist die Abgrenzung zwischen Werbung und Meinungsäußerung bisweilen fließend, wie die Urteile des BGH zeigen.85 IV. Verwertbarkeit des Persönlichkeitsbestandteils durch den Rechtsinhaber Der 1. Zivilsenat des BGH macht die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allein von deren Verwertbarkeit abhängig (objektives Kriterium). Persönlichkeitsmerkmale wie der Name, die Stimme oder Abbildungen der Person haben danach bei einer Person wegen ihrer Bekanntheit und ihres Ansehens in der Öffentlichkeit einen wirtschaftlichen Wert. Eine Beschränkung auf bestimmte Persönlichkeitsgüter erfolgt nicht, auch wenn einzelne beispielhaft aufgezählt sind. Präzise Kriterien, um das Vorliegen eines Vermögenswerts zu ermitteln, gibt der Senat nicht vor.86 Er verweist nur darauf, dass die Popularität und das Image meist auf be82 So die Rechtsprechung, wenn ausschließlich kommerzielle Interessen verfolgt werden, BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 350 (Paul Dahlke); 1.12.1999 Z 142, 214, 229 (Marlene Dietrich); 14.5.2002 Z 151, 26, 30; 26.10.2006 Z 169, 340, 345 (Rücktritt des Finanzministers). 83 BGH 5.10.2006 Z 169, 193, 197 (kinski-klaus.de); 26.10.2006 Z 169, 340, 346 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1529 (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 (Zerknitterte Zigarettenschachtel). 84 BGH 5.10.2006 Z 169, 193 (kinski-klaus.de); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1529 (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 (Zerknitterte Zigarettenschachtel); s. auch Ehmann, AfP 2007, 81, 82. 85 BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 (Zerknitterte Zigarettenschachtel); 11.3.2009 NJW 2009, 3032 (Wer wird Millionär?); s. auch BVerfG 19.11.1985 E 71, 162, 175 f.; 12.12.2000 E 102, 347, 359 f. (Benetton-Werbung); BGH 1.10.1996 GRUR 1997, 125, 126 (Bob-Dylan-CD); 14.5.2002 Z 151, 26, 30. 86 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 219 (Marlene Dietrich); 26.10.2006 Z 169, 340, 344 f. (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); ähnlich BGH 6.12.2005 Z 165, 203, 209 (Mordkommission Köln), in der der 6. Senat ebenfalls darauf verwies, dass es sich um eine der Öffentlichkeit bekannte Person handeln müsse, damit ein kommerzielles Interesse bestehe. Auf die Verwertungsbereitschaft des Betroffenen kam es in der Entscheidung nicht an, so dass die Herrenreiter-Entscheidung im Grunde nicht revidiert werden musste.

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sonderen Leistungen der Person beruhen87, denen somit eine wertschaffende Wirkung eigen sei. Auf diese Weise zieht der Senat eine Parallele zu den Immaterialgüterrechten, deren Anerkennung als Verwertungsrecht auch auf die Leistung der Person und ihre geistige Schöpfung verweist. Allerdings steht die Bekanntheit einer Person nicht immer im Zusammenhang mit ihrer Leistung, sondern kann auf der Verwandtschaft mit berühmten Personen, der Zugehörigkeit zum Königshaus sowie Schicksalsschlägen oder Straftaten beruhen. Das spricht dafür, die Zuweisung des Vermögenswerts eher von der Verwertbarkeit und somit von der Verkehrsübung abhängig zu machen.88 Die Persönlichkeitsrechte haben sonach nur bei solchen Personen vermögensrechtliche Bestandteile, deren Bild, Stimme oder Image ein Werbewert zukommt oder deren Abbildung und Interview in der Presse auflagensteigernde Wirkung hat.89 Das betrifft nur prominente Personen. Dieser Rechtsprechung wird entgegengehalten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorrangig dem Schutz ideeller Interessen diene.90 Weder die Rechtsordnung an sich noch das Persönlichkeitsrecht sei dazu bestimmt, die maximale Kommerzialisierung der Persönlichkeit rechtlich abzusichern.91 Zudem lasse sich aus dem Sein kein Sollen ableiten. Die Verwertbarkeit sage nur etwas über den Vermögenswert aus, nicht über die Zuweisung der Nutzung und somit über die Einordnung als Vermögensrecht.92 Der Markt lege nur den Preis fest, die Anerkennung eines Vermögensrechts sei hingegen eine rechtspolitische Entscheidung, die durch Gesetz erfolgen müsse.93 Der 1. Zivilsenat des BGH und ein Teil der Literatur verweisen hingegen darauf, dass nicht darüber hinweggegangen werden könne, dass die tatsächlichen Gegebenheiten der Wirtschaftsordnung Persönlichkeitsbestandteilen einen Vermögenswert zuordnen.94 Solange dem Inhaber die Nutzung rechtlich erlaubt und zugeord87 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 224 (Marlene Dietrich); 20.3.2012 NZV 2012, 374, 375; krit. Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 98 f.; Magold, Personenmerchandising, S. 493; Schack, JZ 2000, 1060, 1061; Seemann, Prominenz, S. 24 ff., 48 ff., 245 ff.; krit. Helle, AfP 2009, 14, 15. 88 So bereits BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 354 (Paul Dahlke); 18.3.1959 Z 30, 7, 17 (Caterina Valente); 19.9.1961 Z 35, 363, 366 (Ginsengwurzel); 26.6.1976 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 26.6.1981 Z 81, 75, 82 (Carrera); 20.3.2012 NZV 2012, 374, 375 f.; dazu Siemes, AcP 201 (2001), 202, 217. 89 Gegen eine darüber hinausgehende Gewährung von Ansprüchen aus Eingriffskondiktion BGH 6.12.2005 Z 165, 203, 210 (Mordkommission Köln); Beuthien, ZUM 2003, 261, 262; Schack, JZ 2000, 1060, 1061. 90 Helle, JZ 2007, 444 ff.; Peifer, GRUR 2002, 495 ff.; Schack, AcP 195 (1995), 594 ff.; so bereits Mestmäcker, JZ 1958, 521, 525. 91 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 51; krit. Götting, NJW 2001, 585, 586 (Widerspruch, da Begünstigung der Zwangskommerzialisierung). 92 Wortmann, Vererblichkeit, S. 110. 93 Helle, JZ 2007, 444, 448 f.; Wortmann, Vererblichkeit, S. 110. 94 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 225 (Marlene Dietrich); 19.10.2006 NJW 2000, 2201, 2202 (Blauer Engel); Schlechtriem, FS Fikentscher, S. 445, 453, 457; ebenso im Ausgangspunkt Hubmann, UFITA 39 (1963), 223, 225 ff.; Rümker, Eingriffskondiktion, S. 59; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 241.

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net sei, müsse ein Ausgleich der Bereicherung erfolgen.95 Lediglich die gemeinfreien Nutzungen stehen nicht dem Rechtsinhaber zu. Sie sind anhand der gesetzlichen Regelungen (§§ 22 f. KUG) bzw. anhand der Güter- und Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1, 3 GG zu ermitteln. Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile, die unabhängig von ihrer Präformierung oder Materialisierung sowie dem Nutzungswillen des Rechtsinhabers ist, stützt sich zudem vor allem auf eine rechtsfolgenbezogene Argumentation.96 Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bleibe lückenhaft, wenn die einzelnen Persönlichkeitsmerkmale nicht als vererbliche Vermögensrechte qualifiziert werden. Das postmortale Persönlichkeitsrecht schützt die Würde und das Ansehen des Verstorbenen nur vor herabwürdigenden Entstellungen und beschränkt sich auf Abwehrrechte.97 Beseitigungsund Unterlassungsansprüche kommen jedoch in der Regel zu spät, um die Rechtsgutsverletzung zu verhindern. Der Verstorbene ist daher beinahe ungehindert dem Zugriff Dritter zur Verfolgung wirtschaftlicher Interessen ausgesetzt. Das lässt sich nicht durch die Eintragung einer Marke verhindern, da sie nicht nur eingetragen, sondern auch verwendet werden muss.98 Daher kommt sie nicht als Rechtsschutzinstrument in Betracht, um kommerzialisierbare Persönlichkeitsmerkmale vom Zugriff Dritter freizuhalten. Entscheidend ist zunächst, dass es sich um einen aneignungsfähigen Persönlichkeitsbestandteil handelt. Eine Verwertung durch einen Dritten kann praktisch nur erfolgen, wenn der Persönlichkeitsbestandteil von der Person „ablösbar“99 und dem Zugriff Dritter zugänglich ist.100 Ansonsten handelt es sich nur um einen Angriff auf die Person selbst. Aneignungsfähig sind beispielsweise alle materialisierten Bestandteile, aber auch der Name und Informationen über die Person. Das gilt auch für das Bildnis der Person und ihre Stimme, sowohl in Form einer Aufnahme als auch für sich, da sie der Nachahmung zugänglich sind. Ehre und Identität sind hingegen so eng mit der Person verbunden, dass sie einem Dritten nicht zur Verwertung überlassen werden 95 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 69; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 267; s. auch Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 464 (Verbot bestimmter Ge- oder Verbrauchsarten habe zur Folge, dass das Rechtsgut insoweit keinen geschützten Zuweisungsgehalt eigen sei); ähnlich die Rechtswidrigkeitstheorie Kleinheyer, JZ 1970, 471, 476 f. 96 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 225 (Marlene Dietrich); zust. Balthasar, ZUM 2005, 874, 877; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 98; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 108; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 456; G. Wagner, ZEuP 2000, 220, 223; krit. Helle, JZ 2007, 444, 451. 97 Siehe oben § 2.A.VII.1., S. 98 ff. 98 A. Fischer, Entwicklung, S. 207; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 95 f. 99 Krit. zur Beschreibung als „ablösbar“ Lichtenstein, Idealwert, S. 230 ff.; Peifer, Individualität, S. 271 ff. 100 Ullmann, AfP 1999, 209, 210; G. Wagner, GRUR 2000, 717 ff.; s. auch Büchler, AcP 206 (2006), 300, 308, spricht insofern von Zugriffsoffenheit; ähnlich Peifer, Individualität, S. 144 ff., der zwischen Persönlichkeitsgütern und Persönlichkeitsinteressen unterschiedet; s. auch Ahrens, Verwertung, S. 233, der weitere Kriterien heranzieht.

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können. Die Identität einer Person oder ihr Ansehen mögen das Interesse an anderen Persönlichkeitsbestandteilen wie Bild und Name begründen und deren wirtschaftlichen Wert beeinflussen. Sie lassen sich aber nicht unmittelbar verwerten. Die Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts wird jedoch abgelehnt, wenn mit erfundenen Interviews oder Informationen über die Person in der Presse Gewinn erzielt wird.101 Das Gleiche gelte für montierte oder sonstige Bilder, die nicht durch eine tatsächliche Aufnahme entstanden sind. Es handle sich in diesen Fällen um nichts, was der Persönlichkeit des Rechtsinhabers entstamme, sondern gerade um fiktive Daten. Die falsche Information oder das erfundene Interview sind keine Persönlichkeitsmerkmale des betroffenen Rechtsinhabers. Anders als bei einem echten Bild erfolgt zwar keine direkte Nutzung eines unmittelbaren Persönlichkeitsbestandteils. Allerdings gewinnt das erfundene Interview seine wirtschaftliche Bedeutung für die Presse dadurch, dass die vermeintlich interviewte Person bekannt ist und somit einen Namen oder ein Image besitzt, das sich werbewirksam nutzen lässt. Das Publizieren eines erfundenen Interviews ist insofern zugleich die Verwertung des Namens oder des Bilds einer Person. Somit lässt sich zwar nicht an die veröffentlichte Information, zumindest aber an einen anderen Persönlichkeitsbestandteil anknüpfen.102 Bei einer solchen Verwertung des Namens oder Bildes kommt zudem eine doppelte Rechtsverletzung in Betracht. Einerseits erfolgt eine wirtschaftliche Nutzung des Persönlichkeitsbestandteils, andererseits kann zugleich eine Persönlichkeitsverletzung durch Entstellung eintreten.103 Das kommt insbesondere in Betracht, wenn unzutreffende Informationen die Identität der betroffenen Person verfälschen. Insofern ist ein ideeller Persönlichkeitsbestandteil betroffen, so dass ein immaterieller Schaden entsteht, dessen Ersatzfähigkeit sich nach der Voraussetzung für die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen beurteilt. Darüber hinaus ist das Verwertungsrecht an den Persönlichkeitsbestandteilen nur als Vermögensrecht anzusehen, wenn nicht nur die (ideelle) Nutzung, sondern auch die Verwertung des Vermögenswertes dem Rechtsinhaber zugeordnet wird. Davon ist auszugehen, wenn die Nutzung des Persönlichkeitsbestandteils dem Rechtsinhaber zusteht sowie markt- und entgeltfähig ist, so dass der Rechtsinhaber den Persönlichkeitsbestandteil gegen Geld zur Nutzung überlassen könnte. Ansonsten ist nicht die wirtschaftliche Verwertung des Persönlichkeitsmerkmals betroffen. Die Rechtsprechung stellt insoweit 101 v. Gerlach, VersR 2002, 917, 924; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 130; Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 670; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 455 f.; Vollkommer, FS Leisner, S. 599, 608; differenzierend Witzleb, Geldansprüche, S. 185 f.; a. A. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 95; H. P. Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 144. 102 Ähnlich Witzleb, Geldansprüche, S. 185 f. 103 So wohl auch Witzleb, Geldansprüche, S. 186.

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vor allem auf die Bekanntheit der Person in der Öffentlichkeit ab.104 Der Bekanntheitsgrad oder die Berühmtheit einer Person ist ein schwer handhabbarer Maßstab und wird daher in der Literatur zum Teil abgelehnt.105 Allerdings lassen sich die Persönlichkeitsbestandteile regelmäßig nur verwerten, wenn die Person in der Öffentlichkeit bekannt ist. Somit ist das Abstellen auf die Popularität der Person ein typisierender Anknüpfungspunkt, um die Bewertung des Persönlichkeitsbestandteils auf dem Markt zu erfassen. Dieser taugt durchaus für den ersten Zugriff, auch wenn die Abgrenzung im Einzelfall Zweifelsfragen aufwerfen mag. Grundsätzlich kommt es für die Abgrenzung der vermögensrechtlichen Bestandteile darauf an, ob der Rechtsinhaber den Persönlichkeitsbestandteil gegen Geld zur Nutzung überlassen kann. Es ist hingegen nicht maßgeblich, ob ein Persönlichkeitsbestandteil, wie das Bildnis, in den Medien zur Gewinnerzielung bereits zum Einsatz kam. Sofern der Inhaber selbst den Persönlichkeitsbestandteil nicht auf dem Markt gegen Geld verwerten könnte, zeigt sich, dass der Bestandteil in diesem Fall keinen wirtschaftlichen Eigenwert hat. Insbesondere bei der Verwertung von Bildern oder Stimmen unbekannter Personen hat dieses Kriterium differenzierende Wirkung. Sie sind regelmäßig nicht selbst in der Lage, ihre Persönlichkeitsbestandteile zu verwerten, weil kein Markt existiert und sie somit keinen Preis haben. Die Verwertung des Persönlichkeitsbestandteils dieser sog. Normalbürger erfolgt beispielsweise zur Illustration eines Berichts über einen Dritten106 oder zur Verspottung der Person, wie das Urteil „tvtotal“ des OLG Hamm zeigt.107 Auch in der Rechtssache „Mordkommission Köln“, die der 6. Senat des BGH entschied, diente die Veröffentlichung des Fotos einer Leiche in einer Boulevardsendung vor allem dem Sensationsbedürfnis der Zuschauer und der Befriedigung des Voyeurismus.108 Die Person wird dabei der Öffentlichkeit preisgegeben, um Zuschauer anzuziehen und mit Werbeeinnahmen Gewinn zu erzielen. Dieser Gewinn war aber nicht von vornherein der Person zugeordnet. Die Person ist sogar fungibel und kann durch eine beliebige andere Person ersetzt werden, sofern sie nur dasselbe Interesse (Verspottung, Voyeurismus) befriedigt. Der Geschädigte hätte seine Persönlichkeitsbestandteile selbst kaum verwerten können. Das zeigt, dass der Gewinn nicht der konkret dargestellten Person zuzuordnen ist. Zudem ließe sich im Rahmen der Eingriffskondiktion kein Wert für die gezogene Nutzung bestimmen.109 104

Siehe oben § 17.F.II.2., S. 788 ff. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 363; zurückhaltend gegenüber einer Erweiterung auch Reuter/Martinek, Bereicherung, S. 268. 106 Z. B. Abbildung des Fotos eines Kellners beim Bericht über einen Musiker, s. OLG Karlsruhe 8.4.2009 NJW-RR 2009, 1273, 1274 f. 107 OLG Hamm 4.2.2004 NJW-RR 2004, 919 (tv-total). 108 BGH 6.12.2005 Z 165, 203, 209 (Mordkommission Köln). 109 AG Hamburg 4.9.1990 GRUR 1991, 910 (Normalbürger); 13.9.1994 AfP 1995, 528; s. aber Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 250. 105

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V. Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile unabhängig vom Bekanntheitsgrad Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts wurde zwar schrittweise erweitert. Das setzt aber zumindest voraus, dass der Rechtsinhaber die Persönlichkeitsbestandteile auf dem Markt hätte verwerten können, wenn er dies gewollt hätte. Das ist nur bei Personen möglich, die der Öffentlichkeit bekannt sind. Die Persönlichkeitsverletzung gegenüber unbekannten Personen betrifft somit Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die keinen vermögensrechtlichen Charakter haben. Die Zwangskommerzialisierung sog. Normalbürger führt daher nur zu Ansprüchen aus Eingriffskondiktion, wenn nicht der Bekanntheitsgrad der Person in der Öffentlichkeit maßgeblich ist, sondern ausschließlich die tatsächliche wirtschaftliche Bewertung des Persönlichkeitsbestandteils auf dem Markt. Diese erfolge durch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts mit Gewinnerzielungsabsicht und aktualisiere den wirtschaftlichen Wert des Persönlichkeitsguts.110 Insofern genüge die erstmalige Zwangskommerzialisierung einer Privatperson, um einen vermögensrechtlichen Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkennen zu können.111 Diesen Ansatz verfolgt der BGH bisher nicht. In den Entscheidungen „Rücktritt des Finanzministers“, „Schau mal, Dieter“ sowie „Zerknitterte Zigarettenschachtel“ hob er zwar primär auf die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses bzw. Namens ab, die zeige, dass ihnen ein wirtschaftlicher Wert zukomme.112 Auf die Prominenz des Klägers wurde nicht explizit verwiesen, allerdings waren die Kläger in allen drei Fällen der Öffentlichkeit offensichtlich bekannt. Daher erfolgte keine Abkehr von der früheren Rechtsprechung. Die Literatur verweist für die Anerkennung eines vermögensrechtlichen Bestandteils vielfach darauf, dass mit der Verwendung eines Persönlichkeitsmerkmals zu wirtschaftlichen Zwecken auf dem Markt ein wirt-

110 OLG Frankfurt 28.2.1986 NJW-RR 1986, 1118 f. (Wandergruppe); OLG Hamm 4.2.2004 NJW-RR 2004, 919 (tv-total); AG Hamburg 13.9.1994 AfP 1995, 528; Amelung, Schutz der Privatheit, S. 186; A. Fischer, Entwicklung, S. 242; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54 f.; ders., GRUR 2004, 801, 803; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 81 ff.; Ladeur, ZUM 2000, 879, 886; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 453, 457; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 219 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 211; G. Wagner, Gutachen 66. DJT, A 43; Wortmann, Vererblichkeit, S. 257 f.; s. auch Canaris, FS Deutsch, S. 85, 88, 89; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 76 f.; Vollkommer, FS Leisner, S. 599, 605; anders Klumpp, Privatstrafe, S. 120 ff. 111 OLG Frankfurt 28.2.1986 NJW-RR 1986, 1118 f. (Wandergruppe); OLG Hamm 4.2.2004 NJW-RR 2004, 919 (tv-total); AG Hamburg 4.9.1990 GRUR 1991, 910 (Normalbürger); 13.9.1994 AfP 1995, 528; Wortmann, Vererblichkeit, S. 257 f. 112 BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 (Zerknitterte Zigarettenschachtel).

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schaftlicher Wert bereits angelegt ist.113 Damit wird vor allem begründet, dass der Nutzungswille des Rechtsinhabers und die Materialisierung des Persönlichkeitsrechts für den Vermögenswert einzelner Persönlichkeitsmerkmale unerheblich sind.114 Daraus lässt sich aber nicht zwingend folgern, dass Persönlichkeitsbestandteile unabhängig vom Bekanntheitsgrad der Person einen vermögensrechtlichen Charakter haben. Das Bestehen eines vermögensrechtlichen Bestandteils wird zum Teil darauf gestützt, dass die Rechtsordnung dem Rechtsinhaber das allgemeine und die besonderen Persönlichkeitsrechte zuweise, die er ausschließlich für sich beanspruchen kann, soweit sie nicht gemeinfrei sind.115 Daher komme diesen Bestandteilen ein Zuweisungsgehalt im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB bereits zu, wenn nur eine abstrakte Verwertungsmöglichkeit existiert.116 Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion bestehe daher auch bei der unberechtigten Verwertung von Informationen aus der Privat- und Intimsphäre und über das Persönlichkeitsbild, aber auch durch erfundene Interviews oder Fotomontagen.117 Dieser Ansatz diente ursprünglich nur dazu, die Beschränkung der vermögensrechtlichen Persönlichkeitsbestandteile auf die materialisierten Bestandteile zu überwinden. Sie ist auch dazu geeignet, ihre Anerkennung auf Personen unabhängig von ihrem Bekanntheitsgrad zu erstrecken, da nicht die konkrete, sondern die abstrakte Verwertbarkeit genügt. Ein Verwertungsrecht an den Persönlichkeitsbestandteilen lässt sich aber nur annehmen, wenn diese Bestandteile für den Rechtsinhaber selbst wirtschaftlich nutzbar sind. Er muss sie auf dem Markt entgeltlich verwerten können. Ansonsten fehlt es schon an den tatsächlichen Voraussetzungen – dem tauglichen Rechtsobjekt –, um ein solches Verwertungsrecht anzuerkennen. Es lässt sich darauf verweisen, dass das Persönlichkeitsmerkmal für den 113 Amelung, Schutz der Privatheit, S. 186; Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 403 ff.; Dasch, Einwilligung, S. 22 f.; Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, Anh § 12 Rn. 246; A. Fischer, Entwicklung, S. 242; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 77; Kleinheyer, JZ 1970, 471, 476; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 81 ff.; Lieb, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 262 f.; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 464; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 220; Ullmann, AfP 1999, 209, 211; ähnlich unter Rückgriff auf die Rechtswidrigkeitslehre Jakobs, Eingriffserwerb, S. 110. 114 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 88, 89; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 219; ähnlich Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 403 ff.; Nörr, AcP 158 (1959/ 60), 1, 9. 115 Dasch, Einwilligung, S. 22 f.; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 77; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54; ähnlich Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 403 ff. 116 Dasch, Einwilligung, S. 22 f.; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 77; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54; ähnlich Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 403 ff. (Sanktion entsprechend dem Schutzzweck der verletzten Privatautonomie); bereits auf den Markt abstellend, aber letztlich auf die materialisierten Persönlichkeitsbestandteile beschränkend Lieb, MünchKommBGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 263; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 268; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 453, 457. 117 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 96; Funkel, Persönlichkeit, S. 179 f.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 127.

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Rechtsinhaber zumindest nutzbar werde, sobald sich eine Nachfrage nach bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen eines Betroffenen am Markt gebildet habe.118 Eine Nachfrage entsteht auf dem Markt grundsätzlich aber nur für Persönlichkeitsbestandteile von bekannten Personen. Bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts unbekannter Personen erfolgt hingegen kein Eingriff in ein Verwertungsrecht, das Ansprüche aus Eingriffskondiktion oder angemaßter Eigengeschäftsführung auslöst.119 Daher hat das OLG Hamm in seiner Entscheidung „tv-total“ zu Recht nur eine Entschädigung für die immateriellen Einbußen zugesprochen.120 Es wurde ein Filmausschnitt mit der bis dahin unbekannten Klägerin in der Sendung von tv-total kommerziell verwertet. Der Filmausschnitt wurde nicht wegen der Klägerin als Person herangezogen, sondern weil er sich zur Verspottung und für anzügliche wie beleidigende Anspielungen eignete. Diese richteten sich zwar gegen die Klägerin als Person, es hätte aber eine beliebige andere Person sein können, solange ein vergleichbarer Anlass für beißenden Spott bestanden hätte. Der erzielte Gewinn steht daher in keinem Zusammenhang mit einem verwertbaren Persönlichkeitsbestandteil. Es handelt sich um einen Angriff auf die Ehre, die nicht von der Person ablösbar ist und keiner Verwertung unterliegen kann. Zudem war für die Auswahl des Ausschnitts der Werbewert der Klägerin irrelevant. Ein solcher wirtschaftlicher Wert bestand im Zeitpunkt der Sendung auch nicht, weil die Klägerin mangels Bekanntheit ihre Persönlichkeitsbestandteile nicht selbst hätte wirtschaftlich verwerten können. VI. Gesetzes- und sittenwidrige Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ist in Frage gestellt, soweit ihre Nutzung gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Das Ziehen der Nutzung findet seine Grenze an den Verbotsgesetzen und den guten Sitten, sofern sie auch dem Rechtsinhaber die Nutzung untersagen. Die Rechtsordnung setzt dem Markt durch die §§ 134, 138 BGB Grenzen.121 Das hat nicht zur Folge, dass der vermögensrechtliche Charakter des Persönlichkeitsbestandteils generell zu verneinen ist. Der Rechtsinhaber kann aber keine entgangenen Nutzungen geltend machen. Sein Herrschaftsrecht beschränkt sich auf die erlaubte Verwertung der Persönlich118 Dasch, Einwilligung, S. 22 f.; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 77; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54 f.; Kleinheyer, JZ 1970, 471, 476 f.; Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 69; ders., FS Hefermehl, S. 445, 453, 457; Schwab, MünchKomm-BGB, § 812 Rn. 272; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 219; ähnlich Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 403 ff. 119 Stieper, MMR 2008, 108, 109. 120 Verwertung eines Filmausschnitts einer Misswahl, in dem sich die Klägerin als Lisa Loch vorstellte, s. OLG Hamm 4.2.2004 NJW-RR 2004, 919 (tv-total). 121 Dasch, Einwilligung, S. 22 f.; Kleinheyer, JZ 1970, 471, 476; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 464; Seitz, NJW 1996, 2848, 2849; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 219.

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keitsbestandteile. Daher ist die Nutzung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht dem Rechtsinhaber zugeordnet, wenn und soweit sie gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt.122 Insofern hat er keine rechtserhebliche Einbuße erlitten, die der Schädiger ersetzen muss. Ersatz für entgangenen Gewinn kann der Rechtsinhaber somit nur verlangen, wenn der Gewinn nicht aus gesetzes- oder sittenwidriger Handlung resultierte.123 Zudem hat der Rechtsinhaber einen Anspruch auf Wertersatz nach den §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB nur, soweit die Rechtsordnung dem Bereicherungsgläubiger das Erlangte zuordnet. Sofern die Nutzung der Persönlichkeitsmerkmale dem Rechtsinhaber nach den Vorgaben der Rechtsordnung nicht erlaubt ist, kann er weder Herausgabe noch Wertersatz verlangen.124 Das wird von einigen Autoren als Widerspruch zum Zweck der Eingriffskondiktion empfunden.125 Das Ziel der Eingriffskondiktion ist aber die Wiederherstellung der Güterzuordnung entsprechend den Vorgaben der Rechtsordnung. Somit kommt es darauf an, ob die Rechtsordnung dem Bereicherungsgläubiger die Nutzungen zuordnet. Davon ist nicht auszugehen, wenn der Rechtsinhaber sie nicht im Einklang mit dem Gesetz ziehen kann. Es mag unbefriedigend erscheinen, dass jemand, der sich die Nutzung eines Persönlichkeitsbestandteils aneignet, die geldwerten Vorteile behalten darf, wenn nicht nur ein vermögensrechtlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts verletzt wird, sondern sogar ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz oder die guten Sitten vorliegt. Die gesetzes- oder sittenwidrige Nutzung des Persönlichkeitsbestandteils führt aber nicht per se zum Ausschluss der zivilrechtlichen Ansprüche des Rechtsinhabers. Für die Zuordnung der einzelnen Nutzungen zum Vermögen des Rechtsinhabers ist nicht das Handeln des Anspruchsgegners maßgeblich, sondern das des Rechtsinhabers. Nur wenn er die Nutzung lediglich unter Verstoß gegen das Gesetz oder die guten Sitten ziehen könnte, sind sie ihm von der Rechtsordnung nicht zugewiesen. Auch für den Ersatz des entgangenen Gewinns hat der Gesetzes- oder Sittenverstoß des Schädigers nur für den Haftungstatbestand Bedeutung. Für die Rechtsfolgen 122 Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, Anh § 12 Rn. 247; Hubmann, UFITA 39 (1963), 223, 233; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 83 f.; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 446; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 222 f.; Witzleb, Geldansprüche, S. 175; s. auch Kleinheyer, JZ 1970, 471, 476 (auf der Grundlage der Rechtswidrigkeitslehre); a. A. Beuthien/ Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 44 f. (s. aber S. 28); Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 87; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 172; Sack, FS Hubmann, S. 375, 386 ff. 123 BGH 6.7.1976 Z 67, 119, 121 f.; 30.11.1979 Z 75, 366, 368; Oetker, MünchKomm-BGB, § 252 Rn. 7 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 252 Rn. 15 ff.; a. A. Stürner, VersR 1976, 1012, 1013. 124 Insbesondere bei Ehrschutzdelikten Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 83 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 224 f.; s. auch Kleinheyer, JZ 1970, 471, 476 (nach der Rechtswidrigkeitslehre). 125 Balthasar, NJW 2007, 664, 665; A. Fischer, ZEV 2006, 273, 274; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 175; Sack, FS Hubmann, S. 373, 387 f.; s. auch Dreier, Kompensation, S. 369 Fn. 57.

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ist der Schaden maßgeblich, so dass es darauf ankommt, ob der dem Geschädigten entgangene Gewinn aus einer für ihn gesetzes- oder sittenwidrigen Handlung gestammt hätte. Uneinigkeit besteht besonders bei den Ehrschutzdelikten (§§ 185 ff. StGB). Ein Anspruch auf Schadensersatz aus deliktischer Haftung oder Wertersatz aus Eingriffskondiktion scheitert bereits, weil die Ehre kein vermögensrechtlicher Bestandteil ist.126 Die Ehre ist untrennbar mit der Person verbunden, so dass ein Dritter sie sich nicht anzueignen vermag. Er kann den Namen oder das Bildnis der Person verwenden, und deren Nutzwert kann durch das Ansehen der Person positiv oder negativ beeinflusst werden. Das ist bei der Ehre unmöglich. Sie ist ein ideeller Bestandteil des Persönlichkeitsrechts, und ihre Verletzung verursacht nur Nichtvermögensschäden. Sie hat keinen materiellen Wert, der dem Rechtsinhaber zugeordnet ist. Es kommt nicht mehr darauf an, ob der Rechtsinhaber die Nutzung selbst hätte vornehmen können. Ein vermögenswerter Bestandteil des Persönlichkeitsrechts wird nur genutzt, wenn im Zusammenhang mit der Beleidigung der Name des Rechtsinhabers genannt oder ein Bild veröffentlicht wird. Name und Bildnis sind vermögensrechtlicher Natur und ihre unerlaubte Aneignung ist eine Verwertung, die einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auslösen kann. In der Namensnennung und Veröffentlichung des Bildnisses selbst liegt regelmäßig keine Ehrverletzung. Diese ergibt sich erst aus den damit im Zusammenhang stehenden Äußerungen. Namensnennung und Abbildung stellen den Bezug zur Person des Rechtsinhabers her. Eine Beleidigung kann auch ohne Namensnennung erfolgen. Somit liegen zwei Rechtsverletzungen vor: die Ehrverletzung und die unerlaubte Nutzung des Bildnisses oder Namens. Erstere führt nur zu einem Entschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auf Ersatz der immateriellen Schäden. Letztere kann Ansprüche aus deliktischer Haftung, Eingriffskondiktion oder Geschäftsführung ohne Auftrag auslösen. Sofern die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugleich Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist, kann im Straf- bzw. Verwaltungsverfahren eine Abschöpfung der Vorteile erfolgen, die aus der Tat gezogen wurden. Das Gericht kann im Urteil oder nachträglich Verfall anordnen (§§ 73 Abs. 1, 76 StGB). Bei der Einstellung des Strafverfahrens gegen Auflage nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO kann bestimmt werden, dass das Erlangte an den Staatshaushalt oder eine gemeinnützige Einrichtung abzuführen ist. Im Verfahren wegen einer 126

Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, Anh § 12 Rn. 247; v. Holleben, Geldersatz, S. 110; Hubmann, UFITA 39 (1963), 223, 233; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 83 f.; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 446; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 222 f.; Witzleb, Geldansprüche, S. 184; so zum wirtschaftlichen Ruf einer Person BGH 17.3.1994 WM 1994, 992; a. A. Pietzko, AfP 1988, 209, 217; Annahme einer Eingriffskondiktion bei Persönlichkeitsverletzungen ohne Differenzierung Funkel, Persönlichkeit, S. 175; G. Wagner, VersR 2000, 1305, 1309.

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Ordnungswidrigkeit soll die festzusetzende Geldbuße stets die wirtschaftlichen Vorteile übersteigen, die der Handelnde gezogen hat (§ 17 Abs. 4 OWiG), so dass es nicht zusätzlich des Verfalls bedarf. Sofern keine Geldbuße auferlegt wird oder die Vorteile der Tat einem Dritten zugeflossen sind, kann der Verfall der Vorteile nach § 29a OWiG angeordnet werden. Im Ergebnis sollten dem Verletzer die Vorteile seiner Tat nicht erhalten bleiben, sofern eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und ein Verfahren erfolgt. Ein spezielles Problem ergibt sich bei der unerlaubten Verwertung des Bildes eines amtierenden Bundeskanzlers oder Bundesministers, die nach Art. 66 GG kein Gewerbe oder einen Beruf ausüben dürfen. Das Gleiche gilt häufig für Mitglieder der Landesregierungen.127 Somit steht die Verfassung der eigenen kommerziellen Verwertung der Persönlichkeit (z. B. des Namens, des Bildes) entgegen. Ein Anspruch aus Eingriffskondiktion oder Geschäftsführung ohne Auftrag sind daher ausgeschlossen, wenn diese Regelung zur Folge hat, dass die Nutzung nicht mehr dem Rechtsinhaber zugeordnet wird.128 Das setzt voraus, dass Art. 66 GG der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts entgegensteht und es nicht nur missbilligt. Art. 66 GG gibt dem Bundeskanzler und den Bundesministern aber nur auf, ihre Tätigkeit zum Ruhen zu bringen, und führt nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts.129 Zwar verstößt ein Rechtsgeschäft über die Verwertung eines Persönlichkeitsbestandteils für den Abnehmer, der als Wettbewerber die Persönlichkeit des Bundesministers oder Bundeskanzlers nutzt, gegen die guten Sitten.130 Die Sittenwidrigkeit betrifft aber nur das Handeln des Dritten, nicht das des Ministers. Zudem gebietet der Normzweck des Art. 66 GG nicht, die Zuordnung der Verwertung durch die Rechtsordnung anders zu bewerten, sofern sie nicht bereits wegen der Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Meinungsund Pressefreiheit gemeinfrei ist. Art. 66 GG zielt vor allem darauf, die Amtsausübung von gesellschaftlichen und beruflichen Interessen im Dienste der Rechtsstaatlichkeit zu trennen.131 Es sollen Interessenkollisionen vermieden werden. Das ändert nichts daran, dass die Verwertung der Persönlichkeit grundsätzlich dem Rechtsinhaber zusteht, zumal ein Interessenkonflikt gerade bei unerlaubter Verwertung des Persönlichkeitsbestandteils durch einen Dritten nicht eintritt.

127 Z. B. Art. 34 Verfassung Schleswig-Holstein, Art. 57 Verfassung Bayern; anders Art. 64 Verfassung NRW; keine Regelung in den Verfassungen Hessens und Berlins. 128 Gegen einen Anspruch aus Eingriffskondiktion Ladeur, ZUM 2007, 111, 114; wohl auch v. Becker, AfP 2005, 237, 241; vgl. BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers), es sei unerheblich, ob der Rechtsinhaber die Verwertung gegen Zahlung einer Lizenzgebühr hätte erlauben dürfen. 129 MD/Herzog, GG, Art. 66 Rn. 11, 13. 130 OLG Frankfurt 8.6.1993 AfP 1994, 40, 41; Ehmann, AfP 2005, 237, 241. 131 MD/Herzog, GG, Art. 66 Rn. 3 f., 6.

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D. Rechtsfolgen der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts I. Anspruch auf Schadensersatz aus deliktischer Haftung 1. Bestehen eines Anspruchs auf Ersatz des Vermögensschadens Die Verletzung eines besonderen oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann deliktische Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auslösen.132 Die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sind als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB erfasst.133 Im Gegensatz zum Entschädigungsanspruch wegen ideeller Schäden setzt der Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts keine schwere Persönlichkeitsverletzung voraus und ist nicht subsidiär. Die zusätzlichen Anforderungen beruhen auf den Beschränkungen für die Wiedergutmachung ideeller Schäden und der Ableitung der Entschädigung aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Beides gilt für einen Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens nicht, so dass jede Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts einen Schadensersatzanspruch auslösen kann.134 Die Rechtswidrigkeit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedarf stets der positiven Begründung, da es sich um ein Rahmenrecht handelt. Spezielle Regelungen bestehen nur für das Recht am eigenen Bild in den §§ 23 f. KUG. Im Übrigen erfolgt eine Güter- und Interessenabwägung, die insbesondere den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit, aber auch der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 1, 3 GG berücksichtigt. Neben dem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB sind tatbestandlich gegebenenfalls § 823 Abs. 2 S. 1 BGB i. V. mit §§ 185 ff. StGB sowie § 824 BGB und § 826 BGB einschlägig. Die deliktischen Schadensersatzansprüche setzen stets einen konkreten Vermögensschaden des Verletzten i. S. der §§ 251, 252 BGB voraus. Im Gegensatz zum Wertersatz- oder Gewinnherausgabeanspruch kommt es nicht auf die vom Rechtsverletzer gezogenen Vorteile an, sondern auf den Schaden des Anspruchsinhabers. Er muss eine in Geld messbare Einbuße erlitten haben. Bei der Verletzung eines Vermögensrechts ist grundsätzlich jeder Objektschaden im Sinne eines Substanzschadens ein Vermögensschaden, so dass bereits die Verletzung des vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts 132 Der Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des ideellen Persönlichkeitsrechts stützt sich zumindest seit der Caroline-Rechtsprechung auf § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG BGH 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline III). Zu den besonderen Persönlichkeitsrechten Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 393; G. Wagner, MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 178. 133 BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 343 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 NJW 2008, 3782 (Zerknitterte Zigarettenschachtel); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 (Schau mal, Dieter). 134 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 228 (Marlene Dietrich); 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); zustimmend G. Wagner, VersR 2000, 1305, 1308.

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genügen könnte, um einen Vermögensschaden auszulösen. Sofern unkörperliche Vermögensrechte betroffen sind, die zum Zweck der Werbung, Produktvermarktung oder in der Berichterstattung herangezogen werden, tritt jedoch kein Substanzschaden ein. Etwas anderes gilt höchstens, wenn die Verwertbarkeit des Persönlichkeitsbestandteils leidet, weil das Bild oder der Name der Person zu häufig oder für zu verschiedene Kampagnen zu Werbezwecken verwendet wurde, so dass eine Verwässerung des Werbewerts eintritt. Ähnlich wie bei der Verwässerung einer Marke tritt ein Vermögensschaden ein, weil der Rechtsinhaber Persönlichkeitsbestandteile wie Bildnis oder Namen nicht mehr in gleicher Weise zur Gewinnerzielung nutzen kann.135 Unabhängig davon ist der entgangene Gewinn Vermögensschaden. § 252 BGB setzt voraus, dass der Rechtsinhaber ohne das schädigende Ereignis selbst einen Gewinn erzielt hätte. Allerdings genügt nach dessen Satz 2, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen solchen Gewinn bestand. Daher führt die Verletzung eines vermögenswerten Bestandteils des Persönlichkeitsrechts zu einem Vermögensschaden, wenn der Rechtsinhaber ohne die Zwangskommerzialisierung des Schädigers selbst einen Gewinn erzielt hätte.136 Das setzt voraus, dass der Rechtsinhaber bereit war, seine Persönlichkeit kommerziell zu verwerten und die Nutzung gezogen oder in die Verwertung des Persönlichkeitsbestandteils durch Dritte gegen Entgelt eingewilligt hätte.137 Ohne die Verwertungsbereitschaft wäre die Annahme eines entgangenen Gewinns Fiktion.138 Die Gewinnerzielung durch den Schädiger genügt für die Begründung des Vermögensschadens nicht, es sei denn, es steht fest, dass der Rechtsinhaber den Gewinn auch hätte erzielen wollen und können.139 Für eine abstrakte Schadensberechnung nach § 252 S. 2 BGB kommt es nicht darauf an, dass der Rechtsinhaber in die konkrete Nutzung eingewilligt hätte. Es genügt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass eine Einwilligung erteilt worden wäre.140 Davon ist insbesondere auszu135

BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 355 (Paul Dahlke); 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 43. 136 Göbel, Geldentschädigung, S. 191; Sack, FS Hubmann, S. 373, 389. 137 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 355 (Paul Dahlke); 18.3.1959 Z 30, 7, 16 (Caterina Valente); 26.6.1981 Z 81, 75, 82 (Carrera); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 43; Ehmann, AfP 2005, 237, 245; Göbel, Geldentschädigung, S. 191 f.; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 464 f.; F. Schubert, Wert des Individuums, S. 107; Siemes, AcP 201 (2001), 201, 222; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 43; erwägend Canaris, FS Deutsch, S. 85, 89; anders Götting, GRUR 2004, 801, 803; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 85 f.; Ullmann, WRP 2000, 1049, 1053. 138 Göbel, Geldentschädigung, S. 191 f., die auch auf die fehlende Kausalität verweist; ähnlich v. Holleben, Geldersatz, S. 99; s. auch Canaris, FS Deutsch, S. 85, 89; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 464 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 201, 222; anders Schmidt-Salzer, JR 1969, 81, 86 f. 139 Göbel, Geldentschädigung, S. 191 f.; Sack, FS Hubmann, S. 373, 389; anders Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 404; Schmidt-Salzer, JR 1969, 81, 86. 140 v. Hoyningen-Huene/Boemke, NJW 1994, 1757, 1758; Oetker, MünchKomm-BGB, § 252 Rn. 31; ähnlich Staudinger/Schiemann, BGB, § 252 Rn. 18; restriktiver Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 492.

§ 17 Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts

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gehen, wenn der Verletzte es üblicherweise gestattet, einzelne Persönlichkeitsbestandteile kommerziell zu verwerten.141 Lehnt der Rechtsinhaber die Verwertung der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts generell oder zumindest die Art der vom Schädiger gezogenen Nutzung ab, so führt die Rechtsverletzung nicht zu einem Vermögensschaden in Form von entgangenem Gewinn. Der Geschädigte erleidet nur einen immateriellen Schaden. Die Rechtsprechung lässt zwar die dreifache Schadensberechnung zu142, bisher hat sie das Vorliegen eines Vermögensschadens indes nicht fingiert. Sie hat ihn allerdings auch noch nicht mangels Schaden abgelehnt, zumal sich ein Anspruch auf entgangene Lizenzgebühr auch auf die Eingriffskondiktion stützen lässt.143 Die Verneinung des Vermögensschadens steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des BGH, der für die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht voraussetzt, dass der Rechtsinhaber verwertungsbereit war. Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile und das Eintreten eines Vermögensschadens sind getrennt zu beurteilen. Es handelt sich um eigenständige dogmatische Kategorien. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vergleich mit dem Urheberrecht. Gegenwärtig ist umstritten, ob der Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG davon abhängt, ob der Urheber verwertungsbereit war und ihm tatsächlich ein Vermögensschaden entstanden ist.144 Insbesondere unter Hinweis auf die Enforcement-Richtlinie (2004/48/EG) wird ein schadensunabhängiger Anspruch gefordert, um die angestrebte Prävention zukünftiger Rechtsverletzungen zu verwirklichen.145 Das lässt sich auf die besonderen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht übertragen, da sich die Richtlinie auf das geistige Eigentum beschränkt. Zudem sind Immaterialgüterrechte grundsätzlich auf eine wirtschaftliche Verwertung angelegt. Die Sicherung der Gewinnerzielung aus geistigen Schöpfungen war der maßgebliche Antrieb für ihre Anerkennung. Das gilt für Persönlichkeitsrechte, die auf dem Schutz der Würde und der Privatsphäre der Person sowie ihrer Persönlichkeitsentfaltung beruhen, nicht in gleicher Weise. Daran ändert auch die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile nichts. Sie ordnet die Nutzung dem Rechtsinhaber zu, ohne anzunehmen, dass der Rechtsinhaber stets eine wirtschaftliche Verwertung verfolgt. 141

Göbel, Geldentschädigung, S. 192 f. BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 231 f. (Marlene Dietrich); ebenso BGH 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel). 143 Vgl. BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers), der BGH prüft zwar die Eingriffskondiktion, verneint aber den Anspruch wegen der Rechtmäßigkeit der Rechtsverletzung. Ebenso BGH 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 f. (Zerknitterte Zigarettenschachtel); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 ff. (Schau mal, Dieter). 144 Gegen die Abhängigkeit von der Verwertungsbereitschaft Fromm/Nordemann, UrhG, § 97 Rn. 75; Ullmann, AfP 1999, 209, 212; dafür Möhring/Nicolini, UrhG, § 97 Rn. 170. 145 Gedert, Schadensersatz, S. 220; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 461. 142

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Teil 4: Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe

Die Abhängigkeit des Vermögensschadens von der Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers ist im Verhältnis zu anderen Fallgruppen des Vermögensschadens stimmig. Das gilt zunächst für die Anerkennung entgangener Nutzungen als Vermögensschaden, bei denen es auch darauf ankommt, dass der Eigentümer die beschädigte Sache nutzen wollte und konnte.146 Die zusätzliche Anforderung, dass die beschädigte Sache ein Gegenstand sein muss, dessen tägliche Verfügbarkeit für die eigenverantwortliche Lebensführung notwendig ist147, ist bei Persönlichkeitsbestandteilen nicht erforderlich. Anders als bei der Beschädigung einer Sache scheidet die Nutzung durch die Rechtsverletzung nicht aus. Zudem hat die Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts zur Folge, dass der Vermögenswert der Nutzung anerkannt ist. Der Schaden setzt nur voraus, dass der Geschädigte zur kommerziellen Verwertung bereit war. Ähnliches gilt für den Vergleich mit den Fällen, in denen die Arbeitskraft des Geschädigten infolge der Verletzung beeinträchtigt war. Ein Vermögensschaden liegt nur vor, wenn der Geschädigte seine Arbeitskraft einer geldwerten Verwendung tatsächlich hätte zuführen können.148 Die Arbeitskraft war infolge der Verletzung nicht nutzbar, wohingegen der vermögensrechtliche Bestandteil des Persönlichkeitsrechts nutzbar war und genutzt wurde. Daher bedarf es für die Anerkennung eines Vermögensschadens bei Persönlichkeitsverletzungen keiner zusätzlichen Voraussetzungen. Weitere Vermögensschäden können infolge der Verletzung eines besonderen Persönlichkeitsrechts, wie dem Recht am eigenen Bild, oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur eintreten, wenn es zur Gefährdung des Kredits kommt.149 Sofern durch einen rufschädigenden Beitrag Vermögensschäden eintreten, sind diese zu ersetzen.150 Daneben können Verwässerungsschäden wie im Markenrecht entstehen.151 2. Berechnung des Vermögensschadens Die dreifache Schadensberechnung, die eine Berechnung des Schadens wahlweise anhand des entgangenen Gewinns, einer angemessenen Lizenzgebühr sowie des Verletzergewinns erlaubt, entwickelte das RG zunächst für die Immaterialgüterrechte.152 Der BGH übernahm diese Rechtsprechung und über146

Siehe oben § 1.C.I.2.a., S. 35 ff. BGH 9.7.1986 Z 98, 212, 220 ff. 148 Siehe oben § 1.C.I.2.c., S. 41 ff. 149 Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 137; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 232; anders BGH 5.3.1961 Z 39, 124, 130 ff. (Fernsehansagerin). 150 BGH 26.11.1996 VersR 1997, 325 (stern-TV); Helle, JZ 1997, 786 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 232. 151 Siehe oben § 17.D.I.1., S. 765 ff. 152 Grundlegend RG 8.6.1895 Z 35, 63, 70 (Ariston); siehe auch RG 31.12.1898 Z 43, 56, 59 f. (Maischengärung). 147

§ 17 Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts

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trug sie auf die Verletzung gewerblicher Schutzrechte.153 Die Bezugnahme auf die übliche Lizenzgebühr wurde damit begründet, dass es möglich und üblich sei, Dritten das Recht zur Nutzung gegen Entgelt zu überlassen.154 Für die Berechnung des Schadensersatzes anhand des Verletzergewinns wurde unterstellt, dass der Geschädigte bei der Verwertung den gleichen Gewinn erzielt hätte wie der Rechtsverletzer.155 Diese Rechtsprechung erweiterte der BGH auf die Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts.156 Die dreifache Schadensberechnung war in der Literatur zunächst erheblicher Kritik ausgesetzt157, inzwischen ist sie aber für das Immaterialgüterund Markenrecht gesetzlich geregelt, um die Durchsetzung dieser Rechte zu verbessern.158 Eine Übertragung der dreifachen Schadensberechnung auf die Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ist im Wege der Gesamtanalogie zu den §§ 97 Abs. 2 S. 2, 3 UrhG, 139 Abs. 3 S. 2, 3 PatG, 42 Abs. 2 S. 2, 3 GeschMG, 24 Abs. 2 S. 2, 3 GebrMG, 14 Abs. 6 MarkenG denkbar.159 Das setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Gesetzgeber hat die Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung des all153 Z. B. BGH 12.1.1966 Z 44, 372, 380 (Meßmer Tee II); 8.10.1971 Z 57, 116, 118 ff. (Wandsteckdose II); 16.2.1973 Z 60, 206, 209 (Miss Petite); 8.2.1977 GRUR 1977, 539, 541 (Prozessrechner); 17.6.1992 Z 119, 20, 25 f. (Tchibo/Rolex II); zust. Däubler, JuS 1969, 49 ff.; Mertens, Vermögensschaden, S. 226; Schmidt-Salzer, JR 1969, 81, 86 ff. 154 RG 8.6.1895 Z 35, 63, 70 (Ariston); 31.12.1898 Z 43, 56, 59 f. (Maischengärung); BGH 12.1.1966 Z 44, 372, 379 (Meßmer Tee II); 8.10.1971 Z 57, 116, 118 ff. (Wandsteckdose II); 16.2.1973 Z 60, 206, 211 (Miss Petite); 8.2.1977 GRUR 1977, 539, 541 (Prozessrechner); 17.6.1992 Z 119, 20, 27 f. (Tchibo/Rolex II). 155 Z. B. BGH 8.10.1971 Z 57, 116, 118 f. (Wandsteckdose II); 30.11.1976 Z 68, 90, 94 (Kunststoffhohlprofil); 8.2.1977 GRUR 1977, 539, 541 (Prozessrechner); 2.11.2000 GRUR 2001, 329, 331 (Gemeinkostenanteil); 7.2.2002 GRUR 2002, 532, 535 (Unikatrahmen); 21.9.2006 GRUR 2007, 431, 433 (Steckverbindungsgehäuse); Loschelder, NJW 2007, 1503; Meier-Beck, GRUR 2005, 617, 618 f. 156 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 353 f. (Paul Dahlke); 1.12.1999 Z 143, 214, 231 f. (Marlene Dietrich); 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); zust. Dreier, Kompensation, S. 87; Ehmann, AfP 2005, 237, 245; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 57 f.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 139 ff.; Neumeyer, AfP 2009, 465, 469; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 733; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 232; Schack, JZ 2000, 1060, 1062; Seiler, MünchKomm-BGB, § 687 Rn. 22 ff.; Staudinger/Hager, BGB, § 823 Rn. C 290; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 248 f.; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 210, 228; s. auch Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 217 ff. (vorsichtige Ausdehnung wegen der Pressefreiheit); krit. Sack, FS Hubmann, S. 373, 393; abl. wegen der Überschreitung des Wortlauts des § 252 BGB Pietzko, AfP 1988, 209, 221 Fn. 172; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 464; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 214. 157 Z. B. Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 256; v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 354; Kraßer, GRUR Int. 1980, 259, 263; Sack, FS Hubmann, S. 373, 388 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 201; s. auch H. A. Fischer, Schaden, S. 56 f. Fn. 11; Möhring, GRUR 1931, 419, 421 f. 158 § 97 Abs. 2 S. 2, 3 UrhG, § 139 Abs. 3 S. 2, 3 PatG, § 42 Abs. 2 S. 2, 3 GeschMG, § 24 Abs. 2 S. 2, 3 GebrMG, § 14 Abs. 6 MarkenG; s. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/5048, S. 25, 32 f., 37, 48 (Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG). 159 Für eine Gesamtanalogie Alexander, AfP 2008, 556, 564.

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Teil 4: Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe

gemeinen und der besonderen Persönlichkeitsrechte trotz der erkannten Regelungsbedürftigkeit bei der letzten Reform des Schadensersatzrechts ausdrücklich offengelassen.160 Zugleich erkannte er die Rechtsprechung des BGH an, sprach sich für ihre Fortführung aus und stellte den Gerichten die notwendige Weiterentwicklung der Rechtslage anheim. Insofern liegt eine planvolle Regelungslücke vor. Daran scheitert die Rechtsfortbildung gleichwohl nicht, da die Forderung nach einer planwidrigen Regelungslücke auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Primat der Legislative beruht. Sofern der Gesetzgeber die Regelung verweigert und der Rechtsprechung überlässt, muss eine Rechtsfortbildung erlaubt sein. Das steht zwar in einem Spannungsverhältnis zu der Vorstellung über die Rollenverteilung der Gewalten in einem Rechtsstaat und dem Demokratieprinzip, schließt, angesichts des Rechtsverweigerungsverbots der Gerichte, die Rechtsfortbildung aber nicht aus. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass sich die gesetzlichen Regelungen der dreifachen Schadensberechnung auf die Immaterialgüterrechte und den gewerblichen Rechtsschutz beziehen. Der Gesetzgeber beschränkte sich bei seinen Regelungen auf die Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG zur Verbesserung des Schutzes und der Durchsetzung des geistigen Eigentums161, die die vermögensrechtlichen Bestandteile der Persönlichkeitsrechte nicht erfasst. Somit ist das Nichtregeln des Schadensersatzes für die Verletzung des allgemeinen oder besonderen Persönlichkeitsrechts keine konkludente Ablehnung, die dreifache Schadensberechnung auf sie zu erweitern. Für die Übertragung der dreifachen Schadensberechnung spricht, dass die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ebenso verletzlich sind wie Immaterialgüterrechte. Zudem bestehen vergleichbare Schwierigkeiten bei der Berechnung des entgangenen Gewinns. Allerdings lassen sich diese Schwierigkeiten auch dadurch lösen, dass anstelle des Schadensersatzanspruchs aus Delikt ein Anspruch aus Eingriffskondiktion auf die übliche Lizenzgebühr geltend gemacht wird. Schließlich dienen die gesetzlichen Regelungen des Immaterialgüterrechts, ebenso wie die umgesetzte Richtlinie 2004/ 48/EG, nicht nur dem Schutz des Verwertungsrechts, sondern es geht um den Erhalt eines Wirtschaftsfaktors.162 Zudem sind Immaterialgüterrechte von vornherein auf wirtschaftliche Verwertung angelegt. Wegen ihrer Verletzlichkeit besteht daher ein erheblicher Präventionsbedarf.163 Eine Gewinnabschöpfung wird somit nicht nur bei vorsätzlichen, sondern auch bei fahrlässigen Rechtsverletzungen zugelassen. 160 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25; Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/7752, S. 55. 161 Erwägungsgründe 2, 3, 7, 9 Richtlinie 2004/48/EG. 162 Erwägungsgründe 2, 3, 7, 9 Richtlinie 2004/48/EG. 163 Dazu insbesondere Dreier, Kompensation, S. 417 ff.

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Diese Besonderheiten gelten für die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht im gleichen Maße. Sie sind für den Rechtsinhaber nicht notwendig, sondern nur nach seiner Entscheidung ein Wirtschaftsgut und haben keinen spezifischen Bezug zu wirtschaftlichen Innovationen. Das spricht dagegen, dem Rechtsinhaber wie im Immaterialgüterrecht die Gewinnabschöpfung auch bei fahrlässigen Rechtsverletzungen zu erlauben. Der Rechtsinhaber hat einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns bei bewussten Rechtsverletzungen nach §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 BGB. Es besteht keine Rechtfertigung, von den allgemeinen Regelungen des BGB abzuweichen und ihn darüber hinaus zu privilegieren.164 Die deliktische Haftung begründet keine striktere Haftung als bei Geschäftsanmaßung. Daher ist eine Übertragung der Gewinnabschöpfung nicht zu rechtfertigen und eine Berechnung des Schadens nach der üblichen Lizenzgebühr nicht geboten, zumal wenn ein verschuldensunabhängiger Anspruch aus Eingriffskondiktion besteht. Im Ergebnis ist daher eine Gesamtanalogie zu den Bestimmungen des Immaterialgüterrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes abzulehnen.165 Der Geschädigte hat neben dem Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn einen Anspruch auf die übliche Lizenzgebühr aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB und einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns gemäß §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 BGB.166 II. Anspruch aus Eingriffskondiktion 1. Anspruch auf die übliche Lizenzgebühr Infolge der unbefugten kommerziellen Nutzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts hat der Rechtsinhaber grundsätzlich einen Anspruch aus Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB).167 Der 164

Staudinger/Hager, BGB, § 823 Rn. C 290; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 227. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 92 ff.; F. Schubert, AfP 2007, 20, 23; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 1, 25; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 224 f. 166 Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 39 ff., 50 ff.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 87 ff.; v. Holleben, Geldersatz, S. 105 ff., 120 ff.; Sack, FS Hubmann, S. 373 ff.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 214 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 201; Taupitz, Karlsruher Forum 1996, S. 75; Weyers, Karlsruher Forum 1996, S. 87. Zumindest für eine Beschränkung der Gewinnherausgabe auf Fälle vorsätzlicher Rechtsverletzung, G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 225 f.; ders., VersR 2000, 1305, 1308; Staudinger/Hager, BGB, § 823 Rn. C 290; s. auch Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 693. 167 BGH 26.10.2006 Z 169, 340, 343 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 (Zerknitterte Zigarettenschachtel); Canaris, Karlsruher Forum 1996, S. 60 f.; Heldrich, FS Heinrichs, S. 319, 324; Schlechtriem, JZ 1995, 362, 364; Seitz, NJW 1996, 2848, 2849, 2850; Taupitz, Karlsruher Forum 1996, S. 75; Weyers, Karlsruher Forum 1996, S. 87; s. auch Beuthien, NJW 2003, 1220, 1221; Ehmann, AfP 2007, 81, 83; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 121 ff.; K. W. Lange, VersR 1999, 274, 280, 282; F. Schubert, AfP 2007, 20, 23. 165

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Bereicherungsschuldner erlangt durch sein Handeln die Nutzung eines Bildnisses, des Namens oder eines sonstigen Persönlichkeitsmerkmals.168 Als erlangtes Etwas i. S. von § 812 Abs. 1 BGB galten bei der Nutzung eines fremden Rechts anfangs nur die Aufwendungen, die der Bereicherungsschuldner erspart hat.169 Bereicherungsgegenstand war daher die ersparte Lizenzgebühr, die für die Einwilligung in die Nutzung zu entrichten gewesen wäre.170 Das beschränkte die Eingriffskondiktion auf die Fälle, in denen der Verletzte die Verwertung des vermögenswerten Bestandteils seines Persönlichkeitsrechts gegen Entgelt erlaubt hätte.171 Ansonsten ersparte der Bereicherungsschuldner keine Aufwendungen. Sofern vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unabhängig von der Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers sind, hat deren Nutzung Vermögenswert und ist somit, unabhängig von der Verwertungsbereitschaft des Inhabers, ein geldwerter Vorteil.172 Zudem hängt die Eingriffskondiktion nur davon ab, ob dem Bereicherungsschuldner ein vermögenswertes Etwas zugeflossen ist. Sie reagiert auf die Aneignung vermögenswerter Gegenstände entgegen dem Zuweisungsgehalt der Rechtsordnung, so dass es tatbestandlich nur darauf ankommt, in welchem Maße der Bereicherungsschuldner vermögenswerte Vorteile erlangt hat. Wie viel sich davon noch im Vermögen des Schuldners befindet und mit der Eingriffskondiktion herausverlangt werden kann, ist erst für den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB von Bedeutung. Daher ist es für die Beurteilung des erlangten Etwas unerheblich, wie der Bereicherungsschuldner gestanden hätte, wenn die Einwilligung in die Verwertung nachgefragt worden wäre. Die geldwerten Nutzungen müssen auf Kosten des Bereicherungsgläubigers erlangt sein. Nach der heute vorherrschenden Zuweisungstheorie, die in unterschiedlichen Nuancierungen vertreten wird und zum Teil die Überlegungen der Rechtswidrigkeitslehre einbezieht, kommt es darauf an, dass die rechtlich anerkannte Verwertungsmöglichkeit von der Rechtsordnung dem 168 BGH 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 14.10.1986 NJW-RR 1987, 231, 232 (Nena); 14.4.1992 NJW 1992, 2084, 2085 (Joachim Fuchsberger); 26.10.2006 Z 169, 340, 343 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 (Schau mal, Dieter); so wohl auch BGH 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3783 (Zerknitterte Zigarettenschachtel); s. auch Erman/ Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 9; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 255 f. 169 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 355 (Paul Dahlke); 26.6.1981 Z 81, 75, 82 (Carrera); HeimannTrosien, RGRK-BGB, § 812 Rn. 9 ff.; dazu Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 72. 170 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 355 (Paul Dahlke); 26.6.1981 Z 81, 75, 82 (Carrera). 171 OLG Hamburg 26.5.1994 NJW-RR 1994, 990, 991. 172 Allg. zum Vermögensvorteil geldwerter Nutzungen BGH 18.12.1986 Z 99, 244, 248 (Chanel No. 5); 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 14.10.1986 NJW-RR 1987, 231, 232 (Nena); 14.4.1992 NJW 1992, 2084, 2085 (Joachim Fuchsberger); v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 381; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 90; Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 9; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 100; Koppensteiner, NJW 1971, 1769, 1773 ff.; Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 254; Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 72.

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Bereicherungsgläubiger zugewiesen ist.173 Soweit ein vermögensrechtlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts betroffen ist, ordnet die Rechtsordnung dessen Nutzung dem Rechtsinhaber zu. Das war bereits vor der MarleneDietrich-Rechtsprechung für das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht anerkannt, soweit der Rechtsinhaber verwertungsbereit war.174 Nunmehr ist die Eingriffskondiktion davon unabhängig, ob der Rechtsinhaber den wirtschaftlichen Wert der Persönlichkeitsbestandteile hätte verwirklichen wollen.175 Die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und ihre Nutzung sind dem Rechtsinhaber nur dann nicht zugeordnet, wenn sie gemeinfrei sind und der Rechtsinhaber die Nutzung Dritter dulden muss.176 Solche Duldungspflichten sind vereinzelt gesetzlich geregelt (z. B. §§ 23 f. KUG). Daneben sind die grundrechtlichen Wertungen zu berücksichtigen, die dem Rechtsinhaber aufgeben, die Nutzung seiner Persönlichkeitsmerkmale durch Dritte hinzunehmen. Insoweit bedarf es einer Güter- und Interessenabwägung wie bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen des Deliktsrechts. Dabei ist differenzierend zu berücksichtigen, ob die Verwertung zu wirtschaftlichen Zwecken erfolgt oder der Ausübung der grundrechtlich geschützten Meinungs-, Presse- oder Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 1, 3 GG dient. Die Eingriffskondiktion des Rechtsinhabers ist zudem ausgeschlossen, wenn der Rechtsinhaber in die Nutzung eingewilligt hat, so dass ein Rechtsgrund im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB vorlag. Der Bereicherungsschuldner kann sich gegenüber dem Wertersatzanspruch nicht darauf berufen, dass der Bereicherungsgläubiger auf Nachfrage keine Li173 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 87; Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 66; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 77; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 171 f.; Lieb, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 245; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 258 ff,; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 448; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 215; Staudinger/Lorenz, BGB, § 812 Rn. 23; anders die Rechtswidrigkeitslehre, die das rechtswidrige Handeln des Bereicherungsschuldners genügen ließ, s. grundlegend F. Schulz, AcP 105 (1909), 1, 427 ff., 433; s. auch Jakobs, Eingriffserwerb, S. 104 ff.; Kleinheyer, JZ 1970, 471, 475; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 76. 174 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 353 (Paul Dahlke); 14.2.1958 Z 26, 349, 352 (Herrenreiter); 19.9.1961 Z 35, 363, 366 (Ginseng); 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 26.6.1981 Z 81, 75, 82 (Carrera); Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 363 f. 175 BGH 1.12.1999 Z 143, 214, 224 (Marlene Dietrich); 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers); Canaris, FS Deutsch, S. 85, 89; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54 f.; ders., GRUR 2004, 801, 803; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 256 f.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 123; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 234; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 463 f.; Schricker/ Götting, UrhR, § 60 UrhG/§§ 33–50 KUG Rn. 16 f.; Siemes, AfP 1997, 542; Ullmann, AfP 1999, 209, 212 f.; anders Gounalakis, AfP 1998, 10, 19; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 234; Steffen, NJW 1997, 10, 13 f. 176 Göbel, Geldentschädigung, S. 204 ff.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 221 f.

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zenz erteilt hätte und der Bereicherungsschuldner somit keine Aufwendungen erspart hat.177 Die Nutzung hat, unabhängig von der Verwertungsbereitschaft, Vermögenswert. Zudem kann sich der Bereicherungsschuldner nicht darauf berufen, er hätte das Persönlichkeitsmerkmal nicht in Anspruch genommen, wenn er eine Lizenzgebühr hätte zahlen müssen.178 Diesem Einwand steht § 242 BGB wegen des venire contra factum proprium entgegen, so dass die Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB zu versagen ist.179 Grundsätzlich kommt nach der Rechtsprechung ein Wegfall der Bereicherung beim Erlangen von Nutzungen nicht in Betracht.180 Für die gezogenen Nutzungen eines Persönlichkeitsbestandteils ist wegen der tatsächlichen Unmöglichkeit der Herausgabe Wertersatz zu leisten. Seine Höhe hängt davon ab, ob sich § 818 Abs. 2 BGB auf den objektiven Wert der Nutzung oder ihren subjektiven Wert für den Bereicherungsschuldner, auf den Verletzergewinn, bezieht. § 818 Abs. 2 BGB verpflichtet indes nicht dazu, das „durch die Verfügung Erlangte“ herauszugeben wie § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern zum Wertersatz für die eingetretene Bereicherung, die nicht herausgegeben werden kann.181 Zudem soll § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB nur den Verstoß gegen die Zuordnung des vermögenswerten Vorteils durch die Rechtsordnung korrigieren.182 Die herrschende Ansicht gewährt daher nur einen Anspruch auf den objektiven Wert des Erlangten.183 Somit ist der Wert der 177

St. Rspr., BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 355 (Paul Dahlke); 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 14.4.1992 NJW 1992, 2084, 2085 (Fuchsberger); Helle, Persönlichkeitsrechte, S. 218; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 366; Wenzel/Burghard, Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 14.16; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 228; Witzleb, Geldansprüche, S. 187; a. A. Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 164 f.; Sack, FS Hubmann, S. 373, 384 ff. 178 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 355 (Paul Dahlke); 26.6.1979 NJW 1979, 2205, 2206 (Fußballtorwart); 26.6.1981 Z 81, 75, 82 (Carrera); 14.4.1992 NJW 1992, 2084, 2085; Canaris, JZ 1992, 1114, 1120; Sack, FS Hubmann, S. 373, 384; offen lassend Hager, Jura 1995, 566, 570 f.; a. A. Reuter/Martinek, Bereicherung, S. 620; Sack, FS Hubmann, S. 373, 384 (differenzierend zwischen gut- und bösgläubigem Bereicherungsschuldner). 179 BGH 8.5.1956 Z 20. 345, 355 (Paul Dahlke); Canaris, JZ 1992, 1114, 1120. 180 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 355 (Paul Dahlke); 2.7.1971 Z 56, 317, 322 (Gasparone II); Mestmäcker, JZ 1958, 521, 524; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 228; a. A. (sofern der Gewinn geringer ist als die Lizenzgebühr) Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 264; Sack, FS Hubmann, S. 373, 384 (bei Gutgläubigkeit Analogie zu § 818 Abs. 2 BGB). 181 St. Rspr., BGH 24.11.1981 Z 82, 299, 307 (Kunststoffhohlprofil II); 18.12.1986 Z 99, 244, 248 (Chanel No. 5); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 276; Lieb, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2004, § 818 Rn. 32; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 26; Soergel/Mühl/Hadding, BGB, § 818 Rn. 45; Witzleb, Geldansprüche, S. 188 ff.; vermittelnd Funkel, Persönlichkeit, S. 177 f. 182 Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 449, 458. 183 BGH 24.11.1981 Z 82, 299, 307 f.; 18.12.1986 Z 99, 244, 248 (Chanel No. 5); Beuthien/ Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 45 ff.; v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 356 ff.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 91; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 276; Klein, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 169 ff.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 125 f.; Lieb, MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2004, § 818 Rn. 18 ff.; Sack, FS Hubmann, S. 373, 380 ff.; Schlechtriem,

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Nutzung maßgeblich, der anhand der üblichen Lizenzgebühr zu bemessen ist, die der Rechtsinhaber für die Einwilligung in den Eingriff verlangt hätte.184 Insoweit lässt sich wie bei der Ermittlung der Lizenzgebühr nach § 97 Abs. 2 UrhG vorgehen. 2. Verschärfte Bereicherungshaftung (§§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 285 BGB) Einen über den Wertersatz hinausgehenden Anspruch auf Gewinnherausgabe hat der Rechtsinhaber aus verschärfter Bereicherungshaftung (§§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB),185 wenn der Bereicherungsschuldner den Mangel des rechtlichen Grundes bei der Nutzung der Persönlichkeitsbestandteile kannte. Zudem muss § 285 BGB eingreifen.186 Das wird zum Teil verneint, weil die Herausgabe der Nutzungen stets unmöglich sei und der erlangte Gewinn somit nicht kausal auf den Umständen beruht, die zur Unmöglichkeit der Nutzungsherausgabe führten.187 § 285 Abs. 1 BGB erfasst aber – im Gegensatz zu § 281 BGB a. F. – auch den Fall, dass die Leistungspflicht von Anfang an unmöglich ist und der Bereicherungsschuldner durch den die Unmöglichkeit auslösenden Umstand zugleich ein Surrogat erlangt. Die Leistungspflicht besteht nach § 812 Abs. 1 BGB in der Herausgabe des Erlangten. Sie entsteht, wenn der Bereicherungsschuldner die Nutzungen zieht, und wird zugleich unmöglich, weil die Herausgabe aus tatsächlichen Gründen nicht erfolgen kann. Das Ziehen der Nutzungen führt uno actu zur Entstehung des Bereicherungsanspruchs, seiner Unmöglichkeit und der Gewinnerzielung des Bereicherungsschuldners. Ein Anspruch aus verschärfter Bereicherungshaftung ist daher gegeben, wenn der Bereicherungsschuldner den Mangel des rechtlichen Grunds kannte.188 Das entspricht dem Normzweck der Eingriffskondiktion FS 184 Hefermehl, S. 445, 458; s. auch Erlanger, Gewinnabschöpfung, S. 84 ff.; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 262 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 234; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 86. 184 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 353 (Paul Dahlke); 1.12.1999 NJW 2000, 2201, 2202 (Der blaue Engel); 26.10.2006 Z 169, 340, 344 (Rücktritt des Finanzministers); 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1528 (Schau mal, Dieter); 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3782 (Zerknitterte Zigarettenschachtel). S. auch BVerfG 5.3.2009 ZUM 2009, 479, 480, das in dem Anknüpfen an der üblichen Lizenzgebühr keinen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG sieht, auf die der Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad der Person Einfluss hat, ohne dass der wirtschaftliche Erfolg der Verwertung zu berücksichtigen ist. 185 BGH 11.10.1979 Z 75, 203, 205 ff.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 91 ff.; Erman/Buck-Heeb, BGB, § 818 Rn. 49; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 276; Staudinger/Lorenz, BGB, § 818 Rn. 50; a. A. Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 46. 186 Vor der Schuldrechtsreform war die analoge Anwendung des § 281 BGB a. F. streitig, dessen Anwendungsbereich sich auf die nachträgliche Unmöglichkeit beschränkte; dafür BGH 11.10.1979 Z 75, 203, 205 f.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 91 ff. 187 Erlanger, Gewinnabschöpfung, S. 87; Funkel, Persönlichkeit, S. 180; Göbel, Geldentschädigung, S. 220. 188 Canaris, FS Deutsch, S. 85, 91 ff.; anders Funkel, Persönlichkeit, S. 179; Göbel, Persönlichkeitsverletzungen, S. 220.

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wie dem des § 285 BGB, die eine unrichtige Verteilung von Vermögensgütern korrigieren sollen. Der Bereicherungsgläubiger kann den Gewinn aber nur beanspruchen, wenn und soweit er auf der Nutzung des Persönlichkeitsbestandteils beruht. Der Gewinn muss sich eindeutig der Persönlichkeitsverletzung zuordnen lassen. Bei der Werbung mit einer prominenten Person ist das gegebenenfalls möglich, wenn sie der zentrale Werbeträger ist und sich die Gewinnerzielung bzw. -steigerung primär auf die Werbewirksamkeit der Person zurückführen lässt. Der Gewinn aus einer Werbemaßnahme ist aber wegen der Vielzahl der auf den Umsatz einwirkenden Faktoren schwer zu ermitteln. Gravierende Schwierigkeiten bei der Gewinnermittlung bestehen zudem, wenn die Verwertung des Persönlichkeitsbestandteils mit anderen Handlungen zusammentrifft, die erst in ihrer Gesamtheit zur Gewinnerzielung führen. Das gilt insbesondere bei der Verwendung ungenehmigter Fotos oder erfundener Interviews in Zeitschriften, weil sie nicht allein zur Gewinnerzielung durch das Heft beitragen.189 In diesen Fällen lässt sich schwer ermitteln, welcher Gewinnanteil gerade auf der konkreten Geschäftsanmaßung beruht. Für die Bestimmung des Gewinnanteils werden verschiedene Berechnungsmodelle vorgeschlagen.190 Der Anspruch auf Gewinnherausgabe hat wegen dieser praktischen Hindernisse indes nur eine untergeordnete Bedeutung. III. Anspruch auf Gewinnherausgabe aus angemaßter Eigengeschäftsführung Unabhängig von den Ansprüchen aus deliktischer Haftung und Eingriffskondiktion hat der Rechtsinhaber einen Anspruch auf Gewinnherausgabe wegen angemaßter Eigengeschäftsführung (§§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 BGB), wenn der Geschäftsführer ein fremdes Geschäft als eigenes geführt hat und darum wusste. Die Nutzung eines Persönlichkeitsbestandteils ist ein fremdes Geschäft, wenn sie in den Rechts- und Interessenkreis des Rechtsinhabers eingreift.191 Dazu genügt es nicht, wenn das allgemeine oder besondere Persön189

Schlobach, Präventionsprinzip, S. 121; so auch zu §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 BGB Göbel, Geldentschädigung, S. 232 f.; Witzleb, Geldansprüche, S. 199 f. 190 Nach der Seitenzahl des Presseerzeugnisses oder der Minutenzahl der Sendung v. Holleben, Geldersatz, S. 127 f.; Prinz, NJW 1996, 953, 956 (bezogen auf den Schadensersatzanspruch); nach dem Werbepreis für den in Anspruch genommenen Raum in dem Heft Prinz, NJW 1996, 953, 956. 191 Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 51; v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 360; ders., FS v. Hippel, S. 27, 40; Dünnwald, ZUM 2000, 949, 951; v. Holleben, Geldersatz, S. 120 ff.; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, S. 90 f.; Klein, Persönlichkeitsverletzungen, S. 192 f.; Pietzko, AfP 1988, 209, 220; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 445, 458 f.; Taupitz, AcP 191 (1991), 201, 240; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 227; Witzleb, Geldansprüche, S. 192; krit. Westermann, ERPL 5 (1997), 239, 249.

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lichkeitsrecht als Abwehrrecht verletzt wird. Vielmehr ist erforderlich, dass die Rechtsordnung das vorgenommene Geschäft dem Geschäftsherrn zuordnet. Soweit vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts von der Geschäftsführung betroffen sind, besteht jedoch ein Verwertungsrecht des Rechtsinhabers, so dass ihm die Nutzungen zugewiesen sind, unabhängig davon, ob der Rechtsinhaber verwertungsbereit war.192 Somit ist die (kommerzielle) Nutzung für jeden Dritten ein fremdes Geschäft, solange der Rechtsinhaber nicht eingewilligt hat oder die Nutzung des Persönlichkeitsbestandteils gemeinfrei war. Demgegenüber ist der Schutz der ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts auf ein Abwehrrecht beschränkt, so dass seine Verletzung keinen Anspruch aus den §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 BGB nach sich zieht. Der Geschäftsführer muss zudem gewusst haben, dass es sich nicht um sein eigenes, sondern um ein fremdes Geschäft handelte. Im Gegensatz zur Haftung im Immaterialgüterrecht und gewerblichen Rechtsschutz bedarf es der positiven Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts. Fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Die Hauptschwierigkeit bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Gewinnherausgabe ist, ebenso wie bei der verschärften Bereicherungshaftung, die Ermittlung des konkreten Verletzergewinns.193 Zudem muss sich der Geschäftsherr die Aufwendungen des Geschäftsführers entgegenhalten lassen.194 Der BGH erlaubt inzwischen nur noch die Berücksichtigung der variablen Kosten, die der konkreten Gewinnerzielung dienten und ansonsten nicht angefallen wären.195 Der Gläubiger muss sich die anteiligen Gemeinkosten, die unabhängig von der Geschäftsführung anfallen, nicht entgegenhalten lassen.196

192 Beuthien, NJW 2003, 1220, 1221; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 50 ff.; v. Caemmerer, FS v. Hippel, S. 27, 39 f.; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 87 ff.; Göbel, Geldentschädigung, S. 226; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 54 ff., 134 ff.; ders., GRUR 2004, 801, 803; Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 459 ff.; Klein, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, S. 191 ff.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 129 f.; Schlechtriem, FS Hefermehl, S. 449, 458 f.; Seitz, NJW 1996, 2848, 2849; Siemes, AfP 1997, 542, 543; Vollkommer, FS Leisner, S. 599, 605, 607 f.; s. auch § 17.B.II., S. 744 ff. 193 Götting, GRUR 2004, 801, 803; Klein, Persönlichkeitsverletzungen, S. 197; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 132; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 229; Vollkommer, FS Leisner, S. 599, 610; s. auch Göbel, Persönlichkeitsverletzungen, S. 232 ff.; Witzleb, Geldansprüche, S. 199 f. 194 Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 131; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 229. 195 Zum Geschmacksmusterrecht BGH 2.11.2000 GRUR 2001, 329, 330 ff. (Gemeinkostenanteil); anders noch z. B. BGH 29.5.1962 NJW 1962, 1507, 1508 (Dia-Rähmchen); s. auch Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, S. 59; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 131; Lehmann, BB 1988, 1680, 1681 f. 196 Siehe Fn. 195.

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E. Kein Aufrechterhalten der selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs wegen immaterieller Schäden Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und die Gewährung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Wertersatz oder Gewinnherausgabe geben dem Rechtsinhaber die Möglichkeit, im Falle der Rechtsverletzung zumindest einen Teil des Verletzergewinns abzuschöpfen. Infolgedessen wird die Rechtsverletzung weniger attraktiv, so dass sich der Rechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbessert. Daher ist zu erwägen, ob der Anspruch auf Entschädigung ideeller Einbußen weiterhin einer selbständigen Präventionsfunktion bedarf, wie sie der 6. Zivilsenat des BGH in der Caroline-Rechtsprechung entwickelt hat.197 Die Präventionsfunktion wird dem Entschädigungsanspruch nicht bei jeder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugesprochen, sondern nur bei rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung mit Gewinnerzielungsabsicht.198 Sie erlaubt es, die Entschädigung über den erlittenen Schaden hinaus anzuheben, um einen echten Hemmungseffekt zu erzielen. Bisher hat der BGH sie nur auf Persönlichkeitsverletzungen gegenüber Prominenten angewandt und die Entschädigungsbeträge maßvoll erhöht.199 Der Verletzergewinn findet Berücksichtigung, ohne dass es auf eine vollständige Gewinnabschöpfung ankommt.200 Gerade bei den der Öffentlichkeit bekannten Personen sind vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrechts inzwischen unabhängig von der Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers anerkannt. Sie erfassen die materialisierten wie die nicht materialisierten Persönlichkeitsbestandteile und greifen sogar ein, wenn mit erfundenen Interviews und Meldungen das Image und die Berühmtheit des Rechtsinhabers zur Gewinnerzielung genutzt werden.201 Nur das Persönlichkeitsrecht der sog. Normalbürger enthält keine vermögensrechtlichen Bestandteile, weil der Markt ihm keinen Vermögenswert zumisst und sie die Persönlichkeitsbestandteile nicht auf dem Markt hätten 197 Gegen eine selbständige Präventionsfunktion Göbel, Geldentschädigung, S. 180 ff.; Gregoritza, Kommerzialisierung, S. 220; Helle, JZ 2007, 444, 445; Koos, WRP 2002, 202, 202 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 230; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 249; Taupitz, in: Taupitz/ Müller, Rufausbeutung, S. 1, 29 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 213; ders., WRP 2000, 1049, 1052 f.; s. auch G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 224 f.; Wachs, Entschädigungszahlungen, S. 362 ff., 373 f.; Witzleb, Geldansprüche, S. 161 ff.; für deren Aufrechterhaltung Alexander, AfP 2008, 556, 564 f.; Dreier, Kompensation, S. 348 ff.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 154 f.; s. auch Ady, Ersatzansprüche, S. 120 ff., der die Gewinnabschöpfung als Funktion des Entschädigungsanspruchs befürwortet; vgl. Helle, AfP 2009, 14, 16. 198 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 986 (Caroline III). 199 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II). 200 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II). 201 Siehe oben § 17.C.IV., S. 754 ff.

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verwerten können.202 Bei Persönlichkeitsverletzungen zulasten sog. Normalbürger hat der BGH bisher keine erhöhte Entschädigung gewährt. Allerdings haben die Instanzgerichte vereinzelt eine überkompensatorische Entschädigung zugesprochen, wenn die Persönlichkeitsbestandteile unbekannter Personen von den Medien zur Gewinnerzielung verwertet wurden.203 Somit erfassen die Ansprüche wegen der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht alle, aber die meisten Fällen, in denen die selbständige Präventionsfunktion bisher zur Anwendung kam. Zudem besteht keine Einigkeit, ob auch unbekannten Personen ein Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion zu gewähren ist. Darauf ist im Zusammenhang mit der Rechtfertigung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes oder der Anerkennung von Privatstrafen näher einzugehen. Ansprüche wegen der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts machen die selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs für immaterielle Schäden wegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung obsolet, wenn ihre Rechtsfolgen nicht hinter dem erhöhten Entschädigungsanspruch zurückbleiben. Nominell hat der Rechtsinhaber alternativ zum Schadensersatz auf entgangenen Gewinn einen Anspruch auf die übliche Nutzungsgebühr aus Eingriffskondiktion oder auf Herausgabe des Verletzergewinns aus angemaßter Eigengeschäftsführung bzw. verschärfter Bereicherungshaftung, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. In der Praxis steht der Anspruch auf Wertersatz in Höhe der üblichen Nutzungsgebühr wegen der Schwierigkeiten, den entgangenen Gewinn des Rechtsinhabers oder den Verletzergewinn darzulegen und zu beweisen, im Vordergrund. Daher beziehen sich die folgenden Überlegungen darauf, ob der Anspruch auf das übliche Nutzungsentgelt genügt, um die selbständige Präventionsfunktion überflüssig zu machen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Ableitung des Entschädigungsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsverletzung und die Anerkennung der selbständigen Präventionsfunktion auf den verfassungsrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stützen und das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verwirklichen.204 Für die Aufrechterhaltung der selbständigen Präventionsfunktion ist daher nicht nur wesentlich, ob die Rechtsfolgen bei der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts mit der erhöhten Entschädigung vergleichbar sind. Wesentlich ist vor allem, ob dem Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG durch die Ansprüche wegen der Verletzung der vermögensrechtlichen und der ideellen Bestand202

Siehe oben § 17.C.V., S. 759 ff. OLG Frankfurt 28.2.1986 NJW-RR 1986, 1118 f. (Wandergruppe); OLG Hamm 4.2.2004 NJW-RR 2004, 919 (tv-total); zur differenzierten Behandlung von der Öffentlichkeit bekannten Personen und sog. Normalbürgern AG Hamburg 4.9.1990 GRUR 1991, 910 (Normalbürger); 13.9.1994 AfP 1995, 528. 204 Siehe oben § 2.A.VI.1.a., S. 82 ff. 203

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teile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Genüge getan ist, auch wenn keine überkompensatorische Entschädigung gewährt wird. Es muss ein ausreichender Rechtsschutz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht bestehen. Das Schutzgebot der Grundrechte verlangt indes keinen optimalen Schutz, sondern es muss ein angemessenes Maß an Schutz gewährleistet sein. Dem ist nicht genügt, sofern trotz der zivilrechtlichen Ansprüche – ohne überkompensatorischen Entschädigungsanspruch – eine hohe Wahrscheinlichkeit für wiederholte Grundrechtsverletzungen von erheblichem Gewicht besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Persönlichkeitsverletzungen weiter lukrativ sind und sich die Rechtsverletzung somit lohnt. Bereits die Caroline-Rechtsprechung des BGH verweist darauf, dass von der Entschädigung angesichts des erzielten Verletzergewinns ein echter Hemmungseffekt ausgehen müsse.205 Auch die Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts fordern bei lukrativen Delikten die Abschöpfung des Verletzergewinns, um für die Zukunft von weiteren Rechtsverletzungen abzuschrecken.206 Der Anspruch auf die übliche Lizenzgebühr aus Eingriffskondiktion schöpft einen Teil des Verletzergewinns unabhängig vom Verschulden ab, aber nicht notwendig den gesamten Betrag. Somit bleibt er hinter der von der ökonomischen Analyse empfohlenen Gewinnabschöpfung zurück. Zumindest wird den Delikten aber ein Teil ihrer Lukrativität genommen. Zudem bewirkt selbst der überkompensatorische Entschädigungsanspruch für Nichtvermögensschäden keine vollständige Gewinnabschöpfung.207 Der Verletzergewinn findet bei der Bemessung der Entschädigung lediglich Berücksichtigung und muss weder exakt kalkuliert noch vollständig abgeschöpft werden.208 Die Entschädigungsbeträge lagen bisher trotz aller Kritik an der Anhebung des Schadensersatzes häufig unterhalb der üblichen Vergütung für die Nutzungserlaubnis.209 Somit bleibt der Anspruch auf das übliche Nutzungsentgelt nicht hinter den überkompensatorischen Entschädigungsansprüchen zurück.210 Zudem ist die Ermittlung des Verletzergewinns schwer möglich, so dass seine vollständige Abschöpfung selten praktikabel ist. Wollte man den Rechtsgüterschutz an eine Abschöpfung des tatsächlichen Verletzergewinns knüpfen, wäre der Anspruch wegen der Berechnungs- und Beweisschwierigkeiten kaum durchsetzbar. Die Erhöhung des Entschädigungsanspruchs bzw. 205

BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I). Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 681 ff.; K. W. Lange, VersR 1999, 274, 278; G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 82 ff., 87 ff.; s. auch Dreier, Kompensation, S. 540 ff. 207 Daher für die Aufrechterhaltung der Präventionsfunktion Klüber, Persönlichkeitsschutz, S. 154 f. 208 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 16 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II). 209 Beispielhafte Aufzählung von erzielten Lizenzgebühren mit der Forderung der Anhebung des Schadensersatzes Körner, NJW 2000, 241, 244; Prinz, NJW 1996, 953, 956. 210 Anders G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 95 wegen der unterschiedlichen Berechnung, verweist er aber auf die Gewinnabschöpfung im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag. 206

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des Anspruchs auf das übliche Nutzungsentgelt ist daher eine effektive Möglichkeit, um den Rechtsgüterschutz zu verwirklichen. Der Anspruch auf das übliche Nutzungsentgelt ist eine gleichwertige Alternative, um das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu verwirklichen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion wegen der unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen weiter reicht als der Entschädigungsanspruch für immaterielle Schäden wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen. Es genügt die Bereicherung des Schuldners um die Nutzungen der vermögensrechtlichen Bestandteile. Es bedarf weder eines Verschuldens noch eines vorsätzlichen Verhaltens. Zudem ist der Anspruch nicht subsidiär. Daher bedarf es einer selbständigen Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs im Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion nicht mehr, um einen ausreichenden Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i. S. des grundrechtlichen Schutzgebots zu gewährleisten. Die Aufgabe der selbständigen Präventionsfunktion hat zur Folge, dass der Entschädigungsanspruch für ideelle Einbußen infolge von Persönlichkeitsverletzungen auf die Schadenswiedergutmachung zurückgeführt wird. Rechtsprechung und Literatur messen dem Anspruch zwar vor allem eine Genugtuungsfunktion zu.211 Das beruht aber weniger auf einer Distanzierung gegenüber der Ausgleichsfunktion, sondern auf der Art des verletzten Rechtsguts sowie der Beschreibung und Begründung der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes.212 Daher ist die Funktion des Entschädigungsanspruchs einheitlich als Wiedergutmachung des erlittenen Schadens anzusehen, so dass keine Unterschiede mehr zwischen den Entschädigungsansprüchen, deren Haftungsfolge sich nach § 253 Abs. 2 BGB bzw. den Gesetzen der Gefährdungshaftung bemisst, und dem Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen oder besonderen Persönlichkeitsrechts bestehen. Darüber hinaus führt die Aufgabe der selbständigen Präventionsfunktion zu einem stimmigeren Verhältnis der Entschädigung immaterieller Einbußen infolge von Körperverletzungen, Vergewaltigungen und Persönlichkeitsverletzungen sowie Diskriminierungen.213 Die unterschiedliche Bemessung der Entschädigung basiert vor allem auf dem unterschiedlichen Umfang der erlittenen Einbuße. Die ungleiche Entschädigung der immateriellen Schäden ließe sich zwar durch die selbständige Präventionsfunktion sachlich rechtfertigen. Daran kann indes nicht festgehalten werden, wenn vermögensrechtliche Ansprüche zugunsten des Rechtsinhabers einen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleisten, der dem der selbständigen Präventionsfunktion nach der bisherigen Rechtspre211 212 213

Siehe oben § 3.D.V., S. 189 ff. Dazu § 3.D.V., S. 189 ff., § 12.C.II., S. 601 ff. Vgl. oben § 3.D.I., S. 180 f.

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chung entspricht. Der sachliche Grund ist somit entfallen.214 Zudem erscheint die Gewährung eines Anspruchs aus Eingriffskondiktion angesichts des betroffenen Rechtsguts stimmiger. Diese Schlussfolgerung hat nicht nur Einfluss auf die Funktion des Entschädigungsanspruchs, sondern auch auf seine rechtliche Qualifikation. Der Entschädigungsanspruch weist in seiner Ausgestaltung keine Besonderheiten auf, die ihn vom allgemeinen Schadensersatzanspruch unterscheiden. Seine Eigenart beruht allein darauf, dass sich seine Ableitung auf das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG stützt. Eine Qualifikation des Anspruchs als sui generis ergibt sich daraus nicht zwingend. Die Umsetzung der Schutzpflicht erfolgt durch einen Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ist somit privatrechtlicher Natur. Die Sonderstellung, die die Rechtsprechung dem Entschädigungsanspruch zuwies, war letztlich eine Reaktion auf § 253 Abs. 1 BGB, der die Entschädigung der Nichtvermögensschäden ausschließt, sofern das Gesetz keine Ausnahme bestimmt.

F. Nebeneinander von vermögensrechtlichen Ansprüchen und Entschädigungsansprüchen wegen immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsverletzungen I. Zum Verhältnis der Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Ansprüche wegen der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Entschädigungsanspruch wegen der Verletzung der ideellen Persönlichkeitsrechte stehen hinsichtlich ihrer Anspruchsgrundlagen nicht in einem Verhältnis der Alternativität, so dass sie einander nicht wechselseitig ausschließen. Die bisherigen Entscheidungen des 1. Zivilsenats des BGH seit der Marlene-Dietrich-Entscheidung haben sich zwar auf Ansprüche wegen der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beschränkt, sie lassen aber erkennen, dass daneben ein Anspruch auf Ersatz der immateriellen Schäden möglich ist, ohne dass dazu ausgeführt werden musste.215 Die Literatur befürwortet überwiegend eine Kumulation der Entschädigung materieller und immaterieller Einbußen. Nur selten wird näher ausgelotet, in welchen Fällen neben dem Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens, Wertersatz oder Herausgabe des Verletzergewinns im Zusammenhang mit der unberechtigten Verwertung des 214 Anders unter Verweis auf die unterschiedliche Ableitung und die unterschiedliche Funktion der Entschädigungsansprüche BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187, 2187 f. 215 Z. B. BGH 5.6.2008 NJW 2008, 3782, 3784 (Entschädigung für immaterielle Einbußen durch Vorinstanz abgelehnt und nicht mit der Revision angegriffen); BGH 5.6.2008 WRP 2008, 1527, 1529 f. (mangels rechtswidriger Rechtsgutsverletzung); s. auch LG Hamburg 15.10.1993 AfP 1995, 526, 527; OLG München 9.3.1995 NJW-RR 1996, 539, 541.

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vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts eine Entschädigung für immaterielle Einbußen verlangt werden kann.216 Für ein Nebeneinander der Ansprüche wegen der Verletzung der vermögensrechtlichen und ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sprechen insbesondere deren unterschiedliche Schutzbereiche. Daneben ist auf die Parallele zum Immaterialgüterrecht zu verweisen.217 Eine Entschädigung wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Schöpfers oder Erfinders ist zwar nicht bei allen Immaterialgüterrechten gleichermaßen von Bedeutung. Je mehr jedoch der Schutz des betroffenen Rechts wegen der gewinnbringenden Verwertung erfolgt, desto weniger ist die Person des Schöpfers bzw. Erfinders neben dem Immaterialgüterrecht von Bedeutung. Je enger hingegen der Bezug zur Persönlichkeitsverwirklichung ist, um so eher kann die Rechtsverletzung auch ideelle Schäden verursachen, die der Wiedergutmachung bedürfen.218 Daher wird zumindest im Urheberrecht bei einer schweren Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts eine Entschädigung für immaterielle Einbußen gewährt.219 Angesichts des Zusammenhangs zwischen der Ablösung des Verwertungsrechts von der Person des Rechtsinhabers und der Versagung der Entschädigung ideeller Einbußen spricht der Vergleich mit dem Urheberrecht dafür, dass bei der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zusätzliche Entschädigungsansprüche entstehen können. Die vermögensrechtlichen Bestandteile sind die Persönlichkeitsmerkmale selbst, so dass eine enge Verknüpfung mit der Person besteht. Zudem werden sie weniger wegen der Leistung des Rechtsinhabers gewährt, sondern wegen des Bezugs zur Selbstverwirklichung. Das ideelle Persönlichkeitsrecht ist daher noch eher tangiert als bei einem Urheber, sofern für ihn vor allem die Verwertung des Werks im Vordergrund steht. Insofern werden zu Recht nur bei schweren Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts immaterielle Schäden kompensiert. Die Nutzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts kann daher Nichtvermögensschäden 216 Für ein Nebeneinander der Ansprüche Alexander, AfP 2008, 556, 564 f.; Beuthien/ Hieke, AfP 2001, 353, 361; Canaris, FS Deutsch, S. 85, 98 f.; Dünnwald, ZUM 2000, 949, 951; Fornasier/Frey, AfP 2009, 110, 114 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 68, 282; ders., GRUR Int. 1995, 656, 657 f.; Helle, Persönlichkeitsrechte, S. 219; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, S. 66, 98 f.; Magold, Personenmerchandising, S. 445 ff.; Neumeyer, AfP 2009, 465, 469; Schernitzky, Immaterielle Schäden, S. 100 f.; Seemann, Prominenz, S. 173; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 230; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, S. 1, 41 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 213; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 221; Wandtke, GRUR 2000, 942, 950; Witzleb, Geldansprüche, S. 119, 126; Wortmann, Vererblichkeit, S. 262; so wohl auch Bötticher, AcP 158 (1959/60), 385, 403; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 228 f.; a. A. Krüger, GRUR 1980, 628, 629; Pietzko, AfP 1988, 209, 222; Pfeifer, ZVglRWiss 96 (1997), 74, 87; Sack, WRP 1984, 521, 528; s. auch Ehmann, AfP 2005, 237, 244 (Verdrängung des Entschädigungsanspruchs für Nichtvermögensschäden). 217 Verweisend auf § 97 UrhG Götting, Persönlichkeitsrechte, S. 68 Fn. 257; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, S. 98 f.; G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 223; Wortmann, Vererblichkeit, S. 262 f. 218 Siehe oben § 2.A.V., S. 77 ff. 219 Siehe oben § 2.A.V.1., S. 77 ff.

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verursachen oder mit Verletzungen des ideellen Persönlichkeitsrechts einhergehen, aus der ideelle Schäden resultieren. Auch bei Diskriminierungen gewährt das AGG neben dem Schadensersatzanspruch nach den §§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG zusätzliche Entschädigungsansprüche für den Ausgleich ideeller Schäden, die infolge der unzulässigen Benachteiligung eingetreten sind. Beide Ansprüche sind unabhängig voneinander. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Entschädigung immaterieller Einbußen infolge von Diskriminierungen nach § 15 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 S. 3 AGG wesentlich geringer als bei der Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, da die Haftung verschuldensunabhängig ist und keine schwere Persönlichkeitsverletzung voraussetzt.220 Die unterschiedliche Behandlung des Geschädigten bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und unzulässigen Benachteiligungen beruht aber auf dem Haftungstatbestand, nicht auf dem Verhältnis zwischen dem Schadensersatz- und dem Entschädigungsanspruch. Letztlich kommt es darauf an, ob und in welchen Fallgruppen die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs wegen immaterieller Einbußen vorliegen, obwohl der Rechtsinhaber zugleich einen Anspruch aus Eingriffskondiktion oder deliktischer Haftung bzw. Geschäftsführung ohne Auftrag hat. Es bedarf einer schweren Persönlichkeitsverletzung, wobei zwischen den Verletzungen vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, die Nichtvermögensschäden auslösen, und der Verletzung ideeller Bestandteile des Persönlichkeitsrechts zu differenzieren ist. Zudem ist der Anspruch subsidiär gegenüber anderen Rechtsbehelfen des Geschädigten, die gegenüber der Rechtsverletzung Abhilfe schaffen. II. Ersatz immaterieller Schäden infolge einer schweren Persönlichkeitsverletzung 1. Immaterielle Schäden bei der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Bei der unerlaubten Nutzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts können sich Nichtvermögensschäden aus der Rechtsverletzung und aus der gleichzeitigen Verletzung ideeller Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ergeben. Die Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile führt grundsätzlich zu einem Anspruch aus Eingriffskondiktion. Ein Vermögensschaden in Form des entgangenen Gewinns tritt nur ein, wenn der Geschädigte verwertungsbereit war.221 Ob unabhängig davon ein immaterieller

220 221

Siehe oben § 2.A.VI.1.a., C.VII.2.b, c., S. 82 ff., 135 ff., 141 f. Siehe oben § 17.D.I.1., S. 765 ff.

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Schaden entsteht, hängt davon ab, ob der Rechtsinhaber eine Einbuße an einem rechtlich geschützten Interesse erleidet, das keinen Vermögenswert hat. Die Nutzung der vermögensrechtlichen Bestandteile besteht zunächst in den Gebrauchsvorteilen. Das begründet den Anspruch aus Eingriffskondiktion, der aber nur an die Bereicherung des Bereicherungsschuldners anknüpft. Dieser Anspruch bezieht nicht ein, dass der Bereicherungsschuldner zugleich die autonome Entscheidung des Rechtsinhabers hinsichtlich der konkreten Nutzung missachtet. Das Disponierenkönnen über die Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen ist aber zentrale Folge des Herrschaftsrechts an den vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts und dient gerade in diesem Fall als Komplementär des Abwehrrechts, indem die Entscheidung über die wirtschaftliche Verwertung eigens geschützt ist. Wegen der engen Verbindung des Nutzungsrechts mit den ideellen Interessen der Person kann die Missachtung der Entscheidungsbefugnis des Rechtsinhabers zugleich einen ideellen Schaden verursachen. Die Entscheidung über die Verwertung der Persönlichkeitsbestandteile betrifft zugleich die Privat- und Intimsphäre und deren Abschirmung gegenüber Dritten. Sofern der Rechtsinhaber verwertungsbereit war, erleidet er einen Vermögensschaden. Die Missachtung seiner autonomen Entscheidungsbefugnisse beeinträchtigt zugleich seine wirtschaftliche Selbstbestimmung. Wie bei der Beschädigung oder Zerstörung einer Sache handelt es sich dabei eher um ein beeinträchtigtes Affektionsinteresse, das neben dem erlittenen Vermögensschaden keine selbständige Bedeutung hat. Sofern beispielsweise ein Prominenter einen Exklusivvertrag über die Veröffentlichung seiner Hochzeitsfotos und einer dazugehörigen Begleitstory geschlossen hat, sind die ideellen Interessen nur in geringem Umfang beeinträchtigt, wenn ein Dritter die Hochzeitsfotos ebenfalls veröffentlicht. Die kommerziellen Interessen stehen in solchen Fällen im Vordergrund, so dass die Missachtung der Entscheidungsbefugnisse eine untergeordnete Rolle spielt und der daraus resultierende immaterielle Schaden unerheblich ist. Das Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gebietet seine Entschädigung daher nicht. Etwas anderes muss gelten, wenn der Rechtsinhaber nicht zur Verwertung oder zu dieser Art der Verwertung bereit war. Damit hat er nicht nur sein Herrschaftsrecht ausgeübt, sondern sich zugleich für das Aufrechterhalten seiner Intim- und Privatsphäre entschieden. Die Nutzung der vermögensrechtlichen Bestandteile beeinträchtigt somit zugleich die Privatsphäre und eventuell sogar die Intimsphäre des Rechtsinhabers, so dass seine ideellen Interessen betroffen sind. Das könnte zur Folge haben, dass das Persönlichkeitsrecht keine vermögensrechtlichen Bestandteile hat, oder dass ausschließlich ein ideeller Bestandteil des Persönlichkeitsrechts verletzt ist. Die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile ist nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis von der Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers unabhängig. Die Zuordnung der vermögenswerten Nutzungen erfolgt zum Schutz ideeller

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und kommerzieller Interessen gleichermaßen, da der Schutz des Persönlichkeitsrechts unvollständig bliebe, wenn die Vermögensvorteile der Rechtsverletzung nicht dem Rechtsinhaber zugeordnet wären und somit nicht herausverlangt werden könnten. In der Entscheidung des Rechtsinhabers über das Ob der Verwertung treffen somit – insbesondere wenn sie gegen die Verwertung ausfällt – ideelle und materielle Interessen des Rechtsinhabers zusammen. Das hat Konsequenzen für den Schutz der Privatsphäre als ein eigenständiger ideeller Bestandteil des Persönlichkeitsrechts neben den vermögensrechtlichen Bestandteilen. Der Schutz der Privatsphäre lässt sich an sich als eigener ideeller Bestandteil des Persönlichkeitsrechts denken. Die Privatsphäre wird nicht nur durch die kommerzielle Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen beeinträchtigt, sondern auch bei der rechtswidrigen Verschaffung von Informationen oder Bildern. Dazu gehören das Belauschen von Gesprächen mit und ohne technische Hilfsmittel, das Ausspähen von Privaträumen durch versteckte Kameras, die Kontrolle der Bewegung der Person durch Beschatten oder mit technischen Hilfsmitteln wie präparierten Fußmatten. Somit ist ein Schutz der Privatsphäre als ideeller Bestandteil grundsätzlich selbständiger Bestandteil des Persönlichkeitsrechts. Sofern die Nutzung vermögenswerter Bestandteile beim nicht verwertungsbereiten Rechtsinhaber zugleich dessen Privatsphäre beeinträchtigt, treffen ideelle und kommerzielle Komponenten des Persönlichkeitsrechts zusammen und sind durch den Eingriff gleichzeitig betroffen. Etwas anderes gälte nur, wenn sich zwei inhaltlich verschiedene Herrschaftsrechte beschreiben ließen. Das Herrschaftsrecht an vermögensrechtlichen Bestandteilen umfasst die Rechtsmacht des Inhabers, über die Nutzung dieser Persönlichkeitsbestandteile zu entscheiden. Das betrifft die Entscheidung über das Ob als auch das Wie der Nutzung. Indem der Rechtsinhaber die Nutzung ablehnt, versagt er sich die Versilberung der geldwerten Nutzung und votiert für die Aufrechterhaltung der Privatsphäre. Daher betrifft die Entscheidung über das Ob die vermögensbezogenen und ideellen Interessen des Rechtsinhabers zugleich und hat somit doppelte Relevanz. Der Schutzbereich des ideellen Teils des Persönlichkeitsrechts, hier der Privatsphäre, und des vermögensrechtlichen Bestandteils haben somit eine gemeinsame Schnittmenge. Das hat nicht zur Folge, dass das Nutzungsrecht bei mangelnder Verwertungsbereitschaft kein Vermögensrecht ist. Vielmehr zeigt sich an der doppelten Relevanz der Entscheidung über die Verwertung des vermögensrechtlichen Bestandteils, dass dessen Anerkennung notwendig ist, um das volle Ausmaß der Folgen dieser Entscheidung zu erfassen. Allein die Berücksichtigung der Privatsphäre sagte noch nichts darüber, dass zugleich über einen wirtschaftlichen Wert bestimmt wurde. Die Verletzung des Nutzungsrechts verursacht einen materiellen Schaden nur, wenn der Rechtsinhaber zur Verwertung bereit war. Das ist die Konsequenz der Annahme, dass ein Vermögensschaden nur vorliegt, wenn dem Rechtsinhaber ein Gewinn ent-

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gangen ist. Bei einem nicht verwertungsbereiten Rechtsinhaber tritt hingegen kein Vermögensschaden ein.222 Das gleichzeitige Eindringen in die Privatsphäre begründet bei ihm einen immateriellen Schaden. Ein Entschädigungsanspruch besteht aber nur bei schweren Persönlichkeitsverletzungen. Dafür ist insbesondere maßgeblich, welcher Art die veröffentlichten Informationen und Bilder waren. Zudem haben die Art und der Umfang der Nutzung Einfluss. Die Verletzung ist umso intensiver, je größer das Geheimhaltungsinteresse der Person ist. Somit ist zwischen der Sozial-, Privat- und Intimsphäre zu unterscheiden. Zudem haben der Verbreitungsgrad der Informationen oder Bilder und die Dauerhaftigkeit der Verbreitung Einfluss auf die Intensität der Rechtsverletzung.223 Insbesondere bei Veröffentlichungen im Internet ist die Privatsphäre gravierender beeinträchtigt als bei anderen Medien. Auch die Empfindlichkeit des Geschädigten ist von Belang. Insbesondere bei Kindern wiegt die Persönlichkeitsverletzung schwerer, weil sie ihre persönliche Entwicklung erheblich beeinflussen kann.224 Ideelle Schäden können auch entstehen, wenn der Rechtsinhaber zur Veröffentlichung einzelner Informationen und Bilder bereit ist, die Preisgabe seiner Privatsphäre aber zum Selbstschutz stark beschränkt und die Publikation auf bestimmte Veranstaltungen oder bestimmte Arten von Informationen limitiert. In solchen Fällen kann sich der Konflikt zwischen berechtigtem Informationsbedürfnis Dritter, dem Voyeurismus des Einzelnen und dem Schutz der Privatsphäre des Rechtsinhabers besonders intensiv darstellen. Dogmatisch ist das bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nutzung zu verankern. Es tangiert nicht die Frage, ob immaterielle Schäden Folge der Rechtsverletzung sind. Die Art des Schadens hängt vom beeinträchtigten Interesse ab. Ein Vermögensschaden in Form von entgangenem Gewinn besteht nur, wenn der Rechtsinhaber zu der Art der Nutzung bereit war, die der Rechtsverletzer gezogen hat. Betrifft die Nutzung Informationen oder Bilder, die der Rechtsinhaber generell nicht veröffentlichen will, oder ist die Art bzw. der Umfang der Verwertung jenseits dessen, wozu der Rechtsinhaber bereit war, so erleidet er keinen Vermögensschaden. Betroffen sind daher nur seine ideellen Interessen, so dass ein immaterieller Schaden vorliegt. Ob es eines eigenständigen Schadensausgleichs bedarf, hängt davon ab, ob eine schwere Persönlichkeitsverletzung vorliegt und der Entschädigungsanspruch nicht subsidiär ist. Unabhängig davon bestehen die Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsführung ohne Auftrag.

222 223 224

Siehe oben § 17.D.I.1., S. 765 ff. Siehe oben § 4.D.I., S. 260 ff. Siehe oben § 2.A.VI.1.b., S. 88 f. sowie BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 305 (Caroline IV).

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2. Immaterielle Schäden infolge der Verletzung ideeller Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Zusammenhang mit der unerlaubten Nutzung von Persönlichkeitsbestandteilen Im Zusammenhang mit der Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann es zur Verletzung eines ideellen Bestandteils kommen, die einen Nichtvermögensschaden verursacht. Das Herrschaftsrecht an den vermögensrechtlichen Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst die Rechtsmacht, über deren (kommerzielle) Nutzung zu entscheiden. Sonstige ideelle Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, die nicht mit der Entscheidung über die Nutzung von persönlichen Informationen, Bildern bzw. des Namens oder der Stimme zusammenfallen, sind nur betroffen, wenn der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jenseits der Verwertung der Persönlichkeitsbestandteile beeinträchtigt ist. Eine eigenständige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist anzunehmen, wenn sein Schutzbereich bei der Erlangung der später verwerteten Bilder, Informationen oder Dokumente beeinträchtigt wird. Verletzungen der Privatsphäre kommen vor allem in Betracht, wenn zum Beispiel der Handelnde in den geschützten räumlichen Bereich eindringt oder den Geschützten anderweitig ausspäht.225 Sofern die Rechtsverletzung nach Art oder Intensität schwer wiegt, vor allem bei vorsätzlichem Handeln, tritt eine schwere Persönlichkeitsverletzung ein, so dass die ideellen Schäden eigens zu entschädigen sind. Eine eigenständige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt auch vor, wenn persönliche Daten gesammelt und verwertet werden, so dass das Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen ist226. Diese Persönlichkeitsverletzung ist von der Nutzung der Daten unabhängig, sofern das Sammeln und Auswerten bereits rechtswidrig ist. Das Herrschaftsrecht an den vermögensrechtlichen Bestandteilen ist hingegen betroffen, wenn Gebrauchsvorteile gezogen werden und dem Inhaber die kommerzielle Verwertung seiner Daten selbst möglich gewesen wäre. Die Verletzung des Datenschutzes im Vorfeld der Nutzung hat selbständige Bedeutung. Entscheidend für die Wiedergutmachung immaterieller Schäden ist nur, dass die Persönlichkeitsverletzung schwer wiegt. Dafür ist die Art, insbesondere die Sensibilität der Daten sowie die Intensität der Rechtsverletzung, aber auch das Verschulden des Handelnden maßgeblich. Der Anspruch darf zudem nicht subsidiär sein. 225 G. Wagner, ZEuP 2000, 200, 220 f.; vgl. st. Rspr., BVerfG 16.7.1969 E 27, 1, 6; 14.2.1973 E 34, 269, 282 f.; 5.6.1973 E 35, 202, 220; BGH 10.5.1957 Z 24, 200, 208 f.; 19.12.1978 Z 73, 120, 122 f; 19.12.1995 Z 131, 332, 337 (Paparazzi-Photos); Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 89 ff. 226 Zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 109 ff.

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Selbst bei der Nutzung der vermögensrechtlichen Bestandteile können weitere ideelle Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt werden. Davon ist auszugehen, wenn nicht nur das Verwertungsrecht des Rechtsinhabers missachtet wurde, sondern auch der übrige Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist. Das kommt vor allem in Betracht, wenn die Nutzung von Bildern bei der Berichterstattung oder Werbung eine entstellende Wirkung hat, so dass die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Identität der Person beeinträchtigt ist.227 Auch im Urheberrecht wird bei der Entstellung eines Werkes eine Entschädigung wegen der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts gewährt, sofern sie schwer wiegt.228 Darüber hinaus hat der Urheber Ansprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn sich die Entstellung auf das Gesamtwerk bezog oder dem Urheber einzelne Werke untergeschoben werden.229 Vergleichbare Fälle bestehen auch außerhalb des Urheberrechts. Entstellungen sind denkbar, wenn das Bild oder der Name einer berühmten Persönlichkeit verwendet wird, um für ein Produkt, ein Unternehmen oder eine Kampagne zu werben, das bzw. die mit dem Selbstbild, dem Image, der geschützten Person nicht in Einklang steht (z. B. Bild eines Umweltaktivisten in der Werbung für ein Unternehmen, das wegen umweltschädlichen Verhaltens in der Kritik steht; Werbung für Alkohol mit dem Bild eines bekennenden Antialkoholikers). Eine entstellende Wirkung liegt vor, wenn die geschützte Person anders dargestellt wird, als es der von ihr entwickelten Identität entspricht.230 Eine schwere Persönlichkeitsverletzung liegt insbesondere vor, wenn die Glaubwürdigkeit oder die moralische Integrität einer Person angegriffen wird. Beeinträchtigungen ihrer Kreditwürdigkeit erfasst indes § 824 BGB, zumal in diesen Fällen ein Vermögensschaden eintritt. Eine selbständige Persönlichkeitsverletzung liegt bei der unerlaubten Nutzung von vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts schließlich vor, wenn die Nutzung mit einer Herabwürdigung der Person oder Ehrverletzung einhergeht. In diesen Fällen bezieht sich die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht auf die Ehre, sondern auch auf die Verwendung des Namens oder Bildes der Person.231 Die Ehrverletzung tritt zur Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile hinzu, so dass bei schweren 227 BVerfG 24.3.1998 E 97, 391, 403; 8.4.1999 NJW 1999, 2358, 2359; 16.8.2002 NJW 2002, 3458 (Chick Corea); BGH NJW 1965, 2395, 2396 (Mörder unter uns); 25.11.2003 AfP 2004, 56, 58 (Klinik-Monopoly); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 499 f.; Rixecker, MünchKomm-BGB, Allg. PersönlR Rn. 85 ff.; Manipulation von Fotos BGH 27.4.1971 NJW 1971, 1359 (Teneriffa); 9.3.1989 NJW 1989, 2251, 2253 (Friesenhaus); OLG Köln 28.5.2002 NJW-RR 2002, 1700. 228 Siehe oben § 2.A.V.1., S. 77 ff. 229 Siehe oben § 2.A.V.1., S. 77 ff. 230 Siehe Fn. 227. 231 Siehe oben § 17.C.VI., S. 761 ff.

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Persönlichkeitsverletzungen immaterielle Schäden auszugleichen sind.232 Das gilt sowohl bei Ehrverletzungen i. S. der §§ 185 ff. StGB als auch bei sonstigen Herabwürdigungen der Person.233 III. Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG Selbst bei einer schweren Persönlichkeitsverletzung besteht ein Entschädigungsanspruch für ideelle Schäden aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nur, wenn der Anspruch nicht subsidiär zurücktritt. Soweit andere Ansprüche das allgemeine Persönlichkeitsrecht i. S. von Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG bereits ausreichend schützen, besteht kein Entschädigungsanspruch. Insbesondere gegenüber Primäransprüchen auf Beseitigung und Unterlassung der Rechtsverletzung sowie gegenüber dem Gegendarstellungsanspruch tritt der Entschädigungsanspruch zurück.234 Wenn der immaterielle Schaden bei der Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder wegen einer damit zusammenhängenden Verletzung der ideellen Bestandteile entsteht, hat der Rechtsinhaber weitere Ansprüche aus der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die den Entschädigungsanspruch beeinflussen könnten. Dabei geht es an dieser Stelle nicht um das Verhältnis der verschiedenen Ansprüche zueinander, sondern um die Einwirkung auf die Haftungsvoraussetzungen des Entschädigungsanspruchs für Nichtvermögensschäden. Bei der Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat der Rechtsinhaber, der nicht verwertungsbereit ist, neben dem Schadensersatzanspruch aus deliktischer Haftung einen Wertersatzanspruch aus Eingriffskondiktion und gegebenenfalls einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Im Immaterialgüterrecht und im gewerblichen Rechtsschutz besteht zwischen diesen Ansprüchen grundsätzlich eine Anspruchsnormenkonkurrenz, ohne dass sie wechselseitig Einfluss auf den Tatbestand nehmen. Das ist eine Besonderheit des Entschädigungsanspruchs für immaterielle Einbußen aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, da es sich um einen ergänzenden Rechtsschutz zur Verwirklichung des grundrechtlichen Schutzgebots handelt. Die Ansprüche aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung dienen dem Schutz desselben vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wie der Schadensersatzanspruch, 232 Ähnlich BGH 18.3.1959 Z 30, 7, 18 (Caterina Valente); 26.11.1996 NJW 1997, 1148, 1150 (stern-TV); Ullmann, WRP 2000, 1049, 1053; Witzleb, Geldansprüche, S. 119, 126. 233 Ullmann, WRP 2000, 1049, 1053. 234 Siehe oben § 2.A.VI.1.b., S. 88 ff.

§ 17 Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts

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so dass sie bereits einen Rechtsschutz bewirken und grundsätzlich kein ergänzender Entschädigungsanspruch erforderlich wäre. Eine Besonderheit besteht darin, dass die Verletzung des vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugleich kommerzielle und ideelle Interessen des Rechtsinhabers betrifft. Gerade für den nicht verwertungsbereiten Geschädigten steht die Beeinträchtigung seiner Privatsphäre in der Wahrnehmung häufig sogar im Vordergrund, obwohl sie mit der Verletzung des Verwertungsrechts automatisch zusammentrifft. Dieses verletzte Interesse schlägt sich nur im Entschädigungsanspruch wegen immaterieller Einbußen nieder. Daher kann der Geschädigte ein gesteigertes Interesse haben, nicht (nur) die übliche Lizenzgebühr oder den Verletzergewinn geltend zu machen. Somit ist neben den Ansprüchen aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung ein Anspruch auf Entschädigung der immateriellen Einbußen wegen der Persönlichkeitsverletzung zu gewähren, um den Interessen des Geschädigten in vollem Umfang Rechnung zu tragen. Sofern der ideelle Schaden nicht durch die Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entsteht, sondern wegen einer darüber hinausgehenden Beeinträchtigung des allgemeinen oder besonderen Persönlichkeitsrechts, beziehen sich die Ansprüche auf Ersatz des Vermögensschadens, Wertersatz und Herausgabe des Verletzergewinns sowie der Anspruch auf Entschädigung immaterieller Einbußen auf unterschiedliche Rechtsverletzungen. Sie betreffen zwar alle das allgemeine oder besondere Persönlichkeitsrecht, beziehen sich aber auf unterschiedliche Aspekte des Schutzbereichs. Die Ansprüche wegen der Verletzung des vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen den Rechtsinhaber nicht, soweit weitere ideelle Bestandteile betroffen sind. Insofern bedarf es der Rechtsschutzergänzung durch den Entschädigungsanspruch für die ideellen Schäden, sofern nicht die Primäransprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Rückgriff auf den Entschädigungsanspruch entbehrlich machen. IV. Anspruchskonkurrenzen Abschließend bleibt zu klären, ob der Anspruch auf Entschädigung immaterieller Einbußen neben die miteinander konkurrierenden Ansprüche aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung tritt, oder alle drei Ansprüche in Konkurrenz zueinander stehen, so dass der Rechtsinhaber nur eine Leistung fordern kann. Eine Anspruchsnormenkonkurrenz liegt nur vor, wenn dem Anspruch ein im Wesentlichen identischer Lebenssachverhalt zugrunde liegt, der unter mehrere anspruchsbegründende Normen subsumierbar ist, die sich auf das gleiche Rechtschutzziel richten.235 Bei einer ku235

Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, S. 321.

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mulativen Konkurrenz von Ansprüchen kann der Anspruchsinhaber beide Ansprüche geltend machen, da sie sich auf verschiedene Leistungen richten und damit nebeneinander verwirklichbar sind.236 Bei der Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts tritt entsprechend der Verwertungsbereitschaft des Rechtsinhabers ein Vermögens- oder ein Nichtvermögensschaden ein. Daneben bestehen wegen derselben Verletzungshandlung Ansprüche aus Eingriffskondiktion bzw. angemaßter Eigengeschäftsführung. Sie dienen ebenfalls dem Schutz der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenngleich die Anspruchsgrundlagen nicht zum Deliktsrecht gehören. Somit kann der Rechtsinhaber nur wahlweise Schadensersatz, Wertersatz oder Herausgabe des Verletzergewinns verlangen. Das ist zumindest beim verwertungsbereiten Rechtsinhaber für das Verhältnis des Vermögensschadens zum Anspruch aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung anzunehmen. Etwas anderes gilt für den Fall, dass es sich um einen nicht verwertungsbereiten Geschädigten handelt, bei dem nicht nur der vermögensrechtliche Bestandteil verletzt ist, sondern zugleich die Privatsphäre als ideelles Interesse.237 Bei einem nicht verwertungsbereiten Rechtsinhaber schützt der vermögensrechtliche Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Entscheidung des Rechtsinhabers über die Verwertung seiner Person. Mit der Entscheidung gegen die Verwertung disponiert er nicht nur über das Persönlichkeitsmerkmal, sondern erhält zugleich seine Privatsphäre aufrecht. Die Entscheidung betrifft somit gleichzeitig zwei Aspekte des Persönlichkeitsrechts: den vermögensrechtlichen Bestandteil (z. B. eine Information über die Person, ein Bild) und das Aufrechterhalten der Privatsphäre. Sofern der Schädiger das Persönlichkeitsmerkmal des Geschädigten verwertet, greift er gleichzeitig in den ideellen und den vermögensrechtlichen Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein. Da beide einen eigenständigen Garantiegehalt haben, steht der Anspruch auf Entschädigung des Nichtvermögensschadens nicht im Verhältnis der Alternativität zu den Ansprüchen aus Eingriffskondiktion und Geschäftsführung ohne Auftrag. Nur die Ansprüche aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung sind alternativ, da sie gleichermaßen aus der Verletzung des vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts resultieren. Der Entschädigungsanspruch ergibt sich aus dem Eingriff in die Privatsphäre. Dieser Anspruch besteht bei einem verwertungsbereiten Geschädigten nicht, weil er gerade für die Veröffentlichungen seine Privatsphäre öffnet und daher weder eine Rechtsverletzung noch einen Schaden erleidet. Er hat nur die Ansprüche auf Ersatz des Vermögensschadens

236 237

Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, S. 321. Siehe oben § 17.F.II., S. 785 ff.

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aus Deliktsrecht, auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion und auf Gewinnherausgabe aus angemaßter Eigengeschäftsführung. Etwas anderes gilt, wenn der Schadensersatz nicht auf der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beruht, sondern auf einer darüber hinausgehenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, die zeitlich im Vorfeld der Verwertung der Persönlichkeitsbestandteile erfolgt war oder darin besteht, dass sich die Rechtsverletzung nicht in der Verwertung des Persönlichkeitsbestandteils erschöpfte, sondern darüber hinaus die Ehre verletzt oder Identität des Rechtsinhabers entstellt hat. Der Schadensersatzanspruch fußt dann auf einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die entweder auf einem eigenen Lebenssachverhalt beruht (Verschaffung des Zugriffs auf den vermögensrechtlichen Bestandteil) oder einen anderen Teil des Schutzbereichs des allgemeinen oder besonderen Persönlichkeitsrechts betrifft. Der eingetretene Schaden geht über die Einbuße hinaus, die die Verletzung des vermögensrechtlichen Bestandteils verursacht. Somit besteht eine kumulative Konkurrenz zwischen den Ansprüchen wegen der rechtswidrigen Verwertung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf der einen Seite und dem Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung eines ideellen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf der anderen.

G. Zusammenfassung Das allgemeine und das besondere Persönlichkeitsrecht sind keine ausschließlich ideellen Rechte, sondern enthalten auch vermögensrechtliche Bestandteile. Dazu zählen alle aneignungsfähigen Persönlichkeitsbestandteile, die der Rechtsinhaber auf dem Markt verwerten kann. Auf ihre Materialisierung kommt es nicht an. Ausgenommen sind insbesondere die Ehre und die Identität der Person, die nicht aneignungsfähig sind. Die Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts löst einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auf die übliche Lizenzgebühr aus. Sofern der Schädiger schuldhaft gehandelt hat, besteht ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Dieser geht auf Ersatz des entgangenen Gewinns nach § 252 BGB, wenn der Rechtsinhaber verwertungsbereit war. Sofern die Verwertung des vermögensrechtlichen Bestandteils in Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erfolgt, besteht ein Anspruch auf Gewinnherausgabe nach den §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 BGB bzw. den §§ 285, 292, 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB. Diese Ansprüche bestehen auch bei erfundenen Interviews und montierten oder nachgemachten Fotos von in der Öffentlichkeit bekannten Personen, soweit auf diese Weise der Name, das Bild und das Image der Person verwertet werden, und somit eine Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgt.

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Immaterielle Schäden entstehen bei der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie ergeben sich aus der Verwertung des Persönlichkeitsbestandteils, wenn der Rechtsinhaber nicht verwertungsbereit war, sondern seine Entscheidung gegen die Verwertung und für die Aufrechterhaltung seiner Privatsphäre missachtet wurde, und somit ein ideelles Interesse verletzt war. Neben den Ansprüchen aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung besteht bei einer schweren Persönlichkeitsverletzung ein Entschädigungsanspruch, der nicht hinter den übrigen Ansprüchen zurücktritt. Er steht mit ihnen im Verhältnis kumulativer Konkurrenz. Ideelle Schäden entstehen darüber hinaus bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vorfeld der Verwertung des vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Erlangung der Daten, Informationen, Dokumente, Bilder). Zudem können bei der Verwertung gleichzeitig weitere Persönlichkeitsbestandteile wie die Ehre und Identität des Rechtsinhabers durch Herabwürdigung und Entstellung verletzt werden. Ein Entschädigungsanspruch besteht, wenn die Persönlichkeitsverletzung schwer ist. Die Ansprüche wegen der Verwertung des vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts lassen diese nicht zurücktreten. Es besteht eine kumulative Konkurrenz. Diese Ansprüche erlauben es, den Verletzergewinn zumindest zu einem erheblichen Teil abzuschöpfen und dem Delikt die Lukrativität zu nehmen. Somit ist es nicht erforderlich, dem Anspruch auf Entschädigung der Nichtvermögensschäden eine selbständige Präventionsfunktion zuzuweisen. Der mit der Erhöhung der Entschädigung angestrebte Hemmungseffekt wird mit Hilfe der Rechtsfolgen der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile herbeigeführt. Ein über den Schadensausgleich hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis kann sich höchstens bei Personen ergeben, die die zwangskommerzialisierten Persönlichkeitsbestandteile an sich nicht auf dem Markt verwerten können und daher auf den Ausgleich immaterieller Schäden verwiesen bleiben, die bei kommerzieller Verwertung regelmäßig hinter den erzielten Gewinnen zurückbleiben. Eine Zuordnung der Gewinne ergibt sich in diesen Fällen nicht aus dem allgemeinen oder besonderen Persönlichkeitsrecht. Die Anhebung der Entschädigung hängt daher davon ab, ob eine selbständige Präventionsfunktion des Schadensersatzanspruchs anzuerkennen ist, um den Verletzergewinn abzuschöpfen und einen effektiven Rechtsgüterschutz zu verwirklichen.

§ 18 Entschädigung immaterieller Einbußen de lege lata und de lege ferenda

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§ 18 Überkompensatorische Entschädigung immaterieller Einbußen de lege lata und de lege ferenda A. Würdigung der Ableitung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes I. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der Entschädigung von Nichtvermögensschäden Die Begründung der (selbständigen) Präventionsfunktion des Schadensersatzanspruchs wird vor allem auf die bestehenden Regelungen zur Entschädigung immaterieller Einbußen gestützt. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis ist die Entschädigung ideeller Einbußen nach § 253 Abs. 2 BGB aber Bestandteil des allgemeinen Schadensersatzrechts und teilt dessen Ausrichtung auf die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens.1 Die von der Rechtsprechung anerkannte Genugtuungsfunktion ist in den Hintergrund getreten und hat zudem grundsätzlich nicht zur Folge, dass der Entschädigungsanspruch über die Schadenswiedergutmachung hinausgeht. Vielmehr lässt sich der mit der Genugtuungsfunktion erfassten Eigenart der immateriellen Schäden durch die Beschreibung des Nichtvermögensschadens und durch die Wiedergutmachungsfunktion hinreichend Rechnung tragen, ohne dass es zu einem überkompensatorischen Schadensersatz kommt. Die einzige Ausnahme von der kompensatorischen Entschädigung, die die Rechtsprechung auf die Genugtuungsfunktion stützt, ist die erhöhte Entschädigung bei verzögerter Schadensregulierung durch den Schädiger oder seine Versicherung.2 Auch die Entschädigungsansprüche wegen unzulässiger Benachteiligung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG beschränken sich auf den Ausgleich immaterieller Schäden.3 Die Benachteiligung führt zwar nicht in jedem Fall zu einer schweren Persönlichkeitsverletzung, die für einen Entschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG erforderlich wäre. Das AGG schützt aber bereits die durch das Benachteiligungsverbot gesicherte Chance auf diskriminierungsfreie Teilnahme am Bewerbungsverfahren.4 Daher gleicht der Entschädigungsanspruch ideelle Einbußen unabhängig von der Rechtsgutsverletzung aus. Insofern besteht ein Schaden, so dass der Entschädigungsanspruch nicht als (verdeckte) Privatstrafe für die unzulässige Benachteiligung fungiert. Die Geldentschädigung wegen schwerer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist ebenfalls grundsätzlich eine Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden. Nach der Rechtsprechung hat der Entschädigungsan1 2 3 4

Siehe oben § 16.C.II.3., S. 696 f. Siehe oben § 4.C.VII., S. 255 ff. Siehe oben § 3.F.IV., S. 207 ff., § 8.B.III.2., S. 457 ff., § 16.C.IV.2., S. 704 ff. Siehe oben § 3.B.V.2.b., S. 170 ff.

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spruch zwar vorrangig eine Genugtuungsfunktion, da er auf dem grundrechtlichen Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG beruht.5 Der Schaden wird daher regelmäßig mit der Rechtsgutsverletzung gleichgesetzt. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass die Entschädigung unabhängig vom subjektiven Schaden gewährt wird. Vielmehr bestand ein Defizit bei der exakten Beschreibung des ideellen Schadens, welche wegen ihrer Entwicklung anhand des Schmerzensgelds für die Persönlichkeitsverletzungen nicht immer adäquat war. Die Bemessung der Entschädigung erfolgte hingegen vielfach anhand der beeinträchtigenden Auswirkungen, so dass es zur angemessenen Integration der Entschädigung immaterieller Einbußen infolge von Persönlichkeitsverletzungen hauptsächlich darauf ankam, den Schaden treffend zu beschreiben. Die hier zugrunde gelegte Schadensbeschreibung für die Fälle der Persönlichkeitsverletzung stellt sicher, dass durch die Entschädigung tatsächlich eine Schadenswiedergutmachung erfolgt.6 Nur in Fällen rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung mit Gewinnerzielungsabsicht ist bisher (ausnahmsweise) eine Präventionsfunktion anerkannt, die eine überkompensatorische Entschädigung legitimiert, um zukünftige Rechtsverletzungen zu vermeiden.7 Der Anwendungsbereich dieser Präventionsfunktion ist seit der Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedoch entfallen.8 Lediglich bei der Zwangskommerzialisierung von Personen, deren Persönlichkeitsmerkmale keinen Vermögenswert haben, den sie bereits vor der Tat kommerzialisieren konnten, besteht ein Rechtsschutzdefizit. Insoweit ließe sich durch eine überkompensatorische Entschädigung weiteren Rechtsgutsverletzungen vorbeugen. Bei dieser Fallgruppe ist aber zu bedenken, dass die Persönlichkeitsverletzung gegenüber unbekannten Personen in der Regel einmalig ist, selbst wenn sie zur Gewinnerzielung erfolgt. Nur selten kommt es zu wiederholten oder systematischen Persönlichkeitsverletzungen. Daher spricht die Rechtsprechung dem Geschädigten bisher in der Regel keinen Entschädigungsanspruch zu, der über den erlittenen Schaden hinausgeht, um den Schädiger abzuschrecken und weiteren Rechtsgutsverletzungen vorzubeugen. Eine selbständige Präventionsfunktion ist dem Entschädigungsanspruch daher nach der bisherigen Rechtsprechung nicht eigen. Es wird noch zu erörtern sein, ob auch in diesen Fällen eine Gewinnabschöpfung erforderlich ist. Die gegenwärtige Rechtsprechung vermag jedenfalls nicht als Grundlage für ein Präventionsprinzip zu dienen, das sich für das Schadensersatzrecht verallgemeinern ließe.

5 6 7 8

Siehe oben § 3.D.V., S. 189 ff. Siehe oben § 11.C.I, II.4., S. 537 ff., 553 f. Siehe oben § 3.F.III., S. 200 ff. Siehe oben § 17.E., S. 778 ff.

§ 18 Entschädigung immaterieller Einbußen de lege lata und de lege ferenda

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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Schadensersatz für Nichtvermögensschäden nicht (mehr) signifikant durch eine selbständige Präventionsfunktion geprägt ist. Nur in den beschriebenen Fallgruppen wird ausnahmsweise eine überkompensatorische Entschädigung gewährt, die aber allein kein allgemeines Präventionsprinzip des Schadensersatzrechts zu begründen vermögen. Ansonsten würde die Ausnahme zum Regelfall erklärt. Somit ist die Entschädigung immaterieller Einbußen nicht paradigmatisch für eine Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts im Lichte der Prävention von Rechtsgutsverletzungen. Vielmehr ist für die aufgezeigten Defizite die notwendige und zugleich angemessene Verbesserung des Rechtsgüterschutzes zu ermitteln. Eine darüber hinausgehende Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzes ist nur angezeigt, wenn sich aus dem Schadensersatzrecht im Übrigen ergibt, dass der Schadensausgleich um eine überkompensatorische Entschädigung zur Prävention weiterer Rechtsgutsverletzungen zu ergänzen ist. Das könnte insbesondere die Begründung eines überkompensatorischen Entschädigungsanspruchs bei der Zwangskommerzialisierung unbekannter Personen zu Gewinnerzielungszwecken stützen. Zudem ließe sich auf dieser Grundlage die erhöhte Entschädigung wegen verzögerter Schadensregulierung fortsetzen, ohne mit den dogmatischen Vorgaben des Schadensersatzrechts zu brechen. II. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der Sanktionen des Immaterialgüterrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes 1. Dreifache Schadensberechnung Bei der Auseinandersetzung mit der Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts gilt insbesondere das Immaterialgüterrecht als paradigmatisch. Der Schadensersatz bei Verletzung von Immaterialgüterrechten erfolgt nach ständiger Rechtsprechung im Wege der dreifachen Schadensberechnung, so dass der Geschädigte nicht seinen entgangenen Gewinn darlegen und beweisen muss, sondern alternativ eine angemessene Lizenzgebühr oder die Herausgabe des Verletzergewinns verlangen kann.9 Die Rechtsprechung bezog sich zunächst nur auf das Urheberrecht10 und wurde vom RG und BGH sukzessive auf alle Immaterialgüterrechte11 sowie auf Verstöße gegen das Markenrecht 9 BGH 13.3.1962 GRUR 1962, 401, 402 (Kreuzbodenventilsäcke III); 29.5.1962 GRUR 1962, 509, 511 (Dia-Rähmchen II); 18.2.1977 GRUR 1977, 539, 541 f. (Prozeßrechner); 17.6.1992 Z 119, 20, 24 f. (Tchibo/Rolex II); 22.9.1999 GRUR 2000, 226, 227 (Planungsmappe); zum Vermengungsverbot bereits RG 13.10.1937 Z 156, 65, 69 (Scheidenspiegel). 10 ROHG 21.4.1874 E 12, 319, 331 (Leipziger Theaterprozess); 13.9.1877 Z 22, 338, 341 (Richard’s Wanderleben); RG 8.6.1895 Z 35, 63, 70 (Ariston); BGH 30.1.1959 GRUR 1959, 379, 382 f. (Gasparone); 11 Z. B. RG 31.12.1898 Z 43, 56, 59 f. (Maischengärung); BGH 13.3.1962 GRUR 1962, 401, 402 (Kreuzbodenventilsäcke III); 27.2.1963 GRUR 1963, 640, 642 (Plastikkorb).

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und das Wettbewerbsrecht12 erweitert. Die dreifache Schadensberechnung ordnete der BGH alsbald als Gewohnheitsrecht ein.13 Bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG (Enforcement-Richtlinie) fand sie Eingang in das Gesetz.14 Art. 13 Richtlinie 2004/48/EG erlaubt sowohl die Berücksichtigung des Verletzergewinns als auch die Festsetzung des Schadensersatzes durch einen Pauschalbetrag, der mindestens dem fiktiven Nutzungsentgelt entspricht.15 Der deutsche Gesetzgeber ging davon aus, dass die Gesetzesänderung die dreifache Schadensberechnung kodifiziert und nichts an der bisherigen Rechtsprechung ändert.16 Die gesetzliche Regelung erlaubt dem Geschädigten, die Vergütung zu verlangen, die der Schädiger für eine Lizenz hätte entrichten müssen. Die einfache Lizenzgebühr ist somit als objektiver Mindestschaden anzusehen, den der Rechtsinhaber geltend machen kann.17 Das entspricht Art. 13 Abs. 1 S. 2 lit. b Richtlinie 2004/48/EG. Etwas anderes ergäbe sich höchstens, wenn die Nachteile für den Verletzer zu berücksichtigen sind, so dass der Schadensersatz unter die Lizenzanalogie sinkt. Bei der Berücksichtigung der Nachteile sind aber zugleich die Vorteile für den Verletzer in die Betrachtung einzustellen, so dass der geschädigte Rechtsinhaber in der Regel mehr als die Lizenzgebühr erhält.18 Zumindest erlaubt die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts, die Lizenzgebühr als pauschalierten Mindestschaden geltend zu machen.19

12 Zunächst nur für Rechtsverletzungen, die mit den immaterialgüterrechtlichen Fällen vergleichbar waren (z. B. „sklavische Nachahmung“), z. B. BGH 24.2.1961 Z 34, 320, 321 (Vitasulfal); 8.10.1971 Z 57, 116, 119 ff. (Wandsteckdose II); diese Rspr. wurde aufgegeben, so dass ein besonders unlauteres Verhalten des Verletzers genügt, z. B. BGH 17.6.1992 Z 119, 20, 26 (Tchibo/Rolex II); 22.4.1993 Z 122, 262, 266 f. (Kollektion Holiday); anders zum Wettbewerbsrecht noch RG 30.11.1900 Z 47, 100, 102 (Likör); 24.6.1904 Z 58, 321, 325 (Klosettpapier). 13 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 353 (Paul Dahlke); ebenso Däubler, JuS 1969, 49; Lindenmaier/ Weiss, Patentgesetz, § 47 Rn. 33 ff.; Steindorff, AcP 158 (1959/60), 431, 453. 14 § 97 Abs. 2 S. 2, 3 UrhG, § 139 Abs. 3 S. 2, 3 PatG, § 42 Abs. 2 S. 2, 3 GeschMG, § 24 Abs. 2 S. 2, 3 GebrMG, §§ 14 Abs. 6, 128 Abs. 2, 135 Abs. 2 MarkenG; § 37 Abs. 2, 3 SortSchG, § 9 Abs. 1 HalblSchG; s. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/5048, S. 25, 32 f., 37, 48. 15 Erwägungsgrund 26, Art. 13 Richtlinie 2004/48/EG. 16 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/5048, S. 33, 37; ebenso Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 709 ff.; Fromm/Nordemann, UrhG, § 97 Rn. 68; s. auch Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 463 f. 17 So bereits vor der Neuregelung BVerfG 25.10.2002 NJW 2003, 1655, 1656; BGH 24.1.1975 GRUR 1975, 323, 324 (Geflügelte Melodien); 22.3.1990 GRUR 1990, 1008, 1009 (Lizenzanalogie); dazu Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 225; Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 709. 18 Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 709; Rogge, FS Nirk, S. 929, 942 f. 19 Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 709; ähnlich Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 464, der darüber hinaus die Abschreckung bei der Bemessung des Schadensersatzes eigens berücksichtigen will.

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Daneben kann das Gericht bei der Berechnung des Schadensersatzes den Verletzergewinn „berücksichtigen“.20 Diese Formulierung entspricht Art. 13 Abs. 1 S. 2 lit. a Richtlinie 2004/48/EG. Zudem wurde der Schadensersatzanspruch schon vorher anhand des Verletzergewinns bemessen. Aus der Regelung ergibt sich nicht, ob der Verletzergewinn nur als Berechnungsgrundlage dient, wenn der entgangene Gewinn des Geschädigten tatsächlich dem Verletzergewinn entsprechen könnte, oder ob eine vom Schaden unabhängige und ihn daher gegebenenfalls übersteigende Gewinnherausgabe möglich ist.21 Bisher sah die Rechtsprechung in dem Verletzergewinn einen fiktiven Maßstab für die Höhe des Schadensersatzes, so dass es nicht darauf ankam, ob er mit dem konkreten Schaden übereinstimmte.22 Nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers erlaubt das Gesetz die Fortführung dieser Rechtsprechung, und die offene Formulierung der Normen lässt eine solche Auslegung zu.23 Die dreifache Schadensberechnung ist nach der tradierten Rechtsprechung des BGH eine besondere Art der Schadensermittlung, die auf den Eigenarten des Immaterialgüterrechts beruht, die insbesondere wegen ihrer ubiquitären Verletzlichkeit in hohem Maße schutzbedürftig sind.24 Die Hindernisse der Schadensvorbeugung und die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des konkreten Schadens verlangten nach einer Ergänzung der §§ 249 ff. BGB, um zu verhindern, dass die Rechtsverletzung sanktionslos bleibt.25 Der schuldhaft Handelnde soll bei einer Rechtsverletzung nicht besserstehen als der, der das Nutzungsrecht als vertraglicher Lizenznehmer rechtmäßig ausübt.26 Der Schutz der Immaterialgüterrechte sei nur gewährleistet, wenn sich die Rechtsverletzung nicht lohne. Ein Teil der Literatur kritisierte zwar die dreifache Schadensberechnung27, das 20 § 97 Abs. 2 S. 2 UrhG, § 139 Abs. 3 S. 2 PatG, § 42 Abs. 2 S. 2 GeschMG, § 24 Abs. 2 S. 2 GebrMG, § 128 Abs. 2 S. 2 MarkenG; § 37 Abs. 2 S. 2 SortSchG. 21 Dazu Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 709 f. 22 BGH 22.3.1990 GRUR 1990, 1008, 1009. 23 Ausführlich dazu Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 463; s. auch Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 710. 24 Z. B. RG 8.6.1895 Z 35, 63, 70 ff. (Ariston); 22.10.1930 Z 130, 108, 110 (Verlustersparnis); 13.10.1937 Z 156, 65, 67 f. (Scheidenspiegel); BGH 8.10.1971 Z 57, 116, 118 (Wandsteckdose II); 16.2.1973 Z 60, 206, 209 f. (Miss Petite); 18.2. 1977 GRUR 1977, 539, 541 (Prozeßrechner). 25 BGH 16.2.1973 Z 60, 206, 209 (Miss Petite); 18.2.1977 GRUR 1977, 539, 541 f. (Prozeßrechner) m. w. N. 26 BGH 8.5.1956 Z 20, 345, 353 (Paul Dahlke); 12.1.1966 Z 44, 372, 379 (Meßmer Tee II); 8.10.1971 Z 57, 116, 119 (Wandsteckdose II); 10.3.1972 Z 59, 286, 291 (Doppelte Tarifgebühr); 16.2.1973 Z 60, 206, 209 (Miss Petite); 24.11.1981 Z 82, 310, 316 f. (Fernsehabstützvorrichtung); 29.5.1962 GRUR 1962, 509, 513 (Dia-Rähmchen II); 10.7.1986 GRUR 1987, 37, 39 (Videolizenzvertrag); 22.3.1990 GRUR 1990, 1008, 1009 (Lizenzanalogie). 27 Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 256; v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 354; Kraßer, GRUR Int. 1980, 259, 263; s. auch Heermann, GRUR 1999, 625, 626 ff.; Maul/Maul, GRUR 1999, 1059, 1064 ff.; Rogge, FS Nirk, S. 929 f.; vollständig abl. auch H. A. Fischer, Schaden, S. 56 f. Fn. 11; Möhring, GRUR 1931, 419, 421 f.; für die Einordnung als Schadensersatz

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blieb aber ohne Wirkung auf die Rechtsprechung.28 Zudem ist die Kritik seit der Gesetzesänderung gegenstandslos. Die dreifache Schadensberechnung entfernt sich vom Ausgleich des konkreten Vermögensschadens. Sie ist zudem keine besondere Form der Schadensschätzung i. S. von § 287 Abs. 1 ZPO, die konkrete Anknüpfungstatsachen voraussetzte, um den Schaden anhand der üblichen Lizenzgebühr oder dem Verletzergewinn berechnen zu können.29 Das setzte voraus, dass der Geschädigte lizenzbereit war oder er den gleichen Gewinn wie der Schädiger hätte erzielen können, was vielfach nicht der Fall sein wird. Daher gehen die Autoren, die die Ableitung eines allgemeinen Präventionsprinzips im Schadensersatzrecht befürworten, davon aus, dass die dreifache Schadensberechnung ein Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion ist.30 Die nun kodifizierte Rechtsprechung reagiere auf die besondere Verletzlichkeit der Immaterialgüterrechte und die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des konkreten Schadens.31 Der Anspruch auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr lässt sich aber auf die Eingriffskondiktion zurückführen, die im Grenzbereich zum Deliktsrecht steht und dessen eingeschränkten Vermögensschutz ergänzt, da sie einen Eingriff in das Vermögen voraussetzt, das die Rechtsordnung dem Bereicherungsgläubiger zuweist. Insofern wäre der Rückgriff auf das Bereicherungsrecht vor der Gesetzesänderung vorzugswürdig gewesen. Der Anspruch auf die übliche Lizenzgebühr ist Teil des Vermögensrechts des BGB und hat de facto eine präventive Wirkung. Im Grunde hätte es eines überkompensatorischen Entschädigungsanspruchs nicht bedurft. Auch der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ließe sich auf die angemaßte Eigengeschäftsführung zurückführen (§§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 S. 1 BGB)32, die aber voraussetzt, dass die 28 Schmidt-Salzer, JR 1969, 81, 86 f.; s. auch Gottwald, Schadenszurechnung, S. 174 ff.; so zur Lizenzanalogie Keuk, Vermögensschaden, S. 72 ff.; Mertens, Vermögensschaden, S. 216; s. auch v. Falck, GRUR 1973, 378; Heil/Roos, GRUR 1994, 26, 30; Leisse/Traub, GRUR 1980, 1, 2. 28 Dazu Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 97 Rn. 178; Fromm/Nordemann, UrhG, § 97 Rn. 68; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, § 139 Rn. 63a, 72. 29 Gottwald, Schadenszurechnung, S. 172 f.; Möller, Präventionsprinzip, S. 130 ff.; a. A. C. Stoll, Die dreifache Schadensberechnung, S. 270; v. Bar, UFITA 81 (1978), 57, 69. 30 Möller, Präventionsprinzip, S. 132 ff.; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 184; s. auch Assmann, BB 1985, 15, 21; v. Bar, UFITA 81 (1978), 57, 71; Gottwald, Schadenszurechnung, S. 40 f., 160 ff.; Kraßer, GRUR Int. 1980, 259, 269. 31 Möller, Präventionsprinzip, S. 133 ff.; aus diesem Grund wird die dreifache Schadensberechnung auch bei anderen Rechtsgütern abgelehnt Däubler, JuS 1969, 49, 52; Schmidt-Salzer, JR 1969, 81, 90. 32 v. Bar, UFITA 81 (1978), 57, 59; Bruchhausen, GRUR 1980, 515, 520 ff.; Staudinger/Wittmann, BGB, § 687 Rn. 21; Tilmann, GRUR 2003, 647, 651; Ullmann, GRUR 1978, 615, 618; s. auch BGH 24.2.1961 Z 34, 320, 321 (Vitasulfal); 24.11.1981 Z 82, 299, 308 (Kunststoffhohlprofil II); 2.11.2000 Z 145, 366, 372 (Gemeinkostenanteil); 7.2.2002 Z 150, 32, 44 (Unikatrahmen) i. S. eines Rechtsfolgenverweises. Die Gewinnherausgabe dem Bereicherungsrecht zuordnend Brandner, GRUR 1980, 359 ff.; Kraßer, GRUR Int. 1980, 259, 270; Preu, GRUR 1979, 753, 755.

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Geschäftsführung in Kenntnis von ihrer Fremdheit erfolgt, wohingegen im Immaterialgüter-, Marken- und Wettbewerbsrecht für den Schadensersatzanspruch in Höhe des Verletzergewinns eine fahrlässige Rechtsverletzung genügt. Die Berechnung des Verletzergewinns erleichtert die dreifache Schadensberechnung (bisher) aber nicht. Der Geschädigte muss den Verletzergewinn darlegen und beweisen, was seine Berücksichtigung häufig erschwert. Somit können die beiden Formen der Schadensberechnung aus anderen Ansprüchen der außervertraglichen Haftung hervorgehen. Die von der Rechtsprechung vorgenommene Modifikation des Schadensersatzrechts lässt sich wohl darauf zurückführen, dass der Zuweisungsgehalt der Immaterialgüterrechte und des Markenrechts erst sukzessive anerkannt wurde, so dass ein Rückgriff auf die Eingriffskondiktion oder die angemaßte Eigengeschäftsführung erschwert war. Insofern geht es zu weit, aus der Rechtsprechung des BGH per se zu folgern, dass der Rechtsgüterschutz die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs mit selbständiger Präventionsfunktion fordert.33 Das wäre nur der Fall, wenn die Nutzung des verletzten Rechts üblicherweise nicht gegen Lizenzgebühr erfolgt oder der Rechtsinhaber selbst mit dem Recht keinen Gewinn hätte erzielen können. In diesem Fall bestünden weder der Anspruch aus Eingriffskondiktion noch der aus angemaßter Eigengeschäftsführung. Das kommt bei Immaterialgüterrechten – die von vornherein auf wirtschaftliche Verwertung angelegt sind – nicht in Betracht. Sie sind Teil des Vermögensrechts, auch wenn der Rechtsinhaber im Einzelfall sein Recht nicht verwerten wollte. Allerdings haben die zweite und dritte Schadensberechnungsmethode, die vor der Kodifizierung als verdeckte Geltendmachung eines Anspruchs angesehen werden konnten, der eigentlich dem Bereicherungsrecht oder der Geschäftsführung ohne Auftrag entstammt, zur Folge, dass sich der Schadensersatzanspruch nicht auf den konkreten Schaden beschränkt. Vielmehr entspricht der konkrete Schaden eines Rechtsinhabers, der keine Lizenz erteilt hätte, weder der angemessenen Lizenzgebühr noch dem Verletzergewinn. Infolge dieser Schadensberechnung liegt ein Schadensersatzanspruch vor, der entweder überkompensatorisch ist und einen Präventionszweck verfolgt oder eine Form der Schadenspauschalierung ist. Der Gesetzgeber strebte bei der Regelung der dreifachen Schadensberechnung keine Abweichung vom Schadensausgleich an. Das ergibt sich indirekt daraus, dass ein Anspruch auf doppelte Lizenzgebühr zu Präventionszwecken dezidiert als ein mit der Richtlinie unvereinbarer Strafschadensersatz verworfen wurde.34 Zudem setzt das Ge33 Abl. gegenüber der Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs mit Präventionsfunktion auch Brandner, GRUR 1980, 359, 363; Deutsch, Haftungsrecht, S. 525; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 362; Rogge, FS Nirk, S. 929 f., 936; Staudinger/Medicus, BGB, 12. Aufl. 1983, § 249 Rn. 180; Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 201; s. auch Benkard/Rogge, PatG, § 139 Rn. 63; Preu, GRUR 1979, 753, 755. 34 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 16/5048, S. 61.

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setz die Richtlinie 2004/48/EG um, die ebenfalls keine Einführung eines Strafschadensersatzes anstrebt, sondern für die Festsetzung des Schadensersatzanspruchs ebenso wie das deutsche Recht die Berücksichtigung des Verletzergewinns sowie die Bestimmung des Schadensersatzes anhand der üblichen Lizenzgebühr erlaubt.35 Es ist eine „objektive Schadensberechnung“36 vorgesehen, die sich zwangsläufig vom konkreten Gewinn löst. Das spricht dafür, die dreifache Schadensberechnung zumindest seit ihrer Kodifikation als Schadenspauschalierung anzusehen. Ihr ist wie jedem Schadensersatzanspruch eine präventive Wirkung eigen, wenngleich der Umfang des Schadensersatzes sich nicht nach dem konkreten Abschreckungsbedürfnis gegenüber dem Schädiger richtet. Aus dem Immaterialgüterrecht ergibt sich somit nicht, dass eine selbständige Präventionsfunktion gegenwärtig Teil des deutschen Schadensersatzrechts ist. Zudem lässt sich die dreifache Schadensberechnung nicht auf die Fälle von schweren Persönlichkeitsverletzungen übertragen, bei denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer unbekannten Person verletzt wurde. Anders als bei der Öffentlichkeit bekannten Personen oder Immaterialgüterrechten existieren keine vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, so dass keine Ansprüche aus Eingriffskondiktion oder angemaßter Eigengeschäftsführung bestehen.37 Daher lässt sich auch für die Schadenspauschalierung weder an die angemessenen Lizenzgebühr noch an den Verletzergewinn anknüpfen. 2. Sonderfall: Die GEMA-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Eine Abweichung vom Schadensausgleich stellt vor allem die sog. GEMARechtsprechung des BGH dar, die der GEMA als Verwertungsgesellschaft einen Anspruch auf Zahlung einer doppelten Lizenzgebühr gewährt, wenn ein kleines Musikaufführungsrecht verletzt wurde. Sie geht auf die Entscheidungen des Kammergerichts in den 1930er Jahren zurück, das einen 100%igen Zuschlag auf die Lizenzgebühr wegen der Nichtanmeldung der Aufführung als eine Art Vertragsstrafe für geringfügige Rechtsverstöße zusprach.38 Der BGH stellt inzwischen auf die Kontroll- und Überwachungskosten ab, die billigerweise den Rechtsverletzer treffen müssten und nicht der Allgemeinheit durch die Erhöhung des Normaltarifs der GEMA aufzuerlegen seien.39 Der Gesetzgeber erkannte die Verdoppelung der Lizenzgebühr im Entwurf eines 35

Siehe oben § 8.B.II.2.b., S. 443 ff. Erwägungsgrund 26, Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2004/48/EG. 37 Siehe oben § 17.C.V., S. 759 ff. 38 KG 2.9.1937 UFITA 11 (1938), 55, 56 f.; 2.9.1937 UFITA 11 (1938), 284, 286; 19.1.1939 UFITA 12 (1939), 194, 195 f.; weitere Nachweise bei Gotthardt, UFITA 71 (1974), 77 Fn. 4. 39 BGH 24.6.1955 Z 17, 376, 383 (Betriebsfeiern); 9.3.1966 GRUR 1966, 570, 572 (Eisrevue III); 10.3.1972 Z 59, 286, 292 f. (Doppelte Lizenzgebühr); 6.3.1980 Z 77, 16, 26 f. (Tolbutamid); 22.1.1986 Z 97, 37, 50 f. (Filmmusik). 36

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Verwertungsgesellschaftsgesetzes im Jahre 1956 an, obwohl er sie wegen der gefestigten Rechtsprechung nicht ins Gesetz übernahm.40 Darauf verweist der BGH in seiner späteren Rechtsprechung41 und stützt sich weiter auf die Kontroll- und Überwachungskosten42 sowie die Gefahr erheblicher Defizite bei der Rechtsdurchsetzung43. Anders als bei Patentverletzungen gelangten keine Produkte in den Verkehr, so dass die Rechtsverletzung schwerer feststellbar sei. Zudem entstehe kein materieller Schaden bei den übrigen Nutzern oder dem Rechtsinhaber, da die GEMA einem Abschlusszwang unterliege und allen Nutzungsinteressierten eine Bewilligung erteilen müsse.44 Dem Widerspruch zum Schadensersatzrecht begegnet der BGH damit, dass die doppelte Lizenzgebühr ein erhöhtes Nutzungsentgelt wegen der Rechtsverletzungen sei.45 Die Vergütungssätze der GEMA gaben und geben jedoch für die Differenzierung zur Vergütung der rechtstreuen Nutzer keinen Anhaltspunkt.46 Zum Teil wird die Rechtsprechung daher als Privatstrafe47 oder als unzulässige Präventionssanktion abgelehnt48. Teilweise fand sie als Prävention weiterer Rechtsverletzungen Anerkennung.49 1994 kodifizierte der Gesetzgeber den Anspruch auf doppelte Lizenzgebühr, soweit die Meldepflicht bzw. Auskunftspflicht nach den §§ 54e, 54f UrhG vom Nutzer verletzt wurde. Die doppelte Lizenzgebühr gilt insoweit als Schadenspauschalierung wegen der erhöhten Verwaltungskosten der Verwertungsgesellschaft.50 Ein Schadensersatzanspruch setzt aber einen kausalen Schaden voraus, der bei allgemeinen Vorsorgeaufwendungen fehlt. Daher er40

Wilde, UFITA 19 (1955), 104, 108. BGH 10.3.1972 Z 59, 286, 287 f. (Doppelte Lizenzgebühr); dazu Loewenheim, JZ 1972, 12, 14; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 296 f.; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 782 ff.; s. auch Möller, Präventionsprinzip, S. 157 ff. (ablehnend zur gesetzgeberischen Anerkennung). 42 BGH 22.1.1986 Z 97, 37, 51 (Filmmusik); s. auch Rogge, FS Nirk, S. 929, 935; Traub, FS Roeber, S. 401, 405. 43 BGH 10.3.1972 Z 59, 286, 289 (Doppelte Lizenzgebühr). 44 BGH 10.3.1972 Z 59, 286, 290 (Doppelte Lizenzgebühr). 45 BGH 10.3.1972 Z 59, 286, 292 ff. (Doppelte Lizenzgebühr); für die Vereinbarkeit der GEMA-Rechtsprechung mit der Ausgleichsfunktion auch Schricker/Loewenheim, UrhG, § 54f Rn. 10. 46 v. Bar, UFITA 81 (1978), 57, 70; Loewenheim, JZ 1972, 12, 13; Möller, Präventionsprinzip, S. 159. 47 OLG Düsseldorf 9.6.1970 BB 1970, 981, 983; Loewenheim, JZ 1972, 12, 15; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 782; Spengler, GRUR 1953, 78, 79. 48 Heermann, GRUR 1999, 625, 629; Maaß, Kontrollzuschlag, S. 86, 103; Preu, GRUR 1979, 753, 759; Schiemann, Argumente, S. 231 f.; Wilde, UFITA 19 (1955), 104, 106. 49 v. Falck/Ohl, GRUR 1971, 541, 547; Gotthardt, UFITA 71 (1974), 77, 87 f.; Gottwald, Schadenszurechnung, S. 180; P. Müller, Punitive Damages, S. 314 ff.; s. auch v. Falkenhausen, Vorsorgekosten, S. 168 f.; s. auch Möller, Präventionsprinzip, S. 159 f., 169; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 200 f.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 211 f. 50 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 11/5744, S. 35; Wandtke/Bullinger/Lüft, UrhG, § 54e Rn. 3, § 54f Rn. 4. 41

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weitert die Regelung den Schadensersatzanspruch auf Aufwendungen, die sonst nicht ersatzfähig wären. Zudem entsteht bei der Verletzung der Auskunftspflicht kein besonderer Kontrollaufwand, so dass die doppelte Lizenzgebühr letztlich nur der Durchsetzung der Auskunftspflicht dient.51 Insofern handelt es sich um eine Privatstrafe. Das gilt auch für die ungeregelten Fälle der GEMA-Rechtsprechung.52 Sie zielt auf die Prävention weiterer Rechtsgutsverletzungen.53 Ihre Übertragung auf andere Bereiche des Immaterialgüterrechts lehnte der BGH bisher wegen ihrer Sonderstellung ab.54 Auch bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG fügte der Gesetzgeber trotz der Vorschläge in der Literatur keinen allgemeinen Anspruch auf doppelte Lizenzgebühr in das Immaterialgüterrecht ein, um den Rechtsgüterschutz zu verbessern.55 Der Bundesrat hatte eine doppelte Lizenzgebühr als widerlegliche Vermutung des Verletzergewinns vorgeschlagen.56 Das intendierte weniger eine Übernahme der GEMA-Rechtsprechung, sondern zielte auf eine Modifikation der dreifachen Schadensberechnung, um der Gewinnabschöpfung mehr praktische Relevanz zu verleihen.57 Die Bundesregierung beschränkte die gesetzlichen Regelungen indes auf die Berücksichtigung des Verletzergewinns, weil die doppelte Lizenzgebühr der Ausgleichsfunktion des 51

Siehe Möller, Präventionsprinzip, S. 156 f. Zur Vereinbarkeit der GEMA-Rechtsprechung mit der Richtlinie 2004/48/EG vgl. Erwägungsgrund 26 der Richtlinie, der die Kosten der Feststellung der Rechtsverletzung und ihrer Verursacher als relevant für die Bemessung des Schadensersatzes ansieht; dazu Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 710 f. 53 Fast allg. Anerkennung der Prävention statt aller Loewenheim, JZ 1972, 12, 15 (im Ergebnis kritisch); v. Falkenhausen, Vorhalte- und Vorsorgekosten, S. 125, 168 f.; zu § 54e Abs. 3, 54f Abs. 3 UrhG Möhring/Nicolini/Gass, UrhG, § 54f Rn. 9, § 54g Rn. 12; Wandtke/Bullinger/ Lüft, UrhG, § 54e Rn. 3, § 54f Rn. 4; s. auch Möller, Präventionsprinzip, S. 159 f. 54 BGH 6.3.1980 Z 77, 16, 26 f. (Tolbutamid); 22.1.1986 Z 97, 37, 50 (Filmmusik); 9.3.1966 GRUR 1966, 570, 572 (Eisrevue III); 15.10.1987 GRUR 1988, 296, 299 (GEMAVermutung IV). 55 Für die Einführung eines Anspruchs auf doppelte Lizenzgebühr Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 229; Metzger/Wurmnest, ZUM 2003, 922, 931 f. (auf vorsätzliche Rechtsverletzungen beschränkend); Kur, FS Kolle/Stauder, S. 365, 386 f.; Haft/Donle/Ehlers/Nack, GRUR Int. 2005, 403, 406; Tilmann, GRUR 2003, 647, 651; s. auch GRUR-Stellungnahme, GRUR 2003, 682, 684; eine Prävention über den Schadensausgleich hinaus befürworten Dreier, GRUR Int. 2004, 706, 708; s. auch OLG Düsseldorf 9.5.2006 NJW-RR 2007, 486, 487 (charakterisiert den Aufschlag als Vertragsstrafe); krit. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 784; abl. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 464. Für eine Gleichstellung der Immaterialgüterrechte mit den kleinen Musikaufführungsrechten auch Dreier, Kompensation, S. 91 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 161; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 176 ff. 56 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 16/5048, S. 53. 57 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 16/5048, S. 54; zust. Bodewig/Wandtke, GRUR 2008, 220, 225 ff.; Fromm/Nordemann, UrhG, § 97 Rn. 99; mit vergleichbaren Vorschlägen bereits Assmann, BB 1985, 15, 24 f. Vgl. auch den Richtlinienentwurf vom 30.1.2003, der in Art. 17 noch eine Regelung zur Zahlung einer doppelten Lizenzgebühr enthielt, die nicht als Strafe angesehen wurde (KOM [2003] 46 endg., S. 25). An deren Stelle bestimmt Art. 13 Abs. 1 lit. b Richtlinie 2004/48/EG nun die einfache Lizenzgebühr als zu ersetzender Mindestschaden. 52

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Schadensersatzes widerspreche und ein von der Richtlinie nicht gedeckter Strafschadensersatz sei.58 Trotz der langjährigen GEMA-Rechtsprechung und der Kodifizierung der dreifachen Schadensberechnung besteht somit eine erhebliche Zurückhaltung gegenüber der überkompensatorischen Entschädigung. Das scheint auf die Schadenspauschalierung, die im Einzelfall über den tatsächlichen Schaden hinausgehen kann, übertragen zu werden, zumindest besteht erhebliche Zurückhaltung, im Gewand der Schadenspauschalierung keinen Strafschadensersatz einzuführen. III. Ableitung der Präventionsfunktion anhand der wettbewerbsrechtlichen Sanktionen 1. Schadensersatzansprüche nach § 9 UWG und § 33 GWB Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht werden im UWG und GWB durch Schadensersatzansprüche und Ansprüche zur Vorteilsabschöpfung sanktioniert, wobei letztere nur bestimmten Verbänden, Einrichtungen oder den Kartellbehörden zustehen. Daneben bestehen einzelne Regelungen zugunsten der Verbraucher, die als Sanktion für ein wettbewerbswidriges Handeln wirken (§§ 241a, 661a BGB). Der Schadensersatzanspruch nach § 9 UWG gewährt dem Wettbewerber bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen § 3 UWG einen Anspruch auf Schadensersatz. Bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten und wettbewerbsrechtlich geschützter Rechtspositionen ist die dreifache Schadensberechnung zulässig59, wobei die objektive Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie oder dem Verletzergewinn präventive Wirkung entfaltet, soweit sie über den Schadensausgleich hinausgeht.60 Zum Schutz der Pressefreiheit ist der Schadensersatzanspruch gegen die verantwortlichen Personen bei periodischen Druckschriften auf vorsätzliche Rechtsverletzungen beschränkt, um die kritische Berichterstattung über Unternehmen nicht durch die drohende Haftung zu erschweren. Der Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 3 GWB sanktioniert die vorsätzlichen und fahrlässigen Verstöße gegen § 33 Abs. 1 GWB, Art. 101, 102 AEUV bzw. eine Einstellungsverfügung der Kartellbehörde und verpflichtet zum Ausgleich des Vermögensschadens. Der Anspruch dient nach der überwiegenden Ansicht nicht nur den eigenen Interessen des Verletzten, sondern auch der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im öffentlichen Interesse.61 58

Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 16/5048, S. 61. Vgl. Fezer/Koos, UWG, § 9 Rn. 28; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 9 Rn. 1.36; Piper/Ohly, UWG, § 9 Rn. 14 f.; s. oben § 18.A.II.1., S. 797 ff. 60 BGH 2. 11. 2000, GRUR 2001, 329, 331 (Gemeinkostenanteil); Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 9 Rn. 1.41; s. auch Fezer/Koos, UWG, § 9 Rn. 28. 61 Glöckner, WRP 2007, 490, 496 ff.; Langen/Bunte/Bornkamm, Kartellrecht, § 33 Rn. 9 ff.; LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 1; Roth, FK-GWB, § 33 Rn. 15 ff.; K. Schmidt, FS Benisch, S. 293 ff. 59

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Der Haftung wird eine Präventionsfunktion zugesprochen, weil die Verurteilung des Schädigers über den Einzelfall hinaus Signalwirkung hat.62 Der Schadensersatz ist aber auf den Schadensausgleich beschränkt, obwohl in der Praxis Schadensersatzklagen wegen des Aufwands für die Prozessführung eher selten sind und daher ein Durchsetzungsdefizit besteht. Inzwischen bündeln zum Teil Prozessführungsgesellschaften die Schadensersatzansprüche, so dass der Aufwand sinkt.63 Der Umfang des Vermögensschadens wird nach der Differenzhypothese berechnet, unabhängig davon, ob der Geschädigte seinen Schaden an seine eigenen Abnehmer weitergeben konnte (§ 33 Abs. 3 S. 2 GWB). Der Einwand des sog. passing on des Schadens ist nicht ausdrücklich ausgeschlossen, sondern es ist die Lehre von der Vorteilsausgleichung anzuwenden.64 Der unmittelbare Abnehmer des Kartells verkauft in der Regel den kartellbedingt verteuerten Gegenstand weiter an die mittelbaren Abnehmer. Wenn die Weitergabe des erhöhten Preises an den Abnehmer zu berücksichtigen wäre, beschränkt sich der zu ersetzende Schaden auf den Mehrgewinn, der ohne das Kartell erzielt worden wäre. Der Schaden durch das teurere Produkt traf vor der Normierung des § 33 Abs. 3 S. 2 GWB die mittelbaren Abnehmer und schließlich den Endabnehmer, die regelmäßig keine Klage gegen die Kartellmitglieder erhoben, so dass ein erhebliches Durchsetzungsdefizit bestand.65 Es war streitig, ob die Weiterveräußerung den Schaden verringert oder ein Fall der Vorteilsausgleichung vorliegt.66 § 33 Abs. 3 S. 2 GWB stellt klar, dass die Weiterveräußerung der Sache die Schadensermittlung nicht berührt und eine Vorteilsausgleichung somit grundsätzlich möglich ist.67 Angesichts des Schutzzwecks von §§ 1, 33 GWB und Art. 101 f. AEUV ist die Weitergabe des Schadens nicht zu berücksichtigen.68 Überwiegend wird die Lehre von der 62

LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 1. Dazu LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 1; angesichts der neueren Rechtsprechung s. OLG Düsseldorf 14. 5. 2008, WuW/E DE-R 2311 (Zementkartell). 64 BGH 28.6.2011 Z 190, 145, 162 f.; Langen/Bunte/Bornkamm, Kartellrecht, Art. 33 GWB Rn. 114, 116 ff.; LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 39. 65 LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 16, 40. Zur Anspruchsberechtigung der indirekten Abnehmer BGH 28.6.2011 Z 190, 145, 151 ff. 66 OLG Karlsruhe 28.1.2004, NJW 2004, 2243 ff. (Vitamin); Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 885 ff.; Schütt, WuW 2004, 1124, 1129; abl. zur Vorteilsausgleichung Hempel, WuW 2004, 362, 369; Köhler, GRUR 2004, 99, 103; Lettl, ZHR 167 (2003), 476, 487; Roth, FK-GWB, 33 Rn. 143 ff.; dazu LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 39. 67 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/3640, S. 35, 54; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 15/5049, S. 49; LG Dortmund 1.4.2004 WuW 2004, 1182 (Vitaminpreise in Dortmund); Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 885; Bulst, NJW 2004, 2201, 2202 f.; LMR/ Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 39; Roth, FS Huber, S. 1133, 1156 ff.; Säcker/Jaecks, MünchKommEUWettR, Art. 81 EG Rn. 901. 68 Al-Deb’i/Krause, ZGS 2006, 20, 22 ff.; Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 886 f.; Bulst, in: Möschel/Bien, Kartellrechtsdurchsetzung, S. 225, 235 ff.; Alexander, Schadensersatz, S. 410 ff.; Fuchs, WRP 2005, 1384, 1394 f.; Glöckner, WRP 2007, 490, 495, 499; Köhler, GRUR 63

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Vorteilsausgleichung aber nur auf unmittelbare Abnehmer angewendet, nicht auf mittelbare.69 Der BGH hat allerdings den Einwand des passing on nunmehr auch bei mittelbar Geschädigten zugelassen und verweist darauf, dass der Zweck des kartelldeliktischen Schadensersatzanspruchs der Vorteilsausgleich grundsätzlich nicht entgegensteht.70 Die Prävention weiterer Kartellrechtsverstöße sieht der Gerichtshof als Nebeneffekt der Kompensation, das Bereicherungsverbot wird aufrechterhalten.71 Nur wenn die Abwälzung des Preises auf einer besonderen Anstrengung des Abnehmers beruht, sei eine Vorteilsausgleichung zulässig, so dass der Einwand des passing on ausscheidet.72 Die Effizienz des Schadensersatzanspruchs sei durch die Beweislastverteilung hinreichend gesichert.73 Zudem muss der Abnehmer, der den überhöhten Preis auf die nächste Marktstufe abwälzt, einen Anspruch auf entgangenen Gewinn wegen Nachfragerückgangs haben.74 Trotz der Regelungen in § 33 Abs. 3 S. 3 GWB, § 252 S. 2 BGB und § 287 Abs. 1 ZPO ist der Schadensumfang häufig schwer zu ermitteln. § 33 Abs. 3 S. 3 GWB erlaubt die Berücksichtigung des anteiligen Gewinns, den das Unternehmen durch den Kartellrechtsverstoß erlangt hat. Vorbild für die Regelung war die dreifache Schadensberechnung im Immaterialgüterrecht.75 § 33 69 2004, 99, 103; Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 487 f.; LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 40; Raum, FS Hirsch, S. 301, 304 f.; W.-H. Roth, FK-GWB, § 33 Rn. 145 ff.; Säcker/Jaecks, MünchKomm-EUWettbR, Art. 81 EG Rn. 903 f.; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 407; ähnlich KG 1.10.2009 2 U 10/03 Kart, zit. nach juris, das von einer Gesamtgläubigerschaft zwischen direktem und indirektem Abnehmer ausgeht (krit. Bulst, in: Möschel/Bien, Kartellrechtsdurchsetzung, S. 225, 255 ff.; Kamann/Ohlhoff, ZWeR 2010, 303, 315 ff.); differenzierend Reich, WuW 2008, 1046, 1053; Wiedemann/Topel, Kartellrecht, § 50 Rn. 133 ff.; krit. Kießling, GRUR 2009, 733, 739; s. aber Langen/Bunte/Bornkamm, Kartellrecht, § 33 Rn. 119 ff., der die Lehre von der Vorteilsausgleichung anwenden will, aber wegen der Beweisschwierigkeiten davon ausgeht, dass der direkte Abnehmer häufig einen ungeschmälerten Schadensersatzanspruch geltend machen kann; vgl. Weller, ZWeR 2008, 170, 176, der in dem Verwehren des passing-on-Einwands ein pönales Element sieht. 69 Al-Deb’i/Krause, ZGS 2006, 20, 22 ff.; Bechtold, GWB, § 33 Rn. 10 f., 24 f. (Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf die unmittelbar Betroffenen); Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 886 f.; Glöckner, WRP 2007, 490, 495 ff.; Kahlenberg/Haellmigk, BB 2005, 1509, 1514; Köhler, GRUR 2004, 99, 101; LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 16; a. A. Immenga/Mestmäcker/Emmerich, GWB, § 33 Rn. 58. 70 BGH 28.6.2011 Z 190, 145, 164 f.; zust. Dück/Eufinger, WRP 2011, 1530, 1533; s. auch Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298, 300; krit. W.-H. Roth, FS Huber, S. 1133, 1153 f. 71 BGH 28.6.2011 Z 190, 145, 164. 72 BGH 28.6.2011 Z 190, 145, 164, 165 f.; so bereits Bechtold, GWB, § 33 Rn. 28; krit. Soyez, EuZW 2012, 101, 102, der darauf verweist, dass bei Weitergabe der erhöhten Kartellpreise eine Nachfrageflexibilität bestand, so dass der höhere Preis unabhängig vom Grund der Preiserhöhung möglich gewesen wäre. 73 BGH 28.6.2011 Z 190, 145, 165; krit. Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206, 208 f.; Lübbig/ Mallmann, WRP 2012, 166, 171 f. 74 Dazu Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298, 299 f. 75 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/3640, S. 54.

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Abs. 3 S. 3 GWB lässt aber offen, ob der gesamte Gewinn oder nur der Mehrgewinn infolge des Rechtsverstoßes zu berücksichtigen ist und ob ein Wahlrecht zwischen Verletzergewinn und entstandenem Schaden besteht.76 Überwiegend gilt § 33 Abs. 3 S. 3 GWB nicht als Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns.77 Wegen seines Wortlauts sei er nur eine Beweiserleichterung, zumal die Gewinnabschöpfung über den Schadensausgleich hinausgehe.78 2. Vorgaben des EU-Kartellrechts für die Sanktion des Rechtsverstoßes Die wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzansprüche unterliegen auch den Vorgaben des Unionsrechts, zumal Art. 101 AEUV unmittelbar für Privatpersonen gilt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Verstöße gegen Art. 101 AEUV mit Schadensersatzansprüchen zu sanktionieren.79 Bei der Verletzung von Art. 101 AEUV soll jedermann Ersatz des erlittenen Schadens verlangen können, damit sich die Durchsetzungskraft des unionsrechtlichen Wettbewerbsrechts erhöht.80 Das steht in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der seit der Rechtssache Gend & Loos die Mitgliedstaaten als verpflichtet ansieht, die individuellen Rechte aus dem Unionsprimärrecht zu schützen.81 Zudem müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 EUV auf die effektive Verwirklichung des Unionsrechts hinwirken.82 Der Schadensersatzanspruch darf nicht ungünstiger ausgestaltet sein als vergleichbare Ansprüche nach nationalem Recht (Äquivalenzgrundsatz).83 Zudem dürfe die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden (Effektivitätsgrundsatz).84 Das gebietet aber keinen überkompensatorischen Entschädigungsanspruch. Die innerstaat-

76 Immenga/Mestmäcker/Emmerich, GWB, § 33 Rn. 63; krit. zu § 33 Abs. 3 S. 3 GWB auch Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 884; Fuchs, WRP 2005, 1384, 1395; Hempel, WuW 2004, 362, 370 f.; Meessen, WuW 2004, 733, 737 ff. 77 Bechtold, GWB, § 33 Rn. 29; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, GWB, § 33 Rn. 65; LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 38; vgl. Langen/Bunte/Bornkamm, Kartellrecht, § 33 Rn. 132 ff. 78 Bechtold, GWB, § 33 Rn. 29; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, GWB, § 33 Rn. 65; Langen/Bunte/Bornkamm, Kartellrecht, § 33 Rn. 132 ff.; LMR/Rehbinder, GWB, § 33 Rn. 38. 79 EuGH 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 26 f. (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 90 f. (Manfredi). 80 EuGH 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 26 f. (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 90 f. (Manfredi). 81 EuGH 5.2.1963 Slg. 1963, 1, 25 (Gend & Loos); 9.3.1978 Slg. 1978, 629 Rn. 21/23 (Simmenthal); 19.6.1990 Slg. 1990, I-2433 Rn. 19 (Factortame). 82 Siehe oben § 8.A.I., S. 424 ff. 83 EuGH 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 29 (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 92 f. (Manfredi); allg. zum Äquivalenzgrundsatz s. § 8.A.I., S. 424 ff. 84 EuGH 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 29 (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 92 f. (Manfredi).

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lichen Gerichte sind – so der EuGH – nicht gehindert, die Bereicherung des Anspruchsberechtigten zu verhindern.85 Diese Vorgaben werden teilweise in einen Zusammenhang mit einem Paradigmenwechsel im europäischen Kartellrecht gestellt.86 Neben dem Normvollzug durch die Behörden erfolgt eine Stärkung der individuellen Klagerechte als private enforcement des Wettbewerbsrechts. Die Rechtsdurchsetzung durch Privatpersonen im Interesse der Allgemeinheit strebt eine Verbesserung des Normvollzugs an. Im hiesigen Kontext kommt es darauf an, ob die Stärkung der Klagerechte zugleich überkompensatorische Schadensersatzansprüche in das Privatrecht integriert. Das Europarecht gebietet eine solche Entschädigung nach der Rechtsprechung des EuGH indes nicht. Insbesondere in den Entscheidungen Courage und Manfredi wird den nationalen Gerichten explizit erlaubt, den Schadensersatzanspruch durch ein Bereicherungsverbot zu beschränken.87 Eine Neuausrichtung des Kartelldeliktsrechts ergibt sich auch nicht aus dem Weißbuch zu Schadensersatzklagen bei Verstößen gegen das europäische Wettbewerbsrecht, das die Europäische Kommission im Jahre 2008 vorgelegt hat.88 Beim Schadensersatz strebt die Kommission eine Wiedergutmachung durch die Schadenskompensation an, wobei sowohl eine Über- als auch eine Unterkompensation vermieden werden sollen.89 Das diene zugleich der Abschöpfung der rechtswidrigen Kartellrendite. In ihrem Grünbuch aus dem Jahre 2005 hatte die Kommission die Abschreckung weiterer Rechtsverletzungen noch als gleichberechtigtes Ziel der Schadensersatzklagen wegen Wettbewerbsverstößen benannt. Zur Definition des ersatzfähigen Schadens schlug sie neben dem kompensatorischen Schadensersatz die Rückforderung rechtswidriger Gewinne und bei horizontalen Kartellen einen Schadensersatz in doppelter Höhe vor.90 Davon ist sie im Weißbuch abgerückt und schlägt Maßnahmen 85 EuGH 4.10.1979 Slg. 1979, 2955 Rn. 14 (Ireks-Arkady/Rat); 27.2.1980 Slg. 1980, 501 Rn. 26 (Just); 21.9.2000 Slg. 2000, I-7145 Rn. 31 (Michaïlidis); 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 30 (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 94 (Manfredi). 86 G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 405 f.; krit. K. Schmidt, ZEuP 2004, 881, 883 f. 87 EuGH 20.9.2001 Slg. 2001, I-6297 Rn. 30 (Courage); 13.7.2006 Slg. 2006, I-6619 Rn. 94 (Manfredi); s. auch EuGH 4.10.1979 Slg. 1979, 2955 Rn. 14 (Ireks-Arkady/Rat); 27.2.1980 Slg. 1980, 501 Rn. 26 (Just); 21.9.2000 Slg. 2000, I-7145 Rn. 31 (Michaïlidis). 88 Europäische Kommission, Weißbuch Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EUWettbewerbsrechts vom 2.4.2008, KOM (2008) 165 endg.; dazu Becker, in: Augenhofer, Europäisierung, S. 15 ff.; Bulst, Bucerius Law Journal 2008, 81 ff.; Kießling, GRUR 2009, 733, 736 ff.; Ritter, WuW 2008, 762 ff.; Weidenbach/Saller, BB 2008, 1020 ff. 89 Europäische Kommission, Weißbuch Schadensersatzklagen wegen der Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 2.4.2008, KOM (2008) 165 endg., S. 3; dazu Becker, in: Augenhofer, Europäisierung, S. 15, 25. 90 Europäische Kommission, Grünbuch Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EUWettbewerbsrechts vom 19.12.2005, KOM (2005) 672 endg., S. 8 (Optionen 15, 16), Annex Arbeitspapier zum Grünbuch vom 19.12.2005, S. 43; dazu Eilmansberger, CMLR 44 (2007), 431 ff.

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vor, „die sich auf die europäische Rechtskultur und -tradition stützen“.91 Der Schadensersatz beschränkt sich auf den vollständigen Schadensausgleich, der nur faktisch eine abschreckende Wirkung habe.92 Somit ist klargestellt, dass es um die Schadenskompensation geht und die darüber hinausgehende Abschreckung originäre Aufgabe des Staates ist.93 Das entspricht dem Verständnis der meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union.94 3. Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG und den §§ 34, 34a GWB Neben den Schadensersatzansprüchen des Geschädigten enthalten § 10 UWG und die §§ 34, 34a GWB selbständige Gewinnabschöpfungsansprüche. Bei aktiven Verstößen gegen § 3 UWG, durch die auf Kosten einer Vielzahl von Abnehmern Gewinne erzielt werden, räumt § 10 UWG den Verbänden, Einrichtungen und Kammern i. S. von § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 UWG einen Anspruch auf Herausgabe des Gewinns an den Bundeshaushalt ein. Der Gewinn ist anhand des Umsatzerlöses unter Abzug der Herstellungs- und Betriebskosten zu ermitteln. Gemeinkosten und Aufwendungen, die auch ohne das wettbewerbswidrige Handeln angefallen wären, bleiben unberücksichtigt. Zudem ist der Gewinnabschöpfungsanspruch subsidiär, so dass alle sonstigen Verpflichtungen des Anspruchsgegners wegen der Zuwiderhandlung vom herauszugebenden Gewinn abzuziehen sind (§ 10 Abs. 2 UWG). Das erfasst Schadensersatzforderungen ebenso wie die Geldstrafen (§ 40 StGB), den Verfall von Vermögen (§§ 73 ff. StGB) sowie Ordnungsgelder nach § 890 Abs. 1 ZPO, sofern sie nicht nur angedroht, sondern verhängt wurden.95 Der Anspruch aus § 10 UWG soll nur sicherstellen, dass die Vorteile aus dem Wettbewerbsverstoß nicht beim rechtswidrig Handelnden verbleiben, und zielt insofern nicht auf eine unrechtsangemessene Bestrafung.96 Dieser Anspruch fügt sich nicht in die sonstigen Sanktionen des Privatrechts ein. Eine Gewinnabschöpfung erfolgt sonst, wenn die herauszugebenden Gewinne dem Rechtsinhaber durch das Vermögensrecht zugeordnet sind

91 Europäische Kommission, Weißbuch Schadensersatzklagen wegen der Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 2.4.2008, KOM (2008) 165 endg., S. 3. 92 Zum Abschreckungseffekt des vollständigen Schadensausgleichs: Europäische Kommission, Weißbuch Schadensersatzklagen wegen der Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 2.4.2008, KOM (2008) 165 endg., S. 3. 93 Becker, in: Augenhofer, Europäisierung, S. 15, 27. 94 Becker, in: Augenhofer, Europäisierung, S. 15, 23. 95 Dazu Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 13; Wimmer-Leonhardt, GRUR 2004, 12, 19 f.; s. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/1487, S. 24; a. A. Gärtner, GRUR Int. 2008, 817, 820. Keine Anrechnung der Kosten der Rechtsverteidigung Gärtner, GRUR Int. 2008, 817, 819 f.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 13; Piper/Ohly/ Sosnitza, UWG, § 10 Rn. 12; a. A. Sack, WRP 2003, 549, 554. 96 Alexander, JZ 2006, 890, 893; Have-Bavedamm/Henning-Bodewig/Goldman, UWG, § 10 Rn. 6; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, § 10 Rn. 1.

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oder auf einem Geschäft beruhen, das zu seinem Geschäftskreis gehört.97 Der Gewinnabschöpfungsanspruch aus § 10 UWG soll hingegen die Durchsetzungslücken bei Streuschäden von geringer Höhe schließen und ein Marktversagen korrigieren.98 Daher gilt er als Institut sui generis.99 Die Gewinnabschöpfung hat zudem eine präventive Wirkung, ohne das Strafmonopol des Staates zu verletzen100. An der Effektivität der Prävention bestehen aber erhebliche Zweifel. Das Verfahren ist aufwändig sowie risikoreich und wegen des Einschaltens von Sachverständigen mit erheblichen Kosten verbunden.101 Zudem ist eine vorsätzliche Rechtsverletzung erforderlich, und die Berechnung des Gewinns wirft erhebliche praktische Schwierigkeiten auf.102 Nach dem Vorbild des § 10 UWG wurde § 34a GWB in das Kartellrecht eingefügt, um den Verbänden die Abschöpfung der wirtschaftlichen Vorteile zu erlauben, die aus Verstößen gegen die §§ 1, 19–21 GWB und Art. 101, 102 AEUV resultieren.103 Im Gegensatz zu § 10 UWG erfasst § 34a GWB auch alle sonstigen wirtschaftlichen Vorteile wie die verbesserte Marktposition des Täters. In der Regel beschränken sich die Vorteile aber auf den Mehrerlös, der in gleicher Weise wie bei § 10 UWG zu berechnen ist. Die Vorteilsabschöpfung der Verbände tritt im Kartellrecht neben die Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörden nach § 34 GWB. Die Verbände schließen somit die Lücken, falls die Kartellbehörde von der Gewinnabschöpfung absieht.104 Daher gilt § 34a GWB als verwaltungsrechtliches Instrument mit Präventionsziel105, dessen Zielsetzung mit der des § 10 UWG vergleichbar ist.106 Zur Abschreckung 97 Z. B. §§ 285, 292, 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 812 BGB; §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 S. 1 BGB; §§ 61 Abs. 1, 113 Abs. 1, 161 Abs. 2, 165 HGB; ausführlich zur Gewinnherausgabe im Privatrecht die Habilitationsschrift von Helms, Gewinnherausgabe als haftungsrechtliches Problem, 2007. 98 Alexander, JZ 2006, 890, 893 f.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 4; Piper/ Ohly/Sosnitza, UWG, § 10 Rn. 1; s. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/ 1487, S. 23. 99 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 3, 5; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, § 10 Rn. 1; Schaub, GRUR 2005, 918, 921; krit. zum Verhältnis von Zweck und Ausgestaltung Alexander, JZ 2006, 890, 892. 100 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/1487, S. 24; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 3; gegen die strafrechtliche Qualifikation auch Lettl, UWG, Rn. 672; Oppermann/Müller, GRUR 2005, 280, 283; a. A. Engels/Salomon, WRP 2004, 32, 42 f.; Sack, WRP 2003, 549, 552; Wimmer-Leonhardt, GRUR 2004, 12, 16 ff. (Systembruch und Verfassungswidrigkeit). 101 Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, § 10 Rn. 4; Stadler, in: Augenhofer, Europäisierung, S. 117, 132 f.; relativierend Gärtner, GRUR Int. 2008, 817, 819. 102 Beuchler, WRP 2006, 1288 ff.; Piper/Ohly, UWG, § 10 Rn. 2 f.; Engels/Salomon, WRP 2004, 32, 42 f.; Münch, ZIP 2004, 2032, 2032 f.; Sack, WRP 2003, 549, 551; Stadler, in: Augenhofer, Europäisierung, S. 117, 134 f.; krit. auch Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 15/ 1487, S. 34; offener Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 10 Rn. 2. 103 Fuchs, WRP 2005, 1384, 1391 (mit Bedenken zur Effizienz). 104 LMR/Rehbinder, GWB, § 34a Rn. 1. 105 LMR/Rehbinder, GWB, § 34a Rn. 1. 106 Alexander, JZ 2006, 890, 893 f.

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weiterer Rechtsverletzungen sollen alle wirtschaftlichen Vorteile aus dem Kartellrechtsverstoß in den Bundeshaushalt fließen. Um eine darüber hinausgehende Belastung zu verhindern, sind alle sonstigen Verpflichtungen und Belastungen wegen der Zuwiderhandlung auf den Anspruch anzurechnen. 4. § 241a BGB und § 661a BGB Im Zusammenhang mit den Sanktionen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht sind noch § 241a BGB und § 661a BGB zu erwähnen. Die nachträglich in das BGB eingefügten Regelungen ergänzen die Schadensersatzund Vorteilsabschöpfungsansprüche im GWB und UWG, um unzulässigen wettbewerbsrechtlichen Praktiken entgegenzuwirken. § 661a BGB gibt dem Verbraucher bei Gewinnzusagen oder vergleichbaren Mitteilungen, die den Eindruck erwecken, der Verbraucher habe einen Preis gewonnen, einen Anspruch auf diesen Preis. Das dient dem Schutz des Verbrauchers vor unlauterem Wettbewerb und soll der Praxis entgegenwirken, Verbraucher mit Gewinnzusagen zum Kauf von Waren und Bezug von Dienstleistungen zu motivieren.107 Dogmatisch steht sie in Konflikt mit der Rechtsgeschäftslehre, da in der Regel kein rechtsgeschäftlicher Wille bestand, sich zur Leistung des Preises zu verpflichten.108 Solange kein geheimer Vorbehalt besteht, liegt kein wirksames Rechtsgeschäft vor. Daneben schützt § 241a BGB den Verbraucher bei der Zusendung unbestellter Ware vor Zahlungspflichten und vor sonstigen Ansprüchen. Die Regelung beruht auf Art. 9 Fernabsatzrichtlinie und dient dem Verbraucherschutz sowie der privatrechtlichen Sanktion für die sog. anreißerische Werbung, die ein wettbewerbswidriges Vertriebskonzept darstellt.109 Auch die Aufnahme des § 241a ins BGB wurde als dogmatisch unstimmig kritisiert.110 Diese knappe Übersicht zeigt, dass die Abweichungen von der tradierten zivilrechtlichen Konzeption dem Schutz der Verbraucher wie des Wettbewerbs dienen sollen. Wegen der Widersprüche zu den Strukturen des BGB erfolgten Sonderregelungen. IV. Zusammenfassung und Bewertung Der Überblick über die Regelungen, an die bei der Ableitung einer allgemeinen Präventionsfunktion angeknüpft wird, lässt kein einheitliches Bild zugunsten 107 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/2658, S. 48 f.; BGH 28.11.2002 Z 153, 82, 90; 15.3.2006 NJW 2006, 2548, 2549; Seiler, MünchKomm-BGB, § 661a Rn. 1; Staudinger/ Bergmann, BGB, § 661a Rn. 2 f.; Palandt/Sprau, BGB, § 661a Rn. 1. 108 Seiler, MünchKomm-BGB, § 661a Rn. 1. 109 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/2658, S. 23; Berger, JuS 2001, 649, 650; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 428 f.; Sosnitza, BB 2000, 2317 ff.; G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 369. 110 Flume, ZIP 2000, 1427, 1428 f.; Hensen, ZIP 2000, 1151; Schwarz, NJW 2001, 1449 ff.; differenzierend krit. Krebs, AnwK-BGB, § 241a Rn. 6 ff.; Staudinger/Olzen, BGB, § 241a Rn. 12 ff.

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einer Präventionsfunktion im Schadensersatzrecht entstehen. Einigkeit besteht wohl darüber, dass die Verpflichtung zum Schadensersatz, die Haftungsbegründung, auch eine präventive Wirkung hinsichtlich zukünftiger Rechtsverletzungen hat. Das gilt für die Anordnung der Haftung, aber auch für die Ableitung der Schutz- und Verkehrspflichten und die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs bei der Fahrlässigkeit. Insofern hat der Schadensersatzanspruch, selbst wenn er sich auf den Schadensausgleich beschränkt, zumindest eine präventive Wirkung. Ein Schadensersatzanspruch, dessen Haftungsfolge eine selbständige Präventionsfunktion hat, so dass sich seine Höhe nicht nur am Schaden, sondern auch nach dem Abschreckungsbedürfnis ausrichtet, besteht hingegen grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme ist die Erhöhung der Entschädigung wegen verzögerter Schadensregulierung durch den Schädiger oder dessen Versicherung.111 Dieser Anspruch ist mit dem geltenden Recht im Grunde unvereinbar. Er kann für die Ableitung einer selbständigen Präventionsfunktion höchstens dienen, wenn daneben weitere vergleichbare Ansprüche bestehen. Daher ist kein allgemeiner Grundsatz des Privatrechts erkennbar. Eine Erhöhung der Entschädigung zu Präventionszwecken, ohne einen festen Maßstab für deren Höhe, hat die Rechtsprechung daneben nur für den Entschädigungsanspruch wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen entwickelt. Der Entschädigungsanspruch sollte einen echten Hemmungseffekt erzielen. Bei seiner Bemessung wurde der Verletzergewinn berücksichtigt, ohne eine strikte Gewinnabschöpfung vorzunehmen. Die Erhöhung des Anspruchs zu Präventionszwecken ist durch die Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts obsolet geworden. Lediglich bei unbekannten Personen beschränkt sich der sekundäre Rechtsschutz auf die Wiedergutmachung ideeller Schäden. Daher ist zu prüfen, ob der bloße Schadensausgleich dem Schutzgebot aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG in diesen Fällen ausreichend Rechnung trägt. Sofern die Grundrechte eine selbständige Präventionsfunktion des Entschädigungsanspruchs fordern, beschränkt sich dieses Gebot aber auf deren Reichweite. Daher lässt sich eine Präventionsfunktion des Schadensersatzanspruchs nur auf das Schutzgebot stützen, wenn eine solche Weiterentwicklung des Schadensersatzrechts trägt. Das ist insbesondere für die erhöhte Entschädigung wegen verzögerter Schadensregulierung zu verneinen. Darüber hinaus bestehen bisher keine Ansprüche, deren Bemessung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts entsprechend dem Abschreckungsbedürfnis erhöht wird. Es existiert stets ein Maßstab für die Bemessung des Schadensersatzes, von dem im Einzelfall nicht wegen eines erhöhten Präventionsbedarfs abgewichen werden kann. Die Schadensersatzansprüche aus dem Immaterialgüterrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz stellen vor allem durch Vorgaben zur Schadenspauschalierung sicher, dass ein Schadenser111

Siehe oben § 4.C.VII., S. 255 ff.

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satz trotz der Schwierigkeiten bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns geltend gemacht wird. Die dreifache Schadensberechnung soll vor allem sicherstellen, dass sich das Delikt nicht für den Schädiger lohnt. Zum einen verhindert die Berechnung des Schadens anhand der angemessenen Lizenzgebühr, dass der Schädiger besser steht als er bei Einholung einer Lizenz gestanden hätte. Zum anderen macht der Anspruch auf Gewinnherausgabe das Delikt unattraktiv. Beide Ansprüche lassen sich im Grunde auf vermögensrechtliche Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsführung ohne Auftrag zurückführen, so dass – im Gewand des Schadensersatzanspruchs – im Grunde andere Ansprüche daherkommen. Spätestens seit der gesetzlichen Neuregelung von 2008 lässt sich darin eine Form der Schadenspauschalierung sehen, weniger der Prävention. Die Pauschalierung führt zwar gegebenenfalls zur Überkompensation, die aber im Interesse am effektiven Rechtsschutz hingenommen wird, wenn ansonsten die Schwierigkeiten bei der Schadensberechnung die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs verhindern würden. Etwas anderes gibt auch die Richtlinie 2004/48/EG nicht eindeutig vor, sondern sie überlässt die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion des Schadensersatzanspruchs, die über den pauschalierten Schadensausgleich hinausgeht, den Mitgliedstaaten. Vergleichbare Ansprüche auf Lizenzanalogie und Herausgabe des Verletzergewinns ergeben sich bei der Verletzung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Eingriffskondiktion und Geschäftsführung ohne Auftrag. Diesen Ansprüchen sowie den Schadensersatzansprüchen nach dem Immaterialgüterrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz ist gemeinsam, dass die Rechtsordnung die Nutzung des Rechts dem Rechtsinhaber zuweist, soweit diese nicht gemeinfrei ist. Der Anspruch auf eine angemessene Lizenzgebühr bzw. die Abschöpfung des Verletzergewinns sind insofern bereits im Vermögensrecht angelegt und keine eigenständige Reaktion auf das Delikt, die über die Zuweisung der Vermögenswerte hinausgeht. Bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter besteht hingegen nur ein Anspruch auf Wiedergutmachung immaterieller Schäden. Eine Gewinnabschöpfung ist unmöglich. Etwas anderes gilt hingegen für die Ansprüche auf Vorteilsabschöpfung aus § 10 UWG und den §§ 34, 34a GWB. Sie stehen nicht dem Geschädigten zu, sondern den in der Regelung abschließend aufgezählten Verbänden bzw. den Kartellbehörden. Insofern besteht keine vergleichbare Zuordnung von vermögenswerten Nutzungen durch die Rechtsordnung wie bei Immaterialgüterrechten oder vermögensrechtlichen Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daher können die Anspruchsinhaber die Herausgabe der Vorteile nicht an sich verlangen, sondern nur an den Bundeshaushalt. Die Verbände werden nicht für ihre Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit belohnt, sondern agieren nur in Verfolgung ihrer altruistischen Zwecksetzung. Insofern handelt es sich um eine gezielte Ergänzung des Kartelldeliktsrechts.

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Die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gehen im Wettbewerbsrecht zudem nur auf den Ausgleich des erlittenen Schadens. § 33 Abs. 3 S. 2, 3 GWB erleichtert nur die Berechnung des Schadens, indem er klarstellt, dass der Schaden durch die Weitergabe der Kosten nicht ausgeschlossen wird. Zudem ist den Gerichten die Berücksichtigung des Verletzergewinns erlaubt, wobei die Literatur ganz überwiegend davon ausgeht, dass anders als bei der Verletzung eines Immaterialgüterrechts kein Wahlrecht zwischen dem Ersatz des konkreten Schadens und der Gewinnherausgabe besteht. Der Gewinn wird nur bei der Bemessung des Schadensersatzes einbezogen. Diese Zurückhaltung steht in Einklang damit, dass bei der Verletzung von § 1 GWB bzw. §§ 3, 4 UWG kein Anspruch aus Eingriffskondiktion oder Geschäftsführung ohne Auftrag besteht. Das Wettbewerbsrecht enthält nur Verhaltensregeln für die Wettbewerber, aber keine Zuordnung von Vermögenswerten. Daher ist die unterschiedliche Behandlung von Verletzungen des Immaterialgüterrechts und der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts auf der einen Seite und des Wettbewerbsrechts auf der anderen Seite eine Fortführung dessen, was bereits im Vermögensrecht angelegt ist. Es kommt zu keiner Bereicherung des Geschädigten, da er nur erlangt, was er auch auf der Grundlage der Eingriffskondiktion oder der Geschäftsführung ohne Auftrag hätte verlangen können. Anders als beim Strafschadensersatz des englischen oder USamerikanischen Rechts kommt es nicht zu einem sog. windfall profit zugunsten des Geschädigten. Soweit die Gewinnabschöpfung über das hinausgeht, was die Rechtsordnung dem Geschädigten zuordnet, ist der abgeschöpfte Vorteil an den Bundeshaushalt zu zahlen. Eine Prävention erfolgt somit vor allem durch die Abschöpfung der Gewinne bzw. der Bereicherung des Schädigers. Die Ausgestaltung des Anspruchs ist nicht einheitlich, folgt aber überwiegend den Strukturen, die bereits im Vermögensrecht vorgeprägt sind. Eine davon unabhängige Prävention durch Gewinnabschöpfung wie im Wettbewerbsrecht ist die Ausnahme. Sie ist gezielt so gestaltet, um das Delikt unattraktiv zu machen, setzt aber keinen Klageanreiz für die Anspruchsinhaber. Somit bleibt es im Wettbewerbsrecht vorrangig bei der Regulierung durch die zuständigen Behörden. Die Schadensersatzklagen und die Vorteilsabschöpfung sind nur eine Ergänzung der behördlichen Rechtsdurchsetzung. Das stimmt auch mit den Entwicklungen auf europäischer Ebene überein. Die Europäische Kommission betont im Weißbuch, dass die behördliche Rechtsdurchsetzung eine dominierende Rolle spielt, die durch die Schadensersatzklagen ergänzt wird.112 Die Formulierung eines allgemeinen Präventionsprinzips im Schadensersatzrecht, das eine überkompensatorische Entschädigung erlaubt, ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Eine solche Weiterentwicklung bedarf eines Ein112

Europäische Kommission, Weißbuch zu den Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 2.4.2008, KOM (2008) 165 endg., S. 3 f.

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greifens des Gesetzgebers. Punktuell kann eine Verbesserung des Rechtsgüterschutzes insbesondere durch die grundrechtlichen Schutzpflichten geboten sein. Vor allem beim Ausgleich immaterieller Schäden lässt sich die Erfüllung der Schutzpflicht bei der Rechtsfolgenbestimmung berücksichtigen, da die angemessene Entschädigung eine Integration von Bemessungskriterien erlaubt, die über den Schadensausgleich hinausgehen. Das führt aber zur Ungleichbehandlung des Ersatzes von Vermögens- und Nichtvermögensschäden, für die kein sachlicher Grund besteht. Zudem steht die überkompensatorische Entschädigung im Widerspruch zur bisherigen Entwicklung, die eine Gewinnabschöpfung zum eigenen Vorteil nur demjenigen erlaubte, dem die Rechtsordnung die Sache, das Recht bzw. deren Nutzungen zugewiesen hat. Darüber hinaus bestehen nur Gewinnabschöpfungsansprüche an den Bundeshaushalt. Auch dieser Widerspruch ist aufzulösen, wenn der Entschädigungsanspruch wegen eines ideellen Schadens zum Zwecke der Prävention erhöht werden soll.

B. Keine Verpflichtung zur Einführung einer Privatstrafe I. Vorgaben aus dem europäischen Primär- und Sekundärrecht Eine Ergänzung des deutschen Privatrechts um eine Privatstrafe oder die Erweiterung des Schadensersatzanspruchs um eine (selbständige) Präventionsfunktion ist durch das europäische Recht nur geboten, wenn aus dem Primäroder Sekundärrecht eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten resultiert, die sich nur in dieser Form umsetzen lässt. Konkrete Vorgaben für den Schutz einzelner Rechtsgüter und damit verbundener Sanktionen ergeben sich in erster Linie aus dem Sekundärrecht. Die Richtlinien zum Vertrags- und Deliktsrecht enthalten aber nur vereinzelt Bestimmungen zum Schadensersatz und verpflichten zudem nur zum vollständigen Schadensausgleich. Das gilt für die Pauschalreiserichtlinie113 sowie die Datenschutzrichtlinie.114 Auch die Verordnungen VO (EG) Nr. 261/2004 und VO (EG) Nr. 1371/2007 gewähren in Art. 7 bzw. Art. 17 Abs. 1, 3 einen pauschalen Ausgleichsanspruch für die Verspätung, Annullierung und Nichtbeförderung durch eine Fluggesellschaft bzw. ein Eisenbahnunternehmen. Der Anspruch soll die erlittenen Schäden ausgleichen und zukünftigen Rechtsverletzungen entgegenwirken, ohne dass es sich um einen Strafschadensersatz handelt.115 Vielmehr erleichtert die Pauschalierung die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs. Dass der Schaden im Einzelfall hinter dem Ausgleichsanspruch zurückbleibt, wird aus Gründen der Vereinfachung hingenommen, ohne dass der Anspruch eine selbständige Präventionsfunktion erhält. 113 114 115

Siehe oben § 8.B.I.2., S. 438 ff. Siehe oben § 2.A.VI.3., S. 96 ff. Ausführlich dazu oben § 2.C.IV., S. 119 ff.

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Die Diskussion über die Einführung eines Strafschadensersatzes oder einer Ordnungswidrigkeit wird am intensivsten zu den europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien geführt.116 Die Mitgliedstaaten werden zum Teil für verpflichtet gehalten, nicht nur einen Ausgleich aller erlittenen Schäden zu gewährleisten, sondern auch eine abschreckende Sanktion sicherzustellen. Daher wurde bereits § 611a BGB a. F. von einem Teil der Literatur als Strafschadensersatz angesehen, während andere Autoren ihn auf einen Schadensersatz beschränken.117 Auch nach Inkrafttreten der §§ 15, 21 AGG wird zum Teil angenommen, dass die Richtlinien eine überkompensatorische Entschädigung zur Abschreckung verlangen, die im Rahmen des Entschädigungsanspruchs zu gewähren sei.118 Andere beschränken den Anspruch auf die Schadenswiedergutmachung und verlangen die Einführung eines Ordnungswidrigkeitstatbestands.119 Das geben die Richtlinien indes nicht vor, sie verpflichten nur zum effektiven Schadensausgleich. Die Regelung einer überkompensatorischen Entschädigung, einer Ordnungswidrigkeit oder eines Straftatbestands verlangen sie nicht. Den Mitgliedstaaten ist es daneben unbenommen, zusätzliche Sanktionen zu regeln. Vorgaben für die Einführung einer Privatstrafe ergeben sich auch nicht aus der Richtlinie zur Durchsetzung des geistigen Eigentums. Sie verpflichtet nicht zur Einführung eines Strafschadensersatzes, sondern vereinfacht lediglich die Festsetzung des Schadensersatzes durch Schadenspauschalierung, die auch den Verletzergewinn berücksichtigt.120 Entgegen dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag sind die Mitgliedsstaaten durch die Richtlinie nicht verpflichtet, einen Schadensersatz in Höhe einer doppelten Lizenzgebühr einzuführen. Ebenso wie im Diskriminierungsrecht sind sie allerdings nicht gehindert, einen Schadensersatz mit Präventionsfunktion oder eine andere Privatstrafe einzuführen. Insgesamt gilt, dass das Unionsrecht keinen Strafschadensersatz kennt und keine Vorgaben zur Einführung einer Privatstrafe macht, es sei denn, das nationale Recht des Mitgliedstaats enthält solche Sanktionen für bestimmte Rechtsverstöße, so dass er aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet ist, bei der Umsetzung der europäischen Richtlinien vergleichbare Sanktionen vorzusehen (Äquivalenzgrundsatz).121 Das gilt aber nicht für das deutsche Recht. 116

Ausführlich siehe oben § 8.B.III.2., S. 457 ff. Siehe oben § 3.F.IV.2., S. 213 ff., § 8.B.III.2., S. 457 ff. 118 Schiek, AGG, § 21 Rn. 21; Wendeling-Schröder/Stein, AGG, § 15 Rn. 39; s. auch Armbrüster, KritV 2005, 41, 49. 119 Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363 f.; Kocher, AuR 1998, 221, 221 Fn. 6 (verschuldensunabhängige Ordnungswidrigkeit); Kamanabrou, ZfA 2006, 327, 337 f.; dies., RdA 2006, 321, 337; s. auch Annuß, NZA 1999, 738, 744; Kister, Entschädigung, S. 267 f.; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 102, 106 f.; Volmer, BB 1997, 1582, 1585; Wank, NZA Sonderbeilage Heft 22/2004, 16, 19 (verschuldensabhängige Ordnungswidrigkeit); dazu auch KR/Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a Rn. 104. 120 Ausführlich oben § 8.B.II.2.b., S. 443 ff. 121 Ausführlich oben § 8.A.I., S. 424 ff. 117

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II. Vorgaben durch das Schutzgebot der Grundrechte 1. Voraussetzungen für die Ableitung einer Schutzpflicht aus den Freiheitsrechten Eine Rechtsfortbildung ist verfassungsrechtlich geboten, wenn der bestehende Rechtsgüterschutz nicht genügt, um den Vorgaben der Verfassung Rechnung zu tragen. Eine Verpflichtung zum (positiven) Handeln des Staates ergibt sich aus den Grundrechten, deren status positivus dem Staat eine Schutzpflicht auferlegt.122 Der Staat ist nicht nur zu ihrer Anerkennung verpflichtet, sondern auch zum Schutz der verbürgten Rechtsgüter gegenüber Angriffen Privater.123 Nach der Rechtsprechung des BVerfG gehört es zu den zentralen Aufgaben des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und andere Rechtsgüter der Bürger sowie verfassungsrechtlich anerkannte Institutionen zu schützen.124 Spätestens seit der Handelsvertreter- und Bürgschaftsentscheidung des BVerfG ist zudem anerkannt, dass das Schutzgebot der Grundrechte Wirkung für das Privatrecht entfaltet.125 Eine Schutzpflicht entsteht nicht bei jeder Beeinträchtigung des Grundrechts, sie gibt nur auf, die Grundrechte vor ihrer Funktionslosigkeit zu bewahren.126 Der Grundrechtsträger muss somit in seiner grundrechtlich geschützten Freiheit durch Dritte erheblich und rechtswidrig beeinträchtigt werden, damit die Schutzpflicht ein Eingreifen des Staates gebietet.127 Die Schutzpflicht entsteht aber nicht nur, wenn das Grundrecht bereits beeinträchtigt ist, sondern auch, wenn die Beeinträchtigung nur wahrscheinlich ist.128 Grundsätzlich gilt, dass eine Schutzpflicht um so eher entsteht, je schwerer die zu erwartenden Beeinträchtigungen für das geschützte Freiheitsrecht sind, die ein Eingreifen des Staates erforderlich machen.129 Zudem ist von Be122 Allg. M., BVerfG 25.2.1975 E 39, 1, 41; 16.10.1977 E 46, 160, 164; 8.8.1978 E 49, 89, 140 f.; Alexy, Grundrechte, S. 410; Badura, FS Herschel, S. 21, 34 f.; Calliess, HBdGR, Bd. II, § 44 Rn. 1 f., 4; Isensee/Kirchof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 82, 86, 90; v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 193; Klein, DVBl. 1994, 489, 491; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 931 ff., 944; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 149. 123 Calliess, HBdGR, Bd. II, § 44 Rn. 2, 5. 124 v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 193. 125 BVerfG 7.2.1990 E 81, 242 ff.; 19.10.1993 E 89, 214 ff. 126 Badura, FS Herschel, S. 21, 34 f.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 105, Papier, RdA 1989, 137, 139. 127 BVerfG 25.2.1975 E 39, 1, 42; Alexy, Grundrechte, S. 410; Dietlein, Schutzpflichten, S. 102; Isensee/Kirchof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 97 ff.; s. auch Canaris, Grundrechte, S. 75; abl. Ruffert, Verfassung, S. 196 f. 128 BVerfG 8.8.1978 E 49, 89, 141; Dietlein, Schutzpflichten, S. 113 f.; Isensee/Kirchof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 106; Pietzcker, FS Dürig, S. 345, 357; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 740; s. auch Canaris, Grundrechte, S. 76. 129 BVerfG 20.12.1979 E 53, 30, 57; Canaris, Grundrechte, S. 79 f.; Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 37 f.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 149 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 740.

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lang, ob die Grundrechtsbeeinträchtigung reversibel ist oder dauerhaft fortbesteht.130 Daher ist bei Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit eher einzugreifen als bei Risiken für das Eigentum. Eine Schutzpflicht ergibt sich aus den Grundrechten um so eher, je höher die Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung ist bzw. je höher der Rang des Grundrechts und die Intensität sowie die Folgen der zu erwartenden Beeinträchtigung sind.131 Die Schutzpflicht gibt den staatlichen Gewalten zwar den Schutz des grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechts auf, das BVerfG kontrollierte ihre Wahrung zunächst aber nur nach dem Maßstab der Evidenz, da der Staat einen weiten Gestaltungsspielraum habe.132 Der Staat darf demnach nicht völlig untätig bleiben, und die ergriffenen Maßnahmen dürfen nicht offensichtlich ungeeignet sein.133 Darüber hinaus wurde als Maßstab für das Handeln des Staates das sog. Untermaßverbot entwickelt, wonach ein angemessener Schutz vor der Verletzung der grundrechtlich relevanten Rechte und Rechtsgüter durch Privatpersonen zu gewährleisten ist, um die tatsächliche Wirksamkeit der garantierten Freiheit sicherzustellen.134 Die Funktionslosigkeit des Grundrechts ist zu verhindern. Der Staat muss sachgerechte, geeignete und effektive Maßnahmen zum Schutz der Grundrechte ergreifen.135 Wegen des Gestaltungsspielraums bei der Erfüllung der Schutzpflicht bleibt die Überprüfung aber letztlich auf evidente Verletzungen dieses Untermaßgebots beschränkt.136 Nur wenn das Untermaß des grundrechtlichen Schutzes nicht gewährleistet ist, liegt eine Schutzgebotsverletzung vor. Der Bürger hat in diesem Fall einen Anspruch auf ein Eingreifen des Staates zum Schutz seiner Rechtsgüter. Das Schutzgebot kann daher die staatliche Gewalt zur Verbesserung des Rechtsgüterschutzes verpflichten. Wegen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ergibt sich daraus aber nicht unmittelbar die Pflicht, einen Schadensersatz mit (selbständiger) Präventionsfunktion oder eine andere Privatstrafe einzuführen. Nur wenn ein Schadensersatzanspruch zur Erfüllung des Schutzgebots nicht genügt und die übrigen Sanktionen, wie hoheitliche Strafen aufgrund eines Strafgesetzes oder Geldbußen für eine Ordnungswidrigkeit, aus Gründen 130

Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 37 f. BVerfG 16.10.1977 E 46, 160, 164; 20.12.1979 E 53, 30, 57; 8.8.1978 E 49, 89, 142; 28.5.1993 E 88, 203, 254; Canaris, Grundrechte, S. 79 f.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 108; Isensee, Grundrecht, S. 37 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 740. 132 BVerfG 25.2.1975 E 39, 1, 44; 16.10.1977 E 46, 160, 164; 27.1.1998 E 97, 169, 176; Alexy, Theorie, S. 421 f.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 111; Klein, DVBl. 1994, 489, 495. 133 BVerfG 29.10.1987 E 77, 170, 215; 29.11.1995 NJW 1996, 651. 134 BVerfG 28.5.1993 E 88, 203, 254; ebenso Canaris, AcP 184 (1984), 201, 228; Dietlein, ZG 1995, 131, 132; Klein, DVBl. 1994, 489, 495. 135 BVerfG 16.10.1977 E 46, 160, 164 f.; 14.1.1981 E 56, 54, 80 f.; 29.10.1987 E 77, 170, 214 f.; 28.5.1993 E 88, 203, 251 ff., 254 f.; 10.1.1995 E 92, 26, 46; Canaris, Grundrechte, S. 87; Dietlein, ZG 1995, 131, 132, 139; Klein, DVBl. 1994, 489, 495. 136 BVerfG 14.1.1981 E 56, 54, 80 f.; Badura, FS Herschel, S. 21, 35; Pietzcker, NVwZ 1984, 550, 555. 131

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der Verhältnismäßigkeit nicht in Betracht kommen, kann sich ausnahmsweise aus der grundrechtlichen Schutzpflicht die Notwendigkeit ergeben, eine Privatstrafe einzuführen. Angesichts der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 3 GG ist vorrangig die Legislative zur Verwirklichung des Schutzgebots verpflichtet.137 Daher ist es Sache des Gesetzgebers, die geeigneten Maßnahmen für den Grundrechtsschutz auszuwählen und zu regeln. Das Primat des Gesetzgebers darf die Rechtsprechung nicht unterlaufen. Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise eine bestimmte Maßnahme zur Umsetzung der Schutzpflicht in Betracht kommt oder die Legislative, trotz ihres Vorrangs, der Rechtsprechung die Rechtsfortbildung überlassen hat. Im Falle eines legislativen Unterlassens kann die Rechtsprechung daher zum Schutz des Grundrechts das Recht fortbilden, wenn der Präventionsschadensersatz die einzige Möglichkeit ist, um das Schutzgebot zu verwirklichen, oder wenn der Gesetzgeber bewusst einen Spielraum für die Weiterentwicklung des Rechts gelassen hat. 2. Schutzpflicht wegen der Verletzung von Körper, Gesundheit und sexueller Selbstbestimmung a) Erfüllung der Schutzpflicht bei Vorsatztaten Der Schutz der Grundrechte erstreckt sich nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG auf die körperliche Integrität, die die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit gleichermaßen erfasst. Insofern ist auch die sexuelle Integrität einbezogen, soweit die physische und psychische Gesundheit verletzt werden. Daneben beeinträchtigen Sexualdelikte wie sexuelle Belästigungen und Vergewaltigungen zugleich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Opfers, so dass die Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG einschlägig sind. Aus diesen Grundrechten ergeben sich für den Gesetzgeber im Rahmen seiner Schutzpflichten Vorgaben für die Ausgestaltung des einfach-rechtlichen Rechtsgüterschutzes. Ein besonderes Schutzbedürfnis für das Rechtsgut besteht gegenüber sehr intensiven Rechtsgutsverletzungen. Eine selbständige Genugtuungs- oder Präventionsfunktion wurde zum einen bei Vorsatztaten allgemein und zum anderen bei Vergewaltigungen erwogen.138 Daneben sind Fälle des Organhandels zu bedenken, bei denen mit Gewinnerzielungsabsicht vorsätzlich in die körperliche Integrität einer anderen Person eingegriffen wird.

137

BVerfG 7.2.1990 E 81, 242, 261; Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 38 ff.; Klein, DVBl. 1994, 489, 494; Ruffert, Verfassung, S. 203 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 951; Unruh, Schutzpflichten, S. 23 f. 138 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25; BGH 6.7.1955 Z 18, 149, 154 ff.; 13.10.1992 Z 120, 1, 4 f.; 29.11.1994 Z 128, 117, 120 f.; 16.2.1993 VersR 1993, 585; 29.11.1994 NJW 1995, 781, 782; 16.1.1996 VersR 1996, 382; Kötz, FS v. Caemmerer, S. 389, 393; Larenz, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 592; Schmid, Schmerzensgeld, S. 88.

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Ein Schadensersatz mit Präventionsfunktion oder eine Privatstrafe gebieten Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nur, wenn eine Schutzpflicht besteht und der Rechtsgüterschutz den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Untermaßverbots bisher nicht genügt. Der Schutz der körperlichen Integrität und der sexuellen Selbstbestimmung erfolgt insbesondere durch das Zusammenwirken von Straf- und Privatrecht. Die körperliche Integrität schützen strafrechtlich die Körperverletzungsdelikte und, soweit es um Handlungen im Straßenverkehr geht, zusätzlich die Straßenverkehrsdelikte. Die erlittenen Schäden sind vom Schädiger nach § 823 Abs. 1, 2 BGB oder auf der Grundlage der Gefährdungshaftung wiedergutzumachen. Die deliktische Haftung erfasst die vorsätzliche Schädigung von Körper und Gesundheit nicht eigens, so dass sich keine Besonderheiten beim Schadensausgleich ergeben. Die Regelung eines eigenen Genugtuungsanspruchs wurde vor allem vorgeschlagen, weil die vorsätzliche Rechtsverletzung besonders intensiv auf die psychische Verfassung des Geschädigten einwirkt und es daher neben dem Schadensersatz einer eigenen Genugtuung bedürfe.139 Die psychischen Folgewirkungen der vorsätzlichen Körperverletzung bzw. Gesundheitsbeschädigung lassen sich aber als Einbußen der Lebensführung sowie als immaterieller Folgeschaden berücksichtigen.140 Zudem ist das Opfer einer Straftat infolge der Verbesserung des strafrechtlichen Opferschutzes stärker als Individuum, und nicht nur als Beweismittel in den Strafprozess eingebunden. Das Tatopfer kann als Nebenkläger auftreten oder im Rahmen der Privatklage vorgehen. Zudem zielen insbesondere der Täter-Opfer-Ausgleich und die Berücksichtigung der (Schadens-)Wiedergutmachung darauf, dass dem Täter die Folgen der Tat bewusst werden und er auf ihre Beseitigung hinwirkt.141 Diese Auseinandersetzung mit dem Opfer der Straftat kann letztlich eine Genugtuung bewirken, die auch aus Sicht des Opfers effektiver ist als ein zusätzlicher Anspruch auf Geldzahlung.142 Einen darüber hinausgehenden Schutz gebietet die grundrechtliche Schutzpflicht nicht, da ein angemessener Schutz der grundrechtlich gewährleisteten Rechtsgüter sichergestellt ist. Für die Beurteilung der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit eine Verbesserung des Opferschutzes rechtspolitisch möglich und wünschenswert ist. Maßgebend ist allein, ob ein Schutz für die körperliche Integrität besteht, der einen minimalen und wirksamen Schutz darstellt und somit das gebotene Untermaß nicht unterschreitet. Dieser Schutz ist durch die bestehenden Regelungen im Straf- und Privatrecht gewährleistet. Für die darüber hinausgehenden Verbesserungen des Opferschutzes mögen rechtspolitische Gründe sprechen, verfassungsrechtlich geboten sind sie nicht. 139 140 141 142

Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 155; später auch Ebert, Pönale Elemente, S. 466 ff. Siehe oben § 12.C.III., S. 604 ff. Siehe oben § 16.D.I.2., S. 717. Ausführlich dazu Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 88 ff., 112 ff.

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b) Kein zusätzlicher Schutz bei Vergewaltigungsfällen Ein Strafschadensersatz oder eine selbständige Privatstrafe werden zudem für Vergewaltigungsfälle erwogen, weil die Entschädigungen für Verletzungen der sexuellen Integrität lange sehr niedrig waren und nur allmählich ansteigen.143 Zudem galt die unterschiedliche Behandlung schwerer Persönlichkeitsverletzungen, bei denen zum Zwecke der Prävention eine überkompensatorische Entschädigung zugelassen wurde, als ungerechtfertigt.144 Diese Kritik kann angesichts der Folgen der Marlene-Dietrich-Entscheidung des 1. Zivilsenats des BGH so nicht aufrechterhalten werden.145 Der Schadensersatzanspruch beschränkt sich nunmehr auf die Wiedergutmachung der erlittenen Schäden und ist nicht mehr zur Abschreckung darüber hinaus anzuheben. Die Ansprüche auf Wertersatz und Gewinnherausgabe ergeben sich aus dem Bereicherungsrecht bzw. der angemaßten Eigengeschäftsführung. Insofern erfolgt eine Ungleichbehandlung von Ungleichem, da in Vergewaltigungsfällen keine vermögensrechtlichen Bestandeile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen sind, sondern neben der körperlichen Integrität allein die ideellen Elemente des Persönlichkeitsrechts. Insofern bedarf es keiner Gleichbehandlung der Fälle schwerer Persönlichkeitsverletzung und Vergewaltigungen. Darüber hinaus beruhten bzw. beruhen die niedrigen Entschädigungsbeträge in Vergewaltigungsfällen im Grunde auf der unvollständigen Erfassung des erlittenen Schadens. Die Beeinträchtigung beschränkt sich nicht auf körperliche Verletzungen und die Erniedrigung des Opfers. Wesentliche Folgen ergeben sich zudem aus seiner Traumatisierung und den daraus resultierenden psychischen Belastungen sowie den Einschränkungen für die private Lebensführung. Das betrifft sowohl die Beeinträchtigung der täglichen Lebensführung als auch die Hindernisse bei der Aufnahme einer sexuellen Beziehung bis hin zur Familiengründung. Die vollständige Erfassung dieser psychischen Belastungen bei der Entschädigung immaterieller Einbußen kann die empfundene Disproportionalität beheben. Das lässt sich im geltenden Schadensersatzrecht bei der Schadenswiedergutmachung verwirklichen, ohne dass es zusätzlich eines Strafschadensersatzes oder einer anderen Privatstrafe bedarf.146 Das Bewusstsein für die psychischen Folgewirkungen der Tat ist in den ver-

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Ebert, Pönale Elemente, S. 466 ff.; Göbel, Geldentschädigung, S. 103 f. Dazu bereits Harbauer, VersR 1969, 589, 592; Schneider, JZ 1962, 277; Teplitzky, NJW 1966, 388; s. auch Canaris, FS Deutsch, S. 85, 106; Foerste, NJW 1999, 2951; Göbel, Geldentschädigung, S. 37 ff.; Hoppe, VersR 2000, 1114; K. W. Lange, VersR 1999, 274, 281; für eine Erhöhung der Entschädigung immaterieller Schäden auf der Grundlage des Präventionsgedankens Däubler, NJW 1999, 1611; Foerste, NJW 1999, 2951; Gounalakis, AfP 1998, 10, 16; K. W. Lange, VersR 1999, 274, 281; Seitz, NJW 1996, 2848, 2849. 145 Siehe oben § 17.E., S. 778 ff. 146 Ausführlich dazu § 2.A.IV., S. 75 ff., § 12.C.III., S. 604 ff. 144

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gangenen zehn Jahren auch im Zivilprozess gestiegen.147 Das steht im Zusammenhang mit der intensiveren Berücksichtigung des Opferschutzes im Strafverfahren. Auch die Einführung des Gewaltschutzgesetzes und seine Praxis dokumentieren das gewachsene Bewusstsein dafür, welche Wirkung die Tat auf das Opfer hat. Die Eingriffe in die sexuelle Integrität lösen schließlich nicht nur zivilrechtliche Ansprüche aus, sondern insbesondere auch eine strafrechtliche Verfolgung nach dem Sexualstrafrecht. Die Strafandrohung und die Sanktionierung der Tat schützen das Rechtsgut, so dass den grundrechtlichen Vorgaben genügt ist und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sowie die Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG grundsätzlich keine zusätzlichen Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz fordern. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Ermittlungsverfahren und der Strafprozess für das Opfer einer Vergewaltigung eine besondere Belastung sind, die bei seiner Entschädigung keine Berücksichtigung findet.148 Die psychischen Belastungen während des Ermittlungs- und Strafverfahrens sind keine Folgeschäden, die zivilrechtlich vom Schädiger zu ersetzen sind, da es am Zurechnungszusammenhang für eine deliktische Haftung fehlt. Den Schaden verursacht die Strafverfolgung, also die Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs. Auch die Kosten der Strafanzeige oder der Zeugenvernehmung muss der Schädiger daher nicht ersetzen, weil kein hinreichender Zurechnungszusammenhang für eine deliktische Haftung besteht.149 Zudem ist der Beschuldigte durch den Nemo-tenetur-Grundsatz geschützt, so dass er die Belastung des Opfers nicht verhindern muss. Den Folgeschäden für das Opfer im Ermittlungs- und Strafverfahren trägt insbesondere der schrittweise Ausbau des Opferschutzes Rechnung, der von vornherein zu verhindern sucht, dass zusätzliche Belastungen für das Opfer während des Verfahrens entstehen.150 Ein effektiver Schutz ergibt sich insbesondere daraus, dass die Mitwirkung des Beschuldigten am Verfahren honoriert wird, indem sie bei der Ermittlung des Strafrahmens oder der Strafzumessung berücksichtigt wird. Zudem mindern Videovernehmungen nach § 255 Abs. 2 StPO deutlich die belastende Wirkung des Strafverfahrens. Im Vergleich dazu ist die Entschädigung der seelischen Belastung des Opfers die

147 Z. B. OLG Stuttgart 1.8.1997 NJW-RR 1998, 534, 535; OLG Koblenz 2.10.1998 NJW 1999, 1639, 1640; LG Bielefeld 14.9.2005 NJW-RR 2006, 746 f.; s. auch OLG Köln 23.6.2000 VersR 2002, 65; dazu Jaeger, VersR 2003, 1372, 1373. 148 Allg. zur Zurechnung von Schäden, die im Zusammenhang mit dem Strafverfahren auftreten Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 187 f.; anders OLG Bamberg 4.4.2001 NJW-RR 2001, 1316. 149 BGH 6.11.1979 Z 75, 230, 235; OLG Düsseldorf 26.3.1970 VersR 1972, 52; AG Waiblingen 24.1.1977 VersR 1977, 922; Oetker, MünchKomm-BGB, § 249 Rn. 187; Palandt/Grüneberg, BGB, Vorb v § 249 Rn. 45; Stoll, 51. DJT, Bd. I, N 21 m. w. N.; a. A. Canaris, NJW 1974, 521, 522. 150 Siehe oben § 16.D.I.2., S. 711 ff.

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schlechtere Lösung, da sie die Beeinträchtigung nicht zu vermeiden sucht, sondern nur eine Geldzahlung im Sinne eines Solatiums ist. Eine zusätzliche Belastung des Opfers ergibt sich aus der selbständigen Klage auf Schadensersatz vor den ordentlichen Gerichten, vor denen ein Parteienprozess stattfindet, der durch den Beibringungsgrundsatz geprägt ist. Insbesondere das (zulässige) Bestreiten der Haftungsvoraussetzungen und des Schadens durch den Beklagten und die Qualität der anwaltlichen Vertretung des Opfers werden aus Sicht des Opferschutzes als negativ bewertet. Zumindest besteht durch das Adhäsionsverfahren eine Möglichkeit, auch zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren geltend zu machen und somit zu verhindern, dass das Opfer zwei Gerichtsverfahren führen muss. c) Organhandel Etwas anderes kann höchstens für die Transplantationsmedizin gelten. Der Organhandel ist ein lukratives Delikt, so dass der Schadensersatz für den Geschädigten, dem ein Organ oder Gewebe entnommen wurde, gegebenenfalls hinter dem Gewinn des Schädigers zurückbleibt, sich das Delikt also für diesen weiter lohnt. Den Handel mit Organen und Gewebe, die zur Heilbehandlung bestimmt sind, verbietet § 17 Abs. 1 TPG. Die Entnahme von Organen und Geweben unterliegt den Vorgaben des TPG und Verstöße sind durch besondere Bußgeld- und Straftatbestände in den §§ 18–20 TPG sanktioniert. Das Gericht kann zudem den Verfall des Vermögensvorteils anordnen, den der Täter für die Tat erlangt hat (§§ 73 ff. StGB). Die kriminalpolitische Bedeutung des Verfalls ist zwar gering, da er nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB ausgeschlossen ist, wenn und soweit der Verletzte einen eigenen Anspruch auf die Vorteile der Straftat hat.151 Der Geschädigte kann jedoch kein wirksames Rechtsgeschäft über den Verkauf eines Organs nach § 17 Abs. 1 TPG abschließen. Die Rechtsordnung schließt somit Organe und Gewebe aus dem Kreis der handelbaren Güter aus und bestimmt dadurch zugleich, dass an ihnen kein Vermögensrecht besteht.152 Anders als beim Verbot des einzelnen Rechtsgeschäfts sollen transplantierbare Körperteile vollständig von einer Kommerzialisierung ausgenommen sein.153 Daher ordnet die Rechtsordnung dem Geschädigten den Vermögensvorteil aus dem Verkauf nicht zu, so dass er weder Anspruch aus Eingriffskondiktion noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag hat. Damit steht § 73 Abs. 1 S. 2 StGB dem Verfall nicht entgegen, die Vorteile der Tat lassen sich daher abschöpfen. Auf diese Weise wird verhindert, dass sich das Delikt für den Schädiger lohnt, so dass der Rechtsgüterschutz den gebote151 Z. B. BGH 19.10.1999 St 45, 235, 249; Joecks, MünchKomm-StGB, § 73 Rn. 34 f.; Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 41 ff. 152 Schroth/König/Gutmann/Oduncu, TPG, Vorbemerkungen § 17 Rn. 5, 10. 153 Schroth/König/Gutmann/Oduncu, TPG, Vorbemerkungen § 17 Rn. 16; s. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 13/587, S. 4.

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nen Mindestschutz sicherstellt. Das Schutzgebot der Grundrechte gebietet darüber hinaus nicht die Regelung zusätzlicher Ansprüche. Eine Verletzung des Untermaßverbots lässt sich daher nicht begründen. 3. Schutzpflicht wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die Ableitung des Entschädigungsanspruchs stützen sich zunächst auf die Wertungen der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und später auch explizit auf die grundrechtliche Schutzpflicht.154 Der 6. Zivilsenat des BGH begründet damit die Anerkennung einer (selbständigen) Präventionsfunktion.155 Eine Fortführung der Rechtsprechung zur überkompensatorischen Entschädigung bei rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung ist seit der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nicht mehr erforderlich.156 Sofern der Rechtsinhaber bereits vor der Rechtsverletzung in der Lage war, seine Persönlichkeitsmerkmale auf dem Markt gegen Geld zu verwerten, stehen ihm – auch wenn er nicht zur Verwertung bereit war – ein Anspruch auf Wertersatz aus Eingriffskondiktion und auf Herausgabe des Verletzergewinns aus angemaßter Eigengeschäftsführung zu.157 Im Falle der Verwertungsbereitschaft tritt ein Anspruch auf Entschädigung des entgangenen Gewinns aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG hinzu. Auf diese Weise lässt sich der Gewinn aus der Zwangskommerzialisierung abschöpfen oder zumindest durch den Anspruch auf angemessene Lizenzgebühr erheblich schmälern. Die vermögensrechtlichen Ansprüche entfalten de facto die präventive Wirkung, die zuvor der erhöhte Entschädigungsanspruch wegen der schweren Persönlichkeitsverletzung herbeiführen sollte. Das nimmt dem Delikt seine Lukrativität oder setzt sie zumindest erheblich herab. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion ist höchstens bei schweren Persönlichkeitsverletzungen gegenüber unbekannten Personen erforderlich, die keine Ansprüche aus Eingriffskondiktion oder Geschäftsführung ohne Auftrag haben. Ihnen steht nur ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung zu. Die Wiedergutmachung der erlittenen Schäden bewirkt eine Abschreckung gegenüber zukünftigen Rechtsverletzungen und genügt, um dem Schutzgebot der Grundrechte Genüge zu tun. Einen darüber hinausgehenden Rechtsgüterschutz sah das BVerfG nicht als ein Gebot der grundrechtlichen Schutzpflicht 154 Vgl. BGH 5.3.1963 Z 39, 124 (Fernsehansagerin); 26.1.1971 NJW 1971, 698; s. oben § 2.A.VI.1.a., S. 82 ff. 155 BGH 15.11.1994 Z 128, 1, 15 (Caroline I); 5.12.1995 NJW 1996, 984, 985 (Caroline II); 12.12.1995 NJW 1996, 985, 987 (Caroline II). 156 Siehe oben § 17.E., S. 778 ff. 157 Siehe oben § 17.D., S. 765 ff.

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aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG an. Das BVerfG billigte die Ableitung des Entschädigungsanspruchs durch den BGH und verneinte einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 20 Abs. 3 GG durch die Rechtsfortbildung.158 Es sah ihn aber nicht als von der Schutzpflicht geboten an.159 Das beruht vor allem darauf, dass das grundrechtliche Schutzgebot in der Regel nur ein Eingreifen der staatlichen Gewalt fordert, ohne konkrete Maßnahmen vorzugeben. Diese fallen in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Daher war die Ableitung der Ansprüche auch in der Literatur erheblichen Angriffen ausgesetzt, wenngleich das von vom Gesetzgeber verfolgte Ziel Zustimmung fand.160 Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind seit der Reform des Schadensersatzrechts im Jahre 2002 zurückzustellen, da der Gesetzgeber selbst befürwortet, die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht fortzuführen, und sie somit billigt.161 Ihre Fortsetzung kann daher nicht als Übergriff der Rechtsprechung auf die Kompetenzen der Legislative gelten. Damit ist noch nichts darüber gesagt, ob die grundrechtlichen Schutzpflichten für die sog. Normalbürger einen zusätzlichen Rechtsschutz gebieten, der über die Primäransprüche des Geschädigten auf Unterlassung, Beseitigung oder Gegendarstellung und Schadenswiedergutmachung hinausgeht. Eines solchen Schutzes bedarf es nur, wenn die Ansprüche nicht den grundrechtlich gebotenen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sicherstellen. Insofern kommt es insbesondere darauf an, ob eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das geschützte Rechtsgut in der Zukunft wiederholt verletzt wird. Eine Wiederholungsgefahr besteht trotz des Entschädigungsanspruchs vor allem bei lukrativen Rechtsverletzungen, bei denen dem Schädiger trotz der 158

BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 287 ff. (Soraya). BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 291 f. (Soraya); ebenso Canaris, FS Deutsch, S. 85, 101; Funkel, Schutz der Persönlichkeit, S. 121 f.; Göbel, Geldentschädigung, S. 114 f.; K. W. Lange, VersR 1999, 274, 275; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 107. Zur Rückführbarkeit des Entschädigungsanspruchs auf Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG unter gleichzeitiger Betonung, dass ein Gestaltungsspielraum für die staatliche Gewalt bei der Umsetzung der Schutzpflicht besteht BVerfG 25.8.2005 NJW 2006, 595. 160 Zur Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und eines Schadensersatzanspruchs Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 353 ff.; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 67 f.; Münzel, NJW 1960, 2025, 2027; Hartmann, NJW 1962, 12, 15; Löffler, NJW 1962, 225, 226; kritisch zur Caroline-Rspr. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 105 ff.; Deutsch, LM Nr. 122 zu § 823 (Ah) BGB; Gounalakis, AfP 1998, 10, 14 ff.; K. W. Lange, VersR 1999, 274, 281 f.; Peifer, JR 1996, 420, 423; Seitz, NJW 1996, 2848; Siemes, AfP 1997, 542, 543; s. auch Göbel, Geldentschädigung, S. 114 f.; Mertens, JuS 1962, 261, 267; im Ergebnis zust. Ehmann, LM Nr. 119 zu § 823 (Ah) BGB; Däubler, NJW 1999, 1611; Körner, NJW 2000, 241, 246; G. Müller, AfP 1997, 499, 503; Nixdorf, NZV 1996, 89, 94; Prinz, NJW 1995, 817, 820; ders., NJW 1996, 953, 954; Schiemann, DZWir 1995, 202, 204; Schlechtriem, JZ 1995, 362, 364; Schwerdtner, Karlsruher Forum 1996, S. 27, 43; Soehring, NJW 1997, 360; Steffen, NJW 1997, 10; Stürner, AfP 1998, 1, 8; ders., FS Großfeld, S. 1201 f.; Westermann, Symposium Canaris, S. 125, 147. 161 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/7752, S. 25. 159

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Wiedergutmachung der ideellen Schäden ein Gewinn bleibt. In diesen Fällen besteht ein Anreiz für zukünftige Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Bei Personen, die der Öffentlichkeit nicht in einem Maße bekannt sind, das ihnen die Vermarktung ihrer Persönlichkeitsbestandteile möglich ist, sind vor allem zwei Fallkonstellationen denkbar, in denen ein lukratives Delikt vorliegt. Zunächst kommen die Fälle in Betracht, in denen eine Person wiederholt ohne ihre Einwilligung bloßgestellt oder herabgewürdigt wird, um kommerzielle Zwecke zu verfolgen. Zu denken ist beispielsweise an den Fall der 16-jährigen Lisa Loch, die bei tv-total wiederholt dem Spott des Fernsehpublikums preisgegeben wurde.162 Daneben sind Fälle denkbar, in denen ein Presseunternehmen oder ein Rundfunk- oder Fernsehsender mit einer Sendung oder einem Presseprodukt Gewinn erzielt, indem wiederholt die Persönlichkeitsrechte unbekannter Personen verletzt werden, um den Voyeurismus, die Schadenfreude oder das sog. Fremdschämen der Kunden zu bedienen und durch Werbeeinnahmen Gewinn zu erzielen. Sofern die betroffenen Personen nicht in die konkrete Nutzung eingewilligt haben und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt wird, um Gewinn zu erzielen, genügt die Entschädigung der immateriellen Schäden regelmäßig nicht, um dauerhaft den Rechtsgutsverletzungen entgegenzuwirken. Die einzelne Person ist grundsätzlich nur durch Zufall und einmalig von der Persönlichkeitsverletzung betroffen. Der Schaden und die forderbare Entschädigung sind nicht hoch. Folglich entstehen bei einer Vielzahl von Personen Schadensersatzansprüche (sog. Streuschäden), die angesichts des Prozessrisikos und des Zeitaufwands nicht immer durchgesetzt werden, so dass ein Rechtsschutzdefizit verbleibt. Eine Schutzpflicht besteht für den Staat nur, wenn eine Wahrscheinlichkeit für zukünftige Rechtsgutsverletzungen besteht, die in ihrer Intensität so erheblich sind, dass der Schutz durch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche sowie den Anspruch auf Entschädigung in Geld für einen wirksamen Rechtsschutz unzureichend ist. Bei Sendungen und Presseerzeugnissen, deren Konzeption auf die Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen zielt und dabei bewusst und regelmäßig unbekannte Personen einbezieht, lässt sich nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zwangsläufig wahrscheinlich sind. Sofern aber in der Vergangenheit im Rahmen einer Sendereihe oder Zeitschrift wiederholt Persönlichkeitsverletzungen vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgenommen wurden, besteht zumindest eine Wahrscheinlichkeit für weitere Rechtsgutsverletzungen. Im Unterschied zu den Fällen, in denen Prominente über lange Zeit oder dauerhaft der Verwertung durch die Medien ausgesetzt sind, ist bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Vielzahl der Öffentlichkeit nicht

162

OLG Hamm 4.2.2004 NJW-RR 2004, 919 (tv-total).

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bekannten Personen die Intensität der Rechtsgutsverletzung für jeden einzelnen Geschädigten wesentlich geringer. Die Folgewirkungen des einmaligen Eingriffs in Form von ideellen Beeinträchtigungen sowie Vermögensschäden sind auszugleichen. Darüber hinaus muss der Geschädigte grundsätzlich nicht damit rechnen, selbst erneut das Opfer vergleichbarer Persönlichkeitsverletzungen zu sein. Anders stellt sich die Situation bei Personen dar, die über einen längeren Zeitraum der Verwertung ihrer Persönlichkeitsmerkmale ausgesetzt sind, die teils rechtmäßig, teils aber auch rechtswidrig waren. Aus diesen Verletzungen resultiert eine erhebliche Beeinträchtigung für die Lebensführung und Persönlichkeitsentfaltung. Dieser Schaden lässt sich meist nicht einem konkreten Schädiger als Folgeschaden zurechnen, sondern ergibt sich aus der Summe der Einwirkungen (Summierungseffekt). Das lukrative Delikt der Persönlichkeitsverletzung hat daher erhebliche Folgewirkungen, denen der Geschädigte seit der Marlene-Dietrich-Rechtsprechung zumindest mit Ansprüchen wegen der Verletzung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken kann. Solche Ansprüche wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts bestehen für unbekannte Personen zwar nicht. Die Folgewirkungen der Persönlichkeitsverletzung und die Wiederholungsgefahr für die Rechtsgutsverletzung sind aber nicht vergleichbar hoch. Daher verstößt die Beschränkung der Ansprüche des Geschädigten auf die Beseitigung und Unterlassung sowie die Entschädigung der schweren Persönlichkeitsverletzung zumindest nicht gegen das grundrechtliche Untermaßverbot. Zusätzliche Maßnahmen gegen wiederholte oder sogar systematische Rechtsgutsverletzungen durch die Medien mögen rechtspolitisch wünschenswert erscheinen, wo das Informationsinteresse der Allgemeinheit ihr Tätigwerden nicht trägt. Für die hier beschriebene Fallgruppe sind sie aber nicht durch das grundrechtliche Schutzgebot vorgegeben. Etwas anderes kann sich höchstens bei der wiederholten Ausnutzung der Persönlichkeitsmerkmale einer unbekannten Person zur Gewinnerzielung ergeben, die mit einer erheblichen psychischen Belastung des Geschädigten verbunden ist. Diese Einbußen für die Lebensführung und die damit einhergehende Beschränkung der Selbstentfaltung sind als Schadensersatz wiedergutzumachen. Ein darüber hinausgehender Straf- oder Präventionsschadensersatz ist nur erforderlich, wenn die Entschädigung keinen angemessenen und wirksamen Rechtsschutz gewährleistet und zukünftige Rechtsgutsverletzungen wahrscheinlich sind. Je höher der Rang des Rechtsguts, umso eher besteht eine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zum Eingreifen. Das gilt insbesondere, wenn die Folgen des Eingriffs irreversibel sind. Ein Schutzbedürfnis kommt insbesondere in Betracht, wenn eine Person oder ein bestimmter Personenkreis immer wieder mit solchen Eingriffen belastet wird und somit eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es auch zukünftig zu erneuten Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

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kommt. Bei unbekannten Personen besteht eine solche Verletzungswahrscheinlichkeit aber nicht in gleicher Weise wie bei Personen, die der Öffentlichkeit bekannt sind und deren Bilder und Informationen regelmäßig in der Presse zur Gewinnerzielung eingesetzt werden. Unbekannte Personen sind eher zufällig betroffen, und die Wiederholungswahrscheinlichkeit ist gering. Am häufigsten kommt es noch zu einer parallelen Berichterstattung über dieselbe Sache durch mehrere Medien163, aber selten zu einer wiederholten Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen über längere Zeiträume, so dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur vorübergehend beeinträchtigt ist. Die konkrete Belastung kann für den Betroffenen im Einzelfall sogar hoch sein.164 Die Verletzungswahrscheinlichkeit in der Zukunft ist aber gering, so dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch die Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung sowie auf Entschädigung in Geld ausreichen, ohne dass das Untermaßverbot für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt ist. Zudem kann der Verletzte durch die wiederholte Berichterstattung selbst öffentliche Bekanntheit erlangen und seine Persönlichkeit vermarkten.165 Bei einem rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat der Betroffene einen Anspruch auf entgangenen Gewinn aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, einen Anspruch auf Wertersatz aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB und auf Herausgabe des Verletzergewinns aus §§ 667, 681 S. 2, 687 Abs. 2 S. 1 BGB, sofern ein vermögensrechtlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts betroffen ist. Ohnehin ergibt sich aus dem Schutzgebot der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG eine Verpflichtung der staatlichen Gewalt zur Einräumung eines überkompensatorischen Schadensersatzanspruchs nur, wenn kein anderer Schutz zugunsten des Rechtsinhabers in Betracht kommt. Ansonsten bleibt es beim Gestaltungsspielraum des Staates. Zur Abschreckung kommt bei schweren Persönlichkeitsverletzungen ein überkompensatorischer Entschädigungsanspruch als Strafschadensersatz in Betracht, da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie die Wertungen der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit der Rege-

163 Z. B. Sachverhalt der Entscheidungen des EGMR in der Rs. Flinkkilä (Urteil v. 6.4.2010 Appl. No. 25576/04). 164 Vgl. die Belästigung von Regina Zindler nach ihrem Auftritt bei Barbara Salesch und der Verwertung ihrer Stimme in dem Song von Stefan Raab „Maschen-Draht-Zaun“, s. Zeit-online v. 27.1.2000, http://www.zeit.de/2000/05/200005.erinnern_ auerbac.xml, zuletzt am 10.10.2012. 165 Vgl. das Berühmtwerden von Susan Boyle nach ihrem Auftritt in „Britain’s got talent“, s. Focus-Online v. 5.12.2009, http://www.focus.de/kultur/musik/debuet-susan-boyle-stuermtdie-charts_aid_463288.html, zuletzt am 10.10.2012; Focus-Online v. 1.12.2009, http:// www.focus.de/kultur/musik/medien-der-hype-um-susan-boyle-geht-weiter_aid_459071.html, zuletzt am 10.10.2012; Focus-Online v. 1.6.2009, http://www.focus.de/panorama/boulevard/ tv-talentshow-susan-boyle-bricht-zusammen_aid_404233.html, zuletzt am 10.10.2012.

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lung von Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbeständen entgegenstehen.166 Allerdings ist zur Prävention zukünftiger Rechtsgutsverletzungen nicht zwingend erforderlich, dass es sich um einen Anspruch auf Zahlung an den Geschädigten handelt. Insbesondere wegen der Bezugnahme des Schadensersatzrechts auf den erlittenen Schaden ist eine Ergänzung durch einen Gewinnabschöpfungsanspruch denkbar, der ähnlich § 10 UWG oder § 34a GWB die Zahlung des Gewinns an den Bundeshaushalt regelt. Insofern gibt die Schutzpflicht nicht vor, dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch einen überkompensatorischen Schadensersatzanspruch erfolgen muss. Unbeantwortet ist weiter die Frage, ob und inwieweit sich ein solcher Anspruch systemkonform in das Privatrecht integrieren ließe. 4. Schutzpflicht wegen unzulässiger Benachteiligung i. S. des AGG Die unzulässige Benachteiligung nach §§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1, 2 AGG betrifft das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Geschädigten und seine Gleichheitsrechte. Daher ist der Schutzbereich der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 2, 3 GG einschlägig. Die Ableitung einer grundrechtlichen Schutzpflicht aus Freiheitsrechten ist anerkannt. Auch aus den Gleichheitsrechten in Art. 3 Abs. 2, 3 ergeben sich staatliche Schutzpflichten. Für die Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 Abs. 2 GG ist die Schutzpflicht des Staates in dessen Satz 2 ausdrücklich geregelt.167 Auch Art. 3 Abs. 3 GG gibt der staatlichen Gewalt auf, der Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens sowie der religiösen oder politischen Anschauungen sowie der Behinderung entgegenzuwirken.168 Die Beseitigung von Ungleichbehandlungen sichert den geschützten Personen zugleich die Ausübung ihrer individuellen Freiheitsrechte und kommt insofern der tatsächlichen Freiheitsverwirklichung zugute.169 Daher erfüllt der Schutz vor Benachteiligungen zugleich das Schutzgebot der einschlägigen Freiheitsgrundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG. Darüber hinaus ist der Schutz vor Benachteiligungen wegen personenbezogener Merkmale eine Ausprä-

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Ausführlich dazu Dreier, Kompensation, S. 524 ff. Zur Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 2 GG Dreier/Heun, GG, Art. 3 Rn. 68, 114; Sachs/Osterloh, GG, Art. 3 Rn. 261 f.; schon vor dem Inkrafttreten des Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG BVerfG 20.3.1963 E 15, 337, 345; 31.5.1978 E 48, 327, 340; anschließend BVerfG 28.1.1992 E 85, 191, 207; 16.11.1993 E 89, 276, 286. 168 Canaris, AcP 184 (1984), 201, 235, 238, 243; ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rn. 67; Isensee/ Kirchhof/Sachs, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 126 Rn. 122; Rüfner, BK, Art. 3 Rn. 609; Sachs/Osterloh, GG, Art. 3 Rn. 237; a. A. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 372; Neuner, JZ 2003, 57, 60; zweifelnd Dreier/Heun, GG, Art. 3 Rn. 138. 169 Isensee/Kirchhof, HBStR, Bd. V, 2. Aufl., § 111 Rn. 96 (wenngleich die Schutzpflicht nur aus dem Freiheitsrecht folgen soll). 167

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gung des Schutzes der Menschenwürde170 und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts171. Eine Erweiterung des Schutzes vor unzulässigen Benachteiligungen ist durch das Schutzgebot der Grundrechte nur geboten, wenn die bestehende Rechtslage dem Untermaßverbot nicht genügt. Der Schutz von Privatpersonen gegenüber Ungleichbehandlungen erfolgt vor allem durch das AGG, das dem Betroffenen sowohl Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche als auch Schadensersatzund Entschädigungsansprüche einräumt, wenn eine unzulässige Benachteiligung vorliegt. Zudem ist die Beweislast zugunsten des Benachteiligten erleichtert (§ 22 AGG), um die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche zu vereinfachen und den Schutz des AGG nicht leerlaufen zu lassen. Daneben sind zur Gewährleistung der Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung die Tarifvertragsparteien und die Betriebs- und Personalräte sowie sonstige Vertretungen der Arbeitnehmer in die Pflicht genommen, auf die Verwirklichung der Ziele des AGG hinzuwirken (§ 17 Abs. 1 AGG). Eine Privatstrafe ist darüber hinaus nur erforderlich, wenn die Sanktionen nach dem AGG nicht ausreichen, um einen angemessenen und wirksamen Rechtsschutz sicherzustellen. Das AGG setzt die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU um, die zur Durchsetzung der Gleichbehandlung beim Zugang zum Beruf sowie beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen erlassen wurden. Die Richtlinien fordern selbst keine Privatstrafe oder einen Strafschadensersatz, sondern gehen davon aus, dass auch der vollständige Schadensersatz eine hinreichende Sanktion ist.172 Der Gesetzgeber ging über die Vorgaben des Europarechts nicht hinaus. Das spricht dafür, dass nach der gegenwärtigen Einschätzung die Ansprüche aus dem AGG ausreichen, um den notwendigen Rechtsgüterschutz sicherzustellen. Ein Umsetzungsdefizit ergibt sich im deutschen Recht zwar daraus, dass der Ersatz von Vermögensschäden nach §§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG vom Verschulden des Benachteiligenden abhängig ist. Dieses ist zu beheben und wird zudem durch die (verschuldensunabhängige) Staatshaftung sanktioniert. Gegenwärtig kündigt die Europäische Kommission zusätzliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Gleichbehandlung an, um insbesondere die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zu verringern.173 Zudem versucht 170

Neuner, JZ 2003, 57, 58, 60; s. auch Isensee/Kirchhof, HBStR, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 96; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 19; auf die Menschenwürde wird auch bei der Ableitung grundrechtlicher Schutzpflichten verwiesen BVerfG 25.2.1975 E 39, 1, 41; 26.5.1981 E 57, 250, 284 f.; 16.12.1983 E 66, 39, 61; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 226; Dietlein, Schutzpflichten, S. 28 ff.; Höfling, Vertragsfreiheit, S. 53; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 933 f. 171 Z. B. Salzwedel, FS Jahrreiß, S. 339, 349 ff., der aber nur auf eine Entschädigung wegen der schweren Persönlichkeitsverletzung verweist und nicht auf die Chancengleichheit eingeht; s. auch Eisemann, AuR 1988, 225, 231. 172 Siehe oben § 8.B.III.1, 2., S. 451 ff., 457 ff. 173 Initiative zur Verringerung der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen („Charta für Frauen“), Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 5.3.2010, IP/10/236 sowie IP/10/237.

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die Bundesregierung, auf die Umsetzung der Gleichbehandlung beim Entgelt hinzuwirken, indem Unternehmen die Möglichkeit eröffnet wird, mit Hilfe eines Computerprogramms ihr Entlohnungssystem auf Entgeltgleichheit zu untersuchen.174 Sofern sich anhand der Untersuchung der tatsächlichen Verhältnisse erweist, dass es weiterer Maßnahmen bedarf, um auf einen wirksamen Rechtsschutz und somit die tatsächliche Verwirklichung des Gleichheitsrechts hinzuwirken, beschränken sich diese allerdings nicht auf den Strafschadensersatz. Daneben stehen andere Möglichkeiten offen, wie die Vorgaben zur Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten175 oder die Verbesserung der statistischen Erfassung von Vergütungsdifferenzen zwischen Männern und Frauen sowie deren gerichtliche Verwertbarkeit, um systematischen Diskriminierungen beim Entgelt entgegenzuwirken. Auch die Regelung einer Ordnungswidrigkeit ist denkbar.176 Auswahl und Ausgestaltung der Mittel stehen grundsätzlich der Legislative zu. Der Auslegung der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG im Sinne eines Strafschadensersatzes steht zudem entgegen, dass der Gesetzgeber die Bestimmungen als Ausnahmen zu § 253 Abs. 1 BGB konzipierte und sie somit auf den Schadensausgleich ausgerichtet sind. Etwas anderes gälte nur, wenn eine Präventionsfunktion allgemein im Schadensersatzrecht anzuerkennen wäre. Dafür besteht gegenwärtig im geltenden Recht keine ausreichende Grundlage.177 Selbst die frühere Rechtsprechung zur Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen lässt sich nicht auf die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG übertragen, da sich die Präventionsfunktion auf Fälle von rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung des Rechtsinhabers beschränkte.178 An einer solchen Zwangskommerzialisierung fehlt es in Diskriminierungsfällen.179 Im Ergebnis gebieten die Grundrechte nicht die Einführung eines Strafschadensersatzes oder einer selbständigen Privatstrafe, um den Rechtsschutz gegen unzulässige Benachteiligung zu verbessern. 174 BMFSFJ, Bericht vom 1.3.2010, http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did= 131584.html, zuletzt am 10.10.2012. 175 Siehe auch die Diversity-Empfehlung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex vom 26.5.2010 (http://www.corporate-governance-code.de/ger/download/ PM_Plenarsitzung_20100526. pdf, zuletzt am 10.10.2012) sowie Punkt 4.1.5 und 5.1.2 des Corporate Governance Kodex 2010 (http://www.corporate-governance-code.de/ger/download/ Kodex_2010/D_CorGov_Endfassung_Mai_2010. pdf, zuletzt am 10.10.2012) und des Corporate Governance Index 2012 (http://www.corporate-governance-code.de/ger/download/ Kodex_2012/D_CorGov_Endfassung_Mai_2012). 176 Für die Einführung einer Ordnungswidrigkeit Benecke/Kern, EuZW 2005, 360, 363 f.; Kocher, AuR 1998, 221, 221 Fn. 6 (verschuldensunabhängige Ordnungswidrigkeit); Kamanabrou, ZfA 2006, 327, 337 f.; dies., RdA 2006, 321, 337; s. auch Annuß, NZA 1999, 738, 744; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 102, 106 f.; Volmer, BB 1997, 1582, 1585; Wank, NZA Sonderbeilage Heft 22/2004, 16, 19; (für eine verschuldensabhängige Ordnungswidrigkeit); dazu auch KR/Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 611a Rn. 104; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 412. 177 Siehe oben § 8.C.III.2., S. 200 ff. 178 Siehe oben § 3.F.III., S. 467 ff. 179 Siehe oben § 3.F.IV.1., S. 210.

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5. Zusammenfassung und Folgerungen Aus dem Unionsrecht und aus den grundrechtlichen Schutzpflichten lässt sich nicht entnehmen, dass die Wiedergutmachung immaterieller Schäden um einen Strafaufschlag zu ergänzen ist. Es bleibt eine rechtspolitische Entscheidung, das Schadensersatzrecht um einen Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion zu erweitern. Dabei kommt es nicht nur darauf an, ob ein Defizit beim Rechtsgüterschutz besteht. Die Einführung eines solchen Anspruchs muss sich auch mit dem Schadensersatzrecht und der Ausrichtung des Privatrechts insgesamt vereinbaren lassen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Einführung einer selbständigen Präventionsfunktion in das Schadensersatzrecht dem Rechtsgüterschutz durch Private Vorschub leistet und erhebliche Anreize zur Klage setzt. Der Geschädigte erzielt durch den Strafschadensersatz einen Gewinn, den das Vermögensrecht ihm nicht zuweist. Im Wettbewerbsrecht sind daher auch die Ansprüche zur Vorteilsabschöpfung so ausgestaltet, dass die Vorteile dem Bundeshaushalt zufließen. Die rechtspolitischen Überlegungen dürfen sich daher nicht auf die Einführung eines Strafschadensersatzes beschränken, sondern müssen insbesondere dessen Ausgestaltung einbeziehen, soweit sie die Kritik an einem solchen Strafschadensersatz zu relativieren vermögen.

C. Vereinbarkeit der Privatstrafe mit der Funktion des Privatrechts I. Vereinbarkeit von Privatstrafe und Privatrecht 1. (Kein) Konflikt mit der Trennung von Zivil- und Strafrecht Die Zulässigkeit der Privatstrafe wird häufig unter Verweis auf die Trennung von Zivil- und Strafrecht abgelehnt.180 Diese im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte Trennung beider Rechtsgebiete und die damit einhergehende Eliminierung der Privatstrafe stützt sich insbesondere auf die Auffassung Bindings, der die Strafe als Sanktion für (kriminelles) Unrecht ansah und dem Delikt als Rechtsfolge den Schadensersatz zuordnete.181 Diese formale Unterscheidung anhand der Rechtsfolge hat praktisch zur Folge, dass alle Rechtsfolgen, die nicht Schadensersatz sind, als Privatstrafe qualifiziert und als im Privatrecht unzulässig abgelehnt werden. Diese formale Unterscheidung schließt eine überkompensatorische Entschädigung oder eine eigenständige Privatstrafe aber nur aus, wenn sie auch materiell von einer Konzeption getragen ist, die es unmöglich macht, eine Privatstrafe – zumindest 180 F. Bydlinski, AcP 204 (2002), 309, 344 f.; Klumpp, Privatstrafe, S. 102 ff.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 659 ff.; ders., in Koziol/Wilcox, Punitive Damages, S. 275, 296 f., 302. 181 Binding, Normen, S. 225 ff., 260 ff., 286 ff., 300 ff.; s. auch Esser, Grundlagen, S. 74; Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 33 f.; Merkel/Liepmann, Lehre, S. 58; Rotering, ArchBürgR 33 (1909), 45 ff.; Stoll, FS Rheinstein, Bd. II, S. 569, 570 ff.

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punktuell – in das Zivilrecht zu integrieren, weil sie in ihrer Qualität nur als staatliche Sanktion der Rechtsguts- oder Pflichtverletzung in Betracht kommt. Insoweit sind insbesondere die Aufgaben des Strafrechts und des Privatrechts von maßgeblicher Bedeutung, da sie die den Rechtsgebieten zugrunde liegenden Begriffe prägen. Das Privatrecht ist als Rechtsgebiet dadurch gekennzeichnet, dass es dem Einzelnen die Verwirklichung seiner subjektiv-individuellen Freiheit und seiner Willensmacht ermöglicht.182 Das erfolgt vor allem durch die Zuweisung und den Schutz subjektiver Rechte, seien sie absoluter oder relativer Natur.183 Daneben gewährleistet das Privatrecht Institutionen, die gerade der Verwirklichung individueller Freiheit und Willensmacht dienen.184 Das verdeutlicht, dass das Privatrecht nur auf die Individualrechtsgüter und die Individualinteressen bezogen ist. Selbst der Institutionenschutz ist davon nicht unabhängig, da die Funktionstüchtigkeit der privatrechtlichen Institutionen auch und gerade zum Vorteil des Einzelnen, z. B. des Wettbewerbers als Teilnehmer auf dem Markt, gewährleistet wird.185 Der Schutz des Privatrechts bezieht sich daher stets auf subjektive Rechte und Individualinteressen.186 Ziel ist der Schutz des vom subjektiven Recht erfassten individuellen Interesses. Zudem ist das Privatrecht grundsätzlich staatsfern.187 Die privatrechtlichen Sanktionen müssen sich danach ausrichten. Eine Missbilligung wegen der Rechtsgutsverletzung geht mit ihnen nicht einher, zumal es sich nicht um einen hoheitlichen Akt handelt, sondern um eine Folge des Individualrechtsschutzes zwischen Privaten. Eine Privatstrafe vermag sich in ein solches Konzept einzufügen, wenn sie ebenfalls nur den Schutz der subjektiven Rechte zugunsten des Rechtsinhabers verfolgt. Das Strafrecht zielt seinerseits ebenfalls auf einen Rechtsgüterschutz. Der Rechtsgutsbegriff ist jedoch nicht mit dem zivilrechtlichen identisch. Rechtsgüterschutz dient im Strafrecht nicht nur dem Schutz des Individuums wie im Privatrecht, sondern vor allem dem Schutz der Rechtsgemeinschaft sowie den 182 Grundlegend Savigny, System, Bd. I, §§ 52, 53; s. auch F. Bydlinski, AcP 194 (1994), 319, 321, 341 f.; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, S. 2 f.; Flume, Allgemeiner Teil, Bd. II, S. 1 ff.; Raiser, Aufgabe des Privatrechts, S. 124 f.; Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 94 f.; ders., JuS 1988, 329, 330; vgl. Denck, JuS 1981, 9, 11, der zugleich auf die zunehmenden Grenzen der Privatautonomie verweist. 183 Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 95; zur Geschichte des subjektiven Rechts Coing, in: Coing/ Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, S. 21. 184 Dazu Esser, Grundsatz, S. 248 ff., 321 ff.; Raiser, Aufgabe des Privatrechts, S. 124, 125 ff.; s. auch Savigny, System, Bd. I, §§ 4, 5, 52, 53. 185 Raiser, Aufgabe des Privatrechts, S. 124, 131 f. 186 F. Bydlinski, AcP 194 (1994), 319, 321, 341 f.; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, S. 3; Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 94 f.; ders., JuS 1988, 329, 330. 187 F. Bydlinski, AcP 194 (1994), 319, 321, 341 f.; ders., System, S. 92; Klumpp, Privatstrafe, S. 98 f.; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, S. 3; Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 94; ders., JuS 1988, 329, 330.

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Grundlagen für das Zusammenleben in der Gemeinschaft.188 Das Strafrecht ist zwar auf Individualrechtsgüter bezogen, aber es schützt sie nicht ausschließlich um des Individuums Willen.189 Dem widerspricht die Entwicklung des Opferschutzes in den vergangenen 30 Jahren nicht. Der grundsätzlich überindividuelle Bezug des Strafrechts macht es gerade erforderlich, den Opferschutz als Schutz des Einzelnen und seiner Rechtsgüter gezielt in das Strafrecht zu integrieren. Verdienst und Erfolg dieser Entwicklung besteht darin, dass sich das Strafrecht nicht mehr allein auf die Rechtsgemeinschaft in einem überindividuellen Sinne beschränkt, sondern auch das Opfer als Träger des geschützten Rechtsguts wahrnimmt und in das Strafverfahren integriert.190 Der überindividuelle Bezug bleibt jedoch erhalten und ist für das Strafrecht charakteristisch. Dem Strafrecht liegt daher ein Rechtsgutsbegriff zugrunde, der stets die Rechtsgemeinschaft vor Augen hat. Dieser Begriff und die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit waren zwar wiederholt Gegenstand strafrechtswissenschaftlicher Auseinandersetzungen191, für das Verhältnis zwischen Zivilund Strafrecht ist insoweit aber vor allem maßgeblich, dass sich das Strafrecht nicht auf einen Individualrechtsschutz beschränkt, sondern den Schutz der Rechtsgemeinschaft in den Mittelpunkt rückt.192 Zudem ist die strafrechtliche Sanktion stets ein sozial-ethisches Unwerturteil und stellt eine öffentliche Missbilligung der strafbaren Tat dar.193 Sie diente nach den absoluten Straftheorien des 19. Jahrhunderts vor allem der Vergeltung und hat nach dem heute überwiegenden Verständnis darüber hinaus der Prävention (Vereinigungstheorie).194 Der Präventionszweck bezieht sich auf die Verhütung weiterer Straftaten durch den Straffälligen (Spezialprävention). Zudem zielt die Strafe auf die Abschreckung potentieller Täter (negative Generalprävention) sowie die Befriedung des gesellschaftlichen Zusammenlebens 188 Maurach/Zipf, Strafrecht AT, Bd. I, S. 268 f.; Roxin, JuS 1966, 377, 381 f.; ders., Strafrecht AT, Bd. I, S. 16; Schöch, FS Schüler-Springorum, S. 245, 253 f.; ähnlich Hassemer, Theorie, S. 84, 87, 90 ff., 214 f., 223 (krit. zu Welzel wegen mangelnder Begrenzung des Strafrechts durch Bezug auf Aktwertschutz); Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 330 ff.; Kindhäuser, Strafrecht AT, S. 36; Krey, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 3; Rudolphi, FS Honig, S. 151 ff.; s. aber Welzel, Lehrbuch, S. 2 f., der annimmt, dass die Aufgabe des Strafrechts darin besteht, die Geltung der positiven sozialethischen Aktwerte zu sichern. 189 Roxin, JuS 1966, 377, 381 f.; ders., Strafrecht AT, Bd. I, S. 16. Zur strafrechtlichen Diskussion, ob Träger der geschützten Rechtsgüter nur die Allgemeinheit sein kann Maurach/Zipf, Strafrecht AT, Bd. I, S. 268 f. Zum individuellen und überindividuellen Rechtsgut Hassemer, Theorie, S. 72 f. 190 Siehe oben § 16.D.I.2., S. 711 ff. 191 Z. B. v. Liszt, ZStW 6 (1886), 663, 672 ff.; dazu Amelung, in: Hefendehl u. a., Rechtsgutstheorie, S. 155 ff.; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, S. 16 ff. 192 Siehe Fn. 188. 193 BVerfG 4.2.1959 E 9, 167, 171; 6.6.1967 E 22, 49, 79; 16.7.1969 E 27, 18, 33; 14.1.2004 NJW 2004, 2073. 194 Vergeltungstheorien Hegel, Philosophie, §§ 111, 113; Kant, Metaphysik, S. 158 f., 331 f.; dazu Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 48 ff.; Maurach/Zipf, Strafrecht AT, Bd. I, S. 66; Vereinigungstheorie Maurach/Zipf, Strafrecht AT, Bd. I, S. 66 f.

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und die Förderung der Normbeachtung durch die Allgemeinheit (positive Generalprävention).195 Selbst Autoren, die die Straftat und die Bestrafung des Täters als Realkonflikt und dessen Bewältigung begreifen196, gehen in ihrer Vorstellung über den Individualrechtsschutz hinaus. Die Bestrafung ist nicht nur Konfliktbewältigung für den Einzelnen, sondern auch eine Wiederherstellung des Rechtsfriedens nach einem Angriff auf die Rechtsgemeinschaft.197 Die unterschiedlichen Rechtsgutsbegriffe und der unterschiedliche Zweck der Sanktionen trennen somit Zivil- und Strafrecht. Eine gemeinsame Schnittmenge besteht lediglich darin, dass der Schutz der Individualrechtsgüter im Strafrecht auch dem Schutz des Einzelnen zugutekommt, wenngleich der Rechtsgemeinschaft im Strafrecht, aber auch im Ordnungswidrigkeitenrecht hervorragende Bedeutung zukommt. Für die Vereinbarkeit der Privatstrafe mit dem Strafrecht kommt es somit darauf an, ob sie nur dem Schutz des Einzelnen oder der Rechtsgemeinschaft dient. Insoweit ist entscheidend, dass die Privatstrafe in sehr unterschiedlichen Ausprägungen denkbar ist und nicht notwendig mit der Vergeltung von Unrecht, Genugtuung oder einer Generalprävention verbunden ist. Insoweit ist abgestuft zu prüfen, ob und mit welcher Zwecksetzung sich eine Privatstrafe in das Privatrecht integrieren lässt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Funktionsbeschreibungen im Privatrecht und Strafrecht sich nicht notwendig in ihrem Bedeutungsgehalt decken, selbst wenn ihre Terminologie vergleichbar ist. Die Unterschiede hinsichtlich des Rechtsgutsbegriffs haben zur Folge, dass sie sich auf das Individuum oder die Rechtsgemeinschaft beziehen.198 Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob sich die Privatstrafe in die Rechtsfolgen des Privatrechts nach ihrem Zweck einfügt. Der Schutz der subjektiven Rechte erfolgt im Privatrecht einerseits durch Erfüllungsansprüche und negatorische Ansprüche als Primärrechtsschutz, andererseits durch Schadensersatzansprüche als Sekundärrechtsschutz, die die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens bewirken. Darüber hinaus kennt das Vermögensrecht Ansprüche, die einen rechtsfortsetzenden Charakter haben, wie § 816 Abs. 1 S. 1 BGB oder § 951 Abs. 1 BGB. Eine Lücke für den Schutz subjektiver Rechte besteht insbesondere bei der Verletzung eines subjektiven Abwehrrechts, wenn der Schaden kleiner ist als die Vorteile, die dem Schädiger infolge der Rechtsverletzung entstehen, oder wenn die Schäden 195 Frehsee, Schadenswiedergutmachung, S. 65 ff.; Maurach/Zipf, Strafrecht AT, Bd. I, S. 66 f.; Roxin, JuS 1966, 377, 383; ders., FS Bockelmann, S. 279, 306. 196 Walter, Realkonflikt, S. 231 ff., 250 ff. 197 Walter (Realkonflikt, S. 218 ff.) nimmt auf den Realkonflikt zwischen Täter und Opfer vor allem Bezug, um zu begründen, dass auch im Rahmen des Strafrechts die Wiedergutmachung zugunsten des Opfers zu integrieren ist, so dass sie nicht nur Teil des Zivilrechts ist. Die Wiedergutmachung solle vielmehr stets erfolgen und die Sanktion für das Zivil- oder Kriminalunrecht hinzutreten, soweit es bestimmt ist. 198 So zum Begriff der Genugtuung Weber, Genugtuung, S. 31 f.; Wollmann, Opferschutz, S. 67.

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nicht vollständig geltend gemacht werden. Insofern bleibt die Rechtsverletzung für den Schädiger lukrativ, so dass die subjektiven Rechte des Privatrechts keinen effektiven Schutz genießen. Dieses Defizit kann insbesondere durch Ansprüche relativiert werden, die wegen der Verletzung oder Verwertung eines Vermögensrechts bestehen. Sofern das verletzte Recht jedoch ausschließlich einen abwehrrechtlichen Charakter hat, stehen solche Ansprüche nicht zur Verfügung. Das verbleibende Defizit kann durch das Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht geschlossen werden, so dass den Rechtsverletzer eine Strafe oder Geldbuße trifft, die insbesondere mit dem Verfall des Gewinns aus der Straftat oder Ordnungswidrigkeit verbunden sein können. Eine Ergänzung des Privatrechts durch das Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrecht ist jedoch nur möglich, wenn eine Erweiterung des Strafrechts im Interesse der Rechtsgemeinschaft geboten ist. Hinzu kommt, dass das Strafrecht stets ein subsidiärer Rechtsgüterschutz ist, dem mildere Mittel vorgehen.199 Sofern jedoch die Rechtsverletzung eine Strafe als sozial-ethisches Unwerturteil nicht rechtfertigt und wegen ihrer Eingriffsintensität unverhältnismäßig wäre, bleiben die Ordnungswidrigkeit und die Privatstrafe als Alternativen. Die Ordnungswidrigkeit ist von der öffentlichen Strafe nicht qualitativ, sondern vor allem quantitativ verschieden.200 Die Geldbuße ist eine nachdrückliche Pflichtenermahnung, wobei es um Pflichten im Interesse der Allgemeinheit und für das Zusammenleben in der Gemeinschaft geht, auch wenn die Interessen des Einzelnen einbezogen sind.201 Ein solcher Bezug zur Rechtsgemeinschaft ergibt sich nicht in jedem Fall. Zudem ist die Sanktion zwar kein sozial-ethisches Unwerturteil, aber zumindest eine Missbilligung und eine Pflichtenmahnung. Insofern verbleibt in diesem abgestuften System des Rechtsgüterschutzes Raum für eine Ergänzung durch eine Privatstrafe. Angesichts des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erscheint eine solche Vervollständigung des Rechtsgüterschutzes sogar geboten, wenn es sich um ein milderes oder zumindest eher zumutbares Mittel handelt.202 Eine Privatstrafe ist in das Privatrecht nur integrierbar, wenn sie sich nicht am strafrechtlichen, sondern allein am zivilrechtlichen Rechtsgutsbegriff ausrichtet und sich nicht an den Interessen der Rechtsgemeinschaft, sondern des Einzelnen orientiert. Nur wenn es möglich ist, die Privatstrafe hierauf zu be199 Kaufmann, FS Henkel, S. 89 ff.; Roxin, JuS 1966, 377, 382; ders., Strafrecht AT, Bd. I, S. 45 f. 200 BVerfG 16.7.1969 E 27, 18, 28 ff.; 16.7.1969 E 27, 36, 40; 21.6.1977 E 45, 272, 289; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 318; Mitsch, Ordnungswidrigkeiten, S. 16 f.; Müller Schmidt von Rhein, NStZ 1981, 380, 381; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, S. 58; Weber, ZStW 92 (1980), 313, 316. 201 BVerfG 4.2.1959 E 9, 167, 171; 6.6.1967 E 22, 49, 79; 16.7.1969 E 27, 18, 33; Mitsch, Ordnungswidrigkeiten, S. 17; Rosenkötter, Ordnungswidrigkeiten, S. 17; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, S. 46. 202 Bentert, Das pönale Element, S. 41; Stoll, Haftungsfolgen, S. 83; auf die noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten des Zivilrechts verweist auch Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, S. 46.

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schränken, lässt sie sich mit dem Privatrecht vereinbaren. Das muss sich insbesondere in ihrem Zweck und ihrer Ausgestaltung niederschlagen, indem sie ausschließlich auf den Schutz des verletzten subjektiven Rechts des Rechtsinhabers bezogen ist. Das Interesse der Allgemeinheit oder die Vorstellung vom sozialen Zusammenleben dürfen auf das Ob und Wie der Privatstrafe keinen Einfluss haben, ansonsten verfolgt sie überindividuelle Interessen der Rechtsgemeinschaft. Eine Vergeltung des zugefügten Unrechts ist somit kein taugliches Ziel für eine mit dem Privatrecht zu vereinbarende Privatstrafe. In der Sanktion liegt gerade die Missbilligung des normwidrigen Verhaltens.203 Auch eine Genugtuung für die Rechtsgutsverletzung kann daher nicht das Ziel der Privatstrafe sein, sofern es um eine Genugtuung im überindividuellen Sinne geht. Die Wiederherstellung des Rechtsfriedens und die Genugtuung für die Rechtsgemeinschaft sind somit keine zulässige Zielsetzung. Etwas anderes kann höchstens gelten, wenn es um die individuelle Genugtuung des Geschädigten geht und primär dessen subjektiv verletztes Rechtsgefühl in Rede steht. Allerdings ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass auch die Befriedigung des verletzten Rechtsgefühls im Privatrecht trotz des Bezugs auf das Individuum abzulehnen ist. Solange das Privatrecht als Recht begriffen wird, bei dem die subjektiven Rechte und Interessen der Akteure sowie die Verwirklichung ihrer Willensmacht im Mittelpunkt stehen, hat das verletzte Rechtsgefühl keinen eigenen Platz. Anknüpfungspunkt für den privatrechtlichen Anspruch kann nur das subjektive Recht sein, das in seinem Bestand zugunsten des Rechtsinhabers geschützt wird. Im Schadensfall erhält der Rechtsinhaber eine Wiedergutmachung, die in Form der Naturalrestitution oder der Entschädigung in Geld erfolgen kann. Die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls knüpft zwar an die Verletzung eines subjektiven Rechts an. Es geht aber weder um den Erhalt des Rechtsguts noch um den Ersatz eines Schadens, es soll vielmehr das verletzte Rechtsgefühl besänftigt werden.204 Die Konfliktbewältigung, die damit verbunden ist, betrifft letztlich den Rechtsfrieden in der Gemeinschaft und ist daher dem überindividuellen Schutz der Rechtsgemeinschaft zuzuordnen, obwohl auf den Geschädigten als Person Bezug genommen wird. Die Befriedigung durch Buße vor der Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht hat sich gerade durch die Privatrechtsentwicklung zu einer Aufgabe gewandelt, die Sache der Rechtsgemeinschaft ist. Der Schadensersatz wegen einer rechtswidrigen und schuldhaften Rechtsver203 Zur Genugtuung als Ergänzung des Schadensersatzes, um das Sanktionsbedürfnis zu befriedigen Bentert, Das pönale Element, S. 98; Gottwald, Schadenszurechnung, S. 167; Großfeld, Privatstrafe, S. 82 ff.; Kern, AcP 191 (1991), 247, 261, 262 ff., 268; Körner, NJW 2000, 241, 242; Krüger-Nieland, 45. DJT, Bd. II, C 39; P. Müller, Punitive Damages, S. 260 ff.; Stoll, Haftungsfolgen, S. 67, 149. 204 Dazu Eickhoff, Bemessung, S. 83; Großfeld, Privatstrafe, S. 77 f.; Knöpfel, AcP 155 (1954), 135, 154; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 591 f.; Remè, Aufgaben des Schmerzensgeldes, S. 45; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 152; Wiese, Immaterielle Schäden, S. 56.

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letzung stellt zwar eine Anerkennung des subjektiven Rechts zugunsten des Rechtsinhabers dar. Die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls erlangt dabei aber keine eigenständige Bedeutung. Sofern die Privatstrafe der Prävention von Rechtsgutsverletzungen dient, besteht eher die Möglichkeit, den Schutz subjektiver Rechte des Privatrechts im Interesse des Rechtsinhabers derart zu bezwecken, dass die Privatstrafe mit den Aufgaben und der Funktion des Privatrechts in Einklang steht. Die Prävention dient grundsätzlich der Abschreckung und somit dem Schutz des Rechtsguts vor zukünftigen Verletzungen. Sofern es sich um eine Spezialprävention handelt, soll der konkrete Schädiger von der Rechtsgutsverletzung abgehalten werden.205 Insofern ist die Prävention allein auf das Rechtsgut derjenigen Person bezogen, die den überkompensatorischen Schadensersatz oder die spätere Privatstrafe geltend macht. Die Sanktion ist daher auf den Schutz des konkreten Rechtsinhabers ausgerichtet, nicht auf das Interesse der Allgemeinheit. Das setzt aber voraus, dass der Rechtsinhaber gerade wegen des Angriffs auf seine Rechte einen Anspruch gegen den Rechtsverletzer hat. Das ist insbesondere bei den professionellen Diskriminierungsklägern abzulehnen, die sich um der Entschädigung Willen auf eine diskriminierende Stellenausschreibung bewerben, ohne ein ernsthaftes Interesse an der Stelle oder der gleichberechtigten Teilhabe am Bewerbungsverfahren zu haben. Sie agieren nicht wegen der Betroffenheit ihrer rechtlich geschützten Interessen, sondern zur Gewinnerzielung, die in diesem Fall zugleich auf die Durchsetzung des Benachteiligungsverbots im Interesse der Allgemeinheit hinwirkt. Ein Anspruch für den professionellen Diskriminierungskläger dient daher höchstens dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung des Verbots, aber nicht dem Schutz des Klägers als Inhaber eines subjektiven Rechts, das Teil der Privatrechtsordnung ist. Die Einführung einer Privatstrafe wird zum Teil zwar damit begründet, dass der Einzelne durch die Geltendmachung der Privatstrafe im Interesse der Allgemeinheit tätig werde.206 Eine solche Privatstrafe zum Zwecke der Generalprävention lässt sich mit dem bestehenden Verständnis des Privatrechts indes nicht vereinbaren, da nur die Durchsetzung subjektiver Rechte mit dessen Konzentration auf das verletzte Individualinteresse in Einklang steht. Die Gewaltprävention zielt auf die Abschreckung der Allgemeinheit und nicht nur des konkreten Schädigers, um Rechtsverletzungen in der Zukunft zu unterbinden. Allerdings bleibt die Privatstrafe selbst dann auf den Schutz des subjektiven Rechts des Rechtsinhabers bezogen. Anders als im Strafrecht geht es 205 Abl. zur Spezialprävention Klumpp, Privatstrafe, S. 114 ff.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 659. 206 Großfeld, Privatstrafe, S. 110; Kötz, FS Steindorff, S. 643, 656 f.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 659; s. auch Bentert, Das pönale Element, S. 41 (Übernahme strafrechtlicher Aufgaben durch das Privatrecht); dazu abl. F. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 345.

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weniger um die Rechtsgemeinschaft und die Sicherung ihres Zusammenlebens, als um den Schutz privater Rechte. Der entscheidende Punkt, der gegen eine Generalprävention im Privatrecht spricht, ergibt sich daraus, dass der Rechtsverletzer auch im Interesse aller anderen Inhaber eines solchen Rechtsguts mit einer Sanktion belastet wird, die über den Schadensersatz hinausgeht. Diese Inanspruchnahme einer Person im Interesse Dritter gerät in Konflikt mit den Grenzen, die sich für die Ausgestaltung privatrechtlicher Schuldverhältnisse ergeben.207 Damit lässt sich die Vereinnahmung des Schädigers im Interesse aller anderen Rechtsgutsinhaber nicht vereinbaren.208 Eine Privatstrafe im Privatrecht kommt somit allein als eine Sanktion im Interesse des einzelnen Rechtsinhabers in Betracht. Gegen eine Privatstrafe zum Zweck der Spezialprävention mittels einer Privatstrafe könnte indes sprechen, dass auch im Kartell- und Wettbewerbsrecht bisher keine Rechtsdurchsetzung durch Privatpersonen jenseits der negatorischen und der Schadensersatzansprüche zulässig ist. Primär setzen die staatlichen Behörden das Kartell- und Wettbewerbsrecht durch. Eine Ausnahme sind allein die Ansprüche aus § 10 UWG und § 34a GWB zugunsten von Verbänden, die eine Gewinnabschöpfung zulasten des wettbewerbswidrig Handelnden bewirken können. Die Diskussion über ein sog. private enforcement im Kartell- und Wettbewerbsrecht erfolgte bisher insbesondere in Anlehnung an das US-amerikanische Recht, das vor allem punitive damages sowie double oder treble damages kennt, um die private Rechtsdurchsetzung effektiver zu gestalten.209 Auch die Europäische Kommission erwog in ihrem Grünbuch über Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts aus dem Jahre 2005 die Einführung eines Strafschadensersatzes.210 Im späteren Weißbuch ist sie davon jedoch abgerückt und verweist darauf, dass nur Maßnahmen vorgeschlagen werden, die sich mit der europäischen Rechtstradition und Rechtskultur vereinbaren ließen.211 Daher ergänzt weiterhin vor allem die behördliche Rechtsdurchsetzung die Schadensersatzklagen der Wettbewerber. 207

Klumpp, Privatstrafe, S. 114 f.; s. auch § 18.C.I.2., S. 843 ff. Klumpp, Privatstrafe, S. 114 f.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 659. 209 G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 405 f.; krit. K. Schmidt, ZEuP 2004, 881, 883 f.; s. auch Europäische Kommission, Grünbuch Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts vom 19.12.2005, KOM (2005) 672 endg., S. 8 (Optionen 15, 16), Annex Arbeitspapier zum Grünbuch vom 19.12.2005, S. 43; Europäische Kommission, Weißbuch Schadensersatzklagen wegen der Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 2.4.2008, KOM (2008) 165 endg., S. 3; dazu Becker, in: Augenhofer, Europäisierung, S. 15, 25; Eilmansberger, CMLR 2007, 431 ff. 210 Europäische Kommission, Grünbuch Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EUWettbewerbsrechts vom 19.12.2005, KOM (2005) 672 endg., S. 8 (Optionen 15, 16), Annex Arbeitspapier zum Grünbuch vom 19.12.2005, S. 43. 211 Europäische Kommission, Weißbuch Schadensersatzklagen wegen der Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 2.4.2008, KOM (2008) 165 endg., S. 3. 208

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Im Wettbewerbsrecht bezieht sich die Sanktion jenseits des Schadensersatzes jedoch nicht auf die subjektiven Rechte eines Privatrechtssubjekts, sondern auf den Wettbewerb als Institution des Privatrechts.212 Ihr Schutz ist Teil des Privatrechts, so dass ein Übergang von der behördlichen zur privaten Rechtsdurchsetzung nicht zwingend ausgeschlossen erscheint. Die behördliche Rechtsdurchsetzung ist jedoch seit langem etabliert und basiert zudem auf der über lange Zeit entwickelten Vorstellung von den Aufgaben des Staates. Eine vergleichbare Ausgangssituation besteht jedoch für Privatstrafen im Zusammenhang mit der Wiedergutmachung immaterieller Schäden nicht. Die in Betracht kommenden Fallgruppen betreffen Schadensersatzansprüche, die sich aus der Verletzung subjektiver Rechte ergeben. Eine Veränderung oder Ergänzung eines behördlichen Institutionenschutzes kommt nicht in Betracht, da es an einer staatlichen Rechtdurchsetzung fehlt. Es erfolgt vielmehr eine Vervollständigung des individuellen Rechtsschutzes. Das ist zumindest anzunehmen, soweit die Privatstrafe der Spezialprävention dient. Eine Generalprävention geht indes über den individuellen Rechtsschutz hinaus. Eine solche Erweiterung des Privatrechts, die jede Privatperson zum Agenten der Rechtsordnung macht, ist mit dem bisherigen Verständnis vom Verhältnis zwischen Privatperson und Staat nicht in Einklang zu bringen.213 Ein solcher Wandel setzte voraus, dass sich der Staat zurücknimmt und aus der Wahrung der überindividuellen Interessen der Rechtsgemeinschaft stärker zurückzieht. Eine solche Entwicklung wird bisher nicht angestrebt. Weder eine Privatisierung des Strafrechts noch eine Umwandlung des behördlichen Schutzes des Wettbewerbs wird gegenwärtig verfolgt. In der Literatur setzen sich einzelne Autoren für eine solche Veränderung der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privatgesellschaft ein.214 Die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung spare Verwaltungskosten und wirke zudem grenzüberschreitend, so dass unnötige Doppelregelungen entfallen können.215 Für die Gewährung eines Anspruchs an Privatpersonen um der Generalprävention Willen spreche zudem, dass die staatliche Rechtsdurchsetzung unter erheblicher Ineffizienz leide.216 Vollzugsdefizite beständen nicht nur im Verwaltungsrecht, sondern auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Zudem ließe sich auf diese Weise das Wissen von Privatpersonen nutzen, die detaillierte Kenntnis von Rechtsverstößen haben.217 212

Zum Institutionenschutz Raiser, Aufgabe des Privatrechts, S. 124, 131 f. Barton, AfP 1995, 452, 456; Gounalakis, AfP 1998, 10, 14, 16; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, S. 158 f.; Klumpp, Privatstrafe, S. 114 f.; Soehring, NJW 1997, 360, 372. 214 G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 422 ff.; s. auch Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 727 ff.; ders., RabelsZ 64 (2000), 661, 681 ff.; ähnlich Bentert, Das pönale Element, S. 84 ff. 215 G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 447 ff. 216 G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 441 ff. 217 G. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 446 f.; s. auch Köndgen, in: Ott/Schäfer, Ökonomische Probleme, S. 169, 181; ders., RabelsZ 56 (1992), 696, 734; ders., RabelsZ 64 (2000), 661, 692. 213

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Dieser Verlagerung der Aufgaben des Staates auf Privatpersonen ist jedoch mit Zurückhaltung zu begegnen. Überkompensatorische Ansprüche lassen für Privatpersonen einen erheblichen Klageanreiz entstehen. Die Rechtsdurchsetzung kann damit für den Einzelnen zum Geschäftsmodell werden, mit der Folge, dass er gezielt das Verhalten Dritter kontrolliert. Die gesellschaftliche Sozialkontrolle wird somit zu einer finanziell motivierten Überwachung, deren Intensität erheblich ansteigen wird. Zudem erfolgt die Anspruchsdurchsetzung im Zivilprozess, der durch die Dispositionsmaxime gekennzeichnet ist. Anders als im Verwaltungs- oder Strafverfahren gilt nicht die Offizialmaxime. Auch eine Unschuldsvermutung besteht nicht. Sofern mehr als eine Gewinnabschöpfung erfolgt, ist zudem zu klären, wie sich die Folgen der privaten Rechtsdurchsetzung zu öffentlich-rechtlichen Pflichten und den daraus resultierenden Kosten verhalten. Auch das Verhältnis zur Geldbuße und zur Strafe ist zu klären, sofern die Rechtsverletzung auch eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat ist, die verfolgt wurde. Für eine Verbesserung der Rechtsdurchsetzung sind daher andere Alternativen zu erwägen, die nicht in die Konzeption des Privatrechts eingreifen und dennoch auf die Kenntnisse der Privatpersonen zurückgreifen, ohne einen übermäßigen Klageanreiz zu setzen. Insoweit ist an eine Regelung zu denken, die der astreinte des französischen Rechts vergleichbar ist.218 Die Privatperson soll die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, die die Durchsetzung ihrer Rechte verbessert, indem dem Rechtsverletzer zusätzliche finanzielle Lasten angedroht und auferlegt werden. Diese Sanktion muss im Ermessen des Gerichts stehen, ohne dass der Rechtsinhaber einen Anspruch darauf hat. Die auferlegte Belastung bleibt daher eine Ordnungsmaßnahme, die von der gerichtlichen Entscheidung abhängt. Es handelt sich daher um eine staatliche Maßnahme. Das Fehlen eines eigenen Anspruchs des Rechtsinhabers hat zudem den Vorteil, dass die Entscheidung allein den Gerichten verbleibt. Zudem sollte der Ertrag aus der finanziellen Belastung nicht dem Rechtsinhaber, sondern dem öffentlichen Haushalt zufließen. Das stellt sicher, dass der Rechtsinhaber entsprechende Anträge nur stellt, wenn es ihm tatsächlich um die Durchsetzung seiner Rechte geht. Auf diese Weise wird in die bestehende Struktur des Privatrechts nicht eingegriffen, aber dennoch ein Instrumentarium bereitgestellt, um Defizite bei der Rechtsdurchsetzung zu verringern. Bei der Ausgestaltung eines solchen Instruments sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen, so dass die prozessuale Ausgestaltung anzupassen ist. Im Übrigen bleibt die Ausrichtung des Privatrechts in seiner gegenwärtigen Form erhalten. Daraus ergibt sich, dass eine Privatstrafe zumindest dann mit der bestehenden Vorstellung vom Privatrecht vereinbar ist, wenn sie einen ausschließlich spezialpräventiven Zweck hat. Sofern sie damit zugleich de 218

Siehe oben § 6.C.V.1.b., S. 310 ff.

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facto eine abschreckende Wirkung für die Allgemeinheit entfaltet, ist das unschädlich. Allerdings darf die Sanktion nicht final darauf gerichtet sein, wenn sie mit dem privatrechtlichen Rechtsgutsbegriff und dem Zweck des Privatrechts vereinbar sein soll. Die Anerkennung einer solchen Privatstrafe ist zugleich eine Vervollständigung des Sanktionensystems. Sie erlaubt eine differenzierte Reaktion der Rechtsordnung auf die Rechtsverletzung. Die Beschränkung einer das Privatrecht ergänzenden Privatstrafe auf die Spezialprävention hat zugleich zur Folge, dass eine Abweichung zum herkömmlichen Verständnis von der Privatstrafe als einer Nachteilszufügung, die stets auch generalpräventive Zwecke verfolgt, eintritt. Eine generalpräventive Privatstrafe ist mit dem Privatrecht nicht vereinbar. Erst auf der Grundlage eines erweiterten Begriffsverständnisses sind Ausprägungen der Privatstrafe denkbar, die privatrechtskonform sind. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit den privatrechtlichen Sanktionen im Arbeits- und Gesellschaftsrecht, den Betriebsbußen und Vereinsbußen, die ebenfalls weder Schadensersatzanspruch noch vermögensrechtlicher Anspruch sind, sondern der Durchsetzung privatrechtlicher Normen dienen. Im Unterschied zur gesetzlich geregelten Privatstrafe, beispielsweise in Form einer Gewinnabschöpfung, besteht die Besonderheit, dass sowohl die durchzusetzenden Pflichten als auch die Sanktion auf einer freiwilligen Vereinbarung beruhen. Sie stehen daher mit dem Begriff des Schuldverhältnisses in Einklang, weil sie auf dem Willen der Parteien beruhen. Bei Betriebsbußen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung handelt es sich zwar um einen kollektiven Vertrag mit normativer Wirkung, die Buße beruht dennoch auf der Autonomie der Betriebspartner.219 Für die gesetzlich geregelte Privatstrafe bleibt somit zu prüfen, ob sie sich mit der Konzeption des Schuldverhältnisses vereinbaren lässt. Erst dann ist abschließend darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine Privatstrafe im Privatrecht zulässig ist. Bei ihrer Ausgestaltung sind schließlich verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. 2. Vereinbarkeit mit dem Begriff des Schuldverhältnisses Der Zulässigkeit einer Privatstrafe wurde nicht nur die Unvereinbarkeit mit dem Privatrecht entgegengehalten, sondern auch darauf verwiesen, dass sie sich nicht mit der Struktur des Schuldverhältnisses vereinbaren lasse. Der Begriff des Schuldverhältnisses wird vom Gesetz einerseits in einem engeren Sinne als Verhältnis von Schuld und Forderung verwendet, andererseits als Schuldverhältnis im weiteren Sinne anerkannt, das über die Forderungen hinausgeht. Unabhängig von den unterschiedlichen Versuchen einer Definition des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne sind die hier entscheidenden Identitätsmerkmale des Schuldverhältnisses seine Relativität und die Gleichrangig219

BAG 12.9.1967 AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Betriebsbuße; Wiese, GK-BetrVG, § 87 Rn. 240.

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keit seiner Rechtssubjekte.220 Prinzipiell beschränkt es sich auf das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner. Dieser Grundsatz hat sich indes nicht als unverbrüchliches Dogma erwiesen. Die Isolation des Schuldverhältnisses auf das bilaterale Verhältnis von Schuldner und Gläubiger wird nicht in jedem Fall als zeitgemäß erachtet, wenn den sozialen Beziehungen, die sich aus dem Schuldverhältnis ergeben, in vollem Umfang Rechnung getragen werden soll.221 Insofern können nicht nur Leistungspflichten222, sondern auch Schutzpflichten223 zugunsten Dritter wirken. Die Relativität des Schuldverhältnisses ist aber nicht nur auf die beteiligten Personen bezogen. Zugleich wird eine qualitative Relativität des Schuldverhältnisses angenommen.224 Der Geltungsgrund für die Pflichten aus dem Schuldverhältnis müsse sich aus dem spezifischen Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger ergeben.225 Bei vertraglichen Schuldverhältnissen folge das aus der rechtsgeschäftlichen Einigung über die Pflichten der Vertragspartner.226 Bei heteronomen Schuldverhältnissen muss sich dementsprechend der Grund für die Verpflichtung des Schuldners ebenfalls aus seinem Verhältnis zum Gläubiger ergeben.227 Daher sei eine Haftungsfolge, die auf einer schuldrechtlichen Verpflichtung beruht, nicht mit dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis vereinbar, wenn sie in keinem Bezug zum Verhältnis der Parteien stehe.228 In der Diskussion über die Privatstrafe als Gegenstand eines Schuldverhältnisses wird vor allem auf das Recht der unerlaubten Handlung Bezug genommen. Das Entstehen des Schuldverhältnisses hängt im Falle des § 823 BGB von der rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung eines absoluten Rechts oder eines Schutzgesetzes ab, das nicht nur die Interessen der Allgemeinheit, sondern auch die Interessen des Geschädigten schützt. Die subjektiven Rechte sind insoweit der Bezugspunkt für das Schuldverhältnis zwischen 220 Zur Relativität als Identitätsmerkmal F. Bydlinski, System, S. 93 f.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 12; s. auch Klumpp, Privatstrafe, S. 88; Denck, JuS 1981, 9, 11; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/1, S. 100; Henke, Relativität, S. 11, 91. 221 Dazu Henke, Relativität, S. 83 ff. 222 §§ 328, 546 Abs. 2, 581 Abs. 2, 604 Abs. 4 BGB; dazu Henke, Relativität, S. 91 f. 223 § 311 Abs. 3 BGB; zur Anerkennung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Henke, Relativität, S. 35 f., 44 f., 91. 224 F. Bydlinski, System, S. 93 f.; ders., AcP 204 (2004), 309, 341 f.; Denck, JuS 1981, 9, 11; Dörner, Dynamische Relativität, S. 376; Klumpp, Privatstrafe, S. 93 ff.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 660; s. auch Canaris, Bedeutung der iustitia distributiva, S. 91 Fn. 192. 225 F. Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 341 ff.; Denck, JuS 1981, 9, 11; Dörner, Dynamische Relativität, S. 376; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 660. 226 Dörner, Dynamische Relativität, S. 376; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 114; Klumpp, Privatstrafe, S. 89 f.; Staudinger/Jagmann, BGB, § 328 Rn. 1; vgl. zum Vertrag zulasten Dritter Gottwald, MünchKomm-BGB, § 328 Rn. 250 f.; Staudinger/Jagmann, BGB, Vorbem zu §§ 328 ff. Rn. 44. 227 F. Bydlinski, System, S. 92, 93 f. (der aber auch auf die Berücksichtigungsfähigkeit von Drittinteressen verweist und vor allem der Indienstnahme des Einzelnen für die Allgemeinheit widerspricht, S. 96); Klumpp, Privatstrafe, S. 97 f. 228 F. Bydlinski, System, S. 93 f.; Klumpp, Privatstrafe, S. 97 f.

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Schädiger und Geschädigtem. Die Verfolgung von Interessen der Allgemeinheit lässt sich damit nicht vereinbaren.229 Insofern führen in diesem Punkt die Vorstellungen von der Aufgabe des Privatrechts und von der qualitativen Relativität des Schuldverhältnisses zum gleichen Ergebnis. Für die Haftungsfolgen können daher nur die subjektiven Rechte des Geschädigten maßgeblich sein. Daher lässt sich eine Privatstrafe zur Abschreckung der Allgemeinheit nicht mit dem Schuldverhältnis und seiner Konzeption vereinbaren.230 Klumpp nimmt an, dass auch eine Spezialprävention nicht mit der Begründung des Schuldverhältnisses aus unerlaubter Handlung vereinbar sei.231 Zum einen sei sie nicht von der Generalprävention zu trennen, zum anderen ziele sie auf die Zukunft, ohne die Sanktion davon abhängig zu machen, ob eine vergleichbare Rechtsgutsverletzung im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem noch einmal wahrscheinlich ist.232 Zudem beschränkten sich die Haftungsfolgen der unerlaubten Handlung in diesem Fall nicht auf die Wiederherstellung wie beim Schadensersatz, sondern der Geschädigte erhalte einen Vorteil, der ihm nicht zustehe.233 Grundsätzlich ist mit einer spezialpräventiven Maßnahme gegenüber einem konkreten Schädiger regelmäßig eine generalpräventive Wirkung verbunden. Gleichwohl ist zwischen Spezial- und Generalprävention insoweit zu trennen, als die Spezialprävention der Zweck der Maßnahme ist und die Generalprävention nur deren tatsächliche Wirkung, ihr Nebeneffekt. Für die Zulässigkeit der Maßnahme im Rahmen des Schuldverhältnisses ist ihre Zwecksetzung entscheidend, da sie ausschlaggebend für die Bemessung der Haftungsfolge ist. Insoweit ist die Wirkung der Sanktion auf die Allgemeinheit unerheblich für ihre Zulässigkeit im Privatrecht. Die spezialpräventive Privatstrafe geht über die Grenzen des Schuldverhältnisses nicht zwangsläufig hinaus, weil sie für die Zukunft wirkt, ohne davon abhängig zu sein, dass eine erneute Rechtsverletzung zulasten des Geschädigten wahrscheinlich ist. Für heteronome Schuldverhältnisse gilt, dass die Voraussetzungen, die zur Begründung des Schuldverhältnisses führen, gesetzlich geregelt sind und somit auf das Verhalten des Schädigers Wirkung entfaltet, wenn er rational mit Blick auf die Konsequenzen seines Handelns entscheidet. Insofern entfaltet der Schadensersatzanspruch, aber auch eine Privatstrafe, bereits vor ihrer Verhängung Wirkung auf den (potentiellen) Schädiger.234 Allerdings entsteht das konkrete Schuldverhältnis bei der unerlaubten Handlung 229 F. Bydlinski, System, S. 96; ders., AcP 204 (2004), 309, 344 f.; Gounalakis, AfP 1998, 10, 15; Klumpp, Privatstrafe, S. 114 f.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 660. 230 F. Bydlinski, System, S. 96; ders., AcP 204 (2004), 309, 344 f.; Klumpp, Privatstrafe, S. 114 f.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 660. Das gilt in gleicher Weise für die Genugtuung, die bereits als Aufgabe des Privatrechts ausgeschlossen wurde. 231 Klumpp, Privatstrafe, S. 114 ff.; s. aber Stürner, AfP 1998, 1, 8. 232 Klumpp, Privatstrafe, S. 114 ff. 233 Klumpp, Privatstrafe, S. 100 f., 110. 234 So aber Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 661.

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erst mit dem Schadensfall. Der Vorwirkung könnte daher der Bezug zum konkreten Schädiger und dem Geschädigten fehlen, so dass es sich nicht um eine spezialpräventive Sanktion handelt. Die Privatstrafe hat trotz der Vorwirkung einen konkreten Bezug zum Schadensfall, da sie sich mit dem Eintreten der Rechtsverletzung auf den Schädiger bezieht und auch den Zuschnitt der Rechtsfolgen allein darauf beschränkt. Um eine Generalprävention handelt es sich jedoch nur, wenn die Sanktion nicht allein im Interesse des Geschädigten und zur Abschreckung des konkreten Schädigers besteht. Solange die Privatstrafe auf Gewinnabschöpfung beschränkt ist, zielt sie nur darauf, dem Schädiger dasjenige zu nehmen, was er durch die konkrete Tat erlangt hat. Bei der Verhängung einer solchen Sanktion kommt es allein darauf an, dass der Schädiger aus dem Delikt keinen Gewinn zieht. In dieser reduzierten Form ist die Sanktion spezifisch auf das Verhältnis von Schädiger und Geschädigtem bezogen und stellt vor allem die Einwirkung auf den Schädiger sicher. Dass daneben ein generalpräventiver Effekt eintritt, ist unvermeidlich. Das ändert aber nichts daran, dass die Sanktion auf das spezielle bilaterale Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem Bezug nimmt. Schließlich identifiziert Klumpp das Schuldverhältnis zu stark mit dem Schadensersatz, wenn er darauf abstellt, dass es höchstens auf die Wiederherstellung des status quo zielen könne, der ohne das schädigende Ereignis bestünde.235 Er nimmt dazu auf die Überlegungen zur ausgleichenden Gerechtigkeit Bezug, die dem Schadensersatz zugrunde liegen. Daraus lässt sich aber nicht zwingend der Schluss ziehen, dass eine Privatstrafe vollständig ausgeschlossen sei. Selbst wenn man diesen Bezug auf die ausgleichende Gerechtigkeit aufgreift, schließt das nicht aus, den Individualrechtsschutz punktuell durch eine Privatstrafe zu ergänzen. Der ausgleichenden Gerechtigkeit liegt seit dem aristotelischen Verständnis die Überlegung zugrunde, dass der Schädiger nicht über den Ersatz des vom Geschädigten erlittenen Schadens hinaus belastet werden soll.236 Daraus lässt sich aber auch der Schluss ziehen, dass nichts dagegen spricht, eine Gewinnabschöpfung in das Privatrecht zu integrieren, soweit im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit auf einen Schadensfall reagiert wird. Aristoteles geht zwar davon aus, dass der Schädiger durch den Schadensfall einen Vorteil erhalte und der Geschädigte einen Schaden erleide, wobei Schaden und Vorteil miteinander korrespondierten. Damit geht zugleich die Annahme einher, dass Vorteil und Schaden einander entsprechen. Bei Delikten, 235

Klumpp, Privatstrafe, S. 110 f., er verweist auf S. 112 aber zugleich auf den Abschöpfungsgedanken aus dem Bereicherungsrecht und begründet somit nur die Unvereinbarkeit der Abschöpfung mit dem Schadensersatzrecht, aber nicht mit dem Schuldverhältnis generell, was er auch einräumt. Ähnlich Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 660 f., der generell Ansprüche ablehnt, die über den Schadensersatz oder die bereicherungsrechtliche Abschöpfung hinausgehen. 236 Klumpp, Privatstrafe, S. 110 f.

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aus denen der Schädiger keinen unmittelbaren Vermögensvorteil zieht, ist der Vorteil eher ein normativer und besteht darin, dass jener in rechtswidriger Weise in die Rechtsgüter eines anderen eingreifen könnte.237 Sofern der Schädiger jedoch mit der unerlaubten Handlung einen Vermögensvorteil erzielt, sprechen selbst die Überlegungen der ausgleichenden Gerechtigkeit dafür, dem Schädiger diesen Vorteil zu nehmen. Nach Aristoteles soll der Geschädigte zwar nicht mehr erhalten, als er durch den Schadensfall verloren hat. Das spricht aber nur auf den ersten Blick gegen eine Vorteilsabschöpfung, da der Vorteil nicht notwendig dem Geschädigten zufließt. Dazu ergibt sich aus der ausgleichenden Gerechtigkeit nichts, da der Fall des lukrativen Delikts nicht explizit berücksichtigt wird. Das lässt sich jedoch bei der Ausgestaltung der Privatstrafe in Bedacht nehmen, indem der schadensübersteigende Vorteil nicht an den Geschädigten fließt, sondern an den Bundeshaushalt oder eine gemeinnützige Einrichtung abgeführt wird. Folglich geht eine spezialpräventive Privatstrafe weder über die Grenzen der unerlaubten Handlung als Schuldverhältnis noch über die Grenzen des Schuldverhältnisses allgemein hinaus. II. Vereinbarkeit des überkompensatorischen Schadensersatzes mit dem Schadensersatzrecht Die Entschädigung der Nichtvermögensschäden zum Zweck der Wiedergutmachung richtet den Schadensersatz allein an der erlittenen Einbuße aus. Eine eigenständige Bedeutung haben Genugtuung und Prävention durch Schadensersatz nur, wenn sie sich in das Schadensersatzrecht integrieren lassen. Weder die Genugtuungsfunktion noch die Präventionsfunktion sind nach dem hiesigen Verständnis allgemeine Prinzipien des Schadensersatzrechts. Auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben fordern keine überkompensatorische Entschädigung zur Verwirklichung eines grundrechtlichen Schutzgebots. Die Verfassung steht der Einführung strafender Elemente in das Privatrecht aber auch nicht grundsätzlich entgegen, sondern stellt vor allem Anforderungen an die Ausgestaltung solcher Veränderungen des Zivilrechts.238 Einer allgemeinen Einführung präventiver bzw. strafender Elemente in das Schadensersatzrecht stehen die bisherigen Regelungen entgegen, die auf den erlittenen Schaden bezogen sind und eine Erweiterung darüber hinaus grundsätzlich nicht zulassen.239 Nur bei der Entschädigung von Nichtvermögensschäden ist eine Integration einer Präventions- oder Genugtuungsfunktion möglich, da der Schadensersatz nicht berechnet, sondern eine angemessene Entschädigung festgesetzt wird. Das führte aber zu einer Ungleichbehandlung der Entschädigung ideeller Einbußen, die im Gesetz nicht angelegt ist und für 237

Weinrib, in: Smith, Restitution, S. 547, 563 ff. = Duke L. J. 44 (1994), 277, 293 ff. Ausführlich § 18.B.II., S. 818 ff. 239 Klumpp, Privatstrafe, S. 110 f.; Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 634, 655 f.; Mertens, Vermögensschaden, S. 93 ff. 238

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die es an einem sachlichen Grund fehlt.240 Spätestens seit der Eingliederung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden in das allgemeine Schadensersatzrecht ist sie ein gleichberechtigter Teil des Schadensersatzrechts. Zwar schließt § 253 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Entschädigung solcher Schäden aus; soweit sie zugelassen ist, stehen aber die Vermögens- und Nichtvermögensschäden in ihrer Ersatzfähigkeit gleich. Insofern gilt nichts anderes als bei der Naturalrestitution, bei der Vermögens- und Nichtvermögensschäden sogar in gleichem Maße ersatzfähig sind. Auch die Entschädigung für schwere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat insoweit keine Sonderrolle, sondern lässt sich in den Schadensersatz mit Wiedergutmachungsfunktion integrieren, da die selbständige Präventionsfunktion wegen der Anerkennung vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts aufzugeben ist.241 Daher handelt es sich nicht um einen Anspruch eigener Art, sondern nur um eine Ergänzung des Schadensersatzrechts beim Ersatz von Nichtvermögensschäden. Auch die Entschädigungsansprüche aus den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG sind Schadensersatzansprüche mit Wiedergutmachungsfunktion und ordnen sich hinsichtlich der Haftungsfolgen in das Schadensersatzrecht ein.242 Insofern wohnt der Entschädigung von Nichtvermögensschäden keine Eigenart inne, die sie vom Ersatz der Vermögensschäden so unterscheidet, dass eine unterschiedliche Bemessung der Entschädigung gerechtfertigt ist. Hinzu kommt, dass ein Bedürfnis nach Prävention oder Genugtuung auch im Zusammenhang mit dem Eintritt von Vermögensschäden bestehen kann, wie das Immaterialgüterrecht und der gewerbliche Rechtsschutz zeigen.243 Eine einseitige Erweiterung der Entschädigung immaterieller Einbußen um Präventions- oder Genugtuungsüberlegungen steht somit Art. 3 Abs. 1 GG entgegen. Daher ist eine überkompensatorische Entschädigung nur de lege ferenda möglich, sofern sich eine solche Ergänzung des Schadensersatzrechts konsistent in die dogmatische Ausgestaltung dieser Haftungsfolge einfügen lässt. Die Erweiterung des Schadensersatzrechts um pönale bzw. präventive Elemente ist aber durch die Zusammenfassung der schadensersatzrechtlichen Bestimmungen im allgemeinen Schuldrecht erschwert. Eine Ergänzung der Regelungen hätte zur Folge, dass ein pönaler Schadensersatz undifferenziert für die vertragliche und deliktische Haftung gilt. Zudem ist die Gefährdungshaftung in ihren Haftungsfolgen auch an das allgemeine Schadensersatzrecht angelehnt. Eine generelle Erweiterung des Schadensersatzrechts um pönale Elemente berücksichtigte die Unterschiede zwischen den einzelnen Haftungs240 So für die einseitige Gewährung einer überkompensatorischen Entschädigung im Immaterialgüterrecht Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 658. 241 Siehe § 16.C.III., S. 697 ff., § 17.E., S. 778 ff. 242 Siehe § 16.C.IV.2., S. 704 ff. 243 Vgl. zur Enforcement-Richtlinie § 8.B.II.2., S. 442 ff.; zum nationalen Recht siehe § 18.A.II.1., S. 797 ff.

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gründen nicht ausreichend.244 Zwischen der Haftungsbegründung und den Haftungsfolgen besteht ein Zusammenhang, der gerade bei der Einführung pönaler Elemente nicht übergangen werden darf.245 Die Gefährdungshaftung ist eine Haftung für erlaubtes Verhalten und kann keine pönalen Rechtsfolgen nach sich ziehen. Eine Erweiterung der Haftungsfolgen der Gefährdungshaftung über die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens hinaus lässt sich auch nicht mit Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbaren. Die Belastung des Schädigers geht über eine angemessene Schadensverteilung hinaus und belastet ihn, selbst wenn der Schadensfall nicht auf einer Sorgfaltspflichtwidrigkeit beruht. Auch die ökonomische Analyse widerspricht einer solchen Sanktion, da sie zu ineffektiven Vorsorgeaufwendungen führte.246 Des Weiteren lässt sich der pönale Schadensersatz auch nicht ohne Weiteres mit der vertraglichen Haftung vereinbaren. Die Schadensersatzansprüche beruhen auf einer Pflichtverletzung, wobei das Verschulden gesetzlich vermutet wird (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Ein pönaler Schadensersatz ist bei vermutetem Verschulden ebenfalls eine Belastung des Schädigers, die unabhängig von seiner tatsächlichen Sorgfaltspflichtwidrigkeit ist. Die zivilrechtliche Haftung hebt ohnehin nicht auf einen subjektiven, sondern einen objektiven Verschuldensmaßstab ab, so dass die individuelle Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit des sorgfältigen Verhaltens unberücksichtigt bleibt. Die Verschuldensvermutung geht darüber noch hinaus. Das lässt sich mit dem Zweck eines überkompensatorischen Schadensersatzes zu Präventionszwecken nicht vereinbaren, da nicht stets ein Präventionsbedürfnis besteht.247 Zudem haftet der Gläubiger für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen. Auch das englische und US-amerikanische Recht beschränken den Strafschadensersatz grundsätzlich auf die deliktische Haftung und gewähren ihn nur in einzelnen Fällen vertraglicher Haftung.248 Das gilt insbesondere, wenn neben den Voraussetzungen der vertraglichen Haftung zugleich die für eine deliktische Klage vorliegen. Darüber hinaus wird nur in Einzelfällen ein Strafschadensersatz gewährt.249 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Erweiterung des Schadensersatzes um pönale Elemente nicht allgemein für das Schadensersatzrecht erfolgen kann, sondern sich auf Teilbereiche beschränken muss. Eine pauschale Erweiterung des Schadensersatzanspruchs ist weder erforderlich noch möglich. 244 Auf die unterschiedlichen Haftungsvoraussetzungen verweist Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 634, der aber generell eine Prävention ablehnt. 245 Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 634. 246 So auch zur Fahrlässigkeitshaftung Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 688 f. (hins. Gewinnabschöpfung, aber für eine Erhöhung des Entschädigungsanspruchs). 247 Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 661. 248 Dazu § 6.C.V.2, 3., S. 312 ff., 315 ff. 249 Siehe § 6.C.V.2, 3., S. 312 ff., 315 ff.

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Bei einer zu allgemeinen Ausgestaltung des Strafschadensersatzes in Form eines vom Gericht festzusetzenden Strafaufschlags beim Vermögensschaden oder einer Einbeziehung pönaler bzw. präventiver Erwägungen bei der Bemessung der Entschädigung für den Nichtvermögensschaden ist die Regelung zudem zu unbestimmt, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen. Die Regelung, die die Auferlegung eines Strafschadensersatzes bzw. Präventionsschadensersatzes erlaubt, muss wegen des Eingriffs in die Handlungsfreiheit des Schädigers aber auch den rechtsstaatlichen Anforderungen der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Selbst wenn die pönale Sanktion nur dem Individualrechtsschutz dient und Art. 103 Abs. 2 GG nicht einschlägig ist, muss zumindest aus der Regelung erkennbar sein, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Strafaufschlag zum Schadensersatz erfolgt und nach welchen Kriterien sich seine Höhe bemisst. Insofern muss die gesetzliche Regelung diesen Anforderungen genügen. Das schließt es aus, pönale oder präventive Überlegungen beim Ersatz von Nichtvermögensschäden schlicht als Gesichtspunkt der angemessenen Entschädigung anzusehen.250 Einem bloßen Einfügen des Strafschadensersatzes in das allgemeine Schadensersatzrecht könnte zudem entgegenstehen, dass der Anspruch versichert ist, somit nicht den Schädiger persönlich trifft und auch nicht zu einer Gewinnabschöpfung führt. Daher ist der Strafschadensersatz zumindest von der Versicherung auszunehmen. § 81 Abs. 1 VVG schließt zwar das Eintreten der Versicherung aus, wenn der Versicherte den Schadensfall vorsätzlich selbst herbeigeführt hat. Sofern sich der Strafschadensersatz nicht auf diese Fälle beschränken sollte, bedarf es also einer zusätzlichen Anpassung, um ihn von der Versicherung auszunehmen. Das ist aber nur dann möglich, ohne den Versicherungsschutz zu verkürzen, wenn der Strafaufschlag separat ausgewiesen ist. Das gilt auch für den Ersatz des Nichtvermögensschadens. Insofern können die pönalen Erwägungen nicht nur in die Gesamtabwägung bei der Bemessung der Entschädigung einfließen. Weitere Komplikationen ergeben sich daraus, dass durch den Schadensfall gegebenenfalls eine Mehrzahl von Geschädigten betroffen ist.251 Insofern bleibt zu regeln, ob nur ein Geschädigter die Zahlung des Strafschadensersatzes verlangen kann oder die Geschädigten Gesamtgläubiger des Strafaufschlags sind. Jedenfalls ist es bei einem Schadensersatz mit Präventionszweck nicht erforderlich, dass jeder Geschädigte einen Anspruch auf eine erhöhte Entschädigung hat. Sofern sich die Privatstrafe auf eine Gewinnabschöpfung

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Vgl. die Kritik am Entwurf des Art. 1371 des Rapport Catala s. § 6.C.V.1.a., S. 309 f. Siehe auch Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 661; vgl. den Lösungsversuch von Schlobach, Präventionsprinzip, S. 440 f., der aber nicht begründet, wie sich sicherstellen lässt, dass der Richter von der Klage der anderen Geschädigten Kenntnis erlangt. 251

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beschränkt, ist auch unter diesem Gesichtspunkt nur eine Gesamtgläubigerschaft aller Geschädigten möglich. Im Ergebnis kommt ein Straf- bzw. Präventionsschadensersatz nicht allgemein als Ergänzung der Schadensersatzansprüche als Haftungsfolge in Betracht. Zudem bedarf der „Strafaufschlag“ der separaten Ausweisung und darf nicht vollständig in das Ermessen des Gerichts gestellt sein. Eine schlichte Erweiterung des Schadensersatzes um eine Präventionsfunktion führte zudem zu Friktionen in Fällen mit mehreren Geschädigten. Somit lässt sich der Strafbzw. Präventionsschadensersatz nicht in das allgemeine Schadensersatzrecht integrieren, sondern es bedarf einer hinreichend bestimmten Regelung, die sich auf eine Haftung für Pflichtverletzungen bezieht, wobei das Verschulden nicht nur ein vermutetes sein darf. Zudem muss sie erkennen lassen, nach welchem Maßstab und bis zu welcher Grenze ein solcher Strafaufschlag gewährt wird. III. Gewinnabschöpfung als Form der Privatstrafe Ziel einer Privatstrafe muss stets die Spezialprävention sein, die die Durchsetzung eines subjektiven Rechts verbessert. Dieses subjektive Recht muss dem Anspruchsinhaber grundsätzlich selbst zustehen. Sofern Dritten Ansprüche gewährt werden, die über einen Schadensersatz hinausgehen, muss es sich – wie das Lauterkeits- und Wettbewerbsrecht zeigt – um eine Rechtsperson handeln, die den Schutz der Interessen des Betroffenen wahrnimmt.252 Zur Verwirklichung der Präventionsfunktion wird vor allem eine Gewinnabschöpfung erwogen, um die Rechtsverletzung unattraktiv zu machen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine Gewinnabschöpfung nicht stets privatstrafenden Charakter hat, sondern auch eine Form der Schadenspauschalierung ist und insofern eine Methode für die Berechnung des Schadensersatzes sein kann.253 Das zeigen insbesondere die Regelungen zu den Schadensersatzansprüchen im Immaterialgüterrecht und zum gewerblichen Rechtsschutz.254 Eine solche Bemessung des Schadensersatzes kommt aber nur bei der Verletzung von Vermögensrechten und den daraus resultierenden Vermögensschäden in Betracht. Als Ergänzung zur Wiedergutmachung ideeller Schäden ist eine Gewinnabschöpfung letztlich nur als Privatstrafe möglich. Eine solche Regelung ist auch in Art. VI.-6:101 Abs. 4 DCFR enthalten und stützt sich darauf, dass sich das Delikt für den Schädiger nicht lohnen dürfe. Der Geschädigte kann statt des Schadensersatzes den Gewinn des 252

Siehe oben § 18.A.III.3., S. 810 ff. Vgl. dazu die dreifache Schadensberechnung im Immaterialgüterrecht § 18.A.II.1., S. 797 ff. 254 § 97 Abs. 2 S. 2, 3 UrhG, § 139 Abs. 3 S. 2, 3 PatG, § 42 Abs. 2 S. 2, 3 GeschMG, § 24 Abs. 2 S. 2, 3 GebrMG, §§ 14 Abs. 6, 128 Abs. 2, 135 Abs. 2 MarkenG; § 37 Abs. 2, 3 SortSchG, § 9 Abs. 1 HalblSchG. 253

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Schädigers verlangen, so dass der Geschädigte unabhängig von der sonst akzeptierten Ausgleichsfunktion und dem Bereicherungsverbot gegebenenfalls mehr erhält, als er durch den Schadensfall verloren hat. Der Entwurf orientiert sich an der Richtlinie 2004/48/EG, die aber nur die Verletzung von Vermögensrechten betrifft, so dass die Bezugnahme auf den Gewinn des Verletzers eine Form der Schadensberechnung ist. Bei der Verletzung von subjektiven Abwehrrechten ohne vermögensrechtliche Bestandteile scheidet eine vergleichbare Berechnung jedoch aus. Insoweit geht der DCFR über die Richtlinie 2004/48/EG hinaus. Das lässt sich jedoch mit dem Privatrecht nach dem hiesigen Verständnis vereinbaren. Widersprüchlich erscheint insoweit, dass der DCFR einen Abschöpfungsanspruch gewährt und zugleich die Einführung eines Strafschadensersatzes ablehnt. Das ließe sich so verstehen, dass über die Gewinnabschöpfung hinaus kein Strafschadensersatz bestehen soll. Zugleich ist offen, wann die Gewinnabschöpfung i. S. von Art. VI.-6:101 Abs. 4 angemessen ist. Sofern das nur bei verletzten Vermögensrechten angenommen wird, enthält die Regelung nicht mehr als einen Schadensberechnungsmodus. Zur Ergänzung des deutschen Schadensersatzrechts wird in der Literatur insbesondere eine Gewinnabschöpfung als Alternative zum Schadensersatz befürwortet.255 Wagner hat in seinem Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag 2006 eine Ergänzung des § 251 BGB um einen dritten Absatz vorgeschlagen, wonach der Geschädigte statt des Schadensersatzes Herausgabe der vom Schädiger gezogenen Vorteile verlangen kann, wenn er sich vorsätzlich über die Berechtigung des Geschädigten als Gläubiger hinweggesetzt hat.256 Auf der Grundlage der Überlegungen zur ökonomischen Analyse strebt er, ähnlich wie Köndgen257, eine Abschöpfung der Verletzervorteile an, die durch die Aneignung von Nutzungen unter Umgehung des Marktes entstanden sind. Zugleich soll § 687 Abs. 2 BGB gestrichen werden. Die Gewinnabschöpfung tritt bei Wagner an die Stelle des Schadensersatzes. Das lässt sich bei der vorsätzlichen Verletzung eines Vermögensrechts damit begründen, dass die Rechtsordnung die Nutzungen dem Geschädigten zuweist. Im Übrigen handelt es sich um eine Bereicherung des Geschädigten. Die Gewinnabschöpfung, die unabhängig von der Art der Rechts- oder Pflichtverletzung ist, beruht auf der Überlegung, dass sich das Delikt für den Schädiger nicht lohnen darf. Dabei bleibt unberücksichtigt, ob daneben weitere Sanktio255 G. Wagner, Gutachten 66. DJT, A 85 f., 87 f.; zur Gewinnabschöpfung im Rahmen eines Präventionsschadensersatzes wegen der Berechnungsschwierigkeiten Dreier, Kompensation, S. 531, 542. 256 „Hat sich der Ersatzpflichtige vorsätzlich über die Berechtigung des Gläubigers [= Geschädigten] hinweggesetzt, so kann dieser statt des Schadensersatzes die Herausgabe des Gewinns, den der Ersatzpflichtige erzielt hat, und Rechnungslegung über diesen Gewinn verlangen.“, G. Wagner, Gutachten 66. DJT, Bd. I, A 97. 257 Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 679 ff.

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nen, insbesondere nach dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bestehen, so dass nicht nur eine Strafe oder Geldbuße verhängt, sondern zugleich der Gewinn des Täters im Rahmen des Verfalls abgeschöpft werden kann. Die Bestimmungen des Verfalls greifen bisher nur ein, soweit das Tatopfer keine Ansprüche gegen den Täter hat. Diese Ausnahme besteht zum Schutz des Opfers, um seine Entschädigung oder seine vermögensrechtlichen Ansprüche zu gewährleisten. Dieser Opferschutz ist vorrangig gegenüber dem staatlichen Zugriff auf den Gewinn des Täters. Steht dem Geschädigten ein Gewinnabschöpfungsanspruch unabhängig davon zu, ob ihm ein vergleichbarer Schaden entstanden ist oder das Vermögensrecht ihm den Gewinn zuweist, werden die Verfallsvorschriften ausgehöhlt. Der Gewinn fließt an den Geschädigten statt an den Bundeshaushalt, ohne dass dafür eine Rechtfertigung besteht, sofern der Geschädigte weder einen entsprechenden Schaden noch vermögensrechtliche Ansprüche hatte. Die Zuweisung des Gewinns an den Geschädigten lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass der Geschädigte den Aufwand der Klage auf sich nimmt und im Interesse der Allgemeinheit auf die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung hinwirkt. Eine solche Zielsetzung ist mit dem gegenwärtig vorherrschenden Privatrechtsverständnis nicht zu vereinbaren. Der Einzelne wird im Sinne der positiven Generalprävention zugunsten der Allgemeinheit tätig. Sofern der Geschädigte statt des Staates zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung auftritt, verändert sich das Verhältnis und die Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privatrechtssubjekt. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dem Privatrecht andere Aufgaben als in der Vergangenheit zuzuweisen, eine solche Neuausrichtung bedarf jedoch einer Auseinandersetzung mit dem Staatsverständnis und einer Harmonisierung mit den hoheitlichen Sanktionen. Auf diesen Aspekt geht Wagner nicht ein. Eine Erweiterung der privatrechtlichen Sanktionen um eine Gewinnabschöpfung, die nicht nur eine Schadensberechnungsmethode ist, lässt sich allerdings nur damit begründen, dass der Schutz des subjektiven Rechts des Geschädigten verbessert wird. Damit wird nur die Belastung des Schädigers gerechtfertigt, die sicherstellt, dass sich das Delikt nicht mehr für ihn lohnt. Das sagt aber nichts darüber aus, ob der Gewinn dem Geschädigten zufließen muss.258 Es spricht mehr dafür, ähnlich wie beim Verfall, die Vorteile dem Bundeshaushalt zufließen zu lassen, es sei denn, es handelt sich um die Verletzung eines Vermögensrechts. Auf diese Weise ist die zivilrechtliche Gewinnabschöpfung mit den Sanktionen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts harmonisiert. Zugleich ergibt sich eine konsistente Gestaltung im Vergleich zu § 9 UWG und § 34a GWB. Aus praktischer Sicht spricht für eine solche Aus-

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Verbandsklage oder einen staatlichen Abschöpfungsanspruch erwägend Koziol, FS Canaris, Bd. I, S. 631, 661, 662; offener Koziol, FS Medicus, S. 237, 250.

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gestaltung, dass auf diese Weise vermieden wird, dass starke Klageanreize bestehen oder sogar Rechtsverletzungen provoziert werden, um sie gewinnbringend zu nutzen. IV. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung einer Privatstrafe 1. Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG Die Anerkennung einer Privatstrafe weckt Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit. Nach Art. 103 Abs. 2 GG muss die Strafbarkeit einer Tat für die Verhängung einer Strafe gesetzlich bestimmt sein, was Anforderungen an das Bestehen einer gesetzlichen Regelung und deren Bestimmtheit stellt (nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege). Das grundrechtsgleiche Recht konkretisiert das Rechtsstaatsprinzip für die staatliche Strafgewalt.259 Die Ausübung der Staatsgewalt soll in diesem Bereich höchster Eingriffsintensität voraussehbar sowie messbar sein, so dass Willkür vermieden wird.260 Daher versteht das BVerfG den Begriff der Strafe weit und erfasst nicht nur die Kriminalstrafe, sondern auch Ordnungswidrigkeiten sowie Sanktionen des Disziplinar- und Standesrechts, die zu den nicht-kriminellen hoheitlichen Strafen gehören.261 Zentraler Anknüpfungspunkt ist aber stets die Ausübung hoheitlicher Gewalt262, an der es bei Privatstrafen gerade fehlt. Daher hatte das BVerfG bereits in der Soraya-Entscheidung von 1973 zu Recht einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG verneint.263 Dem schloss sich der BGH im Jahre 2004 an.264 Die Privatstrafe ist zwar eine Sanktion für zivilrechtliche Rechts- bzw. Pflichtverletzungen, sie unterscheidet sich aber von den Strafen i. S. von Art. 103 Abs. 2 GG dadurch, dass keine hoheitliche Gewalt wegen eines Unrechts ausgeübt wird265 und ihre Durchsetzung von der Geltendmachung durch die Privatperson abhängt.266 Zudem dient die Privatstrafe dem Schutz individueller Rechts259

BVerfG 21.6.1977 E 45, 346, 351. BVerfG 8.5.1974 E 37, 201, 206 f.; 21.6.1977 E 45, 346, 351; 5.7.1983 E 64, 389, 394; 20.3.2003 E 105, 153 f.; Dreier/Schulze-Fielitz, GG, Art. 103 II Rn. 12; Leibholz/Burghart, GG, Art. 103 Rn. 1356. 261 BVerfG 11.6.1969 E 26, 186, 203 f.; 9.5.1972 E 33, 125, 164; 30.6.1976 E 42, 261, 262 f.; 21.6.1977 E 45, 346, 351; 20.4.1982 E 60, 215, 234; 29.11.1989 E 81, 132, 135; 1.12.1992 E 87, 399, 411; Jarass/Pieroth, GG, Art. 103 Rn. 41 m. w. N.; a. A. in Bezug auf disziplinarrechtliche und ehrengerichtliche Maßnahmen Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Rn. 196. 262 BVerfG 11.6.1969 E 26, 186, 204; 30.6.1976 E 42, 261, 262; 21.6.1977 E 45, 346, 351; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Rn. 194. 263 BVerfG 14.2.1973 E 34, 269, 293; s. auch BVerfG 23.4.1991 E 84, 82, 89. 264 BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f. (Caroline IV). 265 BVerfG 11.6.1969 E 26, 186, 204; 14.2.1973 E 34, 269, 293. 266 Zu § 890 ZPO besteht insbesondere der Unterschied, dass die Verhängung des Ordnungsgeldes Teil der staatlichen Zwangsvollstreckung ist. Selbst das Beugemittel nach § 890 ZPO ist nicht von Art. 103 Abs. 2 GG erfasst, s. BVerfG 23.4.1991 E 84, 82, 89; Dreier/ Schultze-Fielitz, GG, Art. 103 II Rn. 21; Sachs/Degenhardt, GG, Art. 103 Rn. 60; s. auch Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Schmahl, GG, Art. 103 Rn. 24. 260

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güter, ist aber keine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes gemeinschaftsschädliches Verhalten267. Insoweit wirkt sich die Verschiedenheit des Rechtsgutsbegriffs im Zivil- und Strafrecht aus, so dass eine Gleichsetzung von strafrechtlicher und zivilrechtlicher Sanktion nicht möglich ist.268 Selbst wenn der strafrechtliche Rechtsgutsbegriff den Schutz individueller Rechtsgüter einbezieht, erfolgt der Schutz vor allem, weil die Rechtsgutsverletzung nicht nur ein individueller Nachteil für das Opfer ist, sondern auch gemeinschaftsschädliche Wirkung hat. Der überkompensatorische Schadensersatz dient aber primär dem Schutz individueller Rechtsgüter, ohne die Gemeinschaftsschädlichkeit in den Vordergrund zu rücken, auch wenn diese Überlegungen insbesondere bei der ökonomischen Analyse eine Rolle spielen. Art. 103 Abs. 2 GG ist daher auf einen Schadensersatzanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion nicht anwendbar.269 Allerdings gelten für alle gesetzlichen Regelungen weiterhin das Rechtsstaatsprinzip i. S. von Art. 20 Abs. 3 GG und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Bestimmtheit von Gesetzen. 2. Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 3 GG Das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) beschränkt sich nach Art. 103 Abs. 3 GG auf die Strafen nach dem allgemeinen Strafgesetz. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH erfasst es nur Kriminalstrafen, 267 So zur Strafe i. S. von Art. 103 Abs. 2 GG BVerfG 11.6.1969 E 26, 186, 204; Dreier/ Schultze-Fielitz, GG, Art. 103 II Rn. 19; Sachs/Degenhardt, GG, Art. 103 Rn. 57; SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Schmahl, GG, Art. 103 Rn. 24. Vgl. auch den Begriff der materiellen Rechtswidrigkeit im Strafrecht wie ihn v. Liszt entwickelte. „Materiell rechtswidrig ist die Handlung als gesellschaftsschädliches (antisoziales oder doch asoziales) Verhalten …“, v. Liszt, Strafrecht, 1919, S. 132 f.; dazu Heinitz, Problem der materiellen Rechtswidrigkeit, S. 4 ff.; s. auch Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, § 14 Rn. 4 ff.; Jescheck/Weigend, Lehrbuch, S. 234. 268 Zum strafrechtlichen Rechtsgutsbegriff Maurach/Zipf, Strafrecht AT, Bd. I, S. 268 f.; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, S. 16 ff.; Schöch, FS Schüler-Springorum, S. 245, 253 f.; ähnlich auch Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 330 ff.; Hassemer, Theorie, S. 84, 87, 90 ff., 214 f., 223 (krit. zu Welzel wegen mangelnder Begrenzung des Strafrechts durch Bezug auf den Aktwertschutz); Kindhäuser, Strafrecht AT, S. 36; Krey, Strafrecht AT, Bd. 1, S. 3; Rudolphi, FS Honig, S. 151 ff.; s. aber Welzel, Strafrecht, S. 2 f., der annimmt, dass die Aufgabe des Strafrechts darin besteht, die Geltung der positiven sozialethischen Aktwerte zu sichern. Auf die Bedeutsamkeit des Unrechtsvorwurfs verweist auch Klumpp, Privatstrafe, S. 47 f., der aber zum gegenteiligen Ergebnis kommt. 269 BVerfG 8.3.2000 NJW 2000, 2187; BGH 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f.; s. auch Brockmeier, Punitive damages, S. 123; Deutsch, JuS 1969, 197, 198; Dreier, Prävention, S. 509 ff.; Ebert, VersR 2005, 127, 128; Ehlers, Geldersatz, S. 225 f.; Großfeld, Privatstrafe, S. 122; Horter, Strafgedanke, S. 119 f.; Kern, AcP 191 (1991), 247, 262 f.; Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 100; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 425; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 428; Stürner, AfP 1998, 1, 8; a. A. Canaris, FS Deutsch, S. 85, 106 f.; ähnlich zur Genugtuungsfunktion Bötticher, 45. DJT, C 7, 17 f.; Hirsch, FS Engisch, S. 304, 326; Köndgen, Haftpflichtfunktionen, S. 119; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 109 f.; Niemeyer, Genugtuung, S. 111; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829, 838; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 1, 155; Wiese, Ersatz immaterieller Schäden, S. 57.

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um zu verhindern, dass der Täter mehrfach einer öffentlichen Strafe ausgesetzt ist.270 Den Kreis der allgemeinen Strafgesetze grenzt das BVerfG insbesondere anhand des Unrechtsgehalts der Tat ab, die das Strafgesetz sanktioniert. Daher sind Disziplinarstrafen nicht erfasst.271 Schadensersatzansprüche aus vertraglicher oder deliktischer Haftung sanktionieren zivilrechtliches Unrecht, das sich vom kriminellen Unrecht insbesondere durch das geschützte Rechtsgut unterscheidet.272 Die Strafe ist eine hoheitliche Missbilligung sozialschädlichen Verhaltens.273 Es handelt sich nicht nur um eine Rechtsgutsverletzung im naturalistischen Sinne, sondern um eine Zuwiderhandlung gegen einen Wert der Rechtsgemeinschaft, der durch die Rechtsnorm geschützt wird.274 Daher sind Schadensersatzansprüche keine Strafe i. S. von Art. 103 Abs. 3 GG. Das Gleiche muss für die überkompensatorische Entschädigung und andere Privatstrafen gelten. Sie dienen zwar der Abschreckung des Schädigers, das geschützte Rechtsgut ist aber das zivilrechtliche Rechtsgut als subjektive Zuordnung von Rechtsmacht zugunsten des Rechtsgutsinhabers.275 Der Geschädigte nimmt zudem keine hoheitlichen Befugnisse wahr. Art. 103 Abs. 3 GG findet daher auf die Privatstrafe keine Anwendung.276 3. Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine selbständige Präventionsfunktion des Schadensersatzes aus § 611a BGB a. F. wollte ein Teil der Autoren eine überkompensatorische Entschädigung aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Verschulden des benachteiligenden Arbeitgebers abhängig ma-

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BVerfG 2.5.1967 21, 391, 401; 29.10.1969 E 27, 180, 185; 26.5.1970 E 28, 264, 276 f.; Leibholz/Burghart, GG, Art. 103 Rn. 1646; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Rn. 286 ff. 271 BVerfG 2.5.1967 21, 391, 401 ff.; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG, Art. 103 Rn. 196. 272 Unrecht ist die tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung als Gegenstand der Rechtswidrigkeitsbewertung, wobei das strafrechtliche Unrecht stets einen Straftatbestand voraussetzt und eine spezifisch strafrechtliche Materie erfasst, s. Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, § 14 Rn. 3; Hirsch, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 11 m. w. N. 273 BVerfG 9.7.1997 E 96, 245, 249. 274 Zu dieser Differenzierung Maurach/Zipf, Strafrecht AT, Bd. I, S. 268 f.; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, S. 16 f. 275 Siehe oben § 16.B.II.1., S. 677 ff. 276 BVerfG 2.5.1967 21, 391, 401 ff.; 14.2.1973 E 34, 269, 293; BGH 29.11.1994 Z 128, 117, 123; 5.10.2004 Z 160, 298, 302 f.; ebenso Bentert, Das pönale Element, S. 92; Brockmeier, Punitive damages, S. 121; Dreier, Prävention, S. 509 ff.; Ebert, Pönale Elemente, S. 362; Ehlers, Geldersatz, S. 195, 225 f.; Göbel, Geldentschädigung, S. 68 ff.; Großfeld, Privatstrafe, S. 123; Horter, Strafgedanke, S. 119; Kern, AcP 191 (1991), 247, 263 f.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 425; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 429; krit. Hirsch, FS Engisch, S. 304, 325; E. Lorenz, Immaterieller Schaden, S. 109 f.; a. A. Bötticher, 45. DJT, Bd. II, S. C 18; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, S. 253; Gounalakis, AfP 1998, 10, 14 ff.; Kaufmann, JuS 1963, 373, 382; Niemeyer, Genugtuung, S. 115 f.

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chen.277 Das Schuldprinzip (nulla poena sine culpa) ist zwar nicht ausdrücklich im Grundgesetz geregelt, für strafrechtliche Sanktionen ist es jedoch vom BVerfG anerkannt278 und wird auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Ausprägung des Rechtsstaatsgebots aus Art. 20 Abs. 3 GG gestützt sowie aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG abgeleitet.279 Das Schuldprinzip verhindert einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff durch hoheitliche Strafe. Außerdem ist es Ausdruck materieller Gerechtigkeit, dass eine hoheitliche Missbilligung sozialethisch unwerten Verhaltens nur erfolgt, wenn die Tat vorwerfbar war und somit auf individueller Schuld beruht.280 Eine Privatstrafe ist im Gegensatz zur Kriminalstrafe kein sozial-ethisches Unwerturteil, das durch staatliches Urteil ausgesprochen wird, sondern ein privatrechtlicher Anspruch gegen den Schädiger. Es handelt sich zwar formal um eine Sanktion, weil die Entschädigung auf den Normbruch reagiert. Qualitativ unterscheidet sich aber das kriminelle Unrecht vom lediglich zivilrechtlichen Unrecht, so dass beide Strafen nicht gleichzusetzen sind. Die Eingriffsintensität eines Gewinnabschöpfungsanspruchs, der dem Schädiger nur das nimmt, was er durch sein rechtswidriges Handeln erlangt hat, um den Schutz des individuellen Rechtsguts zu verbessern, lässt sich nicht mit einer öffentlichen Strafe vergleichen. Das Schuldprinzip, das für strafrechtliche Sanktionen anerkannt ist, lässt sich daher nicht unmittelbar auf die Privatstrafe übertragen.281 Das bedeutet aber nicht, dass die Privatstrafe unabhängig vom Verschulden auferlegt werden kann. Die Privatstrafe unterliegt den allgemeinen Schranken der Verhältnismäßigkeit. 4. Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Eine gesetzliche Regelung, die einen Anspruch auf Privatstrafe gewährt, greift in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ein und bedarf daher der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Darüber hinaus sind bei Ansprüchen gegen Presseunternehmen oder Künstler Art. 5 Abs. 1 GG bzw. Art. 5 Abs. 3 GG einschlägig, die bereits auf den Haftungstatbestand der deliktischen Haftung einwirken, indem sie die Beurteilung der Rechtswidrigkeit beeinflussen. Sofern jedoch eine über den Schaden hinausgehende Entschädigung oder eine selbständige Privatstrafe zu leisten wäre, ist die Wertung des 277 Annuß, NZA 1999, 738, 742; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 412; Staudinger/Annuß, BGB, 2005, § 611a Rn. 94. 278 BVerfG 10.5.1957 E 6, 389, 439; 5.3.1958 E 7, 305, 319; 4.2.1959 E 9, 167, 169; 25.10.1966 Z 20, 323, 331; s. auch Leibholz/Burghart, GG, Art. 1 Rn. 21; Sachs/Degenhardt, GG, Art. 103 Rn. 55, 60; Schlosser, JZ 1958, 526, 529; krit. Wolff, AöR 124 (1999), 55, 78 ff. 279 BVerfG 25.10.1966 E 20, 323, 331; 21.6.1977 E 45, 187, 228; 16.4.1980 E 54, 100, 108; 26.5.1981 E 57, 250, 275; 15.6.1989 E 80, 244, 255; 16.3.1994 E 91, 1, 27; 24.10.1996 E 95, 96, 140; 5.2.2004 E 109, 133, 171; 14.1.2004 E 110, 1, 13 f.; Sachs/Degenhardt, GG, Art. 103 Rn. 55. 280 BVerfG 25.10.1966 Z 20, 323, 331; dazu auch Maurach/Zipf, Strafrecht AT 1, Bd. I, S. 85. 281 Ebenso Schlobach, Präventionsprinzip, S. 153, 430.

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Art. 5 Abs. 1, 3 GG auch zu berücksichtigen. Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung anhand des Maßstabs der Verhältnismäßigkeit muss die Belastung mit einer Privatstrafe daher ein legitimes Ziel auf geeignete, erforderliche und angemessene Weise verfolgen. Der angestrebte Schutz der personenbezogenen Rechtsgüter, die ihrerseits durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützt sind, stellt ein legitimes Ziel im verfassungsrechtlichen Sinne dar. Zudem ist eine überkompensatorische Entschädigung zur Abschreckung weiterer Rechtsgutsverletzungen geeignet. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Privatstrafe ist jedoch zu berücksichtigen, ob und in welchem Maße der Schutz subjektiver Rechte durch Sanktionen oder andere Reaktionen der Rechtsordnung bereits bewirkt wird, so dass es keiner zusätzlichen Privatstrafe bedarf und sie zudem zu einer unangemessenen Belastung des Schädigers führte. Dabei sind die Kriminalstrafen und die übrigen hoheitlichen Sanktionen (wie Geldbußen) in die Betrachtung einzubeziehen282, aber auch die Schadensersatzansprüche, die de facto auf den Schutz der subjektiven Rechte hinwirken. Nur wenn es einer über den Schadensersatz hinausgehenden Sanktion bedarf, um den Rechtsschutz zu verbessern, ist ein Strafschadensersatz oder eine selbständige Privatstrafe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Bei der Beurteilung ist der Primärrechtsschutz oder andere Maßnahmen zum Schutz des Rechtsguts zu berücksichtigen. Eine Rechtfertigung für eine Privatstrafe kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Primärrechtsschutz nicht ausreicht und die Privatstrafe gegenüber der Einführung einer strafrechtlichen Sanktion das mildere Mittel ist. Gerade bei lukrativen Delikten genügt der Schadensausgleich nicht, um den Schädiger effektiv von zukünftigen Rechtsverletzungen abzuhalten. Um den Bezug zwischen Privatstrafe und geschütztem subjektiven Recht sicherzustellen, muss die gesetzliche Bestimmung erkennen lassen, dass die Belastung allein dem Schutz des konkreten Geschädigten dient und nicht der allgemeinen Rechtsdurchsetzung. Die Angemessenheit der Privatstrafe hängt insbesondere von ihrer Ausgestaltung und den Belastungen ab, die für den Schädiger eintreten. Es kommt darauf an, ob und inwieweit die Rechtswidrigkeit der Rechtsverletzung und das Verschulden des Schädigers berücksichtigt werden. Ein erlaubtes Handeln kann zwar eine Haftung für erlittene Schäden nach sich ziehen. Eine Privatstrafe kommt aber nicht in Betracht. Das Verschulden des Schädigers ist von Belang, weil der Grad der Verantwortlichkeit davon abhängt, ob der Schädiger Kontrolle über den Schadensfall hatte und den Schaden sogar in seinen Willen (zumindest als hingenommene Folge) aufgenommen hat. Es ist eine Relation zwischen dem angestrebten Ziel – dem verbesserten Schutz subjektiver Rechte – und den Voraussetzungen für die Privatstrafe herzustellen. Die Strafe setzt zusätzliche Anreize für die Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen. Sofern der Schadensfall nur schwer zu verhindern ist oder ein überproportionaler 282

Bentert, Das pönale Element, S. 92; Kern, AcP 191 (1991), 247, 270 f.

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Vermeideaufwand ausgelöst wird, ist die Angemessenheit der Privatstrafe abzulehnen, wenn sie außer Verhältnis zur Rechtsgutsverletzung und zum Schadensumfang steht. Diese Beurteilung wird auch vom Verschuldensgrad des Schädigers beeinflusst. Insbesondere bei unverschuldeten Rechtsgutsverletzungen ist die Privatstrafe grundsätzlich als unangemessen abzulehnen. Das Gleiche gilt für die Haftung für vermutetes Verschulden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Privatstrafe ist zudem darauf Bedacht zu nehmen, dass die zivilrechtliche Haftung im Gegensatz zum Strafrecht einen objektiven Fahrlässigkeitsmaßstab zugrunde legt und einer Gefährdungshaftung stark angenähert ist. Für die Fahrlässigkeit kommt es nicht auf die individuelle Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit der Wahrung der Sorgfaltspflichten an. Daher führt die Auferlegung einer Privatstrafe bei bloßer Fahrlässigkeit zur erheblichen Belastung des Schädigers, weil er nicht nur dem Geschädigten den Schaden abnehmen muss. Sofern eine individuelle Vorhersehbarkeit – gerade bei der Entwicklung oder Konkretisierung von Sorgfaltspflichten durch die Rechtsprechung – nicht bestand, ist zudem die Steuerungsmöglichkeit des Schädigers beschränkt, so dass eine zusätzliche Privatstrafe häufig zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt. Im Grunde kommt eine Privatstrafe daher vor allem bei vorsätzlichen Rechtsverletzungen in Betracht. Auch die ökonomische Analyse beurteilt eine Gewinnabschöpfung – unabhängig von den rechtlichen Vorgaben – vor allem bei solchen Verletzungen als zielführend für eine Prävention im Einklang mit wohlfahrtsökonomischen Überlegungen. Schließlich ergeben sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Vorgaben für die Höhe der Strafe. Privatstrafen können zu einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung des Schädigers führen und dessen Selbstentfaltung unangemessen beschränken. Eine Privatstrafe zur Gewinnabschöpfung, so dass der Schädiger nur herausgeben muss, was er durch die Rechtsgutsverletzung erlangt hat, lässt sich jedoch begründen. Dem Schädiger wird nur genommen, was er unter Verstoß gegen die Rechtsordnung erlangt hat. Dieser rechtswidrig erlangte Vorteil ist durch die Rechtsordnung nicht geschützt.283 Praktisch ist der Gewinn des Schädigers für den Geschädigten aber regelmäßig nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten ermittelbar. Daher läuft der Gewinnabschöpfungsanspruch de facto leer und entfaltet keine präventive Wirkung. Folglich ist für die Ausgestaltung des einfachen Rechts zu erwägen, ob und inwieweit eine Pauschalierung des Gewinnabschöpfungsanspruchs möglich ist. Dazu bedarf es eines tatsächlichen Maßstabs, an den sich anknüpfen lässt. Um dabei den Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu genügen, ist es entscheidend, dass diese Pauschalierung zur Gewinnabschöpfung geeignet ist. Das setzt insbesondere voraus, dass der Maßstab einen 283

Vgl. § 817 S. 1 BGB sowie den Verfall gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 StGB, § 29a Abs. 1, 2 OWiG; s. auch § 17 Abs. 4 OWiG.

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Bezug zur konkreten Gewinnerzielung durch die Rechtsverletzung hat (z. B. anteilige Werbeeinnahmen für einen Fernsehbeitrag unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts). Zudem muss die Pauschalierung ihrer Höhe nach angemessen sein und darf insbesondere nicht unabhängig von den Aufwendungen für die konkrete Gewinnerzielung und der Eigenleistung erfolgen. Insofern ist ebenfalls eine Pauschalierung zu erwägen, um die Handhabbarkeit der Regelung zu gewährleisten. V. Notwendigkeit von Privatstrafen zur Ergänzung der Wiedergutmachung ideeller Schäden 1. Nicht-lukrative Delikte a) Vorsätzliche Rechtsgutsverletzungen, insbesondere Vergewaltigung Eine Ergänzung der Wiedergutmachung immaterieller Schäden durch pönale Elemente ist nur in einzelnen Teilbereichen begründbar. Insbesondere für Vorsatztaten und vor allem in Fällen von Vergewaltigungen befürworten einzelne Autoren die Einführung einer Privatstrafe neben dem Schadensersatz, um die Genugtuung des Geschädigten wegen der Tat sicherzustellen.284 Die Zahlung diene der Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls und unterstütze die Verarbeitung der Straftat durch das Opfer. Ein solcher Anspruch setze eine qualifizierte Form schuldhaften Zivilunrechts voraus.285 Zudem sei sicherzustellen, dass der Anspruch höchstpersönlich, nicht durch Dritte erfüllbar und nicht versicherbar sei sowie nicht auf die Erben übergehen könne.286 Zum Teil wurde indes nur die Ausdehnung der selbständigen Präventionsfunktion, wie sie der BGH für die Entschädigung schwerer Persönlichkeitsverletzungen entwickelt hatte, erwogen.287 Ein solcher Strafschadensersatz oder eine selbständige Privatstrafe als Ergänzung des Schadensausgleichs liegt rechtspolitisch insbesondere nahe, wenn die bestehenden Regelungen Defizite aufweisen, die vor allem durch eine Privatstrafe sinnvoll geschlossen werden können. Die Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls des Geschädigten vermag allerdings der vollständige Schadensausgleich grundsätzlich zu gewährleisten. Solange nur der Schutz seiner (verletzten) Rechtsgüter im Vordergrund steht, ist die Entschädigung der erlittenen Einbuße eine Konfliktlösung zwischen Schädiger und Geschädigtem. Das gilt auch für immaterielle Schäden, wenngleich eine Entschädigung im Wortsinne nicht erfolgt. Die Schadenswiedergutmachung wird dem Geschädigten für die ideellen Folgen des Schadensfalls gewährleistet, so dass primär der Schadensumfang maßgeblich ist.288 Vorsatz 284 285 286 287 288

Ebert, Pönale Elemente, S. 466; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 149 ff. Ebert, Pönale Elemente, S. 466; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 149 ff. Ebert, Pönale Elemente, S. 469; Stoll, Gutachten 45. DJT, Bd. I, S. 149 ff. Göbel, Geldentschädigung, S. 97 ff. Ausführlich siehe oben § 12.B., 569 ff., § 18.A., 795 ff.

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und rücksichtslose Gesinnung werden nur berücksichtigt, soweit sie psychische Folgeschäden wie Angst, Depression und psychische Störungen auslösen und sich daher schadenserhöhend auswirken. Das verletzte Rechtsempfinden des Geschädigten findet hingegen keine spezielle Berücksichtigung. Eine selbständige Privatstrafe oder eine erhöhte Entschädigung wegen des verletzten Rechtsgefühls kommt indes nicht in Betracht, da es sich um eine mit den Aufgaben des Privatrechts nicht vereinbare Zwecksetzung handelt. Zudem bedarf es eines zusätzlichen Rechtsschutzes nicht, soweit insbesondere das Strafrecht das Genugtuungsbedürfnis hinreichend befriedigt. Die öffentliche Strafe verwirklicht den staatlichen Strafanspruch und missbilligt die Straftat im Sinne eines sozial-ethischen Unwerturteils.289 Die Sanktion reagiert vor allem auf die Verletzung der Rechtsgemeinschaft durch kriminelles Unrecht.290 Der Strafprozess dient der Konfliktbewältigung und der Wiederherstellung des Rechtsfriedens und bezweckt zugleich die Prävention weiterer Straftaten gegenüber dem konkreten Täter im Sinne der Spezialprävention und gegenüber der Allgemeinheit im Sinne der Generalprävention. Insofern erfolgt eine Genugtuung für die Rechtsgemeinschaft. Das Opfer der Straftat ist nur mittelbar als Inhaber des geschützten Individualrechtsguts erfasst. Allerdings hat das Verbrechensopfer und sein Genugtuungsbedürfnis in den vergangenen 30 Jahren sukzessive stärkere Beachtung erfahren, die sich nicht nur in der Rechtsgutstheorie niederschlug, sondern zur Erweiterung und Verbesserung des Opferschutzes im Strafprozess führte.291 Der Konfliktbewältigung für das Opfer dient nicht nur der Täter-Opfer-Ausgleich. Auch die Berücksichtigung der (Schadens-)Wiedergutmachung bei der Strafzumessung und der Strafvollstreckung stärkt die Stellung des Opfers im Strafverfahren. Zudem wirkt die Strafe trotz ihrer Orientierung auf die Rechtsgemeinschaft zumindest de facto auch als individuelle Genugtuung für das Tatopfer. Entgegen der Forderung des Weißen Rings e. V., der Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer und ihrer Familien, wurde bisher aber kein eigenständiger Genugtuungsanspruch in die StPO eingefügt.292 Bei der Würdigung des Vorschlags ist zu berücksichtigen, dass diese Genugtuung eine Sanktion sui generis sein soll, die nach den Grundsätzen des § 46 StGB zuzumessen und in Tagessätzen zu verhängen ist. Diese Genugtuung soll neben dem zivilrechtlichen Schadensersatz stehen, sie erhöhe aber die Belastung des Beschuldigten nicht, da die geleistete Genugtuung auf die Schadensersatzansprüche anzurechnen sei.293 Im Grunde wird die Einführung einer doppelfunktionalen Buße gefordert, wie sie vor der Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht bereits be289

BVerfG 4.2.1959 E 9, 167, 171; 6.6.1967 E 22, 49, 79; 16.7.1969 E 27, 18, 33. Siehe oben § 16.B.II.1., S. 677 ff. 291 Siehe oben § 16.D.I.2., S. 711 ff. 292 Stellungnahme des Weißen Rings unter https://www.weisser-ring.de/internet/standpunkte/strafrechtspolitische-forderungen/index.html, zuletzt am 10.10.2012. 293 S. Fn. 294. 290

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stand.294 Sie soll die Strafzwecke verwirklichen, ohne das Opfer zur Rechtsdurchsetzung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Die Genugtuung dient somit nicht allein der Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls durch einen Anspruch auf zusätzliche Geldzahlung an den Geschädigten, sondern soll dem Opfer vor allem die Durchsetzung seiner Ansprüche erleichtern und die Belastung durch ein zweites Verfahren auf dem Zivilrechtsweg nehmen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der Geschädigte ein weiteres Mal zum Opfer wird (sog. sekundäre Viktimisierung). Eine darüber hinausgehende Besänftigung des Geschädigten erfolgt nur, wenn die festgesetzte Genugtuung den Schadensersatz übersteigt. Aus Sicht des Geschädigten sind somit zwei Aspekte von Bedeutung: die möglichst geringe psychische Belastung bei der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche und ein neben der öffentlichen Strafe bestehender Genugtuungsanspruch, wenn die Rechtsverletzung besonders verwerflich ist. Für die Durchsetzung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs bedarf es jedoch keines selbständigen Genugtuungsanspruchs. Das Adhäsionsverfahren nach den §§ 403 ff. StPO eröffnet die Möglichkeit, den Schadensersatz im Strafverfahren geltend zu machen und einen zweiten Prozess zu vermeiden.295 Der Vorschlag des Weißen Rings e. V. erlangt höchstens eigenständige Bedeutung, soweit der Schuldausgleich und die Konfliktbewältigung durch den Täter unmittelbar gegenüber dem Opfer erfolgen sollen. Für die Konfliktbewältigung im Verhältnis von Täter und Opfer ist aber mit dem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB bereits ein eigenständiger Weg eröffnet, der sich nicht nur auf eine durchsetzbare Genugtuung in Geld beschränkt, sondern einen ernsthaft angestrebten kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraussetzt, der zur Konfliktbewältigung beiträgt.296 Das Verfahren kann zudem auf die Straftat und die Bewältigung ihrer Folgen im Einzelfall ausgerichtet werden. Dadurch ist eine Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls möglich. Sie erfolgt in prozeduralisierter Form und kann somit dem Empfinden des Opfers präziser Rechnung tragen als eine bloße Geldzahlung. Daher ist diese Form des Opferschutzes der Einführung eines Genugtuungsanspruchs vorzuziehen. Eine überkompensatorische Entschädigung für alle Vorsatztaten lässt sich auch nicht auf eine Verallgemeinerung der Rechtsprechung zur Präventionsfunktion bei schweren Persönlichkeitsverletzungen stützen.297 Der BGH wollte nur in Fällen, in denen die Persönlichkeit des Geschädigten einer rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung unterworfen ist, sicherstellen, dass 294

Siehe oben § 16.B.II.2., S. 681 f. Siehe oben § 16.D.I.2., S. 718. 296 BGH 22.8.2001 NStZ 2002, 29; 31.5.2002 NJW 2002, 3264; 27.8.2002 NStZ 2003, 30; 12.6.2002 NStZ-RR 2002, 263; 26.8.2003 NStZ-RR 2003, 363; dazu Schönke/Schröder/Stree, StGB, § 46a Rn. 2. 297 Erwägend Göbel, Geldentschädigung, S. 103 f. 295

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von dem Geldersatzanspruch ein echter Hemmungseffekt ausgeht und sich die Rechtsgutsverletzungen in Zukunft nicht wiederholen. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestehen – anders als bei den Körperverletzungs- oder Sexualdelikten – nur punktuell Straftatbestände in Form der Ehrschutzdelikte und in § 33 KUG. Die Sanktion beschränkt sich abgesehen von den Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen auf die Entschädigung in Geld. Zudem ist die Zwangskommerzialisierung ein gewinnbringendes Delikt, sofern der Ertrag höher ist als die Entschädigungspflicht. Das gilt nicht für alle Vorsatztaten gleichermaßen. Der Rechtsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Erweiterung durch die Anerkennung einer selbständigen Präventionsfunktion erfolgten somit unter besonderen Bedingungen, die sich nicht auf andere Vorsatztaten übertragen lassen. b) Unzulässige Benachteiligung nach §§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1, 2 AGG Das Ziel der europäischen Richtlinien und des AGG ist die Durchsetzung der Gleichbehandlung beim Zugang zum Beruf bzw. beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen. Entgegen der hier zugrunde gelegten Auslegung der europäischen Richtlinien geht ein Teil der Literatur davon aus, dass die Schadenswiedergutmachung allein nicht genügt, um eine hinreichende Abschreckung zukünftiger Rechtsverletzungen zu bewirken.298 Zum Teil wird vorgeschlagen, die abschreckende Wirkung bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen, zum Teil wird die Einführung einer Ordnungswidrigkeit befürwortet.299 Beides ist weder europa- noch verfassungsrechtlich geboten. Es stellt eine rechtspolitische Entscheidung dar, den Schadensausgleich zusätzlich durch eine Privatstrafe oder durch eine Ordnungswidrigkeit zu verstärken. Für die Entscheidung, ob eine zusätzliche Sanktion erforderlich ist, muss vor allem rechtstatsächlich ermittelt werden, inwieweit die bestehenden Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind, um die Gleichbehandlung durchzusetzen. Defizite sind gegenwärtig vor allem bei der Entgeltgleichheit von Mann und Frau deutlich.300 Darüber hinaus wird die mangelnde Repräsentation von Frauen in Führungspositionen, insbesondere in Vorständen und Aufsichtsräten bei Unternehmen kritisiert. Auch die Verweigerung des Zutritts zu Kneipen oder Diskotheken301 sowie des Abschlusses von Mietverträgen mit Interessenten wegen ihrer ethnischen Herkunft oder Rasse302 gehören zu den 298

Siehe oben § 8.B.III.2., S. 457 ff. Siehe oben § 3.F.IV., S. 207 ff., § 8.B.III.2., S. 457 ff. 300 Initiative zur Verringerung der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen („Charta für Frauen“), Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 5.3.2010, IP/10/236 sowie IP/10/237. 301 Zu Österreich BezG St. Pölten 16.3.2010 http://www.klageverband.at/archives/3312, zuletzt am 10.10.2012; ZARA Rassismusreport 2009, S. 42 ff., http://www.zara.or.at/_doc/ 2010/ZARA_RassismusReport2009.pdf, zuletzt am 10.10.2012. 302 Z. B. OLG Köln 19.1.2009 WuM 2009, 341. 299

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Fällen, bei denen es zu ermitteln gilt, ob der Schadensersatz für eine Durchsetzung der Gleichbehandlung genügt. Bei der Entscheidung für eine zusätzliche Sanktion ist auch die Auswahl der Sanktionsform zu begründen. Eine Ordnungswidrigkeit kommt nur in Betracht, wenn die unzulässige Benachteiligung und ihre Folgen nicht nur als Rechtsverletzung im Verhältnis zwischen Privaten in einem gleichgeordneten Rechtsverhältnis anzusehen ist, sondern auch die Rechtsgemeinschaft betrifft, so dass der Staat zur Sicherung des Zusammenlebens einschreiten muss.303 Somit darf es sich nicht nur um eine Verhaltenspflicht zwischen Privaten handeln, sondern die Verhaltenspflicht muss auch gegenüber dem Staat bestehen, so dass er als Hoheitsträger zur Sanktion durch Geldbuße legitimiert ist.304 Das hängt davon ab, ob das Benachteiligungsverbot allein das Verhältnis Privater im Rechtsgeschäftsverkehr regeln sollte. Gerade wenn ranghohe Rechtsgüter oder wesentliche Grundsätze der Rechtsordnung betroffen sind, ist die Verhaltenspflicht nicht nur für das privatrechtliche Verhältnis der Beteiligten von Bedeutung, sie berührt auch die Vorstellungen, die in der Rechtsgemeinschaft für das Zusammenleben bestehen. Dabei ist auf die Verfassung und die europarechtlichen Vorgaben zurückzugreifen, soweit sie über die Pflicht zur Umsetzung der konkreten Richtlinie hinaus die Gleichbehandlung zu einem grundlegenden Wert der Gemeinschaft erheben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist sowohl in der Verfassung als auch in der europäischen Rechtsordnung fest verwurzelt. Die Benachteiligungsverbote des AGG stützen sich auf die objektiv-rechtlichen Wertungen des Art. 3 Abs. 2, 3 GG.305 Daneben ist bei unmittelbaren Benachteiligungen und (sexuellen) Belästigungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und gegebenenfalls sogar die körperliche Integrität (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) betroffen. Diskriminierungsverbote sind zudem als allgemeiner Rechtsgrundsatz Teil des Unionsrechts (Art. 6 Abs. 3 EUV). Zum einen enthält Art. 14 EMRK ein Diskriminierungsverbot, zum anderen sind Diskriminierungsverbote Bestandteil der gemeinsamen Verfassungsüberlieferung in den Mitgliedstaaten. Schließlich kodifizieren nun Art. 21, 23 Grundrechtecharta Gleichheitsrechte mit Primärrechtscharakter (Art. 6 Abs. 1 EUV). Im Ergebnis ist das Verbot der unzulässigen Benachteiligung keine bloße Verhaltenspflicht zwischen Privaten. Vielmehr soll der Gleichbehandlungsgrundsatz durchgesetzt werden, der Teil der nationalen wie europäischen Grundrechte ist und als grundlegend für das Zusammenleben in der Rechtsgemeinschaft gilt. Somit kommt eher eine Ordnungswidrigkeit als eine Privatstrafe in Betracht. 303

Mitsch, Ordnungswidrigkeiten, S. 4 f.; Rosenkötter, Ordnungswidrigkeiten, S. 17. Mitsch, Ordnungswidrigkeiten, S. 4 f.; Rosenkötter, Ordnungswidrigkeiten, S. 17. 305 Zur Umsetzung der Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 2 GG durch § 611a BGB a. F. Eisemann, AuR 1988, 225, 231; Kocher, AuR 1998, 221, 222. 304

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Die Ausgestaltung des Tatbestands muss den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen. Neben Art. 103 Abs. 2 GG ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Eine Ordnungswidrigkeit setzt die Vorwerfbarkeit der unzulässigen Benachteiligung voraus. Zudem kann die erstmalige Verletzung des Benachteiligungsverbots nicht sofort zu einer Geldstrafe führen, zumal in jedem Fall ein Anspruch auf Entschädigung nach den §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG besteht. Auch im österreichischen Gleichbehandlungsrecht führt die erstmalige Verletzung nur zur Verwarnung des Handelnden. Die Verbotsnorm ist allerdings nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Bestimmung des Nebenstrafrechts.306 Auch der französische Code pénal enthält Straftatbestände, zu deren Verhängung es in der Praxis aber nur sehr selten kommt.307 Bei der Ausgestaltung des Tatbestands der Ordnungswidrigkeit ist eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Benachteiligungsformen, insbesondere zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung, erforderlich. Die Ungleichbehandlung, die von neutralen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren ausgeht, wird als mittelbare Benachteiligung qualifiziert, wenn sie nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und als Mittel zur Zielerreichung angemessen und erforderlich ist. Das schließt die Regelung einer Ordnungswidrigkeit aber nicht per se aus, sofern sie ein Verschulden des Handelnden voraussetzt. Die Anforderungen an das Verschulden des Handelnden verhindern eine unverhältnismäßige Belastung des Handelnden. Die mittelbare Diskriminierung steht mit den aufgezeigten europa- und verfassungsrechtlichen Wertungen in erheblichem Konflikt, wenn der Handelnde vorsätzlich eine benachteiligende neutrale Regelung schafft. Gerade die Subtilität der Diskriminierung zeigt, dass die mittelbare Diskriminierung nicht pauschal aus dem Tatbestand der Ordnungswidrigkeit auszuklammern ist. Allerdings sollten höhere Anforderungen an das Verschulden bestehen als bei unmittelbaren Diskriminierungen, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Vorsätzliche mittelbare Diskriminierungen sollten indes einbezogen werden. Sofern sich der Gesetzgeber trotz der verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben für die Regelung einer Privatstrafe statt einer Ordnungswidrigkeit entscheidet, sind bei der Ausgestaltung die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen.308 Entscheidend für die Ausgestaltung ist zudem, ob die Privatstrafe dem Geschädigten zufließt oder dem Bundeshaushalt. Die Vertreter, die eine allgemeine Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts oder die Erweiterung pönaler Elemente im Privatrecht befürworten, plädieren dafür, dass auch professionelle Diskriminierungskläger auf Strafschadensersatz kla306 307 308

Siehe oben § 6.E.IV.1., S. 369 ff. Siehe oben § 6.E.IV.3., S. 374 f. Siehe § 18.C.IV., S. 854 ff.

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gen dürfen, der ihnen persönlich zugutekommt.309 Die Rechtsdurchsetzung ist nach dem hier zugrunde gelegten Privatrechtsverständnis aber nicht Sache der Privatperson, sondern des Staates, sofern keine subjektiven Rechte geltend gemacht werden, sondern das Interesse der Allgemeinheit in Rede steht. Ein Anspruch des professionellen Diskriminierungsklägers lässt sich zudem nicht darauf zurückführen, dass seine subjektiven Rechte eines zusätzlichen Schutzes bedürfen. Die Rechtsverletzung liegt zwar vor, es tritt aber kein Schaden ein, und der Kläger hat sich der Gefährdung freiwillig ausgesetzt, um einen Anspruch zu erwerben310. Eine Notwendigkeit für eine Verbesserung des subjektiven Rechtsschutzes lässt sich unter solchen Voraussetzungen nicht begründen, so dass die Ordnungswidrigkeit der einzige Weg bleibt, sofern der Schutz gegen unzulässige Benachteiligungen verstärkt werden soll. 2. Lukrative Delikte a) Verzögerte Schadensregulierung durch den Schädiger oder die Versicherung Bei einer verzögerten Schadensregulierung erhöhen die Gerichte die Entschädigungsansprüche zulasten des Beklagten, wenn die Verzögerung nicht mehr Folge einer regulären Prozessführung ist, sondern eine Prozessverschleppung oder eine herabwürdigende und missbilligende Prozessführung darstellt.311 Die erhöhte Entschädigung ist nur Teil des Schadensausgleichs, soweit es sich um einen ersatzfähigen Schaden nach § 253 Abs. 2 BGB oder eine schwere Persönlichkeitsverletzung handelt. Mit nötigenden Vergleichsverhandlungen, Prozessverschleppung oder herabwürdigender Prozessführung ist zwar eine seelische Belastung für den klagenden Geschädigten verbunden, in der Regel tritt aber keine Gesundheitsbeschädigung ein. Auch eine schwere Persönlichkeitsverletzung kommt höchstens bei beleidigender und herabwürdigender Prozessführung in Betracht. Ein Entschädigungsanspruch wegen verzögerter Schadensregulierung ist selbständig durch einen eigenen Antrag geltend zu machen, da es sich um einen eigenen Streitgegenstand handelt. Daher kann nicht ohne weiteres eine höhere Entschädigung zugesprochen werden. Daneben besteht ein ersatzfähiger ideeller Schaden, wenn sich der Heilungsprozess beim Geschädigten verzögert. Zudem ist die seelische Belastung insoweit als Folgeschaden der Gesundheitsbeschädigung dem Schädiger zuzurechnen. Sofern die seelische Belastung auf dem Verhalten der Versicherung beruht, ist eine Zurechnung indes nicht möglich, da sie kein Erfüllungsgehilfe 309 Mohr, Diskriminierungen, S. 125 f.; Schiek/Kocher, AGG, § 15 Rn. 35, 46; zu § 611a BGB Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 254; Kummer, Umsetzungsanforderungen, S. 91 f., 93; Volmer, BB 1997, 1582, 1584; s. auch Ebert, Pönale Elemente, S. 355 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 222 f., 224; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 158 ff. 310 Siehe dazu § 3.B.V.3, S. 174 ff. 311 Siehe dazu § 4.C.VII., S. 255 ff.

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des Schädigers ist. Der Geschädigte hat gegen die Versicherung einen Direktanspruch, der in seinem Inhalt nur akzessorisch zum Anspruch gegen den Schädiger ist. Er lässt sich nicht infolge des Verhaltens der Versicherung ohne weiteres erhöhen. Ein zusätzlicher Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Schadensregulierung besteht nur, wenn die Versicherung gegenüber dem Geschädigten eine Pflicht hat, die Schadensregulierung nicht unzulässig bzw. missbräuchlich zu verzögern und der Schaden durch die seelischen Belastungen unabhängig vom Eintreten einer Gesundheitsbeschädigung auszugleichen ist. § 3a Abs. 1 Nr. 1 PflVG regelt bisher nur, dass ohne schuldhaftes Zögern ein Schadensersatzangebot vorzulegen oder mit Gründen darzulegen ist, warum der Anspruch oder die Höhe des Schadens bestritten werden. Im Ergebnis ist eine erhöhte Entschädigung wegen der Art und Weise der Schadensregulierung nur in Einzelfällen begründbar.312 Die verzögerte Schadensregulierung durch die Versicherung ist nur durch die allgemeinen Verzugsfolgen sanktioniert. § 3a Abs. 1 Nr. 2 PflVG bestimmt die Anwendbarkeit des § 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Regelung ist keine Privatstrafe, zumal der Gesetzgeber kein Sonderrecht für Verkehrsunfallopfer schaffen wollte.313 Die erhöhte Entschädigung, die die Gerichte zusprechen, hat vor allem zwei Wirkungen: Es kommt zur Wiedergutmachung der seelischen Belastung durch die verzögerte Schadensregulierung, so dass eine Entschädigung ideelle Schäden erfolgt, die unabhängig von der Rechtsgutsverletzung sind. Zudem sollen die Versicherungen angehalten werden, den Schadensfall in angemessener Zeit zu regulieren. Für die Schadensregulierung können zwar eine Reihe objektiver Hindernisse bei der Ermittlung der Haftungsvoraussetzungen und des Schadens bestehen. Eine darüber hinausgehende Verzögerung oder sogar die Nötigung des Geschädigten, um die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zu verhindern oder erheblich einzuschränken, ist jedoch ein Versuch, sich berechtigten Ansprüchen des Geschädigten zu entziehen und auf dessen Kosten Gewinn zu erzielen. Zur Umsetzung dieser Ziele bedarf es indes einer Gesetzesänderung. Rechtspolitisch spricht für eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung, dass für Versicherungen ein ökonomischer Anreiz besteht, den Schaden gegenüber einem Geschädigten, der nicht ihr Versicherungsnehmer ist, nur verzögert zu regulieren. Zudem hat die Versicherung aufgrund ihrer Professionalität und ihres Informationsvorsprungs regelmäßig einen erheblichen Vorteil an Sachkunde gegenüber dem Geschädigten. Dieser lässt sich auf Seiten des Geschädigten zwar kompensieren, indem er sich die Kompetenz durch eine entsprechende Beratung verschafft. Das damit verbundene Kostenrisiko stellt jedoch ein praktisches Hindernis dar, das selbst die Rechtsbe312

Ausführlich § 4.C.VII., S. 255 ff. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/8770, S. 10 (Umsetzung der Richtlinie 2000/26/EG vom 16.5.2000, ABl. EG Nr. L 181 v. 20.7.2000, S. 65). 313

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ratungs- und Prozesskostenhilfe nicht vollständig beseitigt, so dass das strukturelle Übergewicht der Versicherung bleibt. Zudem zwingt den Geschädigten gegebenenfalls finanzielle Not infolge des Schadensfalls, auf nötigende Vergleichsverhandlungen einzugehen und auf die Durchsetzung des vollen Schadensersatzanspruchs zu verzichten. Nur wenn sich die unzulässige Verzögerung für die Versicherung nicht lohnt, wird in Zukunft ein regelkonformes Verhalten eintreten. Die Ausgestaltung der Regelung ist dadurch erschwert, dass sich der Schädiger und auch die Versicherung mit allen rechtlich zulässigen Mitteln des Parteienprozesses gegen den Anspruch des Klägers wehren dürfen und ihnen diese Verteidigungsmöglichkeit wegen der Gewährleistung rechtlichen Gehörs nicht genommen werden darf. Nur für den Fall, dass die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten sind, ist dem Verhalten des Geschädigten bzw. der Versicherung entgegenzuwirken. Hierfür genügen die Präklusionsvorschriften des Zivilprozessrechts nicht. Eine Prozessverschleppung ist insbesondere durch wiederholte, nicht ernsthaft geführte Vergleichsverhandlungen möglich.314 Zudem wird trotz des Ergehens eines Grundurteils keine Zahlung geleistet.315 Darüber hinaus kommt es zu evident sachwidrigem Prozessverhalten.316 Um der verzögerten Schadensregulierung ihre Lukrativität für die Versicherung zu nehmen, ließe sich zunächst an eine Gewinnabschöpfung denken. Sie ist indes praktisch unmöglich. Diejenigen Fälle, in denen die verzögerte Schadensregulierung erfolgreich war, so dass der Schadensersatzanspruch nicht durchgesetzt wird oder unter unzulässigem Druck ein für den Geschädigten nachteiliger Vergleich geschlossen wird, lassen sich kaum erfassen, so dass der Gewinn der Versicherung nicht berechnet werden kann. Die Gerichte haben daher bisher die Entschädigung der Nichtvermögensschäden erhöht. Zweifel an der Wirksamkeit einer Privatstrafe ergeben sich auch daraus, dass die höheren Kosten von der Versicherung – so weit wie möglich – durch höhere Prämien an die Kunden weitergegeben werden. Lediglich die daraus resultierenden Wettbewerbsnachteile wirken verhaltenssteuernd. Für eine Kodifizierung der Rechtsprechung kommt insbesondere eine Wiedergutmachung der seelischen Belastung durch die verzögerte Schadensregulierung unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung in Betracht. Somit ist das Schadensersatzrecht um eine Regelung zu ergänzen, die es erlaubt, bei einer verzögerten Schadensregulierung die erlittenen Einbußen gegenüber dem Schädiger geltend zu machen. Für einen Schadensersatzanspruch gegen eine 314

Z. B. unzureichende Angebote der Versicherung, OLG Jena 23.10.2007 NJW-RR 2008, 831, 832; OLG Frankfurt 7.1.1999 NJW 1999, 2447. 315 OLG Braunschweig 5.10.1994 zfs 1995, 90; OLG Nürnberg 11.7.1995 zfs 1995, 452 f.; OLG Nürnberg 22.12.2006 VersR 2007, 1137; OLG Naumburg 15.10.2007 NJW-RR 2008, 693. 316 Z. B. OLG Naumburg 25.9.2001 NZV 2002, 459; zur Erlassfalle LG Berlin 6.12.2005 NZV 2006, 206 f.

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Versicherung, die in keinem Vertragsverhältnis mit dem Geschädigten steht, bedarf es der Ergänzung des Versicherungsrechts im VVG oder im PflVG um eine solche Nebenpflicht der Versicherung zum Direktanspruch und eine Regelung zur Ersatzfähigkeit ideeller Schäden. Bei der Einführung des § 3a PflVG wollte der Gesetzgeber zwar eine Sonderbehandlung der Haftpflichtversicherung verhindern, eine solche Regelung lässt sich aber damit rechtfertigen, dass die Versicherung wegen der Übernahme der Schadensregulierung auch solche Schäden ausgleichen muss, die bei einem vergleichbaren Verhalten des Schädigers von diesem selbst zu kompensieren gewesen wären. Vor allem die mangelnde Zurechenbarkeit des Handelns der Versicherung gegenüber dem Schädiger hätte ansonsten zur Folge, dass die zusätzlichen seelischen Belastungen nicht zu kompensieren sind. Darüber hinaus ist eine Privatstrafe für solche Fälle zu erwägen, in denen die Versicherung versucht, mit sittenwidrigen Methoden die Durchsetzung des Direktanspruchs zu vereiteln oder erheblich zu behindern. Die Versicherung hat aufgrund ihrer Professionalität bei der Schadensregulierung und wegen ihres Informationsvorsprungs gegenüber dem Geschädigten ein strukturelles Übergewicht, das es ihr erlaubt, ihre Interessen mit mehr Nachdruck zu vertreten als der Schädiger es gekonnt hätte. Sofern sie die Unerfahrenheit des Geschädigten ausnutzt und einen unzulässigen Druck ausübt, kann sie die Grenzen der Sittenwidrigkeit überschreiten.317 Allerdings helfen § 138 Abs. 1 BGB und § 826 BGB nicht in jedem Fall ab. Sofern der Geschädigte aufgrund des Drucks der Versicherung einen Erlassvertrag schließt, kann er zwar dessen Nichtigkeit geltend machen und die Schadensersatzansprüche erneut einklagen. Auch § 826 BGB beschränkt sich auf den Ersatz des Vermögensschadens. Es ist aber zu bezweifeln, dass eine ausreichende Verhaltenssteuerung erfolgt. Der Geschädigte wird wegen seiner strukturellen Unterlegenheit selten die Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB geltend machen und den höheren Schaden ersetzt verlangen. Damit bleibt den Versicherungen der Gewinn erhalten. In einer solchen Situation ist allerdings auch nicht ersichtlich, wie der Versicherung eine Privatstrafe auferlegt werden sollte. Eine Privatstrafe wird vor allem praktisch, wenn der Geschädigte dem Druck der Versicherung standhält. Sofern die seelischen Belastungen ersatzfähig sind, müssen diese in Geld wiedergutgemacht werden. Daher bedarf es einer zusätzlichen Privatstrafe höchstens, wenn die Schadensersatzansprüche wegen verzögerter Schadensregulierung nicht ausreichen, um einer missbräuchlichen Praxis entgegenzuwirken.

317 Vgl. zur Fallgruppe „Ausnutzens einer Übermacht“ nach § 138 Abs. 1 BGB BGH 16.5.1991 NJW 1991, 2015 ff.; Armbrüster, MünchKomm-BGB, § 138 Rn. 86 ff.; Palandt/Ellenberger, BGB, § 138 Rn. 24. Vgl. zur Fallgruppe „Schädigung Dritter“ nach § 138 BGB Armbrüster, MünchKomm-BGB, § 138 Rn. 96 ff.; Palandt/Ellenberger, BGB, § 138 Rn. 61 ff.

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Somit hängt die rechtspolitische Entscheidung für eine zusätzliche Privatstrafe davon ab, ob die Entschädigung nicht ausreicht, um die verzögerte Schadensregulierung unattraktiv zu machen. Sofern eine Privatstrafe geregelt wird, obwohl Schadensersatzansprüche zur Verfolgung des Regelungsziels genügen, unterfällt sie dem Verdikt der Unverhältnismäßigkeit. Eine Privatstrafe lässt sich zudem nicht als Gewinnabschöpfung ausgestalten, da die Versicherung in den Fällen, in denen sich der Geschädigte durchsetzt, gerade keinen Gewinn erzielt. Der Geschädigte kann nur den Gewinn liquidieren, den die Versicherung zulasten anderer Personen erzielt. Daher ist eine solche Privatstrafe nicht mit den hier abgeleiteten Grenzen des Privatrechts vereinbar. b) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ein Strafschadensersatz oder eine Privatstrafe ist bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verfassungsrechtlich nicht geboten, ihre Einführung ist aber zumindest für Fälle zu erwägen, in denen ein Unternehmen mit der Verletzung des Persönlichkeitsrechts unbekannter Personen Gewinn erzielen will. In solchen Fällen besteht, anders als bei den der Öffentlichkeit bekannten Personen, kein Anspruch wegen der Verwertung des vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts aus Eingriffskondiktion oder Geschäftsführung ohne Auftrag. Strafrechtliche Sanktionen erfolgen nur aufgrund der Ehrschutzdelikte und des § 33 KUG, die nur einen sehr eingeschränkten Bereich erfassen. Eine Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes stößt an die Grenzen der Verhältnismäßigkeit.318 Solange es nur um den Schutz des Individualrechts geht, und nicht um die Rechtsgemeinschaft, ist die Privatstrafe als Sanktion zudem das mildere Mittel. Die rechtspolitische Entscheidung für die Einführung einer Privatstrafe hängt vor allem davon ab, ob eine Spezialprävention mittels Privatstrafe erforderlich ist. Zudem kommt es darauf an, ob sich der Tatbestand durch Fallgruppen erfassen lässt, deren Anwendung hinreichend praktikabel ist. Eine Gewinnerzielung erfolgt grundsätzlich mit jeder kommerziellen Verwertung von Persönlichkeitsbestandteilen wie Fotos, Filmaufnahmen, Stimme oder Informationen über das Privatleben einer Person.319 Die Gerichte sprechen in diesen Fällen nur eine Entschädigung für ideelle Schäden infolge einer schweren Persönlichkeitsverletzung zu. Eine Erhöhung der Entschädigung zu 318 Dreier, Kompensation, S. 524 ff.; allg. dazu Bentert, Das pönale Element, S. 41; Stoll, Haftungsfolgen, S. 83; auf die noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten des Zivilrechts verweist auch Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, S. 46. 319 Z. B. Verkauf eines Fotos für eine Werbebroschüre eines Hotels ohne die Einwilligung des Abgebildeten OLG Frankfurt 28.2.1986 NJW-RR 1986, 1118; mehrfache Verwendung des Filmausschnitts der 16jährigen Klägerin in der Sendung tv-total, OLG Hamm 4.2.2004 GRUR 2004, 970; Herabwürdigung eines Vaters wegen seines Verhältnisses zu seinem Kind in einer Zeitschrift („Herzlos-Vater“) AG Bremen 13.12.2007 NJW-RR 2008, 1071; Verwendung neutraler Fotos eines Sohnes zur Illustration eines reißerischen Zeitschriftenartikels über seinen Vater ohne Einwilligung AG Hamburg 2.12.2003 GRUR-RR 2004, 158.

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Präventionszwecken erfolgt sehr selten. Besonders intensiv sind die Rechtsgutsverletzungen bei der wiederholten Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen einer Person. Die Nichtvermögensschäden werden zwar durch die erhöhte Entschädigung wiedergutgemacht, solange der zu erzielende Gewinn höher ist als die Entschädigung, bleibt die Rechtsverletzung attraktiv. Das Gleiche gilt, wenn es zum Konzept einer Sendung oder eines Presseerzeugnisses gehört, durch die Verletzung von Persönlichkeitsrechten gerade auch von Personen, die der Öffentlichkeit nicht bekannt waren, Voyeurismus oder Schadenfreude der Konsumenten zu bedienen. In solchen Fällen entsteht eine Vielzahl von Schadensersatzansprüchen in vergleichsweise geringer Höhe (Streuschäden). Zudem ist nicht damit zu rechnen, dass alle Geschädigten die Entschädigung geltend machen, so dass das Delikt lukrativ bleibt. Eine Beschränkung der Gewinnabschöpfung auf die vorstehenden Fallgruppen setzt voraus, dass sie sich tatbestandlich abgrenzen lassen und ein hinreichender Unterschied zu den übrigen Fällen einer Persönlichkeitsverletzung mit Gewinnerzielungsabsicht besteht, so dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist. Der qualitative Unterschied zwischen den aufgezeigten Fallgruppen und den sonstigen Verwertungen eines Persönlichkeitsmerkmals mit Gewinnerzielungsabsicht liegt primär in dem systematischen Vorgehen, das eine erhöhte Gefahr für das Rechtsgut mit sich bringt, ohne dass ein effektiver Schutz besteht, der einer solchen Geschäftsstrategie Einhalt gebieten kann. Insoweit besteht mehr als in anderen Fällen eine Notwendigkeit, den Rechtsgutsverletzungen durch Gewinnabschöpfung entgegenzuwirken. Für eine unterschiedliche Behandlung lässt sich ein sachlicher Grund erkennen, der aber auch angemessen sein muss, um eine solche Differenzierung zu tragen. Auch in den übrigen Fällen, in denen bei der und zur Gewinnerzielung schwere Persönlichkeitsverletzungen erfolgen, wirkt die Entschädigung der Rechtsgutsverletzung nicht konsequent entgegen, solange der Gewinn des Schädigers höher ist als der Schadensersatz. Der Rechtsgüterschutz bleibt daher lückenhaft. Schwierigkeiten bestehen zudem bei der Abgrenzung der aufgezeigten Fallgruppen. Ein systematisches Vorgehen unter Inkaufnahme von Persönlichkeitsverletzungen setzt neben der Wiederholung dieser Rechtsgutsverletzungen ein Konzept voraus, das die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einkalkuliert. Unabhängig von den Schwierigkeiten bei der Darlegung und dem Beweis eines solchen Konzepts, sind die Grenzen zwischen erlaubter Berichterstattung, Satire oder Kunst und rechtswidriger Persönlichkeitsverletzung eine Grauzone, so dass es schwer fallen wird, den Tatbestand einer Privatstrafe zur Gewinnabschöpfung so konkret zu fassen, dass er den Anforderungen an den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt und praktisch handhabbar ist. Das spricht dafür, die Abschöpfung des Verletzergewinns nicht auf die vorgenannten Fallgruppen zu begrenzen, sondern für alle Persönlichkeitsverletzungen zu fordern, bei denen eine kommerzielle Nutzung angestrebt und daher mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt wurde.

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Ein solcher Anspruch steht im geltenden Recht nicht zur Verfügung, da eine Gewinnabschöpfung in der Regel nur zugelassen wird, wenn und soweit die Vermögensordnung dem Geschädigten den Gewinn zuweist. Ausnahmen davon sind explizit im Lauterkeits- und Wettbewerbsrecht geregelt (§ 10 UWG, §§ 34, 34a GWB) und führen zu einem Anspruch auf Zahlung an den Bundeshaushalt. Um den Gewinnabschöpfungsanspruch systematisch in das geltende Recht einzupassen, ist daher eine Erweiterung des Entschädigungsanspruchs wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung abzulehnen, soweit es nicht um die Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht. Vielmehr ist die Einführung eines ergänzenden Gewinnabschöpfungsanspruchs zu befürworten, der den Schädiger verpflichtet, den Gewinn an den Staatshaushalt abzuführen.320 Das entspricht zum einen der Konzeption von § 10 UWG und von §§ 34, 34a GWB, zum anderen verringert sich der Klageanreiz, wenn der Geschädigte den Betrag nicht für sich erhält. Somit wird dem Risiko entgegengewirkt, dass Persönlichkeitsverletzungen von Geschädigten provoziert werden, um daran zu verdienen. Zugleich wirkt dies einem erheblichen Ansteigen der Klagezahlen entgegen. Letztlich wird die Gewinnabschöpfung nur in solchen Fällen geltend gemacht, in denen die Rechtsgutsverletzung als so gravierend angesehen wird, dass der Schädiger zusätzlich seinen Gewinn abgeben muss, damit ein effektiver Rechtsgüterschutz erfolgt. Die Gewinnabschöpfung darf jedoch nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung für den Schädiger werden. Das gilt umso mehr, als die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Gesamtabwägung unterliegt, so dass die Anwendung zu Unsicherheiten in der Beurteilung führen kann. Zudem ist das Handeln des Schädigers zum Teil durch Grundrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG geschützt. Das wirkt sich nicht nur auf die Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsverletzung aus, sondern ist auch bei der Belastung des Schädigers mit einem solchen Anspruch zu berücksichtigen.321 Daher ist der Gewinnabschöpfungsanspruch auf vorsätzliche Rechtsgutsverletzungen zu begrenzen. Sofern der Schädiger weiß, dass er eine unerlaubte Handlung begeht, ist er in der Ausübung seiner 320 Für eine Gewinnabschöpfung, die nicht den Geschädigten bereichert, auch Mundhenke, Schmerzensgeldrechtsprechung, S. 220, 257 f., 293 f., der die Gewinnabschöpfung aber in den Schadensersatzanspruch integriert und sich für die Regelung eines Fondsmodells ausspricht. Ähnlich bereits v. Bar, NJW 1980, 1724, 1729; Kübler, JZ 1968, 542, 545; Staudinger/Schäfer, BGB, § 847 Rn. 167; Stoll, Gutachten 45. DJT, S. 164. 321 Siehe auch die Entscheidung des BGH über die Geldentschädigung in der Rs. Esra, BGH 24.11.2009 NJW 2010, 763, 764 sowie die Entscheidungen des EGMR 6.4.2010 Appl. No. 25711/05 (Tuomela); 6.4.2010 Appl. No. 25576/04 (Flinkkilä); 6.4.2010 Appl. No. 43349/ 05 (Jokitaipale); 6.4.2010 Appl. No. 6372/06 (Iltalehti und Karhuvaara); 6.4.2010 Appl. No. 6806/06 (Soila).

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Grundrechte nicht in dem Maße schutzwürdig, dass sie der Belastung mit einem Gewinnabschöpfungsanspruch entgegensteht. Ein wesentliches Problem bei der Durchsetzung eines Gewinnabschöpfungsanspruchs ist die Berechnung des Verletzergewinns, die dem Geschädigten selten möglich ist. Es bedarf zusätzlicher Auskunftsansprüche, um auf der Grundlage der Auskünfte den Gewinn zu berechnen. Zudem ist festzulegen, welche Verluste in die Berechnung des Gewinns eingestellt werden dürfen. Eine Orientierung an der bisherigen Rechtsprechung im Immaterialgüterrecht ist möglich. Eine zusätzliche Vereinfachung lässt sich nur erzielen, wenn der Anspruch von der konkreten Gewinnberechnung gelöst wird. Sofern dem Gewinnabschöpfungsanspruch kein Vermögensrecht zugrunde liegt, handelt es sich ohnehin um eine Privatstrafe, deren Umfang am erzielten Gewinn ausgerichtet ist. Daher ist es nicht erforderlich, den Gewinn konkret zu berechnen, sondern es genügt, wenn sich der Anspruchsumfang am Gewinn orientiert und in seiner Ausgestaltung den Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Rechnung trägt. Sofern die Rechtsverletzung durch ein Medienunternehmen erfolgt, ist insbesondere denkbar, an den Werbeumsatz des konkreten Presseprodukts (Zeitschrift, Sendung) anzuknüpfen und pauschalierend das Abführen eines Prozentsatzes der Werbeeinnahmen festzulegen. Bei der Rechtsverletzung durch Fotografen, die die Verwertungsrechte an ihren Bildern verkaufen, lässt sich ein Prozentsatz der Lizenzgebühr bestimmen. Bei Presseprodukten wie Zeitschriften, die aus mehreren Beiträgen bestehen, lässt sich an die Werbeeinnahmen pro Heft anknüpfen und auf den prozentualen Anteil des Artikels am Heft abstellen. Dieses Vorgehen ist zumindest einer Bestimmung der Privatstrafe anhand von Tagessätzen vorzuziehen.322 Die Begründung des Anspruchs knüpft an die Gewinnerzielung durch die Rechtsverletzung an und wird damit begründet, dass gerade das Abführen der Vorteile aus der Rechtsverletzung der zukünftigen Verletzung des geschützten Rechtsguts angemessen entgegenwirkt. Eine Beschränkung darauf ist angesichts des verfolgten Ziels angemessen und verhindert gerade in diesem grundrechtssensiblen Bereich eine unangemessene Belastung des Schädigers. Bei der Festsetzung der Privatstrafe ist zudem zu berücksichtigen, dass der Schädiger wegen der schweren Persönlichkeitsverletzung die immateriellen Schäden ersetzen muss. Der Anspruch soll nur die Vorteile der Tat abschöpfen, so dass die Entschädigung und die vom Schädiger zu tragenden Verfahrenskosten vom abzuschöpfenden Vorteil abzuziehen sind. Insoweit sollte nichts anderes gelten als bei den Ansprüchen auf Vorteilsabschöpfung nach § 10 UWG und den §§ 34, 34a GWB.

322

So aber Ebert, Pönale Elemente, S. 522; Prinz, NJW 1996, 953, 954 ff.

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D. Zusammenfassung Im geltenden Schadensersatzrecht ist kein allgemeines Präventionsprinzip nachweisbar, das die Haftungsfolgen determiniert und eine überkompensatorische Entschädigung legitimiert. Der Schadensersatz beschränkt sich auf die Wiedergutmachung der erlittenen Schäden. Bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten und beim gewerblichen Rechtsschutz ist die Berücksichtigung des Verletzergewinns und der entgangenen Lizenzgebühr eine Form der Schadensberechnung. Darüber hinaus bestehen Gewinnabschöpfungsansprüche nur, soweit vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Schädiger existieren. Eine Ausnahme sind § 10 UWG und § 34a GWB, bei denen die Gewinnabschöpfung aber zugunsten des Staates erfolgt. In diesen Gesamtzusammenhang fügt sich die Entschädigung von Nichtvermögensschäden ein, die sich auf die Wiedergutmachung beschränkt. Für die Anerkennung einer Privatstrafe bzw. eines Schadensersatzes mit selbständiger Präventionsfunktion bestehen keine Vorgaben aus dem Europarecht und dem Schutzgebot der Grundrechte. Somit ist es eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, eine solche Privatstrafe in das Privatrecht zu integrieren. Mit der bestehenden Konzeption des Privatrechts lässt sich eine Privatstrafe nur vereinbaren, soweit sie den Schutz der subjektiven Rechte der Privatrechtssubjekte bezweckt und nicht über die Gewinnabschöpfung hinausgeht. Generalpräventive Zwecke oder eine Genugtuung lassen sich nicht mit ihr in Einklang bringen. Die Privatstrafe kann beim Ersatz der Nichtvermögensschäden nicht in die Bemessung der Entschädigung integriert werden. Zum einen käme es zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung zu den Vermögensschäden, zum anderen ist eine solche Privatstrafe außerhalb des allgemeinen Schadensersatzrechts zu regeln. Sie lässt sich als Haftungsfolge mit der Haftungsbegründung nur vereinbaren, wenn der Schädiger für eine rechtswidrige Rechts- bzw. Pflichtverletzung bei nicht nur vermutetem Verschulden haftet. Zudem muss die Regelung erkennen lassen, unter welchen Voraussetzungen den Schädiger eine Privatstrafe trifft und nach welchen Kriterien ihre Höhe bemessen wird. Für ihre Ausgestaltung ergeben sich zusätzliche Vorgaben aus dem Verfassungsrecht. Art. 103 Abs. 2, 3 GG und das verfassungsrechtliche Schuldprinzip greifen nicht ein. Maßgeblich ist vielmehr Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Eine Privatstrafe kann nur bei eigenem Verschulden auferlegt werden. Der objektive Verschuldensmaßstab steht der Privatstrafe zwar nicht entgegen, spricht aber für ihre Beschränkung auf vorsätzliche Rechtsverletzungen. Insbesondere eine Gewinnabschöpfung ist in solchen Fällen als verhältnismäßig anzusehen. Eine Ergänzung der Wiedergutmachung der Nichtvermögensschäden durch eine Privatstrafe ist nur bei lukrativen Delikten erforderlich. Das gilt insbesondere für die vorsätzliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeits-

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rechts bei Personen, die nicht der Öffentlichkeit bekannt sind und bei denen somit kein Anspruch aus Bereicherungsrecht oder angemaßter Eigengeschäftsführung besteht. Allerdings sollte die Gewinnabschöpfung nicht an die Stelle des Schadensersatzes treten, um keine zu hohen Klageanreize zu setzen. Vielmehr sollte der Geschädigte nur die Entschädigung der immateriellen Einbußen an sich und die Abschöpfung des darüber hinausgehenden Gewinns an den Bundeshaushalt verlangen können. Um die Handhabbarkeit des Anspruchs sicherzustellen, ist eine Pauschalierung der Gewinnabschöpfung zu befürworten. Wegen der verzögerten Schadensregulierung durch Versicherungen ist keine Privatstrafe regelbar, die mit den Grenzen des Privatrechts in Einklang steht. Allerdings ist insoweit zunächst der Direktanspruch gegen die Versicherung um eine Nebenpflicht zu erweitern, die Schadensregulierung nicht unzulässig zu verzögern. Die aus der Pflichtverletzung resultierenden immateriellen Schäden müssen unabhängig von der Rechtsverletzung ersatzfähig sein.

§ 19 Zusammenfassung des vierten Teils 1. Die bestehenden Regelungen zur Entschädigung von Nichtvermögensschäden zeigen in ihrer historischen Entwicklung erhebliche Unterschiede und die Begründungen für ihre Anerkennung weichen wesentlich voneinander ab. Dennoch lassen sich die Entschädigungsansprüche übereinstimmend als Schadensersatzansprüche qualifizieren. Die Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB ist unmittelbar Teil des allgemeinen Schadensersatzrechts. Auch die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG qualifiziert der Gesetzgeber als Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB und stellt sie § 253 Abs. 2 BGB gleich, zumal die europäischen Richtlinien nur einen vollständigen Ausgleich der erlittenen Schäden fordern. Schadensersatzanspruch ist schließlich auch der Entschädigungsanspruch wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung. Die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat zwar zum Handeln, führt aber nicht dazu, dass der Anspruch, der der Umsetzung dieser Pflicht dient, sui generis ist. Seit der indirekten Anerkennung der Rechtsprechung durch den Gesetzgeber bedarf es der Einordnung des Entschädigungsanspruchs als Anspruch eigener Art nicht mehr, um einen Widerspruch zu § 253 Abs. 1 BGB zu vermeiden. Zudem erfolgte die zivilrechtliche Umsetzung der Schutzpflicht nicht in einer Weise, die eine besondere Einordnung erzwingt. 2. Die Entschädigungsansprüche zielen übereinstimmend auf die Wiedergutmachung des Nichtvermögensschadens. Der Entschädigungsanspruch wegen schwerer Persönlichkeitsverletzungen hat insofern keine Sonderstel-

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Teil 4: Wiedergutmachung, Prävention und Privatstrafe

lung. Seit der Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts stehen dem Geschädigten Ansprüche aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung zu. Darüber hinaus besteht ein Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn, sofern der Rechtsinhaber verwertungsbereit war. Darüber ging auch der Entschädigungsanspruch mit selbständiger Präventionsfunktion nicht hinaus. Daher besteht keine Rechtfertigung für die Anerkennung einer (selbständigen) Präventionsfunktion. Ansprüche auf Entschädigung immaterieller Einbußen ergeben sich im Zusammenhang mit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn der Schädiger die verwerteten Persönlichkeitsbestandteile unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erlangt hat und diese Verletzung schwer ist. Auch die Verwertung der vermögensrechtlichen Bestandteile selbst zieht einen Entschädigungsanspruch wegen eines Nichtvermögensschadens nach sich, wenn der Schädiger bei der Verwertung die Entscheidung des Rechtsinhabers gegen die kommerzielle Verwertung seiner Person und für seine Privatsphäre missachtet hat sowie bei Ehrverletzungen oder Entstellungen des Geschädigten. Die Ansprüche auf Entschädigung ideeller Einbußen bestehen kumulativ neben den Ansprüchen auf Wertersatz, Herausgabe des Verletzergewinns oder Ersatz des entgangenen Gewinns, die zueinander im Verhältnis der Alternativität stehen. 3. Die Entschädigungsansprüche für Nichtvermögensschäden zielen über die Wiedergutmachung hinaus weder auf eine Genugtuung, im Sinne einer Besänftigung des verletzten Rechtsgefühls noch auf eine Prävention zukünftiger Rechtsverletzungen. Eine solche Wirkung ist höchstens Nebeneffekt des Entschädigungsanspruchs. Dem Schadensersatzrecht ist kein allgemeiner Genugtuungs- oder Präventionsgedanke eigen, der eine überkompensatorische Entschädigung rechtfertigt. Auch dem Europarecht und den grundrechtlichen Schutzpflichten lassen sich keine entsprechenden Vorgaben entnehmen. Allerdings steht eine Privatstrafe nicht vollständig im Widerspruch zur bestehenden Konzeption des Privatrechts. Zumindest eine Privatstrafe zum Zweck der Spezialprävention ist zulässig. Eine Genugtuung des Geschädigten oder der Allgemeinheit sind ebenso wenig wie die Generalprävention mit der Aufgabe des Privatrechts vereinbar, das auf subjektiven Rechten und privatrechtlichen Institutionen und deren Schutz beruht. Für eine über die Spezialprävention hinausgehende Prävention im Privatrecht bedarf es einer Veränderung der Aufgabenverteilung zwischen dem Staat und den Privatrechtssubjekten. Eine solche Erweiterung des Privatrechts im Interesse der Generalprävention ist nicht vorzunehmen. Vielmehr sind finanzielle Belastungen des Rechtsverletzers durch ein staatliches Ordnungsmittel denkbar, das vom Rechtsinhaber bei Gericht beantragt werden kann, ohne dass ein privatrechtlicher Anspruch darauf besteht.

§ 19 Zusammenfassung des vierten Teils

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4. Die Verbesserung des Rechtsgüterschutzes kann nicht de lege lata im Rahmen der Entschädigung immaterieller Einbußen erfolgen. Ansonsten käme es zur Ungleichbehandlung der Nichtvermögensschäden ohne sachlichen Grund. Auch de lege ferenda ist eine selbständige Regelung einer ergänzenden Privatstrafe zum Schadensersatz erforderlich. Die Vorgaben für ihre Regelung ergeben sich insbesondere aus der Berücksichtigung des Haftungsgrundes und den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Art. 103 Abs. 2, 3 GG und das verfassungsrechtliche Schuldprinzip finden hingegen keine Anwendung. Eine Privatstrafe ist dem Haftungsgrund nur angemessen, wenn der Schädiger für eigenes, nicht nur vermutetes Verschulden haftet. Angesichts des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist sie sogar auf vorsätzliche Rechtsverletzungen zu beschränken. Hinsichtlich der Höhe der Privatstrafe ist eine Gewinnabschöpfung stets verfassungskonform. Allerdings sollte die Gewinnabschöpfung nicht pauschal als Alternative zum Schadensersatz eingeführt werden. Sofern keine Verletzung eines Vermögensrechts vorliegt, besteht keine Notwendigkeit, dem Geschädigten den Gewinn zufließen zu lassen. Um einen übermäßigen Klageanreiz und einen Widerspruch mit den Verfallvorschriften des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts zu vermeiden, sollte der Anspruch auf eine Zahlung an den Bundeshaushalt gerichtet sein, so dass der Geschädigte selbst nur die Entschädigung der erlittenen Einbußen erhält. Eine andere Ausgestaltung ist durch das Ziel der Spezialprävention nicht geboten. 5. Eine solche Ergänzung der Wiedergutmachung immaterieller Schäden ist nur bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Personen erforderlich, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sind und deren Persönlichkeitsrecht somit keine vermögensrechtlichen Bestandteile hat. Um die Handhabbarkeit des Anspruchs zu erleichtern, ist eine Pauschalierung des Anspruchs zu erwägen, wobei sich der Schädiger den gezahlten Schadensersatz anrechnen lassen kann. In den Fällen der verzögerten Schadensregulierung ist hingegen dem Geschädigten de lege ferenda zunächst ein Schadensersatzanspruch gegen die Versicherung wegen der seelischen Belastung zu gewähren, die mit einer Prozessverschleppung oder einer herabwürdigenden Prozessführung einhergeht. Darüber hinaus ist bei Vorsatztaten keine Privatstrafe geboten. Eine Intensivierung des Schutzes vor unzulässigen Benachteiligungen ist hingegen im Ordnungswidrigkeitenrecht zu verankern, da die Zielsetzung über einen bloßen Individualrechtsschutz hinausgeht.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. 1. Der Ersatz immaterieller Schäden unterlag einem Wandlungsprozess, der nicht nur zur Erweiterung des Entschädigungsanspruchs auf alle Haftungsgründe führte, sondern insbesondere den Kreis der in Geld zu ersetzenden Nichtvermögensschäden erheblich erweiterte. Das muss sich in der Beschreibung des ideellen Schadens niederschlagen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Entschädigungsanspruch auf die Wiedergutmachung eines Schadens gerichtet und keine Privatstrafe ist. Zudem ist der erlittene Schaden Maßstab für die Entschädigung. Seine vollständige Beschreibung stellt sicher, dass die ersatzfähigen immateriellen Schäden im vollen Umfang in Geld kompensiert werden. 2. Die Beschreibung des Nichtvermögensschadens erfolgt wegen § 253 Abs. 1 BGB zunächst negativ. Danach handelt es sich um alle Schäden, die nicht Vermögensschäden sind. Die positive Beschreibung identifizierte den ideellen Schaden überwiegend mit der negativen Gefühlsbilanz des Geschädigten. Neben den Schmerzen und Leiden werden die Einbußen in der Lebensführung erfasst, deren Entschädigung ebenfalls vom Empfinden abhängt. Eine vollständige Beschreibung des Schadens, der kein Vermögensschaden ist, gelingt auf diese Weise nicht. 3. Die positive Beschreibung des Nichtvermögensschadens ist zu erweitern. Es ist am subjektiven Schadensbegriff festzuhalten. Der ideelle Schaden setzt sich aus der Einbuße am verletzten, nicht vermögenswerten Rechtsgut (Verletzungsschaden) und dem Verlust an Selbstentfaltung (Verletzungsfolgeschaden) sowie den damit einhergehenden Gefühlsschäden zusammen. Der Schaden hängt nicht (vollständig) vom Empfinden des Geschädigten ab. Es erfolgt aber keine Gleichsetzung mit der Rechtsgutsverletzung, sondern es ist auf die tatsächliche, aus der Rechtsgutsverletzung resultierende Einbuße abzustellen. Einer zusätzlichen Anerkennung eines Per-se-Schadens bedarf es nicht. Auch der objektive Schadensbegriff, der den Schaden mit der Rechtsgutsverletzung gleichsetzt, ist abzulehnen. Er ließe den Schadensersatz zu einer schadensunabhängigen Sanktion werden, die letztlich Privatstrafe ist. Bei Körperverletzungen sind Schmerzen und Leiden die in Geld zu entschädigenden Verletzungsschäden, da eine Restitution ausscheidet. Der

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Verletzungsfolgeschaden besteht in der Beeinträchtigung der privaten und beruflichen Lebensführung, wobei sich die emotionale Belastung durch die Beeinträchtigung der Selbstentfaltung schadenserhöhend auswirkt. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist der Verletzungsschaden der Kontrollverlust, der mit der Beeinträchtigung der Selbstbestimmung einhergeht, und der Verletzungsfolgeschaden die Auswirkungen auf die Selbstentfaltung, die daraus resultieren. Bei Benachteiligungen i. S. des AGG besteht der Verletzungsschaden zumindest im Verlust der gleichberechtigten Teilhabe, die das Benachteiligungsverbot schützt (zum Beispiel an einem Bewerbungsverfahren). Ersetzt werden nicht nur die immateriellen Schäden infolge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i. S. eines Integritätsschutzes oder die verlorene Chance, sondern bereits das Verhindern der gleichberechtigten Teilhabe als Voraussetzung für Chancengleichheit. Sofern zusätzlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eine Gesundheitsbeschädigung vorliegen, treten die daraus resultierenden Verletzungs- und Verletzungsfolgeschäden hinzu. 4. Diese Schadensbeschreibung ist auch für die Europäisierung des Schadensersatzrechts heranzuziehen. Sie vermag als begriffliche Grundlage für den Ersatz immaterieller Schäden im europäischen Recht zu dienen und kann die Nichtvermögensschäden i. S. des Gemeinsamen Referenzrahmens erfassen. In den untersuchten Mitgliedstaaten war die positive Beschreibung angesichts einer vergleichbaren historischen Entwicklung ebenfalls subjektiv geprägt und auf das Empfinden des Geschädigten bezogen. Dennoch wird empfindungsunfähigen Geschädigten eine Entschädigung gewährt. Bei Persönlichkeitsverletzungen wurde zudem eher auf die Dauer und Intensität der Rechtsgutsverletzung abgestellt, und bei Diskriminierung war die Beschreibung des immateriellen Schadens uneinheitlich. Eine allgemeine Definition enthalten weder das Europarecht noch die Entwürfe für eine europäische Rechtsvereinheitlichung. Es erfolgt nur eine beispielhafte Aufzählung. Die hier entwickelte positive Begriffsbestimmung ist in der Lage, die unterschiedlichen Teilbereiche des immateriellen Schadens zu erfassen, obwohl seine Ersatzfähigkeit in anderen Mitgliedstaaten weiter reicht als im deutschen Recht. Die Beschreibung erfasst den ideellen Schaden umfassend. Die Begrenzung der Ersatzfähigkeit des Nichtvermögensschadens ist davon unabhängig, so dass auch die unterschiedliche Ausgestaltung des Ersatzes von Nichtvermögensschäden im nationalen Recht und im Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens der Tauglichkeit und der Leistungsfähigkeit der Beschreibung des immateriellen Schadens nicht entgegensteht. Hilfskonstrukte wie der Per-se-Schaden sind nicht erforderlich.

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II. 5. Die ursprüngliche Zurückhaltung gegenüber dem Ersatz von Nichtvermögensschäden in Geld und die Inkommensurabilität dieser Einbußen waren die wesentlichen Ursachen dafür, dass die Entschädigungsansprüche als Ansprüche sui generis qualifiziert wurden. Der Abbau der Vorbehalte gegen ihre finanzielle Entschädigung und ihre sukzessive Integration in das allgemeine Schadensersatzrecht erlauben es, sie nun übereinstimmend als Schadensersatzansprüche zu qualifizieren. Dem stehen die verfassungsund europarechtlichen Grundlagen dieser Ansprüche nicht entgegen. Der Gesetzgeber qualifiziert die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 1 AGG ebenso wie § 253 Abs. 2 BGB und die Bestimmungen der Gefährdungshaftung als Ausnahmen zu § 253 Abs. 1 BGB. Auch die Entschädigungsansprüche wegen schwerer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind als Schadensersatzansprüche einzuordnen und wirken insoweit als Ausnahme zu § 253 Abs. 1 BGB. Die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat zwar zum Handeln, beeinflusst aber nicht die rechtliche Qualifikation der Umsetzung in einem Entschädigungsanspruch. Die Einordnung des Anspruchs als sui generis sollte vor allem den Widerspruch zu § 253 BGB a. F. vermeiden und die Ableitung einer selbständigen Präventionsfunktion ermöglichen. Dafür bestand bereits vor der Reform kein Grund; zumindest ist seit der indirekten Anerkennung des Entschädigungsanspruchs durch den Gesetzgeber daran nicht mehr festzuhalten. Diese einheitliche Qualifikation der Entschädigungsansprüche stimmt in ihrer dogmatischen Konzeption mit dem Entwurf für einen Gemeinsamen Referenzrahmen überein, der die vertragliche und außervertragliche Haftung für materielle und immaterielle Schäden einheitlich regelt, ohne den Entschädigungsansprüchen für Nichtvermögensschäden wegen ihrer Inkommensurabilität oder der Art des verletzten Rechtsguts eine Sonderrolle zuzuweisen. III. 6. Die Ersatzfähigkeit der Nichtvermögensschäden wurde mit der Veränderung der Lebenswirklichkeit und dem gewachsenen Bewusstsein für die Selbstentfaltung sukzessiv erweitert. Die Entschädigung immaterieller Einbußen in Geld beschränkt sich nicht mehr auf Schäden infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts. Vor allem die vertragliche Haftung wurde auf ideelle Schäden erweitert, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung sind. Angesichts des Wegfalls der Vorbehalte gegen den Ersatz immaterieller Schäden in Geld und wegen der Defizite bei ihrer Entschädigung ist die Ersatzfähigkeit der Nichtvermögensschäden konzeptionell neu zu ordnen. Zunächst ist § 253 Abs. 1 BGB zu streichen. An seine Stelle sollte jedoch keine vollständige Gleichstellung der materiellen

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und immateriellen Schäden treten, sondern vielmehr eine fallgruppenweise Regelung. Eine Generalklausel, die die Entschädigung aller Nichtvermögensschäden zulässt, soweit es angemessen ist, verursacht erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Streichung des § 253 Abs. 1 BGB erleichtert zudem die ergänzende Vertragsauslegung zugunsten einer Entschädigung von Nichtvermögensschäden. Schließlich ist eine punktuelle Rechtsfortbildung im Falle einer planwidrigen Regelungslücke nicht mehr ausgeschlossen. 7. Bei der Fallgruppenbildung ist an der Differenzierung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensschäden festzuhalten, zumal ihre Abgrenzung durch die Erweiterung der Ersatzfähigkeit der immateriellen Schäden entlastet wird. Eine Entschädigung sollte zunächst für alle Einbußen gewährt werden, die infolge der Verletzung eines personenbezogenen Rechtsguts eintreten. Daher ist die Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesetzlich zu regeln und auf die vertragliche Haftung zu erweitern. Zudem ist die Datenschutzrichtlinie vollständig umzusetzen. Bis zur Korrektur des BDSG ist der Entschädigungsanspruch auf § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu stützen. Die Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die mit der Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der sexuellen Integrität einhergehen, sind als deren Folgeschaden auszugleichen. Eine Wiedergutmachung scheidet nur bei der Tötung eines Menschen und bei der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts aus, da es an einem Rechtssubjekt fehlt, das den Schaden erleidet. Auch die Entschädigung verletzter Affektionsinteressen infolge der Verletzung des Eigentums oder des berechtigten Besitzes ist entbehrlich. 8. Immaterielle Schäden, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung eintreten, sollten weiterhin nur in beschränktem Maße ersetzt werden. Sie sind intersubjektiv nur eingeschränkt nachvollziehbar und daher schwer zu erfassen, so dass die Entschädigungsansprüche manipulationsanfällig sind. Insbesondere eine Erweiterung der bestehenden Regelungen auf die Todesangst ist abzulehnen. Sie ist nur zu entschädigen, soweit sie eine Gesundheitsbeschädigung nach sich zieht. 9. Einer Ergänzung des geltenden Rechts bedarf es de lege ferenda in zwei Bereichen: In Angleichung an die Rechtslage in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und angesichts der Vorschläge für einen Gemeinsamen Referenzrahmen ist eine Entschädigung für Trauerschäden von Angehörigen einzuführen, die infolge eines Todesfalls oder einer schweren Körperverletzung eingetreten sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Kreis der ersatzberechtigten Personen gesetzlich zu beschränken. Anspruchsberechtigt sollen Eltern und Kinder, einschließlich der als Minderjährige oder mit Minderjährigenwirkung angenommenen,

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sowie Ehegatten, Lebenspartner, Verlobte und Personen sein, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft leben. Ihre besondere persönliche Nähe zum Erstgeschädigten, die die Entschädigung legitimiert, ist widerleglich zu vermuten. Der Schädiger soll aber nachweisen können, dass ein persönliches Näheverhältnis im Zeitpunkt des Todesbzw. des Verletzungsfalls nicht bestand. Für die Bemessung der Entschädigung wird eine Vorgabe in Form einer gesetzlich geregelten Betragsspanne befürwortet, innerhalb der die Entschädigung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls festzulegen ist. Sofern keine Gesetzesänderung erfolgt, sind zumindest die erhöhten Anforderungen an die Gesundheitsbeschädigung in der Rechtsprechung aufzugeben. Zudem sind Schockschäden infolge schwerer Körperverletzungen einzubeziehen. Der Kreis der Ersatzberechtigten ist nicht auf Unfallzeugen zu erweitern. 10. Daneben ist die vertragliche Haftung für ideelle Schäden, die unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung sind, zu öffnen. Die Haftung muss sich bei Verträgen, bei denen die verletzte Leistungspflicht oder zumindest deren Geschäftsgrundlage auf ideelle Zwecke gerichtet ist, auf die Nichtvermögensschäden erstrecken, die aus der Vereitelung oder erheblichen Beeinträchtigung dieses Zwecks resultieren. Dabei handelt es sich um eine Verallgemeinerung des in § 651f Abs. 2 BGB enthaltenen Gedankens. Insoweit sind auch vereitelte Heilungschancen zu entschädigen. Der Schaden besteht nicht in den Folgen der wahrscheinlichen Gesundheitsbeschädigung, sondern im Verlust der Heilungschance. 11. Das Schadensersatzrecht bedarf zudem einer Erweiterung auf die Entschädigung immaterieller Einbußen, die mit einer herabwürdigenden Prozessführung sowie der missbräuchlichen Prozessverschleppung durch Versicherungen verbunden sind. Sie führen in der Regel nicht zu einer Gesundheitsbeschädigung, und die verzögerte Heilung bestehender Verletzungen ist dem Schädiger nicht zuzurechnen. Nur schwere Persönlichkeitsverletzungen sind nach geltendem Recht zu entschädigen. Um die seelische Belastung und die ideellen Schäden infolge Heilungsverzögerung zu erfassen, ist der Direktanspruch gegen die Versicherung durch eine Nebenpflicht zu ergänzen, wonach eine herabwürdigende Prozessführung und eine missbräuchliche Prozessverschleppung zu unterlassen sind. Zugleich müssen die aus der Pflichtverletzung resultierenden Schäden für wiedergutmachungspflichtig erklärt werden. De lege lata ist die Entschädigung wegen einer Prozessverschleppung oder missbräuchlichen Prozessführung durch den Schädiger deutlich auf den vom Geschädigten erlittenen immateriellen Schaden zu beziehen, da der Entschädigungsanspruch sonst eine verdeckte Privatstrafe ist. 12. Die Ersatzfähigkeit der Nichtvermögensschäden ist durch eine Erheblichkeitsschwelle zu begrenzen, die aber einheitlich für materielle und immaterielle Schäden gelten muss, um eine ungerechtfertigte Ungleichbehand-

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lung zu vermeiden. Ein geringfügiger Schaden, der Teil des allgemeinen Leistungsrisikos ist, sollte danach ohne Entschädigung bleiben. Dabei ist auf Art und Umfang des Schadens sowie seine Hinnehmbarkeit im täglichen Leben abzustellen. Schäden infolge vorsätzlicher Rechtsverletzungen sind indes stets zu ersetzen. Das Gleiche gilt bei unzulässigen Benachteiligungen wegen der Vorgaben der europäischen Richtlinien. 13. Angesichts der Erweiterung der Ersatzfähigkeit ideeller Schäden bedarf auch die gesetzliche Unfallversicherung der Veränderung. Nichtvermögensschäden sollten, anders als bisher, nicht vollständig ohne Entschädigung bleiben. Um die schnelle Abwicklung des Schadensfalls durch den Versicherungsgeber sicherzustellen, ist die Entschädigung der Nichtvermögensschäden ebenso wie bei den Vermögensschäden zu pauschalieren. Dabei ist eine Abstufung anhand des Grads der Schadensfolgen bzw. Behinderung zu befürworten, die zumindest die Einbußen bei der Lebensführung erkennen lässt. IV. 14. Schadensersatzansprüche für immaterielle Schäden zielen auf die Wiedergutmachung des subjektiven Schadens. Insbesondere Entschädigungsansprüche sind angesichts der Inkommensurabilität des Schadens weder ein unmittelbarer noch ein bilanzieller Ausgleich der erlittenen Einbuße. Die Gewährung eines Geldbetrags für einen solchen Schaden kann dennoch Schadensersatz sein. Die Verpflichtung zur finanziellen Entschädigung ist eine Anerkennung des erlittenen Verlusts und steht in Einklang mit dem Schutz des verletzten Rechtsguts oder des rechtlich geschützten Interesses. Bei der Haftung wegen unzulässiger Benachteiligung ist auf die Wertungen der europäischen Richtlinien sowie die Gleichheitsrechte aus Art. 3 Abs. 2, 3 GG und die Schutzpflichten aus Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu rekurrieren. Bei der Haftung für die Verletzung vertraglicher Leistungspflichten unabhängig von einer Rechtsgutsverletzung kann zudem auf die Anerkennung der Interessen durch den Vertragspartner Bezug genommen werden. Der Entschädigungsanspruch für Nichtvermögensschäden lässt sich ebenso wie der Ersatz der Vermögensschäden auf den Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit zurückführen. Aus rechtssoziologischer Sicht ist der Schadensersatzanspruch zugleich eine Form der Enttäuschungsverarbeitung, die auf die Verletzung von berechtigten Verhaltenserwartungen reagiert. 15. Die Wiedergutmachung als Bezeichnung für die Funktion des Schadensersatzes bei ideellen Schäden wird der Begründung des Schadensersatzanpruchs und seinem Gegenstand besser gerecht als die Beschreibung als Schadensausgleich. Die Metapher, dass die Entschädigung Annehmlichkeiten für Unannehmlichkeiten verschaffen soll, erfasst den Ersatz der Nichtvermö-

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gensschäden nicht umfassend, da der Schaden und seine Kompensation nicht vom emotionalen Befinden des Geschädigten abhängen. Der Begriff der Wiedergutmachung bringt klar zum Ausdruck, dass die Geldzahlung wegen des erlittenen Schadens und als Reaktion auf ihn erfolgt. Auch der Entschädigungsanspruch wegen einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nimmt insoweit keine Sonderstellung ein. Die Schwierigkeiten bei der Erfassung des immateriellen Schadens rechtfertigen das Heranziehen des Genugtuungsgedankens nicht, zumal die Neuausrichtung des Begriffs des ideellen Schadens bereits Abhilfe schafft. 16. Der Begriff der Wiedergutmachung ist als allgemeine Beschreibung für den Zweck des Schadensersatzes heranzuziehen, so dass er als Oberbegriff für alle Rechtsfolgen der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche fungiert. Das führt zu einer begrifflichen Konsistenz im Verhältnis zum Strafund Strafprozessrecht, das im Rahmen des Opferschutzes auf die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche des Geschädigten Bezug nimmt. Damit ist klargestellt, dass in beiden Rechtsgebieten die zivilrechtlichen Ansprüche der Anknüpfungspunkt sind. Zugleich wird einer Sonderentwicklung im Strafrecht entgegengewirkt und das Zusammenspiel der zivil- und strafrechtlichen Sanktionen verdeutlicht. V. 17. Die Bemessung der Entschädigung ist nach der Funktion des Anspruchs auszurichten. Die Entschädigung zur Wiedergutmachung orientiert sich allein am subjektiven Schaden und somit am Verlust des Geschädigten. Die erlittenen Schäden sind bei der Bemessung der Entschädigung vollständig zu ermitteln. Das gilt insbesondere für die psychischen Folgeschäden der Verletzung. Sie dürfen nicht nur pauschal angenommen, sondern müssen in Art und Umfang gewürdigt werden. Der Haftungsgrund hat keinen Einfluss auf den Umfang des Schadensersatzes, auch wenn das Verschulden des Schädigers eine Erhöhung der Entschädigung begründen kann. Diese ist unabhängig vom Haftungsgrund, sondern beruht auf der Vergrößerung des Nichtvermögensschadens bei Vorsatztaten. Im Übrigen haben das Verschulden und die Vermögensverhältnisse des Schädigers sowie das Bestehen einer Versicherung keinen Einfluss auf den Umfang der Entschädigung. Auch die Versicherbarkeit des Schadens ist kein Kriterium, das die Entschädigung zu beschränken vermag. Schließlich sind die Vermögensverhältnisse des Geschädigten sowie sein Verwandtschaftsverhältnis zum Schädiger unerheblich. Bei der Bemessung der Entschädigung ist eine objektivierende Betrachtung des Schadens zulässig, so dass zunächst auf die typischen Schadensfolgen bei einer entsprechenden Rechtsguts- oder Pflichtverletzung abzustellen ist und anschließend die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

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18. Wegen der Inkommensurabilität des ideellen Schadens ist bei der Bezifferung der Entschädigung zusätzlich ein Vergleich mit der bereits zugesprochenen Entschädigung in ähnlichen Schadensfällen vorzunehmen. Darüber hinaus bedarf es eines Vergleichs mit der Entschädigung immaterieller Einbußen in anderen Schadensfällen, um sicherzustellen, dass die Entschädigungsbeträge in einem stimmigen Verhältnis zueinander stehen und die erlittene Beeinträchtigung angemessen widerspiegeln. Das gilt zum einen für Entschädigungen wegen der gleichen Rechtsguts- bzw. Pflichtverletzung, die aber geringere oder höhere Schäden verursacht haben. Zum anderen ist die Entschädigung für Nichtvermögensschäden infolge der Verletzungen anderer Rechtsgüter oder Pflichten zu berücksichtigen, um eine stimmige Relation zwischen den Entschädigungsbeträgen sicherzustellen, gerade weil der Schaden nicht berechenbar ist. Dieses Vorgehen ist durch das Rechtsstaatsprinzip und Art. 3 Abs. 1 GG geboten. 19. Der Zweck und die Bemessung des Schadensersatzes richten sich nicht nur im deutschen Recht nach dem erlittenen Schaden. Das entspricht auch dem Herangehen in den hier untersuchten Rechtsordnungen der Vergleichsstaaten sowie dem Europarecht. Auch der Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens beruht auf der Vorstellung vom sog. Schadensausgleich und zielt somit auf die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens. Eine Ausnahme gilt nur für die Bestimmung zum Schadensersatz wegen Diskriminierungen im Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens, wonach entgegen dem hier entwickelten Verständnis der europäischen Richtlinien und den Prinzipien des acquis communautaire die präventive Wirkung der Entschädigung bei ihrer Bemessung berücksichtigt werden soll. VI. 20. Der Ersatz immaterieller Schäden orientiert sich im deutschen Recht an der Wiedergutmachung der erlittenen Einbuße und hat keine selbständige Präventionsfunktion. Das gilt auch für die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 2 S. 3 AGG, zumal die europäischen Richtlinien eine überkompensatorische Entschädigung zur Abschreckung nicht gebieten. Daher sind bei der Bemessung der Entschädigung keine präventiven Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Professionelle Diskriminierungskläger erhalten wegen des Rechtsmissbrauchs und mangels eines Schadens keine Entschädigung. Auch der Entschädigungsanspruch wegen einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist infolge der Anerkennung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die Wiedergutmachung des Schadens zu beschränken. Die alternativen Ansprüche wegen der Verletzung eines vermögensrechtlichen Bestandteils des Persönlichkeitsrechts aus Deliktsrecht, Eingriffskondiktion oder angemaßter Eigengeschäftsführung kumulieren mit den Ansprüchen auf Ersatz

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der immateriellen Einbußen. Nichtvermögensschäden können einerseits durch das Erlangen der Persönlichkeitsbestandteile eintreten, andererseits dadurch, dass die Entscheidung des Rechtsinhabers gegen die Verwertung der Persönlichkeitsbestandteile missachtet wird, sowie durch Herabwürdigungen oder Entstellungen bei der Verwertung. 21. Für das geltende Schadensersatzrecht ist kein allgemeiner Präventionsgedanke nachweisbar, der eine Weiterentwicklung der Entschädigung von Nichtvermögensschäden gebietet. Eine Orientierung am Verletzergewinn bzw. an der angemessenen Lizenzgebühr erfolgt vor allem im Immaterialgüterrecht und beim gewerblichen Rechtsschutz. Es handelt sich um eine Form der Schadensberechnung. Zudem beruht der Anspruch auf der Verletzung eines Vermögensrechts, so dass der Geschädigte das erhält, was ihm durch dieses Recht zugeordnet ist. Einen Gewinnabschöpfungsanspruch, dem nicht die Verletzung eines Vermögensrechts zugrunde liegt, gewähren nur § 10 UWG und § 34a GWB, wobei der abgeschöpfte Gewinn nicht den Anspruchsinhabern zugutekommt, sondern in den Bundeshaushalt fließt. 22. Auch die rechtsvergleichend untersuchten Länder beschränken den Schadensersatz überwiegend auf den sog. Schadensausgleich. Ein Strafschadensersatz ist nicht Bestandteil ihres Privatrechts. Etwas anderes gilt für das englische und US-amerikanische Recht, welche den kompensatorischen Schadensersatz vor allem im Deliktsrecht bei besonders schwerem Verschulden des Schädigers durch punitive bzw. exemplary damages ergänzen. Ziel ist vor allem Bestrafung und Abschreckung. Das soll zugleich sicherstellen, dass sich das Delikt für den Schädiger nicht lohnt. Diese Überlegung liegt auch dem Strafschadensersatz zugrunde, der in Frankreich Teil eines Vorentwurfs zur Reform des Code civil ist (Rapport Catala), aber heftige Kritik erfuhr und bisher keine Umsetzung fand. 23. Das Unionsrecht kennt ebenfalls keinen Strafschadensersatz oder einen Schadensersatz mit selbständiger Präventionsfunktion. Im Rahmen des Primärrechts gilt das für die Staatshaftung sowie für die Entschädigungsansprüche wegen der Verletzung von Art. 101 AEUV, die die Mitgliedstaaten durch das Bereicherungsverbot beschränken dürfen. Auch der Effektivitätsgrundsatz verlangt nicht, das Europarecht mittels überkompensatorischer Entschädigungsansprüche durchzusetzen. Selbst der Äquivalenzgrundsatz integriert keinen Strafschadensersatz in das Europarecht, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten nur, die Verstöße gegen das Unionsrecht auf die gleiche Weise zu sanktionieren wie diejenigen gegen nationales Recht. Das zwingt nur zu einem Strafschadensersatz, soweit das nationale Recht einen solchen kennt. Auch das Sekundärrecht beschränkt sich auf den Ersatz erlittener Schäden und fordert keine überkompensatorische Entschädigung. Die Richtlinien zur Verwirklichung der Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung und beim Zugang zu Waren

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und Dienstleistungen lassen einen verschuldensunabhängigen Ersatz aller diskriminierungsbedingten Schäden genügen. Die Vorbehalte gegenüber der Einführung eines Strafschadensersatzes belegt auch die Entstehungsgeschichte der Rom-II-Verordnung. Das Gleiche gilt für die Richtlinie 2004/48/EG, auch wenn zum Schutz des geistigen Eigentums eine Prävention befürwortet wird. Die Richtlinie überlässt es den Mitgliedstaaten, ob sie einen überkompensatorischen Entschädigungsanspruch einführen, und beschränkt sich auf die Pauschalierung des Schadensersatzes. Von der Einführung eines Strafschadensersatzes distanziert sie sich ausdrücklich. 24. Auch die Prinzipien, die für eine Europäisierung des Schadensersatzrechts erarbeitet wurden, kennen einen Strafschadensersatz nicht, sondern bezwecken den Ersatz der erlittenen Schäden. Nur der Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens sieht als Alternative zum Schadensersatzanspruch einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung vor, der von der Richtlinie 2004/48/EG inspiriert ist, aber erheblich über diese hinausgeht. Er beschränkt sich nicht auf die Verletzung eines Vermögensrechts, sondern gilt auch bei der Verletzung personenbezogener Rechtsgüter. VII. 25. Die Wiedergutmachung immaterieller Schäden ist punktuell durch eine Privatstrafe zu ergänzen. Eine solche ist nur mit dem Privatrecht vereinbar, soweit sie der Spezialprävention zum Schutz subjektiver Rechte des Privatrechts dient und die Sanktionen des Straf- und Verwaltungsrechts nicht ausreichen oder wegen ihrer Eingriffsintensität unzumutbar sind. Sie darf zudem nicht über die Abschöpfung der Vorteile hinausgehen, die aus dem Schadensfall entstanden sind. Für eine über die Spezialprävention hinausgehende Prävention im Privatrecht bedarf es einer Veränderung der Aufgabenverteilung zwischen dem Staat und den Privatrechtssubjekten. Eine solche Erweiterung des Privatrechts im Interesse der Generalprävention ist nicht vorzunehmen. Vielmehr sind finanzielle Belastungen des Rechtsverletzers durch ein staatliches Ordnungsmittel denkbar, das vom Rechtsinhaber bei Gericht beantragt werden kann, ohne dass ein privatrechtlicher Anspruch darauf besteht. Die Durchsetzung der Interessen der Rechtsgemeinschaft für ihr Zusammenleben bleibt darüber hinaus dem Strafrecht und dem öffentlichen Recht vorbehalten. Der Einzelne soll nicht im Interesse der Allgemeinheit überkompensatorische Entschädigungsansprüche durchsetzen können. Eine Genugtuung des verletzten Rechtsgefühls lässt sich mit dem Zweck des Privatrechts ebenfalls nicht vereinbaren. Soweit mit einer vorsätzlichen Rechtsgutsverletzung zugleich eine Herabwürdigung des Geschädigten einhergeht, ist lediglich der entstandene Schaden wiedergutzumachen. Dieser ist aber konsequent als Folgeschaden der Rechtsgutsverletzung zu berücksichtigen.

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26. Die Privatstrafe ist nicht mit dem Schadensersatz zu vermischen, sondern selbständig zu regeln. Ihre Ausgestaltung darf nicht den Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes widersprechen. Daher ist sie insbesondere auf Fälle zu beschränken, in denen der Schädiger für eigenen Vorsatz haftet. Um einen Widerspruch zu den Vorschriften des Verfalls im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie zu § 10 UWG und § 34a GWB zu vermeiden, sollte die Privatstrafe nicht den Geschädigten bereichern, sondern dem Bundeshaushalt zufließen. Der Geschädigte erhält nur den Schadensersatz sowie die Erstattung seiner Aufwendungen. Zudem kann er Wertersatz auf der Grundlage der Eingriffskondiktion und die Herausgabe des Verletzergewinns verlangen, sofern ein Recht verletzt wird, das ihm diesen zuweist. Auf diese Weise werden zugleich übermäßige Klageanreize vermieden, so dass nur dann Klage erhoben wird, wenn nicht das Gewinnstreben, sondern das Interesse an dem gefährdeten subjektiven Recht für den Kläger im Vordergrund steht. 27. Eine Ergänzung der Wiedergutmachung immaterieller Schäden ist bei nicht-lukrativen Delikten entbehrlich. Die personenbezogenen Rechtsgüter sind gegenüber Vorsatztaten insbesondere durch das Strafrecht geschützt. Zudem wird die mit der Vorsatztat verbundene Herabwürdigung des Geschädigten als Folgeschaden der Rechtsgutsverletzung wiedergutgemacht. Zur Umsetzung der europäischen Richtlinien zum Schutz der Gleichberechtigung beim Zugang zur Beschäftigung bzw. zu Waren und Dienstleistungen ist keine über den Schadensersatz hinausgehende Prävention durch das Europarecht geboten. Sofern die Sanktionen für eine unzulässige Benachteiligung i. S. des AGG dennoch intensiviert werden sollen, kann dies nicht durch eine Privatstrafe, sondern nur durch eine Ordnungswidrigkeit erfolgen. Bei dieser Sanktion steht das Interesse der Rechtsgemeinschaft an einem diskriminierungsfreien Zusammenleben in einem überindividuellen Sinne im Vordergrund, das sich nicht durch eine Privatstrafe in das Privatrecht integrieren lässt. 28. Bei lukrativen Delikten bedarf die Schadenswiedergutmachung zur Verbesserung des Rechtsschutzes einer Ergänzung. Das gilt bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn keine vermögensrechtlichen Bestandteile betroffen sind, so dass dem Schädiger gegenwärtig die über den Schadensersatz hinausgehenden Vorteile der Rechtsgutsverletzung verbleiben. Der Geschädigte soll nicht nur die Entschädigung seiner ideellen Einbußen, sondern auch die Abschöpfung des darüber hinausgehenden Gewinns an den Bundeshaushalt verlangen können. Bei der verzögerten Schadensregulierung durch Versicherungen ist eine Privatstrafe hingegen nicht zulässig, da eine Gewinnabschöpfung in diesen Fällen nicht möglich ist. Es bedarf vielmehr einer Ergänzung des Versicherungsrechts zum Schutz des Geschädigten.

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Stichwortverzeichnis Abschöpfungsanspruch 505 ff. AGG-Hopper (s. professionelle Diskriminierungskläger) Affektionsinteresse 104 f., 537, 644 allgemeines Persönlichkeitsrecht – Benachteiligung, AGG 141 f., 167 ff. – deliktische Haftung 82 ff. – Entschädigungsanspruch 82 ff. – Verhältnis von vermögensrechtlichen Ansprüchen und Entschädigungsansprüchen 782 ff. – vermögensrechtliche Bestandteile – Anerkennung 738 ff. – Abgrenzung 749 ff. – vertragliche Haftung 92 ff. Angehörigenschmerzensgeld 66 ff., 331 ff., 404 ff., 421 ff., 486 f., 497 ff., 645 ff. (s. auch Todesfall, Entschädigung im ~) Arbeitskraft 41 ff. astreinte 310 f. Aufwendungsersatzanspruch 114 , 281 Ausgleichsfunktion (s. Entschädigungsanspruch, Funktion) Benachteiligung – DCFR 508 ff. – Entschädigung 126 ff., 133 ff., 457 ff. – Entschädigungshöhe 270 ff. – Schaden 167 ff. – Unionsrecht 451 ff. – Verschuldensunabhängigkeit 135 ff. – Zweckfortfall 143 f. (s. auch professionelle Diskriminierungskläger) Billigkeit 220 ff. Buße 681 f. Chancengleichheit 170 ff.

Datenschutz, Ausgleich ideeller Schäden 96 ff. DCFR, Ausgleich ideeller Schäden 489 ff., 495 ff. Diskriminierung – EMRK 400 ff. – Rechtsvergleichung 369 ff., 384 f. – Unionsrecht 451 ff. (s. Benachteiligung) Drittschaden 63 ff. Einbußen der Lebensführung 237 f., 607 f., 609 f. Eingriffskondiktion 771 ff. empfindungsunfähiger Geschädigter 150 ff., 155 ff. entgangene Nutzung 35 ff. Entschädigungsanspruch – Anrechnung von Kriminalstrafen 253 ff. – Bemessung 234 ff., 607 ff. – empfindungsunfähige Person 241 f. – EMRK 623 ff. – entgangene Lebensfreude 150 ff., 235, 237 f., 385 f., 529, 530 ff., 561 ff, 609 f. – Familienangehörige 242 f. – Haftungshöchstbeträge 233 f. – Naturalrestitution 28 ff., 251 f. – objektivierende Schadensbetrachtung 607 ff. – Rechtsvergleichung 323 ff., 390 f. – Relation zwischen Schadensfällen 612 ff. – Schmerzen, Leiden 237 – selbständige Schadenspositionen 611 ff. – Umfang der Beeinträchtigung 237 ff.

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Stichwortverzeichnis

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vergleichende Betrachtung 612 ff. Vermögensverhältnisse 246 ff. Verschulden 249 ff. Versicherbarkeit 252 f. Verwandte 242 f. verzögerte Schadensregulierung 255 ff., 325, 488, 866 ff. – zulässige Kriterien 609 ff. (s. auch Erheblichkeitsschwelle) (s. auch Einbußen der Lebensführung, Schmerzen, Schadensneigung) – Funktion 148 ff. – Ausgleichsfunktion 150 ff. – Genugtuungsfunktion 180 ff. – Präventionsfunktion 196 ff., 306, 682 ff., 723 ff., 795 ff. – Benachteiligung 207 ff. – rechtliche Qualifikation 688 ff. – selbständige 207 ff. – unselbständige 207 ff. – Haftungsgrund 216 ff. – Rechtsnatur 688, 689 ff., 701 ff. – Überwindungstheorie 180 – Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 200 ff., 778 ff. Enttäuschte Verhaltenserwartung 590 ff. Eingriffskondiktion 771 ff. Erheblichkeitsschwelle 230 ff., 620 ff. Europäische Menschenrechtskonvention 400 ff. Europäisierung – Deliktsrecht 441 ff. – DCFR 478 f., 489 ff., 495 ff. – Principles of European Tort Law´ 482 ff. – Principles of European Law. NonContractual Liability Arising out of Damage Caused to Another 489 f. – Vertragsrecht 435 ff. exemplary damages 312 ff. Fahrgastrechte 122 feststellender Schadensersatz 193 ff. Fluggastrechte 119 ff. Freiheitsentziehung 74 Frustrationsgedanke 38 frustrierte Aufwendungen 38, 114 ff.

Gefühlsschaden (s. auch Affektionsinteresse) Genugtuung 181 ff., 184 ff. Genugtuungsfunktion (s. Entschädigungsanspruch, Funktion) Gesundheitsbeschädigung 72 ff. Gewinnherausgabe – DCFR 505 f. – Enforcement-Richtlinie 442 ff. – Geschäftsführung ohne Auftrag 776 ff. – Immaterialgüterrecht, Verletzung des ~s 77 ff., 797 ff. – Rechtsvergleichung 350 f., 355, 358, 367 ff., 382, 383 Haftungsgrund 22 ff. Hungergeld 125 f. Immaterialgüterrecht, Verletzung des ~s – postmortales 192 ff. – sonstige 71 ff. – Urheberrechtsverletzung 77 ff. Immaterieller Schaden – Abgrenzung zum materiellen Schaden 33 f. – Begriff 523 ff. – DCFR 491 ff. – negative Beschreibung 33 ff. – positive Beschreibung 47 ff., 537 ff. – Rechtsvergleichung 289, 294, 298 f., 385 – Schmerzensgeld 13 ff. (s. auch entgangene Nutzungen, nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, verlorene Freizeit, Arbeitskraft, verlorene Heilungschance, Todesangst) – empfindungsunfähige Person 155 ff. – Enforcement-Richtlinie 442 f. – Entschädigung (s. Entschädigungsanspruch) – Ersatzfähigkeit – Naturalrestitution 28 ff. – Pauschalreiserichtlinie 438 ff. – Per-se-Schaden 51 ff. – schwer bezifferbarer Schaden 56 ff. – Unionsrecht 116 ff., 483 ff., 442 f., 466 – Selbstentfaltung 536 ff.

Stichwortverzeichnis

– vertragliche Haftung 107 ff., 657 ff. Immission 105 ff. injury as such 491 f., 502 ff. Inkommensurabilität 223 ff. Kartellrecht, Schadensersatz 805 ff., 808 ff., 810 ff. Kausalität, haftungsausfüllende 24 ff. Kommerzialisierung 35 ff. Körperverletzung 72 ff. – kurz vor dem Tod 70 f. – Rechtsvergleichung 331, 338 ff., 380 f. Lebenserwartung, Verkürzung der ~ – Entschädigung 61 ff. – Rechtsvergleichung 330 Materieller Schaden 33 multiple damages 322 f. Naturalrestitution 28 ff., 251 f. nutzlos aufgewendete Urlaubszeit 39 ff., 117 ff., 438 ff. objektive Bewertung des Schadens (s. immaterieller Schaden) 48, 50, 51 f., 53 Opferschutz 711 ff. Per-se-Schaden (s. Schaden) Persönlichkeitsrecht, allgemeines ~ – deliktische Haftung 82 ff., 639 ff. – Entschädigungsumfang 260 ff. – Funktion der Entschädigung 189 ff., 200 ff. – Rechtsvergleichung 350 ff. – vermögensrechtliche Bestandteile 738 ff. – Abgrenzung 749 ff. – Rechtsfolge 765 ff. – Verhältnis zur Entschädigung immaterieller Schäden 782 ff. – vertragliche Haftung 92 ff. (s. auch postmortales Persönlichkeitsrecht) postmortales Persönlichkeitsrecht 98 ff., 599

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Präventionsfunktion (s. Entschädigungsanspruch, Funktion) Principles of European Tart Law 482 ff. Privatstrafe – Begriff 677 ff. – Abgrenzung zum Schadensersatz mit Präventionsfunktion 677 ff., 689 ff., 699 f., 701 ff., 704 ff. – Notwendigkeit einer Einführung 860 ff. – nulla poena sine culpa 856 f. – nulla poena sine lege 854 f. – ne bis in idem 855 f. – Verhältnismäßigkeit 857 ff. – Verpflichtung zur Einführung 816 ff. professionelle Diskriminierungskläger 174 ff. Proportionalhaftung 625 ff. punitive damages 315 ff. Rechtsnatur 689 ff., 697 ff., 701 ff., 707 f. Rechtsvereinheitlichung – DCFR 477 ff., 489 ff. – UNIDROIT 397 ff. – Transportrecht 393 ff. (s. auch DCFR) restitutionary damages 367 ff. Rom-II-Verordnung 449 ff. Sanktion 675 ff. Schaden – Gefühlsschaden 526 ff. – immaterieller, Abgrenzung 33 ff. – immaterieller, ersatzfähig 523 ff., 530 ff., 535 ff. – objektiver 158 ff., 538 – Per-se-Schaden 51 ff., 491 ff., 497, 500, 501, 504 f. – subjektiver 154 f. – subjektiv-wirtschaftlicher 45 f. Schadensbegriff 11 Schadensneigung 239 Schmerzen 47 ff., 237 Schmerzensgeld (s. Schaden) Schockschaden 66 ff., 331 ff., 645 ff. schwer bezifferbarer Schaden 56 ff. sexuelle Selbstbestimmung, Verletzung 75 ff.

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Staatshaftungsrecht 411 ff., 430 ff. Strafschadensersatz 307 ff., 443 ff., 449 ff. subjektiv-wirtschaftlicher Schaden 45 f. symbolischer Schadensersatz 305 f. Todesangst 338, 347, 653 Todesfall – Entschädigung für den Verlust des Lebens 61 ff., 637 ff. – DCFR 497 ff. – Rechtsvergleichung 329 ff. – Entschädigung im ~ – Rechtsvergleichung 329 ff. – Resolution des Europarats 421 ff. – EMRK, Schutzpflicht 404 ff. – DCFR 497 ff. – Schadensersatz für Angehörige – als Ersatz des unmittelbaren Schadens 63 ff., 645 ff. – als Ersatz des mittelbaren Schadens 66 ff.

– Angehörige, Abgrenzung 649 ff. – Bemessung 652 ff. – Rechtsvergleichung 329 ff. (s. auch Lebenserwartung) Transportrecht 393 ff. Trauerschaden (s. Todesfall, Entschädigung im Todesfall) Überwindungstheorie (s. Entschädigungsanspruch, Funktion) UN-Kaufrecht 395 ff. Urheberpersönlichkeitsrecht 77 ff., 102 verdorbene Freizeit 39 verlorene Heilungschance 654 ff. vertragliche Haftung 24 ff., 107 ff. verzögerte Schadensregulierung (s. auch Entschädigungsanspruch, Bemessung) Wiedergutmachung, Begriff 597 ff. Zurechnung 24 ff.