Die Waise von Unterlachen: Teil 2 Die Waise von Unterlachen [Reprint 2021 ed.]
 9783112606469, 9783112606452

Citation preview

D i e

Waise von Unterlachen.

Zweiter

Theil.

Grimma bei C. F. Göschen Beyer 1324.

Die Waise von Unterlachen

nach D' Arlineourt»

Zweiter Theil.

Das Gestirn des Tages war erschienen. Auf einmal ertönen kriegerische Gesänge und schallende Musik im Kloster. Elodie steht auf, und ihre Blicke gegen den Park wendend, wird sie die Vorbereitungen eines glänzenden Festes gewahr. Wie durch Zau­ berschlag entstanden, erheben sich Triumph­ bögen in der Mitte des Gartens; auf dem Rasenplatz ist ein grünendes Amphitheater errichtet, über welches verschlungene Lorbeer­ kronen und Rosenkränze herabhängen. Hier sieht man einen Tempel, der Schönheit geweiht, dort eine Grotte, der Liebe gehei­ ligt: weiterhin stellt sich ein Tanzsaal dar, welchen Stufen für zahlreiche Musikchöre umgeben; überall bilden sich die Namens-

züge, überall glänzen die Farben der Zung-

frau von Unterlachen. Mit Erstaunen betrachtet die Waise von

ihrem Fenster aus diese prächtigen Zuberei­ tungen.

Zn diesem Augenblick nähert sich

ein Trupp junger Ritter in weißen Rüstun­ gen,

auf

deren

Elodiens Namen

himmelblauen

Schildern

in goldenen Buchstaben

blauen Feldbinden

prangt.

Alle sind mit

geziert:

ein Band dieser Farbe umgiebt ja

immer Elodiens schlanken Leib.

Am Fuß

der alten Mauer halten die Ritter,

und

mit wohlklingenden von kriegerischem Sai­ tenspiel begleiteten Stimmen, lassen sie fol­ gende Worte erschallen:

Bei den Gesängen der wüthigen Söhne, Jungfrau des Thales, erhebe den Blick.

Schimmernd wirft auf die erhabene Schöne Gerne der Ruhm seine Strahlen zurück. Möge der Donner entfernt von dir dräuen

Holde Aurora, verklärendes Licht! Würdig, nur Kronen die Stirne zu leihen, Ist deinem Herzen die Liebe auch Pflicht.

Warum stürzt kühn sich in blutige Schlachten

srämpfcnd der Held einer tapferen Schaar? Was konnt' er dort zu erringen wohl trachten.

Wenn es ein Lächeln der Schönheit nicht war? Tochter des Himmels! rein strahlende Blume!

Deiner harrt festlich ein glänzender Tag;

Sprich, o wir flehen, der Ehr' und dem Ruhme Worte der Liebe, der Zärtlichkeit nach.

Die

Thüre der Zelle iffnet sich,

die Gräfin Zmberg

und

streckt ihre Arme der

Waise mit den Worten entgegen: — „Kommet!

kommet!

Jungfrau

die

restage

meine geliebte Tochter,

Das Kloster und das Thal feiern

ihrer

von Unterlachen

Geburt;

am Zah-

wenn dieser

Tag

für die Bergbewohner ein Tag des Dan­

kes ist, so muß er es noch mehr für mich seyn,

denn

Stunde nur

ihnen

gab

diese

eine Wohlthäterin;

glückliche

mir hat

sie eine Tochter geschenkt!"

Dankbar

für diese schmeichelhafte Auf­

merksamkeit,

diese zärtliche Sprache, vor­

züglich aber für den rührenden Ton ihrer

Stimme,

sinkt Saint Maurs Tochter an

Brust ihrer

die süße

Täuschung

Augenblicke,

und

Beschützerin;

überredet

sie

eine

einige

für

daß sie wirklich eine Mutter

gefunden habe.

Die Gräfin zieht sie sanft mit sich fort. Am Ende des großen Klosterganges zeigt sich

unter einem gestirnten Thronhimmel ein erha­ bener Sitz, auf dessen Stufe die Waise, von ihrer Wohlthäterin hinaufgeleitet, unbeweg­

lich vor Verwunderung stehen bleibt. Plitzlich,

nen

mit von Gold und Edelstei­

funkelnden

Waffen

bedeckt,

erscheint

der Fürst von Palzo mit einem glänzenden Gefolge, von Rittern,

Stallmeistern, und

Edelknaben umgeben; ihre Schärpen, Pa­

niere und Helmbüsche sind blau;

sie gehen

auf Elodien zu: bald neigen sich alle Lan­ zen, alle Degen und Schilder vor der Waise

der Abtei; und selbst der Fürst von Palzo, ein Knie vor ihr beugend, legt sein Schwert zu ihren Füßen,

während die kriegerischen

Sänger im Chor den Endreim wiederholen:

Möge der Donner entfernt von dir dräuen, Goldne Aurora,

verklärendes Licht!

Würdig nur Kronen die Stirne zu leihen,

Ist deinem Herzen die Liebe auch Pflicht.

Nun erscheinen die Hirten,

die Land­

leute und die jungen Mädchen von Unter­

lachen im Hintergrund der Gallerie,

weiß

gekleidet und mit blauen Bändern geziert, tragen sie die Gaben des Dorfes und besez-

die Stufen

des

Thrones mit

ihren

Körben voll Früchten und Blumen.

Die

zen

Freude strahlt auf ihren Zügen; Jungfrau

des

der Rührung,

und die

Klosters vergießt Thränen

während das ländliche Chor

theilweise unter Begleitung der Instrumente

den zweiten Schlußreim des ersten Gesan­ ges wiederholt: Blume der Unschuld aus lichteren Höhen!

Deiner harrt glänzend ein schöneres Glück. Strahl' auf des Thales vereinigtes Flehen, Blicke der Liebe bejahend zurück.

Eine andere Ueberraschung folgt.

Auf

einem wie eine Seemuschel gebildeten Wa-

gen, über dem sich ein blaues Zelt ausfpannt,

wird Elodie von den Thalbewohnern und

jungen Mädchen gegen das auf dem Rasen­

platz errichtete

Amphitheater gezogen:

Ritter und Edelknaben

bilden

die

ihr glänzen­

des Gefolge, und die Feldmusik zieht dem

Triumphzug voran.

Die Beherrscherin des Thales hat sich auf einem vergoldeten Balkon niedergelas­ Ein weiter Kreis

sen.

ist vor ihr;

die

Schranken sind ge-ffnet und der Kampfruf der Turniere:

„Krieg

den Helden!

Liebe

den Frauen!" erschallt. Völlig gewappnete Ritter mit geschlos­ senem Helmsturz und eingelegter Lanze stür­

zen zum Gefecht.

Ihre Stärke- und

Ge­

wandtheit entzücken die Zungfrau von Un­

terlachen.

Die

runden

Schilder

ertönen

von gehäuften Streichen, und den fürchter­

lichen Schwertern entströmen feurige Gar­ ben.

Der Wahlspruch

der Kämpfenden ist

gleichfalls: „Liebe und Ruhm."

des Balkons senken

Am Fuße

die Kampfritter,

auf

die fliegenden

Ihren edlen Rossen reitend,

Fahnen, und beugen ihre wüthigen Stir­

nen zu

den Füßen der Schönheit.

zückt, verwundert,

Ritterspiels,

den

Ent­

lächelt die Königin des

Helden zu.

siegreichen

Mit ihren weißen Händen,

und wie an

den Vorsitz bei solchen Festen gewöhnt, hat nun die

holde Jungfrau

Ueberwinder

gelößt,

die

den

Helm

Krone

der

auf ihr

Haupt gesetzt und die Preise der Tapferkeit

vertheilt.

Zn diesem Augenblick aufs Leb­

hafteste angeregt, war Saint Maurs Toch­ ter noch nie schöner erchsienen.

geisterung,

Die Be­

welche ihr dieses ritterliche Fest

eingeflößt, malt sich auf ihrem Angesicht und wirft einen neuen Glanz auf ihre zauberi­ schen Reitze.

Das Entzücken, welches die

Schönheit erregt, die fast göttlichen Huldi­

gungen,

die ihr dargebracht werden,

die

Ausrufungen der Tapferkeit und des Sie­

ges, dieser schöne Himmel, diese bezauberten

Haine,

diese begeisternden Gesänge,

diese

Wunder der Kunst mitten unter den Wun-

IO

dern der Natur,

alles vereinigt sich,

Trunkenheit

Entzücken

und

in

um

ElodienS

Seele zu strömen.

Bankett

prächtiges

Ein

Helden des Festes.

Gebüschen

erwartet

die

Unter einem zwischen

errichteten

Zelt

ist das

Mahl

Waffenpyramiden zu Säulen die­

bereitet.

nend halten einen goldnen Vorhang

unter

Blaue Schnüre

dem Laube ausgespannt.

ziehen die Schwingungen empor, und Blu­

mengewinde bekränzen die Dogenrunde. Die Waise ist von jeder Bezauberung,

Erst gegen Abend

jeder Freude umgeben.

geht die Tafel zu Ende.

Elodie tritt aus

Darf sie

dem Zelt hervor.

ihren Augen

Glänzende Lichter- sind den letzten

trauen.'

Alle Gebüsche

Gluthen des Tages gefolgt.

sind

beleuchtet.

Tausendfarbige

Lampen

werfen ihre magischen Strahlen durch das Grün

der

Bäume.

Wie

ein

Feuerball

erhebt sich das Kloster stolz über die schim­

mernden Sterne, ist.

Die

womit

der Park besäet

friedlichen Wellen,

welche den

Garten tränken, spiegeln diesen Glanz zurück, dem

und auf

Rasen

erscheinen

kristallene

Decken mit schimmernden Punkten, Silber­

staub, Perlen

und Diamanten geschmückt.

Alle Träume des Orients, alle Wunder der Feenwelt und Fabel verwirklichen

sich für

Elodien.

Auf allen

Seiten

reihen sich Tänze;

von allen Seiten ertönen freudige Gesänge.

Zeder Daum hat seine Drias,

seine

Gottheiten.

sich einen

Die

Augenblick

jeder Hain

Gräfin

entfernte

von Elodien.

Der

Fürst von Palzo benützt die Verwirrung,

die Berauschung des Entzückens der jungen

Königin des Thales.

Er

zieht sie schnell

zu einem entlegenen Gebüsch, mens Tempel,

wo sich Hy­

von einer Gruppe Sylphi­

den umgeben, erhebt, dort sinkt er zu ihren Füßen

und

ruft: „Angebetetes Mädchen,

öffne mir diese» Tempel!" Elodie

wendet

die Augen gegen das beleuchtete Gebäude,

welches ihr der Fürst zeigt.

Eine göttliche

Musik tönt daraus hervor.

Es schien als

auf Wolken

wenn sich himmlische

Harfen

herabgetassen hätten,

und von unsichtbaren

Händen gerührt würden. Nahe dich, Göttin, dem -linkenden Scheine! Nimmer befremde ein Wunder dich hier. Was ist der Glanz dieser funkelnden Haine

Gegen der Schönheit bezaubernde Zier!

Ach nur vergeblich stellt dieses Gebilde

Leblose Reitze Jtalia's hin! Wunder bist du nur auf diesem Gefilde

Und nur die Liebe der Zauber darin.

Gebe Gesetze den Menschen hienieden,

Königin, herrschend am Zyprischen Strand! Mächtig der ganzen Natur zu gebieten, Bist du das herrlichste Werk ihrer Hand.

Willst du dem Tempel des Sieges nicht nahen?

Dränge dein Herz nun nicht länger zurück. Ruhm wirst du bald mit dem Throne empfahen,

Und aus der Liebe erblüht dir das Glück.

Die

Gesänge

haben

aufgehört.

Thüre des Tempels öffnet sich,

und

Die der

strahlende Glanz des wundervollen Innern

blendet die Waise.

Im

Hintergrund des

Heiligthums glänzt Hymens Altar: rings umher steigen Wohlgerüche und Weihrauch­

wolken aus goldnen Pfannen empor.

Eine

Menge von Liebesgöttern lassen stch herab,

ihre leuchtenden Fackeln schwingend, fliege» diese

neuen

Kinder Aphroditens

auf die

neue Hebe zu, reichen ihr den Neckar-Be­ cher dar, umschlingen sie mit Florens Gür­

tel und suchen sie sanft gegen den Eingang des Olymps zu ziehen, welcher alle Wohl­

gerüche Arabiens aushaucht.

Der Fürst von Palzo ist noch immer zu

Elodtens Füßen, und etwas Beredteres noch als die Liebe spricht aus

feinen Blicken.

Die Waise glaubt zu träumen, und bestrebt sich, ihre Lebensgeister zu sammeln.

Durch

die Verführungen, welche sie umstricken, fast

unwillkührlich

hingerissen,

ist

sie au den

Stufen des Tempels, und der Fürst von

Palzo auf dem Punkt zu siegen.

Hymens

Altar hat

ihre

Aufmerksam,

keit erregt; die verschlungenen Namen Elodienü und Palzo's glänzen hier in

Flam-

menzügen.

Was bedeutet das?

sich selbst.

Zum Tempel

fragt sie

hinansteigen ist

eine schweigende Einwilligung in des Für­ sten Wünsche;

sich dem Altar nähern heißt

beinahe ihre Treue verpfänden. inne. — den,

Sie hält

Die Bezauberung ist verschwun­

ein Schauer erfaßt sie,

jungen Amoretten,

sie stößt die

welche sie zum trügeri­

schen Pallast hinziehen wollen,

von

macht sich von den Dlumenketten los,

sich,

die

sie zurückhalten, und bebt erschrocken bis i» die Tiefe des Gebüsches zurück.

Der Fürst stürzt auf sie zu, zum Tempel zurückführen;

er will sie

das zärtlichst«

Flehen der Liebe strömt von seinen Lippen, als sich ihm mit einem Mal ein vom Kopf bis zu den Füßen geharnischter Krieger dar­

stellt, reicht,

ihm einen versiegelten Zettel über­ und

verschwindet.

Wüthend über

diese unerwartete Erscheinung hat der Fürst

den Dries ergriffen, und zuckt beim Anblick des Siegels zusammen:

schnell zerreißt er

den Umschlag, durchläuft die Bothschaft und

erblaßt.

so

Eine

benützend,

günstige

Gelegenheit

entwischt Saint Maurs Tochter

aus dem Gebüsch, sucht überall die Gräfin

auf, findet sie wieder,-, und vor ihr ihre uckge-

meine Bestürzung verbergend, preißt sie sich

glücklich den Gefahren der Verführung, den Verräthereien dieses Abends entgangenzu seyn.

Der Fürst ihr.

gesellte sich bald wieder zu seine Gemüthsbewegungen

Geschickt,

zu verstecke»,

verbirgt

geheimen Verdruß, scheint

er

sorgfältig

den

der ihn verzehrt.

Er

keineswegs von

der eiligen Both-

schaft beunruhigt, die er erhalten: sein.Ge­ sicht verräth nichts von wegung ;

und

seiner innern Be­

der Zungfrau

lachen gegenüber,

von Unter­

ist weder seine Sprache

noch seine Liebe, nichts in ihm verändert. Aber für Elodien ist alles verwandelt.

Zhr Rausch ist verflogen,

der Garten mit

seinen Wundern, alles ist für sie entzaubert; des

Fürsten Plane sind

ihr

entschleiert;

der

Zweck seines Festes und

Blendwerkes

erkannt.

Sie beklagt sich über eine außer-

ordentliche Müdigkeit; ihr Blick ist gleich­ gültig, ihre Stimme traurig und matt geworden. Sie erwartet mit Ungeduld da« Ende dieser Belustigungen, welche anfangen ihr unerträglich zu werden. Endlich zieht sie sich zurück, glücklich darüber, diesen Hul­ digungen entgehen zu können, die sie von jetzt an nicht mehr berauschen. Gegen die Mitte des folgenden Tage« begab sich Saint Maur« Tochter in den Saal der Abtei, wo sie die Gräfin Zmberg einen Augenblick allein zu sprechen wünscht«. Elodie sieht den Zweck dieser verlangten Un» terredung voraus; sie ahnet neue Verfol­ gungen, und alle Kraft ihrer Seele zusam­ mennehmend, macht sie sich bereit, mit Festigkeit gegen das Ungewitter zu kämpfen, welches ihrer wartet. Die Gräfin breitete wie gewöhnlich ihrer Nichte die Arme entgegen, und nach­ dem sie sie neben sich hatte niedersetzen las­ sen, richtete sie mit dem zärtlichsten Ton diese Worte an sie: „Al« mir die Dorfe-

sehung die Sorge über die Waise von Unterlachen übertrug, kam ich in diese Gegend, die Aufgabe zu lösen,

welche-sie mir vor­

schrieb, aber anstatt eine Pflicht zu erfüllen,

waren mir hier aufbewahrt.

nur die

Theure Elodie,

hat mir Kinder versagt, meinem Herzen,

Wünsche erfüllte.

erhalten, will

reinsten Genüsse der Himmel

ich fühle tief in

daß er jetzt endlich meine Ich habe eine Tochter

ich besitze sie in euch;

ihr ganz Mutter seyn.

und ich

Mein Ver­

mögen, ihr wißt es, ist ansehnlich; wohl, es wird einst das eure werden.

bestimme ich meine Reichthümer; werde

nun Euch

und doch

nur ich die köstlichere Gabe

erhal­

ten, wenn ich das Herz meiner Pflegtochter

dafür eintausche." Gerührt von

dieser

Rede,

warf sich

die vertrauende Elodie insgeheim ihre Vor«

urtheile gegen

diejenige vor,

deren Liebe

und Großmuth sich keinen Augenblick wider­ sprechen;

sie wollte eben ihre Dankbarkeit

faut «erde» fassen, als ihre Wohlthäterin folgendermaßen fortfuhr: „Geliebte Tochter, meine Pflicht heischt jetzt eure Zukunft zu sichern, und euren Rang in der Welt festzustellen, «he meine Laufbahn zu Ende geht. Der Fürst von Palzo betet euch an. Zch spreche euch weder von setner erlauchten Geburt, noch von seinen Schätzen; die Seele meiner Elodie ist über dje irdische Grüße erhaben. Von der Höhe, worauf sie ihre Tugenden stellen, sieht sie die eitlen Kolossen dieser Erde unter ihren Füßen. Es ist also nicht Palzo's Macht, nicht der Glanz seine« Ruhms, es ist sein Gemüth, welche« ich auszuforschen sucht«; es ist seine leidenschaftliche Anhänglichkeit an euch, es sind seine edlen Gefühle, di« meine Wahl zu seinen Gunsten bestimmten. Liebenswürdige Waise! seine Liebe für eure Reitze geht bis zum Wahnsinn, seine Pewunderung eurer Tugend bis zur Abgöt­ terei. Welcher erhabnen Fürstin hat man je glänzendere Feste gegeben? welche Schön-

heit

empfing

Ach,

gewiß

auffallendere

Huldigungen?

das

läßt endlich

gefühlvolle

Herz meiner Elodie dem edlen Krieger Ge­ rechtigkeit widerfahren, der sie an den Fuß

des heiligen Altars ruft. Lothringens

allein

ist

Der größte Held

der schönsten

der

Schweitzer-Jungfrauen würdig."

Die Gräfin hätte noch länger im Lobe des Fürsten fortfahren können; denn gerührt

von ihren

Wohlthaten über

die

Liebkosungen

und

durchdrungen, Beharrlichkeit

von

aber

ihrer

ihren trostlos

Wünsche,

schwieg die Tochter Saint Maurs.

End­

lich antwortete sie:

„Theure Mutter! habet Dank, daß ihr mich würdigt, euch diesen Namen geben zu

dürfen!

Eure Güte hat alle Hoffnungen

der Waise übertroffen: niemals wird sie in

meinem Gedächtniß verlöschen.

Die Reich­

thümer der Gräfin Zmberg, wenn ich sie

annähme, würden keinen andern Werth in

meinen Augen haben, als eine Gabe der Freundschaft, das Geschenk einer Mutter;

ao

----------

«eil Herstalls Vermächtniß hinreicht, meine

Zukunft zu sichern und ich nicht nach Reich­ thum und hoher Würde strebe.

leiste ich

von

Deswegen

auch auf die Hand des Fürsten

Palzo

Verzicht.

noch zu jung,

Ich

bin

überdieß

kenne ihn noch zu wenig,

und kann daher seine Liebe nicht erwiedern:

mein Herz, mag,

das ihn nicht zu lieben ver­

ist indeß unfähig ihn zu betrügen;

ich fühle mich einer Verbindung unwürdig,

die mich allzuhoch erheben würde/' Ihren Verdruß und ihre Wuth verheh­

lend,

schien

die Gräfin

keineswegs

über

diese Antwort beleidigt.

„Liebenswürdige Elodie, nahm sie wie­

der das Wort, fern sei von mir der Ge­

danke, euren Gefühlen zu widersprechen und euren

Willen

zu

zwingen.

Nach

dem

Wunsche, welchen ihr mir unlängst ausge­

drückt habt, war ich entschlossen, die vorge­ schlagene

Verbindung

zu

verschieben,

zu

erwarten bis die Zeit euren Verstand auf­

geklärt und die Beständigkeit des

Fürsten

gerührt hätte.

euer Herz

Palzo hättet

kennen

Ze näher ihr

lernen,

desto

mehr

würdet ihr ihn zu schätzen gewußt haben; und die Liebe hätte die Vermählung gebo­ ten.

Nun ist aber aller Aufschub unmöglich

geworden: der Fürst kann sich nicht länger

mehr im Kloster aufhalten;

Zeit,

es ist daher

euch einen Theil seiner Geheimnisse

mitzutheilen. Freund des Königs von Frank­

reich und von den nordischen Mächten unter­ stützt, ist Palzo im Begriff, an der Spitze

eines Kriegsheers in Lothringen einLubrechen und sich den Weg zum Thron zu bah­

nen.

Mit ihm und für ihn kämpft Lud­

wig XI.

Es ist mir nicht vergönnt, mich

weiter über diesen Plan zu erklären,

aber

wenigstens müßt ihr wissen, daß ihn gestern ein wichtiger, während dem Fest erhaltener

Brief, unterrichtete, daß seine Feinde

das

Geheimniß

seiner

großen

Unternehmung

entschleiert

haben;

daß es

Zeit

unsterblichen

schrecklichen

Entwürfe

ist seine

auszuführen,

den

Schlag niederfallen zu lassen,

welchen er vorbereitet hat, und sich eines Erfolgs zu versichern, der nicht zweifelhaft scheint: jeder Aufschub kann jetzt nur unheil­ bringend seyn; und die Krone erwartet den Sieger. Der Fürst hat also keinen Augenblick mehr zu verlieren; er muß Helvetien ver­ lassen und dorthin eilen, wo der Ruhm sei­ ner harrt; aber ein eben so leidenschaftli­ cher Liebhaber als unternehmender Held, will er nur mit dem Titel eures Gemahls geschmückt auf das Feld der Ehre eilen." So sprach sie: ihre treulosen Reden und listigen Mittheilungen brachten bei der Waise gerade die entgegengesetzte Wirkung, als sie erwartete, hervor. Die Tochter Saint Maurs richtete folgende nachdrucks­ volle Worte an sie: — „Mein Entschluß ist von Neuem befestigt. Ein rechtmäßiges Diadem schon hätte meine Augen nicht geblendet, ein ange­ maßter Thron flößt mir Abscheu ein. Der finstere Weg der Verschwör»«»- ist nicht die

Bahn des Ruhms,

und niemals wird ein Gemahl wer­

Rebellen-Anführer ElodienS

den." Noch gebietet die erzürnte Gräfin,

dieser mit eben so

bei

viel Würde als Festig­

keit gesprochenen Rede, ihrer Wuth.

Ihre

und ihre Stimme

Stirne ist nur streng, nur feierlich.

— „Waise von Unterlachen,

sagte sie,

die Entschließungen eines Kindes sind für eine Mutter keine Hindernisse.

Worte der

keine

Zärtlichkeit

Gewalt

weil

weder

ten,

noch

erschüttern

über

die

und

eure

Macht

Bitten,

der

können,

so

Weil die Ueberredung

Seele der

haben­

Wohltha­

eure Weigerung

bin

ich

Her­

stalls Schatten, meiner persönlichen Würde,

dem Himmel, welcher euch meiner Sorgfalt

anvertraut, den unerschütterlichen Ausspruch schuldig, den ich

die

hiemit verkündige.

Morgenröthe

erleuchtet, Gemahl."

ist

dreimal

den

Ehr

Horizont

der Fürst von Palzo euer

Schon werden die Befehle der Gräfin vollzogen.

Die Vermählung Elodiens mit

Palzo ist feierlich bekannt gemacht.

Präch­

tige Tapeten hängen von den Wänden der

alterthümlichen

Kapelle

Der mit

herab.

reichen Gaben belastete Altar ist mit vielen Kerzen

Von

geschmückt.

allen

Seiten

betreibt man die Anstalten der hochzeitlichen

Feier.

Ausspruch

Der

der

Gräfin

ist

unwiderruflich und das Geschick der Waise

unwandelbar bestimmt.

Der unselige Au­

Es giebt kein Mittel,

genblick naht.

Gräfin zu bewegen.

Zn der Gewalt der

Tyrannen,

die

unglückliche

Gefangene die

sie

Entsetzen dahin

geschehen! Seele: Thurme

sieht

die

Stunden

mit

beobachten,

Es ist

rinnen.

um

Die Verzweiflung ist in

sie

ihrer

sie will das Feuerzeichen auf dem

anzünden.

beizustehen,

Wunder

die

ist I

Wer

vermöchte

ihr

wenn es nicht der Mann der —

Wer

kann

sie retten'

wenn es der, Einsiedler nicht vermag!--------

Die Nacht mit ihrem Sternen - Mantel

deckt die schlummernde Erde.

in der Kapelle hatten

-Die Arbeiter

schon längst ihr Ge­

schäft verlassen, und alles im Kloster lag in tiefem Schlaf versenkt.

Mit

leichtem

Schritt

durchging

die

Jungfrau von Unterlachen den großen Gang der Abtei und wendete sich,

die Lampe' in

zur Treppe des HauptthurmS.

der Hand,

Schon steigt sie die Stufen hinan, als sie ein dumpfes Geräusch

Mehrere

stille stehen macht.

Kriegsknechte

kommen

Höhe des Thurmes herunter.

die Befehle

wohnern,

Boten

der

Sie theilen

ihres Herrn einigen geheimen

von

der

Bergbe­ Empörer,

mit.

Etodie befindet sich auf ihrem Weg.

Eine

niedrige Thür, die

auf die Treppe

geht, bietet sich ihren Blicken dar; sie öffnet sie und flüchtet sich in einen engen finstern

Gang, welcher zum entgegengesetzten Thürmchen führt.

Eilig gehen die Krieger vorüber. reden leise

mit

den Landleuten und

Sie sind

selbst als Schweizer • Dauern verkleidet. —

----------------

20

„Ja, sagt einer der Ersten,

des TageS sollen

spitze versammeln!" —

mit Anbruch

bei

sie sich

der Schreck­

„Bei der Schreck­

spitze!" — wiederholt schaudernd ein Thal­

„Fürchten sich eure Braven

bewohner. — vor

dem

ihn der

blutigen

unterbricht

Gespenst?

Anführer mit

Verachtung.

Zn

diesem Fall mögen sie sich aus unsern Rei­

hen entfernen. Soldaten,

Fürst

Der

die

sich

vor

braucht keine

einem

Schatten

fürchten." — „Aber

das

blutige

— „Es ist genug;

Gespenst!" —

stille davon.

Der

Fürst hat den Versammlungsplatz bestimmt. Er befiehlt, — gehorchet."

Der Landmann

murmelte noch weiter — aber die Stim­

men verloren sich in der Entfernung. Krieger sind

Die

unten am Fuß der Treppe;

die Waise vernimmt den Schall ihrer Tritte nicht mehr.

Sie geht vorsichtig aus ihrem

finstern Schlupfwinkel

hervor,

und

setzt

ihren Weg ohne Hinderniß fort.

„Warum

diese

ueuen

Versammlungen

der Rebellen? sagt Elodie

zu sich selbst;

ist das Ungewitter auf dem Punkt loszu­

brechen? —

Aber übermorgen besteht der

Fürst darauf, mich zum Altar zu schleppen.

ohne Zweifel hat er mich zum ersten

Ach,

Opfer gewählt, und die hochzeitlicheKerze soll

den

vor

Fackeln

des

Krieges

angezündet

Darum ohne Zaudern den Thurm

werden.

beleuchtet."

Dieß sagend, steigt sie auf das flache Dach des Thurmes,

und bald dringt

die

Helle der Fackel weit hin durch die Finster­ Der Himmel war rein,

niß der Nacht.

das Wetter windstill,

die Sterne funkelten

am Firmament;

nur leichte Lüftchen

bewegten

und

Elodiens

Schleier.

Bei

der

schützenden Leuchte sinkt die Jungfrau von Unterlachen auf die Kniee,

und das Auge

auf die Berge am Murtersee geheftet, sagt

sie mit klagender Stimme:

— Und,

„Einsiedler!

an

die

Elodie

Wunder des

ruft

dich."

Mannes vom

Wildberge gewöhnt, sich überredend, daß. er

ob bat

horcht sie auf,

sie gehört habe,

Stöhnen des Nachtwindes ihr keine Ant­ Einem seligen Schatten ähn­

wort bringe.

eine Weile

lich, blieb Elodie

auf ihren

Knieen;

im

regungslos

weißen Gewände,

trübe und schwermüthig,

das

durch

nur

Licht einer flüchtigen Hoffnung erhellt, glich

sie

bleichen

einem

ätherischen

Gebilde,

woraus ein himmlischer Strahl leuchtet.

Mitternacht

war vorüber,

als

Elodie

geräuschlos und ohne Hinderniß den Thurm

verließ und in ihre Zelle herabflieg.

zu

versuchte strengung!

Sie

vergebliche An­

schlummern;

denn auf ihr glühendes Lager

streckten sich neben ihr der Schmerz,

die

Furcht und Schlaflosigkeit aus.

Kaum hatte das Dämmerlicht de» Tag verkündet, als die Waise, erschöpft,

ihren

bewegten

mehr zu gebieten vermochte;

von Müdigkeit Sinnen

nicht

sie stand auf:

das Gebet ist die einzige Zuflucht des Un­ glücks.

Sie

Seele immer

geht

zur

Kapelle, wo ihr«

Trost gefunden hat.

Das

Gebet,

dieser

Wunden des Gemüths, heilige Faden,

die

Gottheit

ist

zugleich

der

welcher die Erde an den

knüpft:

Himmel

für die

heilende Balsam

durch

den

zu

dasselbe

läßt sich

Sterblichen

herab.

Fünfmal hatte die Uhr der Abtei die nächt­ lichen Stunden geschlagen,

seit Elodie den

Vom Altar richtete

Leuchtthurm verlassen.

sie ihre Schritte zu der stillen Gruft,

die

sterbliche

Hülle ihrer Mutter

wo

ruhte.

Todtenlampen brennen hier Nacht und Tag,

und ihr bleicher Schimmer erleuchtet

Grabmal.

2(tt

den

Aschenkrug

das

gelehnt,

schwang sich ihr Geist in die himmlischen

Räume

empor,

von

wo

aus jetzt ohne

Zweifel, ihre Mutter auf sie herabblickte, als ein leises Geräusch ihre Aufmerksam­ keit auf sich

Im Hintergrund des

zog.

Gewölbes öffnete sich eine, ihr bisher unbe­

kannte unterirdische Thür, und der Bewoh­ ner des

Wildberges

erscheint

vor

ihren

Blicken.

Er

ist völlig

gerüstet.

Ein

eherner

Helm, den schwarze Federn beschatten, deckt seine Heldenstirn, die gewiß ehedem Lorbern

Ein blitzendes Schwert ist in

bekränzte». seiner Hand;

ein

umschließt

Waffenrock

seine kraftvolle Gestalt, ein schwarzes Wehr­ gehänge

dient

statt

ihm

Feldbinde:

ein

scheint er zur Rache

schrecklicher Kämpfer,

gerufen.

Saint

Maurs

konnte

Tochter

einen

Ausruf freudiger Ueberraschung nicht zurück­ halten. —

„Da seid ihr ja!

sprach

mit Entzücken auf ihn zueilend. Himmel

schützt Elodien;

denn

sie,

Ach der schon

ist

mein Gebet erhört."

— „Elodie ruft mich, sagte der Einsied­ ler, was befiehlt sie?"

Seine Haltung

sein Ton dumpf,

ist ernst

sein

Blick

seine Sprache kalt wie Eis.

und

streng,

finster und

Die verschüch­

terte Jungfrau betrachtet ihn mit Erstau­

nen.

Welche Veränderung

von Leiden zerstörten Zügen! niedergedrückt,

scheint

ist auf seinen

Schweigend,

der Einsiedler das

Leben wie eine Last zu ertragen, deren er sich, wie er mit Entsetzen fühlt, nur durch eine Gewaltthat, oder einen verzweifelten Entschluß zu entledigen vermag. Seine Worte sind kurz abgebrochen, sein Gesicht bleich und wild. Der Ausdruck seiner Bildung grenzt zuweilen an Irrsinn, und doch bringt, neben Elodien, etwas Zärtliches und Ergebenes durch diese drohende Hülle, die ihn umgiebt. — „Was ich befehle? wiederholt Clodie mit dem mildesten Tone. Habe ich denn das Recht, euch zu befehlen." — „Sprecht! antwortet der Bewohner des Wildberges. Ob ihr das Recht habt oder nicht; ich bin bereit zu gehorche». Für euch habe ich diese kriegerischen Waffen angelegt, womit ich mich niemals wieder zu bekleiden schwur; für euch habe ich wieder dieses-Schwert aus der Scheide gezogen, welches ich mit Abscheu von mir warf; und für euch fühle ich dieses Herz schlagen, das ich verhärten und zu Eis mache» wollte.

— „Elodie, fuhr er etwas milder fort,

warum habt ihr mich zu euch gerufen?“ — „Diese Kapelle,

sprach die Waise,

ist zur Trauung Elodiens mit dem Fürsten

wa­

von Palzo geschmückt, und ihr fragt, rum ich euch rufe!"

Bei

dieser

schaftliche

Krieger

Schwert:

eine

über seine

zuckt der

Antwort

mit

leiden­

sein

Ungestüm

glühende Aufwallung siegt

Unglück verkünden­

Vernunft.

den Antlitzes, wüthend und wie wahnsinnig ruft er:

Stahl

„Noch mehr

dessen

Blut!

nicht genug

hat

dieser

vergossen!



Dringt mich zu Palzo." — „Großer Gott! sagt die erschrockene

Zungfrau, was wollt ihr beginnen!" ternd, in Thränen zerfließend, zurückhalten;

will sie ihn

sie ergreift seine Hand und

drückt sie in der ihrigen.

liche Mann

Zit­

fährt

Der unbegreif­

zusammen....

Diese

magische Berührung hat plötzlich sein ganzes Wesen verwandelt.

die'angebetete Hand,

Er hebt unwillkührltch

die ihn aufhält,

zu

seinen Lippen empor.

Das Feuer, welche-

in seinen Adern brennt,

ist nicht mehr die

Gluth des Zornes; und der Leue der Wüste

hat seine Wildheit verloren. nimmt er ruhiger das Wort

„Vergebt!

Palzo's

Bei

wieder.

Namen,

Namen des Hochmüthrgen,

bei

dem

der nach eurer

Hand zu strebe» wagt, hat eine Bewegung des Zorns und der

nicht zu

Geist

Entrüstung,

unterdrücken

verwirrt.

vermochte,

Zerstreuet

die

ich

meinen

eure Unruhe,

der Treulose wird getroffen werden,

aber

er soll nicht unter meinen Streichen fallen:

der Verräthcr wird umkommen,

Schauspiel

seiner

Strafe

aber das

euch

darf sich

nicht darstellen. Theure Elodie,

fuhr er fort — selbst

«he der Schein eurer Leuchte meinen Bei­

stand anrief, hatte ich alles vorbereitet, um euch aus der

befreien. Ich sah

II.

Gewalt

eurer Tyrannen zu

Zch wachte über euer Geschick.

den Schlag voraus, welcher

euch

3

Niemals wird, Palzo euer Ge­

bedrohte.

mahl werden."

„Und wer wird die hochzeitlichen Ker­

zen auslöschen?“ ruft Saint Maurs Toch­ ter."

— „Zch."

setzt

euer

„Ihr! ich

Leben

nicht

in

flehe euch,

o!

Gefahr!"



„Es wird kein Blut fließen.

Zch werde

den Berg nicht verlassen." —

„Und wer

wird

dann

zu

meiner

Rettung

erschei­

nen?" —

„Die Abgesandten des Einsied­

lers." —

„Und ihr versprecht mir, wie­

derholt Elodie mit Lebhaftigkeit, ihr schwört

mir, euer Leben nicht auszusehen?" Heftig

von

dem

sanften

Tone

der

Waise, von dem regen Antheil, den sie ihm

beweißt, von ihrer zärtlichen Bitte bewegt, sucht der Einsiedler seine Erschütterung zu

verbergen:

und

kaum

wagend

sie

anzu­

sehen, spricht er hastig:

„Ich war gewiß,

durch diesen unterir­

dischen von mir allein gekannten Eingang,

mich

durch

dieses

geheime

Gewölbe

ins

Kloster einführen zu können.

Bewaffnet,

aus Furcht erblickt und überrascht zu wer« den, hegte ich die Hoffnung, ohne Hinder­ niß zu euch gelangen zu können: ein ahnen­ des Vorgefühl

cs

mir

verkündet.

Eurer Besorgnisse gewiß,

kam

ich sie

hatte

zu

Noch einmal, fürchtet euch nicht

zerstreuen.

vor einer Vermahlung, die niemals vollzo­ Zch habe mein Verspre­

gen werden wird.

chen erfüllt. —

Zhr habt

stützung angerufen, werden;

meine Unter­

eS wird euch geholfen

ihr habt auf meine Ergebenheit

gezählt, ihr werdet gerettet seyn." Dies sagend,

ist er im Begriff durch

die geheime Thüre zu verschwinden. — „Was?

Schon jetzt?

Bleibt noch,"

ruft Elodie.---------

Der Einsiedler kommt zu ihr zurück. — „Ihr habt mich einst von euch gestoßen,

spricht er,

warum haltet ihr mich heute

zurück? —

O ihr,

deren Bild und An­

denken ich überall mit mir herumtrage, wie

der Sturm die Blüthe des Frühlings, wer­ det ihr niemals Mitleiden mit mir haben! —

Unvermögend sich länger zu bezwingen, er

stürzt

„Was

habe

mich beklagen? Nein, bin

zu

dann plötzlich

nieder. —

Mitleids

keines

du hast Recht:

Du ich

verschließe

würdig;

dein Ohr meine» Seufzern, Unsinniger, ich

Füßen

ihren

ich gesagt!

bin ein

ich

bete dich an,

und

ach!

meine Liebe ist die einzige Tugend, die ich aus dem Schiffbruch gerettet habe.

lische Schönheit!

hat deine Hand,

die meine drückte, wischt!

Himm­

als sie

die Flecken daraus ver­

Deine Gegenwart scheint die Luft,

welche ich einathme, zu reinigen, aber kann

mich dein Blick lossprechen! seliger!

wie aus

gestrichen,

Zch Unglück­

dem Buche

irre ich

des Lebens

fern von dir nur im

Schvoß der Finsterniß und rufe die Ver­

nichtung an.... ich sehe es!

«ein

Du weinst Elodie! Acht

meine Leiden rühren dich —

unbegreifliches

Schicksal

flößt

dir

ein,

Theilnahme

So



vollend«

dein

Werk, dein Herz rechtfertige mich und der

Liebe! und

Himmel wird mir verzeihen.

ich bin gerettet." seid es" — antwortet Elodie

— „Ihr

gerührt

und

fällt der



hingerissen.

Einsiedler

mit

„Wohlan!

Leidenschaft

ein:

wohlan! so schwöre denn hier, keinem An­

dern als mir anzugehören!" — „Auf dieses Grab?" sagt die Waise,

«rschrocken zurückbebend.

— „Das

gilt gleich!

Einsiedler mit Heftigkeit:

antwortet

der

der Tod ist so

heilig wie das Leben, und ich bin der Mann der Gräber."

Die Jungfrau

von

Unterlachen

der unwiderstehlichen Gewalt nach,

giebt

welche

der Krieger über sie erlangt hat: wie über

einem

Trau »Altar

auf den Aschenkrug,

erhebt

gewölbe, beim Schein

spricht

sie

mir

sie

ihre Hand

und unter dem Grab­

der Todtenlampen,

feierlicher

Stimme

den

Schwur aus:

„Ich

schwöre,

nur

ihm

anzugehören."

„Und ich,, ruft der Einsiedler nie werde

ich eine andere

nennen.

Za,

Elodie

Gattin als

Elodie oder den Tod!

mein

den

Himmel oder die Hölle!"

Zn diesem Augenblick,

laßt

die große

Glocke der Abtei einen Trauerton erschallen.

Die erschrockene Elodie fühlt ihr Blut in ihren Adern stocken. benetzt

Ein kalter Schweiß

und ihr Haupt sinkt

ihre Stirn,

auf die Schulter des Einsiedlers. „Großer Gott! sagt sie mit irrem We­

sen.

Welche fürchterliche Stimme ist dieß?

Was hat

sie

ausgesprochen?

Trauungs - Segen?" —

gen der Glocke ertönt.

ist

das der

Neues

Anschlä­

Die

ihre Sinne wieder gefunden. Stunde

des

Morgen

erwecken

Frühgebetes;

dieselben

Waise hat

Es ist die und

jeden

Töne

das

uns. trennen,

rnft

Thal.

»Wir Elodie aus."

müssen

39

-------------Und

auf den

Einsiedler

einen

Blick

der Liebe, des Schmerzes und des Bebau« erns werfend, stürzt sie aus der Gruft, ver­

schließt die unterirdische Thür und entfernt

sich aus der Kapelle.

Neuntes

Buch.

Der erste Strahl der Morgenröthe rief

den Fürsten von Patzo,

und sein zahlrei­

ches Gefolge nach der Schreckspihe, wo sich die Empörer versammeln sollen.

Auf sei­

nem sorgenvollen Gesichte malt sich die Un­ ruhe; seine Worte sind rauh: sein Blick ist Der entscheidende Tag nähert

ungeduldig. sich,

und welche Festigkeit auch ein Rebel­

len-Anführer

entfalten mag,

so

ist

doch

die Stille der Ueberlegung, die dem Gräuel des Sturmes vorangeht',

in

ihm oft der

Bewußtlosigkeit ähnlich, die vor der Todes­ stunde eintritt.

Der Fürst ist am Fuß der Schreckspitze

angelangt;

seine Stirn

hat

ihre

ruhige

Keckheit und ihren gebietenden Ernst wieder angenommen.

Als geschickter Staatsmann

verstand er sich zu bemeistern; und mit dem

---------------

Firniß der Kühnheit

4X

die innerliche Angst

zu decken, die ihn verzehrt.

Mehrere Füh­

rer der Partheigänger erwarten ihn,

aber

wie es ihre Boten in der Abtei vorhersahen, so hatten die bewaffneten Landleute, welche

Palzo

an diesem entlegenen Orte mustern

wollte, sich geweigert, spitze

eiuzufinden.

sich bei der Schreck­ Die

abergläubischen

Einwohner dieser Gegend würden auf dem dem gewissen Tod ent­

Schlachtfelde kühn

gegen stürzen,

aber sie wagten nicht, sich

dem Berg zu nahen, auf dessen Gipfel das blutige Gespenst erscheint; ihr kühner Muth wird

von keiner

wirklichen Gefahr

über­

rascht, aber er verschwindet vor jedem über­ natürlichen Anschein. Das Mißvergnügen des Fürsten darüber

war unbeschreiblich: jeder Verzug ist gefähr­

lich.

zung;

Dennoch umgiebt

schwornen,

verbirgt er sich mit den

seine

Bestür­

ersten

Ver-

zeigt ihnen einen neuen Brief

der französischen

Minister,

die

ihm

alle

Versprechungen Ludwigs erneuern, und vrr-

kündigt ihnen noch überdieß, daß ein Theil des Lothringischen Heeres nur seinen Wink erwarte, um sich gegen Rene zu empören,

sich unter seine Fahnen zu reihen,

und

ihm die Thore von Nancy zu öffnen.

Nach

dem

Plan

der

Verschwornen

sollte der südliche Theil Lothringens, Epinal an,

deren

von

eine getrennte Provinz bilden,

Grenze

sich bis zum Canton

von

Murten erstrecken, und worüber Palzo die Herrschaft erhalten würde. Nancy, Lüneville, Metz, Dar, und der

Ueberrest der Lothringischen Staaten soll­

ten mit Frankreich vereinigt werden, sobald die Fahne

des

Aufruhrs

und

erhoben

seyn würde, Ludwigs XL Heer zu Palzo

stoßen, und von Epinal aus ihre vereinig­ ten Truppen auf Nancy anrücken.

Nach einer feurigen Anrede des Fürsten hatte sich eine neue schwärmerische Begeiste­

rung

der

bemächtigt.

Häuptlinge Freudig

Treuschwur geleistet.

der

Verschwornen

wird

abermals der

Palzo lächelt zu ihren

stürmischen Aeußerungen,

und giebt ihnen

Befehl, in drei Tagen mitten in der Nacht

ihre bewaffneten Söldner in derselben Ebne Murten

von

Schweitzer

versammeln,

zu

die

über

wo

Burgunder

die

siegten.

Von diesem allgemeinen Vereinigungspunkt

aus wollen wenden,

sie

sich sogleich gegen Spinal

wo sich die französischen und Lo­

thringischen Truppen mit ihnen verbinden sollen. Nachdem

der Plan

bestimmt entworfen,

der Verschwörung

trennten sich die An­

führer: lange schon hatte sich Aurora düster und verschleiert über den Bergen

erhoben.

Der Himmel ist mit Wolken bedeckt: Fürst nimmt den Weg zur

der

Abtei zurück.

Mitten im Walde hält er still; er vertraut verschiedenen Kriegsleuten, die ihm folgen,

einige wichtige Botschaften, und reitet allein ins Thal hinab.

Zn

finsteres

Nachdenken

versunken,

überließ Palzo die Zügel seinem Rosse, das, bald von der Straße abkommend, ihn aufs

Geradewohl durch Fichten und Felsen hm

Auf einmal hält das Pferd an, und

trägt.

Unterbrechen der Bewegung

dieses

den

Fürsten

selbst

sich

zu

bemerkt, daß er sich verirrt hat:

bedenken,

Er

ein tiefer

ohne die Gefahr zu

ist vor ihm;

Graben

bringt

zurück.

spornt er heftig sein Pferd an,

uub das hitzige Thier schwingt sich gegen

aber einer seiner Hin­

das jenseitige Ufer;

terfüße hat sich in eine Daumwurzel ver­ und Palzo stürzt in die Tiefe des

wirrt,

breitet» Grabens hinab. Verwundet, der sind

leicht.

erhebt er sich; seine Klei­

aber die

zerrissen,

Sich

an

Verletzungen

Stauden und

Klippen

anklammernd, gelingt es endlich seinen An­ strengungen, aus dem Graben zu kommen;

aber er bemüht sich umsonst, auch sein Roß heraus zu ziehen, es zu verlassen und

weiter

gegen

das

er sieht sich genöthigt, sich langsam zu Fuß Kloster

zu

schleppen.

Blutend, zerquetscht und den Weg suchend,

irrte fr aufs Ohngefähr im Walde umher;

-iS er endlich am Rand eines

weiten Ab­

grundes stehen blieb, der seinen Weg hemmt, und in dessen Tiefe er den Strom rauschen hört.

Um wieder Kräfte zu sammeln, setzt

stch der Fürst einen Augenblick auf den stet« len

Felsen,

von

wo

aus sein Auge

Tiefe des Abgrundes zu messen sucht; dichte Finsterniß verbirgt sie ihm,

die

aber

er hört

nur das Wasser, welches zwischen den Felsen

plätschert,

hölte

sich donnernd unter die ausge»

Wölbung

sich aus

Plötzlich erhebt

stürzen.

dem Mittelpunkt

dieses

dunklen

Schlundes eine menschliche Stimme. höllischer Gesang

dringt

weide der Erde herauf.

aus

Ein

dem Einge­

Sind es die Pro-

phezeihungen des Abgrundes?

Zst eS die

Stimme des Fürsten der Finsterniß? Palzo unterscheidet diese Wörter

Berrather! Verruchter Empörer!

Dein schwarzes Gespinnst ist entschleiert. Bon Erde und Himmel gehastet Eilst^du mm dem Untergang zu.

Erfaßt vom verwegenen Krieger

Hat oft schon das Scepter der Fürsten Die Hand des Verbrechers verzehrt.

Drum drohet dir, Pglzo, die Stimme Des alles verschlingenden Abgrunds.

Du schmücktst den Altar zur Vermahlung

Und glaubst an Elodiens Besitz schon;

Doch weißt du nicht, daß stets der Himmel Die Unschuld am treuesten beschützt. Die Hand am Altare ihr reichend,

Was ,

grausamer Palzo, was werden

Rings um dich, die flammenden Kerzen Im Blick deines Opfers beleuchten?

Der Hölle verschlingenden Abgrund.

Schon schlägt deine Stunde,

bereue;

Erhebe dich betend nach Oben.

Schon seh' ich, wie über dir schwinget Die blutige Sense der Tod. Wer schrieb dir dein Urtheil?

Der Himmel.

Es stößt dich im Abgrund der Ew'ge. Der Gott des Verbrechers beseelt dich. Den letzten Ruf richtet hohl zu dir:

Der Hölle verschlingender Abgrund.

Der

Fürst

geworden; ihn;

ein

war

starr

vor

allgemeines

Entsetzen

Zittern ergriff

sein irres Auge starrt in den gräuli­

chen Abgrund hinab,

ob sich vielleicht nicht

ein drohendes Gespenst daraus erhebe: sein

Gesicht

entstellt

sein Blut gerinnt,

sich,

seine Zahne schlagen aneinander, seine Haare

sträuben, seine Stirn bedeckt sich mit einem

kalten Schweiß.

Ein heiserer Schrei ent­

fahrt seiner Brust; und seine bleichen Züge

tragen das Gepräge der Geistesverwirrung.

dumpfes

indeß

folgt

dem finstern Gesang aus der Tiefe;

wan­

Ein

Schweigen

kend, schreckenvoll steht Palzo auf; er flieht den fürchterlichen Rand,

Urtheil ausgesprochen klimmt er

wo so eben sein

wurde:

außer

sich

die gefährlichsten Felsen hinan,

dringt durch das Dickicht,

setzt über die

breitesten Gräben, und befindet sich endlich wieder im Thal.

Die

frische

Morgenluft

belebte

da

allmählig seine Sinne wieder, beruhigt den

Tumult seiner Lebensgeister und stellte den

Kreislauf seines DluteS wieder her.

schöpft endlich

wieder

Augen sind wild,

sein

Athem;

Er

aber seine

Kopf glüht,

und

feine schlotternden Kniee tragen ihn kaum. Im Kloster zurück, und in seine Gemä­

cher verschlossen, entzog sich der Fürst jeder­ manns Blicken;

und

nur nach und nach

wurde der fürchterliche Eindruck des hölli­

schen

Gesanges

schwächer

Villeicht

müthe.

ist der

in

seinem

aus

der

-gedrungene Ruf nichts Unnatürliches;

Ge­

Tiefe ein

versteckter in die Felsen gehauener und in

den Schlund

führender Weg konnte viel­

leicht einen Unbekannten verborgen haben,

aber dieser Unbekannte kann nur ein Feind seyn;

und das Ereigniß unnatürlich oder

nicht, ist nichts desto weniger eine unselige Weissagung. Der Fürst hatte seine blutigen Kleider

abgelegt;

barg

seine Wunden sind leicht, er ver­

sie bis

auf die

geringsten

Spuren,

und mit ruhig heiterer Stirn begab er sich zur Gräfin Zmberg.

Die reichen Brautgeschenke, welche Palzo mit Ungeduld erwartete, waren ange­ kommen und in dem großen Saal der Abtei ausgestellt worden. Die prächtigsten Gaben des Reichthums, die k-stlichsten Kunstarbeiten wurden von der Gräfin mit Stolz vor Elodiens Augen ausgebreitet: aber Saint Maurs Tochter läßt ihre Blicke nachlässig auf de» blendenden Schmuck und die kostbaren Edelsteine fallen, die ihr dar­ geboten werden. Nichts erregt ihre Be­ wunderung, nichts entzückt sie, und wie die einfache Zuschauerin eines Festes, das sie nichts angeht, wie ein Gast bei einer frem­ den Hochzeitsfeier, prüft sie mit der Neu­ gierde der Gleichgültigkeit die Herrlichkei­ ten, welche ihr die Liebe reicht. Die Gräfin betrachtete Elodien. Die Eiseskälte ihrer Antworten, ihre zerstreuten Blicke, ihr fast spöttisches Lächeln, ihre verächtliche Ruhe, haben alle ihre Gedan­ ken verwirrt. Die Waise ist weder bestürzt noch ängstlich, sie zeigt kein Erstaunen, kein« II. 4

ao Lustigkeit,

keine Trauer; und ohngeachtet

ihrer tiefen Kenntniß des menschlichen Her­ zens,

vermochte die Gräfin das sonderbare

Betragen ihrer Nichte nicht zu verstehen,

ihre unbekannten Gefühle und gehei­

noch

men Gedanken zu errathen. Der Tag verfloß ohne irgend ein beson­

deres

Ereigntß.

Wie

oft

richteten

sich

nicht Elodiens Augen auf die Berge von Murten, wie oft suchten sie auf der Straße

zur Abtei die Abgesandten des Einsiedlers!

Die versprochene Hülfe erscheint nicht, und doch soll schon der morgende Tag der Ver­

mählung leuchten. Es wird Nacht.

Der Fürst von Palzo

schien auf dem Gipfel seines Glückes; end­ lich sollten seine Wünsche erfüllt

werben.

Er kann kaum die Morgenröthe erwarten.

Elodiens

Ruhe

Vorzeichen,

dünkt ihm

ein günstiges

und ohne die Prophezeihung

des Abgrundes würde sich

sein von Hoff­

nung und Freude trunkenes Herz

Liebe hingegeben haben.

nur der

Da |te nicht an der Zusage des Bewoh­ ners des WildbergeS zweifeln

konnte,

war die vertrauensvolle Elodie

friedlichen Zelle

fest

in

entschlummert,

so

ihrer

und

erwachte erst mit den ersten Strahlen deS Aber beim Erwachen dringt Lärm,

Tages.

Tumult, verworrenes Geschrei in ihr Ohr, und sie stürzt ans Fenster.--------Welch ein Schauspiel stellt sich ihr dar! DaS

Kloster

ist von allen

umringt.

zahllosen Kriegern des

Seiten

von

Die Fahne

Herzogs von Lothringen flattert hoch

Palzo'S unvermuthet

auf den Thürmen.

sind

überfallene Wachen

gefangen. Renös

gänge

und

Ohne Schwertstreich haben sich

Truppen der

entwaffnet

Abtei

aller Posten

bemächtigt:

und

Aus­

und gleich

einer Kriegs-Veste überfallen und eingenom­

men, befindet sich das Kloster abermals in

der Gewalt eines neuen Herrn. Außer sich, und wie verwirrt, erscheint

die Gräfin Zmberg

vor

Elodien.

Die

Verzweiflung ist in ihrer Seele: das Ent«

sehen auf ihrer Stirn; und jetzt ist eS die Beschützerin, welche die Beschützte anfleht^ Palzo wurde im Namen des Herzogs von Lothringen als des Hochverraths ange­ klagt gefangen genommen. Seine Hände sind mit Ketten belastet; er ward auf Befehl von Ren«S Kriegsobersten in ein Gefängniß der Abtei geworfen; und dieser Anführer ist kein Anderer als der Graf von Rorindall. Ohne Zweifel wird die Freundin, die Vertraute des Fürsten von Palzo in der entdeekten Verschwörung mit begriffen seyn: vielleicht soll sie als Mit« schuldig, verhaftet werden! Indeß war der Gräfin Zmberg Eckberts Liebe für Elodien nicht unbekannt: und diese Liehe vermag sie vor dem Unglück zu retten, welches ihr droht. Sie flüchtet sich als» zur Waise von Unterlachen, Von der Verzweiflung der Gräfin erschüttert, vergaß die gefühlvolle Elodie deren Verfolgungen und Grausamkeit, und dachte an nichts, als ihre Angst zü

zerstreuen.

Mit dem Tone der Reue und

Zärtlichkeit

rief Palzo's

listige

Freundin

aus: —

„Der Treulose! wie hat er mich

betrogen!

Ich war im Begriff, ihm meine

Tochter zu opfern!

bald hätte ich meine

Elodie mit einem Rebellen-Oberhaupt ver­

mählt! —

gräßliche Verschwörung

müssen;

in diese

Vielleicht werde ich, verwickelt,

sterben

es ist wahr, meine Leichtgläubig­

keit verdient Strafe; aber, geliebreste Toch­

ter!

ich habe mir nichts vorzuwerfen,

daß

ich

euer Herz zwingen

wollte;

als ein

Tag mehr, und ihr wäret das Opfer meiner

Tyrannei geworden.

Ach! mag mich Rene

ms Gefängniß werfen lassen, mag mich die ganze Welt verdammen;

wenn

mir

nur

Elodie verzeiht! bitfin will ich mein Schick­ sal ohne Murren ertragen." Zhr

Ausdruck trug

Wahrheit, big ;

das

Gepräge der

und die Unschuld ist leichtgläu­

Elodie beruhigte

ihre

Beschützerin,

und ging eilend zum Grafen von Norindall hinab.

Eckbert erwartete Elodien. Ohngeachtet seiner Anstrengung sich zu beherrschen, und der innern Kämpfe, um seine Empfindun­ gen zu verbergen, schien den edlen Grafen von Norindall, welchen unzählige Erinne­ rungen bestürmten, dennoch der Anblick der Waise zu verwirren. Er setzt ihr den Zweck seiner Reise auseinander, enthüllt ihr weitläuftig die umgreifende Verschwörung, deren Beweise in den Händen des Herzogs von Lothrin­ gen sind, und endigt seine Erzählung in diesen Worten: — „Der Fürst von Palzo, als Oberhaupt der Verschwornen, ist mit Ketten belastet. Die Schweiherische Re­ gierung hat seine Verhaftung in ihren Staaten erlaubt. Zn Nancy wird Palzo von einem Kriegsgericht gerichtet werden. Ein entehrender Tod wartet seiner: seine Mitschuldigen in Lothringen sind gleichfalls in diesem Augenblick ergriffen; und die Strafe ihres Oberhauptes wird den Empö­ rern zur Warnung bienen.“ —

—> „Edler Ritterl

sagt Siebte,

aber

wer konnte eurem Herrn Paljv's Anschlag entdecken?"

— „Wer!

antwortet

Der

Eckbert:

Einsiedler."

— „Und

wie hat er selbst die Ver­

schwörung entdeckt?

wie vermochte

er sie

dem Herzog von Lothringen mitzutheilen?" — „Ach! die Mittel sind gleichgültig,

wodurch er das Verbrechen vereitelte! -------Es ist ihm gelungen, das ist genug. Mann

Der

vom Wildberge ist geboren,

Welt in Verwunderung zu setzen.

die

Selbst

heute noch dürfte er nur ein Wort ausspre­ chen, und dieses einzige Wort könnte Euro«

pa's Schicksal umwandeln.

Er steige von

seinem Berg hernieder, und der überraschte

Erdkreis wird ihn staunend empfangen."

„Ihn!

fällt die Waise ein; o Himmel

erklärt euch näher!"

Ohne etwas auf diese Worte zu erwie­ dern,

betrachtete

Eckbert

die prachtvollen

Geschenke, welche noch tut großen Kloster-

saal ausgestellt waren, und sagte mit einem tiefen Seufzer: „An diesem nemlichen Morgen sollte euch Palzo zum Altar führ reit. Der Unglückliche! wie beklage ich ihn!" Dann fuhr er, einen Schleier von un­ schätzbarer Arbeit aufhebend, über dem ein Blumenkranz befestigt war, mit Bitter­ keit fort: „Nie wird meine Hand den Myrtenkranz in die Locken einer Braut flechte»! Der glühende Hauch des Unglücks hat für mich die hochzeitlichen Fackeln ausgelöscht, wie er die Kränze der Liebe vertrocknete." „Und die Schwester des Herzogs von Lothringen?" fragte die Waise mit schüch­ terner Stimmet „Wie hätte dieses Herz, nachdem eeuch geliebt, fiel Eckbert mit Leidenschaft ein, noch für eine Andere schlagen können! — Ersetzt der frostige Ehrgeitz glühende Liebe? Ich Habe zu den Füßen meines Herrschermeine ganze Seele enthüllt. Er verzieh

meine Weigerung, Herzogs

und die Schwester des

von Lothringen ist jetzt die glück­

liche Gemahlin eines deutschen Fürsten.

Dis in die tiefste Seele bewegt, fürch­ tete Elodie dem rührenden Blick des edlen

Kriegers zu begegnen. —

„Graf von No-

rindall, sprach fie, ich bin euch heute mehr

als mein Leben schuldig, euer Beistand"... — „Ihr seid mir nichts schuldig, unter­

brach sie Eckbert mit Lebhaftigkeit; ihr ver­ dankt alles dem Einsiedler." — „Großmüthiger

schmäht meinen Dank!" Grausame!

habt ihr

ihr

ver­

„Und

ihr

Mann! —

nicht

meine

Liebe

zurückgewiesen!"

Dann, das Gespräch verändernd, wagte

von Unterlachen

die Jungfrau

über die Gräfin Zmberg.

ein Wort

Renes Befehlen

gemäß soll Palzo's Freundin nach Nancy geführt und dort verhört werden. vertheidigte

mit Wärme;

die

Sache ihrer

Elodie

Beschützerin

und der Graf von Norindatt

gelobte ihr seine mächtige Fürsprache bet dem Herzog von Lothringen. Morgen schon muß Eckbert dieSchweitz verlassen: soll die Waise im Kloster zurück­ bleiben, während ihre Gegenwart und Vor­ bitten vielleicht in Nancy etwas zur Ret­ tung der Gräfin beitragen können? — Soll sie diejenige im Unglück verlassen, welche zur Zeit ihres Glückes Mutterstelle bei ihr vertreten wollte? — Nein, die Ehre gebietet, mit Hingebung ihr jetzt bei­ zustehen. Aber achl sie muß sich von dem Einsiedler entfernen; von ihrem Beschützer trennen! Kann sie ihn fliehen, an den in gewisser Hinsicht ihr Schicksal gekettet ist? Welche gewaltsame Kämpfe spalten ihr Herz! Welche schreckliche Qualen zerreißen ihre Seele ! Die Pflicht siegt endlich über die Liebe: es ist beschlossen; Elodie wird die Beschütze­ rin nicht verlassen, welche Herstall für sie gewählt, so lange Gefahren und Wider­ wärtigkeiten ihrem Leben drohen; aber

wenn die Gräfin wieder fret und glücklich ist, wird Helvetiens sanfte Tochter zurück­

kehren,

um ihre Tage im Kloster von Un­

terlachen zu beschließen.

Von Elodiens letztem Entschluß unter­

richtet, dachte der Graf von Norindall mit

geheimer Freude daran,

daß er ihr Führer,

und lange nicht

ihr Vertheidiger werden,

von ihr getrennt werden sollte.

Als die

Waise

zurückgekehrt war,

zu

Palzo's

Freundin

wiederholte sie ihr Eck­

berts Versprechungen, und theilte ihr den

eben gefaßten Plan mit,

die Abtei augen­

blicklich zu verlassen; worauf die Dankbar­

Gräfin in laute Aeußerungen der

keit der

Freude ausbrach.

Eintritt ins Kloster ist nun den

Der

Bewohnern des Thales nicht mehr versagt,

Vater Anselmus befindet sich

und

wieder bei seiner jungen zückt,

Freundin.

endlich

Ent­

sie jeder Gefahr entrissen zu sehen,

sprach der bejahrte Priester zu ihr:

„Wer

hat euch

den»

durch

die Ent-

6o deckung dkr Verschwörung auS eurer gräßli­

chen Gefangenschaft zu erlösen vermocht?" —

„Der Wohlthäter unserer Thäler, der Ein­

siedler." — „Wieder der Einsiedler!"

rief An-

selmus mit bekümmertem Gesichte. — „Elodie! fuhr er lebhaft fort,

habt

ihr den Bewohner des Wildberges seit der

Ankunft

verräkhertschen

des

Palzo's

in

unserer Gegend wiedergesehen?"

—• „Za," antwortete erröthend die frei­ müthige Zungfrau.

— „Wer rief ihn hieher?"— „Elodie."

— „Um

euch

zu

vertheidigen?"



„Um mich zu retten." Anselmus

schwieg

dann fuhr er fort, sam

betrachtete:

Augenblick;

indem er sie aufmerk­

„Meine

wortet mir aufrichtig,

von

einen

siedler

je

diese,

mit strengem Ton

Liebe

Tochter,

ant­

hat euch der Ein­

gesprochen?"

Auf

an sie gerichtete

Frage erwiedert« Elodie, den Blick zärtlich

61

-----------sanft

und

zu

AnftlmuS

erhebend



Sollte es ihm verboten seyn zu lieben?"

Anselm

fühlte

diese Antwort kann

lassen,

felhaft

lebhaft

sich

bewegt;

nicht mehr zwei­

ihn

„Allmächtiger!

sagte

der

Priester, dein Wille geschehe!" Die Jungfrau von Unterlachen kündigte

ihren gefaßten Entschluß

dann dem Greis

die Gräfin Zmberg nach Nancy zu

an,

sie bei ihren Richtern zu ver­

begleiten,

theidigen, und dann nach Helvetien zurück­ Obschon der Pfarrer von Unter­

zukehren.

in

lachen

seinem

Innern

Elodiens

großmüthigen

seinen

nur

trennte

sie

einige Zeit,

ein

Beifall diese

so konnte er

Gesinnungen

schenken.

Ritter

könnte vielleicht

des

den

doch

Ueberdteß

wenigstens

Reise,

von dem Einsiedler.

mächtiger

Hofes

strafbare

die

Freundin Palzo's verdammt,

für

Irgend

Lothringischen Unbekannten

deS Berges aus ihrer Erinnerung verdrän­ gen!

Vielleicht

ruft der Himmel

Saint

Maurs Tochter nach Nancy, um dort ihre

Zukunft zu bestimmen. Anselm billigt ihre Abreise und nimmt zärtlich Abschied von ihr. Während ihrer Rriseanstalten hatte sich Elodiens Muth aufrecht erhalten, aber im Augenblick des Scheidens aus der Abtei, schien er sie verlassen zu wollen. „Geliebles Thal! ruft sie aus; von dir soll ich mich trennen? Wo werde ich Verlassene, gleich einer, ihrem mütterlichen Felsen ent« rissenen Pflanze, von den Stürmen dahin getrieben, bleich und verwelkt niederfinken! Zhre Augen sind gegen die Berge des Murter« See's gekehrt: ein schmerzlicher Seufzer verräth ihre geheimen Qualen. Wenn- sie wenigstens Denjenigen, der allein ihr Herz beschäftigt, von der Veranlassung ihrer augenblicklichen Abwesenheit hätt» unterrichten können. — Aber, wem sollte sie eine solche Bot« schäft anvertrauen! Wer hätte es in Unter­ lache» auf sich genommen! Kein Land»

mann aus der Gegend wagt ja, sich dem Einsiedler zu nahen. Seinen Verhaltungsbefehlen gemäß, um

jeden Aufstand

von

zu vermeiden,

durfte

Seiten

der Empörer

Eckbert mit seinem

den Canton von Murten nur

Gefangenen

mitten in der Nacht durchziehen. der Gräfin

auf einem

Maulthtere sitzend,

Die

Thal.

Gleich

angeschirrten

reich

ritt Clodie durch da-

welche

Dorfbewohner,

Abreise vernommen hatten,

ihre

drängten sich

jetzt, obschon durch ihr Versprechen einer baldigen Rückkehr beruhigt, um

Thränen entfließen ihren Augen,

sie

her;

und ihr

stummes Lebewohl zerreißt Elodiens Seele.

Die untergehende Sonne beleuchtete die Ebene nicht Gipfel

der

mehr;

Berge

aber

die

schimmerten

schneeigten noch

im

Licht und schienen mit einem Purpurmantek bekleidet.

Die Luft war mild und heiter;

der Weiler lag friedlich vor ihnen, und die

gelb- und röthlichten Tinten des Herbstes fchatlirten

das

Grün

der

Wälder;

die

schüchterne Gemse zeigte sich von Zeit z« Zeit auf den einsamen Felsenklippen; der Lämmergeier schwebte langsam über den Wolken; und der Strom rollte seine klaren Wellen dahin. Nie war die Natur der Waise so schön erschienen, nie hatte ihr der Anblick des Thals reihender gedünkt. Ach! so ist das menschliche Herz: oft fühlt eS den Werth dessen, was es besitzt, erst recht in dem Augenblick des Verlustes; bestimmt mehr zu beklagen al« zu genießen, weiß eS dann erst zu schätzen was sein war, wann es ihm entrissen wird und es dadurch lei, bet. Sehen denn die Augen des Menschen erst dann klar, wenn sie weinen?-----Schon verlieren sich die grauen Mau« ern des Klosters in der Ferne. Sein» hohen, von dem nächtlichen Vogel bewohn, tcn und mit Epheu - Ranken überzogenen Thürme ragen schweigend in die Lüft« empor. Die Winde pfeifen durch ihr« Ritze«. Kein menschlicher Fußtritt wieder, hallt mehr auf ihren Zinnen, die nur «och

mit.den Wolken in Berührung zu stehen scheinen. Noch als Ehrfurcht gebietende Ruinen scheinen sie dem Wanderer ein trauriges Lebewohl zuzuwinken, der weni­ ger glücklich wie sie, die Verwüstungen vorher sieht, die Zeiten berechnet, und die Sense kennt, welche ihn niederwirft. Don Wachen umgeben und mit Kelten belastet, ging der Fürst von Palzo vor dem Zuge her. Langsam zogen die Schaaren des Grafen von Norindall zwischen zwei steilen Felsen hindurch, als plötzlich Saint Maurs Tochter durch einen fast magischen, unweit von ihr ausgesprochenen Namen, aus ihren tiefen Gedanken geweckt ward. Mächtig hat dieses Wort ihre ganz« Auf­ merksamkeit erregt! Es ist bis in ihr tiefstes Herz gedrungen! Welch ein Wort war das? — Der Name des Wildberges. — Rings um Elodien stellten sich von allen Seiten hohe Berge, Vesten der Natur dar, deren ausgedehnte Wälle die weißliII.

chen Zinnen bis in die Wolken emportragrn.

Als ewige Eispaläste,

wo sich die Lawinen

diese kühnen Spitzen,

bilden, zeigen

wie

weit sich, die Erde dem Himmel zu nähern vermag.

den

Zhr riesenmäßiger Anblick erhebt

diesen König der

Menschen,

Natur,

dessen Geist so sehr die Höhen des Erdballs überragt, als seine Seele die Wunder der

Schöpfung.

Nun ist Elodie am Fuß des gefürchteten Berges.

Eckbert und einige Ritter umge­

ben sie.

Ihre Augen heften sich ununter­

brochen

auf den

geheimnißvollen

ihr Herz pocht ungestüm. überzeugt, daß

derjenige,

Wald;

Die Waise ist welcher in

die

verborgensten

Gedanken

Höfe dringt,

die Vorbereitungen zu ihrer

der

Fürsten

und

Reise gesehen, und ihre Pläne zur Rückkehr

kennt.

Ohne Zweifel wußte der Einsiedler

die Stunde, wann sie durch

Schluchten ziehen würden;

diese wilden

er ist vermuth­

lich hier; er wird einen letzten Blick auf sie

werfen wollen.

Ach! warum kann sie die­

sem Blick nicht begegnen! Auf dem Abhang des

Berges,

durch

Fichten und Klippen hindurch,

wurde Elo-

wilde

Ansiedelung

dunkel

die ganz

gewahr.

eine

Ze länger

sie hinblickte,

mehr fesselten die Gegenstände,

zu unterscheiden strebte,

desto

welche sie

ihre Aufmerksam­

keit. Von einer ungeheuern Granit-Masse son­

dert sich ein rohes Gebäudeab, Baumstämme bilden dessen Wände, Schilfrohr sein Dach.

Neben dieser seltsamen, ästen

halb von Baum­

verschleierten Wohnung,

eine Art

kriegerischer

Trophäe.

erhebt sich Ein an

dieser Waffenpyramide aufgehängtes

Wap­

penschild spiegelte den letzten Tagesschimmer

zurück.

Aber wer

beschreibt Elodiens Er­

staunen, als Eckbert bei diesem Anblick sei­ nen Gefährten ein Zeichen giebt, und sich plötzlich beim Wirbeln der Trommel demü­

thig alle Häupter

beugen und die Lanzen

sich ehrfurchtsvoll vor der wilden Hütte des

Einsiedlers senken.

Nach vollendetem Waffengruß verfolgte Neues Freund seinen Weg weiter, ohne daS Erstaunen der Waise bemerken zu wollen. Was konnte diese auffallende, dem Bewoh­ ner des Wildberges dargebrachte Huldigung bedeuten? Vor der bloßen Rüstung des Einsiedlers hat sich der Graf von Norinball niedergeworfen! — — Wie ist dirs Geheimniß zu erklären! Eckberts Schaaren beschleunigten ihren Marsch. Schon haben sie di« engen Pässe des Wildberges hinter sich, und ziehen längs des Murter-See'S hin. Die Nacht «ar eingebrochen, als sie zur Schreckfpitze gelangten, und hier war eS — wo die gräßlichste Gefahr ihrer wartete. Die Aufwiegler hatten Palzo's Gefangennehmung erfahren. Eckberts Abreise, die Straße, welche er einschlagen will, der Augenblick seines Vorüberziehens, alles wurde ihnen verrathen, und die Anführer der Empörer beschlossen den Fürsten zu ret­ ten; unweit der Schreckspihe warten ihre

lauernden Bergschühen auf Renes Freund,

seine Schaaren zu

um »»vermuthet

fallen,

sie in die Flucht zu schlagen,

über­ und

den Gefangenen zu befreien.

Nur selten entfernte sich der Graf von

von Elodien.

Norindall

Aufmerksam auf

jede ihrer Bewegungen, möchte er sie gern mit aller Stärke seiner Seele,

Kräften

seines

Lebens

mit allen

umringen.

Alles

beunruhigt ihn für sie, die Bitterkeit ihres Schmerzes

sich zum erstenmal von diesem

geliebten Lande zu entfernen, die Beschwer­

lichkeiten der Reise, die feuchte Nachtluft, und sogar das Gebrause des Waldes.

Sich nach einem

langen Stillschweigen

zu Eckbert wendend, sagte endlich die Grä­ fin:

„Wie heißt dieser steile Felsen, wel­

cher

mit

dem

Höllenschlund

scheint.

röthlicher Farbe überzogen,

Sein

senschatten

ein

Bruchstück

weit hin geworfener Rie­

nimmt

Gespenst aus...

entrissenes

sich wie ein drohendes

Horcht!

sollte

es

der

Wind seyn, dessen Trauertöne ich durch die

Felsenspalten ausstoßen höre? —

wo sind wir?

Ritter,

Selbst die Luft ist hier mit

Grausen angefüllt....

Graf von Norin-

ball, wo führt ihr uns hin?"

Ihre Stimme bebte und auf ihren Zü­ gen malte sich das Entsetzen. —

„Dieser

Felsen ist die Schreckspitze, antwortete Eck­

der Aberglaube des Volkes hat seine

bert:

Nähe furchtbar gemacht.

die Mönche

Hier war es, wo

den

Unterlachen unter

von

Streichen einer barbarischen Horde fielen. Hier ist es,

nach

wo

den

Sagen

der

Landleute, das blutige Gespenst.... — „Eckbert,

fiel

ihm die geängstigte

entfernen wir uns von

Waise ins Wort: hier."

Kaum hatte die Jungfrau von Unter­ lachen diese Worte geendigt,

als aus der

Tiefe des Waldes ein durchdringendes Ge­ schrei erscholl.

Eine Wolke von Pfeilen

rauscht durch die Luft;

die Felsen starren

von Spiesen und bewaffnetem Volke; die

aufrührerischen

Bergbewohner

und haben

Eckberts Schaaren von allen Seiten ringe»

schlossen.

Nun entspinnt sich bet der Schreckspitze ein furchtbarer Kampf.

Palzo'S

sinken in ihrem Blute nieder.

Wächter

Die Fes­

seln des Fürsten sind gesprengt, und schon mit einem fun­

ficht der Rebellen-Oberst

kelnden Schwerte bewaffnet, an der Spitze

seiner Befreier.

Eckbert läßt seine Stimme ertönen, er ermuthigt seine

Entsetzen ergriffenen

von

Krieger, versammelt seine zerstreuten Schaa-

ren, und

die Angreifenden erbleichen vor

seiner verwegenen Kühnheit. —

gefährlichsten

Posten,

im

An den

fürchterlichsten

Gedränge, erhebt sich sein Helmbusch stolz

wie die Oriflamme des Sieges.

Die Nacht

dehnte ihren Trauerflor über die Kämpfen­

den aus.

Gegen die Schreckspitze gekehrt,

auf den Knieen liegend,

liche

Waise

ihre

Himmel empor. lassen ,

denn

hebt die unglück­

flehenden

Hände

zum

Die Gräfin hatte sie ver­

ihre

Maulthier

antreibend

ryar fit sogleich unter

pörer geflüchtet.

tödtliche Pfeil

der

gezischt.

das Panier der Em­

Einige

Wie ein

vor

Mal

schon hat

Elodiens

Ohre

undurchdringlicher Wall

vertheidigt Eckbert den Zugqng zur Schreck­ spitze,

und kämpft wie ein blutender Löwe

mit der Wuth der Verzweiflung. Indessen hatte die Tapferkeit über di«

Mehrzahl

die Unordnung ist

gesiegt:

in

djv Reihen der Empörer,

und ihre Todten

bedecken den Kampfplatz.

Der Fürst von

Palzo

sucht

die

Tochter

Saint

MaurS.

Wenn er Eckberts Schaaren nicht zu ver­ tilgen

vermag,,

so

will er, ehe

er

mit

seinen Gebirgsländern entflieht, wenigstens

derjenigen, dieer anbetet, sich bemächtigen. Er

wird sie am Fuß des berüchtigten Felsens gewahr, dringt auf sein Opfer ein, und ist im

Begriff es zu

erfassen,

als sich

der

Graf von Norindall dazwischen stürzt. Die beiden durch die Rache bewaffneten

Krieger,

die unversöhnlichen Nebenbuhler,

schlagen sich mit aller Gewalt deS Hasses,

allem

ihrer Wuth;

Ungestüm

überzieht

ihre

unbezwinglich.

durchdringt

beide scheinen

Rüstungen:

Da,

ein

Blut

ihr

o der Verzweiflung!

von

Dergschühen

einem

abgeschossener Pfeil Eckberts Harnisch und bleibt in seiner Seite stecken. Der tapfere Graf von Norindall will

Unglücks-Speer herausreißen,

aber

das Eisen zerbricht in seiner Wunde.

Eck­

diesen

bert

fühlt

seine

Kraft dahin

aber dennoch kämpft er fort. die Stärke der Macht

ist

Seele, und

eine

von

den

schwinden;

Ihm bleibt

diese

geistige

freie

Sinnen

Kraft, ein unabhängiges Leben, welches alle

Hindernisse der erschöpften Natur überwin­ det,

und

die Vernichtung

wie

ein

neuer

Schöpfungshauch beseelt.

Die

Jungfrau

von

ein Angsigeschrei aus,

Unterlachen und

nie

ließ

stößt die

Verzweiflung einen schmerzlichern Ruf ertö­ nen; sie hatte ja Eckberten wanken gesehen:

ach k für sie gab es kein Heil mehr, denn der Fürst von Palzo siegt.

Zn diesem Augenblick wird ein entsetz­ liches Krachen auf der Schreckspihe hörbar,

und eine leuchtende Flamme erhebt sich auf

dem Felsen.

Der ganze Wald wird durch

das rothe, glühende Feuer erhellt,

welches

ein dichter Dampf einhüllt: die Erde bebt.

Eine schwarze Rauchsäule wirbelt sich zum Himmel empor, und ein Pestgeruch verbrei­

tet sich aus dieser höllischen Wolke, woraus eine drohende und übernatürliche Stimme

sich

vernehmen

sich,

Die

läßt.

Wolke

öffnet

und wie auf einem Flammenwagen,

wie aus der Mitte eines Meteors erscheint

das blutige Gespenst.

Welches Geschrei erhebt sich unter den Gebirgsbewohnern!--------- Der Schrecken

ist aufs höchste gestiegen. ben sich

auf ihrer

Die Haare sträu­

Stirne.

Die Einen,

von Grauen und Entsetzen ergriffen, ben

regungslos

und

versteinert;

blei­

Ander«

und laufen

sind gegen den Wald geflohen,

in

tiefe finstere Hölen, um ihr bestürztes

Angesicht zu verbergen;

meisten

die

aber

fallen auf die Kniee nieder, und lassen sich

von ihren Siegern geduldig fesseln.

Alle

flehen um den Tod; alle sind jeden Augen­ gewärtig,

blick

daß

sich

aufthue, sie zu verschlingen.

ein

Abgrund

Eckberts Sol­

daten haben keinen Feind mehr zu bekäm­ pfen. von Palzo

Fürst

Der

Erscheinung. mit

einem

und

das

betrachtet

die

Es ist ein ungeheurer Riese angethan,

Scharlach-Gewand Blut

scheint sogar

aus

dichten Haaren herab' zu träufeln.

seinen Mitten

in dem Schwefeldampf, welcher es umgiebt,

erhebt sich der Dogen des Fürsten der Fin­ sterniß wie eine schwarze Schlange in sei­ nen Flammenhänden;

Todes

ist

im

und der Pfeil des

Begriff davon

Das funkelnde hier und

abzufliegen.

dorthin

rollende

Auge des Gespenstes scheint die Gegenstände

zu verschlingen, welche eS betrachten wollte.

Sein Blick gleicht dem Blitz eines feuer­

speienden Berges,

des

saunenton

seine Stimme dem Po­ Gerichtes.

jüngsten

erschreckte Natur verstummt; das des Waldes schweigt;

die Luft bebt dumpf

Wer gebeut hier? —

fort.

Himmel?

ist es die Hölle?

widersteht

der

Streichen,

Graf von

womit

Die

Brausen

ihn

es

ist

der

Zmmer noch

Norindall

Palzo

den

überhäuft.

Die Waise hebt ihre irren Blicke zu ihnen

empor.

Sie

siehet,

der

daß

Rebellen-

Oberst plötzlich aufhört auf seinen Gegner «inzudringen; der

Stahl

daß sein Haupt niedersinkt, seiner

Hand

stürzt entseelt der Fürst

entfällt.

zur

Jetzt

Erde nieder.

Dem Dogen des blutigen Gespenstes der Todespfeil entronnen,

war

und Palzo

ist

nicht mehr.

Die Jungfrau den

heftigen

nacheinander

von

Unterlachen

erlag

Erschütterungen,

welche

getroffen.

Graf

Der

sie von

----------

77

Norindall ist gerettet, und Elodie dankt dem Himmel. Nun richtet sie einen letzten Blick zu der fürchterlichen Erscheinung der Schreckspitze empor, aber in diesem Augen­ blick sieht sie das blutige Gespenst gegen sie herabkommen, und sinkt ohnmächtig nieder.

Buch.

Zehntes

Die Schatten der Nacht sind verscheucht. Feucht vom Morgenthau, Lüften bewegt,

und von leichten

schüttelten die Bäume des

Waldes ihre dunklen Wipfel.

Der letzte

Sommer-Monat war entflohen, und schon

verloren sich

verwelkte Blätter

mütterlichen Aesten.

Strahl

der

von ihren

Schön wie der goldne

scheidenden

Sonne

schmückte

die Natur noch Hain und Hügel mit ihren

tausend Farben. derkehr

Entzückend ist

Blumenzeit,

der

aber

die Wie­

rührender

noch der Abschied der schönen Tage.

Herstalls Nichte kam ins Leben zurück,

aber

verwirrter

ihr

Sinn

vermochte

die

Schatten noch nicht zu durchdringen, welche

sie umgeben.

ob sie, ben ,

Indessen scheint es ihr als

von einem Wirbelwind fortgetrie­ die

Luft

mit

Schnelligkeit

durch-

Matt öffnet sich ihr Auge; zwar

schneide.

sie

unterscheidet

noch

feinen

Gegenstand,

aber es ist dennoch fein Traum. zarter

Vogel

Thales,

des

Wie ein

welchen

der

Berg-Adler erfaßt hat, fühlt sie sich durch eine

unbefannte Gewalt

rascher

Aufflug

durch

entführt,

deren

Hinderniß

sein

gehemmt wird.

Endlich erlangte Elodie den vollen Ge­ brauch ihrer Sinne wieder: die Erinnerung

erstand mit dem Leben.

Bei dem ersten

Schein des Tages wirft sie einen schüchternen

Blick auf den fremden Gegenstand, welcher

ihr mattes

Haupt stützt.

O

des Entsez-

zens!.... von einem rothen Mantel um­ hüllt,

dessen weite Falten sich

um sie her

sieht sie sich in den Armen des

schlagen,

blutigen Gespenstes.

Zm raschen Lauf stimmt es den Berg hinan,

und vertieft sich in den Wäldern. wie

zerstörendes

Meteor

durch die Schatten dahingleitend,

flieht es

Furchtbar,

ein

schnell zwischen Felsen und Abgründen weg.

Schweigend wie eine Erscheinung der Grä­

ber, scheint e- weder dem Leben noch dem Tode anzugehören.

Saint Maurs Tochter stöhnt laut auf

und ihre Augen schließen sich von Neuem „Elodiel Elodie!" —

mit Entsetzen. —

rief jetzt

eine

zärtlich

flehende

Stimme.

Und

o wie süß klang dieser wohlbekannte

Ton

in

ihrem

Herzen

Weniger

nach!

schnell erheben die ersten Gluthen des Ta­

ges eine

durch

die

Gewitter der

Nacht

gebeugte Blume wieder.

Ein Akkord der

himmlischen

hätte

Lobgesänge

Entzücken erregt.

minderes

Elodie öffnet ihr Auge

auf den Ruf der Liebe und des Schmerzes

wieder,

und

schon hat sich ihr Blick mit

den Blicken des Einsiedlers vermischt.

Sein Gang wurde langsamer:

er hält

sie in seinen Armen, er preßt sie an seinen

Dusen, und die Jungfrau von Unterlachen bleibt von Neuem regungslos; nicht

mehr

die Stille

aber es ist

der Empfindungs­

losigkeit, es ist die Ruhe eines bezaubernden

Traumes, und das Aufhüren der Bewegung

bei ihr ist nur die Furcht eines Erwachens.

Noch ist der Einstedler mit dem blutigen Gewand

Gespenstes

des

Gestalt

er angenommen

schreckt

die

Waise

bekleidet, hatte.

nicht

dessen

Aber

mehr.

eS

WaS

liegt an einer furchterregenden Tracht, wenn

unter der Hülle des Schrecklichen das Herz des Geliebten schlägt.

Die

schmeichelnde

Morgenluft

spielte

mit den blonden Haaren der Waise, welche

aufgelüst und zerstreut über ihre Schultern herab fielen: ihre wogenden Locken streiften

des

Einsiedlers

Lippen.

Er

steht

einen

Augenblick an... er scheut sich, die Schleier der Unschuld zu entweihen,

fernt er sie — aber

der

und sanft ent­

leichte

Morgen­

hauch weht sie ihm wieder zurück.

widersteht

der

Einsiedler

dem

Nun

glühenden

Verlangen, das er bekämpfte, nicht länger mehr; und sein Mund wagt auf die Rin­

gel der langen Haare ElodienS

den

zärt­

lichsten Kuß zu drücken.

II.

6

Süße clectrische Kraft der Liebe!

tveiiit er ihre Lippen berührt Hütte,

ihr ganzes Wesen den Kuß,

Elodie durch

welchen

Als

fühlte

ihre

verirrte

Locke

empfangen.

Blick, glänzender,

zärtli­

cher wie je, beängstigte die Waise.

Ohne

Des Einsiedlers

die Gefahr zu begreifen, empfindet sie deren

Annäherung.

Sie fühlte,

in den Armen

des Gebirgsjägers, eine unbekannte Flamme

durch ihre Adern rieseln.

Zhr Herz pocht

schneller; aber ungestümer noch klopft das

Herz

des

Geliebten.

Einsiedler

zusammen,

blick

zuckt der

Plötzlich

seine einen Augen­

ruhig abgemessenen Bewe­

zuvor so

gungen sind rasch und ungestüm geworden;

seine leidenschaftliche Stimme murmelt un­

verständliche Laute;

seine Stirn beugt sich

auf Elodiens

Stirne nieder;

vermischt sich,

ihre Blicke

und

der entzündete

breitet seine

verwirren sich,

Hauch der Liebe ver­

magische Betäubung

zwei mitten im Walde

Liebenden.

ihr Athem

In

um die

allein befindlichen

diesem Augenblick

macht

sich Saint Maurs Tochter aus den Armen des Einsiedlers los.

— „Ich kann gehen, sagt sie, ich kann

euch folgen;" und entfernt sich erschrocken von ihrem Befreier. Ohne zu

überlegen,

wohin

sie ihre

Schritte führten, ohne Vorsatz und ohne Zweck,

klimmte sie fortwährend den Berg

hinauf,

irrte sie im Schooß des Waldes

umher:

nichts hemmte ihren Lauf, nichts

zerstreute ihre Sinne.

Auf einmal stellt sich ihr eine WaffenTrophae dar;

Bäumen

unweit davon ist eine von

umgebene

Einsiedelei.

Elodie

erkannte das Wappenschild, welches Eckbert am Abend zuvor begrüßt hatte. —

„Wo

bin ich? sagte sie, sich gegen den Einsiedler kehrend, wohin führt ihr mich?" — „Ich

nur nachgefolgt," antwortete

bin euch ja

traurig der Jäger des Gebirges. —

bin ich?" —

„Wem gehört diese Wohnung ?“ —

Einsiedler.

„Wo

„Auf dem Wildberge." —

„Dem

Za, fuhr er fort, dies ist der

Felsen der Verbannung,

dies ist das ein­

welches der Unglückliche

zige Desitzthum,

Helvetiens seiner Lebensgefährtin zu bieten mit

Allein

hat.

seinen

Erinnerungen,

hier unter diesem Trauerbaum ruhend, auf dürres Haidekraut gelagert,

lebt er vom

Wasser des Stromes, von Wurzeln, wilden Früchten und einigen bittern Kräutern.

— „Elodie! — ist dies der

welchen

Unschuld

sollen!....

Ach!

und

Gemahl,

Schönheit wählen

er hat kein Vaterland,

trägt keinen Titel, ist jetzt namenlos, und hqt auch

bieten...

selbst

kein reines Herz mehr zu

Sanfte Taube von Unterlachenl

fliehet das Dach des Unglücks!

fliehet den

Bewohner des Wildberges!" — „Ach, antwortete die gerührte Waise,

ich habe nie die Unglücklichen geflohen." Ein bitteres

Lächeln klärte bei

diesen

Worten die finstere Laune des Einsiedlers zur Hälfte auf.

Er näherte sich der Waf­

fen - Pyramide, und auf den Schild zeigend, worauf fürstliche Wappen glänzen:

—-

„Zch war nicht immer was ich jetzt bin, nahm er wieder das Wort; eS gab eine Zeit, wo der Ruf meines Namens in ganz Europa wiederhallte« Ach! dies Schild ist alles; was mir von meinen vergangenen Siegen blieb. Dann Elodiens Hand ergreifend; Sprich! setzt er heftig hinzu: sprich! haben Schätze, Ruhm, Größe, einigen Reitz für dich?... Zch kann sie dir noch bieten. Ich habe nur ein Wort zu sagen, und mein Geschick wird erstaunenswürdiger als je.... Dieses Wort... ich würde es mit Entsetzen aus­ sprechen , doch das gilt gleich!... schalte mit meinem ganzen Leben." „Ich habe irdische Größe immer ver­ schmäht, antwortete die Waise. Dann nach augenblicklichem Stillschweigen: — Laßt uns jetzt die Einsiedelei besehen." Dies sprechend richtete sie ihre Schritte gegen die kunstlose Wohnung. Sie betritt das wilde Obdach. „Zufluchtsort des Ein­ samen, so bist du denn gereinigt!" ruft der

86

---------------

glückliche GebirgS-Zäger in schwärmerischer Begeisterung aus; und zu Elodiens Füßen

sinkend fährt er mit leidenschaftlicher Stimme fort:

„Vollende!

nimm

die

Hütte der

Liebe an, sey die Gattin des Verbannten!" — „Wohlan!

spricht Elodie,

mir meinen Gemahl..—

nennet

„Zch, ich ihn

nennen!" fällt der Einsiedler ein;

und das

Entsetzen drückt sich auf seinen Zügen auS.

„Elodie! und wenn dieser Name, wie eine

unselige Entdeckung, mir euer Herz rauben würde!..." „Ach! Sprecht ihn ohne Furcht aus!"

antwortet das liebliche Mädchen. Sich nun den stürmischen Aufwallungen

seiner

Dankbarkeit

Einsiedler:

digt werden.

überlassend,

ruft

der

„Za, Geliebte, du sollst befrie­

Mein Name,

hungen, mein Schicksal,

meine Verge­

mein Leben, wer­

den dir morgen bekannt seyn;

ich will dir

meine ganze Seele offen darlegen, und dein

Urtheil erwarten. Aber im Namen des Himmels, verlasse

diesen Felsen nicht, fliehe nicht meine wilde Wohnung.

verwundete

Der

Eckbert

ist

ins Kloster gebracht worden, wo seine rohen

Schaaren befehlen. lebt nicht mehr;

Die

ihr,

Gräfin Jmberg

durch

die Flammen

der Schreckspitze erschrecktes Maulthier, hat

sie in den Strom gestürzt.

Laß mich also

von heute an auf Erden deine einzige Zu­ flucht seyn!

Ich schwöre es bei dem All­

Jungfrau von Unterlachen

mächtigen, die

hier wie ein himmlisches Wesen zu ehren. Dis zu dem Augenblick, wo der Altar un­ sere Schwüre empfangen hat,

wird meine

von Elodien bewohnte Einsiedelei ein Heiligthum für mich seyn,

welches meine Ge­

genwart nicht zu beflecken wagt,

und ich

werde mich dir nur wie jener Dundeslade nahen,

die

nie

eine

entheiligende

Hand

berühren durfte.

Beschäftigt, die Geschichte des Verbann­

ten zu entwerfen, welche dir morgen seinen

Namen entdecken soll, werde ich mich unter

den

Bäumen

des Waldes

fern

von

dir

aufhalten;

aber ich werde wenigstens noch

deine Stimme vernehmen können; und dein Hauch, dein Leben,

Etwas von dir wird

noch die Einsamkeit bezaubern,

worin ich

schreibe.«

Welches Feuer strahlte dabei auü seinen Augen!

Worten!...

lächelt

in seinen

Welche Zärtlichkeit lag Mit

Saint

thränenfeuchtem

Maurs Tochter

Auge

seinen

zu

begeisterten Aufwallungen; wie durch eine

ein

Gewitterwolke

Strahl

schöner

Tage

blickt.

fährt der Einsiedler fort, oft

„Elodie,

hätte ich mich deiner bemächtigen können, und immer habe ich dich frei gelassen; ich habe dich in meiner Gewalt gesehen,

dir gehorcht.

men hielt,

und

Als ich dich in meinen Ar­ fühlte ich den glühenden Trank

der Liebe meine Sinne und Vernunft ver­

wirren,

Ton

und

deiner

dennoch

siegte

Stimme

über

meines Wesens.

ein

den

einziger Aufruhr

Könntest du an

deiner

magischen Gewalt über den Bewohner des Wildberges zweifeln?

Ach!

warum

hat

er

die

himmlische

Zungfrau von Unterlachen nicht immer um sich gehabt,

um ihn

Tugend

erhalten!....

zu

auf

der

Dahn der

Noch

einige

Stunden und du wirst über mich gerichtet

haben!....

Von dem Gipfel der Macht

herabgestürzt, beklage ich keinen Verlust der Vergangenheit, als die schuldlosen Tage mei­

ner Zugend. O! antworte mir, angebeteteS

Mädchen, bleibst du in meiner Einsiedelei ?“— Seufzend schlägt Elodie die Augen nie­

der,

und lebhaft bewegt,

erschipft, antwortet sie:

von

Müdigkeit

„Ich vermag mich

kaum aufrecht zu erhalten, ich könnte nicht

weiter gehen/' Und auf einen, von geflochtenem Rohr

das Innere

der Hütte umgebenden Sitz,

sinkt sie bleich und zitternd nieder.

„Du vertraust dich mir also!

Einsiedler, barkeit.

ruft der

trunken von Freude und Dank­

O schönste Schöpfung des Him-

mels!

Du,

die ich

der

Erde entziehe!

wirst du unter der Hütte der Verbannung, von mir allein bewundert,

von mir allein

mit deinem Schicksal zufrieden

angebetet,

seyn? wird mein Herz deinem Leben genü­

gen ?Doch was

alle Gaben des

nicht schon

schmäht!

rede ich!

Hast du

Glückes

ver­

Wohl, was du an Reichthümern,

an Würden, an Macht verlierst, werde ich

dir an Liebe zu ersetzen wissen." So spricht er, und führt seine Geliebte unter ein Laubdach, wo ein einfaches Mahl

Die ganze Natur lächelt ihnen

bereitet ist.

zu: der Himmel deckt sie, wie ein strahlen­ des. Zelt,

mit seinen

azurnen Schleiern:

die Sänger des Haines feiern ihre Selig­ keit: die Luft haucht, gleich dem Geist der

Blumen und Früchte des Thales, Wohlgerüche um sie her,

aus:

liebliche die Wild-

niß ist voll Harmonie; und die schimmernd reine Morgenröthe verklärt dieses neue Pa­

radies. Indessen

hatte sich

der Einsiedler mit

von

Gewalt

schrieb den

der

losgerissen,

und

ganzen Tag hindurch an

den

Waise

seines Lebens.

unseligen Ereignissen

Stunden fließen schnell

Die

Schatten

dahin.

Elodie hat sich in das

folgt dem Lichte.

wo

Innere der Hütte eingeschlossen, bescheidenes Lager bereitet ist.

ihr

Der schöne

Jäger des Berges naht sich dem geheiligten Ort nicht, welchen die angebetete Jungfrau

ganze Nacht

und die

bewohnt;

an

der

wacht er

Thüre seiner Einsiedelei lehnend,

allein und setzt die begonnene Arbeit fort.

Mitternacht

mochte vorüber seyn,

als

Herstalls Nichte plötzlich durch ein dumpfes Gestöhne

Hütte

wurde.

erweckt

Unfern

der

scheint der Bewohner des Wildber­

wie

von

einem

erschreckt,

sich

dem gräßlichsten Wahnsinn

ges,

hinzugeben.

entsetzlichen Gesicht

Elodie glaubt, ihn sich auf dem

dürren Heidekraut auf die und

durch

erstickte Gottheit

unartikulirte

Klagen,

irgend

antworten

zu

werfen,

Kniee

Worte, einer

hören,

durch

rächenden die

vor

seinen Augen erschienen

ist, «m ihm fein

Endurtheil anzukündigen. — er

rief

„Gnade!...

herzzerreißender

mit

Stimme,

Gnade!" — und das Schweigen des Todt­ folgte dem Laut der Verzweiflung.

Wie lang dünkte Elodien diese Nacht!... Mit der Morgenröthe sah sie den geheim­

nißvollen Menschen

Schweigend

wieder.

und düster schien er durch ein übernatürli­

ches Ereigniß

zu

Boden

gedrückt.

gräulicher Gedanke beschäftigte ihn

Ein allein,

und wie ein zum Tode verdammtes Schlacht­

ging er

opfer

mit

tiefgesenktem

Haupte

einher. Sich

der

von

Einsiedelei

entfernend,

hatte er seine Arbeit wieder vorgenommen,

ohne daß Elodie gewagt hätte, ihn zu befra­

gen. die

Bei Sonnen - Untergang Geheimnisse

werden,

ihm

und

des

Einsiedlers

unruhig und

überläßt sich

ihr

enthüllt

getrennt von

die Tochter

den finstersten Ahnungen. hören müssen! —

sollen

der Abtei

Was wird sie

Was wird ihr Schicksal

Ach ! wie

seyn r

schrecklich

ist

nicht

die

Annäherung des Augenblicks, der über das ganze Leben entscheiden soll.

Endlich vergoldete die unter den Hori­ zont hinabgesunkene Sonne mit ihren ster­

benden Gluthen die Felsen Helvetiens. — „Sind dieses die letzten Strahlen des

Glückes sür mich!" sagte die Waise,

und

ihr Auge suchte den Einstedler. Er erscheint: sein Gesicht ist bleich und

entstellt, sein Blick finster und wild. Mantel

schwarzer

umwallt ihn.

spricht er mit rauhem

mir!"

Ein

„Folget

stürmischen

Und steigt rasch den Berg hinab.

Ton.

Schon ist er außer dem Walde; er hat seinen

furchtbaren Lauf gegen die Ebene von Mur­

gleich dem ersten Mörder,

ten genommen,

der

von

der

Verdammniß

aus

verfolgt

Abels Land floh.

Der Tag verschwand von den nächtli­

chen

Schatten

aus

de»

bedeckte

verscheucht.

Thälern

die Berge

Ein

aufgestiegener und

dichter, Nebel

verschleierte

die

Natur.

ihrem

Die Tochter schweigenden

des Klosters folgte

Führer

diese

durch

finstern Dünste hindurch; mit niedergeschla­ ähnele fie irgend

genen Augen wandelnd,

ein schreckliches Ereigniß. unfern des

der Einstedler

stehen.

Plötzlich bleibt Murten -See's

Der Wind trägt das bange Brau­

sen der Wogen, men Ufersand

die sich traurig am einsa­

brechen,

zu Elvdiens Ohr.

Sie blickt um sich — Gerechter Gott! befindet sich die Waise? — am

wo

Eingang

eines, von menschlichen Gebeinen gewölbten

Denkmals,

unter Säulen, von aufgeschich­

teten Gerippen gebildet, unter einem durch die

Rache derGrausamketterrichtetenSiegesbogen. — „Himmel! wo bin ich?" — fragt

die Jungfrau von Unterlachen. —

„Unter

dem Beinhaus von Murten, antwortet der

Mann vom Wildberge,

und ich bin Karl

der Kähne."

So spricht

er,

und

seinen schwarzen

Mantel von

sich werfend,

der Rüstung

des Eroberers bekleidet, der

erscheint

mit

---------------

9S

Einsiedler in der Mitte des weiten Grabes auf einem Thron

wie

gleicht unter den

von Leichen;

und

Katacomben des Verbre­

einem niedergeschmetterten Erzengel,

chens,

der vom Tempel des Ruhms in die Tiefe der Marterhöhle hinabgestürzt ist.

— „Karl der Kühne!" wiederholt die unglückliche Elodie

mit zerreißendem Ton.

Ihr, der blutdürstige Herzog von Burgund;

ihr der Mörder außer

sich

Vaters!"

meines

vor Entsetzen,

stützt

sich

Und, das

wankende Mädchen auf eine Säule des Todes. — „Ja, nimmt er wieder mit einer Art

von Raserei das Wort, ja, ich bin der Un­ versöhnliche Mann, war.

Herzog

von

Burgund,

der

welcher einst die Geissel Europa's

Der Himmel,

ja der Himmel selbst

hat mir befohlen, euch meinen Namen nur unter dieser

höllischen

Grotte,

von allen

Erinnerungen, allen Gräueln meines Lebens

umringt, zu entdecken.

In der vergange­

nen Nacht ist die Wolke des Rache-Engels auf mein schuldiges Haupt niedergestiegen;

die Stimme des Ewigen ist erschollen. Sie gebot... ich habe gehorchen müssen.... hier bin ich." Ein kalter Schweiß tränst von seiner blassen Stirn herab; sein Auge ist wild, sein Athemzug gehemmt, und seine Stimme kaum noch menschlich. — „Sprecht! fährt er fort, flucht mir, ohne Zweifel will es der Allmächtige, weil er diesen entsetzlichen Auftritt befahl, weil er von mir dieses beispiellose Opfer forderte. Meine Ankläger umringen mich... ich hire ihr Todesröcheln... Das menschliche Ge­ schlecht verstößt, der Himmel verwirft mich; Tochter Saint Maurs, fluchet mir, ich habe mein Schicksal verdient." Als er dieses gesagt hatte, stürzte der unglückliche Karl fast leblos unter dem entsetzlichen Grabmal zur Erde hin; und seine Stirn blieb auf dem Staub einge­ drückt, welcher auf der Asche seiner Opfer alterte.

„Karl!

rief Elodie außer sich,

Karl!

stehet auf.“ „Wer ruft mich!

sagte der Einsiedler,

mit dem Ausdruck des Wahnsinns auf sei­ nen Zügen.

Ist es die seufzende Stimme

meines erwürgten Volkes?...

Zst «S der

Abgrund, welcher den Tyrannen fordert?.. Ist es die gittiiche Gerechtigkeit,

die da-

Urtheil des Blutdürstigen ausfpricht.“ — „Nein,

ihre

die Waise,

sprach

Seelenstärke

welche

wiedergefunden

hatte:

der Himmel ist besänftigt.

Seine Gerech­

tigkeit hat gestraft,

Barmherzigkeit

feine

verzeiht.“ Der Bewohner

des Wildberges

erhob

bei diesen Worten fein tiefgefenktes Haupt wieder, und betrachtete Elodien mit Erstau­ nen;

noch

ist

die

feinem Angesichte; gestillt,

und

Geisteszerrüttung

aber

auf

feine Raserei

feinen» Augen

ist

eine

entfließt

Thräne. — „Wiederhole mir noch einmal, sprach er: der Himmel ist besänftigt, feine Barm-

II.

7

Herzigkeit

Worte

verzeiht:

hast

ausgesprochen?

du

nicht

diese

Rettender Engel!

Du Strahl der Hoffnung und des Heiles!

spreche

vollende deine göttliche Sendung,

mich im Namen des Ewigen los!" „Zur

ruft

Einsiedelei!"

Elodie

und

flieht gegen den Wald, findet den Fußpfad des Wildberges wieder, und sinkt,

zur

Wohnung

gelangt,

Einsiedlers

des

als sie

erschöpft in der Hütte nieder. Hier blieb die Waise einige Augenblicke

wie ihrer Sinne beraubt.

Da erschien der

unglückliche Karl von Burgund vor ihr: er näherte sich,

und

reichte ihr eine Hand­

schrift mit diesen Worten dar: —

„Hier

ist mein ganzes Leben, hier die Erzählung meiner Gewaltthaten. Tochter Saint MaurS! leset, und richtet.

Zch werde mich

euren

Blicken nicht mehr zeigen, als wenn ihr eS

befehlet.

Wenn

abgebüßt scheinen,

euch, meine

wenn

eurem Herzen spricht,

Verbrechen

das Mitleid zu

wenn die Unschuld

der Reue verzeiht, so richtet einige Worte

der Hoffnung an mich,

schriebene

in

und legt das Ge­

die Hölung des alten Wei­

denbaumes, unten am Fußpfad des Berges. Fern

von

euch

ich

werde

mein

Urtheil

erwarten." Seine Stimme war dumpf als er die­ ses sagte,

auf seinem Gesichte drückte sich

die Niedergeschlagenheit

aus.

der

Verzweiflung

Er sucht seine Leiden zu verbergen,

und wendet die Augen ab, um nicht Dieje­

nige zu seinen Gunsten zu erweichen, welche

er zur Richterin erwählt hat.

Elodie

versucht

ihm

zu

antworten,

aber die Kräfte mangeln ihr — und schon hat der Einsiedler die Hütte verlassen. Die Waise ist nun

unglücklichen

Ach!

Blätter

allein; sie hält die in

wie viele Thränen

ihren

Händen.

werden bei der

Durchlesung dieser Schrift vergossen werden!

IOO

Eilftes B u ch.

Karl VII. herrschte über Frankreich, und der Friede war endlich seinem unglücklichen,

so lange von gräßlichen Kriegen verwüsteten und so wunderbar von

einer einfachen

Schäferin *) geretteten Reiche wieder gege­

ben worden.

Den heftigen Stürmen folg­

ten heitere Tage; und durch ganz Europa

ließ

die Ermüdung

der Krieger

und die

Erschöpfung der Schatzkammern den

Völ­

ker» eine lange Ruhe hoffen. Karls VII. Sohn, damals noch Dau­

phin, und

später

Ludwig XI,

angeklagt,

die schöne Agnes Svrel vergiftet, und seine

erste Gemahlin Margarethe von Schottland

durch schmerzliche Kränkungen gemordet zu haben, hatte, ungeduldig nach der Regierung

*) Die Jungfrau von Orleans.

IOI

strebend,

therei

zum zweiten

gegen

seinen

Mal

Vater

eine

Sein Anschlag wurde indeß vereitelt. und mit Verbrechen belastet,

tete

sich Ludwig

zu

Philipp bat

Zung,

verbannt und

durch die väterliche Rache verfolgt,

von Burgund, und

Verrä-

angesponnen.

flüch­

dem Guten

um Zuflucht an

seinem Hofe. Philipp haßte Karln VII.; die Ermor­

dung

seines

Vaters,

hann's ohne Furcht,

des berühmten Zoauf der Brücke von

Montereau, in Gegenwart des jungen Mo­

narchen verübt, länglich gerächt.

schien ihm noch nicht hin­

Er empfing

den Flücht­

ling mit allen, einem vermeintlichen Erben

der französischen Krone zukommenden Eh­ renbezeugungen ;

es

wurde dem Dauphin

ein prächtiger Pallast eingeräumt, und glän­

zende Feste gegeben.

Zch trat damals in

den Frühling meines Lebens ein;

der fran­

zösische arglistige, und verstellungsreiche Prinz trug das Gepräge der Tugend und

Auf­

richtigkeit auf seiner Stirne, und verstand

bald,

sich in meinen

Augen von all den deren ihn sein

Verbrechen zu rechtfertigen,

Vater beschuldigte.

menschliches

schien

Karl

und

Ungeheuer,

phin ein edles Opfer.

mir der

Ludwig trug

ein

Dau­

mir

seine Freundschaft in den rührendsten Aus­ drücken, mit aller Offenheit der Jugend an;

und mein Herz

neigte sich

zu dem seinigen.

und

mit Entzücken

Leichtgläubig,

leidenschaftlich

war ich

glühend

damals

weit

entfernt zu denken, daß die Zuneigung der Fürsten einem dürren Blatte gleicht, welches der Wind aufs Ohngefähr,

bald auf den

Berg, bald in den Sumpf trägt.

Seine» Sohn zurückfordernd, den ihm

Philipp

verweigerte,

schien

Karl

VII.

einen Augenblick Burgund zu bedrohen. — „Er bewaffne ganz Frankreich, rief ich bei dieser Nachricht,

indem

mein Schwert schlug;

ich ungestüm auf so lange der Graf

von Charolais dieses Eisen aus der Scheide

zu ziehen vermag,

soll kein Trabant Karls

sich Ludwigen nahen."

los Der Dauphin lächelte zu meiner Hef­

tigkeit;

die

und

Detheuerungen

seiner

Dankbarkeit flößten meiner Seele neue Be­

geisterung ein. Beschützer,

Zch war stolz darauf,

der Freund eines Sohnes von

Frankreich zu seyn; Innern

der

betrachtete

aber ach!

in seinem

Ludwig mich,

feinen

Beschützer, nur wie ein Werkzeug, und den

Freund wie einen Diener.

Von allen Großen des Hofes war Graf von Saint Maur derjenige,

der

welchen

ich zu meinem einzigen Vertrauten erwählt

hatte.

Er hatte als berühmter Kriegsheld

meine ersten Schritte in

der kriegerischen

Laufbahn geleitet; er war der Gefährte aller meiner ernsteren Beschäftigungen so wie der

Theilnehmer meines Vergnügens, und hatte als tiefer Beobachter und strenger Richter

das Herz des Dauphins ergründet. „Graf von Charolais!

Tages,

erlaubt mir,

Zärtlichkeit,

welche

sprach er eines

die außerordentliche ihr

Karls VII. hegt, zu tadeln.

für

den

Sohn

Eure Gefühle,

die nicht erwiedert sind,

könnten

werden.

Lebens

glück eures

des künstlichen Schleiers,

das Un­

Ohngeachtet

unter dem sich

der Dauphin verbirgt,

habe ich die Treu­

losigkeit ausgefunden,

worin

ihr Freund­

schaft zu sehen wähnt."

aber durch

So sprach er,

eine solche

Rede beleidigt, vermied ich von diesem Tag

an den Grafen von

verlor

Maur.

Saint

mein Vertrauen;

Er

ich opferte dem

falschen und unredlichen Prinzen

den auf­

richtigen, ergebenen Mann auf. Der

Freiherr

von

Herstall

stellte

in

jener Zeit seine Tochter Zrena, welche eine

entfernte Arovtlle,

Verwandte,

die

Herzogin

von

sterbend zu ihrer Erbin ernannt

hatte, an Philipps Hofe vor.

Nie hatte

sich eine glänzendere Schönheit in Burgund gezeigt.

Zrena wurde der Stoff aller Un­

terhaltungen, der Gegenstand aller Blicke. Ein Schwarm

von

Anbetern drängte sich

um die Erbin von Aroville, den strahlen­

den Abgott

des

Hofes.

Zch theilte die

los allgemeine Begeisterung;

Elodie hatte sich

mir noch nicht dargestcllt, Irena schien mir

das

Meisterstück des

Himmels;

und

ich

nahm meine Bewunderung für Liebe. Da starb Karl VII, und der Argwohn

fiel auf den Dauphin, seinen Vater vergif­ tet zu haben. Ludwig wurde König.

Freundschaft htngegeben,

der

Ganz

entfernte ich

mich von Irenen, verließ Burgund,

und

eilte im Gefolge des neuen Herrschers nach Frankreich.

Ludwig

überhäufte

mich

an

Hofe mit kostbaren Geschenken; waren die Gaben eines Herrschers, Vasallen gereicht.

Freund,

ich

seinem aber

eS

seinem

Umsonst suchte Ich den

fand

nur

den

Monarchen.

Mit tief verletztem Herzen, des Zwanges

müde,

bat ich Ludwig um eine besondere

Unterredung, und erhielt sie: er war allein

in

seinem Kabinet;

ich

wollte mich wie

sonst in seine Arme stürzen, und die zärtli­ chen

Vorwürfe

der

Freundschaft

an

ihn

richten, als er einige Schritte zurücktrat,

ic6 und mir ein versiegeltes Paket überreichend, mit

Hoheit

aller

unumschränkten

eines

Fürsten, sagte: „Graf von Charolais, ich

bin eurer Ergebenheit überzeugt,

die Stadthalterschaft

und euch

Zch vertraue euch

meinen Dank schuldig.

Normandie

der

an,

hier ist eure Bestallung.

Morgen werdet

ihr nach Rouen abreisen,

wohin euch eure

Pflicht ruft.

Fahret fort,

das Zutrauen

und die Gnade eures Königs zu verdienen."

Ludwig entfernte sich nach diesen Wor­ ten.

Von Erstaunen und Entrüstung wie

versteinert, blieb ich einen Augenblick unbe­ weglich .... und stürzte dann wüthend aus dem Pallaste. —

rief ich aus; Elend,

„So sind die Fürsten!

sanft und

undankbar

und

schmeichelnd im

gebieterisch

im

Glücke!"... Der Graf von Saint Maur hatte mich nach Paris begleitet.

Zch wollte in mei­

ner Wuth an Ludwig schreiben, schenke mit Verachtung

und noch

am

nämlichen

von

Tag

seine Ge­

mir werfen,

sein

Reich

verlassen. . Saint Maurs weifen Anschlä­

gen

gelang

schlüsse zu

nicht

Die

eben

meine

es,

ändern:

so

warum

meine

im Frühling

Ent­

vermochte zu

Leiden

ersten Wunden des

schmerzlich

stürmischen

er

stillen!

Herzens sind so des Lebens!....

Der Mensch ist noch nicht für die Men­

schen gemacht; die Erfahrung hat die Lauf­ bahn noch nicht entzaubert.

Zch empfand,

außer dem stechenden Schmerz des Herzens, noch

die

Schande,

betrogen

worden zu

seyn, ich beklagte die entschwundenen Täur

schungen. Zum erstenmal fühlte ich in dieser glü­

henden und offenen Seele, welche Ludwig zerrissen hatte,

die Verachtung des mensch­

lichen Geschlechtes aufkeimen.

Saint Maur

hatte in seiner Beurtheilung des Dauphins

Recht gehabt; aber kaum verzieh ich ihm diesen Triumph,

und

ich wollte in seiner

Durchdringungs-Gabe verborgene Laster zu entdecken, nichts als seine innere auf sich selbst

und

seines

Gleichen

gegründete

los

Ueberzeugung von der allgemeinen Verderbt­ heit, erblicken. Folgsam seinem Rathe verließ ich indeß Paris und übernahm den Befehl über die Normandie. Ludwig hatte mir eben erst seine Gleichgültigkeit gezeigt, er zögerte nicht, mir seinen Haß zu beweisen. Einige Jahre vor Karls VII. Tod hatte ich den Herzog von Bretagne gekannt: eine jugendliche Eifersucht bewaffnete einen gegen den andern; ich hatte in den Schran­ ken mit ihm gekämpft, und Ludwig kannte unsere gegenseitige Feindschaft. Kaum war ich in der Normandie eingesetzt, als der König von Frankreich einen seiner Lieute­ nants mit außerordentlichen Vollmachten, welche jene des Statthalters vernichteten, dahin sandte: und dieser Lieutenant war der Herzog von Bretagne. Bei diesem treulosen Zug, dieser neuen Beschimpfung, wollte ich meiner Wuth freien Lauf lassen: noch einmal besaß Saint Maur die Kunst, sie zu unterdrük-

log ken.

indem

Aber

er

die Ausbrüche der

Entrüstung einer tugendhaften Seele tadelte,

die Menschen zu täuschen;

lehrte er mich,

er gewöhnte Karln,

das Gefühl dem Vor­

theil aufzuopfern; er lehrte mich den edlen Aufschwung des Herzens durch kalte Berech­ nungen des Verstandes ersetzen.

Er brachte

in mir diese fruchtbaren Keime

es dahin,

der Begeisterung und Rechtlichkeit zu erstikken, die in freier Entwicklung nur rühm­ liche Früchte erzeugt hätten.

unter­

Das

drückte Feuer wurde ein zerstörender Vul­

kan,

welcher

brach;

nur

in

Verheerungen

aus­

und die Stimme der Klugheit lei­

tete mich nur zum Verbrechen. Seit die

langer

erklärten

Zeit waren

Feinde

die Lütticher

Burgunds;

Ludwig

unterzeichnete

einen

mit ihnen.

Seine niederträchtigen

Verbindungs - Vertrag

Auf­

lauerer umgaben mich zu Rouen: der Dolch seiner Meuchelmörder

mein Leben;

bedrohte jeden

und bald brachte

mich

Tag ein

tödlticher Trank an die Pforten des Todes.

1IO

Meine Zugendkraft

Gift.

Zch

menschliche

genas

hätte

Gewalt

meiner Wuth

siegte

das

über

wieder;

aber

die

keine

Heftigkeit

zu mäßigen vermocht.

Zch

erklärte Ludwig XI. laut für einen Treulo­

sen, Verräther, Giftmischer und Vatermör­

der.

Zch

klagte

zum Entsetzen

ihn

Erde, zur Rache des Himmels an;

der

dann,

ihm mit Verachtung seine verhaßte Besial-

lung

zurückschickend,

eilte

Burgund

ich

gegen Frankreich zu bewaffnen. Der

heuchlerische

Monarch schien tief

von meinen Beschuldigungen ergriffen.

Um

sich in den Augen der Völker zu rechtferti­

gen,

berief er

die Prinzen des Geblüts,

die Großen seines Hofes, die Abgeordneten um sein ganzes

seiner Städte zusammen;

Leben zu verantworten, redete er diese Ver­ sammlung mit

eben

so

viel

Talent

als

Keckheit an, und der Tyrann endigte damit, die

Mitglieder

seines

Gerichtshofes

seine Richter zu ernennen.

als

Der Verbre­

cher wurde gänzlich freigesprochen.

Indessen hatten sich auf mein Kriegs-

und Rache-Geschrei die berühmtesten Hel­ den des französischen Reiches gegen Ludwig

erhoben, und schon hatten sich mit mir des Monarchen Bourbon,

der Herzog

von

der Herzog von Alen^on,

der

Schwager,

Graf von Armagnac, der Sire von Albret, der Graf

von

der

Namür,

der Herzog von

Maine,

Graf,

von

Calabrien,

der

sogar der Herzog

Graf von Dünois und von Bretagne, vereinigt.

Diese ihre

verbündeten Mächte bewaffneten

Vasallen.

*)

Der

Ludwig ward allgemein,

Aufstand

gegen

und alle Kräfte

des Reiches drohten dem Tyrannen zugleich, welcher zum einzigen Verbündeten nur den

Herzog von Mailand,

den bekannten Ba­

stard Franz Sforza, aufzuweisen hatte.

An

der Spitze

eines

tapfern

Heeres

fliege ich zum Kampfe, und bald sind Lud­

wigs Schaaren vor den Burgundern entflo♦) Dieser Krieg wurde der Krieg des öffentlichen Wohles genannt.

hen.

Don allen Seiten fällt der Lorbeer

auf mein Haupt, und folgt der Sieg meinen

Mein Zug ist

Fahnen.

von Triumphen:

die

eine

nur

Reihe

fränzösischen Städte

öffnen mir ihre Thore: die Völker nennen mich ihren Befreier: ich zerstreue alle meine

Feinde.; ich überwinde alle Hindernisse, ich bin vor den Thoren von Paris; und schon

wird der

Graf von Charolais, von

ganz

Europa Karl der Schreckliche genannt. XI.

Ludwig

kräfte

um

seine

hatte

alle

seine Streit­

Hauptstadt

gesammelt.

Eine entscheidende Schlacht ward in der Ge­ gend von Longjumeau geliefert

Der Kö­

nig von Frankreich kämpft hier in Person,

seht öfters sein Leben aus, sinkt von An­

strengung

erschöpft mitten

in den

Reihen

nieder; und wird, der Besinnung beraubt, nach dem Schloß von Mont-Cheri gebracht.

Die

Burgunder siegen,

die

französischen

Großen erklären Ludwig XI. des Thrones

entsetzt; und sein Bruder, der Herzog von

-------------- 113 Berry,

im Lager der Verbündeten

wird

zum König von Frankreich ausgerufen.

Zch

belagere

Ludwig

Paris:

verläßt

seine Hauptstadt, und wendet sich insgeheim mit Bitten an mich; er erinnert an unsere

ersten Gefühle; Freund an;

auf meine Rechtlichkeit zäh­

und will sich,

lend,

er fleht seinen ehemaligen

er verlangt «ine Unterredung;

ohne Begleitung,

ohne Leibwache,

allein zu mir in mein Lager begeben. Zch hatte nur eben erst die Dahn der

Rache betreten und meine Schritte waren auf diesem,

nicht

für

befestigt

Ludwig XI.

mich neuen Boden noch

genug.

Der

unglückliche

rief mir den flüchtigen Dau­

phin zurück.

Sein Brief

mir

entlockte

Thränen und ich glaubte in seinen rühren­

den

Ausdrücken den Schmerz,

die Reue

und die Wahrheit zu erkennen;

sein Un­

glück erweichte,

sein Vertrauen entwaffnete

mich; die Heuchelei siegte,

dem König: —

ich antwortete

„Zch erwarte dich."

Meine Schaaren waren bei Dercy gelaII.

8

-----------

114

die Trümmer des königlichen Heeres

gert;

setzte

auf der

sich

breiteten

Seine aus. der

andern Seite

der

einem schwachen Nachen

Zn

französische

Monarch über

den

Er stieg allein mitten unter seinen

Strom.

Feinden ans Land;

bis zu

diesem letzten

Augenblick hatte ich an einem solchen Zug

des Vertrauens gezweifelt.

Am Ufer ging

mein Herz schlug unge­

er mir entgegen;

stüm: ich fand in seinem ersten Blick jenen Dauphin

wieder,

den ich so sehr geliebt

hatte: eS ist nicht mehr Ludwig XL, eS ist der

theure Gefährte meiner Zugend;

stürze auf ihn zu: — entgegen ?“ fragt er. —

ich

„Wer kommt mir

„Dein Bruder,"

antworte ich, und eile in feine Arme. Elodie, nie werde ich dieses Tages ver­ gessen;

ich wurde abermals betrogen,

ich war glücklich.

aber

Ludwig spielte mit mei­

ner Leichtgläubigkeit, aber ich ipar zufrieden mit nstr selbst.

Zorns,

Zch verließ die Dahn des

ich kam wieder zu edleren Empfin­

dungen zurück;

ich fand die schwärmerische

IIS

---------------

Begeisterung

meiner

Jugend,

frühen

nahm mein erstes Leben wieder an.

König

benühte

edle

diese

Constans wurde

Der

Schwärmerei;

leicht erhielt er den Frieden;

von

ich

der Vertrag

unterzeichnet.

Der

Monarch versprach allen französischen Gro­

ßen

neue Besitzungen und

neue Würden.

Das Dündniß wurde aufgelöst;

im Triumph

von

und wie

Ludwig bis Villiers-le-

Del, zurückbegleitet, trat ich die Heimkehr Nach Burgund an. Ach!

wenn

einmal

die

Lippen

eines

Kriegers vom Kelche des Ruhms genippt

haben,

so erlischt der Durst nach neuen

Kämpfen nicht mehr in ihm.

Schon hat­

ten meine Siege meinen Namen berühmt

gemacht;

ich wollte meinen Ruf noch ver­

größern.

Die

Lütticher

bedrohten Bur­

gund, ich rückte gegen sie ins Feld, ich un­ terwarf sie;

das treulose Glück folgte mei­

nen Waffen allenthalben, reichte mir nichts als Palmen, versprach mir nichts als Kro»

Il6

-------------

nen,

«nd bereitete mir nichts als

einen

Abgrund.

Unterdessen brach Ludwig ohne Unterlaß den Vertrag von Constans.

Verwirrung

die

Da er geschickt

Theilung

und

in

allen

feindlichen Provinzen und unter alle eifer­

süchtigen hatte,

die

Regenten

so fürchtete er kein Dündniß mehr:

seine Arglist

durch

der Zwietracht,

entzündete Fackel

und der durch seine bösen sicherten ihn vor

Anschläge genährte Haß, einem neuen Fürstenbund.

zu

gewußt

auszustreuen

hatte,

fürchten

zeigte

Da er nichts

er sich

ganz offen, treulos wie er war.

damals

Die fran­

zösischen Großen, denen er im Vertrag von

Constans Reichthümer und Ehrenstellen ver­

sprochen,

verbannt,

wurden

verhaftet,

beraubt und

meine liebsten Freunde wurden

hingeopfert.

Tristan, der Eremit, der Hen­

ker des Königs genannt, war der Vollstrecker

seiner Rache. seine

gefiel

sich

darin,

erwürgen

zu

sehen,

Ludwig

Schlachtopfer

und Tristan vermannichfaltigte die Art der

Hinrichtungen, um seinem barbarischen Kö­ nig desto besser zu gefallen.

Den

Aber­

glauben zur Grausamkeit vereinigend, gebot der Tyrann

die Verbrechen,

ordnete die

Verrathereien an, wohnte den

Ermordun­

gen bei, und beschäftigte sich dann nur mit Gebeten

und Pilgerschaften,

als Kreuhe

trug

nichts

und Rosenkränze und

schwur

nur auf Heiligenbilder und Reliquien.

Die ersten Hauser Frankreichs,

welche

sich durch frühere Dienste Rechte erworben

hatten, fielen in Ungnade; die Manner, die einen rühmlichen Namen trugen,

gescheut dem

hätten ihn zu

Tyrannen nicht

und sich

beflecken, konnten anstehen,

verächtliche Werkzeuge

verlangte.

bedurfte Große seiner

eigenen

der

nur

Ludwig

Schöpfung,

welche er ohne Furcht zurückstoßen und nach

Gefallen wieder

in

den Staub

schleudern

konnte.

Die dunkelsten

den

den ersten Stellen des Adels,

zu

Bösewichter

den höchsten Staatswürden erhoben:

wur­

zu aber

dem Pygmeen gleich, welcher auf die Gip-

xig fei der Alpen gestellt, erhöht ist, ohne grö­

ßer geworden zu seyn,

blieb der mächtige

Mann nichts desto weniger der verworfene

Ludwig XI. wollte den Unter­

Mensch.

schied der Stände ausgleichen: digte

den Titel,

Die Tyrannen

herab.

er entwür­

und setzte die Würden

gern

erniedrigen

Alles, um Alles wieder zu

erheben, und

die Gleichheit sagt der unumschränkten Ge­ walt zu. Die Staaten

des

Bur­

Herzogs von

gund waren von feinen Kundschaftern bevöl­ kert.

Auf

ihren

Stadt Dinan:

Ruf empörte

mein Vater

die

befahl mir,

gegen die Aufwiegler zu ziehen;

gerte ihre Veste.

sich

ich bela­

Stolz darauf, von Lud­

wig unterstützt zu werden,

auf dessen Bei­

stand sie harrten, trugen sie unverschämter

das

Weise

Vaters,

umgestaltete

Dildniß

auf einem Bett von

meines

stinkendem

Schlamm liegend, auf ihren Wällen herum, und

schrieen den

Burgundern

unter

den

Mauern des Platzes zu:

den Thron eurer

Diese Empörung, in Frankreich Früchte

des

also

war

dies

der

„Sehet hier



herzoglichen

Kröte!" *)

dieser Krieg, und die

verübten Greuel,

waren die

Sieges von Constans.

der Preis

Lohn

meiner

einer

edlen

Das

Rechtlichkeit,

Handlung!

meine Tugenden fingen an mir als Schwach­ heiten, und meine großmüthigen Thaten als unverzeihliche Schwachheiten zu erscheinen. Die Stadt Dinan widerstand noch im­

mer,

aber ihr Fall wurde gewiß.

über die Gefahren,

Um sie

welche ihnen drohten,

zu belehren, schickte ich den Empörern einen

Unterhändler; sie ließen ihn hängen. schrieb ihnen, durch

ein

und sandte

Ich

Brief

Kind, welches wenigstens

Alter schützen sollte;

erregen und mich

sein

sie ließen es unbarm­

herziger Weise ermorden.

zu

meinen

Um meine Wuth

zum Verbrechen

‘) Siehe alle Geschichtschreiber.

zu

schienen alle höllischen Gewalten

zwingen,

gegen mich verbunden zu seyn.

Bald ist die treulose Stadt aufs Aeus-

serste

Ihrer

gebracht.

keine Hoffnung mehr;

bleibt

ihre Mauern stürzen

Setten zusammen: ein Haupt­

von allen

sturm ist angeordnet.

Nun, aber zu spät,

die Einwohner

werden

Besatzung

den Abgrund ge­

wahr, welchen sie sich durch ihren Wahnsinn gegraben hatten;

sie

sind gezwungen, sich

auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Zndeß rächte ich mich noch nicht.

Zeh

hatte die Festung in Besitz genommen und

harrte

der

Entscheidung

meines

Philipp war in Douvines;

Zerstörung der

Vaters.

er befahl die

ganzen Stadt und

zeichnete das Todesurtheil aller

unter­

ihrer Be­

wohner.

Hier fangen die Greuel und Grausam­

keiten meines Lebens an.

Zch gehorchte

den Befehlen meines Vaters. Greisen,

Außer den

Weibern und Kindern, welche ich

aus der eroberten Stadt jagen ließ, wurde

die ganze Bevölkerung DinanS umgebracht. Immer

zwei

achthundert

zwei

an

der

Mosel gestürzt,

gebunden

wurden

Hauptaufwiegler in

die

und die geplünderte Stadt

von den Flammen verzehrt. Kurze Zeit nach dieser unseligen Bela­

gerung starb Philipp, und meine Thronbe-

steigung ward durch einen gräßlichen Mord

bezeichnet chen l

0 Jungfrau von Unterla­

meine Feder

mir in dieser

versagt

Darstellung

entsetzlichen

Ihr werdet schaudern...

fortzufahren...

Ach! und

doch

muß ich sie vollenden, auch darf kein Ver­

brechen meines Lebens verborgen bleiben. Ich begab mich nach Dijon, wo mein

Vater begraben worden war.

Ludwigs XI.

Gold und seine Arglist hatten hier gegen

mich alle Gemüther erregt,

während die

Lütticher durch ihn von Neuem gelt,

den

ergriffen,

aufgewie­

die Waffen

Frieden

brechend,

und sich

Hape's an der Mosel

bemächtigten.

Zu neuen Auflagen und neuer Truppen-

Zusammenziehung gezwungen, wollte ich eben «inen neuen Krieg beginnen, als sich Spu­

Empörung in meiner Hauptstadt,

ren der

und

in

sogar

offenbarten.

meinem Heere

Da erschien eines Tages Graf von Saint

Maur,

der

von den Soldaten angebetete

Feldherr, vor mir.

Streng,

fast drohend

tadelte er meine Entschlüsse und widersetzte sich

meinem

bekämpfen.

Vorhaben,

die Lütticher zu

Nie indeß gab es einen recht­

der Feind,

mäßigern Krieg;

welcher mich

angriff, hatte zweimal seine Verträge gebro­ zweimal seine Schwüre

chen,

und

mein

über

die

beständig Maurs

mir,

war

Zorn

Treulosigkeit, gewesen

war,

Rathschläge

verrathen,

gerecht.

Erbittert

deren

Opfer ich

Saint

stieß ich

mit Entrüstung

von

und sogleich verlangte der Graf seine

Entlassung. —

„Wie!

ihn sich entfernen sah,

rief ich,

als ich

er nennt sich mei­

nen Freund und verläßt mich in den Ta­

gen der Gefahr!" Plötzlich verkündet mir ein entsetzlicher

im Schloßhof selbst

entstandener Tumult,

daß so eben eine Meuterei ausgebrochen ist;

meine Leibwache bekämpft die Rebellen und unter dem Geschrei der Stürmenden unter­ scheide ich den Ruf: —

„Tod dem Ty­

es lebe Saint Maur!"

rannen !

dem Verrath

der

Und an

gewöhnt,

Freundschaft

zweifle ich keinen Augenblick, daß der Graf für mich ein anderer Ludwig sey:

meine Rüstung an und eile,

ich lege

von mehrer»

Rittern begleitet, mich mit meinen Verthei­ digern

zu

vereinigen.

Auf der

begegne ich Saint Maur'n,

Treppe

welcher

auf

mich zustürzend, mich zurückhalten will. —

„Verräther! laß mich!" mals tönt jener

widrige

sagte ich.

Aber­

Ruf zu meinem

Ohr und mein Kopf verwirrt sich...

Ich

sehe in dem mich aufhaltenden Grafen nur einen Mörder,

der mich durchstoßen will:

und ihn mit Wuth zurückstoßend, zeige ich

ihn meinen Kriegern mit den Worten: — „Hier nen!"

ist

das Oberhaupt der

Und

augenblicklich

Verschwor-

von

meinem

grausamen

wird Saint

Gefolge umringt,

Schwertstreich

Maur von einem

tödlichen

getroffen.

für Verbrechen eifrige,

Feige,

und scheinbar dem Fürsten und Vaterland dienende Höflinge,

beeilten sich einen Feld­

herrn zu opfern,

dessen strenge Tugend sie

Elodie!

euer unglücklicher Vater

haßten.

sank todt zu meinen Füßen nieder;

aber

meine Hand wenigstens, ich rufe den Him­

mel zum Zeugen an, hat sich nicht mit sei­ nem Blute befleckt. Zch erscheine mitten

unter den Empö­

rern, ich kämpfe, und schon habe ich gesiegt. Aber der Mord war dem Sieg vorangegan­

gen.

Gezwungen,

den Augen

Saint Maurs Tod in

meines Hofes zu rechtfertigen,

obgleich nur halb von des Grafen Treulo­

sigkeit überzeugt,

ließ

ich sein Gedächtniß

durch ein entehrendes Urtheil beschimpfen; alle

seine Güter wurden eingezogen,

feine unglückliche Wittwe eilte,

und

den Ueber-

rest ihres Lebens in ferner Verbannung zu

verbergen.

Dreißigtausend

bedrohten

an

der

die Lütticher

Zahl

stark,

noch

meine

stets

Endlich rückte ich gegen diese

Provinzen.

dreisten Friedensstörer und trug einen voll»

Die Stadt

ständigen Sieg über ste davon.

Saintron fiel in meine Gewalt,

Tongern

ergab sich auf Gnade und Ungnade;

überall

befleckte ich

meinen

Ruhm

aber

durch

meine Rache. Zch kehrte in meine Hauptstadt zurück, wo

eine

tiefe Ruhe

die Unruhen erstickt,

ich hatte

herrschte; meine

Feinde unter­

jocht, und glänzende Feste warteten zu Di­

jon des Siegers.

Mein Volk

mit Begeisterung wieder.

sah mich

Zch versammelte

einen schimmernden Hof um mich, wohin ich Spiele und Belustigungen berief. sah Irenen wieder,

Zch

und die schöne Erbin

von Arovtlle erlangte ihre alte Gewalt über

mich. Elodiel

soll ich

rrn! — Zch

es

wagen

fortzufah-

umgarnte Herstall's

mit allen Verführungen

Tochter

des Ruhms

und

der Liebe.

zum

sie

versprach ihr,

Zch

Altar zu führen, sobald es mir die politi­

schen Umstande erlauben würden: ich gelobte ihr

ewige

glaubte meinen

Zrena

Treue;

Schwüren, und aus dem väterlichen Hause fliehend ergab

sie

sich mir

in der Verborgenheit

vertrauensvoll

eines Burgundischen

Schlosses.

lehrte

Damals

mich jeder

Tag

kennen,

Ludwigs

Treulosigkeiten

neue

welcher

Prälaten, Abgeordnete und Krieger zu Tour versammelnd,

so

eben

ConflanS rechtsförmlich,

den

Vertrag

als durch Gewalt

und Rebellion erzwungen,

vernichten ließ.

der mir

Eduard, der König von England, vorschlug,

von

seine Streitkräfte mit den mei­

nen gegen den meineidigen Monarchen zu vereinigen,

trug

mir zugleich die

Hand

Margarethens von York, seiner Schwester, an;

die Liebe widersetzte sich dieser glän­

zenden

Vermählung,

aber

meines Volkes heischte sie.

der

Vortheil

Die Staats«

tunst und der Ehrgeitz erhoben gebieterisch

127

---------------

ihre

Stimme in

meiner

wurde aufgeopfert.

Brust;

Irena

Zch eilte der Prinzes­

sin von England entgegen; und bald darauf empfing die Kirche zu Dain den Schwur

der Vermählten.

stehle

Wenige Tage nach der Trauung

ich mich heimlich weg

welches Zrena bewohnte.

Schlosse, geachtet

und fliege zu

getroffen,

verbergen,

Ohn-

die

Vorsichtsmaßregeln,

der

dem

ich

meine Unredlichkeit zu

um ihr

hatte die Erbin von

Aroville

alles entdeckt, und war noch die nemliche

Nacht verschwunden. tief,

meine

Mein Schmerz war

Nachforschungen

fruchtlos;

Zrenens Schicksal blieb mit einem undurch­ dringlichen Schleier bedeckt.

Bei der Nachricht von

dem

Beschluß

der Versammlung zu Tour, hatte ich Lud­ wigen den Krieg erklärt, und meine siegge­

wohnten Schaaren in eigner Person anfüh­ rend,

überschritt

ich

die Grenzen

seines

Reiches und die Feindseligkeiten begannen.

Das französische Lager,

wo der Schrecken

herrschte, war vor lyir; die Schlacht mußte

entscheidend

Da,

seyn.

werdet ihr

es

glauben, Elodie! schreibt der Sohn Karls

VII., den Ausgang des Kampfes fürchtend,

abermals.einen Friedensbrief an seinen ehe­ maligen Bruder; verlangt eine neue Unter­

redung zu Peronne, der

Burgunder

ihm;

und

befindlichen

Stadt,

hat noch

Karl

Schwachheit,

einer, in der Gewalt einmal

mit die

darein zu willigen und ihm

Gehör zu geben. Ludwig verließ sein Heer, ohne

Begleitung

und

begab sich

Vertheidigung

zu

mir, und fing schon mit seiner unwider­ stehlichen Kunst an,

räthereien,

rechtfertigen,

sich von seinen Ver-

Meineiden und Mordthaten zu

als

mir

ein

Eilbote

die

der durch

Frankreich

besoldeten Lütticher überbrachte;

ich erfuhr,

plötzliche Empörung

daß am nemlichen Tage,

wo mich Ludwig

schriftlich um die bewilligte Zusammenkunft

bat,

er durch ein anderes eiliges Send­

schreiben Lüttich gegen mich aufwiegelte.

kannte

Meine Wuth

mehr.

keine

Grenzen

Ludwig war in meiner Gewalt; ich

drückte ihn mit dem ganzen Gewicht mei­

nieder;

ner Entrüstung

ich

gab ihm

ich drohte sogar sei­

pfendsten Beinamen;

nem

Umsonst

Leben.

feine Unschuld, entfernt

weit

haben, fechten;

nes

die

die beschim-

beleidigendsten Benennungen,

betheuert

Ludwig

umsonst schwört er,

die

er bereit

bewaffnet

Lütticher

sey selbst

daß,

gegen

zu

ste zu

nichts vermag die Heftigkeit mei­

Zorns

Monarchen

zu mäßigen. als Gefangenen

Zch

den

halte

zurück,

und

überlasse ihn seinen Gewissensbissen. Einige Tage waren so verflossen.

Von

den Fenstern seines Gefängnisses aus konnte Ludwig den schrecklichen Thurm sehen, wo

Graf Herbert von Vermandais, 92g

hatte,

lor.

Karln

den

Einfältigen

im Zahr eingesperrt

welcher dort Krone und Leben ver­

Die Schande,

das Entsetzen,

die

Verzweiflung zerrissen seine Seele wechsels­

weise.

II.

Es stand nun bei mir, ihn

vom o

Thron herabzuflürzen, zu krönen,

oder

ums Haupt

zu

meine

Siege, erlaubten

einen seiner Brüder

mir selbst sein Diadem winden.

Macht

mir

jede

Meine frühern

und

mein Name

Unternehmung

sicherten mir jeden Erfolg.

und

Damals konnte

von mir die Gestalt Europa'-

ein Wort

betretnen

Sollte ich aus der

verändern.

Dahn des Verbrechens zurückweichen!....

Es war mir leicht, während ich mich der Staaten

meines

Gefangenen

bemächtigte,

Ludwigs Bestrafung durch seine Treulosig-

keilen, und die ungerechte Anmaßung durch

den

Ruhm

zu

rechtfertigen.

Frankreich

hätte den kühnen Eroberer bewundert, und

die Flecken des Verralhes wären unter dtn Palmen des Sieges verschwunden.

Heftig bestürmt, wagte ich noch gegen die Macht der Ungerechtigkeit zu kämpfen, welche sich stufenweise meiner Seele bemäch-

tigte. mel

Da ließ zum letzten Mal der Him­ einen schützenden

Strahl auf Karin

fallen; ich stürze in das Gemach- wo, dem

--------------Entsetzen

hingegeben,

131

der Monarch

sein

Urtheil erwartete. Ist eure

Neue aufrichtig?

Ist es wahr, daß

rufe

ich.

nicht ihr die Lütticher

gegen mich bewaffnet hattet?

daß mir zu folgen bereit,

Ist es wahr,

ihr gesinnt seid,

gegen sie zu fechten? Meine Stimme war unglückweissagend,

mein Blick wüthend, meine Geberden dro» hend;

die Gnade war in meinem Herzen,

aber der Zorn auf meiner Stirne.

Der

überraschte

Ludwig

spricht jeden

Schwur aus, den ich verlange;

wird auf das Kreutz Karls

der Friede

des

Großen-'

beschworen; und der König von Frankreich

zieht in meinem Gefolge gegen die Lütticher

zu Felde.

Wie

ein unterwürfiger LehnS»

mann steckt er mein Zeichen auf, unter meinen

Fahnen;

und

mein

kämpft Heer

gelangt nach mehreren errungenen Vorthei»

len unter die Mauern von Lüttich. Zn diesem Zeitpunkt bemerkte ich unter

den

Burgundischen

Helden

vorzugsweise

den jungen Eckbert.

Für die Ehre begei­

stert, hatte er sein Haupt überall mit Lor-

beren

bedeckt,

wo

sein Arm

gefochten.

Eckbert schien mir würdig mein Waffenbru­ der zu seyn;

ich näherte ihn meiner Per­

son,

ich überhäufte ihn mit Auszeichnun­

gen,

und ernannte ihn zum Grafen von

Norindall.

Seine

Bewunderung

Tapferkeit ging bis seine

Ergebenheit

meiner

zur Schwärmerei und

bis

zum

Sein Herz war so rein,

Fanatismus.

wie seine Phan­

daß

tast« glühend.

Eckbert ward gewahr,

ich ihn liebte,

und von diesem Augenblick

an

wurde

die Anhänglichkeit

für

seinen

der Mosel

harrte

Fürsten eine Art von Abgötterei. Aber an

den Ufern

des schuldigen Karls die erste Strafe des

Himmels.

Nicht weit

von den Mauern

der belagerten Stadt, ritt ich, von Eckbert

und mehrer» Rittern begleitet, durch einen

dichten Wald. Erde:

Tiefe

Nacht

verhüllte

die

von dem rechten Weg abgekommen,

erblickt« ich von weitem,

zwischen Fichten

hindurch, ein Licht,

worauf ich zulenkte:

da erhob sich ein altertümliches Gebäude. «Ich

birre für

einige Stunden um

freundschaft,

sagt

Kein Gebieter,

Gast­

ausgenommen.

werde

und

man,

Haus in diesem Augenblick,

bewohne

das

dennoch

und

beweisen uns eifrige Diener die ausgezeich­ netste Sorgfalt.

Man hatte mich in ein weites und düste­ res

geführt.

Gemach

erschöpft

werfe

auf mein Lager hin; erquickender

Von

Müdigkeit

mich völlig gewappnet

ich

und bald schließt ein

Schlummer

meine

schweren

Augenlicder.

Auf einmal werde ich durch ein leises Geräusch geweckt:

bei dem blassen Schein

einer verlöschenden Kerze, sehe ich vor mir

die dunkle Tapete des geheimnißvollen Ge­ machs sich bewegen: sie öffnet sich.... und

bald tritt aus dem

hervor.

eine

weiße

Dunkel

der

verschleierte

Gestalt

schwarzen

Malerei

Eine Lampe in der Hand, schwei­

gend wie ein irrendes Dunsigebild,

nahet

mir bk Unbekannte aus

heS Saales. ßen

schienen

Arme,

dem Hintergrund

Ihre nackten, blendend wei­ durchsichtig

der

wie

ihre langen schwarzen un­

Opal Arabiens;

ordentlich umherfiiegenden Haare, ihr farb­ loses,

von

Angesicht,

einem leichten' Flor verdecktes die Langsamkeit ihrer Bewegun­

alles an ihr war geisterhaft.

gen,

Ihre

ätherischen Formen würden die Augen ent­

zückt haben, wenn nicht etwas Unheimliches und UebernatürlicheS über sie die Farbe des

Grabes auSgegossen hätte.

Meine brennende Hand ten

erstarrten

mit ihrer kal­

Hand berührend,

ihren Schleier empor, ihrem Gesichte;

hebt

sie

bringt die Lampe zu

und mir

unter den von

Schmerz entstellten Zügen, den schrecklichen

Schatten einer himmlischen Schönheit zei­ gend:

„erkenne,

wenn

du

es

vermagst,

spricht sie, die junge, die schöne, die glan­ zende Erbin von Aroville!

Siehe,

du aus ihr gemache hast!....

dein Werk!"

was

Betrachte

— »Irena!"

zend.

rufe ich, auf sie zustür­

„Folge mir," sagt die Unglückliche;

und flieht

leicht- wie eine Nebelgestalt, di«

«in schneller Windhauch dahin treibt, durch

einen geheimen Ausgang vor mir her. Ohne

zu

bemerken

wohin

Weg

der

führt, folge ich eiligst ihren Schritten und bald sehe ich

behangenen,

sie in einer weiten,

von

schwarz

erhellten

Grabeskerzen

Rotunde, vor einem Sarg, den ein Trauer­

himmel beschattet, stern Schein

stille stehen.

Beim dü­

der Kerzen betrachte ich Zre-

nen: welche entsetzliche Verwandlung. Kaum schien ihr erstarrtes Herz noch zu schlagen;

auf ihrer bleichen Stirne

Wahnsinn: regungslos;

ihre

weißen

malte

Lippen

sich

waren

man hätte sagen können,

kein Blut mehr

in

ihren

der

daß

Adern kreise;

kein Hauch schien mehr aus ihrem stummen

Mund zu gehen;

ihr Augapfel war unbe­

weglich; und ihr Blick, hell und starr, der nichts Menschliches hatte, auch nicht dem Himmel an.

gehörte dennoch

Tochter lächelt endlich bitter,

Herstavs

vnb Idas Leichentuch aufhebend, spricht sie

zu mir...

„Dies ist nicht das Drautbett

deiner Gattin,

es ist die glückliche Wiege

deines Sohnes."

Und in

der Tiefe des Sarges erblicke

ich den gräßlichen Leichnam eines Kindes.— „Er schläft, sagt Zrena zu mir. edler Sohn Burgund's!

den

deiner Unschuld!"

Heil und Frie­

Dann

zuckendem Lächeln anblickend r — wahr,

Karl!

er

Zunger,

schläft?...

mich mir

„Nicht Ach!

er

betrügt nicht, er!"....

Verzweifelnd, außer mir, stoße ich ein Jammergeschrei aus, und stürze zu den Fü­

ßen meines Opfers nieder. —, „Der Barbar! schreit Zrena, er hat seinen Sohn aufgeweckt.... auch noch

erwürgte. —

Wenn er ihn

Das Ungeheuer!

sollte ihm die Mutter nicht genügt haben."

Und

den

Sarg

umstürzend

löscht

sie

schnell alle Kerzen aus- und verschwindet in

der Finsterniß.

------------ -

137

Wie von den Furien verfolgt, stoße ich ein

durchdringendes

fähr

Geschrei

Gänge;

finstere

Zch

aus.

ich durchlaufe' aufs» Ohnge-

suche Irenen;

und

sinke

endlich,

bei einem mir unbekannten Ausgang ohne Bewegung hin.

Als ich meine Sinne wieder

erlangte,

fand ich mich von Eckbert und meinen Rittern umgeben, die mein Geschrei herbeigezogen

Keiner

hatte.

von

Trauersaal gekommen,

war

ihnen

den

in

das Ereigniß

und

der Nacht blieb ein Geheimniß für sie. Die Morgenröthe war wieder angebro­ ein Eilbote brachte mir die Nach­

chen:

richt, daß'in diesem Augenblick ein Ausfall der Lütticher, Schrecken im burgundischen

Lager

verbreite.

Behausung tümmel Tage

Zch verließ die unselige

und eilte,

des

nachher

Kampfes

den Tod im Ge­ zu

suchen.

war Herstalls

Drei

unglückliche

Tochter nicht mehr. Der Hauptsturm auf Lüttich ist befoh­

len.

Einer der Ersten dringe ich über die

Mauerlücken hinein:

alles flürzt

unter

der grausame,

alles flieht vor mir;

meinen Streichen,

und

durch Wuth und Verzwei­

giebt der

felung gänzlich verwirrte Karl,

erschrockenen Welt das Schauspiel von der

Ermordung einer ganzen, geflüchteten Bevölkerung,

einer unermeßlichen,

die Kirchen

in

der Einäscherung

das

des

Erbarmen

und von

Siegers anflehenden Stadt,

der

völligen Zerstörung eines Bodens, der nichts als

mehr

Trümmer

übereinandergestürzte

auf einem See von Blut darstellte.

rend dieses gräßlichen Blutbades,

Wäh-,

während

das Schwert der Burgunder die Unglücklt» chen

würgte,

denen

Karls

Sohn

VII.

Hülfe versprochen, die er hatte aufwiegeln

speiste

lassen,

dieser

Ludwig

XI.,

seine

Schande und Vorwürfe verschlingend, ruhig

bei dem

Schein der Flammen, welche die

Stadt verzehrten, rend

das

zu Mittag;

herzzerreißende

und wäh­

Geschrei

Schlachtopfer an sein Ohr schlug,

de» Ruhm dieses Tages.

seiner

priest er

forderte der gefangene

Nun

seine Freiheit zurück, meine Pflicht,

Er nahm

Monarch

und ich hielt es für

ihm wieder zu geben.

sie

in

den Weg

Hauptstadt

seine

zurück, und bezeichnete seine Wiederkehr zur Macht durch neue Grausamkeiten.

liebster Günstling, La Dalue, Müllerknecht

erhoben

zum

hatte,

Bischof

Sein

den er vom

und

Kardinal

auf seinen Befehl

wurde

verhaftet; und in einem eisernen Käfig von

8 Schuh ins Gevierte, der sich im Mittel­ punkt eines Thurmes befand,

auf den Tod, der

harrte der Unglückliche

nach

ii

feiner

Qual

ein

Ende

Seiner Rache freien Lauf gestat­

machte. tend,

Jahren

eingesperrt,

ließ Ludwig

den

Grafen

von

Ar­

magnac erstechen, die Gräfin seine Gemah­

lin

aufs

mächtigsten

grausamste

ermorden,

Großen des

und die

Königreichs Ver­

brechern gleich zum Tode schleifen.

Dann,

um die Treulosigkeit aufs Höchste zu trei­

ben, berief der König von Frankreich, dem

ich so oft verziehen hatte,

aufs Neue eine

Versammlung

Notablen

der

zusammen,

und lud mich als Verrather und ungetreuer

Vasall, davor zu erscheinen.

Dann ließ er

mich durch ein entwürdigendes Urtheil der Pairskammer

schuldig

Majestäts - Verbrechens

des

melt;

erklären.

und überführt

hatte damals mächtige

ich hingegen

Ludwig

Streitkräfte gesam­

meine Heere ausein­

ander gehen lassen; und mitten im Winter

brachen

die Franzosen

in

Staaten

meine

ein. Zch greife wieder zu den Waffen, dränge meine Feinde zurück,

siege abermals

und

ziehe gegen die Picardie heran, wo Eduard,

der König von England und treuer Freund der

Burgunder,

eine

Landung

bereitete.

Der von seinem Bruder Ludwig unwürdig

behandelte Herzog

von

Guyenne,

meldet

mir, daß er sich mit mir gegen den gemein­

samen Feind vereinige und seine Schaaren rücken

auf Paris an.

wechselsweise von Karls

andere,

Mehrere

Sohn

betrogene

Fürsten vergrößern den neuen Bund^

Lud-

--------------- 141

wig schien ohne Hülfe verloren;

aber der

Himmel, oder vielmehr die Hölle stand ihm Ein vergifteter Pfirsich wurde dem

bei.

Herzog von Guyenne gereicht;

und nach

heftigen Schmerzen gab dieser Fürst seinen

Geist auf. dieses

feigen

Ganz

Europa klagte Ludwig

Brudermordes

an,

welcher,

einen tödlichen Schmerz vorgebend, neuntä-

giges öffentliches Gebet verrichtend, bei die»

ser Gelegenheit das Angelus *) einführte. Damals hatte ich die Grafschaft Pfirt

und Elsaß mit Burgund vereinigt; ich fügte noch die Grafschaften Macon und Auxerre,

Artois,

das Herzogthum Geldern und Züt»

phen, mehrere Städte an der Somme bei, und war einer der mächtigsten Fürsten des festen Landes geworden.

Flandern und Hol­

land gehörten mir; ich hatte meine Staaten

gegen Deutschland hin bedeutend ausgedehnt; und grenzte an Lothringen.

•) Der Herzog von Guyenne war beim Unter­ gang der Sonne verschieden.

1*1 Margarethe von Virk lebte nicht mehr, ich

hatte nur ein Kind, und Maria war die einzige Erbin

meiner

weitläuftigen

Besitzungen.

Der Kaiser Friedrich sprach mich für seinen Sohn um die Hand dieser Maria, noch bei

geringem Alter an; und um diese Vermäh­ lung von mir zu erhalten,

fordert er mich,

meinem Ehrgeitz schmeichelnd, auf, die Ero­ berung Lothringens zu

unternehmen, ver­

spricht mir durch einen geheimen Vertrag,

meine Staaten zum Königreich zu erheben,

und mich als König des Gallischen Belgienauszurufen.

Durch solche Hoffnungen verführt, wil­ lige ich in die gewünschte Verbindung.

Der

Tod des Herzogs von Guyenne hatte den

gegen Ludwig gebildeten Fürstenbund aufge« lößt; ich verlasse die Picardie.

Durch Lud­

wigs Anstiftung hatte der Herzog von Loth­

ringen meine Grenzen

bedroht; ich werfe

mich auf seine Schaaren: bald ist seine ganze

Provinz unterworfen;

belagert.

und

Nancy

schon

Als der König von Frankreich

9tene

gegen

mich

bewaffnete,

hatte

er

geschworen, ihm in eigener Person beizuste­ hen und zu vertheidigen. chungen!

Eitle Verspre­

Weder Ludwig, noch seineKriegS-

völker erscheinen um ihm zu helfen, und ich ziehe siegend in Nancy ein.

Um einen Eroberer zu stürzen, bedarf eS nichts als eine ununterbrochene Reihe glück­

licher Begebenheiten.

Von der Gunst deS

Sieges überhäuft, hielt ich mich für unüber­ windlich.

Zch

hatte

Dorbilde gewählt.

mir Hannibal zum

Wie er,

nahm ich mir

vor, über die Alpen zu gehen; und sah mich

schon im Geist Herr über Italien, eine-

Theiles von Frankreich und dem mittäglichen Deutschland.

Meine Krönung als König der Galli­ schen Niederlande sollte zu Trier statt haben,

wo mich der Kaiser Friedrich erwartete. Auf dem Zuge nach dieser Stadt,

bereitete ich

mich, mich eines Theils von Helvetien zu bemächtigen.

Vom

glänzendsten

Gefolge

begleitet, mit Scepter und Krone versehen.

brach ich

auf.

Die Schweizer Kantone

schickten mir, von meinem Vorhaben unter­

richtet, Abgeordnete entgegen, um Gerechtigkeit

anzuflehen. —

meine

„Was hofft

ihr in unserm unfruchtbaren Lande zu gewin­ nen? sprachen sie.

Alle unsere Reichthümer

zusammen sind" nicht die Zäume eurer Rosse,

noch die Sporen eurer Ritter werth." Vergebliche Bitten! ich bin vor den Tho­

ren von Granson.

Ohngeachtet eines hart-

«äckigen Widerstandes,

Hindernisse:

die

Stadt

Gnade und Ungnade.

übersteige ich alle ergiebt

sich auf

Ach! im Taumel des

Siegs ließ Karl, damals der Kühne genannt, die eine Hälfte ihrer Einwohner aufhängen, die andere in den Neuenburger See stürzen. Aber, weit entfernt, die Schweitzer zu

schrecken und zu

unterwerfen,

wie ich es

gehofft hatte, empörte diese barbarische That ganz Helvetien gegen mich. —

„Die Be­

wohner des Gebirges, sagte man mir, nahen sich durch die Rache geleitet." —

»Sie sind

nicht

thöricht,"

so

*)

ich.

antwortete

Dann anstatt sie in der Ebene zu erwar­

ten, wo meine Reiterei allein sie vernichtet hätte,

setze ich meinen Weg mitten durch

die Alpen fort,

und

vertiefe mich in die

engsten Pässe. Mit blindem Vertrauen ziehe ich durch

von fast senkrecht bis in die

eine düstere,

Wolken ragenden Felsen eingeklemmteSchlucht, Auf einmal erscheinen auf den

vorwärts.

Gipfeln dieser drohenden Klippen die Ge­

birgsbewohner.

Sie

ihre

überschütten

Feinde mit einem Hagel von Pfeilen, wäl­ zen Felsentrümmer herab, und bringen Un­

ordnung Reihen

und

Verwirrung

des Heeres.

Burgunder

den

Paß

in

Eiligst

die

ersten

wollen

durchziehen:

die eine

schwere eiserne über den Weg gezogene und

an beiden Seiten in den Granit befestigte

Kette, **) hält die Unglücklichen auf, die

*) Man sehe alle Geschichtschreiber. *♦) Diese Kette ist noch vorhanden, und wird II. 10

von allen Höhen niedergeschmettert werden und

ohne

überwunden sind,

können.

kämpfen

zu

Pferde und Reiter werden nieder­

gerissen, ein Haufen von Leichnamen hemmt

den

Weg;

das

Entsetzen

bemächtigt sich

aller Gemüther; die Stimme der Anführer verhallt; die Schaaren lösen sich auf,

Unglück

steigt

und

die

Niederlage

das wird

allgemein.

Sette,**) Geschütz, Knegsgeräthe, Schätze,

Scepter, Mantel,

Krone, alles fällt in die

Gewalt der Bergbewohner. ler Reichthümer,

Werth

sie

halten sie das Silbergeschirr

kennen,

Zinn,

deren

Herren so vie­

nicht

für

und verkaufen die prächtigen Zeuge

und Gewänder, die sie nicht zerrissen,

um

von den Schweizern mit Stolz den Reisen­ den gezeigt. *)

Noch bewahrt man

zu Bern die Tapeten,

welche das Zelt Karls des Kühnen zur Zeit seiner Niederlage in der Schweitz bildeten.

Sie

sind

als

eine Arbeit des fünfzehnten

Jahrhunderts sehr merkwürdig.

den schlechtesten Preis.

Einer meiner Dia»

manten für Glas hingegeben, wurde einem

Priester der Gegend für einen Gulden über­

lassen. *)

Zweimal,

an diesem Unglücks­

tag, hatte ich Eckberten das Leben gerettet» Gegen Abend floh ich, getrennt von ihm,

von all den Meinigen verlassen durch die

Berge; und Burgunds Held,

Schrecken,

verwundet

und

Frankreichs

der Mann der Siege,

umherirrend,

fiel

hülflos

endlich

bewußtlos bei einer Druideneiche, auf feind­

lichem Boden, am Ufer eines unbekannten

Stromes nieder. Wer vermöchte meine Verzweiflung zu

schildern!

Meine

Siege,

ich konnte es

mir nicht verhehlen, hatten den Neid aller

Fürsten,

die

meine Nebenbuhler

waren,

erregt.

Sie staunten mich an und haßten

mich.

Gedemüthigt

*)

und

überwunden.

Er ist jetzt der zweite Diamant in der fran­

zösischen Krone, nen geschätzt.

und wird auf zwei Millio­

hörte ich schon zu meinem Ohr das Zauch-

zen des ganzen Europa's dringen. sah

ich

Anbeter

die feigen

des

Schon Glückes

sich untereinander verbinden, um den gestürz­ ten Sieger noch mehr zu beugen.

Mich sinnlos am

Fuß eines einsamen

Felsens auf der Erde wälzend, rief ich laut

den Tod

tobtf meine Raserei in

herbei,

Gotteslästerungen aus.

Plötzlich

ein dichter Schleier die Natur; mel verfinstert,

verhüllt der Him­

mein Sinn verwirrt sich;

das Wasser des Stromes dünkt mir blutig;

die Aeste des Waldes, über meinem Haupt schwebend,

scheinen

mir Dolche zu seyn;

statt der Felsenklippen sehe ich Leichenhau­ fen,

statt Gras und Schilfrohr, aus dem

Abgrund

emporgestiegene

mit Entsetzen

harre

ich

Flammen;

und

des nächsten Au­

genblicks.

Ein bläulicher Dunst häuft und verdich­

tet sich am Ufer des Stromes;

wind bewegt ihn,

er

der Nacht­

dehnt die formlose

Wolke aus, er verlängert sie;

und der un-

sichtbare Bildner zieht ein riesenhaftes Ge­

rippe daraus.

Bei diesem entsetzlichen An­

blick, schallt ein Schreckensgeschrei aus dem

Walde,

die blutige Welle kocht,

Blitz zuckt in

den

Lüften.

ruft die Erscheinung,



und der

„Karl!

dein Reich ist aus.

Von Unglück zu Unglück,

von Strafe zu

Strafe, von Abgrund zu Abgrund wirst du bis ans Grab stürzen."

So spricht sie, Wolke zerreißt;

der Donner kracht, die

und das

entsetzliche Ge­

sicht ist verschwunden.

Bei der Nachricht

meiner

Niederlage

überließ sich indessen Ludwig den Ausbrü­ chen einer unmäßigen Freude.

Der junge

Herzog von Lothringen befand sich an sei­ nem Hof; er versah ihn mit Truppen, und diene brach nach Nancy auf.

Französische

als Mönche verkleidete Kundschafter bega­

ben sich in die Schweitz, predigten allent­ halben einen Kreutzzug gegen die Burgun­

der; und die ganze Bevölkerung Helvetiens

waffnete sich auf den Ruf der Rache und Freiheit.

Ob ich daran dachte mich zu vertheidi­ gen? ob ich mich damit beschäftigte, meine Soldaten

wieder

zu

sammeln?

ob

meine Seelenstärke wieder fand? nein.

schreckliche

Erscheinung

Bleich,

mein Wesen gänzlich umgewandelt.

mit zerstörtem Blick,

zerrissen,

mit

dem

Die hatte

Strom

am

ich

von Gewissensbissen Siegel der göttlichen

Verwerfung gezeichnet,

gestaltete ich keinen

Plan, hatte ich keinen Gedanken mehr; ich blieb ganze Stunden bewegungslos,

Worte, ohne Erinnerung;

und brach dann

plötzlich wie ein feuerspeiender Berg, der tiefsten Ruhe,

Verwünschungen,

in

ohne

einen

von

Strom von

der glühenden Lava der

Verzweiflung, aus. In einem dieser Anfälle

von Geistes­

zerrüttung wollte ich mich, gegen den Rath aller meiner Ritter,

ohngeachtet

theilhaften

der

Stellung

der vor-

Schweitzer

ihrer Ueberzqhl, dennoch schlagen;

und

und der

151

------------- -

Ueberrest meines HeereS kam an den Ufern des Murter-See's um. den

Gebeinen

meiner

Dort wurde, von

kommenden

das

Burgunder,

furchtbare Denkmal errichtet,

Jahrhunderten

den

welches

meine Raserei

und meinen Wahnsinn bestätigen sollte. Wie die Siege einem ersten Sieg,

so

folgen die Unfälle einem ersten Unfall nach. Leicht hätte ich retten,

noch meine

übrige Macht

und einen Theil meiner Eroberun-

gen erhalten können.

Meine Gegenwart,

meine Tapferkeit, mein Name genügten, um

noch immer der Erde Achtung einzuflößen. Europa,

mit

erwartete

Kraft-Anstrengungen

meiner

Kühnheit

bekannt, des

Ge­

nies; und ich blieb unthätig, in die Dumpf­

heit

der

Vernichtung

versunken.

Man

hätte sagen können, ich suche eine Art von

Ruhm darin, mich eben so unbegreiflich im Mißgeschick als im Glücke zu zeigen. hatte glauben

können,

daß

ich

Man

stolz auf

meine Widerwärtigkeiten wäre, wie ich es auf meine Triumphe war; und daß ich, in

das

die Uebertreibung

eben

so

der

nach

Erhabene

setzend,

höchsten Demüthigung

strebte, wie ich nach dem Gipfel der Macht

getrachtet hatte. Durch Hülfe

hatte

reich

Nancy richt

der

wieder

Herzog

wurde mir

davon

meine

Haare

ich

Lothringen Die Nach­

überbracht,

Helvetien;

der

von

und hatte

ich

und meinen Barl

neuer,

lassen; ein

von

eingenommen.

sogleich verließ

Frank­

des Königs von

wachsen

menschlichen

den wilden Thie­

Würde herabgesunkener,

ren ähnlicher Nebucadnezar, warf ich nur scheue Blicke um mich

ließ

nur ein

tapfere

Krieger

und

dumpfes Gebrüll ertönen. Eckbert

waren

damals

und

einige

mir treu geblieben; noch

mehrere

ich befehligte

Geschwader;

aber

der Henker der Menschen,

hatte sein Leben

dadurch zu krönen,

er den Ueberrest

daß

seiner Vertheidiger zum Tode führte.

Mit­

ten im strengsten Winter, beim schrecklich­ sten, von einem Eiswind daher gewirbelten

Schneegestöber, etlte ich sinnlos auf Nancy zu.

Meine Schaaren waren erschöpft und

schwach an der Zahl; der Herzog von Loth­

ringen

bedeutende

hatte

Soldaten.

ausgeruhte

Mauern

Streitkräfte

und

Unter

Nancy's

eine

Schlacht,

lieferte ich Rene

deren Ausgang nicht lange zweifelhaft blei­

ben

konnte.

Von

Wallen

ihren

herab

schmetterten die Lothringer die Burgunder

nieder;

auf

der Eisfläche

glitten

die schwankenden Pferde aus; fenden,

vom

Haupt

bis

überall

die angrei­

den

zu

Füßen

gewappneten und von Frost erstarrten Rei­ ter,

vermochten

nicht

mehr

aufzustehen.

Ich sank von Wunden bedeckt;

und Karl

der Kühne verschwand unter dem Eis eines

Teiches.

Sogleich

meines Todes.

verbreitete sich

das

Gerücht

Die, dem Schwert entgan­

genen Burgunder fielen in die Gewalt des Feindes,

diene kehrte siegreich nach Nancy

zurück; und unter den Todten des Schlacht­

feldes,

ließ er vergebens den Leichnam des

berühmten

Karls

von

Burgund

aufsu­

chen. *)

Dennoch lebte ich noch... ein Edelknabe

hatte mir das Leben gerettet:

zu der Zeit,

wo ich sterbend hinstürzte, fing die Nacht

an die Erde zu verhüllen: um

gunder war es geschehen,

Edelknabe wollte den Siegern

liche Hülle

entziehen.

die Bur­

aber der junge

meine sterb­

Allein,

durch die

Finsterniß begünstigt, hatte er mich heimli­ cher Weise in die Hütte eines nahen Wal­

des gebracht,

wo ich nach Verlauf einiger

Stunden die Augen wieder aufschlug.

«in Mensch, erwacht,

Wie

der aus einem tiefen Schlaf

und dessen Erinnerungen alle ver­

löscht sind,

sah ich meinen Befreier starr

an, der am Haupt des Bettes mit Aengstlichkeit meiner Rückkehr ins Leben harrte.

Ich fragte ihn ruhig aus; meine Gedanken kamen allmählig zurück;

ohne die geringste

') Man sehe Anquetil und andere Geschicht­ schreiber.

Erschütterung vernahm ich den Bericht mei­

ner letzten Niederlage:

dann, plötzlich die

Hand meines Edelknaben mitKrast fassend:

„Schwöre,

treu den Befehl zu

rief ich,

vollziehen, den ich dir vorschreiben werde!" Er sprach den Schwur aus, welchen ich und ich

heischte,

fuhr fort: —

„Rene

hält mich für todt, sagtest du, ich will eö für die ganze Welt seyn; ist unwiderruflich gefaßt.

mein

Entschluß

Schimpflich her­

abgewürdigt, vermag Karl der Kühne nicht mehr

vor

erscheinen.

den

Augen

der

Menschen

zu

Kehre noch vor der Morgen­

dämmerung zum letzten Schlachtfelde zurück.

Wähle dir unter den Todten einenKrieger aus, dessen hohe Gestalt der meinen am meisten gleich kommt: bekleide ihn mit meinem Gewände;

entstelle seine Züge;

den;

bedecke ihn mit Wun­

schleppe ihn unter das Eis des Wei­

hers, woraus du mich hervorgezogen hast;

und gehe,

meinen Tod bestätigend,

meine

Ueberreste dem Sieger anzuzeigen."

Der

treue

Edelknabe gehorchte

pünkt-

lich, der Herzog von Lothringen ließ einem

unbekannten Soldaten,

Burgund vorstellte,

und

begängnrß halten;

welcher Karln von

ein prächtiges Leichendie

ganze Welt

glaubte an meinen Tod.

Bald beschloß

von

meinen

Wunden

geheilt,

ich mein Daseyn in die undurch­

dringlichste Einsamkeit zu vergraben:

jede

unglückliche weltliche Größe von mir wer­ fend, der Angst entgangen, den Schauplatz der Welt entehrt wieder betreten zu müssen,

beklagte ich nichts als meine Tochter, deren

Wiedersehn ich auf immer entsagte. Zch war gewiß,

daß Ludwig XI. die

Erbin Burgunds, welche er mit dem Dau­

phin zu vereinigen wünschte,

ehren würde.

Ueberdieß heischte es der Vortheil des deut­ schen Kaiser-Sohnes, sie gegen jeden Feind

zu vertheidigen.

Zch

konnte

Mariens Schicksal ruhig seyn;

also

über

mein Ver­

schwinden gab Europa den Frieden wieder;

meine fürstlichen

Nebenbuhler

strafbaren Eroberer verfolgt,

hätten

den

die unschul-

dige Waise konnten sie rechtmäßiger Weise ich rettete sie und Bur­

nicht angreifen;

gund durch meine Verbannung.

demnach in

So lag

meiner Selbst, Großmüthiges

der

Aufopferung

etwas

ihrem Zweck nach,

ich

Erhabenes;

und

fand

mit Entzücken in meiner Seele einen Fun­

ken von Tugend wieder.

Edelknabe

Mein

Schwur,

ren;

mir

erneuerte

den

mein Geheimniß treu zu bewah­

und mein Angesicht vor Aller Blicken

verbergend,

brach ich allein nach Helvetien

auf. *)

*)

Die burgundischen Staaten weigerten sich an den Tod Karls

des

Kühnen

Düclos sagt darüber in

wig 11. im 3. Theil Seite 66. zweifelte

lange Zeit

Einen sagten,

gegangen.

„Das Volk

an Karls Tod.

Die

er habe sich in eine Einöde

zurückgezogen, Andere, lem

zu glauben.

der Geschichte Lud­

Die

er sey nach Jerusa­

vorgefaßte

Meinung

Einiger war fo stark, daß sie Geld, zur Rück­ kehr des Fürsten zahlbar, ausliehen."

Am Murter-See, wo ich verweilte, sah

ich die Schweitzer mit Errichtung des be­ rühmten Deinhauses beschäftigt, und wandte

mich mit Grausen davon ab... berg stellte sich mir

Der Wild­

Schauderhafte

dar.

Sagen machten dem Volk die Annäherung

an denselben furchtbar, und dieser Ort schien

mir für einen Menschen geeignet, die Welt fliehen wollte.

ich

ler hatte ihn bewohnt;

von

seiner

machte,

den

welcher

Ein alter Einsied­

verlassenen

nahm

Behausung,

Besitz

und

durch verschiedenes, den unwissen­

Landleuten

Blendwerk,

übernatürlich

scheinendes

die Einsiedelei gefürchteter als

jemals. Fest entschlossen, wenn es möglich wäre,

die himmlische Rache durch Reue und Bü­

ßungen zu entwaffnen, den Schauplatz

hatte ich absichtlich

meiner Gewaltthaten zum

Land meiner Verbannung meiner

Wohnung

aus

gewählt.

erblickte

ich

Von

den

Neuenburger-See und das Deinhaus von Murten; nicht weit davon erhob sich auch

meine

wo

die Schreckspitze,

barbarische

Schaar, als sie die Schweitz durchzog,

von Unterlachen

Mönche

und wie ein

dieser

Fels

Allein,

die

ermordet hatte;

rächendes Gespenst

in

unaufhörlich

fiel

die

mir

Augen.

obschon von meinen Anklägern lag ich oft in mei­

und Richtern umringt,

ner Einsiedelei,

in die Erinnerung meiner

Verbrechen vertieft, auf den Knieen, und flehte die

Verzeihung

die Gnade

der

Gottes an:

verwarf mein Gebet;

Menschen

aber

der

und

Ewige

und der Hoffnungs­

strahl leuchtete nicht auf dem Berge.

Ach!

was war aus jener glücklichen Zeit meiner

Zugend geworden,

wo

meine

Gedanken,

wenn sie sich zum Himmel erhoben,

glän­

zend und rein wie die himmlischen Heerschaaren wieder herniederstiegen! Zch

gebracht;

hatte

einige

Schätze

mit

mir

ich verbreitete mehrere Wohltha-

len in der Gegend,

stand den Armen bei,

und rettete die Unglücklichen.

Man seg­

nete den Einsiedler, und der Einsiedler ver-

l6o

-----------

verfluchte sich: der Tröster von Unterlachen trug selbst ein untröstliches Herz in sich; und die Rückkehr zur Tugend war zu spät, um die Rückkehr zum Glück werden zu können. Zn den Hütten, zu denen ich hinabstieg; in den Thälern die ich durchstrich, überall, wohin mich meine Schritte führten, hörte ich den Namen Elodie mit Dankbarkeit und Bewunderung nennen. Zch wünschte diese von den Bewohnern des Gebirges ange­ betete Taube des Klosters* zu sehen. Heimlich folgte ich euren Tritten; ich sah euch.... und die Liebe gesellte, wie eine neue Rache des Himmels, eine Marter mehr zu den Qualen meines Daseyns. Ich fühlte damals, daß ich zum ersten­ mal liebte. Zrena hatte mich zwar durch ihre Schönheit bezaubert, abe.r mir nie diese glühende Liebe, diese heilige Ehrfurcht, diese Art leidenschaftlicher Anbetung eingeflößt, welche Elodie allein bestimmt war, mich kennen zu lehren. Lange irrte ich

i6i

----------- -

auf euren Spuren, ohne zu wagen mich euren Augen zu zeigen. Doch bemächtigte ich mich eines Abends im Pavillon eures Gürtels, und kehrte freudetrunken in meine Einsamkeit zurück, als wenn ich den Talis­ man der Tugend wieder gefunden hätte. Zch legte ihn auf mein Herz.... Ach! und gleich einem glühenden Feuer verzehrte er es vollends. Nun faßte ich den Entschluß, euch den

verderblichen Gürtel wieder zurückzugeben: die Sehnsucht euch zu nahen und mit euch zu sprechen, bestimmte mich dazu. Zch muß euch wahnsinnig geschienen, ich muß euch erschreckt haben, und dennoch sah ich euch gerührt, als ich in der Gallerte der Kapelle, auf den Himmel deutend, die son­

derbaren Worte an euch zu richten wagte: „Dort, wenn die Neue den Abgrund schließt, ja, nur dort wird er euch sagen können: ich liebe dich." Diese Zusammenkunft zerstörte Vernunft noch gänzlich. II.

meine

Wer? Zch! ich

wagte

Tochter

Saint Maurs

Zch versetzte

anzubeten!

mich wieder in meine Erinne­

rungen zurück, und erschien mir verabscheu-

ungswürdiger

je.

als

der Kühne;

Karl

seine Blicke auf die Schreckspitze, den Neuen­

burger-See,

und

das

Bernhaus

von

Murten richtend, schrie dann laut, indem

er sich verzweiflungsvoll auf dem Heidekraut der Wüste oder in den Höhlen des Wal­

des wälzte .:— „Ungeheuer, bedarfst du noch eines Opfers!"

Aus Furcht,

daß mein unreiner Hauch

nicht Elodiens Wohnung 'beflecke,

hörte ich

auf, mich dem Kloster zu nahen, wo bald der

Graf von

ankam.

Norindall

ter seinen Kriegern

Un­

sich der Edel­

befand

knabe, welchem ich das Leben verdankte: er

kannte meine Verborgenheit, da

heimlich,

die entworfene

und

durch

besuchte mich

ihn

Vermählung

erfuhr

Eckberts

ich mit

der Prinzessin von Lothringen.

Von Eiodiens Reitzen gefesselt, verließ Renes Freund das Thal

von Unterlachen

ich trug Marzelinen auf, euch von

nicht;

den frühern Verpflichtungen des Grafen zu

unterrichten; Edelknaben

und

durch ich

erfuhr

meinen getreuen

EckbertS

ebenfalls

Anträge und eure abschlägige Antwort, seine Abreise und

den Entwurf der Entführung,

welchen er bald darauf ausführte. Siebte! wie groß mußte euer Erstaunen

seyn, als an der Drücke des Stromes der

Graf

von

Norindall

Karl

den

ihn für einen Geist

erkannte,

Kühnen

hielt

und

knieend die Arme zu seinem Waffenbruder

erhob! —

Zusammenkunft

meine

Ach!

mit ihm auf dem Wildberge wird nie in meinem Gedächtniß erlöschen.

Zch Seele,

Eckberts

schwärmerische

und hatte nie an

der furchtbaren

kannte

Wirkung, die mein Anblick in ihm hervor, bringen würde,

gezweifelt.

Zweimal hatte

ich ihm auf dem Schlachtfeld das

gerettet:

ich wußte,

Leben

daß bei meinem Na-

men allein noch immer seine Thränen flös­ sen;

ich wußte daß er,

meine Verbrechen

entschuldigend,

erinnerte;

meiner Tugenden

sich nur

und ich war gewiß,

daß seine

schwärmerische Ergebenheit für den glückli­

von Burgund,

chen Herzog

begeistert für den

nicht minder

unglücklichen

Einsiedler

wieder erstehen würde.

Ausdruck

Kein

vermag

das

freudige

Entzücken des edlen Eckberts zu schildern, als ich ihn in der Hütte des WildbergeS

an meine Brust schloß. bung

der

Mit aller Hinge­

Freundschaft

ich

ihm

meine Liebe für die Waise der Abtei.

Ich

sah seine.. Thränen

gestand

und ich

strömen

hatte

den

Muth

von

lichste

der

Opfer

zu

ihm

das

schmerz-,

heischen. —

Der

edle Eckbert stürzte zu meinen Füßen. —

„O mein Fürst! rief der großmüthige Krie­ ger, o mein Freund!

Elodie sey der trö­

stende Engel deiner wilden Verbannung!...

Nein, dir das

ich werde

letzte

entreißen....

nicht so grausam seyn,

Dret

Karl,

des

Schiffbruchs

ich schwöre

es

zu dir^

hie werde ich deine Geheimnisse verrathen.

IÖ5 immer

für

Ich

will

ich

Elodien

Liebe,

opfere dir

fliehen....

die

Vermählung,

Ruhe und das Glück meines Lebens." Bei

Worten

diesen

meinen Armen und ich

entwand

sich

er

sah den Unglückli­

chen nur bei der Schreckspitze wieder, wo

ich sein Leben rettete. Der Graf von

Schwüren

treu;

Norindall war seinen aber

mein Herz

ein quälender Vorwurf mehr. mich

unwerth

und

ich

hatte

Elodiens

Zch

fühlte

Gatte zu

seyn,

eine Verbindung

zerrissen,

die ohne Zweifel das Glück ihres

gemacht haben würde; fere,

der tugendhafte

zerriß

Leben-

der junge, der tap­

Eckbert

allein ver­

diente die Jungfrau von Unterlachen.

Einst war ich allein in meiner Einsie­ delei; plötzlich ging die Thür auf, und ich

erblickte

ich....

Herstalln. —

„Ihr hier!"

rief

Ein Lichtstrahl beleuchtete in die­

sem Augenblick meine Züge.

Der

Greis

stieß einen Schrei des Entsetzen- aus:

erkannte Karln den Kühnen.

er

Zch warf mich

„Herstall!.... vergieb Reue,

Füßen. —

seinen

zu

dem Unglück,

der

der Verzweiflung; oder nimm diesen

Stahl und räche dich!" Der Greis — „Mörder

stieß

mich entrüstet zurück. Bruders!

meines

rief er

Hen­

mit Stärke, Mörder meiner Zrena!

ker meines ganzen Hauses!

vergeben!....

wer, ich?

dir

Niemals.

Dies sagend sank er erschöpft auf eine

Bank der Hütte nieder. — Mann!

„Unerbittlicher

begann ich mit bebender Stimme,

meine flehenden Hände ckend, wieder;

nach

ihm auSstre-

vermagst du Karl den Küh­

nen, den wilden, den stolzen, den unbeug­

samen Herzog von Burgund in diesem ver­

wiesenen Unglücklichen wieder zn erkennen, der

vor

dir

im Staube

liegend,

deine

dich!

sagte

Kniee umfaßt!" ■— „Ungeheuer!

entferne

Herstall mit Heftigkeit,

aufstand;

indem

er

schnell

du sprichst von Reue und sinn'fl

auf neue Verbrechen.

Kann es mir nnbe-

IÖ7

daß du Siebten zu verführen

sannt seyn,

strebst; Barbar! zwischen ihr und dir erhe­

ben sich Irenens

kalte Todten-Gruft und

Saint Maurs blutiger Schatten."

— „Herstall! habe

rief

ich,

schone

der Zorn

Aber

Mitleiden!"....

mich!

funkelte in seinen Blicken, er unterbrach mich. — »Ich höre die Stimmen deiner Op­

fer. —

Sie

rufen mir zu:

Räche uns!

gehen mich

deine

Blutiger Mensch!

was

Gewissensbisse an!

dir gehört kein Mitlei­

den! möchten die Verwünschungen des Him­

mels, den meinen ähnlich,

dir bis zu dei­

ner letzten Stunde folgen! und die Schau­ der

deines

Todes

den

Verbrechen deines

Lebens gleich kommen." Herstall war fort:

Donner getroffen,

ich blieb

wie vom

vernichtet zurück.

Die

letzten Worte des Greises klangen in mei­ nem Ohre wie

geltenden Gottes.

die Verdammniß des ver­

Seit diesem Augenblick

hielt ich mich rettungslos, für immer ver­

worfen; und ich würde meinem Leben mit

l6g

- -----------

dem Schwerte

ein

Ende

gemacht

haben,

wenn mein Arm nicht aller Kraft,

meine

Seele nicht jedes Willens, meine Glieder

nicht

der

Bewegung

beraubt

gewesen

waren.

Zn diesem entsetzlichen Zustande,

Woche zu.

Auf einmal vernahm ich Her­

stalls Tod und zitterte,

daß

Elodie arg­

ich hätte mich an seinem

wöhnen könne,

Leben vergriffen.

Zch

des Klosters...

Seltsame Fügung:

Grabe des Greises,

es,

dem

brachte ich eine ganze

Vorgefühl der Hölle,

drang in den Park

Am

der mir geflucht, war

wo vor meinen Blicken der erste Hoff­

nungstag aufglänzte. geliebt

Zch erkannte, daß ich

Aber wie

wurde.

vorüberfliehend

war dieser Strahl des Glückes!.... fühlte das Gräßliche meiner Lage,

entsetzliche Schicksal,

schuld

bereitete.

meinen Sinn schen Liebe

welches ich der Un­

Herstalls

zurück.

und

Zch

und daö

Pflicht

Fluch

Der

kam in

Kampf

zwi­

war fürchterlich,

aber die ediern Empfindungen siegten. Zch sagte euch ein ewiges Lebewohl, und eilte,

fern vom Wildberge ein anderes Land der Verbannung und des Schmerzes zu suchen. Von den verderblichen Anschlägen deö verräterischen Palzo's unterrichtet, die Ge­ fahr voraussehend, welche euch drohte, hatte ich lange vorher, ehe das Feuerzeichen auf dem Thurme leuchtete, darauf gesonnen,, die schändlichen Entwürfe des RebellenAnführers zu vereiteln. Durch Eckbert un­ terrichtete ich den Hof von Lothringen von der Verrätherei in Unterlachen; und als ich euch in der Kapelle wieder sah, wußte ich, daß der Graf von Norindall, schon von Nancy aufgebrochen, zu eurer Hülfe heran-

»og. 0 allzutheure Elodie! fest entschlossen, kein Wort der Liebe mehr auszusprechen, war ich zu euch gekommen; aber alle meine Dorsähe verflogen wie ein Traum bei eurem

Anblick: vergebens wandte sich meine ernste

Stirn von euren Blicken ab;

ich vernahm

170

----------------

eure rührende Stimme.... und ihr sahet mich zu euren Füßen.

Der Fürst von Pakzo wurde verhaftet: ihr entschloßt euch

der Gräfin Zmberg zu

folgen.

Vom Gipfel des Wildberges sah

ich

Zug

den

glaubte

vorüberziehen,

welcher

das Daseyn entführte;

mehr als

den Tod

in mein Herz

kalte Klinge eines Dolches

mir

und ich

wie

die

eindringen zu

fühlen.

Am Abend zuvor hatte ich, tiefen Höhle am

Strom' von

Palzo durch

versteckt,

Gesang erschreckt.

in einer

Unterlachen

einen prophetischen

Am Tage eurer Abreise

entdeckte ich den von den Rebellen entwor­

ihr

fenen Plan,

Um

befreien.

gefangenes Oberhaupt zu

den

Eckberts,

bewaffneten

Landleuten an Zahl weit nachstehende Schaar

zu retten, voran.

ging ich euch zur Schreckspihe

Zn

der

unermeßlichen

Höhlung

dieses gefürchteten Felsens hatte ich harzige

Reiser,

brennbare Stoffe,

Schwefel und

Erdpech,

einen

Haufen

und zusammenge-

Getümmel des,

nenen

Mitten

verborgen.

Pulver

preßtes

im

von den Empörern begon­ verkündigt

Gefechtes

plötzlich

das

heftigste Krachen und Getöse den leichtgläu­

bigen

Bergbewohnern

scheinung einem

des blutigen

schreckliche

hervortretend,

aufrührerischen Schaaren,

Er­

Mit

Gespenstes.

bekleidet,

Purpurmantel

Flammen

die

aus

den

vernichte

ich die

opfere

ich den

treulosen Palzo und entreiße Eckbert

dem

Tode.

0 Jungfrau von Unterlachen!

als ich,

euch ohnmächtig entführend, auf den Wild­

berg trug,

freude - und liebetrunken

euch

in meinen Armen hielt,

glaubte ich den

Himmel offen zu sehen... wehte

nur Laute

des

Liebe an mein Ohr;

zücken ein;

die würzig

Die Nachtluft

Friedens

und

der

ich schlürfte mit Ent­ reine Luft des Waldes

ich glaubte mich mit der ganzen Na­

tur ausgesöhnt. meiner Brust,

Die Unschuld ruhte es war mir,

an

als ob mich

ihre Berührung gereinigt hätte.

Die Er-

meiner Verbrechen floh wie

innerung

Finsterniß von einer jungen verscheucht.

Meine leidenschaftliche Seele

öffnete sich allen Tugenden wieder,

Throne,

wie verachtlich

Macht,

Verwiesenen

war't ihr in den Augen des

des

Er

Berges!

hatte

Glanz des Lebens,

wieder erlangt.

indem

Ruhm, Reich­

sie zur Hoffnung auflebte.

thümer,

die

Morgenröthe

mehr

als

allen

mehr als selbst Euch

Als er sich vom Himmel

freigesprochen wähnte, hatte er seinen Gott

wiedergefunden.

Mein Auge hob sich dankbar zum blauen Raum des Himmels;

zum erstenmal seit

den Tagen der Unschuld,

höchsten Richter, Willen.

Der

anvertraut; den

dankte ich dem

segnete ich den göttlichen

Ewige

hatte

mir

Elodien

und wie die Taube der Arche

geretteten

Menschen

himmlischen

Rache

sie mir den

wieder

das

verkündigte,

Ende

der

so schien

grünenden Zweig der

Barmherzigkeit auf der gereinigten Erde zu

bieten.

Zhr kamt ins Leben zurück,

meinen Zufluchtsort an: nicht dieser Tagl folgte ihm!....

ruhte,

eine Nacht

Vor der Thüre des heili­

ich

überließ

Schlummer,

wie glücklich war

aber welch'

gelagert,

gen Bezirkes

ihr nahmt

wo meine Elodie mich

dem

süßesten

als mir plötzlich im Traum

jenes Gespenst des Stromes erschien: seine Stirn trug eine blutige Krone;

zerrissene

Purpurlumpen deckten fernen bloßen Kör­

per;

und

Herzen. — zu mir, Reue

Schlangen

nagten

seinem

an

„Karl, sprach die Erscheinung

der Himmel ist besänftigt,

hat

seine

Gerechtigkeit

deine

entwaffnet;

aber um völlig von dem Ewigen begnadigt zu werden, mußt du dem Befehl gehorchen,

den ich dir in seinem

Namen verkündige.

Unter dem Deinhaus

von Murten,

um­

ringt von allen Erinnerungen deines Lebens, beim Denkmal

Todes,

des

Verbrechens

und

des

sollst du deinen Namen der Waise

von Unterlachen enthüllen: dein Gott gebeut es dir; gehorche."

i?4

-----------

Bei diesem entsetzlichen Urtheil erhebe ich ein Geschrei des Schmerzes, ich flehe das Mitleiden des Gespenstes an; es stißt mich zurück und verschwindet. Mit zer­ störtem Sinn, den Körper von kaltem Schweiß benetzt, mit emporsträubenden Haaren, erwache ich. Dreimal schließt der Schlummer unwillkührlich von Neuem meine Augenlieder, dreimal wiederholt sich der Traum. Ich kann nicht an dem Wil­ len des Himmels zweifeln. Am Tage mei­ nes ersten Mißgeschickes, hatte mich die Erscheinung am Strome nicht betrogen, als fie mir eine Reihenfolge von Unglücks­ fällen weissagte. Jetzt versprach sie mir die Verzeihung des Himmels, wenn ich das vorgeschriebeneGebot vollziehen würde... Ach, die ewige Barmherzigkeit kann durch die schrecklichsten Opfer nicht zu theuer erkauft werden: ich ergab mich, ich gehorchte. Zch halte inne: meine entsetzlichen Ge­ ständnisse sind geendigt. Habe ich den Kelch des Leidens geleert? Tochter Saint

Maur'S, ich erwarte euer Urtheil. Wel­ ches es auch sey, sprecht es ohne Furcht aus; ich gelobe es euch, ihr sollt keine Klage, keinen Vorwurf von dem Unglück­ lichen des Wildberges hören. Wann Karl von euch verdammt ist, werdet ihr ihn nie mehr Wiedersehen: wenn er freigesprochen wird.... O Elodie! ich wage nicht, mich bei diesem Gedanken aufzuhalten. Steht es mir zu, an Glück zu glauben!.... Zch kann hoffen, daß mir der Himmel Verzeihung gewahrt, aber wie dürfte ich eine Belohnung erwarten! — Dem Verbrecher gleich, dessen das Blut­ gerüst harrt, bebe ich jeden Augenblick unwillkührlich zusammen. Es dünkt mir, als wenn ein Donnerschlag, gewaltiger als alle jene, die mich schon getroffen, als wenn ein Bannfluch, schrecklicher als der auS Herstalis Munde, mein geächtetes Haupt treffen müsse. Wenn meme Ahnungen in Erfüllung gehen, wenn mich euer Herz ver­ stößt, dann lebe wohl,.englisches Mad-

17 6 chen,

lebe

wohl,

theure

unterwürfig

Elodie!.....

ich

ziehe

Ergeben

und

hinnen.

Vielleicht wird der Gott,

von

welcher

uns auf Erden trennte,

uns im Himmel

0!

dieser süße Ge­

vereinen. danke

nicht

möge mir

entrissen

werden!

von

ihm

gestärkt, mit welchem Entzücken werde ich

nicht in das

vergessene Grab hinabsteigen,

welches meiner wartet, und worauf keine Thräne

des

Lebe wohl,

Mitleids

fallen

wird!....

tröstender Schimmer in Reue

und Schmerz! jungfräuliche Blume,

deren

himmlischen Duft ich einen Augenblick einathmete,

aber deren Reinheit mein Hauch

niemals befleckte.

Sanfte Erscheinung höhe­

rer Regionen! Hoffnung, Liebe, und Glück...

Lebe wohl!

Zwölftes B u ch. Die Jungfrau von Unterlachen hat die Handschrift durchlesen. 01 wie groß erscheint, ohngeachtet feiner Verirrungen, dieser Karl in ihren Augen, vor dem einst die Erde gezittert hatte, dieser Karl, den jetzt die Erde zurückstieß. Welche Verge­ hungen, aber welche Reue! welche Verbre­ chen, aber welche Abbüßungen! Wie erregt er ihre Theilnahme; wie bewun­ dernswürdig scheint ihr dieser verwiesene, bereuende, von der ganze« Natur vergessene Held Burgunds!.... der, mit dem Purpur geschmückte, erobernde und siegreiche Karl war nur ein glücklicher Fürst; Karl auf dem wüsten Berge, freiwillig aller Größe beraubt, zur tiefsten Stufe der Niedrigkeit gelangt, und dennoch das Leben ertragend, dünkt ihr über der menschlichen Natur zu stehen. II. 12

WaS soll Elodie dem Unglücklichen ant­

worten,

der sie anfleht?

übrigen

Welt

verlassen,

Von der ganzen wird

wohl

sich

Karl auch von dem einzigen Wesen zurück­

gestoßen sehen, das ihn noch ans Daseyn Der Zorn des Himmels legt

kettet?....

sich, kann Elodie unerbittlicher wie der Him­

mel seyn?Wird sie, ihn in die Ver­

zweiflung

zurückschleudernd,

den Abgrund

wieder vor ihm aufthun, wenn ihn der All­ mächtige zu

lichter»

Dahnen

ruft?

Nein; ihr Entschluß ist gefaßt; der Abtei kann,

darf nur



die Waise

ein Engel des

Friedens und der Vergebung seyn: eS scheint

ihr, als ob sie Golt selbst auserwählt habe,

den blutigen Schatten Saint Maurs durch die Liebe der Tochter zu versöhnen,

als sei

sie bestimmt, den Bereuenden zu trösten, ihn auf dem Pfade der Tugend zu bestär­ ken,

den er von neuem betreten,

endlich der

Ruhe und dem

um ihn

Glück wieder

zuzuführen. Mit fester Hand,

und wie eine heilige

Pflicht erfüllend,

schwankt die Jungfrau

von Unterlachen nicht; sie hat einige Zeilen

und

geschrieben,

eiligst

wird

Schrift

folgende

in die Höhlung

alten Weide,

der

unten am Bergpfade, gelegt: — ,,Zhr wäret sehr strafbar; Milde des

Himmels

ist

aber die

größer

als

die

Ach, möchte es

Missethaten der Menschen.

wahr seyn, daß ich für Euch ein von dem

Ewige» ernannter Richter sey!

Karl!

die

Stimme der Unschuld donnert nicht,.... die Zugend vergicbt gerne; und eine Jung»

frau ward zur Verkündigung

Heiles

Zn

ausersehen.

des

meinen

ewigen

Augen

haben Eure Geständnisse Euer ganzes Wesen

verwandelt;

aber

nicht verändert.

sie

haben

mein

Herz

Zch habe gelesen, ich habe

geweint, ich habe verziehen." Die Waise zählte die Augenblicke mit

Ungeduld....

Stolz darauf,

Stühe des berühmten Herzogs gund,

die einzige von Bur­

die ganze Welt für den siegreichen

Helden geworden zu seyn,

den

sonst

der

---------------

ißo

eroberte Weltkreis nicht zu

mocht hätte,

genoß

genügen

ver­

Voraus

das

im

sie

welches ihr Brief verursachen

Entzücken,

Zhre schöne, durch den Gedanken

mußte.

beglückte Seele, ein fremdes Gemüth gerei­

nigt zu haben, machte sich eine Tugend aus

ihrer

Liebe,

die Verzeihung,

Glücke;

sprochen,

bung;

und eine Pflicht aus ihrem

schien ihr

welche sie ausge­

eine göttliche Einge­

und die Zukunft,

sches Gemälde gefärbt,

wie ein zauberi­

öffnete sich vor ihr

mit allen süßen Träumen der Tugend,

Begeisterung Schon ist

und

der

der

Einsiedler

Karl bei Elodien.

0!

der

geschmückt.

Liebe

in

der Hütte;

wie

süß sind sie

nicht,

die

Liebe!

Die Waise ließ ihr Herz sprechen,

und

ersten

Geständnisse

der glückliche Herzog

von

getheilter

Burgund

fürchtet nichts mehr, als das Uebermaß sei­

ner Seligkeit; denn ach, hienieden begegnet,

ja die zu hoch gesteigerte Freude so oft dem Schmerze wieder.

Die Einsiedelei, der Wald, die Felsen,

IST

die Einöde,

Erde und

Himmel

Alles verschwindet vor ihren

Sie sind nicht mehr auf dieser

Augen.

gehören

an,

auch

nicht

noch

sie wandeln

aber

dem

in jenen

bezauberten Regionen der Glücklichen, welche Schicksal und Liebe vereinigt haben.

Alle

Entwürfe

Waise gebilligt.

sind

Karls

Der Herzog

der

von

von Bur­

gund wird sortfahren, in der Verborgenheit

auf dem

Wildberge

zu

leben;

aber

die

Heißgeliebte wird bei ihm seyn; die Hütte soll neu gebauet werden;

Natur,

die Zauberin der

die Liebe allein, wird ihren Arbei­

ten vorsiehen;

und

welchen Pallast zöge

Elodie der Einsiedelei des Verbannten vor,

welchen Thron Karl dem Felsen, den Elodie bewohnt?....

Nach dem Plane des Fürsten soll Saint Maurs Tochter Anselmus aufsuchen.

Der

würdige Priester

kann

von

nicht vergessen

haben,

Neffe Konrad

dem

Unterlachen

daß

sein geliebter

Einsiedler

das

Lebe»

verdankt; er wird die beiden Liebenden in der

Klosterkapelle vereinigen, denn keine irdische

Macht hat das Recht, sich der Verbindung

der Waise zu widersetzen. Familie fremd,

Elodie ist ihrer

Karl von der ganzen Welt

vergessen; sie genügen sich einander,

und

werden selbst nicht mehr Zwei in der Welt

ausmachen. Zn den reinsten Entzückungen der Seele,

in den süßesten Schwärmereien des Gefühls

flössen dem Herzog von Burgund und der Zungfrau vorüber,

von

Unterlachen

die

Stunden

ohne daß sie ihre Flucht bemerk­

ten.

Ach! jede von diesen grausamen Töch­

tern

der Zeit führt

Hand, welche die

ihre Sichel

in

der

Freuden des Menschen

fast in dem Augenblicke zerschneidet,

da er

sie genießen will.

Wie der flücht'ge Lichtstrahl der mensch­ lichen Glückseligkeit war der Tag entflohen. Gegen Abend stieg Elodie, auf ihren Freund,

ihren Beschützer, Gatten

gestützt,

ihren Geliebten,

den

Berg

hinab.

ihren

Am

Waldstrom trennten sie sich, die Waise begab

sich in Herstalls

ins Kloster.

der Fürst

Wohnung und

Karl wollte

seinen großmü­

thigen Waffenbruder Wiedersehen, den edlen

Eckbert in

seine Arme schließen:

alles ist

Dank und Zärtlichkeit in

seiner dem Glück

wiedergegebenen

Ach!

Seele.

Vergebung

und Mitleid

dem Menschen, dessen reinste

Gefühle sich

im Schooß des Unglücks ver­

härtet haben und kalt geworden sind, gleich

dem Wasser, welches durch die Berge dringf

und sich unter den Felsen versteinert!.... Aber Haß und Verachtung der fühllosen

Stele, die, wenn das Glück wie ein himmt

lischer Thau neues Leben auf sie herabträuft, nicht rings

um sich

den Hauch der Fröh­

lichkeit, des Wohlthuns und der Liebe ver­

breitet. Ankelm sah Saint Maurs Tochter an« sich zukommen.

Er stieß einen Schrei der

Ueberraschung aus.

Welche Freude durch­

drang seine Seele, wie aufmerksam horchte er

der

Erzählung

Außer dem Namen

ihrer

Befreiung!....

und den Geheimnissen

des Einsiedlers verschwieg ihm Elodie nicht

Zhre Gelübde, ihre Ent­

das Geringste. schlüsse

und die Beweggründe ihres Besu­

ches, alles wurde ihrem alten Freunde mit­ getheilt.

Anselmus hatte ihr, ohne sie zu unter­ brechen, zugehLrt;

aber mehr als einmal

entwanden sich tiefe Seufzer seiner Brust.

Elodie

bemerkte

seine Augen

mit

Erschütterung,

in Thränen schwammen

daß

und

unruhig harrte sie seiner Antwort. — „Also denn, sprach endlich der ehrwür­

dige Priester, um die Gattin eines geheim­ nißvollen Einsiedlers,

Namen,

werden,

ohne Rang

eines Mannes ohne und

Derm-gen

zu

hat die sanfte Zungfrau von Un­

terlachen die Hand des edlen,

des mächti­

gen Grafen von Norindall ausgeschlagen l Ach, fuhr er fort, der Himmel hat mir keine Rechte über Elodien gegeben; als eine

verlassene Waise seid ihr Herrin über euch selbst; und was vermögen die klugen Rath­ schläge eines Greises, und die kalten Worte

der Vernunft gegen die glühende Sprache und die hinreißende Verführung

der Liebe,

des Herzens!....

Indessen, o meine Toch­

ter! antwortet mit Aufrichtigkeit: griff,

im Be­

euer LooS mit dem seltsamen Unbe­

kannten deS

WildbergeS zu

vereinen,

da

vielleicht ein Abgrund zu euren Füßen ist,

fühlet ihr bei meiner nicht eure

flehenden

Stimme

Entschließungen wanken?

Ist

euer Herz nicht von einem unwillkührlichen

Schauder



ergriffen?"....

mein Vater,

Festigkeit.

„Nein,

unterbrach ihn die Waise mit

Ich kenne die Seele deS Ein­

siedlers; ich fürchte nichts,

indem ich ihm

meine Zukunft anvertraue,

und ich glaube,

daß mir der Himmel selbst

schluß einflößte." der Greis. — wollen,



meinen

Ent­

„Ihr liebt!" sagte

„Würde ich Gattin werden

wenn ich nicht liebte!" antwortete

das junge Mädchen. Anselmus, fügte sie hinzu, weigert euch

nicht,

Elodiens

Verbindung

zu

segnen.

Kommt, am Fuß des heiligen Altares für

Ig6

und ihren Gemahl den Segen

die Waise

des Allmächtigen herabzurufen.

Durch euch

vereine sich meine Hand der....

„Eines

Unbekannten, eines Abenteurers vielleicht!" rief AnselmuS mit Schmerz aus.

wiederholte Elo-

„Eines Abenteurers!

die

entrüstet;

welches

Wort

beleidigende

Steht es euch

habt ihr da ausgesprochen!

zu, so von Konrads großmüthigem Retter

zu reden!“ Dann fuhr sie mit Nachdruck und fei­

erlicher Stimme fort: — nigen,

„Neben Demje­

den die Jungfrau von Unterlachen

gewählt, ist der mächtige Graf von Norindall nur ein dunkler rühmloser Sterblicher.

Der Mann,

welchem sie heute ihr Herz

darbringt, würde sich morgen, wenn er es wollte, hoch, im Vergleich mit den höchsten

Mächten

der Erde

erheben.

Hinsichtlich ist

die

Waise eher des Einsiedlers unwürdig,

als

ihrer Geburt und ihres

der Einsiedler

Ranges

ihrer unwerth

auf ihren Gemahl,

ist.

Stolz

will Elodie auf dem

187

--------------

Wildberge nur der Liebe gehorchen... vermag

aber dem Ruhme zu gebieten." Die Begeisterung glänzt in ihren Blikken, und vor Erstaunen verwirrt, „Elodie,

ruft Anselmus, seine Geheimnisse sind euch Sprecht endlich, wie ist

also bekannt?...

sein Name?"



„Am Traualtar, ant­

wortet die Waise,

will er ihn euch selbst

Unter den Gewölben der Klo-

mittheilen.

sterkapelle

soll

zum

letzten

Munde kommen.

Dem

dieser

mal aus seinem

den menschlichen Eitel­

Ruhm, der Hoheit,

keiten entsagt

Sollte

es

der

Name

Einsiedler

auf immer.

dem Diener Gottes

zustehen,

ihm daraus einen Vorwurf zu

machen!"

Bei jedem Wort Elodiens vermehrte sich

Anselmus Verwunderung. — ter,

begann sie wieder

Namen

eurer

„Mein Va­

von Neuem.

Zärtlichkeit für

mich,

Zm im

Namen des Himmels selbst, welcher meine Verbindung

geboten

zu

haben

scheint!

schwört mir. Niemand auf Erden das Da­

seyn des Mannes zu enthüllen,

der nicht

mehr unter den Menschen herrschen,

und

der auch seinen Namen nur im Angesicht

des Ewigen vertrauen will." — „Zch schwöre es!"

rief AnselmuS.

Und nun zweifelt der Pfarrer nicht mehr,

daß

der Verwiesene

des Wtldberges nicht

eine erlauchte Person sey; und

hätte ihn

wohl Elodie, die reine,

die tadellose Jung­

frau, so lieben können,

wenn er sich nicht

auch durch irgend eine Tugend ihrer würdig gemacht hätte!...

Anselmus bekämpft also

ihren unerschütterlichen Entschluß nicht län­ ger;

und am folgenden Tage bei den letz­

ten Strahlen der Sonne,

will er sie ins­

geheim mit dem Einsiedler in der Kapelle des Klosters vermählen.

Die Waise lenkte ihre Schritte wieder dem Wildberge zu:

denn vergebens

hatte

sie Anselm in der Priesterwohnung zurück­

halten wollen.

Sie fürchtete den Fürsten

zu beleidigen,

mißtrauisch gegen sein Herz

zu scheinen, wenn sie auch nur einen Tag aufhörte, sich seiner Redlichkeit zu vertrauen.

Zhn am Vorabende ihrer Vermählung zu

wäre

verlassen

bedurfte ihrer

grausam

gewesen:

Karl

wie sie

seiner

Gegenwart,

Liebe. Mit welchem Entzücke» finden

wieder!

Vor

sie sich

Einsiedelei,

friedlichen

der

bei der

auf dem Heidekraut des Waldes,

sanften Klarheit der Sterne, zärtlichen nicht

von der

der Seligkeit

Uebergang ist

mit welchem

sie

sich

gegenwärtigen Wonne

und

Ach!

der

Vertrauen

unterhalten

der Zukunft.... kein Traum

neben dem Andern,

Eines

mehr.

am Fessen der Hütte,

unter den

Lauben

vernehmen

sie weder

der Einsamkeit sanfte

das

sitzend,

Gesäusel

der spielenden Lüstchen, noch das ferne Ge­ murmel der Wasserfälle,

oder den harmo­

nischen Gesang der Waldvögel:

nur auf die auf die

seelenvollen Laute

glühenden

Worte

des

sie horchen der Liebe, Gefühls;

und wenn dem leidenschaftlichen Gespräche ein beredtes Stillschweigen folgt,

hören sie

igo

-----------

nur die Seufzer

das

und

Pochen

Ihrer

Herzen. Ungern zieht sich die Tochter der Abtei

unter das ländliche Obdach zurück, sie die nächtliche Stunde ruft.

den Einsiedler verlassen,

wohin

Sie muß

und jeder,

von ihm verlebte Augenblick,

fern

scheint ihr

Ein eben so treuer

dem Glück entwendet.

Krieger als feuriger Liebhaber, bewacht Karl mit Ehrfurcht das Heiligthum der Unschuld;

und die Zärtlichste

der

schönste der Jungfrauen,

Sterblichen,

die

schlummert »er«

trauungsvoll, glücklich und schuldlos, unter

der Obhut der Liebe,

in der Gewalt des

Leidenschaftlichsten der Menschen. Schon waren Eckberts

leichte Wunden

wieder vernarbt, Karl hatte seinen Waffen­

bruder wieder gesehen, und ihn von seinem Glücke unterrichtet.

Der Graf von Norin»

dall, fähig eickes solchen Opfers,

Karln zum Altar zu

begleiten,

versprach dem eheli»

chen Schwur der Treue beizuwohnen, wel­ cher ihn auf ewig von Elodien scheidet.

I9f Wie lang

Nacht! an;

dünkte

Endlich

dem Fürsten

brach

diese

die Morgenröthe

aber die Natur steht mit dem freudi­

gen Herzen des Einsiedlers nicht im Ein­ klang!

Der Himmel ist mit schweren Wol­

ken belastet,

und in der Ferne am düstern

Horizont erheben

sich

die Eisberge weiß

und schauerlich wie dunstige Gespenster.

Die Taube des Klosters tritt aus der sie betrachtet den Himmel

Hütte hervor;

und schaudert.... sagen könne»,

Glücke erscheint

An« Abend hätte man

daß die ganze Natur ihrem

zulächle;

der

anbrechende

als ein

finsterer Bote

welche

Bezauberungen

des

Tag

Un­

glücks. Aber

nicht die Liebe! ist

Elodiens

bewirkt

Bei Karls erstem Laut

Bestürzung

zerstreut:

Sturm ist mehr in den Lüften,

wölke deckt mehr den Himmel; mert sie die ganze Natur! ist ja an ihrer Seite.

Der

kein

kein Ge-

was küm­ Geliebte

Zn der Trunken­

heit der reinsten Genüsse,

in der Erwar«

---------------

IQ2

tung des vollkommensten Glückes sah Karl den Tag des

dahin schwinden.

erfreuenden

Lichtes

Das Gestirn

ihm

hatte

nicht

geleuchtet.

Eine Gewitterwolke

lag über

dem Thal,

und der ungestüme,

glühenden

Wüsten entronnene Ostwind,

den Gletschern.

näherte sich

Durch die Schatten begün-

siigt, steigen die Waise und der Fürst von

der Einsiedelei herab und gehen, ohne gese­

hen zu werden, durch den friedlichen Wei­ ler von Unterkachen, gelangen zum Kloster, und sind endlich in der Kapelle.

Die hochzeitlichen Kerzen sind angezün« bet; der Weihrauch brennt in goldnen Ge­

fäßen.

Elodie kniet im Hintergründe des

Heiligthums nieder.

Eckbert erwartete das

Brautpaar, er ist bleich und leidend, wagt nicht,

die Waise anzublicken.

und

Mit

traurig ernstem Gesichte steht Anselmus vor

dem Altare.

Also jetzt

men kennen lernen,

soll

welchen ihm der Ein­

siedler nur im Angesicht des hüllen wollte.

Der

er jenen Na­

Ewigen ent­

schweigende

Priester

scheint in diesem Augenblick ein Richter zu

seyn.

Sein

forschender

Blick

unab­

ist

lässig mit Schrecken auf Karln, mitleidsvoll auf

geheftet.

Elodien

hat begonnen,

Feierlichkeit

aber noch wagt der,

der Waise knieende,

Himmel seinen

Die

Einsiedler

neben

nicht, dem

Dank darzubringen:

zwar

vermag er sich die Ursache davon nicht zu erklären, aber vor dem Traualtar, wie vor einem Strafgericht zitternd, sucht er verge­

bens den barmherzigen, er sieht überall nur den schrecklichen Gott. Der Pfarrer von Unterlachen den Liebenden-

sich

und

mit

näherte

feierlichem

Tone fragt er den Bräutigam, welche Namen und Würden er unter den Menschen trage.

Als

wenn

ihn

diese Frage über­

raschte, als wenn er nicht darauf antworten

dürfte, bebt der Einsiedler zusammen.... Er hält inne, spricht

er

und mit unsicherer Stimme

endlich

die

Worte



aus:

„Karl von Burgund." Erschrocken

IL

prallt Anselmus

bis

zum

13

Altar zurück; seine Haare sträuben sich auf dem Haupte, seine Kniee beben, er bedeckt seine Augen mit beiden Händen,

ein

er stößt

Geschrei des Entsetzens aus...

dann

folgt das gräßlichste Stillschweigen auf die­ sen Angstruf,

welcher von dem Echo der

alterthümlichen Bögen wiederholt,

und sich

in den finstern Gewölben verliert,

wie der

Schiffbrüchigen

der

Hülfsruf

schweren

des

Wotte

erhebt Anselmuö,

der

Plötzlich

Sturms.

wie in prophetischer Be­

seine Blicke in die Höhe.

geisterung,

Er

und kommt rasch zu Karln

ist außer sich; zurück.

unter

Ein fremdes Feuer sprüht aus sei­

nen drohenden

Augen.

So

erschien der

vom Berge Sinai herabgestiegene

zornige

Moses vor den Juden, als er die Gesetzes­ tafeln zerbrach. hende Blitze

Anselms Stirne warf dro­

nieder;

es war

als ob das

Rollen des Donners seine Stimme beglei­

tete;

aus

Blitzen

schien

der

Mann

des

himmlischen Strafgerichts vorzuschreiten: — „Karl der Kühne!

rief er:

Geissel

der

19-5

Völker! welche Gewalt vermochte dich aus dem Grabe zurückzuziehen! Saint Maurs Mör­

der! am Altare des Herrn wagst du deine

blutige Hand der Tochter deines Schlacht­ opfers zu reichen!...

Schändlicher Ver­

Siehe Zrena's irrenden Schatten

führer!

Herstalls

siehe

hervortreten,

Tochter

de»

blassen Körper ihres Kindes zu deinen Fü­

werfen !....

ßen

Krieger!

Kirchenschänderischer

höre das Geschrei der erwürgten

Mönche dieses Klosters!

Henker der Völ­

die Erde schleuderr dich mit Abscheu

ker!

von sich,

und die heiligen Tempel stoßen

dich aus...

Fliehe, Ungeheuer!

entweihe

diese heilige Halle nicht länger mehr durch

Zm Namen

deine verworfene Gegenwart.

des Ewigen erhebe ich hier meine Stimme:

Verflucht sey der Verbrecher,

der blutdür­

stige Eroberer,

der Kirchen­

der Mörder,

schänder, der Gottlose...

Fluch Karl dem

Kühnen! Fluch!« Und der Nachhall der Grüfte

holte

von

alle»

Seiten i



wieder­ „Fluch!

Fluch!

Zn

terte ein heftiger Windstoß,

wie ein neuer

Vollstrecker des strafenden Zornes

lige Gebäude.

das hei­

Die Erde dröhnt.

fromme Denkmal wankt

Grundvesten.

erschüt­

demselben Augenblick

Das

auf seinen alten

Mit Gewalt reißt der Wind

die trüben Fensterscheiben des HeiligthumS

auf, zerbricht sie, schleudert sie herab,

dringt wirbelnd bis zum Altare:

zen

verlöschen;

die Kirche ist

Finsterniß versenkt,

und

die Ker­ wieder in

und die vom Sturm

bewegte Glocke der Abtei fängt an zu läu­

ten....

Elodte erkennt den unseligen Ton

wieder,

welcher

ihrem ersten Schwur in

der Gruft folgte. — ungssegen!"

ruft sie,

„Da- ist der Trau­ und sinkt leblos auf

die marmornen Grabsteine hin. Wie Heliodor im Tempel zu Zerusalem,

vor dem Engel mit den flammenden Dlik-

ken zu Boden geworfen,

ist der unglück­

liche Herzog von Burgund mit der Stirne

in den Staub gestürzt.

durchrieselt seine Adern,

Ein tödlicher Frost

sein eisiges Blut

stockt;

feine

fein irres Auge schließt sich,

seine Bewegungen wer­

Glieder erstarren, den juckend;

er stößt ein dumpfes Aechzen

aus, und während einiger Augenblicke ver­

liert er Stimme, Gefühl und Bewußtseyn.

Endlich schlägt Karl die Augen wieder Der Graf von Norindall hält ihn in

auf.

seinen Armen.

Bei dem

bleichen Schein

einer Kerze, welche der Wind selbst wieder

angezündet hat, sucht der Fürst rings umher die Jungfrau von Unterlachen;

aber durch

Anselm zu der Abtei gebracht,

war sie auö

der

Der

Kapelle

Raum

ist

verschwunden«

verödet;

Bannfluch

heilige

und

Tod

haben Liebe und Vermählung daraus ver­ scheucht.

Kein menschlicher Fußtritt,, kein

sterblicher Laut unterbricht die fürchterliche Grabesstille.

Alles unter diesem unglückseli­

gen Gewölbe scheint von der Verdammniß erreicht zu seyn;

und Karl hört von Zeit

zu Zeit nur das heisere Geschrei des Vos

gels

der

Ruinen,

wenn

er

in

seinem

Trauerflug die verlassenen Gallerten durch-

.Der unheilbare Schmerz ist stumm

rauscht,

das Grab.

wie

Karl

das

hatte

maß der Leiden erreicht.

Ueber­

Betäubt, regungs­

los, gleichsam nur noch das Bild seiner Selbst, betrachtete er

Freund

seine»

mit

starren

als wenn sich die Erinnerung an

Blicken,

Eckbert aus

seinem

hätte.

steht

Er

Schritte,

wie

verwischt

Gedächtniß

wenn

geht

und

auf

er sich

einige

überzeugen

wollte, daß noch Bewegung und Leben in

ihm sey;

befühlt sich mit Erstaunen,

wenn er sich zum erstenmal kennen spricht leise mit sich selber,

als

lernte,

als wenn er

sich fragte, wer er ist.

Sich von Eckbert entfernend, vertieft er sich unter dem dunklen Gewölbe Sein Auge ist wild,

pelle.

der Ka­

sein

Gang

rasch; die Stirne zur Erde gesenkt, setzt er

sich bei einer Säule nieder, unverständliche Worte, Lippen, mit

seltsame

Laute entschlüpfen seinen

und geheimnißvoll scheint er sich

unsichtbaren

Eckbert naht sich,

Wesen

zu

unterhalten.

spricht zu ihm... aber

wenn

als

einer unbekannten

er

Stimme

gebietet Karl durch einen

Lauschen müßte,

Wink Stillschweigen.

Der Sturm hatte sich verzogen, dem Grafen von Norindall,

von seinem Freunde wich,

welcher nicht gelang es end­

ihn der unglücklichen Kirche zu ent­

lich,

Er zog ihn mit sich fort,

reißen. aus

und

der Abtei.

Aber

und

Karl stehen

er floh

auf einmal

blieb

stieß Eckbert zurück. —

„Wohin gehe ich?"... rief er. —

„Auf

den Wildberg." — „Wer will es haben?" —

Und dieser, fast nur aufs Gera­

„Elodie."

dewohl ausgesprochene Name

magische

Wirkung hervor.

brachte

eine

Ohne Wider­

stand folgte der Herzog von Burgund sei­

nem Führer. rüttung,

Zn fortdauernder Geisteszer-

setzte er über den Strom, durch­

ging

den Wald, klimmte

auf;

und,

des

den Berg hin­

wahrscheinlich durch die Milde

Himmels

des

Bewußtseyns beraubt,

war er in die Einsiedelei eingetreten, ohne zu wissen, woher er kam, noch wo er anlangte.

Zn der wilden Hütte der Verbannung endlich

erlag

Leidens;

Karl

dem Uebermaß seines

vernichtet sank er auf die Schilf­

matten nieder.

Wie eine Bleimasse

legte

sich ein tiefer Schlaf über seine starren Glie­

der; und

die Ruhe der Empfindungslosig­

keit unterbrach in ihm für wenige Stunden

die Qual des Daseyns.

Die Schleier der Nacht wurden dichter. Der Regen fiel in Strömen herab.

Nicht

weniger unglücklich als sein Fürst,

wachte

der Graf von Nortndall bei Karls leblosem Körper, als er sich plötzlich bei seinem Na­

men rufen hörte.

Eckbert hob die Augen

und Vater Anselmus stand vor ihm.

auf,

Von Erstaunen ergriffen blieb der edle Rit­ ter still.

Die erste Aufwallung des Zorns

zurückdrängend, wendete er das Haupt ab...

dann,

mit einem

bittern Lächeln auf den

Unglücklichen zeigend,

sagte

er zu

dem

Priester:

— „Hier ist er! donnert

auf

ihn!

Unversöhnlicher

noch einmal

Diener

der

betrachtet euer

Rache,

öden Felsen der

der

Strohdach

Opfer.

Auf dem

Verbannung,

unter dem

Dürftigkeit,

diesen

sehet

leblosen Körper, diesen ohne Beistand dahin

sterbenden Menschen....

zwinger Europa's,

Es rst

der Be­

der mächtigste der Für­

sten, der Held des Jahrhunderts, der

Karl

Kühne!....

Seid

dieß ist

ihr

nun

befriedigt?" Anselms Gesicht schwamm

in Thränen.

— „Der Himmel hat es so geboten, sagte der Greis.

Zch habe

Diener

Altars

des

meine Pflicht

erfüllt,

ich

als

komme,

meine Obliegenheit als Hirte der Menschen zu verrichten.

So sehr als das eure,

vielleicht noch mehr, O Eckbert!

rissen.

ist

mein Herz

herabschleuderte,

Burgund

war

eine unwiderstehliche

durch

wirkung auf mich dazu angetrieben. Mund

hat — — mir

Worte ausgesprochen; über meine Lippen ,

zer­

als ich den Blitzstrahl

auf Karln von ich

und

Ein­ Mein

selbst unerwartete

der Bannfluch ging

aber nicht aus meiner

Seele,

Eine übernatürliche Gewalt wirkte

in mir.

Als Werkzeug des Himmels habe

ich im Kloster gedonnert;

Thales

als

Greis des

in der Einsiedelei zu

komme ich,

weinen."

Frömmigkeit,

Die

Wahrheit,

erhabenen

der Schmerz,

die

die christliche Liebe hatten ihre Züge

.auf

Priesters geprägt.

das

Angesicht

des

Als Eckbert, Anselm's

Thränen und seine durch die Zahre gebleich­ ten Haare

als er seine seuf­

betrachtete;

zende Stimme und klagende Rechtfertigung hörte;

vermochte er nicht, ihn zurückzusto-

ßen.

Er

seufzte

und

die

Vorwürfe

schwiegen. „Edler Graf von Norindalt,

fuhr An­

selm fort, ohngeachtet der Finsterniß,

der

Gefahren des Weges und meines vorgerück­

ten Alters, wollte ich euch diese Nacht spre­

chen.

Der Himmel hat mir Kraft verlie­

hen zu euch zu gelangen: sich endlich besänftigen.

Ziel

der

vergeltenden

sein Zorn kann

Vielleicht ist das Strafe

gekommen.

D saget Karln, da er mich jetzt nich: hören kann,

sagt ihm ja,

daß er nicht an der

Vorsehung verzweifeln soll,

und daß hie-

nieden kein Unglück unheilbar sey."

— „Wie!

rief

ihr

Eckbert,

konntet

hoffen ! ....

— „Die Hoffnung ist eine Tochter des

Himmels,

Niemand

fiel ihm der Greis ins Wort; soll sie

Meine

zurückstoßen.

Stimme hat den Bannfluch ausgesprochen,

der Ewige kann auch durch meine Stimme

Aber,

edler Eck-

Karln und Elodien

zu retten,

Vergebung verkündigen. bert,

um

laßt euch von meinem Rathe leiten! dem Bestreben des Seelenhirten

stehet

von

Un­

terlachen bei!"

— „Ach! sprach Eckbert mit Feuer, verfüget über mein

ganzes

Leben.

Befehlet!

ich

gehorche: Sprecht! was soll ich thun?"...

„Haltet Karln in der Einsiedelei zurück, antwortete Anselm; und der Eintritt in die

Abtei

muß

ihm für einige Tage

versagt

bleiben! Saint Maurs Tochter ist sterbend;

die geringste Erschütterung

kann ihr

Leben

verkürzen; der Anblick des Fürsten in diesem

Augenblick würde ihr den Todesstoß geben.

Weder er, noch ich, dürfen vor ihr erschei­

nen.

Eckbert, wachet über Karl,

ich kehre

zurück, um über Elodien zu wachen."

Bei diesen Worten schickte er sich an, die Hütte zu verlassen.

Nichts schreckt ihn,

weder der Wald, noch die Wildbäche, weder der

Regen,

noch die Finsterniß.

Seine

Kleider triefen, seine Glieder sind von Frost erstarrt; Anselm hat nichts bemerkt, nichts davon

empfunden:

seine

und

glühende

fromme Seele hat ihre sterbliche Hülle wie

vergessen; mit Freuden würde er

um den

Preis seines Lebens den Bannfluch

zurück

erkaufen, den er geschleudert hatte. Nachdem er noch

Herzog

von Burgund

wieder

zurück;

Fürsten

und

aufhebend:

einen Blick auf den

geworfen,

kam er

die kalte Hand Unglücklicher!

des sagte

der Greis, einmal in meinem Leben bin ich also grausam gewesen!

„Gerechter (Sott! fuhr er fort, indem

er auf die Kniee fiel und Karls Hand in

den [einigen drückte; zigkeit!

wenn

Gott

irgend

Handlung meines

Barmher­

tugendhafte

Lebens eine Belohnung

zu verdienen vermochte, um welche ich

der

eine

dich

die,

schenke mir

anfiehe!

rette Karl!

rette Elodie!

Oberster Richter des Geschickes!

bedarf

eS eines Sühnopfers, so treffe mich! ich bin

es zufrieden;

verdamme den Rest

meiner

Tage zu den gräßlichsten Martern der Buße, ich unterwerfe mich, und

begnadigt,

aber laß nur, vereint

Elodien

und

Karl das

Glück wiederfinden.

Karl! hier leiste ich dir den Schwur: nie werde ich mehr das härene Gewand ver­

lassen; nur von wilden Kräutern will

leben, nur das

ich

Wasser des Stromes soll

meinen Durst stillen; nur auf Asche werde

ich schlafen.

Möge ein Leben voll Entbeh­

rungen und Qualen für dich den

Ewigen

besänftigen, und jede Spur des gräßlichen

Schlages verlöschen, womit ich dich gegen

meinen Willen traf!“ Längst schon hatte der Pfarrer von Un­

terlachen

den

wieder

Kloster

zum

Weg

als der Herzog von Burgund

angetreten,

Die ersten Strah­

ins Daseyn zurückkam.

len des Tages erleuchteten die Hütte. — „Elodie!

Augen Stimme

Elodie!"....

umherwerfend. der Waise

Karl

rief

Aber

die

die

süße

antwortete

dem Ruf

zur

Vernunft

der Liebe nicht mehr.

Der Fürst

war

zurückgekehrt.

wieder

Die

ist auf seinen Zügen;

finsterste Abspannung

seine Ruhe

ist die

letzte Abstufung der Leiden, seine Ergebung

unglückverkündigend, und sein düsteres Hin­ brüten

eine geistige

Vernichtung.

Karl

hatte in seinem Leben alle Klagen des Un­

glücks, alles Toben der Raserei, alle Seuf­ zer der Reue, alle Laute der Verzweiflung erschöpft.

Ach!

von

allen

Aeußerungen

des Schmerzes ist bei ihm sein Schweigen die furchtbarste.

hegte der Graf

Noch

Norindall

von

einige Hoffnung; er erzählte seinem Freunde Anselms nächtlichen Besuch, den Beweggrund dieses Ganges, und sein rührendes Gebet.

Kaum von

seinen Wunden wieder herge-

stellt, hatte Eckbert bleich

opfert sich

für

und leidend die

der Hütte gewacht,

ganze Nacht in

seinen

Karl betrachtet,

und

Waffenbruder auf.

hört ihn, und

allmählig

öffnet sich seine Seele den Erschütterungen des Gefühls wieder: eine flüchtige Thräne

fällt von stürzt

seinen Wimpern herab.

in

seine

Arme.



Eckbert

„Weine!...

ruft er, — Weine! der Himmel und die Erde erwarten diese Thräne."

— „Die Erde!... antwortet der Fürst; die Erde erwartet nichts mehr von mir als meine sterbliche Hülle: und derHLmmel!"...



„Der

Eckbert,

der

Himmel,

unterbricht

Himmel

ist

die hochzeitlichen Fackeln können sich

anzünden."

Karl

ihn

entwaffnet;

erwiederte nichts.

wieder

Eck­

bert führte seinem Geiste nur tröstliche Bit-

der vor,

den

und versuchte,

Balsam

Folgsam

den

in Karls Seele

Hoffnung

der

Wünschen

zu

träufeln.

seines Freundes,

verließ der Fürst die Einsiedelei nicht; aber

zwei

Tage vergingen

in

tödtlichsten

der

Angst; keine Nachricht aus der Abtei!.... und der Graf von Norindall fürchtete, sich

von Karin zu entfernen!.... Eckbert fing an,

sich von Anselm für.

verlassen zu halten; und doch hatte Anselm nicht aufgehört, ihm geheime Boten zu sen-

den, um ihn von dem hoffnungslosen Zu­ stande der Waise und den Fortschritten ihrer Krankheit zu unterrichten: ihnen

wagte,

ersteigen;

den

aber keiner von

gefürchteten

Berg

zu

und der Greis wurde durch fal­

sche Antworten getäuscht. Die Morgendämmerung des dritten Ta­

ge- brach in dem Thal an: vermochte

Karl

ertragen, welche

die

ihn

nicht

schreckliche

verzehrte.

länger

Angst

zu

Eckbert-

Wachsamkeit zu entgehen, war sein einzigeVerlangen, sein einziger Gedanke geworden.

2C9

Ein Geräusch ließ sich unten am Fußpfad,

der

führte,

Einsiedelei

zur



hören.

Der Graf von

„Man kommt!" rief Karl.

Norindall stürzte fort, stieg den Berg hin­

unter;



Nachsuchung!

— vergebliche

eitle Erwartung!

Voll Verzweiflung kehrte

Eckbert zur Hütte zurück....

von Burgund

Der Fürst

Schon ist der Herzog

war verschwunden.

jenseits

des

Stromes;

er

geht durch das Thal: die Thüre des Parks ist offen;

er

dringt

in

Gärten....

die

Alles schläft noch in der Abtei; Niemand

kann

ihn bei Elodie einführen.

tet seine Schritte zu

dem

Er

rich­

unterirdischen

Gang, welcher mit der Kapelle in Verbin­ dung steht;

wenn

er in den Mauern des

Klosters auch nicht bis zu Elodien zu drin­ gen vermag,

so hofft er doch irgend einem

Diener zu begegnen,

der ihn

von ihrem

Schicksal unterrichten kann. Vor dem Gebüsch,

wo Herstalls sterb­

liche Hülle ruhte, blieb er stehen: hier war

II.

14

es, wo er zum erstenmal vernahm, daß er geliebt wurde. Im Vorübergehen wollte er die Laube der Liebe und des Todes begrüßen: er geht vorwärts, biegt die Zweige auseinander, und wagt kaum sei­ nen Augen zu trauen. — Weiß wie die Schneeflocke, welche an den Tannen der Alpen hängt, erblickt er ein bleiches klagendes Schattenbild, matt gegen da- Todtenkreuz gelehnt. Mit von Furcht und Hoffnung schlagendem Herzen nähert sich Karl; die Jungfrau des einsamen Gebüsches erhebt ihre blasse Stirn, und erblickt ihn. — „Karl!“ ruft sie, will auf ihn zustürzen, sinkt aber auf den Grabhügel, kraftlos vor seinen Füßen nieder. — „Elodie! schreit der erschrockene Fürst, indem er die Unglückliche aufhebt, ihr hier!".... Großer Gott! wie sind ihre Züge durch die Leiden verblüht! und doch, wie schön ist sie noch! — „Sie wachen rings um mich, spricht die Waise mit irrem Sinn, aber

der Schlaf hat ihre Augen gegen ihren Willen geschloffen; in einem Fieberanfall bin ich meinen Wächtern entkommen: ich habe hieher gehen wollen, um zu sterben." Dann fährt sie, allmählig ihre Lebens­ geister sammelnd, fort: „Karl, ich ahnete daß wir uns noch Wiedersehen würden.... Hier war es, wo Elodie das erste Geständ, niß der Liebe aussprach: hier wird sie den letzten Abschied vom Leben nehmen." — „Nein, ruft Karl mit Heftigkeit; nein, nichts, nichts, selbst das Grab nicht, wird mich von dir trennen." — „Ich wäre so gern auf den Wild­ berg gegangen; aber meine Kräfte erlaubten es nicht, erwiedert die Waise mit schwacher sterbender Stimme. Ach! ich war so glück­ lich in der Einsiedelei... Es dünkt mich, als ob mich dort der unerbittliche Tod nicht erfassen könnte; die Liebe hätte ihn zurück­ gehalten. Der Hauch der Liebe ist ja das Leben!“... — „0 Gott! sprich nicht vom Tode!

unterbricht sie Karl verzweiflungsvoll,

von Liebe rede mir.

Einsiedelei

zur

nur

Komm, du wünschest

zurückzukehren,

laß

unS

Du kannst nicht gehen,

dahin aufbrechen!

nun wohl,

ich trage dich auf meinen Ar­

men dahin.

Dort ist der Himmel milde,

dort lächelt uns die ganze Natur;

ruft uns die Liebe;

dorthin

dort erwartet uns das

Glück." — „Das ach! ja,

wiederholt

Glück!

Elodie,

daS Glück war dort.», laß uns

hin."

Als sie dieses sagte, wollte sie aufstehen:

aber der Frost des Todes durchdrungen. Augen vorüber,

wie das Gespenst des letz­

ten Augenblickes.

Sie sinkt wieder

den Worten zurück: —

ist zwischen uns...

werde den Wildberg

mit

„Karl, der Fluch

Nein, ich werde nicht

zur Einsiedelei gelangen.

hen.

hat ihre Adern

Eine Wolke zieht vor ihren

Zch fühle es, ich

nicht mehr Wiederse­

Ach! warum bin ich von ihm herab­

gestiegen!"....

Ihre ' Stimme

von

Unterlachen

erlischt,

ist der

die Jungfrau

Ohnmacht nahe.

Der Fürst zieht sie außerhalb des Gebüsches:

die Liebe, die Wuth, die Verzweiflung, der Wahnsinn

herrschen in allen seinen Reden,

brechen aus seinen Bewegungen hervor: —

„Halt ein! sagt Elodie, ihren Sinnen wie­ der mächtig, o mein theurer Geliebter, halt

ein!

Sieht man von hier aus den Wild­

berg ?.... erblickt man von hier die Hütte des Einsiedlers?

O, Tod gewähre mir noch

einige Athemzüge. —

Dorthin nur noch

einen einzigen Blick; einen letzten Seufzer!" — „Elodie! Elodie! ruft Karl, der zer­

reißenden Angst feiner Seele unterliegend­

rede mir nicht so;

meine Kräfte verlassen

mich, du entreißest mir das'. Leben."

Dann

„Was sprichst du von Bann­

lassend: —

fluch.

Bereit,

Anselmus Der

auf eine Rasenbank nieder­

sie

ihn

zurückzunehmen,

versprochen

Himmel

sobald Elodie

verzeiht znm

uns zu

vereinigen.

endlich....

Altare

hat

und

zurückzukehren

vermag, wird Anselm, im Namen des All­

Karin und seine Geliebte ein­

mächtigen,

segnen." spricht die Waise, der

„Was höre ichl

verzeiht!...

Himmel

Gattin seyn!

würde

Zch

deine

glücklich

wir könnten noch

werden!"...

Blick

Elodiens pocht heftig;

ihr

Herz

rin leichtes Roth färbt ihr

ein Strahl von Freude erscheint

Gestcht;

auf ihren

Waise

ist beseelt;

ist

matten

Zügen:

die

sterbende

plötzlich

wieder

zur

reihenden

Jungfrau von Unterlachen geworben. Karl

lebte wieder

zur Hoffnung auf.

— „Za, erwiedert er mit Entzücken, auf

dem Berge, in der Einsiedelei,

werden wir

das Glück wiederfinden!"

Elodie erhebt sich wankend. — sagt sie,

welcher süßer Augenblick!

Begeisterung

durchbebt

mich!...

„Karl, welche

Nein,

nie habe ich dich so sehr geliebt; öffne dei­ ner Braut die Arme; ich will deine Stimme näher hören....

0 Karl!

ich bedarf eS,

das meinige schlagt,

b»5 dein Her; gegen

ich muß deinen Hauch einathmen, ich habe dein ganzes Leben nöthig."

Die

sanfte Jungfrau von Unterlachen

ist in den Armen ihres Gatten.

Er drückt

ste leidenschaftlich an seine Brust; ElodienS sanft

auf

seinen

Haupt

ist

geneigt:

ei» tiefer Seufzer entwindet sich

Dusen

ihren Lippen; sie hat den Namen des Ein­

siedlers

ausgesprochen...

seine Geliebte gerettet,

glaubte

Karl

und seine Geliebte

hatte ausgehört zu leben!... Der unglückliche Herzog von stößt ein Jammergeschrei aus.

nicht mehr!...

Burgund Elodie ist

Auf Herstalls Grab legt

er die angebetete Jungfrau nieder; sich in Raserei zur Erde werfend,

dann

beißt er

mit den Zuckungen des tobenden Wahnsinns

in den Rasen drs Grabhügels, die Haare aus,

reißt sich

rnd zerfleischt sein Gesicht

mit gewaltthätigen Händen. gen sind geschlossen...

Elodiens Au­

Es ist aus;

das

einzige Licht, das für ihn auf Erde» glanzte.

ist für immer erloschen. die Vernichtung

Das Entsetzen,

umhüllen ihn

mit ihrer

Ach! Karl der Kühne,

dichten Finsterniß.

bestimmt alle Qualen des Daseyns zu erdul­

den, sollte,

vom Gipfel jeder menschlichen

Glückseligkeit herabgestürzt,

nach

einander

alle Martern des Herzens empfinden, durch jedes Gräßliche, jede Verzweiflung des wehe­

vollen Thales gehen.

Eine furchtbare Regungslosigkeit folgte

den

heftigsten

Während

Ausbrüchen

einiger

der

Raserei.

Augenblicke schien Karl

mit seiner Geliebten in den ewigen Räu­

men vermählt zu seyn.

Plitzlich richtet er seine zerstörte, dem Blut der Wunden

von

die er sich im An­

fall der Wuth schlug, befleckte Stirn wieder

Nicht weit von dem Fürsten vergoß

auf.

in diesem Augenblick ein kaieender mit In­ brunst neben

betender Priester der

entseelten

bittere

Zungfrau.

Thränen Karl

erkannte Anselm.

— »Barbar!

schrie er, mit Wuth auf-

stehend:

du

weinen!

wer hat sie

Thränen

Wer hat sie in

dein Mitleiden gung;

vergießen!.... du

getödtet?....

denn

das Grab gestürzt? ist nur

Ha!

eine neue Beleidi­

dich, Ungeheuer! oder ich

entferne

füge ein Verbrechen mehr zu den übrigen Verbrechen meines Lebens! ich

darf dich

opfern.

ihrem

Za, ich will,

klagenden

Schatten

Ich konnte ihr noch nicht folgen,

weil ich sie zu rächen hatte."

Nach diesen Worten ergriff er,

in Er­

manglung eines Schwertes, einen ungeheu­

ren, zur Grenze nenden Stein;

bei Herstall's Grab die­

und

dem

blutigen

Geier

ähnlich, welcher auf den vertheidigungslosen Vogel eindringt,

hebt der Fürst den Tod

über Anselm's Haupt empor.

— „Treffe! spricht der Greis mit Ruhe und ohne seine ehrwürdige Stirne zu beu­ gen, treffe nur, Unglücklicher! und wage es, dich

hier

für

die

Ewigkeit

von

ihr zu

trennen!" Von dem

Tone des Priesters,

seiner

Ergebenheit, seinem Muthe, und von dem erhabenen Ausdruck rascht, hält

seines

Blicke-

über­

Dann, den mör­

Karl inne.

derischen Stein weit von sich schleudernd: — „Nein,

ruft er aus,

Todt noch gebietet

sie

sie ist zugegen....

Seele....

meiner

Ein Verbre­

Du wirst nicht umkommen.

chen, eine That der Rache waren verabscheu­ ung-würdig ihren Augen.

Zch will die Luft nicht entwei­

wärtig...

hen ,

Sie ist gegen­

die sie noch eben erst einathmete....

Ihr letzter Hauch umweht mich, ihn, er spricht zu mir....

0!

ich höre

antworte,

Elodie! hast du mir nicht eben zugerufen...

Halt inne!"

Und mit irrem Wesen neben seiner Ge­

liebten auf die Kniee sinkend,

beugt er sich

zu ihr, und sie immer noch fragend, wieder­

holt er mit einem herzzerreißenden Schrei: — „Antworte, Elodie, antworte!.... e-

ist dein Geliebter, der dich ruft." Der

Greis

Karl- schmerzliche

von

Unterlachen

Qualen.



theilte

„Elodie!

rief er seiner Sekts: vermagst du nicht auf

seine Stimme zu antworten?....

O du,

die du ihn so

träufle

sehr geliebt

hast,

wenigstens aus den unsterblichen Höhen, die du schon bewohnest, auf die Wunden dieses

einen

Unglücklichen

Balsam

lindernden

herab." Erstaunt betrachtet der Fürst den Prie­

ster bei diesem rührenden Gebete.

Mit in

Thränen schwimmenden, zum Himmel erho­

benen Augen, die

göttliche

flehte Ansekmus für Karl»

Barmherzigkeit

an.

Seine

weißen Haare, seine fromme Stellung, seine begeisterte Stimme, alles erinnerte bei ihm

an den Vater der Wüste,

als er sich mit

dem Ewigen besprach. — „Du

Fürst Zorn:

mit

betest für mich? düsterer

Grausamer!

Stimme, du

hast

Bannfluch vergessen!".... nur an dein Unglück,

mit Nachdruck.

sprach

aber

der

ohne

denn deinen

— „Zeh denke

antwortete Anselmus

Karl,

der

Himmel

hat

dich für wenige Augenblicke von dem Engel

getrennt, den er dir nur darum sandte, um

dich zu ihm zurückzuführen: Hoffnung

du

Willst

des

Himmels

dich

durch

der Verzweiflung,

willst du die täuschen?....

strafbare Ausbrüche

durch ein gottloses Ende

in den Abgrund zurückstürzen?...

Willst

daß die angebetete Jungfrau,

welche

du,

dich zu sich ruft, noch jenseits, im Aufent­ halt ewiger Seligkeit, Thränen vergieße?"

— „Sie

ruft

mich!....

Hören wir sie."

Karl verwirrt....

So sprach

wiederholte

und seine Blicke gegen

er,

das Todtenkreutz wendend,

glaubte er in

diesem Augenblick einen Lichtstrahl auf die Waise

des

Klosters herabfallen

zu sehen.

Elodiens Züge schimmern in einem überna­ türlichen Glanze;

das Gebüsch ist wie von

einer Weihrauchwolke durchduftet, scheint,

als ob aus

und es

den Höhen der Lüfte

eine himmlische Stimme den Namen „Karl" ausgesprochen habe.

— „Anselm! sagte der Fürst außer sich, sie hat gesprochen....

sie

erwartet mich.

Aber wer wird die Schranken niederreißen, die mich von ihr trennen?

wer wird mir

den Himmel aufthun?"...

— „Wer!...

von heiliger Begeiste­

antwortete Anselm,

rung ergriffen; derjenige, welcher als Nach­

folger der Apostel die Gewalt zu verdammen zu binden und zu lösen

und loszusprechen,

empfing.... ein Stellvertreter des Ewigen,

Anselmus selbst."

Barbar !"... schrie

— „Ihr,

mit Entsetzen

Karl,

zurückschaudernd. —

fuhr

mächtiger Gott,

„All­

Anselm fort, führe

den Unglücklichen zu dir zurück.

Was ver­

mag meine Schwachheit ohne deinen Bei­ stand!

Geist Gottes,

beseele mich.

Was­

ser des ewigen Lebens, rinne vom unfrucht­ baren

Wüste

Felsen

herab!

verbreite sich

Worte des

Friedens

bis zu Karls Herzen. meines

Lebens,

selbst hinaus!

Ueber die

finstere

himmlische Klarheit!

und

Heils,

Ihr letzten

dringet Kräfte

schwinget euch über mich

Möge ich ihn retten,

dann sterben!"....

und

Bei diesen Worten, kannte Macht

durch eine

unbe­

eine unwider­

überwältigt,

stehliche Bewegung hingerissen: — „Gott ihn Karl

meiner

mit Heftigkeit,

meines Lebens sind abgebüßt!....

unterbrach

Elodiel

die Verbreche»

also noch nicht genug

Wohlan! du entreißest mir

den letzten, den schrecklichsten Kraftaufwand

der menschlichen Tugend....

den

Füßen

desjenigen

Zch sinke zu

nieder,

Alles auf Erden genommen,

der

mir

der mir mehr

als daS Daseyn geraubt hat.

Zch erflehe

meine Verzeihung von dem Manne, welcher für

mich

der

gewesen ist....

grausamste

der

Menschen

Hier steht ElodienS Mör­

der! und ich will ihn Vater nennen." Dann vor Anselmus niederknieend: — „Diener des Herrn!

Wort, widerrufe

nahm er wieder daS

denn deinen

Bannfluch:

jede Schranke sinke zwischen Elodien und mir danieder!

Spreche Karl den Kühnen

los, öffne ihm den Weg zum Himmel!... Segnet mich, mein Vater."

Bei diesen letzten Worten erstarb die Stimme auf seinen Lippen. Das gräßliche Opfer war vollbracht; seine Kräfte verlie­ ßen Ihn. Am Fuß des Kreuhes, welches er umfaßt, blieb Karl wie versteinert liegen. — „Richter der Barmherzigkeit! rief Anselmus mit aller Begeisterung des christ­ lichen Glaubens, es ist geschehen, du ver­ zeihest; ich fühle es, dein himmlisches Feuer ist auf mich herabgestiegen, du sprichst zu mir, du beseelst mich."... Der Hirte der Gläubigen unterbrach sich einen Augen­ blick, als wenn er einer göttlichen Harmo­ nie lauschte, als wenn er insgeheim Worte des Schöpfers empfinge; dann plöhlich fuhr er mit fast übermenschlicher Stimme fort: — „Karl von Burgund, deine Reue hat den Ewigen gerührt; deine Leiden ha­ ben deine Missethaten abgebüßt: im Namen Gottes des Barmherzigen, im Namen Gor-

res des Erlösers,

sind dir alle deine Sün­

den vergeben." So spricht

umgeben

er;

ihn

wie

mit

funkeln,

Blicke

seine

strahlet, seine

Stirn

seine

weißen Haare blendenden

einem

Lichtschein; es ist Johannes, der die Wüste

erleuchtet; es ist Elias auf dem Berge Carmel, welcher der Natur das Leben wieder-

giebt.

O

erhabne

Wunder

Karl von

der

Macht der

Frömmigkeit!

Burgund,

Religion! der

0

berühmte

von seiner irdischen

Hoheit herabgestürzt, seines Ruhmes entklei­ det, jeder Hoffnung, jeder Glückseligkeit abge­ storben, fühlte bei der Stimme eines einfachen

Priesters, Kreutzes,

am

Fuß

einer

bescheidenen

in seiner Seele einen unerwar­

teten Frieden, und eine göttliche Begeiste­

rung. fen

Der Erinnerung, wie den Vorwür­

entgangen,

erquickt, ließ Karl, Himmel

erreicht

mit

ungehofftem

Troste

als wenn er schon den hätte,

weit

hinter stch

zurück, was die Erde ihm nun noch geben

22Z

konnte.

Der Graf von Norindall erschien

jetzt am Eingang deS Gebüsches-

er hatte

alles vernommen, alles gehört. — „Eckbert, rief Anselm, entreißt euren

Zeh habe

Freund diesem traurigen Orte! gegen die Waise des

letzten

Klosters die

Pflichten zu erfüllen." Eckbert fürchtete Karls Widerstand; wie

groß

Erstaunen!

ist aber sein

hört ihn an, auf und folgt

antwortet nichts, ihm.

Schon

Fürst

der

steht aber

beide,

find

nachdem sie den Berg schweigend erstiegen,

in der

Einsiedelei

angelangt.

Ach!

der

Graf von Norindall hatte ja auch in Elo-

dien das einzige Wesen verloren,

für wel­

ches jemals sein Herz in heißer Liebe schlug; und gezwungen seine Thränen zurückzuhal­ ten, muß er, seinen Schmerz unterdrückend,

Trost spenden, wo er selbst untröstlich ist. Ein geheimes Vorhaben schien alle an­

dere Gedanken Karls zu verschlingen. hig wie die Empfindungslosigkeit, wie der Tod, II.

Ru­

stumm

das Auge beständig auf den

15

Horizont gerichtet,

den Tag endigen zu

Ungeduld gemartert,

Die Nacht nahte endlich, und Karl

sehen.

brach

„Eckbert,

Stillschweigen. —

das

sagte er,

wenn du

meine letzte Ditte,

ach!

gern!" —

mich

so

liebst,

höre

letzten

erfülle meinen

„Sprich,

Wunsch." — bert;

von der

schien er nur

antwortete dir

verwei­

„Laß mich vier und

zwanzig

was

könnte

ich

Stunden allein in der Einsiedelei;

meine Hoffnung ist.... aber

frage

nicht was

mich nicht, was meine Absicht,

Unglück,

Eck»

bei

meinem

bei deiner Freundschaft schlage es

deinem Waffenbruder nicht ab: dir,

meine Tage nicht

diese

Gegend nicht zu

morgen Abend

ich schwöre

zu verkürzen und verlassen.

Komm

zur nemlichen Stunde

zu

deinem Freund zurück, du wirst ihn in der

Einsiedelei finden." Der

Graf

von

zwar Karls geheimes

Norindall wußte Vorhaben nicht

sich

zu

erklären, aber er kann sich nur seiner Ditte

fügen.

Er wollte sich entfernen,

er hatte

die Schwelle „Eckbert!

der Hütte überschritten.

rief

Karl

mit

— und

zärtlicher

wehmüthiger Stimme, ein Wort noch!....

Theurer großmüthiger Eckbert, ehe du mich vergieb mir den vielen Schmerz,

verläßt,

den ich dir zufügte: vergieb mir die Thränen,

die

du

um meinetwillen vergossen;

vergieb mir deine Leiden, dein Unglück!" — „Ich! hen!....

rief Eckbert,

ich dir verzei­

daß

Hast du glauben können,

die Opfer der Freundschaft Martern wären!

daß die Hingebung ein Unglück sey!....

O

mein Fürst! o mein Freund! war ich nicht

dein Waffengefährte?

hattest du nicht da-

Recht, Alles von mir zu fordern. Alles von meinem Herzen zu erwarten?"

— „Ohne mich, erwiederte Karl bitter,

wäre sie

deine Gattin

geworden.

Ohne

mich würden der Graf von Nonndall und die Zungfrau von Unterlachen in liebendem

Verein glücklich mit einander leben.

habe dir den Gegenstand zogen;

Zch

deiner Liebe ent­

ich habe dir das Glück entrisse»,

---------------

238

und mich ihrer nur bemächtigt, um str in«

Ach! dies war meine

Grab zu stürzen.

Bestimmung: ich, die Qual aller Wesen, die

mich geliebt, verbreitete nur den Schmerz,

das

Entsetzen

und

den

um

Tod

mich.

Viele Herzen haben sich zu Karln geneigt...

Er empfing sie nur, um sie zu brechen."

— „WaS sagst du? fiel Eckbert lebhaft

ein.

Welcher Fürst verbreitete mehr Wohl­

thaten um sich her, wer verstand sich tzesser auf die Freundschaft wie du?

Wer

stand

als

Gebieter der Kbnige,

Held des Jahrhunderts,

auf dem Gipfel

menschlicher Höhe,

ließ

und

auf den dunklen Eckbert

sich

herab,

einen

günstigen

und zärtlichen Blick zu werfen?

Wer hat

mich mit Würden bekleidet?

wer mir drei­

mal das Leben gerettet?....

Karl,

fuhr er fort,

meine Erhebung, Reichthümer;

ich verdankte dir

meine Ehreniitel, meine

von diesem Tag an entsage

ich ihnen auf immer:

fern von Höfen und

Palästen, werd« ich

künftig

keine andere

------------------

22Y

Wohnung haben als deine Hütte, kein and«« res Daseyn als dein Leben. dieser öden

Zch will auf

Erde

freudlosen

nichts

mehr

sehen, niemand mehr folgen, niemand mehr

nicht den

lieben als Karln,

vom Glück

begünstigten, ruhmgekrönten Karl von Bur­ gund;

aber meinen Freund,

meinen Waf­

fenbruder, den Einsiedler des Wildberges." Der Herzog von Burgund bedeckte sich

die Augen mit seinen Händen; von Schluch­ zen erstickt

vermochte er

kaum

mehr

zu

athmen. — „Nein, sprach der Unglückliche,

als

wenn er sich selbst antwortete, nein, wer so geliebt

wurde,

kern

konnte

Ungeheuer

seyn!"

„Karl, fuhr Eckbert fort, bedenke, daß dir nichts auf Erden bleibt als ich ;

worte:

willst

du

mir

deine

ant­

Einsiedelei

öffnen?“

Zu tief bewegt,

vermochte

kein Wort hervorzubringen, feine Arme dem

der Fürst

aber er streckt

«dclmüthigen Eckbert ent-

gegen;

er

drückt

ihn

stürmisch an

seine

Brust, und die beiden Verbannten halten sich

Augenblicke,

einige

unbeweglich

in

Thränen gebadet, umschlungen. Der Graf von Norindall war der Erste,

der

sich

diesem

schmerzlichen

Auftritt

entriß. „Ich

muß

dich

verlassen,

sprach er;

aber es ist nur für einen Augenblick und

wird das letzte Mal seyn."... letzte Mall"

„DaS

Karl

wiederholte

zusammenschaudernd. „Morgen,

erwiederte Eckbert,

finden

wir uns hier wieder, von morgen an tren­

nen wir uns nicht mehr." Nach diesen Worten stürmte er fort in den Wald.

rief Karl mit dem schmerz­

„Eckbert!

lichsten Tone,

mein theurer Eckbert,

lebe

wohl!"

Welcher nicht in

herzzerreißende

diesem letzten

Ausdruck

Nachruf!

es

lag

war

ihm, als wenn er seinen Freund zum letzten

2ZI

Mal umarmt hätte.

sich

warum mußte

Ach!

wehklagende

Karls

in

Stimme

Wogen der Lüfte verlieren;

wenn

dem

sie zu

würde es

seinem Waffenbruder gedrungen,

ihr Schicksal verändert haben. Norindall ist schon weit vom Wildberg entfernt, und lange war ihm der Fürst mit den Augen zwischen

Plötzlich

gefolgt.

die Bäume stürzte er

hindurch

ins

Innere

seiner Hütte zurück, warf sich auf das verlassene Lager, wo seine Geliebte geruht hatte, und rief sie mit lauter Stimmer —

„Elodie!

theure Elodie! hier gehörtest du mir an... hier sollte ich dich besitzen.... hier schlug für

dein Herz

mich....

Du bist nicht

mehr, und ich blieb allein zurück."

Die Nacht verschleierte Unterlachen völ­

lig mit ihrem düstern Schatten,

führte

eilig

sein

Vorhaben

und Karl

aus.

Rasch

steigt er den Wildberg hinab, geht auf das Kloster zu und betritt den Park. Ueberreste des Festes,

der schimmernden

Einige

Verzierungen

welches der Fürst

von Palzo

--------------

2$2

der Waise gegeben,

erhoben

unter der Menge versteckt,

Bezauberungen

hen.

Der,

sich noch auf

ungekannt,

Verkleidet und

Rasen.

dem

in

hatte Karl

jenes Abends

diesem

die

angese­

mit

Augenblick bleiche

und zitternde Mond, stieg über dem nebelig-

ten Horizont wie das Gestirn der Gräber

Karl kam zu dem Platze, wo die

empor.

lothringischen Ritter gekämpft hatten.

Hier

war es, wo Elodie auf einem Triumphwa­ gen ,

wie die Göttin der Liebe,

von Ju­

gendfrische, Hoffnung, Liebe und Schönheit strahlend, die Sieger des Turniers bekränzte;

da, wo die Stimmen der kriegerischen Sän­

ger, von Harfen begleitet, die Schönste der Jungfrauen feierten,

und die Worte ver­

nehmen ließen: Möge der Donner entfernt von dir dräuen, Holde Aurora, verklärendes Licht I

Würdig nur Kronen die ©time zu leihen, Ist deinem Herzen die Liebe auch Pflicht.

Ach!

wohl hat er getroffen der Don­

ner?...

Diese entzückende Blume, deren

Glanz vor Kurzem noch da- Thal blendete, ist nicht mehr der Stolz der Natur.

Diese

so Angebetete Jungfrau wird künftig nicht mehr die Göttin der Feste seyn;

den

sie hört

Begeisterung

lauten Ruf der

nicht,

nicht mehr die zärtlichen Seufzer der Liebe.

Wie ein leichter

Schatten eilte

sie durch

das Leben... er ist vorüber geflogen.

tiefes Aechzen entwand sich Karl-

Ein

er floh mit raschen Schritten au-

Brust;

den der Waise so theuren Gebüschen.

wie

gräßlich

Liebe,

die

sind

wenn sie

O

Erinnerungen

der

Marmor

der

über dem

Gruft schweben!....

Durch den unterirdischen Eingang, wel­

cher

ihn

ehemals

zu

Elodien

gelangte Karl zur Kapelle.

führte,

Großer Gott!

welches Schauspiel bot sich hier seinen Dlik» ken dar!

einem

Der

Feste

schmücken

heilige Raum

weiße

Tapeten

alterthümlichen

Wände.

erleuchtet;

seine

Von allen Seiten

ist wie zu

duften

Weihrauch und

Myrrhen au- Gefäßen von kostbarem M«-

Lalle;

reiche Teppiche bedecken den Fußbo­

den des Tempels; die hochzeitlichen Fackeln sind angezündet, und was beleuchten sie?...

den Tod. Am Fuß des Altares, auf einer reichen

ist ein Prachtbett errichtet,

Trauerbühne,

welches von einem blendendweißen

himmel,

Thron­

den vier silberne Säulen halten,

überschattet wird.

Gewinde jungfräulicher

Rosen fallen in Schwingungen rings vom Katafalk herab;

durchsichtiger Flor,

weiße

Bekleidungen umgeben den Thron des To­

des; und der blendende Glanz der Lichter, vom versilberten Dom, von den blühenden Krän­

zen

und

spiegelt,

schimmernden Säulen

verwandeln

das

zurückge­

Trauergezelt in

einen Tempel der Klarheit.

Der Herzog von Burgund ist am Fuß

des Todtenmals,

welches

die Pracht deö

Lebens umgiebt; dort auf dem stillen Lager

schläft die sanfte Jungfrau von Unterlachen den Schlummer

der

Ewigkeit.

Ein

weißer

Schleier verhüllt ihre englischen Züge;

der

23.5 jungfräuliche Kranz schmückt ihre Ach!

Stirn;

das Sinnbild der Unschuld war auch

die Krone der lieblichen Braut. Die Kapelle ist verödet und das tiefste

Bei dem Kata«

Schweigen herrscht darin.

falk nicderknieend: — „Himmlische Zungfrau,

ruft Karl

aus, das also ist dein Brautbett! dieß die

Pracht unserer

Mein

Vermahlung!

setzliches Geschick erfüllt sich.

ent­

Unglückliches

Opfer, was sagte ich dir, als ich dir zum erstenmal erschien? des Thales,

mein

meine Gegenwart

Habe ich Mauern gesagt,

„Fliehe! junge Blume

Athem

ist

verkündigt

ansteckend,

den

Tod."

dir nicht unter diesen ncmlichen

am Tage unserer ersten Schwüre daß

der

ich

Mann

der

Gräber

wäre."

So sprach er,

und

stieß seine Stirn

auf den Marmor des Heiligthums nieder. — „Himmlisches plötzlich wieder,

Wese« erhob,

Mädchen! indem er

begann

er

sich mit irrem

du wolltest auf dem Wild«

2A6

---------------

berge sterben;

dein letzter

Laut tief den

Einstedler; dein letzter Blick suchte die Ein» siedelei....

sche

deine letzten Wün«

Wohlan!

die Hütte deS

sollen erfüllt werden:

Verbannten soll deine sterbliche Hülle em­

pfangen. ...

mern;

Dort wirst du sanfter schlum­

dort werde

wachen;

deinem

bei

ich

Grab

dort werden aus deinem Sarg die

letzten Flammen der Liebe verlöschen.

Die»

fen Morgen konnten dich, noch lebensvoll und glücklich, meine

Berg

bringen;

dennoch dahin tragen.

dir die letzte

Arme nicht aus den

entseelt

Pflicht

werden

sie

dich

Karl ist es, welcher erweisen,

und dein

Grab, welches seine letzten Seufjer empfan­

gen wird." Er steigt ans die Erhöhung hinauf; nähert sich dem Trauerlager;

er hebt

er die

weißen Schleier empor, welche die Stirn der Waise bedecken, und die Arme nach ihr ausstreckend, ruft er:

Komm,

das Herz deines Gatten!

komm an

War

dieß nicht

bei« letzter Aufschwung! Elodie!

noch hätt

ich dich,

jq du nennst mich, du rufst mir „Ich muß

zu: —

einath­

deinen Hauch

men, ich habe dein ganzes Leben nöthig."

Arme nach

Die

Karl inne,

ihr ausgestreckt

hielt

als wenn das Uebermaß

der

Liebe und des Schmerzes ihm ein Wunder schuldig wäre, seinem

als wenn sich die Waise bei

von

leidenschaftlichen Aufruf

dem

stürzen

und an sein Herz

Sarg

erheben

sollte.

Ach! wie schön war sie noch!

Mit

weißen

Rosen

schien die

stille

Zungfrau

bekränzt,

dem

Tode

zuzulächeln.

wie der durchsichtige Alabaster,

Weiß

waren ihre

gesenkten Augenlieder wie von einem sanf­ ten

Schlummer

geschlossen;

ihre

Hände hielten einen Lilienstrauß,

sie

an

ihren

Busen

Nach der Heiterkeit glauben können,

ein

zu

drücken

kalten welchen

schien.

ihrer Züge hätte man beglückender

umfange sie mit seinem Zauber;

Traum und der

Himmel schien das Meisterstück der Natur der Erde nur für Augenblicke

haben.

entführt zu

Auf einmal beugte sich Karl zum Todtenlager hinab. Sanft hat er seinen Arm um die Jungfrau geschlungen, ale wenn er fürchtete, ihr wehe zu thun, als wenn er besorgte sie aufzuwecken; dann stürzte er mit raschen Schritten aus der Kapelle, und schneller als der Wetterstrahl war er gegen den Wildberg entflohen. Schon ist der Fürst jenseits der Drücke des Stromes. Bei den bleichen Strahlen der Nacht erkannte er den Daum, wo die Tochter des Klosters auf ihrer harmonischen Laute den Frühling und die Natur besang.... Ach! es giebt keinen Frühling, keine Natur, es giebt keine melodische Laute für den Ver­ wiesenen des Weltalls mehr. Der Nachtwind bewegte die Sträucher des Waldes. Allmächtiger Gott! warum bleibt Karl plötzlich stehen? warum ver­ lassen ihn seine Kräfte?.... woher dieses entsetzliche Zittern?.... Ach der Abend­ wind hat die blonden wehenden Locken der Waise gegen fein Gesicht getrieben ; ihre

fliegenden Ringel berühren die Lippen des Fürsten, es sind dieselben Locken, auf welche

er, trunken von Freude und Hoffnung, den

ersten war

Kuß

die

der

Liebe

Jungfrau

jetzt in seinen Armen;

ihr Herz

noch....

Unterlachen

wie

aber damals schlug

noch an dem

gehörte sie ihm an,

Damals

drückte.

von

setnigen,

damals

sie

sie lebte,

liebte

Karl vermochte seinen Weg nicht

fortzusehen.... beinahe an der Pforte der

Einsiedelei

verlassen ihn alle Kräfte seines

Wesens, seine plötzliche Regungslosigkeit ist

gleichsam eine Unterbrechung des Daseyns. Worauf starren

seine

Blicke?....

Ach!

auf jene Bäume, in deren Schatten, wenige

Tage zuvor,

Elodie auf ihn gelehnt,

ihn

von ihrer Liebe unterhielt.

Am Fuß einer alten Eiche hat er seine

Geliebte spricht

niedergelegt: er kein

Wort,

ihr

vor

knieend,

vergießt er

keine

Thräne, dann wirft er ihre langen Schleier wieder über ihr Angesicht, hätte man sagen können,

und erst jetzt

daß

sie für ihn

240

---------- -----

von der Erde verschwunden sey; ewigen Gewölbe

sein zum

erhobenes Auge sucht sie

nun in dem Himmel.

Er

scheint

sie zu

rufen, mit ihr zu sprechen.... und doch

haben seine Lippen keine Bewegung mehr...

alles

geht

nur

im

Znnern

seines

Her«

zens vor. Zn dem Felsen,

lehnte,

öffnete

welche ein

Karl

woran sich die Hütte

sich

wußte nicht,

Hölung,

weite

eine

ungeheurer

Stein

verschloß.

zu welchem Gebrauch

sie bestimmt gewesen war,

aber sie soll der

Unschuld zur Gruft dienen.

Nach einigen Augenblicken der fürchter«

lichsten Ruhe erhebt sich der Fürst;

ehe er

feine unglückliche Gefährtin wieder in seine

Arme nimmt,

faßt er eine Locke ihrer lan­

gen Haare. —

„Elodie! ruft er, bewillige

sie mir.... es

wird die erste

und letzte

Gabe der Liebe seyn."

Und die Locke ruhte auf seiner Brust.

Karl hat den Stein vom Felsen gehoben, « legt

ElodienS kalten Körper

in dieses

von der Natur bereitete Grab, fast

Stimme,

erloschener

ehe

und mit die

er

Gruft schließt, „Lebe wohl, ruft er, o du!

schönste und reinste der Jungfrauen!

sollst nun für immer meinen

schwinden. befleckte,

wie ich

So

Du

Blicken ent­ Ruhm

meinen

habe ich auch deine Jugend nie-

dergemaht, deine Schönheit zerstört.

Himm­

schlummere sanft im Fel­

lisches Mädchen!

sen des Schmerzes und der Verbannung !...

ruhe in Frieden auf dem Boden der Reue

Liebe!

und

Geständnisse,

Süßes Entzücken der

lebe wohl.

Lebet wohl alle

Hoffnungen dieser Erde.... mich zur Tugend

ersten

Du,

zurückgeführt,

welche

du,

die

mich allein hienieden die himmlische Liebe

kennen

lehrte,

Wunder

der

Schöpfung,

Elodie! Elodie! Lebe wohl!".... So spricht er;

seine Stimme erstirbt:

seine sonst so stolze und kriegerische Stirne sinkt schwerer werdend gegen den öden Fel­

sen hin.

Die ganze Natur war in Schwei­

gen versenkt; eine lange SMe folgte seinen II.

16

242

----------

letzten Worten.... Plötzlich bricht ein dumpfes Stöhnen, wie die letzte Zuckung des Daseyns, wie ein fürchterliches Zer­ reißen der menschlichen Natur, aus seiner Brust hervor. Der Ewige hatte in diesem Augenblick einen Blick der Barmherzigkeit und Milde auf den Herzog von Burgund fallen lassen: seine Leiden sind geendigt; der Himmel öffnet sich.... Karl ist nicht mehr.

Epilog.

Lange Zeit nach Elodiens und des Ein­ siedlers Tode, kam ein Ritter, welcher Hel­

vetien durchzog, in das Thal von Unterla­ er

chen;

hörte von

Wildberges sprechen, kannt

dem

dessen

geblieben,

dessen

aber

die

Wunder

in

gegraben waren.

Name

Wohlthaten

Erinnerung

unbe­ und Aller

Damals wurde auch von

der ganzen Gegend,

wohnern

Bewohner deS

von allen Gebirgsbe­

die Jungfrau der Abtei

beinahe

göttlich verehrt.

Am Tage, wo die Waise auS dem Leben schied,

hatte Marzeline in der Kapelle bei

ihrem Todtenlager

gewacht;

der Leichnam

des jungen Mädchens verschwand und Mar-

zelinens Bericht lautete am folgenden Tage also:

— „Gegen Mitternacht hatte ich mich für

aus dem heiligen

einige Augenblicke

Raum entfernt;

Kirche

als ich zur

auf einmal,

höre ich

zurückkehre,

himmlischen Harfe;

Töne einer

fernen

die

ich laufe

auf den Katafalk zu.... die reine Jung­

frau war von den Erzengeln entführt, ver­ schwunden.

Das

Gewölbe

des

Tempels

schien.offen; und eine goldne Wolke, welche über dem

schwebte,

Heiligthum

hauchte

himmlische Wohlgerüche aus." Don

den

Fasten,

Züchtigungen

erschöpft,

Bußübungen

welche

er

und

sich

auferlegt, hatte Anselm die Waise des Klo­

sters nur ein Zahr überlebt. Der durchreisende ein Eremit

lers

bewohne.

nißvolle erstieg

den

die

Wohnung

Neugierig

Einsamkeit

er den

Ritter erfuhr, ' daß

kennen

Wildberg,

Einsiedler,

knieend

gelehnt.

Sein

Hütte

des

Einsied­

diese

geheim­

zu

lernen,

und

erblickte

am Felsen

Gebet

der

ehrend.

wagte er nicht, ihm zu nahen;

ihm

schien

gen

die Unbeweglichkeit des heili­

die

Mannes

bestätigte

fürchtung hatte

Regungslosigkeit

trat hinzu;

Er

Todes.

aber bald

aufgehört

und

seine

des Be­

sich;

der

Eremit

zu leben,

aber

nur seit

einigen Stunden, denn seine Glieder bewahr­ ten noch einige Warme in sich.

untersucht der

Aufmerksam

Züge des kennen,

Leiden

Einsiedlers; sie

obschon gefurcht

er

Ritter

glaubt

durch

Unglück und

Lebhaft

sind.

sucht er seine Muthmaßungen hebt den schwarzen Mantel in die Höhe und auf seinem Herzen,

ach!

es

bewegt,

aufzuklären, des Eremiten

findet eine blonde Locke

welche unzählige Thrä­

nen benetzt hatten..... Brust!

die

sie zu

Er enthüllt seine

ist kein

Zweifel

mehr;

ein wohlbekanntes Ehrenzeichen fällt ihm in die Augen,

Ende

welches seiner Ungewißheit ein

macht.

Der

Krieger

durchdringendes Geschrei aus. —

stößt

rin

„O mein

erster Waffengefährte! 0 mein Feldherr! mußte ich dich so wiederfinden!.... Der Ritter hatte den Grafen Eckbert von Norindall erkannt.