Die Vorläufer der Bundeswehr-Feldjäger - Ein Beitrag zur preußisch-deutschen Wehrrechtsgeschichte [1 ed.] 9783428516315, 9783428116317

Peter Schütz zeichnet die rechtsgeschichtliche Entwicklung von den historischen Wurzeln bis zur Feldjägertruppe als Mili

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Die Vorläufer der Bundeswehr-Feldjäger - Ein Beitrag zur preußisch-deutschen Wehrrechtsgeschichte [1 ed.]
 9783428516315, 9783428116317

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PETER SCHÜTZ

Die Vorläufer der Bundeswehr-Feldjäger Ein Beitrag zur preußisch-deutschen Wehrrechtsgeschichte

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 122

Die Vorläufer der Bundeswehr-Feldjäger Ein Beitrag zur preußisch-deutschen Wehrrechtsgeschichte

Von

Peter Schütz

Duncker & Humblot • Berlin

Der Fachbereich V Rechtswissenschaft der Universität Trier hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-11631-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706© Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2003/2004 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Gerhard Robbers für die Betreuung und Begutachtung der Arbeit. Er stand mir stets als ein freundlicher und hilfsbereiter Ansprechpartner zur Seite und hat mir alle nötigen Freiheiten eingeräumt, meine eigenen Argumentationen und Gedankengänge zu entwickeln. Besonders danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Peter Krause für seine bereitwillige Übernahme und die rasche Erstattung des Zweitgutachtens. Zu Dank verpflichtet bin ferner den Mitarbeitern des Instituts für Zeitungsforschung in Dortmund, des Geheimen Staatsarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, des Bundesarchivs - Militärarchiv in Freiburg, des Bundesarchivs - Zentralnachweisstelle in Aachen - Kornelimünster, des Bundesarchivs in Koblenz, des Standortkataloges Deutsche Presseforschung in Bremen, der Militärbibliothek in Dresden sowie der Bibliotheken der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung - Fachbereich Bundeswehrverwaltung und der Akademie für Wehrtechnik und Wehrverwaltung in Mannheim, die mich bei der mitunter komplexen Suche nach Primärquellen und einschlägiger Sekundärliteratur stets ebenso freundlich wie kompetent unterstützt haben und damit zum erfolgreichen Abschluß dieser Arbeit beitrugen. In diesem Zusammenhang möchte ich besonders Frau Muich vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, Frau Reuschenbach vom Bundesratsarchiv, Frau Loges vom Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages, Herrn Montfort sowie Herrn Hauptmann Becker vom Bundesarchiv Militärarchiv in Freiburg, Herrn Kollmer vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg sowie Herrn Padovani vom Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin für ihre wertvollen und unverzichtbaren Hinweise und Ratschläge sowie die persönliche Betreuung danken, die sie mir im Zuge der Nutzung der genannten Einrichtungen haben zuteil werden lassen. Daneben gilt mein Dank auch meiner lieben Freundin Diana Heimann sowie Frau Gitta Gärtner, ohne deren zeitaufwendige Mithilfe ich die umfangreichen Schreibarbeiten bei der Anfertigung der Dissertation nicht hätte bewältigen können.

6

Vorwort

Herzlich bedanke ich mich überdies bei meinem Bruder Christoph Schütz für die arbeitsintensive Erstellung des Stichwortverzeichnisses sowie Herrn FranzJosef Velmer für die überaus gründliche Durchsicht des Manuskripts nach Schreibfehlern. Letztlich schulde ich meinen Eltern großen Dank, die Studium und Promotionsvorhaben stets mit großem Interesse begleitet und gefördert haben. Ohne ihre großzügige und geduldige Unterstützung wären Studium und Promotion nicht in der Form möglich gewesen, in der ich sie genossen habe. Meerbusch, im November 2004

Peter Schütz

Inhaltsverzeichnis Einführung

17

A. Einleitung

17

B. Die Aufgabenstellung im ersten Teil der Arbeit I. Die Namensgebung der Feldjägertruppe 1. Die Planungen für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und ihre Auswirkungen auf die deutsche Bezeichnung für die geplante militärische Ordnungstruppe 2. Die Rechtsstellung der geplanten Militärpolizei 3. Die Verteidigungsplanungen der Bundesrepublik nach dem Scheitern der EVG a) Die Planungen für den militärischen Ordnungsdienst der Bundeswehr aa) Die Friedensorganisation bb) Die „Entpolizeilichung" der Aufgaben b) Die Entwicklung der Namensgebung der Feldjägertruppe in den Jahren 1955/56

18 19

II. Die Folgerungen für die Aufgabenstellung im ersten Teil

19 20 21 21 21 23 24 27

C. Die Aufgabenstellung im zweiten Teil der Arbeit

28

D. Die Eingrenzung des Themas in zeitlicher Hinsicht I. Die militärpolizeilichen Einrichtungen des ausgehenden Mittelalters 1. Der Feldmarschall 2. Der Profos II. Die Ausgrenzung aus der Bearbeitung E. Die Quellenlage

32 32 32 33 35 37

Erster Teil Die Namensvorläufer der Feldjägertruppe der Bundeswehr

41

1. Kapitel Das Reitende Feldjägerkorps

43

A. Die Jäger im Felde vor der Gründung des Reitenden Feldjägerkorps

43

B. Das Reitende Feldjägerkorps bis 1806 I. Die Aufstellung des Reitenden Feldjägerkorps

46 46

8

Inhaltsverzeichnis 1. Die politischen Rahmenbedingungen und Motive der Aufstellung 2. Die A. K. O. vom 24.11.1740 3. Die Anfangsstärke des Reitenden Feldjägerkorps II. Die Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps bei seiner Gründung und während der beiden Schlesischen Kriege 1. Die Darstellung der Aufgaben im einzelnen 2. Die Aufgaben im Vergleich mit dem Tätigkeitsbereich der Feldjägertruppe der Bundeswehr m. Die weitere Entwicklung des Reitenden Feldjägerkorps bis 1806 1. Die Formationsgeschichte a) Die Zeit der beiden Schlesischen Kriege b) Die weitere Entwicklung bis 1806 2. Die Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps a) Die Friedensperioden vor dem Siebenjährigen Krieg b) Die Zeit vom Ende des Siebenjährigen Krieges bis zum Feldzug von 1806 aa) Der Kurierdienst bb) Der Garnisonsdienst cc) Die sonstigen Aufgaben dd) Die Organisation des Friedensdienstes ee) Die Dienstleistungen im Kriegsfall c) Die Aufgaben im Vergleich mit dem Tätigkeitsbereich der Feldjägertruppe der Bundeswehr aa) Die Bewachung der Garnison bb) Die Beaufsichtigung forstlicher Gehege und die Absicherung des Lustschlosses in Köpenick cc) Der Absperrdienst bei Truppenrevuen dd) Die sonstigen Aufgaben ee) Abschließende Bewertung 3. Das Personalersatzwesen a) Das grundsätzliche Verfahren b) Die Regelungen in den Dienstvorschriften 4. Die Anschlußversorgung

46 47 48 50 50 53 55 55 55 58 59 59 61 62 62 63 66 67 69 70 72 76 78 81 82 82 85 87

C. Das Reitende Feldjägerkorps bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919 91 I. Die Veränderungen und Ereignisse bis zum Jahre 1824 91 1. Die Formationsgeschichte 91 2. Die Aufgaben 94 a) Die Kriegsaufgaben 94 b) Der Friedensdienst 96 c) Die Aufgaben im Vergleich mit dem Tätigkeitsbereich der Feldjägertruppe der Bundeswehr 98 II. Der Organisationsplan von 1824 101

Inhaltsverzeichnis 1. Die Entstehung und die grundsätzliche Bedeutung des Organisationsplanes 2. Die Stärke und die Rangverhältnisse 3. Die Aufgaben 4. Das Personalersatzwesen und die Anschlußverwendung a) Das Personalersatzwesen b) Die Anschlußverwendung JH. Die letzten 96 Jahre des Reitenden Feldjägerkorps 1. Der Stärkeetat und die Rangverhältnisse 2. Der Ehrenrat und das Ehrengericht 3. Die Haushaltsdebatte im Jahre 1909 4. Die sonstigen formationsgeschichtlichen Neuerungen 5. Die Aufgaben a) Der Friedensdienst b) Die Verwendung im Krieg c) Die Aufgaben im Vergleich mit dem Tätigkeitsbereich der Feldjägertruppe der Bundeswehr 6. Die Auflösung des Reitenden Feldjägerkorps D. Zusammenfassung und Ergebnis

9 101 102 103 104 104 105 106 107 109 110 113 115 115 117 119 120 121

2. Kapitel Das Feldjägerregiment zu Fuß

127

A. Die Gründung des Feldjägerregiments I. Die A. K. O. vom 15.06.1744 II. Das Gründungsjahr des Feldjägerregiments 1. Die überwiegende Ansicht in der Literatur 2. Die Gegenargumente 3. Die unberittenen Jäger im ersten Schlesischen Krieg

127 127 128 128 129 132

B. Das 19. Jahrhundert I. Die Stärke und die Gliederung des Feldjägerregiments n. Die Verwendungsweise des Feldjägerregiments 1. Der Kriegseinsatz 2. Der Friedensdienst HI. Die Personalstruktur des Feldjägerregiments

134 134 138 138 140 142

C. Das Feldjägerregiment unter York von Wartenburg I. Die Entwicklung des Regiments unter dem Einfluß Yorks II. Der Untergang des Feldjägerregiments

147 147 149

D. Zusammenfassung und Ergebnis

151

10

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel

Der geheime Feldjägerdienst in der Weimarer Republik

154

4. Kapitel Das Feldjägerkorps der SA in Preußen (1933-1935)

164

5. Kapitel Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

171

A. Die Gründung der Feldjägerkommandos und ihr weiteres Schicksal

171

B. Die I. II. IE.

177 177 179 184

Aufgaben der Feldjägerkommandos Die gemeinsamen Obliegenheiten der Feldjägerkommandos Die Auffangorganisationen Das Feldjägerkommando HI im Kapitulationsraum Süd

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger I. Die Vorgesetzteneigenschaft der Feldjäger 1. Die Vorgesetzteneigenschaft der Feldjäger gegenüber den Soldaten der Wehrmacht a) Die Befehlsgewalt kraft Dienstranges b) Die Befehlsgewalt kraft Dienstauftrages 2. Die Befehlsgewalt der Feldjäger gegenüber den Angehörigen der Waffen-SS II. Die Durchsetzung von Befehlen 1. Die rechtliche Ausgangslage 2. Die Ausweitung des Schußwaffengebrauchs in der Endphase des Krieges HI. Die disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse der Feldjäger IV. Die disziplinare Hilfsgewalt der Feldjäger 1. Die einstweilige Dienstenthebung 2. Die vorläufige Festnahme gem. § 30 WDStO V. Die weiteren Festnahmerechte der Feldjäger 1. Die Festnahme nach § 16 KStVO 2. Die militärpolizeiliche Maßnahme der Freiheitsentziehung bei unmittelbarer Gefährdung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung 3. Die vorläufige Festnahme von Angehörigen der Streitkräfte verbündeter Staaten VI. Die Ausübung delegierter Organisationsgewalt VII. Die gerichtsherrlichen Befugnisse der Feldjäger

185 185 186 186 187 190 194 194 201 203 209 209 212 215 215

219 220 221 223

Inhaltsverzeichnis 1. Der grundlegende Befehl vom 15.05.1944 2. Die Gerichtsherrlichkeit der Befehlshaber der Feldjägerkommandos .. a) Die Reichweite der gerichtsherrlichen Befugnisse b) Die gerichtsherrlichen Befugnisse im einzelnen aa) Die Befugnisse der Gerichtsherren im Ermittlungsverfahren .. bb) Die Rolle der Gerichtsherren vor und während der Hauptverhandlung cc) Die gerichtsherrlichen Befugnisse im Nachprüfungsverfahren dd) Das Gnadenrecht der Gerichtsherren ee) Die Befugnisse der Gerichtsherren in der Strafvollstreckung .. ff) Ergebnis 3. Die Regiments- und Bataillonskommandeure der Feldjägerkommandos als Standgerichtsherren

11 223 224 224 226 227 229 232 235 237 239 240

D. Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht im Vergleich mit der Feldjägertruppe der Bundeswehr 244 E. Zusammenfassung und Ergebnis

253

Ergebnis des ersten Teils der Arbeit

262

Zweiter Teil Die Aufgabenvorläufer der Feldjägertruppe der Bundeswehr

265

6. Kapitel Die Feldgendarmerie A. Die I. II. m.

Gründung der Feldgendarmerie Die Entstehungsgeschichte Die A. K. O. vom 25.05.1866 Die Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie vom 25.05.1866 1. Die Aufgaben der Feldgendarmerie 2. Die Rechtsstellung der Feldgendarmen a) Der besondere militärstrafrechtliche Schutz der Feldgendarmen ... b) Die Befehlsbefugnis der Feldgendarmen c) Die Durchsetzung von Befehlen d) Die Befugnis zu Anordnungen gegenüber Zivilpersonen e) Die Festnahmerechte der Feldgendarmen aa) Das „Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit" vom 12.02.1850 bb) Die disziplinaren Festnahmerechte der Feldgendarmen cc) Die vorläufige Festnahme in Ausübung des allgemeinen Notwehrrechts und der Anstaltspolizei dd) Die Requisition durch Zivilbehörden

267 267 267 273 276 277 279 279 289 291 294 300 301 304 309 310

12

Inhaltsverzeichnis ee) Das „Gesetz über den Belagerungszustand" vom 04.06.1851 ff) Die übrigen Vorschriften der Wachinstruktion vom 27.07.1850 f) Das Recht zum Waffengebrauch gegenüber der Zivilbevölkerung aa) Die Voraussetzungen des Einschreitens mit Waffengewalt bb) Die Fallgruppen des zulässigen Waffengebrauchs cc) Die übrigen Vorschriften des Gesetzes vom 20.03.1837 dd) Die Dienstinstruktion vom 01.05.1851 g) Die besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit der Feldgendarmen

321 326 330 333 346 351 353 356

B. Die Feldgendarmerie im preußisch-österreichischen Krieg

365

C. Die Zeit bis zur Reichsgründung I. Die Übergangszeit bis zum Erlaß einer neuen Dienstvorschrift II. Die Dienstvorschrift vom 07.01.1869 1. Das Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie 2. Die Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie a) Die Aufgaben der Feldgendarmerie b) Die Befugnisse und die Rechtsstellung der Feldgendarmen c) Der Dienstbetrieb der Feldgendarmerie IE. Die Feldgendarmerie im deutsch-französischen Krieg

369 369 373 373 378 378 379 381 384

D. Die Dienstvorschrift vom 15.08.1872 I. Das Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie II. Die Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie 1. Das Aufgabenspektrum der Feldgendarmerie 2. Der Dienstbetrieb der Feldgendarmerie 3. Die Befugnisse der Feldgendarmen

390 391 394 395 397 397

E. Die I. II. IE.

Veränderungen in der Zeit bis 1890 401 Die formationsgeschichtliche Entwicklung 401 Die neuen Rechtsgrundlagen für den Dienst der Feldgendarmen 403 Die Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 407 1. Die Veränderungen gegenüber der Dienstvorschrift vom 15.08.1872 .. 407 2. Die Gendarmerie-Patrouillen bei Manövern 413 a) Die Organisation der Gendarmerie-Patrouillen 413 b) Die Rechtsstellung der Patrouillenmitglieder 415

F. Die weitere Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik 420 I. Die „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" vom 23.05. 1891 420 n. Die Militärstrafgerichtsordnung vom 01.12.1898 425 m. Die Feldgendarmerie im ersten Weltkrieg 431 IV. Die Zeit der Republik von Weimar 438 G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich I. Die Organisation der Feldgendarmerietruppe n. Die Aufgaben der Feldgendarmerie

439 440 456

Inhaltsverzeichnis 1. Der militärische Verkehrsdienst 2. Die ordnungsdienstlichen Pflichten der Feldgendarmerie 3. Die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben 4. Die übrigen Tätigkeiten der Feldgendarmerie im zweiten Weltkrieg .. IE. Die Rechtsstellung der Feldgendarmerie 1. Die Wacheigenschaft der Feldgendarmen 2. Die Festnahmebefugnisse der Feldgendarmen a) Die Festnahmerechte nach der Militärstrafgerichtsordnung b) Die weiteren Festnahmerechte der Feldgendarmerie c) Die übrigen Vorschriften über die Festnahme 3. Das Waffengebrauchsrecht der Feldgendarmerie a) Die Voraussetzungen des militärischen Einschreitens mit Waffengewalt b) Die Anwendungsfälle des Waffengebrauchsrechts 4. Die Erweiterungen der den Feldgendarmen eingeräumten Rechtsstellung a) Die Auswirkungen der Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 b) Die Regelung der Ziffer 49 der H. Dv. 275 (1940) c) Das Reichs Verteidigungsgesetz vom 04.09.1938 d) Die Befugnisse der Feldgendarmerie im Bereich des zivilen Luftschutzes aa) Die Übertragung polizeilicher Luftschutzaufgaben bb) Die originären Zuständigkeiten im Bereich des Luftschutzes .. e) Das Verhältnis zu den Angehörigen der Waffen-SS f) Die Befugnisse gegenüber der Zivilbevölkerung im Feindesland und in den besetzten Gebieten IV. Die Feldgendarmerie bei Übungen H. Zusammenfassung und Ergebnis

13 457 459 462 465 468 468 471 471 475 476 477 477 479 482 482 484 485 488 489 492 494 495 498 501

7. Kapitel Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres A. Die Armeegendarmerie

527 527

B. Die Leibgendarmerie 532 I. Die Zeit der Königsordonnanzen 532 n. Die weitere Entwicklung der Leibgendarmerie bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1919

535

C. Die Hafengendarmerie

538

D. Der Aufgaben- und Truppencharakter der drei Gendarmerieformationen

539

Inhaltsverzeichnis 8. Kapitel Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

542

A. Die Verkehrsregelungsbataillone

542

B. Der Heeresstreifendienst I. Die Formationsgeschichte des Heeresstreifendienstes 1. Der auf das Heer beschränkte Streifendienst 2. Der Wehrmachtstreifendienst IL Die Aufgaben des Heeresstreifendienstes HI. Die Befugnisse des Heeresstreifendienstes 1. Die Befehlsbefugnisse der Streifen 2. Die Durchsetzung von Befehlen 3. Die Befugnisse gegenüber der Zivilbevölkerung 4. Die disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse des Heeres- und des Wehrmachtstreifendienstes 5. Die disziplinare Hilfsgewalt und die speziellen Festnahmerechte des Heeresstreifendienstes

548 548 548 553 558 562 562 565 566

6. Die Wacheigenschaft der Wehrmachtstreifen C. Zusammenfassung und Ergebnis

569 577 581 582

Ergebnis des zweiten Teils der Arbeit

592

Gesamtergebnis

594

Anhang Anlage 1: Verzeichnis der Chefs des Reitenden Feldjägerkorps

599

Anlage 2:

Verzeichnis der Kommandeure des Reitenden Feldjägerkorps

600

Anlage 3:

Verzeichnis der Dienstvorschriften des Reitenden Feldjägerkorps . . . . 602

Anlage 4:

Verzeichnis der Dienstvorschriften der Feldgendarmerie

Anlage 5:

Übersicht über die Feldgendarmerieeinheiten des zweiten Weltkrieges 604

603

A. Die Heerestruppen

604

B. Die Armeetruppen

605

C. Die Korpstruppen I. Die Kriegsgliederung des Feldheeres im Mai 1940

609 610

n.

Die Kriegsgliederung des Feldheeres im Jahre 1943

611

D. Die Divisionstruppen

613

E. Die Feld- und Ortskommandanturen

614

F. Die Feldgendarmerie-Staffeln

614

Inhaltsverzeichnis G. Die I. II. HI. IV.

Feldgendarmerieersatzverbände Das Feldgendarmerieersatzregiment Die Feldgendarmerieersatzabteilung Die Feldgendarmerieersatzabteilung Die Feldgendarmerieersatzabteilung

15

1 1 2 3

H. Die Feldgendarmerieeinheiten der Luftwaffe

614 615 616 621 622 622

I. Die Feldgendarmerie der Waffen-SS

624

J. Exkurs: Die Marine-Küstenpolizei 1

625

Anlage 5 a: Gliederungsübersicht einer Feldgendarmeriekompanie

626

Anlage 5b: Verzeichnis der Gliederungen der verschiedenen Feldgendarmerietrupps Anlage 5c: Gliederungsübersicht einer Kompanie der Luftwaffen-Feldgendarmerie

627 628

Anlage 5d: Gliederungsübersicht eines Feldgendarmerietrupps der Waffen-SS . . . 628 Anlage 6:

Verzeichnis der Kommandeure der Armee- und der Leibgendarmerie 629

Anlage 7:

Die Unterstellungsverhältnisse der Verkehrsregelungsbataillone

630

Literaturverzeichnis

632

Sachwortverzeichnis

645

Einführung A. Einleitung „Autorität von oben und Gehorsam von unten, mit einem Worte, Disziplin ist die Seele der Armee; die Disziplin macht die Armee erst zu dem, was sie sein soll, und eine Armee ohne Disziplin ist auf alle Fälle eine kostspielige, für den Krieg eine nicht ausreichende und im Frieden eine gefahrvolle Institution." Mit diesen Worten beschrieb der damalige Generalstabschef Hellmuth Graf von Moltke 1 im Zuge der Beratungen des Reichstages über den Entwurf eines neuen Reichsmilitärstrafgesetzbuches im Juni 1872 eine Erkenntnis, die nicht nur in den deutschen Streitkräften des 19. Jahrhunderts, sondern schlechthin in jeder Armee uneingeschränkte Gültigkeit beanspruchen konnte. Dementsprechend hat es auch zu allen Zeiten besondere Instrumente und Organe gegeben, deren sich die Truppenführung bedienen konnte, um die militärische Disziplin und Ordnung aufrechtzuerhalten, zu überwachen und erforderlichenfalls auch wiederherzustellen. Diese heute üblicherweise unter dem Begriff des „militärischen Ordnungsdienstes" zusammengefaßten militärpolizeilichen Tätigkeiten sind mithin keineswegs erst aufgrund spezifischer Entwicklungen der Neuzeit notwendig geworden, sondern waren vielmehr auch schon im Mittelalter anzutreffen. 2 In ähnlicher Weise war es überdies schon immer unabdingbar notwendig, Truppen jeder Größenordnung von einem bestimmten Ausgangspunkt aus zur rechten Zeit an den Ort ihrer von der Armeeführung vorgesehenen Verwendung zu verlegen. 3 Während dies bei den älteren Streitkräften in erster Linie eine eingehende Erkundung der zurückzulegenden Wegstrecke voraussetzte, kam im Zeitalter der motorisierten modernen Massenheere die Verkehrsregelung als weitere Schwerpunktmaßnahme hinzu, da nur so eine optimale Ausnutzung der Marschstraßen bei gleichzeitiger Vermeidung von Gefährdungen erreicht werden konnte. In verschiedenen Erscheinungsformen stellte somit auch der militärische Verkehrsdienst eine militärpolizeiliche Aufgabe dar, deren Erfüllung im Verlauf der gesamten Kriegsgeschichte sichergestellt werden mußte. 1 Zitiert nach WStVR-Dietz, Stichwort „Militärdisziplin", S. 855; das Zitat findet sich in jeweils leicht abgewandelter Form auch bei Dietz-ders., Stichwort „Disziplin", S. 224; Dietz , S. 44, und bei Hechel, S. 273. 2 Vgl. die Beispiele, die unten sub D. der Einführung betrachtet werden. 3 Ähnlich auch heute noch die Beschreibung des Marschzwecks in der Nr. 101 der ZDv 42/10 „Vorbereitung und Durchführung von Märschen". 2 Schütz

18

Einführung

Schließlich handelt es sich auch bei der Gewährleistung der Sicherheit der Streitkräfte durch die Verhinderung oder Beseitigung von Störungen ihres Dienstbetriebes sowie beim Schutz gefährdeter Personen, Objekte oder sonstiger Örtlichkeiten von herausgehobener militärischer Bedeutung um Verrichtungen, deren effiziente Durchführung schon in der Vergangenheit einen entscheidenden Einfluß auf die Schlagkraft einer Truppe ausüben konnte. Die Wahrnehmung solcher Sicherheitsaufgaben begründet daher gemeinsam mit dem militärischen Ordnungs- und Verkehrsdienst eine gleichsam „klassische" militärpolizeiliche ,Aufgabentrias". In der heutigen Bundeswehr ist es die Feldjägertruppe, die für die Erfüllung dieser Aufgabentrias verantwortlich ist. So ist sie gemäß Nr. 115 der ZDv 75/ 100 „Die Feldjäger der Bundeswehr" zunächst einmal dafür zuständig, im militärischen Ordnungsdienst die Disziplin und Ordnung in der Bundeswehr zu überwachen, aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen. Nach Nr. 116 der ZDv 75/100 wirken Feldjäger überdies im Rahmen des militärischen Verkehrsdienstes daran mit, die Bewegungsfreiheit der Streitkräfte zu gewährleisten, indem sie beispielsweise Befehle der Führung weiterleiten, die Führer der marschierenden Truppenteile unterstützen, die Einhaltung der Kraftfahrbestimmungen durch militärische und zivile Kraftfahrer der Bundeswehr überwachen oder den Zivilverkehr warnen bzw. unter den Voraussetzungen des Art. 87 a I I I 1 GG auch regeln. Durch die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben erfüllt die Feldjägertruppe schließlich gemäß Nr. 117 der ZDv 75/100 auch noch die Funktion, sowohl an der Abwehr von Straftaten gegen die Bundeswehr als auch an der Beseitigung rechtswidriger Störungen ihrer dienstlichen Tätigkeit mitzuwirken. Sie wird demnach also von der Nr. 102 der ZDv 75/100 zu Recht als „die Militärpolizei der Bundeswehr" bezeichnet. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nun, die rechtsgeschichtliche Entwicklung hin zu dieser militärpolizeilichen Truppengattung der bundesdeutschen Streitkräfteorganisation nachzuzeichnen.

B. Die Aufgabenstellung im ersten Teil der Arbeit Dabei drängt es sich förmlich auf, zunächst einmal dem Phänomen der Namensgebung nachzuspüren, denn daß es sich bei der Feldjägertruppe um eine Truppengattung handelt, die militärpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt, ist weder dem unbefangenen Betrachter noch den an die Bezeichnung „Militärpolizei" gewöhnten Angehörigen der verbündeten Streitkräfte in der NATO auf den ersten Blick ersichtlich. 4

4

So auch Raap, NZWehrr 1997, S. 199.

B. Die Aufgabenstellung im ersten Teil der Arbeit

19

I. Die Namensgebung der Feldjägertruppe Die durch diesen Befund aufgeworfene Frage, wie es dazu kommen konnte, daß die für die Aufstellung der Bundeswehr verantwortlichen Planer im Bundesministerium der Verteidigung die Bezeichnung „Feldjäger" für die neu zu schaffende militärische Ordnungstruppe auswählten, läßt sich - wenn überhaupt - nur im Wege eines Rückblicks auf die Frühzeit der bundesdeutschen Verteidigungsplanungen beantworten. 1. Die Planungen für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und ihre Auswirkungen auf die deutsche Bezeichnung für die geplante militärische Ordnungstruppe Nachdem die anfänglich vollständig ablehnende Haltung der Siegermächte des zweiten Weltkrieges gegenüber einer deutschen Wiederbewaffnung, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den alliierten Rechtsetzungsakten zur Entmilitarisierung Deutschlands5 gefunden hatte, sich unter dem Eindruck des Kalten Krieges und der Verschärfung des Ost-West-Konfliktes, schon bald nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gewandelt hatte und der zunehmenden Befürwortung einer deutschen Wiederbewaffnung durch das westliche Ausland gewichen war, 6 gab der französische Ministerpräsident Pleven am 24.10.1950 vor der Nationalversammlung eine Regierungserklärung ab, die die Grundlage für den Entwurf einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) bildete.7 Dieser sogenannte „Pleven-Plan" sah die Schaffung von gemeinsamen europäischen Streitkräften vor, innerhalb welcher keine nationalen militärischen Verbände bestehen, sondern alle Verbände europäisch sein sollten.8 Dementsprechend waren die deutschen Verteidigungsplanungen der Jahre 1950-1954 auch ausschließlich auf die Organisation des deutschen Beitrags zur EVG ausgerichtet. Dabei mußte man sich schon sehr frühzeitig mit der Frage einer militärischen Ordnungstruppe befassen, da sowohl das ergänzend zum EVG-Vertrag ausgehandelte ,Justizprotokoll" in Art. 30 Ziffer 8 als auch das „Abkommen über die Rechtsstellung der europäischen Verteidigungsstreitkräfte" in Art. 5, § 2 die Aufstellung einer solchen Truppe vorsah. 9 Der in den genannten Abkommen 5

Vgl. Alliierte Kontrollratsproklamation Nr. 2 vom 20.09.1945, Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - Britisches Kontrollgebiet (Amtsbl.) Nr. 5, S. 27; Kontrollrats-Direktive Nr. 18 vom 12.11.1945, Amtsbl. Nr. 9, S. 190; Kontrollratsgesetz Nr. 34 vom 20.08.1946, Amtsbl. Nr. 13, S. 295. 6 Ausführlich: Hahnenfeld, S. 35 f.; Maunz/Zippelius, S. 404 f. 7 Boehm-Tettelbach, Einleitung vor § 1 WPflG Rn. 18. 8 Vgl. Art. 9 und 15 EVG-Vertrag (BGBl. II 1954, S. 342) und ausführlich: Scheuner, S. 6 ff. 2*

20

Einführung

verwendete Begriff für diese militärische Ordnungstruppe lautete „police militaire". Das hatte dann beinahe zwangsläufig zur Folge, daß sich alsbald auch im Sprachgebrauch der deutschen Aufstellungsplanungen für den Beitrag zur EVG der Name „Militärpolizei" durchsetzte. 2. Die Rechtsstellung der geplanten Militärpolizei Die demzufolge allgemein als „Militärpolizei" bezeichnete Ordnungstruppe der geplanten EVG sollte auch nach den Vorstellungen der deutschen Delegation im Planungsstab polizeiliche Aufgaben in einem umfassenden Sinne wahrnehmen. Vorgesehen war nämlich nicht nur eine Aufgabenzuweisung auf dem Gebiet des militärischen Ordnungsdienstes. Vielmehr sollten spezielle Einheiten der Militärpolizei der EVG (die sogenannten „circulation routière") auch mit Befugnissen zur Regelung des zivilen Straßenverkehrs ausgestattet werden 10 und damit eine Tätigkeit ausüben, die materiell immer eine Polizeiaufgabe ist. 11 Darüber hinaus sahen die Planungen noch die Mitwirkung der Militärpolizei im Bereich der Strafverfolgung vor. 1 2 Zu diesem Zweck sollten den Militärpolizisten im Dienst gegenüber allen Angehörigen der Streitkräfte ohne Differenzierungen nach Dienstgraden die im einzelnen genau festgelegten Befugnisse eines Hilfsbeamten der Wehrstaatsanwaltschaft, die in der EVG auch im Frieden vorgesehen war, 13 verliehen werden. Gegenüber Zivilpersonen, die besondere straf9

Stellungnahme der deutschen Delegation der Section 1/1 zum Schreiben CM/Org/ 11/168 vom 05.05.1953, BA-MA BW 9/1578, Bl. 166 ff. d. A., Bl. 167. 10 Vortragsnotiz des Gl/Paris vom 07.05.1953, BA-MA BW 9/1578, Bl. 16 ff. d. A., Bl. 16. 11 M/D/H/S-Dürig, Art. 87a GG Rn. 61; das verkennt Raap, NZWehrr 1997, S. 201. 12 Stellungnahme der deutschen Delegation der Section 1/1, s.o. Fn. 9, Bl. 168 d.A. 13 Zu dieser Zeit enthielt das Grundgesetz noch nicht die Ermächtigung zur Errichtung von Wehrstrafgerichten für die nationalen Streitkräfte, bei denen eine Wehrstaatsanwaltschaft tätig sein könnte. Dieser Ermächtigung bedurfte es vielmehr überhaupt erst nach dem Scheitern der EVG. Daher ist sie erst durch das „Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes" vom 19.03.1956 (BGBl. I 1956, S. 111) als Art. 96a (heute Art. 96 II GG) in das Grundgesetz eingefügt worden. Danach können Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte durch Bundesgesetz errichtet werden, die jedoch im Frieden die Strafgerichtsbarkeit lediglich über solche Angehörige der Streitkräfte ausüben können, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind. Indessen hat der Bundesgesetzgeber von der ihm in Art. 96 II GG eingeräumten Befugnis noch keinen Gebrauch gemacht, so daß eine Wehrstaatsanwaltschaft in Deutschland bis zum heutigen Tag noch nicht existiert, auch wenn die Staatsanwälte, die sich auf freiwilliger Basis den zu errichtenden Wehrstrafgerichten haben zuteilen lassen, bereits seit 1962 für ihre Aufgabe geschult werden (vgl. die Antwort des Staatssekretärs Dr. de With auf eine Anfrage im Bundestag am 03.02.1982, abgedruckt in DRiZ 1982, S. 192 f.). Hiervon zu unterscheiden sind die Wehrdisziplinaranwälte bei den Truppendienstgerichten bzw. der Bundeswehrdisziplinaranwalt beim Bundesverwaltungsgericht, die von § 74 I und III WDO vorgesehen sind, denn die Wehrdienstgerichte des

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bare Handlungen wie etwa Sabotage oder Beschädigung von Einrichtungen der Streitkräfte begingen, sollten die Militärpolizisten der EVG schließlich sogar als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft mit allen sich daraus in den einzelnen Mitgliedsländern ergebenden Befugnissen 14 auftreten können. 15 3. Die Verteidigungsplanungen der Bundesrepublik nach dem Scheitern der EVG Indessen scheiterte das Vorhaben der Aufstellung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft, weil die französische Nationalversammlung den zu diesem Zweck geschlossenen Verträgen am 25.10.1954 die Ratifikation verweigerte. Nunmehr mußte die Bundesrepublik ihre Absichten hinsichtlich einer Wiederbewaffnung ändern und die Errichtung einer nationalen Armee in Angriff nehmen. Aus naheliegenden Gründen der Planungseffizienz griff man dabei aber so weit als möglich zurück auf die mit Blick auf die EVG geleisteten Vorarbeiten. a) Die Planungen für den militärischen der Bundeswehr

Ordnungsdienst

aa) Die Friedensorganisation Für den militärischen Ordnungsdienst hieß dies zunächst, daß die künftige Bundeswehr ebenso, wie es schon einmal die Planungen für die EVG vorgesehen hatten, 16 auch im Frieden eine dafür zuständige Truppengattung aufweisen sollte. Neben den anläßlich der Verhandlungen mit den EVG-Partnern gewonnenen Einsichten in die Notwendigkeit einer solchen Truppe waren dafür auch die Erfahrungen, die im zweiten Weltkrieg mit den nur im Kriegsfall bestehenden Ordnungstruppen gemacht worden waren, ausschlaggebend. Danach war klargeworden, daß ein moderner Krieg eine bereits im Frieden geübte und auf ihre kriegsbedingten Aufgaben vorbereitete Truppe erfordert, die Ordnung und Disziplin aufrechterhalten, den umfangreichen Verkehrsdienst versehen und SicherBundes basieren nicht auf Art. 96 II GG, sondern gehen auf Art. 96 IV GG zurück. Sie sind von der deutschen Delegation in ihrer Stellungnahme (s.o. Fn. 9) auch nicht gemeint. 14 In Deutschland waren das nach der StPO in der damals gültigen Fassung: Anordnung der körperlichen Untersuchung eines Beschuldigten, § 81a StPO, oder eines Unverdächtigen, § 81c StPO; Anordnung der Beschlagnahme, § 98 I StPO; Anordnung der Durchsuchung, § 105 I 1 StPO. 15 Vgl. die „Studie über die Forderungen hinsichtlich der Rechtsstellung der Militär-Polizei" vom 04.03.1953, BA-MA BW 9/1578, Bl. 103 ff. d.A., Bl. 104. 16 Vgl. zur geplanten Friedensorganisation der Militärpolizei der EVG die Vortragsnotiz des Gl/Paris vom 07.05.1953, a.a.O. (s.o. Fn. 10), passim.

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heitsaufgaben zuverlässig wahrnehmen kann. 17 So hatte es sich etwa beim Einsatz der Feldgendarmerie im zweiten Weltkrieg nachteilig bemerkbar gemacht, daß ihre Angehörigen vor dem Kriegsausbruch lediglich bei einigen wenigen Großmanövern mit der Art ihrer militärischen Verwendung in Berührung gekommen waren. Das führte nicht nur dazu, daß die Feldgendarmen nur unzureichend auf ihre Aufgaben vorbereitet waren und die notwendigen Kenntnisse über die Eigenarten und Erfordernisse der Streitkräfte sowie über die kriegsbedingten Schwierigkeiten des militärischen Straßenverkehrs erst im Laufe des Krieges erwerben mussten.18 Vielmehr war damit umgekehrt auch eine die zweckmäßige Verwendung der Feldgendarmerie erheblich behindernde Unkenntnis der Einsatzmöglichkeiten dieser Truppengattung bei den übrigen Streitkräften im allgemeinen und der Truppenführung im besonderen verbunden. 19 Entscheidend aber dürfte für die friedensmäßige Einplanung eines Ordnungsdienstes in der Bundeswehr diejenige Überlegung gewesen sein, die der Berichterstatter des Verteidigungsministeriums in der 52. Sitzung des Bundestagsausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit (später Verteidigungsausschuß genannt) am 13.10.1955 vorgetragen hat, als sich einige Ausschußmitglieder darüber wunderten, daß im Gegensatz zur Situation in der Wehrmacht nunmehr eine militärische Ordnungstruppe auch in Friedenszeiten für erforderlich gehalten wurde. Danach wurde es im Verteidigungsministerium als unausweichlich eingeschätzt, daß es in Standorten, in denen deutsche Soldaten gemeinsam mit Angehörigen der in Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte untergebracht waren, zu Zusammenstößen kommen würde. Ein wirksames Einschreiten in diesen Fällen erforderte aber nach der Überzeugung des Verteidigungsministeriums insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, daß gerade die ausländischen Soldaten den Begriff „Militärpolizei" schon seit Jahren oder vielleicht sogar Jahrzehnten gewöhnt waren, das Auftreten eines Militärpolizisten, der sich „gewissermaßen ausweist, daß er zu Recht eingreift". 20 Aus diesen Gründen wurde das Bestehen einer militärischen Ordnungstruppe auch im Frieden eingeplant. Dabei ging man davon aus, daß diese Truppe schon aus den ersten Soldaten, die aufgrund des „Freiwilligengesetzes" vom 23.07. 1955 21 die Kadereinheiten für die neu aufzustellenden deutschen Streitkräfte 17

Böckle, S. 195. Weitere Schwierigkeiten, die aus der Kaderung der Feldgendarmerie resultierten, führt Boßbrügge, S. 453 f., an und folgert daraus sogar, daß der Feldgendarmerie während des gesamten Krieges das Improvisorische wesenseigen gewesen sei. 19 Sehrt, S. 302. 20 Stenographisches Protokoll der 52. Sitzung des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit am 13.10.1955, S. 9 und S. 31 f., Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestags. 21 BGBl. I 1955, S. 449. 18

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bildeten, formiert werden sollte, da zumindest die Einsatzbereitschaft einiger Gruppen erwünscht war, sobald die personelle Auffüllung der Bundeswehr in größerem Umfang vorangetrieben würde. 22 Dementsprechend sahen sowohl die Aufstellungsweisung Nr. 1 des Verteidigungsministers Blank vom 04.10.195523 als auch der zur Ausführung dieser Weisung von General Heusinger am 06.10.1955 erlassene Aufstellungsbefehl Nr. I 2 4 die Bildung einer Militärpolizei-Lehrkompanie bestehend aus 6 Offizieren, 137 Unteroffizieren und 33 Mannschaften zum 01.01.1956 in Andernach vor. bb) Die „Entpolizeilichung" der Aufgaben Indessen begnügte sich der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit in der vorerwähnten Sitzung nicht damit, den Berichterstatter des Verteidigungsministeriums lediglich nach der Friedensorganisation der geplanten Ordnungstruppe zu befragen, sondern wollte darüber hinaus auch noch über die ihr zugedachten Aufgaben informiert werden. Hierzu führte der Berichterstatter des Verteidigungsministeriums daraufhin wörtlich aus: 25 „Es ist ganz klar unterschieden zwischen der Aufgabe im Frieden - das ist eine reine Aufgabe der Aufrechterhaltung der Ordnung der eigenen Truppe und der Aufgabe im Kriege, wo insbesondere im Feindesland möglicherweise weitere Aufgaben hinzukommen, die dann eine gewisse Parallele zu normalen Polizeibefugnissen haben können. Im Frieden hat diese [...] Militärpolizei keine Hoheitsrechte, sondern ist nur ein internes Organ zur Aufrechterhaltung der Disziplin; das wären also »Streifendienst 4 und ähnliche Dinge. Die zweite Aufgabe ist die der Verkehrsregelung z.B. bei Marschbewegungen. Da ist ein verkehrspolizeiliches Recht gegenüber der eigenen Truppe gegeben, nicht aber das ergänzende verkehrspolizeiliche Recht gegenüber Zivilfahrzeugen. Das muß bei einem solchen Manöver vorher vereinbart sein und z.B. in der Form der vorübergehenden Sperrung einer Straße durch die zuständige Polizei gemacht werden. [...]. Eine dritte mögliche Aufgabe besteht für die Militärpolizei darin, daß man für vorübergehende Aufgaben rasch eine Truppe zur Verfügung hat, die zu der einen oder anderen Bewachungsaufgabe eingesetzt wird."

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Stenographisches Protokoll der 52. Sitzung des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit am 13.10.1955, S. 31, a.a.O. (s.o. Fn. 20). 23 BA-MA BW 2/5143, Bl. 68 f. d.A. 24 BA-MA BW 2/5143, ohne Blattangabe. 25 Sitzungsprotokoll (s.o. Fn. 20), S. 29-31.

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Vergleicht man nun die mit diesen Äußerungen nur kursorisch umrissenen Aufgaben und Befugnisse, die für die Militärpolizei der Bundeswehr vorgesehen wurden, mit denen, die die Militärpolizei der EVG haben sollte, so fällt sofort die starke Restriktion auf, die in dieser Hinsicht in den Planungen eingetreten ist und sich am ehesten mit dem Schlagwort „Entpolizeilichung" 26 umschreiben läßt: Jegliche über den Bereich der eigenen Streitkräfteorganisation hinausreichende polizeiliche Funktion und Kompetenz, die noch für die Militärpolizei der EVG vorgesehen war, ist der Militärpolizei der Bundeswehr in diesem Stadium der Vorbereitung für die Aufstellung der bundesdeutschen Streitkräfte genommen worden. Es handelte sich bei der Militärpolizei jetzt nicht mehr um eine Polizeitruppe in dem Sinne, daß ihr auch allgemeinpolizeiliche Aufgaben und Befugnisse übertragen waren, sondern vielmehr nur noch um ein Instrument der Stäbe und Kommandobehörden zur Truppenführung. 27 b) Die Entwicklung der Namensgebung der Feldjägertruppe in den Jahren 1955/56 Umso unverständlicher erscheint es daher, daß die Bezeichnung „Militärpolizei" dennoch beibehalten wurde. Eine Hinterfragung dieser Namensgebung durch die verantwortlichen Planer im Verteidigungsministerium läßt sich in den überlieferten Akten nicht nachweisen. Im Gegensatz dazu gab sich der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit in seiner schon erwähnten 52. Sitzung am 13.10.1955 mit dem Begriff der „Militärpolizei" nicht mehr zufrieden und sprach sich ausdrücklich dagegen aus. Abgesehen davon, daß die Bezeichnung als Militärpolizei für eine Truppengattung, die überhaupt keine polizeilichen Aufgaben wahrnehmen sollte, den Ausschußmitgliedern widersinnig vorkam, 28 waren für dieses Votum auch Gründe der deutschen Militärtradition ausschlaggebend, denn eine als Militärpolizei bezeichnete Truppe stellte ein Novum in der deutschen Heeresgeschichte 26 Der Begriff „Entpolizeilichung" wird im allgemeinen in einem anderen Zusammenhang verwendet. Danach kennzeichnet er die aufgrund besatzungsrechtlicher Anordnungen in der amerikanischen und britischen Besatzungszone seit 1946 vollzogene Abtrennung zahlreicher Verwaltungsaufgaben der gefahrenabwehrenden Verwaltung von der Zuständigkeit der Polizeibehörden (vgl. hierzu etwa Drews/Wacke!Vogel/Martens 9, S. 53). Hier wird der Begriff hingegen umgekehrt dazu verwendet zu verdeutlichen, daß der Militärpolizei nach dem Scheitern der EVG Aufgaben und Befugnisse entzogen wurden, die auch nach der heute gültigen Definition des Polizeibegriffs noch als „polizeilich" bezeichnet werden. 27 Vgl. Hommer, S. 201; Wagner!Gutsfeld, S. 16; siehe auch die Nr. 422 und 436 der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen und zur Zeit des Bearbeitungsendes noch nicht durch eine Neufassung ersetzten HDv 100/100 „Truppenführung". 28 Sitzungsprotokoll (s.o. Fn. 20), S. 32.

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dar. Dementsprechend führte ein Abgeordneter auch aus, er halte den Ausdruck ,Militärpolizei" nicht für glücklich, „weil die Bezeichnung ,Militäipolizei' uns überhaupt fremd ist - sie klingt so amerikanisch [.. .]". 2 9 Schließlich fürchteten die Ausschußmitglieder noch, daß die Bezeichnung ,Militärpolizei" zur Begriffsverwirrung beitragen könne, da nach der Verfassung der Bundesrepublik die Polizei nun einmal reine Hoheitsaufgabe der Länder sei. 30 Obwohl der Ausschuß sich darüber im klaren war, daß nach der geplanten Ausgestaltung der Rechtsstellung der Militärpolizei ein Eingriff in Befugnisse der Länder nicht zu besorgen war, wollte er schon im Ansatz das Aufkommen des Verdachts verhindern, die Bundesrepublik schaffe sich auf dem Umweg über die Bundeswehr nach dem durch das Gesetz vom 16.03.195131 gegründeten Bundesgrenzschutz eine weitere Bundespolizei und umgehe damit die im Grundgesetz verankerte föderative Struktur der Polizei. 32 29

A.a.O. (Fn. 20), S. 28. 9 A.a.O. (Fn. 20), S. 28; Drews/Wacke/Vogel/Martens , S. 44 m.w.N., bezeichnen die hier vom Ausschuß geäußerte Ansicht, das Grundgesetz behalte die Polizeihoheit ausschließlich den Ländern vor, als in dieser Allgemeinheit nicht richtig, da der Bund eine ganze Reihe spezieller polizeilicher Zuständigkeiten besitze. Genannt werden insoweit Gesetzgebungszuständigkeiten im Bereich der ausschließlichen ebenso wie auf dem Gebiet der konkurrierenden und der Rahmen-Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Darüber hinaus schließt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (seit BVerfGE 3, 407, 433 und 8, 143, 149 f.) jede Zuweisung einer Gesetzgebungskompetenz zugleich die Befugnis als Annex-Kompetenz mit ein, innerhalb des betreffenden Sachgebietes auch polizeiliche Fragen zu regeln. Schließlich gibt es auch noch - wenn auch in weit geringerem Umfang - Bundeskompetenzen zur Errichtung von Polizeibehörden (z.B. in Art. 87 I 2 GG); vgl. zum Ganzen auch Götz, S. 28-32. 31 BGBl. I 1951, S. 201. 32 Diese rücksichtsvolle Haltung gegenüber potentiellen Empfindlichkeiten der Länder in bezug auf ihre Polizeihoheit mußte dem Ausschuß schon deshalb angezeigt erscheinen, weil der Widerstand der Länder gegen die Errichtung des Bundesgrenzschutzes in den Jahren 1950 und 1951 zeitweise nahezu unüberwindlich gewesen war, vgl. Ehlert/Greiner/Meyer/Thoß, S. 476 m.w.N. in Fn. 210 sowie den im Bundeskanzleramt zum internen Gebrauch erstellten „Abriß über die Geschichte des Bundesgrenzschutzes", BA B 136/1929, Bl. 164 ff. d.A., Bl. 167. Noch im Jahre 1956, als mit dem „ Z w e i t e n Gesetz über den Bundesgrenzschutz" vom 30.05.1956 (BGBl. I 1956, S. 436) die weitgehende Heranziehung der Grenzschutzangehörigen zum Zwecke eines beschleunigten Aufbaus der Streitkräfte angestrebt wurde, der Bundesgrenzschutz gem. § 4 des Gesetzes aber dennoch weiter bestehen und personell wieder aufgefüllt werden sollte, gab es Versuche einzelner Länder, die ungeliebte Bundespolizei wieder abzuschaffen (Ehlert/Greiner/Meyer/Thoß, S. 479; BA B 136/1929, Bl. 170 f. d.A.). So führte der Vertreter des Landes Hessen, unterstützt durch die Vertreter der Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern, schon in der 137. Sitzung des Bundesratsausschusses für Innere Angelegenheiten am 14./15.12.1955 aus, die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes „einschließlich der Paßnachschau könnten künftig auch von der Landespolizei wahrgenommen werden, was eine Verstärkung der Bereitschaftspolizeien der Länder bedingen würde". Er schlug daher vor, den Bundesgrenzschutz aufzuheben und seine bei Aufstellung der Streitkräfte noch verbleibenden Angehörigen in die Bereitschaftspolizeien der Länder zu überführen (Niederschrift über die 137. Sitzung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten am 14./15.12.1955, S. 26, in: Gesetzesdoku30

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Dieser kritischen Argumentation des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit schloß sich nunmehr auch das Verteidigungsministerium an: Im Textband des Tagebuchs des Referats IV VMin (Bl) 2 des Bundesverteidigungsministeriums findet sich folgerichtig am 17.01.1956 auch folgender Eintrag: „Besprechung IV A: [...]. Der Verteidigungsausschuß hat sich gegen den Begriff der Militärpolizei gewandt. Nun wird dafür die Bezeichnung »Feldjäger4 verwendet".33 Die Entwicklung der Namensgebung der Feldjägertruppe endet dann schließlich offiziell mit der Anordnung des Staatssekretärs Rust vom 30.01.1956, wonach der bisher angewandte Begriff ,Militärpolizei" ab sofort durch die Bezeichnung „Feldjägertruppe" zu ersetzen war. 34

mentation Nr. 392/55, Archiv des Bundesrats). Im Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit begründete das Land Hessen diesen Vorschlag dann ausdrücklich damit, daß „die bisherige Durchlöcherung der Polizeihoheit der Länder" bedenklich genug erscheine (Niederschrift über die 9. Sitzung des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit des Bundesrats am 16.12.1955, S. 3, a.a.O.). Indessen wurde der Vorschlag des Landes Hessen schon vom Innenausschuß des Bundesrats in der zuvor erwähnten Sitzung gegen die Stimmen der Vertreter von Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen bei Stimmenenthaltung der Vertreter von Berlin und Baden-Württemberg abgelehnt (Sitzungsniederschrift, a. a. O., S. 29). Auch im Plenum des Bundesrats fand der Antrag des Landes Hessen (BR-Drucks. 392/2/55, a.a.O.) in erster Lesung am 21.12.1955 keine Mehrheit [Stenographische Berichte der Verhandlungen des Bundesrates, 151. Sitzung am 21.12.1955, S. 385 (D)]. Obwohl sich in der Folgezeit auch die Bundestagsabgeordneten der SPD sowohl in den Beratungen des Bundestagsausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung am 11.04.1956 als auch im Plenum des Bundestags [vgl. z.B. die Rede des Abgeordneten Eschmann, Stenographische Berichte der Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode, 145. Sitzung, S. 7657 (B)] der Auffassung anschlossen, daß der Bundesgrenzschutz aufgelöst werden müsse, weil ihm nach der Gründung der Bundeswehr nur noch polizeiliche Aufgaben verblieben, für deren Wahrnehmung der Bund aber nicht zuständig sei (so die in der 22. Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung des Bundestags am 11.04.1956 unter Zustimmung der SPD gewählte Formulierung des anwesenden Vertreters des Landes Bayern, vgl. das Stenographische Protokoll dieser Sitzung, S. 9, a.a.O.), blieb der Bundesrat auch in letzter Lesung bei seiner Ablehnung des nochmals gestellten hessischen Antrags (BR-Drucks. 188/1/56, a.a.O.) und beschloß demgemäß, den Antrag gem. Art. 77 II 1 GG nicht zu stellen. [Stenographische Berichte der Verhandlungen des Bundesrates, 159. Sitzung am 18.05.1956, S. 164 (A)]. Auch der Bundestag verabschiedete das Gesetz mit den Stimmen der Mehrheitsfraktionen [Stenographische Berichte der Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode, 145. Sitzung, S. 7660 (D)]. Zwar blieb damit der Bundesgrenzschutz erhalten, doch zeigt der erhebliche Widerstand einiger Länder gegen die Existenz einer Bundespolizei, daß der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit zu Recht befürchtete, die Bezeichnung ,Militärpolizei" könne zu einer Beunruhigung der Länder führen. Raap, NZWehrr 1997, S. 202, vertritt sogar die Ansicht, daß auch heute noch eine etwaige Umbenennung der Feldjägertruppe der Bundeswehr in »Militärpolizei" ablehnende Reaktionen der Länder hervorrufen würde. 33

BA-MA BW 9/2527-8, Bl. 16 d.A.

. Die Aufgabenstellung im e t e n Teil der Arbeit

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Damit hatte sich für die Ordnungstruppe der Bundeswehr die Bezeichnung als Militärpolizei erledigt. Soweit nichts anderes vermerkt ist, ist daher immer dann, wenn im folgenden von Militärpolizei gesprochen wird, ohne daß es sich dabei um einen Eigennamen handelt, diesem Begriff lediglich noch ein materieller Sinngehalt dergestalt beizumessen, daß damit das Aufgabenfeld einer für den militärischen Ordnungs- und Verkehrsdienst sowie für die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben zuständigen Truppengattung umschrieben wird.

II. Die Folgerungen für die Aufgabenstellung im ersten Teil Trotz intensiver Nachforschungen in den im Militärarchiv des Bundesarchivs verwahrten Akten des Verteidigungsministeriums aus den Jahren 1955 und 1956 ist es nicht möglich gewesen herauszufinden, auf welche Art und Weise der Gedanke aufgekommen ist, die künftige Ordnungstruppe der Bundeswehr „Feldjäger" zu nennen, nachdem die Umbenennung der ursprünglich Militärpolizei genannten Truppe aufgrund des Votums des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit unausweichlich geworden war. Aufgrund der Tatsache aber, daß es in der preußisch-deutschen Militärgeschichte in Gestalt des Reitenden Feldjägerkorps, des Feldjägerregiments zu Fuß, der geheimen Feldjägerorganisation in der Weimarer Republik, des SA-Feldjägerkorps und der Feldjägerkommandos der Wehrmacht bereits Truppengattungen gegeben hat, die die Bezeichnung „Feldjäger" getragen haben, erscheint die Vermutung einer Anknüpfung an diese Namensvorläufer nicht von vorneherein abwegig. Eine solche Anknüpfung hätte allerdings nur dann einen Sinn gehabt, wenn die entsprechenden Formationen wenigstens teilweise auch mit solchen Aufgaben und Befugnissen versehen waren, die heute von der Feldjägertruppe der Bundeswehr wahrgenommen werden. Für die Aufgabenstellung im ersten Teil der Arbeit hat dies zur Folge, daß jede der erwähnten Einheiten daraufhin untersucht werden muß, inwieweit ihr jeweiliges Spektrum der Aufgaben und Befugnisse mit demjenigen der Bundeswehr-Feldjäger verglichen werden kann. Dabei bietet es sich an, die Aufgaben und Befugnisse der historischen Feldjäger nicht beziehungslos 34 BA-MA BW 1/1040, Bl. 10 d.A. Damit hatte man indessen ebenfalls einen Begriff gewählt, der der deutschen Polizeigeschichte nicht völlig fremd war. So waren beispielsweise bereits kurz nach Beginn des ersten Weltkrieges zahlreiche Unteroffiziere und Mannschaften aller Truppengattungen des Heeres unter der Bezeichnung „Hilfsfeldjäger", die in einer in den Kriegs-Korps-Verordnungsblättern Ende 1917 erschienenen Dienstanweisung offiziell übernommen wurde, zur Bekämpfung des Lebensmittel-Schleichhandels auf das Land abkommandiert worden. Obgleich demnach auch der Name „Feldjäger" schon früher polizeiliche Bezüge aufgewiesen hatte, waren diese doch nur sehr schwach ausgeprägt und fanden sich lediglich an so versteckten Stellen der deutschen Polizeigeschichte, daß eine Beunruhigung der Länder im Hinblick auf eine etwaige Beschneidung ihrer Polizeihoheit keinesfalls im gleichen Maße zu besorgen war, wie es bei der Wahl der Bezeichnung „Militärpolizei" der Fall gewesen wäre.

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in den Raum zu stellen, sondern sie zur Erzielung eines besseren und umfassenderen Verständnisses in die Darstellung der jeweiligen formationsgeschichtlichen Entwicklung einzubetten.

C. Die Aufgabenstellung im zweiten Teil der Arbeit Indessen ist eine Darstellung, die es sich - wie eingangs formuliert - zum Ziel gesetzt hat, die rechtsgeschichtliche Entwicklung hin zur Feldjägertruppe der Bundeswehr aufzuzeigen, notwendigerweise unvollständig, wenn sie nicht auch eine Gesamtbetrachtung derjenigen historischen Truppengattungen miteinschließt, die unabhängig von ihrem Namen jedenfalls aufgrund der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben als Vorläuferorganisationen angesehen werden können. Insoweit ist in erster Linie zu denken an die Feldgendarmerie, die in den preußischen 35 und deutschen Heeren der Vergangenheit - wie schon ein kurzer Blick etwa in das Konversations-Lexikon von Brockhaus aus dem Jahre 1908 beweist 36 - für die Erfüllung der im Kriege anfallenden feldpolizeilichen Tätigkeiten zuständig war. 37 35 Einen Überblick über die Entwicklung der Feldgendarmerie in den Heeren der übrigen deutschen Staaten gibt Böckle, S. 51 ff. Die Darstellung der Feldgendarmeriegeschichte kann sich dagegen im Rahmen dieser Untersuchung beschränken auf die preußische Armee, da Preußen als das mit Abstand größte Land insoweit beispielhaften Charakter hat. Zudem war gemäß Art. 61 I 1 der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16.04.1867 (Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1867, S. 2) ohnehin „die gesammte Preußische Militairgesetzgebung ungesäumt" „in dem ganzen Bundesgebiete" einzuführen. Von dieser Regelung wurden nicht nur die Militärgesetze im formellen Sinne erfaßt, sondern nach der ausdrücklichen Anordnung der Norm auch „die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte." Eine inhaltsgleiche Vorschrift enthielt dann bezogen auf das Reichsgebiet auch die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16.04.1871 (RGBl. 1871, S. 64) in ihrem Art. 61 I 1. 36 Band 6, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 531. 37 Aus diesem Grunde hätte man im Bundesministerium der Verteidigung grundsätzlich auch die Erwägung anstellen können, die neue militärische Ordnungstruppe „Feldgendarmerie" zu taufen, nachdem der Name ,Militärpolizei" hinfällig geworden war. So ging etwa die einschlägige wehrkundliche Literatur aus der Zeit nach dem Scheitern der EVG wie selbstverständlich davon aus, daß es auch in der Bundeswehr eine „Feldgendarmerie" geben werde (vgl. z.B. Falke, S. 453; Sehrt, S. 303). Gleichwohl hat die Wiedereinführung der Bezeichnung „Feldgendarmerie" der Aktenlage zufolge tatsächlich zu keiner Zeit auch nur zur Diskussion gestanden. Der Grund dafür kann letztlich nur vermutet werden. Denkbar erscheint zunächst, die Ursache für die Abkehr von der Bezeichnung ,,Feldgendarmerie" darin zu erblicken, daß die geplante militärische Ordnungstruppe der Bundeswehr neben einigen Differenzen im Detail bezüglich ihrer Aufgaben und Befugnisse sowie der Tatsache, daß sie auch schon im Frieden aufgestellt werden sollte, noch einige weitere Unterschiede zur früheren Feldgendarmerie aufwies. So strebte man in Anbetracht des Umstandes, daß die Rechtsstellung der Feldgendarmerie schon während des Krieges als zu kompliziert empfunden worden war und zu zahlreichen Überschreitungen der Befugnisse der Feldgendarmerie sowie zu Kompetenzstreitigkeiten geführt hatte, in diesem Zusammenhang

C. Die Aufgabenstellung im zweiten Teil der Arbeit

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Darüber hinaus darf auch nicht übersehen werden, daß es bereits lange vor der Einrichtung der Feldgendarmerie mit der Armeegendarmerie, der Leibgendarmerie und der Hafengendarmerie im preußischen Heer 38 Truppengattungen gegeben hat, die eine Bezeichnung als „Gendarmerie" aufwiesen. Da es aber der polizeiliche Charakter dieses Begriffs nahelegt zu vermuten, daß es sich bei den genannten Formationen um solche gehandelt haben könnte, die militärpolizeiliche Aufgaben wahrgenommen haben, muß auch der damit aufgeworfenen Frage nachgegangen werden, ob es sich dabei ggf. um die Anfänge der Errichtung einer Feldgendarmerie gehandelt hat.

eine Vereinfachung an. Ziel war es darüber hinaus, das verwirrende Nebeneinander der Feldgendarmerie und anderer militärischer Ordnungsdienste der deutschen Wehrmacht zu vermeiden (vgl. die bei H/PL Bonn/H des „Amtes Blank" erarbeitete „Studie über die Forderungen hinsichtlich der Rechtsstellung der Militär-Polizei" vom 04.03.1953, BA-MA BW 9/1578, Bl. 103 ff. d.A., Bl. 104). Auch verbot sich mit Blick auf das Bestehen der Feldjägertruppe schon im Frieden das für die Feldgendarmerie zu allen Zeiten typische System der Personalgestellung aus den Reihen der Polizei (vgl. Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 38). Für den Verzicht auf den Begriff der „Feldgendarmerie" dürfte indessen letztlich ein anderer Gedanke weitaus entscheidender gewesen sein als die genannten Merkmale, durch die sich die Feldgendarmerie der Wehrmacht von der geplanten Ordnungstruppe der Bundeswehr abhob. Konnte man nämlich mit Rücksicht auf die Polizeihoheit der Länder schon den Namen der Militärpolizei nicht beibehalten, so wäre es inkonsequent gewesen, mit der Bezeichnung Feldgendarmerie einen Begriff zu verwenden, der spätestens seit den napoleonischen Kriegen in der deutschen Polizeigeschichte einen festen Platz hatte. Nahezu jedes deutsche Land hatte nämlich seit dieser Zeit eine ausdrücklich als Gendarmerie bezeichnete Polizeiorganisation, die - mit Unterbrechungen im Einzelfall - bis zum Ende des zweiten Weltkrieges unter diesem Namen bestand (so etwa in Baden, Bayern, Hannover, Hessen-Kassel, Preußen und Sachsen; vgl. dazu jeweils Graf von Matuschka/Petter, S. 318; 328; 334-336 und 339). Darüber hinaus trug auch die nach dem zweiten Weltkrieg von der amerikanischen Besatzungsmacht in Hessen eingerichtete staatliche Polizei ursprünglich die Bezeichnung Gendarmerie (Harnischmacher/ Semerak, S. 121 und 169 f.). Daher kann davon ausgegangen werden, daß zu der hier in Rede stehenden Zeit die Länder auf die Einrichtung einer Truppengattung der Streitkräfte unter dem Namen Feldgendarmerie im Hinblick auf ihre Polizeihoheit ebenso empfindlich reagiert hätten, wie dies vom Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit bei der Wahl der Bezeichnung Militärpolizei befürchtet worden war. Der Begriff der Feldgendarmerie bot sich mithin für die Namensgebung der neuen Ordnungstruppe genauso wenig an wie die ursprünglich in Aussicht genommene Bezeichnung als Militäipolizei. 38

Im Gegensatz dazu handelte es sich bei der preußischen Landgendarmerie (vgl. zur Geschichte der Landgendarmerie in Preußen: Blankenstein, Werner: „Die preußische Landjägerei im Wandel der Zeiten", Selbstverlag des Verfassers, 1931) um eine zwar ebenfalls militärisch organisierte (außerhalb von Preußen hatte die Landgendarmerie auch in Baden, Hessen, Lippe-Detmold, Mecklenburg-Schwerin, Schaumburg-Lippe, Waldeck sowie in Elsaß-Lothringen eine militärische Organsation; DietzRotermund, Stichwort „Landgendarmerie", S. 469) und aus soldatischem Personal bestehende Formation, doch war sie nicht dem Heer eingegliedert, sondern unterstand in dienstrechtlicher Hinsicht allein dem Innenministerium. Sie gehörte daher schon aus diesem Grunde nicht zu den Vorläufern der Feldjägertruppe der Bundeswehr und muß mithin außer Betracht bleiben.

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Einführung

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß es im zweiten Weltkrieg neben der Feldgendarmerie auch noch andere Truppenformationen gegeben hat, die militärpolizeiliche Aufgaben ausgeführt haben. Im wesentlichen39 handelt es 39

Daneben sind vor allem die Geheime Feldpolizei, die Wachbataillone sowie die Bahnhofs wachen und Zugstreifen zu nennen, deren Formationsgeschichte jedoch im Rahmen dieser Arbeit aus unterschiedlichen Gründen nicht näher betrachtet werden kann. So handelte es sich zwar zunächst einmal bei der Geheimen Feldpolizei ganz ohne Zweifel um eine militärpolizeilichen Zwecken dienende Organisation, da sie gemäß Ziffer 1 der „Dienstvorschrift für die Geheime Feldpolizei" vom 24.07.1939 (H. Dv. 150 g.; L. Dv. 150 g; M. Dv. Nr. 4) „die ,Abwehrpolizei' des militärischen Abwehrdienstes beim Feldheere" war. Dementsprechend gehörte es etwa zu ihren Aufgaben, „alle volks- und staatsgefährdenden Bestrebungen, insbesondere Spionage, Landesverrat, Sabotage, feindliche Propaganda und Zersetzung im Operationsgebiet zu erforschen und zu bekämpfen" (vgl. Ziffer 13 lit. a) der H. Dv. 150g). Überdies war sie gemäß Ziffer 13 lit. c) der H. Dv. 150g. dafür zuständig, „die zur Sicherung des Operationsgebietes getroffenen Abwehrmaßnahmen im einzelnen durchzuführen bzw. ihre Durchführung zu überwachen sowie die militärischen Dienststellen und die Truppe, insbesondere die bei den Stäben mit der Bearbeitung von Abwehrangelegenheiten beauftragten Offiziere beratend zu unterstützen." Gleichwohl kann die Geheime Feldpolizei nicht als eine echte militärpolizeiliche Truppengattung angesehen werden, da ihre Angehörigen in statusrechtlicher Hinsicht nicht zu den Personen des Soldatenstandes zählten. Vielmehr waren die Feldpolizisten gemäß Ziffer 2 Satz 1 der H. Dv. 150 g. „im Kriegsfälle" als Wehrmachtbeamte einzustellen und im Hinblick auf ihre Dienststellung, ihre Dienstbezeichnung und ihren Dienstrang auch lediglich als solche zu behandeln. Militärische Befehlsbefugnisse standen ihnen daher grundsätzlich nicht zu. Lediglich gegenüber den unterstellten Feldpolizeibeamten sowie denjenigen Soldaten der Wehrmacht, die als sogenannte „Hilfs-Feldpolizeibeamte" eingesetzt wurden, waren die Angehörigen der Geheimen Feldpolizei aufgrund einer ausdrücklichen Anweisung des „Führers und Reichskanzlers" vom 15.08.1941 mit Befehlsbefugnissen ausgestattet (H. V. Bl. 1941, S. 383, Nr. 614). Schon deshalb muß eine nähere Betrachtung dieser Organisation unterbleiben. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß sich ein interessantes Bild der Rolle, die die Geheime Feldpolizei im zweiten Weltkrieg gespielt hat, ergibt, wenn man zunächst das der marxistischen Geschichtsbetrachtung verhaftete ausführliche Werk von Klaus Gessner, „Geheime Feldpolizei", Berlin (Ost), 1986, durcharbeitet und sich anschließend mit der vom Feldpolizeichef der Wehrmacht, Wilhelm Krichbaum, im Auftrag der „American Historical Division" erstellten umfangreichen Studie über „Die Geheime Feldpolizei" vom 18.05.1947 (BA-MA MSg 2/1530) befaßt. Einen konzentrierten Überblick liefern zudem der Aufsatz „Zur Organisation und Funktion der Geheimen Feldpolizei im zweiten Weltkrieg" von Klaus Gessner (in: Revue Internationale d'Histoire Militaire Nr. 43, Potsdam, 1979, S. 154 ff.) sowie die Ausführungen Böckles, S. 190 ff., und Williamsons, S. 12 ff. Für eine vertiefte Beschäftigung mit dem Thema empfiehlt sich dann schließlich noch die Durchsicht der Aktenbestände PH 1/21; RH 15/417a und RW 6/45b im Militärarchiv des Bundesarchivs sowie des unter der Signatur I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 im Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu findenden Primärquellenmaterials. - Im Gegensatz zur Geheimen Feldpolizei setzten sich die Wachbataillone zwar ausnahmslos aus Soldaten zusammen. Auch zählte die ihnen von der Ziffer 38 der H. Dv. 90 „Versorgung des Feldheeres" zugewiesene Pflicht, „die der Heeresversorgung dienenden militärischen Einrichtungen sowie die im Armeegebiet abgestellten Eisenbahnwagen und Schiffe gegen Sabotageakte, Luftangriffe, Angriffe feindlicher Streifabteilungen und Luftlandetruppen sowie gegen Überfälle aufständischer Bevölkerung zu schützen", unbestreitbar zu den militärpolizeilichen Sicherheitsaufgaben (so auch die Einschätzung des Handbook of German Military Forces, S. 11-100). Dennoch han-

C. Die Aufgabenstellung im zweiten Teil der Arbeit

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sich dabei um die Verkehrsregelungsbataillone und den später im Wehrmachtstreifendienst aufgegangenen Heeresstreifendienst. Diese Truppengattungen kurz vorzustellen und in Beziehung auf ihre Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse zu untersuchen, muß mithin ebenso Gegenstand der Darstellung im zweiten Teil der Arbeit sein.

delte es sich letztlich auch bei den Wachbataillonen nicht um eine echte militärpolizeiliche Truppengattung, weil ihr Aufgabenspektrum nicht über die beschriebene Sicherung logistischer Einrichtungen hinausging. Aufgrund dieser einseitigen Ausrichtung ihres Pflichtenkreises ist daher eine intensivere Erörterung der Wachbataillone im hier interessierenden Zusammenhang entbehrlich. Auch die zu diesem Thema ohnehin nur sehr spärlich vorhandene wehrgeschichtliche Literatur geht letztlich lediglich der Frage nach, wieviele Wachbataillone es im zweiten Weltkrieg gegeben hat und welche Bezeichnungen sie führten. Insoweit kann daher auf die Ausführungen Keilig-Kochs, S. 3 und 284 f., Mueller-Hillebrands II, S. 147 ff., und Tessins, S. 282, 290 und 293 f., verwiesen werden. - Demgegenüber hatten schließlich die Bahnhofswachen und Zugstreifen eine durchaus umfassende ordnungsdienstliche Funktion, da sie nicht nur für die „Kontrolle der Personalien und Reiseberechtigung sämtlicher Wehrmachtangehörigen" sowie für die Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin und Ordnung in den Bahnhöfen, Bahnhofsgaststätten und den Zügen verantwortlich waren, sondern darüber hinaus auch noch straffällige Personen aussondern, Übertretungen und Vergehen verfolgen, das Personal der Reichsbahn bei der Durchsetzung von eisenbahnbetrieblichen und bahnpolizeilichen Anordnungen unterstützen, Hilfeleistungen gewähren und Auskünfte erteilen mußten (vgl. das Merkblatt 21/5, „Richtlinien für Bahnhofswachen und Zugkontrollen", BA-MA RHD 6/21/5). Gleichwohl erübrigt sich auch die Darstellung der Bahnhofs wachen und Zugstreifen, da es sich dabei nicht um eigenständige Truppengattungen gehandelt hat. Vielmehr sollten nach dem Inhalt des Merkblatts 21/5 sowohl die Bahnhofs wachen als auch die Zugstreifen von den Truppen des jeweiligen Standortbereiches abgestellt werden, wobei in Abweichung von den insoweit gemäß Ziffern 53 und 54 der „Standortdienstvorschrift" vom 24.10.1939 (H. Dv. 131; L. Dv. 131; M. Dv. Nr. 581) ansonsten geltenden Grundsätzen auch die Riegertruppe herangezogen werden konnte (vgl. den Befehl OKW AWA/WAllg (II a) Nr. 2498/40 vom 13.06.1940, H. V. Bl. 1940, S. 223, Nr. 376). Sie waren daher letztlich nur den ganz normalen Truppenwachen zuzurechnen, wie sie in Ziffer 36 der H. Dv. 131 definiert wurden. Dementsprechend unterstanden sie während ihres lediglich 24 Stunden andauernden Kommandos den von der H. Dv. 131 vorgesehenen Wachvorgesetzten und kehrten nach Ablauf ihres Wachdienstes zu ihren eigentlichen Truppenteilen zurück. Bei dieser Sachlage kann aber naturgemäß nicht die Rede davon sein, daß die Bahnhofswachen oder die Zugstreifen Einrichtungen gewesen sind, die als Vorläufer der Feldjägertruppe der Bundeswehr hätten gelten können. Soweit das OKH noch am 07.03.1945 die Aufstellung von organisatorisch selbständigen Bahnhofs- und Zugwachabteilungen befohlen hatte (vgl. dazu etwa Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 38; Keilig-Koch, S. 287, und Tessin, S. 283), gelang es diesen - soweit ersichtlich - nicht mehr, in der kurzen verbleibenden Zeit bis zum Ende des zweiten Weltkrieges sichtbare Spuren in der Militärgeschichte zu hinterlassen. Auch diese Formationen können daher ohne weiteres von der Aufgabenstellung des zweiten Teils der Arbeit ausgenommen werden.

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Einführung

D. Die Eingrenzung des Themas in zeitlicher Hinsicht Die im vorstehenden umrissene Thematik des zweiten Teils der Arbeit gibt es ohne weiteres her, auch die ältere Geschichte militärpolizeilicher Truppengattungen in die Betrachtung mit einzubeziehen.

I. Die militärpolizeilichen Einrichtungen des ausgehenden Mittelalters So kannten beispielsweise schon die mittelalterlichen Heerhaufen zwei verschiedene Einrichtungen, die eine militärpolizeiliche Funktion erfüllten und diese sogar bis weit in die Zeit der stehenden Heere im 17. und 18. Jahrhundert hinein behalten haben: Gemeint sind der Feldmarschall und der Profos. 1. Der Feldmarschall Der Feldmarschall war ursprünglich zuständig für das gesamte Reit- und Pferdewesen in einem Heer. 40 Als Vertrauensperson des Fürsten wurde er aber schon zur Zeit der Hohenstaufen an die Spitze der allgemeinen Heeresverwaltung gestellt und erhielt die höchste richterliche Gewalt über die Streitkräfte, die er bis ins 16. Jahrhundert nicht mehr abgab.41 Hinzu kamen im Laufe der Zeit noch umfangreiche militärische Pflichten. Militärpolizeiliche Aufgaben ergaben sich für ihn im Rahmen der allgemeinen Heeresverwaltung, doch ließ er sich bei deren Wahrnehmung zumeist durch seinen Leutnant vertreten, der aus diesem Grunde in Deutschland auch Untermarschall genannt wurde. 42 Gleichwohl kannten die Kriegsordnungen des Mittelalters eine generelle Zuständigkeit des Feldmarschalls für alle im Heer anfallenden polizeilichen Aufgaben in der Regel nicht. Vielmehr folgten diese Kriegsordnungen bei der Aufgabenzuweisung an den Feldmarschall dem Enumerationsprinzip. Immer wieder hatte danach der Feldmarschall beispielsweise für die Sicherung der Person des Fürsten und sogar des ganzen Heeres zu sorgen. 43 Kriegsordnungen des 15. Jahrhunderts nannten ferner die Wiederherstellung der Ordnung bei „Auflauf und Rumor" bzw. das Unterbinden von „Streitigkeiten und Balgereien" im Heere als eine Aufgabe des Feldmarschalls. 44 Noch im 17. Jahrhundert gehörte die Aufsicht über die Kriegszucht in der ganzen Armee zu den Befugnissen des Feldmarschalls. 45 40 41 42 43 44

von Bonin, S. 16. Böckle, S. 15; ders., Truppenpraxis 1973, S. 34. von Bonin, S. 17 f. Ders., S. 18. Ders., S. 19 und S. 42.

D. Die Eingrenzung des Themas in zeitlicher Hinsicht

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Spätestens zu dieser Zeit setzte aber allmählich eine Entwicklung ein, in deren Verlauf der Feldmarschall zahlreiche seiner ursprünglichen Aufgaben verlor und schließlich zum Befehlshaber mit dem höchsten militärischen Rang wurde. 46 Die genannten Beispiele aber aus dem umfangreichen Aufgabenspektrum, das der Feldmarschall vor dieser Entwicklung zu bewältigen hatte, waren militärpolizeilicher Natur und sind demzufolge auch mit einigen der der Feldjägertruppe der Bundeswehr zugewiesenen Aufgaben vergleichbar 4 7 2. Der Profos Im Gegensatz zum Feldmarschall ist der Profos in Deutschland erstmals im Jahre 1499 in einem Tiroler Heer Maximilians I. nachweisbar, in dem er nach französisch-burgundischem Vorbild zur Unterstützung des Feldmarschalls eingesetzt wurde. 48 Schon bald darauf war das Amt des Profos weit verbreitet und in allen Kriegsordnungen vorgesehen. Statt wie ursprünglich geplant zur Unterstützung des Feldmarschalls eingesetzt zu werden, ersetzte der Profos im Laufe der Zeit den Feldmarschall im größten Teil seiner Tätigkeit, 49 insbesondere auch im Bereich seiner militärpolizeilichen Aufgaben. Damit war jedoch infolge des stetig anwachsenden Personalumfangs der Heereskörper eine einzelne Person zunehmend überfordert. Daher wurde das Amt des Profosses aufgeteilt: Schon in einer Kriegsordnung aus dem Jahre 1525 ist vorgesehen, daß jedem Regiment ein eigener Profos beizugeben war, der dem Regimentsstab angehörte und daher nur vom Regimentskommandeur und dessen Vorgesetzten sowie von dem sog. Oberstprofos, der im Generalstab des Heeres mit der Aufsicht über alle Regimentsprofosse beschäftigt war, Befehle erhalten konnte. 50 Da sich dieses System offenbar bewährt hatte, wurde es in der Folgezeit in allen Landsknechtsheeren übernommen, ohne wesentliche Änderungen zu erfahren. Lediglich in der Bezeichnung des Amtes des Profos trat nach der Übersetzung der Kriegsartikel des schwedischen Königs Gustav Adolf vom 15.07.1621 ins Deut45

Jany I, S. 171. Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 34; von Bonin, S. 19; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 298. 47 Vgl.: ZDv 75/100, Nr. 609, 621 ff., 911, 914 und Anlage 10; sowie HDv 360/ 200 „Der Feldjägerdienst", Nr. 3501: Personenschutz für gefährdete Einzelpersonen oder Personengruppen; ZDv 75/100, Nr. 117 und 601, sowie HDv 360/200, Nr. 3004: Abwehr von Straftaten gegen die Bundeswehr und Beseitigung rechtswidriger Störungen dienstlicher Tätigkeiten; ZDv 75/100, Nr. 115 und 401, sowie HDv 360/200, Nr. 1001: Überwachung, Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der militärischen Ordnung und der Disziplin. 48 von Bonin, S. 22 und S. 24. 49 Ders., S. 26. 50 Böckle, S. 18 und S. 21; von Bonin, S. 25 f. und S. 31. 46

3 Schütz

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sehe im Jahr 1632 teilweise insofern eine Änderung ein, als der Profos von diesem Zeitpunkt an in einigen Heeren Regimentsgewaltiger genannt wurde. Ferner erfuhr die Stellung des Oberstprofos eine Rangerhöhung, denn dieser wurde zum Generalprofos bzw. Generalgewaltiger befördert. 51 An den dem Regimentsprofos zugewiesenen Aufgaben änderte sich hingegen über Jahrhunderte hinweg so gut wie nichts. Neben der Aufgabe als Ankläger in Wehrstrafsachen vor dem Regimentsgericht war er auch mit den dem Gerichtsverfahren vorausgehenden Ermittlungen und dem ihm nachfolgenden Strafvollzug betraut, so daß der Profos Ermittler, Ankläger und Vollstrecker in einer Person war. 52 Zudem hatte er in ordnungsdienstlicher Hinsicht für die Aufrechterhaltung der Ruhe im Quartier und im festen Lager zu sorgen, Plünderungen, Schlägereien oder Kameradendiebstähle zu verhindern, die Sauberkeit in den Unterkünften zu überwachen sowie den Kriegsartikeln und Befehlen bei den Regimentsangehörigen und deren Familien Geltung zu verschaffen. 53 Da er darüber hinaus auch noch Vorkehrungen gegen Verrat und Aufruhr zu treffen hatte, im verkehrsdienstlichen Bereich für die Einhaltung der Zugordnung des Regiments beim Marsch verantwortlich war und den Feuerschutz organisieren 51

Böckle, S. 23 und S. 31. Böckle, S. 18; ders., Truppenpraxis 1973, S. 34 f.; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 298; ein anschauliches Beispiel für diese Aufgabenzuweisung an den Profos zitiert von Bonin, S. 52, aus einem sogenannten „Artikels-Brief 4 des 16. Jahrhunderts: „Wo einer oder mehr ohne ein Paßbort, die allein dem Obersten und sonst niemand zu geben gebürt, auß dem Feldt und vom Hauffen zöge, dem sol genommen werden, was er hat, dazu gefengklich angenommen, dem Profosen Überantwort, und an ehren, Leib und Leben gestrafft werden." Der Profos war demnach auch für das Gefangenenwesen verantwortlich, vgl. Böckle, S. 23 und S. 31; von Bonin, S. 32. 53 Böckle, S. 18; ders., Truppenpraxis 1973, S. 35; Meyer ; Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 298. Soweit von den genannten Autoren darüber hinaus noch die Beaufsichtigung der Trosse und der Regimentsmärkte mit ihren Kaufleuten, Händlern, Marketendern, Musikanten und Dirnen als militärpolizeiliche Aufgabe des Profos angegeben wird, unterliegen sie einem Irrtum. Der Darstellung von Bonins, S. 28 und S. 34 ff., ist nämlich zu entnehmen, daß unter der Beaufsichtigung des Regimentsmarktes Tätigkeiten zu verstehen sind, die gewerbeaufsichtsrechtlicher Natur sind, wie beispielsweise die Überprüfung der verwendeten Maße und Gewichte, die Erhebung von Standgebühren oder die Bestimmung des erlaubten Höchstpreises für die angebotenen Waren. Bei diesen Aufgaben handelt es sich aber nach heutigem Begriffsverständnis nicht mehr um polizeiliche Tätigkeiten, so daß sie auch nicht als Beispiel einer militärpolizeilichen Pflicht des Profos fungieren können. Für die Überwachung des Trosses bzw. des Regimentsmarktes in militärpolizeilicher Hinsicht war vielmehr der sog. „Hurenwebel" zuständig, der ebenfalls dem Regimentsstab angehörte, dem Profos aber nicht unterstellt war, wie Böckle, S. 21, fälschlich meint. Es war der Hurenwebel, dem es oblag, die Ruhe, Zucht und Ordnung im Troß aufrechtzuerhalten und ggf. wiederherzustellen. Damit war ihm eine Aufgabe gegeben worden, um die er zur damaligen Zeit nicht zu beneiden gewesen sein dürfte; Jany I, S. 172, hält es für unzweifelhaft, daß das damalige Söldnertum eine Menge „verwilderter wurzelloser Elemente" enthielt. Als besonders schwer aber bezeichnet er es, „die Menge der Fuhrknechte und Reuteijungen sowie den Anhang von Weibern, der den Truppen folgte, in Ordnung zu halten"! 52

D. Die Eingrenzung des Themas in zeitlicher Hinsicht

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mußte, wurden ihm zur Erfüllung seiner vielfältigen Aufgaben Hilfskräfte zugewiesen, die man als „Steckenknechte" bezeichnete.54 Einer dieser Steckenknechte wurde vom Profos zum „Stockmeister" ernannt, der daraufhin in der Hierarchie über den übrigen Steckenknechten, aber noch unter dem Stellvertreter des Profos, einem Leutnant, eingestuft wurde. 55 Aus all dem ergibt sich vom Profos und seinen Untergebenen das Bild einer bereits in den mittelalterlichen Heerhaufen gut organisierten, eigenständigen militärpolizeilichen Truppe, die schwerpunktmäßig ordnungsdienstliche Funktionen innerhalb der Streitkräfte ausübte. Diese Truppe verschwand jedoch beinahe zeitgleich mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wieder aus den deutschen Heeren, ohne durch eine vergleichbare Einrichtung ersetzt zu werden. 56

IL Die Ausgrenzung aus der Bearbeitung Es könnten an dieser Stelle ohne weiteres noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele für militärpolizeiliche Organisationen der älteren Geschichte angeführt werden. 57 54 Böckle, S. 18; von Bonin, S. 29, 33 und 37 ff.; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 298. 55 Wie Fn. 54. 56 Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 35; im Sprachgebrauch der angelsächsischen Streitkräfte hat sich hingegen nicht nur der Begriff des Profos', sondern auch der des Marschalls mit militärpolizeilichem Bezug bis zum heutigen Tag erhalten, denn der für den militärischen Ordnungsdienst zuständige vorgesetzte Offizier der Militärpolizei in der britischen und amerikanischen Armee heißt „Provost Marshai". 57 Insbesondere Böckle führt noch weitere, teilweise sogar frühgeschichtliche Formationen an, die er als militärpolizeiliche Truppengattungen einordnet. Genannt werden von ihm zunächst die „beneficiarii consularis", die von den Römern an wichtigen Straßenknotenpunkten in den von ihnen eroberten Provinzen eingesetzt wurden, um durch den Schutz der rückwärtigen Gebiete und die Gewährleistung der allgemeinen Sicherheit und Ordnung auf den Straßen die Versorgung der Legionen mit Nachschub sicherzustellen (Böckle, S. 9 f.). Darüber hinaus erwähnt Böckle aber auch noch den nubischen Stamm der Mezai, der im Ägypten der Pharaonenzeit als Teil der Streitkräfte für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich gewesen sein soll (S. 8). Abgelöst worden seien die Mezai später durch die sogenannten „Phylakitai", die Alexander der Große nach der Eroberung Ägyptens als Polizeitruppe eingesetzt habe (a.a.O.). Gleichermaßen bezeichnet Böckle, S. 9, auch die in den griechischen Stadtstaaten zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung gebildeten militärischen Formationen als Militärpolizei und erhält insoweit Unerstützung durch Harnischmacher/Semerak, S. 1. Überdies hält Böckle, S. 14, sogar die mittelalterlichen Stadtknechte für „eine Art Militärpolizei oder militärische Ordnungstruppe", da sie nicht nur allgemeinpolizeiliche Aufgaben, sondern auch einen Verteidigungsauftrag gehabt hätten. Schließlich bezieht sich Böckle, S. 25 und S. 37, auch noch auf die im Kurfürstentum Brandenburg den Polizeidienst auf dem Lande verrichtenden Angehörigen der Reitenden Garde sowie die in Berlin zur Zeit Friedrich Wilhelms I. in den Straßen patrouillierenden Soldaten, um die Existenz früherer militärpolizeilicher Einrichtungen nachzuweisen. Vom Standpunkt des hier im Zusammenhang mit der Na-

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So wird beispielsweise behauptet, daß auch die preußischen Husaren, die König Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1721 unter Generalleutnant von Wuthenow in der Stärke von zwei Kompanien den Kürassieren und Dragonern als dritte kavalleristische Waffengattung hinzugefügt hat, zur Durchführung militärpolizeilicher Aufgaben gegründet worden seien, da sie u.a. auch der Eindämmung der Fahnenflucht dienen sollten. 58 Zwar wird diese Auffassung in der einschlägigen Literatur keineswegs einhellig geteilt, 59 doch spricht immerhin dafür, daß das Husarenregiment von Zieten noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts im Winterhalbjahr die Grenzpostierungskommandos entlang der preußisch-sächsischen Grenze, die der Verhütung der Desertion dienten, stellte, auch wenn die Husaren sich zu dieser Zeit unstreitig bereits zur leichten Reiterei der Kavallerie weiterentwickelt hatten. 60 Indessen muß eine weiterführende und an Primärquellen orientierte Untersuchung der vorstehenden, nur exemplarisch und schlaglichtartig beleuchteten Beispiele früher Formen militärpolizeilicher Einrichtungen im Rahmen dieser Arbeit ebenso ausgelassen werden wie die Betrachtung der übrigen, hier nicht angeführten Organisationen dieser Art. Eine Ausdehnung der Darstellung auch auf diese Institutionen würde nämlich den Rahmen der vorliegenden Arbeit bei weitem sprengen. Diese muß sich daher in ihrem zweiten Teil streng auf die Erörterung der geschichtlichen Entwicklung der oben unter B. ausdrücklich genannten Truppengattungen beschränken.

mensgebung der Bundeswehr-Feldjäger als Grundlage der weiteren Bearbeitung festgelegten [s.o. B. I. 3. b)] materiellen Militärpolizeibegriffes aus kann indessen letztlich keines der genannten Beispiele als Militärpolizei bezeichnet werden. Böckle und Harnischmacher/Semerak kommen insoweit auch nur deshalb zu dem Ergebnis, daß die erwähnten Einrichtungen Militärpolizeien gewesen seien, weil sie es versäumen, diesen Begriff zu definieren. So leidet insbesondere Böckles Darstellung - wie die vorstehenden Beispiele belegen - unter einer sehr uneinheitlichen Verwendung des Begriffs Militärpolizei. Zum einen gebraucht er ihn in einem institutionellen Sinne als Bezeichnung für bestimmte Organisationsformen und verwendet ihn in diesem Zusammenhang auch noch in einem doppelten Wortsinn sowohl für militärisch strukturierte Polizeitruppen (so für die Beneficiarii, die Mezai, die Phylakitai und die brandenburgische Reitende Garde) als auch für militärische Ordnungstruppen wie etwa die Feldgendarmerie. Andererseits benutzt er den Begriff unterschiedslos auch im materiellen Sinne, wobei es erneut zu einer zweifachen Wortbedeutung kommt, weil damit sowohl der polizeiliche Einsatz des Militärs im Landesinnem umschrieben wird (so bei den Straßenpatrouillen in Berlin) als auch die Wahrnehmung ordnungs-, Verkehrs- und sicherheitsdienstlicher Aufgaben innerhalb der Streitkräfteorganisation. Daher kann es auch nicht verwundern, wenn Böckle, S. 8, die Aufgabe, eine randscharfe Trennungslinie zwischen militärischer Ordnungstruppe und Polizei in den von ihm betrachteten frühen Geschichtsabschnitten zu ziehen, für nicht durchführbar hält. 58 Böckle, S. 38; ders., Truppenpraxis 1973, S. 35; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 299; Wernitz, S. 10. 59 Anders z.B. Guddat, Kavallerie, S. 16. 60 Vgl. Heym\ S. 33 f.

E. Die Quellenlage

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E. Die Quellenlage Da jedoch selbst der auf diese Weise eingegrenzte Berichtszeitraum noch bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückreicht, haben sich bei der Suche sowohl nach Primär- und Sekundärquellen als auch nach einschlägiger Literatur zahlreiche Schwierigkeiten ergeben, die einige erläuternde Bemerkungen erfordern. Ein erstes Problem, das sich bei der Suche nach Archivalien ergibt, die so weit in die Vergangenheit zurückreichen, besteht bereits darin, daß es ein einheitliches deutsches Nationalarchiv, das etwa den „Archives Nationales" in Paris oder dem „Public Record Office" in London entspräche, aufgrund der nicht kontinuierlich verlaufenen politischen Entwicklung zu einem die gesamte deutsche Nation umfassenden Staat nicht gibt. Vielmehr besteht ein Nebeneinander von Bundesarchiv, das als das Archiv für die deutschen Zentralbehörden der Gegenwart und der Vergangenheit fungiert, und den Archiven der Länder, die das auf Länderebene angefallene Archivgut verwahren. Dabei ist die für den seit 1945 nicht mehr existierenden preußischen Staat zuständige Institution das Geheime Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Für eine Arbeit, die sich sowohl mit Einrichtungen der preußischen Armee als auch mit Truppengattungen des durch die Weimarer Reichsverfassung erstmals geschaffenen einheitlichen Reichsheeres befaßt, bedeutet dies, daß sowohl das Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg als auch das Geheime Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem aufgesucht werden müssen. Schon die Beschäftigung mit den Übersichten über die Bestände, die im Bereich der Militärgeschichte in diesen beiden Einrichtungen vorhanden sind, läßt aber weitere Schwierigkeiten erahnen, denn die Quellenlage ist insoweit recht problematisch: Nachdem in der Weimarer Republik ein einheitliches Reichsheer an die Stelle der bisherigen Landstreitkräfte der Einzelstaaten getreten war, wurden die Archivalien des preußischen Heeres (der Kommando- und Verwaltungsbehörden ebenso wie der einzelnen Truppenteile) zunächst im Reichsarchiv verwahrt, da diesem bei seiner Gründung im Jahre 1919 die Verwaltung aller preußischen und deutschen militärischen Archivalien zugefallen war. Aufgrund eines besonderen Teilungsabkommens vom 18.06.1924 zwischen dem Reichsarchiv und der preußischen Archivverwaltung gelangten die archivwürdigen Überlieferungen der preußischen Armee aus der Zeit seit dem 17. Jahrhundert bis zum Jahre 1866 einschließlich in das Geheime Staatsarchiv. Dort wurden sie unter der Bezeichnung „Preußisches Heeresarchiv" als IV. Hauptabteilung in die vorhandenen Bestände integriert. Durch diese Teilung der Archivalien gelangten also alle Akten, die vor 1867 schlossen, in das Geheime Staatsarchiv, während solche, die erst nach 1866 be-

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gannen, im Reichsarchiv verblieben. Akten, die sich auf die Zeit vor und nach den Trennungsjahren 1866/67 ausdehnten, wurden je nach ihrem sachlichen Schwergewicht der einen oder der anderen Institution zugewiesen.61 Neben der Verwahrung der Archivalien der preußischen Armee aus dem Zeitraum nach 1867 oblagen dem Reichsarchiv auch noch die archivischen Aufgaben für die Einrichtungen der Gesamtwehrmacht des Reichs seit 1919. Zuständig für all diese Aufgaben war die Abteilung I I des Reichsarchivs, die jedoch im Jahre 1936 abgetrennt und als Heeresarchiv mit Sitz in Potsdam verselbständigt wurde. 62 Indessen sind aber sowohl das Preußische Heeresarchiv als auch das Heeresarchiv in Potsdam zum größten Teil kriegsbedingten Einflüssen zum Opfer gefallen. Die Aktenbestände des ehemaligen Preußischen Heeresarchivs existieren überwiegend nicht mehr. Davon betroffen sind nicht nur die Überlieferungen des preußischen Kriegsministeriums und seiner Vorläufer, sondern ebenso die Aktenbestände der einzelnen Truppenteile, insbesondere auch die des Feldjägerregiments, die in der Repositur 11 der IV. Hauptabteilung verwahrt wurden, und die des Reitenden Feldjägerkorps bis 1866, die sich in der Repositur 12 E befanden. Den zweiten Weltkrieg haben nur einzelne Akten überdauert, die in der als „Preußisches Heeresarchiv und Heeresgeschichtliche Sammlung" bezeichneten gegenwärtigen IV. Hauptabteilung des Geheimen Staatsarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingegliedert worden sind. Für eine vollständige Bearbeitung der geschichtlichen Entwicklung der genannten Formationen reichen diese Bestände alleine jedoch bei weitem nicht aus. Aus diesem Grund mußte versucht werden, die beträchtlichen Lücken in den Primärquellenbeständen zu schließen, indem nach Gegenüberlieferungen in den Aktenbeständen anderer Dienststellen und Behörden geforscht wurde, mit denen die genannten Truppenteile korrespondiert haben. Daher finden sich in den Fußnoten dieser Arbeit auch Nachweise aus Aktenbeständen anderer Hauptabteilungen des Geheimen Staatsarchivs. Als nützlich für die Ergänzung des vorhandenen Materials über die Anfangszeit des Reitenden Feldjägerkorps und des Feldjägerregiments hat sich auch die Durchsicht der Jahrgänge 1740-1745 der beiden Berliner Zeitungen dieser Zeit 6 3 erwiesen, die im „Institut für Zeitungsforschung" in Dortmund und im „Standortkatalog Deutsche Presseforschung" der Universitäts- und Landesbibliothek Bremen vorhanden sind. 61

Vgl. Meisner/Winter, S. 57. Granier!HenkelOldenhage, S. 39 und S. 157. 63 Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen („Spenersche Zeitung"), Institut für Zeitungsforschung Dortmund, Signatur VW 18, und Berlinische Privilegierte Zeitung („Vossische Zeitung"), Standortkatalog Deutsche Presseforschung Bremen, Signaturen ja 2037/3, ja 2037/4, ja 2037/5. 62

E. Die Quellenlage

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Dennoch hat es sich nicht gänzlich vermeiden lassen, gelegentlich auf Quellenzitate in der einschlägigen Literatur zurückzugreifen, wenn die Originalakten nicht mehr existieren und die erwähnten Ersatzüberlieferungen nicht ausreichten, um die kriegsbedingten Primärquellenverluste auszugleichen. Indessen gestaltete sich die Beschaffung der insoweit einschlägigen Literatur, die ohnehin nur spärlich vorhanden war, ebenfalls problematisch, weil sie größtenteils älteren Datums ist und aus dem letzten Jahrhundert stammt. Auch hier haben Kriegseinwirkungen zu einer drastischen Verringerung der vorhandenen Exemplare geführt, die zum Teil nur noch in Spezialbibliotheken wie beispielsweise der Militärbibliothek in Dresden oder der Bibliothek des Militärgeschichtlichen Forschungsamts in Potsdam gefunden werden konnten. Nur noch sehr bruchstückhaft sind die Bestände in der Preußischen Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, soweit es um die für das hier behandelte Thema interessante Literatur géht. Ergiebiger ist hingegen die Bibliothek des Militärarchivs des Bundesarchivs in Freiburg. Konnten auf diese Weise genügend Materialien über die thematisch einschlägigen Truppenteile der preußischen Armee bis zum Jahre 1866 gesammelt werden, um eine abgerundete Darstellung zu erreichen, so stellte sich wegen des Untergangs des Heeresarchivs in Potsdam nach dem alliierten Luftangriff im April 1945 die gleiche Problematik noch einmal für die Zeit nach 1866. Da dem Bundesarchiv bei seiner Gründung im Jahre 1950 auch die Aufgabe zugewiesen wurde, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Bestände aus dem Reichsarchiv und dem ehemaligen Heeresarchiv zu archivieren, müssen die Aktenbestände der preußischen Armee aus der Zeit nach 1867 im Bundesarchiv-Militärarchiv gesucht werden. Indessen sind an Originalakten aus diesem Zeitraum nur Splitter in das Militärarchiv gelangt, zu denen glücklicherweise jedoch die Dienstvorschriften der preußischen Armee gehören. Außer solchen Dienstvorschriften ließen sich aber keine Bestände mehr nachweisen, die das Reitende Feldjägerkorps oder die Feldgendarmerie zwischen 1867 und 1919 betreffen. Die Akten dieser Truppenteile aus der fraglichen Zeit sind demgemäß im Jahre 1945 vollständig verbrannt, soweit sie nicht ausnahmsweise ins Geheime Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gelangt sind und dort verwahrt werden. Bedauerlicherweise beschränken sich die Schriftgutverluste jedoch keineswegs auf die preußische Armee. So sind etwa von der Reichswehr im wesentlichen nur aus den Wehrkreisen V I I (München) und XIV (Nürnberg) nennenswerte Aktenbestände erhalten geblieben. Die Überlieferungen der Wehrmacht haben ebenfalls durch den Untergang des Heeresarchivs in Potsdam erhebliche Verluste erlitten, da dieses nicht nur die archivischen Aufgaben für das Heer wahrgenommen hatte, sondern seit Ausbruch des zweiten Weltkrieges auch die von den Kommandobehörden, Stäben und Einheiten des Heeres zu führenden

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Einführung

Kriegstagebücher und Tätigkeitsberichte verwahrte. Weitere Verluste entstanden im Februar 1942 bei einem Brand in der Kriegs wissenschaftlichen Abteilung des Heeres in Berlin. Umfangreiches weiteres Schriftgut wurde zudem kurz vor der Kapitulation auf Befehl des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht verbrannt, wie überhaupt die Aktenvernichtungen vor Feinderoberungen empfindliche Lücken in der Überlieferung hinterlassen haben. Hinzu kamen schließlich noch die Beschlagnahmen von Aktenbeständen der Wehrmacht durch die alliierten Siegermächte. Die Rückführung dieser beschlagnahmten Akten ist bis heute noch nicht abgeschlossen.64 Bei dieser Quellenlage wird klar, daß auch hier mit Ersatzüberlieferungen wie etwa persönlichen Aufzeichnungen, Sammlungen dienstlicher Schriftstücke, Feldpostverzeichnissen, Niederschriften aus der Erinnerung und ähnlichem mehr gearbeitet werden mußte. Als besonders bedeutsam haben sich insoweit das Armeeverordnungsblatt, das ihm nachfolgende Heeresverordnungsblatt, die Allgemeinen Heeresmitteilungen sowie das Verordnungsblatt der Waffen-SS herausgestellt, 65 die außer im Militärarchiv des Bundesarchivs vor allem auch in der Zentralnachweisstelle des Bundesarchivs in Aachen-Kornelimünster eingesehen werden konnten, wo der Inhalt dieser amtlichen Verordnungssammlungen zu weiten Teilen in einer umfangreichen Kartei erschlossen worden ist. Abschließend muß noch darauf hingewiesen werden, daß auch im Schriftgut der Bundeswehr, das ebenfalls im Militärarchiv des Bundesarchivs verwahrt wird, durch unbedachte Vernichtungen vor allem in den Anfangsjahren erhebliche Verluste eingetreten sind, die aus Abgaben amtlicher Stellen nicht mehr ausgeglichen werden können. Zudem sind die Aktenbestände der Bundeswehr im Bundesarchiv-Militärarchiv bis heute nicht in archivarisch befriedigender Weise erschlossen, so daß sich nunmehr leicht erklärt, warum die bereits an früherer Stelle 66 aufgeworfene Frage nach den Motiven der verantwortlichen Planer im Verteidigungsministerium für die Wahl der Bezeichnung „Feldjäger" trotz intensiver Nachforschungen nicht letztverbindlich geklärt werden konnte. 64

Ausführliche Bemerkungen zu den Schriftgutverlusten der preußisch-deutschen Streitkräfte finden sich bei Granier!HenkelOldenhage in der Einleitung sowie auf den Seiten 157 f. und 188 f. (jeweils mit weiterführenden Literaturhinweisen). 65 Das Armeeverordnungblatt wurde vom 08.04.1867 bis zum 21.08.1919 in unregelmäßigen Abständen vom preußischen Kriegsministerium herausgegeben. Ihm folgte seit dem 27.08.1919 das vom Reichs wehrministerium herausgegebene Heeres Verordnungsblatt. Die Allgemeinen Heeresmitteilungen wurden seit dem 31.08.1934 vom Oberkommando des Heeres für die Heeresdienststellen herausgegeben und enthielten solche Erlasse und Verordnungen, die nur für den Dienstgebrauch bestimmt waren und daher nicht in dem im öffentlichen Handel frei käuflichen Heeresverordnungsblatt veröffentlicht werden konnten. Das Verordnungsblatt der Waffen-SS erschien seit 1940 und wurde vom SS-Führungshauptamt herausgegeben. 66 Oben sub B. IL

Erster Teil Die Namensvorläufer der Feldjägertruppe der Bundeswehr

L Kapitel

Das Reitende Feldjägerkorps A. Die Jäger im Felde vor der Gründung des Reitenden Feldjägerkorps Schon lange bevor Friedrich der Große im Jahre 1740 das Reitende Feldjägerkorps ins Leben rief, hatte es in den brandenburgisch-preußischen Streitkräften Forstbeamte gegeben, die im Kriegsfall Wehrdienst leisten mußten. Diese Forstbeamten wurden zwar nicht ausdrücklich „Feldjäger" genannt, können aber aufgrund ihres Einsatzes im Krieg als Jäger im Felde bezeichnet werden. In diesem Sinne stellten sie die Vorgänger des Reitenden Feldjägerkorps dar und verdienen daher eine kurze Betrachtung. Erstmals nachweisbar ist die Heranziehung von Forstbediensteten zum Kriegsdienst im brandenburgischen Heer des Jahres 1656.1 Während für die Zeit vor 1656 urkundliche Belege für den Wehrdienst von Jägern, Waldhütern und sonstigen Forstbeamten auch im letzten Jahrhundert nicht aufgefunden werden konnten,2 wird im Jahre 1838 von einer amtlichen Liste aller in der Mark Brandenburg vorhandenen Heidereuter, Hasenheger, Schützen, Jäger und Jägerburschen berichtet, die 1656 unter der Überschrift „Specification der Churfürstlichen Heidereuter, Hasenhegner und Schützen, welche vermöge Sv. Churfürstlichen Durchlaucht, unseres gnädigen Herrn Befehl und des Herrn OberJägermeisters gethane Verordnungen, zu Defensión dieser Landen, zur Churfürstlichen Jäger-Kompanie verschrieben worden sind und sich darauf eingestellt haben" erstellt worden war. 3 Ebenfalls aus dem Jahr 1656 stammt ein Befehl des Großen Kurfürsten, den dieser am 30.09. aus Cöln an der Spree an den 1 Guddat, Infanterie, S. 23; Lange, S. 46; Vogt, S. 247; Voigt, Band 5, S. 379; Gumtau I, S. 13, nennt noch das Jahr 1674, berichtigt sich aber im Nachtrag zu Band HI schon vier Jahre später selbst, vgl. Gumtau III, S. 3 ff. des Nachtrags; falsch auch Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 298, der ohne Nachweis von 1659 ausgeht. 2 N. N., Soldatenfreund 51, S. 665, berichtet zwar, daß schon der Kurfürst Georg Wilhelm (1619-1640) seine Jäger, Wald- und Heideläufer an den Grenzen im Krieg gegen Polen habe zusammenziehen lassen; Belege dafür führt er indessen nicht an. 3 Gumtau DI, S. 3 f. des Nachtrags; zitiert auch von N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 5; die Liste konnte in den Aktenbeständen des Geheimen Staatsarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ebensowenig gefunden werden wie die im Text nachfolgend in Bezug genommenen Primärquellen aus dieser Zeit.

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

damaligen Ober-Jägermeister Jobst von Hartenfeld gerichtet hatte, wonach wegen eines feindlichen Einfalls der Polen in Preußen und in der Neumark alle Jägerburschen aus der Alt-, Mittel- und Neumark unter ihren Oberförstern mit Pferden und Gewehren zu versammeln waren, um zur „Defension" des Landes zur Verfügung zu stehen.4 Aus diesem Quellen geht hervor, daß schon 1656 die brandenburgischen Forstbeamten im Kriegsfall Wehrdienst zu leisten hatten und zu diesem Zweck eine eigene Jäger-Kompanie bildeten.5 Die Motive für diese Maßnahme liegen auf der Hand: Die Forstbediensteten waren aufgrund ihres Berufes im Umgang mit Schußwaffen vertraut und geübt. Sie mußten daher weder ausgebildet werden noch war ihre Ausrüstung erforderlich, da sie ihre gezogenen Büchsen zum Kriegseinsatz mitbringen konnten.6 Zudem waren sie größtenteils bedingt durch die Aufgaben ihres Zivilberufes beritten, so daß bei Antritt des Wehrdienstes auch die Zuweisung von Pferden entfiel. 7 Schließlich war in der damaligen Zeit von besonderer Bedeutung, daß die Forstbediensteten im Staatsdienst angestellt waren und nach der Ableistung ihres Wehrdienstes im Frieden wieder in ihre ursprüngliche Stellung zurückkehrten. Durch die Aussicht, nach Beendigung eines Kriegseinsatzes wieder in den gesicherten Zivilberuf zurücktreten zu können, existierte bei den Jägern die Gefahr einer Desertion praktisch überhaupt nicht. Nicht zuletzt aus diesem Grunde waren sie für den Einsatz in den Streitkräften ganz besonders gut geeignet. Die Aufgaben, die von den als „Scharfschützen oder Jäger" bezeichneten Forstbeamten im Kriegsfall wahrzunehmen waren, hingen eng mit ihrer zivilen Verwendung zusammen. So wurden sie häufig als Scharfschützen eingesetzt und sollten in dieser Eigenschaft vor allem versuchen, die feindlichen Offiziere zu treffen. 8 Daneben wurden sie aber auch zu Aufklärungszwecken, als Späher und als Vorposten eingesetzt.9 Im Gefecht kämpften sie abgesessen zu Fuß, so daß ihnen ihre Pferde lediglich als Transportmittel dienten. 10 Die Führung der Jäger-Kompanie des Großen Kurfürsten übernahmen nicht etwa ausgebildete Offiziere des Heeres, sondern qualifizierte Oberförster, die ebenfalls nur für die Dauer des Kriegseinsatzes mobil gemacht wurden. 11 Nach 4 Abgedruckt bei Gumtau HI, S. 4 des Nachtrages. Dort findet sich auch die Vollzugsmeldung des Ober-Jägermeisters von Hartenfelde wonach aus der Mittelmark 47, aus der Neumark 31, aus der Altmark 15, aus dem Stork- und Beskowschen Kreis 13 und aus Hinterpommern 12 berittene Jäger versammelt werden konnten. 5 Unzutreffend daher N. N., Soldatenfreund 51, S. 665, der behauptet, eine geschlossene Jägerkompanie habe erstmals unter Kurfürst Friedrich III. existiert. 6 Vgl. Gumtau, Zeitschrift Krieg 55, S. 83; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 16. 7 Vgl. Gumtau m, S. 5 des Nachtrags. 8 Gumtau I, S. 13. 9 N. N., Soldatenfreund 51, S. 665. 10 Gumtau III, S. 5 des Nachtrags.

A. Die Jäger im Felde

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erfolgtem Friedensschluß kehrten mithin alle Angehörigen der Jäger-Kompanie wieder in ihren Zivilberuf zurück, so daß in den Ranglisten des brandenburgischen Heeres aus dieser Zeit kein Hinweis auf die Kompanie enthalten ist. Die nächste Erwähnung finden zum Heer eingezogene Forstbedienstete im Jahre 1674 als Teilnehmer des Rheinfeldzuges des Großen Kurfürsten. Indessen erfolgte ihre Zusammenziehung diesmal nicht zum Zweck der Bildung einer eigenständigen Kompanie. Stattdessen wurden sie auf die Infanterie-Kompanien verteilt, in denen sie jedoch die gleichen Aufgaben zu erfüllen hatten wie die Angehörigen der Jäger-Kompanie von 1656. 12 In gleicher Weise auf die einzelnen Infanterie-Kompanien verteilt nahmen Jäger auch im Rahmen der Pommerschen Feldzüge des Großen Kurfürsten am Kampf gegen die Schweden teil und wurden bei den Belagerungen der Städte Wolgart, Demmin, Stralsund und Stettin in der Verwendung als Scharfschützen erwähnt. 13 Die Existenz einer geschlossenen Jägerkompanie ist hingegen erst wieder aus dem Jahre 1688 überliefert. Im Unterschied zu ihrer Vorgängerin bestand sie aber nicht aus einheimischen Forstbediensteten, sondern setzte sich ausnahmslos aus Ausländern zusammen, die aus Piemont-Savoyen stammten und vom Kurfürsten Friedrich HI. in Brandenburg aufgenommen worden waren, nachdem sie aus ihrer Heimat hatten fliehen müssen, weil sie wegen ihrer protestantischen Konfessionszugehörigkeit durch den Herzog von Savoyen - der insoweit dem Beispiel des französischen Königs Ludwig XIV. folgte, mit dem er zu diesem Zeitpunkt ein Bündnis unterhielt - in Piemont verfolgt worden waren. 14 Da die Piemontesen in der damaligen Zeit nicht nur als Büchsenmacher, denen man die Erfindung des Radschloß-Karabiners zuschrieb, sondern vor allem auch als Scharfschützen weithin bekannt waren, bot sich ihre Heranziehung zum Kriegsdienst für den Kurfürsten von Brandenburg geradezu an. 15 Er bildete daher durch Verpflichtung der Piemontesen 1688 in Spandau eine 143 Mann starke Frei-Kompanie, die entsprechend der Herkunft ihrer Angehörigen als „Piemontesische Jäger-Kompanie" bezeichnet wurde und schon ein Jahr später an der Belagerung von Bonn teilnahm. 16

11

Gumtau m, a.a.O. von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 390; Lange, S. 46; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 7; Vogt, S. 247; Voigt, S. 379, irrt also, wenn er ein geschlossenes JägerCorps des Jahres 1674 erwähnt. 13 Gumtau, Zeitschrift Krieg 55, S. 83; von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 390 f.; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 7. 14 N. N., Soldatenfreund 24, Heft 3, S. 62. 15 N. N., Soldatenfreund 51, S. 666. 16 Lange, S. 47; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 9; Vogt, S. 247. 12

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

In der „ordre de bataille" des dortigen Belagerungs-Korps sind die piemontesischen Jäger der Reserve mit dem Auftrag zugeteilt worden, die Artillerie zu schützen. Die für den Gebrauch der Jäger bei der Belagerung erlassene Instruktion teilt diesen insbesondere die Aufgaben zu, auf die feindlichen Offiziere zu schießen, diesen das „Recognoscieren" möglichst zu erschweren, ihre Annäherung dabei zu vereiteln und die Bedienungsmannschaften der gegnerischen Artillerie unter Feuer zu nehmen.17 Indessen wurde die Piemontesische Jäger-Kompanie noch im selben Jahr wieder aufgelöst, da ihre Angehörigen wieder nach Piemont-Savoyen zurückkehren konnten, nachdem der Herzog von Savoyen die Verfolgung der Protestanten in seinem Lande eingestellt hatte, weil seine Bündnisverpflichtungen gegenüber Frankreich inzwischen weggefallen waren. 18 Mit der Entlassung der Piemontesen aus dem brandenburgischen Heeresdienst scheinen die Vorzüge, die die Heranziehung von Forstbediensteten zum Wehrdienst bot, in Vergessenheit geraten zu sein, denn in den Heeren des folgenden halben Jahrhunderts sind keine Jäger mehr nachweisbar. 19

B. Das Reitende Feldjägerkorps bis 1806 I. Die Aufstellung des Reitenden Feldjägerkorps 1. Die politischen Rahmenbedingungen und Motive der Aufstellung Erst Friedrich der Große griff 50 Jahre später wieder zu kriegerischen Zwecken auf seine Forstbediensteten zurück. Noch in seinem ersten Regierungsjahr nutzte er 1740 die Schwierigkeiten, die in Österreich wegen der problematischen Erbfolge nach dem Tod Kaiser Karls VI. und der umstrittenen Thronbesteigung Maria Theresias entstanden waren, dazu aus, das preußische Staatsgebiet mit militärischer Gewalt zu vergrößern. Mit der rechtlich höchst anfechtbaren Begründung, im Jahre 1537 sei es 17

Gumtau I, S. 14. von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 390; ausführlich zum Schicksal der Piemontesen: N. N., Soldatenfreund 24, Heft 3, S. 63; es trifft also nicht zu, wenn Gumtau I, S. 15, und N. N., Soldatenfreund 51, S. 666, behaupten, daß die näheren Umstände der Auflösung der Piemontesischen Jäger-Kompanie unbekannt seien. 19 Die Angabe von Braunschweig-Beverns, S. 272, daß sich bei der Belagerung Stralsunds durch preußische Truppen im Nordischen Krieg eine von König FriedrichWilhelm I. errichtete Jäger-Kompanie befunden habe, ist vereinzelt geblieben und soweit ersichtlich - von keinem anderen Autoren aufgegriffen oder bestätigt worden. Einen Nachweis für seine Darstellung bietet auch von Braunsckweig-Bevern selbst nicht an. 18

B. Das Reitende Feldjägerkorps bis 1806

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zu einer Erbverbrüderung Herzog Friedrichs I I von Liegnitz, Brieg und Wohlau mit dem brandenburgischen Herrscherhaus gekommen, erhob er Anspruch auf das ebenso fruchtbare wie wohlhabende Schlesien. Bei den Vorbereitungen und Planungen des zur Eroberung Schlesiens bevorstehenden Feldzuges erkannte Friedrich der Große, daß einerseits wegen der geographischen Lage seiner zum Aufmarsch geeigneten Territorien und andererseits aufgrund der möglichen Stärke der feindlichen Streitkräfte der Erfolg seines Vorhabens maßgeblich von der Beweglichkeit der Armeeführung abhing. 20 Um nun aber trotz der Schwerfälligkeit der damaligen Heereszüge in einem unwegsamen und unbekannten Gelände schnelle und unauffällige Truppenverschiebungen vornehmen zu können, bedurfte es einer durch Erkundungen zu erzielenden genauen Ortskenntnis und eines reibungslos funktionierenden Meldewesens.21 Indessen fehlte in der preußischen Armee, die Friedrich der Große von seinem Vater übernommen hatte, eine Spezialeinheit, deren Personal zu Erkundungszwecken, als Einweiser vorrückender eigener Truppen oder auch als Melder hätte eingesetzt werden können. Eine solche Einheit mußte demnach erst geschaffen werden. Gesucht wurden daher junge Leute, die an ein Leben in Wald und Feld gewöhnt waren, über einen guten Orientierungssinn verfügten und die Fähigkeit zum Spurenlesen erworben hatten. Zudem mußten sie wegen des vorwiegend selbständigen Einsatzes zu eigenverantwortlichem Handeln in der Lage sein und eine besondere Zuverlässigkeit besitzen, damit sie ihre Einzelaufträge nicht zur Desertion nutzten. 22 All diese Eigenschaften schienen am ehesten bei den Forstbediensteten vorhanden zu sein, die darüber hinaus noch die bereits erwähnten und schon von den brandenburgischen Kurfürsten geschätzten Vorzüge des vertrauten Umgangs mit Schußwaffen und der größtenteils bereits vorhandenen Ausrüstung aufwiesen.

2. Die A. K. O. vom 24.11.1740 Nachdem der König sich aus diesen Gründen wiederholt für die Heranziehung seiner Jäger zur Wahrnehmung der neuen Aufgaben ausgesprochen und entsprechende Andeutungen auch in seinem Werk „Generalprinzipien vom Kriege" gemacht hatte, 23 befahl er durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 20

Böckle, S. 76; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 299. Böckle, S. 76; Guddat, Kavallerie, S. 26; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 299. 22 Böckle, S. 76; Groehler, S. 82; Guddat, Infanterie, S. 24; ders., Kavallerie, S. 26; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 16; Heym\ S. 1; Jentsch, S. 2; N. N., Soldatenfreund 51, S. 666; Roeder, S. 2; Zimmermann, S. 98. 21

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

24.11.174024 die Aufstellung einer als Jäger-Corps zu Pferde bezeichneten neuen Truppengattung: „Lieber Getreuer: Da Ich ein Corps von Meiner Armee nechstens marschiren zu lassen gesonnen bin, bei solchem aber ein Capitaine de Guides mit erfordert wird, dessen Function ist, wenn die Armee in frembden Landen kommet und marschiret, vor gute Wegweyser zu sorgen und solche an die Hand zu haben, damit, wenn marschiret wird, oder Commandos geschickt werden, Ihnen jederzeit gute Wegweyser, die alle Wege und Stege kennen, mitgegeben werden können, so habe ich aus besonders gnädigem vertrauen zu Euch resolviret, Euch bei dem nechst bevorstehenden Marsch solche Function mit Beibehaltung Eurer bisherigen Bedienung, Tractament und emolumenten aufzutragen, daher denn Ihr Euch gleich fertig machen und Eure Sachen so einrichten sollet, daß Ihr in Zeit von acht Tagen höchstens im Stande seyd, sogleich abzugehen. Ihr sollet demnächst 12 berittene Jägers unter Euch haben, die Ihr aus denen in Meinen Diensten stehenden Jägers selbst aussuchen, und Mir citissime vorschlagen sollet, welches treue Leuthe von gutem Verstände sein müssen, und die Ihr zu allen, was Eure Function erfordert, gebrauchen könnet. Es soll ein jeder von diesen Jägers Monathlich 4 Thl. a part bekommen, sich aber selbst ein kleines Pferdt nebst einem grünen Rock anschaffen, dabei sie die Versicherung bekommen sollen, daß wenn der Marsch vorbei, selbige alsdann mit recht guten Diensten versorgt werden sollen. Wegen Eures künftigen Verhaltens in dieser Function sollet Ihr noch hiernächst mit einer besonderen Instruction versehen werden, und damit Ihr um so füglicher im Stande seydt, Eurer Function vorzustehen, so soll Euch noch ein Assistent zugegeben werden, welchen Ihr zu Hülfe nehmen sollet. Ihr und Euer Assistent bekommet auf 8 Pferde Fourage, wovon jeder von Euch sich ein Paar Pferde, beide zusammen aber Ihr Euch einen Wagen halten könnet. Ihr habt Euch danach zu achten, und keine Stunde zu versäumen, damit Ihr mit Euern Jägers nechtens in Berlin und in marschfertigen Stande seyn könnet. Rheinsberg den 24. November 1740. Friedrich. An den Obeijäger Schenck."25

3. Die Anfangsstärke des Reitenden Feldjägerkorps Daraus ergibt sich, daß das spätere Reitende Feldjägerkorps bei seiner Gründung eine Stärke von 14 Mann (Capitaine de Guides Schenck, dessen Assistent und 12 Jäger) aufweisen sollte. Dem widerspricht indessen die bis in die Gegenwart hinein immer wieder zu findende Behauptung, das Reitende Feldjägerkorps sei bei seiner Errichtung 60 Mann stark gewesen.26 Es läßt sich jedoch 23

von Rentzell S. 3. Nicht, wie Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 299, irrig meint, vom 27.11.1740. 25 GStA PK IV. HA B Nr. 709, ohne Blattangabe. 26 So etwa: Groehler, S. 82; Meyers Konversationslexikon 1897, Stichwort: „Feldjäger", S. 271; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 11; von Rentzell, S. 3; Vogt, 24

B. Das Reitende Feldjägerkorps bis 1806

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anhand einiger anderweitiger Primärquellen belegen, daß die tatsächliche Stärke exakt der zitierten königlichen Anordnung entsprach: Obeijäger Joachim Schenck, an den der Befehl zur Errichtung eines berittenen Jäger-Corps in seiner Eigenschaft als Aufseher des Jägerhofes und Jagdzeuges in Potsdam ergangen war, meldete dem König schon am 01.12.1740, daß er 12 Jäger und einen Assistenten ausgesucht und engagiert habe. Dieser Meldung fügte er zudem eine „Specifikation derjenigen Königl. Jäger, so auf allergnädigsten Befehl mit in Campagne gehen sollen" bei, die die Namen der 14 Angehörigen des ersten Stammes des Reitenden Feldjägerkorps enthält. 27 Auch die aufgrund dieser Meldung erlassene A. K. O. vom 04.12.174028 widerlegt die Auffassung, das Jäger-Corps zu Pferde sei in einer Stärke von 60 Mann errichtet worden, denn dort heißt es unter anderem: „Von den in Potsdam liegenden Pistolen kann derselbe [i.e. Obeijäger Schenck] gegen seinen Schein 12 paar fordern, welche ihm verabfolgt werden sollen. Jeder Jäger muß sonsten seine eigene Hinte und seyten Gewehr mitnehmen." Schließlich ist auch noch der Bericht der „Königlich privilegierten Berlinischen Zeitung" vom Samstag, dem 10.12.174029 über den Ausmarsch des neu gegründeten Jäger-Corps aus Berlin als Beleg für eine Anfangsstärke von 14 Mann anzuführen, denn die Zeitung meldete:

S. 247, die jedoch alle die A. K. O. vom 24.11.1740 nicht erwähnen. Lange, S. 48, spricht gar von der Errichtung in Stärke 6 Obeijäger, 50 Feldjäger, ohne freilich einen Nachweis dafür anzugeben. Völlig unverständlich angesichts des klaren Wortlauts der Order ist die Aussage von N. N., Soldatenfreund 51, S. 666, und von Voigt, Band 5, S. 379 (erstaunlicherweise aber richtig, hingegen ohne Angabe der Rechtsgrundlage in Band 7, S. 790), daß das Jäger-Corps zu Pferde laut A. K. O. vom 24.11.1740 in Stärke von 60 Mann aufgestellt worden sei! Richtig dagegen: von Bredow, S. 157; Guddat, Kavallerie, S. 26; Jany II, S. 17; Boeder, S. 2; Schumann, S. 782 f.; Sommer, S. 62, sowie die Autoren, die die A. K. O. vom 24.11.1740 wörtlich zitieren: Böckle, S. 75; von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 389 f.; Heym\ S. 3 f. und Jentsch, S. 3 f. Sowohl die Stärkeangabe von 60 als auch die von 14 Mann erwähnt Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 300, ohne aber eine Bewertung vorzunehmen. Der Grund für die fehlerhafte Stärkeangabe der erstgenannten Autoren scheint mir darin zu liegen, daß diese als Quelle nur die älteren Stammlisten der preußischen Armee benutzt haben, worin tatsächlich die Errichtung eines 60 Mann umfassenden Jäger-Corps im Jahre 1740 angegeben ist. Demgegenüber weist Jany II, S. 22, zutreffend darauf hin, daß die Stärke von 60 Mann erst im Laufe des Ersten Schlesischen Krieges durch sukzessive Aufstockung des Personalbestandes erreicht worden ist. Dementsprechend hat Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3365, und Zeitschrift Krieg 55, S. 82, auch seine früher geäußerte Ansicht, das Jäger-Corps zu Pferde habe bei seiner Gründung aus 60 Mann bestanden (vgl. Gumtau I, S. 19 und S. 21), revidiert, nachdem er die A. K. O. vom 24.11.1740 zur Kenntnis genommen hat. 27 Meldung und Spezifikation vom 01.12.1740 konnten in den benutzten Archiven nicht mehr nachgewiesen werden. Sie sind jedoch abgedruckt bzw. erwähnt bei: Böckle, S. 76; Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3365, und Heym\ S. 4. 28 GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe. 29 Standortkatalog Deutsche Presseforschung Bremen, ja 2037/3. 4 Schütz

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

„Als am verwichenen Donnerstage das Kleistische Regiment ausmarschirte, eröffnete ein Jäger-Corps zu Pferde von 12 Mann in 3 Gliedern, mit auf dem Sattel vorwerts gestellten Büchsen, den Zug. Ein Ober-Jäger führete selbiges mit entblößtem Degen an, und ein anderer Jäger-Meister beschloß diesen Trupp." 30 Nach all dem kann die Anfangsstärke des Reitenden Feldjägerkorps im November und Dezember 1740 keinem Zweifel mehr unterliegen.

II. Die Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps bei seiner Gründung und während der beiden Schlesischen Kriege 1. Die Darstellung der Aufgaben im einzelnen Nach dieser Feststellung kann nunmehr mit der Darstellung der Aufgaben begonnen werden, wie sie dem Reitenden Feldjägerkorps bei seiner Gründung zugewiesen worden sind, und wie sie sich im Verlauf der beiden Schlesischen Kriege weiter entwickelt haben. Bei der Beschäftigung mit dieser Frage fällt sofort auf, daß schon die Gründungsurkunde vom 24.11.1740 die den Feldjägern zugedachten Aufgaben lediglich am Rande erwähnt. Die Zuweisung der darüber hinausgehenden Aufgaben, die während der Schlesischen Kriege hinzugekommen sind, läßt sich sogar anhand von schriftlichen Primärquellen überhaupt nicht nachweisen, so daß davon ausgegangen werden muß, daß sie im Wege mündlicher Befehlsgebung erfolgt

30 Weniger ausführlich waren die „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen" vom gleichen Tage, die lediglich lapidar berichten, daß „verwichenen Donnerstag [...] das Kleistische Regiment, und voran ein Corps von der Jägerey" marschierte. Indessen widerlegt der im Text zitierte Bericht der Vossischen Zeitung die von Gumtau in der Zeitschrift Krieg 55, S. 83, geäußerte Auffassung, daß schon am 08.12.1740, also am Tage des Ausmarsches der reitenden Jäger aus Berlin, eine Aufstockung des Stammes des Jäger-Corps zu Pferde um fünf weitere Jäger erfolgt sei, denn dann hätten 19 Jäger ausmarschieren müssen. Gumtau unterliegt hier deswegen einer Fehleinschätzung, weil der Vorgesetzte des Ober-Jägers Schenck, der Obeijägermeister Graf von Schlieben, dem König am 08.12.1740 berichtete, daß den „Guides" fünf Jäger beigegeben worden seien, die der polnischen Sprache mächtig waren, da die Kenntnis dieser Sprache in Schlesien für nützlich gehalten wurde. Obwohl dieser Bericht, der heute nicht mehr nachweisbar ist, Gumtau offensichtlich noch vorgelegen hat, hat er ihn falsch interpretiert, denn der Graf von Schlieben meldete nicht, daß zusätzlich fünf Jäger mit polnischen Sprachkenntnissen eingestellt worden waren, sondern daß fünf der zwölf bereits ausgesuchten Forstbediensteten Polnisch sprechen konnten, vgl. von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 392, und Heym l y S. 6. Im übrigen aber hatte der Obeljägermeister von Schlieben offenkundig nichts mit der Einrichtung des Jäger-Corps zu Pferde zu tun, da es der Obeijäger Schenck war, der dem König am 06.12.1740 die Einsatzbereitschaft des Personals meldete und an den die A. K. O. vom 07.12.1740, durch die Friedrich der Große die getroffenen Maßnahmen genehmigte, adressiert war, vgl. GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattgabe.

B. Das Reitende Feldjägerkorps bis 1806

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ist. Insoweit ist daher die Darstellung auf Rückschlüsse aus Sekundärquellen sowie auf in der Literatur zu findenden Angaben angewiesen. Der ursprüngliche Zweck, der mit der Gründung des Reitenden Feldjägerkorps verfolgt worden ist, läßt sich der A. K. O. vom 24.11.1740 aber noch hinreichend klar entnehmen, denn der König führt darin aus, daß es die Funktion der Feldjäger sei, „wenn die Armee in frembden Landen kommet und marschiret", als Wegweiser, „die alle Wege und Stege kennen", für die Marschkolonnen der Armee zu fungieren. Daraus ergibt sich ein zweifaches: Zum einen hatten danach die Feldjäger den selbständigen Heeresverbänden auf ihrem Marsch im unbekannten Gelände den Weg zu weisen. Damit sie diese Aufgabe aber erfüllen konnten, mußten sie zum anderen aber auch noch vor Beginn der Märsche die vorgesehenen Marschrouten erkunden, denn der Erwerb der Eigenschaft eines Wegweisers, der alle Wege und Stege kennt, setzt zwingend voraus, daß die Feldjäger sich selbst mit dem zunächst ja auch ihnen unbekannten schlesischen Gelände vertraut machten. Zu diesem Zweck oblag es ihnen daher auch, Straßen und Wege zu erkunden und in Wege- bzw. Geländeskizzen festzuhalten, Marschstraßen - namentlich in Wäldern - zu kennzeichnen, für den Fall einer Flußüberquerung geeignete Furten ausfindig zu machen, die Ingenieur-Geographen bei der Terrainaufhahme zu unterstützen sowie nach den in der damaligen Zeit besonders wichtigen Biwakräumen Ausschau zu halten. 31 Feldjäger waren also zunächst einmal Wegweiser und Pfadfinder bzw. Kundschafter der Armee. Diejenigen Angehörigen des Korps, die mit derartigen Aufgaben betraut waren, wurden allgemein als „Kolonnenjäger" bezeichnet. Indessen erschöpfte sich das den Feldjägern zugewiesene Aufgabenspektrum keineswegs in der Tätigkeit als Kolonnenjäger. Schon in einer Liste des Personalbestandes der Reitenden Feldjäger vom 25.09.1741 werden sechs Korps-Angehörige als nach Dresden, Bayreuth und Bunzlau verschickt aufgeführt. 32 Da alle diese Orte außerhalb des preußischen Staatsgebietes lagen und beispielsweise Dresden Sitz des sächsischen Hofes war, kann diese Angabe sinnvollerweise nur damit erklärt werden, daß die Feldjäger als Kuriere für diplomatische Depeschen eingesetzt worden waren. Diese Vermutung findet ihre Bestätigung in zahlreichen Meldungen der Berliner Zeitungen insbesondere aus der Zeit des zweiten Schlesischen Krieges, wonach von der Armee des Königs kommende Feldjäger als Kuriere in Berlin eintrafen oder auf dem Weg nach Dessau, Braunschweig, Bayreuth, Potsdam, Magdeburg, Oranienbaum etc. die Stadt passierten. 33 Dabei ist zum Teil ausdrücklich die Rede davon, daß diese Feldjäger Kuriere waren und Depeschen des Königs an hochgestellte Persönlichkeiten des 31

Böckle, S. 79; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 11; Schumann, S. 784; Umdruck SFJg StDst, S. 4. 32 Heym*, S. 7; die Liste konnte in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs nicht mehr nachgewiesen werden. 4*

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

In- und Auslandes beförderten. Damit steht fest, daß es neben den Kolonnenjägern beinahe von Beginn der Korpsgeschichte an auch noch „Kurieijäger" gegeben hat. Abgesehen von der Beförderung diplomatischer Depeschen und ähnlich wichtiger Schriftstücke wurden die Kurieijäger vor allem zur Überbringung mündlicher Befehle vorgesetzter Kommandobehörden oder übergeordneter Stäbe an die einzelnen Truppenführer und zur Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen den auf verschiedenen Kriegsschauplätzen kämpfenden Heeresabteilungen eingesetzt. Aus diesem Grunde befanden sich Kurieijäger sowohl im königlichen Hauptquartier als auch bei den einzelnen Armee-Oberkommandos. 34 Darüber hinaus gab es noch die sogenannten „Fourieijäger". Diese befanden sich ausschließlich beim König oder waren Mitgliedern der königlichen Familie zugeteilt, 35 für deren Schutz sie verantwortlich waren. 36 Daneben oblag es ihnen, sich um geeignete Quartiere für die ihrem Schutz anvertrauten Personen zu kümmern und das gesicherte Weiterkommen des von diesen mitgeführten Gepäcks zu garantieren. 37 Soweit die Feldjäger nicht als Kolonnen-, Kurier- oder Fourieijäger Verwendung fanden, wurden sie schließlich zum Schutz des Königs auf Reisen, im Quartier und bei Märschen eingesetzt. Aus diesem Grunde wurde der König in der Regel von einer Anzahl Feldjäger begleitet, die als Eskorte fungierten. 38 Hielt er sich dagegen im Hauptquartier auf, so übernahmen diese „Leibjäger" dort die Bedeckung.39 33

Vgl. etwa: Vossische Zeitung vom 26.01.1745, vom 11.02.1745, vom 13.02.1745, vom 29.07.1745 und vom 03.08.1745, Standortkatalog Deutsche Presseforschung Bremen, Signatur ja 2037/5; Spenersche Zeitung vom 20.07.1745 und vom 03.08.1745, Institut für Zeitungsforschung Dortmund, Signatur VW 18. 34 von Bredow, S. 157; Guddat, Kavallerie, S. 26; Heym\ S. 7; Jentsch, S. 4; Schumann, S. 784. 35 Heym\ S. 8; Schumann, S. 784; Umdruck SFJg StDst, S. 5. 36 Vgl. hierzu die Spenersche Zeitung vom 16.07.1744, in der aus Berlin gemeldet wird: „Am Dienstage, Vormittags, langten Ihro Königl. Hoheit, die Frau Markgräfin von Anspach, [...] unter der Escorte eines Detachements vom Königl. Jäger-Corps, mit Dero zahlreichen Suite glücklich auf hiesigem Schlosse an". 37 Böckle, S. 79; Guddat, Kavallerie, S. 26; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 300. 38 Jeep, S. 13, berichtet, daß in der „Bataille" von Mollwitz am 10.04.1741 „beständig 30 Jäger um die Person des Königs herum versammelt waren". 39 Böckle, S. 79; von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 392; Heym\ S. 8. Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3372, bezieht sich zum Nachweis dafür, daß das Hauptquartier von Feldjägern bewacht wurde, auf ältere historische Notizen, ohne diese jedoch näher zu spezifizieren. Jedenfalls aber war der Personenschutz für den König dafür verantwortlich, daß das Feldjäger-Korps zeitweise den Namen „Leib-Feldjäger-Corps zu Pferde" führen durfte, denn die Spenersche Zeitung berichtete am 13.03.1745 und am 18.03.1745 vom Abmarsch einiger „Leibjäger" bzw. eines Detachements vom „Leib-

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Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß das Reitende Feldjägerkorps von Anfang an nicht etwa als geschlossener Verband eingesetzt wurde. Vielmehr machten es die ihm übertragenen Aufgaben erforderlich, die Korps-Angehörigen zwischen Hauptquartier und den dislozierten Truppenverbänden aufzuteilen. Eine truppweise Verwendung von Feldjägern im Kampfeinsatz oder gleich ihren historischen Vorgängern als Scharfschützen fand schon in den Schlesischen Kriegen nur sehr selten statt und kam in späteren Feldzügen überhaupt nicht mehr vor. 4 0 2. Die Aufgaben im Vergleich mit dem Tätigkeitsbereich der Feldjägertruppe der Bundeswehr Obschon die Betrachtung des von den Feldjägern zu bewältigenden Aufgabenspektrums zeigt, daß das Reitende Feldjägerkorps bei seiner Gründung keineswegs als militärische Ordnungstruppe konzipiert worden ist, weist doch der Einsatz der Korps-Angehörigen als Kolonnenjäger ebenso deutliche Parallelen zur verkehrsdienstlichen Tätigkeit der Feldjägertruppe der Bundeswehr auf wie ihre Verwendung als Fourier- und Leibjäger an bestimmte Teilbereiche der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben erinnert. 41 So bestimmt die ZDv 75/100 „Die Feldjäger der Bundeswehr" in Nr. 512, daß zu den Aufgaben der Feldjägertruppe im militärischen Verkehrsdienst u. a. die Erkundung und Kennzeichnung von Marschstraßen und Räumen gehört, eine Tätigkeit also, die - wie ausgeführt - auch vom Reitenden Feldjägerkorps schon im ersten Schlesischen Krieg durchgeführt wurde. Auch diejenigen Formulierungen in der Dienstvorschrift, durch die die Tätigkeit der Straßenerkundung präzisiert wird, können - übertragen auf die damaligen Verhältnisse - zur

Jäger-Corps zu Pferde" aus Berlin. Voigt, Band 7, S. 790, gibt für diese Benennung den Zeitraum 1741 bis 1756 an, weist aber zugleich darauf hin, daß daneben auch noch die Begriffe „Feldjäger-Corps zu Pferde" bzw. „Corps Feldjäger zu Pferde" in Gebrauch waren. Die Bezeichnung „Reitendes Feldjägerkorps" mit den Initialen „RFC" ist hingegen erst im Jahre 1756 eingeführt worden (Knotel/Pietsch/Collas, S. 233; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 301, mit Nachweisen aus den Rang- und Stammlisten des Preußischen Heeres; Schumann, S. 784; Umdruck SFJg StDst, S. 4). Gleichwohl wird oben im Text der Name Reitendes Feldjägerkorps auch schon für die Zeit vor 1756 verwendet, da er der bei weitem bekannteste und gebräuchlichste ist. 40 Heynr 2, S. 8; das letzte geschlossene Auftreten des gesamten Korps im ersten Schlesischen Krieg ist nach dem Ausmarsch aus Berlin überliefert vom 13.12.1740, als die Feldjäger zum Hauptquartier des Königs gehörend in Frankfurt/Oder eintrafen. Nachdem der König mit seinem Hauptquartier diese Stadt am darauffolgenden Tage wieder verlassen hatte, um auf dem Weg über Crossen mit dem Einmarsch in Schlesien zu beginnen, hat dann offenbar alsbald die Verteilung der einzelnen Feldjäger entsprechend den ihnen übertragenen Aufgaben begonnen (Böckle, S. 78; Heym\ S. 6). 41 Im Ergebnis so auch Böckle, S. 80, und Umdruck SFJg StDst, S. 4.

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

Umschreibung der dem Reitenden Feldjägerkorps obliegenden Aufgaben problemlos übernommen werden, heißt es doch in Nr. 536: „Sind Straßen- und Verkehrsverhältnisse nicht hinreichend bekannt oder Störungen zu erwarten, werden Feldjäger zur Marschstraßenerkundung eingesetzt. Ziel und Inhalt einer Marschstraßenerkundung durch Feldjäger ist es, den zuständigen Vorgesetzten [...] schnell und zuverlässig über - die Eignung vorgesehener Marschstraßen für geplante Marschbewegungen, - verkehrsschwierige Punkte, - mögliche Umleitungen, - Verfügungs- oder Rasträume [...] zu informieren." Entsprechendes gilt auch für die detailliertere Regelung der Straßenerkundung durch Feldjäger in der HDv 360/200 „Der Feldjägerdienst", in der in Nr. 2108 und Nr. 2110 ausgeführt wird, daß bei der Straßenerkundung Einzelheiten wie etwa Verlauf und Zustand der Straßen, Zustand und Tragfähigkeit von Brücken, verkehrsschwierige Punkte, witterungsbedingte Behinderungen, Zerstörungen und Verkehrshindernisse, Umleitungsmöglichkeiten sowie Zustand und Aufnahmefähigkeit von Räumen festzuhalten sind, und zu diesem Zweck Streckenpläne, Planpausen und Karteneinzeichnungen angefertigt werden soll42

ten. Damit steht eine recht weitgehende Übereinstimmung der Kolonnenjägertätigkeit des Reitenden Feldjägerkorps mit verkehrsdienstlichen Aufgaben der Feldjägertruppe der Bundeswehr fest. Im Gegensatz dazu besteht eine Vergleichbarkeit der Obliegenheiten eines Fourier- oder Leibjägers mit den heutigen Sicherheitsaufgaben der Feldjäger nur hinsichtlich einzelner Aspekte. Zuvorderst ist dabei an den Personenschutz zu denken, den das Jäger-Corps zu Pferde für die königliche Familie und den König selbst zu gewährleisten hatte, denn auch die Feldjäger in der Bundeswehr sind gem. ZDv 75/100, Nr. 609, 621 ff., 911, 914 und Anlage 10, sowie gem. HDv 360/200, Kapitel 35 und Anlagen D 9 bis D 11 für den Schutz gefährdeter Personen verantwortlich. Insoweit dürften sich die Grundsätze des Nahschutzes, die die HDv 360/200 in Nr. 3511 aufstellt, und wonach die zum Personenschutz eingeteilten Feldjäger sich ständig in unmittelbarer Nähe der zu schützenden Personen aufhalten und ihr drohende Gefahren mit vollem Einsatz der eigenen Person abwehren müssen, im Laufe der Jahrhunderte nicht verändert haben.

42

Vgl. auch ZDv 42/10 „Vorbereitung und Durchführung von Märschen", Nr. 223 ff., sowie speziell zur Erkundung von Umleitungsmöglichkeiten: HDv 360/ 200, Nr. 2115 ff.

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Demgegenüber fehlt es der weiteren Aufgabe der Fourieijäger, sich um geeignete Quartiere für die ihrer Obhut anvertrauten Personen zu bemühen, gänzlich an einer Entsprechung im Aufgabenspektrum der Feldjägertruppe der Bundeswehr. Auch hinsichtlich der Verantwortlichkeit der reitenden Jäger für die Bagage der königlichen Familie besteht keine Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit der heutigen Feldjägertruppe im Rahmen der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben, wenn man nicht in der Sicherung von Geld-, Waffen-, Munitions- und Materialtransporten gem. ZDv 75/100, Nr. 609 und Nr. 632 f., bzw. gem. HDv 360/200, Nr. 3301 ff., eine gewisse Ähnlichkeit erblicken will. Soweit schließlich Feldjäger zur Bedeckung des Hauptquartiers Friedrichs Großen eingesetzt worden sind, ist beim Vergleich mit der Feldjägertruppe Bundeswehr festzustellen, daß diese ebenfalls im Rahmen der Absicherung Gefechtsstandes einer Kommandobehörde oder höheren Kommandobehörde Bundeswehr herangezogen werden können.43

des der des der

Insgesamt also erinnern zahlreiche Aufgaben, deren Erfüllung dem Jägerkorps zu Pferde bereits kurz nach seiner Aufstellung oblag, an die noch heute von Feldjägern durchgeführten Tätigkeiten, wenn auch bei weitem keine Dekkungsgleichheit der jeweiligen Aufgabenkreise konstatiert werden kann.

in. Die weitere Entwicklung des Reitenden Feldjägerkorps bis 1806 1. Die Formationsgeschichte a) Die Zeit der beiden Schlesischen Kriege Der Umfang des im vorstehenden Abschnitt skizzierten Pflichtenkreises des Jäger-Corps zu Pferde, der weit über die ursprünglich den Feldjägern zugedachten Aufgaben hinausging, machte schon bald nach Ausbruch des ersten Schlesischen Krieges eine erhebliche Vermehrung des Personalbestandes des Korps erforderlich. So befahl der König schon Anfang Februar 1741 eine Verstärkung auf 40 Jäger, 44 die jedoch erst nach und nach erreicht wurde, denn die Berliner Zeitungen erwähnen lediglich truppweise Absendungen nach Schlesien.45 43

Vgl. ZDv 75/100, Nr. 609, 615 ff., 911 und 914; HDv 360/200, Kapitel 31. Böckle, S. 78; Jany II, S. 22 Fn. 13. Der Verstärkungsbefehl des Königs ist offenbar nicht schriftlich niedergelegt worden, da schon Jany II, a. a. O., insofern nicht von einer Allerhöchsten Kabinettsorder, sondern lediglich von einem Befehl spricht. In den Beständen des Geheimen Staatsarchivs konnte jedenfalls kein entsprechendes Dokument gefunden werden. Gleichwohl hat diese Anordnung zur Aufstockung des Personalsbestandes in der Literatur zu erheblichen Irritationen geführt, da nicht alle der zu diesem Zweck neu eingestellten Forstbeamten beritten waren, als sie auf dem Kriegsschauplatz eintrafen (Jany II, a.a.O.). Offenbar ist es in der Kürze der Zeit nicht ge44

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

Indessen reichten alsbald auch 40 Feldjäger nicht mehr aus, um eine befriedigende Aufgabenerfüllung zu gewährleisten. Aus diesem Grunde ordnete eine an das Generaldirektorium gerichtete Kabinettsorder vom 08.02.1742 eine Aufstokkung des Korps auf 120 Mann an. 46 Diese Stärke ist allerdings im ersten Schlesischen Krieg nicht mehr erreicht worden. Der tatsächliche Personalbestand betrug bei Kriegsende vielmehr lediglich 110 Mann, von denen aber nur 60 beritten waren. 47 Das geht zuerst aus einem Schreiben des General-Adjutanten Oberst Graf von Hacke, der schon 1740 zum Chef des Reitenden Feldjägerkorps ernannt worden war 4 8 an das Generaldirektorium vom 09.10.197249 hervor, in dem es wörtlich heißt: „Seine königliche Majestät haben mir allergnädigst befohlen, Seinem Hochlöblichen General Directoris zu motificieren, wie zwar ietzo 110 Feldjägers sein, Höchstdieselben aber nicht mehr als 60 berittene Jägers behalten wollen,

lungen, alle Feldjäger, die nicht über ein eigenes Pferd verfugten, sofort nach ihrer Einstellung mit einem solchen auszustatten. Daraus ist von zahlreichen Autoren, insbesondere aber von denjenigen, die die Geschichte des Fußjägerregiments nachgezeichnet haben, geschlossen worden, der hier in Rede stehende Verstärkungsbefehl des Königs sei identisch mit dem Zeitpunkt der Gründung des Jäger-Corps zu Fuß. Diese Schlußfolgerung ist jedoch unzutreffend. Auch die zunächst noch unberittenen Jäger gehörten organisch dem Reitenden Feldjägerkorps an; sie wurden dementsprechend später auch sukzessive soweit als möglich mit Pferden ausgestattet (siehe dazu im einzelnen und mit Nachweisen das zweite Kapitel). 45 Die Vossische Zeitung vom 07.02.1741 berichtet zuerst von der Aufstellung einer die ursprünglich vorhandenen 14 Feldjäger ergänzenden zweiten Abteilung des JägerCorps, die eine Stärke von 20 Mann gehabt hat. Übereinstimmend ist dann beiden Zeitungen am 14.02.1741 zu entnehmen, daß diese erste Verstärkung des Jäger-Corps am Sonntag, dem 12.02.1741, Berlin an der Spitze des Glasenappschen Regimentes verlassen hat. Die Spenersche Zeitung vom 16.02.1741 fügt dann noch hinzu, daß „der Herr von Chaiseau" (i.e. Chasot) das Kommando über diese Abteilung erhalten habe (so auch N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 11, und Guddat, Kavallerie, S. 26, sowie Jany II, s. 22), so daß insgesamt 21 Feldjäger nach Schlesien aufgebrochen sind. Bestätigt werden diese Meldungen auch vom Reichsfreiherm Friedrich Christoph von Geuder, der auf Geheiß des Prinzen von Oranien am Berliner Hofe weilte und seinem Auftraggeber regelmäßig Bericht über die Geschehnisse in Berlin abstattete, vgl. Meyer, Zeitschrift für Preußische Geschichte, S. 34 und S. 37; siehe zum Ganzen auch Jeep, S. 34 f. Die Tatsache, daß der Major Franz Egmond Isaac Chevalier de Chasot später im Fußjägerregiment als Kommandeur diente, dürfte auch beträchtlichen Anteil an der Entstehung der in Fn. 44 erwähnten Irritationen gehabt haben. 46 Jany n, S. 56, dem diese heute nicht mehr auffindbare Order offensichtlich noch vorgelegen hat, führt aus, daß diese 120 Mann des Jägerkorps sämtlich beritten sein sollten, es tatsächlich aber nicht waren. 47 Vgl. von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 393. 48 Auch in der Folgezeit blieben die ersten General-Adjutanten des Königs in der Regel die Chefs des Reitenden Feldjägerkorps, vgl. Anlage 1. 49 GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55: „Acta, betreffend das Feld-Jäger-Corps zu Pferde und zu Fuß", Bl. 1 d. A.

B. Das Reitende Feldjägerkorps bis 1806

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Daneben läßt sich diesem Schreiben ebenfalls entnehmen, daß der König beschlossen hatte, die Truppengattung der Reitenden Feldjäger in verminderter Stärke auch im Frieden beizubehalten, obgleich er ihre Aufstellung ursprünglich nur für die Dauer des Krieges geplant hatte. 50 Diesen Entschluß setzte er dann durch die an das Generaldirektorium gerichtete A. K. O. vom 29.10.1742 auch in die Tat um. Darin bestimmte Friedrich der Große nämlich, daß „von den 110 Feldjägers, welche bisher zu Dero Dienst gehalten worden, ein besonderes Corps von 60 Gemeinen und 3 Vorgesetzten" zu formieren sei. 51 Demnach wurde das Jägerkorps also um 47 Mann reduziert. 52 Den in der Truppe verbliebenen Jägern wurde Köpenick als Garnison zugewiesen, wo das Reitende Feldjägerkorps dann bis zum Jahr 1812, in dem Berlin Garnison wurde, verblieb. 53 Im Zuge der Vorbereitungen für den kurz bevorstehenden zweiten Schlesischen Krieg ordnete Friedrich der Große dann erneut eine Vermehrung des Reitenden Feldjägerkorps an. In einer an den Chef des Korps gerichteten A. K. O. vom 15.06.174454 legte er zu diesem Zweck eine Gliederung des Korps in zwei Eskadrons fest, die jeweils 100 Feldjäger und 5 Unteroffiziere aufweisen sollten.

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Vgl. die Einleitung der A. K. O. vom 24.11.1740, die die Gründung des Jägerkorps kausal mit dem bevorstehenden Kriegsausbruch verknüpft: „Da Ich ein Corps von Meiner Armee nechstens marschiren zu lassen gesonnen bin [...]", sowie die Tatsache, daß die Order die Versorgung der Korps-Mitglieder im Anschluß an den Krieg erwähnt. Einen ersten Hinweis auf die geänderte Absicht des Königs enthält schon die A. K. O. vom 20.08.1742 an den Obristen Graf von Hacke, durch die Friedrich seinen Generaladjutanten anwies, für diejenigen „Feldtjägers, welche ich beybehalten will, ein ordentliches Tractament auszuwerfen und anzuweysen" (GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55, Bl. 2 d.A.). 51 GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55, Bl. 3 d.A. 52 Bei den entlassenen Jägern hat es sich um diejenigen gehandelt, die auch bei Kriegsende noch nicht beritten waren, da der König für die Friedensorganisation des Feldjägerkorps bestimmt hatte, daß alle Jäger mit einem Pferd ausgerüstet sein sollten. Zudem heißt es in einer an den Obeljägermeister Grafen von Schlieben adressierten A. K. O. vom 16.12.1742 (GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55, Bl. 35 d.A.), die die Versorgung der ausgeschiedenen Jäger zum Inhalt hat, daß diese sämtlich zu Fuß waren. 53 Heym\ S. 11 und S. 58; Voigt, Band 7, S. 794; nach dem zweiten Schlesischen Krieg erfolgte die Zuweisung Köpenicks als Garnison nochmals ausdrücklich durch A. K. O. vom 06.02.1746 an den Kriegsrat Neubauer, der als Amtmann in Köpenick fungierte (Heym 2, S. 324). 54 Diese Kabinettsorder, die nicht mehr nachgewiesen werden konnte, ist auszugsweise abgedruckt bei von Rentzell, S. 4. Schon im April 1744 hatte der König den Regimentern zur Vermeidung von Konflikten mit dem Kantonssystem untersagt, Jägerburschen und Förstersöhne, die nicht größer als 6 Zoll waren und beim Korps Feldjäger eintreten wollten, zu enrollieren (Jany II, S. 86). Schon dies war ein deutlicher Hinweis auf eine alsbald geplante Vergrößerung des Reitenden Feldjägerkorps.

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

Tatsächlich wurde bis zum Kriegsende jedoch nur eine Personalstärke von 176 Mann (2 Rittmeister, 6 Obeijäger, 167 Feldjäger und ein „Chirurgus") erreicht. 55 Diese Stärke hat das Reitende Feldjägerkorps im Frieden bis in Jahr 1811 hinein unverändert beibehalten.56 b) Die weitere Entwicklung

bis 1806

Nach Beendigung des zweiten Schlesischen Krieges wurden dann die dienstlichen Verhältnisse des inzwischen zur Dauereinrichtung gewordenen Korps in zunehmendem Maße geregelt und dadurch in geordnetere Bahnen gelenkt. So legte Friedrich der Große u.a. durch die an den Kommandeur Oberst von Buddenbrock erlassene A. K. O. vom 18.03.174857 das Rangverhältnis und die dienstliche Stellung der Obeijäger zu den Feldjägern fest, indem er befahl, daß die 6 Obeijäger den beiden Eskadrons als „Subalternofficiers [...] mit vorgestellet" sein sollten, damit „eine gute Ordnung und Disciplin bey ihrem gesammten Jäger Corps eingeführet und beobachtet werden möge". 58 An dieser 55

Diese Stärkeangabe beruht auf den Darlegungen Gumtaus in Soldatenfreund 9, S. 3366, und von Helldorfs in Neue mil. Bl. 44, S. 495, denen wiederum eine heute nicht mehr auffindbare Namensliste vom 05.01.1746 zugrunde lag. Unrichtig sind daher die von Lange, S. 48, und N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 12, wiedergegebenen Zahlen, wonach die Verstärkung auf 112 Mann erfolgt sei. Dieser Fehler beruht m. E. darauf, daß beide als Quelle das Werk Gumtaus benutzen, leider jedoch mißverstanden haben. Gumtau I, S. 21, hat nämlich von einer Aufstockung des Korps „mit" 112 Feldjägern (und dem „Chirurgus") gesprochen, woraus Lange und N. N. wohl auf eine Vergrößerung „auf 4 112 Mann geschlossen haben. Richtig dagegen: von Bredow, S.157. 56 Vgl. die oben, Fn. 53, erwähnte A. K. O. vom 06.02.1746, mit der dem Amtmann in Köpenick 174 berittene Feldjäger zur Unterbringung avisiert wurden, wobei die beiden Eskadronschefs ausgelassen worden sein dürften. Siehe ferner die Übersichten über die Friedensstärke der preußischen Armee in den Jahren 1763, 1786 und 1797 bei Jany m, S. 13, S. 134 und S. 353, in denen das Reitende Feldjägerkorps jeweils mit 176 „Köpfen" aufgeführt ist. Unrichtig also Groehler, S. 82, (vgl. andererseits aber auch S. 89, wo zutreffend von 176 Mann die Rede ist!) und Meyers Konversationslexikon 1897, Stichwort „Feldjäger", S. 271, die von 172 Jägern ausgehen. Ebenso unzutreffend ist demzufolge die Angabe Zimmermanns, S. 99, daß im Jahre 1780 nur eine Eskadron Reitender Feldjäger mit 156 Mann bestanden habe. Ein Antrag des Chefs des Korps im Jahre 1773, die Stärke zu erhöhen, wurde im übrigen vom König aus pekuniären Gründen durch die A. K. O. vom 02.02.1773 abgelehnt CHeym\ S. 25 f.). 57 GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe. 58 Damit war zugleich klargestellt worden, daß der Begriff „Obeijäger" nicht etwa einen Dienstgrad darstellte, sondern die Dienststellung der fraglichen Personen bezeichnete. Einige der auf diese Weise zu Unteroffizieren und Vorgesetzten der einfachen Feldjäger beförderten Obeijäger haben diese Anordnung des Königs aber offenbar mißverstanden, da Friedrich mit A. K. O. vom 03.10.1748 den Grafen von Hacke anwies aufzuklären, warum einige Korps-Angehörige „sich als Lieutnants bey dem Corps Feld Jägers angeben und sich des Caracters von Officiers anmaßen", obwohl etwas derartiges nicht befohlen worden war und doch „dergleichen Caracter zu erthei-

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Regelung änderte sich erst im Jahre 1798 wieder etwas, als König Friedrich Wilhelm II. durch die A. K. O. vom 22.03.179859 den Rang der Korps-Angehörigen erheblich anhob, indem er den Feldjägern den Feldwebelrang verlieh und die Oberjäger zu Offizieren beförderte. 60 2. Die Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps a) Die Friedensperioden

vor dem Siebenjährigen Krieg

Die Aufgaben, die dem Jäger-Corps zu Pferde in den beiden Schlesischen Kriegen zugewiesen worden waren, blieben auch in den Friedensperioden vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges erhalten. Naturgemäß trat dabei zunächst der Kurierdienst in den Vordergrund, denn der Tätigkeit als Leib- bzw. Fourierjäger oder als Kolonnenjäger konnte im Frieden nicht die gleiche Bedeutung zukommen, wie dies im Krieg der Fall gewesen war. So wird auch in der oben bereits erwähnten A. K. O. vom 29.10.1742, in der der König dem Generaldirektorium seine Absicht mitteilte, das Reitende Feldjägerkorps auch über den ersten Schlesischen Krieg hinaus beibehalten zu wollen, die Aufgabe der Kurieijäger als einzige ausdrücklich erwähnt, denn im vorletzten Absatz der Order wird wörtlich ausgeführt: „Dieweilen auch auf dem hiesigen Jägerhofe noch ledige Stellen vorhanden sein müssen, so wollen Se. Königliche Majestät, daß denen Feldtjägers davon so viele eingeräumt werden sollen, als nöthig sein dürften, die Pferde derer in Berlin gegenwärtigen Feldtjägers unterzubringen, wie denn auch denenselben eine Stube eingeräumt werden muß, damit in solchen sich beständig einige Feldtjägers aufhalten können, um sofort auf die Pferde Acht zu haben, als auch, wenn Briefe und Depesches an Se. Königliche Majestät überbracht werden sollen, sogleich bei der Hand zu sein." Während also den im Dienst verbliebenen Jägern die Stadt Köpenick als Garnison zugedacht worden war, wurde zur gleichen Zeit im Jägerhof von Berlin ein Feldjägerkommando errichtet, damit dort in der Nähe des Königs stets eine ausreichende Anzahl von Feldjägern vorhanden war, die man als Kuriere einsetlen keinem als nur Mir allein zukommt". Auf den befehlsgemäß vorgelegten Bericht des Grafen von Hacke hin ordnete der König sodann durch die A. K. O. vom 11.10.1748 an, daß vom Chef und vom Kommandeur des Korps gleichermaßen darauf zu achten sei, daß kein Feldjäger ungerechtfertigterweise als Offizier auftrat. Einzig und allein die beiden Rittmeister sollten neben dem Kommandeur als Offiziere im Reitenden Feldjägerkorps dienen (GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe). 59 GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattgabe. 60 Heym\ S. 27, und Schumann, S. 784, weisen zu Recht darauf hin, daß diese Rangerhöhung eine natürliche Folge des gestiegenen Bildungsgrades war, den die Korps-Mitglieder zu dieser Zeit bereits aufweisen mußten.

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zen konnte. Da sich aber Friedrich der Große nicht ausschließlich in Berlin aufhielt, sondern ebenso in Charlottenburg und Potsdam, kam es auch in diesen Orten zur Gründung von ständig besetzten Feldjägerkommandos. 61 Nach dem zweiten Schlesischen Krieg fiel indessen das Kommando in Charlottenburg als ständige Einrichtung fort und wurde nur noch dann mit Feldjägern besetzt, wenn der König in dem dortigen Schloß residierte. Stattdessen ist schon 1746 in Zehlendorf ein weiteres Kommando eingerichtet worden, das als Zwischenstation für den Kurierdienst zwischen Berlin und Potsdam fungierte. 62 Der Kurierdienst beschränkte sich in dieser Zeit noch weitgehend auf die Beförderung der Privatkorrespondenz der königlichen Familie. Nur selten kam es vor, daß die Feldjäger als Kuriere für die verschiedenen Kabinette, Ministerien oder Gesandschaften außerordentliche Sendungen beförderten; Auslandsritte gab es daher noch so gut wie überhaupt nicht. Obschon somit der Kurierdienst die Hauptaufgabe der Feldjäger darstellte, gehörten auch in Friedenszeiten die Tätigkeiten als Leib- und Fourieijäger noch zu ihrem Pflichtenkreis. So folgte aus der Zuweisung der Stadt Köpenick als Garnison nahezu zwangsläufig die Aufgabe, das dort erbaute Lustschloß des Königs durch Aufstellung von Posten zu bewachen, wenn sich der Monarch selbst oder ein anderes Mitglied der königlichen Familie dort aufhielt. 63 Zudem waren die Feldjäger nach wie vor für die Besorgung sämtlicher Fouriergeschäfte zuständig, die immer dann anfielen, wenn der König oder der königliche Prinz ihre Residenz wechselten.64 Sodann ist auch die Wahrnehmung von dem Kolonnenjägerdienst im Krieg vergleichbaren Aufgaben belegbar, denn aus einem Schreiben des Generaldirektoriums an die Churmärkische Kammer vom 22.04.174465 geht hervor, daß der Feldjäger Schmidt eingesetzt worden ist, um „den Weg von dem Halleschen Thor bey der gewesenen Überschwemmung [zu] recognoscieren".

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Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3373; von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 493. Einzelheiten über die Stationierung der Feldjäger enthalten die umfangreichen „Acta wegen Unterbringung des Commandos reitender Feldjäger", GStA PK II. HA, „Militärdepartement" (Abt. 34), Abt. EI, Nr. 79. Auch in den Akten der Bestände GStA PK ü. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel H Nr. 55 und GStA PK D. HA, „Militärdepartement" (Abt. 34), Abt. II, Nr. 46 finden sich weiterführende Informationen zu dieser Fragestellung. 63 Böckle, S. 82; Heym\ S. 11; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 303. 64 Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3373; von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 494; siehe auch den Bericht der Vossischen Zeitung vom 02.04.1743: ,»Breslau, vom 26. Martii. Wie Ihro Majestät, der König, am 23ten, Abends um 5 Uhr hier, ankamen, geschähe solches in Begleitung [...] des Herrn Ober-Forst-Meisters von Minkwitz, mit einem Jäger-Corps". Immer noch also begleiteten die Feldjäger den König, um für seinen Schutz zu sorgen und die notwendigen Fouriergeschäfte zu erledigen. 65 GStA PK ü. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55, Bl. 18 d. A. 62

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Schließlich ist noch auf eine neue Aufgabe hinzuweisen, die von den Angehörigen des Reitenden Feldjägerkorps seit dem Jahre 1751 wahrgenommen wurde, die aber - soweit ersichtlich - nach dem Siebenjährigen Krieg nicht wieder erneuert wurde: Gemeint ist die Kommandierung einzelner Feldjäger zur Beaufsichtigung forstlicher Gehege. Feststellbar ist insoweit gewesen, daß Korps-Mitglieder im Jahre 1752 in Eiche, Glindow, Betzow und Golm stationiert waren, um das Potsdamer Gehege zu beaufsichtigen. Ebenso kann die Beaufsichtigung des Geheges in Alt-Landsberg seit August 1751 nachgewiesen werden. Gleichwohl sind diese Kommandierungen offensichtlich vereinzelt geblieben, denn weitere Belege für diese Tätigkeit konnten nicht gefunden werden, obwohl in einem Bericht der Churmärkischen Kammer an das Generaldirektorium aus dem Jahre 1753 wie selbstverständlich von „Gehege-Jägern" die Rede ist. 6 6 b) Die Zeit vom Ende des Siebenjährigen Krieges bis zum Feldzug von 1806 Einerseits bedingt durch die vergleichsweise lang anhaltende Friedenszeit nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges und andererseits aufgrund der Tatsache, daß auch in den vor 1806 durchgeführten preußischen Feldzügen das Reitende Feldjägerkorps nicht mehr in seiner Gesamtheit mobil gemacht worden ist, konnte sich der Friedensdienst der Feldjäger mit einer größeren Regelmäßigkeit und Konstanz als bisher entwickeln. Dementsprechend kann es auch nicht verwundern, daß in dieser Zeit auch die ersten Dienstvorschriften für das Korps erarbeitet wurden. Die älteste bekannte Dienstinstruktion stammt aus dem Jahre 1770, wurde aber schon 1784 durch eine ausführlichere Vorschrift, die vom Chef des Korps erlassen worden war, ersetzt. 67 Beide Instruktionen konnten jedoch in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht mehr aufgefunden werden. Stattdessen existiert noch die nachfolgende Dienstvorschrift vom 11.08.1798, die der damalige erste Generaladjutant des Königs, Oberst Friedrich Wilhelm von Zastrow, eingeführt hat. 68 Ebenso liegt noch eine vom Kommandeur des Korps auf Befehl des 66

GStA PK n. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55, Bl. 124, 130 und 134 d.A.; außer bei von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 494, findet diese Aufgabe der Feldjäger in der gesamten Literatur keine weitere Erwähnung. Auch dieser Umstand deutet auf den Ausnahmecharakter der Beaufsichtigung forstlicher Gehege durch Feldjäger hin. 67 Heym\ S. 31. 68 GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe; diese Instruktion wurde im übrigen von Zastrows Nachfolger im Amt, dem Obristen Carl Leopold von Köckritz, bei dessen Dienstantritt im Juni 1801 ausdrücklich bestätigt: „Ich habe seine für das Corps erlassene Instruktion gelesen, und solche zweckmäßig befunden, daher ich selbige in aller Form bestätige" (GStA PK IV. HA A Nr. 23, ohne Blattangabe).

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

Chefs verfaßte Instruktion für den Garnisonsdienst vom 08.12.1799 vor. 6 9 Schließlich erlaubt es vor allem auch ein umfangreiches „Reglement für das Königlich Preußische Feldjäger Corps zu Pferde", das zwar undatiert ist, seinem Inhalt nach zu schließen aber aus den Jahren 1804 oder 1805 stammen dürfte, ein abgerundetes Bild des Friedensdienstes der Feldjäger zwischen 1763 und 1806 zu entwerfen. 70 Soweit demnach nichts Abweichendes angemerkt ist, basieren die nachfolgenden Ausführungen auf diesen Vorschriften. aa) Der Kurierdienst Auch nach dem Siebenjährigen Krieg stand der Kurierdienst weiter im Vordergrund. Zu diesem Zweck richtete das Reitende Feldjägerkorps wieder ständig besetzte Kommandos in Berlin, Potsdam und Zehlendorf ein, während in Charlottenburg nach wie vor nur dann Feldjäger stationiert wurden, wenn sich der König dort aufhielt. Der Tatsache, daß im ersten Teil des zweiten Abschnitts des Reglements von 1804/05 nunmehr die Auslandsreisen der Kurierjäger in einer sogar nach verschiedenen Ländern differenzierenden Weise geregelt worden waren, kann entnommen werden, daß sie nach dem Siebenjährigen Krieg weitaus häufiger vorkamen als zuvor. Während nämlich im Inland die Kuriere einen von den Instruktionen als „postfreien Paß" bezeichneten Requisitionsschein erhielten, der sie dazu berechtigte, bei Entfernungen von mehr als zwei Meilen an den auf ihrem Wege liegenden Poststationen von den dort angestellten Posthaltern frische Pferde zu fordern, legte das Reglement von 1804/05 durch die Festsetzung von Meilengeldern für die Kurierritte ins Ausland detailliert fest, welche Bargeldsumme die Feldjäger vor Antritt ihrer Reise erhalten sollten, um sich im Ausland mit Pferd und Wagen ausstatten und für ihre Unterkunft sorgen zu können. Insgesamt also ist die Wahrnehmung der Kurieraufgaben entsprechend ihrer Bedeutung für den Friedensdienst der Feldjäger bis in die Einzelheiten hinein genau vorgeschrieben worden. bb) Der Garnisonsdienst Daneben haben die Dienstinstruktionen aber auch den Dienst in der Garnison in Köpenick genau geregelt. In diesem Zusammenhang bestimmte der zweite Titel des ersten Abschnitts des Reglements von 1804/05, daß die Feldjäger die 69

GStA PK IV. HA B. Nr. 708, ohne Blattangabe. Das Reglement findet sich ebenfalls im Aktenbestand GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe, und stammt wohl erstmals nicht vom Chef des Reitenden Feldjägerkorps, sondern ist offensichtlich höheren Ortes entworfen worden. 70

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Bewachung der Garnison und des dort befindlichen königlichen Lustschlosses zu übernehmen hatten. Dazu wird in Art. 1 dieses Titels wörtlich ausgeführt: „Die Garnison besteht in den Sommermonaten aus 12 Feldjägern und in den Wintermonaten aus 8 Feldjägern, und verrichtet täglich ein Feldjäger die Wache, selbiger muß alle durchpassierenden Personen auf eine höfliche Art examinieren, und diejenigen so gemeldet werden müssen, ins Wachtbuch einschreiben, auch wenn es nöthig ist, selbige dem Commandeur sogleich melden, sonst aber nur in den täglichen Rapport aufführen." Die Wachablösung fand jeden Vormittag um 11 Uhr statt und wurde zugleich mit dem täglichen Antreten aller in der Garnison liegenden Feldjäger zum Appell durchgeführt. Eine Verstärkung der Wache und ihre Leitung durch einen Oberjäger fand immer dann statt, wenn der König oder einer der königlichen Prinzen nach Köpenick kam. Darüber hinaus war noch vorgesehen, daß sich in Friedenszeiten auch der Kommandeur in der Garnison aufhielt und die mit der Führung des Korps verbundenen Aufgaben von dort aus wahrnahm, wobei ihm zur Erledigung der Stabsarbeit („Geschäfte des Regimentsquartiermeisters", Rechnungsführung etc.) immer noch ein zusätzlicher Feldjäger zur Verfügung stand. cc) Die sonstigen Aufgaben Die übrigen Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps hingegen finden in den Dienstvorschriften entweder nur eine eher beiläufige Erwähnung oder werden sogar überhaupt nicht mehr aufgeführt. So läßt sich ihnen die Tätigkeit der Feldjäger im Absperrdienst bei den als „Revuen" bezeichneten großen Frühjahrs- und Herbstparaden in Berlin nur insofern entnehmen, als sie die Anzahl der zu diesem Zweck abzustellenden Feldjäger festlegen. Danach wurden zur Verstärkung der sechs ohnehin in Berlin stationierten Feldjäger drei weitere aus Potsdam, vier aus Zehlendorf und fünf bis sechs aus der Garnison dorthin beordert, so daß sich insgesamt etwa 20 Feldjäger und ein Oberjäger in Berlin befanden, wenn die Paraden abgehalten wurden. Ihre Aufgabe bestand im wesentlichen darin, die Ordnung unter den zahlreichen Schaulustigen auf dem Exerzierplatz im Berliner Tiergarten aufrechtzuerhalten, die Sicherheit des Königs und seiner Familienangehörigen zu gewährleisten und deren Belästigung durch die Zuschauer zu verhindern. 71 Etwas ausführlicher sind dagegen wieder die Vorschriften, die die Instruktionen über die weitere Aufgabe der Feldjäger enthalten, bei den in Potsdam alljährlich im Herbst veranstalteten Manövern der Armee durch Abstellung von Posten zu verhindern, daß einzelne Soldaten den Aufenthalt ihrer Regimenter in 71

Böckle, S. 88; von Helldorf,

Neue mil. Bl. 44, S. 495.

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

dieser Stadt zur Desertion benutzten. Insoweit ist in Abschnitt 2, Titel II, Art. 3 des Reglements von 1804/05 folgendes zu lesen: „Bei den Herbst-Maneuvers werden, den Morgen zuvor ehe die Regimenter in Potsdam einrücken 2 Feldjäger nach der Nedletzer Fähre, 2 Feldjäger nach Marquard, 2 Feldjäger nach die 4 Bierhäuser und 2 Feldjäger nach Baumgartenbrück commandiert, diese haben darauf Achtung zu geben, daß nichts verdächtiges vom Militair über diese Plätze passiret, und besonders das Wasser72 zu bereuten, daß kein unangeschlossener Kahn an der Potsdammer Seite zu finden sei, damit dadurch die Desertion verhindert werde. Zu diesem Commando, welches so lange währet, bis die fremden Regimenter wieder wegmarschiret sind, und gemeldet worden, daß alles richtig ist und das Commando abgehen kann, werden 6 Feldjäger von Coepnick und 2 Feldjäger von Zehlendorf commandirt." Sodann geht aus den Instruktionen noch hervor, daß auch nach dem Siebenjährigen Krieg die Feldjäger noch zu persönlichen Dienstleistungen beim König beordert wurden. So ist davon die Rede, daß in Berlin täglich zwei Feldjäger zum königlichen Schloß geschickt wurden, um dort für die verschiedensten Tätigkeiten verwendet werden zu können. Ebenso gab es noch ständig zwei Fourieijäger beim König sowie je einen bei den königlichen Prinzen, die bei etwa anfallenden Reisen dieser Personen für deren Gepäck verantwortlich waren und als ihre Quartiermacher fungierten. Im Reglement von 1804/05 werden diese Fourieijäger als „zu den königlichen Reisen extra commandirte vier Feldjäger" aufgeführt. Eine weitere Tätigkeit des Reitenden Feldjägerkorps nach dem Siebenjährigen Krieg ist in keiner der diesen Ausführungen zugrunde liegenden Instruktionen berücksichtigt worden, da sie im Jahre 1791 durch eine selbständige Vorschrift geregelt wurde, die jedoch in den Aktenbeständen des Geheimen Staatsarchivs nicht mehr vorhanden ist: Es ist dies die Gestellung von Grenzpostierungskommandos zur Verhütung der Fahnenflucht und des Schmuggels entlang der sächsischen Grenze. Dorthin wurden nämlich während der Sommermonate zahlreiche Feldjäger geschickt, die Patrouillen bilden mußten und im Falle einer bekannt gewordenen Desertion dafür zu sorgen hatten, daß in den Grenzdörfern und an verkehrswichtigen Punkten genügend Wachen und Posten vorhanden waren. 73 Dazu bestimmte die erwähnte Instruktion des Jahres 1791: „Die Feldjäger haben sich mit allen Städten und Dörfern, welche zu ihrem Beritt gehören, sowie allen ab- und zugehenden Passagen und Schlupfwinkeln genau bekannt zu machen, damit bei entstehender Desertion jene aufs schleunigste avertirt werden können. Alsdann sind alle zu jedem Ort gehörigen Posten gut zu besetzen [...]. Sollte aber der Deserteur gesehen werden, so müssen die Posten stehen, bis man seiner habhaft wird, oder gewisse Nachrichten eingehen, daß er bereits über die Grenze ist. [...]. Wird der Deserteur angehalten, so muß selbiger in der näch72 73

Gemeint ist wohl das Ufer der Havel. Böckle, S. 88 f.; Roeder, S. 3.

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sten Garnison gegen einen Schein abgeliefert werden [...]. In gleicher Weise müssen die Feldjäger auch ein wachsames Auge auf etwa vorfallende Defraudations der verbotenen aus- und einzubringenden Waaren haben."74 In dem so beschriebenen Grenzdienst lösten sich die Feldjäger seit dem 06.03.1774 halbjährlich mit dem Husaren-Regiment von Zieten ab und erhielten seit dem 24.02.1777 für den Fall, daß das eigene Personal nicht ausreichte, um alle vorgeschriebenen Posten doppelt zu besetzen, Unterstützung durch die Angehörigen des Fußjägerregiments. 75 Schließlich hatten die Feldjäger im hier interessierenden Berichtszeitraum noch eine letzte Aufgabe wahrzunehmen, die in keiner der heute noch vorliegenden Instruktionen Erwähnung finden konnte, weil sie einerseits erst begann, nachdem die Dienstvorschrift vom 11.08.1798 schon erlassen worden war, und andererseits schon wieder weggefallen war, bevor das Reglement von 1804/05 abgefaßt worden ist. Diese Aufgabe bestand in der Ausübung der Tätigkeit als Ingenieur-Geograph im Generalstab. Die Ingenieur-Geographen des Generalstabes bewirkten die technische Ausführung der Aufnahme von Stellungen, Lagern oder Marschrouten in Karten, die im Zusammenhang mit militärischen Erkundungen und Übungsreisen insbesondere an den Grenzen die Hauptbeschäftigung der jüngeren Generalstabsoffiziere im Frieden darstellte. 76 Im Krieg hatten sie Marschstraßen und Lager auszuwählen oder Kolonnen zu führen, wobei sie - wie oben bereits erwähnt - schon seit dem ersten Schlesischen Krieg durch ausgewählte Kolonnenjäger des Reitenden Feldjägerkorps unterstützt wurden. Da jedoch die Qualifikation der vorhandenen Ingenieur-Geographen, die meist dem Baufach entstammten, keinen bestimmten militärischen Rang aufwiesen und auch keine militärische Ausbildung erhalten hatten, als mangelhaft erkannt worden war, wurde durch die A. K. O. vom 30.11.1798 angeordnet, statt ihrer 20 Feldjäger zu verwenden. 77 Von diesen 20 Feldjägern tat jedoch im Frieden immer nur die Hälfte Dienst im Generalstab, während die übrigen beurlaubt waren und im Forstdienst arbeiteten. Im Kriegsfalle mußten hingegen alle 20 74

Zitiert nach Heym\ S. 33 f. Böckle, S. 88 f.; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 23. 76 Jany EI, S. 158. 77 Jany III, S. 411; vgl. auch das Schreiben des Generalstabsoffiziers von Geusau an den Chef des Reitenden Feldjägerkorps vom 03.12.1798 (GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe), in dem letzterer über den Inhalt der A. K. O. vom 30.11.1798 unterrichtet wurde. Danach steht fest, daß tatsächlich nur 20 Feldjäger zu Ingenieur-Geographen ausgebildet wurden und nicht etwa 24 Korps-Angehörige, wie Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3373, und von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 495, meinen. Im übrigen ist Roeder, S. 3, zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, daß sich die Feldjäger schon deshalb besonders für die Arbeit eines Ingenieur-Geographen anboten, weil sie seit 1790 im korpseigenen Lehrinstitut für Forstwissenschaften u.a. in der Kunst der Feldvermessung unterwiesen wurden. 75

5 Schütz

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

dafür vorgesehenen Feldjäger dem Generalstab als Ingenieur-Geographen zur Verfügung stehen. Indessen führte die Umstrukturierung des Generalstabes, die am 26.11.1803 angeordnet worden war, schon im Jahre 1804 dazu, daß keine Feldjäger mehr im Generalstab angestellt wurden. Dementsprechend traten die bislang als Ingenieur-Geographen tätig gewesenen Feldjäger gem. A. K. O. vom 11.02.1804 wieder in das Korps zurück. 78 Abgesehen davon, daß nach wie vor im Kriegsfalle Kolonnenjäger als Gehilfen der Generalstabsoffiziere bei der Führung von Marschkolonnen Verwendung fanden, hatte die Generalstabsarbeit der Feldjäger damit endgültig aufgehört. dd) Die Organisation des Friedensdienstes Die Grundzüge derjenigen Organisation des Friedensdienstes, die einerseits zur sachgerechten Erfüllung der vorstehend skizzierten Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps und andererseits zur Vorbereitung der Korps-Angehörigen auf ihre Anschlußverwendung eingeführt worden ist, sind in dem Reglement von 1804/05 schon gleich zu Beginn im ersten Teil des ersten Abschnitts festgelegt worden. Dort wird in Art. 2 insoweit folgendes bestimmt: „Das Corps wird in zwey Theile getheilt von welchen der eine Theil wie der andere jährlich 6 Monathe Dienst thut und 6 Monate mit Beibehaltung des Tractaments Urlaub erhält, und zwar der im Sommerdienst verrichtet selbigen jedes Jahr vom lten Aprill bis zum lten October und der im Winterdienst vom lten October bis den lten Aprill und soll in Zukunft ersterer aus 90 Feldjägern und letzterer aus 77 Feldjägern bestehen." Alle nicht im Dienst befindlichen Oberjäger und Feldjäger mußten nun die Zeit ihrer Beurlaubung dazu nutzen, sich auf ihre im Anschluß an die aktive Dienstzeit vorgesehene Verwendung in der staatlichen Forstverwaltung vorzubereiten. Dies geschah bis zum Jahre 1770 ausschließlich dadurch, daß sie sich in der dienstfreien Zeit „zur Erlernung ihrer Kenntnisse in Forst- und Jagd-Sachen [...] bey Forstbedienten, oder doch an solchen Orten aufhalten [mußten], wo sie Gelegenheit haben, praktische Forst-Kenntnisse zu erlangen." Angesichts einer zu dieser Zeit üblichen aktiven Dienstzeit von 15 bis 20 Jahren bedeutete die Urlaubsregelung demnach, daß sich jeder Feldjäger bei seinem Ausscheiden aus dem Korps insgesamt etwa acht bis zehn Jahre ausschließlich der praktischen Ausbildung im Forstdienst gewidmet hatte.

78

Vgl. das Schreiben des Generalstabsoffiziers von Geusau vom 20.02.1804 (GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe), in dem er den Kommandeur des Reitenden Feldjägerkorps über den Regelungsgehalt der A. K. O. vom 11.02.1804 informiert.

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Gleichwohl wurde es seit 1770 den Obeijägern und Feldjägern zur Pflicht gemacht, zur Verbesserung ihres Ausbildungsstandes die Vorlesungen an der in diesem Jahr neu gegründeten Berliner Forstschule zu besuchen. Neben dieser staatlichen Einrichtung ist dann im Jahre 1790 zum gleichen Zweck in Berlin noch eine korpseigene Lehranstalt errichtet worden, in der neben dem Unterricht in Forstwissenschaften auch noch Mathematik, Polnisch, Französisch, Feldvermessung und Zeichnen auf dem Lehrplan standen.79 Indessen wurde dieses Lehrinstitut schon bald nach seiner Gründung nicht mehr zur Weiterbildung der aktiven Korps-Mitglieder verwendet, sondern diente der Unterrichtung der als „Volontaire" bezeichneten Nachwuchskräfte, die zwar noch nicht zum Korps gehörten, aber eine Anwartschaft auf die Aufnahme besaßen.80 Obschon sich auch die Oberjäger und Feldjäger freiwillig zur Teilnahme an den Vorlesungen in der Lehranstalt melden konnten, bestand also ihre Vorbereitung auf die Anschluß Verwendung im staatlichen Forstdienst auch nach 1770 bzw. 1790 noch im wesentlichen in der praktischen Ausbildung bei einem Oberförster. Daneben stellte man sie aber auch zum Dienst beim Forstdepartement ab, wo sie zu Forstvermessungen, interimistischer Verwaltung einzelner Förstereien oder Arbeiten bei der Holz-Administration herangezogen wurden. 81 Insgesamt ist es durch die beschriebene Art und Weise, in der der Friedensdienst des Reitenden Feldjägerkorps im 18. Jahrhundert organisiert worden war, nicht nur gelungen, alle anfallenden militärischen Aufgaben zu bewältigen, sondern gleichzeitig auch eine nahtlose Übernahme der ausgemusterten Feldjäger in die staatliche Forstverwaltung zu gewährleisten. ee) Die Dienstleistungen im Kriegsfall Mit dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges war das Reitende Feldjägerkorps in seiner gesamten Stärke mobil gemacht worden; sämtliche Oberjäger und Feldjäger, die zu diesem Zeitpunkt noch beurlaubt waren, wurden wieder eingezogen. Erneut befand sich - wie schon in den beiden Schlesischen Kriegen - das komplette Korps zunächst in der Armee des Königs und gehörte zu dessen Hauptquartier. 82 Abweichend von früheren Einsätzen des Korps verblieb dieses jedoch im ersten Kriegsjahr zunächst noch geschlossen in der vom König 79 So ist es auch zu erklären, daß bereits in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts zahlreiche Feldjäger das Forstmesserexamen bestanden hatten, wodurch sie für die Verwendung als Ingenieur-Geographen in besonderem Maße qualifiziert waren (vgl. Fn. 77). 80 Zur forstlichen Ausbildung der Feldjäger ausführlich: Heym l t S. 37-40; vgl. auch Jentsch, S. 10 f. 81 Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3373 f. 82 Jany II, S. 351.

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

selbst geführten Armee. 83 Neue Aufgaben erwuchsen den Feldjägern aus diesem Umstand jedoch nicht. Auch nachdem sie im zweiten Kriegsjahr auf die einzelnen Heeresgruppen verteilt wurden und im Hauptquartier nur noch in geringer Anzahl vertreten waren, bestand ihr Pflichtenkreis ausschließlich in der schon beschriebenen Tätigkeit als Kurier-, Fourier- bzw. Leib- und Kolonnenjäger. Besondere Bedeutung kam in diesem Krieg jedoch den Kurieijägern zu, denn diese stellten das einzige ,»Fernmeldemitter dar, welches zur Befehlsüberbringung und Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen den im Norden gegen Schweden, im Osten gegen Rußland, im Süden gegen die Österreicher und im Westen gegen Frankreich kämpfenden und daher weit verteilten preußischen Armeen zur Verfügung stand. In den darauffolgenden Jahren ging man dann - möglicherweise aufgrund der Erfahrungen, die im Siebenjährigen Krieg gewonnenen worden waren - davon aus, daß das Reitende Feldjägerkorps im Krieg nicht mehr in seiner gesamten Stärke benötigt wurde. So zitiert etwa Gumtau 84 einen Befehl aus dem Jahre 1798, wonach nur noch 20 Kolonnenjäger auf die verschiedenen Armeekorps zu verteilen waren. 85 Daraus ist zu folgern, daß es zukünftig neben denjenigen Feldjägern, die im Mobilmachungsfall für eine Kommandierung zur Armee vorgesehen waren, auch noch eine stattliche Anzahl von Korps-Mitgliedern geben sollte, die während eines Krieges weiterhin unverändert den gewöhnlichen Friedensdienst versehen mußten. Dementsprechend haben dann auch bei weitem nicht alle Korps-Angehörigen am Bayerischen Erbfolgekrieg, am Koalitionskrieg gegen Frankreich oder an den Kämpfen mit Polen anläßlich der zweiten und dritten polnischen Teilung teilgenommen, wobei bei diesen Feldzügen der Bedarf an Dienstleistungen der Feldjäger schon deshalb nicht besonders ausgeprägt gewesen sein dürfte, weil auch die gesamte preußische Armee nur eine Teilmobilmachung erfuhr. Die oben erwähnten Dienstvorschriften schrieben nunmehr auch die dem Korps in den vergangenen Kriegen überwiegend tatsächlich zugewachsenen Aufgaben fest. Das Reglement von 1804/05 hat dabei im Vergleich zu den heutigen Aufgaben der Feldjäger z.T. eine verblüffende Aktualität - so besonders

83

Böckle, S. 85; Heym\ S. 22. Soldatenfreund 9, S. 3373. 85 Dennoch scheint es gelegentlich vorgekommen zu sein, daß der Bedarf an Feldjägern im Ernstfall doch größer gewesen ist, als dies in den Friedensplanungen vorhergesehen worden war. So heißt es etwa in einer aus dem Hauptquartier der königlichen Armee an den Chef des Reitenden Feldjägerkorps gerichteten A. K. O. König Friedrich Wilhelms II. vom 31.12.1792: „Mein lieber GeneralMajor von Bischoffwerder. Da es nach der Anzeige des ObristLieutnants von Grawert noch an Colonnen-Jägern bey der Armee fehlet, so ertheile ich Euch den Auftrag, acht Jäger vom reitenden Corps, die sich dazu schicken, anhero zu beordern, [...]." (GStA PK IV. HA B Nr. 706, ohne Blattangabe). 84

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deutlich im Bereich der Straßenerkundung für den militärischen Verkehrsdienst, der oben unter II. 2. in seiner derzeitigen Gestalt vorgestellt worden ist. 8 6 In dem Reglement von 1804/05 heißt es in Bezug auf den Dienst der Kolonnenjäger im Kriegsfalle u.a.: „Der Dienst der Colonnen-Jäger gründet sich hauptsächlich auf Local-Kenntnisse, und müssen sie [...] sich stets damit beschäftigen, sich selbige zu verschaffen, welches am besten dadurch geschiehet, wenn sie erstens [...] sich mit den Charten und Plänen bekannt machen, und sich selbst die Kunst zueignen von dem ganzen Terrain [...] wenigstens eine verständliche Zeichnung zu entwerfen und dadurch ihre mündlichen Rapports zu erläutern, welche sich besonders darauf gründen, daß alle Haupt- und Nebenwege [...1 nicht nur gerad bemerkt, sondern auch deren gegenwärtigen Beschaffenheit nach genau beschrieben werden. Zweitens auch anzuzeigen, durch welche Mittel die etwaigen schlechten Stellen verbessert werden können, ingleichen muß bei jedem Stege angegeben werden, ob er für Artillerie und schweres Fuhrwesen tauglich sei, ober ob nur Infanterie oder Kavallerie darauf fortkommen können; auch ist bei den Einwohnern nachzufragen, was die Witterung und Jahreszeit für Einfluß auf dergleichen schwierige Stellen und Stege haben und wie dem Uebel abzuhelfen sei. Drittens ist diese Nachforschung bei Bächen und Flüssen und über solche führende Passagen, Führten, Brücken und Dämme und dergleichen besonders nothwendig. [...]. Sechstens müssen auch Distancen und Entfernung von einem Ort zum anderen angegeben werden, so wie denn auch alle namhaften Stellen ja nicht außer acht zu lassen seyn, sondern vielmehr deutlich und nach landesüblicher Mundart aufgeschrieben werden, [...]." 8 ? c) Die Aufgaben im Vergleich mit dem Tätigkeitsbereich Feldjägertruppe der Bundeswehr

der

Übertragen auf die heutigen Verhältnisse und abgesehen von der veralteten Ausdrucksweise lassen diese Formulierungen durchaus die Feststellung zu, daß es zwanglos möglich wäre, die zitierten Passagen des Reglements von 1804/05 in zeitgemäßer Fassung in einer Dienstvorschrift für die Feldjägertruppe der Bundeswehr aufzunehmen. Hingegen ergeben die Bestimmungen des Reglements über den Dienst der Kurier- und Fourier- bzw. Leibjäger keine Übereinstimmung mit dem Aufgabenspektrum der Feldjäger in der Bundeswehr, die über die Ergebnisse des insoweit oben unter II. 2. bereits angestellten Vergleichs hinausgingen.

86 Vgl. insbesondere ZDv 75/100, Nr. 536, und HDv 360/200, Nr. 2108 und 2110 [oben n. 2.]. 87 3. Abschnitt, Titel II, Art. 2 des Reglements von 1804/05.

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

Daher ist an dieser Stelle nur noch zu hinterfragen, inwieweit die dem Reitenden Feldjägerkorps nach den beiden Schlesischen Kriegen zugewiesenen neuen Aufgaben sich auch heute noch im Tätigkeitsbereich der Feldjäger wiederfinden lassen. aa) Die Bewachung der Garnison Beginnt man dabei mit dem von den Reitenden Feldjägern zu verrichtenden Wachdienst für die Garnison, so stellt man zunächst fest, daß die Bewachung des gesamten Standortes 88 heute nicht mehr vorkommt. Vielmehr läßt sich der ZDv 40/1 „Aufgaben im Standortbereich" entnehmen, daß nur noch einzelne militärische Objekte einer Bewachung unterliegen. Dabei wird die Feldjägertruppe jedoch gemäß Nr. 111 der ZDv 10/6 „Der Wachdienst in der Bundeswehr" nur im Ausnahmefall herangezogen. Dieser Regelung entspricht es, wenn die ZDv 10/6 in Nr. 206 Angehörige von Feldjägereinheiten, die in Feldjägerdienstkommandos eingesetzt sind, vom Wachdienst freistellt. Anders als ihre historischen Vorläufer versehen die Feldjäger der Bundeswehr also grundsätzlich keinen Wachdienst. Indessen kann diese Erkenntnis deshalb noch kein endgültiges Ergebnis darstellen, weil die ZDv 10/6 mit den erwähnten Regelungen lediglich den regelmäßigen Einsatz der Feldjägertruppe im Wachdienst untersagt. Die vorübergehende und gelegentliche Heranziehung der Feldjäger zur Wahrnehmung von Wachaufgaben wird hingegen durch die Nr. 111 ausdrücklich zugelassen, denn dort ist u.a. auch bestimmt, daß die Feldjägertruppe zur Absicherung militärischer Sicherheitsbereiche eingesetzt werden kann. Konsequenterweise sind daher auch in den Dienstvorschriften für die Feldjägertruppe nähere Bestimmungen über Objektkontrollen und Absicherungsmaßnahmen im materiellen Bereich zu finden. 89 Die insoweit einschlägigen Regelungen gehen jedoch ebenso wie diejenigen der ZDv 10/6 davon aus, daß der Einsatz von Feldjägern zum Schutz von militärischen Objekten und Sicherheitsbereichen eine Ausnahme darstellt. So sind etwa die durch Feldjäger „zur Ergänzung und Unterstützung von Sicherungsmaßnahmen zum Schutz von besonderen Objekten" durchzuführenden Objektkontrollen gemäß Nr. 808 f. der ZDv 75/100 im Frieden nur auf Anforderung zulässig. In ähnlicher Weise wird zudem auch die Heranziehung 88

Die Bezeichnung „Garnison" ist in der Bundeswehr nicht mehr gebräuchlich, da sie durch den Begriff des „Standortes" ersetzt worden ist. Unter Standort ist gemäß Nr. 103 der ZDv 40/1 »Aufgaben im Standortbereich" eine Gemeinde oder eine Stadt zu verstehen, in der mindestens ein aktiver Truppenteil oder eine aktive militärische Dienststelle der Streitkräfte stationiert ist. Sachliche Unterschiede sind durch den Wechsel in der Bezeichnung also nicht eingetreten. 89 Vgl. ZDv 75/100, Nr. 207, 609, 615 ff., 801, 803 f., 808 bis 812 und Anlage 11, sowie HDv 360/200, Nr. 3008, 3017, 3101 ff. und Anlage D 1.

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von Feldjägern zum Wacheinsatz innerhalb militärischer Sicherheitsbereiche von der HDv 360/200 in ihrer Nr. 3008 nur dann erlaubt, wenn dies entweder auf Anforderung der zuständigen Stelle erfolgt oder wegen Gefahr im Verzuge notwendig wird, weil das an sich berufene Wachpersonal zur Ausübung seiner Tätigkeit nicht oder nicht mehr in der Lage ist. 9 0 Liegen diese Voraussetzungen allerdings vor, so werden auch heute noch Feldjäger zum Wachdienst eingeteilt und können dann gemäß Nr. 209 der ZDv 75/100 und aufgrund der Nr. 3017 i.V.m. Nr. 3009 der HDv 360/200 u.a. grundsätzlich auch nach Maßgabe der §§ 4 und 5 UZwGBw Personen anhalten und überprüfen. 91 Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Feldjäger der Bundeswehr zwar grundsätzlich ebenso wie ihre Namensvorläufer in Preußen Wachaufgaben übernehmen können, diese sich jedoch nicht mehr auf den gesamten Standortbereich erstrecken. Zudem stellt der Wacheinsatz für den Feldjäger in der Bundeswehr eine an restriktive Voraussetzungen geknüpfte Ausnahmeerscheinung dar. Obschon es bei Vorliegen eines solchen Ausnahmetatbestandes auch heute noch 90

Vgl. dazu auch die Nr. 111 und 207 der ZDv 75/100. In diesen Bestimmungen kommt zum Ausdruck, daß sich die Zuständigkeit der Feldjägertruppe grundsätzlich auf die Sphäre außerhalb militärischer Sicherheitsbereiche beschränken soll. Dadurch werden die Feldjäger von den militärischen Wachen abgegrenzt, die bei der Ausübung ihrer Befugnisse an das Terrain der militärischen Sicherheitsbereiche gebunden sind. Eine solche Abgrenzung ist dem UZwGBw jedoch fremd, denn gem. § 1 I dieses Gesetzes können Soldaten der Bundeswehr, denen militärische Wach- oder Sicherheitsaufgaben übertragen sind, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen unterschiedslos alle Maßnahmen ergreifen, die das Gesetz im einzelnen vorsieht. Das bedeutet im Ergebnis, daß eine Begrenzung der örtlichen Zuständigkeit für Feldjäger nach dem UZwGBw nicht besteht, da einerseits den Angehörigen der Feldjägertruppe durch die Ausführungsbestimmungen zum UZwGBw (Kapitel 1, Nr. 2) und die Dienstvorschriften (ZDv 75/100, Nr. 107 und Nr. 201; HDv 360/200, Nr. 3004) ständig Sicherheitsaufgaben übertragen sind, sofern sie sich in Ausübung des Feldjägerdienstes befinden, und andererseits Sicherheitsaufgaben im Gegensatz zu Wachaufgaben in aller Regel nicht stationär erfüllt werden können (vgl. Heinen, S. 14; Jessf Mann 2, § 1 UZwGBw Rn. 9). Demzufolge sind Feldjäger keineswegs gehindert, auch ohne Vorliegen der in den Dienstvorschriften statuierten Voraussetzungen innerhalb militärischer Sicherheitsbereiche Maßnahmen nach dem UZwGBw zu ergreifen. Die Beschränkungen, die die Dienstvorschriften im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit der Feldjäger innerhalb militärischer Sicherheitsbereiche vorsehen, können also nur eine rein innerdienstliche Wirkung entfalten. Als Regelungen des Innenrechts vermögen sie hingegen die Vorschriften eines förmlichen Gesetzes nicht mit Wirkung für das Außenverhältnis einzuschränken. Daraus folgt, daß die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach dem UZwGBw, die ein Feldjäger innerhalb eines militärischen Sicherheitsbereiches vornimmt, obwohl er weder angefordert wurde noch Gefahr im Verzuge zu besorgen war, von dem darin hegenden Verstoß gegen die Dienstvorschriften nicht berührt wird. 91 Zu beachten ist insoweit jedoch, daß dann, wenn die Feldjäger bei Gefahr im Verzuge in militärischen Sicherheitsbereichen tätig werden, weil Wachpersonen dazu nicht oder nicht mehr in der Lage sind, die genannten Befugnisse aufgrund entsprechender Anordnungen in den Dienstvorschriften (vgl. etwa die HDv 360/200, Nr. 3008 a.E.) in dem Moment zurücktreten, in dem die Wache wieder selbst handlungsfähig ist.

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

dazu kommen kann, daß die Feldjäger Personen „examinieren" müssen, ist daher eine Vergleichbarkeit der den Reitenden Feldjägern obliegenden ständigen Wachaufgaben in ihrer Garnison mit der nur ausnahmsweise vorkommenden Absicherungstätigkeit der Feldjägertruppe der Bundeswehr letztlich nur in einem sehr beschränkten Ausmaß feststellbar. bb) Die Beaufsichtigung forstlicher Gehege und die Absicherung des Lustschlosses in Köpenick Auf den ersten Blick scheint für die zweite Aufgabe, die die Reitenden Feldjäger in ihrer Garnison zu erfüllen hatten, überhaupt kein konkretes Äquivalent im Pflichtenkreis der Bundeswehr zu bestehen, denn daß die Bewachung eines königlichen Lustschlosses nicht zu den Obliegenheiten der Angehörigen der heutigen Streitkräfte gehören kann, ist evident. Das gleiche Verdikt muß naturgemäß auch hinsichtlich der Beaufsichtigung forstlicher Gehege durch einzelne Mitglieder des Reitenden Feldjägerkorps gefällt werden. Eine abstrahierende Betrachtung dieser Tätigkeiten ergibt aber immerhin, daß jeweils innerstaatlich gelegene zivile Objekte durch Soldaten bewacht wurden. Diese Bewachung stellte sich zudem als typische Friedensaufgabe des Reitenden Feldjägerkorps dar. Darüber hinaus läßt sich die weitere Gemeinsamkeit finden, daß in beiden Fällen die abgesicherten Objekte ohne jede militärische Bedeutung sind. Folglich hat das Reitende Feldjägerkorps im generellen Sinne insoweit auch die Aufgabe wahrgenommen, innerstaatlich gelegene Zivilobjekte ohne militärische Bedeutung im Frieden zu schützen. Der Schutz derartiger Objekte durch die Feldjägertruppe der Bundeswehr wird grundsätzlich zunächst einmal durch Art. 87 a HI 2 GG ermöglicht, 92 denn dieser läßt ganz allgemein zu, daß den Streitkräften zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen schon bei Feststellung des Spannungsfalles der Schutz ziviler Objekte übertragen werden kann. 93 In gleicher Weise können die Streitkräfte 92 Dagegen gestattet Art. 87 a III 1 GG lediglich den Schutz solcher Objekte, die den Streitkräften zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages dienen und die aus diesem Grunde in besonderem Maße der Gefahr von Angriffen durch reguläre feindliche Verbände ausgesetzt sind (M/D/H/S-Dürig, Art. 87 a GG Rn. 67), mit einem Wort also verteidigungswichtiger Zivilobjekte wie beispielsweise Fernmeldeanlagen, Brücken, Unterführungen, Energieversorgungsanlagen, Eisenbahnanlagen, Häfen oder Flughäfen (Beispiele nach Heinen, S. 267). Als militärisch bedeutsame Zivilobjekte müssen sie indessen beim Vergleich mit der Bewachung des königlichen Lustschlosses durch das Reitende Feldjägerkorps ebenso außer Acht gelassen werden wie rein militärische Einrichtungen. 93 Der Umstand, daß die Befugnis zum Schutz ziviler Objekte gem. Art. 87 a IE 2 GG den Streitkräften übertragen werden muß, führt zwingend zu der Schlußfolgerung, daß von dieser Norm ausschließlich Zivilobjekte ohne militärische Bedeutung erfaßt werden, denn die Schutzbefugnis der Streitkräfte für verteidigungswichtige zivile Objekte gem. Art. 87 a III 1 GG entsteht mit der Feststellung des Spannungsfalles ex lege

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im allgemeinen und damit ebenso die Feldjäger im besonderen aber auch gemäß Art. 87 a IV 1 GG unter den dort normierten Voraussetzungen zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Zivilobjektschutz eingesetzt werden. Denkbar erscheint der Einsatz der Streitkräfte zum Schutz ziviler Objekte schließlich auch im Rahmen der regionalen und überregionalen Katastrophenhilfe gem. Art. 35 I I 2 GG und Art. 35 III 1 GG, 9 4 wenn es beispielsweise um die Prävention von Plünderungen oder Sabotageakten geht. 95 Damit steht fest, daß die Bundeswehr in dem durch die Art. 35 I I 2; 35 EI 1; 87 a HI 2 und 87 a IV 1 GG vorgegebenen Rahmen auch schon im Frieden zum Schutz ziviler Objekte ohne militärische Bedeutung eingesetzt werden kann. 96 und bedarf demzufolge keines vorausgehenden Übertragungsaktes. Hingegen läßt sich dem Verfassungstext nicht entnehmen, in welcher Form die Kompetenzübertragung gem. Art. 87 a HI 2 GG zu erfolgen hat. Insoweit gehen daher im Schrifttum die Ansichten auseinander: Erwogen wird sowohl eine normative Ausgestaltung des Übertragungsaktes durch förmliches Bundesgesetz als auch eine Übertragung durch Verwaltungs- bzw. Rahmenabkommen zwischen den zuständigen Bundes- und Landesorganen (vgl. dazu ausführlich Semerak, DÖV 1989, S. 898 ff. mit zahlreichen Nachweisen zu beiden Auffassungen). Mit der h.M. wird man wohl die Übertragung durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz als die der Eilbedürftigkeit im Notstandsfall weniger gerecht werdende Lösungsmöglichkeit ablehnen müssen. 94 Hingegen läßt sich eine Ermächtigung zum Einsatz der Streitkräfte beim Schutz ziviler Objekte nicht aus Art. 35 I GG ableiten, denn gem. § 7 VwVfG, der u.a. die grundgesetzliche Amtshilferegelung auf einfachgesetzlicher Ebene konkretisiert, richtet sich die Durchführung einer Amtshilfemaßnahme nach dem für die ersuchte Behörde geltenden Recht. Da aber das für die Bundeswehr geltende Recht keine Befugnisse zum Schutz ziviler Objekte enthält, ist sie aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage, Amtshilfe beim Zivilobjektschutz zu leisten. Gem. § 5 II Nr. 1 VwVfG ist ihr daher in diesem Fall die Amtshilfe sogar ausdrücklich untersagt. Konsequenterweise wird auch in der ZDv 75/100, Nr. 150, sowie in der HDv 360/200, Nr. 505, sinngemäß angeordnet, daß die Amtshilfe nicht dazu benutzt werden darf, Vereinbarungen zur Übertragung des Schutzes ziviler Objekte nach Art. 87a III 2 GG zu ersetzen. Im übrigen ist maßgeblich aufgrund der dargestellten verwaltungsverfahrensrechtlichen Amtshilfebestimmungen mit Robbers, DÖV 1989, S. 928 f., davon auszugehen, daß es sich bei Art. 35 II und Art. 35 III GG nicht um Spezialfälle der Amtshilfe nach Art. 35 I GG handelt. Soweit etwa Sachs-Erbguth, Art. 35 GG Rn. 34 entgegengesetzter Ansicht ist, gerät er in einen nur schwer auflösbaren Widerspruch zu der von ihm selbst vertretenen Auffassung, daß sich die Befugnisse der aufgrund Art. 35 II 2 GG eingesetzten Streitkräfte nach dem Recht des anfordernden Landes richten (a. a. O., Rn. 40). 95 Dementsprechend heißt es auch in der ZDv 75/100, Anlage 4/2, Nr. 5, daß bei einem Feldjägereinsatz zur Hilfeleistung im Katastrophenfall insbesondere auch die Absperrung gefährdeter Räume in Betracht zu ziehen ist. 96 Während die Voraussetzungen solcher Einsätze in der Literatur weitgehend unstreitig behandelt werden, wird über deren Durchführung lebhaft debattiert. So vertrat etwa der Rechtsausschuß des Bundestags in seinem schriftlichen Bericht über den von der Bundesregierung im Jahre 1967 eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes im Zusammenhang mit der geplanten Neueinführung des Art. 35 II GG die Auffassung, daß den zuständigen Landesbehörden im Verhältnis zu den auf Anforderung eingesetzten Truppenteilen und Dienststellen der Bundeswehr ein Weisungsrecht nicht zusteht (vgl. BT-Drucks. V/2873, S. 10). Obwohl diese Ansicht nicht ohne Zustimmung geblieben ist (Karpinski, S. 89; Speth, S. 137), geht die über-

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wiegende Meinung in der Literatur davon aus, daß den zuständigen Landesbehörden eine solche Weisungsbefugnis gegenüber dem den Bundeswehr-Einsatz leitenden Offizier eingeräumt werden muß, weil die auf Anforderung eingesetzten Streitkräfte Hoheitsgewalt des Landes ausüben (von Münch/Kunig-Gubelt, Art. 35 GG Rn. 28; Robbers, DÖV 1989, S. 927; Stern II, S. 1465). Zudem besteht im Rahmen des Art. 35 II 2 GG ebenfalls keine Einigkeit über die Frage, nach welchem Recht die angeforderten Streitkräfte polizeiliche Befugnisse wahrnehmen können. Insoweit geht eine Mindermeinung davon aus, daß Bundesrecht anzuwenden sei (Karpinski, S. 88; Speth, S. 140, die beide für eine analoge Anwendung des UZwGBw plädieren), wohingegen die h.M. den Standpunkt vertritt, daß die Rechtsgrundlagen des anfordernden Landes einschlägig seien (AK-GG-Hase, Art. 35 Abs. 2, 3 GG Rn. 6; von Münch/Kunig-Gubelt, Art. 35 GG Rn. 28; Sachs-Erbguth, Art. 35 GG Rn. 40; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 35 GG Rn. 11). Auch in bezug auf Art. 35 III 1 GG finden sich sowohl Stimmen, die die Landesgesetzgebung für einschlägig halten (Robbers, DÖV 1989, S. 929; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 35 GG Rn. 12; Stern II, S. 1466), als auch solche, die die Eingriffsbefugnisse der Streitkräfte aus bundesrechtlichen Vorgaben ableiten wollen (Karpinski, S. 91, „analoge Anwendung des UZwGBw"; Keidel, S. 167 f., „Notwendigkeit eines Ausführungsgesetzes zu Art. 35 III GG"; Sachs-Erbguth, Art. 35 GG Rn. 41; Speth, S. 142, „UZwGBw entsprechend"; zu dieser Ansicht neigt wohl auch AK-GG-Hase, Art. 35 Abs. 2, 3 GG Rn. 9, wenn er ausführt, für belastende Maßnahmen der Streitkräfte existiere keine Rechtsgrundlage). Demgegenüber ist - soweit ersichtlich - bei Art. 35 i n 1 GG die Forderung nach einem Weisungsrecht der Länder gegenüber den Streitkräften nur vereinzelt erhoben worden (so etwa Stern II, S. 1466, für den Fall, daß der Einsatz der Bundeswehr nicht gegen den Willen des betroffenen Landes erfolgt; für den Einsatz des Bundesgrenzschutzes nehmen ein Weisungsrecht der Länder auch im Falle des Art. 35 III 1 GG Fischer!Hitz/Laskowski/Walter, § 11 BGSG Rn. 41 an). Eine Unterstellung der Streitkräfte unter die Weisungsgewalt der Länder bei der Durchführung des Zivilobjektschutzes gem. Art. 87 a DI 2 GG wird nach der nunmehr geltenden verfassungsrechtlichen Regelung, die ein Zusammenwirken der Bundeswehr mit den zuständigen Behörden vorsieht, von niemandem mehr vertreten (vgl. dazu Karpinski, S. 64, und Semerak, DÖV 1989, S. 901, jeweils mit weiteren Nachweisen auch aus der teilweise abweichenden älteren Literatur). Einigkeit besteht insoweit zwar auch darüber, daß die Rechtsgrundlagen für Einzelmaßnahmen der Streitkräfte bei der Durchführung des Objektschutzes dem Bundesrecht zu entnehmen sind, jedoch schwankt die Literatur zwischen verschiedenen Spielarten der analogen Anwendung des UZwGBw (BK-Ipsen, Art. 87a GG Rn. 132 f.: Ergänzung des UZwGBw de lege ferenda, Vereinbarung mit den Ländern im Übertragungsabkommen de lege lata; ebenso: Karpinski, S. 67 f.; M/D/H/S-Dürig, Art. 87a GG Rn. 55 und 82: Verfassungsbezogene Normerweiterung des UZwGBw durch Art. 87 a III GG; ihm folgend: Semerak, DÖV 1989, S. 900; Speth, S. 95 und Graf von Vitzthum, Hdb StR VII, S. 427 Fn. 61), der Befürwortung einer Anwendung des UZwG (Brunkow, S. 99, jedoch mit der Forderung nach einem zusätzlichen Gesetz, das die Rechtsgrundlage für Einzelmaßnahmen enthält; von Münch/Kunig-Hernekamp, Art. 87 a GG Rn. 27) und dem Plädoyer für eine einfachgesetzliche Lösung de lege ferenda (Schreiber, DÖV 1969, S. 733). Im Vergleich dazu weichen die zu Art. 87a IV 1 GG vertretenen Auffassungen nicht wesentlich ab: Die h.M. hält auch hier die analoge Anwendung des UZwGBw für geboten (BK-Ipsen, Art. 87a GG Rn. 167; Keidel, S. 161; M/D/H/ S-Dürig, Art. 87 a GG Rn. 125), während eine Mindermeinung stattdessen das UZwG heranziehen möchte (Brunkow, S. 119; von Münch/Kunig-Hernekamp, Art. 87 a GG Rn. 40). Einen gänzlich anderen Weg schlägt hier jedoch Karpinski, S. 74 ff., vor, der die Streitkräfte für befugt hält, nach militärischen Kampfgrundsätzen vorzugehen, weil er der Ansicht ist, daß sich der militärische Objektschutz gem. Art. 87 a IV 1 GG

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Aus dieser Feststellung läßt sich jedoch nur eine höchst vordergründige Vergleichbarkeit der Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps mit denen der Feldjäger der Bundeswehr ableiten, denn obwohl damals wie heute die Zielrichtung der Bewachung militärisch nicht bedeutsamer Zivilobjekte im Frieden nur in der Abwehr von zivilen Störern bestanden haben kann, überwiegen doch bei genauer Betrachtungsweise die Unterschiede zwischen beiden Fällen eines Objektschutzes. Während nämlich der vom Reitenden Feldjägerkorps durchgeführte Zivilobjektschutz eine regelmäßig auszuführende, originäre und nicht an bestimmte Voraussetzungen gebundene Aufgabe darstellt, die in keinem Konkurrenzverhältnis zu Pflichtenkreisen anderer staatlicher Institutionen stand, nötigen die Art. 87 a und 35 GG unstreitig zur Annahme einer nur subsidiären Einsatzmöglichkeit der Streitkräfte und damit auch der Feldjäger. 97 Noch größere Unterschiede ergeben sich bei einem Blick auf die dienstinternen Anordnungen innerhalb der Bundeswehr. So enthalten die Dienstvorschriften der Feldjägertruppe lediglich Bestimmungen für den Einsatz gem. Art. 35 I I 2 und Art. 35 HI 1 GG. Insoweit wird dort zwar festgelegt, daß die in einem solchen Fall generell den Streitkräften zustehenden Befugnisse polizeilicher Art innerhalb der Bundeswehr in der Regel von Feldjägern wahrgenommen werden. 98 Gleichwohl darf dabei aber nicht vergessen werden, daß die Einsatzermächtigungen des Art. 35 GG auf die Katastrophenhilfe ausgerichtet sind, in deren Verlauf ein Objektschutz im Einzelfall neben zahlreichen sonstigen Maß-

nicht ausschließlich nach polizeilichen Grundsätzen richte. Einer Entscheidung all dieser Streitfragen bedarf es indessen im hier interessierenden Zusammenhang nicht. An dieser Stelle mag stattdessen der Hinweis genügen, daß auch die Dienstvorschriften der Feldjäger keine Entscheidung über die anzuwendenden Rechtsgrundlagen für den Fall eines Einsatzes gem. Art. 87 a III 2 und 87 a IV 1 GG enthalten. Hingegen findet sich in der Nr. 2 der Anlage 4/1 zur ZDv 75/100 die Aussage, daß diejenigen Feldjäger, die gemäß Art. 35 II 2 und 35 IE 1 GG zur Hilfeleistung bei regionalen oder überregionalen Katastrophennotständen entsandt werden, polizeiliche Befugnisse nur auf der Grundlage des jeweiligen Landesrechts und auf Anweisung und unter Anleitung der zuständigen Landesbehörden ausüben können. Insoweit hat sich die ZDv also jeweils der länderfreundlichsten aller denkbaren Lösungsmöglichkeiten angeschlossen. Zudem ordnet die Nr. 14 des Erlasses über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe i. d. F. vom 08.11.1988 (VMB1. 1988, S. 279) an, daß der den Einsatz der Bundeswehr leitende Offizier seine Weisungen für den Einsatz von dem für den Gesamteinsatz aller beteiligten Helfer verantwortlichen Katastropheneinsatzleiter der zuständigen Behörde der inneren Verwaltung der Länder erhält. 97 Vgl. zur Herleitung eines allgemeinen ultima ratio-Prinzips für Streitkräfteeinsätze, die nicht der Verteidigung im Sinne des Art. 87 a II GG dienen: Ipsen, DVB1. 1969, S. 397; M/D/H/S-Dürig, Art. 87a GG Rn. 24. Siehe überdies zu den in den Art. 35 II 2; 35 III 1; 87 a III 2; 87 a IV 1 GG jeweils mehr oder weniger offen zum Ausdruck gekommenen speziellen Subsidiaritätsanordnungen für den Einsatz der Bundeswehr: von Münch/Kunig-Gubelt, Art. 35 GG Rn. 25 und 29; BK-Ipsen, Art. 87 a GG Rn. 92; M/D/H/S-Dürig, Art. 87a GG Rn. 71 und 73 sowie Stern II, Seite 1483. 98 ZDv 75/100, Anlage 4/2, Nr. 4.

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps

nahmen möglich erscheint, durchaus aber nicht zwingend vorkommen muß. Hingegen fehlt im Hinblick auf die ausdrücklichen Ermächtigungen des Art. 87 a GG zum Schutz ziviler Objekte durch die Streitkräfte in den Dienstvorschriften der Feldjäger jegliche Regelung, weil insoweit in erster Linie an die Heimatschutztruppen zu denken ist. Zwar wird dadurch ein nach dem Grundgesetz ja theoretisch zulässiger Objektschutzeinsatz der Feldjägertruppe nicht von vorneherein ausgeschlossen, doch ist daraus zu schließen, daß eine solche Verwendung nur höchst selten vorgesehen sein wird. Damit ergibt sich aus der Betrachtung der dienstinternen Aufgabenverteilung innerhalb der Bundeswehr das Bild, daß auf der einen Seite bei der Konkretisierung des vom Grundgesetz verwendeten Begriffs „Streitkräfte" im Zusammenhang mit den ausdrücklichen Objektschutzermächtigungen der Verfassung Feldjäger nur ausnahmsweise in Betracht kommen werden, während andererseits in Bezug auf die Katastrophenhilfe zwar der Einsatz der Feldjäger, keineswegs jedoch der Objektschutz den Regelfall darstellt. Bei dieser Sachlage kann aber nicht mehr davon gesprochen werden, daß der Schutz militärisch nicht bedeutsamer Zivilobjekte im Frieden zum eigentlichen Aufgabenkreis der Feldjägertruppe gehört. Eine Vergleichbarkeit der Bewachung des Lustschlosses in Köpenick und der Beaufsichtigung forstlicher Gehege durch Angehörige des Reitenden Feldjägerkorps mit dem Pflichtenkreis der Feldjägertruppe der Bundeswehr besteht somit auch dann nicht, wenn als Vergleichsgrundlage die abstrahierte Umschreibung dieser Tätigkeiten herangezogen wird. cc) Der Absperrdienst bei Truppenrevuen Weitaus weniger komplex gestaltet sich die Suche nach einer Entsprechung für eine weitere Aufgabe des Reitenden Feldjägerkorps, nämlich den Absperrdienst bei den als Revuen bezeichneten Truppenparaden der preußischen Armee in Berlin. Insoweit bestehen zahlreiche Gemeinsamkeiten mit der Sicherheitsaufgabe des Schutzes von Veranstaltungen der Bundeswehr, die die Feldjägertruppe nach Maßgabe der ZDv 75/100, Nr. 609 und 611 bis 614, sowie der HDv 360/200, Kapitel 32 und Anlage D 2 zu erfüllen hat." Wenn sich auch 99 Daneben kann der Einsatz der Feldjäger bei Veranstaltungen der Bundeswehr auch im Rahmen des militärischen Ordnungsdienstes erfolgen. Maßgeblich sind dann die Regelungen in der ZDv 75/100, Nr. 406 und 411 f., sowie in der HDv 360/200, Kapitel 16. Der ordnungsdienstliche Aspekt des Einsatzes ist aber gerichtet auf die Aufrechterhaltung der soldatischen Ordnung während der Veranstaltung. Darum ging es aber bei der Verwendung der Reitenden Feldjäger im Rahmen des Absperrdienstes bei den Berliner Truppenrevuen gerade nicht, denn die dienstinterne Ausrichtung des ordnungsdienstlichen Einsatzes war dieser Tätigkeit fremd. Als Vergleichsgrundlage kommt also nur der Einsatz der heutigen Feldjäger zum Schutz der militärischen Veranstaltung vor Störungen von außen in Betracht.

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die zitierten Anordnungen in den Dienstvorschriften auf alle Veranstaltungen der Bundeswehr beziehen und daher so unterschiedliche Erscheinungsformen wie Großer Zapfenstreich, Feierliches Gelöbnis, Kommandoübergabe, Gedenkappelle, Tage der offenen Tür oder Ausstellungen gleichermaßen erfassen, so gehören doch insbesondere auch Feldparaden und Vorbeimärsche zu den ausdrücklich erwähnten Beispielen. 100 Wie die Truppenreserve im Tiergarten von Berlin können solche Feldparaden und Vorbeimärsche der Bundeswehr durchaus auch auf einem öffentlichen Gelände wie beispielsweise einer Parkanlage veranstaltet werden. 101 Dann aber gehört es zu den Aufgaben der Feldjägertruppe, die Veranstaltung im Rahmen der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben vor Störungen zu schützen, die ihr von Seiten ziviler Besucher oder Teilnehmer drohen. 102 Zwar dürfte die Gefahr von Störungen der Truppenrevuen im Berlin des 18. Jahrhunderts eher in der allzu großen Begeisterung oder Neugierde der Zuschauer bestanden haben, während es heutzutage primär darum geht, Straftaten gegen die Bundeswehr abzuwehren und rechtswidrige Störungen ihrer dienstlichen Tätigkeit zu verhindern, 103 doch ist die Zielrichtung des Feldjägereinsatzes die gleiche geblieben, denn die Angehörigen des Reitenden Feldjägerkorps wurden ebenso wie die heutigen Feldjäger zum Absperrdienst herangezogen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf der militärischen Veranstaltung in der Öffentlichkeit gewährleisten zu können. Soweit schließlich das Reitende Feldjägerkorps bei den Truppenrevuen auch den Personenschutz für den König und seine Familienangehörigen zu übernehmen hatte, findet sich auch dafür ein Äquivalent im Aufgabenspektrum der Feldjägertruppe, denn gem. HDv 360/200, Nr. 3216, ist bei Veranstaltungen der Bundeswehr für besonders herausgehobene Personen ein Personenschutzkommando bereitzustellen, das gem. Nr. 3516 und Anlage D 9 der gleichen Dienstvorschrift bei unübersehbarem Teilnehmerkreis die zu schützende Person oder Personengruppe im Nahbereich abzudecken hat. Im Gegensatz zu den Bewachungsaufgaben des Reitenden Feldjägerkorps stellt also der von seinen Angehörigen zu leistende Absperrdienst bei den Berliner Truppenrevuen eine Obliegenheit dar, die in nahezu jeder Hinsicht mit dem Schutz von Veranstaltungen der Bundeswehr durch die Feldjägertruppe vergleichbar ist.

100

ZDv 75/100, Nr. 611; HDv 360/200, Nr. 3201. HDv 360/200, Nr. 3201 und 3204. 102 Als Beispiele nennen die Dienstvorschriften Lärmdemonstrationen, Blockierung von Zufahrtsstraßen, Gewaltanwendung gegen Angehörige und Gegenstände der Bundeswehr oder Angriffe auf sonstige Veranstaltungsteilnehmer (vgl. etwa HDv 360/200, Nr. 3219). 103 Vgl. ZDv 75/100, Nr. 117 und 612. 101

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1. Kap.: Das Reitende Feldjägerkorps dd) Die sonstigen Aufgaben

Dagegen fehlt es der Verwendung der Reitenden Feldjäger als Ingenieur-Geographen im Generalstab der preußischen Armee gänzlich an einer Entsprechung im Pflichtenkreis der Feldjägertruppe. Ebensowenig ist die Gestellung von Grenzpostierungskommandos an der sächsischen Grenze einem Vergleich zugänglich, soweit die Angehörigen des Reitenden Feldjägerkorps dabei für die Eindämmung des Schmuggels zuständig waren, denn die Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs obliegt in der Bundesrepublik gem. § 1 1 1 ZollVG der Zollverwaltung und nach Maßgabe des § 67 I BGSG allenfalls noch einzelnen Beamten des Bundesgrenzschutzes, keinesfalls jedoch einem Truppenteil der Bundeswehr. 104 Vorsicht geboten ist darüber hinaus auch beim Vergleich der Zuziehung der Reitenden Feldjäger zu den Herbstmanövern der preußischen Armee in Potsdam mit den Tätigkeiten der gegenwärtigen Feldjäger, da eine bloß oberflächliche Betrachtung zu dem Ergebnis führen könnte, daß der Einsatz von Feldjägern der Bundeswehr zum Schutz von Übungen gem. ZDv 75/100, Nr. 609, 911 und 914, der Verwendung ihrer Namensvorläufer bei Manövern entspricht. 105 Das ist jedoch tatsächlich gerade nicht der Fall, da der Übungseinsatz der heutigen Feldjäger gemäß Nr. 914 der ZDv 75/100 in erster Linie der Abwehr von Straftaten gegen die Bundeswehr und der Verhinderung rechtswidriger Störungen der dienstlichen Tätigkeiten dient, während sich die Reitenden Feldjäger mit dem Problem der Desertion von Armeeangehörigen zu beschäftigen hatten. Ziel des heutigen Feldjägereinsatzes ist mithin der Schutz von Übungen vor Personen oder Personengruppen, die die Bundeswehr bei der Ausübung ihrer dienstlichen Aufgaben durch Aktionen gefährden, bedrohen oder behindern, mit einem Wort also der Schutz vor Störeinflüssen von außen. Hingegen stellt die Verwendung der Reitenden Feldjäger bei den Herbstmanövern aufgrund der Gefahr von Desertionen eine geradezu klassische ordnungsdienstliche Tätigkeit dar, da sie der Wahrung bzw. Wiederherstellung der soldatischen Ordnung und Disziplin diente und somit auf den armeeinternen Bereich beschränkt blieb. Die Zuziehung von Feldjägern zu militärischen Übungen in Preußen ist also nicht mit dem Feldjägereinsatz anläßlich von Manövern der Bundeswehr zu vergleichen. 104

Soweit dagegen die Nr. 127 und 904 der ZDv 75/100 ausdrücklich davon sprechen, daß Feldjäger zusätzlich auch „zur Überwachung der Zollbestimmungen" eingesetzt werden können, so bezieht sich diese Aussage ausschließlich auf etwaige Auslandseinsätze im Rahmen von Friedensmissionen auf der Grundlage des Art. 24 II GG (vgl. dazu Heinen, S. 244 ff.). Diesen Einsätzen fehlt es jedoch von vorneherein an jeglicher Vergleichbarkeit mit der im Text geschilderten inländischen Grenzüberwachung durch das Reitende Feldjägerkorps, so daß sie außer Betracht gelassen werden können. 105 Die Teilnahme von Feldjägern bei Manövern von Großverbänden als sog. „Übungstruppe", um die es im hier interessierenden Zusammenhang von vorneherein nicht gehen kann, wird zudem noch in der Nr. 913 der ZDv 75/100 geregelt.

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Zu fragen ist daher nur noch, inwiefern der mit der Desertionsproblematik zusammenhängende Auftrag der Angehörigen des Reitenden Feldjägerkorps eine Entsprechung im Aufgabenspektrum der Feldjägertruppe aufweist. Bei der so formulierten Fragestellung kann dann auch die Gestellung von Grenzpostierungskommandos an der sächsischen Grenze in den Vergleich mit einbezogen werden, denn soweit sie nicht der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs diente, lag dieser Aufgabe ebenfalls das Ziel zugrunde, die Desertion einzudämmen. Indessen muß sogleich festgestellt werden, daß der Begriff der Desertion im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr vorkommt. Gleichwohl steht dieser Umstand der Durchführung des Vergleiches deswegen nicht entgegen, weil mit dem in der Nr. 703 der ZDv 75/100 verwendeten Sammelbegriff der „unerlaubten Abwesenheit", der nach der amtlichen Fußnote zur Nr. 703 sowohl das Dienstvergehen des unerlaubten Fernbleibens als auch die Wehrstraftaten der eigenmächtigen Abwesenheit und der Fahnenflucht (§§ 15, 16 WStG) umfaßt, ein sachlich gleichbedeutendes Äquivalent vorhanden ist. 1 0 6 Ausgehend von dieser Erkenntnis stößt man dann bei der Suche nach einer Entsprechung für die Tätigkeiten der Reitenden Feldjäger im Zusammenhang mit Desertionen sehr schnell auf die der Feldjägertruppe der Bundeswehr zugewiesene ordnungsdienstliche Aufgabe der Nachforschung nach unerlaubt abwesenden Soldaten. 107 Gem. HDv 360/200, Nr. 1202, umfaßt die Nachforschung alle rechtlich zulässigen Maßnahmen der Feldjäger, die die Ergreifung und Rückführung des unerlaubt abwesenden Soldaten zum Ziel haben. Bei der Durchführung der Nachforschung hat der Feldjäger den Aufenthaltsort des Gesuchten zu ermitteln, möglichst den Grund der Abwesenheit von der Truppe festzustellen und die Rückkehr zur Einheit zu veranlassen, wobei er im Rahmen seines Ermessensspielraums selbständig handeln kann. 1 0 8 Schon diese Formulierungen weisen - wie im übrigen auch die Bezeichnung dieser Tätigkeit als Nachforschung - darauf hin, daß ein Feldjägereinsatz überhaupt nur dann in Frage kommt, wenn ein Soldat der Bundeswehr bereits uner106 Unter unerlaubtem Fernbleiben ist jedes nicht genehmigte Unterlassen der räumlichen Eingliederung in die Truppe im Zeitpunkt der dazu bestehenden Verpflichtung zu verstehen (vgl. Scholz!Lingens, § 15 WStG Rn. 10). Zur eigenmächtigen Abwesenheit wird das unerlaubte Fernbleiben gem. § 15 I WStG, wenn es vorsätzlich erfolgt und sich daran eine vorsätzliche oder fahrlässige Abwesenheit anschließt, die länger als drei volle Kalendertage andauert. Demgegenüber stellt das unerlaubte vorsätzliche Fernbleiben eine Fahnenflucht dar, wenn der Täter dabei in der Absicht handelt, sich auf Dauer oder zumindest für eine bestimmte kritische Phase vom Wehrdienst vollständig zu lösen (vgl. § 16 I WStG). 107 ZDv 75/100, Nr. 703; 713 ff. und Anlage 9; HDv 360/200, Kapitel 12 und Anlage 33 sowie ZDv 14/3 „Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung", Teil B 162 (Erlaß „Maßnahmen bei unerlaubter Abwesenheit von Soldaten"). 108 HDv 360/200, Nr. 1220 f.

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laubt abwesend ist. Die Tätigkeit der Feldjägertruppe ist in diesem Zusammenhang also ausschließlich repressiver Art. Bestätigt wird dies durch die Vorschriften über die Nachforschungseröffnung. Danach benachrichtigt der Disziplinarvorgesetzte des betreffenden Soldaten bei einem Verdacht auf eine eigenmächtige Abwesenheit oder Fahnenflucht durch die Meldung eines sog. „Besonderen Vorkommnisses" zunächst den zuständigen Feldjägerführer im Wehrbereich. Erst nach dieser Meldung, die für die Feldjägertruppe auf dem Dienstweg über das Wehrbereichskommando zum Nachforschungsauftrag wird, kann die Nachforschung überhaupt eingeleitet werden. 109 Bis zu diesem Zeitpunkt werden in der Regel aber schon mehr als drei volle Kalendertage seit dem Beginn der unerlaubten Abwesenheit des betroffenen Soldaten vergangen sein, denn nach der Nr. 4 des Erlasses „Maßnahmen bei unerlaubter Abwesenheit von Soldaten" besteht grundsätzlich erst dann der begründete Verdacht, daß der Tatbestand der eigenmächtigen Abwesenheit gem. § 15 I WStG, die im Verhältnis zur Fahnenflucht gem. § 16 I WStG weitaus häufiger vorkommt, erfüllt worden ist. Demgegenüber erfolgten die Kommandierungen einzelner Feldjäger zu den Herbstmanövern der preußischen Armee sowie die Abstellung von weiteren Korps-Angehörigen für die Bildung von Grenzpostierungskommandos bereits im Vorfeld von Desertionen und hatten daher in erster Linie einen vorbeugenden und präventiven Charakter. Eine Vergleichbarkeit beider Aufgaben besteht also lediglich insoweit, als die primär präventiven Zwecken dienende Abstellung von Posten und Patrouillen durch das Reitende Feldjägerkorps im Falle einer tatsächlich vorkommenden Desertion auch zu repressiven Maßnahmen führte. Nur dann mußten sich die Reitenden Feldjäger ebenfalls darum bemühen, den Aufenthaltsort des Gesuchten zu ermitteln und dessen Rückkehr zur Einheit zu veranlassen. Im Unterschied aber zu der Feldjägertruppe der Bundeswehr, die im Erfolgsfalle den Disziplinarvorgesetzten des betroffenen Soldaten aufzufordern hat, den Aufgegriffenen durch ein Abholkommando abholen zu lassen, 110 sah die Dienstvorschrift für die Reitenden Feldjäger - wie oben gesehen - vor, daß der gefaßte Deserteur in der nächsten Garnison gegen eine Bescheinigung abzuliefern war. Eine solche Bescheinigung der Übergabe des aufgegriffenen Soldaten an die Truppe ist allerdings auch heute noch vorgeschrieben . m Als Ergebnis des Vergleichs der durch die Desertionsproblematik bedingten Kommandierungen der Reitenden Feldjäger mit der Nachforschungstätigkeit der Feldjägertruppe der Bundeswehr kann mithin festgehalten werden, daß wie-

109

ZDv 75/100, Anlage 9/1, Nr. 1; HDv 360/200, Nr. 1205 f. ZDv 75/100, Anlage 9/2, Nr. 5. 111 HDv 360/200, Nr. 1247. Das Muster einer solchen Bescheinigung über die Übergabeverhandlung ist in der Anlage 3/7 zur HDv 360/200 abgedruckt. 110

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derum nur eine Teilidentität beider Aufgaben gegeben ist, da einigen Übereinstimmungen zahlreiche zum Teil signifikante Unterschiede gegenüberstehen.

ee) Abschließende Bewertung Nach all dem ergibt sich bei einer abschließenden Bewertung des durchgeführten Vergleiches ein recht uneinheitliches Bild: Hinsichtlich der auch nach den beiden Schlesischen Kriegen noch fortbestehenden ursprünglichen „Aufgabentrias" (Kurier-, Fourier- und Kolonnenjägertätigkeit) war eine Veränderung nicht feststellbar. Nach wie vor ist ein Äquivalent für die Kurieraufgaben des Reitenden Feldjägerkorps unter den Obliegenheiten der Feldjägertruppe nicht ersichtlich, während die Analyse der Pflichten der Fourieijäger eine teilweise Übereinstimmung ergab. Nahezu vollständig vergleichbar ist hingegen die Kolonnenjägertätigkeit mit einzelnen Teilbereichen des heutigen militärischen Verkehrsdienstes. Zu ähnlichen Erkenntnissen hat auch die Betrachtung der zahlreichen neuen Aufgabenbereiche geführt, die dem Reitenden Feldjägerkorps im Lauf des 18. Jahrhunderts übertragen worden sind. Hier reicht das Spektrum der Vergleichsergebnisse von der Feststellung fehlender Übereinstimmung (Beaufsichtigung forstlicher Gehege, Bewachung des königlichen Lustschlosses in Köpenick, Grenzpostierungskommandos zur Überwachung der Wareneinfuhr und Ingenieur-Geographen) über das Urteil, daß eine eingeschränkte Vergleichbarkeit besteht (Einsatz bei den Herbstmanövern und Abstellung von Grenzpostierungskommandos zur Eindämmung der Desertionsproblematik sowie Wachaufgaben in der Garnison), bis hin zur Sichtung einer nahezu in jeder Hinsicht vergleichbaren Aufgabe (Absperrdienst bei Truppenrevuen). Bei dieser Sachlage kann aber auch unter Berücksichtigung der neu hinzugekommenen Obliegenheiten nicht davon gesprochen werden, daß es sich bei dem Reitenden Feldjägerkorps um eine Truppengattung mit in erster Linie militärpolizeilichen Aufgaben gehandelt hat. Dies gilt umso mehr, als der Kurierdienst, für den eine Entsprechung im Tätigkeitsfeld der Feldjägertruppe der Bundeswehr nicht vorhanden ist, als die zentrale Friedensaufgabe der Korps-Angehörigen erkannt worden ist. Gleichwohl muß demgegenüber aber ebenso konstatiert werden, daß den nicht vergleichbaren Funktionen des Reitenden Feldjägerkorps eine beachtliche Anzahl zumindest eingeschränkt identischer Aufgaben gegenüberstand, von denen die Kolonnenjägertätigkeit, die im Kriegsfalle zur zweiten Hauptaufgabe der Reitenden Feldjäger avancierte und deren Notwendigkeit das Motiv für die Gründung des Korps dargestellt hatte, die mit Abstand deutlichste Übereinstimmung mit dem Pflichtenkreis der heutigen Feldjägertruppe aufwies. Keinesfalls also kann Schumann 112 beigepflichtet werden, wenn er zu dem Ergebnis kommt, daß abgesehen von den Kolonnenjägern, denen teilweise ver6 Schütz

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kehrspolizeiliche Aufgaben zugefallen seien, und den Fourieijägern, die auch als Eskorten Verwendung gefunden hätten, die Reitenden Feldjäger keinen Dienst getan hätten, der in irgendeiner Weise mit heutigen feldpolizeilichen Aufgaben vergleichbar sei. Vielmehr ergibt die Gesamtbetrachtung aller Dienstleistungen des Reitenden Feldjägerkorps im 18. Jahrhundert nach Abschluß des Vergleichs mit der Situation der Feldjägertruppe der Bundeswehr auch über die ursprüngliche Aufgabentrias hinaus eine Teilidentität der Aufgabenspektren beider Truppengattungen. 3. Das Personalersatzwesen a) Das grundsätzliche

Verfahren

Bei seiner Gründung rekrutierte sich das Personal des Reitenden Feldjägerkorps aufgrund der eindeutigen Anweisung des Königs in der A. K. O. vom 24.11.1740 zunächst noch ausschließlich aus bereits im Forstdienst angestellten, ausgelernten Jägern. Schon die beträchtlichen Verstärkungen des Korps während der beiden Schlesischen Kriege zwangen aber dazu, auch sogenannte ,JägerBurschen" einzuziehen, die ihre Jägerlehre noch nicht abgeschlossen hatten. Im Gegensatz zu den brandenburgisch-preußischen Jägerkompanien des 17. Jahrhunderts war damit erstmals ein Jäger-Korps geschaffen worden, das nicht ausnahmslos aus bereits in der staatlichen Forstverwaltung angestellten Beamten bestand. 113 Nachdem der König dann nach dem Ende des ersten Schlesischen Krieges beschlossen hatte, das ursprünglich nur für die Dauer der bewaffneten Auseinandersetzung mit Österreich aufgestellte Reitende Feldjägerkorps in reduziertem Umfang auch im Frieden beizubehalten, sollten die freiwerdenden Stellen zunächst mit denjenigen Jägern wieder besetzt werden, die anläßlich der Verkleinerung der Truppe entlassen worden waren. Diese Regelung hatte Friedrich der Große bereits in der oben schon erwähnten A. K. O. vom 29.10.1742 getroffen, denn darin teilte er dem Generaldirektorium mit, daß die ausgeschiedenen Korps-Angehörigen „nach und nach, wenn Vacanzen bei den Korps-Feldjägern entstehen, bei solchen wieder employirt werden" sollten. 114 112

Schumann, S. 784. von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 16, vermutet m.E. mit Recht, daß diese Änderung vornehmlich deswegen vorgenommen wurde, weil für den Fall der Heranziehung einer für die geplanten Verstärkungen ausreichend großen Anzahl von Förstern, die ein Revier zu verwalten hatten, ein beträchtlicher Schaden für die staatliche Forstverwaltung zu befürchten war. 114 GStA PK D. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55, Bl. 3 d.A.; vgl. auch das Schreiben des Grafen von Hacke vom 09.10.1742, in dem er das Generaldirektorium über die in der A. K. O. vom 29.10.1742 zum Ausdruck gekommenen Absichten des Königs schon vorab informierte und dabei u.a. folgendes ausführte: 113

. Das Reitende Feldjägerkorps bis 1

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Mit der endgültigen Etablierung des Reitenden Feldjägerkorps als Dauereinrichtung nach Abschluß des zweiten Schlesischen Krieges ergab sich zwangsläufig auch die Notwendigkeit, ein System für die Organisation eines regelmäßigen Personalersatzes einzuführen. Zu diesem Zweck räumte man zunächst den Söhnen der königlichen rechnungsführenden Forstbediensteten 115 einen ausschließlichen Anspruch auf die Einstellung im Reitenden Feldjägerkorps ein. 1 1 6 Diese konnten sich nach Vollendung ihres 16. Lebensjahres ohne weitere Vorprüfung für die Aufnahme in das Reitende Feldjägerkorps bewerben, wurden daraufhin als sogenannte Volontäre angenommen und erhielten vom Chef des Korps einen „Engagements-Paß".117 Nach Vollendung des 18. Lebensjahres wurden die durch den Engagements-Paß ausgewiesenen Volontäre unter der Voraussetzung, daß sie durch Vorlage eines Lehrbriefes den Abschluß der vorgeschriebenen Lehrzeit im Revier eines Jägers nachweisen konnten, dann in das Korps eingestellt, wenn eine Stelle freigeworden war und sie eine vierteljährliche Probezeit erfolgreich absolviert hatten. 118 „Weile nun noch 50 Jägers übrig bleiben, welche kein Tractament bekommen, aus welchen aber die Anzahl der 60 berittenen Feldt-Jägers jederzeit complettiret werden sollen", GStA PK, a.a.O., Bl. 1 d.A.; in der an das Generaldirektorium gerichteten A. K. O. vom 12.12.1742 erinnerte der König schließlich nochmals an seine Entscheidung, „die überzähligen Feldjäger nach und nach bei dem Feldjäger-Corps in Platz der abgehenden wieder" unterzubringen, GStA PK, a. a. O., Bl. 33 d. A. 115 In der Terminologie der preußischen Forstorganisation des 18. Jahrhunderts verstand man unter den rechnungsführenden Forstbedienten, die Titel wie Oberförster, Landjäger, Förster oder Hegemeister führten, im Gegensatz zu den Unterförstern die Beamten der höheren Forstlaufbahn, Jentsch, S. 5. 116 Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3392; Heym\ S. 17; die von diesen Autoren insoweit in Bezug genommenen königlichen Anordnungen sind heute nicht mehr nachweisbar. 117 Heym\ S. 17. Das Muster eines solchen Engagements-Passes findet sich im Aktenbestand GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe. Danach hatte er beispielsweise folgenden Text: „Nachdem Vorzeiger dieses, der Jäger Johann Conrad Friedrich Fischer, ein Sohn des königlichen Oberförster Fischer zu Lohoeden in Westpreußen, sich bey Se. Königl. Majestät in Preußen Feldjäger-Corps zu Pferde als Volontär gemeldet und um einen Paß gebührend nachgesucht hat; so wird ihm selbiger hiermit erteilet. Gegeben im Hauptquartier zu Montabaur den löten November 1792." 118 Böckle, S. 88; Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3393; Jentsch, S. 6 und S. 8. Die Einstellung der neuen Feldjäger hatte der Chef des Korps selbständig vorzunehmen. Der König beschäftigte sich hingegen mit der Wiederbesetzung offener Stellen im Reitenden Feldjägerkorps überhaupt nicht. So antwortete er durch die A. K. O. vom 18.11.1776 dem Capitain von Frankenberg auf dessen Anfrage bezüglich einer beabsichtigten Einstellung eines Volontärs als Feldjäger: „Mein lieber Capitaine von Frankenberg. Ich gebe Euch auf Eure Anfrage [...] zu erkennen, wie Ich mich mit Annehmung der Leute bey den reitenden Jägern keineswegs zu melieren gesonnen [...]. Wonach Ihr Euch also zu achten, und mit dergleichen Anfragen Mich nicht weiter zu chargieren. Ich bin Euer wohlaffectionirter König." Gleichwohl fragte von Frankenberg schon knapp ein halbes Jahr später nochmals beim König an, ob dieser mit einer geplanten Neueinstellung einverstanden sei, und wurde daraufhin durch die A. K. O. vom 01.04.1777 erneut dahingehend beschieden, daß Friedrich sich mit der Annahme seiner Feldjäger nicht „abgeben" wolle: „[...]. Ihr habt nicht nötig, Mich darüber mit *

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Das so umschriebene Personalersatzwesen des Reitenden Feldjägerkorps führte in der Folgezeit zu erheblichen Konflikten mit der preußischen Kantonsverfassung, die es den einzelnen Regimentern der Armee gestattete, die wehrdienstfähigen jungen Männer in einem nur ihnen zugewiesenen Kanton im Wege der Enrollierung auszuheben, um ihren Personalbedarf zu decken. 119 Aus diesem Grunde schlug die Churmärkische Kammer in einem Bericht an das Generaldirektorium schon unter dem 15.02.1762 vor, die Söhne der Forstbedienten vom Enrollierungssystem zu befreien: „Es wird also [...] lediglich von Seiner Königlichen Majestät allergnädigster Entschließung dependieren, ob allerhöchst dieselben dero sämtlichen Regimentern zu befehlen geruhen wollen, daß fürs künftige deren Forstbedienten Söhne, die sich der Jägerey gewidmet, [...] von der Enrollierung und Werbung befreyet, dahingegen aber unter deren königlichen Jäger-Corps zu Pferde [...] auf Verlagen zu dienen pflichtig seyn sollen." 120 Gleichwohl erfolgte eine Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen den Prinzipien der Kantonsverfassung und der Organisation des Personalersatzwesens für das Reitende Feldjägerkorps - soweit ersichtlich - erst durch das Kantonsreglement Friedrich Wilhelms II. vom 12.02.1792, denn dessen § 15 traf insoweit folgende Regelung: „Die Söhne von Oberförstern und rechnungsführenden Forstbedienten sind dem reitenden Jäger-Corps obligat. [...]. Die Söhne derselben, die zur Jägerey sich nicht qualifizieren, sondern andere Gewerbe ergreifen, bleiben dem Kanton-Regiment obligat. [...]. All diejenigen aber, die nach zurückgelegtem 26ten Jahre bei dem JägerCorps noch nicht eingestellt oder wenigstens doch zum Behuf desselben ausgewählt sind, treten in ihre natürliche Kantonspflichtigkeit zurück." 121 Demnach wurde also das Ergänzungssystem des Reitenden Feldjägerkorps, das im Gegensatz zu dem beinahe aller anderen Truppengattungen der preußischen Armee ohne einen eigenen Aushebungskanton auskam, grundsätzlich beibehalten und trat somit als eine zweite Organisationsmöglichkeit des Personalersatzwesens selbständig neben das Enrollierungs- und Werbungssystem.

unmittelbaren Rapports zu behelligen, welches Euch dann auch auf Euren Rapport vom 29. Mertz [...] zur Achtung diene" (GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe). 119 Ausführlich zur Kantonsverfassung Friedrich Wilhelms I.: Jany, Curt: „Die Kantonsverfassung Friedrich Wilhelms I.", in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Band 38, München, Berlin, 1926, S. 225 ff.; Lehmann, Max: „Werbung, Wehrpflicht und Beurlaubung im Heere Friedrich Wilhelms I.", in: Historische Aufsätze und Reden, Leipzig, 1911, S. 135 ff.; Papke, Gerhard: „Von der Miliz zum Stehenden Heer. Wehrwesen im Absolutismus", in: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648-1939, Band 1, Abschnitt I, München, 1979. 120 GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 57, Bl. 59 d. A. 121 GStA PK IV. HA B Nr. 141, S. 56 f.

B. Das Reitende Feldjägerkorps bis 1806

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b) Die Regelungen in den Dienstvorschriften

Die Attraktivität des Militärdienstes im Reitenden Feldjägerkorps, die vor allem auf die oben unter EI. 2. b) dd) schon angedeutete Garantie einer Anschlußverwendung im staatlichen Forstdienst zurückzuführen war, verursachte insbesondere während der vergleichsweise langanhaltenden Friedensperiode nach dem Siebenjährigen Krieg zahlreiche Fehlentwicklungen im Personalersatzwesen. Einerseits war es nämlich den rechnungsführenden Forstbeamten in zunehmenden Maße gelungen, für ihre Söhne bereits in den ersten Lebensjahren und - wenn möglich - sogar schon unmittelbar nach der Geburt die Annahme als Volontär sowie die Ausstellung eines Engagements-Passes zu erwirken und ihnen dadurch den späteren Eintritt in das Korps schon viel früher, als dies ursprünglich vorgesehen war, zu sichern; andererseits aber wurden mitunter Engagements-Pässe auch an solche Bewerber ausgegeben, deren Väter nicht in der staatlichen Forstverwaltung beschäftigt waren. 122 Um diesen Mißständen, die vor allem zu einer übergroßen Anzahl von Volontären geführt hatten, entgegenzuwirken, erließ der damalige Chef des Reitenden Feldjägerkorps, Oberst von Götzen, unter dem 04.05.1784 die „Instruktion, wie es künftighin mit denen jungen Jäger-Burschen, so beym Corps angenommen werden, gehalten werden soll". 1 2 3 Darin legte er zunächst fest, daß nicht mehr als 24 Bewerber als Volontäre angenommen werden durften. Dementsprechend wurden auch von all denjenigen Personen, die zur Zeit des Inkrafttretens der Instruktion bereits im Besitz eines Engagements-Passes waren, nur die 24 ältesten als Volontäre beibehalten. Die übrigen Bewerber durften ihre Engagements-Pässe zwar behalten, konnten aber nicht mehr als Volontäre behandelt werden und erhielten daher im Zuge einer Übergangsregelung den Status von ,Jäger-Burschen, so Pässe haben". Darüber hinaus wurden in der Instruktion die oben beschriebenen Anforderungen an Lebensalter und Ausbildung wieder eingeführt, die in früheren Zeiten die Voraussetzungen für eine Annahme als Volontär bzw. für die Übernahme eines solchen in das Reitende Feldjägerkorps dargestellt hatten, zwischenzeitlich aber offenbar in Vergessenheit geraten waren. Schließlich gestaltete die Instruktion die Regelung des Volontärwesens auch noch in zweifacher Hinsicht völlig neu aus: Zum einen wurde nämlich von nun an die Einstellung eines Volontärs in das Korps von der erfolgreichen Teilnahme an einem Examen abhängig gemacht, in dem vor einer dreiköpfigen Prüfungskommission, bestehend aus dem Kommandeur und zwei Obeijägern, das Wissen des Kandidaten in bezug auf Botanik,

122 123

Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3393; Heym\ S. 28. GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe.

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Forstwesen und Jagdkunde sowie auf die insoweit jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften überprüft wurde (Ziffer 3 bis 7 der Instruktion). Ferner mußte der zur Einstellung in das Korps heranstehende Volontär in diesem Examen nachweisen, daß er die Grundregeln des Rechnens, Lesens und Schreibens beherrschte, wobei die Maßstäbe, die an letzteres gelegt wurden, nicht allzu streng waren: „[...]; es ist just nicht nothwendig, daß er schön schreibt, doch muß die Hand leserlich und die Gedanken so geordnet sein, daß ihm zu verstehen ist." 1 2 4 Die zweite Neuregelung, die das Volontärwesen durch die Instruktion vom 04.05.1784 erfuhr, bestand in dem Erfordernis einer ausreichenden wirtschaftlichen Leistungskraft der Feldjäger-Aspiranten. So bestimmte Ziffer 9 der Instruktion: „[...], da es von jeher gebräuchlich gewesen, daß sich die Jäger selbst equipiret, auch zur Aufrechthaltung der Würde des Corps erforderlich ist, daß er sich ordentlich und proper hält; so kann kein Jäger angenommen werden, wenn er nicht vorher beweißt, daß er die nötige Unterstützung schon hat." Obwohl der Chef des Korps angeordnet hatte, daß die beschriebenen Reglementierungen des Volontärwesens „auf das Genaueste und ohne Ansehen der Person befolgt werden" sollten, scheint die Instruktion auf die Praxis der Annahme von Volontären und der Ausstellung von Engagements-Pässen nicht die angestrebten Auswirkungen gehabt zu haben, denn die in anderem Zusammenhang bereits erwähnte A. K. O. vom 22.03.1798 125 nahm sich dieses Problems erneut ausdrücklich an, indem sie in Ziffer 3 und 4 befahl, daß einerseits „schlechterdings keiner, als die Söhne wirklicher Förster, als Volontairs angenommen werden" durfte, und andererseits alle diejenigen Inhaber eines Engagements-Passes, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, mit der Maßgabe zu entlassen waren, „daß sie sich nach zurückgelegtem löten Jahre wieder melden müssen, alsdann sie [...] in der Liste der Volontairs geführt werden sollen." 124 z i f f e r g d e r Instruktion. Für Kandidaten, „die sonst nicht einfältig scheinen, aber doch nicht so viel gelernet, daß sie beim Examen bestehen können", sah Ziffer 13 der Instruktion noch eine Wiederholungsmöglichkeit vor. - Erst nachdem im Jahre 1790 das korpseigene Lehrinstitut gegründet worden war, das - wie oben bei der Schilderung der Organisation des Friedensdienstes bereits erwähnt - schon wenige Jahre nach seiner Gründung in der Hauptsache nur noch der Unterrichtung der Volontäre diente, wurde das Examen auch auf die dort vermittelten Lehrinhalte ausgedehnt. Es trifft also nicht zu, daß - wie Böckle, S. 89, und Meyer; Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 303, behaupten - die Volontäre schon im Jahre 1750 einer Prüfung auf Gebieten wie etwa Geographie, Polnisch oder Französisch unterzogen worden sind. Vgl. im übrigen zur Problematik der Unterbringung und Versorgung der zum Berliner Lehrinstitut kommandierten Volontäre sowie zu Fragen wie Dauer der Vorlesungen und Anzahl der Hörer das umfangreiche Primärquellenmaterial im Aktenbestand GStA PK II. HA, „Militärdepartement" (Abt. 34), Abt. III, Nr. 79. 125 GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe.

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Hingegen sind die übrigen Regelungen des Jahres 1784 nicht noch einmal Gegenstand einer weiteren königlichen oder sonstigen Befehlsgebung gewesen, woraus daher der Schluß gezogen werden kann, daß die Instruktion insoweit beachtet wurde. Auch das Reglement von 1804/05, das sich in seinem vierten Abschnitt mit dem Personalersatzwesen des Reitenden Feldjägerkorps befaßt, setzt die Beachtung der das Volontärwesen regelnden Instruktion von 1784 voraus und baut darauf auf, ohne die seit dieser Zeit geltenden Vorschriften nochmals zu wiederholen. 126 So wird im ersten Titel des vierten Abschnitts in Art. 3 und 4 lediglich festgesetzt, daß die 12 ältesten Volontäre, die das vorgeschriebene Examen bestanden hatten, bis zum Freiwerden einer regulären Stelle als „überkomplette" Feldjäger geführt werden sollten, die zwar noch kein Gehalt erhielten, aber schon im Kurierdienst Verwendung finden konnten. Einzig die Anordnung, „nur allein Söhne wirklicher rechnungsführender Forstbedienter beym reitenden Corps" als Volontäre anzunehmen, wurde unter Bezugnahme auf die A. K. O. vom 22.03.1798 nochmals betont. 127 Obschon infolge der für den preußischen Staat katastrophalen Ereignisse der Jahre 1806/07 durch die A. K. O. vom 20.04.1808 128 die Entlassung sämtlicher Volontäre angeordnet werden mußte, bestand auch nach der damit verbundenen Abschaffung des Volontärwesens bis zur gänzlichen Auflösung des Reitenden Feldjägerkorps im Jahre 1919 dessen Personalersatz weiterhin nur aus »jungen Leuten, welche sich dem höheren Forstfach gewidmet hatten". 129 4. Die Anschlußversorgung Aufgrund der Tatsache, daß das Jäger-Corps zu Pferde ursprünglich lediglich im Hinblick auf den bevorstehenden Ausbruch des ersten Schlesischen Krieges gegründet worden war und nach Kriegsende wieder aufgelöst werden sollte, enthielt bereits die die Gründung dieser Truppe anordnende A. K. O. vom 24.11.1740 eine Andeutung über die vorgesehene Anschlußverwendung der 126 Die Dienstvorschrift des Jahres 1798 enthält dagegen überhaupt keine Richtlinien für das Personalersatzwesen des Korps. 127 Vierter Abschnitt, Titel n, Art. 1 des Reglements. 128 Der Text der A. K. O. lautete: „Mein lieber General-Major von Köckritz! Da die veränderten Umstände es nicht möglich machen, die reitenden Feldjäger in dem Maße zu versorgen, als es vor dem Kriege geschehen konnte, das Korps selbst nicht einmal so stark wird bleiben können, wie es bisher gewesen ist, die Volontairs also gar keine Aussicht haben, je ins Tractament zu rücken, [...], so trage ich Euch hierdurch auf, um die jungen Leute nicht um ihre Zukunft zu täuschen, sämmtliche Volontairs des reitenden Jäger-Corps zu entlassen, [...]. Ich bin Euer wohlaffectionirter König. Königsberg, den 20. April 1808. Friedrich Wilhelm". (GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe). Bedingt durch diese Entlassung aller Volontäre wurde auch das korpseigene Lehrinstitut noch im Jahre 1808 aufgelöst, vgl. Heym\ S. 51. 129 Vgl. etwa Meyers Konversationslexikon 1897, Stichwort „Feldjäger", S. 271; Militärlexikon, Stichwort „Feldjäger", S. 208.

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Korps-Angehörigen, denn Friedrich der Große hatte den eingezogenen Jägern versichert, „daß wenn der Marsch vorbei, selbige alsdann mit recht guten Diensten versorget werden sollen." Obwohl der König sich dann nach erfolgtem Friedensschluß dazu entschlossen hatte, das stark angewachsene Korps als dauerhafte Einrichtung beizubehalten, stellte sich dennoch das Problem der Anschlußversorgung, da die befohlene Friedensstärke der Truppe nur durch die Entlassung von 47 Jägern erreicht werden konnte. In Erfüllung seines in der Gründungsurkunde gegebenen Versprechens befahl Friedrich der Große daher dem Hofjägermeister und Generaladjutanten Oberst von Hacke, die Unterbringung der ausgemusterten Korps-Angehörigen in der staatlichen Forstverwaltung zu veranlassen. Die in diesem Zusammenhang an ihn ergangenen Befehle des Königs, die in schriftlicher Form nicht überliefert sind, faßt der Oberst von Hacke dann in einem Schreiben an das Generaldirektorium vom 09.10.1742 wie folgt zusammen: „Seine Königliche Majestät wollen auch, daß von denen 60 berittenen Feldt-Jägers, wenn im Lande eine Forstbedienung vacant wird, allemahl einer davon placiret, und sonst keine Dienste an andere vergeben werden sollen: weile nun noch 50 Jägers übrig bleiben, welche kein Tractament bekommen, [...], so soll Hochlöbliches General-Directorium von diesen Leuthen so viel als möglich bei denen Forstbedienten, so schon bei Jahren und ihre Dienste nicht mehr wohl vorstehen können, als JägersBurschen unterzubringen suchen, daß dieselben diese Leuthe statt anderer JägersBurschen annehmen und sie inzwischen mit nothdürftigem Unterhalt versehen, I" j «130 Indessen ergriff das Generaldirektorium auf den Bericht des Grafen von Hacke hin zunächst noch keine Maßnahmen, sondern beschränkte sich darauf, zahlreiche Bedenken gegen die geplante Versorgung der ausgeschiedenen Korps-Angehörigen vorzubringen. 131 Aus diesem Grunde wiederholte der König seine dem Grafen von Hacke erteilten Anweisungen auch gegenüber dem Generaldirektorium nochmals ausdrücklich in der in anderem Zusammenhang bereits erwähnten A. K. O. vom 29.10.1742. Darin heißt es u.a.: „2. [...]. Vor die Unterbringung derer Leute, welche [...] ihr Tractament verlieren, zu sorgen, ist der Obrist Graf v. Hacke bereits beordert worden. [...].

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GStA PK II. HA „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55, Bl. 1 d.A. Vgl. zu den erheblichen Widerständen der zuständigen Verwaltungsbehörden gegen die Umsetzung der königlichen Anordnungen die vollständig erhalten gebliebene Korrespondenz zwischen den einzelnen Verwaltungszweigen und dem Grafen von Hacke im Aktenbestand GStA PK II. HA „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 55, Bl. 2; 15-20; 33-48; 73-76 d.A.; u.a. dauerte es insgesamt mehr als 6 Monate, bis dem Grafen von Hacke ein von ihm auf königlichen Befehl verauslagter Geldbetrag von der Forstkasse erstattet wurde. Eine ausführliche Zusammenfassung dieses Primärquellenmaterials mit zahlreichen Original-Zitaten findet sich bei von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 487 ff. 131

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5. Da nach dieser neuen Einrichtung von den bisherigen 110 Feldjägers 47 Mann reduziert werden, und abgehen müssen, so wollen und befehlen Se. Königl. Majestät, daß diese 47 Mann vorerst bei denjenigen Försters, welche Alters oder Unvermöglichkeit halber ihren Diensten nicht vollkommen mehr vorstehen können, oder wo es sonsten nöthig oder möglich ist, dergestalt untergebracht werden sollen, daß einer von den übrigseyenden Feldjägers bei dergleichen alten und ohnvermögenden Förstern gegeben werde, um selbigen in seinen Amtsverrichtungen gegen Erhaltung der freien Kost, Betts und Quartiers, so wie es der Förster zu geben vermag, zu assistiren, [...]. 6. Wollen Se. Königl. Majestät, daß, wenn hinführo in Dero sämmtlichen Landen und Provintzen Förster-Bedienungen vacant werden, solche vor anderen aus dem neuen Feldjäger-Korps wieder besetzt werden sollen, zu welchem Ende dann Se. Königl. Majestät bei jedesmahligen Abgange eines Försters oder Forstbedienten Bericht davon geschehen muß. [. ..]." 1 3 2 In dieser A. K. O. hatte Friedrich der Große also zunächst einmal die vorläufige Unterbringung der das Korps verlassenden Feldjäger in der Weise geregelt, daß diese als Jägerburschen zur Unterstützung älterer und „ohnvermögender" Förster auf verschiedene Reviere im ganzen Land verteilt wurden. Dabei wurde den ausgeschiedenen Feldjägern der Anspruch eingeräumt, bei der Vergabe von Stellen als Jägerburschen bevorzugt berücksichtigt zu werden: Kein Förster durfte einen anderen Jägerburschen annehmen, bevor nicht alle ausgeschiedenen Feldjäger untergebracht worden waren. Daneben enthielt die Kabinettsorder aber auch bereits die Grundzüge des Systems der Anschlußverwendung abgehender Korps-Angehöriger, das - abgesehen von einigen Modifikationen im Laufe der Zeit - bis zur Auflösung des Reitenden Feldjägerkorps im Jahre 1919 weitgehend unverändert fortbestand. Danach sollten die Feldjäger nach ihrer aktiven Dienstzeit als Forstbediente in der staatlichen Forstverwaltung eingesetzt werden, wobei unter Forstbedienten zu dieser Zeit noch die rechnungsführenden Förster, also die Beamten der höheren Forstlaufbahn verstanden wurden. 133 Auch auf diese Stellen räumte man den Feldjägern das „Recht des ersten Zugriffs" ein, denn die A. K. O. spricht

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GStA PK, a.a.O., Bl. 3 d.A.; daß die verantwortlichen Stellen im Generaldirektorium selbst nach dieser neuerlichen königlichen Befehlsgebung ihre Bedenken gegen das angeordnete System der Anschlußverwendung ausgeschiedener Feldjäger noch nicht endgültig fallengelassen hatten, wird durch die Tatsache deutlich, daß am 12.12.1742 überhaupt erst 8 Feldjäger in der vorgesehenen Weise als Jägerburschen untergebracht worden waren, vgl. GStA PK, a.a.O., Bl. 34 d.A. Erst, nachdem der König unter dem gleichen Datum eine weitere A. K. O. an das Generaldirektorium gerichtet hatte, in der er sich erzürnt über die verzögerliche Bearbeitung seiner Befehle äußerte und nochmals darauf bestand, daß „das gehörige überall zu verfügen" sei, wurden alle ausgemusterten Korps-Angehörigen innerhalb von wenigen Tagen versorgt, so daß das Generaldirektorium am 25.12.1742 den Vollzug der A. K. O. vom 29.10.1742 melden konnte, vgl. GStA PK, a.a.O., Bl. 33 und 48 d.A. 133 s.o. Fn. 115.

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davon, daß jede freiwerdende Stelle „vor anderen" durch verabschiedete KorpsAngehörige besetzt werden sollte. 134 Zudem läßt sich der A. K. O. entnehmen, daß der König die Übernahme der Feldjäger in den Forstdienst noch seiner eigenen Entscheidung vorbehalten hatte. Von einer wie auch immer gearteten Prüfung, die vor der Einstellung als Oberförster hätte abgelegt werden müssen, ist dagegen zu dieser Zeit noch keineswegs die Rede. Erst im Jahre 1798 wurde die Übergabe einer Oberförstersteile an einen aus dem Korps ausgeschiedenen Feldjäger an die Bedingung geknüpft, daß dieser zuvor das Forstexamen vor der 1787 gegründeten „Oberexaminationskommission für Forst- und Jagdwesen" abgelegt hatte. 135 Zu dieser Zeit hatte der König auch bereits die Befugnis zur Anstellung der Feldjäger in der Forstverwaltung auf den Chef des Korps delegiert. Insoweit legte dann das Reglement von 1804/05 in seinem 5. Abschnitt in Art. 1 des Titels IV „Von Versorgung der Oberjäger und Feldjäger" die Richtlinien fest, nach denen die Auswahl der zur Besetzung freigewordener Oberförsterstellen heranstehenden Feldjäger zu erfolgen hatte: „Da Se. Königl. Majestät die erledigten rechnungsführenden Försterstellen von den Oberjägern und Feldjägern wieder besetzen lassen, so geschiehet hierzu der Vorschlag von dem Chef des Forst-Departements, welcher aus denen Oberjägern und 15 ältesten Feldjägern denjenigen vorschlägt, welchen er nach dessen im Forstexamine bewiesenen Fähigkeiten zu dem vacanten Försterdienst am schicklichsten hält." Dieses System der Anschluß Verwendung ausgedienter Feldjäger begründete also - ebenso wie das Personalersatzwesen - eine ausgesprochen enge Verbindung zwischen der preußischen Forstverwaltung und dem Reitenden Feldjägerkorps der Armee. Auf diese Weise entstand eine Art „Personalkreislauf 4, der dadurch gekennzeichnet war, daß das Reitende Feldjägerkorps zunächst seinen Nachwuchs aus den Reihen derjenigen Oberförstersöhne rekrutierte, die eine abgeschlossene Berufsausbildung als Jäger nachweisen konnten, sodann dessen forstliche Weiterbildung während der aktiven militärischen Dienstzeit garantierte und schließlich die ausgedienten Feldjäger mit ausreichender Qualifikation der staatlichen Forstverwaltung zur Wiederbesetzung freigewordener Oberförsterstellen zur Verfügung stellte. 136

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Der aus dieser Formulierung resultierende Anspruch ausgedienter Feldjäger auf eine Oberförsterstelle eröffnete die Möglichkeit für eine recht eigenartige Form von Disziplinarmaßnahme, denn Korps-Mitglieder, die sich einen schweren Disziplinarverstoß hatten zuschulden kommen lassen, wurden in späterer Zeit zu den Fußjägern versetzt, für die im Anschluß an ihre aktive Militärzeit lediglich eine Verwendung als Unterförster vorgesehen war (Heym\ S. 30, Roeder, S. 3). 135 Jentsch, S. 10; Roeder, S. 3.

C. Das Reitende Feldjägerkorps bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919

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Damit hatte das Reitende Feldjägerkorps eine Stellung inne, die es mit nur geringfügigen Abweichungen im Detail bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919 beibehielt. Mit Ausnahme der Fußjägertruppe unterschied sich das Korps dadurch fundamental von allen anderen Truppengattungen der preußischen Armee.

C. Das Reitende Feldjägerkorps bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919 I. Die Veränderungen und Ereignisse bis zum Jahre 1824 1. Die Formationsgeschichte Die nach der preußischen Niederlage im Krieg gegen das napoleonische Frankreich 1806/07 einsetzenden Stein-Hardenbergischen Reformen und die zeitgleich durchgeführte Umgestaltung des gesamten Heerwesens durch Gneisenau und Scharnhorst blieben auch für das Reitende Feldjägerkorps nicht ohne Konsequenzen. Insoweit haben die Entlassungen aller Volontäre sowie die Auflösung der korpseigenen Lehranstalt im Jahre 1808 bereits Erwähnung gefunden. Vor allem aber kam es drei Jahre später zu einer drastischen Reduzierung der Korpsstärke, denn am 18.03.1811 befahl König Friedrich Wilhelm HL in einer Allerhöchsten Kabinettsorder dem „Allgemeinen Kriegs- und Militair-Oeconomie-Departement", den künftigen Stärkeetat des Reitenden Feldjägerkorps auf 80 Mann festzulegen „und die jetzt noch über diese Anzahl vorhandenen Feldjäger [...] bei ihrem Abgange nicht wieder" zu ersetzen. 137 Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren - ebenso wie zuvor wohl auch schon für die Entlassung aller Volontäre - die durch den Tilsiter Frieden verursachten Veränderungen in der staatlichen Forstverwaltung, von deren Rahmenbedingungen das Reitende Feldjägerkorps wegen des Systems der Anschlußverwendung seiner Mitglieder abhängig war. Preußen, das nach dem verlorenen Krieg nur aufgrund des russischen Einspruchs der gänzlichen Auflösung durch Napoleon entgangen war, verlor sein gesamtes westelbisches Staatsgebiet und mit Ausnahme von Westpreußen auch seine ehemaligen polnischen Regionen. Die Folge dieser umfangreichen Landabtretungen war naturgemäß eine bedeutende Verminderung der in 136 von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 391, spricht insoweit von einer „Wechselwirkenden Stellung" der Jäger, Sommer, S. 62, von einer „engen Symbiose zwischen Forstdienst und Feldjägern". 137 GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe; unzutreffend ist es mithin, wenn Voigt, Band 7, S. 790, angibt, die Reduzierung des Korps habe im Jahre 1808 stattgefunden.

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der Forstverwaltung vorhandenen Stellen der höheren Forstlaufbahn. Zudem waren zahlreiche Oberförster, die ein Revier in den verlorenen Gebieten verwaltet hatten, infolge der Ereignisse beschäftigungslos geworden und mußten mit neuen Stellen versorgt werden. Angesichts dieser Ausgangslage konnte daher dem Reitenden Feldjägerkorps nicht einmal mehr eine annähernd so große Anzahl von Försterstellen für die Anschlußversorgung seiner Mitglieder zur Verfügung gestellt werden wie noch vor dem Krieg. Konsequenterweise mußte aus diesem Grunde das Korps in der erwähnten Weise einschneidend verkleinert werden: Die enge Verbindung zur zivilen Forstverwaltung wirkte sich hier also unmittelbar auf die militärische Konzeption dieser Truppengattung aus. 138 Indessen entspricht es den sich in dieser Epoche innerhalb kürzester Zeit fundamental wandelnden politischen Verhältnissen, daß schon im Jahre 1815 das Reitende Feldjägerkorps wieder vergrößert wurde. Auf eine sog. „Immediateingabe" des Chefs des Korps vom 05.04.1815 hin erklärte sich nämlich der an dem Wiener Kongreß teilnehmende König in der A. K. O. vom 14.04.1815 mit dem ihm unterbreiteten Vorschlag einverstanden, das Reitende Feldjägerkorps wieder um zwanzig Mann zu vergrößern und somit einen Stärkeetat von einem Kommandeur, 4 Oberjägern und 96 Feldjägern festzulegen. 139 Möglich geworden war diese Maßnahme, weil nach den Befreiungskriegen infolge der Vereinbarungen auf dem Wiener Kongreß das preußische Staatsgebiet sogar über die Vorkriegsgröße des Jahres 1806 hinaus angewachsen war, so daß sich die Anzahl der zu vergebenden Oberförsterstellen wieder spürbar vergrößerte und damit auch die Versorgung von mehr Feldjägern als zuvor sichergestellt werden konnte. Bei der Auswahl der neu einzustellenden Feldjäger griff man nun entsprechend der in der Immediateingabe des Chefs vom 05.04.1815 unterbreiteten und durch die A. K. O. vom 14.04.1815 genehmigten Vorschläge vorzugsweise auf diejenigen Personen zurück, die im Jahre 1808 als Volontäre entlassen worden waren und in den Befreiungskriegen als Freiwillige bei anderen Truppengattungen gedient hatten. Gleichzeitig aber wurde ihre Einstellung davon abhängig gemacht, daß sie das wieder eingeführte Aufnahmeexamen bestanden, das im Vergleich zu den früher üblichen Prüfungen allerdings ein deutlich gestiegenes Anforderungsprofil aufwies und vor einer um drei Professoren erweiterten Kommission abgelegt werden musste. 140 138 Vgl hierzu auch Heym\ S. 51, und Jentsch, S. 13. Sowohl der Vermehrungsantrag des Chefs als auch die Entscheidung des Königs befinden sich im Aktenbestand GStA PK IV. HA B Nr. 708 (ohne Blattangabe). 140 Einzelheiten über diese Prüfung und die Zusammensetzung der Examenskommission können einer weiteren Immediateingabe des Chefs des Korps vom 07.06.1815 entnommen werden, die sich im Aktenbestand GStA PK IV. HA B Nr. 708 (ohne Blattangabe) befindet. Dort kann auch die A. K. O. vom 14.06.1815 eingesehen werden, mit der der König die geplante ständige Durchführung solcher Aufnahmepriifun139

C. Das Reitende Feldjägerkorps bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919

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Diese anspruchsvolle Ausgestaltung der Aufnahmeprüfung hatte der Chef des Korps im Hinblick auf den Umstand vorgeschlagen, daß im Zuge der Reorganisation des preußischen Forstwesens nach dem Frieden von Tilsit auch das Niveau des Oberförsterexamens, das - wie erwähnt - seit 1798 auch von ausgedienten Feldjägern abgelegt werden mußte, wenn sie in die staatliche Forstverwaltung übertreten wollten, erheblich angehoben worden war. Dadurch bedingt, mußte in der Folgezeit der forstwissenschaftlichen Ausbildung der Feldjäger während ihrer aktiven Dienstzeit im Korps ein weitaus größerer Stellenwert eingeräumt werden, als dies noch im 18. Jahrhundert der Fall gewesen war. So wurden die Feldjäger seit 1811 als Ersatz für den in Wegfall geratenen Unterricht auf der korpseigenen Lehranstalt zur Teilnahme an den Vorlesungen des Forstlehrstuhls der neugegründeten Berliner Universität kommandiert. Mit der Einrichtung einer Forstakademie im Jahre 1821, die sich zunächst in Berlin und seit 1830 dauerhaft in Eberswalde befand, wurde es für die Korps-Angehörigen dann obligatorisch, den dort angebotenen forstwissenschaftlichen Ausbildungsgang zu absolvieren. 141 Auf diese Weise hatte sich nach Abschluß des preußischen Reformwerks und dem siegreichen Verlauf der Befreiungskriege endgültig eine Verschiebung der Akzente im Verhältnis der militärischen zur zivilen Seite des Reitenden Feldjägerkorps vollzogen: Während nämlich das Jäger-Corps zu Pferde bei seiner Gründung und in der Zeit bis zum Siebenjährigen Krieg ausschließlich militärisch ausgerichtet war und die Beziehung zur staatlichen Forstverwaltung nur aufgrund der Notwendigkeit zustande kam, für die zur Dauereinrichtung gewordene Truppe ein System der Anschlußversorgung aufzubauen, nahmen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die zivilen Bezüge bereits während der aktiven Dienstzeit der Korps-Angehörigen einen den militärischen Anforderungen vergleichbaren Stellenwert ein, der sich in der von den Dienstvorschriften dieser Jahre vorgesehenen und oben dargestellten Organisation des Friedensdienstes widerspiegelte und der Einsicht zu verdanken war, daß für die kompetente Verwaltung einer Oberförsterstelle durch einen Feldjäger dessen vorherige Ausbildung erforderlich war. Nunmehr aber waren infolge der Reform des preußischen Forstwesens und der Fortschritte auf dem Gebiet der Forstwissenschaft die militärischen Aspekte des Reitenden Feldjägerkorps hinter der forstlichen Ausbildung der Feldjäger sogar zurückgetreten. Diese Entwicklung wurde bis zur Auflösung des Korps sogar noch weiter intensiviert und veränderte daher in zunehmendem Maße das Erscheinungsbild des Reitenden Feldjägerkorps während des 19. Jahrhunderts.

gen akzeptierte und zugleich die in der Immediateingabe ebenfalls erbetene Bestätigung des Anspruchs ausgeschiedener Feldjäger auf Versorgung in der staatlichen Forstverwaltung aussprach. 141 Heym\ S. 76 ff.; Jany IV, S. 144; JentscK S. 14; Roeder, S. 4.

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as Reitende Feldjägerkorps 2. Die Aufgaben

Die vorstehende Betrachtung der Formationsgeschichte des Reitenden Feldjägerkorps in der Zeit nach 1806 hat gezeigt, daß bei dieser Truppengattung aufgrund der reformbedingten Veränderungen in Preußen der Stellenwert der zivilen Bezüge die Bedeutung der militärischen Aspekte erstmals überwog. Daraus ergaben sich auch Folgen für das Spektrum der militärischen Aufgaben des Korps. a) Die Kriegsauf gaben Wie schon in den übrigen preußischen Feldzügen nach dem Siebenjährigen Krieg wurde auch zu Beginn des Konflikts mit Frankreich im Jahre 1806 das Reitende Feldjägerkorps nicht in seiner Gesamtheit mobil gemacht; eingezogen und dem Hauptquartier bzw. den verschiedenen Armee-Oberkommandos zugeteilt wurden wiederum nur diejenigen Feldjäger, die schon im Frieden als Kolonnen-, Kurier- oder Fourierjäger fest eingeplant worden waren. 142 Im Laufe des Krieges kam es dann jedoch insofern zu einer Veränderung der Verhältnisse, als nach der Übertragung des Oberkommandes über die preußische Armee auf den Fürsten Hohenlohe alle Feldjäger im Hauptquartier zusammengezogen und je nach Bedarf zur Erfüllung der unterschiedlichsten Aufgaben verwendet wurden. Damit war für die verbleibende Zeit der bewaffneten Auseinandersetzung mit Frankreich erstmals die überlieferte Trennung der Aufgabenbereiche der Feldjäger aufgehoben worden, so daß die einzelnen Korps-Angehörigen nicht mehr auf den ihnen ursprünglich zugedachten Teilbereich des gesamten Aufgabenspektrums beschränkt waren, sondern unterschiedslos zu jedweder Tätigkeit herangezogen werden konnten, deren Durchführung der Truppe in diesem Krieg oblag. 143 142

Anders als zuvor blieben jedoch diejenigen Korps-Angehörigen, die nicht für eine Verwendung im Kriegsfalle vorgesehen waren, diesmal nicht in der Garnison oder den Kommandos in Potsdam, Berlin und Zehlendorf zurück, um den normalen Friedensdienst weiter zu versehen, sondern meldeten sich freiwillig zu den verschiedenen Kampftruppenteilen der Infanterie und Kavallerie (.Böckle, S. 90; Roeder, S. 4). Die von ihnen dort verrichteten Tätigkeiten sind indessen für die Betrachtung der Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps ohne Bedeutung und bedürfen hier aus diesem Grunde keiner näheren Ausführungen. Dies gilt im übrigen auch für die Dienstleistungen derjenigen Feldjäger, die nach dem Frieden von Tilsit vorübergehend in die österreichische Armee eingetreten waren, sich dem Freikorps des Majors von Schill angeschlossen hatten oder am Rußlandfeldzug Napoleons teilnehmen mußten (dazu jeweils Heym\ S. 58 f.). Schließlich hatte auch das Detachement reitender Jäger, das dem Freikorps von Schills angehörte (vgl. Jany DI, S. 630 f.), lediglich einen Kampfauftrag und wies daher keinerlei Bezüge zum Reitenden Feldjägerkorps auf. 143 Ausführlich zu den Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps im Krieg von 1806/ 07 und in den Befreiungskriegen: Böckle, S. 90 ff.; Heyn?, S. 46 ff. und S. 59 ff., auf deren Ausführungen die nachfolgende Darstellung beruht.

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Zu diesen Tätigkeiten gehörte nach wie vor in erster Linie der Kurierdienst, dessen Bedeutung für die Kriegsführung in Ermangelung sonstiger Fernmeldemittel unverändert fortbestand. 144 Hingegen erfuhr der Bereich der Kolonnenjägertätigkeit dadurch eine einschneidende Abänderung, daß die Feldjäger nach der Schlacht von Jena nicht mehr als Kolonnenführer eingesetzt wurden, obwohl das Reitende Feldjägerkorps von Friedrich dem Großen gerade zur Erfüllung dieser Aufgabe gegründet worden war. Soweit die Obliegenheiten der Kolonnenjäger früherer Kriege über die Funktion als Wegweiser für die Marschkolonnen der Armee hinausgegangen waren, blieben sie jedoch erhalten. So hatten die Feldjäger auch im Krieg von 1806/07 die Aufgabe, Wege- und Geländeskizzen zu erstellen, die Ingenieur-Geographen bei der Terrainaufnahme zu unterstützen und Lagerplätze für die marschierenden Heeresabteilungen abzustecken. Darüber hinaus oblag dem Reitenden Feldjägerkorps immer noch die Wahrnehmung der anfallenden Fouriergeschäfte. Zum Kreis der damit verbundenen Tätigkeiten gehörte im weitesten Sinne nunmehr allerdings auch der Transport von Kriegskassen, Magazinbeständen und sonstigen Gegenständen von bedeutendem Wert, die vor den herannahenden französischen Truppen in Sicherheit gebracht werden mußten. Völlig neu waren dagegen Aufgaben wie beispielsweise das Schlagen von Brücken, die Begleitung von Rekruten-Transporten oder das Sammeln versprengter Soldaten und deren Rückführung zur Truppe. Aufgrund ihrer auf der korpseigenen Lehranstalt erworbenen Kenntnisse der französischen Sprache wurden die Feldjäger zudem vielfach auch als Parlamentäre verwendet, um mit den Franzosen die Kapitulationsbedingungen für einzelne preußische Truppenverbände auszuhandeln. Ferner ist der Einsatz von Feldjägern zur Feindaufklärung und im Stabs- bzw. Ordonnanzdienst überliefert. Schließlich oblag es den Feldjägern noch, Verbindungskommandos für die zivil-militärische Zusammenarbeit zu stellen, wenn es etwa darum ging, die Landräte zu Rekruten-Ausschreibungen oder Geld-Erhebungen zu bewegen, um den Personalersatz und die Finanzierung der Armee zu sichern.

144 Nach dem Frieden von Tilsit versuchten einige hochrangige Offiziere, gegenüber der „Immediat-Untersuchungs-Kommission", die der König zur Ermittlung der Gründe für die katastrophale Niederlage gegen Frankreich eingesetzt hatte, ihre im Krieg getroffenen Fehlentscheidungen durch die Behauptung zu rechtfertigen, die ihnen als Kuriere zugeteilten Feldjäger hätten die an nachgeordnete Truppenteile gerichteten Befehle nicht ordnungsgemäß überbracht. Diese Schutzbehauptungen konnten indessen im Zuge der angestellten Untersuchungen und Ermittlungen vollständig widerlegt werden. Dementsprechend enthält auch der Abschlußbericht der Kommission keinen einzigen Hinweis auf eine Pflichtverletzung durch einen Angehörigen des Reitenden Feldjägerkorps. Vgl. zur Arbeit und den Ergebnissen der Immediat-Untersuchungs-Kommission das von der kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabes herausgegebene Werk: „1806. Das Preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsergebnisse", Berlin, 1906.

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as Reitende Feldjägerkorps

In den nachfolgenden Befreiungskriegen erfolgte der Einsatz der Feldjäger indessen wieder getrennt nach den drei ursprünglichen Aufgabenbereichen. Wie im 18. Jahrhundert wurden die Korps-Angehörigen wieder auf das Hauptquartier und die diversen Armee-Oberkommandos verteilt, wo sie ausschließlich die ihnen feststehend zugeteilte Tätigkeit als Kolonnen-, Fourier- und Kurieijäger ausübten. Besonderheiten, wie sie im Krieg von 1806/07 aufgetreten waren, kamen dabei nicht mehr vor, so daß die Entscheidung des Fürsten Hohenlohe, alle Feldjäger im Hauptquartier zusammenzuziehen und sie ausschließlich am aktuellen Bedarf orientiert einzusetzen, in der Kriegsgeschichte des Reitenden Feldjägerkorps einen Einzelfall darstellte. Damit steht nun einerseits zwar fest, daß das Aufgabenspektrum des Reitenden Feldjägerkorps in den Befreiungskriegen nicht annähernd so umfangreich und vielfältig war wie im Krieg von 1806/07; andererseits folgt daraus aber auch, daß im Vergleich zu den kriegerischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts der Umfang der durch die Feldjäger zu verrichtenden Tätigkeiten keineswegs reduziert worden ist. Die nach der Niederlage gegen Frankreich feststellbare Verschiebung des Schwerpunktes in der Konzeption des Reitenden Feldjägerkorps zu Lasten seiner militärischen Funktionen hat mithin im Hinblick auf die Kriegsaufgaben in den Befreiungskriegen noch keine Auswirkungen gehabt. b) Der Friedensdienst Weitaus weniger komplex gestaltete sich der Dienst des Reitenden Feldjägerkorps in den Friedensperioden des in diesem Abschnitt betrachteten Berichtszeitraums, denn er bestand im wesentlichen nur noch aus der Wahrnehmung von Kurieraufgaben. Diese erstreckten sich in zunehmendem Maße auf die Beförderung von Depeschen zu den preußischen Gesandschaften in den wichtigsten europäischen Hauptstädten, wohingegen der Inlands-Kurierdienst erheblich an Bedeutung verlor. Während nämlich das Feldjägerkommando in Zehlendorf durch die A. K. O. vom 01.04.1822 aufgelöst wurde, so daß sich nur noch in Berlin und Potsdam ständig besetzte Kommandos für die Beförderung von Depeschen im Inland befanden, ging man nach den Befreiungskriegen dazu über, jeweils einen oder mehrere Feldjäger in Wien, Petersburg bzw. Moskau, London, Paris und Den Haag zu stationieren. 145 Neben den durch diese festen Sta145 Böckle, S. 96; JentscK S. 15. Die A. K. O. vom 01.04.1822 konnte in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht mehr nachgewiesen werden. Die genannten ständigen Auslandsstationen haben im Laufe der Zeit verschiedentlich gewechselt. Ihnen entsprachen im Inland Zwischenstationen, an denen die zu befördernden Depeschen an die im Ausland stationierten Feldjäger übergeben oder von diesen zum Weitertransport nach Berlin abgeliefert wurden (Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3373).

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tionierungen bedingten regelmäßigen Reisen zwischen Berlin und den genannten Städten beförderte das Reitende Feldjägerkorps aber auch noch alle übrigen diplomatischen Schriftstücke, die an Personen oder Institutionen im europäischen und gelegentlich sogar im außereuropäischen Ausland adressiert wa146

ren. Abgesehen von den in dieser Weise geregelten Obliegenheiten im Kurierdienst waren die Feldjäger nur noch für die Erledigung der Fouriergeschäfte des Königs verantwortlich. Bis ins Jahr 1820 hinein bestand dieser Fourierdienst im Frieden unverändert sowohl aus den ständigen persönlichen Dienstleistungen für den König als auch aus dessen Begleitung auf Reisen. 147 Mit der A. K. O. vom 10.05.1820 beendete Friedrich Wilhelm III. jedoch den ständigen Fourierdienst der Feldjäger, da er „zur Besorgung dieser Fouriergeschäfte [...] eine Anordnung getroffen [hatte], welche sich als genügend ergeben hat und bei welcher es für jetzt verbleiben soll". 1 4 8 Die mit dem Garnisonsdienst in Köpenick verbundenen Bewachungsaufgaben waren mit der Verlegung des Stabes des Korps nach Berlin sogar schon acht Jahre früher in Wegfall geraten, da eine Garnisonsstadt von der Größe Berlins naturgemäß nicht von den Feldjägern bewacht werden konnte und auch der Objektschutz für das königliche Schloß in dieser Stadt von anderen Truppengattungen durchgeführt wurde. Zudem sind Kommandierungen einzelner Feldjäger zu den Herbstmanövern seit der Niederlage gegen Frankreich nicht mehr vorgekommen. Ebensowenig gehörte es nach 1807 noch zu den Aufgaben der Feldjäger, Grenzpostierungskommandos entlang der sächsischen Grenze zu stellen oder den Absperrdienst bei den Berliner Truppenrevuen zu versehen. Daß die Tätigkeit der Korps-Angehörigen als Ingenieur-Geographen schon im Jahre 1804 aufgrund der Umstrukturierung des Generalstabs ein Ende gefunden hatte, ist bereits erwähnt worden. Schließlich sind im 19. Jahrhundert auch keine Einsätze als Gehegejäger mehr feststellbar. 149 Im Gegensatz zu den militärischen Dienstleistungen des Reitenden Feldjägerkorps im Krieg sind also die Friedensaufgaben drastisch reduziert worden. Diese Entwicklung ist unmittelbar auf den gestiegenen Stellenwert der forstlichen Ausbildung der Korps-Angehörigen zurückzuführen, denn da der Großteil des zum Korps gehörenden Personals entweder die forstwissenschaftliche Vorlesung an der Berliner Universität bzw. seit 1821 auf der Forstakademie besu146

Böckle, S. 96; Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3373; Jentsch, S. 15; Roeder, S. 5. Böckle, S. 92; Jentsch, S. 13. 148 GStA PK IV. HA B Nr. 708, ohne Blattangabe; die Anordnung, von der in dieser A. K. O. die Rede ist, beinhaltete die Übernahme des Fourierdienstes durch das „Garde-Reserve-Airnee-Gendarmerie-Kommando", das zu der aufgrund der A. K. O. vom 12.02.1820 gegründeten ,Armee-Gendarmerie" gehörte und den Stamm der späteren ,»Leibgendarmerie" darstellte; dazu ausführlich im 2. Teil der Arbeit. 149 Vgl. zum Ganzen: Böckle, S. 96; Heym\ S. 90. 147

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chen mußte oder zur praktischen Ausbildung in das Revier eines Oberförsters abkommandiert war, verblieben für den militärischen Friedensdienst nur geringe Kräfte, die mit den anfallenden Kurierreisen ins Ausland bereits vollständig ausgelastet waren. Abgesehen von der nur gelegentlich vorkommenden Begleitung des Königs auf Reisen konnten die Feldjägern also nicht mehr mit darüber hinausgehenden Aufgaben betraut werden. c) Die Aufgaben im Vergleich mit dem Tätigkeitsbereich der Feldjägertruppe der Bundeswehr Im gleichen Maße, wie sich das Aufgabenspektrum der Feldjäger verkleinerte, reduziert sich auch die Grundlage, auf der ein Vergleich ihrer Tätigkeiten mit den Obliegenheiten der Feldjägertruppe der Bundeswehr erfolgen kann. So ist für den nur noch aus Kurieraufgaben und Reisebegleitungen bestehenden Friedensdienst des Reitenden Feldjägerkorps nach dem Krieg von 1806/07 erstmals überhaupt keine Entsprechung mehr im Aufgabenkatalog der heutigen Feldjäger anzutreffen. Zudem kann hinsichtlich der Dienstleistungen der reitenden Feldjäger in den Befreiungskriegen auf die an früherer Stelle erzielten Vergleichsergebnisse verwiesen werden, da insoweit keine Abweichungen von der Situation im 18. Jahrhundert festgestellt worden sind. Im Gegensatz dazu hat aber das Tätigkeitsfeld des Reitenden Feldjägerkorps - wie oben unter a) dargestellt - im Krieg von 1806/07 eine Ausweitung erfahren. Betrachtet man dabei zunächst die zum ursprünglichen Fourierdienst hinzugekommene Aufgabe des Transports von Kriegskassen und Magazinbeständen, so entdeckt man auf den ersten Blick eine gewisse Ähnlichkeit mit der gem. ZDv 75/100, Nr. 609, 632 f. und Anlage 8; HDv 360/200, Nr. 3301 ff. von den Feldjägern der Bundeswehr auf Anforderung zu übernehmenden Sicherung von Geld-, Waffen-, Munitions- und Materialtransporten, denn in beiden Fällen sind die Bezugspunkte des Feldjägereinsatzes Gegenstände von bedeutendem Wert. 150 Indessen ergibt die genauere Analyse einen wichtigen Unterschied zwischen der Tätigkeit der historischen Feldjäger und der der Feldjägertruppe der Bundeswehr. Während nämlich erstere für den Transport als solchen zuständig waren, werden letztere ausschließlich zur Sicherung einer von anderen Personen durchzuführenden Geldbeförderung verwendet. Zwar wird man unterstellen können, daß auch die reitenden Feldjäger die Pflicht hatten, Angriffe auf den Transport zu verhindern. Dadurch ändert sich jedoch nichts daran, daß ihr Einsatz in der Hauptsache der Erfüllung einer Transportaufgabe diente. Demgegenüber werden die Feldjäger der Bundeswehr ausschließlich zu Sicherungszwekken herangezogen; die Hilfe beim Transportieren des Geldes ist gem. HDv 360/ 150 Gem. ZDv 75/100, Nr. 632, können Feldjäger zur Sicherung von Geldtransporten nur dann angefordert werden, wenn der Geldbetrag höher als DM 400.000,- ist.

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200, Nr. 3302, sogar ausdrücklich untersagt. Es ist demnach der Sicherheitsaspekt, der der Begleitung von Geldtransporten ihren militärpolizeilichen Charakter verleiht. Die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben aber war bei den von den reitenden Feldjägern durchgeführten Transporten allenfalls eine Nebenerscheinung. Daraus folgt, daß entgegen dem ersten Anschein die durch die Ausweitung des Fourierdienstes neu entstandenen Obliegenheiten des Reitenden Feldjägerkorps im Krieg von 1806/07 nur sehr bedingt mit den Aufgaben der Feldjägertruppe der Bundeswehr zu vergleichen sind. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dem Sammeln versprengter Soldaten und deren Rückführung zu ihrer Einheit nicht nur prima facie um eine ordnungsdienstliche Tätigkeit, denn sie dient der Wiederherstellung der personellen Einsatzbereitschaft der Armee. Dementsprechend wirken auch die heutigen Feldjäger gem. ZDv 75/100, Nr. 137 f., 406 und 918 bis 920; HDv 360/200, Nr. 1701 bis 1706, noch beim Sammeln und bei der Rückführung von Versprengten mit. Wenn auch bedingt durch die zu erwartenden Dimensionen eines modernen Krieges die Organisation der Rückführung von Soldaten, die von ihrem Truppenteil getrennt wurden, ohne einen besonderen Auftrag zu haben, weitaus differenzierter ausgestaltet ist, als dies im Krieg von 1806/07 der Fall war, so hat sich das ordnungsdienstliche Wesen dieser Aufgabe im Laufe der Jahre dennoch nicht verändert. Obwohl also die Feldjäger der Bundeswehr insoweit nur noch eine mitwirkende und unterstützende Funktion ausüben, während ihre historischen Vorgänger alleine verantwortlich waren, handelt es sich beim Sammeln und Rückführen versprengter Soldaten durch das Reitende Feldjägerkorps um eine militärpolizeiliche Tätigkeit, für die im Aufgabenspektrum der heutigen Feldjäger eine Entsprechung vorhanden ist. Hingegen gehört das Schlagen von Brücken evidentermaßen nicht zu den den Bundeswehr-Feldjägern obliegenden Pflichten, denn es dient der Förderung der Bewegungen der eigenen Truppe beim Überwinden von Hindernissen und stellt somit eine typische Pionieraufgabe dar. 151 Gleichermaßen unzuständig ist die Feldjägertruppe auch für die Feindaufklärung, da diese in der Bundeswehr von den Fernspähern vorgenommen wird. 1 5 2 Darüber hinaus werden die heutigen Feldjäger auch nicht mehr als Parlamentäre eingesetzt und versehen keinen Stabs- und Ordonnanzdienst für Befehlshaber größerer Truppenverbände. Schließlich fehlt es auch der beschriebenen Verwendung der reitenden Feldjäger in der zivilmilitärischen Zusammenarbeit an einer Parallele im Pflichtenkreis der Feldjäger der Bundeswehr. 151

Vgl. die Nr. 433 der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen und zur Zeit des Bearbeitungsendes noch nicht durch eine Neufassung ersetzten HDv 100/100 „Truppenführung". 152 Vgl. die Nr. 440 der ehemaligen HDv 100/100. 7*

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Etwas anderes ergibt sich jedoch wiederum bei der Betrachtung der vom Reitenden Feldjägerkorps durchgeführten Rekrutentransporte, denn gem. ZDv 75/ 100, Nr. 408, und HDv 360/200, Nr. 1114, können auch heute noch Feldjäger anläßlich des Reiseverkehrs von Soldaten an Einberufungstagen tätig werden. Ähnlich wie beim Vergleich des Transports von Kriegskassen durch die reitenden Feldjäger mit den Aufgaben der heutigen Feldjägertruppe ist jedoch auch bei den Rekrutentransporten die Zielrichtung des Feldjägereinsatzes jeweils eine andere: Während nämlich das Reitende Feldjägerkorps auch in diesem Zusammenhang in erster Linie eine Transportaufgabe zu lösen hatte, üben die Bundeswehr-Feldjäger gem. HDv 360/200, Nr. 1113 f., lediglich eine Überwachungsfunktion aus, deren Zweck die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der militärischen Ordnung und Disziplin der Soldaten ist. Demgegenüber hatten die reitenden Feldjäger dafür Sorge zu tragen, daß die Rekruten die ihnen zugewiesenen Truppenteile erreichten. Daraus folgt, daß der ordnungsdienstliche Aspekt bei den Rekrutentransporten durch Feldjäger im Krieg von 1806/07 allenfalls am Rande eine Rolle spielte; im Vordergrund stand vielmehr die Lösung eines Transportproblems. Damit aber werden die Feldjäger der Bundeswehr bei ihrer Tätigkeit anläßlich des militärischen Reiseverkehrs an Einberufungstagen überhaupt nicht konfrontiert. Das bedeutet im Ergebnis, daß die Durchführung von Rekrutentransporten durch Angehörige des Reitenden Feldjägerkorps ebensowenig eine Tätigkeit mit primär militärpolizeilicher Prägung war wie die Beförderung von Kriegskassen. Ein Vergleich mit Obliegenheiten der Feldjägertruppe der Bundeswehr ist demzufolge erneut nur sehr eingeschränkt möglich. Im ganzen gesehen kann nach all dem festgestellt werden, daß die Entwicklung, die das Reitende Feldjägerkorps im Zeitalter der preußischen Reformen genommen hat, sich auch auf das Ausmaß der Deckungsgleichheit zwischen den Aufgaben der Feldjägertruppe der Bundeswehr und den Obliegenheiten ihrer historischen Namensvorläufer ausgewirkt hat, denn der Grad der Übereinstimmung ist spürbar geringer geworden. Zwar hat sich erwiesen, daß die Dienstleistungen der reitenden Feldjäger im Krieg die gleichen gebheben sind, doch fehlt für ihren Friedensdienst erstmals jede Parallele zum Aufgabenspektrum der Bundeswehr-Feldjäger. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß der Pflichtenkreis des Reitenden Feldjägerkorps sich im Krieg von 1806/07 erheblich ausdehnte, nachdem das Oberkommando über die preußische Armee auf den Fürsten Hohenlohe übertragen worden war, denn dabei handelte es sich um eine singuläre Erscheinung, die schon in den Befreiungskriegen nicht mehr vorzufinden ist. Zudem hat der Oberkommandierende die Feldjäger zu einem Zeitpunkt im Hauptquartier zusammengezogen, als die beschriebene Akzentverschiebung in der Konzeption des Reitenden Feldjägerkorps noch gar nicht eingesetzt hatte. Schließlich hat die Entscheidung des Fürsten trotz der damit verbundenen Ausdehnung des den Feldjägern obliegenden Aufgabenkatalogs nicht zu einer nennenswerten Erweiterung der Gemeinsamkeiten mit den Tätig-

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keiten der Feldjägertruppe der Bundeswehr geführt, denn unter allen neu hinzugekommenen Pflichten befand sich in Gestalt des Sammeins versprengter Soldaten nur eine einzige, die uneingeschränkt militärpolizeilichen Charakter hatte. Daneben konnten nur noch zwei bedingt vergleichbare Aufgaben gefunden werden, wohingegen der weit überwiegende Anteil der Obliegenheiten keine Parallelen zur gegenwärtigen Situation aufweist. Daher vermag auch die Vielzahl neuer Aufgaben, die die reitenden Feldjäger im Krieg von 1806/07 zu verrichten hatten, nichts daran zu ändern, daß bei der Gesamtbetrachtung eine Reduzierung der Übereinstimmungen zwischen den Tätigkeitsbereichen der zu vergleichenden Feldjägertruppen festgestellt werden muß.

IL Der Organisationsplan von 1824 1. Die Entstehung und die grundsätzliche Bedeutung des Organisationsplanes Obgleich der vorstehende Abschnitt gezeigt hat, wie sehr sich die Organisation und der Dienst des Reitenden Feldjägerkorps im Zeitalter der preußischen Reformen verändert hatte, blieb das Reglement von 1804/05 bis ins Jahr 1824 hinein ohne Unterbrechung die einzige Dienstvorschrift für die reitenden Feldjäger. Da aber die in diesem Reglement enthaltenen Bestimmungen durch die tatsächlichen Entwicklungen in vielfacher Hinsicht überholt worden waren, empfand der Chef des Korps schon im Jahre 1817 das Bedürfnis nach einer neuen Dienstinstruktion. Die von ihm aus diesem Grunde vorgeschlagenen Regelungen sind jedoch zu seinen Lebzeiten nicht mehr zur Durchführung gelangt. 153 Erst dem nachfolgenden Chef des Korps, Generalleutnant von dem Knesebeck, gelang es, vom König die Genehmigung für einen neuen Organisationsplan des Korps zu erlangen, dessen Entwurf er unter Rückgriff auf einige Vorschläge seines Vorgängers im Mai 1824 fertiggestellt hatte. Zusammen mit einem ausführlichen „Memoire zur Erläuterung und Begründung einiger allerunterthänigst vorgeschlagener Bestimmungen, das reitende Feld-Jäger-Corps betreffend" legte er die von ihm in Aussicht genommenen „Bestimmungen für das reitende Feld-Jäger-Corps" dem König vor, der sie durch die A. K. O. vom 18.06.1824 genehmigte. 154 Damit hatte das Reitende Feldjägerkorps eine ausführliche Dienst-Instruktion erhalten, durch die es völlig neu organisiert wurde. Bis zur Auflösung des

153 Ausführlich zu den Vorschlägen des damaligen Chefs des Korps: Heym S. 78 ff. 154 Sowohl die neuen Bestimmungen für das Reitende Feldjägerkorps als auch das „Memoire" des Generalleutnants von dem Knesebeck und die königliche Genehmigung befinden sich im Aktenbestand GStA PK IV. HA B Nr. 708 (ohne Blattangabe).

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Korps im Jahre 1919 stellten die Bestimmungen von 1824 die Grundlage für seine Konzeption dar. Geregelt wurden vor allem die Stärke und die Rangverhältnisse der Korps-Angehörigen, der ihnen obliegende Friedensdienst sowie das Personalersatzwesen und die Anschlußversorgung. Soweit demnach nichts anderes vermerkt ist, basieren die nachfolgenden Ausführungen auf den neuen Bestimmungen und den dazu vom Chef in seinem „Memoire" dargelegten Begründungen. 2. Die Stärke und die Rangverhältnisse Obwohl der Stärkeetat des Korps erst im Jahre 1814 vom König auf 100 Mann angehoben worden war, setzte die neue Dienstvorschrift in § 2 den Personalumfang wieder auf 3 Oberjäger und 77 Feldjäger herab. Zur Begründung führte der Chef des Korps aus, daß eine größere Stärke nicht erhalten werden könne, „wenn die Besoldung [...] bewirkt werden soll, ohne den bisherigen Verpflegungs-Etat zu erhöhen, und der Übertritt [der Korps-Angehörigen] in das Forstfach noch in dem zum Dienst erforderlichen rüstigen Alter geschehen soll." Wiederum war also die Verbindung des Reitenden Feldjägerkorps zur staatlichen Forstverwaltung ausschlaggebend für eine konzeptionelle Änderung geworden, denn sein Stärkeetat mußte verringert werden, damit die Anschlußversorgung aller Feldjäger mit einer Oberförsterstelle garantiert werden konnte, bevor diese ein zu hohes Lebensalter erreicht hatten. Demgegenüber blieben die Rangverhältnisse der Oberjäger und Feldjäger unverändert; Abweichungen zur diesbezüglichen Regelung durch die A. K. O. vom 22.03.1798 enthielt § 3 der Dienstvorschriften im Grundsatz nicht. 1 5 5 Eine Ausnahmeregelung wurde nur für diejenigen Korps-Angehörigen getroffen, die 155 Damit wich der Generalleutnant von dem Knesebeck entscheidend von den Vorschlägen seines Vorgängers ab, der die Beförderung aller Feldjäger zu Offizieren befürwortet hatte. Einen entsprechenden Antrag hatten einige Korps-Angehörige bereits im Jahre 1808 gestellt, doch wurde ihnen durch die A. K. O. vom 23.11.1808 der Offiziersrang verweigert (GStA PK IV HA. B Nr. 708, ohne Blattangabe). Stattdessen erhielten sie lediglich die Erlaubnis, das Offizier-Portepee zu tragen. Diese Erlaubnis galt nach einem erklärenden Schreiben des Militär-Kabinetts vom gleichen Tage nicht nur für die Antragssteiler, sondern für alle Feldjäger (GStA PK, a.a.O.). Die einzige Neuerung, die durch die Dienstvorschrift von 1824 eingeführt wurde, bestand demgegenüber darin, daß von nun an die Obeijäger wie andere Offiziere der Armee auch das Offizierspatent erhielten. Für die Feldjäger jedoch hielt von dem Knesebeck den bisherigen Feldwebel-Rang für ausreichend, da er „unstreitig sowohl für die Dienstgeschäfte, die von ihnen gefördert werden, als für ihre künftige Anstellung im Forstfache, der zweckmäßigste ist. Durch ihn ist ihnen gerade diejenige äußere Achtung vom Staate gesichert, deren sie bedürfen. Eine mehrere muß ihnen nur die persönliche Eigenschaft erwerben können, und diese ein Sporn für sie bleiben, sich eines anständigen Betragens zu befleißigen. Die gute Aufnahme, die man ihnen mehrentheils gewährt, wenn sie das Glück haben, näher gekannt zu sein, ist dadurch eine Auszeichnung, welche wegfallen würde, hätten sie einen höheren Grad".

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im Krieg von 1806 und in den nachfolgenden Befreiungskriegen nicht als Kurier-, Fourier- oder Kolonnenjäger eingezogen worden waren, sich aus diesem Grunde freiwillig zu anderen Truppengattungen gemeldet hatten und dort zu Offizieren befördert worden waren. 156 Insoweit bestimmte § 3 Satz 3 der Dienstvorschrift nämlich, daß jeder der „sich in der Armée einen höheren Rang erworben [hat], diesen auch nach seinem Wiedereintritt in das Corps" beibehalten konnte. 3. Die Aufgaben Entsprechend der Verkleinerung des Spektrums militärischer Aufgaben enthält die Instruktion des Jahres 1824 in ihrem § 1 nur wenige Bestimmungen über die „Dienst-Geschäfte des reitenden Feld-Jäger-Corps". Danach war es die Hauptaufgabe der reitenden Feldjäger, „die Königlichen Cabinets-Schreiben und Depeschen sowohl zwischen den beiden Residenzen Berlin und Potsdam, wie auch an die auswärtigen Höfe, Königlichen Gesandschaften und hohe Personen, auf eine, einem militairischen Staate würdige Weise sicher und am mindesten kostbar zu befördern". Daneben nennt die Vorschrift lediglich noch die weitere Tätigkeit, „bei vorfallenden Reisen Seiner Majestät und der Prinzen des Königlichen Hauses, auch anderer hoher Staatsbeamter zum Versenden und Vorausgehen gebraucht, sowie im Kriege den commandirenden Generalen und höheren Offizieren zu gleicher Absicht beigegeben zu werden". 157 Demgegenüber wird der forstlichen Ausbildung der Korps-Angehörigen ein weitaus größerer Stellenwert beigemessen, denn von der durch § 8 der Instruktion festgesetzten zehnjährigen aktiven Dienstzeit eines reitenden Feldjägers sind nur drei Jahre für die Wahrnehmung der militärischen Aufgaben des Korps vorgesehen, während die übrigen sieben Jahre für die theoretische und praktische Vorbereitung auf die Anschlußverwendung in der staatlichen Forstverwaltung genutzt werden sollten. 158 Daraus wird deutlich, daß die schon mehrfach beschriebene Verschiebung der Schwerpunkte zu Lasten der militärischen Seite des Reitenden Feldjägerkorps sich noch weiter intensiviert hatte.

156 Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3373, gibt die Zahl dieser Feldjäger mit 35 an, Heym\ S. 69, nennt hingegen 43. 157 Die zivilen Aufgaben des Korps werden ebenfalls in § 1 aufgezählt und umfassen den Einsatz bei „Forst-Geschäften und zu treffenden Forst-Einrichtungen", „Forstvermessungen, Forsttaxationen, Servitäts-Ablösungen, interimistischen Forstverwaltungen" etc. 158 Im Jahre 1890 betrug dann der Anteil der militärischen Dienstzeit sogar nur noch zwei Jahre (Heym\ S. 159).

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4. Das Personalersatzwesen und die Anschlußverwendung Schließlich ist noch festzustellen, daß das Personalersatzwesen des Korps und die Anschlußverwendung seiner Angehörigen durch die Instruktion des Jahres 1824 nur geringfügige Änderungen erfahren haben. Die wenigen Abweichungen, die dennoch gegenüber den früheren Regelungen eingetreten sind, sind nach den Worten des Chefs des Korps zurückzuführen „auf die Veränderungen, welche die Gesetzgebung und Verhältnisse des Staates in den neuesten Zeiten, sowohl in militairischer als bürgerlicher Hinsicht erlitten haben, so wie auf die größeren Ansprüche an Kenntnisse und Bildung, welche die neuere Forst-Organisation bei ihren Subjecten macht." a) Das Personalersatzwesen Eine allerdings wesentliche Neuerung bestand darin, daß der früher eingerichtete „Personalkreislauf' insofern unterbrochen wurde, als gem. § 4 der Instruktion die Ergänzung des Reitenden Feldjägerkorps „aus der Gesammtzahl derjenigen jungen Männer, welche sich dem Forst-Fache widmen und zum Eintritt in dasselbe melden" vorgenommen werden sollte. Die Konsequenz dieser Regelung war, daß das „Einstellungsmonopol" der Oberförstersöhne weggefallen ist. Gleichwohl sollte auf die Söhne der Forstbeamten nach wie vor „besonders Rücksicht" genommen werden, „wenn sie die Bedingung erfüllen können, die zur Aufnahme gehören". 159 Diese Aufnahmebedingungen waren in § 5 der Instruktion niedergelegt und zeichneten sich vor allem durch eine weitere Verschärfung der an die Bewerber zu stellenden Anforderungen aus. 160 Darüber hinaus enthielten sie aber in Gestalt des § 5 Nr. 5 der Instruktion auch eine völlig neue Bestimmung, wonach der Bewerber durch einen Schein nachweisen mußte, „daß er seine Militair-Verpflichtung entweder bei einem Jäger- oder Schützen-Bataillon ableistete". 161 Diese Vorschrift stellte eine unmittelbare Re-

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Die Gründe, die den Chef des Korps bewogen hatten, den Förstersöhnen zumindest eine priviligierte Stellung zu belassen, waren in weiten Teilen noch immer die gleichen, die schon den Großen Kurfürsten veranlaßt hatten, seine Forstbeamten zum Wehrdienst heranzuziehen. Insoweit führte der Generalleutnant von dem Knesebeck in seinem „Memoire" nämlich aus: „Einestheils erhalten die Söhne der Forstbeamten während ihrer Erziehung im elterlichen Hause schon einige Vorbildung zu ihrer künftigen Bestimmung, und werden an physische Anstrengungen, so wie an ihre künftige Lebensweise gewöhnt; anderntheils gibt das Verhältniß des Vaters eine gewiße Bürgschaft für ihre Treue und Zuverläßigkeit, [...]". 160 Die „Bedingungen zur Aufnahme in das reitende Feld-Jäger-Corps" sind in der Fassung von 1829, die die von den Kandidaten zu erfüllenden Voraussetzungen nochmals erschwerte, auch bei Heym\ Beilage Nr. 29 im Anhang, abgedruckt; vgl. auch die zusammenfassende Darstellung bei Gumtau IL, S. 260. 161 In der Zeit von 1828 bis 1881 konnte der Wehrdienst indessen auch bei jedem anderen Truppenteil absolviert werden.

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aktion auf die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Preußen dar, denn ihr Sinn bestand in der Vermeidung des Vorwurfs, daß das Reitende Feldjägerkorps Jungen Leuten Gelegenheit gebe, sich des Militair-Dienstes in einem der wirklich streitenden Heeres-Theile zu entziehen und deshalb mancher seinen Eintritt in dasselbe nur nachsuche". Schließlich trat auch insofern eine Veränderung auf, als im Gegensatz zu den Aufnahmebedingungen früherer Jahre künftig nicht mehr verlangt wurde, daß der Bewerber durch Vorlage eines Lehrbriefes eine abgeschlossene Berufsausbildung als Jäger nachwies. Der Grund für diesen Verzicht ist in dem Bemühen des Chefs des Korps zu erblicken, das Eintrittsalter der Feldjäger nach Möglichkeit gering zu halten, damit die Korps-Angehörigen nach Ablauf ihrer zehnjährigen Dienstzeit noch in verhältnismäßig jungen Jahren ihre Tätigkeit in der staatlichen Forstverwaltung aufnehmen konnten. Um aber dennoch gewährleisten zu können, daß nur solche Feldjäger die Forstakademie besuchten, die die Jägerlehre erfolgreich absolviert hatten, wurde eine Anordnung erlassen, wonach ein in das Korps aufgenommener Bewerber in den ersten beiden Dienstjahren ohne Gehalt zu beurlauben war, damit er in dieser Zeit den Lehrbrief erwerben konnte. Es ist also dem Chef des Korps zuzustimmen, wenn dieser in seinem „Memoire" ausführt, in dieser Abänderung liege bloß der formelle Unterschied, „daß der Anzunehmende nach seiner Aufnahme im Corps erst vom Forst- und Jagd-Wesen lernt, was er bisher von demselben schon wissen sollte". b) Die Anschlußverwendung Während der sich aus den Wechselwirkungen zwischen Forstverwaltung und Reitendem Feldjägerkorps ergebende „Personalkreislauf 4, wie er oben unter B. III. 3. und 4. beschrieben worden ist, im Hinblick auf das Personalersatzwesen eine Durchbrechung hinnehmen mußte, ließ ihn die Instruktion des Jahres 1824 in bezug auf das System der Anschlußverwendung der Korps-Angehörigen in allen wesentlichen Grundsätzen unberührt. Nach wie vor wurden gem. § 13 der Instruktion diejenigen Oberjäger und Feldjäger, die das erforderliche Examen abgelegt hatten, nach Ablauf ihrer Dienstzeit als Oberförster in die staatliche Forstverwaltung eingestellt. Die übrigen Korps-Angehörigen, die auch im zweiten Versuch das Oberförsterexamen nicht bestanden hatten, erhielten wie zuvor lediglich eine Unterförsterstelle. Die einzige Abweichung, die das System der Anschlußverwendung im Jahre 1824 erfahren hatte, ergab sich daraus, daß seit dieser Zeit nur noch „die Hälfte aller jährlich zur Erledigung kommenden, vom Staate zu besetzenden Oberförsterdienste" für die Versorgung der reitenden Feldjäger zur Verfügung stand; 162 die andere Hälfte wurde unter der Aufsicht des Finanzministeriums, das nach der preußischen Verwaltungsreform für die Forstsachen zuständig war, an „Officiere, Referendarien, ehemalige Freiwillige, Fuß-Jäger, Unterförster und Hof-Jäger, auf Warte-Geld stehende Officianten,

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Personen, welche durch Allerhöchste Verfügung Anweisung zur vorzugsweisen Anstellung in das Forstfach erhalten u. s. w." vergeben. Aus dieser Regelung resultierte eine Vielzahl von Vorschriften über die Versorgung der reitenden Feldjäger, da von nun an bei der Entscheidung über die Neubesetzung einer Oberförsterstelle eine Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium erforderlich war; grundsätzliche Änderungen des Systems der Anschlußverwendung wurden dadurch jedoch nicht verursacht.

III. Die letzten 96 Jahre des Reitenden Feldjägerkorps Einerseits bedingt durch die Tatsache, daß die umfangreiche und zweckmäßige Dienst-Instruktion des Jahres 1824 in ihren wesentlichen Punkten bis zur Auflösung des Reitenden Feldjägerkorps unverändert die Grundlage der für diese Truppengattung maßgeblichen Konzeption darstellte, und andererseits aufgrund des stetig wachsenden Stellenwerts der zivilen Bezüge des Korps sind bedeutsame Ergänzungen und Veränderungen im militärischen Bereich nur noch selten vorgenommen worden. Deutlich wird dies insbesondere bei der Durchsicht der nachfolgenden Dienstvorschriften, die für das Korps in den Jahren 1836, 1853, 1874, 1888, 1899 und 1911 erlassen worden sind. 1 6 3 Die darin enthaltenen Neuerungen sind nämlich größtenteils nur redaktioneller Natur, so daß selbst die Vorschrift vom 10.03.1911 noch immer die Grundzüge der Bestimmungen aus dem Jahre 1824 erkennen läßt. Die nachfolgenden Ausführungen können sich daher auf die Zusammenfassung der wenigen tatsächlich gewichtigen Neuentwicklungen, Veränderungen und Ereignisse in den letzten 96 Jahren des Bestehens des Reitenden Feldjägerkorps beschränken.

162 Nach Jentsch, S. 14, reduzierte sich dieser Anteil im Jahre 1843 auf ein Drittel, im Jahre 1866 auf ein Fünftel und schließlich im Jahre 1905 auf ein Achtel aller freiwerdenden Stellen. 163 Die Instruktionen der Jahre 1836 und 1853 werden bei Heym\ S. 94, erwähnt, konnten aber nicht mehr aufgefunden werden. Der Darstellung Heyms kann jedoch entnommen werden, daß darin wesentliche Abweichungen von den Vorschriften des Organisationsplans aus dem Jahre 1824 nicht enthalten sind. Die „Dienst-Instruction für das Königliche Reitende Feldjägerkorps" vom 01.08.1874 ist in gedruckter Form im Jahre 1881 beim Verlag E. S. Mittler und Sohn in Berlin erschienen und kann ebenso, wie die „Dienst-Vorschrift für das Königliche Reitende Feldjägerkorps" vom 30.11.1899, die beim gleichen Verlag im Jahre 1900 veröffentlicht wurde, noch heute in der Militärbibliothek in Dresden bzw. der Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin nachgewiesen werden. Die Dienstvorschrift vom 01.07.1888 hingegen gehört offenbar zu den kriegsbedingten Verlusten, da es trotz intensiver Suche nicht gelungen ist, ein Exemplar davon zu finden. Die letzte Dienstvorschrift, die das Reitende Feldjägerkorps erhalten hat, wurde unter dem 10.03.1911 erlassen und befindet sich unter der Signatur PHD 13/1 in der Bibliothek des Militärarchivs des Bundesarchivs in Freiburg.

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1. Der Stärkeetat und die Rangverhältnisse Die beschriebene Konstanz, die mit dem Organisationsplan vom 28.05.1824 in Bezug auf die militärische Seite des Reitenden Feldjägerkorps eingetreten ist, wird vor allem bei der Betrachtung des Personalumfangs der Truppe sichtbar. Während nämlich - wie gesehen - der Stärkeetat des Korps in den Jahren zwischen 1811 und 1824 insgesamt dreimal modifiziert worden war, wurde die Anzahl reitender Feldjäger in der Folgezeit unverändert beibehalten. Abgesehen davon, daß im Ersten Weltkrieg infolge der sprunghaft ansteigenden Kurierjägertätigkeit insgesamt 51 Offiziere aus anderen Truppenteilen zum Reitenden Feldjägerkorps versetzt werden mussten, 164 blieb die Größenordnung der zu besetzenden Stellen so erhalten, wie sie der Chef des Korps im Jahre 1824 festgesetzt hatte. Dementsprechend lassen sich insoweit in den Dienstvorschriften von 1874, 1899 und 1911 auch keinerlei Regelungen finden. Hingegen setzte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die schon früher zu beobachtende Tendenz fort, den Feldjägern aufgrund ihres beständig steigenden Bildungsniveaus einen höheren militärischen Rang zu verleihen. So genehmigte der König mit der A. K. O. vom 02.12.1847 den Vorschlag des Chefs des Korps, „daß die reitenden Feldjäger, welche die Forst-Studien gemacht [...] haben, bei lobenswerter Führung zur Verleihung des Offiziers-Charakters in Vorschlag gebracht werden". 165 Seit dieser Zeit wurden also alle Feldjäger, die die Forstakademie in Eberswalde erfolgreich besucht hatten, zu Offizieren befördert, so daß nur noch die jüngeren Korps-Angehörigen den Feldwebelrang innehatten; ein Offizierspatent erhielten jedoch nach wie vor nur die Obeijäger. 166 Daran änderte sich erst nach den Kriegen von 1866 und 1870 wieder etwas. Im Verlauf dieser Kriege hatten sich nämlich alle Korps-Angehörigen, die nicht zur Erfüllung der Kriegsaufgaben des Reitenden Feldjägerkorps herangezogen worden waren, freiwillig zu anderen Truppenteilen gemeldet, wie dies seit dem Krieg gegen Frankreich im Jahre 1806 üblich geworden war. Ihre dort gezeigten Leistungen hatten zur Folge, daß nach Beendigung des deutsch-französichen Krieges alle Korps-Angehörigen zu patentierten Offizieren avanciert waren. Gegen Ende des Jahres 1871 bestand das Reitende Feldjägerkorps also unabhängig von einer entsprechenden königlichen Anordnung ausschließlich aus Offizieren. 1 6 7 Da jedoch diese Rangerhöhung nicht auf einen allgemeingültigen Befehl

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Böckle, S. 129 und S. 138; Heym 2, S. 217 f. Zitiert nach Heym\ S. 97, dem die in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs nicht mehr vorhandene A. K. O. noch vorgelegen hat. 166 Jentsch, S. 13; Roeder, S. 5; Voigt, Band 7, S. 790; Heym\ S. 98, weist zudem darauf hin, daß die Feldjäger auch militärisch als Offiziere geeignet waren, da sie den geänderten Aufnahmebedingungen zufolge nach Abschluß ihres „Grundwehrdienstes" die Befähigung zum Landwehr-Offizier nachweisen mußten. 167 Heym\ S. 141; Roeder, S. 6; Schumann, S. 785. 165

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des Königs zurückzuführen war, sondern sich als Konsequenz individueller Leistungen der zu dieser Zeit dem Korps angehörenden Feldjäger darstellte, hätten nach den unverändert gültigen Bestimmungen der Dienstvorschrift des Jahres 1824 die zukünftig eingestellten Personen wiederum nur den Feldwebelrang bekleidet. Um dies zu verhindern und die nur aus Offizieren bestehende Zusammensetzung des Korps beibehalten zu können, änderte der damalige Chef des Korps, General der Infanterie Adolf von Bonin, unter dem 02.11.1871 von sich aus die Aufnahmebedingungen dahingehend, daß nur noch in das Korps eingestellt werden konnte, wer nach Beendigung seines Wehrdienstes bereits zum Offizier der Reserve befördert worden war. 1 6 8 Ebenso, wie durch die Herausbildung eines eigenen Ergänzungssystems, das sich im 19. Jahrhundert selbständig neben der Kantonsverfassung etabliert hatte, wurde das Reitende Feldjägerkorps auch durch diese Entwicklung zu einem in der preußischen Armee einzigartigen Phänomen, denn es stellte nunmehr eine Truppengattung ohne Mannschaften und Unteroffiziere dar. 1 6 9

168 Ygi Böckle, S. 109; von Bredow, S. 157; Jentsch, S. 13; Knötel/Pietsch/Collas, S. 233; Roeder, S. 6. An diesem Erfordernis wurde in der Folgezeit konsequent festgehalten, obwohl es nicht vom König angeordnet worden war und dadurch die nach wie vor verbindlichen Regelungen der Rangverhältnisse, die König Friedrich Wilhelm IE. durch die Erteilung der Genehmigung für den Organisationsplan von 1824 festgelegt hatte, unterlaufen wurden. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, daß in der Dienstvorschrift vom 01.08.1874, als deren Anlage I die „Bedingungen für die Aufnahme in das Reitende Feldjäger-Corps" abgedruckt sind, der Status des Reserveoffiziers nicht als Voraussetzung für die Einstellung eines Bewerbers genannt wird, denn die Dienstvorschrift mußte vom König genehmigt werden und zu diesem Zeitpunkt war noch nicht mit seinem diesbezüglichen Einverständnis zu rechnen. Erst anläßlich der Einführung der neuen Dienstinstruktion vom 01.07.1888 wurde um die entsprechende Genehmigung nachgesucht, die der König dann auch erteilte (Heym\ S. 146 f.). Dementsprechend heißt es auch übereinstimmend in § 1 Nr. 4 der Dienstvorschriften der Jahre 1899 und 1911: „Der Anwärter muß Offizier der Reserve eines Jäger - oder des Garde-Schützen-Bataillons sein". 169 Dadurch, daß sich die Führer-Reserve der Jägerbataillone im Dienst des Reitenden Feldjägerkorps befand, ergab sich die Notwendigkeit, daß die Korps-Angehörigen zur Aufrechterhaltung, Erweiterung und Erneuerung ihrer militärischen Kenntnisse und Fähigkeiten Wehrübungen bei denjenigen Truppenteilen ableisteten, bei der sie die Ausbildung zum Reserveoffizier durchlaufen hatten. Aus diesem Grunde erließ das Kriegsministerium unter dem 05.07.1881 die „Bestimmungen für die Allerhöchsten Orts genehmigte Commandirung der dem Offizierstande angehörigen Reitenden Feldjäger zur Dienstleistung bei der Truppe" (abgedruckt als Anlage II zur Dienstvorschrift vom 01.08.1874). Danach konnten die Offiziere des Reitenden Feldjägerkorps „während ihrer Dienstzeit im Corps bis dreimal zu Dienstleistungen bei Truppentheilen derjenigen Waffe, bei der sie ihrer einjährigen Militairpflicht genügt haben, abcommandirt werden". In späteren Jahren wurde diese Wehrübungsverpflichtung dann noch weiter ausgedehnt (vgl. § 15 I der Dienstvorschriften vom 30.11.1899 und vom 10.03.1911).

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r e a t und d a n g e r h t

Ein gänzlich neuartiger Bestandteil der Formationsgeschichte des Reitenden Feldjägerkorps entwickelte sich durch das im Jahre 1848 einsetzende Streben der Feldjäger nach der Erlaubnis zur Bildung eines eigenen Ehrenrates und eines Ehrengerichts. Nach der „Allerhöchsten Verordnung über die Ehrengerichte" vom 20.07.1843 170 waren den Ehrengerichten mit Ausnahme der Generalität alle Offiziere des stehenden Heeres unterworfen (§ 3 Nr. 1). Gem. § 1 der Verordnung hatten die Ehrengerichte den Zweck, „die gemeinsame Ehre der Genossenschaft, so wie die Ehre des Einzelnen zu wahren; gegen diejenigen Mitglieder, deren Benehmen dem richtigen Ehrgefühle oder den Verhältnissen des Offizierstandes nicht entspricht, auf dem hier weiterhin bezeichneten Wege einzuschreiten und, wo es nöthig, auf die Entfernung unwürdiger Mitglieder aus der Genossenschaft anzutragen, damit die Ehre des Preußischen Offizierstandes in ihrer Reinheit erhalten, und der gute Ruf jedes Mitgliedes, so wie des Ganzen, unbefleckt bleibe". Sie waren dementsprechend gem. § 2 der Verordnung zuständig für „alle Handlungen und Unterlassungen, welche nicht durch besondere Gesetze als strafbar bezeichnet, gleichwohl aber dem richtigen Ehrgefühle oder den Verhältnissen des Offizierstandes zuwider sind", sowie für „die Streitigkeiten und Beleidigungen der Offiziere unter sich". Dem ehrengerichtlichen Verfahren vorgelagert waren die Ermittlungen des Ehrenrates, der in einer Art Vorverfahren den Sachverhalt aufzuklären und dem Kommandeur darüber Bericht zu erstatten hatte (vgl. §§ 15-17 der Verordnung). Nachdem nun infolge der A. K. O. vom 02.12.1847 der Großteil der reitenden Feldjäger zum Offizier befördert worden war, beantragte der Chef des Korps beim Kriegsministerium die Genehmigung zur Bildung eines eigenen Ehrenrates im Reitenden Feldjägerkorps. 171 Indessen konnte das Kriegsministerium die erbetene Erlaubnis deshalb nicht erteilen, weil sich das Offizierkorps des Reitenden Feldjägerkorps fast ausschließlich aus Subalternoffizieren zusammensetzte und § 12 der Verordnung bestimmte, daß der Ehrenrat auch unter Hinzuziehung ranghöherer Offiziere gebildet werden mußte. Aus diesem Grunde erhielten die reitenden Feldjäger zu dieser Zeit noch keinen eigenen Ehrenrat und schlossen sich dem Ehrenrat und dem Ehrengericht des GardeSchützen-Bataillons an. 1 7 2 Im Zuge des Aufbaus des neuen Heeres nach der Gründung des Deutschen Reichs wurde die Ehrengerichtsverordnung des Jahres 1843 jedoch wieder aufgehoben und am 02.05.1874 durch die „Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere im Preußischen Heere" ersetzt, so daß sich auch für das Reitende 170 171 172

Pr. GS 1844, S. 299. Heym\ S. 99. Umdruck SFJgStDst, S. 6.

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Feldjägerkorps die Notwendigkeit ergab, die ehrengerichtlichen Verhältnisse neu zu regeln. 173 Daher beantragte der Chef des Korps erneut die Erlaubnis zur Bildung eines eigenen Ehrenrats, 174 die nunmehr auch erteilt wurde, weil inzwischen alle Korps-Angehörigen zu Offizieren befördert worden waren und aus diesem Grunde die Existenz eines selbständigen Ehrenrates als wünschenswert betrachtet wurde. 175 Dementsprechend finden sich auch in den Dienstvorschriften der Jahre 1899 und 1911 Bestimmungen über die Bildung des Ehrenrates und des Ehrengerichts, die die Besonderheiten des Reitenden Feldjägerkorps in Einklang mit den Regelungen der Verordnung vom 02.05.1874 bringen. 176 Eine völlig eigenständige Lösung sah dabei § 31 der Dienstvorschriften hinsichtlich des Ehrengerichts vor, denn „in denjenigen Fällen, wo gegen einen Offizier des Korps ein förmliches ehrengerichtliches Verfahren und ein ehrengerichtlicher Spruch nötig erscheinen", mußte der Chef beim Generalkommando des Gardekorps beantragen, daß den Feldjägern das Offizierkorps eines der Garde angehörenden Truppenteils als Ehrengericht zugewiesen wurde. Bei diesen in der preußischen Armee wiederum einzigartigen Regelungen der ehrengerichtlichen Angelegenheiten ist es dann bis zur Auflösung des Reitenden Feldjägerkorps im Jahre 1919 unverändert geblieben. 3. Die Haushaltsdebatte im Jahre 1909 Obwohl das Reitende Feldjägerkorps eine Truppengattung der preußischen Armee war, drohte ihm im Jahre 1909 die Auflösung durch den Reichstag. 177 173 Die Verordnung vom 02.05.1874 ist als innerdienstliches Regelwerk in den Gesetzessammlungen dieser Zeit nicht veröffentlicht worden. Sie ist aber bei Solms im Anhang auf den S. 463 ff. abgedruckt. 174 Hingegen wurde die Erlaubnis zur Bildung eines eigenen Ehrengerichts erst gar nicht erbeten, obwohl gem. § 8 II der neuen Verordnung für dessen Zusammensetzung lediglich die Bestimmung vorgegeben war, daß es aus dem in § 6 definierten gesamten Offizierkorps des betreffenden Truppenteils zu bilden war. Indessen konnte das Reitende Feldjägerkorps gerade dieses Erfordernis nicht erfüllen, da die weit überwiegende Mehrzahl seiner Angehörigen entweder durch Kurierreisen und Auslands-Stationierungen oder durch die forstliche Ausbildung daran gehindert gewesen wäre, an einem ehrengerichtlichen Verfahren teilzunehmen. 175 Vgl. Heym\ S. 144. 176 So schreibt etwa § 30 II der beiden Dienstinstruktionen vor, daß anstelle der in § 15 I der Verordnung vom 02.05.1874 vorgesehenen Zusammensetzung des Ehrenrates aus einem Hauptmann, einem Premier-Lieutnant und einem Sekonde-Lieutnant beim Reitenden Feldjägerkorps der Ehrenrat aus den beiden ältesten Obeijägern und dem ältesten Feldjäger zu bilden war. 177 Der Rede des konservativen preußischen Abgeordneten Rogalla von Bieberstein in der diesbezüglichen Debatte am 22.03.1909 ist jedoch zu entnehmen, daß das Reitende Feldjägerkorps auch im preußischen Abgeordnetenhaus schon zur Diskussion gestanden hatte, denn von Bieberstein führte u.a. aus: „Meine Herren, im Jahre 1872 war von den Mitgliedern des preußischen Abgeordnetenhauses ein Antrag auf Tren-

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Da nämlich gem. Art. 62 I; 62 DI; 69 der Reichs Verfassung vom 16.04.1871178 die Ausgaben für das gesamte Reichsheer und dessen Einrichtung aus der Reichskasse bestritten und durch das Etatgesetz festgestellt wurden, mußte sich der Reichstag in seinen alljährlichen Haushaltsberatungen auch mit den Planungen des Militäretats befassen. Im Haushaltsjahr 1909/10 179 nun hatte die Budgetkommission des Reichstags beschlossen, das Reitende Feldjägerkorps aufzulösen, um Einsparungen im Militärhaushalt vornehmen zu können. Insoweit führte der Berichterstatter der Budgetkommission am 22.03.1909 vor dem Plenum des Reichstages zur Begründung aus: „Meine Herren, zu Titel 4 schlägt die Budgetkommission den Fortfall des Reitenden Feldjägerkorps zum 1. Oktober dieses Jahres vor. Das Reitende Feldjägerkorps hat den Zweck, der Heranbildung des Forstpersonals zu dienen und die umfangreichen Kurierdienste für das Auswärtige Amt zu besorgen. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat in der Kommission die Mitteilung gemacht, daß er keinen Wert darauf lege, daß ihm das Reitende Feldjägerkorps fernerhin zur Verfügung gestellt würde. Da weiterhin die Ausbildung des Forstpersonals Sache der Einzelstaaten ist, hat die Budgetkommission in der von mir vorgetragenen Weise beschlossen".180 Dagegen stellte der Abgeordnete Rogalla von Bieberstein den Antrag, den das Reitende Feldjägerkorps betreffenden Titel 4 des 24. Kapitels des Haushaltsplans, der von der Budgetkommission gestrichen worden war, wiederherzustellen und damit das Korps zu erhalten. 181 Eines seiner zentralen Argumente formulierte er dabei folgendermaßen: nung des Feldjägerkorps von der Forstverwaltung gestellt. Man kam im Jahre 1876 auf diesen Antrag wieder zurück, und [...] Graf Matuschka [...] hat im Abgeordnetenhaus folgende Ausführungen gemacht: Jetzt, nachdem eine solche gewichtige Stelle wie der hochverehrte Chef des Generalstabs Graf Moltke geäußert hat, daß die bisherige Organisation sich im Kriege ausgezeichnet bewährt habe, daß die Feldjäger gar nicht entbehrt werden könnten, jetzt fällt es uns gar nicht ein, eine Trennung des Feldjägerkorps von der Forstverwaltung zu wünschen4." [Sten.-Ber. RT, XII. Legislaturperiode, Band 235, 231. Sitzung am 22.03.1909, S. 7673 (A)]. 178 RGBl. 1871, S. 636. 179 Ursprünglich stimmte das Etatjahr des Reichs mit dem Kalenderjahr überein. Infolge praktischer Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben, erfolgte jedoch durch ein Gesetz vom 29.02.1876 (RGBl. 1876, S. 121) die Verlegung des Anfangstermins auf den 01.04. eines jeden Jahres. 180 Sten.-Ber. RT, a.a.O., S. 7671 (D); in der ersten Lesung des Haushaltsgesetzes am 16.03.1909 hatte ein Befürworter des Reitenden Feldjägerkorps, der Abgeordnete von Liebert, die Auffassung der Budgetkommission mit den Worten zusammengefaßt: „Warum soll das Reich die Ausbildung der preußischen Förster bezahlen?" [Sten.-Ber. RT, a.a.O., 225. Sitzung am 16.03.1909, S. 7511 (D)]. Für von Liebert sprachen vor allem Gründe der Tradition für die Beibehaltung des Korps: „Ich muß daran erinnern, daß Preußen mit allen seinen Traditionen aufgegangen ist in dem Deutschen Reich, also gewiß das größte Opfer gebracht hat von allen Einzelstaaten, die das Reich heute bilden. Darum sollte man schonend an solchen kleinen Traditionen vorübergehen und sie nicht gerade stören" [Sten.-Ber. RT, a.a.O., S. 7512 (A)].

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as Reitende Feldjägerkorps

„Aufgabe des Reitenden Feldjägerkorps ist in erster Linie die Stellung von Kurieren im Kriege. Meine Herren, die Organisation des Korps im Frieden bezweckt aber die Sicherstellung und Ausbildung des erforderlichen Personals für den Krieg. Es können daher in ihm nur Personen verwendet werden, die den Anforderungen des Kurierdienstes im Kriege gewachsen sind. Körperliche Tüchtigkeit und Rüstigkeit sind im gleichen Maße erforderlich, wie für den Dienst der Frontoffiziere. [...]. Meine Herren, schon im Frieden sind die Anstrengungen dieser Herren sehr groß. Sie können eigentlich kaum irgend eine Nebenbeschäftigung haben. Sie sitzen permanent auf dem Quivive. Sie müssen jeden Augenblick gewärtig sein des Befehls aus dem Auswärtigen Amt, um loszureisen. Diese Reisen sind sehr anstrengend. [...]. Aber im Kriege ist der Dienst natürlich noch anstrengender.[...]. Es wird also notwendig sein, daß diese Feldjägerstellen durch junge Leute besetzt sind, die sich in der Vollkraft ihrer Jugend befinden, die im übrigen über Sprachkenntnisse verfügen; denn es muß ein besonderes Feldjägerexamen abgelegt werden, und darin spielen die Sprachen selbstverständlich eine Hauptrolle". 182 Unterstützung erhielt von Bieberstein u.a. auch durch den Abgeordneten von Byern, der schon in zweiter Lesung am 17.03.1909 argumentiert hatte: „Ein fernerer Abstrich ist auch dadurch geschehen, daß die Budgetkommission beschlossen hat, vom 1. Oktober dieses Jahres ab das Reitende Feldjägerkorps eingehen zu lassen. Ich bedaure das außerordentlich, und zwar namentlich aus dem Grunde, weil ja eine große Ersparnis von Seiten des Reichs auf keinen Fall gemacht werden wird. Das Reitende Feldjägerkorps kostet dem Reich 31.086 Mark. [...]. Wenn wir das Reitende Feldjägerkorps streichen, so müssen wir doch andere Personen haben, die denselben Dienst versehen, also aktive respektive verabschiedete Offiziere. Ob uns das billiger werden wird, das möchte ich bezweifeln". 183 Nachdem dann auch noch der Staatssekretär des Auswärtigen Amts die Beibehaltung des Reitenden Feldjägerkorps entschieden befürwortet und erklärt hatte, seine Stellungnahme vor der Budgetkommission sei gänzlich mißverstanden worden, 184 äußerte sich der Abgeordnete Dr. Freiherr von Hertling, der in der Budgetkommission für die Auflösung des Korps votiert hatte, wie folgt: 181

Sten.-Ber. RT, a.a.O., 231. Sitzung am 22.03.1909, S. 7671 (D). Sten.-Ber. RT, a.a.O., 231. Sitzung am 22.03.1909, S. 7672 (C) und (D). 183 Sten.-Ber. RT, a.a.O., 226. Sitzung am 17.03.1909, S. 7523 (D); daß eine Ersatzorganisation, die aus inaktiven Offizieren bestehen würde, keineswegs kostengünstiger arbeiten könnte, als das Reitende Feldjägerkorps, wies im übrigen der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Freiherr von Schoen, in seiner Rede nach: „Sollten wir nun zu dem Beschluß kommen, an Stelle der Feldjäger pensionierte Offiziere für den Kurierdienst zu nehmen, so müßten wir, schon um das Band der Disziplin, das Band der Verantwortlichkeit herzustellen, die pensionierten Offiziere, die doch gänzlich aus der Armee ausgeschieden und somit Privatpersonen sind, wieder als Beamte anstellen, wir müßten sie zum mindesten in irgendeine Beamtenkategorie einreihen, sie wenigstens auf ein festes Gehalt bringen. Nehmen wir an, ein solches festes Gehalt würde auf 5.000 Mark normiert werden, was gewiß nicht viel ist bei einem Dienst, der sich zum großen Teil im Ausland abspielt, so würden wir, da wir 14 Feldjäger für den Dienst des Auswärtigen Amts brauchen, doch zu einer weit höheren Zahl kommen als diese 31.000 Mark" [Sten.-Ber. RT, a.a.O., 231. Sitzung am 22.03.1909, S. 7674 (A)]. 182

C. Das Reitende Feldjägerkorps bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919

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,,Meine Herren, meine Freunde sind in der Budgetkommission dafür eingetreten, diese Position abzumindern und das Reitende Feldjägerkorps als künftig in Wegfall kommend zu bezeichnen. Die Voraussetzung dafür war, daß wir glaubten, den Eindruck gewonnen zu haben, daß man von Seiten des Auswärtigen Amts kein großes Gewicht auf die Beibehaltung dieser Institution lege. Wir glaubten ebenso, daß man seitens der Militärverwaltung keinen großen Wert darauf lege, und es schien beinahe, als ob nur seitens der königlich preußischen Forstverwaltung noch Wert auf die Beibehaltung dieser Institution gelegt werde, so daß sie demnach nicht auf den Reichsetat, sondern auf den Etat des königlich preußischen landwirtschaftlichen Ministeriums gehören würde. [...]. Nun muß ich anerkennen, daß allen diesen Voraussetzungen, von denen wir in der Kommission damals ausgegangen sind, jetzt durch die Ausführungen der Herren Vorredner die Grundlage entzogen ist. [...]. Unter diesen Umständen, so unsympathisch mir im übrigen die Methode ist, Abstriche der Budgetkommission hier im Plenum zurückzurevidieren, unter diesen Umständen werde ich jetzt für den gestellten Antrag stimmen, und die Regierungsvorlage bitte ich wieder herzustellen".185 Im Anschluß an diese Ausführungen war dann die Annahme des Antrags auf Beibehaltung des Reitenden Feldjägerkorps, den der Abgeordnete Rogalla von Bieberstein gestellt hatte, durch die Mehrheit des Reichstages nur noch eine Formsache, 186 so daß das Korps für weitere 10 Jahre unverändert bestehen bleiben konnte. 4. Die sonstigen formationsgeschichtlichen Neuerungen Unter den sonstigen formationsgeschichtlichen Neuerungen im 19. Jahrhundert ist die Verleihung des Gardesterns an das Reitende Feldjägerkorps die wichtigste, denn durch die in Ziffer 5 der oben bereits erwähnten A. K. O. vom 02.12.1847 an recht versteckter Stelle enthaltene Anordnung, daß „im Dienst zu Pferde [...] Sattel-Ueberdecken, grün mit rothem Besatz, nach dem Schnitt für Dragoner-Offiziere mit dem Garde-Stern" zu tragen seien, 187 wurde eine weitere Besonderheit des Korps, die es zu einer einmaligen Institution in der preußischen Armee machte, zum Ausdruck gebracht: Während nämlich alle anderen Waffengattungen in Garde, Linie und Landwehr gegliedert waren, gehörten die Feldjäger stets ausschließlich zu den Gardetruppen. 188

184

Sten.-Ber. RT, a.a.O., 231. Sitzung am 22.03.1909, S. 7673 (B) bis S. 7674 (C). Sten.-Ber. RT, a.a.O., 231. Sitzung am 22.03.1909, S. 7674 (C) und (D). 186 Sten.-Ber. RT, a.a.O., 231. Sitzung am 22.03.1909, S. 7675 (A). 187 Auch in der Dienstvorschrift vom 01.08.1874 heißt es in § 18 II Nr. 4, daß „die vorschriftsmäßige Friedens-Ausstattung für das Pferd" u. a. bestehe aus „einer ParadeSchabracke (Ueberdecke mit Gardestern, von grünem Tuch mit rothem Vorstoß und Besatz)". Die Dienstvorschriften der Jahre 1899 und 1911 enthalten hingegen keine diesbezüglichen Regelungen. 188 Umdruck SFJgStDSt, S. 6. 185

8 Schütz

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as Reitende Feldjägerkorps

Darüber hinaus ist dann nur noch auf eine weitere Neuentwicklung hinzuweisen, die im Jahre 1882 einsetzte. Zurückzuführen ist sie auf die Erfahrungen der Feldzüge von 1866 und 1871, in denen eine feste Planung für die Verwendung der Korps-Angehörigen nur im Hinblick auf das im Großen Hauptquartier und bei den Armee-Oberkommandos benötigte Personal bestanden hatte. Dabei war nämlich deutlich geworden, daß sich der Verwaltungsaufwand für die Unterbringung der restlichen reitenden Feldjäger auf freiwilliger Basis bei anderen Truppengattungen zu kostspielig und vor allem zu zeitaufwendig gestaltete, wenn dies ohne die vorherige Ausarbeitung entsprechender Pläne geschehen musste. 189 Aus diesem Grunde wurde seit 1882 alljährlich ein eigener Mobilmachungsplan für das Reitende Feldjägerkorps aufgestellt, der nicht mehr nur die für das Hauptquartier und die Armee-Oberkommandos vorgesehenen Feldjäger erfaßte, sondern jeden einzelnen Korps-Angehörigen einem bestimmten Truppenteil zuwies. 190 So waren beispielsweise bei Ausbruch des ersten Weltkrieges aufgrund des Mobilmachungsplanes des Jahres 1914 sechs Feldjäger für das große Hauptquartier des Kaisers, 29 Feldjäger für die Armee-Oberkommandos und weitere 15 Feldjäger für den Kurierdienst in Berlin und die Besetzung der Auslandsstationen vorgesehen, während alle übrigen Korps-Angehörigen zu anderen Waffengattungen versetzt wurden. 191 Weitere formationsgeschichtliche Neuerungen und Veränderungen im militärischen Bereich des Reitenden Feldjägerkorps sind gegenüber den Bestimmungen aus dem Jahre 1824 nicht eingetreten, und in jeder anderen Hinsicht blieben die Regelungen der Dienstvorschrift vom 28.05.1824 bis zur Auflösung des Korps im Jahre 1919 grundsätzlich unverändert bestehen.

189

Vgl. Heym\ S. 150. Jentsch, S. 17; da sich das Reitende Feldjägerkorps zu diesem Zeitpunkt bereits fast ausschließlich aus Reserveoffizieren der Jäger-Bataillone zusammensetzte, sahen die Mobilmachungspläne in der Regel die Kommandierung der nicht für die Feldjägeraufgaben benötigten Korps-Angehörigen zu dieser Truppengattung vor. Dementsprechend lautet auch der § 24 der Dienstvorschriften von 1899 und 1911: „Nach dem Anhange zum Mobilmachungsplan kommen die Offiziere des Reitenden Feldjägerkorps im Falle einer Mobilmachung in folgender Weise zur Verwendung: 1. Immobil bleiben für den Dienststand in Berlin und die Stationen 1 Obeijäger und 15 Feldjäger. 2. Zum großen Hauptquartier und den Armee-Oberkommandos werden kommandirt 2 Obeijäger und eine größere Zahl Feldjäger. 3. Die übrigen Offiziere, in der Regel die dem Patent nach jüngsten, werden der Inspektion der Jäger und Schützen zur Verwendung bei den Bataillonen überwiesen." Gem. § 27 II der beiden Dienstvorschriften traten „die zur Verwendung bei der Jägertruppe abgegebenen Feldjäger" nach der Anordnung zur Demobilmachung dann ohne weiteres wieder in das Reitende Feldjägerkorps zurück. 191 Böckle, S. 128; Jentsch, S. 19; Roeder, S. 7. Cron, S. 62, zeigt darüber hinaus noch auf, daß nicht nur bei den Armee-Oberkommandos, sondern auch in den Stäben der Heeresgruppen reitende Feldjäger eingeplant waren, ohne daß sich daraus zahlenmäßige Veränderungen ergaben. 190

C. Das Reitende Feldjägerkorps bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919

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5. Die Aufgaben Auch das Spektrum der Aufgaben, das dem Reitenden Feldjägerkorps zugewiesen war, ist in den letzten Jahren seines Bestehens nur einigen wenigen Veränderungen unterworfen worden. a) Der Friedensdienst Demzufolge stand die Wahrnehmung der Kurieraufgaben auch weiterhin im Mittelpunkt des von den Feldjägern zu verrichtenden Friedensdienstes. Gem. § 23 I der Dienstinstruktionen vom 30.11.1899 und vom 10.03.1911 umfaßte der Kurierdienst im Frieden „meist die Beförderung von Depeschen vom oder zum Hoflager Seiner Majestät des Kaisers und Königs, sowie von Depeschen des Auswärtigen Amts an die Kaiserlichen und Königlichen Missionen und Konsulate im Ausland oder umgekehrt". 192 Obwohl aber diese auch im Jahre 1911 noch gültige Umschreibung der Kurierjägertätigkeit im Frieden der Sache nach kaum vom Inhalt des § 1 der Dienstvorschrift aus dem Jahre 1824 abwich, hatten sich die äußeren Umstände, unter denen die Kurieraufgaben zu erfüllen waren, einerseits infolge des Aufbaus einer leistungsfähigen Postverwaltung in Preußen und später im Deutschen Reich und andererseits aufgrund der technischen Innovationen des 19. Jahrhunderts doch grundlegend gewandelt. Insbesondere die Erfindung der Eisenbahn wirkte sich auf die Art und Weise der Durchführung des Kurierdienstes aus, denn Reisen mit Pferd und Wagen kamen seitdem im Frieden nur noch höchst selten vor. 1 9 3 Zwar hafteten gem. § 22 I I Nr. 4 der Dienstvorschrift vom 01.08.1874 194 die Feldjäger mit ihrem Leben und ihrer Ehre für die Sicherheit und NichtVerletzung der ihnen anvertrauten Depeschen. Auch bestimmte § 22 Nr. 6 der gleichen Dienstvorschrift, 195 daß es das Streben des Feldjägers sein müsse, „die Reise unbeschadet der Sicherheit 192

Detailliertere Bestimmungen über die Durchführung der Kurierreisen waren in den Dienstvorschriften hingegen nicht vorhanden. Insoweit verwies die Instruktion vom 01.08.1874 in § 19 I lit. c) noch auf die „Reisestatuten für das Königliche Reitende Feldjägerkorps" und die „Akten, in denen allgemeine Vorschriften über Ausführung der Courierreisen, Ausstellung der officiellen und Corps-Liquidationen, sowie über Reisen nach dem Hoflager Seiner Majestät des Kaisers und Königs im Auslande enthalten sind". Obschon die späteren Dienstvorschriften eine entsprechende Verweisung nicht mehr enthielten, geht aus der Darstellung Freses, S. 2, hervor, daß auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts die „Reisestatuten" noch in Gebrauch waren. Ergänzt wurden die darin enthaltenen Informationen nach Frese, a.a.O., zudem durch mündliche Befehlsgebung der Oberjäger. Weder die „Reisestatuten" noch die Akten, von denen in § 19 I lit. c) der Instruktion des Jahres 1874 die Rede ist, können heute noch nachgewiesen werden. 193 Heym\ S. 108; Vogt, S. 40. 194 Die Dienstvorschriften der Jahre 1899 und 1911 enthielten eine inhaltsgleiche Anordnung in § 23 II Nr. 4 bzw. § 23 HI Nr. 4. 195 § 23 II Nr. 6 bzw. § 23 EI Nr. 6 der Dienstvorschriften von 1899 und 1911. 8*

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as Reitende Feldjägerkorps

der ihm anvertrauten Depeschen und Sachen in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen." Gleichwohl können diese Formulierungen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kurierreisen durch die Eisenbahn weitaus einfacher und angenehmer geworden waren als zuvor. 196 Darüber hinaus nahm durch die Einführung des Morseschen Schreibapparates auch der Umfang dieser Reisen zunächst deutlich ab, denn Meldungen und Depeschen, die nicht dem Geheimschutz unterlagen, konnten nunmehr auf telegraphischem Wege übermittelt werden. 197 Erst mit der weltweiten Ausdehnung der diplomatischen Beziehungen des Deutschen Reichs vergrößerte sich dann die Anzahl der von Feldjägern durchzuführenden Depeschenbeförderungen wieder. 1 9 8 Schließlich wurde die Organisation des Kurierdienstes auch noch durch das Postwesen beeinflußt, da im Inland zu versendende Depeschen in zunehmendem Maße der Beförderung durch die Post anvertraut wurden. Infolgedessen verlor der Kurierdienst im Inland weiter an Bedeutung, so daß sich die Kurierjägertätigkeit der Feldjäger im Frieden fast gänzlich ins Ausland verlagerte 199 . Sichtbarster Ausdruck dieser Tendenz war die im Jahre 1867 angeordnete Auflösung des Feldjäger-Kommandos in Potsdam, die zur Folge hatte, daß mit dem Berliner Kommando fortan nur noch eine einzige Inlands-Station des Reitenden Feldjägerkorps existierte. 200

196

Frese, S. 3, berichtet, daß den Feldjägern, die im übrigen auch im Besitz eines Diplomatenpasses gewesen seien, durch internationale Vereinbarungen im Ausland wie im Inland stets ein reserviertes Abteil 1. Klasse zur Verfügung gestanden habe. Dementsprechend beschrieb im Jahre 1886 ein Zeitgenosse den Kurierdienst der Feldjäger mit leicht ironischem Unterton folgendermaßen: „Trifft einen Feldjäger der Befehl zur Reise nach Wien, Petersburg oder Paris, so [...] besteigt er den nächsten Kurierzug, der ihm so recht eigentlich seine Bezeichnung verdankt, lehnt sich behaglich in die schwellenden Polster eines Koupees 1. Klasse zurück, und verfolgt vielleicht schmunzelnd in den Spalten eines illustrierten Blattes, welches ihm die Zeit kürzen helfen soll, die Gefahren und Abenteuer, welche sein russischer Kollege auf der Fahrt durch die weglosen Steppen der Tatarei besteht" (Vogt, S. 41 f.). 197 Böckle, S. 101; Roeder, S. 5; daß der Kurierdienst der Feldjäger von ihren Zeitgenossen dennoch auch im Frieden für wichtig gehalten wurde, geht aus den Ausführungen von Vogt, S. 40, hervor: „ Z a h l r e i c h e politische Depeschen, Instruktionen an die heimischen Gesandten im Auslande, geheime Berichte und Meldungen können [...] auch im Frieden [nicht] der gewöhnlichen Post und dem Telegraphen anvertraut werden. Gleichwohl hängt von der möglichst raschen und sicheren Beförderung unter Umständen sehr viel ab, [...]". 198 So berichtet N. N., Das RFC im Jahre 1907/08, S. 5 f., daß die Offiziere des Korps im Rechnungsjahr 1907 insgesamt 284.673 km zurückgelegt haben. Außer den ständigen Reisen der im Ausland stationierten Feldjäger seien vom 01.11.1907 bis Ende Oktober 1908 Kurierreisen u.a. nach Istanbul, Korfu, Syrakus, Bergen, Stockholm etc. ausgeführt worden. 199 Böckle, S. 111; Roeder, S. 5. 200 Heym\ S. 120.

C. Das Reitende Feldjägerkops bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919

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Neben dem auf die beschriebene Weise zwar rein äußerlich, nicht aber auch inhaltlich veränderten Kurierdienst hatten die Feldjäger nach wie vor den König bzw. Kaiser oder die Mitglieder seiner Familie auf Reisen zu begleiten. 201 Abänderungen sind insoweit bis zur Auflösung des Korps im Jahre 1919 nicht feststellbar. Eine neue Aufgabe ergab sich für die Korps-Angehörigen jedoch vorübergehend während der Märztage des Jahres 1848, als sie anläßlich des offen ausgebrochenen Aufruhrs in Berlin vom König in seiner Residenz versammelt wurden und den Auftrag erhielten, in Zivilkleidung die öffentlichen Volksversammlungen aufzusuchen, um über deren Verlauf Bericht erstatten zu können. 202 Diese Tätigkeit endete jedoch naturgemäß schon wieder, nachdem sich die Lage in Berlin entspannt hatte. Gleichwohl blieben die Ereignisse im März 1848 nicht ohne dauerhafte Auswirkung für den Friedensdienst des Reitenden Feldjägerkorps, denn seit dem 03.11.1849 bediente sich der König bei seiner traditionellen Hubertusjagd im Grunewald eines zunächst aus vier Feldjägern bestehenden Begleitkommandos.203 Gem. § 17 I 1 der Dienstinstruktion vom 01.08.1874 waren es dann schon fünf bis sechs Korps-Angehörige, die in voller Paradeuniform bei der Hubertusjagd mitreiten mußten. 204 Indessen geriet auch diese neue Verwendungsweise im Jahre 1902 wieder in Wegfall, 205 so daß seit dieser Zeit das Reitende Feldjägerkorps als eine reine Kurierorganisation bezeichnet werden kann, wenn man einmal von den nur gelegentlich vorkommenden Reisebegleitungen für hochgestellte Persönlichkeiten absieht. b) Die Verwendung im Krieg Während nach der Betrachtung der Befreiungskriege, die zuletzt Anlaß für eine Generalmobilmachung der preußischen Armee gegeben hatten, noch festgestellt werden konnte, daß im Vergleich zu den kriegerischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts der Umfang der durch die Feldjäger zu verrichtenden Tätigkeiten nicht reduziert worden war [s.o. C. I. 2. a)], ist ein ähnliches Ergebnis bei der Untersuchung der dem Reitenden Feldjägerkorps in den Feldzügen von 1866 und 1870/71 obliegenden Pflichten nicht mehr zu erzielen, denn im Krieg gegen Dänemark 1864 waren die Korps-Angehörigen zum letz201

Böckle, S. 102. Heym\ S. 111. 203 Heym\ S. 111. 204 Die Dienstvorschrift des Jahres 1899 bestimmte dann in ihrem § 20 HI, daß „zum Mitreiten bei der Hubertusjagd [...] jedesmal sechs Offiziere kommandirt [werden mußten], und zwar in erster Linie die dem Patente nach jüngsten". 205 Böckle, S. 113; Heyn?, S. 165; Roeder, S. 5. 202

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as Reitende Feldjägerkorps

ten Mal gleichzeitig als Kolonnen-, Fourier- und Kurieijäger eingesetzt worden. 2 0 6 Ungebrochen war allerdings die Bedeutung des Kurierdienstes, 207 so daß auch in den Kriegen von 1866 und 1870/71 die Feldjäger als Kuriere auf das Hauptquartier und die Armee-Oberkommandos verteilt wurden. Die Aufgaben, die sie dort zu erfüllen hatten, entsprachen in jeder Hinsicht der Beschreibung der Kurierjägertätigkeit im Kriegsfalle, die in § 24 IV und V 1 der Dienstvorschrift vom 01.08.1874 enthalten ist: „Der Dienst der Feldjäger des großen Hauptquartiers Seiner Majestät besteht darin, entweder Depeschen etc. an die im Auslande beglaubigten deutschen Botschaften resp. Gesandschaften etc. und an die Ministerien in Berlin, oder Befehle an die einzelnen operierenden Armeen zu überbringen. Die Aufgabe der Feldjäger bei den anderen Hauptquartieren dagegen besteht in der Regel in der Beförderung von Depeschen, Meldungen und Befehlen zwischen der Armee, zu welcher sie commandiert sind, und dem großen Hauptquartier Seiner Majestät resp. den anderen Armee-Oberkommandos". 208 Im Gegensatz dazu wurden die reitenden Feldjäger schon im Krieg gegen Österreich nicht mehr als Kolonnenjäger verwendet, denn die damit verbundenen Obliegenheiten hatte der Generalstab übernommen. 209 Seit dieser Zeit gehörte also diejenige Tätigkeit, die im Jahre 1740 für die Gründung des Reitenden Feldjägerkorps ausschlaggebend gewesen war, endgültig nicht mehr zum Pflichtenkreis der Korps-Angehörigen. Da zudem schon 1866 die Feldjäger nur noch in Ausnahmefällen als Fouriere eingesetzt wurden und diese Verwen206

Böckle, S. 102; Heym\ S. 112. Im Jahre 1856 schrieb ein Generalstabsoffizier: „ A b e r das Notwendigste von Allem ist für jeden Korpsführer eine kleine Anzahl von ,Reitenden Jäger4, um bessere Nachrichten vom Feinde und Verbindungs-Nachrichten zwischen den eigenen Korps zu haben, da aus beider Mängel bisher die meisten Nachtheile erklärlich waren" (N. N., Zeitschrift Krieg 97, S. 55). 208 Die in den Kriegen von 1866 und 1870 gemachten Erfahrungen der Kurierjäger sind im übrigen offensichtlich bei der Ausarbeitung der Dienstvorschrift vom 01.08.1874 berücksichtigt worden, denn in § 24 VI-VÜI heißt es zu deren Dienst im allgemeinen: „Der Courierdienst wird es häufig mit sich bringen, daß der Feldjäger allein oder nur auf die Unterstützung seiner Ordonnanzen angewiesen, von deutschen oder alliirten Truppen meist ganz entblößte Gegenden auf weitere Strecken passiren muß; daß er namentlich, wenn unsere Armee die feindliche Grenze überschritten hat, einer feindlichen Bevölkerung allein gegenübersteht und gezwungen ist, mit ihr um Gestellung von Fuhrwerk, Reitpferden etc. zu verhandeln. Er muß deshalb in jedem Augenblick bereit sein, sich mit den Waffen in der Hand durchzuschlagen und die ihm anvertrauten Depeschen gemäß seines Eides zu vertheidigen; letztere darf er niemals in die Gewalt des Feindes gerathen lassen, sondern soll sie vernichten, wenn er die Ueberzeugung gewonnen hat, daß er sie anders vor der Einsicht durch die Angreifer nicht schützen kann. In diesem Falle hat er, wenn möglich, von dem Inhalte der Depeschen vorher Kenntnis zu nehmen, um dieselben mündlich der Person, an welche er geschickt war, zu überbringen." Die Instruktionen der Jahre 1899 und 1911 haben dieses Zitat ebenso wie die im Text wiedergegebenen Passagen jeweils in § 26 IV; V und VII wörtlich übernommen. 209 Böckle, S. 103; Heym\ S. 118. 207

C. Das Reitende Feldjägerkorps bis zu seiner Auflösung im Jahre 1919

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dungsweise im Krieg gegen Frankreich überhaupt nicht mehr vorkam, 210 hatte sich die beim Friedensdienst festgestellte Reduzierung des Aufgabenspektrums des Korps auf die Durchführung von Kurierreisen spätestens im Jahre 1871 auch im Bereich der Dienstleistungen im Kriegsfalle vollzogen. Dementsprechend kamen die reitenden Feldjäger auch im ersten Weltkrieg lediglich als Kuriere zum Einsatz. c) Die Aufgaben im Vergleich mit dem Tätigkeitsbereich der Feldjägertruppe der Bundeswehr Damit steht zunächst einmal fest, daß sich im Laufe des 19. Jahrhunderts das Ausmaß der Deckungsgleichheit zwischen den Aufgaben der Feldjägertruppe der Bundeswehr und den Obliegenheiten des Reitenden Feldjägerkorps weiter verringert hat, denn mit dem Wegfall der Tätigkeiten als Fourier- und Kolonnenjäger in den Kriegen von 1866 und 1870 fehlt es nunmehr auch den Dienstleistungen der historischen Feldjäger im Krieg an einer Entsprechung im Pflichtenkreis der Bundeswehr-Feldjäger. Dieser Entwicklung stehen in Gestalt des Einsatzes der reitenden Feldjäger anläßlich der Märzunruhen im Jahre 1848 und ihrer Kommandierung zu den alljährlichen Hubertusjagden lediglich zwei neu hinzugekommene Aufgaben gegenüber, die noch nicht daraufhin überprüft worden sind, inwieweit sie militärpolizeilicher Natur sind. Daß sich allerdings der Auftrag der Feldjäger im Jahre 1848, über die öffentlichen Volksversammlungen zu berichten, einem Vergleich mit dem Aufgabenspektrum der Feldjägertruppe der Bundeswehr entzieht, ist evident und bedarf daher keiner weiteren Ausführungen. Zudem handelte es sich dabei um einen Einsatz aus Anlaß eines Einzelfalles, der sich in der Folgezeit nicht mehr wiederholte. Daher wäre er selbst dann, wenn er eine militärpolizeiliche Prägung aufgewiesen hätte, nicht dafür geeignet gewesen, den Grad der Übereinstimmung zwischen den Tätigkeiten der beiden Feldjägertruppen zu erhöhen. Im Gegensatz dazu diente das Mitreiten bei der Hubertusjagd wenigstens ursprünglich auch dem Personenschutz des Monarchen und weist daher eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Schutz gefährdeter Personen auf, der den Bundeswehr-Feldjägern gem. ZDv 75/100, Nr. 609, 621 bis 629, 911, 914 und Anlage 10; HDv 360/200, Nr. 3501 ff., im Rahmen der von ihnen wahrzunehmenden Sicherheitsaufgaben obliegt. Indessen gibt die Tatsache, daß die reitenden Feldjäger bei der Begleitung des Königs ihre vollständige Paradeuniform anlegen mußten, Anlaß zu der Vermutung, das Mitreiten bei der Hubertusjagd sei in erster Linie aus Repräsentationsgründen erfolgt, nachdem eine Gefährdung des Königs, die zu Beginn dieser Tätigkeit unter dem noch frischen Eindruck der Ereignisse im März 1848 durchaus noch vermutet werden konnte, in späteren 210

Böckle, S. 103; Heym\ S. 118.

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Jahren nicht mehr zu besorgen war. Selbst wenn man aber dieser Überlegung zum Trotz im Mitreiten bei der Hubertusjagd auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch eine Obliegenheit erblicken wollte, die bestimmte Elemente des Personenschutzes aufweist, so ist doch eine Vergleichbarkeit mit dem Schutz gefährdeter Personen durch die Feldjäger der Bundeswehr nur in einem sehr begrenzten Maße feststellbar. Spätestens mit dem Jahre 1902, in dem die Feldjäger den König bzw. Kaiser zum letzten Mal begleitet hatten, ist aber die Entwicklung des Reitenden Feldjägerkorps zu einer Institution, die in militärischer Hinsicht sowohl im Frieden als auch im Krieg ausschließlich der Wahrnehmung von Kurieraufgaben diente, abgeschlossen. Da aber der Kurierdienst im Pflichtenkreis der Feldjägertruppe der Bundeswehr keine Entsprechung aufweist, fehlt es den Tätigkeiten der Angehörigen des Reitenden Feldjägerkorps seit dieser Zeit an jeglicher Übereinstimmung mit den militärpolizeilichen Pflichten der heutigen Feldjäger. 6. Die Auflösung des Reitenden Feldjägerkorps Mit dem Abschluß des Waffenstillstandes am 11.11.1918 im belgischen Spa, durch den die Feindseligkeiten zwischen den Alliierten und den Mittelmächten im ersten Weltkrieg endgültig eingestellt worden waren, begann auch für das Reitende Feldjägerkorps die Demobilmachung. Indessen benötigte das Auswärtige Amt noch 30 Feldjäger, um die geheimen Depeschen und Nachrichten übermitteln zu können, die zwischen der Regierung in Berlin und der vom Außenminister Graf Brockdorff-Rantzau angeführten deutschen Delegation bei den Friedensverhandlungen in Paris ausgetauscht werden mußten. 211 Aus diesem Grunde wurden zunächst nur diejenigen Korps-Angehörigen aus dem mobilen Verhältnis entlassen, die bei Ausbruch des ersten Weltkrieges ihre forstwissenschaftlichen Studien noch nicht beendet hatten, damit sie diese nunmehr zum Abschluß bringen konnten. 212 Nachdem dann die Iststärke des künftigen deutschen Heeres durch Art. 160 Nr. 1 Abs. 2 des Friedensvertrages von Versailles 213 auf 100.000 Mann begrenzt worden war, gab es mit Blick auf die anstehenden umfangreichen Truppenreduzierungen aus naheliegenden Gründen in der Reichswehr keinen Raum mehr für ein militärisch organisiertes Kurierkorps. Da sich zudem die Feldjäger im Zuge der Beratungen über die Zukunft des Korps, die der letzte Komman211

Böckle, S. 136, der auch darauf hinweist, daß die Feldjäger schon anläßlich der Waffenstillstandsverhandlungen als Kuriere Verwendung gefunden hatten, um den Kontakt zwischen der Regierung und der deutschen Verhandlungsdelegation aufrechtzuerhalten. 212 Roeder, S. 8. 213 Vgl. das Transformationsgesetz vom 16.07.1919, RGBl. 1919, S. 687.

D. Zusammenfassung und Ergebnis

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deur, Graf Finck von Finckenstein, mit den zuständigen Behörden (Auswärtiges Amt, Kriegs- und Landwirtschaftsministerium) führte, gegen das Weiterbestehen ihrer Truppe in der Form einer rein zivilen Institution ausgesprochen hatten, 214 wurde das Reitende Feldjägerkorps durch kriegsministerielle Verfügung vom 02.08.1919 zum 01.10.1919 aufgelöst. 215 An seine Stelle trat am 01.10.1919 die „Abwicklungsstelle des Reitenden Feldjägerkorps", die die vollständige Auflösung der Truppe organisatorisch zu bewältigen hatte. 216 Mit der Entlassung der letzten Offiziere des Korps zum 31.03.1920 war diese Aufgabe dann ebenfalls gelöst, und das Heeresabwicklungsamt Preußen konnte mit seiner Verfügung Nr. 161/4.20.A 3 (Abw.) vom 06.05.1920 die Auflösung auch der Abwicklungsstelle des Reitenden Feldjägerkorps bekanntgeben: „Die Abwicklungsstelle des Reitenden Feldjägerkorps ist mit dem 31. März 1920 aufgelöst worden. Etwaige Restarbeiten werden von der Abwicklungsstelle des 1. Garde-Feldartillerie-Regiments erledigt." 217 Damit war die Geschichte des Reitenden Feldjägerkorps, das die viertälteste Truppengattung der preußischen Armee dargestellt hatte, endgültig beendet.

D. Zusammenfassung und Ergebnis Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Reitende Feldjägerkorps von Friedrich dem Großen durch die A. K. O. vom 24.11.1740 in einer Stärke von insgesamt 14 Mann gegründet worden ist. Es hatte nach dem Willen des Königs ursprünglich lediglich den Zweck, im ersten Schlesischen Krieg den selbständigen Heereskolonnen der preußischen Armee Wegweiser und Kundschafter zur Verfügung zu stellen. Schon während des ersten Schlesischen Krieges kamen jedoch zu den Obliegenheiten dieser als Kolonnenjäger bezeichneten Kundschafter weitere Aufgaben hinzu, deren sachgerechte Erfüllung nur durch eine erhebliche Aufstockung des Personalumfanges des Korps sichergestellt werden 214 Der Kommandeur formulierte die Gründe für diese ablehnende Haltung in einem an alle Feldjäger gerichteten Schreiben vom 30.09.1919 dahingehend, daß „ein Weitervegetieren als entmilitarisiertes Anhängsel einer Zivilbehörde [...] der eigentlichen Wesensart der Feldjäger als »Kuriere des Königs4 so wenig entsprochen [hätte], daß es nur ein trübes Schattendasein für unser stolzes Korps gewesen wäre, welches es unter solchen Verhältnissen hätte weiter führen können" (zitiert nach Böckle, S.139). 215 Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 413; Roeder, S. 8. 216 Jentsch, S. 20. 217 Abwicklungsverordnungsblatt 1920, S. 22, Nr. 35; die Zuweisung etwa noch anfallender Abwicklungsaufgaben an das ehemalige 1. Garde-Feldartillerie-Regiment hatte ihren Grund schlicht darin, daß dessen Abwicklungsstelle zu dieser Zeit noch in der dem Berliner Feldjägerkommando gegenüberliegenden Kaserne, Kruppstraße 2, untergebracht war (Frese, S. 13; vgl. auch das „Verzeichnis der Abwicklungsstellen des deutschen Heeres", Heft 3, Teil 6, Berlin, 1920, S. 16, BA-MA PHD 22/3).

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as Reitende Feldjägerkorps

konnte. So erwuchs den Feldjägern bereits im Jahre 1741 in Gestalt des Kurierdienstes ein zweiter ständiger Auftrag, der außer der Beförderung diplomatischer Depeschen zu ausländischen Höfen und hochgestellten Persönlichkeiten des Inlandes auch die Überbringung schriftlicher und mündlicher Befehle vorgesetzter Kommandobehörden oder übergeordneter Stäbe an die ihnen unterstellten Truppenteile umfaßte. Zu diesem Zweck wurden die Kurieijäger, die zum einzig brauchbaren Fernmeldemittel des 18. Jahrhunderts avancierten, auf das Hauptquartier und die verschiedenen Armeeoberkommandos verteilt. Darüber hinaus oblag den Korps-Angehörigen die Erledigung der Fouriergeschäfte für den König und die Mitglieder der königlichen Familie, so daß auch Tätigkeiten wie etwa die Beschaffung geeigneter Quartiere oder die Gewährleistung des sicheren Fortkommens der Bagage zum Pflichtenkreis der Feldjäger zählten. Einen gewissen Zusammenhang mit den Aufgaben der Fourierjäger wiesen schließlich die Obliegenheiten der Leibjäger auf, die für den Schutz des Königs auf Reisen, in der Unterkunft, bei Märschen und im Falle seines Aufenthaltes im Hauptquartier verantwortlich waren. Spätestens im Verlauf des zweiten Schlesischen Krieges sind dann die Tätigkeiten der Kurier- und der Fourierjäger gleichberechtigt neben die ursprünglich allein vorgesehene Aufgabe der Kolonnenjäger getreten, so daß seit dieser Zeit von einer „Aufgabentrias" des Reitenden Feldjägerkorps gesprochen werden kann. Diese Aufgabentrias blieb auch, nachdem sich das Korps entgegen der anfänglichen Planung des Königs zu einer Dauereinrichtung in der preußischen Armee entwickelt hatte, unverändert erhalten, doch nahm die Kurierjägertätigkeit unter den Dienstleistungen im Frieden eine dominierende Stellung ein. Die weitere Entwicklung des Reitenden Feldjägerkorps im 18. Jahrhundert ist vor allem durch die ständige Ausweitung seines Aufgabenspektrums gekennzeichnet, denn bis zum Ausbruch des Krieges gegen das napoleonische Frankreich wurde den Feldjägern eine Vielzahl neuer Obliegenheiten unterschiedlichster Prägung zugewiesen. Abgesehen von den Wachaufgaben, die in der Garnisonsstadt Köpenick anfielen, handelte es sich dabei vor allem um die der Prävention von Desertionen dienenden Einsätze bei den Potsdamer Herbstmanövern, um die Absperrdienste bei den Berliner Truppenrevuen sowie um die alljährliche Gestellung von Grenzpostierungskommandos entlang der sächsischen Grenze zur Eindämmung des Schmuggels und der Fahnenflucht. Daneben wurden Feldjäger seit 1751 mit der Beaufsichtigung forstlicher Gehege betraut und versahen erstmals gegen Ende des Jahre 1798 als Ingenieur-Geographen Dienst im Generalstab, doch sind diese beiden Aufgaben im Gegensatz zu den vorerwähnten Tätigkeiten schon vor Ausbruch des Krieges gegen Frankreich im Jahre 1806 wieder entfallen. Nach der Niederlage gegen Napoleon ergab sich aus der eigentümlichen Verbindung militärischer und ziviler Aspekte, durch die das Erscheinungsbild des Reitenden Feldjägerkorps vor allem aufgrund der garantierten Anschlußverwen-

D. Zusammenfassung und Ergebnis

123

dung seiner ausgedienten Angehörigen als Oberförster in der staatlichen Forstverwaltung geprägt worden war, eine auf die Reform des preußischen Forstwesens und die Fortschritte auf dem Gebiet der Forstwissenschaft zurückzuführende Schwerpunktverschiebung. Während nämlich das Reitende Feldjägerkorps im Verlauf des 18. Jahrhunderts vorwiegend militärisch ausgerichtet war und die Beziehung zur staatlichen Forstverwaltung nur infolge des Aufbaus eines Systems der Anschlußversorgung ausgeschiedener Feldjäger zustande kam, trat nunmehr die militärische Seite des Korps hinter der Bedeutung seiner zivilen Bezüge zurück, weil die Einsicht, daß für die kompetente Verwaltung einer Oberförsterstelle durch einen Feldjäger dessen vorherige intensive forstwissenschaftliche Unterrichtung erforderlich war, den Stellenwert einer entsprechenden Vorbildung bedeutend gesteigert hatte. Aus diesem Grunde wurde im 19. Jahrhundert der Großteil des zum Korps gehörenden Personals ständig abkommandiert, um die vorgeschriebenen Stationen der theoretischen und praktischen Ausbildung zum Beamten der höheren Forstlaufbahn absolvieren zu können. Dementsprechend blieben für den militärischen Friedensdienst nur geringe Kräfte übrig, die mit den insoweit noch immer im Vordergrund stehenden Kurieraufgaben nahezu vollständig ausgelastet waren. Dies hatte zur Folge, daß der Umfang des dem Reitenden Feldjägerkorps zugewiesenen Pflichtenkreises bis zur Auflösung der Truppe im Jahre 1919 ebenso stetig wieder abnahm, wie er im 18. Jahrhundert angewachsen war. So kamen Kommandierungen von Feldjägern zu den Potsdamer Herbstmanövern und den Berliner Truppenrevuen nach der Niederlage von 1806 nicht mehr vor. Ebensowenig gehörte es nach diesem Zeitpunkt noch zu den Pflichten des Korps, Grenzpostierungskommandos für die sächsische Grenze abzustellen. Zudem sind die Wachaufgaben der Feldjäger mit der Verlegung der Garnison des Korps nach Berlin im Jahre 1812 in Wegfall geraten. Nachdem Friedrich Wilhelm III. dann mit der A. K. O. vom 10.05.1820 auch noch den ständigen Fourierdienst der Feldjäger beendet hatte, bestand ihre Friedenstätigkeit abgesehen von den nur gelegentlich vorkommenden Reisebegleitungen für hochgestellte Persönlichkeiten nur noch aus der Wahrnehmung von Kurieraufgaben. Diese Entwicklung konnte durch das alljährliche Mitreiten einzelner Feldjäger bei der Hubertusjagd lediglich verzögert, nicht aber aufgehalten werden, da diese im Jahre 1849 eingeführte neue Verwendungsweise schon 1902 wieder abgeschafft wurde. Ebenso wie der Katalog der Friedensaufgaben reduzierte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts auch der Kreis der Dienstleistungen der Feldjäger im Kriegsfall. Diese Tendenz ist erstmals im preußisch-österreichischen Krieg von 1866 festzustellen, in dem die Feldjäger nicht mehr als Kolonnenjäger fungierten, weil die damit verbundenen Obliegenheiten vom Generalstab übernommen worden waren. Seit dieser Zeit gehörte also diejenige Tätigkeit, die im Jahre 1740 für die Gründung des Reitenden Feldjägerkorps ausschlaggebend gewesen war, überhaupt nicht mehr zu den Aufgaben der Korps-Angehörigen. Spätestens im Krieg gegen Frankreich

124

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as Reitende Feldjägerkorps

im Jahre 1870 entfiel zudem noch der Fouriereinsatz der Feldjäger, so daß sich ihre Verwendung auch im Kriegsfalle auf den Kurierdienst, dessen Bedeutung allerdings ungebrochen war, beschränkte. Dem kann keinesfalls die Vielfalt der Aufgaben entgegengehalten werden, die das Korps im Feldzug von 1806 zu erfüllen hatte, da die dafür verantwortliche Entscheidung des Fürsten Hohenlohe, alle Feldjäger im Hauptquartier der Armee zusammenzuziehen und sie ausschließlich am aktuellen Bedarf orientiert einzusetzen, als ein Einzelfall erkannt worden ist, der sich schon in den Befreiungskriegen nicht mehr wiederholt hatte. Damit steht fest, daß das Reitende Feldjägerkorps eine Entwicklung durchgemacht hat, in deren Verlauf es sich von einer nur aus Wegweisern und Kundschaftern bestehenden Truppengattung in eine reine Kurierorganisation der preußischen Armee verwandelte. Der Vergleich der vorstehend nochmals kurz skizzierten Obliegenheiten des Reitenden Feldjägerkorps mit den Pflichten der Bundeswehr-Feldjäger hat sowohl mit Blick auf die „klassische" Aufgabentrias der reitenden Feldjäger als auch in Bezug auf die sonstigen Tätigkeiten, die von ihnen verrichtet wurden, ein recht uneinheitliches Bild ergeben: Obschon einerseits festgestellt worden ist, daß das Reitende Feldjägerkorps bei seiner Gründung keineswegs als militärische Ordnungstruppe konzipiert worden war, hat andererseits der Vergleich mit den Aufgaben der BundeswehrFeldjäger eine nahezu vollständige Übereinstimmung der ursprünglich allein vorgesehenen Kolonnenjägertätigkeit mit dem heutigen militärischen Verkehrsdienst erkennen lassen. Demgegenüber fehlt es dem schon bald nach der Aufstellung des Reitenden Feldjägerkorps hinzugekommenen Kurierdienst an jeglicher Entsprechung im Pflichtenkreis der Feldjägertruppe der Bundeswehr. Auch die dritte Hauptaufgabe des Jäger-Corps zu Pferde, der Fourierdienst, ist lediglich hinsichtlich einzelner Aspekte mit den Obliegenheiten heutiger Feldjäger vergleichbar, wobei zuvorderst an den Personenschutz zu denken ist. Von einer Deckungsgleichheit der jeweiligen Aufgabenkreise kann also schon in der Zeit des ersten Schlesischen Krieges keine Rede sein. Demzufolge ist auch das Urteil Sommers, 218 wonach am Ende dieses Krieges die Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps fast identisch mit denen der heutigen Feldjägertruppe gewesen sein sollen, als unzutreffend abzulehnen. Zu ähnlich differenzierten Ergebnissen wie die Betrachtung der klassischen Aufgabentrias hat auch die Untersuchung der zahlreichen neuen Obliegenheiten geführt, die dem Reitenden Feldjägerkorps im Laufe des 18. Jahrhunderts übertragen worden sind, denn das Spektrum der Vergleichsergebnisse reicht insoweit ebenfalls von der Feststellung gänzlich fehlender Übereinstimmung über die Erkenntnis eingeschränkter Vergleichbarkeit bis hin zur Entdeckung einer in bei-

218

Sommer, S. 62.

D. Zusammenfassung und Ergebnis

125

nahe jeder Beziehung vergleichbaren sicherheitsdienstlichen Funktion, die von den historischen Feldjägern in Gestalt des Absperrdienstes bei den Berliner Truppenrevuen auszufüllen war. Damit hat sich nun einerseits gezeigt, daß das Verhältnis der den reitenden Feldjägern zugewiesenen Aufgaben zum typischen Pflichtenkreis einer militärpolizeilichen Truppenformation nicht einfach mit der Behauptung umschrieben werden kann, die Kolonnen-, Fourier- und Kurierjäger hätten zwar ähnliche Aufgaben wie die Feldjäger der Bundeswehr bewältigen müssen, weitergehende Übereinstimmungen seien jedoch nicht feststellbar. 219 Ein solches Ergebnis griffe nämlich in Anbetracht der sicherheitsdienstlich geprägten Absperrtätigkeit der Reitenden Feldjäger und den in Teilbereichen dem militärischen Ordnungsdienst zuzurechnenden Einsätzen bei den Herbstmanövern und entlang der sächsischen Grenze zur Eindämmung der Desertionsproblematik deutlich zu kurz. Andererseits aber kann auch keine Rede davon sein, daß das Reitende Feldjägerkorps eine militärpolizeiliche Truppengattung der preußischen Armee gewesen sei, denn schon nach seiner ursprünglichen Konzeption sollte es weder ordnungsdienstliche Tätigkeiten versehen noch Sicherheitsaufgaben wahrnehmen. 220 Vielmehr ist ihm mit dem Kurierdienst schon bald nach seiner Gründung eine Aufgabe erwachsen, die jegliche Vergleichbarkeit mit militärpolizeilichen Tätigkeiten vermissen läßt. Zudem konnte beim Vergleich des Pflichtenkreises der heutigen Feldjäger mit den Obliegenheiten der reitenden Feldjäger im 19. Jahrhundert festgestellt werden, daß von der Reduzierung des den letzteren zugewiesenen Aufgabenkatalogs insbesondere auch diejenigen Tätigkeiten erfaßt worden sind, deren militärpolizeilicher Charakter zuvor erkannt worden ist. Schließlich kann das Reitende Feldjägerkorps aber auch deshalb nicht als eine militärpolizeiliche Truppengattung der preußischen Armee betrachtet werden, weil es sich in den letzten Jahren seines Bestehens zu einer reinen Kurierorganisation entwickelt hatte. Vor allem im Hinblick auf diesen Umstand ist es also als schlichtweg falsch zu bezeichnen, wenn Williamson dennoch das Reitende Feldjägerkorps für eine militärpolizeiliche Formation hält, deren Aufgaben sich sogar im ersten Weltkrieg noch mit den Obliegenheiten der Feldgendarmerie überschnitten hätten. 221 Gerade während des ersten Weltkrieges fanden nämlich die Angehörigen des Reitenden Feldjägerkorps nur noch als Kuriere Verwendung und übten mithin eine Tätigkeit aus, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen militärpolizeilichen Charakter hatte.

219

In diesem Sinne Schumann, S. 784, und Wagner!Gutsfeld, S. 16. Insoweit zutreffend Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 35. 221 Vgl. Williamson, S. 4: „Alongside the Feldjägerkorps, the Gendarmerie or civil police was to develop a military branch of Feldgendarmerie, which grew to overtake the Feldjägerkorps as Germany's principal provost arm. [...]. The overlap of functions between the Feldjägerkorps and Feldgendarmerie in the Great War seems confusing 220

126

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as Reitende Feldjägerkorps

Gleichwohl zeigt die zusammenfassende Betrachtung der Geschichte des Reitenden Feldjägerkorps insgesamt aber, daß obschon zwischen den Aufgaben der Feldjägertruppe der Bundeswehr und den Obliegenheiten ihres historischen Namensvorläufers zu keiner Zeit eine vollständige Deckungsgleichheit bestanden hat, die Anzahl der zumindest eingeschränkt vergleichbaren Pflichten der Reitenden Feldjäger insbesondere mit Blick auf den Kolonnenjägerdienst, den von den Leib- und Fourierjägern versehenen Personenschutz sowie die Absperraufgaben als beträchtlich bezeichnet werden kann. Ohne im eigentlichen Sinne eine Militärpolizeiformation darzustellen, wies also das Reitende Feldjägerkorps durchaus zahlreiche Berührungspunkte mit der heutigen Feldjägertruppe der Bundeswehr auf.

2. Kapitel

Das Feldjägerregiment zu Fuß A. Die Gründung des Feldjägerregiments L Die A. K. O. vom 15.06.1744 Die zweite Dauereinrichtung der preußischen Armee, die den Namen „Feldjäger" trug, geht zurück auf eine Allerhöchste Kabinettsorder Friedrichs des Großen vom 15.06.1744: „Werter, besonders lieber Getreuer. Da ich gesonnen bin, ein gewisses Corps FeldJäger zu Fuß von lauter, so viel möglich ist, einheimischen Förster-Söhnen, oder auch anderen Jägers zu errichten, so befehle ich hierdurch, daß Ihr sofort durch die Halberstädtische Cammer denen sämmtlichen Försters in der dortigen Provintz bekanntmachen lassen sollet, wie es Mir zu besonders gnädigem Gefallen gereichen würde, wenn sie sich alle Mühe geben würden, zu ermeldetem Corps Feld-Jäger einige geschickte und ehrliche Jäger-Bursche, auf welche man sich verlassen kann, zu engagiren, und welche sie alsdann an den General-Major und Hofjägermeister Graf von Hacke, als welchem Ich die Errichtung dieses Corps besonders aufgetragen, adressiren und abschicken sollen. Ihr habt hierunter alles dazu beizutragen, auch das Nöthige ohne Zeit-Verlust zu besorgen, und zweifle Ich nicht, daß die jungen Jäger-Bursche sich um so viel lieber dazu engagiren lassen werden, als sie demnächst und wenn sie einige Jahre als Feld-Jägers gedient haben, sich gewisser Employ versichern können. Ich bin Euer wohlaffectionirter König Friedrich Potsdam, den 15ten Juni 1744."1 1

GStA PK IV. HA B Nr. 726, ohne Blattangabe; da diese A. K. O. an alle Kammerpräsidenten der Monarchie gerichtet war, finden sich Abschriften davon auch in anderen Aktenbeständen (u.a. GStA PK IV. HA B Nr. 707, ohne Blattangabe). Unzutreffend ist es also, wenn Böckle, S. 114; Gumtau I, S. 19 f.; ders., Zeitschrift Krieg 55, S. 85; Meyer ; Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 300, und N. N., Soldatenfreund 51, S. 666, eine „Circular-Aufforderung" der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer an alle Oberförster dieser Provinz vom 18.06.1744, in der die Behörde die rasche Umsetzung der königlichen Anweisungen befahl, als dasjenige Dokument zitieren, durch das das Feldjägerkorps zu Fuß gegründet worden ist (richtig aber von Helldorf ; Neue mil. Bl. 45, S. 15; Jany II, S. 86; von Rentzell S. 4, und Voigt, Band 5, S. 379). Bislang unveröffentlicht ist im Gegensatz dazu die Bekanntmachung des Präsidenten der Magdeburgischen Kriegs- und Domänenkammer an alle Jäger und Förster

128

2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

n. Das Gründungsjahr des Feldjägerregiments 1. Die überwiegende Ansicht in der Literatur Obgleich der König in dieser Kabinettsorder recht eindeutig von der Errichtung des „Corps Feld-Jäger zu Fuß" und nicht etwa von dessen Verstärkung, Verselbständigung oder Erneuerung spricht, geht die weit überwiegende Meinung in der einschlägigen Literatur davon aus, daß es ein Fußjägerkorps auch schon vor dem Jahre 1744 gegeben habe. So behaupten etwa von Rentzell und Voigt, daß Friedrich der Große schon bald nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1740 die Aufstellung einer Jäger-Abteilung angeordnet habe, die jedoch nach dem ersten Schlesischen Krieg wieder aufgelöst worden sei.2 Demgegenüber geht Gumtau davon aus, daß das Jägerkorps zu Fuß zeitgleich mit dem Reitenden Feldjägerkorps unmittelbar vor dem Ausbruch des ersten Schlesischen Krieges gegründet worden sei; danach habe es bis ins Jahr 1744 hinein unverändert fortbestanden und sei zu Beginn des zweiten Schlesischen Krieges beträchtlich vermehrt worden. 3 Auch Droysen, Ewald, Groehler, Vogt, Wernitz und Zimmermann sind der Ansicht, daß das seit 1740 bestehende Feldjägerkorps zu Fuß im Jahre 1744 lediglich verstärkt worden sei.4 Wiederum eine gänzlich andere Ansicht vertritt Jeep: Zwar ist auch er davon überzeugt, daß das Feldjägerkorps schon vor dem ersten Schlesischen Krieg gegründet worden ist, denn er bezieht sich insoweit auf die Stammliste des preußischen Heeres von 1785, derzufolge das ,Jäger-Corps zu Fuß" im Jahre 1740 „auf 50-60 Mann" errichtet und vom Major Franz Chevalier de Chasot kommandiert worden sein soll. Auf der anderen Seite steht für ihn aber fest, daß dieser Major de Chasot ein Angehöriger des Reitenden Feldjägerkorps war. Daraus zieht er dann die Schlußfolgerung, daß Feldjäger zu Fuß bereits im ersten Schlesischen Krieg vorhanden gewesen seien, jedoch noch keine eigen-

seiner Provinz vom 22.06.1744, mit der er auf die A. K. O. vom 15.06.1744 reagierte. Darin heißt es u.a.: „Daher befehle ich Euch, alle ersinnliche Mühe zu geben, Seiner Königlichen Majestät Befehle und Intention hierunter zu erfüllen, und zudem Euch, wofern Ihr nicht selbst erwachsene Söhne habt, so sich zu dem zu errichtenden FeldJäger Corps schicken, andere geschickte und, so viel möglich ist, einheimische ehrliche Jäger-Bursche dazu zu engagiren, und so bald Ihr einen oder mehr aufgefunden, selbige sofort nach Maßgebung der Königlichen Cabinets-Ordre dem Herrn GeneralMajor und Hofjägermeister Grafen von Hacke zu adressiren und abzuschicken, Euch sodann, wenn Ihr dergleichen Jäger-Bursche oder von Euren Söhnen jemand engagirt und abgeschickt, an die hiesige Königliche Kriegs- und Domainen-Cammer wie viel und was es vor Leuthe gewesen, Bericht zu erstatten." (GStA PK IL HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II Nr. 57, Bl. 5 d.A.). 2 von Rentzell, S. 3; Voigt, Band 5, S. 379. 3 Gumtau I, S. 18; vgl. auch Rink, S. 19. 4 Droysen, S. 76; Ewald, S. 34; Groehler, S. 82; Vogt, S. 247; Wernitz, S. 11; Zimmermann, S. 99; ähnlich auch N. N., Soldatenfreund 51, S. 666.

A. Die Gründung des Feldjägerregiments

129

ständige Formation dargestellt hätten und aus diesem Grunde in organisatorischer Hinsicht dem Reitenden Feldjägerkorps angeschlossen worden seien. Im Jahre 1744 habe dementsprechend lediglich eine Verselbständigung der Strukturen der in ihren Umrissen schon zuvor erkennbaren Truppengattung stattgefunden.5 Zu einem ähnlichen Ergebnis ist vor Jeep bereits Lange gekommen, der jedoch keine vergleichbare Beweisführung vorgenommen hat.6 Auch die etwas widersprüchlichen Ausführungen Heyms, der einerseits davon spricht, daß das Fußjägerkorps beim Ausbruch des zweiten Schlesischen Krieges „gebildet" worden sei, andererseits aber behauptet, es sei 1744 „vermehrt" worden, deuten letztlich auf eine Übereinstimmung mit Jeep hin: Zwar hält er es für wahrscheinlich, daß das Feldjägerkorps zu Fuß erst zu Beginn des Jahres 1741 und nicht schon 1740 errichtet worden ist, doch gibt auch er damit einen Gründungszeitpunkt an, der vor dem Jahre 1744 liegt, und formuliert darüber hinaus, das Fußjägerkorps sei „wohl zunächst mit dem ^Reitenden Feldjägerkorps vereinigt" gewesen.7 Hingegen geht das neuere Schrifttum ohne jede weitere Begründung teilweise davon aus, daß das Jägerkorps zu Fuß im Jahre 1741 als selbständige neue Waffengattung des preußischen Heeres aufgestellt worden sei.8 Schließlich heißt es noch bei von Braunschweig-Bevern, daß „die beyden Feld-Jäger-Compagnien zu Fuß [...] zwischen dem Kriege von 1740 und 1744 errichtet" und erst „im lauff des Krieges von 1756 bis 1763 [...] noch mit zwey Compagnien verstärkt worden" seien.9 2. Die Gegenargumente Obwohl die im Vorstehenden skizzierten Auffassungen trotz ihrer Verschiedenartigkeit im Detail allesamt darin übereinstimmen, daß auch schon vor dem Jahre 1744 ein Fußjägerkorps existiert habe, gibt es doch eine Reihe gewichtiger Argumente, die gegen eine solche Annahme sprechen. So ist zunächst schon festzustellen, daß diejenigen Ansichten, die vom Vorhandensein eines Jägerkorps zu Fuß zum Zeitpunkt des Erlasses der A. K. O. vom 15.06.1744 ausgehen, in einen unauflöslichen Widerspruch zum Wortlaut des königlichen Befehls geraten, da dort von der Errichtung dieser Truppe die Rede ist. Aber auch die Meinung, daß die Kabinettsorder eine im ersten Schlesischen Krieg gegründete 5

Jeep, S. 36. Lange, S. 46; auch die Äußerungen Gumtaus in einer späteren Publikation (Zeitschrift Krieg 55, S. 84) zielen in diese Richtung. 7 Heym\ S. 7 Fn. 1. 8 Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 300; Schumann, S. 783; Umdruck SFJg StDst, S. 9; Williamson, S. 3; so auch -schon von Bredow, S. 46, der jedoch auf S. 196 und S. 256 jeweils den 15.06.1744 als Gründungsdatum angibt. 9 von Braunschweig-Bevern, S. 272. 6

9 Schütz

130

2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

und anschließend wieder aufgelöste Institution erneuert habe, ist mit der Bedeutung des Begriffs „errichten" nur schwer in Einklang zu bringen. Das gleiche gilt schließlich ebenfalls für die Behauptung, der König habe eine bestehende Formation ohne eigenständige Organisationsstruktur lediglich mit einer solchen versehen wollen, denn daß „errichten" im Sinne von „verselbständigen" zu lesen sein soll, ist semantisch nur mit erheblichem Aufwand zu begründen. Noch deutlicher werden die Differenzen zwischen den genannten Ansichten und dem Inhalt der A. K. O. vom 15.06.1744 aber durch einen Blick auf den Bericht des Präsidenten der Mindener Kriegs- und Domänenkammer an den Grafen von Hacke vom 07.07.1744. Darin heißt es nämlich u.a.: „Es haben Seine königliche Majestät in Preußen, unser allergnädigster Herr, Uns befohlen, behufs des neu zu errichtenden Feld-Jäger-Corps zu Fuß einige gute Jäger-Bursche, worauf man sich verlassen kann, zu engagiren und an Euer Hochwohlgeboren abzusenden."10 Demnach stellte also das „Feld-Jäger-Corps zu Fuß" für den Kammerpräsidenten, der doch als zeitgenössischer Behördenleiter mit den Institutionen der preußischen Armee bestens vertraut sein mußte, eine neue Einrichtung dar, denn er gibt den Inhalt der an ihn gerichteten Kabinettsorder wieder, indem er davon spricht, daß das Korps neu zu errichten sei. Von einer erneuten oder neuerlichen Gründung bzw. einer Verselbständigung des Fußjägerkorps ist dagegen überhaupt nicht die Rede. Wenn aber schon für einen Zeitgenossen, der aufgrund seiner herausgehobenen Position über genügend eigenes Fachwissen, zumindest aber über fachkundige Berater verfügen konnte, feststand, daß nach dem Inhalt der an ihn gerichteten A. K. O. das Jäger-Corps zu Fuß neu geschaffen werden sollte, so bleibt für andere Auslegungen der vom König gewählten Formulierung ex post nur wenig Spielraum, zumal diese keineswegs in Einklang mit dem am nächsten liegenden Wortsinn stehen. In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus auch noch die Feststellung von Bedeutung, daß die Berliner Zeitungen erstmals im Juli 1744 in ihrer Berichterstattung über die Ereignisse in der Residenzstadt zwischen einem , Jäger-Corps zu Pferde" und einem , Jäger-Corps zu Fuß" differenzierten. So heißt es etwa in der Spenerschen Zeitung vom Dienstag, dem 21. Juli 1744: „Vorigen Sonnabend, frühe, erhoben sich Se. Majestät, der König, in den hiesigen Thier-Garten, und besahen allda die beyden Jäger-Corps zu Pferde, und zu Fuß." In ähnlicher Weise berichtet die Zeitung dann unter dem 15.08.1744, daß „aus Potsdamm [...] die Jäger-Corps zu Pferde und zu Fuß" aufgebrochen seien. Demgegenüber konnte bei der Durchsicht aller Ausgaben sowohl der Spenerschen als auch der Vossischen Zeitung, die zwischen November 1740 und Juli 1744 erschienen sind, nicht ein einziger Bericht gefunden werden, der in einer

10

GStA PK E. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II Nr. 57, Bl. 10 f. d.A.

A. Die Gründung des Feldjägerregiments

131

vergleichbaren Weise reitende Jäger von Fußjägern unterscheidet. Vielmehr ist in diesem Zeitraum ausschließlich von „dem Jäger-Corps" die Rede. Da aber das Reitende Feldjägerkorps unbestritten schon am 24.11.1740 gegründet worden ist, läßt sich die Tatsache, daß die Berliner Zeitungen erst seit Juli 1744 die Notwendigkeit empfunden haben, das ,Jäger-Corps zu Pferde" von dem , Jäger-Corps zu Fuß" abzugrenzen, überhaupt nur dann sinnvoll erklären, wenn man von einem erstmaligen Auftreten des Fußjägerkorps im Jahre 1744 ausgeht. Schließlich läßt sich in Gestalt der Motive, die Friedrich den Großen nach einhelliger Ansicht bewogen haben, ein Feldjägerkorps zu Fuß zu gründen, noch ein weiterer Umstand anführen, der gegen die Existenz einer solchen Einrichtung schon im ersten Schlesischen Krieg spricht. Insoweit wird davon ausgegangen, daß der König das Fußjägerkorps geschaffen habe, weil er den leichten Truppen in der österreichischen Armee keine gleichwertigen Formationen entgegensetzen konnte. 11 Maria Theresia war es nämlich gelungen, einen Soldatentypus heranzuziehen, der das Handwerk des sogenannten „kleinen Krieges" durch die erbitterten Konflikte mit den Türken, die in den österreichischen Grenzländern unverändert anhielten, vollkommen beherrschte und zudem dem Hause Habsburg so ergeben war, daß eine Desertion selbst im zerstreuten Gefecht nicht befürchtet werden musste.12 Im Gegensatz dazu belegen zahlreiche Äußerungen Friedrichs des Großen, daß er es bis zu seinem Tode nicht vermocht hat, das Wesen der leichten Truppen, die der militärischen Welt im Zeitalter einer mathematisch begründeten Lineartaktik ohnehin geradezu suspekt vorkommen mußten, richtig zu begreifen. 13 Demzufolge wäre es aber lebensfremd anzunehmen, daß Friedrich die Bedeutung der österreichischen leichten Truppen, die er als „Schwefelbande", „böses Volk" oder „exerrables Geschmeiß" bezeichnete,14 schon erkannt hatte, bevor er in einer bewaffneten Auseinandersetzung Erkenntnisse über deren Leistungsfähigkeit gewinnen konnte. Vielmehr muß es angesichts seiner Abneigung gegenüber den leichten Truppen als wahrscheinlich bezeichnet werden, daß er erst durch den Schaden, den die Kroaten und Panduren seinen Linientruppen im ersten Schlesischen Krieg zugefügt hatten, indem sie Nachschubwege unterbrachen und die Nachrichtenübermittlung störten, 15 von der Notwendigkeit der Aufstellung eines Gegengewichts überzeugt worden ist. 1 6 Obwohl diese Erwägung letztlich nicht objektiviert werden kann und daher hypothetischer Natur bleiben muß, stellt sie

11 12 13 14 15 16

9*

Böckle, S. 83; N. N., Soldatenfreund 51, S. 666; Roeder, S. 3. Gumtau I, S. 17; Wernitz, S. 8. Dazu ausführlich Wernitz, S. 20 ff. m.w.N. Vgl. Groehler, S. 82; Rink, S. 20 m.w.N. in Fn. 12 und 13; Wernitz, Vgl. dazu wiederum Wernitz, S. 11. So auch Böckle, S. 114.

S. 30.

132

2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

doch ein weiteres Argument gegen die Auffassung dar, daß das , Jäger-Corps zu Fuß" schon vor dem Jahre 1744 aufgestellt worden ist. 3. Die unberittenen Jäger im ersten Schlesischen Krieg Faßt man nun die bislang erzielten Ergebnisse zusammen, so ergibt sich das Problem, daß einerseits der überwiegende Teil des Schrifttums von einer spätestens während des ersten Schlesischen Krieges erfolgten Aufstellung des Fußjägerkorps ausgeht, andererseits aber eine Reihe gewichtiger Argumente gegen eine solche Annahme spricht. Dieser Befund zwingt dazu, die in der Literatur vorherrschende Meinung zu überprüfen. Dabei stellt man allerdings sofort fest, daß die Prämisse, von der die betreffenden Autoren ausgehen, ohne Zweifel zutreffend ist, denn im ersten Schlesischen Krieg hat es tatsächlich unberittene Jäger gegeben. Schon im ersten Kapitel dieses Teils der Arbeit ist darauf hingewiesen worden, daß die von Friedrich dem Großen in der A. K. O. vom 08.02.1742 angeordnete Verstärkung des Reitenden Feldjägerkorps zu einem Anwachsen der Personalstärke dieser Truppe auf 110 Mann geführt hatte, von denen aber nur 60 beritten waren [s.o. das 1. Kapitel, B. III. 1. a)]. Nicht zu bestreiten ist also, daß aufgrund der königlichen Kabinettsorder Jägerburschen eingezogen worden waren, die in der Kürze der Zeit nicht mehr mit einem Pferd ausgestattet werden konnten. 17 Naturgemäß haben diese Jäger dann auch ihre Dienstleistungen im weiteren Verlauf des ersten Schlesischen Krieges zu Fuß erbracht, sofern es bis zum Ende des Krieges nicht gelungen ist, sie beritten zu machen. Daraus kann aber nun keineswegs der von der überwiegenden Literaturmeinung propagierte Schluß gezogen werden, daß die ihre Aufgaben zu Fuß erfüllenden Jäger den Stamm des späteren Fußjägerkorps darstellten. Insoweit übersehen die diesen Standpunkt vertretenden Autoren nämlich nicht nur die oben aufgezeigten Indizien und Argumente, die gegen eine solche Annahme sprechen, sondern ignorieren darüber hinaus auch noch den Umstand, daß die unberittenen Jäger als Angehörige des Reitenden Feldjägerkorps zur Armee gestoßen sind. Aus diesem Grunde hatten sie genau die gleichen Obliegenheiten zu erfüllen wie ihre berittenen Kameraden und wurden demzufolge als Wegweiser, Kolonnenführer oder zur Bedekkung des Hauptquartiers eingesetzt, während die Verwendungsweise der Fußjäger seit dem zweiten Schlesischen Krieg aufgrund ihrer Bestimmung, die leichten Truppen der preußischen Armee zu verstärken, eine gänzlich andere war. 18 Auch waren diejenigen unter ihnen, die bei Kriegsende entlassen wurden, aus17

Vgl. dazu auch: Gumtau, Zeitschrift Krieg 55, S. 83; von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 496, und Jany II, S. 22. 18 Das räumen auch Gumtau, Zeitschrift Krieg 55, S. 83; ders., Soldatenfreund 9, S. 3365; Heym\ S. 7 Fn. 1; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 300, und Vogt, S. 247, ein.

A. Die Gründung des Feldjägerregiments

133

schließlich dazu bestimmt, den Personalersatz für das Reitende Feldjägerkorps zu stellen, da Friedrich in der A. K. O. vom 29.10.1742 angeordnet hatte, daß die ausgeschiedenen Korps-Angehörigen in erster Linie zu Ergänzungszwecken herangezogen werden sollten, und es sich bei den Entlassenen um die unberittenen Jäger gehandelt hat [s.o. das 1. Kapitel, B. m . 1. a)]. Demgegenüber verweisen Gumtau und Heym zur Begründung ihrer Ansicht zwar auf eine Namensliste vom 25.09.1741, in der unter der Überschrift „Liste derer sämbtlichen Feldjäger so woll zu Pferde, als zu Fuß" die reitenden und die unberittenen Jäger getrennt aufgeführt wurden. 19 Indessen ist diese Tatsache bei genauer Betrachtungsweise nicht geeignet, die von ihnen aufgestellte These zu stützen, denn zum einen ist es nicht ungewöhnlich, daß bei der Erfassung des Personalbestandes des Reitenden Feldjägerkorps diejenigen Jäger, die nicht beritten waren und daher noch mit einem Pferd ausgerüstet werden mußten, gesondert aufgeführt worden sind, und zum anderen werden in einer zeitlich späteren Namensliste beinahe alle Personen, die im September 1741 noch als Feldjäger zu Fuß geführt wurden, als reitende Feldjäger bezeichnet.20 Aus all dem kann daher nur gefolgert werden, daß die unberittenen Jäger im ersten Schlesischen Krieg weder eine selbständige Formation bildeten noch eine in Ansätzen schon erkennbare Truppengattung darstellten, die lediglich aufgrund fehlender eigener Organisationsstrukturen an das Reitende Feldjägerkorps angeschlossen war. Vielmehr gehörten sie in jeder Hinsicht ausschließlich dem Reitenden Feldjägerkorps an; sie waren also nicht etwa „Fußjäger", sondern „reitende Feldjäger ohne Pferd". Die gegenteiligen Ansichten des überwiegenden Schrifttums gehen folglich unabhängig davon, wie sie im Detail ausgestaltet sind - zwar übereinstimmend von einer zutreffenden Prämisse aus, kommen jedoch infolge unrichtiger Schlußfolgerungen zu einem falschen Ergebnis, denn nur dann, wenn man wie hier - die Feldjäger, die im ersten Schlesischen Krieg ihre Aufgaben zu Fuß erfüllten, als Angehörige des Reitenden Feldjägerkorps einstuft, kann man ihr Auftreten widerspruchsfrei in Beziehung setzen zu den oben dargestellten Argumenten und Indizien, die gegen eine Errichtung des Fußjägerkorps in den Jahren 1740 oder 1741 sprechen. Damit steht nun aber fest, daß die Gründung des Feldjägerkorps zu Fuß nicht schon, wie von der herrschenden Meinung in der Literatur angenommen, im ersten Schlesischen Krieg erfolgt ist, sondern erst im Jahre 1744.21

19 Gumtau, Zeitschrift Krieg 55, S. 84; Heym\ S. 7 Fn. 1; die Liste konnte im Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht mehr aufgefunden werden. 20 Auch dies müssen Gumtau, Soldatenfreund 9, S. 3365, und Heym\ S. 7 Fn. 1, zugestehen.

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

B. Das 19. Jahrhundert I. Die Stärke und die Gliederung des Feldjägerregiments Obschon die A. K. O. vom 15.06.1744 keinerlei Informationen darüber enthält, in welcher Stärke bzw. in welcher Gliederung das Feld-Jäger-Corps zu Fuß errichtet werden sollte, findet sich in der einschlägigen Literatur nahezu einhellig die Angabe, daß aufgrund dieser königlichen Anordnung 300 Feldjäger eingezogen und auf zwei Kompanien verteilt wurden. 22 Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges sollen es dann schon 400 Mann gewesen sein, die dem Fußjägerkorps angehörten. 23 Sicher ist jedoch nur, daß die gesamte Einheit mit Ausnahme einiger berittener Offiziere am 01.10.1760 anläßlich des vergeblichen Versuchs, Berlin gegen die Russen zu verteidigen, auf dem Rückzug nach Spandau in der Nähe von Charlottenburg in Kriegsgefangenschaft geraten ist. 2 4 Indessen hat Friedrich der Große offenbar schon im November 1760 die sofortige Wiederaufstellung des Jägerkorps angeordnet, denn unter dem 27.11.1760 schrieb der Generalmajor von Krusemarck an das Generaldirektorium:

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So im Ergebnis auch: Böckle, S. 82 und S. 114; von Bredow, S. 196 und S. 256 (falsch jedoch auf S. 46); von Helldorf, Neue mil. Bl. 44, S. 496; ders., Neue mil. Bl. 45, S. 15; Jany II, S. 86; Jentsch, S. 5; Roeder, S. 3 f.; von Voß, S. 8. 22 Vgl. nur Gumtau I, S. 18; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 17; N. N., Soldatenfreund 51, S. 666; Umdruck SFJg StDst, S. 9; Vogt, S. 247. Lediglich Jany II, S. 86, gibt unter Bezugnahme auf eine weitere A. K. O. vom 15.06.1744 die vom König gewollte Stärke mit 200 Mann an und führt dann weiter aus, daß im August 1744 überhaupt erst 103 Feldjäger hätten eingezogen werden können. Die von Jany erwähnte A. K. O. ist zwar heute nicht mehr nachweisbar, wird aber durch von Rentzell, S. 4, zitiert. Danach hat der König dem Generalmajor von Hacke tatsächlich mitgeteilt, daß „Ich denn auch gerne die 200 Jägers zu Fuß auf 2 Compagnien zu 5 Unterofficiers und 100 Feldjägers eingerichtet haben möchte." Gleichwohl steht auch von Rentzell auf dem Standpunkt, daß die Anfangsstärke des Fußjägerkorps 300 Mann betragen habe (S. 5). Eine Entscheidung zwischen den beiden divergierenden Behauptungen ist jedoch aufgrund des bis zum Siebenjährigen Krieg gänzlich fehlenden Primärquellenmaterials nicht möglich. Diese Überlieferungslücke ist im übrigen nicht auf kriegsbedingte Aktenverluste zurückzuführen, denn Gumtau I, S. 21, und von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 17, beklagten schon im 19. Jahrhundert die mangelhafte Quellenlage. 23 von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 17; Lange, S. 46; N. N., Soldatenfreund 51, S. 667; Voigt, Band 5, S. 379; Zimmermann, S. 99. Einzig Jany II, S. 384, ist wiederum anderer Ansicht. Nach seinem Dafürhalten war das Jägerkorps zu Beginn des Siebenjährigen Krieges nach wie vor 200 Mann stark und erhielt erst durch eine A. K. O. vom 10.02.1757 zum 01.03. des Jahres einen Stärkeetat von 6 Offizieren, 10 Obeijägern und 300 Jägern. Inwieweit dies zutrifft, läßt sich allerdings aus den oben in Fn. 22 genannten Gründen heute nicht mehr feststellen. 24 Böckle, S. 115; Droysen, S. 76; Lange, S. 46; von Rentzell, S. 13; Vogt, S. 247, Voigt, Band 5, S. 380; Zimmermann, S. 99. Eine ausführliche Schilderung dieses Ereignisses findet sich bei Gumtau I, S. 39 f.

B. Das 19. Jahrhundert

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„Es haben Seine Königliche Majestät allergnädigst resolviret, das in die Russische Kriegsgefangenschaft verfallene Jäger-Corps zu Fuß wiederum zu completiren und daher allergnädigst befohlen, soviel Jäger-Bursche aus dem Lande kommen zu lassen als daselbst nur immer zu haben seyn."25 Während die Größenordnung der durch von Krusemarck angesprochenen Neuformierung des Fußjägerkorps allgemein mit drei Kompanien wiedergegeben wird, 2 6 herrscht in der Literatur bezüglich des Ergebnisses der weiteren Rekrutierungskampagnen seit dem Jahre 1761 wiederum keine Einigkeit: Die Zahlenangaben für die bei Kriegsende erreichte Stärke schwanken daher zwischen 600 und 1000 Mann. 27 Fest steht demnach lediglich, daß das Feldjägerkorps zu Fuß beim Friedensschluß im Jahre 1763 mindestens aus 4 Kompanien bestanden und folglich erstmals Bataillonsstärke erreicht hatte. Die nach dem Siebenjährigen Krieg vollständig zerrütteten Staatsfinanzen gestatteten es Friedrich dem Großen jedoch nicht, das Jägerkorps als Bataillon 25

GstA PK H. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II, Nr. 57, Bl. 19 d. A. von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 19; Lange, S. 46; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 19; N. N., Soldatenfreund 51, S. 667. 27 Böckle, S. 115, und N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 20, sprechen von 600, Groehler, S. 82, Gumtau I, S. 41, von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 21, und von Rentzell, S. 14, dagegen von 800 Mann. Einen Stärkeetat von 1000 Mann nimmt indessen allein Jany II, S. 618, an. Infolge fehlenden Primärquellenmaterials läßt sich erneut keine abschließende Bewertung der erwähnten Auffassungen vornehmen. Nachgewiesen werden kann nur, daß seit Dezember 1761 nochmals umfangreiche Ergänzungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. So schrieb der Generalmajor von Krusemarck unter dem 22.12.1761 an das Generaldirektorium: „Auf Seiner Königlichen Majestät allergnädigsten Befehl soll ich Eurem königlichen hochlöblichen General-OberFinanz-Kriegs- und Domänen-Directorio hierdurch zu melden nicht ermangeln, denen sämtlichen Kriegs- und Domänen-Cammern der vom Feinde nicht occupirten Königlichen Provinzen auf das förderlichste bekannt zu machen, daß da Allerhöchstdieselben zur Rekrutirung und Completirung dero Feldjäger-Corps zu Fuß einige hundert gelernte Jägers nöthig haben, Seine Königliche Majestät allergnädigst wollen, daß die Oberforstmeister jeder sechs Jäger und ein jeder Landjäger, Förster, Unterförster und überhaupt alle diejenigen Forst-Bediente, welche Burschen halten, einen dergleichen zum Feldjäger-Corps zu Fuß gestellen" (GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II Nr. 57, Bl. 22 d.A.). Schon am 31.12.1761 hatte dann beispielsweise die Kurmärkische Kammer einen Formularvordruck erstellt, mit dem sie sich im Sinne des Schreibens von von Krusemarck an „alle diejenigen Forst-Bedienten welche Jäger, oder Lehr-Bursche halten, ohne Ausnahme", gewandt hat (GStA PK IV. HA B Nr. 707, ohne Blattangabe). Gleichwohl meldeten im Laufe der beiden ersten Monate des Jahres 1762 die Pommersche, die Neumärkische, die Magdeburgische, die Hammersche, die Ostfriesische, die Kurmärkische, die Mindensche sowie die Halberstädtische Kammer aus den unterschiedlichsten Gründen dem Generaldirektorium erhebliche Schwierigkeiten bei der Rekrutierung (GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel H Nr. 57, Bl. 25 f.; 33-35; 43; 57-63; 76a-77 d.A.). Dementsprechend ist auch einer Namensliste vom 19.02.1762 zu entnehmen, daß anstelle der vom König erwarteten mehreren hundert neuen Korps-Angehörigen lediglich 59 hatten hinzugewonnen werden können (GStA PK, a.a.O., Bl. 69 d.A.). Davon ausgehend muß es allerdings als in höchstem Maße zweifelhaft bezeichnet werden, daß das Fußjägerkorps bis 1763 tatsächlich eine Stärke von 800 oder gar 1000 Mann erreicht hatte. 26

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

beizubehalten. Aus diesem Grunde reduzierte er es durch die Entlassung insbesondere der älteren Jahrgänge auf zwei Kompanien, denen Mittenwalde und Teupitz als Garnisonen zugewiesen wurden. 28 Erst nachdem es 10 Jahre später gelungen war, den Staatshaushalt weitestgehend zu sanieren, baute der König das Fußjägerkorps wieder zu einem Bataillon aus, das in fünf Kompanien mit je 120 Feldjägern unterteilt war. 29 Seit dieser Zeit finden sich demgemäß auch Bezeichnungen wie „Feldjägerbataillon zu Fuß" oder „Fußjägerbataillon". 30 Anläßlich des Bayerischen Erbfolgekrieges wurde dann das Fußjägerbataillon aufgrund einer entsprechenden Anordnung in der A. K. O. vom 04.05.1778 um eine sechste Kompanie erweitert, so daß es nach erfolgtem Friedensschluß über insgesamt 25 Offiziere, 48 Oberjäger und 720 Feldjäger verfügte. 31 Noch in seinen letzten Regierungsjahren beschloß Friedrich der Große eine erneute Verstärkung seiner Jägertruppe, da er bei der Analyse des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges zu der Überzeugung gelangt war, daß der Kampf der leichten Truppen in aufgelockerter Formation der Lineartaktik unter bestimmten Voraussetzungen überlegen sein konnte. 32 Aus diesem Grunde befahl er in der A. K. O. vom 01.01.1784 eine schrittweise Vermehrung des Feldjägerbataillons, die innerhalb der folgenden zwei Jahre abgeschlossen sein sollte. 33 Der Umfang der vom König geplanten Aufrüstung des Feldjägerbataillons zu Fuß geht aus einem Rundschreiben vom 31.03.1784 hervor, mit dem das Gene-

28 von Braunschweig-Bevern, S. 178 und S. 272; Gumtau I, S. 48; Jany HI, S. 12; Lange, S. 46; von Rentzell, S. 14; Voigt, Band 5, S. 379 und S. 386. 29 Böckle, S. 88 und S. 115; von Bredow, S. 196 und S. 256; Jany m, S. 29; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 23; N. N., Soldatenfreund 51, S. 667; Vogt, S. 247; Voigt, Band 5, S. 379. Statt Teupitz wurde Zossen Garnison, wo seither zwei Kompanien untergebracht waren. 30 Groehler, S. 82; von Rentzell, S. 15; Voigt, Band 5, S. 379. 31 Böckle, S. 115; Gumtau I, S. 54 f.; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 24 f.; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 25 f.; von Rentzell, S. 16; Voigt, Band 5, S. 379. Jany EI, S. 128, berichtet darüber hinaus noch von einem zusätzlichen Bataillon sächsischer Jäger, die aufgrund einer zwischen Preußen und Sachsen geschlossenen Konvention für die Dauer des Bayerischen Erbfolgekrieges in preußischen Diensten standen, ohne aber mit dem Feldjägerbataillon etwas gemeinsam zu haben. Nach Kriegsende wurde das Bataillon der sächsischen Jäger vereinbarungsgemäß wieder aufgelöst. 32 N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 28. Nach Wernitz, S. 135, waren für den Entschluß, die Jägertruppe auszubauen, fernerhin auch die Erfahrungen, die Friedrich im Bayerischen Erbfolgekrieg gemacht hatte, ausschlaggebend, da dieser überwiegend aus örtlichen Stellungsgefechten und Kleinkriegsaktionen bestanden hatte. 33 Böckle, S. 116; von Bredow, S. 196 und S. 256; Groehler, S. 82; Lange, S. 47; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 32, S. 301; Umdruck SFJgStDst, S. 10. Jany III, S. 130, berichtet, daß der König den Ausbau des Fußjägerbataillons schon im September 1781 geplant hatte, aber aus pekuniären Gründen wieder davon Abstand nehmen mußte. Ausführlich zu den früheren Überlegungen Friedrichs: von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 26.

B. Das 19. Jahrhundert

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raldirektorium sämtliche Oberforstmeister der Monarchie über dieses Vorhaben informierte, denn darin heißt es u.a.: „Des Königs Majestät wollen das Feld-Jäger-Corps zu Fuß annoch mit 4 Compagnien augmentieren lassen, [. ..]." 34 Nachdem diese Zielsetzung dann im Juni 1786 verwirklicht worden war, legte Friedrich der Große in der A. K. O. vom 20.06.1786 die endgültige Gliederung seiner Jägertruppe fest. Danach war diese zukünftig als ein Regiment organisiert, das aus zwei Bataillonen mit je 5 Kompanien bestand, die jeweils 4 Offiziere, 10 Unteroffiziere und 120 Feldjäger umfassten. 35 Dementsprechend wurde die preußische Jägertruppe von nun an als „Regiment Fußjäger" bzw. ,»Feldjägerregiment zu Fuß" bezeichnet.36 Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß sich unter denjenigen Truppen, die Preußen 1791 infolge des Kaufs der beiden hohenzollernschen Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth zugefallen waren, auch ein Jägerbataillon befand. Dieses war jedoch vom letzten Markgrafen Karl Alexander noch bis 1794 an Holland „verpachtet" worden, so daß der preußische König erst nach Ablauf der vereinbarten Zeit in holländischen Diensten darüber verfügen konnte. Nachdem dieser Zeitpunkt gekommen war, befahl Friedrich Wilhelm IL in der A. K. O. vom 23.09.1794 dann die Umgliederung des ansbach-bayreuthischen Jägerbataillons in zwei Kompanien nach preußischem Muster, die dem Feldjägerregiment hinzugefügt werden sollten. 37 Dergestalt auf zwölf Kompanien angewachsen, wurde das Feldjägerregiment nach dem Frieden von Basel durch die

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GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II Nr. 57, Bl. 82 d.A.; die neuen Kompanien sollten je zur Hälfte in Müncheberg und Fürstenwalde stationiert sein, vgl. N. N., Soldatenfreund 51, S. 667; von Rentzell, S. 18; Voigt, Band 5, S. 386. 35 Jany m, S. 130; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 28; ausführlich zum Verlauf der zweieinhalbjährigen Ausbaumaßnahmen: Gumtau I, S. 68 ff., und von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 26-34, der sehr viele heute nicht mehr auffindbare Primärquellen zitiert (u.a. die im Text erwähnte A. K. O. vom 20.06.1786). Von Rentzell, S. 16 ff., zitiert ebenfalls einige der zahlreichen Einzel Weisungen Friedrichs aus der Zeit zwischen 1784 und 1786, darunter auch die A. K. O. vom 16.10.1784, in der der König die Anforderungen, die an das neu aufzunehmende Feldjägerpersonal gestellt werden sollten, vorgegeben hatte: „Ihr müßt vorzüglich auf starke, robuste und gesunde Leute sehen, die was aushalten können, denn solche, die eine enge Brust oder dünne Füße haben, taugen nichts" (S. 16). 36 N. N., Soldatenfreund 51, S. 667; von Rentzell, S. 16; Voigt, Band 5, S. 379. 37 Böckle, S. 116; Gumtau I, S. 142 f.; Jany III, S. 234 und S. 345 f.; Lange, S. 47; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 48; N. N., Soldatenfreund 51, S. 667. Für die beiden Kompanien war Treuenbrietzen als Garnison vorgesehen worden, doch haben sie sich tatsächlich zu keiner Zeit dort aufgehalten, weil sie der in Westfalen stationierten Observationsarmee, die die im Basler Frieden vom 05.04.1795 festgelegte Demarkationslinie zwischen Preußen und Frankreich zu überwachen hatte, zugeteilt worden waren und aus diesem Grunde bis 1806 ununterbrochen in mobilem Zustand verblieben (vgl. Gumtau I, S. 145 f.; Jany EI, S. 301 und S. 345; Voigt, Band 5, S. 379).

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

A. K. O. vom 29.04.1795 in drei Bataillone unterteilt. 38 In dieser Formation blieb es sodann bis zu seiner Auflösung im Jahre 1808 unverändert bestehen.

IL Die Verwendungsweise des Feldjägerregiments 1. Der Kriegseinsatz Einerseits bedingt durch die in der zeitgenössischen militärischen Welt vorherrschende Denkweise, derzufolge die Kleinkriegführung etwas Verachtenswertes darstellte, und andererseits aufgrund der allenfalls dürftigen Erkenntnisse Friedrichs des Großen über die Einsatzoptionen seiner leichten Truppen, herrschte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in der preußischen Armee noch weitgehend Unklarheit über die zweckmäßige Verwendung der Fußjäger im Krieg. 39 Nicht einmal den für die Operationsführung zuständigen höheren Kommandeuren ist es in dieser Zeit gelungen, feststehende Einsatzgrundsätze herauszuarbeiten,40 denn ihr Hauptaugenmerk lag immer noch auf der Linieninfanterie, von der die leichten Truppen strikt getrennt wurden. 41 Dementsprechend ist auch im gesamten 18. Jahrhundert nicht eine einzige Dienstvorschrift für das Feldjägerregiment verfaßt worden, 42 so daß es sowohl den Befehlshabern als auch den Fußjägern gänzlich an einer Unterweisung in der Kunst des zerstreuten Gefechts fehlte, für das gerade letztere als Teil der leichten Infanterie prädestiniert gewesen wären. 43 Die daraus resultierende Unsicherheit beim Einsatz der Jäger auf dem Gefechtsfeld wird von Droysen anschaulich wie folgt beschrieben: „Weder die Führer wußten, was sie mit ihren Jägern machen, noch die Jäger, was sie thun sollten; von einem Eingreifen in die allgemeine Disposition, von bestimmten eigenthümlichen Thätigkeiten war keine Rede; machten sie einmal den Versuch 38

Jany HI, S. 234; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 48; seine größte Stärke erreichte das Feldjägerregiment indessen erst im Jahre 1802, als aufgrund einer entsprechenden Anordnung in der A. K. O. vom 15.10.1801 der Etat einer jeden Kompanie von 120 auf 150 Feldjäger angehoben wurde, so daß das Regiment seit dieser Zeit aus 51 Offizieren, 120 Unteroffizieren und 1800 Feldjägern bestand (vgl. Gumtau I, S. 144; Jany m, S. 376; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 49; von Rentzell S. 29; Voigt, Band 5, S. 379). 39 Vgl. Wernitz, S. 98 f. m.w.N.; Droysen, S. 76, schreibt in diesem Zusammenhang: „Es scheint, daß man nicht recht zu einer charakteristischen Ausbildung dieser Waffe zu kommen vermochte." 40 Droysen, S. 77, berichtet, daß selbst General Rüchel, der die Potsdamer Herbstmanöver vorbereitete und leitete, die Feldjäger zu Fuß „ihrem Schicksal überließ und sich mit dem regelmäßigen Witz aus der Verlegenheit half, sie seien wie das wilde Heer, das man müsse austoben lassen." 41 Vgl. Wernitz, S. 99 und S. 136. 42 Vgl. Gumtau I, S. 146; Jany III, S. 168; von Rentzell, S. 14; von Voß, S. 9. 43 Gumtau I, S. 34; vgl. auch von Voß, S. 9.

B. Das 19. Jahrhundert

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einer selbständigen Bewegung, so war sie gewiß völlig ungeschickt, am unrechten Ort und zur unrechten Zeit." 44 Aus diesem Grunde zogen es die Befehlshaber zumeist vor, die Fußjäger vom Schlachtfeld fern zu halten und beraubten sich dadurch selbst der Vorteile, die ein „Gefecht der verbundenen Waffen" durch die taktische Verknüpfung des geschlossenen Einsatzes der Linientruppen mit der zerstreuten Ordnung der leichten Infanterie geboten hätte 4 5 Unter diesen Voraussetzungen mußte das Aufgabenspektrum, das den Feldjägern zu Fuß in den Kriegen des 18. Jahrhunderts zugedacht worden war, zwangsläufig hinter den tatsächlichen Möglichkeiten der Truppe weit zurückbleiben. So beschränkte sich der Wirkungskreis der Fußjäger im wesentlichen auf den Dienst in der Avantgarde und der Arrieregarde von Heeresverbänden, auf die Durchführung von Aufklärungs- und Erkundungsaufträgen sowie auf die Wahrnehmung von Sicherungsaufgaben aller Art (Ortsverteidigung, Sicherung der Flanken von Marschkolonnen, Deckung von Nachschubtransporten, Lagerbewachung etc.) 4 6 Bestätigt wird dies durch die Ausführungen Gumtaus, die auf einer umfassenden Analyse des Fußjägereinsatzes insbesondere im Siebenjährigen Krieg beruhen: „Das Grundverhältnis der Jäger war ihre Vertheilung in die Reserve. Aus dieser wurden sie zu besonderen Bestimmungen genommen, wo sich nur eine Gelegenheit für ihre [...] Verwendung ergab. Sie wurden benutzt, um den Marsch der Armee gegen den Feind zu decken; [...]. Sie kamen zur Avant- und Arriere-Garde, wenn das Terrain ihre Verwendung dazu begünstigte. Sie wurden in beiden Verhältnissen an geeigneten Punkten aufgestellt, um das Ganze zu decken und solche nötigenfalls bei einem Angriff zu vertheidigen. In den Stellungen wurden ihnen angemessene Punkte zur Beobachtung und Vertheidigung angewiesen und ihnen dazu die nöthige Unterstützung gegeben. [...]. Um von ihrer Fertigkeit [...] im Patrouilliren Vortheil zu ziehen, wurden sie den Detachements beigegeben, welche zu Recognoscirungen des Feindes und des Terrains ausgesandt wurden. Blieb endlich keine besondere Bestimmung für sie übrig [...], so wurden sie, um Statt ihrer, andere Truppen dadurch für andere Zwecke zu gewinnen, zur Bedeckung des Trains gegeben."47 Vergleicht man nun die dargestellten Aufgaben der Fußjäger mit denen der heutigen Feldjäger, so stellt man fest, daß in ihrem Pflichtenkreis keinerlei Tätigkeiten enthalten waren, die auch nur entfernt einen militärpolizeilichen Charakter aufgewiesen hätten. Im Gegensatz zur Situation beim Reitenden Feldjägerkorps besteht also bei den Aufgaben, die dem Feldjägerregiment zu Fuß in 44

Droysen, S. 77. Vgl. Wernitz, S. 136. 46 Vgl. Böckle, S. 115; Gumtau I, S. 41; von Rentzell, S. 11 f. und S. 14; Umdruck SFJg StDst, S. 9 f.; Wernitz, S. 99 und S. 136; Zimmermann, S. 98. 47 Gumtau I, S. 44 f. 45

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

den Kriegen des 18. Jahrhunderts zugewiesen waren, keine Vergleichbarkeit mit den Obliegenheiten der Bundeswehr-Feldjäger. 2. Der Friedensdienst Ebenso wie dem Kriegseinsatz fehlte es auch dem Friedensdienst des Feldjägerregimentes während des gesamten 18. Jahrhunderts an einer verbindlichen Regelung durch eine Dienstvorschrift. Dies hatte zur Folge, daß die einzelnen Kompaniechefs grundsätzlich in eigener Verantwortung darüber entscheiden konnten, wie sie die Fußjäger verwendeten. Indessen waren die sich für die Einheitsführer daraus ergebenden Möglichkeiten recht beschränkt, denn die allgemein vorherrschende Hilflosigkeit im Umgang mit den leichten Truppen machte sich auch dadurch bemerkbar, daß die meisten Angehörigen des Feldjägerregiments zehn Monate im Jahr beurlaubt waren und lediglich im August und September eingezogen wurden, um an den Herbstmanövern in Potsdam teilnehmen zu können.48 Aus diesem Grunde blieb den den Kompanien vorstehenden Offizieren nur wenig Zeit für eine sinnvolle Verwendung der Fußjäger im Friedensdienst, so daß dieser bis zum Siebenjährigen Krieg neben der Manöverteilnahme lediglich Schießübungen umfasste. 49 Eine darüber hinausgehende militärische Ausbildung fand hingegen nicht statt. 50 Insbesondere aber entwikkelte es sich zu Lebzeiten Friedrichs des Großen zu einer Art Vorrecht der Feldjäger zu Fuß, nicht exerzieren zu müssen, da sie selbst bei offiziellen Truppenparaden vom Marsch in Reih und Glied befreit waren und nach Belieben am König vorüberziehen durften. 51 Erst nach dem Siebenjährigen Krieg wurden im Feldjägerregiment Gefechtsübungen durchgeführt, die der Vorbereitung auf den im Krieg zu erwartenden Einsatz dienten. 52 Die Wirkung dieser Übungen blieb jedoch gering, da ihr Erfolg in Ermangelung einer Dienstvorschrift, die die Verwendungsweise der Fußjäger regelte, ausschließlich von den oft zweifelhaften Fähigkeiten der Offiziere abhing. Zudem führte das Fehlen einer regimentseinheitlichen Instruktion dazu, daß die Gefechtsausbildung in den einzelnen Kompanien unterschiedlich abgehalten wurde. 53 Das dadurch bedingte Ausbleiben einer Verbesserung im Ausbildungsstand der Fußjäger wird durch die Schilde-

48

Gumtau I, S. 50; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 22; von Rentzell, S. 14. Gumtau I, S. 49; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 22. 50 Vgl. N. N., Soldatenfreund 23, S. 16, der zudem in Übereinstimmung mit Gumtau I, S. 50, berichtet, daß den Fußjägern die Ausübung des in der Armee sonst üblichen Linien- und Bataillonsdienstes nach dem Willen des Königs nicht einmal gestattet war (S. 26). 51 Ewald, S. 35; Sandmann, S. 55; von Voß, S. 9; Zimmermann, S. 99. 52 Gumtau I, S. 146. 53 Böckle, S. 88; Gumtau I, S. 146; Jany EI, S. 168. 49

B. Das 19. Jahrhundert

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rang eines Augenzeugen belegt, der die Teilnahme des Regimentes an den Potsdamer Herbstmanövern zu Beginn des 19. Jahrhunderts beobachtet hat: „Die Jäger kamen mit raschen Schritten ohne Tritt daher, die Hüte mit einem grünen Busche geschmückt, dieselben verkehrt (d.h. quer, mit der Spitze nach vorn) zum Schutz gegen die Sonne gesetzt, die Büchse über die Schulter gehangen oder unter dem Arme, die Dachstasche über die andere Schulter, damit der eine Arm freibleibt, die Patronentasche um den Leib geschnallt. So sprangen und krochen sie, zum Teil von ihren Hunden begleitet, in den Gebüschen herum, nur durch den Ruf ihres Flügelhorns befehligt." 54 Im Gegensatz zu der diesen Ausführungen zufolge weitgehend wirkungslosen Gefechtsausbildung gehörte der Exerzierdienst auch nach dem Siebenjährigen Krieg überhaupt noch nicht zu den Verpflichtungen der Feldjäger zu Fuß, obwohl gegen Ende des 18. Jahrhunderts die straffe Exerzierdisziplin zum wichtigsten Kriterium für die Beurteilung des Zustandes einer Truppe geworden war. 55 Verglichen mit der Situation vor dem Siebenjährigen Krieg ist mithin der Umfang derjenigen Obliegenheiten, die von den Fußjägern im Frieden ständig zu erfüllen waren, lediglich durch die geschilderten Ansätze einer regimentsinternen Gefechtsausbildung ausgedehnt worden. Damit steht aber fest, daß der gewöhnliche Friedensdienst im Regiment Feldjäger zu Fuß abgesehen von dieser Ausbildung nur Schießübungen und die Teilnahme an den Herbstmanövern umfaßte. Daneben wurden den Feldjägern zu Fuß allerdings gelegentlich auch noch weitere Aufgaben zugewiesen, die jedoch nicht ständig, sondern vielmehr nur anläßlich von Einzelfällen erfüllt werden mußten. Berichtet wird in diesem Zusammenhang beispielsweise vom Einsatz kleinerer Fußjäger-Abteilungen zur „Vertilgung schädlicher Insekten" oder zur „Absperrang gegen die Einschleppung von Viehseuchen".56 Vor allem aber zog man die Fußjäger seit dem 24.02.1777 für den Fall, daß das Personal des Reitenden Feldjägerkorps nicht ausreichte, zur Unterstützung der Grenzpostierangskommandos entlang der sächsischen Grenze heran. 57 Dementsprechend gehörte seit dieser Zeit eine Tätigkeit zum Pflichtenkreis der Regimentsangehörigen, die der Eindämmung der 54

Zitiert nach Jany m, S. 168. von Voß, S. 9; aus diesem Grunde hält es Droysen, S. 77, auch für evident, „welchen Eindruck auf den Potsdamer Herbstmanövern unter den blanken auf das strengste dressirten Regimentern der Garde und Linie diese wüste alte Gesellschaft machte, wenn sie mit ihrer mittelmäßigen Hornmusik ohne Richtung, ja kaum Schritt haltend, vorübermarschirte." Ein derartiger Vorbeimarsch des Feldjägerregimentes soll nach Droysen, a.a.O., und Zimmermann, S. 99, dafür verantwortlich gewesen sein, daß im Jahre 1799 König Friedrich Wilhelm III. den Regimentskommandeur, Major von Uttenhoven, zum dritten Bataillon des Regimentes von Zenge strafversetzte. 56 von Rentzell, S. 14. 57 Böckle, S. 88 f. und S. 114; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 23. 55

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

Desertionsproblematik diente und folglich in dem schon im 1. Kapitel sub B. IE. 2. c) dd) beschriebenen Umfang mit der gem. ZDv 75/100, Nr. 703, 713 ff. und Anlage 9; HDv 360/200, Kapitel 12 zum Aufgabenspektrum der Feldjägertruppe der Bundeswehr gehörenden Nachforschungen vergleichbar ist. Dadurch unterschied sich aber die Verwendung der Fußjäger zur Unterstützung der Grenzpostierungskommandos von allen anderen Pflichten, die ihnen oblagen, denn unter diesen befindet sich nicht eine einzige, die in ähnlicher Form einen militärpolizeilichen Charakter aufgewiesen hätte. Indessen darf nicht übersehen werden, daß die Fußjäger lediglich zur Unterstützung des Reitenden Feldjägerkorps zur sächsischen Grenze kommandiert wurden. Sie hatten dort also nur die Funktion, bei der Erfüllung einer Aufgabe zu helfen, die nicht ihnen, sondern einer anderen Truppengattung unmittelbar zugewiesen worden war. Daraus folgt, daß ihr Einsatz zur Eindämmung der Desertion „derivativer" Natur war, da er von der Personalnot einer anderen Truppengattung abhing und nicht in Ausübung einer originär eigenen Verpflichtung erfolgte. Zudem gehörte er wie gesehen - keineswegs zu den permanenten Friedensaufgaben der Fußjäger, sondern kam nur gelegentlich und bedarfsorientiert vor, so daß das Ausmaß der Gemeinsamkeiten mit der Nachforschungstätigkeit der Bundeswehr-Feldjäger tatsächlich noch erheblich geringer ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Dies gilt umso mehr, als schon im 1. Kapitel erkannt worden ist, daß die Gestellung von Grenzpostierungskommandos in erster Linie präventiven Zwecken diente, während der Nachforschungseinsatz der heutigen Feldjäger nur dann vorkommt, wenn die unerlaubte Abwesenheit eines Soldaten bereits feststeht. Somit läßt sich selbst die einzige Aufgabe der Fußjäger, bei der ein militärpolizeilicher Charakter feststellbar ist, nur höchst eingeschränkt mit den Tätigkeiten der Bundeswehr-Feldjäger vergleichen. Insgesamt ist demnach also festzuhalten, daß das Feldjägerregiment zu Fuß letztlich keine Gemeinsamkeiten mit der Feldjägertruppe der Bundeswehr aufweist.

III. Die Personalstruktur des Feldjägerregiments Die Personalstruktur des Feldjägerregiments kann in ihren Grundzügen schon der Gründungsurkunde vom 15.06.1744 entnommen werden, denn darin hatte Friedrich der Große befohlen, daß das von ihm gewünschte „Corps Feld-Jägers zu Fuß" aus „lauter, so viel möglich ist, einheimischen Förster-Söhnen, oder auch anderen Jägers" errichtet werden sollte. Der König bestand also einerseits auf der Rekrutierung von Förstersöhnen und anderen Jägern und bevorzugte anderseits einheimisches Personal. Wie nun aber aus der Verwendung des Wortes „andere" hervorgeht, handelt es sich bei der Bezeichnung „Jäger" um den Oberbegriff für alle einzustellenden Korps-Angehörigen, während die „Förstersöhne" lediglich beispielhaft zur Beschreibung einer speziellen Personengruppe unter den Jägern, auf deren Heranziehung besonderes Gewicht gelegt werden sollte,

B. Das 19. Jahrhundert

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aufgeführt werden. Demzufolge mußten auch die Förstersöhne Jäger sein. Da jedoch unter Jägern nur solche Personen verstanden werden können, die eine Jägerlehre erfolgreich absolviert haben, führt die Auslegung des zitierten Teils der A. K. O. vom 15.06.1744 zunächst zu dem Ergebnis, daß sich das Fußjägerkorps bei seiner Gründung nach dem Willen des Königs ausschließlich aus gelernten Jägern zusammensetzte.58 Darüber hinaus kann aber auch noch festgestellt werden, daß zwar einheimisches Personal vorrangig berücksichtigt werden mußte, Ausländer jedoch nicht von der Einstellung in das Feldjägerkorps zu Fuß ausgeschlossen waren. Inländer sollten nämlich dem eindeutigen Wortlaut der A. K. O. vom 15.06.1744 zufolge nicht ausschließlich, sondern lediglich „so viel möglich ist" rekrutiert werden. Dementsprechend heißt es auch in einem Bericht des Präsidenten der Mindener Kriegs- und Domänenkammer an den Grafen von Hacke vom 07.07.1744: „Wollten Euer Hochgeboren uns auch eigentlich benachrichtigen, ob und wieviel wir denen, so aus denen benachbarten Landen engagirt werden können, zum Handgeld versprechen mögen, und was sie an Sold und Verpflegung zu gewarten haben."59 Obwohl weitere Primärquellen, die Aufschluß über die genaue ursprüngliche Zusammensetzung des Jäger-Corps zu Fuß geben könnten, heute nicht mehr vorhanden sind, kann mithin davon ausgegangen werden, daß die Truppe bei ihrer Gründung ausnahmslos aus gelernten Jägern bestand, die teilweise aus Preußen, teilweise aber auch aus dem Ausland stammten.60 Soweit ersichtlich, änderte sich daran erstmals im Jahre 1761 etwas, als nur ein Jahr nach der Neuaufstellung des Fußjägerkorps eine weitere vom König angeordnete Rekrutierungskampagne durchgeführt wurde. Da nämlich gelernte Jäger zu dieser Zeit nicht mehr in ausreichender Anzahl zur Verfügung standen, mußte zwangsläufig auch auf solche Jägerburschen zurückgegriffen werden, die ihre Ausbildung noch nicht beendet hatten. Diesen Personen versprach der König jedoch, daß sie nach der Beendigung des Krieges wieder entlassen würden, um ihre Lehrzeit beenden zu können. Das geht aus einem Rundschreiben der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer vom 31.12.1761 hervor, mit dem sie alle Forstbeamten ihres Verwaltungsbezirkes über die Befehle des Königs informierte: „Demnach Se. Königliche Majestät in Preußen etc., Unser allergnädigster Herr, der Kriegs- und Domainen-Cammer unterm 19ten hujus eröffnen lassen, daß alle diejenigen Forst-Bedienten, welche Jäger oder Lehr-Bursche halten, ohne Ausnahme, jeder wo nicht mehr doch gewis einen dergleichen Burschen zur Recrutirung des 58

So im Ergebnis auch: Gumtau I, S. 20; von Rentzell, S. 5. GStA PK II. HA, „Forstdepartement-Generalia", Titel II Nr. 57, Bl. 11 d.A. 60 Unrichtig also wohl N. N., Soldatenfreund 51, S. 666, dessen Ausführungen zufolge im Jahre 1744 auch die Aufnahme von „nicht der Jägerei kundigen, aber doch sehr intelligenten Leuten" gestattet war, nicht aber die Aufnahme von Ausländern. 59

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

Feld-Jäger-Corps zu Fuß gestellen, und diese sämtliche Jäger-Bursche, welche eben nicht vollkommen ausgelernte Jäger seyn dürften, selbige auch nach erfolgtem Frieden ihren Lehr-Herren zu Vollendung ihrer Lehr-Jahre wieder zurück gegeben und ihnen die Zeit ihrer bey diesen Corps geleisteten Dienste, bey ihren dereinst zu hoffen habenden Versorgungen gerechnet werden solten, längstens gegen den löten Febr. bevorstehenden Jahres [...] abgeliefert werden müsten."61 Dementsprechend kehrten also diejenigen Korps-Angehörigen, die ihre Jägerlehre noch nicht abgeschlossen hatten, mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges zu ihren Lehrherren zurück; die Zusammensetzung des Fußjägerkorps entsprach folglich seit dem Jahre 1763 wieder genau dem Zustand, der vor Beginn des Krieges bestanden hatte. Die Tatsache, daß sich daran auch in der Folgezeit zunächst nichts änderte, ist maßgeblich auf die Einrichtung eines Systems zurückzuführen, durch das nach dem Siebenjährigen Krieg der regelmäßige Personalersatz der Truppe gewährleistet werden sollte. Danach wurden nämlich unverändert nur gelernte Jäger für den Dienst im Korps herangezogen. Zur Vermeidung von Konflikten mit der preußischen Kantonsverfassung durften jedoch die einheimischen Jäger, die in das Korps eingestellt werden wollten, nicht größer sein als 5 Fuß und 5 Zoll, da alle übrigen wehrdienstfähigen jungen Männer unterschiedslos der Enrollierung durch die Regimenter unterlagen. 62 Zudem konnten auch die Söhne der inländischen Oberförster nicht eingezogen werden, da sie - wie im 1. Kapitel dargestellt - in aller Regel dem Reitenden Feldjägerkorps beitraten, sobald sie ihre Jägerlehre beendet hatten. Für das Feldjägerkorps zu Fuß standen somit aus den Reihen der einheimischen gelernten Jäger im wesentlichen nur die kleiner gewachsenen Söhne der Beamten der unteren Forstlaufbahn zur Verfügung. Aus diesem Grunde war es zu dieser Zeit noch nicht möglich, auf die Anwerbung ausländischer Jäger zu verzichten. 63 Auch 61

GStA PK IV. HA B Nr. 707, ohne Blattangabe. von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 24; Jany III, S. 29; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 24; von Rentzell, S. 15. 63 Diese Werbung unterschied sich fundamental von den sonst in dieser Zeit allgemein üblichen Werbemethoden. Da nämlich jeder Angehörige des Fußjägerkorps unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit einen Anspruch auf eine Beschäftigung in der staatlichen preußischen Forstverwaltung hatte, wenn seine Dienstzeit abgelaufen war (Ewald, S. 35; Gumtau I, S. 49; Jentsch, S. 6; Zimmermann, S. 99), standen auch im Ausland stets genügend Freiwillige zur Verfügung, so daß bei der Anwerbung auf jegliche Form von Zwang verzichtet werden konnte. Den erwähnten Versorgungsanspruch hatte der König im übrigen schon in der Gründungsurkunde vom 15.06.1744 zugesagt, als er seiner Zuversicht darüber Ausdruck verlieh, „daß die jungen Jäger-Bursche sich um so viel lieber dazu engagiren lassen werden, als sie demnächst und wenn sie einige Jahre als Feld-Jägers gedient haben, sich gewisser Employ versichern können." Diese „Employ" bestand in der Anstellung ausgeschiedener Fußjäger als Unterförster, da die Stellen der höheren Forstlaufbahn bereits für die ehemaligen Angehörigen des Reitenden Feldjägerkorps reserviert waren (vgl. von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 22; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 22). Wie beim Reitenden Feldjägerkorps führte diese Form der feststehenden Anschluß Verwendung auch beim Feldjägerkorps zu Fuß zur Herausbildung einer eigentümlichen Disziplinarmaßnahme, denn alle Verfehlun62

B. Das 19. Jahrhundert

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der Ausbau des Feldjägerkorps zu Fuß zu einem Bataillon im Jahre 1773 konnte nur deshalb in der vom König befohlenen Größenordnung durchgeführt werden, weil der Kommandeur, Oberst des Granges, auf gelernte Jäger insbesondere aus dem Hessischen zuriickgriff. 64 Dies hatte jedoch zur Folge, daß von den nunmehr vorhandenen 600 Fußjägern insgesamt 300 aus dem Ausland stammten.65 Nachdem dann das Bataillon anläßlich des Bayerischen Erbfolgekrieges um eine sechste Kompanie erweitert worden war, hatte sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen einheimischen und ausländischen Feldjägern zu Fuß sogar noch weiter zugunsten der letzteren verschoben, da die neu hinzugekommene Kompanie ausnahmslos aus in Böhmen, in Westfalen und am Niederrhein geworbenen Ausländern bestand.66 Daran änderte sich auch in den Jahren 1784 bis 1786 nichts, als durch die Aufstellung eines zweiten Fußjägerbataillons das Feldjägerregiment aufgebaut wurde, denn eine solch umfangreiche Vermehrung ließ sich wiederum nicht ohne Werbungen im Ausland bewerkstelligen. So befahl Friedrich der Große beispielsweise die Anwerbung böhmischer Jäger, um sie für einen etwaigen Feldzug gegen Österreich verwenden zu können, und legte großen Wert auf die Einstellung hessischer Soldaten, die in den Unabhängigkeitskriegen in Amerika gekämpft und dadurch Erfahrungen im Kleinkrieg gesammelt hatten. 67 Dabei verzichtete er sogar auf den Grundsatz, daß nur Fußjäger werden konnte, wer eine abgeschlossene Berufsausbildung als Jäger nachwies.68 Insoweit führte er etwa in der an den Oberst des Granges gerichteten A. K. O. vom 16.10.1784 aus: „Wenn das auch nicht ausgelernte Jäger sind, das thut nichts, selbige können eben wohl mit Kugelbüchsen exerciret und solchergestalt dressirt werden." 69 Spätestens seit dieser Zeit setzte sich gen, die man bei den Linientruppen mit Spießrutenlaufen bestrafte, wurden bei den Fußjägern mit der Versetzung zur Infanterie geahndet, wodurch der Anspruch auf Anschlußverwendung in der staatlichen Forstverwaltung verloren ging (Böckle, S. 88; Jany IE, S. 167; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 50 f.; Sandmann, S. 55; von Voß, S. 9). 64 Jany HI, S. 29. 65 Wie Fn. 64. 66 Gumtau I, S. 55; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 24 f.; Jany III, S. 128. 67 Jany III, S. 130; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 28; von Rentzell S. 18; vgl. auch die A. K. O. vom 17.09.1784, in der es wörtlich heißt: „Mein lieber Oberst des Granges. Auf Euer Schreiben [...] wegen Anwerbung der Jäger-Augmentation habe Ich Euch in Antwort melden wollen, daß es eben nicht lauter Böhmen sein sollen, sondern nur einige von daher, die die Wege und Gegenden gut kennen und daherum Bescheid wissen, die übrigen müßt Ihr sehen aus anderen Ländern, aus dem Reiche und so zu kriegen" (zitiert nach von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 29). Den hessischen Amerika-Rückkehrern räumte der König einen so großen Stellenwert ein, daß er sogar deren Offiziere übernehmen wollte: „Und wenn die hessischen Truppen aus Amerika zurückkommen, so kann sehen, ob vielleicht darunter gute Officiere sind, die man bei dem Regiment Jäger engagiren kann" (A. K. O. vom 04.03.1784, abgedruckt bei Gumtau I, S. 69). 68 Gumtau I, S. 72; von Helldorf, Neue mil. Bl. 45, S. 26. 69 Zitiert nach von Rentzell, S. 18. 10 Schütz

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

also das Personal des Feldjägerregiments zusammen aus einheimischen gelernten Jägern, deren Körpergröße 5 Fuß und 5 Zoll nicht überschritt, sowie aus Ausländern, die zwar nach Möglichkeit ebenfalls gelernte Jäger sein sollten, es aber nicht mehr zwangsläufig sein mußten. Diese uneinheitliche Personalstruktur hatte jedoch nur wenige Jahre lang Bestand, denn das neue Kantonsreglement Friedrich Wilhelms II. vom 12.02.179270 enthielt in seinem § 15 eine Regelung, durch die die Effizienz des Personalersatzwesens des Feldjägerregimentes auf Kosten des Anwendungsbereichs des Enrollierungssystems der Linien-Regimenter erheblich gesteigert wurde: „Die Söhne von Unterförstern [sind] zur Rekrutierung dem Fußjäger-Corps bestimmt. Zu den Unterförstern gehören auch die städtischen und sonstigen Forstbedienten, wenn letztere besondere Dienstwohnungen haben, besondere Forstreviere ihrer speciellen Aufsicht anvertraut sind, sie darüber Rechnung führen müssen, andere Jäger oder Holzwärter unter sich haben, auch weder Livrée tragen noch zur Aufwartung von der Gutsherrschaft gebraucht werden; dagegen sind die bloßen Holzwärter, Heideläufer und alle diejenigen kleinen Forstbedienten, welche unter dem Jägerregimente zu Fuß nicht gedient haben, davon ausgeschlossen. Die Söhne derselben und die der Unterförster, die zur Jägerei sich nicht qualificieren, [...] bleiben dem Kanton-Regiment obligat." Dadurch, daß nach dem Inhalt dieser Norm im Gegensatz zu früheren Zeiten nunmehr ausnahmslos alle Söhne von Unterförstern grundsätzlich dem Feldjägerregiment „obligat" waren, stand diesem seit 1792 ein ausreichend großer Personenkreis zur Verfügung, um alle offenen Stellen besetzen zu können, ohne dabei auf Ausländer oder nicht als Jäger ausgebildete junge Männer zurückgreifen zu müssen. In den darauffolgenden Jahren wurde es daher nach und nach möglich, alle früher eingestellten Ausländer und „ungelernten" Jäger bei ihrem Ausscheiden durch gelernte einheimische Jäger zu ersetzen. Mithin setzte sich das Feldjägerregiment zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgrund der Tatsache, daß es - wie das Reitende Feldjägerkorps - ein eigenständiges Ergänzungssystem erhalten hatte, das ohne die ansonsten üblichen Aushebungen in einem Kanton oder Werbungsaktionen im Ausland auskam, nahezu vollständig aus den als Jäger ausgebildeten Söhnen preußischer Forstbeamter zusammen und behielt diese Personalstruktur bis zu seinem Untergang im preußisch-französischen Krieg des Jahres 1806 unverändert bei.

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GStA PK IV. HA B Nr. 141, S. 56 f.; die Jahresangabe 1789, die sich bei Jany III, S. 167, und N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 29, findet, hat sich nicht verifizieren lassen.

C. Das Feldjägerregiment unter York von Wartenburg

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C. Das Feldjägerregiment unter York von Wartenburg I. Die Entwicklung des Regiments unter dem Einfluß Yorks Obwohl der damalige Major und spätere Generalfeldmarschall Hans David Ludwig York von Wartenburg im Oktober 1799 eine Anfrage des Generals von Brünneck, ob er Interesse daran habe, Kommandeur des Fußjägerregiments zu werden, verneint hatte, weil er sein gut ausgebildetes Füsilierbataillon nicht gegen die in der ganzen Armee berüchtigte Jägertruppe eintauschen wollte, 71 wurde ihm von Friedrich Wilhelm III. durch die A. K. O. vom 06.11.1799 befohlen, das „sehr interessante Corps" zu übernehmen. 72 Diese Ernennung des nach den Worten des Königs „ganz kapablen Commandeurs" stellte einen signifikanten Wendepunkt in der Geschichte des Feldjägerregimentes zu Fuß dar, denn York bewirkte in dem nur unwesentlich mehr als sechs Friedensjahre umfassenden Zeitraum seiner Kommandeurstätigkeit eine vollständige innere wie äußere Reorganisation der Truppe. 73 So erarbeitete er schon in den ersten Jahren nach der Übernahme des Kommandos sorgfältig durchdachte Pläne, durch die das Personalersatzwesen, das Mobilmachungssystem und die Organisation der Anschlußverwendung optimiert werden konnten. 74 Zudem intensivierte er die Schießausbildung der Feldjäger, verbesserte ihre Disziplin, führte den Exerzierdienst nach den für die Füsiliere geltenden Vorschriften ein und verfaßte einheitliche Instruktionen für beinahe alle Dienstzweige des Regiments.75 Vor allem aber gelang es ihm, eine zweckmäßige und charakteristische Verwendungsweise der Fußjäger zu entwickeln und entsprechende Einsatzgrundsätze aufzustellen, da er aufgrund seines spezifischen biographischen Hintergrundes einer der wenigen Offiziere in der preußischen Armee war, die mit leichten Truppen umzugehen verstanden. 76 Diese Einsatzgrundsätze hielt er in einer Instruktion für die leichten Truppen fest und veranstaltete umfangreiche Feld71

Droysen, S. 74 f. Die heute nicht mehr auffindbare Kabinettsorder ist vollständig abgedruckt bei Droysen, S. 75; Ewald, S. 34; von Gorczkowsky, S. 7; von Voß, S. 7 f. 73 Ewald, S. 35. 74 Vgl. von Voß, S. 11. 75 Vgl. Klien, S. 6; von Rentzell, S. 31; von Voß, S. 11. 76 Ausführlich zur Biographie Yorks vor seiner Ernennung zum Kommandeur des Fußjägerregiments: Droysen, S. 1-74; von Gorczkowsky, S. 1-6; die für den hier interessierenden Zusammenhang wesentlichen Lebensdaten fassen zusammen: Gumtau I, S. 147; Klien, S. 6. Danach wurde York im Jahre 1780 wegen eines Ehrenhandels aus der preußischen Armee verabschiedet und trat zwei Jahre später als Hauptmann in ein von dem Schweizer von Meuron für die ostindische Kompanie geworbenes und für den Kriegsdienst auf Ceylon bestimmtes Regiment ein, wo er im Kampf mit den Truppen des Kaisers von Kandia die Kunst des Kleinkrieges erlernen konnte. Nach dem Tod Friedrichs des Großen erhielt er dann wieder eine Anstellung in der preußischen Armee. 72

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

dienstübungen für das gesamte Regiment, um die Jäger auf ihre für den Kriegsfall vorgesehene Verwendungsweise vorzubereiten. 77 Geübt wurde den von York entwickelten Prinzipien gemäß die zerstreute Kampfweise der aufgelösten Schützenlinie, das Vorgehen in Kleinkampfgruppen, der Patrouillendienst, die Ortsverteidigung und vor allem die für den zu Fuß kämpfenden Feldjäger überlebenswichtige geschickte Geländeausnutzung.78 Droysen schildert dies wie folgt: „Dann galt es, daß jeder jede Deckung zu benutzen, mit Schlauheit und Keckheit heranzuschleichen, liegend, kniend oder wie sonst immer schußfertig zu sein lernte. Von selbst ergab sich die zerstreute Feuerlinie; im Haufen bei einander blieb nur der Rückhalt, der in sicherer Entfernung von den Pirschenden ihren Bewegungen vor und zurück folgte, die Zurückeilenden aufnahm, um Andere nach anderer Richtung in gleicher Weise zu entsenden."79 Die so umschriebene Gefechtsausbildung fand in aller Regel in der Nähe der Garnison Mittenwalde statt, da das dort vorhandene hügelige, vielfach von Gräben und Seen durchsetzte Gelände80 „für das Heranpirschen der Schützen an den Gegner, für das Beschleichen des Feindes durch Patrouillen, für Überfälle auf Vorposten und Feldwachen unter geschickter Ausnützung der Deckungen ein geradezu ideales Übungsterrain" darstellte. 81 Damit steht aber fest, daß die von York neu entwickelte Jägertaktik dem Feldjägerregiment zu Fuß endgültig den Charakter einer Kampftruppe verliehen hat. Für einen Einsatz der Fußjäger zur Erfüllung militärpolizeilicher Aufgaben war somit kein Raum. Demzufolge führt der Vergleich zwischen dem Feldjägerregiment der preußischen Armee und der Feldjägertruppe der Bundeswehr auch zu der Erkenntnis, daß mit Ausnahme der übereinstimmenden Bezeichnung beider Truppengattungen Entsprechungen nicht vorhanden sind. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß der dislozierte Kriegseinsatz der Bundeswehr-Feldjäger in Streifenstärke 82 jederzeit zu einer Konfrontation mit durchgebrochenen Feindteilen, Luftlandetruppen oder Stoß- und Sabotagetrupps führen kann. Das in diesem Fall erforderliche Vorgehen im Rahmen einer Kleinkampfgruppe stellt nämlich für die heutigen Feldjäger nicht etwa wie für die preußischen Fußjäger die Erfüllung eines Kampfauftrages dar, sondern erfolgt lediglich aufgrund einer situationsbedingten Notwendigkeit zur Selbstverteidigung. Die Feldjäger der Bundeswehr kämpfen also nicht „in Ausübung" 77

Gumtau I, S. 147; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 49; von Rentzell, S. 31; Sandmann, S. 56; von Voß, S. 11; Wendler, S. 15. 78 Böckle, S. 115; Umdruck SFJg StDst, S. 10; von Voß, S. 11. 79 Droysen, S. 80 f. 80 Wendler, S. 14. 81 Sandmann, S. 56. 82 Vgl. etwa die Nr. 104 der ZDv 75/100, in der es u.a. heißt: „Feldjägerdienst ist Einzeldienst".

C. Das Feldjägerregiment unter York von Wartenburg

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einer ihnen zugewiesenen Aufgabe, sondern allenfalls „bei Gelegenheit" der Durchführung einer gänzlich anderen Tätigkeit. Das bedeutet im Ergebnis, daß sich das Feldjägerregiment in bezug auf seine Verwendungsweise auch und gerade unter York von Wartenburg jedem Vergleich mit den Bundeswehr-Feldjäger entzieht. Vielmehr entspricht der vorstehend dargestellte Kampfauftrag der Fußjäger weitgehend der in der ehemaligen83 HDv 100/100 „Truppenführung" enthaltenen Beschreibung der heutigen Jägertruppen, denn dort hieß es in Nr. 424: ,Jäger kämpfen zu Fuß. Sie sind daher auf Gelände angewiesen, das ihnen ausreichende Deckungs- und Tarnungsmöglichkeiten bietet. [...]. Jäger eignen sich vor allem für den Kampf in Wäldern, im Bergland und in bebauten Gebieten. Meist kämpfen sie aus Feldbefestigungen, oder sie werden eingesetzt, um Feldbefestigungen zu nehmen. Dabei erringen sie den Erfolg oft erst im Nahkampf. In bedecktem oder durchschnittenem Gelände können Jäger auf sich gestellt kämpfen. Im offenen und deckungsarmen Gelände müssen sie durch [schwere Truppen] und durch Artillerie unterstützt werden. Jäger sind zum Jagdkampf sowie zum Schutz von Räumen und Objekten besonders befähigt." Diesen Formulierungen läßt sich zwanglos entnehmen, daß es die Jägertruppe der Bundeswehr ist, deren Wurzeln auf das Feldjägerregiment der preußischen Armee zurückgehen. Dagegen fehlt es der hier allein interessierenden Feldjägertruppe an jeglicher über die Namensgleichheit hinausgehender Gemeinsamkeit mit den preußischen Fußjägern, da beide Waffengattungen völlig unterschiedlichen Funktionen dienten.

II. Der Untergang des Feldjägerregiments Die zahlreichen Neuerungen, die York von Wallenburg eingeführt hatte, beeinflußten die Entwicklung des Feldjägerregimentes innerhalb kürzester Zeit so nachhaltig, daß sogar behauptet worden ist, es sei der einzige Truppenteil der preußischen Armee gewesen, der bei Ausbruch des Krieges mit Frankreich die von den französischen Truppen schon seit längerem erfolgreich praktizierte Taktik der zerstreuten Gefechtsweise vollständig beherrscht habe. 84 Gleichwohl hat das Feldjägerregiment zu Fuß die bewaffneten Auseinandersetzungen mit Napoleon nicht überdauert. Zu Beginn des Krieges wurden nämlich die einzelnen Kompanien des Regimentes wie schon bei den Feldzügen des 18. Jahrhunderts 85 auf die verschiedenen Heeresgruppen verteilt und erlitten da83

Vgl. dazu die Ausführungen in Fn. 151 des 1. Kapitels. Klien, S. 6. 85 Dazu Böckle, S. 115; Jany III, S. 346; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 12; von Rentzell S. 25; Voigt, Band 5, S. 380; Wernitz, S. 138; Zimmermann, S. 98. 84

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

her in aller Regel das gleiche Schicksal wie die Großverbände, denen sie angehörten. So gerieten schon in der Schlacht von Jena am 14.10.1806 zwei Feldjägerkompanien in Kriegsgefangenschaft und wurden vollständig aufgerieben. 86 Sechs weitere Kompanien gingen gemeinsam mit dem Korps des Generals Blücher im Verlauf der stundenlangen Straßenkämpfe in Lübeck am 06.11.1806 unter oder gerieten durch die am folgenden Tag erzwungene Kapitulation von Ratkau in französische Kriegsgefangenschaft, nachdem sie noch am 26.10.1806 bei Altenzaun den Elbübergang des Blücherschen Korps durch ein von York selbst geführtes Rückzugsgefecht gegen einen zahlenmäßig deutlich überlegenen Feind gesichert hatten. 87 Lediglich zwei Kompanien des Regimentes war es gelungen, das Jahr 1806 unbeschadet zu überstehen, so daß sie sich an der Verteidigung von Danzig und Graudenz beteiligen konnten.88 Von den verbleibenden zwei Feldjägerkompanien geriet die eine durch die Kapitulation der Festung Magdeburg am 11.11.1806 in Kriegsgefangenschaft 89 und löste sich die andere aus eigenem Entschluß selbst auf, um diesem Schicksal zu entgehen.90 Damit war aber schon im November 1806 die ursprüngliche Organisationsstruktur des Fußjägerregimentes beinahe vollständig zerschlagen. Dennoch wird davon berichtet, daß bei Kriegsende wieder neun Kompanien und ein Detachement in einer Gesamtstärke von etwa 700 bis 900 Feldjägern vorhanden waren, da neben den beiden noch intakten Einheiten mit entflohenen oder ausgetauschten Kriegsgefangenen, mit dem Personal der durch eigenen Entschluß aufgelösten 86 Jany HI, S. 664; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 56 ff.; von Rentzell, S. 37; Voigt, Band 5, S. 383. 87 Ausführliche Schilderungen der Straßenkämpfe in Lübeck und des von von Voß, S. 17, als „für alle Zeiten vorbildlich" bezeichneten Rückzugsgefechts von Altenzaun finden sich bei: Droysen, S. 113 ff. und S. 131 ff.; Ewald, S. 38 ff.; M. M., Soldatenfreund 51, S. 369 f. und S. 374 ff.; von Rentzell, S. 39 ff. 88 Gumtau I, S. 172; Jany III, S. 664; von Rentzell, S. 45. 89 Gumtau I, S. 173; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 64; von Rentzell, S. 38; Voigt, Band 5, S. 384. 90 In seiner Stellungnahme gegenüber dem Untersuchungs-Tribunal des Feldjägerregimentes, das nach Kriegsende über alle Vorkommnisse des Feldzuges Berichte einholte, schilderte der Kompaniechef, Major von Charcot, die Umstände dieser Auflösung wie folgt: „Den 07. schiffte ich mich mit dem übrigen Theile meiner Compagnie und in Gesellschaft des Herrn Major von Chasot nach Hamburg ein. Aber man verweigerte uns, in diese Stadt einzumarschiren. [...]. Ich sah nun jede Möglichkeit abgeschnitten, meinen einzigsten (!) Wunsch und Plan durchsetzen zu können, und es blieb mir nichts weiter übrig, als dem Könige und dem Vaterlande meine noch übrig gebliebene Mannschaft zu retten, was aber nur damit geschehen konnte, daß ich sie einzeln auseinander zu gehen hieß, und ihnen die feierlichsten Ermahnungen ins Gewissen sprach. Mein Zweck wurde glücklichst erreicht, indem sie wohl insgesammt theils in Schlesien, theils in Pommern, einige sogar in Preußen angelangt sind." Von Charcot selbst schloß sich hingegen der Kapitulation von Ratkau an und wurde aus diesem Grunde durch die A. K. O. vom 22.03.1809 aus der preußischen Armee ohne Abschied entlassen; vgl.: „1806. Das Preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse", hrsg. v. Großen Generalstab, Kriegsgeschichtliche Abteilung II, Berlin, 1906, S. 356 f. und 360.

D. Zusammenfassung und Ergebnis

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Kompanie und mit zahlreichen Freiwilligen insgesamt sieben neue Kompanien und ein Detachement hatten aufgestellt werden können.91 Obwohl nach dem Frieden von Tilsit also eine ausreichende Anzahl von Fußjägern zur Verfügung gestanden hätte, um das Feldjägerregiment in seiner Vorkriegsformation wieder herzustellen, wurde es im Zuge der Heeresreform aufgelöst. 92 An seine Stelle traten das 1. Garde-Jäger Bataillon und das Ostpreußische Jägerbataillon, die aufgrund der Kabinettsorders vom 14.11. und vom 21.11.1808 durch Umbildung und Zusammenfassung der vorhandenen Feldjägereinheiten formiert wurden. 93 Spätestens zu dieser Zeit endete also die Geschichte des Feldjägerregimentes, dessen Nachfolgeorganisationen seinen Namen nicht beibehielten. Da aber wie oben festgestellt - die Bezeichnung des Regimentes den einzigen Bezugspunkt zur Feldjägertruppe der Bundeswehr dargestellt hatte, bedeutet die veränderte Namensgebung der im Verlauf der Heeresreform neugegründeten Bataillone, daß seit dieser Zeit überhaupt keine Gemeinsamkeiten mehr mit den Bundeswehr-Feldjägern feststellbar sind. Die weitere Entwicklung dieser Bataillone und der aus ihnen entstandenen sonstigen Jäger- und Schützenverbände der preußischen Armee gehört daher ausschließlich zur Geschichte der leichten Truppen und bedarf aus diesem Grunde im hier interessierenden Zusammenhang keiner weiteren Betrachtung mehr.

D. Zusammenfassung und Ergebnis Das Feldjägerregiment ist im Gegensatz zu der Auffassung, die mit teilweise erheblichen Differenzen im Detail von der weit überwiegenden Meinung in der einschlägigen Literatur vertreten wird, von Friedrich dem Großen als „Corps Feld-Jäger zu Fuß" durch die A. K. O. vom 15.06.1744 gegründet worden. Vor diesem Zeitpunkt hat es ein Fußjägerkorps nicht gegeben. Die A. K. O. vom 15.06.1744 stellt mithin keine Neugründung einer schon früher einmal bestehenden, dann aber wieder aufgelösten Waffengattung dar; sie ordnet darüber hinaus auch nicht etwa die personelle Verstärkung einer bereits existierenden Formation an und verleiht schließlich keineswegs einer in ihren Umrissen schon erkennbaren unselbständigen Truppengattung eigenständige Organisationsstrukturen. Die von diesem Standpunkt abweichenden Betrachtungsweisen geraten 91 von Bredow, S. 196 und S. 256; ausführlich zu den Neubildungen: Jany III, S. 630 f.; N. N., Soldatenfreund 23, Heft 7, S. 70 ff.; N. N., Soldatenfreund 51, S. 668; von Rentzell, S. 46 ff.; Voigt, Band 5, S. 384. 92 Böckle, S. 92 und S. 117; von Rentzell, S. 49; Sandmann, S. 57; Umdruck SFJg StDst, S. 11. 93 von Bredow, S. 256; Gumtau I, S. 216; Jany IV, S. 26; N. N., Soldatenfreund 51, S. 668.

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2. Kap.: Das Feldjägerregiment zu Fuß

nicht nur in einen unauflöslichen Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des königlichen Befehls, sondern lassen sich auch nicht mit dem Inhalt sonstiger zeitgenössischer Primärquellen in Einklang bringen. Zudem hat sich gezeigt, daß auch die für die Gründung des Fußjägerkorps ausschlaggebenden Motive des Königs gegen die Annahme sprechen, es habe eine solche Einrichtung schon vor dem Jahre 1744 existiert. Soweit es also tatsächlich bereits im ersten Schlesischen Krieg Jäger gegeben hat, die ohne Pferd in der preußischen Armee ihren Dienst versahen, ist dies nicht auf das planvolle Wirken des Königs in Richtung auf die Schaffung einer neuen Truppengattung zurückzuführen, sondern stellt sich als eine Folge des Umstandes dar, daß aufgrund des akuten Pferdemangels nicht alle zum Reitenden Feldjägerkorps eingezogenen Forstbediensteten mit einem Pferd ausgestattet werden konnten. Dementsprechend lag dem Auftreten unberittener Jäger im ersten Schlesischen Krieg keineswegs eine bestimmte Finalität zugrunde. Vielmehr hat die Analyse der Ereignisse gezeigt, daß es durch die „normative Kraft des Faktischen" bedingt war und somit von besonderen Kausalzusammenhängen bestimmt wurde. Im Ergebnis hat sich also herausgestellt, daß die unberittenen Jäger im ersten Schlesischen Krieg nicht etwa schon „Fußjäger" waren, sondern lediglich als „reitende Feldjäger ohne Pferd" bezeichnet werden können. Obwohl bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sowohl unter den für die Operationsführung zuständigen Kommandeuren als auch bei den Offizieren des Feldjägerregiments noch weitgehend Unklarheit über die zweckmäßige Verwendung der Fußjäger in Krieg und Frieden herrschte und aus diesem Grunde feststehende Einsatzgrundsätze nicht festgestellt werden konnten, hat sich im Laufe der Betrachtung erwiesen, daß das Fußjägerkorps nicht zu militärpolizeilichen Zwecken aufgestellt worden ist. Im Gegensatz zu der Situation beim Reitenden Feldjägerkorps konnte im Pflichtenkreis der Fußjäger weder im Krieg noch im Frieden eine Tätigkeit entdeckt werden, die auch nur entfernt einen militärpolizeilichen Charakter aufgewiesen hätte. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß die Feldjäger zu Fuß seit dem 24.02.1777 für den Fall, daß das Personal des Reitenden Feldjägerkorps nicht ausreichte, zur Unterstützung der Grenzpostierungskommandos entlang der sächsischen Grenze herangezogen wurden. Zwar übernahmen sie damit die Erfüllung einer Obliegenheit, die der Eindämmung der Desertionsproblematik diente und folglich in gewissem Maße mit der Nachforschungstätigkeit der Bundeswehr-Feldjäger vergleichbar ist. Gleichwohl handelte es sich insoweit nicht um eine originäre Aufgabe des Feldjägerregiments, sondern vielmehr um eine solche des Reitenden Feldjägerkorps, da den Angehörigen des Fußjägerkorps im Verhältnis zu den reitenden Feldjägern lediglich eine unterstützende Funktion zukam. Diese Unterstützungsfunktion wurde zudem nur dann benötigt, wenn beim eigentlich mit der Bildung der Grenzpostierungskommandos beauftragten Reitenden Feldjägerkorps Personalnot vorherrschte. Der Dienst an der sächsischen Grenze gehörte also nicht zu

D. Zusammenfassung und Ergebnis

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den permanenten und originären Friedensaufgaben der Fußjäger; er blieb mithin ohne jeden Einfluß auf das Erscheinungsbild des Feldjägerregimentes und kann demzufolge bei einer Gesamtbewertung dieser Truppengattung letztlich gänzlich außer Betracht bleiben. Dann aber fehlt es dem Aufgabenspektrum des Feldjägerkorps zu Fuß an jedem Äquivalent im Pflichtenkreis der heutigen Feldjägertruppe, so daß als Ergebnis eines entsprechenden Vergleichs festgehalten werden kann, daß beide Formationen mit Ausnahme ihres Namens keinerlei Gemeinsamkeiten aufweisen. Stattdessen ist insbesondere bei der Betrachtung der zu Beginn des 19. Jahrhunderts auftretenden Veränderungen des Feldjägerregimentes erkannt worden, daß es als Vorläuferorganisation der heutigen Jägertruppen eingestuft werden muß, da ihm die von York entwickelten Einsatzgrundsätze den Charakter einer Kampftmppe verliehen haben, deren Angehörige in kleinen Gruppen und aufgelöster Schützenlinie für die Führung des zerstreuten Gefechts verantwortlich waren. Dabei konnte aber zugleich auch festgestellt werden, daß diese Jägertaktik nicht mit den Feindberührungen verglichen werden kann, denen die Bundeswehr-Feldjäger aufgrund ihres dislozierten Kriegseinsatzes denkbarerweise ausgesetzt sein können: Während nämlich die Fußjäger der preußischen Armee in Ausübung einer ihnen zugewiesenen Aufgabe kämpften, geschieht dies bei den heutigen Feldjägern allenfalls bei Gelegenheit der Durchführung einer gänzlich anderen Tätigkeit. Auch nachdem es bei dem Feldjägerregiment zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Ausprägung einer charakteristischen Verwendungsweise gekommen war, wies es dennoch abgesehen von seiner Bezeichnung keinerlei Bezüge zur Feldjägertruppe der Bundeswehr auf.

3. Kapitel

Der geheime Feldjägerdienst in der Weimarer Republik Obschon es nach der Auflösung des Reitenden Feldjägerkorps durch die kriegsministerielle Verfügung vom 02.08.1919 innerhalb der regulären deutschen Streitkräfteorganisation keine Truppengattung mehr gab, die eine Bezeichnung als Feldjäger aufwies, waren doch auch in der Zeit der Weimarer Republik Feldjägerverbände existent. Diese gehörten jedoch zu den unter dem Sammelbegriff „Schwarze Reichswehr" bekannt gewordenen Hilfstruppen der regulären deutschen Armee, die ihre Aufgaben auf den Gebieten des Grenzschutzes und der inneren Sicherheit von Anfang an mit dem ihr vom Versailler Vertrag zugestandenen Personalumfang von 100.000 Mann nicht ohne die illegale Heranziehung von Ergänzungsmannschaften erfüllen konnte. Aus diesem Grunde spielte bei der „Feldjägerdienst" genannten Organisation die Geheimhaltung eine zentrale Rolle, denn die Existenz von Reserven der Reichswehr, die unter Umgehung der Bestimmungen des Friedensvertrages gebildet worden waren, mußte sowohl vor der interalliierten Kontrollkommission als auch vor den deutschen Landesregierungen verborgen werden. Insoweit heißt es daher in Ziffer 7 der im Jahre 1926 erarbeiteten, tatsächlich jedoch nie ausgegebenen „Feldjägerdienstordnung" wörtlich: „Die Geheimhaltung des Feldjägerdienstes, der Art und des Umfanges seiner Organisation sowie der Namen der hierzu in Aussicht genommenen Feldjäger ist von ausschlaggebender Bedeutung. Diese Geheimhaltung muß durchgeführt werden, nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit und den eigenen Familienangehörigen, sondern auch gegenüber anderen militärischen Organisationen, soweit nicht schon in den Friedensvorbereitungen ein Zusammenarbeiten notwendig ist. Es dürfen sonach nur die mit dem Feldjägerdienst unmittelbar befaßten Persönlichkeiten von ihm Kenntnis erlangen."1 Diesen Grundsätzen entsprechend erfolgte insbesondere die Aufbauarbeit für den Feldjägerdienst still und nach außen nicht erkennbar nahezu ausschließlich aufgrund mündlicher Befehlsgebung, weil schriftliche Anweisungen grundsätzlich nicht erteilt werden durften. 2 Die wenigen Schriftstücke, deren Anfertigung 1

BA-MA RH 2/418, Bl. 122 d.A. „Denkschrift über den Feldjägerdienst" vom 01.05.1928, BA-MA RH 2/418, Bl. 1 und Bl. 58 d.A.; die Erfahrung, daß es der Reichswehr möglich gewesen ist, durch 2

3. Kap.: Der geheime Feldjägerdienst in der Weimarer Republik

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sich dennoch nicht vermeiden ließ, erhielten ausnahmslos den Aufdruck „z", wodurch sie als geheime Kommandosache eingestuft wurden, die nur durch militärische Führer und Führergehilfen bearbeitet werden durften, bei Bedarf zu verschlüsseln waren und durch Offizierkuriere unter Ausschluß des Postweges befördert werden mußten.3 Einer Erklärung des ehemaligen Chefs des Feldjägerdienstes, des damaligen Oberstleutnants a. D. und späteren Generalleutnants Hans von Voß, aus dem Jahre 1965 zufolge ging die Geheimhaltung sogar so weit, daß er sich sein Gehalt, das ihm aufgrund einer zivilvertraglichen Anstellung zustand, persönlich bei der Organisationsabteilung des Reichswehrministeriums abholen mußte, weil Banküberweisungen nicht erlaubt waren. 4 Alle diese Maßnahmen hatten zur Folge, daß der Umfang des Primärquellenmaterials über den geheimen Feldjägerdienst von Anfang an außerordentlich gering war. Die demzufolge ohnehin schon problematische Quellenlage würde zudem noch durch die Vernichtung umfangreicher Aktenbestände beim Brand des Reichsarchivs in Potsdam verschärft. Gleichwohl konnte im Militärarchiv des Bundesarchivs unter der Signatur RH 2/418 eine sehr ausführliche „Denkschrift über den Feldjägerdienst" vom 01.05.1928 gefunden werden, die den zweiten Weltkrieg nur deshalb überdauert hat, weil sie vor der alliierten Bombardierung Potsdams im April 1945 strenge Geheimhaltung eine vom parlamentarischen Willen abgekoppelte Erweiterung der Armee in Organisation oder Personalstärke vorzunehmen, hat bei der Ausarbeitung der Wehrverfassung der Bundesrepublik zu einer Ausdehnung der parlamentarischen Kontrolle über die Bundeswehr durch die Vorschrift des Art. 87a I 2 GG geführt, derzufolge sich die zahlenmäßige Stärke der Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation aus dem Haushaltsplan ergeben müssen (vgl. BVerwGE 15, 63 65; Kirchhof Hdb StR m, S. 986 Rn. 16; Stern II, S. 865 f.). Das Fehlen einer die Organisationsgewalt des Reichswehrministeriums in ähnlicher Weise beschränkenden Norm in der Weimarer Reichsverfassung erlaubte es den verantwortlichen militärischen Planern, die Existenz der der Schwarzen Reichswehr zugehörigen Verbände so lange einer parlamentarischen Diskussion zu entziehen, wie die Geheimhaltung lückenlos durchgeführt werden konnte. Zudem waren die Möglichkeiten der Reichstagsabgeordneten, die Auflösung solcher Verbände unmittelbar herbeizuführen, selbst dann sehr beschränkt, wenn sie einmal sichere Kenntnis davon hatten, denn da die Kosten für die illegalen Organisationen der Schwarzen Reichswehr im Wehretat nicht spezifiziert werden mußten, konnte der Reichstag auch ihre Bewilligung in den Haushaltsdebatten nicht verweigern. So beklagte sich etwa der Abgeordnete Künstler (SPD) in der Reichstagssitzung vom 17.06.1929: „Jahr für Jahr konnte nachgewiesen werden, daß ein Verhältnis zwischen der Reichswehr und illegalen Organisationen besteht, und immer und immer wieder haben die Wehrminister und die Offiziere solche Beziehungen geleugnet. Es muß festgestellt werden, daß in dieser Hinsicht bei den Etatsdebatten in den letzten Jahren den Abgeordneten vom Reichswehrministerium nicht immer die lautere und eindeutige Wahrheit gesagt worden ist" [Sten.-Ber. RT, IV. Wahlperiode 1928, Band 425, 88. Sitzung am 17.06.1928, S. 2560 (A)]. 3 „Das Feldjägerkorps der zwanziger Jahre", BA-MA MSg 1/1352, Bl. 9 d. A. 4 BA-MA MSg 1/1352, Bl. 8 S. 1 d.A.; dort findet sich auch die Behauptung, daß von Voß auch im Jahre 1965 noch keine Auskunft über die Aufgaben des Feldjägerdienstes zu geben berechtigt gewesen sei!

3. Kap.: Der geheime Feldjägerdienst in der Weimarer Republik aus dem Reichsarchiv entfernt wurde. 5 Diese Denkschrift ist jedoch die einzige nennenswerte Primärquelle, auf die heute noch zurückgegriffen werden kann, so daß bislang auch in der militärgeschichtlichen Literatur der Feldjägerdienst lediglich beiläufig erwähnt wird. Soweit nichts Abweichendes vermerkt ist, basieren demzufolge die nachfolgenden Darlegungen auf dem Inhalt der besagten Denkschrift. Danach ist der Gedanke an den späteren Feldjägerdienst aufgekommen, nachdem im Januar des Jahres 1923 französische und belgische Truppen ins Ruhrgebiet einmarschiert waren und die Reichsregierung zum passiven Widerstand aufgerufen hatte. Schon im März 1923 wurden dann die westlichen Wehrkreise beauftragt, die sich aus dem „Ruhrkampf 4 ergebenden Folgerungen organisatorisch zu verwerten und eine Kampftruppe zu schaffen, die bei etwaigen weiteren Besetzungen von Teilen des Reichsgebiets durch ausländische Streitkräfte in der Lage sein sollte, einen wirkungsvolleren Widerstand zu leisten, als dies im Ruhrkampf geschehen war. Auf diese Weise kam es noch im Jahre 1923 zur Bildung erster Feldjägereinheiten am Mittel- und Niederrhein; 6 weitere kamen als Reaktion auf die von Frankreich unterstützten Separationsbewegungen im Rheinland und in der Pfalz schon kurz darauf hinzu. Dem erwähnten Motiv für ihre Gründung entsprechend sollten diese Feldjägereinheiten im Rücken und in der Flanke eines auf deutschen Boden einge5 Grund dieser Entfernung war der Informationsbedarf des SS-Obergruppenführers Prützmann, der im Sommer 1944 unter dem Eindruck des Vorrückens der Gegner auf und über die deutsche Grenze den Auftrag erhalten hatte, unter dem Decknamen „Werwolf eine dem Feldjägerdienst der zwanziger Jahre vergleichbare Kleinkriegstruppe für den Einsatz hinter der feindlichen Front zu schaffen (ausführlich dazu die Anmerkungen zur Denkschrift über den Feldjägerdienst im Aktenbestand BA-MA RH 2/419, Bl. 1-3 d.A.). Bei der Denkschrift handelt es sich um einen Abschlußbericht, der anläßlich der Aufhebung der selbständigen Organisation des geheimen Feldjägerdienstes verfaßt wurde und daher von ehemaligen Feldjägern als eine Art „Testament" der Führungsspitze ihrer Truppe aufgefaßt wird (vgl. „ Z u r Denkschrift über den Feldjägerdienst", BA-MA RH 2/419, Bl. 1 d.A., und „ D a s Feldjägerkorps der zwanziger Jahre", BA-MA MSg 1/1352, Bl. 9 d.A.). 6 Damit steht das Jahr 1923 als Gründungsjahr des Feldjägerdienstes fest. Soweit Wohlfeil, S. 212, ausfuhrt, der Feldjägerdienst sei vermutlich im Zusammenhang mit der Ruhrkrise eingerichtet worden, so wird diese Vermutung also durch die Denkschrift bestätigt. Richtig auch Carsten, S. 176 und S. 330, sowie Vogelsang, S. 57; unzutreffend dagegen Schüddekopf, S. 241, der behauptet, die 1. Division habe in den Jahren 1926-1928 mit einem sogenannten Feldjägerkorps „experimentiert". Vgl. auch die Reichstagsrede des Abgeordneten Künstler (SPD) vom 17.06.1929, worin es wörtlich heißt: „Im Rahmen meiner heutigen Ausführungen möchte ich auch noch einmal kurz auf die Feldjägerkorps zu sprechen kommen. Als ich im Haushaltsausschuß diese Frage aufrollte, hat der Herr Reichswehrminister geantwortet: Was die Feldjägerorganisation betreffe, so sei diese auf romantischen Ideen beruhende Organisation im Dezember 1928 aufgelöst worden. Ich stelle fest, daß diese auf romantischen Ideen aufgebaute Feldjägerorganisation fast fünf Jahre lang vom Reichswehrministerium betreut worden ist" [Sten.-Ber. RT, IV. Wahlperiode 1928, Band 425, 88. Sitzung am 17.06. 1928, S. 2559 (D)].

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drungenen Feindheeres mit den Mitteln der Kleinkriegführung dessen Aufmarsch stören, seinen Vormarsch hemmen, im weiteren Verlauf des Krieges an allen für die deutsche oberste Heeresleitung wichtigen Stellen des rückwärtigen Operationsgebietes eine dauerhafte Unsicherheit des Gegners herbeiführen und durch eine systematische, überall auftretende und nicht abwehrbare Sabotage die Nervenkraft der feindlichen Generalstäbe dergestalt beanspruchen, daß sie sich zu vorsichtigem und zauderhaftem Vorgehen veranlaßt sahen und gezwungen waren, zur Sicherung der betroffenen Gebiete in letzter Konsequenz sogar ganze Kampfdivisionen zu verwenden: „Alle vom Feinde zu benutzenden Eisenbahnen, Straßen und Wasserwege müssen für ihn unbrauchbar oder gefährdet sein; alle Nachrichtenmittel und Verbindungen, alle Hilfsmittel des Landes wie Bodenschätze, Fabriken und sonstige Anlagen sollen für den Feind unbrauchbar gemacht werden. Die durch ihn herbeigeführten Heeresbedürfhisse sollen mit Zerstörung bedroht sein. Er selbst soll auch in den Unterkünften keine Ruhe finden." 7 Demnach oblag den Feldjägern im Kriegsfalle also die Erfüllung einer Doppelfunktion: Zunächst hatten sie einen Kampfauftrag gegen die Angehörigen des feindlichen Heeres. Dieser Kampfauftrag bestand „in lautlosen oder durch Feuer ausgeführten Überfällen auf Wachen, Posten und Patrouillen, insbesondere auch auf allein fahrende Personenkraftwagen mit Stabsangehörigen oder auf Kolonnen motorisierter Verbände." Darin wurde aber keineswegs nur ein Selbstzweck erblickt, sondern vielmehr auch ein Mittel zur Durchführung der zweiten Aufgabe des Feldjägerdienstes im Einsatz, nämlich den Sabotagehandlungen an Einrichtungen der feindlichen Armee sowie an sonstigen Objekten der bereits erwähnten Art. Insbesondere die zweite Aufgabe erforderte nach Ansicht der verantwortlichen Planer schon im Frieden eine intensive Vorbereitung. Aus diesem Grunde wurde unter Berücksichtigung der Erkenntnis, daß die ideale taktische Gliederungseinheit im Feldjägerdienst die etwa 8 Mann umfassende Kleinkampfgruppe war, das gesamte grenznahe Staatsgebiet des Deutschen Reichs in feststehende Einsatzräume für die Feldjägergruppen untergliedert. Diese Einsatzräume hatten je nach der Anzahl der darin gelegenen potentiellen Sabotage-

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Im Gegensatz zu den „Parteigängerkämpfen" und Guerillakriegen früherer Jahre, die noch vom Grundgedanken eines besonderen, vom Hauptkampf entfernten Kleinkriegsschauplatzes geprägt waren, sah diese Konzeption also vor, die Auswirkungen des Feldjägerdienstes „gerade dort auf das Höchste zu steigern, wo die Hauptentscheidung im Völkerringen gesucht wird." Daß sich der Kleinkrieg auf diese Weise zu einer beachtlichen Waffe des militärisch Schwächeren entwickeln konnte, „wenn es gelang, ihn wirklich systematisch zu organisieren, ihn planmäßig über die Feindfront hinweg zu führen und ihn bis zu einer nach Monaten erst fallenden Entscheidung kampffähig zu erhalten", war in Anbetracht der durch den Versailler Vertrag vorgegebenen Situation der militärischen Machtmittel Deutschlands ohne Zweifel der Hauptgrund für die neue Taktik.

3. Kap.: Der geheime Feldjägerdienst in der Weimarer Republik Objekte bzw. ihrer Geländebeschaffenheit eine Größe von 60-200 Quadratkilometern und sollten von den Feldjägern im Ernstfall nicht verlassen werden. Daher war die Raumerkundung ein wesentlicher Faktor der Friedensausbildung. Alle zu einer Gruppe gehörenden Feldjäger mußten das ihnen zugewiesene Kampfgebiet nicht nur im allgemeinen, sondern speziell auch im Hinblick auf die darin zu erwartenden Sabotageaufgaben genauestens kennen. Zu diesem Zweck wurden mit den Feldjägern häufig bei Tag ebenso wie bei Nacht Geländebegehungen durchgeführt und die verschiedenartigsten Kriegslagen in kleineren Übungen simuliert. Dies hatte allerdings zur Folge, daß sich der Feldjägerdienst nicht improvisieren ließ und ein Personalersatz für gefallene Angehörige einer Gruppe nicht möglich war: „Ein derartiger Versuch müßte scheitern, weil undurchgebildete Feldjäger ihre Kampfgruppen belasten und gefährden und ungeeignet sind, die hohen Aufgaben der »stehenden Kampfpatrouillen 4 im Feindrücken zu erfüllen." Diesem Nachteil der „Bodenständigkeit" stand jedoch der Vorteil gegenüber, daß die potentiellen Sabotageobjekte im Einsatzraum einer jeden Feldjägergruppe bereits im Frieden vollständig erfaßt und katalogisiert werden konnten. Auch war es möglich, das im Einsatz benötigte Zerstörungsmaterial einschließlich der erforderlichen Sprengmittel schon vorher in der Nähe des voraussichtlichen Verwendungsortes in Verstecken bereitzuhalten. Schließlich wurden in zahlreichen Gruppeneinsatzräumen sogar die Kriegsunterkünfte der Feldjäger durch Ausnutzung von Höhlen, Felsspalten, alten Bergwerksstollen und ähnlichen Örtlichkeiten vorbereitet. Schon die so umschriebenen Einsatzgrundsätze für die Feldjägerorganisation lassen erkennen, daß die Auswahl des geeigneten Personals außerordentlich sorgfältig durchgeführt werden mußte. Dies galt umso mehr, als man auf aktive Soldaten nicht zurückgreifen konnte, da der Feldjägerdienst ja gerade als geheime Reservetruppe für die Reichswehr konzipiert worden war. Zudem litt die Rekrutierung unter der Schwierigkeit, daß sie unter strengster Geheimhaltung zu erfolgen hatte. Gesucht wurden daher freiwillige Zivilisten, die besonders zuverlässig und verschwiegen waren und die Bereitschaft mitbrachten, einen großen Teil ihrer Freizeit unentgeltlich der umfangreichen Ausbildung im geräuschlosen Anschleichen, Tarnen, Spurenlesen, Verständigen durch Nachahmen von Tierlauten, Anlegen von Feldunterkünften, Verwischen der eigenen Spuren, Sanitätswesen, Umgang mit Waffen und Explosivmitteln etc. zu opfern. Darüber hinaus mußten sie naturgemäß geistig und körperlich uneingeschränkt verwendungsfähig sein. Demgemäß heißt es auch in der Denkschrift zur Frage der Personalauswahl: „Die hohen Anforderungen, die an die Feldjäger zu stellen sind, bringen es von selbst mit sich, daß nur ein sehr geringer Teil der waffenfähigen Männer für den Feldjägerdienst erfaßt werden kann. Es kommt weniger auf die Zahl als auf die

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Brauchbarkeit der Persönlichkeiten an. Wohl müssen sie von höchstem Kampfeswillen beseelt sein, aber sie wissen ihn auch unter bewußter Vermeidung eines aktivistischen Betätigungsdranges zurückzustellen auf den Augenblick, wo das Vaterland ihrer Hilfe bedarf. Sie sind auf die großen Endziele eingestellt. Alles Kleine und Kleinliche ist ihnen gleichgültig. Sie sind auch nicht etwa Putschistennaturen, sondern Männer, die bewußt sich als ,Nursoldaten' fühlen, die im Kriege eine besonders wichtige Aufgabe zu lösen haben." Obschon sich unter diesen strengen Voraussetzungen der Aufwuchs des Feldjägerdienstes zwangsläufig besonders zeitaufwendig gestaltete, ist es in den fünf Jahren zwischen 1923 und 1928 gelungen, unter Leitung eines beim Truppenamt des Reichswehrministeriums eingerichteten Sonderstabes8 in jedem der 13 Wehrkreise der Republik eine Organisation aufzubauen, bei der durchschnittlich je vier Feldjägergruppen zu einem Feldjägerzug zusammengefaßt waren, drei Feldjägerzüge eine Feldjägerkompanie bildeten9 und sämtliche Feldjägerkompanien eines Wehrkreises der Führung eines vom Wehrkreiskommando angestellten ehemaligen Berufsoffiziers unterstanden, der als „Organisator" bezeichnet wurde und einen ebenfalls aus verabschiedeten Soldaten bestehenden Unterstab zur Verfügung hatte. 10 Auf diese Weise war im Laufe der Zeit der Personalumfang des Feldjägerdienstes so stark angewachsen, daß sich auch die Ausarbeitung einer Kriegsgliederung der Truppe rechtfertigte. Danach war für den Fall einer Mobilmachung des Feldjägerdienstes 11 vorgesehen, dessen Gesamdeitung 8 Dieser Sonderstab bestand aus dem Chef des Feldjägerdienstes, Oberstleutnant a. D. von Voß, der in der kaiserlichen Armee zuletzt Generalstabschef des Gardekorps gewesen war, dessen Stellvertreter Major a. D. Wilhelm Hederich, einer Sekretärin und einigen wenigen ehemaligen Berufsoffizieren, die allesamt nicht der Reichswehr angehörten, sondern ihrer Arbeit lediglich aufgrund einer zivilvertraglichen Anstellung nachgingen. Zur Erfüllung seiner Aufgaben stand diesem Sonderstab nur eine geringe Anzahl von Büroräumen im Berliner Bendlerblock zur Verfügung, die offiziell der Organisationsabteilung des Truppenamtes gehörten (vgl. „Das Feldjägerkorps der zwanziger Jahre", BA-MA MSg 1/1352, Bl. 9 d. A.). 9 Die Einteilung des Feldjägerdienstes in Kompanien, die etwa 100 Mann stark waren, und Züge hatte rein organisatorische Gründe; ein geschlossener Einsatz eines Feldjägerzuges oder gar einer Kompanie war hingegen nicht vorgesehen. 10 Den Angaben in der Denkschrift zufolge waren im Jahre 1926 insgesamt 83 ehemalige Berufssoldaten vom Reichswehrministerium mit zivilen Anstellungsverträgen ausgestattet worden, um die hauptamtliche Führung des Feldjägerdienstes gewährleisten zu können, ohne dafür Kapazitäten der Reichswehr in Anspruch nehmen zu müssen. 11 Der Denkschrift zufolge war geplant, die Mobilmachung der Feldjägertruppe im Kriegsfall durch die Aufstellung der Feldjägergruppen zu bewirken. Insoweit sahen die einschlägigen Bestimmungen einige Besonderheiten vor: „Die Angehörigen der Feldjägergruppen müssen bereits im Frieden ihren Aufstellungsort genau kennen und den Weg wissen, auf dem ihnen ihre Einberufung privatim mitgeteilt wird. Der 1. Aufstellungstag der Feldjägergruppen ist zumeist vor jenem des Feldheeres gelegen, da die Feldjägertruppe, vor allem jene direkt an der Grenze, frühzeitig mit einem feindlichen Einrücken rechnen muß und zahlreiche Vorbereitungen im Kampfraum zu treffen sind. Um Verwechslungen vorzubeugen, ist daher der 1. Aufstellungstag der Feldjägertruppe als ,1. Pirschtag4 zu bezeichnen." Mit dem Abschluß der Aufstellung soll-

3. Kap.: Der geheime Feldjägerdienst in der Weimarer Republik einem „General der Feldjägertruppe" bei der obersten Heeresleitung zu übertragen, dem bei den Feldkommandos und Feldoberkommandos die „Kommandeure der Feldjägertruppen" unterstellt sein sollten. Diese Kommandeure waren der Planung gemäß unmittelbar für die Leitung des Feldjägereinsatzes in den Kampfräumen verantwortlich. Daneben waren bei den Felddivisionen der Reichswehr und den Grenzschutzverbänden die „Bevollmächtigten des Kommandeurs der Feldjägertruppen" eingeplant, die - ohne einen unmittelbaren Einfluß auf die Tätigkeit in den Kampfräumen zu haben - nur die Wünsche ihres Verbandes an die vorgesetzte Befehlstelle übermitteln sollten. 12 Zudem war beabsichtigt, die Truppengliederung in Gruppen, Züge und Kompanien „zum Zwecke einheitlicher Kampfführung und der Befehlsübermittlung sowie der Meldungserstattung" auch im Kriege unverändert beizubehalten. Anders als im Frieden war jedoch die Führung von etwa drei bis fünf Feldjägerkompanien durch einen dem Kommandeur der Feldjägertruppen unterstellten Feldjägerstab vorgesehen. Indessen hat die Feldjägertruppe die so umschriebene Gliederung tatsächlich niemals eingenommen, da sie bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1928 nicht für ihre Kriegsverwendung mobil gemacht worden ist. Im Gegensatz zu der Behauptung Vogelsangs13 wäre diese Kriegs Verwendung den Einsatzgrundsätzen des Feldjägerdienstes zufolge allerdings keineswegs auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt gewesen. Vielmehr wird in diesem Zusammenhang in der Denkschrift folgendes ausgeführt: „In seinem Prinzip ist der Feldjägerdienst erst dann bis zur völligen Ausführung gelangt, wenn es gelingt, die Schädigung des Feindes im feindlichen Landesinnern ten die Feldjäger, die bis zu diesem Zeitpunkt nur Zivilisten waren, zu Angehörigen der Reichswehr werden. Es mußte demgemäß dafür gesorgt werden, daß sie die Voraussetzungen des Art. 1 I der „ H a a g e r Landkriegsordnung" (genauer: der „Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges", die dem »Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges" vom 18.10.1907, RGBl. 1910, S. 107, als Anlage beigefügt wurde) erfüllten, damit sie zu ihrem eigenen Schutz als „legitime Kriegführende" (nicht, wie häufig irrtümlich angenommen wird, als „Kombattanten", vgl. dazu Art. 3 HLKO und Wörterbuch des Völkerrechts - Strebel, Stichwort „Kriegsgefangene", S. 343) angesehen werden konnten und damit Anspruch auf Behandlung als Kriegsgefangene hatten, wenn sie lebend in Feindeshand fielen. Aus diesem Grunde hatten sie ihre Waffen offen zu tragen, erhielten eine Armbinde und eine dem Feldheer ähnliche, uniformierende Bekleidung, um weithin sichtbar als Soldaten gekennzeichnet zu sein, und wurden verantwortlichen Führern unterstellt, die den organisatorischen Einheiten (Gruppen, Züge, Kompanien) vorstanden. Diese Führer hatten im übrigen aufgrund ihrer in hohem Maße Selbständigkeit und Verantwortlichkeit erfordernden Position einen um eine Stufe erhöhten Rang inne, so daß beispielsweise ein Kompaniechef denselben Dienstgrad hatte wie ein Bataillonskommandeur des Feldheeres. Alle einfachen Feldjäger wurden hingegen als Obergefreite bewertet. 12 Vgl. neben der Denkschrift auch die „Richtlinien für die Bearbeitung der Aufstellungskalender für Stäbe und Truppenteile des Feldjägerdienstes", BA-MA RH 2/ 418, Bl. 167 ff. d.A. 13 Vogelsang, S. 57.

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an den Wurzeln seiner militärischen Kraft, in den Betrieben seiner Heimatindustrie und seiner zentralen Landesverwaltung und in seinem eigenen Verkehrsnetz durch nachhaltige Eingriffe ihren Anfang nehmen zu lassen." Diesen Darlegungen folgt dann an anderer Stelle der Denkschrift auch ein Hinweis auf die praktischen Maßnahmen, die zur Umsetzung der theoretischen Erwägungen über einen Feldjägereinsatz im Ausland ergriffen wurden: „Der Wunsch, den Feind möglichst lange an der Grenze aufzuhalten, um die Aufstellung des eigenen Heeres im Kernlande zu ermöglichen, führte [...] zu dem Befehl, daß unter Beobachtung aller Tarnungsmöglichkeiten und größter Vorsicht der Feldjägerdienst auch im feindlichen Ausland durch die zuständige Stelle (,Sonderstab') in engster Verbindung mit der früheren Abwehrgruppe [...] Schritt für Schritt entwickelt werden sollte. Den zuständigen Wehrkreisen wurden für diese Arbeit im Ausland die angrenzenden Teilgebiete übertragen und Weisungen über die Art des Aufbaus gegeben."14 Damit steht aber fest, daß nach dem Willen der deutschen Heeresleitung im Kriegsfalle der Kleinkrieg durch Feldjägergruppen im Rücken der feindlichen Armee nicht nur im eigenen Land, sondern auch schon auf dem Staatsgebiet des Gegners geführt werden sollte. Der geschilderte Ausbau des Feldjägerdienstes im In- und auch im Ausland erschwerte naturgemäß in zunehmendem Maße die Geheimhaltung dieser Organisation. Gleichwohl gelang es bis ins Jahr 1928 hinein, die Existenz der Feldjäger zu verbergen. In diesem Jahr aber erfuhr die preußische politische Polizei von den Übungen, die eine Feldjägergruppe abgehalten hatte, und leitete ihre Erkenntnisse der preußischen Landesregierung zu. 15 Obwohl der Reichswehrmi14

Der Denkschrift lassen sich auch die konkret eingeleiteten Schritte entnehmen, da diese in einer umfangreichen Anlage zusammengefaßt sind. Danach wurden insbesondere in Polen und der Tschechoslowakei, aber auch in Frankreich vertrauenswürdige Leute angeworben, in der Nähe der „für den feindlichen Aufmarsch militärisch wichtigen Objekte" zu Sabotagegruppen zusammengefaßt und so ausgebildet, „daß sie im Ernstfall selbständig handeln können." Vor allem in der Tschechoslowakei konnte dabei mit großem Erfolg auf die deutschstämmige Bevölkerungsminderheit zurückgegriffen werden, denn schon gegen Ende des Jahres 1926 umfaßte die dortige Feldjägerorganisation 51 sudetendeutsche Angehörige. Neben diesen im Ausland aufgebauten Feldjägergruppen richtete man aber auch im grenznahen Inland Feldjägertruppenteile ein, die im Kriegsfalle auf dem Staatsgebiet des Gegners operieren sollten und daher als „Ausfallgruppen" bezeichnet wurden. Aufgrund der geographischen Gegebenheiten war hier Polen besonders betroffen, da sowohl in Ostpreußen als auch in Danzig solche Ausfallgruppen gebildet wurden. Schließlich beschritt man darüber hinaus noch einen dritten Weg, indem man in den befreundeten Staaten Osteuropas, hauptsächlich aber in der Ukraine und in Ungarn, den Aufbau von dem Feldjägerdienst vergleichbaren Kleinkriegstruppen ideell und materiell unterstützte, wenn diese mit der Zielrichtung Polen oder Tschechoslowakei gegründet worden waren. 15 Carsten, S. 330; Vogelsang, S. 57; nach der Schilderung Böckles, S. 155, war es eine eifersüchtige Ehefrau, die die Polizei informiert hatte, weil ihr Mann ohne Angabe von Gründen abends häufig das Haus verließ und erst gegen Morgen stark verschmutzt zurückkehrte. Unabhängig von der Frage nach ihrem Wahrheitsgehalt bel l Schütz

3. Kap.: Der geheime Feldjägerdienst in der Weimarer Republik nister, General Groener, der Chef des Truppenamts, General von Blomberg, und der Leiter der Wehrmachtabteilung, General von Schleicher, den preußischen Ministern versicherten, daß der Feldjägerdienst bereits seit längerem aufgelöst worden sei, schenkte man ihnen keinen Glauben und erhöhte den politischen Druck. 16 Aus diesem Grunde sah sich das Reichswehrministerium im Dezember 1928 gezwungen, den Feldjägerdienst endgültig aufzulösen, 17 nachdem er schon mit der Verfügung Nr. 446/28 T 2 m A „z" des Truppenamtes vom 14.01.1928 als selbständige Organisation aufgehoben und in den allgemeinen Grenzschutz eingegliedert worden war. 18 Nach all dem läßt sich zusammenfassend sagen, daß es sich bei dem Feldjägerdienst der Weimarer Republik um eine der Schwarzen Reichswehr zuzurechnende geheime Organisation gehandelt hat, die im Jahre 1923 anläßlich der Ruhrkrise unter Umgehung der Bestimmungen des Versailler Vertrages aus freiwilligen und hauptamtlich vom Reichswehrministerium angestellten Zivilisten gegründet worden ist, um im Kriegsfall in kleinen Gruppen hinter dem Rücken des einmarschierenden Feindes Sabotageakte und Sprengeinsätze durchzuführen. Die Betrachtung des Feldjägerdienstes hat gezeigt, daß militärpolizeiliche Tätigkeiten auch nicht ansatzweise zu seinem Aufgabenspektrum gehört haben. Hingegen hat sich nicht klären lassen, aus welchem Grunde die Kleinkriegtruppe von den verantwortlichen Stellen im Reichswehrministerium als „Feldjägerdienst" bezeichnet worden ist. Auch die Denkschrift über den Feldjägerdienst enthält keinen Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage. Dort findet sich lediglich die Einschätzung, daß „diese ernsten, vom Grenzgeist erfüllten Männer" sich mit erheblichen Stolz „Feldjäger" nannten, so daß man ihnen „diesen festverankerten Namen [...] ohne zwingende Gründe nie wieder nehmen" sollte. Indessen gibt es mit dem Feldjägerregiment Friedrichs des Großen und dem Reitenden Feldjägerkorps nur zwei historische Truppengattungen in der preußisch-deutschen Militärgeschichte, an deren Vorbild man sich zur Zeit der Weiweist diese Anekdote doch zumindest, wie gut bis zu diesem Zeitpunkt die Geheimhaltungsmaßnahmen funktioniert haben müssen, wenn nicht einmal die nächsten Angehörigen der Feldjäger über die Existenz des Feldjägerdienstes informiert waren. 16 So antworteten die preußischen Minister den Generalen, daß die Vertrauensgrundlage für eine gemeinsam zu tragende Verantwortung in Landesschutzfragen schwer erschüttert sei und daß sie von der „Soldatenspielerei" überhaupt nichts hielten (Vogelsang, S. 57, unter Bezugnahme auf Primärquellenmaterial). 17 Vgl. Carstens, S. 331; Schüddekopf, S. 241; Vogelsang, S. 57. 18 Vgl. die „Ausführungen zur Denkschrift über den Feldjägerdienst", BA-MA RH 2/419, Bl. 1 d.A.; falsch ist also die Behauptung Böckles, S. 155, und Meyers, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 413, der Feldjägerdienst sei bereits im Jahre 1927 aufgelöst worden. Eine weitere Folge der Ereignisse des Jahres 1928 war im übrigen die Versetzung des Generals von Blomberg nach Königsberg, wo er Befehlshaber des Wehrkreises I „Ostpreußen" wurde.

3. Kap.: Der geheime Feldjägerdienst in der Weimarer Republik

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marer Republik bei der Wahl der Bezeichnung „Feldjägerdienst" orientieren konnte. Das Reitende Feldjägerkorps ist aber als eine für den „militärischen Verkehrsdienst" bestimmte Waffengattung gegründet worden und hat sich während seines beinahe 180jährigen Bestehens zu einer reinen Kuriertruppe gewandelt, ohne jemals Kampfaufgaben wahrgenommen zu haben. Demgegenüber hat die Betrachtung des Feldjägerregimentes ergeben, daß es als Teil der preußischen leichten Truppen für den ,»kleinen Krieg" zuständig gewesen ist. Wenn sich auch das Verständnis des Begriffs „Kleinkrieg" im Laufe der Jahrhunderte grundlegend gewandelt hat, folgt daraus doch, daß das Feldjägerregiment weitaus eher als das Reitende Feldjägerkorps dazu geeignet gewesen ist, als Pate für die Benennung der Kleinkriegtruppe der Weimarer Republik zu fungieren. Mithin kann davon ausgegangen werden, daß die Namensgebung für den Feldjägerdienst unter Anknüpfung an das Vorbild des Feldjägerregimentes zustande gekommen ist. Demgemäß fehlt es dem geheimen Feldjägerdienst in der Weimarer Republik auch an jeglicher über die bloße Namensgleichheit hinausgehender Gemeinsamkeit mit der heutigen Ordnungstruppe der Bundeswehr, da er ebenso wie sein historischer Vorläufer in Preußen keinerlei militärpolizeiliche Aufgaben zu erfüllen hatte.

Ii*

4. Kapitel

Das Feldjägerkorps der SA in Preußen (1933-1935) Die Grundlage für das spätere SA-Feldjägerkorps, das nach der Auflösung des geheimen Feldjägerdienstes der Weimarer Republik die erste Organisation war, die wieder den Namen Feldjäger trug, ist schon am 22.02.1933 gelegt worden, denn an diesem Tage ordnete Hermann Göring in seiner Eigenschaft als kommissarischer preußischer Innenminister, die er zeitgleich mit der nationalsozialistischen „Machtergreifung" erworben hatte, die Aufstellung einer sogenannten „Hilfspolizei" aus Angehörigen der SA, der SS und des „Stahlhelm" an.1 Unter den aufgrund dieser Anordnung gegründeten Hilfspolizeiformationen befand sich auch die aus drei Bereitschaftszügen zu je 60 Mann bestehende „SAHilfspolizei der Gruppe Berlin-Brandenburg." 2 Während in der Folgezeit der größte Teil der Hilfspolizeiformationen nach und nach wieder aufgelöst wurde, blieb die SA-Hilfspolizei der Gruppe Berlin-Brandenburg in unveränderter Stärke bestehen, erhielt aber im März 1933 einen neuen Namen und hieß seit dieser Zeit „Feldpolizei der Gruppe Berlin-Brandenburg." 3 Diese Umbenennung war Ausdruck einer veränderten Aufgabenstellung der Formation, da sie von nun an nicht mehr - wie die übrige Hilfspolizei - zur Bekämpfung der Gegner des Nationalsozialismus eingesetzt wurde, 4 sondern für die Aufrechterhaltung von Ruhe, Disziplin und Ordnung in den Reihen der SA verantwortlich war. 5 Damit hatte die Feldpolizei der Gruppe Berlin-Brandenburg die Funktion einer Ordnungstruppe im Rahmen der SA übernommen und wurde so zum unmittelbaren Vorläufer des SA-Feldjägerkorps, das an ihre Stelle trat. Hermann Göring, der „Oberste Führer der SA", befahl die Aufstellung der neuen Ordnungstruppe am 01.10.1933. Daraufhin erließ der Stabschef der SA, Ernst Röhm, unter dem 07.10.1933 die Verfügung Ch. Nr. 1547/33, die die befohlene Bildung des Feldjägerkorps im Detail regelte. 6 Danach war das SAFeldjägerkorps aus Angehörigen der SA und der SS im Verhältnis 10 : 1 zu 1 Böckle, S. 152; HarnischmacherlSemerak, S. 100; Willoweit, te, S. 346. 2 Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 413. 3 Klietmann, Heft 35, S. 1. 4 Vgl. dazu Buchheim, S. 191. 5 Klietmann , a.a.O.

Verfassungsgeschich-

4. Kap.: Das Feldjägerkorps der SA in Preußen

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errichten. 7 Da das Feldjägerkorps eine Sondereinheit der SA darstellte, konnten seine Angehörigen Mitglieder der SA bleiben, sofern sie dieser entstammten. Die zum Feldjägerkorps versetzten SS-Angehörigen hingegen schieden nach ihrer endgültigen Übernahme in das Feldjägerkorps aus dem Verband der SS aus, konnten aber im Falle eines ehrenvollen Austritts aus dem Korps ihre Wiederaufnahme in die SS beantragen, die ihnen unter Verleihung ihres alten SSDienstgrades gewährt werden durfte, aber nicht bewilligt werden musste.8 Gegliedert wurde das Feldjägerkorps, das dem Chef des Stabes der SA unmittelbar unterstellt war und somit von keiner anderen Dienststelle der SA oder der SS Weisungen entgegennehmen mußte, in 8 Feldjägerabteilungen, die von einem „Kommando des Feldjägerkorps in Preußen" mit Sitz in Berlin geleitet wurden. Die Feldjägerabteilungen, die sich jeweils am Sitz der SA-Obergruppen in Königsberg, Stettin, Breslau, Berlin, Magdeburg, Frankfurt/Main, Hannover und Düsseldorf befanden, bestanden wiederum durchschnittlich aus drei geschlossen untergebrachten Feldjägerbereitschaften mit je 65 Feldjägern. 9 Kommandeur des Feldjägerkorps war SA-Oberführer Fritsch, während die Abteilungen von einem SA-Obersturmbannführer und die Bereitschaften von einem SA-Sturmbannführer befehligt wurden. 10 Der Anweisung des Stabschefs der SA zufolge war das Feldjägerkorps für die Hitlerjugend sowie für die der Obersten SA-Führung zu dieser Zeit unterstellten Gliederungen der NSDAP zuständig und hatte insoweit alle diejenigen polizeilichen Aufgaben zu erfüllen, die nicht in das Gebiet der Politischen Polizei fielen. Seine hauptsächliche Obliegenheit aber war die Überwachung der „Ehre und des Ansehens von SA, SS, NSKK, Stahlhelm und Hitlerjugend". 11 Die bei der Durchführung dieses Auftrags erforderliche Autorität gegenüber den Angehörigen der genannten Organisationen war den Feldjägern durch eine weitere Verfügung Röhms verliehen worden: 6

Klietmann, a.a.O.; es trifft also zu, wenn Absolon IV, S. 38; ders., Heft 11, S. 65, und Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 413, ausführen, die Gründung des SAFeldjägerkorps gehe auf einen Befehl Hermann Görings zurück. Demzufolge irrt Böckle, S. 152, soweit er behauptet, die Gründung des SA-Feldjägerkorps sei am 07.10.1933 von Röhm angeordnet worden, um die SA-Hilfspolizei auch in den preußischen Landesteilen einzuführen. Richtig daran ist allerdings, daß die Verfügung vom 07.10.1933 nicht von Hermann Göring, sondern von Ernst Röhm erlassen worden ist. Das wird wiederum verkannt von Absolon IV, S. 38, der die Verfügung Ch. Nr. 1547/ 33 dem Obersten Führer der SA zuschreibt, obwohl er selber darlegt (a.a.O., Fn. 152), daß sie mit „gez. Röhm" unterschrieben ist. 7 Absolon IV, S. 38 Fn. 153. 8 Vgl. die Verfügung RFSS II P Tgb.-Nr. 2527, SS-Befehlsblatt vom 12.03.1934, S. 1 Nr. 8; Klietmann, Heft 35, S. 2, zitiert diese Verfügung wörtlich. 9 Absolon, Heft 11, S. 65 f.; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 414. 10 Absolon IV, S. 38 Fn. 154, wo auch die übrigen im Feldjägerkorps vorhandenen Dienstgrade aufgeführt werden. 11 Zitiert nach Klietmann, Heft 35, S. 2.

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4. Kap.: Das Feldjägerkorps der SA in Preußen

„Durch Verfügung Ch. Nr. 1547/33 vom 07.10.1933 ist in Preußen das Feldjägerkorps aufgestellt worden. Der Feldjäger, kenntlich durch den weißmetallenen Ringkragen mit Dienstnummer, ist in Ausübung seines Dienstes Vorgesetzter eines jeden SA-, SS- und SAR-Führers und -Mannes. Seinen Anordnungen ist unbedingt und ohne Widerrede Folge zu leisten. SA-, SS- und SAR-Führer und -Männer, welche gegen diesen Befehl verstoßen, werde ich zur Rechenschaft ziehen und bestrafen." 12 Seinen Aufgaben entsprechend wurde das Feldjägerkorps vor allem dort eingesetzt, wo die Angehörigen der SA, der SS, des NSKK, des Stahlhelm und der Hitlerjugend der Kontrolle ihrer unmittelbaren Vorgesetzten außerhalb des Dienstes entzogen waren, so daß die Feldjäger zumeist Streifendienst in den Großstädten versahen. 13 Dabei arbeiteten sie eng mit den ortsansässigen SA-Obergruppen, aber auch mit den Dienststellen der Gestapo und den übrigen Polizeibehörden in Preußen zusammen.14 Indessen bestand das SA-Feldjägerkorps in dieser Form lediglich zwei Jahre lang, denn schon im Jahre 1935 verlor es seine Funktion als Ordnungstruppe für die Gliederungen der NSDAP wieder. Einerseits bedingt durch den Abschluß der Durchführung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 07.04.193315 und andererseits infolge verschiedener organisatorischer Änderungen bei der Polizei war nämlich zu Beginn des Jahres 1935 eine erhebliche Verminderung des Personalbestandes der preußischen Schutzpolizei eingetreten. Aus diesem Grunde wurde das gesamte Feldjägerkorps mit Wirkung zum 01.04.1935 durch den Runderlaß III S Ia 10a Nr. 3/35 des Reichsund Preußischen Ministers des Innern Wilhelm Frick vom 30.03.193516 in die preußische Schutzpolizei überführt. Im einzelnen sah der Runderlaß folgende Eingliederungsmaßnahmen vor: ,,a) Die Feldjägerbereitschaften werden in Standorten mit staatlicher Polizeiverwaltung dem Kommandeur der Schutzpolizei [...], in Standorten ohne staatliche Polizeiverwaltung dem Regierungspräsidenten unterstellt. b) Durch diese Unterstellung entfallen für die Zukunft die Aufgaben der Feldjägerabteilungsstäbe. Sie werden daher zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt aufgelöst. Die dann frei werdenden Abteilungsführer werden als Sachbearbeiter für Feldjägerbereitschaftsangelegenheiten den Kommandos der Schutzpolizei in Polizeiverwaltungen mit zwei und mehr Feldjägerbereitschaften zugeteilt, [...]. c) Durch die Eingliederung des Feldjägerkorps und die damit verbundene Unterstellung der Bereitschaften unter die örtlichen Polizeiverwalter bzw. Regierungspräsidenten ist ein selbständiges Kommando des Feldjägerkorps nicht mehr erforderlich. 12

Zitiert nach Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 413. Klietmann, Heft 35, S. 2. 14 Absolon IV, S. 39; ders., Heft 11, S. 66; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 414. 15 RGBl. I 1933, S. 175. 16 BA-MA RW 6/73, ohne Blattangabe. 13

4. Kap.: Das Feldjägerkorps der SA in Preußen

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Der Kommandeur des Feldjägerkorps tritt mit dem 1. April 1935 als Referent für Feldjägerangelegenheiten zur Unterabteilung DI B 3 meines Ministeriums." Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß die Überführung des Feldjägerkorps in die preußische Schutzpolizei zwar zu einer Auflösung der Führungsorganisation des Korps geführt hat, zunächst aber noch nicht zu Veränderungen in bezug auf seine Gliederung und Sollstärke. Insoweit sollten vielmehr für eine Übergangszeit die bisherigen Strukturen beibehalten werden: »für die Übergangszeit sind die Feldjägerbereitschaften den Kommandos der Schutzpolizei lediglich in bezug auf Einsatz und polizeiliche Verwendung unterstellt. Für den inneren Dienst, die Ausbildung und Personalangelegenheiten sind die Feldjägerabteilungen zuständig. [...]. Die Feldjägerbereitschaften bleiben kaserniert." Im Gegensatz dazu hatte die Eingliederung in die staatliche Polizeiorganisation im Hinblick auf die Aufgaben, die Befugnisse und die Rechtsstellung der Feldjäger naturgemäß grundlegende Wandlungen zur Folge: „Das Feldjägerkorps hat die gleichen Aufgaben wie die Schutzpolizei. Die Verwendung richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen und der polizeitaktischen Lage entsprechend der der früheren Polizeibereitschaften auf Überfallkommandos und als Einsatzreserve pp. [...]. Eine Verwendung der Feldjäger im Reviereinzeldienst findet im allgemeinen nicht statt. Die Verwendung bei der motorisierten Straßenpolizei wird durch besonderen Erlaß geregelt. [...]. Durch die Eingliederung des Feldjägerkorps in die Schutzpolizei sind die [...] Richtlinien des Obersten SA-Führers (!) vom 07.10.1933 - Ch. Nr. 1547/33 - auch in bezug auf die besonderen Aufgaben des Feldjägerkorps gegenstandslos geworden. Es erscheint mir aber zweckmäßig, in einer kurzen Übergangszeit beim Einschreiten gegen uniformierte Angehörige der NSDAP sich vorzugsweise der Feldjäger zu bedienen, ohne daß dadurch die Zuständigkeit der übrigen Polizeibeamten eingeschränkt wird." Demnach fielen also die besonderen Aufgaben des Feldjägerkorps von nun an in die Zuständigkeit der Schutzpolizei, der die Feldjäger jetzt auch statusrechtlich angehörten. 17 Aufgrund dieses Status wechseis waren sie gezwungen, aus der SA auszuscheiden. Das hatte aber wiederum zur Folge, daß sie auch ihre Eigenschaft als Vorgesetzte aller Angehörigen der SA, der SS, des NSKK, des Stahlhelm und der Hitlerjugend verloren. Konsequenterweise gab dann das Führungsamt des SS-Hauptamtes bekannt, daß „für das Feldjägerkorps nach seiner Eingliederung in die Schutzpolizei nur noch die von den zuständigen Polizeidienststellen gegebenen Befehle" verbindlich seien und aus diesem Grunde

17 In diesem Zusammenhang heißt es in dem Runderlaß: „Die Angehörigen des Feldjägerkorps werden mit dem 1. April 1935 unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs in das Beamtenverhältnis berufen." Die Führer des Feldjägerkorps wurden daher aufgrund eines besonderen Erlasses in Offizierstellen der Schutzpolizei übernommen, während die Feldjäger den Wachtmeisterrang erhielten (Absolon IV, S. 40; ders., Heft 11, S. 68).

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4. Kap.: Das Feldjägerkorps der SA in Preußen

„die entsprechenden Verfügungen [...] über die Befugnisse der Feldjäger gegenüber Angehörigen der SS" entfielen. 18 Innerhalb der Schutzpolizei vermied man es der Anordnung im Runderlaß des Ministers entsprechend zunächst, die Feldjäger zum Streifendienst einzuteilen. Zur Begründung für diese Maßnahme führte der spätere Chef der Ordnungspolizei, Kurt Daluege, in einer Rundfunkansprache am 08.05.1935 aus, niemand könne von den Feldjägern verlangen, daß sie das Wissen und Können mitbrächten, das sich ein Polizeibeamter im Laufe von Jahren praktischer Polizeiarbeit angeeignet habe. Für die Feldjäger sei die Materie zu neu, um sie im Einzeldienst auf der Straße einzusetzen.19 Stattdessen zog man die Feldjäger in verstärktem Maße für den Aufbau der als „motorisierte Gendarmerie" bezeichneten Straßenpolizei heran, die sich in Preußen als Instrument zur Überwachung des Landstraßenverkehrs bewährt hatte und daher vom 01.04.1936 an auf das ganze Reich ausgedehnt werden sollte. 20 Dementsprechend traten dann auch die meisten ehemaligen Feldjäger zur motorisierten Gendarmerie über, nachdem die Übergangszeit für die Eingliederung des SA-Feldjägerkorps in die Schutzpolizei abgelaufen war und die Geschichte des Feldjägerkorps der SA in Preußen damit geendet hatte, daß die Feldjägerbereitschaften zum 01.04.1936 als Organisationsform abgeschafft und in „Schutzpolizeihundertschaften" umbenannt wurden. 21 Aufgrund seiner organisatorischen Zugehörigkeit zur SA, seiner personellen Zusammensetzung aus „alten Kämpfern" 22 und seiner Zusammenarbeit mit der Gestapo bei der Erfüllung seiner Aufgaben handelte es sich beim Feldjägerkorps der SA um eine dem Nationalsozialismus gänzlich verhaftete Formation. Wenn im folgenden dennoch der Versuch unternommen wird, einen Vergleich zwischen den beiden Formationen anzustellen, so geschieht dies nur deshalb, weil damit beabsichtigt wird, losgelöst von politischen und moralischen Hintergrundinformationen im Sinne der Aufgabenstellung dieses Teils der Arbeit ganz abstrakt zu hinterfragen, inwieweit in der deutschen Militärgeschichte eine als

18

SS-Befehlsblatt vom 25.06.1935, S. 3, Nr. 12. Vgl. Absolon, Heft 11, S. 68. 20 Absolon IV, S. 40; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 414. 21 Absolon, Heft 11, S. 69. 22 Noch nach der Eingliederung in die preußische Schutzpolizei gab es während der Übergangszeit eigene Einstellungsbedingungen für das Feldjägerkorps in Preußen (vgl. die Anlage 2 zum Runderlaß m S Ia 10a Nr. 3/35 vom 20.03.1935), die zwar vorsahen, daß ein Bewerber nicht älter sein durfte als 21 Jahre (Nr. 2), andererseits aber in Nr. 6 bestimmten: „Der Bewerber muß eine möglichst vieljährige, ununterbrochene Zugehörigkeit zur SA, SS oder HJ aufweisen und einer dieser Gliederungen z.Zt. der Einstellung in das FJK noch angehören. Voraussetzung ist ein Eintritt in SA, SS oder HJ vor dem 30.01.1933. Bei langjähriger Parteizugehörigkeit kann diese Bedingung gemildert werden." 19

4. Kap.: Das Feldjägerkorps der SA in Preußen

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„Feldjäger" bezeichnete Formation auch schon vor der Gründung der Bundeswehr mit militärpolizeilichen Aufgaben betraut war. Insoweit findet sich in der wehrgeschichtlichen Literatur bereits das Urteil Meyers, daß „dieses Korps keine gesamt-militärpolizeiliche Aufgabe" gehabt habe.23 Daran ist sicher richtig, daß das Aufgabenspektrum einer militärpolizeilichen Truppengattung weitaus mehr Obliegenheiten umfaßt als lediglich die Ausübung einer ordnungsdienstlichen Funktion. So gehören zumindest auch verkehrsdienstliche Maßnahmen und die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben zum Kernbereich der Tätigkeiten einer Militärpolizeiformation. Verkehrsund sicherheitsdienstliche Aspekte fehlten im Aufgabenspektrum des SA-Feldjägerkorps aber völlig, da dieses als eine reine Ordnungstruppe konzipiert worden war. Meyer ist also darin beizupflichten, daß das SA-Feldjägerkorps keinesfalls in umfassendem Sinne einen militärpolizeilichen Charakter aufgewiesen hat. Indessen erscheint aber schon der Ausgangspunkt Meyers als problematisch, denn die Gleichsetzung der ordnungsdienstlichen Funktion des SA-Feldjägerkorps mit dem Ordnungsdienst als Teilbereich des Aufgabenspektrums einer Militärpolizeitruppe ist bereits deshalb nicht ohne weiteres möglich, weil die Zuständigkeit des SA-Feldjägerkorps überhaupt kein Militär umfaßte. SA, SS, NSKK, Stahlhelm und Hitlerjugend waren Gliederungen der NSDAP, die in dem hier in Rede stehenden Zeitabschnitt lediglich teilweise paramilitärische Züge aufwiesen, keinesfalls jedoch den Charakter von Streitkräften hatten. Die Vorgehensweise Meyers ist also nur dann gerechtfertigt, wenn man in dem Umstand, daß das SA-Feldjägerkorps für die Aufrechterhaltung der „Ehre und des Ansehens" der Angehörigen eines durch verschiedene gemeinsame Merkmale, insbesondere aber durch die Uniformierung von der Allgemeinheit abgrenzbaren speziellen Personenkreises verantwortlich war, eine sonderpolizeiliche Funktion des Korps erblickt, die derjenigen einer militärpolizeilichen Truppenformation ähnlich ist. In diesem Fall führt der Vergleich des SA-Feldjägerkorps mit der Feldjägertruppe der Bundeswehr dann zu dem Ergebnis, daß die Gemeinsamkeiten beider Organisationen nicht - wie beim Feldjägerregiment der altpreußischen Armee oder dem geheimen Feldjägerdienst der Weimarer Republik - lediglich auf die Übereinstimmung der Benennung beschränkt sind, sondern vielmehr auch einen bedeutsamen Teilbereich des Aufgabenspektrums der heutigen Feldjäger erfassen, da diese gem. ZDv 75/100, Nr. 115 und 401, sowie HDv 360/ 200, Nr. 1001, für die Aufrechterhaltung der soldatischen Disziplin und der militärischen Ordnung zuständig sind. Obwohl diese Übereinstimmung hinsichtlich der ordnungsdienstlichen Funktion nur rein formaler Natur ist, weil sich die Aufrechterhaltung der „Ehre und des Ansehens" der SA und ähnlicher Organisationen von der Überwachung der Disziplin und Ordnung der Bundeswehr-Soldaten evidentermaßen inhaltlich fundamental unterscheidet, kann beim SA-Feld-

23

Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 414.

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4. Kap.: Das Feldjägerkorps der SA in Preußen

jägerkorps erstmals in der preußisch-deutschen Militärgeschichte beobachtet werden, daß eine Formation mit dem Namen Feldjäger ausschließlich für die Erfüllung einer Aufgabe verantwortlich war, die einem Teilbereich militärpolizeilicher Tätigkeiten vergleichbar ist.

5. Kapitel

Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht A. Die Gründung der Feldjägerkommandos und ihr weiteres Schicksal Die letzten Formationen, die in der preußisch-deutschen Militärgeschichte vor der Gründung der Bundeswehr als „Feldjäger" bezeichnet worden sind, verdanken ihre Aufstellung der Tatsache, daß gegen Ende des Jahres 1943 eine zunehmende Verschlechterung der Gesamtkriegslage der Wehrmacht eintrat. Insbesondere die Erfahrungen an der Ostfront hatten erkennen lassen, daß infolge der erheblichen militärischen Rückschläge, der katastrophalen Lebensbedingungen der Frontsoldaten, der länger werdenden Kriegsdauer und der Nachrichten über den Bombenkrieg im Deutschen Reich Moral und Disziplin der Soldaten sowohl an der Front als auch in den rückwärtigen Gebieten spürbar nachließen.1 Zudem hatte Adolf Hitler einer Eintragung im Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht vom 27.11.1943 zufolge anläßlich eines Aufenthaltes in München schon am 08.11.1943 „in scharfer Form auf das Mißverhältnis zwischen der Front und den rückwärtigen Diensten hingewiesen"2 und damit das überproportionale Anwachsen der letzteren kritisiert. Dementsprechend heißt es dann in der Eintragung im Kriegstagebuch weiter: „Der WFSt hat am 12.11. in einer Vortagsnotiz seine bisherigen Bemühungen zur Abstellung dieses Übelstandes angeführt und neue Vorschläge gemacht. Ein erster Entwurf für einen Befehl, der am 13.11. dem Chef WFSt vorgelegt wurde, mußte überarbeitet werden. Am 15.11. ist nach Rücksprachen mit dem Chef OKW, dem Chef Heeresstab und dem Stellv. Chef WFSt ein neuer Entwurf zu einem Führerbefehl für die Verstärkung der Kampfkraft der fechtenden Truppe eingereicht worden, [...]. Der Chef OKW hat ihn am 17.11. zur Kenntnis genommen, jedoch nicht unterschrieben. [...]. In der Woche vom 22.-27.11. ist dann der zusammenfassende Führerbefehl über den Menscheneinsatz zum Abschluß gebracht und im FHQu. nach erneuten Rücksprachen zwischen Chef OKW, Chef Heeresstab und Reichsmarschall dem Führer vorgelegt worden. [...]. In diesem am 27.11. vom Führer unterschriebenen Befehl wird auf das Mißverhältnis zwischen fechtender Truppe und den rückwärts der Front und in der Heimat tätigen Soldaten und auf die unter dem Wort 1 Böckle, S. 173; Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 37; Williamson, auch Speidel, Denkschrift, S. 2. 2 Kriegstagebuch vom 27.11.1943, S. 1314.

S. 13. Ebenso

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

»Etappe4 zusammengefaßten militärischen und psychologischen Gefahren hingewiesen und der Entschluß bekundet, die Kampfkraft der fechtenden Front mit allen Mitteln wiederherzustellen. Es wird verlangt, daß nunmehr [...] mindestens 1 Millionen Mann für die Front gewonnen werden. Hierfür wird eine Reihe von Maßnahmen befohlen." 3 Zu diesen in dem Führerbefehl angeordneten Maßnahmen gehörte auch die Errichtung von drei Feldjägerkommandos, die die Kampfkraft der Fronttruppen durch Wiederherstellung des personellen Gleichgewichts zwischen rückwärtigen Diensten und Front sowie durch Aufrechterhaltung der Moral und Disziplin der Soldaten stärken sollten.4 Den dazu ergangenen Ausführungsbefehlen zufolge war das Feldjägerkommando I im Wehrkreis I (Königsberg/Ostpreußen) aufzubauen, während die Aufstellung des Feldjägerkommandos I I im Wehrkreis VIII (Breslau) und die des Feldjägerkommandos III im Wehrkreis X V I I (Wien) zu erfolgen hatte.5 Schon am 24.12.1943 konnten dann die zuständigen militäri3

Kriegstagebuch vom 27.11.1943, S. 1314 f. Damit steht fest, daß die Gründung der Feldjägerkommandos auf einen Führerbefehl vom 27.11.1943 zurückgeht. Das läßt sich auch einer Kriegstagebucheintragung vom 07.12.1943 entnehmen, die unter Bezugnahme auf den Führererlaß vom 27.11. von der „Aufstellung von Feldjägerkommandos" spricht (Kriegstagebuch vom 07.12.1943, S. 1342). Richtig daher Böckle, S. 173; ders., Truppenpraxis 1973, S. 37; Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 37, und Umdruck SFJgStDst, S. 18, die den 27.11.1943 als Gründungsdatum angeben. Nicht falsch, aber ungenau Speidel, Denkschrift, S. 2 („Ende 1943"), und Williamson, S. 13 („November1943"). Unzutreffend dagegen die „Kriegsgliederung des Feldheeres", Band V (Heerestruppen, Armeetruppen, Versorgungstruppen), Sommer 1943-Januar 1944, S. 147 ff. (BA-MA RHD 18/ 70), wonach die Gründung erst am 25.12.1943 erfolgt sein soll. Dieses Datum wird erstaunlicherweise auch von Rathke, a. a. O., genannt. Auch Tessin, S. 294, hat es sich fälschlicherweise zu eigen gemacht. Das Kriegstagebuch vermerkt unter dem 25.12.1943 jedoch, daß das OKW an diesem Tag lediglich die Ausstattung der Feldjägerkommandos mit Kraftfahrzeugen, „zu der alle 3 Wehrmachtteile herangezogen werden sollen", geregelt habe (Kriegstagebuch vom 25.12.1943, S. 1382). Die unzutreffende Angabe Keilig-Kochs, S. 287, der von einer Aufstellung im Juni 1944 ausgeht, ist darauf zurückzuführen, daß ihm bei der Anfertigung seiner Ausführungen insoweit keine Originalunterlagen zur Verfügung gestanden haben; vgl. dazu den Umdruck SFJg StDst, S. 18 Fn. 14, dessen Verfasser wegen der Frage des korrekten Gründungsdatums mit Koch korrespondiert und die vorstehende Erklärung erhalten hat. Nicht nachvollziehbar ist dagegen die Behauptung Absolons, S.171, wonach die Feldjägerkommandos auf Befehl Hitlers erst am 09.01.1944 durch einen Erlaß des OKW aufgestellt worden seien. 5 Böckle, S. 173 f.; Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 37; Williamson, S. 13. Es trifft also nicht zu, wenn Speidel auf Seite 2 seiner Denkschrift darlegt, daß zunächst nur ein Feldjägerkommando geschaffen worden sei. Dieser Irrtum Speidels erklärt sich aus der Tatsache, daß er lediglich von Mitte März bis Ende Juni 1945 Befehlshaber des Feldjägerkommandos III gewesen ist. Wie er selbst in den Vorbemerkungen zu seiner Denkschrift einräumt, war es ihm dadurch bedingt nicht möglich, „in die mir neue Aufgabe und Tätigkeit wirklich einzudringen", so daß er „nur über gewisse Erinnerungen und begrenzte Erfahrungen" verfügen konnte, als er die Denkschrift verfaßte. Alle Informationen, die in der Denkschrift Speidels enthalten sind, müssen daher „mit dem größten Vorbehalt" zur Kenntnis genommen werden, soweit sie nicht in 4

A. Die Gründung der Feldjägerkommandos und ihr weiteres Schicksal

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sehen Dienststellen dem OKW die personelle Einsatzbereitschaft der ersten Einheiten der Feldjägerkommandos melden.6 Diese bestanden wie auch alle später noch folgenden Feldjägereinheiten ausschließlich aus besonders ausgewählten Soldaten der drei Wehrmachtteile und der Waffen-SS, denn Feldjäger durfte nur werden, wer hervorragende Beurteilungen aufweisen konnte, mehrere Jahre an der Front gedient und dabei ein energisches Auftreten, persönliche Verantwortungsfreudigkeit und eine überdurchschnittliche Urteilsfähigkeit unter Beweis gestellt hatte.7 So war beispielsweise die Einstellung eines Unteroffiziers in ein Feldjägerkommando nur unter der Voraussetzung möglich, daß er zumindest mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden war. 8 Trotz dieser strengen Auswahlkriterien ist es jedoch gelungen, die vollständige Aufstellung aller drei Feldjägerkommandos bis Ende Januar 1944 zum Abschluß zu bringen. Dies geht aus einem Aktenvermerk hervor, der am 20.01.1944 im Führerhauptquartier aufgrund einer Meldung der Organisationsabteilung des Wehrmachtführungsstabes gefertigt worden ist, denn darin heißt es: „Infolge verspäteter Zuführung der Kraftfahrzeuge an die Feldjäger-Kommandos [...] wird sich der Einsatz der Feldjäger-Kommandos um einige Tage verzögern. Nach Angabe In. 12 (Hptm. Blank) an WFSt/Org. werden die Kraftfahrzeuge in den nächsten 4-5 Tagen bei den Feldjäger-Kommandos eintreffen". 9

einem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Befehlshaber des Feldjägerkommandos HI stehen. 6 Umdruck SFJg StDst, S. 18, unter Bezugnahme auf die im Bundesarchiv-Militärarchiv lagernden Stammtafeln des „OKW-Feldjägerkorps". 7 Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 38; Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 37; Speidel, Denkschrift, S. 3; Umdruck SFJg StDst, S. 25; vgl. auch den Befehl „Chef OKW WFSt/I d Nr. 14/45 geh." vom 12.02.1945, in dem es u.a. heißt: „Schlagkraft, volle Eignung und Einsatzbereitschaft der Feldjäger [...] sind aber im augenblicklichen Stadium des Krieges in der Führung unseres Schicksalskampfes entscheidende Voraussetzungen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Manneszucht. [...]. Die Wehrmachtteile werden nochmals auf die kriegsentscheidende Bedeutung dieses Dienstes und die mehrfach gegebenen Befehle hingewiesen, nur bevorzugt geeignete Männer zu kommandieren" (BA-MA RW 4/493, ohne Blattangabe). Die Tatsache, daß dieser Befehl des OKW im Hinblick auf den Personalersatz der Feldjägerkommandos alle drei Wehrmachtteile anspricht, widerlegt im übrigen Speidel, Denkschrift, S. 3, der behauptet, die Gestellung des Personals sei nur durch das Heer erfolgt. Speidel, Denkschrift, S. 19, wirft aber m.E. zu Recht die Frage auf, „ob nicht diese Massen von im einzelnen hochqualifizierten Soldaten bei Zusammenfassung in wirklichen Kampfeinheiten bzw. Zuführung in die Frontverbände der Gesamtlage mehr genutzt hätten" als durch ihren Einsatz als Feldjäger. Demgegenüber sieht Williamson, S. 13, nur die Vorteile, die durch die strenge Personalauswahl für den Feldjägerdienst erzielt werden konnten: „These men would know how the common soldier ,at the sharp end' feit; and would thus have the moral stature for their difficult work." 8 Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 38; Speidel, Denkschrift, S. 3; Umdruck SFJg StDst, S. 25; Williamson, S. 13. 9 BA-MA RW 4/492, ohne Blattangabe. Die Vermutung Böckles, S. 173, und des Umdrucks SFJg StDst, S. 18, daß die Aufstellung bis zum Februar 1944 abgeschlossen gewesen sei, trifft also zu.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Einem weiteren im Führerhauptquartier angefertigten Aktenvermerk ist dann zu entnehmen, daß die drei Feldjägerkommandos ihre Tätigkeit im Laufe der ersten Februarwoche 1944 aufgenommen haben.10 Zu diesem Zeitpunkt verfügte jeder Befehlshaber eines Feldjägerkommandos über einen Führungsstab und ein Feldjägerbataillon mit Einsatzkräften. Ersterer stand unter der Leitung eines Chefs des Stabes und setzte sich aus 25 bis 30 Offizieren, einem Wehrmacht-Chefrichter, dem üblichen Unterstab, einer Kraftfahrzeug- sowie einer Instandsetzungsstaffel und sogar einer Flugbereitschaft zusammen.11 Hingegen waren die Feldjägerbataillone, die am 25.04.1944 in Feldjägerregimenter umbenannt wurden, 12 jeweils in fünf Feldjägerabteilungen untergliedert, denen ein Befehlshaber im Generalsrang vorstand. Diese Feldjägerabteilungen hatten Kompaniestärke und umfaßten einen Stab, dem u.a. auch ein Feldrichter angehörte, und etwa 50 bis 55 vollmotorisierte Feldjägerstreifen, die wiederum in aller Regel von einem Stabsoffizier geführt wurden und aus zwei bis drei älteren Unteroffizieren bestanden.13 Die so gegliederten Feldjägerkommandos unterstanden in jeder Hinsicht unmittelbar dem Chef des OKW. 1 4 Dies hatte einerseits zur Folge, daß die Feld10

FHQu., 04.02.1944, Betr.: Feldjäger-Kommandos (BA-MA RW 4/492, ohne Blattangabe). 11 Böckle, S. 174; Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 38; Speidel, Denkschrift, S. 3; Umdruck SFJg StDst, S. 19. 12 Feldpostübersicht, Teil III, Band 13, 12. Neudruck, Stand: 06.02.1945 (BA-MA RH 3/89). Diese Umbenennung erklärt die Feststellung Keilig-Kochs, S. 287, daß den Befehlshabern der Feldjägerkommandos die Feldjägerregimenter 1-3 unterstanden hätten, die in einzelnen Quellen aber auch Feldjägerbataillone genannt würden. Mit Tessin, S. 294, ist jedoch davon auszugehen, daß die Umbenennung nicht auf eine Vermehrung des Personalumfanges der Feldjägerkommandos zurückzuführen ist, sondern lediglich deshalb vorgenommen wurde, weil der hohen Zahl der Offiziere, die einem solchen Kommando angehörten, durch die Bezeichnung der Einsatzverbände auch nach außen hin Rechnung getragen werden sollte. Tatsächlich läßt sich nämlich im heute noch zugänglichen Primärquellenmaterial nicht ein einziger Hinweis darauf finden, daß eine Aufstockung des Personalbestandes stattgefunden hätte. 13 Böckle, S. 174; ders., Truppenpraxis 1973, S. 38; Speidel, Denkschrift, S. 3; Umdruck SFJg StDst, S. 19; Williamson, S. 13. Demgegenüber geben Keilig-Koch, S. 287, Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 37, und Tessin, S. 294, übereinstimmend an, einer Feldjägerabteilung hätten lediglich 30 Offiziere und 90 Unteroffiziere angehört. Träfe dies zu, so wären in jeder Abteilung nur etwa 30 Streifen vorhanden gewesen. Eine Entscheidung darüber, welcher Ansicht zuzustimmen ist, kann letztlich wegen des insoweit fehlenden Primärquellenmaterials nicht getroffen werden. Indessen dürfte jedoch Speidel aufgrund seiner Tätigkeit als Befehlshaber des Feldjägerkommandos III in dieser Frage als die zuverlässigste Quelle anzusehen sein. Dagegen widerspricht sich Rathke selbst, da er ebenfalls von 50 bis 55 Streifen ausgeht (a.a.O., S. 38). 14 Kriegstagebuch vom 07.12.1943, S. 1342; Befehl des Chefs des OKW „WFSt/ Org. (I) Nr. 22/44 geh." vom 08.01.1944, S. 2 (BA-MA RW 4/493, ohne Blattangabe). Während der Umdruck SFJg StDst, S. 18, davon spricht, daß unter den Ordnungstruppen der Wehrmacht eine Einrichtung gefehlt habe, die nur dem OKW unterstand und „mit klaren Befugnissen unabhängig von Kompetenzen anderer Dienststellen handeln konnte", bestreitet Speidel, Denkschrift, S. 18, die Notwendigkeit einer

A. Die Gründung der Feldjägerkommandos und ihr weiteres Schicksal

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jägerkommandos ihre Aufträge völlig unabhängig von allen anderen Befehlsstellen der Wehrmacht und der Waffen-SS durchführen konnten. Andererseits war es dadurch aber auch dem Chef des OKW möglich, in ausschließlicher Zuständigkeit und frei von jeglicher Einflußnahme über die Zuteilung der Einsatzräume an die Feldjägerkommandos zu entscheiden, wobei er grundsätzlich die Taktik verfolgte, sie je nach Bedarf im Bereich eines bestimmten Frontabschnittes zu verwenden, der in der Regel nicht größer war als die Kampfzone einer Heeresgruppe. 15 Dementsprechend waren die drei Feldjägerkommandos auch nicht etwa für die gesamte Ostfront zuständig, als sie im Februar 1944 den Planungen entsprechend ihre Tätigkeit westlich der Linie Transnistrien-Bug-WilnaDünaburg-Rina-Reval aufnahmen, 16 sondern wurden lediglich in räumlich begrenzten Gebieten des östlichen Kriegsschauplatzes eingesetzt. So wurde das Feldjägerkommando I mit dem General der Flieger Ernst Müller als Befehlshaber nach Weißruthenien verlegt, während das Feldjägerkommando II, das unter dem Befehl des Generals der Panzertruppen Kempf stand, im Ostteil des Generalgouvernements Verwendung fand. Das Feldjägerkommando III schließlich sollte unter der Führung des Generals der Infanterie von Scheele in Transnistrien eingesetzt werden. 17 Bedingt durch diese bedarfsorientierte Verwendungsweise verlief das weitere Schicksal der Feldjägerkommandos in den verbliebenen Kriegsmonaten nahezu zwangsläufig gänzlich unterschiedlich. Zwar läßt sich die Formationsgeschichte des Feldjägerkommandos I nicht über den Zeitpunkt seines Ersteinsatzes hinaus verfolgen, da insoweit keinerlei Primärquellenmaterial überliefert ist, doch können stattdessen die auf die jeweilige Anfangsverwendung folgenden Tätigkeiten der beiden anderen Feldjägerkommandos auch heute noch nachvollzogen werden. Danach befand sich das Feldjägerkommando I I bereits im April 1944 in Ungarn, nachdem es seinen ursprünglichen Einsatzraum verlassen hatte. Schon einen Monat später wurde es jedoch unter seinem neuen Befehlshaber, General der Infanterie von Oven, erneut verlegt und kam zur Heeresgruppe Süd in Galizien, bevor es im Juli 1944 wieder ins Zentrum der Ostfront zurückkehrte, um dort im rückwärtigen Gebiet der von Generalfeldmarschall Model befehligten solchen Sonderorganisation: „Die Aufrechterhaltung von Moral und Disziplin der Truppe ist Aufgabe des Truppenführers jeden Ranges. Seine Autorität ist zu stärken! Diese wird aber geschwächt, wenn er selbst mit seiner Truppe einer anonymen Kontrolle unterliegt und in seinen primären Rechten und Befugnissen als Truppenführer hinsichtlich der Truppenführung und -erziehung eingeschränkt wird." Geradezu kurios sind mithin die Ausführungen Böckles zu dieser Wertungsfrage, da er einerseits der Meinung des Umdrucks SFJg StDst folgt und behauptet, eine unmittelbar dem Chef des OKW unterstellte Ordnungstruppe habe gefehlt (S. 173), andererseits aber die Ansicht Speidels nahezu wörtlich übernimmt und sich zu eigen macht (S. 189). 15 Böckle, S. 174; Speidel, Denkschrift, S. 2. 16 Vgl. das Kriegstagebuch vom 07.12.1943, S. 1342. 17 Vgl. den am 04.02.1944 über den Einsatz der Feldjägerkommandos im Führerhauptquartier angefertigten Aktenvermerk (a.a.O., s.o. Fn. 10).

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Heeresgruppe Mitte verwendet zu werden. Nachdem es dann im Verlauf des weiträumigen Rückzuges der deutschen Truppen in Ostpreußen angelangt war, wurde es im Januar 1945 von General Moser übernommen und der Heeresgruppe Schörner in Schlesien zugeteilt, wo es im allgemeinen Zusammenbruch unterging. 18 Auch das Feldjägerkommando IE ist nach Beendigung seines Ersteinsatzes vom Chef des OKW auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen verwendet worden. Insoweit ist zunächst dem Befehl „OKW/WFSt/Qu 2 (Ost) Nr. 007522/44 gKdos" vom 16.07.194419 zu entnehmen, daß es im Juli 1944 gemeinsam mit dem Feldjägerkommando I I im Bereich der Heeresgruppe Mitte eingesetzt worden ist. Überdies berichtet General der Flieger Speidel, der im März 1945 die Nachfolge des erst im August 1944 zum Befehlshaber des Feldjägerkommandos III ernannten Generals der Infanterie Grase angetreten hatte, 20 daß das Kommando aus Ungarn kam, als er dessen Einsatz an der Westfront vorbereitete 2 1 Zur Zeit der Kapitulation befanden sich die noch einsatzfähigen Reste des Feldjägerkommandos m dann gemeinsam mit den dem Generalfeldmarschall Kesselring unterstellten Truppenverbänden im Bereich der sog. „Alpenfestung". 22 Dort wurden sie mit dem Einverständnis Kesselrings zunächst noch nicht der allgemeinen Entwaffnung der deutschen Streitkräfte unterzogen, sondern im Auftrag der Amerikaner dazu verwendet, den militärischen Ordnungsdienst für die im sog. „Kapitulationsraum Süd" befindlichen deutschen Truppen zu versehen. 23 Aus diesem Grunde wurde das Feldjägerkommando III auch erst am 23.06.1945 aufgelöst; seine Angehörigen waren mithin die letzten Soldaten der Wehrmacht, die im zweiten Weltkrieg ihre Waffen niederlegten. 24

18

Umdruck SFJg StDst, S. 22, unter Bezugnahme auf einen persönlichen Brief des Generals von Oven an den Verfasser; vgl. auch Böckle, S. 174, und Williamson, S. 13. 19 BA-MA RW 4/709, Teil 1, Bl. 3-5 d.A. Zuvor soll das Kommando etwa seit Mitte März 1944 auch noch in Nordrumänien eingesetzt worden sein (Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 38 m.w.N.). 20 Böckle, S. 174; Williamson, S. 13. 21 Speidel, Denkschrift, S. 4. 22 Vgl. Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 40; Speidel, Denkschrift, S. 13. 23 Dazu ausführlich wiederum Speidel, Denkschrift, S. 16 ff. 24 Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 38; Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 40; Umdruck SFJg StDst, S. 23; vgl. auch Williamson, S. 5: „At the end of the Second World War, the skills of the German Military Police were quickly appreciated by the Americans, who used several entire companies of fully armed Feldjäger as auxiliaries to assist their own hard-pressed police formations. In the chaotic conditions of the immediate post-war period the experienced manpower provided by these troops was of great help to the occupying authorities."

B. Die Aufgaben der Feldjägerkommandos

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B. Die Aufgaben der Feldjägerkommandos I. Die gemeinsamen Obliegenheiten der Feldjägerkommandos Den Motiven entsprechend, die für die Gründung der Feldjägerkommandos ausschlaggebend gewesen waren, lag der Sinn ihrer Tätigkeit vor allem in der Unterstützung der an der Front verwendeten Truppenverbände, deren Kampfkraft durch den Einsatz einer von den örtlichen Befehlshabern unabhängigen, nur dem Chef des OKW unterstellten Truppengattung aufrechterhalten und wenn möglich sogar verstärkt werden sollte. 25 Um diese Zielsetzung zu verwirklichen, wurden den Feldjägerkommandos vom Chef des OKW in erster Linie ordnungsdienstliche Aufgaben zugewiesen. Ihre Hauptaufgabe bestand demnach darin, „nach den durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht ergehenden Befehlen des Führers kurzfristig und vollständig die Ordnung in den zugewiesenen Gebieten herzustellen und hierdurch möglichst viele Kräfte für den Einsatz als Kämpfer freizumachen". 26 Innerhalb des ordnungsdienstlichen Bereichs versuchte man dann, die Kampfkraft der Fronttruppen auf zweierlei Weise zu verstärken: Zum einen strebte man an, die personellen und materiellen Ressourcen der Einsatzverbände zu erhöhen. Daher sollten die Feldjäger „die Abgabe überflüssigen und überzähligen Personals und Materials aus rückwärtigen Dienststellen und Einheiten und die Zuführung frontverwendungsfähigen Personals und Materials zur kämpfenden Truppe" sicherstellen. 27 Zu diesem Zweck oblag ihnen das „Überwachen und Auskämmen rückwärtiger Einrichtungen, Dienststellen und Einheiten des Heeres, der Kriegsmarine, Luftwaffe und Waffen-SS". 28 Auch das NSKK und andere im Rahmen der Wehrmacht eingesetzten Organisationen mußten daraufhin untersucht werden, inwieweit dort „entbehrliche Dienststellen, Einheiten und Einrichtungen" vorhanden waren, die zur Front „abgeschoben" werden konnten. 29 Die Kontrollfunktion der Feldjäger erstreckte sich darüber hinaus aber auch noch auf den von der Front aus nach rückwärts 25

Speidel, Denkschrift, S. 2. Befehl „Chef OKW-WFSt/Org. (I) Nr. 22/44 geh." vom 08.01.1944, BA-MA RW 4/493, ohne Blattangabe. Dieser im Hinblick auf die Aufgaben, die Befugnisse und den Einsatz der Feldjägerkommandos grundlegende Befehl ist auch in A.H.M. 1944, S. 209, Nr. 352 zu finden. 27 A.H.M. 1944, S. 319, Nr. 585. Eine Abschrift des dort abgedruckten Erlasses des OKH befindet sich auch im Aktenbestand BA-MA RW 17/86, Bl. 13 d.A. Zudem werden wesentliche Teile des Erlasses im Umdruck SFJg StDst, S. 20 f., wörtlich wiedergegeben. 28 Befehl vom 08.01.1944 (a.a.O., s.o. Fn. 26); ebenso auch schon das Kriegstagebuch vom 07.12.1943, S. 1342. 29 Befehl vom 08.01.1944 (a.a.O., s.o. Fn. 26). 26

12 Schütz

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

laufenden Verkehr, der nach Möglichkeit in jedem Einzelfall auf seine Notwendigkeit hin zu überprüfen war. 3 0 Aus diesem Grunde hatten die Feldjägerkommandos „Ortschaften, Straßen- und Bahnverkehr in dem zugewiesenen Gebiet einer scharfen Kontrolle zu unterziehen". Soweit dabei „Offiziere, Beamte, Unteroffiziere, Mannschaften und Sonderführer sowie Einheiten, Einrichtungen, Kommandos und Abwicklungsstellen der Wehrmachtteile und der Waffen-SS [...] ohne erkennbaren Zweck oder hinreichend begründeten Auftrag angetroffen" wurden, waren sie von den Feldjägern „zu erfassen und (einschließlich Hilfswilliger und Kriegsgefangener, Pferde, Fahrzeuge und Kraftfahrzeuge) unter Bewachung den von den territorialen Befehlshabern bestimmten Sammelpunkten zuzuführen". 31 Auf der anderen Seite sollte sich der den Feldjägerkommandos zugewiesene militärische Ordnungsdienst aber auch in „ideeller" Hinsicht positiv auf die Kampfkraft der an der Front eingesetzten Truppenverbände auswirken, da er außer der Wiederherstellung eines ausgewogenen personellen und materiellen Verhältnisses zwischen den rückwärtigen Diensten und den Frontverbänden die Aufrechterhaltung der „militärischen Zucht und Ordnung in jeder Lage" bezweckte. 32 Demzufolge gehörte es auch zu den grundlegenden Aufgaben der Feldjäger, „nach Möglichkeit alle Mißstände im Gebiet zwischen Kampffront und Heimatfront, die das frohe Opfer jedes guten Deutschen und Kämpfers in der Wehrmacht herabwürdigen könnten, [...] notfalls mit rücksichtslosen Mitteln bis zum sofortigen Waffengebrauch" zu beseitigen.33 Das bedeutete in der Praxis, daß sowohl Militärstraftaten wie beispielsweise „Dienstpflichtverletzungen im Felde" gem. § 62 RMStGB, „Fahnenflucht" gem. § 69 RMStGB oder „Ungehorsam" gem. § 92 RMStGB als auch die nicht die Strafbarkeitsschwelle erreichenden Korruptionserscheinungen und Auswüchse des sog. „Etappenlebens" hinter den Fronten (Kraftwagenmißbrauch, Lebensstil der Offiziere, Eigennutz, Versäumnisse, „Frauengeschichten und Schlampereien jeder Art" etc.) ohne Ansehen der Person zu verfolgen waren. 34 Ebenso wie die zuvor dargestellte „Auskämmfunktion" ist auch diese Obliegenheit der Feldjägerkommandos als ein ständiger Auftrag der Truppe zu betrachten, der unabhängig von Einsatzort oder Lageentwicklung jederzeit zu erfüllen war und daher auch in allgemeinen Befehlen im voraus festgelegt werden konnte. Daneben hatten die Feldjäger aber auch noch zahlreiche Aufgaben, die je nach den Erfordernissen der militärischen Lage, der zeitlichen Phase des 30

Böckle, S. 176; Speidel, Denkschrift, S. 2; Williamson , S. 13. Befehl vom 08.01.1944, (a.a.O., s.o. Fn. 26). 32 A.H.M. 1944, S. 319, Nr. 585. 33 Wie Fn. 32. 34 Befehl vom 08.01.1944 (a.a.O., s.o. Fn. 26); Speidel, Denkschrift, S. 3. Das RMStGB ist in der Fassung vom 10.10.1940 abgedruckt bei Absolon, Wehrmachtstrafrecht, S. 3 ff. 31

B. Die Aufgaben der Feldjägerkommandos

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Krieges und den Rahmenbedingungen eines Kriegsschauplatzes wechselten und aus diesem Grunde vom Chef des OKW nur von Fall zu Fall befohlen wurden 35 . So wird etwa davon berichtet, daß Feldjäger zur Unterstützung von Einheiten des Volkssturms herangezogen worden sind oder bei der Aufstellung von Eingreiftruppen zur Abwehr feindlicher Luftlandungen Verwendung fanden, 36 obwohl sie grundsätzlich keinen Kampfauftrag hatten und ihr Einsatz an der Front verschiedentlich sogar ausdrücklich verboten wurde. 37 Überliefert sind darüber hinaus noch verkehrsdienstliche Tätigkeiten wie die Marschstraßenerkundung, das Auflösen von Staus, die Verkehrsregelung oder das Freiräumen wichtiger Straßenverbindungen nach Bombenangriffen. 38 Schließlich gehörten auch das Nachforschen nach Fahnenflüchtigen oder entflohenen Kriegsgefangenen, die Vereitelung von Sabotageakten und das Eingreifen von Maßnahmen zur Spionageprävention zu den Aufgaben, die den Feldjägern vom Chef des OKW im Einzelfall zugewiesen wurden. 39 Soweit es dabei zu Überschneidungen mit den Obliegenheiten anderer Ordnungstruppen der Wehrmacht kam, so wurden diese bewußt in Kauf genommen, denn der Feldjägerdienst war nicht etwa als Ersatz oder Ergänzung für die Tätigkeiten anderer militärpolizeilicher Formationen vorgesehen, sondern sollte dazu dienen, das dem Dritten Reich auf allen Gebieten wesenseigene Prinzip der überlagernden Überwachung auch auf den militärischen Sektor auszudehnen.40

II. Die Auffangorganisationen Aufgrund der Erfahrungen, die man bei den im letzten Kriegsjahr ständig vorkommenden größeren Feinddurchbrüchen an allen Fronten gemacht hatte, wurden die im vorstehenden geschilderten Einsatzgrundsätze für die Feldjägerkommandos im März 1945 grundlegend modifiziert. Ursache für diese Entwicklung war der Befehl „OKW/WFSt/Org. (I) Nr. 865/45 geh." vom 24.02.1945, durch den die Bildung von Auffangorganisationen an allen Kampffronten ange35

Vgl. Speidel, Denkschrift, S. 2. Williamson, S. 13. 37 Vgl. z.B. den Befehl „OKW/WFSt/Qu. 2 (Ost) Nr. 007522/44 gKdos" vom 16.07.1944, BA-MA RW 4/709, Teil 1, Bl. 4 d. A. 38 Böckle, S. 183; Umdruck SFJg StDst, S. 22; Williamson, S. 13. 39 Wie Fn. 38. 40 Vgl. Speidel, Denkschrift, S. 18, der es aus diesem Grunde auch für möglich hält, daß das OKW die Feldjägerkommandos als „Konkurrenz-Unternehmen" gegenüber der SS und dem SD geschaffen hat, damit deren drohender Einfluß auf die reinen Truppenbelange durch die vorherige wehrmachtsinterne Verwirklichung eines Systems überlagernder Überwachung vorgebeugt werden konnte. Insoweit legt er besonderen Wert auf die Feststellung, daß „parteipolitische Einwirkungen oder Einflüsse [...] völlig ausgeschaltet" waren und „mit der Polizei des Reichsführers SS [...] keinerlei Berührung bestand" (a.a.O., S. 2). 36

12*

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

ordnet wurde. 41 Zu diesem Zweck sollten sämtliche einer Heeresgruppe unterstellten oder zugeteilten Wehrmachtsordnungstruppen und Feldjägerkommandos sowie einzelne Polizeibataillone zusammengefaßt und einem dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppen unmittelbar verantwortlichen „Befehlshaber der Auffangorganisation" unterstellt werden. Das hatte aber zwangsläufig zur Folge, daß das bislang praktizierte System überlagernder Überwachung wieder abgeschafft werden mußte, denn die Ordnungstruppen der Wehrmacht und die Feldjägerkommandos konnten aufgrund ihrer Einbindung in eine einheitliche Auffangorganisation nicht länger unabhängig voneinander tätig werden, sondern waren gezwungen, unter gemeinsamer Führung an der Erfüllung einer einzigen Aufgabe mitzuwirken. Da zudem in erster Linie die Befehlshaber der Feldjägerkommandos mit der Führung der Auffangorganisation betraut wurden, mußte überdies deren unmittelbare Unterstellung unter den Chef des OKW aufgegeben werden. 42 Schließlich erfuhr auch noch das Aufgabenspektrum der Feldjäger grundlegende Veränderungen, da alle ihnen bislang zugewiesenen Obliegenheiten hinter den Notwendigkeiten zurücktraten, die sich durch den Umfang der bei einem Einsatz in einer Auffangorganisation zu verrichtenden Tätigkeit ergaben. Die konsequenteste Einbindung der Feldjäger in den Aufbau einer solchen Organisation erfolgte seit Mitte März 1945 an der Westfront, denn dort wurde dem Befehlshaber des Feldjägerkommandos I I I die Führung einer Auffangorganisation anvertraut, die nicht nur auf das rückwärtige Gebiet einer Heeresgruppe beschränkt war. Der Grund für diesen Sonderweg läßt sich den Memoiren des letzten Oberbefehlshabers West, Generalfeldmarschall Kesselring, entnehmen, der im Rahmen einer Analyse der Ursachen für den überraschend schnellen Vormarsch der Alliierten im Westen u. a. folgendes ausführt: „Die Versprengten waren eine absolute Gefahr als Infektionsherd und Verkehrshindernis; sie waren gleichzeitig Reservoir. Es hat viele ,echte' Versprengte gegeben, die von der Truppe abgekommen waren [...]. Daneben gab es Drückeberger, die weitab vom Schuß bleiben wollten; [...]. Unter dem ersten Eindruck der Verhältnisse hinter der Front wurde organisatorisch das Mögliche getan. Die Armeen und Heeresgruppen bauten Auffanglinien hintereinander auf. Sie konnten keine durchgreifende Besserung schaffen, da die Linien zu weitmaschig waren. Ein Feldjäger41

Der Befehl konnte im Original nicht mehr aufgefunden werden. Er wird jedoch in einem dazu ergangenem Durchfiihrungsbefehl des Chefs des Generalstabes des Heeres, Generaloberst Guderian, vom 07.03.1945 im Wortlaut wiedergegeben, vgl. BAMA RH 2/1114, Bl. 10 f. d.A. Beide Befehle scheinen indessen bislang weitgehend unbekannt zu sein, da die ohnedies nur spärlich vorhandene Literatur jeden Hinweis darauf vermissen läßt, daß alle drei Feldjägerkommandos bei der Bildung von Auffangorganisationen mitgewirkt haben. 42 Nach Speidel, Denkschrift, S. 4, konnte damit zugleich dem Umstand Rechnung getragen werden, daß das OKW zu dieser Zeit seinen Führungseinfluß bereits weitgehend verloren hatte und daher eine enge Zusammenarbeit der Feldjägerkommandos mit den örtlichen Befehlshabern unumgänglich geworden war.

B. Die Aufgaben der Feldjägerkommandos

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kommando machte sie dichter. Bei den Durchbrüchen Ende März waren die anfänglich weit abgesetzten Auffanglinien zu nahe an die Front herangekommen, gefährdet und in Bewegung geraten. Die Unterrichtung über die Lage und die Einweisung der Postierungen kosteten Zeit, um so mehr, je schlechter die Nachrichtenverbindungen wurden. Wandel konnte nur dadurch geschaffen werden, daß der Oberbefehlshaber des Feldjägerkommandos, General der Flieger Speidel, früherer, sehr guter HeeresGeneralstabsoffizier - meinfrüherer Stabschef der Luftflotten 1 und 2 - für die Gesamtbearbeitung dieser Dienste beim Oberbefehlshaber West eingesetzt wurde." 43 Dementsprechend war Speidel also dafür verantwortlich, eine lückenlose und tiefgestaffelte Auffangorganisation zu errichten, die die gesamte Länge der Westfront von der Schweizer Grenze bis zur holländischen Nordseeküste abdekken sollte. Zu diesem Zweck wurden nun zwar neben den Angehörigen des Feldjägerkommandos IE, die sämtlich in die Auffangorganisation integriert waren, auch alle im Westen stationierten Ordnungsdienste des OKH, einzelne verfügbare Feldgendarmerieabteilungen, die Ordnungsdienste hinter den bis zum März 1945 noch selbständig operierenden Flügelarmeen der Westfront, eine im Entstehen begriffene Auffangorganisation der Luftwaffe und einige Polizeibataillone der westlichen Reichsgaue herangezogen, doch bildeten die Feldjäger an jeder Stelle der Auffangorganisation deren personelles Gerippe, um das das übrige Personal lediglich herumgruppiert wurde. Daher kann die Auffangorganisation im Rücken der Westfront auch kurz als „Feldjägerorganisation" bezeichnet werden. 44 Da Speidel zudem nach dem Ende des zweiten Weltkrieges seine Erfahrungen als Befehlshaber dieser Feldjägerorganisation in einer ausführlichen Denkschrift festgehalten hat, wird die Auffangorganisation an der Westfront nachfolgend als Beispiel dafür verwendet, wie eine derartige Institution im allgemeinen eingerichtet war und welche Aufgaben damit einhergingen. Danach war eine Auffangorganisation typischerweise wie folgt aufgebaut: „1. In einem Abstand von etwa 15-25 km hinter der vordersten Infanterielinie wurde parallel zur Front eine sogenannten ,Auffanglinie* festgelegt. Sie deckte sich möglichst mit einem durchgehenden Straßenzug, einem Flußabschnitt oder einem Höhenzug. In dieser Auffanglinie wurden alle Straßen und Bahnen, welche von der Front über diese Linie nach rückwärts führten, durch [Streifen] besetzt. [...] 2. Hinter der Auffanglinie begann die ,Auffangzone 4, die sich in einer Tiefe von 30-40 km erstreckte. In ihr waren alle größeren Straßen- und Bahnknotenpunkte sowie die wichtigsten größeren Orte wiederum von [Streifen] besetzt. 3. Die Auffangzone wurde nach rückwärts begrenzt durch die ,Sperrlinie 4,45 in der nochmals die wichtigsten Straßen und Bahnen durch Kontrollposten besetzt waren. Die Besetzung war wesentlich schwächer als die der Auffanglinie.

43

Kesselring, S. 381 f. Vgl. Speidel, Denkschrift, S. 4, S. 7 und S. 11. 45 Dagegen heißt es in dem Befehl „OKW/WFSt/Org. (I) Nr. 865/45 geh.44 (siehe dazu oben Fn. 41): „Die vordere Begrenzung der Auffangzone ist die Sperrlinie, die 44

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

4. In der Auffangzone wurden ,Sammellager' eingerichtet, in denen möglichst gute Unterbringung, Verpflegung, Ausrüstung, Bewaffnung und eine Offizierreserve bereitgehalten wurden. [...]. 5. Senkrecht zum Frontverlauf erfolgte die Abschnittseinteilung so, daß jeweils ein Teil der Auffanglinie mit der dahinter liegenden Auffangzone bis zur Sperrlinie unter einheitlicher Führung war. Ein Abschnitt wurde im allgemeinen von einer Feldjägerabteilung besetzt; mehrere Abschnitte wurden später unter höheren Führern (Generalen) zusammengefaßt". 46 Die so gegliederte Auffangorganisation hatte nun zuvorderst den Auftrag, eine lückenlose Überwachung aller von der Front rückwärts verlaufenden Straßen- und Schienenwege zu gewährleisten. Schon an der Auffanglinie waren alle von der Front her ankommenden Einzelsoldaten, Einheiten, Kolonnen und Abteilungen anzuhalten und daraufhin zu überprüfen, ob ihre Rückwärtsbewegung durch einen „frontnotwendigen" Marschauftrag gerechtfertigt war. War dies nicht der Fall, so mußten sie an die Front zurückgeschickt werden, damit sie den dort eingesetzten Truppenverbänden wieder zur Verfügung standen. Auch offensichtlich durch die Kampfereignisse versprengte Soldaten konnten auf diese Weise gesammelt und - soweit dies möglich war - ihren Einheiten zugeleitet werden, nachdem sie in den Sammellagern der Auffangzone verpflegt und mit neuer Ausrüstung versehen worden waren. In diesen Sammellagern formierte man zudem auch noch alle aufgegriffenen Soldaten, deren unmittelbare Rückführung an die Front nicht möglich gewesen war, zu neuen Kampfeinheiten, deren Führung Offizieren übertragen wurde, die entweder selbst Versprengte waren oder der bereitgehaltenen Offiziersreserve entstammten. Ergab sich jedoch bei der Überprüfung einzelner Soldaten oder gar ganzer Teileinheiten der Verdacht auf Fahnenflucht oder „Drückebergerei", so hatten die Angehörigen der Feldjägerorganisation deren Festnahme auszusprechen und erforderlichenfalls „rücksichtslos" durchzusetzen. Dergestalt festgenommene Personen wurden sodann den Feld- und Standgerichten des Feldjägerkommandos überstellt, wo ihre Aburteilung innerhalb kürzester Zeit erfolgen konnte. Neben diesen zusammenfassend als „Auffangtätigkeit" bezeichneten Aufgaben, 47 deren hintere Auffanglinie." Gleichwohl orientiert sich die weitere Darstellung an den von Speidel gewählten Bezeichnungen. 46 Speidel, Denkschrift, S. 6. 47 Schon im Juli 1944 waren aufgrund des Befehls „OKW/WFSt/Qu 2 (Ost) Nr. 007522/44 gKdos" vom 16.07.1944 (BA-MA RW 4/709, Teil 1, Bl. 3-5 d. A.) die Feldjägerkommandos II und III im rückwärtigen Gebiet der Heeresgruppe Mitte an der Ostfront vorübergehend mit der Bildung einer Auffangorganisation beauftragt worden. Dem genannten Befehl zufolge ging jedoch die dort zu verrichtende Auffangtätigkeit noch deutlich über die im Text auf der Grundlage der Darstellung Speidels (Denkschrift, S. 5 und S. 7) aufgeführten Aspekte hinaus. So hatten die Feldjäger an der Ostfront auch eine geordnete Durchschleusung von Versorgungstruppen der Front zu den befohlenen Marschzielen zu gewährleisten sowie Flüchtlingstrecks mit dem Ziel aufzufangen und anzuhalten, geeignete Flüchtlinge zum Arbeitseinsatz im Stel-

B. Die Aufgaben der Feldjägerkommandos

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Wahrnehmung noch durch die Kontrollen vollmotorisierter, beweglicher Streifen in der Auffangzone und weiterer stationärer Kommandos an der Sperrlinie perfektioniert wurde, trat die vor der Integration der Feldjägerkommandos in Auffangorganisationen im Vordergrund stehende Tätigkeit zur Aufrechterhaltung von Moral und Disziplin der Soldaten zwar weitgehend zurück, mußte aber dennoch unverändert im rückwärtigen Heeresgebiet versehen werden, soweit dafür noch Kapazitäten vorhanden waren. Darüber hinaus umfaßte das Aufgabenspektrum der Feldjägerorganisation in Gestalt des ordnenden Eingreifens in den Verkehr hinter der Front, der Durchführung von Fahrzeugkontrollen, der Auflösung und Steuerung von Verkehrsstockungen sowie des Freiräumens wichtiger Straßenverbindungen nach Bombenangriffen auch zahlreiche verkehrsdienstliche Obliegenheiten. Schließlich waren die Angehörigen der Auffangorganisationen noch für die materielle und geistige Betreuung kampfwilliger Soldaten in den Sammellagern sowie ganz allgemein für die Organisation und Koordination der Hilfeleistungen bei Notfällen jeder Art zuständig.48 Bedingt durch diese Vielfalt der den Feldjägern zugewiesenen Aufgaben war die Führungsspitze des Kommandos gezwungen, zu jeder Zeit den lückenlosen Zusammenhang der Auffangorganisation zu gewährleisten, da nur so eine ordnungsgemäße Verrichtung aller anfallenden Tätigkeiten ermöglicht werden konnte. Dabei ergaben sich aber insbesondere immer dann erhebliche Schwierigkeiten, wenn die eigenen Truppen den Rückzug antreten mußten, denn dessen Richtung und Tempo wurden ausschließlich vom Feind bestimmt. Es mußte also dafür gesorgt werden, daß die Feldjägerorganisation stets rechtzeitig der unmittelbaren Feindeinwirkung entzogen werden konnte, ohne schon nach kürzester Zeit erneut in die Kampfzone zu geraten. Aus diesem Grunde legte der Befehlshaber der Feldjägerorganisation anhand der Landkarte in jeder Phase der Kämpfe an der Westfront schon im voraus mindestens ein weiteres tiefgegliedertes Auffangsystem mit Auffanglinie, Auffangzone und Sperrlinie fest und gab den ihm unterstellten Führungsorganen die diesbezüglichen Planungen rechtzeitig bekannt. Da somit jeder Kommandeur genauestens darüber informiert war, welchen Einsatzraum die von ihm befehligten Einheiten zu beziehen hatten, wenn sich die Notwendigkeit für eine Zurücknahme der Auffangorganisation ergab, konnte diese jederzeit von der herannahenden Front abgesetzt werden, ohne dabei ihren Zusammenhang einzubüßen.49 Obwohl auf diese Weise trotz des unaufhaltsamen Vormarsches der alliierten Streitkräfte erreicht worden war, daß die Feldjägerorganisation die ihr gestellten Aufgaben unabhängig von der Lageentwicklung vollständig erfüllen konnte, blieben die dadurch erzielten lungsbau auszusondern. Nach dem Inhalt der vorhandenen Berichte und der heute noch zugänglichen Primärquellen haben solche Aufgaben aber nicht zur Auffangtätigkeit der hier beispielhaft beschriebenen Feldjägerorganisation an der Westfront gehört. 48 Vgl. zum Ganzen: Speidel, Denkschrift, S. 5 und S. 7. 49 Vgl. Speidel, Denkschrift, S. 8 und S. 12.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück, die man im OKW an die Errichtung von flächendeckenden Auffangsystemen geknüpft hatte. Dem Urteil Speidels zufolge blieb die Auffangtätigkeit sogar ohne jeden Einfluß auf die Entwicklung der Gesamtkriegslage. Sie sei daher als eine der zahlreichen Aushilfen zu werten, mit denen man in den letzten Kriegsmonaten die Situation noch retten zu können glaubte. Nur in psychologischer Hinsicht sei der mit der Einrichtung der Feldjägerorganisation verfolgte Zweck erreicht worden: „Ihr Einsatz hatte sich sehr rasch »herumgesprochen4. Von den Kommandostellen und der Masse der Soldaten wurde sie begrüßt und anerkannt. Ihre Hilfe und Unterstützung wurde stark in Anspruch genommen. Andererseits waren die Feldjäger bald »gefürchtet 4 von den Elementen, die sich auf irgendeine Weise der Kampffront entziehen wollten. Die Tatsache des Vorhandenseins einer solchen Organisation wirkte allein schon abschreckend auf defätistische Elemente."50

ES. Das Feldjägerkommando i n im Kapitulationsraum Süd Schon bei der Darstellung der Formationsgeschichte der drei Feldjägerkommandos ist darauf hingewiesen worden, daß das Feldjägerkommando I I I nach dem Abschluß der Waffenstillstandsvereinbarungen von der allgemeinen Entwaffnung der Wehrmacht ausgenommen blieb und von den amerikanischen Streitkräften zur Unterstützung ihrer Militärpolizeiformationen bei der Bewältigung der spezifischen Probleme herangezogen wurde, die im Bereich des die sog. „Alpenfestung" umfassenden Kapitulationsraumes Süd auftraten. Der Grund für diese ungewöhnliche Maßnahme war nach Speidel „weniger das Bedürfnis, innerhalb des Kapitulationsraumes selbst für Ordnung zu sorgen, die keineswegs gestört war, da die deutschen Truppen sich auch nach der Kapitulation vorbildlich diszipliniert verhielten." Vielmehr sei in erster Linie der Umstand maßgebend gewesen, „daß von außen her, vor allem von Ost und Süd ganze Armeen in die schon stark belegte »Festung Alpen 4 hereinzuströmen begannen, welche Straßenverkehr, Unterbringung, Versorgung und Disziplin ernsthaft gefährden konnten. [...]. Vor allem aus östlicher Richtung bewegten sich große Truppenmassen in Eilmärschen der amerikanisch-russischen Demarkationslinie zu, um nicht in letzter Stunde noch in russische Gefangenschaft zu geraten". 51 Dementsprechend waren die Aufgaben, die den Feldjägern von den Amerikanern zugewiesen wurden, in der Hauptsache verkehrsdienstlicher Natur, denn sowohl das Einsickern der aus Osten anmarschierenden Wehrmachtteile in den Kapitulationsraum hinein als auch die sich daran anschließende Verteilung der neu angekommenen Truppen innerhalb der „Alpenfestung" mußten mit dem

50 51

Speidel Denkschrift, S. 8. Speidel Denkschrift, S. 16.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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einsetzenden Versorgungsverkehr für die kriegsgefangenen Soldaten und den Marschbewegungen der bereits seit längerer Zeit anwesenden Armeen in Einklang gebracht werden. 52 Daneben war das Feldjägerkommando I I I zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Waffenstillstandsbedingungen und die Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung der deutschen Soldaten. Befugnisse gegenüber Amerikanern standen ihnen hingegen nicht zu. Als weitere ordnungsdienstliche Obliegenheit kam schließlich noch das allerdings auf den Bereich des Kapitulationsraumes beschränkte Sammeln von versprengten Wehrmachtsangehörigen hinzu, die ihren Einheiten zugeführt oder - soweit dies nicht mehr möglich war - in Sammellagern untergebracht werden mußten. Auch nachdem sie Ende Mai 1945 gemeinsam mit den in der „Alpenfestung" eingeschlossenen Wehrmachtsteilen in den östlich von München gelegenen Kapitulationsraum der deutschen 1. Armee verlegt worden waren, übten die Feldjäger die beschriebenen ordnungs- und verkehrsdienstlichen Tätigkeiten noch aus, ehe sie am 23.06.1945 durch die Amerikaner entwaffnet und von ihren Pflichten entbunden wurden. 53

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger Schon der vorstehende Überblick über den Tätigkeitsbereich der Feldjäger hat erkennen lassen, daß sie sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben keineswegs darauf beschränken konnten, auftretende Mängel oder Verstöße festzustellen und an eine andere Dienststelle weiterzumelden. Vielmehr gehörte es zu ihren Pflichten, vor Ort selbst regelnd einzugreifen, um etwaige Mißstände zu beseitigen. Daher wurde den Angehörigen der Feldjägerkommandos auch eine mit weitreichenden Befugnissen verbundene Rechtsstellung eingeräumt, die es ihnen ermöglichte, zahlreiche verschiedene Maßnahmen gegenüber den Soldaten der drei Wehrmachtteile und der Waffen-SS zu ergreifen.

I. Die Vorgesetzteneigenschaft der Feldjäger Die einfachsten und aus diesem Grunde am häufigsten verwendeten Maßnahmen bestanden darin, im Wege der Befehlsgebung Anweisungen zu erteilen und Verbote auszusprechen. Da dies aber eine entsprechende Befehlsgewalt voraussetzte, gehörte die Vörgesetzteneigenschaft der Feldjäger zu den unverzichtbaren Inhalten ihrer Rechtsstellung.

52 53

Vgl. Böckle, S. 188; Williamson, Speidel, Denkschrift, S. 17.

S. 12.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht 1. Die Vorgesetzteneigenschaft der Feldjäger gegenüber den Soldaten der Wehrmacht

Gegenüber den Soldaten der Wehrmacht ergab sich diese Vorgesetzteneigenschaft aus den für das Heer, die Luftwaffe und die Marine gleichermaßen verbindlichen „Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten". 54 Zwei der drei darin beschriebenen Fälle, in denen ein Wehrmachtangehöriger die Befehlsgewalt über einen anderen ausüben konnte, trafen auf die Situation der Feldjäger zu: Zum einen hatten sie schon kraft ihres Dienstranges eine gewisse Befehlsbefugnis, da die Vorgesetztenverhältnisse innerhalb der Wehrmacht in erster Linie von der Ranghöhe der Soldaten abhingen. Zum anderen waren sie aber auch Vorgesetzte aufgrund des in den Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis an zweiter Stelle genannten Rechtstitels, wonach Soldaten, die eine bestimmte Dienststellung innehatten, kraft ihres Dienstauftrages zu Vorgesetzten wurden. a) Die Befehlsgewalt kraft Dienstranges Die durch ihre Ranghöhe bedingte Stellung der Feldjäger als militärische Vorgesetzte richtete sich nach den in der Wehrmacht allgemein für die Befehlsgewalt kraft Dienstranges geltenden Prinzipien. Danach war zunächst einmal von Bedeutung, welcher Ranggruppe ein Soldat zuzuordnen war. Insoweit unterschied man gem. Abschnitt A der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis im wesentlichen zwischen den Ranggruppen der Offiziere, der Unteroffiziere und der Mannschaften. 55 Gemäß Abschnitt C I 1 . und 4. der genannten Bestimmungen galt nun der Grundsatz, daß die Angehörigen einer höheren Ranggruppe unabhängig davon, in welchem Wehrmachtteil sie dienten, in und außer Dienst Vorgesetzte aller Soldaten waren, die zu einer niedrigeren Ranggruppe zählten. Dementsprechend waren die Offiziere in und außer Dienst 54

Vgl. H. Dv. 82/9 vom 01.10.1940; L. Dv. 3/11, Teil II - Neudruck 1940; M. Dv. Nr. 15 O. B. Heft 6 vom 14.09.1939. Gemäß § 21 I des „Wehrgesetzes" vom 21.05.1935 (RGBl. I 1935, S. 609) wurden sowohl die Soldaten als auch die Wehrmachtbeamten als »Angehörige der Wehrmacht" bezeichnet. Hingegen verstand das Wehrgesetz unter Soldaten gemäß § 21 II lediglich die im aktiven Wehrdienst stehenden Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften. Nur für diese, nicht aber auch für die Wehrmachtbeamten, galten die Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis. Gleichwohl ist im Text die Unterscheidung, die das Wehrgesetz zwischen den Begriffen „Wehrmachtangehöriger" und „Soldat" aufgestellt hat, nicht übernommen worden. Soweit also im folgenden von Wehrmachtangehörigen die Rede ist, sind damit nur die Soldaten im Sinne des § 21 II Wehrgesetz gemeint. 55 Daneben gab es auch noch die Ranggruppe der Musikinspizienten und Musikmeister, die jedoch im hier interessierenden Zusammenhang vernachlässigt werden kann.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

187

Vorgesetzte aller Unteroffiziere und Mannschaften, während die Unteroffiziere nur Befehlsgewalt über die der Wehrmacht zugehörigen Mannschaftsdienstgrade hatten. Darüber hinaus wurde zwar innerhalb aller Ranggruppen auch noch zwischen verschiedenen Rangklassen differenziert. Gleichwohl stellte aber die Zugehörigkeit zu einer höheren Rangklasse im allgemeinen keinen Rechtstitel für eine Befehlsgewalt über Angehörige der niedrigeren Rangklassen dar. Etwas anderes galt lediglich für die Ranggruppe der Offiziere, die gem. Abschnitt B I der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis in die Rangklassen der Generale, der Stabsoffiziere, der Hauptleute und der Leutnante untergliedert war, wobei die Generale die höchste und die Leutnante die niedrigste Rangklasse bildeten. Zwischen den so eingeteilten Offizieren konnte gem. Abschnitt C I 2. der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis im Gegensatz zu der Sachlage bei den Unteroffizieren und Mannschaften auch ein Vorgesetztenverhältnis kraft Zugehörigkeit zu einer höheren Rangklasse entstehen. Übertragen auf die Situation der Feldjäger bedeutete dies zunächst, daß die Befehlshaber der Feldjägerkommandos, -regimenter und -abteilungen, die - wie oben unter A. bereits ausgeführt - sämtlich im Generalsrang standen, mit Ausnahme der anderen Generale in und außer Dienst allen übrigen Soldaten der drei Wehrmachtteile vorgesetzt waren. Selbst der Führer einer Feldjägerstreife, die als kleinste Organisationseinheit das eigentliche Einsatzorgan darstellte, war noch befugt, allen Mannschaften, Unteroffizieren, Leutnanten und Hauptleuten Befehle zu erteilen, da er in aller Regel der Rangklasse der Stabsoffiziere entstammte. Die Streifenbegleiter schließlich, die lediglich den Rang von Unteroffizieren innehatten, konnten immerhin noch über alle Inhaber von Mannschaftsdienstgraden in der gesamten Wehrmacht die Befehlsgewalt ausüben. Der deutlich erkennbare Umstand, daß die den Gliederungen der Feldjägerkommandos vorstehenden Offiziere ausnahmslos erheblich höhere Dienstgrade innehatten als diejenigen Soldaten, die in der kämpfenden Truppe Teileinheiten, Einheiten oder Verbände vergleichbarer Größe führten, ist sonach nicht nur als ein Ausdruck der besonderen Bedeutung, die der Feldjägertruppe vom OKW beigemessen wurde, zu werten, sondern vor allem auch als eine bewußte Ausnutzung der aufgezeigten Prinzipien über die Vorgesetzteneigenschaft kraft Dienstranges. Auf diese Weise ist es nämlich gelungen, die Feldjäger schon durch ihren Dienstrang mit Befehlsbefugnissen gegenüber einer beachtlichen Anzahl von Soldaten aller Wehrmachtteile auszustatten.

b) Die Befehlsgewalt kraft Dienstauftrages Gleichwohl reichte die durch den Dienstrang vermittelte Vorgesetzteneigenschaft nicht dazu aus, Stabsoffiziere und Generale der Befehlsgewalt eines Feldjäger-Streifenführers zu unterwerfen oder die Unteroffiziere der Feldjägerkommandos mit der Rechtsmacht zu versehen, anderen Unteroffizieren der Wehr-

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

macht im Wege der Befehlsgebung Anweisungen zu erteilen. Dies stellte in der Praxis jedoch kein Hindernis dar, denn den Feldjägern kam darüber hinaus auch noch die in Abschnitt C I I der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht geregelte Vorgesetzteneigenschaft kraft Dienstauftrages zu, die in persönlicher Hinsicht eine Schranke nur in der rangmäßigen Einteilung der Wehrmacht in Ranggruppen fand. Die auf diesem Rechtstitel beruhende Befehlsgewalt ermöglichte es also ihrem Inhaber, auch solchen Soldaten Befehle zu erteilen, die einen höheren Dienstgrad hatten oder sogar einer übergeordneten Rangklasse angehörten. Voraussetzung dafür war gem. Abschnitt C I I 1. der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis lediglich die durch allgemeine Dienstvorschriften oder besondere Anordnung bewirkte Übertragung einer bestimmten Dienststellung, unter der man die auf Dauer oder auf ständige Wiederkehr berechnete Einrichtung eines besonderen Pflichtenkreises verstehen muß, der seinen organisatorischen Niederschlag insbesondere durch Dienstanweisungen findet. 56 Ausgehend von der Erkenntnis, daß die mit einer solchen Dienststellung verbundenen Aufgaben zwangsläufig die Notwendigkeit hervorrufen, Gebote oder Verbote bestimmten Verhaltens anderen Soldaten gegenüber aussprechen zu müssen,57 ergab sich dann nach der Regelung des Abschnitts C I I 1 . der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis die nur durch die Über- und Unterordnung der einzelnen Ranggruppen beschränkte Befehlsgewalt kraft Dienstauftrages ohne jedes weitere Zwischenverfahren unmittelbar aus dem entsprechenden Übertragungsakt; 58 56 Vgl. Scherer!Alff, § 1 SG Rn. 61; in ähnlicher Weise hat auch schon Heckel, S. 316, den Begriff der Dienststellung definiert als einen „typenmäßig organisierten ständigen Dienstauftrag". 57 Der gleiche Gedanke liegt im übrigen auch der Regelung des § 3 der „Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses" vom 04.06.1956 (BGBl. I 1956, S. 459) zugrunde (vgl. Schererl Alff, § 1 SG Rn. 61), der die Feldjäger der Bundeswehr gem. ZDv 75/100, Nr. 201, ihre Vorgesetzteneigenschaft zu verdanken haben. 58 Insbesondere war es grundsätzlich für die Entstehung eines Vorgesetztenverhältnis kraft Dienstauftrages nicht erforderlich, daß diejenigen Soldaten, die der daraus resultierenden Befehlsgewalt unterworfen waren, von der Übertragung der Dienststellung in Kenntnis gesetzt wurden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz war nur dann vorgesehen, wenn eine dauerhafte Befehlsbefugnis an Mannschaften übertragen werden sollte. Insoweit wirkte die dienstliche Bekanntgabe der Übertragung einer besonderen Dienststellung auf einen Soldaten nach dem Inhalt der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht konstitutiv. Hingegen war die obligatorische dienstliche Bekanntgabe der Übertragung einer vorübergehenden Befehlsbefugnis an Mannschaften lediglich deklaratorischer Natur und stellte daher keine Ausnahme dar. In allen übrigen Fällen war der Übertragungsakt jedoch frei von solchen oder ähnlichen Form- bzw. Verfahrenserfordernissen. Um aber die dadurch auftretende Gefahr zu vermeiden, daß sich ein Untergebener auf die Unkenntnis der Vorgesetzteneigenschaft berufen konnte, trug man in der Regel dafür Sorge, daß die Zuweisung einer besonderen Dienststellung an einen Soldaten entweder bekanntgegeben oder durch eine signifikante Kennzeichnung nach außen hin sichtbar gemacht wurde. Aus diesem Grunde hatte jeder Feldjäger zunächst einmal einen Sonderausweis

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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die Zuteilung einer bestimmten Aufgabe beinhaltete also zugleich die Einräumung der für ihre Durchführung erforderlichen Befehlsbefugnisse, so daß die Vorgesetzteneigenschaft letztlich ausschließlich und unmittelbar kraft Dienstauftrages entstand.59 Da nun aber den Feldjägern in Gestalt der im vorstehenden des Chefs des OKW bei sich, aus dem seine allgemeinen Befugnisse hervorgingen (Speidel, Denkschrift, S. 3). Zudem trugen die Feldjäger eine schmale rote Armbinde mit dem Aufdruck „Oberkommando der Wehrmacht/Feldjäger": „Photographic evidence seems to indicate that although this took the form of an armband or brassard, it was worn on the lower left sleeve in the position in which a cuffband would normally be worn" (Williamson, S. 12). Darüber hinaus berichtet Williamson auch noch davon, daß ein auf der Schulterklappe zu tragendes Abzeichen produziert worden sei, auf dem ein aus den Buchstaben ,Fj' bestehendes Monogramm abgebildet war, „but it is unknown, to what extent, if any this was ever worn" (a. a. O.). Das Haupterkennungszeichen der Feldjäger war jedoch ihr Ringkragen mit der Aufschrift „Feldjägerkorps" (Williamson, a.a.O.). Die gleichen Erwägungen, die zu der so umschriebenen Kennzeichnung der Feldjäger der Wehrmacht geführt haben, sind auch für die besondere Ausstattung der Bundeswehr-Feldjäger ausschlaggebend gewesen. Auch diese verdanken nämlich ihre Vorgesetzteneigenschaft der Tatsache, daß ihnen nach ihrer Dienststellung ein besonderer Aufgabenbereich zugewiesen ist (§ 3 VorgV, s.o. Fn. 57). Demzufolge muß die Dienststellung der Bundeswehr-Feldjäger ebenso erkennbar sein wie die ihrer historischen Vorläufer, damit diejenigen Soldaten, an die ein Befehl gerichtet wird, für die Ausführung dieses Befehls verantwortlich gemacht werden können (vgl. SchererlAlff, § 1 SG Rn. 62). Konsequenterweise wird dann auch die Kennzeichnung der Bundeswehr-Feldjäger (und ihrer Kraftfahrzeuge) in der ZDv 75/100, Nr. 172 ff. und Anlage 6, sowie in der HDv 360/200, Nr. 2006 f., detailliert vorgeschrieben. Danach haben die Feldjäger zunächst einmal bei Ausübung ihres Dienstes einen Feldjägerdienstausweis in der durch Anlage 6 der ZDv 75/100 vorgegebenen Form mit sich zu führen, durch den bestätigt wird, daß sein Inhaber im Feldjägerdienst steht und die damit verbundenen Befugnisse, insbesondere aber die Befehlsbefugnis nach § 3 VorgV ausüben darf. Als weiteres Kennzeichen des Feldjägers im Feldjägerdienst führen die Dienstvorschriften sodann noch das sog. „Weißzeug" auf, das im wesentlichen aus weißem Koppelzeug und einer Schirmmütze mit weißem Bezug besteht. Eine nochmalige Parallele zu ihren Vorgängern in der Wehrmacht resultiert schließlich aus der in der ZDv 75/100, Nr. 173, sowie der HDv 360/200, Nr. 2006, vorgesehenen weißen Armbinde mit dem schwarzen Aufdruck „Feldjäger", die am linken Oberarm zu tragen ist. Vgl. zu weiteren Einzelheiten die Dienstvorschriften, a.a.O., vor allem aber die HDv 360/200, Bild 2001 bis 2003. 59 Dementsprechend war aber auch die inhaltliche Reichweite der durch die Dienststellung eines Soldaten vermittelten Befehlsgewalt gem. Abschnitt C H 1. der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht begrenzt auf den Umfang der mit dem Dienstauftrag verbundenen Handlungen. Im Gegensatz dazu konnte der in oder außer Dienst erteilte Befehl eines Vorgesetzten kraft Dienstranges jedweden Inhalt aufweisen, der noch in einem erkennbaren Bezug zum militärischen Dienst stand. Für die Feldjäger bedeutete dies inhaltliche Einschränkung ihrer durch die Dienststellung begründeten Befehlsgewalt im wesentlichen, daß ihnen trotz ihrer ansonsten außergewöhnlich umfangreichen Befugnisse ein Eingriffsrecht in taktisch-operativen Angelegenheiten nicht zustand (so auch Böckle, S. 176; Speidel, Denkschrift, S. 3; Williamson, S. 13, die jedoch allesamt versäumen aufzuzeigen, daß der Grund für diesen Befund in der inhaltlichen Ausgestaltung der Befehlsgewalt kraft Dienstauftrages zu suchen ist). Ein Nachteil ergab sich für sie indessen daraus nicht, denn zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben reichte die Befugnis, Befehle im Rahmen der mit ihrem Dienstauftrag verbundenen Handlung erteilen zu dürfen, vollständig aus.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Abschnitt detailliert vorgestellten ordnungs-, Verkehrs- und sicherheitsdienstlichen Aufgaben ein besonderer Pflichtenkreis zugewiesen worden war, der seinen Niederschlag insbesondere in den OKW-Befehlen vom 27.11.1943 und vom 08.01.1944 gefunden hatte und auf Dauer berechnet war, stand ihnen die Befugnis, anderen Soldaten der Wehrmacht Befehle zu erteilen, nicht nur kraft ihres Dienstranges, sondern gem. Abschnitt C I I der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis vor allem auch aufgrund ihrer Dienststellung zu. Dies hatte zur Folge, daß jeder Feldjäger-Unteroffizier Vorgesetzter aller wehrmachtangehörigen Mannschaften und eines jeden anderen Unteroffiziers war, soweit dies die ordnungsgemäße Erfüllung seines Dienstauftrages erforderte. Die der Feldjägerorganisation zugehörigen Offiziere konnten darüber hinaus sogar noch allen Offizieren einschließlich der Generale Befehle erteilen. Dementsprechend war eine von einem Offizier geführte Feldjägerstreife mit Befehlsbefugnissen gegenüber ausnahmslos jedem Wehrmachtsangehörigen ausgestattet; die eingangs aufgezeigten Befugnismängel, die bei einer ausschließlich auf den Dienstrang gestützten Vorgesetzteneigenschaft aufgetreten wären, wurden mithin durch die Befehlsgewalt kraft Dienstauftrages ausgeglichen: Auch Generale und Stabsoffiziere hatten den Befehlen eines Feldjäger-Streifenführers Folge zu leisten, und die im Unteroffiziersrang stehenden Streifenbegleiter waren Vorgesetzte aller anderen Unteroffiziere und Mannschaften, die einem der drei Wehrmachtteile angehörten. 2. Die Befehlsgewalt der Feldjäger gegenüber den Angehörigen der Waffen-SS Die Beantwortung der Frage, ob und ggf. aufgrund welcher Rechtsgrundlagen die Feldjäger darüber hinaus auch noch mit Befehlsbefugnissen gegenüber den Angehörigen der Waffen-SS ausgestattet waren, gestaltet sich zumindest für den Zeitraum nach dem 17.01.1945 denkbar einfach, denn unter diesem Datum hat der Chef des OKW im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS das Rang- und Vorgesetztenverhältnis zwischen den Soldaten der Wehrmacht und den Angehörigen der Waffen-SS im Erlaßwege geregelt. Danach galten die Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht" mit sofortiger Wirkung auch für die Angehörigen der Waffen-SS, so daß Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Wehrmacht nach Maßgabe der entsprechenden Regelungen zu Vorgesetzten der Führer, Unterführer und SS-Männer der Waffen-SS wurden und umgekehrt. 60 Demzufolge ergänzte man auch die amtliche „Gegenüberstellung der Ranggruppen, Rangklassen und Dienstgrade der drei Wehrmachtteile" durch die Hinzufügung der insoweit in der Waffen-SS gültigen Einteilungen.61 Für die Feldjäger bedeutete dies, daß sie seit dem In60

Absolon, S. 97 und S. 172 f.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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krafttreten des erwähnten Erlasses im Verhältnis zu den Angehörigen der Waffen-SS mit der gleichen Befehlsgewalt versehen waren wie gegenüber den Soldaten der Wehrmacht. Die im vorstehenden Abschnitt geschilderten Befehlsbefugnisse, die den Feldjägern aufgrund ihres Dienstranges und vor allem kraft Dienstauftrages zustanden, erstreckten sich mithin seit Januar 1945 nicht mehr nur auf die drei Wehrmachtteile, sondern auch auf die Waffen-SS. Indessen zwingt der Umstand, daß dieses Ergebnis erst gegen Kriegsende durch eine Vereinbarung zwischen dem Chef des OKW und dem Reichsführer SS erzielt worden ist, zu dem Umkehrschluß, daß eine etwa bestehende Vorgesetzteneigenschaft der Feldjäger im Verhältnis zu den Angehörigen der WaffenSS bis zum Inkrafttreten des Erlasses vom 17.01.1945 nicht durch die B e stimmungen über Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht" begründet worden sein kann. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß es sich bei der Waffen-SS im Gegensatz zu der von einigen Apologeten dieser Institution in der Nachkriegszeit vertretenen Auffassung nicht um einen vierten Wehrmachtteil gehandelt hat, 62 sondern um eine verfassungsorganisatorisch nur schwer einzuordnende Sondertruppe, die unter dem Reichsführer SS im Bereich der unmittelbaren Führergewalt stand und einen Teil der Führerexekutive jenseits von Partei und Staat bildete. 63 Dementsprechend bestimmte auch der grundlegende Erlaß Hitlers über die Stellung der bewaffneten SS-Verbände vom 17.08.1938, daß die beiden hauptsächlichen Vorläuferorganisationen der Waffen-SS - die SS-Totenkopfverbände und die SS-Verfügungstruppe 64 61

Absolon, S. 173. Buchheim, S. 215, weist zu Recht darauf hin, daß eine solche Behauptung schon aus begrifflich-logischen Gründen unzutreffend ist, da die Unterscheidung der drei Wehrmachtteile Heer, Luftwaffe und Marine auf der Differenzierung zwischen Land-, Luft- und Seekriegsführung beruhte und die Waffen-SS keine neue, vierte Form der Kriegsführung darstellte, sondern ebenso wie das Heer für die bewaffnete Auseinandersetzung zu Lande verantwortlich war. Zudem läßt sich die Annahme, die WaffenSS sei ein vierter Wehrmachtteil gewesen, auch nicht mit dem amtlichen Sprachgebrauch der damaligen Zeit in Einklang bringen. So ist in dem schon mehrfach erwähnten Befehl des Chefs des OKW vom 08.01.1944 (BA-MA RW 4/493, ohne Blattangabe) nicht etwa von der Zuständigkeit der Feldjäger für die „vier Wehrmachtteile" die Rede, sondern ausschließlich von Befugnissen gegenüber „den Wehrmachtteilen und der Waffen-SS". 63 Buchheim, S. 206; Stein, S. 256. 64 Der Begriff „Waffen-SS" ist erst im Jahre 1940 endgültig zur amtlichen Bezeichnung für die Kampftruppen der SS geworden (Stein, S. XVI). Das älteste heute noch nachweisbare Dokument, das den Namen „Waffen-SS" enthält, ist ein SS-Befehl vom 07.11.1939 und verwendet diesen Begriff als Sammelbezeichnung für die bewaffneten Einheiten der SS und der Polizei. Schon am 01.12.1939 jedoch legte der Reichsführer SS den Umfang der Waffen-SS genauer fest (Wegner, S. 127 Fn. 274). Danach sollten künftig, abgesehen von den SS-Totenkopfverbänden und der SS-Verfügungstruppe, auch noch verschiedene SS-Ämter, das SS-Gericht, die SS-Polizeidivision und die SSJunkerschulen unter dem Begriff der „Waffen-SS" zusammengefaßt werden (Absolon V, S. 17; eine vollständige Aufzählung aller nach dem Befehl des Reichsführers SS 62

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

„weder ein Teil der Wehrmacht noch der Polizei" seien.65 Das bedeutete im Ergebnis, daß nicht nur die „Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht", sondern schlechthin sämtliche für die Wehrmacht geltenden Vorschriften und Bestimmungen auf die Waffen-SS grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar waren. Aus diesem Grunde konnten alle Probleme, die im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Kriegseinsatz der Wehrmacht und der Waffen-SS aufkamen, nur durch besondere Anordnungen gelöst werden, durch die das Verhältnis der beiden Institutionen zueinander geregelt wurde. Zuständig für den Erlaß dieser Anordnungen war nach einem Befehl Hitlers, der sowohl die Stellung des „Obersten Führers der Schutzstaffel" als auch die des „Oberbefehlshabers der Wehrmacht" innehatte,66 das an die Stelle des Kriegsministeriums getretene Oberkommando der Wehrmacht, das insoweit jedoch im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS handeln musste.67 Für die hier interessierende Fragestellung folgt daraus, daß die Feldjäger vor dem Inkrafttreten des Erlasses vom 17.01.1945 überhaupt nur dann Vorgesetzte von Angehörigen der Waffen-SS gewesen sein können, wenn dies vom Oberkommando der Wehrmacht angeordnet worden ist. Im Zuge der somit erforderlichen Suche nach diesbezüglichen Befehlen des OKW stößt man allerdings lediglich auf eine Verfügung vom 17.09.1938, in der schon vor Ausbruch des Krieges für bestimmte Teile der SS-Verfügungstruppe festgeschrieben worden war, daß sie im Mobilmachungsfall in das Heer eingegliedert und für die Dauer der Unterstellung unter den Oberbefehlshaber des Heeres als „voll zum Heere gehörig" angesehen werden sollten. 68 Dementsprechend hatten die Angehörigen der betreffenden Verbände und Einheiten der SS-Verfügungstruppe unmittelbar nach Abschluß der auf Hitlers Befehl vom 19.08.193969 durchgeführten Eingliezur Waffen-SS zählenden Organisationen findet sich bei Wegner, a.a.O.). Auch diese Institutionen können indessen verfassungsorganisatorisch nur dem Bereich der unmittelbaren Führergewalt zugeordnet werden. 65 Absolon, S. 95 Fn. 96; ders. IV, S. 62; Wegner, S. 14 ff.; weite Teile des Erlasses werden wörtlich zitiert bei Buchheim, S. 200 ff. 66 Die Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht hatte der „Führer und Reichskanzler" durch den „Erlaß über die Führung der Wehrmacht" vom 04.02.1938 (RGBl. I 1938, S. 111) persönlich übernommen und damit die Regelung des § 3 des „Wehrgesetzes" vom 21.05.1935 (RGBl. I 1935, S. 609) außer Kraft gesetzt, die noch vorgesehen hatte, daß der „Führer und Reichskanzler" zwar „Oberster Befehlshaber der Wehrmacht" war, die Befehlsgewalt jedoch durch den Reichskriegsminister als „Oberbefehlshaber der Wehrmacht" ausgeübt wurde. Im Gegensatz dazu wurde die Befehlsgewalt über die Schutzstaffel im Auftrag Hitlers durch den „Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei" ausgeübt (Absolon, S. 14 f.). 67 Absolon IV, S. 71; dagegen behielt Himmler die Zuständigkeit für Fragen der Verwaltung, der Disziplinargewalt, der Beförderung und der weltanschaulichen Schulung, durfte insoweit jedoch ebenfalls nur unter dem Vorbehalt tätig werden, daß zuvor das Einvernehmen mit dem Oberkommando der Wehrmacht hergestellt worden war (vgl. Stein, S. XVII). 68 OKW (Keitel) vom 17.09.1938 betreffend „Verwendung der SS-Verfügungstruppe im Rahmen des Heeres", abgedruckt bei Wegner, S. 119.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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derungsmaßnahmen dieselben Rechte und Pflichten wie die Soldaten und Beamten der Wehrmacht; sie waren also seit dieser Zeit den für die Wehrmacht geltenden Gesetzen und Dienstvorschriften unterworfen, zu denen selbstverständlich auch die „Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht" gehörten. Neben den vollumfänglich in das Heer eingegliederten Einheiten und Verbänden gab es aber auch noch Teile der Waffen-SS, die zwar gemeinsam mit einigen Heeresdivisionen Armeekorps und Armeen bildeten, der Wehrmachtsführung jedoch lediglich in taktischer Hinsicht unterstellt waren: „Teile der Waffen-SS sind für die Kriegsdauer in die Wehrmacht eingegliedert und für den Kampfeinsatz dem Heere unterstellt. Diese Unterstellung gilt aber nur für die Zeit ihres Einsatzes im Operationsgebiet [...]." 7 0 Ein Vorgesetztenverhältnis zwischen Soldaten der Wehrmacht und Angehörigen dieser Teile der WaffenSS bestand also nur insoweit, als es die Operationsführung auf den Kriegsschauplätzen erforderte. Darüber hinaus waren die Angehörigen der Waffen-SS grundsätzlich nur ihren eigenen Truppenführern unterstellt, denn die bereits erwähnte Verfügung des OKW aus dem Jahre 1938 bezog sich nur auf die vollständig dem Heer eingegliederten Einheiten und Verbände der ehemaligen SSVerfügungstruppe. Demzufolge konnten auch die Feldjäger daraus keine Befehlsbefugnisse gegenüber den hier in Rede stehenden Angehörigen der Waffen-SS ableiten. Da sie zudem gerade in taktisch-operativen Fragen nicht über Eingriffsrechte verfügten, 71 konnte nach den soeben dargelegten Prinzipien eine Vorgesetzteneigenschaft nur noch durch einen anderweitigen Befehl des OKW begründet werden. Indessen ist es trotz intensiver Nachforschungen nicht gelungen, im heute noch zugänglichen Archivmaterial oder in der einschlägigen wehrwissenschaftlichen Literatur auch nur einen Hinweis auf eine derartige Anordnung des OKW zu finden. Nicht einmal der grundlegende Befehl des OKW über Aufgaben, Befugnisse und Einsatz der Feldjägerkommandos vom 08.01.1944 enthält eine Aussage zu der Frage, ob die Feldjäger auch gegenüber den Angehörigen der dem Heer nur in taktischer Hinsicht unterstellten Verbände der Waffen-SS die Stellung von Vorgesetzten innehatten. Gleichwohl wäre es schon in Anbetracht der Fülle kriegsbedingter Primärquellenverluste voreilig, aus diesem Befund folgern zu wollen, daß den Feldjägern insoweit überhaupt keine Befehlsgewalt zukam. Zudem wäre es auch lebensfremd anzunehmen, daß die Feldjäger zwar Vorgesetzte aller Angehörigen der in der Anordnung vom 17.09.1938 aufgeführten Verbände der Waffen-SS waren, den Soldaten anderer SS-Einheiten jedoch keine Befehle erteilen durften. Da letztere nämlich in gleicher Weise 69 70 71

Absolon V, S. 15. OKW und Reichsführer SS vom 20.11.1942, zitiert nach Absolon, S. 97 Fn. 102. s.o. Fn. 59.

13 Schütz

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

wie die ersteren im Rahmen des Heeres kämpften und daher ebenfalls in den Einsatzräumen der Feldjägerkommandos zu finden waren, hätte eine solche Differenzierung den Feldjägern eine effektive Aufgabenerfüllung im Bereich der Waffen-SS nahezu unmöglich gemacht. Darüber hinaus darf auch nicht übersehen werden, daß der OKW-Befehl vom 08.01.1944 den Soldaten der Feldjägerkommandos sogar disziplinare und gerichtsherrliche Befugnisse gegenüber den Angehörigen der gesamten Waffen-SS einräumte. 72 Wenn nun aber schon im Hinblick auf die Disziplinargewalt und die Gerichtsherrlichkeit nicht zwischen bestimmten Teilen der Waffen-SS unterschieden wurde, dann kann dies doch erst recht nicht in bezug auf die einfache Vorgesetzteneigenschaft der Feldjäger der Fall gewesen sein. Daher erscheint es durchaus zulässig, im Wege eines argumentum a maiori ad minus darauf zu schließen, daß die Feldjäger auch Befehlsbefugnisse gegenüber denjenigen SS-Angehörigen ausüben konnten, die in einem dem Heer lediglich in taktischen Fragen unterstellten Verband der Waffen-SS Dienst taten. Es ist mithin im Ergebnis davon auszugehen, daß den Feldjägern auch schon vor der Vereinbarung zwischen dem Reichsführer SS und dem Chef des OKW vom 17.01.1945 die Befehlsgewalt über alle Angehörigen der Waffen-SS zugestanden hat, obwohl die Frage nach den diesbezüglichen Rechtsgrundlagen lediglich im Hinblick auf die Soldaten der dem Heer vollständig eingegliederten Teile der ehemaligen SS-Verfügungstruppe eindeutig beantwortet werden kann.

IL Die Durchsetzung von Befehlen 1. Die rechtliche Ausgangslage Wie alle anderen Vorgesetzten in der Wehrmacht und der Waffen-SS hatten auch die Feldjäger gegen die ihrer Befehlsgewalt unterworfenen Soldaten einen Anspruch auf Gehorsam, denn der Befugnis eines Vorgesetzten, Befehle zu erteilen, entsprach auf Seiten seiner Untergebenen die unbedingte Verpflichtung zur Befolgung dieser Befehle. 73 Demzufolge stellte die Weigerung eines Unter72

Dazu im einzelnen sogleich unter III., IV. und VII. Während in der Wehrordnung der Bundesrepublik die soldatische Gehorsamspflicht der Bundeswehrangehörigen durch § 11 I 1 und 2 SG ausdrücklich gesetzlich fixiert worden ist, hat sie weder im Wehrrecht des Dritten Reiches noch in der Wehrverfassung vorangegangener Epochen ihren Niederschlag in einer Rechtsnorm gefunden. Zwar war sowohl im Fahneneid, den die Angehörigen der Wehrmacht gem. §§ 1; 2 Ziffer 2 des „Gesetzes über die Vereidigung der Beamten und der Soldaten der Wehrmacht" vom 20.08.1934 (RGBl. I 1934, S. 785) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 20.07.1935 (RGBl. I 1935, S. 1035) „dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht" bei ihrem Dienstantritt leisten mußten, als auch in Ziffer 4 der Verordnung des Reichspräsidenten von Hindenburg über „Die Pflichten des Deutschen Soldaten" vom 25.05.1934 (H. Dv. 3/4 I) davon die Rede, daß der Soldat der Wehrmacht zum Gehorsam verpflichtet 73

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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gebenen, den ihm erteilten Befehlen nachzukommen, eine Verletzung seiner Gehorsamspflicht und damit einen unter Umständen sogar mit Strafe bedrohten 74 Verstoß gegen die militärische Disziplin und Ordnung dar. Da nun aber „die Sorge für die Manneszucht eine der vornehmsten Aufgaben aller mit Befehlsgewalt betrauten Soldaten" war, 75 hätte sich jeder Vorgesetzte, der den Vollzug sei, doch war beides nicht dazu geeignet, militärische Pflichten zu begründen. Für den Fahneneid ergab sich dies daraus, daß man ihn nur als einen sog. „politischen" Eid einstufte, der auf die Erhaltung des Bestandes eines politischen Gemeinwesens gerichtet war und dem Leiter dieses Gemeinwesens geleistet wurde (Hechel, S. 182). Demzufolge konnte er keinerlei Rechtswirkungen hervorrufen und diente ausschließlich der feierlichen Bekräftigung bereits bestehender soldatischer Pflichten. Aber auch die Verordnung vom 25.05.1934 stand als Rechtsgrundlage für die Gehorsampflicht nicht zur Verfügung, denn sie hatte lediglich den Charakter einer Unterweisung und stellte somit nichts weiter dar als eine die ehemaligen Kriegsartikel ersetzende kurzgefaßte Lehre über die Aufgabe der Wehrmacht sowie über die Anforderungen, die an den deutschen Soldaten ,4m Dienste der Nation" gestellt wurden (Hechel, S. 236). Dergestalt mit dem Problem konfrontiert, die aus naheliegenden Gründen militärisch unverzichtbare Gehorsamspflicht ohne Rückgriff auf eine formelle Rechtsnorm rechtlich begründen zu müssen, hatte die ältere Rechtslehre den Lösungsansatz entwickelt, sie aus dem Dienstverhältnis der Soldaten abzuleiten. So hatte insbesondere Otto Mayer das Dienstverhältnis als ein besonderes Gewaltverhältnis begriffen, dessen Hauptmerkmal darin bestehe, daß der Dienstpflichtige sich in einem Zustand verminderter Freiheit befinde, weil er einer besonderen rechtlichen Macht unterworfen sei, die namens des Gemeinwesens, dem er seinen Dienst schulde, über ihn ausgeübt werde. Diese Macht bezeichnete Otto Mayer als „Dienstgewalt", die die berufene Leitung der Dienstgeschäfte - den Dienstheim und seine Gehilfen - berechtigte, rechtlich bindend näher zu bestimmen, was der Dienstpflichtige im einzelnen schulde. Zu solchen Bestimmungen für das persönliche Verhalten des Dienstpflichtigen zählte Otto Mayer auch den Befehl, der damit die Funktion hatte, die allgemeinen Wirkungen des Dienstverhältnisses im Einzelfall zu konkretisieren. Demzufolge stellte die Nichtbefolgung eines Befehls für Otto Mayer eine Verletzung der aus dem Dienstverhältnis entspringenden Pflichten dar. Dies bedeutete aber im Umkehrschluß, daß die Befolgung von Befehlen mit den durch das Dienstverhältnis begründeten Pflichten in Einklang stand, daß also die Pflicht zum dienstlichen Gehorsam unmittelbar auf das Dienstverhältnis zurückzuführen war und durch die Erteilung eines Befehls automatisch ausgelöst wurde (vgl. Otto Mayer I, S. 101 f.; II, S. 181 ff.). Anders als Otto Mayer interpretierte jedoch die nationalsozialistische Rechtslehre das Dienstverhältnis als ein „völkisches Dienst- und Treueverhältnis", mit dem eine Leistung vollzogen wurde, die der „Volksführer" als für das „völkische Reich" lebensnotwendig fordere. Dementsprechend betrachtete die nationalsozialistische Ideologie auch nicht die im Vergleich zu Zivilisten verschärfte Abhängigkeit des Soldaten, sondern vielmehr seine Aufgabe in der Nation und für die Nation als entscheidend für die rechtliche Beurteilung des Dienstverhältnisses (Hechel, S. 180 f.). Obwohl jedoch mit dieser Negierung des Ausgangspunktes der soeben dargelegten Argumentationskette eine Ableitung der Gehorsamspflicht aus dem Dienstverhältnis ohne logischen Bruch nicht mehr durchführbar war, vertrat auch die nationalsozialistisch geprägte wehrrechtliche Literatur im Ergebnis die gleiche Auffassung wie Otto Mayer. So formulierte etwa Hechel, daß der Befehl als Folge die soldatische Gehorsamspflicht auslöse (S. 365), obwohl er den Begriff des Gewaltverhältnisses vehement bekämpfte (S. 181). Auch im Dritten Reich wurde also die Pflicht zum Gehorsam unmittelbar auf das soldatische Dienstverhältnis zurückgeführt (vgl. außer Hechel etwa Dams, S. 32; Schwinge, S. 122). 74

13*

Vgl. §§ 92, 94, 96 RMStGB.

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seiner Anordnungen nicht erzwang, selber eines Verstoßes gegen die „Manneszucht" schuldig gemacht. Aus diesem Grunde ergaben sich aus der Gehorsamspflicht der untergebenen Soldaten zwangsläufig sowohl das Recht als auch die Pflicht der Vorgesetzten zur unbedingten Durchsetzung ihrer Befehle. 76 Dementsprechend kam auch den Feldjägern aufgrund ihrer Vorgesetzteneigenschaft die Befugnis zu, Befehle durchzusetzen. Die Mittel, die ihnen dabei zur Verfügung standen, waren vielfältig: So konnten sie zunächst von der jedem Vorgesetzten zustehenden soldatischen Zuchtgewalt 77 Gebrauch machen und mißbilligende Äußerungen, Belehrungen, Ermahnungen, Zurechtweisungen, Warnungen, Rügen oder Strafandrohungen aussprechen. Auch stand es ihnen frei, Gehorsamsübungen durchzuführen oder ihren Befehl zu wiederholen. 78 Zudem waren sie befugt, disziplinarrechtliche Maßnahmen nach der WDStO zu ergreifen. 79 Die effektivste Maßnahme, die die Feldjäger ergreifen durften, um ihren Anordnungen Geltung zu verschaffen, bestand jedoch zweifellos in der Durchsetzung ihrer Befehle durch die Anwendung unmittelbaren Zwanges, der auch den Schußwaffengebrauch umfaßte. Von dieser Möglichkeit konnte indessen nach der geltenden Rechtslage nur unter strengen Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden, da derjenige Vorgesetzte, der seine Befehle zwangsweise durchsetzte, seinen Untergebenen regelmäßig einer an sich vorschriftswidrigen Behandlung unterzog oder ihn sogar vorsätzlich körperlich mißhandelte und somit den Tatbestand der §§ 121 bis 123 RMStGB verwirklichte. Dies hatte zur 75 Heckel, S. 372; auch der so umschriebenen Verantwortlichkeit der Vorgesetzten für die Disziplin fehlte es im Wehrrecht des Dritten Reiches an einer Fixierung durch eine Rechtsnorm. Für die Feldjäger folgte sie aber jedenfalls aus ihrem oben unter B. I. näher dargelegten ständigen ordnungsdienstlichen Auftrag. Vgl. im übrigen zur heutigen Rechtslage § 10 II SG. 76 Auch für die Vorgesetzten der Bundeswehr folgt die Pflicht, Befehle durchzusetzen, schon aus ihrer Verantwortlichkeit für die Disziplin (Scherer/Alff, § 10 SG Rn. 55). Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Durchsetzungspflicht in § 10 V 2 SG nochmals ausdrücklich geregelt. Dabei handelt es sich jedoch nicht bloß um eine Klarstellung. Vielmehr folgt aus dem Wortlaut der Norm darüber hinaus, daß sie dem Vorgesetzten ein eigenes hoheitliches Recht zu unmittelbarem Zwang einräumt (Scherer/ Alff, a.a.O., Rn. 58). Demgegenüber wies das für die Wehrmacht geltende Recht keine ausdrückliche Normierung des Rechts oder der Pflicht eines Vorgesetzten zur Durchsetzung von Befehlen auf. Stattdessen leitete man die Durchsetzungspflicht in der im Text beschriebenen Weise aus der Verantwortung des Vorgesetzten für die „Manneszucht" seiner Untergebenen ab und schloß aus dieser Aufgabenstellung auf die entsprechenden Befugnisse (vgl. etwa Beckmann, S. 57 f. m.w.N.). 77 Vgl. dazu näher Dietz, S. 108 f.; Heckel, S. 373. 78 Die Wiederholung eines Befehls, die erfolgte, nachdem feststand, daß die vorangegangene Anweisung unbefolgt geblieben war, stellte ein weitaus wirksameres Mittel zur Durchsetzung von Befehlen dar, als dies auf den ersten Blick den Anschein hat, da derjenige Untergebene, der „auf wiederholt erhaltenen Befehl in Dienstsachen im Ungehorsam beharrt", den Tatbestand der Gehorsamsverweigerung gem. § 94 I Alt. 2 RMStGB verwirklichte und daher mit „geschärftem Arrest nicht unter 14 Tage oder mit Gefängnis oder Festungshaft" rechnen mußte. 79 Dazu näher unten III.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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Folge, daß die Zwangsanwendung nur dann zulässig war, wenn das in § 124 RMStGB statuierte besondere Notrecht derjenigen Vorgesetzten eingriff, deren Befehle nicht befolgt wurden. Danach waren diejenigen Handlungen, die ein Vorgesetzter beging, um seinen Befehlen im Falle der äußersten Not und dringendsten Gefahr Gehorsam zu verschaffen, nicht rechtswidrig. Gem. § 124 I I RMStGB galt dies „namentlich auch für den Fall, wenn sich ein Offizier in Ermangelung anderer Mittel, den durchaus notwendigen Gehorsam zu erhalten, in der Lage befunden hat, gegen den tätlich sich ihm widersetzenden Untergebenen von der Waffe Gebrauch zu machen." Dogmatisch betrachtet gewährte § 124 RMStGB also ein spezielles Notwehrrecht, da er die Gehorsamsverweigerung als Angriff auf die Disziplin anerkannte, so daß die Maßnahmen des Vorgesetzten als Verteidigungshandlungen gegen einen rechtswidrigen Angriff galten. 80 Im Vergleich zum allgemeinen Notwehrrecht des damaligen § 53 RStGB war der Erlaubnistatbestand des § 124 I RMStGB jedoch teilweise erheblich enger, teilweise aber auch deutlich weiter gefaßt. Einerseits setzte er nämlich einen Fall der „äußersten Not und dringendsten Gefahr" voraus, worunter eine außerordentliche Gefährdung der Manneszucht verstanden wurde, die es unerläßlich machte, die Befolgung eines Befehls um jeden Preis durchzusetzen.81 80 Arndt, S. 85; Schmidt, Militärstrafrecht, S. 50 Fn. 1; Schwinge, S. 307. Dagegen betrachteten von Koppmann, § 124 MStGB, Anm. 6, S. 465, und Mayer, Militärstrafrecht I, S. 109, den § 124 RMStGB wohl zu Unrecht als einen besonderen Fall des rechtfertigenden Notstandes. Unabhängig davon aber, welcher Ansicht letztlich zu folgen ist, muß mit Schmidt, Militärstrafrecht, S. 49, darauf hingewiesen werden, daß die Einordnung des in § 124 RMStGB normierten Notrechts im Besonderen Teil des Gesetzbuches systematisch verfehlt war, da es als Rechtfertigungsgrund an sich im Allgemeinen Teil hätte geregelt werden müssen. 81 Rittau, § 124 MStGB, Anm. 6, S. 126; Schwinge, S. 308. Obwohl die Begriffspaare „äußerste Not" und „dringendste Gefahr" nach nahezu einhelliger Auffassung (die - soweit ersichtlich - nur von Solms, § 124 MStGB, Anm. 5, S. 121, vertretene Gegenansicht ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Norm zu Recht vereinzelt geblieben) kumulativ vorliegen mußten (vgl. etwa Fuhse, § 124MStGB, Anm. 4, S. 149; Rittau, § 124 MStGB, Anm. 6, S. 126; Rotermund, § 124 MStGB, Anm. 5, S. 343), war es dennoch unproblematisch möglich, für beide - wie im Text geschehen - eine einheitliche Definition zu formulieren, da sie letztlich wohl weitgehend gleichbedeutend gewesen sind. Gleichwohl sind verschiedentlich auch Differenzieningsversuche unternommen worden. So steht etwa von Koppmann, § 124 MStGB, Anm. 6, S. 465, auf dem Standpunkt, daß sich die äußerste Not auf die dem Vorgesetzten für die Gehorsamserzwingung zur Verfügung stehenden zweckdienlichen Mittel beziehe, während das Vorliegen der dringendsten Gefahr stets nur mit Blick auf die nach der jeweiligen Lage bestehende Gefährdung der Disziplin zu beurteilen sei (zustimmend Rotermund, § 124 MStGB, Anm. 5, S. 343). Demgegenüber halten Romen/Rissom, § 124 MStGB, Anm. 4a), S. 606, zwar einerseits ebenfalls den Eintritt desjenigen Übels, das zu erwarten ist, wenn der Gehorsam nicht alsbald erzwungen wird, für den Bezugspunkt der dringendsten Gefahr, nehmen jedoch andererseits einen Zustand der äußersten Not im Gegensatz zu von Koppmann dann an, wenn ein ganz außerordentlich schwerer Nachteil zu befürchten ist. Indessen setzen sich gerade die zuletzt wiedergegebenen Bemühungen um eine Unterscheidung zwischen den Tatbestandsmerkmalen der äußersten Not und dringendsten Gefahr schon beinahe dem Vorwurf der

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Andererseits trat die rechtfertigende Wirkung des § 124 RMStGB bereits dann ein, wenn die von § 53 RStGB geforderte Notwehrlage überhaupt noch nicht vorlag, weil eine Verletzung der soldatischen Disziplin auch schon im bloßen Ausbleiben einer Reaktion des Untergebenen auf einen ihm erteilten Befehl zu erblicken war, 82 während Unterlassungen nach damaliger Rechtsauffassung noch keinen Angriff im Sinne des allgemeinen Notwehrrechts darstellen konnten.83 Sonach waren die Feldjäger also selbst im Falle einer passiven Gehorsamsverweigerung zur sofortigen Anwendung unmittelbaren Zwanges und damit in letzter Konsequenz auch zum Gebrauch der Schußwaffe berechtigt, wenn durch die Untätigkeit des Untergebenen ein Zustand äußerster Not und dringendster Gefahr hervorgerufen wurde. Da dieser Zustand unabhängig von der Frage, in welchem Maße der Untergebene sich gegen einen ihm gegebenen Befehl auflehnte, Tautologie aus und erscheinen somit als wenig hilfreich. Gegen den Versuch, die dringendste Gefahr von der äußersten Not abzugrenzen, spricht zudem der Umstand, daß dadurch auch keine anderen Ergebnisse erzielt werden als bei der Subsumtion unter eine einheitliche Definition. Das wird vor allem dann deutlich, wenn man die Beispiele, die von den zwischen den beiden Begriffspaaren unterscheidenden Autoren für das Vorliegen der Tatbestands Voraussetzungen des § 124 RMStGB genannt werden, mit denjenigen vergleicht, die das übrige Schrifttum insoweit anführt. So war der Tatbestand des § 124 RMStGB nach allgemeiner Meinung etwa dann erfüllt, wenn eine Gehorsamsverweigerung sich nachteilig auf den Verlauf eines Gefechts auszuwirken drohte, die Gefahr des Umsichgreifens von Unbotmäßigkeiten hervorrief oder zu Meutereien und militärischem Aufruhr führen konnte (Dietz-Grützmacher, Stichwort „Notstand der Disziplin", S. 585; von Koppmann, § 124 MStGB, Anm. 6, S. 465; Mayer, Militärstrafrecht I, S. 110; Romen/Rissom, § 124 MStGB, Anm. 4a), S. 606; Schmidt, Militärstrafrecht, S. 50; Schwinge, S. 308). Umgekehrt herrschte aber gleichermaßen auch darüber Einigkeit, daß selbst hartnäckige Gehorsamsverweigerungen die Anwendung des § 124 RMStGB nicht auszulösen vermochten, wenn außer den Beteüigten keine weiteren Untergebenen zugegen waren (von Koppmann, a.a.O.; Mayer, a.a.O.; Romen/Rissom, a.a.O.; Rotermund, § 124 MStGB, Anm. 5, S. 343). Schwinge, a.a.O., und Romen/Rissom, a.a.O., stimmten schließlich trotz ihrer gegensätzlichen Auffassungen hinsichtlich der Behandlung des Tatbestands des § 124 I RMStGB zusätzlich noch insoweit überein, als sie den Eintritt der rechtfertigenden Wirkung der Norm wiederum dann befürworteten, wenn der Ungehorsam eines Soldaten das Leben eines anderen gefährdete oder erhebliche Materialschäden zu verursachen geeignet war. In Anbetracht der sonach feststellbaren Einmütigkeit, mit der der Anwendungsbereich des § 124 I RMStGB von den theoretisch divergierenden Ansichten exemplifiziert wurde, erscheint aber die ohnehin gekünstelt wirkende und nur unter erheblichen Schwierigkeiten durchführbare Abgrenzung zwischen der äußersten Not und der dringendsten Gefahr letztlich als gänzlich überflüssig. Zuzustimmen sein dürfte daher der von Dietz-Grützmacher, Stichwort „Notstand der Disziplin", S. 585, geäußerten Auffassung, derzufolge es dem Gesetzgeber wohl mehr darauf angekommen ist, durch die Anhäufung von Superlativen klarzustellen, daß das in § 124 I RMStGB geregelte außerordentliche Zwangsrecht Ausnahmecharakter hatte. 82 Vgl. von Koppmann, § 124 MStGB, Anm. 6, S. 465. 83 Wenngleich aufgrund der modernen strafrechtlichen Dogmatik ein Angriff durch Unterlassen heute nicht mehr - wie noch von der älteren Rechtsprechung (s. nur RGSt 19, 298, 299) - aus rein begrifflichen Gründen ausgeschlossen wird, dürfte er gleichwohl immer noch einen Ausnahmefall darstellen (vgl. dazu ausführlich SK-Günther, § 32 StGB Rn. 30 ff. m.w.N.).

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allein aufgrund der äußeren Umstände eintreten konnte, hing die rechtfertigende Wirkung des § 124 RMStGB im Gegensatz zu den für § 53 RStGB geltenden Prinzipien auch nicht davon ab, ob die vom Vorgesetzten ergriffene Maßnahme zur Verteidigung der Disziplin das für den Soldaten, der den Gehorsam verweigerte, am wenigsten schädliche unter den zur Durchsetzung des Befehls geeigneten Mitteln darstellte. 84 Vielmehr kam es überhaupt nicht primär auf die Eignung einer Handlung zur Durchsetzung des erteilten Befehls, sondern in erster Linie darauf an, inwieweit die durch einen Ungehorsam veranlaßte Maßnahme des Vorgesetzten zur sofortigen Beendigung des Zustandes äußerster Not und dringendster Gefahr geeignet war. Das Gebot der Erforderlichkeit richtete sich demnach nur an der Not- und Gefahrenlage aus und beanspruchte somit im Verhältnis zu dem ungehorsamen Soldaten keine Gültigkeit. 85 Daher konnte durch 84

Vgl. Schwinge, S. 307 f. Demgegenüber hielt die wohl h. M. begrifflich an dem Gebot der Erforderlichkeit fest (vgl. etwa Rittau, § 124 MStGB, Anm. 9, S. 127; Schmidt, Militärstrafrecht S. 50). Nach Ansicht Rotermunds, § 124 MStGB, Anm. 10, S. 345, mußte „eine vernünftige Gesetzesauslegung" sogar zwangsläufig zu dem Ergebnis führen, „daß ein gewisses Verhältnis zwischen der Ursache der Zwangsanwendung und der letzteren selbst" zu fordern sei. Auch Mayer, Militärstrafrecht I, S. 112, hielt nur solche Handlungen eines Vorgesetzten für rechtmäßig, die zur Abwehr der Gefahr erforderlich waren, und führte daher aus, daß die Zwangsanwendung zu unterbleiben habe, wenn gelindere Mittel den Zweck erreichen. Ähnlich äußerten sich schließlich noch Romen/Rissom, § 124 MStGB, Anm. 5 c), S. 609, denn auch sie wollten das zulässige Maß des unmittelbaren Zwangs nach dem zur Erreichung des Zwecks Erforderlichen bestimmen. Indessen stellte auch nach der h.M. die Gehorsamsverweigerung eines Untergebenen in den von § 124 RMStGB geregelten Fällen keineswegs den alleinigen Anknüpfungspunkt für die Gewaltanwendung durch einen Vorgesetzten dar. Vielmehr teilte die h.M. den Standpunkt, daß zusätzlich noch eine Gefährdung der Disziplin hinzutreten mußte, damit die rechtfertigende Wirkung der Norm eintreten konnte. Konsequenterweise war es beinahe unbestritten, daß die von einem Vorgesetzten ergriffene Zwangsmaßnahme neben der Durchsetzung eines Befehls zugleich auch noch die Verteidigung der Disziplin zum Ziel haben mußte (Die Gegenansicht Fuhses, § 124 MStGB, Anm. 4, S. 149, der das von einem befehlsberechtigten Soldaten angewendete Mittel lediglich in Beziehung zu der Beseitigung des seinen Befehlen entgegengesetzten Widerstandes setzen wollte, wurde - soweit ersichtlich - von niemandem geteilt). Wenn also Romen/Rissom, § 124 MStGB, Anm. 5c), S. 609, und Mayer, Militärstrafrecht I, 5. 112, übereinstimmend forderten, daß nur das zur Zweckerreichung erforderliche Zwangsmittel gerechtfertigt sein durfte, so verstanden auch sie unter dem Zweck der Gewaltanwendung nicht nur die Abwehr eines in der Gehorsamsverweigerung zu erblickenden Angriffs, sonders darüber hinaus auch die Verteidigung der Disziplin. Damit legte die h.M. jedoch den Begriff der Erforderlichkeit im Kontext des § 124 RMStGB anders aus als dies beim allgemeinen Notwehrrecht üblich war, bei dem seit je her unbestritten ist, daß sich die Erforderlichkeit einer Verteidigungshandlung ausschließlich nach dem mildesten aller geeigneten Mittel zur Abwehr eines Angriffs bemißt. Letztlich kam also - worauf Beckmann, S. 58, zutreffend hinweist - die h.M. vom Boden eines nur für § 124 RMStGB Gültigkeit beanspruchenden eigenständigen Erforderlichkeitsbegriffes zu den gleichen Ergebnissen wie die im Text dargestellte Gegenansicht, die an der zum allgemeinen Notwehrrecht entwickelten Terminologie festhielt und somit zwangsläufig zu der Überzeugung gelangen mußte, daß das Gebot der Erforderlichkeit dem Tatbestand des § 124 RMStGB fremd war. 85

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§124 RMStGB letztlich sogar die Tötung eines Untergebenen, der den Gehorsam nur dadurch schuldig blieb, daß er überhaupt nichts tat, gerechtfertigt sein, wenn sie das einzige Mittel war, um die vor den Augen des eingreifenden Vorgesetzten entstandene Katastrophenlage zu entspannen.86 Dem stand auch nicht etwa der oben bereits wiedergegebene Inhalt des § 124 I I RMStGB entgegen, denn wie sich aus der Verwendung des Wortes „namentlich" ergibt, handelt es sich dabei lediglich um einen gesetzgeberischen Beispielsfall, der zwar zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals „äußerste Not und dringendste Gefahr" herangezogen werden konnte, keineswegs aber den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 124 I I RMStGB auf Offiziere bzw. auf den Fall eines sich tätlich widersetzenden Untergebenen beschränken sollte. 87 Damit steht aber 86 Im Ergebnis ebenso: Arndt, S. 85; Solms, § 124 MStGB, Anm. 1 und 9, S. 121 f. Im Falle der Tötung eines ungehorsamen Soldaten wurde allerdings naturgemäß nicht dessen Gehorsam erzwungen, sondern der der übrigen Mannschaften (Romen/Rissom, § 124 MStGB, Anm. 4a), S. 607). Dies wird anhand des von Dietz, Militärstrafrecht, S. 65, gebildeten Beispiels besonders deutlich, wonach § 124 RMStGB einen Vorgesetzten im Krieg typischerweise dazu berechtigte, beim Vorgehen im Gefecht etwaige „Feiglinge" niederzuschießen, „wenn Befehle fruchtlos blieben." 87 Beckmann, S. 58; Dietz, Militärstrafrecht, S. 64; Fuhse, § 124 MStGB, Anm. 5, S. 149; Schmidt, Militärstrafrecht, S. 50; Schwinge, S. 309. Dementsprechend wurde aus § 124 II RMStGB auchrichtigerweise von niemandem die Schlußfolgerung gezogen, daß der Gebrauch der Waffe zum Zwecke der Gehorsamserzwingung eine nur den Offizieren vorbehaltene Maßnahme darstellte, deren sich Unteroffiziere und etwaige Vorgesetzte mit Mannschaftsdienstgraden nicht bedienen durften. Vielmehr bestand Einigkeit darüber, daß § 124 RMStGB allen Vorgesetzten unabhängig von ihrem Dienstgrad das Recht zum Waffengebrauch vermittelte. Verschiedentlich findet sich jedoch die Auffassung, daß § 124 II RMStGB einen auf Offiziere beschränkten Spezialfall des Waffengebrauchs normiere, der hinsichtlich seiner Voraussetzungen vom Tatbestand des § 124 I RMStGB unabhängig sei und daher lediglich einen tätlichen Angriff durch einen Untergebenen, nicht aber auch einen Zustand äußerster Not und dringendster Gefahr erfordere (so etwa von Koppmann, § 124 MStGB, Anm. 9 bis 11, S. 466; Rittau, § 124 MStGB, Anm. 9 f., S. 127; Rotermund, § 124 MStGB, Anm. 2 und 8, S. 341 und 344; Solms, § 124 MStGB, Anm. 2 und 10, S. 121). Dieser Auslegung des § 124 II RMStGB wurde jedoch bereits im Jahre 1907 von Mayer, Militärstrafrecht I, S. 111, zu Recht entgegengehalten, daß sie nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Inhalt der Vorschrift widerspreche: „Auch im Absatz 2 geht das Gesetz von der Annahme einer Gehorsamsverweigerung aus und enthält im übrigen lediglich eine Konkretisierung des ersten Absatzes, indem es den Waffengebrauch des Offiziers, also eine spezielle Handlung eines bestimmten Vorgesetzten rechtfertigt und als Voraussetzung dafür einen besonderen Fall äußerster Not und dringendster Gefahr beschreibt, nämlich die Zwangslage eines Offiziers, der infolge des tätlichen Widerstandes eines ungehorsamen Untergebenen keine andere Wahl hat, als seine Autorität preiszugeben oder sich der Waffe zu bedienen." Letztlich kann jedoch sogar dahinstehen, welcher Ansicht zu folgen ist, da auch dieser Streit allenfalls von akademischem Interesse ist. Mit Dietz-Grützmacher, Stichwort „Notstand der Disziplin", S. 585, und Romen/Rissom, § 124 MStGB, Anm. 5b), S. 609, ist nämlich davon auszugehen, daß das in § 124 II RMStGB neben der tätlichen Widersetzung eines Untergebenen auch noch enthaltene Tatbestandsmerkmal der Erhaltung des „durchaus notwendigen Gehorsams" ohnehin begrifflich mit einem Zustand „äußerster Not und dringendster Gefahr" übereinstimmt.

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fest, daß die ratio legis des § 124 RMStGB darin zu erblicken ist, daß die Disziplin der Truppe unter Umständen für schützenswerter gehalten werden durfte als selbst die bedeutsamsten Individualrechtsgüter einzelner Soldaten.88 Auch die Feldjäger konnten mithin unter den dargelegten Voraussetzungen des damals geltenden Rechts zur Durchsetzung ihrer Befehle im Extremfall sogar Erschießungen vornehmen. 2. Die Ausweitung des Schußwaffengebrauchs in der Endphase des Krieges Obwohl damit der Befugnisrahmen der Feldjäger bereits nach der Gesetzeslage äußerst weit gesteckt war, erarbeitete man im OKW unter dem Eindruck der sich an allen Fronten zunehmend katastrophal entwickelnden Kriegslage nach den Weisungen Hitlers zahlreiche Führerbefehle, durch die die Feldjäger angehalten werden sollten, ihre ohnehin außerordentlichen Vollmachten sogar noch zu überschreiten. So heißt es beispielsweise in einer Zusammenfassung dieser Befehle vom Januar 1945 in Abschnitt I I I wörtlich: „Pflicht zum Waffengebrauch. Führer und Unterführer haben von der Waffe Gebrauch zu machen, wenn die Lage oder die Manneszucht nicht anders wiederhergestellt werden kann. Das gilt vor allem, wenn Soldaten - sich einem Vorgesetzten tätlich widersetzen, - bei befehlswidrigen oder ungeordneten Absetzbewegungen den Befehl zum Instellunggehen nicht befolgen, - bei drohenden Auflösungserscheinungen den Gehorsam verweigern, - ihre Waffen im Stich lassen oder trotz Gegenbefehls zerstören. [.. .]". 89 Obschon insbesondere die aufgezählten Beispiele in der Regel zu einer Rechtfertigung des Einsatzes von Schußwaffen durch § 124 I RMStGB geführt haben dürften, enthält dieser Befehl doch eine bemerkenswerte Abweichung von den oben dargestellten Prinzipien, denn er verkehrt das durch die Ausgestaltung des § 124 I RMStGB als Rechtfertigungsgrund aufgestellte Verhältnis zwischen Regelfall und Ausnahme ins Gegenteil. Die Tatsache, daß der die Schußwaffe gebrauchende Vorgesetzte nach den Vorgaben des Gesetzgebers tat88

Allg. Meinung, vgl. beispielsweise Dietz-Grützmacher, Stichwort „Notstand der Disziplin", S. 584: „Es handelt sich hier offensichtlich nicht [...] um den Schutz privater Interessen, sondern um die Sicherung des nationalen Rechtsgutes (!) der Disziplin." Siehe zudem auch Romen/Rissom, § 124 MStGB, Anm. lb), S. 603: „Die Gründe des Ausschlusses der Rechtswidrigkeit stellen sich dar als Forderung der in Not befindlichen Disziplin, denen gegenüber die persönlichen Interessen des Einzelnen zurücktreten müssen." 89 BA-MA RW 4/709, Teil 1, Bl. 39 f. d.A.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

bestandsmäßig eine militärische Straftat beging, die nur ausnahmsweise bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 I RMStGB gerechtfertigt war, kennzeichnet nämlich die Befehlsdurchsetzung mit anderen Mitteln als denen des unmittelbaren Zwangs als den Regelfall. Jeder Vorgesetzte war gezwungen, vor einem Einschreiten mit der Waffe sorgfältig zu prüfen, ob der Erlaubnistatbestand des § 124 RMStGB erfüllt war, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, straffällig zu werden. Zudem ließ diese Konstruktion des Gesetzes dem Vorgesetzten einen Ermessensspielraum, der es ihm erlaubte, im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände auch dann von der Anwendung unmittelbaren Zwanges abzusehen, wenn er dazu eigentlich befugt gewesen wäre. Demgegenüber machte es der zitierte Befehl dem Vorgesetzen zur Pflicht, die Schußwaffe in den nicht einmal abschließend aufgezählten Fällen der Gehorsamsverweigerung zu verwenden. Das ihm nach dem Willen des Gesetzgebers des RMStGB zustehende Ermessen wurde also durch den Führerbefehl auf Null reduziert. Nunmehr hatte er nur noch zu überlegen, ob er auf die Anwendung von Zwangsmitteln verzichten durfte, ohne dadurch dem ihm erteilten Befehl zuwider zu handeln. Dadurch wurde er aber zugleich auch der Verpflichtung enthoben, sich vor dem Einsatz der Schußwaffe über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 I RMStGB Klarheit zu verschaffen. Es liegt demnach auf der Hand, daß in zahlreichen Situationen der befehlsgemäße Waffengebrauch durch § 124 I RMStGB nicht gerechtfertigt werden konnte. Indessen gab es darüber hinaus sogar noch weitere Anweisungen des OKW, die den Schußwaffengebrauch zur Befehlsdurchsetzung in einer noch weniger differenzierten Weise zur Pflicht der Feldjäger erklärten, als dies in der Zusammenfassung der diesbezüglichen Führerbefehle vom Januar 1945 geschehen ist. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür liefert der an anderer Stelle bereits erwähnte Befehl OKW/WFSt/ Qu. 2 (Ost) Nr. 007522/44 gKdos vom 16.07.1944,90 durch den die Feldjägerkommandos I I und I I I dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Model, zur Bildung einer Auffangorganisation im rückwärtigen Gebiet der Heeresgruppe unterstellt wurden: „4. Offiziere und Unteroffiziere der Auffangorganisation haben dort, wohin sie gestellt sind, ihren Befehlen mit drakonischer Härte und allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unbedingten Gehorsam zu verschaffen. Von der Waffe ist notfalls rücksichtslos Gebrauch zu machen." Daß mit dieser Anweisung der Anwendungsbereich des § 124 I RMStGB bei weitem überschritten und den Feldjägern dadurch ein vom Gesetz häufig nicht mehr gedecktes Handeln zur Pflicht gemacht wurde, war den verantwortlichen Stellen im Wehrmachtführungsstab im übrigen durchaus bewußt, denn schon im unmittelbar folgenden Absatz heißt es wörtlich:

90

BA-MA RW 4/709, Teil 1, Bl. 3 ff. d.A.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

203

„Kriegsgerichtliche Verfahren in diesem Zusammenhang sind bis auf weiteres verboten." Obwohl eine kritische Überprüfung der Art und Weise, in der die Feldjäger ihre Aufgaben tatsächlich erfüllt haben, nicht vorliegt, sind doch allein schon aufgrund dieser dem geltenden Recht massiv widersprechenden Befehlslage erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung Böckles angebracht, aus dem Umstand, daß es „nach dem Kriege keine ,Feldjägerprozesse4 oder ähnliches gegeben" habe, könne darauf geschlossen werden, „daß diese Soldaten ihre schwere und oft auch undankbare Pflicht sauber und anständig erfüllt haben".91

DI. Die disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse der Feldjäger Die bislang erörterten Befugnisse der Feldjäger standen ihnen allein aufgrund ihrer Eigenschaft als militärische Vorgesetzte zu und unterschieden sich daher nicht wesentlich von denen, die jeder andere mit Befehlsgewalt ausgestattete Soldat der Wehrmacht und der Waffen-SS auch innehatte. Anders verhielt es sich jedoch mit den disziplinarstrafrechtlichen Maßnahmen nach der WDStO vom 06.06.1942,92 da zu deren Ergreifung grundsätzlich nur ein genau festgelegter Personenkreis unter den militärischen Vorgesetzten befugt war. Die zu diesem Personenkreis zählenden Soldaten wurden gem. § 13 V WDStO als Disziplinarvorgesetzte bezeichnet. Gem. § 13 I Nr. 1-5 WDStO waren Disziplinarvorgesetzte der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht, die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile für ihren Befehlsbereich, der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht für seinen Befehlsbereich, die Offiziere, denen nach der WDStO Strafgewalt zustand sowie diejenigen Offiziere, denen die Strafgewalt besonders übertragen worden war. Unmittelbar aufgrund der WDStO waren mit Strafgewalt ausgestattet die Kompaniechefs (§ 14 WDStO), die Bataillonskommandeure (§ 15 WDStO), die Regimentskommandeure (§ 16 WDStO), die Brigadekommandeure (§17 WDStO) sowie die Divisionskommandeure und die Befehlshaber eines Verbandes bzw. die Offiziere in entsprechender oder höherer Dienststellung (§ 18 WDStO). Die WDStO folgte also zunächst einmal strikt dem Grundsatz, daß die Disziplinarstrafgewalt eines Soldaten an seine Dienststellung gebunden war und vom Inhaber dieser Dienststellung nicht übertragen werden konnte. 93 Daneben war es aber auch noch möglich, Disziplinarstrafbefugnisse zu verleihen. Die für eine solche Verleihung erforderliche Rechtsmacht stand ausschließlich dem „Führer und Reichskanzler" in seiner Eigenschaft als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht zu, da das Recht zur Delegation der Disziplinarstrafgewalt als ein Ausfluß der Befehlsgewalt über die Wehrmacht ange91

Böckle, S. 189. Gegen Böckle auch Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 40. H. Dv. 3/9; M Dv. Nr. 130; L. Dv. 3/9. 93 § 13 II 1, 2 WDStO; vgl. auch die nahezu wortgleiche Fassung des heutigen § 23 II 1, 2 WDO. 92

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

sehen wurde und Hitler sich diese in dem „Erlaß über die Führung der Wehrmacht" vom 04.02.193894 „unmittelbar persönlich" vorbehalten hatte. 95 Indessen war es dem „Führer" unbenommen, seine Verleihungsbefugnisse ganz oder teilweise auf andere Stellen zu übertragen. So waren beispielsweise gem. § 22 WDStO die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile und der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht dazu berechtigt, in ihrem jeweiligen Befehlsbereich anderen Soldaten als denen, die in der WDStO ausdrücklich genannt wurden, Disziplinarstrafgewalt zu verleihen. Dabei durften gem. § 22 I Nr. 3 WDStO abweichend von der Regelung des § 13 I WDStO sogar Soldaten zu Disziplinarvorgesetzten gemacht werden, die nicht im Offiziersrang standen. Demgegenüber war jedoch die Befugnis zur Verleihung einer teilstreitkraftübergreifenden Disziplinarstrafgewalt beim Obersten Befehlshaber der Wehrmacht verblieben. Nur er bzw. in seinem Auftrag der Chef des OKW hatten insoweit die Möglichkeit, einzelnen Soldaten unabhängig von der Rangklasse, der sie angehörten, disziplinarstrafrechtliche Vollmachten zu übertragen, die gleichermaßen gegenüber den Angehörigen des Heeres, der Luftwaffe und der Marine galten. Einem solchen Fall verdankten die Feldjäger ihre weitreichenden disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse nach der WDStO, denn diese sind ihnen durch den Befehl OKW/WFSt/Org. (I) Nr. 2251/44 vom 10.06.194496 ausdrücklich verliehen worden: ,JH. Disziplinarstrafgewalt in Ausübung ihres Auftrages besitzen: 1. gegenüber allen Angehörigen der Wehrmachtteile und der Waffen-SS die Befehlshaber eines Feldjägerkommandos nach § 18 WDStO; 2. gegenüber allen Unteroffizieren und Mannschaften der drei Wehrmachtteile und allen Unterführern der Waffen-SS a) die Kommandeure der Feldjägerregimenter, eines Regiments-Kommandeurs nach § 16 WDStO; b) Offiziere und SS-Führer der Feldjägerregimenter als Kompaniechefs und Streifenführer [...], eines Bataillons-Kommandeurs nach § 15 WDStO; c) Offiziere und SS-Führer der Feldjägerregimenter [...], eines Kompaniechefs nach § 14 WDStO." Danach konnten also bereits die Feldjäger-Offiziere, die nicht einmal die Funktion eines Streifenführers innehatten, gegenüber allen Unteroffizieren und Mannschaften der Wehrmacht und der Waffen-SS sämtliche disziplinarstrafrechtlichen Maßnahmen ergreifen, die im allgemeinen gem. § 14 WDStO nur dem Chef einer Kompanie gegenüber den Angehörigen seines Befehlsbereich zustanden. Das berechtigte den Feldjäger-Offizier dazu, gegen Unteroffiziere mit Portepee und Fähnriche Verweise und strenge Verweise auszusprechen97 so94 95 96

RGBl. I 1938, S. 111. Dietz, S. 178; Hechel, S. 378 Fn. 10. A.H.M. 1944, S. 209 Nr. 352.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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wie Stubenarrest, geschärften Stubenarrest und gelinden Arrest bis zu jeweils einer Woche zu verhängen. 98 Gegenüber Unteroffizieren ohne Portepee und Mannschaften erweiterte sich die Strafgewalt zum einen um die Befugnis, den gelinden Arrest bis zu zwei Wochen zu verhängen, und zum anderen um die Berechtigung, mit Kasernenarrest bis zu zwei Wochen und geschärftem Arrest bis zu einer Woche zu strafen. 99 Zudem waren insoweit auch die in § 7 I Nr. 1 und 2 WDStO genannten Nebenstrafen der Soldverwaltung und der Ausgangsbeschränkung bis zu drei Wochen zulässig. 100 Deutlich darüber hinaus ging bereits die Disziplinarstrafgewalt der FeldjägerOffiziere, die als Streifenführer oder Kompaniechefs eingesetzt waren, da ihnen alle Disziplinarstrafen zur Verfügung standen, die gem. § 15 WDStO grundsätzlich nur Bataillonskommandeuren vorbehalten waren. Dementsprechend waren sie berechtigt, die genannten Arreststrafen gegen Unteroffiziere mit Portepee und Fähnriche bis zu zwei Wochen zu verhängen. Auch die Ausgangsbeschränkungen und Arreststrafen, die im Verhältnis zu den Unteroffizieren ohne Portepee und den Mannschaften ausgesprochen werden durften, waren von längerer

97

Verweis und strenger Verweis wurden gem. § 36 I WDStO wie alle anderen Disziplinarstrafen auch durch die dienstliche Bekanntgabe der Strafformel an den Täter verhängt und gem. § 36 II 3 WDStO in das Strafbuch des betroffenen Soldaten eingetragen. Während jedoch der einfache Verweis gem. § 54 I 1 WDStO mit seiner Verhängung auch bereits vollstreckt war, differenzierte man beim strengen Verweis zwischen Verhängung und Vollstreckung. Gem. § 54 II WDStO wurde nämlich der verhängte strenge Verweis durch Bekanntgabe vor allen Angehörigen der Einheit des Täters, die im Dienstgrad nicht unter ihm standen, vollstreckt. 98 Der Stubenarrest wurde in der Wohnung vollzogen, womit die Gesamtheit der geschlossenen Räume des Quartiers gemeint war. Während des Arrestvollzuges durfte der Betroffene die Wohnung nicht verlassen und auch keinen Besuch empfangen (vgl. § 23, 1 und 2 RMStGB). Der geschärfte Stubenarrest unterschied sich dadurch von dem einfachen, daß er in einem besonderen Arrestzimmer vollstreckt wurde (vgl. § 23, 3 RMStGB). Demgegenüber wurde der gelinde Arrest in Zelleneinzelhaft verbüßt (vgl. § 24 RMStGB). 99 Unter Kasernenarrest war das Verbot zu verstehen, die Kaserne zu verlassen. Anders als beim Stubenarrest konnte der Täter aber weiterhin zum Dienst herangezogen werden (Dietz, S. 284). Wie der gelinde Arrest wurde auch der geschärfte in Zellenhaft vollzogen, beinhaltete aber die obligatorischen Anordnungen, daß dem Bestraften eine harte Lagerstätte zuzuweisen war und seine Nahrung nur aus Wasser und Brot bestehen durfte (vgl. §§ 24; 25, 1 RMStGB). 100 Gem. § 54 II Nr. 2 WDStO wurde die Soldverwaltung durch Entziehen der freien Verfügungsbefugnis über die Besoldung mit Ausbezahlen in Teilbeträgen nach Ermessen des Disziplinarvorgesetzten vollstreckt. Die Vollstreckung der Ausgangsbeschränkung wurde hingegen danach differenziert, ob der Bestrafte Unteroffizier oder Mannschaftsdienstgrad war. Für Unteroffiziere bedeutete die Bestrafung mit einer Ausgangsbeschränkung, daß ihnen die Pflicht auferlegt wurde, mit Zapfenstreich oder zu einer bestimmten Stunde nach Zapfenstreich in das Quartier zurückzukehren (§ 54 II Nr. 3 lit. a) WDStO). Mannschaftsdienstgraden konnte hingegen schon die Heimkehr zu einer bestimmten Stunde vor Zapfenstreich zur Pflicht gemacht werden (§ 54 H Nr. 3 lit. b) WDStO).

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Dauer als diejenigen, die nach § 14 WDStO zulässig waren. So war es möglich, daß schon die kleinste Gliederungseinheit der Feldjägerkommandos, die Streife, durch ihren Führer jeden Unteroffizier ohne Portepee der Wehrmacht bzw. jeden Unterführer der Waffen-SS gleichen Dienstranges mit Ausgangsbeschränkung oder Kasernenarrest bis zu vier Wochen, mit gelindem Arrest bis zu drei Wochen oder mit geschärftem Arrest bis zu zwei Wochen bestrafen konnte, ohne daß dadurch die Möglichkeit beschränkt worden wäre, stattdessen einen Verweis, einen strengen Verweis oder Soldverwaltung auszusprechen. Entsprechend dem aus den vorstehenden Darlegungen bereits erkennbaren Prinzip der WDStO, die Disziplinarstrafgewalt nach der Dienststellung des Disziplinarvorgesetzten abzustufen, waren die Befugnisse der Kommandeure der Feldjägerregimenter nochmals erheblich umfangreicher als diejenigen des nach §15 WDStO berechtigten Offiziers. So konnte der mit den Rechten des § 16 WDStO ausgestattete Kommandeur eines Feldjägerregimentes über die Strafen des § 15 WDStO hinaus gegen Unteroffiziere mit Portepee und Fähnriche Stubenarrest bis zu vier Wochen, geschärften Stubenarrest bis zu drei Wochen und gelinden Arrest bis zu vier Wochen sowie gegen Unteroffiziere ohne Portepee und Mannschaften gelinden Arrest bis zu vier Wochen und geschärften Arrest bis zu drei Wochen verhängen. Gefreite, Oberschützen und gleichstehende Soldaten mußten schlimmstenfalls sogar mit einer Dienstgradherabsetzung rechnen. Den Befehlshabern der drei Feldjägerkommandos schließlich standen gem. § 18 WDStO alle in den §§ 6 und 7 WDStO aufgezählten Disziplinar- und Nebenstrafen gegenüber jedem Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS, der nicht ranghöher oder rangälter war als sie, 1 0 1 bis hin zum vorgesehenen Höchstmaß zu. Das bedeutete beispielsweise, daß gegen jeden Offizier bis zum Hauptmann einschließlich die Verhängung eines geschärften Stubenarrests bis zu drei Wochen zulässig war. Wie weitgehend die Befugnisse des Befehlshabers eines Feldjägerkommandos nach dem Befehl des OKW vom 10.06.1944 waren, verdeutlicht die Tatsache, daß er sogar gegenüber jedem General der Wehrmacht oder der Waffen-SS, der mit der Führung einer Armee betraut war, Stubenarrest bis zu vier Wochen aussprechen konnte. Verglichen damit waren selbst die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile in ihren disziplinarrechtlichen Befugnissen geradezu beschränkt, da diese nur innerhalb ihres Befehlsbereichs zur Anwendung kommen konnten. 101

Vgl. § 13 III 2 WDStO; nach dem Inhalt des bereits erwähnten grundlegenden Befehls OKW/WFSt/Org (I) Nr. 22/44 geh. vom 08.01.1944 (BA-MA RW 4/493) hatten die Befehlshaber eines Feldjäger-Kommandos in Ausübung ihres Auftrages die Stellung eines Armee-Oberbefehlshabers inne. Demzufolge waren auch alle Generale der Wehrmacht und der Waffen-SS der Disziplinarstrafgewalt des Befehlshaber eines Feldjägerkommandos unterworfen, soweit sie nicht mit der Führung einer Heeresgruppe betraut waren (vgl. auch Speidel, Denkschrift , S. 2: „Der Kontrolle der Feldjäger unterlag Alles: Vom Armeeführer bis zum Straßenverkehrsposten im rückwärtigen Gebiet.").

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

207

Die Anwendung der so umschriebenen Disziplinarstrafbefugnisse der Feldjäger hatte lediglich zur Voraussetzung, daß der zu bestrafende Soldat sich eine Disziplinarübertretung hatte zuschulden kommen lassen. Gem. § 2 WDStO lag eine Disziplinarübertretung entweder vor bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen (Handlungen oder Unterlassungen) gegen die militärische Zucht und Ordnung, die nicht unter ein Strafgesetz fielen, oder bei Verstößen gegen Strafgesetze, wenn sie gerichtlich nicht bestraft wurden. Ob eine „Handlung oder Unterlassung" im Sinne der ersten Alternative gegen die militärische Zucht und Ordnung verstieß, konnte in Ermangelung fest umrissener Tatbestände in der WDStO nur im Einzelfall aufgrund der Prüfung aller Tatumstände ermittelt werden, wobei der Disziplinarvorgesetzte nach freiem, aber pflichtgemäßen Ermessen entscheiden durfte. Typische Beispiele waren Verhaltensweisen, die Berührungspunkte mit Straftatbeständen aufwiesen, die Strafbarkeitsschwelle aber nicht überschritten. So waren als Disziplinarübertretungen etwa solche Handlungen zu bewerten, die der Vorbereitung einer bestimmen Straftat dienten oder durch die die Verwirklichung eines Straftatbestandes versucht wurde, bei dem das Gesetz den Versuch nicht unter Strafe stellte. Ähnlich verhielt es sich mit der fahrlässigen Verwirklichung des Tatbestandes einer Strafbestimmung, die nur bei vorsätzlichem Handeln zur Strafbarkeit führte. Daneben erfaßte die erste Alternative des § 2 WDStO aber auch alle Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften belehrenden Inhalts, allgemeine Dienstvorschriften oder besondere Befehle, soweit dadurch nicht eine Bestrafung gem. §§ 92, 94 RMStGB wegen Ungehorsams bzw. Gehorsamsverweigerung ausgelöst wurde. 102 Demgegenüber fielen unter die zweite Alternative des § 2 WDStO alle Handlungen, die an sich zwar einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllten, gleichwohl aber nicht zu einer gerichtlichen Verurteilung führten. Das kam etwa dann in Betracht, wenn der Täter eine Antragsstraftat oder ein Ermächtigungsdelikt begangen hatte, der Berechtigte aber keinen Strafantrag stellte bzw. die gesetzlich bestimmte Stelle der Verfolgung der Straftat nicht zustimmte. 103 Bedeutsamer waren indessen die Fälle, bei denen die Strafverfolgungs- bzw. Prozeßvoraussetzungen an sich vorlagen, von der Bestrafung aber dennoch abgesehen wurde. Wenn nämlich die Schuld des Täters gering war und die Folgen der Tat als unbedeutend eingestuft werden konnten, eröffnete § 47 I KStVO dem Gerichts102

Vgl. zum Ganzen ausführlich und mit weiteren Beispielen: Dietz, S. 65 ff. Vgl. zu den Antragsstraftaten beispielsweise §§ 90b III; 90 e II; 90 i III; 102 II; 103 II; 104 II; 122b III; 123 HI; 172 II; 179 IE; 182 II; 189 II; 194; 195; 196; 232; 236 n; 247 I; 248a II; 263 V; 264a III; 288 II; 289 IV; 294; 299 H; 300 II; 301 II; 302 IV; 303 III; 330a DI; 370 II des damaligen RStGB. Dagegen war die Verfolgung militärischer Verbrechen und Vergehen gem. § 51 RMStGB unabhängig von dem Antrag des Verletzten oder einer anderen zum Antrag berechtigten Person. § 51 RMStGB galt sinngemäß auch für die Ermächtigungs-, Anordnungs- und Zustimmungsdelikte. Vgl. dazu beispielsweise die §§ 94 II; 134b II; 197, 2; 353b IV; 353c VI des damaligen RStGB. 103

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

herrn die Möglichkeit, von der Anklage gänzlich abzusehen oder das Verfahren vorläufig einzustellen, um dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich durch Mutbeweise einer endgültigen Verfahrenseinstellung gem. § 46 I 2 KStVO würdig zu erweisen. Machte der Gerichtsherr von dieser Möglichkeit Gebrauch, so war gem. § 47 I I KStVO der Weg für ein Disziplinarverfahren nach den Bestimmungen der WDStO wieder frei. Die gleichen Grundsätze konnten zudem auch nach Eröffnung der kriegsgerichtlichen Hauptverhandlung noch zur Anwendung kommen, da § 63 I I I KStVO bestimmte, daß das Feldkriegsgericht mit Zustimmung des Vertreters der Anklage das Verfahren durch Urteil einstellen durfte, wenn die Voraussetzungen des § 47 I KStVO vorlagen. Durch einen Verweis auf § 47 I I KStVO stellte die Vorschrift zugleich klar, daß auch in diesem Fall eine disziplinarstrafrechtliche Ahndung nicht ausgeschlossen war. Eine beträchtliche Erweiterung der Disziplinarstrafbefugnisse war für die Feldjäger mit der Vorschrift des § 16 a KStVO verbunden. Danach konnten die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile die Disziplinarvorgesetzten ermächtigen, Straftaten nach der WDStO zu ahnden, wenn der Sachverhalt genügend geklärt war und nach der Schuld des Täters und den Folgen der Tat eine disziplinare Erledigung als ausreichend erschien. Soweit ersichtlich, hat von dieser Ermächtigung zwar lediglich der Oberbefehlshaber des Heeres Gebrauch gemacht, 104 doch erstreckten sich auf diese Weise die Disziplinarstrafbefugnisse der Feldjäger auch auf alle Straftaten, die von Heeresangehörigen begangen wurden, wenn es sich dabei um „leichte Fälle" handelte. Immer dann, wenn nach den vorstehenden Grundsätzen das Vorliegen einer Disziplinarübertretung feststand, hatten die Feldjäger das Recht, die zur Verfügung stehenden Disziplinarstrafen bis zu dem durch die §§ 14 ff. WDStO jeweils vorgegebenen Höchstmaß zu verhängen. Dabei konnten sie grundsätzlich nach freiem pflichtgemäßen Ermessen vorgehen, da zwingende Strafzumessungsregeln nicht vorhanden waren. Lediglich § 39 WDStO enthielt einige Richtlinien für die Bemessung der Strafe. Danach war der Disziplinarvorgesetzte gehalten, die Schwere des Verstoßes gegen die Manneszucht, aber auch die Eigenart, insbesondere die Gesinnung und die bisherige Führung des Täters, zu berücksichtigen. Das Ehrgefühl des Täters mußte zwar geschont werden, so daß in der Regel bei Ersttätern mit leichten Strafen begonnen werden sollte, doch waren die Strafen bei Wiederholungs- und Mehrfachtätern den „Bedürfnissen der Manneszucht" entsprechend zu steigern. Ein Strafzwang bestand hingegen für den Disziplinarvorgesetzten nicht. Dieser war gem. § 35 WDStO sogar in den Fällen, in denen er gem. § 16a KStVO über die Bestrafung für eine Straftat zu befinden hatte, befugt, von einer Strafe gänzlich abzusehen und sich mit den Mitteln der bereits erwähnten soldatischen Zuchtgewalt (Zurechtweisungen, Rügen etc.) zu begnügen. Auf der anderen Seite aber waren die Feld104

OKH Gen. Qu. (III) vom 12.11.1939, H. V. Bl., Teil C, S. 416, Nr. 1071.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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jäger gem. § 31 I 1 WDStO verpflichtet, jede von ihnen festgestellte Disziplinarübertretung daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllte und einer gerichtlichen Bestrafung zugänglich war, weil die Strafverfolgungs- bzw. Prozeß Voraussetzungen vorlagen und § 16a KStVO nicht zur Anwendung kam. Diese Verpflichtung hatte in § 147 a RMStGB eine materiellrechtliche Absicherung erhalten, da ein Vorgesetzter nach dieser Vorschrift mit Freiheitsstrafe bedroht war, wenn er die Meldung oder Verfolgung strafbarer Handlungen seiner Untergebenen vorsätzlich unterließ. Daß im übrigen alle diese Grundsätze über die Disziplinarstrafgewalt der Feldjäger auch gegenüber den Angehörigen der Waffen-SS angewendet wurden, obwohl der persönliche Geltungsbereich der WDStO gem. § 1 I Nr. 1 auf die Soldaten der Wehrmacht beschränkt war, ist bereits mehrfach erwähnt worden. Seinen Grund hatte dies darin, daß der OKW-Befehl vom 10.06.1944 ausdrücklich die Behandlung der Angehörigen der Waffen-SS durch die Feldjäger nach den in der WDStO festgelegten Prinzipien angeordnet hatte. Damit war aber die Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Wehrmachtsvorschriften auf die Waffen-SS, die oben unter C. I. 2. herausgearbeitet worden ist, erfüllt. Somit kann zusammenfassend festgestellt werden, daß die Feldjäger disziplinarstrafrechtliche Befugnisse in beispiellosem Umfang besaßen, da sie nicht nur unter deutlicher Überschreitung der von der WDStO grundsätzlich an Disziplinarvorgesetzte verliehenen Strafgewalt gegen Wehrmachtangehörige vorgehen konnten, sondern darüber hinaus auch noch die Soldaten der Waffen-SS disziplinarstrafrechtlich belangen durften, obschon diese dem Geltungsbereich der WDStO an sich überhaupt nicht unterlagen.

IV. Die disziplinare Hilfsgewalt der Feldjäger Mit der Stellung eines Disziplinarvorgesetzten ebenso eng verbunden wie die Disziplinarstrafgewalt war die sogenannte „disziplinare Hilfsgewalt", die zwei Arten von vorläufigen Maßnahmen gegen Soldaten umfaßte: Die einstweilige Dienstenthebung und die vorläufige Festnahme. 1. Die einstweilige Dienstenthebung Obwohl die einstweilige Dienstenthebung gem. Ziffer 1 Satz 1 der „Verordnung über einstweilige Dienstenthebung in der Wehrmacht" vom 26.02.1936 105 ebenso wie die im vorstehenden erörterten Disziplinarstrafmaßnahmen in erster Linie der „Aufrechterhaltung der Manneszucht" dienten, stellte ihre Anordnung keine Ausübung der disziplinaren Strafgewalt dar. Dies folgt bereits daraus, daß 105

14 Schütz

H. V. Bl. 1936, S. 106, Nr. 336.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

die Aufzählungen der zulässigen Disziplinar- und Nebenstrafen in §§ 6 und 7 WDStO abschließend waren und die Dienstenthebung dort nicht aufgeführt wurde. Soweit also die einstweilige Dienstenthebung zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Manneszucht angeordnet wurde, kann sie in rechtlicher Hinsicht allenfalls als ein Hilfsmittel der Disziplinarstrafgewalt eingeordnet werden. 106 Damit war aber der Anwendungsbereich der Dienstenthebung noch keineswegs erschöpft. Vielmehr erstreckte er sich auch über das Gebiet der militärischen Disziplin hinaus, da gem. Ziffer 1 Satz 1 der genannten Verordnung Dienstenthebungen ebenfalls dann zulässig waren, wenn sonstige dienstliche Rücksichten es erforderten. Zuständig für die Anordnung der einstweiligen Dienstenthebung war gem. Ziffer lSatz 1 der Verordnung vom 26.02.1936 grundsätzlich jeder Disziplinarvorgesetzte, der einen „Soldaten mit Stuben-, gelindem oder geschärften Arrest bestrafen" konnte. Eine Besonderheit war gem. Ziffer 2 Satz 2 lediglich dann zu beachten, wenn der die Dienstenthebung anordnende Disziplinarvorgesetzte nach der WDStO nicht dazu berechtigt war, die in § 6 WDStO für die Arreststrafen vorgegebenen Höchstmaße von vier Wochen beim Stubenund gelinden bzw. von drei Wochen beim geschärften Arrest zu verhängen. In diesem Fall bedurfte die einstweilige Dienstenthebung nämlich der ausdrücklichen Bestätigung durch denjenigen höheren Disziplinarvorgesetzten, dem die höchstzulässige Strafgewalt zustand. Für den hier interessierenden Zusammenhang läßt sich daraus zunächst einmal ableiten, daß bereits ein Feldjäger-Offizier mit der Funktion eines Streifenbegleiters aufgrund seiner nach § 14 WDStO zu bestimmenden Disziplinarstrafgewalt die Befugnis hatte, jeden Soldaten der Wehrmacht, der einen Mannschafts- oder Unteroffiziersdienstgrad bekleidete, einstweilig seines Dienstpostens zu entheben. Da jedoch - wie bereits ausgeführt - § 14 WDStO nicht einmal die Bestrafung der Mannschaftsdienstgrade mit gelindem Arrest von mehr als zwei Wochen zuließ, mußte die von einem Feldjäger-Offizier ausgesprochene Dienstenthebung höheren Ortes bestätigt werden. Auch die Streifenführer und Kompaniechefs der Feldjägerkommandos, die ja mit einer sonst nur den Bataillonskommandeuren zustehenden Strafgewalt ausgestattet waren, hatten die von ihnen verfügten Dienstenthebungen unverzüglich einem höhergestellten Offizier zur Bestätigung zu melden, weil selbst § 15 WDStO noch nicht das Recht verlieh, die festgelegten Höchstmaße für Arreststrafen auszuschöpfen. Erst die Kommandeure der Feldjägerregimenter waren befugt, gegenüber Mannschaften und Unteroffizieren die höchstzulässige Arrestdauer zu verhängen. Dementsprechend fiel es in ihre Zuständigkeit, diejenigen Dienstenthebungen zu bestätigen, die von den rangniedrigeren Feldjäger-Offizieren vorgenommen worden waren. Gleichzeitig stellten sie aber auch gem. Ziffer 2 der Verordnung vom 26.02.1936 die erste Instanz dar, die einen Mannschaftsdienstgrad 106

Dietz, S. 127; Heckel y S. 390.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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oder einen Unteroffizier seines Dienstes entheben durfte, ohne anschließend eine Bestätigung herbeiführen zu müssen. Auch die Befehlshaber der Feldjägerkommandos konnten Dienstenthebungen unabhängig von einer Bestätigung durch eine höhere Dienststelle anordnen. Im Unterschied zu den Regimentskommandeuren der Feldjägertruppe waren sie jedoch nicht nur gegenüber Unteroffizieren und Mannschaften zur Verhängung der höchstzulässigen Disziplinararreststrafen berechtigt, sondern auch gegenüber allen Offizieren der Wehrmacht, die keinen höheren Rang als den eines Armeeführers innehatten. Im Extremfall hatten sie demzufolge sogar die Möglichkeit, den Befehlshaber einer Armee einstweilig von seinen Dienstpflichten zu entbinden. Die im Einklang mit diesen Prinzipien angeordnete Dienstenthebung hatte gem. Ziffer 6 Satz 1 der Verordnung vom 26.02.1936 für den davon betroffenen Soldaten zunächst einmal zur Folge, daß ihm die Ausübung des Dienstes untersagt war. Darüber hinaus konnten mit der Dienstenthebung aber auch noch andere Maßnahmen verbunden werden, wenn dies im Einzelfall nach den örtlichen, dienstlichen und außerdienstlichen Verhältnissen geboten erschien. Als Beispiel für eine derartige Nebenfolge der Dienstenthebung nannte Ziffer 6 Satz 3 der Verordnung etwa das „Verbot, außer der Wohnung oder sonstigen Unterbringung die übrigen Räume der Kaserne, das Offizier-, Kameradschaftsheim usw. zu betreten." Zulässig war zudem, dem Betroffenen das Reiten von Dienstpferden oder das Tragen der Uniform zu verbieten. Die wohl einschneidenste Wirkung, die eine Dienstenthebung entfalten konnte, war jedoch in Ziffer 6 Satz 2 der Verordnung vom 26.02.1936 vorgesehen, denn danach mußte der von der Dienstausübung suspendierte Soldat sogar damit rechnen, daß seine Besoldung herabgesetzt wurde. Um zu verhindern, daß diese Konsequenzen unterlaufen wurden, ordnete Ziffer 7 Satz 2 der Verordnung an, daß während der Dauer der Dienstenthebung Urlaub nicht gewährt werden durfte. Schließlich ergab sich aus der Tatsache, daß die Dienstenthebung keine Disziplinarmaßnahme darstellte, auch noch die Möglichkeit, sie mit einer der von der WDStO vorgesehenen Disziplinarstrafen zu verbinden. 107 So war es beispielsweise denkbar, daß der seines Dienstpostens einstweilig enthobene Soldat zusätzlich noch mit einem Verweis oder einer Arreststrafe bedacht wurde. In Anbetracht der weitreichenden Folgen der Dienstenthebung machte es die Verordnung vom 26.02.1936 dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten in Ziffer 1 Satz 2 zur Pflicht, vor ihrer Anordnung eingehend zu prüfen, ob sie tatsächlich notwendig war oder ob das angestrebte Ziel nicht auch mit anderen, weniger einschneidenden Mitteln erreicht werden konnte. Dieser Erforderlichkeitsprüfung ex ante entsprach gem. Ziffer 5 der Verordnung vom 26.02.1936 die weitergehende Pflicht des die Dienstenthebung anordnenden bzw. bestätigenden Vorgesetzten, nachträglich immer wieder zu überlegen, ob die Aufrechterhal107

1*

Vgl. Dietz, S. 127.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

tung der Manneszucht oder die sonstigen dienstlichen Rücksichten, die für das Verbot der Dienstausübung ausschlaggebend gewesen waren, die Fortdauer der verhängten Maßnahmen noch erforderten. Wurde diese Frage bejaht, so hatten die zuständigen Disziplinarvorgesetzten nach je drei Monaten schriftlich niederzulegen, warum sie es für notwendig hielten, die Dienstenthebung fortbestehen zu lassen. Sobald aber die Voraussetzungen der Dienstenthebung nicht mehr vorlagen, mußte ihre Aufhebung verfügt werden. Dafür war gem. Ziffer 4 der Verordnung vom 26.02.1936 in den Fällen, in denen ein höherer Vorgesetzter sie bestätigt hatte, dieser, sonst jedoch derjenige Vorgesetzte zuständig, von dem die Anordnung herrührte. Obschon der von seinem Dienstpflichten einstweilig entbundene Soldat das Recht der Beschwerde nach den durch die Verordnung vom 26.02.1936 nur unwesentlich modifizierten Vorschriften der Beschwerdeordnung der Wehrmacht hatte, müssen die Befugnisse, die den Feldjägern im Zusammenhang mit der einstweiligen Dienstenthebung zustanden, abschließend wiederum als außerordentlich umfangreich bezeichnet werden, da sie teilstreitkraftübergreifend gegenüber jedem Soldaten der Wehrmacht vom niedrigsten Mannschaftsdienstgrad bis hin zum mit der Führung einer Armee betrauten General ausgeübt werden konnten. 2. Die vorläufige Festnahme gem. § 30 WDStO Im Gegensatz zur einstweiligen Dienstenthebung, die in einer besonderen Verordnung geregelt worden war, ergab sich die Rechtsgrundlage für die vorläufige Festnahme unmittelbar aus der WDStO. Die insoweit einschlägige Vorschrift des § 30 verdankte ihre Aufnahme in die WDStO der Erkenntnis, daß die für die Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin und Ordnung verantwortlichen Offiziere häufig schon im Vorfeld der eigentlichen Ahndung eines Verstoßes gegen die Regeln der Manneszucht gezwungen waren, gegen den Täter einzuschreiten, um eine Fortdauer oder gar Intensivierung des durch die Disziplinlosigkeit hervorgerufenen Zustandes zu verhindern. Demzufolge stellte die vorläufige Festnahme trotz ihrer Regelung in der WDStO ebensowenig eine Disziplinarstrafmaßnahme dar wie die einstweilige Dienstenthebung. Vielmehr handelte es sich bei ihr um eine Sicherheitsmaßnahme gegen Soldaten, die der Vorbereitung der Entscheidung über eine Bestrafung mit den Mitteln der Disziplinarstrafgewalt diente. 108 Zur Ergreifung dieser Sicherheitsmaßnahme waren auch die Feldjäger berechtigt, da gem. § 30 I WDStO jeder Disziplinarvorgesetzte in und außer Dienst Personen, die seiner Strafgewalt unterstellt waren, vorläufig festnehmen konnte, wenn es die Aufrechterhaltung der Manneszucht nach seiner durch pflichtgemäße Ermessensausübung gewonnenen freien Über108

So auch Dietz, S. 122.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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zeugung erforderte. 109 Voraussetzung dafür war - wie § 30 III 1 WDStO entnommen werden kann - lediglich die ausdrückliche Erklärung der Festnahme. Nicht erforderlich war indessen, daß der Disziplinarvorgesetzte vor der Festnahme geprüft hatte, ob der festgenommene Soldat den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht hatte. 110 Die Vorschrift des § 31 I 1 WDStO, die dem Disziplinarvorgesetzten eine derartige Prüfung vor der Verhängung einer Disziplinarstrafmaßnahme zur Pflicht machte, fand mithin auf die vorläufige Festnahme gem. § 30 I WDStO keine Anwendung. Diese rechtfertigte sich also ausschließlich aus disziplinaren Gesichtspunkten heraus. Wie jedes andere Festnahmerecht auch schloß die Befugnis zur vorläufigen Festnahme nach § 30 I WDStO notwendigerweise das Recht zur Vornahme von Handlungen ein, die tatbestandsmäßig als Freiheitsberaubung im Sinne des § 239 RStGB anzusehen waren. Zugleich waren durch § 30 I WDStO auch die mit der Festnahme typischerweise verbundenen Körperverletzungen gerechtfertigt, die etwa durch festes Anfassen oder Zupacken zur Verhinderung eines Entweichens des Täters verursacht wurden. Zum Kerngehalt des Festnahmerechts gehörte schließlich auch noch die Berechtigung, leichten Widerstand des Festgenommenen gegen die vorläufige Festnahme zu brechen. 111 Dies bedeutete aber nicht, daß der Disziplinarvorgesetzte verpflichtet war, den festgenommenen Soldaten wieder freizulassen, wenn dieser der Festnahme tätigen Widerstand entgegensetzte. Vielmehr durfte der Festnehmende auch in diesem Fall 109 Darüber hinaus waren gem. § 30 II WDStO aber auch noch alle anderen wehrmachtangehörigen Offiziere und Unteroffiziere unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Truppenteil dazu berechtigt, einen Soldaten, der nach Dienstgrad oder Dienstalter unter ihnen stand, zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Manneszucht vorläufig festzunehmen. In diesem Fall wurde der Festnehmende gem. § 30 III 1 WDStO durch die Erklärung der Festnahme Vorgesetzter des Festgenommenen. Bei dem auf diese Weise entstandenen Vorgesetztenverhältnis handelte es sich um ein solches kraft Dienstauftrages im Sinne des Abschnitts C II der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht. Das hatte zur Folge, daß ein Untergebener seine unmittelbaren Vorgesetzten auch dann nicht festnehmen durfte, wenn diese dem Dienstgrad oder dem Dienstalter nach unter ihm standen, weil sich ein einmal bestehendes Vorgesetztenverhältnis nicht umkehren ließ (Dietz, S. 124). Da die auf § 30 II WDStO gestützte Festnahme durch einen Unteroffizier oder Offizier erfolgte, der im Verhältnis zu dem festgenommenen Soldaten nicht die Stellung eines Disziplinarvorgesetzten innehatte, sahen § 30 III 2 und 3 vor, daß der Festnehmende seine Maßnahme unverzüglich der Dienststelle des Festgenommenen zu melden hatte, damit diese den Fall mit den Mitteln der Disziplinarstrafgewalt erledigen konnte. Für eine Festnahme gem. § 30 I WDStO hingegen fehlte es naturgemäß an einer dem § 30 III WDStO vergleichbaren Vorschrift, denn zum einen stand der festnehmende Disziplinarvorgesetzte zum Festgenommenen ohnehin schon in einem Vorgesetztenverhältnis, und zum anderen konnte er die weiteren Maßnahmen aufgrund der ihm zustehenden Disziplinarstrafgewalt in eigener Verantwortung veranlassen. 110 Dietz, S. 123. 111 Vgl. zur insoweit nicht anders zu bewertenden Situation bei § 127 I StPO etwa: RGSt 34, 444, 446; OLG Stuttgart, NJW 1984, 1694, 1695; Haft, S. 119; Jescheck! Weigend, S. 398.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

seine Maßnahmen durchsetzen, da der tätige Widerstand des Untergebenen einen rechtswidrigen Angriff auf die Person des festnehmenden Disziplinarvorgesetzten darstellte. Dies hatte zur Folge, daß der Vorgesetzte sich auf die Erlaubnistatbestände der §§53 RStGB und 124 RMStGB stützen konnte. Dementsprechend war als äußerstes Mittel zur Durchsetzung der vorläufigen Festnahme sogar der Schußwaffengebrauch denkbar. 112 Hinsichtlich der nach der Festnahme durchzuführenden Maßnahmen hatten die Feldjäger zunächst die Vorschrift des § 30 IV WDStO zu berücksichtigen. Danach mußten der genaue Zeitpunkt der Festnahme und einer etwaigen Freilassung schriftlich genauestens vermerkt werden, da gem. § 40 WDStO die Möglichkeit bestand, die anläßlich der Festnahme erlittene Freiheitsentziehung nach billigem Ermessen auf die zu verhängende Disziplinarstrafe anzurechnen „und diese ganz oder teilweise für verbüßt" zu erklären. Weitere Regelungen über das im Anschluß an die Festnahme zu beachtende Verfahren enthielt die WDStO indessen nicht. Gleichwohl ging man zu Recht davon aus, daß die vorläufige Festnahme gem. § 30 I WDStO sich insoweit nicht von anderen Festnahmerechten unterschied, so daß insbesondere aus der Standortdienst-Vorschrift (StDVO) vom 24.10.1939 113 und aus § 128 RStPO Richtlinien für das weitere Vorgehen abgeleitet werden konnten. 114 Demzufolge war der Festgenommene in Anlehnung an § 128 I RStPO unverzüglich, spätestens jedoch am Tage nach der Festnahme, über den Gegenstand der Beschuldigung zu vernehmen, sofern er nicht wieder freigelassen wurde. Bei dieser Vernehmung mußte analog Ziffer 221 Abs. 2. StDVO dem Festgenommenen bekanntgegeben werden, aus welchen Gründen die Entziehung der Freiheit angeordnet worden war, damit er Gelegenheit hatte, Einwendungen gegen seine Festnahme vorzubringen. Entsprechend Ziffer 219 Satz 2 StDVO war weiterhin dafür Sorge zu tragen, daß dem festgenommenen Soldaten Waffen und sämtliche Papiere abgenommen wurden. Schließlich konnte Ziffer 218 StDVO entnommen werden, daß der Festgenommene erforderlichenfalls mit „Schließzeug", im Notfalle aber auch mit Stricken, Riemen oder ähnlichen Mitteln gefesselt werden durfte. Für die generelle Durchsuchung aller festgenommenen Soldaten fehlte es hingegen an einer Rechtsgrundlage. Wie bei der einstweiligen Dienstenthebung war auch bei der vorläufigen Festnahme der Anwendungsbereich für die Feldjäger nicht auf die Soldaten der Wehrmacht beschränkt, sondern erstreckte sich auch auf die Angehörigen der Waffen-SS. Dies hatte zwar im Befehl vom 10.06.1944 keine ausdrückliche Erwähnung gefunden, folgte aber zwingend aus dem Sinn und Zweck der disziplinaren Hilfsgewalt. Insbesondere die vorläufige Festnahme sollte nämlich - wie 1,2 113 114

Dietz, S. 124. H. Dv. 131; M. Dv. Nr. 581; L. Dv. 131. So ausdrücklich Dietz, S. 125.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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eingangs gesehen - dem Disziplinarvorgesetzten zur Vorbereitung seiner Entscheidung über die Anwendung der eigentlichen Disziplinarstrafmaßnahmen dienen, wenn ein sofortiges Einschreiten gegen disziplinlose Zustände geboten erschien. Dementsprechend hatten sowohl § 30 I WDStO als auch die Ziffer 1 der Verordnung über einstweilige Dienstenthebung in der Wehrmacht die Befugnisse der disziplinaren Hilfsgewalt untrennbar mit der Stellung des Disziplinarvorgesetzten verbunden, da jeder Offizier, der gem. § 13 V WDStO als Disziplinarvorgesetzter anzusehen war, automatisch auch eine einstweilige Dienstenthebung bzw. eine vorläufige Festnahme der seiner Strafgewalt unterworfenen Soldaten verfügen konnte. Wenn also die disziplinare Strafgewalt der Feldjäger aufgrund des Befehls vom 10.06.1944 auch die Angehörigen der Waffen-SS umfaßte, so mußte dies zwangsläufig auch für die Befugnisse der disziplinaren Hilfsgewalt gelten, wenn nicht etwas Abweichendes befohlen war. Infolge des Fehlens einer solchen anderweitigen Anordnung konnten die Feldjäger sonach auch die Angehörigen der Waffen-SS einstweilig ihrer Dienststellung entheben oder vorläufig festnehmen.

V. Die weiteren Festnahmerechte der Feldjäger 1. Die Festnahme nach § 16 KStVO Selbständig neben dem Festnahmerecht der Feldjäger aus § 30 I WDStO stand ihre Befugnis zur vorläufigen Festnahme gem. § 16 I I I KStVO, da beide Vorschriften unterschiedlichen Zwecken dienten. Während sich nämlich die Regelung des § 30 I WDStO ausschließlich aus disziplinaren Gesichtspunkten heraus rechtfertigte, hatte die Vorschrift des § 16 III KStVO eine strafprozessuale Zielrichtung, denn durch die auf diese Norm gestützte vorläufige Festnahme sollte das kriegsgerichtliche Verfahren vorbereitet werden. Dies folgte zunächst schon aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Unterabschnitt A. des dritten Abschnitts der KStVO, der durch die Überschrift „Das Ermittlungsverfahren" gekennzeichnet war. Ferner sprach aber auch die Tatsache, daß § 16 KStVO die von der Festnahme betroffene Person als „Beschuldigten" bezeichnete, für eine dem Kriegsstrafverfahren vorgelagerte Funktion der Norm. Beschuldigter konnte nämlich nur jemand sein, gegen den zwar einerseits schon ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer allgemeinen oder spezifisch militärischen Straftat eingeleitet worden war, der jedoch andererseits noch nicht unter Anklage stand, denn nach der Bekanntgabe der Anklageverfügung an den Beschuldigten gem. § 48 I I I KStVO wurde dieser im Sprachgebrauch der KStVO zum Angeklagten. 115 115 Insoweit wich die der KStVO zugrunde liegende Sprachregelung von derjenigen der StPO ab, da diese auch damals schon in § 157 zwischen Beschuldigten, Angeschuldigten und Angeklagten differenzierte. Danach war der Oberbegriff der des Be-

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Der Festnahme nach § 16 III KStVO unterlagen demnach nur diejenigen Soldaten, die beschuldigt wurden, eine Straftat begangen zu haben. Darüber hinaus setzte § 16 m KStVO nur noch die durch militärische Belange oder den Untersuchungszweck bedingte Erforderlichkeit der vorläufigen Festnahme voraus, 116 so daß der Festnahmetatbestand der KStVO einen generalklauselartigen Charakter aufwies. Im Gegensatz dazu hatten die entsprechenden Vorschriften in der durch das Inkrafttreten der KStVO schon am 26.08.1939 wieder abgelösten MStGO vom 29.09.1936 117 die Zulässigkeit der vorläufigen Festnahme noch vom Vorliegen genau definierter und abschließend aufgezählter Voraussetzungen abhängig gemacht, da gem. §§ 122 I, 116 MStGO ein militärischer Vorgesetzter einen Beschuldigten lediglich dann vorläufig festnehmen konnte, wenn entweder „1. ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet oder 2. der Beschuldigte der Flucht verdächtig ist oder 3. die Aufrechterhaltung der militärischen Manneszucht die Verhaftung erfordert 118 oder schuldigten. Nach Erhebung der öffentlichen Klage gem. § 170 I StPO wurde der Beschuldigte dann zum Angeschuldigten, den § 157 StPO wiederum ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens gem. § 203 StPO als Angeklagten bezeichnete. Nach der KStVO, die eine dem § 157 StPO vergleichbare Regelung nicht enthielt, war demnach ein beschuldigter Soldat schon dann ein Angeklagter, wenn er nach der StPO noch als Angeschuldigter zu bezeichnen gewesen wäre. 116 Unter den gleichen Voraussetzungen war gem. § 36 II 1 KStVO auch die Anordnung des zuständigen Gerichtsherrn zulässig, einen Beschuldigten in Untersuchungshaft nehmen zu lassen. Eine Unterscheidung zwischen den Gründen für eine vorläufige Festnahme durch die nach § 16 HI KStVO berechtigten Personen und den Umständen, die für die Anordnung der Untersuchungshaft Anlaß boten, nahm die KStVO also nicht vor. Insoweit folgte sie dem Vorbild der Militärstrafgerichtsordnung (MStGO) vom 29.09.1936 (RGBl. I 1936, S. 755), die in ihrem § 122 I den militärischen Vorgesetzten die Befugnis zur vorläufigen Festnahme ebenfalls unter den gleichen Voraussetzungen verliehen hatte, die gem. § 116 MStGO für die Anordnung der Untersuchungshaft durch den Gerichtsherrn vorliegen mußten. 117 Vgl. zur Ablösung der MStGO durch die KStVO am 26.08.1939 den § 119 II KStVO i.V.m. § 1 Nr. 2 der „Verordnung über das Inkrafttreten der Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz und der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 26.08.1939 (RGBl. I 1939, S. 1482). 118 Die Befugnis, einen beschuldigten Soldaten zum Zwecke der Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin vorläufig festzunehmen, stand den militärischen Vorgesetzten auch schon aufgrund der §§ 180; 176 Nr. 3 der MStGO vom 01.12.1898 (RGBl. 1898, S. 1189) zu. Mithin war es den berechtigten Soldaten bereits zu dieser Zeit möglich, sich bei der Ausübung eines strafprozessualen Festnahmerechts auf einen Tatbestand zu stützen, der grundsätzlich dem Disziplinarrecht zuzuordnen war. Die an sich systemwidrige Aufnahme eines disziplinarrechtlichen Festnahmegrundes in die Militärstrafgerichtsordnung hängt demnach keineswegs ursächlich mit der nationalsozialistischen Machtergreifung zusammen, sondern wurde auch erheblich früher schon als notwendig erachtet. Diese Einschätzung des Gesetzgebers beruhte nach von Koppmann, S. 291, auf der Überzeugung, daß es „eben militärische wie gemeinstrafrechtli-

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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4. Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß der Beschuldigte Spuren der Tat vernichtet oder daß er Zeugen oder Mitschuldige zu einer falschen Aussage oder Zeugen dazu verleiten werde, sich der Zeugnispflicht zu entziehen, oder daß er seine Freiheit zur Begehung neuer strafbarer Handlungen mißbrauchen werde." Da jedoch die KStVO nach den Worten der „Einführung in die Kriegsstrafverfahrensordnung" vom 17.08.1938 dem „unabweisbaren militärischen Bedürfnis nach einer straffen und schnellen Militärjustiz im Kriege" 1 1 9 Rechnung tragen sollte und nicht etwa dazu diente, einen gänzlich neuen Rechtszustand herzustellen, wurden auch die in § 116 Nr. 1-4 MStGO aufgeführten Fallgruppen durch die abweichende Fassung des Festnahmetatbestandes in § 16 III KStVO keineswegs ersetzt, sondern vielmehr lediglich erweitert. Ausgehend von dieser Betrachtungsweise läßt sich dann unschwer erkennen, daß der in § 116 Nr. 3 MStGO normierte Festnahmegrund zu den „militärischen Belangen" im Sinne des § 16 DI KStVO gehörte, während die zitierten Bestimmungen des § 116 Nr. 1, 2 und 4 MStGO von der zweiten Alternative des § 16 I I I KStVO umfaßt wurden, wonach ein Beschuldigter vorläufig festgenommen werden konnte, wenn der Untersuchungszweck es erforderte. Die Tatbestandsalternativen des § 16 III KStVO erfaßten also zunächst einmal die Fallgruppen, die auch nach der früheren Rechtslage zur vorläufigen Festnahme berechtigt hatten. Zugleich wurde aber durch die generalklauselartige Ausgestaltung der Norm sichergestellt, daß sich ihr Regelungsgehalt nicht in der Zusammenfassung der schon in der MStGO vorgesehenen Festnahmegründe erschöpfte: Die Allgemeinheit des Wortlauts des § 16 I I I KStVO eröffnete vielmehr die Möglichkeit, Soldaten in einer weitaus größeren Anzahl von Fällen vorläufig festzunehmen, als dies nach der durch die MStGO geschaffenen Rechtslage zulässig war. Der damit entstehenden Gefahr einer Ausuferung der Festnahmen von Soldaten, die einer Straftat beschuldigt wurden, begegnete man mit einer Einschränkung des Personenkreises, der zur vorläufigen Festnahme berechtigt war: Während nämlich gem. § 122 I MStGO bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 MStGO jedem militärischen Vorgesetzten die Befugnis zur vorläufigen Festnahme untergebener Soldaten zustand, konnten Maßnahmen nach § 16 I I I KStVO nur noch von Disziplinarvorgesetzten durchgeführt werden. 120 Auswirkungen auf die Zuständigkeit der Feldjäger waren mit dieser Begrenzung allerdings nicht verbunden, che Verschuldungen [gebe], bei welchen es nach deren Beschaffenheit - auch ohne daß eine andere der in § 176 aufgezählten Voraussetzungen vorliegt - mit dem Dienste bzw. der Disziplin schlechterdings nicht vereinbar wäre, den Beschuldigten unter seinen Kameraden oder gar Untergebenen auf freiem Fuße zu belassen." Die beinahe wörtliche Übernahme der in § 176 Nr. 3 der MStGO vom 01.12.1898 enthaltenen Bestimmung in § 116 Nr. 3 der im Jahre 1936 in Kraft getretenen Militärstrafgerichtsordnung belegt, daß die durch von Koppmann im Jahre 1901 formulierte Begründung für diese Regelung auch unter den vollständig veränderten Verhältnissen im Dritten Reich noch Gültigkeit besaß. 119 Zitiert nach Absolon, Wehrmachtstrafrecht, S. 136 Fn. 100.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

da ausnahmslos alle Angehörigen dieser Truppengattung aufgrund der ihnen verliehenen Disziplinarstrafgewalt die von § 16 HI KStVO vorausgesetzte Stellung eines Disziplinarvorgesetzten innehatten (vgl. § 13 V WDStO). Nicht ganz so eindeutig war jedoch die Zuständigkeit der Feldjäger, soweit es um auf § 16 III KStVO gestützte vorläufige Festnahmen von Angehörigen der Waffen-SS ging, da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 der „Verordnung über das Inkrafttreten der Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz und der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" 121 die KStVO lediglich für die drei Wehrmachtteile Gültigkeit erlangen sollte. Zudem war die Waffen-SS durch die „Verordnung über eine Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für Angehörige der SS und für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz" vom 17.10.1939122 dem Geltungsbereich des Wehrmachtstrafrechts grundsätzlich entzogen. Gleichwohl ist für das Verfahren vor den SS- und Polizei-Gerichten eine eigenständige Prozeßordnung nicht erarbeitet worden. Stattdessen sah § 20 der „Ersten Verordnung zur Durchführung der Verordnung über eine Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für Angehörige der SS und für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz" vom 01.11.1939 123 vor, daß die KStVO für die Sondergerichtsbarkeit der SS sinngemäße Anwendung finden sollte. Da nun aber - wie bereits ausgeführt - die Feldjäger auch gegenüber den Angehörigen der Waffen-SS mit Disziplinarstrafbefugnissen ausgestattet waren, konnten Sie auch diese unter Berufung auf § 16 I I I KStVO vorläufig festnehmen. Damit steht fest, daß die Feldjäger in ihrer Eigenschaft als Disziplinarvorgesetzte nicht nur gem. § 30 I WDStO, sondern darüber hinaus auch gem. § 16 III KStVO befugt waren, jeden Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS, der ihrer Disziplinarstrafgewalt unterstellt war, vorläufig festzunehmen.

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Darüber hinaus versuchte der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, der gem. § 118 KStVO u.a. zum Erlaß von Durchführungsvorschriften zuständig war, schon in der „Ersten Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 19.09.1939 (RGBl. I 1939, S. 1477) eine unverhältnismäßige Vielzahl von Festnahmen dadurch zu verhindern, daß er in Ziffer 5 III Abs. 1 dieser Verordnung bestimmte: „Vorläufige Festnahmen [...] sind auf das Mindestmaß zu beschränken." 121 s.o. Fn. 117. 122 RGBl. I 1939, S. 2107. 123 RGBl. I 1939, S. 2293.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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2. Die militärpolizeiliche Maßnahme der Freiheitsentziehung bei unmittelbarer Gefahrdung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung An die Stellung der Feldjäger als Disziplinarvorgesetzte war darüber hinaus noch eine weitere Möglichkeit zur Festnahme aller ihrer Disziplinarstrafgewalt unterworfenen Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS geknüpft, die von Dietz als „die militärpolizeiliche Maßnahme der Freiheitsentziehung bei unmittelbarer Gefährdung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung" bezeichnet wurde. 124 Diese Maßnahme entsprach der sog. „Schutzhaft", die ohne jede Bindung an gesetzliche Voraussetzungen gegen außerhalb der Wehrmacht stehende Personen verfügt werden konnte. Die Feldjäger waren als Disziplinarvorgesetzte also befugt, Soldaten der Wehrmacht und Angehörige der Waffen-SS auch dann vorläufig festzunehmen, wenn die im vorstehenden detailliert beschriebenen Tatbestandsmerkmale der §§ 30 I WDStO; 16 I I I KStVO nicht erfüllt waren. Zu erklären ist dies nur vor dem Hintergrund der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28.02. 1933, 125 die in ihrem § 1 folgendes bestimmte: „Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reiches werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit [...] auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten Grenzen zulässig". Da nun aber Art. 114 1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) die Freiheit der Person als ein unverletzliches Recht bezeichnet und die Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt nur aufgrund von Gesetzen zugelassen hatte, bedeutete die Außerkraftsetzung dieser Verfassungsbestimmung durch § 1 der Verordnung vom 28.02.1933 im Ergebnis eine Aufhebung des Rechts der persönlichen Freiheit. Das hatte dann wiederum zur Folge, daß staatliche Eingriffe in die persönliche Freiheit auch außerhalb der geltenden Gesetze möglich waren. Zwar wurde aus dem Einleitungssatz der Verordnung vom 28.02.1933, in dem man die Außerkraftsetzung wesentlicher Grundrechte mit der Notwendigkeit von Abwehrmaßnahmen gegen „kommunistische, staatsgefahrdende Gewaltakte" zu rechtfertigen versucht hatte, die Forderung abgeleitet, daß die festgenommene Person durch ihr Verhalten, „insbesondere durch staatsfeindliche Betätigung die Staatssicherheit oder die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet" haben musste. 126 Es liegt jedoch auf der Hand, daß auch mit dieser Formulierung eine rechtsstaatlichen Grundsätzen auch nur annähernd gerecht werdende Beschränkung der durch die Verordnung 124 125 126

Dietz, S. 123. RGBl. I 1933, S. 83. Dietz, S. 107.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

vom 28.02.1933 eröffneten Möglichkeit, Festnahmen gänzlich unabhängig von jedweder gesetzlichen Regelung anordnen zu können, nicht zu erreichen war. Freiheitsentziehungen waren demnach praktisch unbegrenzt denkbar. Inwieweit die Feldjäger diese Situation tatsächlich dazu genutzt haben, Soldaten der Wehrmacht und Angehörige der Waffen-SS auch außerhalb ihrer tatbestandsmäßig festgelegten Befugnisse vorläufig festzunehmen, ist - soweit ersichtlich mit Hilfe des heute noch zugänglichen Aktenmaterials nicht mehr zu ermitteln. Tendenziell spricht jedoch die Tatsache, daß die Wehrmachtführung sich von der Aufstellung der Feldjägerkommandos u.a. eine nicht unerhebliche personelle Verstärkung der Fronttruppen versprochen hatte, 127 gegen eine ausufernde Anzahl von Festnahmen ohne disziplinarrechtlichen oder strafprozessualen Anlaß. Zudem dürfte für politisch motivierte Freiheitsentziehungen im Bereich der Streitkräfte in erster Linie die Geheime Feldpolizei herangezogen worden sein. Gleichwohl sind damit aber von Feldjägern veranlaßte „rechtsgrundlose" Festnahmeaktionen auch größeren Ausmaßes keineswegs vollständig auszuschließen. 3. Die vorläufige Festnahme von Angehörigen der Streitkräfte verbündeter Staaten Bedingt durch die insbesondere an der Ostfront praktizierte gemeinsame Kriegsführung deutscher Truppenverbände mit Einheiten der Streitkräfte verbündeter Staaten ergab sich alsbald das Bedürfnis nach Festnahmerechten, die über den Bereich der Wehrmacht und der Waffen-SS hinausgingen und auch die Angehörigen der alliierten Armeen erfaßten. Naturgemäß konnten aber die dazu erforderlichen Befugnisse nicht aus den für die deutschen Streitkräfte geschaffenen Rechtsgrundlagen abgeleitet werden, sondern bedurften der Regelung durch zwischenstaatliche Vereinbarungen. Aufgrund einer solchen Vereinbarung waren Soldaten der Wehrmacht beispielsweise in den besetzten russischen Gebieten dazu berechtigt, Angehörige der dort eingesetzten Streitkräfte verbündeter Staaten vorläufig festzunehmen. Die Voraussetzungen, unter denen dies geschehen konnte, lassen sich dem Befehl „OKH (Chef HRüst u. BdE) - G 3 s - HR (III 6)" vom 06.03.1942, 128 durch den die betroffenen deutschen Heeresverbände über den Inhalt der dem Festnahmerecht zugrunde liegenden Übereinkunft zwischen Deutschland und seinen Verbündeten unterrichtet wurden, entnehmen, denn darin hieß es unter I. wörtlich: „Wehrmachtangehörige im Offiziersrang, militärische Wachen und Polizeiorgane können im besetzten russischen Gebiet Angehörige einer verbündeten Wehrmacht vorläufig festnehmen, wenn sie auf frischer Tat betroffen oder verfolgt werden und 127 128

s.o. A. A.H.M. 1942, S. 148, Nr. 241.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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wenn weder ein Wehrmachtangehöriger im Offizierrang, noch eine militärische Wache, noch ein Polizeibeamter des Staates, dem der Täter angehört, sogleich erreichbar ist. Das Festnahmerecht besteht: a) bei Verbrechen b) bei Vergehen, wenn - Fluchtverdacht besteht oder - Gefahr der Verdunkelung oder des Mißbrauchs der Freiheit zu neuen strafbaren Handlungen vorliegt oder - die Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden kann. - Wehrmachtangehörige im Offiziersrang, die sich als solche ausweisen, dürfen nicht festgenommen werden". 129 Infolge dieser ersichtlich an der Ausgestaltung der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft gem. § 112 RStPO und insbesondere des Jedermannrechtes in § 127 I RStPO orientierten Regelung war also jede von einem Offizier geführte Streife der drei Feldjägerkommandos nicht nur zur Festnahme aller ihrer Disziplinarstrafgewalt unterworfenen Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS berechtigt, sondern konnte darüber hinaus auch noch sämtliche Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere der in den besetzten russischen Gebieten stationierten Streitkräfte verbündeter Staaten vorläufig festnehmen. Damit waren die Feldjäger auch in dieser Beziehung mit beachtlichen Vollmachten ausgestattet.

VI. Die Ausübung delegierter Organisationsgewalt Die bislang erörterten Befugnisse der Feldjäger ermöglichten ihnen zwar eine effektive Durchführung ihrer ordnungsdienstlichen Aufgaben. Um aber eine sachgerechte Erfüllung der weitergehenden Pflicht zur Überprüfung und Auskämmung rückwärtiger Einrichtungen, Dienststellen und Einheiten gewährleisten zu können, benötigten sie besondere Befugnisse, die ihnen ihre allgemeine Vorgesetzteneigenschaft ebensowenig vermitteln konnte wie ihre Stellung als Disziplinarvorgesetzter. Da nämlich das Überprüfen und Auskämmen der rückwärtigen Dienste den Zweck verfolgte, die Kampfkraft der Fronttruppen in kürzester Zeit durch Zuführung neuer personeller und materieller Ressourcen beträchtlich zu stärken, sollten nach dem Willen der Wehrmachtführung Dienststellen, Einrichtungen oder Einheiten, die sich als ganz oder teilweise entbehr129 Darüber hinaus stellte der Befehl vom 06.03.1942 unter III. auch noch klar, daß die vereinbarte Festnahmebefugnis nicht etwa nur einseitig den deutschen Offizieren zustand: „Gegen eine Festnahme deutscher Wehrmachtangehöriger durch Wehrmachtangehörige verbündeter Staaten sind Bedenken nicht zu erheben, wenn die Voraussetzungen des Abschnitts I. vorliegen und wenn die Festnahme in Gebieten durchgeführt wird, in denen Teile der verbündeten Wehrmacht eingesetzt sind."

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

lieh erwiesen hatten, unmittelbar vor Ort aufgelöst und an die Front geschickt werden. Zumindest die vollständige Auflösung einer Dienststelle, Einrichtung oder Einheit konnte jedoch nur von denjenigen Personen angeordnet werden, die dazu deshalb berechtigt waren, weil sie die erforderliche militärische Organisationsgewalt innehatten. Diese stellte aber wiederum einen Teilbereich der Kommandogewalt dar und stand daher zunächst einmal nur dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht sowie den Oberbefehlshabern der Wehrmachtteile zu, die die Kommandogewalt über ihren jeweiligen Verantwortungsbereich insoweit eigenständig ausübten, als nicht der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht zuständig war oder der Oberste Befehlshaber der Wehrmacht selbst Befehle erteilte. 1 3 0 Nur mit Hilfe der Befugnisse, Befehle zu erteilen und Maßnahmen der disziplinaren Straf- und Hilfsgewalt zu ergreifen, war es den Feldjägern also nicht möglich, ihre Auskämmfunktion den Zielvorgaben der Wehrmachtführung entsprechend zu erfüllen. Aus diesem Grunde hatte Hitler in seiner Eigenschaft als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht und Oberster Führer der SS bereits in dem Führerbefehl vom 27.11.1943, auf den die Gründung der drei Feldjägerkommandos zurückgeht, von der ihm zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, seine Organisationsgewalt über die gesamte Wehrmacht und die WaffenSS in beliebigem Umfang zu delegieren. Dementsprechend wurde den Feldjägern dann auch in dem grundlegenden Befehl vom 08.01.1944, den der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht in Ausführung des ihm erteilten Führerbefehls erlassen hatte, 131 ausdrücklich die Befugnis zum „Überprüfen und Auskämmen rückwärtiger Einrichtungen, Dienststellen und Einheiten des Heeres, der Kriegsmarine, Luftwaffe und Waffen-SS" verliehen. Eine Einschränkung war dabei lediglich für „eingesetzte Einrichtungen des Nachrichten- und Transportwesens" sowie für „Versorgungstruppen der Wehrmachtteile und Waffen-SS, die zur unmittelbaren Unterstützung der kämpfenden Truppe eingesetzt sind", vorgesehen, da diese „nach erfolgter Überprüfung nur im Benehmen mit den zuständigen höheren Befehlshabern ausgekämmt oder abgeschoben werden" durften. Alle übrigen Einrichtungen, Dienststellen und Einheiten der rückwärtigen Dienste konnten die Feldjäger hingegen gänzlich unabhängig von anderen militärischen Institutionen überprüfen, auskämmen und ggf. sogar zur Front abschieben. 132 130 Vgl. Hechel, S. 307; ausführlich zur Stellung der Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile Busch, S. 95 ff. m.w.N.; vgl. auch H. Dv. 3/11 I ,3efehlsbefugnisse im Heer", Abschnitt III „Der Oberbefehlshaber des Heeres": „Er übt die Befehls- und Kommandogewalt über alle Angehörigen und Dienststellen des Heeres aus." 131 s.o. Fn. 26. 132 Darüber hinaus erstreckte sich die Befugnis der Feldjäger zum Überprüfen und Auskämmen nach dem Inhalt des Befehls vom 08.01.1944 auch auf die Dienststellen, Einheiten und Einrichtungen der im Rahmen der Wehrmacht eingesetzten nationalsozialistischen Organisationen, doch war insoweit schon die Überprüfung davon abhängig, daß die jeweils territorial zuständigen höheren Befehlshaber damit einverstanden waren.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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Diese Vollmachten bildeten gemeinsam mit den in den vorigen Abschnitten dargestellten Befugnissen das ursprüngliche Spektrum der Eingriffsrechte, das den Feldjägern zur Verfügung stand, als sie im Laufe der ersten Februarwoche des Jahres 1944 ihre Tätigkeit aufnahmen. Die weitergehenden gerichtsherrlichen Befugnisse, von denen Speidel 133 berichtet, haben die Feldjäger erst im Mai 1944 erhalten.

VII. Die gerichtsherrlichen Befugnisse der Feldjäger 1. Der grundlegende Befehl vom 15.05.1944 Schon bald nach Beginn des Einsatzes der drei Feldjägerkommandos war man im Wehrmachtführungsstab des Oberkommandos der Wehrmacht unter dem Eindruck der sich weiterhin ständig verschlechternden Gesamtkriegslage zu der Auffassung gelangt, daß der Befugnisrahmen der Feldjäger einer Erweiterung bedurfte. Dieser Einsicht wurde in dem Befehl „OKW WFSt/Org Nr. 03344/44 geh." vom 15.05.1944134 Ausdruck verliehen, in dem es wörtlich heißt: „Die Erfahrungen, die die Feldjägerkommandos bei der Durchführung der ihnen vom Führer zugewiesenen Aufgaben gemacht haben, ergeben die unabweisbare Notwendigkeit, die Befehlshaber dieser Kommandos mit gerichtsherrlichen Befugnissen auszustatten. [...]. Außerdem hat es sich als dringend notwendig erwiesen, den Regiments- und Bataillonskommandeuren Standgerichte zuzuerkennen." In Ausführung dieser Anordnung des Wehrmachtführungsstabes erließ dann die Wehrmachtrechtsabteilung im Oberkommando der Wehrmacht noch am gleichen Tag den Befehl „OKW WR Nr. 27/44 geh.", 135 durch den die gerichtsherrlichen Befugnisse, die den Feldjägern verliehen werden sollten, im einzelnen wie folgt festgelegt wurden: „I. 1. Die Befehlshaber der Feldjägerkommandos werden zu Gerichtsherren eines fliegenden Feldkriegsgerichts bestimmt, 2. Ihrer Gerichtsbarkeit unterliegen alle Angehörigen und Gefolgsangehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS, die ihrer Befehlsgewalt unterstellt sind. 3. Sie können gegenüber allen anderen Angehörigen und Gefolgsangehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS gerichtsherrliche Befugnisse ausüben, wenn die Voraussetzungen des § 13 KStVO vorliegen und die Durchführung ihrer Aufgaben es erfordert. 133

Denkschrift, S. 2; ebenso wie Speidel auch die wehrgeschichtliche Literatur, vgl. etwa Böckle, S. 175; ders., Truppenpraxis 1973, S. 37 f.; Umdruck SFJg StDst, S. 19. Zutreffend aber Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 38. 134 BA-MA RW 4/493, ohne Blattangabe. 135 BA-MA RW 4/493, ohne Blattangabe.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

4. Die Befehlshaber der Feldjägerkommandos haben das volle Bestätigungs- und Aufhebungs- und Gnadenrecht. [..J. II. 1. Die Regiments- und Bataillons-Kommandeure der Feldjägerkommandos können als Standgerichtsherren gerichtsherrlichen Befugnisse gegenüber allen Angehörigen und Gefolgsangehörigen der Wehrmachtteile und der Waffen-SS ausüben, wenn die Voraussetzungen des § 13 a KStVO vorliegen und die Durchführung ihrer Aufgaben es erfordert. 2. Die Regiments- und Bataillons-Kommandeure haben als Standgerichtsherren das Bestätigungsrecht eines Gerichtsherren ihres Wehrmachtteils. Die weitergehenden Befugnisse im Nachprüfungsverfahren und die Gnadenbefugnisse üben die Befehlshaber der Feldjägerkommandos aus."

2. Die Gerichtsherrlichkeit der Befehlshaber der Feldjägerkommandos a) Die Reichweite der gerichtsherrlichen

Befugnisse

Zunächst also verlieh der erste Abschnitt dieses Befehls den Befehlshabern der Feldjägerkommandos entsprechend der Forderung des Wehrmachtführungsstabes gerichtsherrliche Befugnisse durch deren Ernennung zu Gerichtsherren eines Feldkriegsgerichts. Diese Ernennung war erforderlich, da gem. § 5 I und I I HS. 1 KStVO lediglich der Führer und Reichskanzler in seiner Eigenschaft als Oberster Gerichtsherr der Wehrmacht sowie der Präsident des Reichskriegsgerichts ein originäres Recht zur Ausübung gerichtsherrlicher Befugnisse innehatten. Anders als etwa die Disziplinarstrafgewalt, die gem. § 13 I I 1 WDStO jedem Befehlshaber oder Kommandeur unmittelbar aufgrund seiner Dienststellung zustand, mußte mithin die Gerichtsherrlichkeit ausdrücklich verliehen werden. Dementsprechend waren gem. § 5 I I HS. 2 KStVO auch nur diejenigen Offiziere Gerichtsherren, die vom Chef des Oberkommandos der Wehrmacht bzw. von den Befehlshabern der Wehrmachtteile für ihren jeweiligen Befehlsbereich dazu bestimmt worden waren. Damit erweist sich aber die in Ziffer I. 1. des zitierten Befehls vom 15.05.1944 enthaltene Bestimmung hinsichtlich des Rechts zur Ausübung gerichtsherrlicher Befugnisse als konstitutiv. Dagegen beschränkte sich Ziffer I. 2. dieses Befehls auf die sinngemäße Wiedergabe der Gerichtsstandregelung des § 12 I KStVO, wonach ein Gerichtsherr die Kriegsgerichtsbarkeit sowohl über die seiner Befehlsgewalt unterstellten Wehrmachtangehörigen als auch über die nicht der Wehrmacht angehörenden Personen, die dem seiner Befehlsgewalt unterstehenden Teil der Wehrmacht zugeordnet worden waren, ausübte. War somit aber bereits die gesetzliche Regelung durch die Verknüpfung der Gerichtsherrlichkeit mit der militärischen Befehlsgewalt gekennzeichnet, so hätte es an sich der entsprechenden Anordnung

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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in Ziffer I. 2. des Befehls vom 15.05.1944 nicht mehr bedurft. Daß diese Bestimmung trotz ihrer bloß deklaratorischen Bedeutung gleichwohl Eingang in den Befehl gefunden hat, ist nur mit Blick auf dessen Systematik zu erklären, denn die Ziffer 2. des ersten Abschnitts steht in untrennbarem Zusammenhang mit der nachfolgenden Ziffer 3., die die Reichweite der den Befehlshabern der Feldjägerkommandos zustehenden gerichtsherrlichen Befugnisse erheblich ausdehnt. Während also Ziffer I. 2. des Befehls nochmals den Grundsatz der gesetzlichen Gerichtsstandregelung wiederholt, legt Ziffer I. 3. den davon abweichenden Umfang der gerichtsherrlichen Zuständigkeit der Befehlshaber der Feldjägerkommandos fest. Nach dem unmißverständlichen Wortlaut der Ziffer I. 3. des Befehls vom 15.05.1944 ging diese Zuständigkeit nicht nur bei weitem über den gesetzlich vorgesehenen Normalfall, sondern sogar über den in § 13 KStVO enthaltenen Ausnahmetatbestand hinaus. § 13 KStVO begründete nämlich in der Fassung, die er durch die „Vierte Verordnung zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 01.11.1939 136 erhalten hatte. einen Notgerichtsstand lediglich zugunsten des im Einzelfall nächsterreichbaren Gerichtsherrn, wenn der eigentlich zuständige Gerichtsherr nicht auf der Stelle erreicht werden konnte, eine dem Kriegsstrafverfahren unterworfene Person aber einer Tat beschuldigt wurde, deren Aburteilung aus zwingenden militärischen Gründen keinen Aufschub duldete. Dabei war nach den insoweit einschlägigen Ausführungsbestimmungen der Oberbefehlshaber des Heeres und der Luftwaffe unter dem nächsterreichbaren Gerichtsherrn grundsätzlich immer nur ein Befehlshaber des gleichen Wehrmachtteils zu verstehen. 137 Im Unterschied dazu ist der Ziffer I. 3. des Befehls vom 15.05.1944 zu entnehmen, daß der Befehlshaber eines Feldjägerkommandos nicht nur anläßlich eines Einzelfalls, sondern schlechthin immer und daher selbst dann, wenn theoretisch auch Kommandeure anderer Truppenteile in Betracht gekommen wären, als der nächsterreichbare Gerichtsherr im Sinne des § 13 KStVO anzusehen war, soweit die Durchführung seiner Aufgaben dies erforderte, der gem. § 12 KStVO grundsätzlich zuständige Gerichtsherr nicht auf der Stelle erreicht werden konnte und die übrigen Voraussetzungen für die Begründung eines Notgerichtsstandes gem. § 13 KStVO vorlagen. Dadurch hatte der Befehlsgeber erreicht, daß die örtliche Zuständigkeit der Befehlshaber der drei Feldjägerkommandos auf dem Gebiet der Kriegsgerichtsbarkeit unabhängig von bestimmten Einsatzräumen und frei von stationären Bindungen gegeben war. Diese durch die Ziffer I. 3. bewirkte Überschreitung der normalerweise vorhandenen Grenzen der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichtsherrn war auch der Grund dafür, daß die Feldkriegsgerichte, die den Befehlshabern der Feldjägerkommandos zugewiesen worden waren, in Ziffer I. 1. des Befehls vom 15.05.1944 im Gegensatz zu den Kriegsgerichten der 136 137

15 Schütz

RGBl. I 1939, S. 2132. Vgl. die Nachweise bei Absolon, Wehrmachtstrafrecht, S. 199 Fn. 175.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Kommandeure anderer Truppengattungen als „fliegend" bezeichnet wurden. Darüber hinaus ergab sich aus Ziffer I. 3. aber auch noch die weitere Besonderheit, daß sich die durch den Notgerichtsstand hervorgerufene Zuständigkeit des Befehlshabers eines Feldjägerkommandos nicht - wie ansonsten allgemein üblich - auf einen Wehrmachtteil beschränkte, sondern sowohl das Heer, die Luftwaffe, die Marine und deren jeweiliges Gefolge als auch die Truppenteile der Waffen-SS, auf die die KStVO - wie oben unter C. V. 1. ausgeführt - sinngemäß anzuwenden war, umfaßte. Obwohl auch dies in der KStVO an sich nicht vorgesehen war, läßt sich damit im Bereich der Gerichtsherrlichkeit erneut die feldjägertypische Erstreckung der Befugnisse auf alle Wehrmachtteile und die Waffen-SS feststellen. Ermöglicht wurde diese Ausweitung des gesetzlich normierten Befugnisrahmens durch die Vorschrift des § 118 KStVO, wonach der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht auch zu Änderungen und Ergänzungen der Kriegsstrafverfahrensordnung befugt war, wenn ein Bedürfiiis der Kriegsführung es gebot. 138 Daher stellte § 118 KStVO die Rechtsgrundlage für die Bestimmungen des Befehls vom 15.05.1944 dar, soweit diese eine konstitutive Wirkung entfalteten und dadurch von den Grundsätzen der KStVO abweichen. b) Die gerichtsherrlichen

Befugnisse im einzelnen

Im Rahmen der vorstehend dargestellten Reichweite ihrer Gerichtsherrlichkeit konnten die Befehlshaber der drei Feldjägerkommandos sämtliche Befugnisse ausüben, die einem Gerichtsherrn nach der KStVO zustanden. Sie hatten damit nicht nur im Ermittlungsverfahren, sondern im gesamten Kriegsstrafverfahren einschließlich des Nachprüfungsverfahrens und der sich anschließenden Strafvollstreckung eine beherrschende Stellung inne, die lediglich durch das in § 6 I 1 KStVO statuierte sog. „Anweisungsrecht" eine gewisse Begrenzung erfuhr. § 6 I 1 KStVO erlaubte nämlich den militärischen Vorgesetzten der Gerichtsherren, „diese anzuweisen, eine Untersuchung einzuleiten oder fortzusetzen oder eine Anklageverfügung zu erlassen." Wie ausgeprägt aber die Unabhängigkeit eines Gerichtsherrn trotz dieses Anweisungsrechts seiner militärischen Vorgesetzten war, ging zum einen daraus hervor, daß § 6 I 2 KStVO jeglichen Eingriff in den Gang des Verfahrens, der über die in § 6 I 1 KStVO normierte Befugnis hinausging, ausdrücklich untersagte. Zum anderen läßt sich die weitgehend unbeschränkte Eigenverantwortlichkeit der Gerichtsherren aber auch der Vorschrift des § 1 HI KStVO entnehmen, denn danach waren sie sogar befugt, immer dann, wenn die mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse im Krieg bewußt lückenhaft ausgestaltete KStVO keine besonderen Vorschriften enthielt,

138 Daß hier ein solches Bedürfnis bestand, hatte der Wehrmachtführungsstab in seinem Befehl vom 15.05.1944 (s.o. Fn. 128) eingehend begründet.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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das Kriegsstrafverfahren nach eigenem, pflichtgemäßem Ermessen durchzuführen. Die spezielle Situation der Befehlshaber der drei Feldjägerkommandos war zudem noch entscheidend dadurch geprägt, daß sie unmittelbar dem Oberkommando der Wehrmacht unterstellt waren. Dies hatte nämlich zur Folge, daß sie mit Ausnahme des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht und des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht überhaupt keine militärischen Vorgesetzten hatten, die ihnen eine auf § 6 I 1 KStVO gestützte Anweisung hätten erteilen könne. Schon eine allgemeine Betrachtung der Rechtsstellung, die den Befehlshabern der Feldjägerkommandos auf dem Gebiet der Militärgerichtsbarkeit durch die Zubilligung gerichtsherrlicher Befugnisse verliehen worden war, läßt demnach eine praktisch unbegrenzte Machtfülle erkennen. Dieser Eindruck wird durch eine etwas detailliertere Untersuchung der den Befehlshabern nach der KStVO zustehenden Befugnisse in den einzelnen Verfahrensabschnitten noch verstärkt.

aa) Die Befugnisse der Gerichtsherren im Ermittlungsverfahren So unterlag zunächst einmal das Ermittlungsverfahren der vollständigen Kontrolle durch die Gerichtsherren, die gem. § 15 I KStVO sogar schon unmittelbar für die Entgegennahme von Strafanzeigen und Strafanträgen zuständig waren. § 16 I KStVO verlieh ihnen darüber hinaus das Recht, von jeder militärischen Dienststelle, deren Untergebenen der Begehung einer militärischen Straftat verdächtig waren, die Anfertigung eines Tatberichts zu verlangen, der eine Schilderung des Sachverhalts und die Angabe der zur Verfügung stehenden Beweismittel, in Eilfällen auch die Niederschriften bereits durchgeführter Vernehmungen von Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen enthalten mußte. Soweit der Gerichtsherr nach erfolgter Kenntnisnahme des Tatberichts zu der Überzeugung gelangte, daß zur Erforschung des Sachverhalts noch weitere Untersuchungen vonnöten waren, konnte er deren Vornahme gem. § 17 KStVO anordnen. In diesem Fall war er jedoch dazu verpflichtet, einen richterlichen Militärjustizbeamten zum Untersuchungsführer zu bestellen, da § 34, 2 KStVO den Gerichtsherren die Teilnahme an den eigentlichen Untersuchungshandlungen untersagte. Die Vornahme der notwendigen Untersuchungshandlungen fiel also in die ausschließliche Zuständigkeit eines Untersuchungsführers, der zu diesem Zweck gemäß § 22 I 2 KStVO den Beschuldigten vorläufig festnehmen, Beweise aller Art und in jeder Form erheben sowie Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher in eigener Verantwortung vereidigen durfte. Eine Beschränkung der Befugnisse des Gerichtsherrn war hierin jedoch letztlich nicht zu erblicken, denn ihm stand gem. § 34, 1 KStVO ein Weisungs- und Unterrichtungsrecht zu, das ihn in die Lage versetzte, »jederzeit vom Stande des Verfahrens Kenntnis" zu nehmen und dem Untersuchungsführer „die ihm zur Aufklärung der Sache geeignet erscheinenden" Weisungen zu erteilen. Überdies blieb dem Gerichts1*

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

herrn die Entscheidung über den weiteren Fortgang des Verfahrens vorbehalten, ohne daß er dabei in irgendeiner Form an die Einschätzung des Untersuchungsführers gebunden gewesen wäre. Dementsprechend konnte der Gerichtsherr gem. § 20 KStVO „ein Strafverfahren bis nach Beendigung des Kriegszustandes aussetzen"139 oder gem. § 46 I 2 KStVO den Untersuchungsführer selbst dann, wenn dieser den Sachverhalt für hinreichend geklärt hielt, anweisen, die Ermittlungen fortzusetzen. Konsequenterweise fiel dann auch die Abschlußverfügung in die alleinige Zuständigkeit des Gerichtsherrn, von dessen Beurteilung es somit abhing, ob das Ermittlungsverfahren gem. § 47 KStVO vorläufig oder endgültig eingestellt, 140 gemäß § 46 I I KStVO bei hinreichendem Tatverdacht durch eine Anklageerhebung zum Feldkriegsgericht beendet 141 oder im Wege einer Strafverfügung nach Maßgabe der §§ 48 a bis 48 e KStVO zum Abschluß gebracht wurde. 142 Schließlich wurde das Verbot der Teilnahme des Gerichts139

Eine solche Aussetzung kam nach der „Ersten Verordnung zur Durchführung der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 19.09.1938 (RGBl. I 1939, S. 1477) insbesondere dann in Betracht, wenn entweder „die Beschuldigungen nicht zugleich den Vorwurf unehrenhafter Gesinnung enthalten (z.B. fahrlässige Straftaten) und militärische Belange nicht gefährdet werden" oder „die Straftat so weit zurückliegt, daß für ihre Verfolgung während der Dauer des Kriegszustandes kein Bedürfnis besteht" (vgl. Ziffer 4 Abs. 1 der Durchführungsverordnung) . 140 § 47 KStVO enthielt insgesamt zwei Einstellungstatbestände, die in ihren Grundzügen an die §§ 153, 154 der heutigen StPO erinnern. So durfte der Gerichtsherr gem. § 47 I KStVO ein Ermittlungsverfahren einstellen, wenn die Schuld des Täters gering war und die Folgen der Tat als unbedeutend eingestuft werden konnten. Darüber hinaus war gem. § 47 III KStVO eine Einstellung aber auch dann in Betracht zu ziehen, wenn „die Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung, zu der der Beschuldigte wegen einer anderen Tat rechtskräftig verurteilt ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht ins Gewicht fällt." Ohne Entsprechung in der StPO war dagegen naturgemäß die Möglichkeit, das Ermittlungsverfahren bis zu sechs Wochen vorläufig einzustellen, um einem Beschuldigten, dessen Schuld gering erschien, Gelegenheit zu geben, sich durch Mutbeweise einer endgültigen Einstellung würdig zu erweisen (vgl. § 47 I 1 HS. 2 KStVO). 141 Die Regelung des § 46 II KStVO stimmte also inhaltlich mit den Erfordernissen des §§170 I; 203 RStPO vollkommen überein. 142 Strafverfügungen waren in der ursprünglichen Fassung der KStVO noch ausdrücklich untersagt und sind erst durch die „Sechste Verordnung zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 21.11.1939 (RGBl. I 1939, S. 2267) eingeführt worden. Dadurch erhielt der Gerichtsherr die Befugnis, ohne Hauptverhandlung vor dem Feldkriegsgericht Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten festzusetzen (§ 48 a I 1 KStVO). Hiergegen stand dem Beschuldigten ein Einspruchsrecht zu, das er jedoch innerhalb von drei Tagen nach Bekanntgabe der Strafverfügung ausüben mußte. Nur bei fristgerechtem Einspruch hatte der Gerichtsherr sich nochmals mit der Strafverfügung zu befassen. Kam er dabei zu dem Ergebnis, daß er die Strafverfügung nicht zurücknehmen wollte, mußte er gem. § 48 d KStVO das Feldkriegsgericht zusammentreten lassen, vor dem dann eine ganz normale Hauptverhandlung stattfand. Auch im Verfahren nach §§ 48 a bis 48 e KStVO war also der Gerichtsherr die allein maßgebliche Person.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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herrn an den eigentlichen Untersuchungshandlungen auch noch dadurch kompensiert, daß alle im Ermittlungsverfahren notwendig erscheinenden Maßnahmen mit Eingriffscharakter zwar vom Untersuchungsführer durchzuführen waren, jedoch nur vom Gerichtsherrn angeordnet werden konnten. So war es allein der Gerichtsherr, der gem. § 39 KStVO eine Leichenschau bzw. eine Leichenöffnung anordnen, unter den Voraussetzungen der §§40, 41 KStVO Beweisund Einziehungsstücke bzw. das Vermögen des Beschuldigten beschlagnahmen lassen, gem. § 42 KStVO Untersuchungen des Körpers und des Geisteszustandes des Beschuldigten verfügen und gem. § 43 KStVO körperliche Eingriffe zu Untersuchungszwecken befehlen durfte. Auch die Entscheidung darüber, ob der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen oder im Falle seiner Unzurechnungsfähigkeit bzw. zum Zwecke der Untersuchung seines Geisteszustandes in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht werden sollte, oblag gem. §§ 36, 37 und 44 KStVO allein dem Gerichtsherrn. Die Tatsache, daß er die Durchführung der eigentlichen Ermittlungshandlungen einem Untersuchungsführer überlassen mußte, vermochte also die beherrschende Stellung des Gerichtsherrn im Ermittlungsverfahren nicht wirklich zu beschneiden. bb) Die Rolle der Gerichtsherren vor und während der Hauptverhandlung Ähnlich wie im Ermittlungsverfahren, bei dem ihm die Teilnahme an den Untersuchungshandlungen verwehrt war, hatte der Gerichtsherr auch im Hauptverfahren keinen unmittelbaren Anteil an den eigentlichen Strafverfolgungsmaßnahmen. So bezeichnete § 4 I KStVO den Gerichtsherrn zwar als ein Organ der Rechtspflege, doch durfte er dem für die Durchführung der Hauptverhandlung verantwortlichen Spruchkörper - dem Feldkriegsgericht - nicht angehören. Dieses bestand gemäß § 9 I, I I I und IV KStVO vielmehr nur aus einem richterlichen Militäijustizbeamten als Vorsitzenden und Verhandlungsleiter sowie aus zwei beisitzenden Soldaten, von denen einer einen höheren Dienstgrad als der Angeklagte, zumindest aber den Rang eines Stabsoffiziers innehaben mußte, während der andere nach Möglichkeit der gleichen Rangklasse, Laufbahn und Truppeneinheit angehören sollte wie der Delinquent. 143 Damit hatte der Gerichtsherr zunächst einmal keinen direkten Einfluß auf das Ergebnis der Haupt143 Die in § 9 KStVO vorgeschriebene Besetzung des Feldkriegsgerichts gehörte zu den wenigen Regelungen, die gem. § 1 II KStVO „unter allen Umständen beachtet werden" mußten. Nur bei diesen Regelungen führte eine Nichtbeachtung zwingend zur Aufhebung des durch das Feldkriegsgericht gefällten Urteils (vgl. §§86; 89 II 2 KStVO). Alle übrigen, in § 1 II KStVO nicht erwähnten Normen der KStVO wiesen demnach lediglich einen dispositiven Charakter auf. Insoweit ist in Abschnitt HI der „Erläuterungen zur KStVO" (abgedruckt als Anhang 2 zur H. Dv. 3/13 - Neudruck 1940) von Anweisungen die Rede, von denen sowohl der Gerichtsherr als auch das Feldkriegsgericht abweichen konnten.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Verhandlung, denn das Ziel dieses Verfahrensabschnittes bestand gemäß § 52 I KStVO darin, daß über Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten durch Urteil des Feldkriegsgerichts entschieden wurde. Gleichwohl hob sich die Position des Gerichtsherrn auch im Hauptverfahren deutlich von der der anderen Organe der militärischen Strafrechtspflege 144 ab. Dies läßt sich vor allem den Vorschriften der KStVO über die Vorbereitung der Hauptverhandlung entnehmen, denn danach war es der Gerichtsherr, der die wesentlichen der insoweit erforderlichen Befugnisse in seiner Person vereinte. Zwar sah § 49 I I 2 KStVO vor, daß für die unmittelbaren Vorbereitungen der Anklagevertreter zuständig war, doch wurde dieser gem. § 49 I 2 KStVO vom Gerichtsherrn bestimmt. Zudem konnte nur der Gerichtsherr etwaige Verstöße gegen die Anordnungen, die der Anklagevertreter zur Vorbereitung der Hauptverhandlung getroffen hatte, sanktionieren. Zu diesem Zweck billigte ihm § 49 I I 3 KStVO die Befugnis zu, Arreststrafen bis zu drei Wochen zu verhängen. Damit waren aber die Möglichkeiten des Gerichtsherrn, den Ablauf der Hauptverhandlung zu beeinflussen, noch keineswegs erschöpft. Vielmehr hatte er gem. § 49 I 2 KStVO darüber hinaus auch noch das Recht, die Richter des Feldkriegsgerichts zu berufen, so daß die Zusammensetzung des Spruchkörpers letztlich in seinem Ermessen lag. Von besonderer Bedeutung war überdies die Tatsache, daß gem. § 49 I KStVO das Feldkriegsgericht überhaupt nur dann zusammentreten konnte, wenn der Gerichtsherr dies zuvor verfügt hatte. Logische Konsequenz dieser Verfügungsbefugnis des Gerichtsherrn war sodann die weitere in § 49 I 2 KStVO enthaltene Regelung, wonach er auch Ort und Zeit der Hauptverhandlung zu bestimmen hatte. Überdies war es auch Aufgabe des Gerichtsherrn, in den Fällen, in denen dem Erscheinen eines Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung ein wichtiger Grund entgegenstand, dessen Vernehmung durch den Verhandlungsleiter, einen anderen richterlichen Militäijustizbeamten, einen zum Richteramt befähigten Offizier, einen Beamten der Reichskriegsanwaltschaft, einen Gerichtsoffizier oder einen Amtsrichter herbeizuführen (vgl. § 49 IV KStVO). Schließlich war es dem Gerichtsherrn auch noch vorbehalten, alle Fragen zu entscheiden, die nach der KStVO während der Vorbereitung der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit den Rechten des Angeklagten auftraten. Insoweit ist zunächst die Vorschrift des § 50 KStVO zu nennen, die dem Gerichtsherrn die Kompetenz zuwies, darüber zu entscheiden, ob den vorprozessual gestellten Beweisanträgen des Angeklagten entsprochen werden sollte oder nicht. Noch bedeutsamer war indessen, daß gemäß § 51 I KStVO ein vom Angeklagten gewählter Verteidiger der Zulassung durch den Gerichtsherrn bedurfte. Dies konnte nämlich in letzter Konsequenz sogar dazu führen, daß dem Angeklagten jeglicher Beistand in der Hauptverhandlung verwehrt wurde, denn da die KStVO einerseits dem Gerichtsherrn keinerlei Richtlinien für seine Zu144 Gem. § 4 I KStVO waren dies die Feldkriegsgerichte und die richterlichen Militäijustizbeamten.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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lassungsentscheidung vorgab und andererseits die Bestellung eines Pflichtverteidigers nur dann als obligatorisch bezeichnete, wenn der Angeklagte mit einem Todesurteil zu rechnen hatte oder die Mitwirkung eines Verteidigers aus anderen Gründen angezeigt war (§ 51 I I KStVO), stand es dem Gerichtsherrn, abgesehen von den erwähnten Fällen der notwendigen Verteidigung im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung, völlig frei, die Bestellung eines Pflichtverteidigers abzulehnen und dem Wahlverteidiger die Zulassung zu versagen. Bedingt durch den Umstand, daß der Gerichtsherr dem Feldkriegsgericht nicht angehören durfte, trat er während der Hauptverhandlung etwas in den Hintergrund, verfügte jedoch auch in diesem Stadium des Kriegsstrafverfahrens noch über weitreichende Befugnisse, die seine herausgehobene Stellung gegenüber den anderen Organen der Rechtspflege unterstrichen. So war er etwa gem. § 55 I I 2 KStVO für die Entscheidung über die Befangenheitsanträge des Angeklagten zuständig, sofern dieser sowohl den Verhandlungsleiter als auch den dienstältesten Beisitzer im Offiziersrang aus Gründen, die geeignet waren, Mißtrauen gegen deren Unparteilichkeit zu rechtfertigen, abgelehnt hatte. Darüber hinaus konnte der Gerichtsherr unter den Voraussetzungen des § 57 I I 2 KStVO auch noch jede vor dem Feldkriegsgericht erschienene Person wegen „ungebührlichen Verhalten" disziplinarstrafrechtlich belangen. Da sich insoweit die Disziplinarstrafgewalt des Gerichtsherrn nach den Vorschriften der WDStO richtete, stand speziell den Befehlshabern der Feldjägerkommandos entsprechend den oben unter C. III. dargelegten Grundsätzen das gesamte disziplinarstrafrechtliche Instrumentarium zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten oder Verstößen gegen die Anordnungen des Verhandlungsleiters zur Verfügung. Abgerundet wurde der Kompetenzbereich des Gerichtsherrn während der Hauptverhandlung durch die Vorschrift des § 59 I I KStVO, der die Voraussetzungen festlegte, unter denen ausnahmsweise in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt werden durfte. Danach konnte das Feldkriegsgericht auch einen Angeklagten, dessen Aufenthalt unbekannt oder der im Ausland der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen war, verurteilen, „wenn soldatisches Rechtsempfinden wegen der Schwere der Tat die Aburteilung trotz Abwesenheit des Angeklagten verlangt." Eine solche Abwesenheitsverhandlung war jedoch nur aufgrund einer ausdrücklichen Anordnung möglich, deren Erlaß gem. § 59 I I 2 KStVO dem Gerichtsherrn vorbehalten war. Obwohl er während des Hauptverfahrens keinen unmittelbaren Einfluß auf das Ergebnis der Hauptverhandlung ausüben konnte, standen dem Gerichtherrn also auch in diesem Verfahrensabschnitt zahlreiche bedeutsame Kompetenzen zu, die ihm eine das Kriegsstrafverfahren dominierende Position vermittelten.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht cc) Die gerichtsherrlichen Befugnisse im Nachprüfungsverfahren

Diese Dominanz war bei den Befehlshabern der Feldjägerkommandos im sogenannten Nachprüfungsverfahren besonders ausgeprägt. Das Nachprüfungsverfahren stellte eine Eigentümlichkeit des Kriegsstrafverfahrens dar, denn es hatte die Funktion, die Folgen abzumildern, die sich für den Angeklagten daraus ergaben, daß gem. § 76 KStVO die Entscheidungen des Feldkriegsgerichts mit Rechtsmitteln nicht angefochten werden konnten. Es ersetzte also für den Bereich der militärischen Strafrechtspflege die im zivilen Strafprozeß vorgeschriebenen Berufungs- und Revisionsverfahren. Um nun die durch diesen Ausfall der Rechtsmittelinstanzen verursachte Minimierung des Rechtsschutzes zumindest ansatzweise zu kompensieren, schrieb § 78, 1 KStVO vor, daß dem Verurteilten grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden mußte, sich vor Abschluß des Nachprüfungsverfahrens dazu zu äußern, „ob und welche Einwendungen er gegen das Urteil vorzubringen habe." War dies geschehen, so führte das Nachprüfungsverfahren im Ergebnis entweder zur Bestätigung oder zur Aufhebung des vom Feldkriegsgericht gefällten Urteils durch den jeweils zuständigen Gerichtsherrn (§ 77 I KStVO). Indessen hatten keineswegs alle Gerichtsherren das Recht, sämtliche Entscheidungen des ihnen zugeordneten Feldkriegsgerichts zu bestätigen oder aufzuheben. Vielmehr enthielt § 79 KStVO eine differenzierende Regelung der Zuständigkeiten im Nachprüfungsverfahren. Danach war grundsätzlich zunächst einmal gem. § 79 I KStVO das Bestätigungs- und Aufhebungsrecht bezüglich derjenigen Urteile, durch die Offiziere oder Wehrmachtbeamte im Offiziersrang zum Tode verurteilt worden waren, allein dem Führer und Reichskanzler in seiner Eigenschaft als Oberster Gerichtsherr der Wehrmacht vorbehalten. Im Hinblick auf die übrigen Feldurteile übertrug dann § 79 I I 1 KStVO das Bestätigungs- und Aufhebungsrecht unmittelbar auf die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile, die jedoch ausnahmslos von der Ermächtigung, die Nachprüfungszuständigkeit nach Maßgabe des § 79 I I 2 KStVO ganz oder teilweise zu delegieren, Gebrauch gemacht hatten. Aus diesem Grunde stand das Recht, ein nicht schon von § 79 I KStVO erfaßtes Feldurteil zu bestätigen, allen Gerichtsherren zu, während das Aufhebungsrecht insoweit nur von dem dem jeweiligen Gerichtsherrn übergeordneten Befehlshaber ausgeübt werden konnte. Gleichwohl gab es auch Gerichtsherren, denen unabhängig von der Differenzierung in § 79 I und I I KStVO das volle Bestätigungs- und Aufhebungsrecht hinsichtlich aller Entscheidungen des von ihnen berufenen Feldkriegsgerichts zustand. Gem. § 79 III KStVO waren dies aber nur die Kommandeure größerer Truppenverbände, die sich auf einem entlegenen selbständigen Kriegsschauplatz befanden, die Kommandanten von Festungen oder anderen befestigten Orten oder Gebieten für die Zeit, in der ein geordneter schriftlicher Verkehr mit ihren Vorgesetzten nicht mehr bestand, sowie die wegen langer Abwesenheit zu Gerichtsherren ernannten Kommandanten eines Schiffes

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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oder eines schwimmenden Verbandes, wenn die unterstellten Kriegs- oder Hilfskriegsschiffe in „außerheimischen Gewässern" verwandt wurden. Gerichtsherren, die das volle Aufhebungs- und Bestätigungsrecht ausüben konnten, ohne daß sie sich in einer der von § 79 HI KStVO geregelten kriegsbedingten Ausnahmesituationen befanden, waren also nach der KStVO an sich nicht vorgesehen. Es entspricht jedoch dem bereits des öfteren festgestellten außergewöhnlichen Umfang der den Befehlshabern der Feldjägerkommandos verliehenen Befugnisse, daß auch ihnen das volle Bestätigungs- und Aufhebungsrecht zukam, obgleich sie keinem der in § 79 III KStVO enthaltenen Tatbestände unterfielen. Sie waren somit - soweit ersichtlich - die einzigen Gerichtsherren in der Wehrmacht und der Waffen-SS, die ohne Rücksicht auf ihren Einsatzort und zu jeder Zeit für das gesamte Nachprüfungsverfahren eine ausschließliche Zuständigkeit besaßen. Diese eklatante Abweichung von der gesetzlichen Regelung beruhte unmittelbar auf Ziffer I. lit. e) des oben unter C. VII. 1. zitierten Befehls vom 15.05.1944, denn darin hatte die Wehrmachtrechtsabteilung unter Inanspruchnahme der durch § 118 KStVO begründeten Befugnis zu Änderungen und Ergänzungen der KStVO den Befehlshabern der Feldjägerkommandos das volle Bestätigungs- und Aufhebungsrecht ausdrücklich zuerkannt. Auf diese Weise hatte der Befehlsgeber erreicht, daß die Befehlshaber der Feldjägerkommandos auf dem Umweg über das Nachprüfungsverfahren doch noch über denjenigen Einfluß auf das Ergebnis der Hauptverhandlungen verfügten, der ihnen während des Hauptverfahrens versagt war, denn das volle Bestätigungs- und Aufhebungsrecht vermittelte seinem Inhaber eine beachtliche Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten. So konnte er naturgemäß zunächst einmal das nachgeprüfte Urteil im ganzen bestätigen, wenn er sich im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung von dessen Richtigkeit überzeugt hatte. Damit bewirkte er gemäß § 77 I I KStVO zugleich, daß das Urteil rechtskräftig und vollstreckbar wurde. 145 Das Bestätigungsrecht umfaßte gem. § 81 I KStVO aber auch die Befugnis, den Strafausspruch unter Bestätigung des Urteils im übrigen abzumildern. Durch dieses Milderungsrecht war es dem Gerichtsherrn möglich, einschließlich der Todes- und der Zuchthausstrafe alle Strafen bis auf das gesetzlich vorgegebene Mindestmaß herabzusetzen (vgl. § 81 I I KStVO). Ebenso konnte er aufgrund des § 81 I KStVO eine zwar zulässige, aber nicht zwingend vorgeschriebene Nebenstrafe, auf die in dem ansonsten bestätigten Urteil erkannt worden war, nach seinem Ermessen mildern, durch eine andere ersetzen oder sogar gänzlich aufheben. Eine weitere Entscheidungsalternative eröffnete sich dem bestätigungsberechtigten Gerichtsherrn überdies bei solchen Urteilen des Feldkriegsgerichts, durch die das Verfahren gegen den Angeklagten deshalb eingestellt wurde, weil des145

Ohne die Bestätigung durch den Gerichtsherrn hatte das Urteil eines Feldkriegsgerichts nach Abschnitt VIII der „Erläuterungen zur KStVO" (abgedruckt als Anhang 2 zur H. Dv. 3/13 - Neudruck 1940) nur den Wert eines Gutachtens.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

sen Schuld gering war und die Folgen der Tat als unbedeutend angesehen werden konnten. In diesem Fall stand es dem Gerichtsherrn nämlich gem. § 63 HI 2 i.V.m. § 47 I I KStVO frei, das Urteil zu bestätigen, den Angeklagten aber auf disziplinarem Wege zur Rechenschaft zu ziehen. Darüber hinaus hatte der Gerichtsherr aber auch noch das Recht, gem. § 85 KStVO die Bestätigung davon abhängig zu machen, daß das Feldkriegsgericht zuvor die Beweisaufnahme vervollständigte. Das kam evidentermaßen immer dann in Betracht, wenn der Gerichtsherr im Zuge des Nachprüfungsverfahrens die Überzeugung gewonnen hatte, daß die Entscheidung des Feldkriegsgerichts zwar auf einer ungenügenden Sachverhaltsermittlung beruhte, dieser Mangel jedoch durch nachträgliche Untersuchungen zu beheben war. Hingegen gab es - anders als bei der Situation bei der Strafmilderung - keine Möglichkeit, die Bestätigung des Feldurteils mit einer Strafverschärfung zu verbinden. Auch die im Jahre 1942 durch die Einfügung des § 87 a in die KStVO nachträglich geschaffene Befugnis des Gerichtsherrn, zugleich mit der Bestätigung von Urteilen, die gegen Mannschaften verhängt worden waren, eine Dienstgradherabsetzung zu verfügen, stellte keine echte ,»reformatio in peius" dar, sondern wurde ausdrücklich als disziplinare Nebenstrafe bezeichnet. Wollte also der Gerichtsherr den Strafausspruch verschärfen, so war er gezwungen, das Urteil ganz oder teilweise aufzuheben. Das konnte er jedoch nur dann tun, wenn er nicht nur zur Bestätigung, sondern auch zur Aufhebung der Feldurteile berechtigt war. Da dies aber bei den Befehlshabern der Feldjägerkommandos der Fall war, lag es in deren Ermessen, das Urteil im Schuldspruch zu bestätigen und hinsichtlich des Strafausspruches aufzuheben, um auf diese Weise eine härtere Bestrafung des Angeklagten durchzusetzen. Daneben vermittelte das volle Bestätigungs- und Aufhebungsrecht den Befehlshabern der Feldjägerkommandos noch weitere Möglichkeiten zur Herbeiführung von Teillösungen. So konnten sie etwa gem. § 89 IV HS. 2 KStVO sowohl den Schuld- als auch den Strafausspruch aufheben, jedoch die der Schuldfrage zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen bestehen lassen. Ebenso war es möglich, bei einer Verurteilung von mehreren Angeklagten das Urteil nur in bezug auf die gegen einzelne Täter verhängten Strafen aufzuheben. In ähnlicher Weise durften die Gerichtsherren die Aufhebung auch auf die Verurteilung wegen einzelner Straftaten beschränken, wenn ein Angeklagter nach Auffassung des Feldkriegsgerichts mehrere Straftatbestände schuldhaft verwirklicht hatte. Da zudem alle diese Alternativen gegebenenfalls auch miteinander kombiniert werden konnten, unterlag der Gestaltungsspielraum des sowohl zur Bestätigung als auch zur Aufhebung berechtigten Gerichtsherrn nahezu keiner Beschränkung. Hatte sich der Gerichtsherr im Rahmen dieses Spielraumes dazu entschlossen, das nachgeprüfte Feldurteil ganz oder teilweise aufzuheben, so ergaben sich für ihn wiederum verschiedene Handlungsmöglichkeiten, deren einfachste darin bestand, gem. § 90 I 1 KStVO ein neues erkennendes Gericht zu berufen, das ohne Hin-

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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zuziehung der am Ausgangsverfahren beteiligten Richter erneut verhandeln mußte. Gem. § 90 I I Nr. 1 i.V.m. § 19 I KStVO durfte der Gerichtsherr aber auch auf das Recht, selbst ein neues Feldkriegsgericht zusammentreten zu lassen, verzichten und einen Angeklagten, der sich im Gefechtsgebiet befand, zur Durchführung des neuerlichen Strafverfahrens einem anderen Gerichtsherrn im rückwärtigen Armeegebiet überweisen oder zu einem Ersatztruppenteil versetzen. Voraussetzung dafür war allerdings, daß die nochmalige Durchführung des Verfahrens im Gefechtsgebiet zu zeitraubend war und nicht „aus Gründen der Manneszucht" geboten erschien. Schließlich konnte sich der Gerichtsherr gem. § 90 I I Nr. 2 KStVO auch in diesem Stadium noch dafür entscheiden, das Verfahren gegen den Angeklagten bis nach Beendigung des Kriegszustandes auszusetzen, anstatt einen weiteren Militärstrafprozeß einzuleiten. 146 Die große Zahl der den bestätigungs- und aufhebungsberechtigten Gerichtsherren im Nachprüfungsverfahren zur Verfügung stehenden Entscheidungsvarianten unterstreicht nicht nur ein weiteres Mal die gerichtsherrliche Dominanz im Kriegsstrafverfahren, sondern hatte auch zur Folge, daß das Fehlen des unmittelbaren Einflusses auf die Entscheidung des Feldkriegsgerichts im Hauptverfahren nachträglich in vollem Umfang ausgeglichen wurde. Insbesondere bei den hier allein interessierenden Befehlshabern der Feldjägerkommandos war der Schwerpunkt ihrer gerichtsherrlichen Befugnisse aufgrund der Verleihung des vollen Bestätigungs- und Aufhebungsrechtes zweifellos im Nachprüfungsverfahren zu finden. dd) Das Gnadenrecht der Gerichtsherren Ebenso wie im Nachprüfungsverfahren enthielt die KStVO auch im Gnadenverfahren eine differenzierende Regelung der Zuständigkeiten, so daß nicht jeder Gerichtsherr die mit dem Gnadenrecht verbundenen Befugnisse ausüben konnte. Bei diesen Befugnissen handelte es sich einerseits um die Begnadigung eines Bestraften und andererseits um die Niederschlagung eines Strafverfahrens. Gem. § 112 Nr. 1 KStVO hatte die Begnadigung zum Inhalt, daß der zuständige Gerichtsherr nach erfolgter Strafverhängung die Hauptstrafe ganz oder teilweise erlassen, umwandeln, aussetzen oder unterbrechen, Neben- und Ordnungsstrafen aufheben oder mildern sowie Sicherungsmaßnahmen und Nebenfolgen, die im Urteil angeordnet worden waren oder sich als Folgen der Verurteilung von Rechts wegen ergaben, ganz oder teilweise beseitigen oder mildern konnte. Im Gegensatz dazu war unter der Niederschlagung eines Strafverfahrens gem. § 112 Nr. 2 KStVO das Recht zu verstehen, „noch vor rechtskräftiger Entscheidung einer Sache anzuordnen, daß von einer Strafverfolgung 146

Vgl. zu den für diese Maßnahme hauptsächlich in Betracht kommenden Anwendungsfällen oben Fn. 139.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

abgesehen werde". Eine solche Anordnung durfte jedoch gem. § 114 I I Nr. 2 KStVO nur der Führer und Reichskanzler in seiner Eigenschaft als Oberster Gerichtsherr der Wehrmacht erlassen. Ihm war zudem grundsätzlich die alleinige Ausübung des Begnadigungsrechts in den Fällen vorbehalten, in denen Offiziere bzw. Wehrmachtbeamte im Offiziersrang zum Tode verurteilt worden waren (§ 114 I I Nr. 1 i.V.m. §§ 79 I, 80 KStVO). Für die Ablehnung eines Gnadengesuchs, das auf die Niederschlagung eines Strafverfahrens abzielte, waren hingegen gem. § 114 III 2 KStVO auch die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile zuständig. Nur diesen stand im übrigen gem. § 114 I I I 1 KStVO zunächst einmal die Ausübung des Begnadigungsrechts in allen Fällen zu, die nicht in die Zuständigkeit des Führers und Reichskanzlers fielen. Damit war im Gnadenverfahren die Situation gegeben, daß die vom Gnadenrecht umfaßten Befugnisse grundsätzlich nur vom Führer und Reichskanzler sowie von den Oberbefehlshabern der Wehrmachtteile ausgeübt werden konnten. Letztere hatten jedoch die Möglichkeit, ihre Zuständigkeit gem. § 114 IV KStVO auf den Generalquartiermeister ihrer jeweiligen Teilstreitkraft sowie auf diejenigen Befehlshaber zu übertragen, denen zumindest ein Befehlshaber mit gerichtsherrlichen Befugnissen unterstellt war. Eine Delegierung der dem Führer und Reichskanzler zustehenden Gnadenrechte sah die KStVO dagegen nicht vor. Daraus folgt, daß das Gnadenverfahren den einzigen Abschnitt des Kriegsstrafverfahrens darstellte, in dem ein mit normalen Befugnissen ausgestatteter Gerichtsherr keine beherrschende Position innehatte. Das bedeutet jedoch nicht, daß auch die Befehlshaber der Feldjägerkommandos im Gnaden verfahren ohne Einfluß waren. Entsprechend ihrer in allen Bereichen über das normale Maß hinausgehenden Rechtsstellung waren sie vielmehr auch in diesem Verfahrensabschnitt mit ungewöhnlich weitreichenden Befugnissen ausgestattet, denn ihnen stand nach dem eindeutigen Regelungsgehalt der Ziffer I. 4. des Befehls vom 15.05.1944 das volle Gnadenrecht zu. Dadurch wurden sie in die Lage versetzt, nicht nur die nach der KStVO durch die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile übertragbaren, sondern darüber hinaus auch noch die grundsätzlich dem Führer und Reichskanzler vorbehaltenen Gnadenbefugnisse auszuüben. Die Befehlshaber des Feldjägerkommandos konnten mithin auch die Niederschlagung von Strafverfahren anordnen und einschließlich der zum Tode verurteilten Offiziere und Wehrmachtbeamten im Offiziersrang jede durch ein Feldkriegsgericht verurteilte Person begnadigen. Ebenso wie im Nachprüfungsverfahren entfaltete Ziffer I. 4. des Befehls vom 15.05.1944 also auch im Gnaden verfahren eine auf § 118 KStVO gestützte konstitutive Wirkung, durch die den Befehlshabern der Feldjägerkommandos ein über die Grundsätze der KStVO hinausgehender Befugnisrahmen zugebilligt wurde. Anders als alle anderen Gerichtsherren waren sie somit auch im Gnadenverfahren die allein maßgeblichen Persönlichkeiten.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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ee) Die Befugnisse der Gerichtsherren in der Strafvollstreckung In Anbetracht der bisher erzielten Erkenntnisse über die Position der Gerichtsherren im Kriegsstrafverfahren kann es nicht mehr überraschen, daß sie nach Abschluß des Nachprüfungsverfahrens auch im Rahmen der Strafvollstrekkung die entscheidenden Funktionen wahrzunehmen hatten. Dabei erstreckten sich ihre Kompetenzen sogar noch über den Bereich der Militärgerichtsbarkeit hinaus, denn gem. § 102 I KStVO war der Gerichtsherr nicht nur für die Urteile der Wehrmachtgerichte die zuständige Strafvollstreckungsbehörde, sondern auch für die Entscheidungen derjenigen allgemeinen Gerichte, die gegen einen Wehrmachtangehörigen eine Freiheitsstrafe verhängt hatten. Innerhalb des sonach durch § 102 I KStVO festgelegten gesamten Wirkungskreises aller Gerichtsherren im Strafvollzug ließ sich dann die konkrete Zuständigkeit im Einzelfall anhand von § 102 I I KStVO ermitteln. Danach oblag zunächst einmal die Vollstreckung der genannten Urteile ziviler Gerichte dem mit gerichtsherrlichen Befugnissen ausgestatteten Befehlshaber, dem der zu einer Freiheitsstrafe verurteilte Wehrmachtangehörige militärisch unterstellt war. Hingegen wurden die Feldurteile grundsätzlich von demjenigen Gerichtsherrn vollstreckt, der sie zuvor auch schon bestätigt hatte. Dieser konnte jedoch immer dann, wenn der Verurteilte nicht seiner Befehlsgewalt unterstand, auf die eigene Zuständigkeit verzichten und die Strafvollstreckung dessen vorgesetzten Gerichtsherrn überlassen. 147 Insbesondere die Befehlshaber der Feldjägerkommandos dürften somit aufgrund der teilstreitkraftübergreifenden Reichweite ihrer gerichtsherrlichen Befugnisse des öfteren vor der Frage gestanden haben, inwieweit sie die von ihnen bestätigten Feldurteile selbst vollstrecken wollten. Unabhängig davon aber, ob sich die Gerichtsherren zu einer eigenverantwortlichen Durchführung der Strafvollstreckung entschlossen oder ob sie insoweit aufgrund ihrer Eigenschaft als militärische Vorgesetzte des Verurteilten unmittelbar kraft Gesetzes zuständig waren, gestand ihnen die KStVO bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weitreichende Befugnisse zu, durch die sie wegen der damit verbundenen Ermessensspielräume entscheidenden Einfluß auf den Strafvollzug nehmen konnten. Dieser Einfluß machte sich sogar schon vor Beginn der eigentlichen Strafvollstreckung bemerkbar, denn gem. § 101 I I KStVO war es dem Gerichtsherrn vorbehalten, alle Zweifelsfragen zu entscheiden, die bei 147 Daneben hatte der Gerichtsherr gem. § 102 IE KStVO aber auch noch die Möglichkeit, aus wichtigem Grund, insbesondere aber bei „Wehrunwürdigkeit" des Verurteilten, die allgemeinen Behörden um die Übernahme der Strafvollstreckung zu ersuchen. Das Ersuchen mußte nach Möglichkeit an den leitenden Oberstaatsanwalt des am leichtesten erreichbaren Landgerichts gerichtet werden. Dieser war - soweit ersichtlich - nicht befugt, das Ersuchen abzulehnen, und konnte demgemäß auch gegen seinen Willen zur Strafvollstreckungsbehörde für die entsprechenden Feldurteile gemacht werden.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

der Auslegung des Strafurteils, der Berechnung der erkannten Strafe oder der Beurteilung der Zulässigkeit der Strafvollstreckung aufkamen. 148 Selbst bei der Vollstreckung der Todesstrafe, die gem. § 103 I I I KStVO unverzüglich nach Bestätigung des Urteils durch Erschießen oder durch Enthaupten zu vollziehen war und daher eine gebundene Entscheidung darstellte, verblieb den Gerichtsherren noch ein - wenn auch nur geringer - Gestaltungsspielraum, da ihnen durch § 103 IV KStVO die Zusammenstellung des Vollzugskommandos überlassen wurde. Der Schwerpunkt der gerichtsherrlichen Einflußnahmemöglichkeiten lag jedoch zweifellos bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen. Das ergibt sich eindeutig aus der Vorschrift des § 104 I KStVO, denn danach hatten die Gerichtsherren im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung das Recht, die Vollstreckung der Strafe ganz oder zum Teil auszusetzen, um dem Verurteilten Gelegenheit zur Bewährung zu geben. 149 Stattdessen konnten sie aber auch die Vollstreckung der gesamten Strafe anordnen oder den Verurteilten unter Aufschub des Strafvollzugs einem Straflager der Wehrmacht überweisen. § 104 I I KStVO behielt den Gerichtsherren überdies die Möglichkeit vor, ihre Entscheidung für eine der genannten Varianten nachträglich noch aus wichtigem Grund zu ändern. Schließlich räumte § 106 KStVO dem Gerichtsherrn, der einen Verurteilten in ein Straflager überwiesen hatte, noch die weitere Befugnis ein, die Zeit der Verwahrung im Straflager ganz oder teilweise auf die zu verbüßende Freiheitsstrafe anzurechnen, wenn der Betroffene wegen guter Führung oder sonst aus einem besonderen Grund wieder zur Truppe entlassen worden war. Demgegenüber nahmen sich die Eingriffsmöglichkeiten, die den Gerichtsherren im Rahmen der Beitreibung von Geldstrafen, Vermögensstrafen oder Geldbußen zur Verfügung standen, eher bescheiden aus, denn insoweit beschränkten sich ihre Befugnisse im wesentlichen darauf, gem. § 110 IV KStVO die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe festlegen zu dürfen, die im Falle einer nicht beitreibbaren Geldstrafe verbüßt werden mußte. Daneben war es dem Gerichtherrn nur noch möglich, gem. § 110 HI KStVO einem Verurteilten eine Frist zur Zahlung seiner Geldstrafe zu gewähren oder ihm unter Widerrufsvorbehalt zu gestatten, sie

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Dieses „Auslegungsmonopol" blieb den Gerichtsherren gem. § 102 III 3 HS. 2 KStVO sogar dann erhalten, wenn sie den leitenden Oberstaatsanwalt eines Landesgerichts um die Übernahme der Strafvollstreckung ersucht hatten. 149 Die vollständige Strafaussetzung war nach der ursprünglichen Fassung der KStVO noch der Regelfall, von dem nur aus wichtigem Grund durch die Anordnung sofortigen Strafvollzugs, für die der Gerichtsherr zuständig war, abgewichen werden durfte. Grund für diese Regelung war nach Abschnitt X der „Erläuterungen zur KStVO" (abgedruckt als Anlage 2 zur H. Dv. 3/13 - Neudruck 1940) die Überlegung, daß „die Vollstreckung von Freiheitsstrafen Ehrlosen und Feigen keinen Anreiz" bieten sollte, „sich dem Frontdienst zu entziehen." Die dem Text zugrunde liegende Fassung des § 104 KStVO ist erst durch Art. IV Nr. 2 der „Siebenten Verordnung zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 18.05.1940 (RGBl. I 1940, S. 787) eingeführt worden.

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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in Teilen abzuzahlen. Seinen Abschluß fand der Katalog der Befugnisse, die von den Gerichtsherren im Zuge der Strafvollstreckung ausgeübt werden konnten, dann mit der Regelung des § 111 I I KStVO, wonach sie für die nachträgliche Bildung von Gesamtstrafen zuständig waren, wenn ein Wehrmachtangehöriger durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden war, ohne daß dabei die Vorschriften des RStGB über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe Berücksichtung gefunden hatten. Da den Gerichtsherren mithin die alleinige Entscheidung aller wesentlichen Fragestellungen vorbehalten war, hatten sie die Möglichkeit, den Ablauf des Strafvollstreckungsverfahrens weitgehend nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Auch die Auswertung der Strafvollstreckungsvorschriften der KStVO führt also zu dem Ergebnis, daß die Gerichtsherren eine Schlüsselposition innehatten. ff) Ergebnis Nach all dem läßt sich zusammenfassend feststellen, daß die eingehende Untersuchung der Befugnisse, die den Gerichtsherren in den einzelnen Abschnitten des Kriegsstrafverfahrens einschließlich der Strafvollstreckung zustanden, den bereits aufgrund der allgemeinen Betrachtung ihrer Rechtsstellung hervorgerufenen Eindruck einer praktisch unbegrenzten Machtfülle vollauf bestätigt hat. Es trifft also zu, wenn in Abschnitt I I der „Erläuterungen zur Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 17.08.1938150 davon die Rede ist, daß der Gerichtsherr die alles beherrschende Persönlichkeit sei, bei der das Schwergewicht des militärischen Strafverfahrens ruhe. Dieser Beurteilung kann nicht entgegengehalten werden, daß nicht alle Gerichtsherren das volle Bestätigungs- und Aufhebungsrecht ausüben konnten, denn zum einen verfügten auch die lediglich bestätigungsberechtigten Gerichtsherren noch über einen beachtlichen Gestaltungsspielraum im Nachprüfungsverfahren und zum anderen ließ das Fehlen des Aufhebungsrechts die gerichtsherrlichen Befugnisse in den übrigen Verfahrensabschnitten unberührt. Selbst wenn man aber die nicht zur Aufhebung von Feldurteilen berechtigen Befehlshaber aus dem Kreis der das Kriegsstrafverfahren beherrschenden Gerichtsherren ausnehmen wollte, wären die hier allein interessierenden Befehlshaber der Feldjägerkommandos davon keinesfalls betroffen, da diese nicht nur über das volle Bestätigungs- und Aufhebungsrecht, sondern darüber hinaus auch über ein uneingeschränktes Gnadenrecht verfügten. Schon allein aufgrund dieser Befugnisse war die Rechtsstellung der Befehlshaber der Feldjägerkommandos erheblich stärker als die der übrigen Gerichtsherren. Berücksichtigt man nun auch noch ihre unmittelbare Unterstellung unter den Chef des OKW sowie die teil150

Abgedruckt als Anhang 2 zur H. Dv. 3/13 - Neudruck 1940.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

streitkraftübergreifende und auch die Waffen-SS umfassende Reichweite ihrer Befugnisse, so stellt man fest, daß die Befehlshaber der Feldjägerkommandos in der Militärgerichtsbarkeit eine Position innehatten, die nicht einmal von den Oberbefehlshabern der Wehrmachtteile erreicht worden sein dürfte. Damit stellten die gerichtsherrlichen Rechte zweifellos den Schwerpunkt innerhalb des Spektrums der ohnehin schon weit über das normale Maß hinausgehende Eingriffsbefugnisse des Befehlshabers eines Feldjägerkommandos dar.

3. Die Regiments- und Bataillonskommandeure der Feldjägerkommandos als Standgerichtsherren Mit der Verleihung der im vorstehenden ausführlich erörterten gerichtsherrlichen Befugnisse an die Befehlshaber der drei Feldjägerkommandos war der Regelungsgehalt des oben unter VII. 1. zitierten Befehls vom 15.05.1944 noch keineswegs erschöpft. Vielmehr hatte sich die befehlsgebende Wehrmachtrechtsabteilung bemüht, der Forderung des Wehrmachtführungsstabes nach einer Stärkung der den Feldjägern bis dahin zugebilligten Rechtsstellung auch dadurch nachzukommen, daß sie die Regiments- und Bataillonskommandeure der Feldjägerkommandos ebenfalls mit gerichtsherrlichen Befugnissen ausstattete. Insoweit kam daher der Ziffer II. 1. des Befehls, durch die die Regiments- und Bataillonskommandeure zu Standgerichtsherren ernannt wurden, die gleiche konstitutive Wirkung zu wie der Ziffer I. 1., durch die die Befehlshaber der Feldjägerkommandos ihre gerichtsherrlichen Befugnisse erhalten hatten. Auch im Hinblick auf die Reichweite dieser Befugnisse unterschied sich die in Ziffer II. 1. des Befehls vom 15.05.1944 angeordnete Rechtsfolge nicht von der in den Ziffern I. 2. und I. 3. für die Befehlshaber der Feldjägerkommandos getroffenen Regelung, denn ebenso wie diese waren nach dem unmißverständlichen Wortlaut des Befehls auch die Regiments- und Bataillonskommandeure als Gerichtsherren für die drei Wehrmachtteile und die Waffen-SS zuständig, ohne daß es dabei auf bestimmte Einsatzräume oder sonstige stationäre Bindungen angekommen wäre. Unterschiede zu der bereits geschilderten Situation bei den Befehlshabern der Feldjägerkommandos ergaben sich jedoch zwangsläufig daraus, daß die Regiments- und Bataillonskommandeure nicht zu regulären, sondern lediglich zu Standgerichtsherren ernannt worden waren. Das hatte zur Folge, daß die Voraussetzungen, die vorliegen mußten, damit die Regiments- und Bataillonskommandeure die ihnen verliehenen gerichtsherrlichen Befugnisse überhaupt ausüben konnten, durch § 13 a KStVO und nicht - wie bei den Befehlshabern der Feldjägerkommandos - durch § 13 KStVO festgelegt wurden. Gem. § 13 a KStVO durften die dazu ermächtigten Kommandeure die Befugnisse eines Gerichtsherrn aber nur dann ausüben, wenn die Aburteilung eines Delinquenten aus zwingenden militärischen Gründen keinen Aufschub duldete, 151 ein regulärer Gerichtsherr nicht auf der Stelle erreicht werden konnte und die

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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Zeugen oder andere Beweismittel sofort zur Verfügung standen. Zudem mußte gem. Ziffer II. 1. des Befehls vom 15.05.1944 die Durchführung der den Feldjägern übertragenen Aufgaben die Ausübung der gerichtsherrlichen Befugnisse erfordern. Lagen diese Voraussetzungen aber vor, so konnten die Regimentsund Bataillonskommandeure sämtliche Befugnisse wahrnehmen, die einem Gerichtsherm nach der KStVO zustanden. Da jedoch das Wesen der Standgerichte gerade in einer beschleunigten Verurteilung des Angeklagten bestand 152 und 151

Diese Voraussetzung sollte nach der Ziffer I. 1. des „Merkblattes für den Regimentskommandeur als Gerichtsherrn" (abgedruckt bei Absolon, Wehrmachtstrafrecht, S. 217 f.) insbesondere dann gegeben sein, wenn die abzuurteüende Tat einen groben Verstoß gegen die Manneszucht oder eine Gefahrdung für die Sicherheit der Truppe darstellte. Als Beispiele wurden insoweit Gehorsamsverweigerung (§ 94 RMStGB), tätlicher Angriff auf einen Vorgesetzten (§ 97 RMStGB), Meuterei (§ 103 RMStGB), militärischer Aufruhr (§ 106 RMStGB), Feigheit (§ 85 RMStGB), Plünderung (§ 129 RMStGB) und Freischärlerei (§ 3 KSSVO) genannt. 152 Das u.a. durch die Einrichtung von Standgerichten zum Ausdruck gekommene Bedürfnis nach einer Beschleunigung des Kriegsstrafverfahrens hat im Laufe des Krieges zu einer erheblichen Aufweichung der in der KStVO zunächst niedergelegten Grundsätze geführt. Waren der Militärgerichtsbarkeit Standgerichte bei Kriegsausbruch noch völlig fremd, weil sie in der ursprünglichen Fassung der KStVO nicht vorgesehen worden waren, so wurde bereits im Herbst des Jahres 1939 offensichtlich unter dem Eindruck der im Verlauf des Polenfeldzuges gewonnenen Erfahrungen durch Art. I Nr. 7 der „Vierten Verordnung zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 01.11.1939 (RGBl. I 1939, S. 2132) eine Rechtsgrundlage für das standgerichtliche Verfahren geschaffen und als § 13 a in die KStVO eingefügt. Gleichwohl hielt man auch im Jahre 1940 die Tätigkeit von Standgerichten noch für eine Ausnahme. So heißt es etwa in dem Befehl „OKH-464-Gen. Qu. (EI)" vom 13.06.1940 (abgedruckt bei Absolon,, Wehrmachtstrafrecht, S. 218 f.): „Grundsatz muß bleiben, daß der allgemein zuständige Gerichtsherr, soweit irgend möglich, das Verfahren in der Hand hat. Wenn ich auf der einen Seite erwarte, daß die Kommandeure verantwortungsbewußt von der ihnen gegebenen Möglichkeit, in dringenden Fällen die Befugnisse des Gerichtsherrn auszuüben, Gebrauch machen, so muß ich auf der anderen Seite fordern, daß diese weitgehenden Rechte nicht mißbraucht werden." Vier Jahre später jedoch hatten die Standgerichte infolge der grundlegend gewandelten Gesamtkriegslage ihren Ausnahmecharakter vollständig verloren. Nunmehr war in den einschlägigen Befehlen nicht mehr davon die Rede, daß die Einberufung eines Standgerichts einen Rechtsmißbrauch darstellen könnte. Vielmehr wurden die Kommandeure zum vermehrten Gebrauch ihrer Befugnisse aufgefordert: „An einzelnen Stellen der Fronten und im Verlauf von Absetzbewegungen ist es vorübergehend zu Auflösungserscheinungen gekommen. Um das für die Zukunft von vorneherein im Keime zu ersticken, wird auf besondere Weisung des Führers [...] bestimmt: 1. Gegen haltlose Elemente, die durch Verletzung ihrer Dienstpflicht oder durch andere Straftaten die Kampfmoral der Truppe gefährden, Auflösungserscheinungen herbeiführen oder begünstigen, ist unverzüglich und mit äußerster Schärfe an Ort und Stelle, bei Gefahr im Verzuge auch durch sofortige Waffenanwendung durchzugreifen. Das gilt insbesondere gegenüber Führern und Unterführern, die der Feigheit schuldig sind, die ihre Pflicht als Truppenführer schwer verletzen, anvertrautes Wehrmachtgut im Stich lassen, in ihrer soldatischen Haltung versagen oder sonst das Ansehen der Wehrmacht schwer schädigen. [...]. 2. Gerichtsherren und Standgerichtsherren haben das ausdrückliche Recht, bei solchen Straftaten Todesurteile gegen jedermann, auch gegen Offiziere jeden Ranges, un16 Schütz

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

§ 13 a KStVO aus diesem Grunde voraussetzte, daß die erforderlichen Beweismittel sofort verfügbar waren, dürften die gerichtsherrlichen Befugnisse, die die mittelbar zu bestätigen, wenn die sofortige Vollstreckung der Todesstrafe zur Aufrechterhaltung der Manneszucht und aus Gründen der Abschreckung geboten ist. 3. Von Standgerichten ist stets Gebrauch zu machen, wenn Gefahr im Verzuge ist oder wenn ein Aufschub des Verfahrens die Minderung der Beweismittel oder die Verschleierung des Tatbestandes befürchten läßt. 4. Die Todesstrafen sind unverzüglich im Angesicht der Truppe zu vollstrecken" (Befehl des Chefs des OKW vom 23.09.1944, WFSt/Qu. 2 Nr. 0011538/44g. Kdos., BA-MA RW 4/494, Bl. 94 f. d. A.). In ähnlicher Weise wurden im September 1944 auch die Feldjäger angehalten, ihre standgerichtlichen Rechte vermehrt auszuschöpfen: „Es gehen beim Führer [...] immer noch schwerste Klagen ein über disziplinlose Haufen, die sich nach Holland bzw. Aachen und in die burgundische Pforte zurückwälzen. Ihre Haltung ist derart schändlich, daß mit der Verseuchung der Westwallbesatzung und auch des Ersatzheeres zu rechnen ist. Der Führer hat mich beauftragt, Sie erneut mit allen Vollmachten zu versehen zum sofortigen Einschreiten gegen diese Verfallserscheinungen. Gegen Marodeure und feige Drückeberger einschl. Offizieren ist mit Standgerichten an Ort und Stelle schärfstens vorzugehen und angesichts der Soldaten sofort zur Abschreckung zu vollstrecken. Nur äußerste Rücksichtslosigkeit wird diesen die Heimat bedrohenden Verfall der Kriegsmoral aufhalten; durch Waffenanwendung in jeder Form muß hier aufgeräumt werden. Machen Sie von Ihren Vollmachten rücksichtslosen Gebrauch." (Fernschreiben des Wehrmachtführungsstabes an den Befehlshaber des Feldjägerkommandos m, General der Infanterie von Scheele, WFSt/Org. Nr. 0011082/44 g. Kdos. vom 16.09.1944, BA-MA 4/494, Bl. 78 d.A.). Es ist evident, daß durch solche und ähnliche Befehle (vgl. etwa auch das bei Absolon, Wehrmachtstrafrecht, S. 222, abgedruckte Fernschreiben des Oberbefehlshabers der Marine vom 13.03.1945) das ursprünglich vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Feldkriegsgerichten und Standgerichten ins Gegenteil verkehrt worden ist. Gleichwohl war die für den Bereich der Ostfront bestehende Befehlslage sogar durch eine noch ausgeprägtere Härte gegenüber den eigenen Truppen gekennzeichnet, denn hier wurden „standrechtliche Erschießungen" durchgeführt, denen nicht einmal mehr ein standgerichtliches Verfahren vorausgegangen sein mußte: „In dem Befehl des Chefs des OKW vom 01.08.1944 OKW/WFSt/Qu. 2 Nr. 009219/44g. Kdos. ist angeordnet: ,Gegen Soldaten, die nicht nachweisen können, daß sie unverschuldet ohne ihre Waffen angetroffen werden, ist so wie der Führer dies jetzt für den Osten befohlen hat - standrechtliche Erschießung vorzusehen'. Für den Osten hat der Chef GenStdH auf Rückfrage den einschlägigen Befehl wie folgt erläutert: »Erschießungen von Soldaten, die nicht nachweisen können, daß sie unverschuldet ohne Waffen angetroffen werden, sind ohne Verfahren durchzuführen. Hierzu ist jeder Offizier berechtigt. Soweit es sich um Angehörige anderer Wehrmachtteile handelt, hat die Erschießung durch Feldjägerkommandos mit Wehrmachtbefugnissen zu erfolgen" (Schreiben des Generalrichters im OKH vom 12.08.1944, Az.: 14 JuAbt. Nr. 527/44g. Kdos., an die Wehrmachtrechtsabteilung im OKW, BA-MA RW 4/709 Teil 1, Bl. 12 d.A.). Der Frage, inwieweit die Wehrmacht im allgemeinen und die Feldjägerkommandos im besonderen diesem Befehl tatsächlich Folge geleistet haben, war im Rahmen dieser Arbeit nicht nachzugehen. Offensichtlich war jedoch der „Führer" mit der Umsetzung seiner Anordnungen durch die Wehrmacht nicht vollauf zufrieden, denn er befahl unter dem 09.03.1945 die Bildung eines ihm unmittelbar unterstellten „Fliegenden Standgerichts", dem ein Exekutionskommando in Stärke von einem Unteroffizier und acht Mannschaften nachfolgen sollte (vgl. Absolon, Wehrmachtstrafrecht, S. 221 f.). Dieses „Fliegende Standgericht" war zuständig für strafbare Handlungen von Angehörigen aller Wehrmachtteile und der Waffen-SS ohne Unterschied des Ranges und konnte überdies auch Verfahren, die

C. Die Rechtsstellung und die Befugnisse der Feldjäger

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KStVO für das Ermittlungsverfahren bereithielt, in der Praxis für die Standgerichtsherren nahezu ohne Bedeutung gewesen sein. Abweichungen von den bereits dargestellten Grundsätzen, die für die Befehlshaber der Feldjägerkommandos galten, sind jedoch auch im Bereich des Nachprüfungs- und des Gnadenverfahrens festzustellen, da in diesen Abschnitten des Kriegsstrafverfahrens die konkrete Ausgestaltung der Rechtsstellung eines Gerichtsherrn davon abhängig war, inwieweit ihm die von der KStVO vorgesehenen Befugnisse ausdrücklich verliehen worden waren. Während aber die Befehlshaber der Feldjägerkommandos über das volle Bestätigungs-, Aufhebungs- und Gnadenrecht verfügen konnten, bestimmte Ziffer II. 2. des Befehls vom 15.05.1944 für die Regiments- und Bataillonskommandeure, daß diese lediglich zur Bestätigung eines Feldurteils berechtigt waren und demgemäß die Ausübung der mit der Aufhebungsberechtigung und dem Gnadenrecht verbundenen Befugnisse den Befehlshabern überlassen mußten. Daher konnten die Regiments- und Bataillonskommandeure im Gnadenverfahren überhaupt nicht tätig werden und waren im Nachprüfungsverfahren darauf beschränkt, ggf. die Vervollständigung der Beweisaufnahme anzuordnen (§ 85 KStVO) und das Feldurteil zu bestätigen (§ 87 I KStVO), zu mildern (§81 KStVO) oder mit einer disziplinaren Nebenstrafe wie etwa der Dienstgradherabsetzung zu verbinden (§§ 63 I I I 2, 87a KStVO). Da jedoch alle übrigen Befugnisse, die einem regulären Gerichtsherrn in den verschiedenen Abschnitten des Kriegsstrafverfahrens einschließlich der Strafvollstreckung zustanden, auch von den Standgerichtsherren ausgeübt werden konnten, hatte der Befehl vom 15.05.1944 für die Regiments- und Bataillonskommandeure der Feldjägerkommandos trotz der genannten Einschränkungen, denen sie bei der Wahrnehmung ihrer gerichtsherrlichen Befugnisse unterworfen waren, eine erhebliche Verstärkung ihrer ursprünglichen Rechtsstellung zur Folge.

bereits bei anderen Gerichten anhängig waren, an sich ziehen. In beiden Fällen hing die konkrete Zuständigkeit des „Fliegenden Standgerichts" also nicht etwa von den entsprechenden Vorschriften der KStVO ab, sondern beruhte vielmehr ausschließlich auf seinem eigenverantwortlich gefaßten Entschluß, der an keinerlei gesetzliche Vorgaben gebunden war. Unabhängig davon, ob das „Fliegende Standgericht" in den verbliebenen zwei Kriegsmonaten noch praktisch spürbar tätig geworden ist oder nicht, wurde alleine durch seine Errichtung die eingangs dieser Fußnote angesprochene Entwicklung abgeschlossen, die mit der Einführung der Standgerichte als einer Ausnahmeerscheinung eingesetzt und im Laufe des Krieges zu einer immer deutlicher werdenden Abkehr von den in der KStVO enthaltenen Prinzipien für das militärische Strafverfahren geführt hatte. 1

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Unterhalb der Bataillonsebene war eine solche Verstärkung jedoch nicht mehr vorgesehen, da der Befehl vom 15.05.1944 eine abschließende Regelung darstellte. Obwohl demnach lediglich der Befugnisrahmen der Befehlshaber und der Regiments- und Bataillonskommandeure der Feldjägerkommandos durch die Verleihung gerichtsherrlicher Rechte erweitert worden war, handelte es sich bei dem Befehl vom 15.05.1944 insbesondere wegen seines die drei Wehrmachtteile und die Waffen-SS umfassenden Geltungsbereiches dennoch um eine spürbare Reaktion der Wehrmachtführung auf die immer verzweifelter werdende Gesamtkriegslage des Jahres 1944. Das dargestellte beachtliche Gesamtspektrum der den Feldjägern zustehenden Befugnisse hat dann bis zum Kriegsende keine Veränderung mehr erfahren.

D. Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht im Vergleich mit der Feldjägertruppe der Bundeswehr Im Gegensatz zum Feldjägerkorps der SA kann den Feldjägerkommandos der Wehrmacht nicht schon auf den ersten Blick attestiert werden, daß es sich um dem Nationalsozialismus verhaftete Formationen gehandelt habe. Als ein integraler Bestandteil der deutschen Streitkräfte des zweiten Weltkrieges müssen sich jedoch auch die Feldjägerkommandos an demjenigen Maßstab messen lassen, der nach dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion an die Wehrmacht als Ganzes angelegt wird. Insoweit ist bei objektiver Betrachtungsweise dann die Feststellung unausweichlich, daß die Feldjägerkommandos ebenso wie die gesamte Wehrmacht von einem diktatorischen Regime bewußt für einen aggressiven, expansionistischen, rassistischen und hegemonialen Angriffskrieg zur „Eroberung von Lebensraum" mit allen ihren heute bekannten verbrecherischen Begleiterscheinungen instrumentalisiert worden sind. 153 Unabhängig davon, ob die einzelnen Feldjäger tatsächlich an der Begehung unrechtmäßiger Handlungen beteiligt waren oder ob sie bona fide nichts anderes als ihre Pflicht getan haben, waren gerade die Erfolge und Leistungen einer Truppengattung, die der Aufrechterhaltung der Manneszucht und der Stärkung der

153 Vgl. die Rede des damaligen Bundesministers der Verteidigung Volker Rühe in der Debatte des Deutschen Bundestages über die sogenannten „Wehrmachtsausstellung", Sten.-Ber. BT, 13. Wahlperiode, Band 187, 163. Sitzung, S. 14721 (D), sowie Thiele-Jacobsen, S. 28 f., und ders.-Senghaas, S. 116.

D. Die Feldjägerkommandos im Vergleich mit der Feldjägertruppe

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Kampfkraft der Frontverbände diente, dafür mitverantwortlich, daß die nationalsozialistischen Machthaber nicht schon früher daran gehindert werden konnten, ihre „völkischen" Zielsetzungen weiter zu verfolgen. 154 Die Feldjägerkommandos können daher nach heutigem Erkenntnisstand ebensowenig wie die Wehrmacht in ihrer Gesamtheit als vorbildhaft für die Streitkräfte in einem demokratischen Staat bezeichnet werden. Als überlieferungswürdig erscheinen vielmehr allein die Haltung und die Leistung einzelner Soldaten, die - wie etwa die Offiziere des 20. Juli 1944, aber auch viele Wehrmachtangehörige im Einsatz an der Front - widrigen Befehlen und Umständen zum Trotz ihre Ehrenhaftigkeit und Unbescholtenheit bewahrt haben. 155 Darüber hinausgehende Rückbezüge auf die Wehrmacht oder ihre Truppengattungen sind mithin für eine Institution wie die Bundeswehr weder sinnvoll noch hilfreich. 156 Diese Erkenntnis hindert indessen nicht daran, sich losgelöst von politischen und moralischen Wertvorstellungen mit der Geschichte der deutschen Streitkräfte im zweiten Weltkrieg auseinanderzusetzen.157 Wenn daher die Feldjäger154 In diesem Sinne hat etwa Helmut Schmidt in seinem Geleitwort zum Buch von Johannes Steinhoff „Deutsche im Zweiten Weltkrieg - Zeitzeugen sprechen" ausgeführt, man könne „als Deutscher den Zweiten Weltkrieg eine Tragödie unseres Pflichtbewußtseins nennen" (zitiert nach Thiele-von Scheven, S. 127). In ähnlicher Weise hat auch Jacobsen es als „das fast beispiellos zu nennende Dilemma der Wehrmacht" bezeichnet, daß „die Soldaten unter den damaligen Bedingungen meinten, mutig für den Sieg kämpfen zu müssen, während sie gleichzeitig für die Niederlage zu beten hatten" (Thiele-Jacobsen, S. 49). An anderer Stelle hat Jacobsen die „Mittäterschaft der Wehrmacht im historischen Sinne" zudem noch folgendermaßen umrissen: „Die Mitverantwortung, die wir sehen müssen, im Kontext der Wechselwirkung von Politik und Kriegsführung, liegt auch darin: Hätten wir vorne an der Front nicht so hervorragend gekämpft oder wären unsere Fronten schneller zusammengebrochen, dann hätten die Mordakteure gar nicht das tun können, was sie getan haben. Mit anderen Worten: Ob wir wollten oder nicht, wir haben die SS-Sonderkommandos abgeschirmt" (Thiele-Jacobsen, S. 27 f.). Vgl. schließlich auch die Rede des ehemaligen Verteidigungsministers Rühe im Bundestag (Sten.-Ber. BT, a.a.O. (s.o. Fn. 153), S. 14721 (D) f.): „Die Wehrmacht war die Armee einer Diktatur. Objektiv war sie das Instrument Hitlers zur Führung eines verbrecherischen Angriffskrieges. Ihre militärischen Erfolge waren vor allem im Osten - die Voraussetzung für Unrecht und Vernichtung. [...]. Daß der subjektiv ehrenhafte und tapfere Dienst objektiv mit dem Einsatz für ein verbrecherisches System einherging, das macht die Tragik soldatischen Pflichtbewußtseins im Zweiten Weltkrieg aus." 155 So beispielsweise Thiele-von Scheven, S. 135, und Rühe in seiner Bundestagsrede am 13.03.1997 [Sten.-Ber. BT, a.a.O. (s.o. Fn. 153), S. 14721 (C)]. Dementsprechend unterschied auch der am 17.11.1995 auf der Kommandeurstagung der Bundeswehr vom Bundespräsidenten und dem Verteidigungsminister bestätigte Traditionserlaß der Bundeswehr konsequent zwischen „der Wehrmacht als dem Instrument eines verbrecherischen Regimes und den Soldaten, so sie ehrenhaft und ohne sich etwas zu schulden haben kommen lassen, gekämpft haben (vgl. dazu Thiele-Altenburg, S. 104, S. 124 und S. 154 f.). 156 Zutreffend: Thiele-Senghaas, S. 116. 157 von Scheven bezeichnet es sogar als eine Aufgabe der Bundeswehr im Rahmen der politischen Bildung, die Geschichte der Wehrmacht im zweiten Weltkrieg ohne

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

kommandos der Wehrmacht im folgenden mit der heutigen Feldjägertruppe verglichen werden, so geschieht dies nicht, um im Falle feststellbarer Übereinstimmungen etwaige Kontinuitäten zu konstruieren, sondern alleine zu dem Zweck, der Aufgabenstellung für den ersten Teil dieser Arbeit folgend zu überprüfen, inwieweit eine als Feldjäger bezeichnete Truppengattung auch schon vor der Gründung der Bundeswehr militärpolizeiliche Charakteristika aufgewiesen hat. Beginnt man den Vergleich der beiden Truppengattungen nun mit den von den Wehrmachts-Feldjägern schwerpunktmäßig wahrgenommenen ordnungsdienstlichen Aufgaben, so stellt man sehr schnell fest, daß die heutigen Feldjäger ebenso wie ihre Vorläufer ganz allgemein den ständigen Auftrag haben, im Dienst diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der militärischen Ordnung und Disziplin erforderlich sind. 1 5 8 Zu diesem Zweck werden Sie im Regelfall zum Streifendienst eingeteilt und dienen so in gleicher Weise wie die Feldjäger der Wehrmacht auch dem präventiven Ziel, Dienstvergehen und Disziplinlosigkeiten allein schon durch ihre sichtbare Anwesenheit zu verhindern. 159 Über diese eher allgemeinen Gemeinsamkeiten hinaus gibt es zwischen den beiden Feldjägertruppen aber auch noch in bezug auf einzelne ordnungsdienstliche Tätigkeiten deutlich erkennbare Parallelen. So findet sich etwa die Nachforschung nach fahnenflüchtigen Soldaten - oder entflohenen Kriegsgefangenen sowohl im Aufgabenspektrum der Wehrmachts-Feldjäger als auch im Katalog der von den Feldjägern der Bundeswehr zu erfüllenden Obliegenheiten.160 Auch die Mitwirkung beim Lenken von Flüchtlingsbewegungen gehört zu denjenigen Tätigkeiten, die von den Angehörigen der hier zu vergleichenden Truppengattungen gleichermaßen zu erledigen waren und sind. 161 Schließlich ist auch noch das Sammeln und Rückführen von Versprengten als eine Aufgabe zu bezeichnen, die beiden Feldjägerformationen gemeinsam ist, denn obgleich die heutigen Feldjäger nicht mehr in demselben Ausmaß wie ihre Vorgänger am Aufbau von entsprechenden Auffangorganisationen beteiligt sind, gehört es doch gemäß Auslassungen darzustellen (Thiele-von Scheven, S. 134); ähnlich auch Rühe in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag [Sten.-Ber. BT, a.a.O. (s.o. Fn. 153), S. 14722 (C)]. 158 Vgl. ZDv 75/100, Nr. 107, 115 und 401 f., sowie HDv 360/200, Nr. 104, 1001 und 1101. 159 Vgl. ZDv 75/100, Nr. 403, und HDv 360/200, Nr. 1103 f. 160 Vgl. dazu ZDv 75/100, Nr. 703, 713 bis 717, 922 und Anlage 9, sowie HDv 360/200, Kapitel 12 und Anlage B 3. 161 Da sich diese Aufgabe nicht eindeutig dem militärischen Ordnungsdienst zuordnen läßt, wird sie von der ZDv 75/100 nicht in ihrem Kapitel 4 geregelt, sondern dem sogenannten „aufgabenübergreifenden Einsatz" zugerechnet und daher erst in der Nr. 904 erwähnt; vgl. im übrigen auch ZDv 75/100, Nr. 126. Die HDv 360/200 schweigt insoweit hingegen ganz.

D. Die Feldjägerkommandos im Vergleich mit der Feldjägertruppe

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ZDv 75/100, Nr. 137 f., 406 und 918 bis 920, sowie gemäß HDv 360/200, Kapitel 17, noch immer zu ihren Pflichten, an der Einrichtung und Überwachung von Versprengtensammelstellen und -linien mitzuwirken. In gleicher Weise, wie sonach auf dem Gebiet des militärischen Ordnungsdienstes zahlreiche Übereinstimmungen zwischen den Feldjägern der Wehrmacht und denjenigen der Bundeswehr feststellbar sind, finden sich auch im Rahmen des militärischen Verkehrsdienstes weitreichende Gemeinsamkeiten. So handelt es sich etwa bei der Marschstraßenerkundung um eine Obliegenheit, die gemäß ZDv 75/100, Nr. 512, 536 bis 539, und HDv 360/200, Nr. 2108 bis 2111, von den heutigen Feldjägern ebenso zu erfüllen ist wie von ihren Vorgängern. Ferner läßt sich auch die Durchführung von Verkehrskontrollen im Aufgabenspektrum beider Truppengattungen nachweisen.162 Ohne weiteres miteinander vergleichbar sind überdies auch diejenigen verkehrsdienstlichen Tätigkeiten, die den beiden Feldjägerformationen in den Bereichen der Verkehrsregelung, der Verkehrsüberwachung, der Beseitigung von Verkehrshindernissen, des Auflösens von Stauungen und der Gewährleistung des reibungslosen Versorgungsverkehrs für die Front übertragen worden sind. 163 Indessen ist damit der Umfang der vergleichbaren Aufgaben noch keineswegs ausgeschöpft. Vielmehr ist über die bislang erzielten Resultate hinaus festzustellen, daß den Feldjägern der Wehrmacht mit der Vereitelung von Spionage- und Sabotageakten eine Verpflichtung auferlegt worden war, die auch zu den Obliegenheiten der heutigen Feldjägertruppe zu zählen ist, da diese gemäß ZDv 75/ 100, Nr. 117 und 601; HDv 360/200, Nr. 3003, ganz allgemein für den Schutz der Bundeswehr vor Straftaten zu sorgen hat und daher vor allem durch Absicherungsmaßnahmen gewährleisten muß, daß die Streitkräfte insbesondere nicht 162 Die von den Bundeswehr-Feldjägern gemäß ZDv 75/100, Nr. 512, 515, 521 bis 525 und 723, sowie HDv 360/200, Nr. 2001, Kapitel 25 und Anlagen A 9, C 12, C 16 und C 17, durchzuführenden Verkehrskontrollen dienen der Überprüfung von Dienstfahrzeugen und Gefahrguttransporten, der Überwachung des Fahrverhaltens und der Fahrtüchtigkeit der Kraftfahrer sowie der Kontrolle des ruhenden Verkehrs. Sie verfolgen daher ausschließlich verkehrsdienstliche Zwecke. Soweit die Feldjäger der Wehrmacht darüber hinaus auch noch den von der Front aus zurücklaufenden Verkehr verdachtsunabhängig auf seine Notwendigkeit hin überprüfen mußten, um auf diese Weise solche Soldaten, die keinen hinreichend begründeten Auftrag für ihre Rückwärtsbewegung hatten, herausfiltern und zum Kampfeinsatz zurückschicken zu können, handelte es sich dabei um Verkehrskontrollen mit einer ordnungsdienstlichen Zielrichtung, für die es im Katalog der den heutigen Feldjägern obliegenden Pflichten keine Entsprechung gibt. Letztere dürfen vielmehr gemäß Nr. 110 der HDv 360/200 die Angehörigen der Bundeswehr überhaupt nur dann überprüfen, wenn dies allgemein angeordnet ist, sie die Identität eines Soldaten feststellen müssen, um ihren Auftrag erfüllen zu können, oder der Verdacht auf eine Dienstpflichtverletzung vorliegt. Verdachtsunabhängige ordnungsdienstliche Verkehrskontrollen der beschriebenen Art sind daher den Bundeswehr-Feldjägern grundsätzlich sogar untersagt. 163 Vgl. insoweit etwa ZDv 75/100, Nr. 136, 501, 512, 514 bis 516, und HDv 360/ 200, Kapitel 20 f. und Kapitel 23.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

durch die in den §§ 109 d ff. StGB unter Strafe gestellten Verhaltensweisen beeinträchtigt werden. 164 Eine deutlich erkennbare Gemeinsamkeit beider Truppengattungen besteht zudem auch darin, daß reine Kampfeinsätze bei den Feldjägern der Wehrmacht grundsätzlich ebenso unzulässig waren, wie dies bei der Feldjägertruppe der Bundeswehr noch heute der Fall ist. Letztere darf nämlich gemäß ZDv 75/100, Nr. 119, allenfalls dann zur Bekämpfung von Feindkräften herangezogen werden, wenn dies bei Gelegenheit eines Einsatzes zum Schutz rückwärtiger Gebiete unvermeidlich erscheint, um die Verteidigung bedeutsamer ziviler oder militärischer Objekte sicherstellen zu können. Schließlich stimmt das Aufgabengebiet der Wehrmachts-Feldjäger auch insoweit noch mit demjenigen der heutigen Feldjäger überein, als es die Hilfeleistung für einzelne Personen und bei Notfällen aller Art umfaßte, denn die Verpflichtung, hilfebedürftigen Soldaten beizustehen ist in den Dienstvorschriften der BundeswehrFeldjäger ebenso vorgesehen wie die Mitwirkung bei Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen oder bei Einsätzen anläßlich schwerer Unglücksfälle. 165 Demgegenüber ist allerdings einzuräumen, daß es der von den Feldjägerkommandos der Wehrmacht wahrgenommenen „Auskämmfunktion" an jeglicher Entsprechung im Aufgabenspektrum der Bundeswehr-Feldjäger fehlt. Obwohl sonach feststeht, daß die Tätigkeitsbereiche beider Feldjägertruppen nicht vollständig deckungsgleich sind, kann das Ausmaß ihrer Gemeinsamkeiten insgesamt doch als beispiellos bezeichnet werden. Das wird vor allem auch dadurch bestätigt, daß die Feldjägerkommandos der Wehrmacht im Gegensatz zu allen übrigen Truppenteilen, die bislang Gegenstand der Betrachtung gewesen sind, nicht lediglich bezüglich ihrer Aufgaben mit den Feldjägern der Bundeswehr verglichen werden können. 166 Vielmehr lassen sich auch hinsichtlich der Organisation beider Formationen weitere Übereinstimmungen aufzeigen. Zwar unterscheiden sich die jeweiligen Einsatzgrundsätze, da die Feldjägertruppe der Bundeswehr gemäß ZDv 75/100, Nr. 108 und 319, grundsätzlich raumdeckend einzusetzen ist, während die Wehrmachts-Feldjäger - sieht man einmal von der geschlossenen Verwendung zur Bildung einer Auffangorganisation im Rücken der gesamten Westfront ab - den Absichten des Oberkommandos der Wehrmacht zufolge nur schwerpunktmäßig an einzelnen Kriegsschauplätzen tätig werden sollten. Auch entziehen sich die vorgesehenen Unterstellungsverhältnisse jeglichem Vergleich, da die Bundeswehr-Feldjäger im Gegensatz zu ihren

164 Vgl. zu den Absicherungsmaßnahmen der heutigen Feldjäger insbesondere: ZDv 75/100, Nr. 606, 609 f., 615 ff.; HDv 360/200, Nr. 3012 und Kapitel 31; siehe im übrigen auch das 8. Kapitel der ZDv 75/100, das sich u.a. mit dem Schutz von Objekten vor Beschädigungen, Zerstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen befaßt. 165 Vgl. ZDv 75/100, Nr. 107, 129 f., 906, 915 bis 917 und Anlage 4, sowie HDv 360/200, Kapitel 34. 166 So ist schon in Fn. 58 ausführlich auf die bestehenden Parallelen in bezug auf die äußere Kennzeichnung der Feldjäger und ihrer Fahrzeuge hingewiesen worden.

D. Die Feldjägerkommandos im Vergleich mit der Feldjägertruppe

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Vorläufern nicht unmittelbar der obersten Führungsebene unterstehen, sondern gemäß ZDv 75/100, Nr. 321 ff., den einzelnen Wehrbereichen und Divisionen zugeordnet sind. Schon in bezug auf das Anforderungsprofil, dem ein im Feldjägerdienst verwendeter Soldat genügen muß, bestehen jedoch wiederum signifikante Ähnlichkeiten. So fordert die ZDv 75/100 in ihrer Nr. 113 von den Feldjägern vorbildliches Verhalten, Konfliktresistenz und Konsensfähigkeit und zählt damit Eigenschaften auf, die auch schon in der Wehrmacht zu den Voraussetzungen für eine Verwendung in den drei Feldjägerkommandos gehört haben. Beiden Truppenteilen ist zudem gemeinsam, daß ihre Zuständigkeit alle Teilstreitkräfte erfaßte und in örtlicher Hinsicht keineswegs auf den jeweiligen Einsatzraum beschränkt war. 1 6 7 Dehnt man die Betrachtung schließlich noch auf die Befugnisse aus, die den Angehörigen der beiden Feldjägerformationen eingeräumt worden sind, finden sich auch insoweit zahlreiche Parallelen. So sind die Feldjäger der Bundeswehr ähnlich wie ihre Vorgänger zunächst einmal dazu berechtigt, anderen Soldaten, die einer niedrigeren Dienstgradgruppe angehören, in und außer Dienst Befehle zu erteilen. 168 Zudem haben die heutigen Feldjäger gemäß ZDv 75/100, Nr. 201, und HDv 360/200, Nr. 117, die Rechtsstellung von Soldaten inne, denen nach ihrer Dienststellung ein besonderer Aufgabenbereich zugewiesen ist. Ebenso wie die Angehörigen der Feldjägerkommandos in der Wehrmacht sind sie daher allein aufgrund des ihnen übertragenen Aufgabenbereiches gemäß § 3 W O dazu befugt, auch solchen Soldaten rechtswirksame Befehle zu erteilen, die einen höheren Dienstgrad bekleiden oder sogar einer übergeordneten Dienstgradgruppe angehören. 169 Da überdies die Vorgesetzten in der Bundeswehr in glei167 Vgl. ZDv 75/100, Nr. 101 und 301, wonach die Feldjägertruppe ihren Dienst für die gesamte Bundeswehr (für alle Teilstreitkräfte, die Bundeswehrverwaltung, die Rechtspflege der Bundeswehr und die Militärseelsorge) versehen muß. 168 Anders als in der Wehrmacht räumt § 4 III der „Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses" (WO) vom 04.06.1956 (BGBl. I 1956, S. 459) einem Bundeswehrsoldaten diese Befugnis allerdings lediglich innerhalb umschlossener militärischer Anlagen ein. Insoweit ging also der in Abschnitt C) der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht deutlich über den in § 4 III W O enthaltenen Rechtstitel hinaus. Hingegen stimmt die Reichweite der auf den höheren Dienstgrad gestützten Befehlsbefugnis gemäß § 4 III W O in persönlicher Hinsicht mit der Rechtslage in der Wehrmacht weitgehend überein, da die Dienstgradgruppen in der Bundeswehr den von den Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis vorgesehenen Rangklassen entsprechen. Ein Unterschied besteht in diesem Zusammenhang also nur deshalb, weil nach § 4 i n W O ein Unteroffizier mit Portepee auch gegenüber einem anderen Unteroffizier, der nicht zu den Portepeeträgern gehört, Befehle zu erteüen berechtigt ist, während die Unteroffiziere der Wehrmacht untereinander niemals allein aufgrund ihres Dienstgrades befehlsbefugt sein konnten [näher dazu oben sub C. I. 1. a)]. 169 Insoweit geht die durch § 3 W O vermittelte Rechtsmacht sogar deutlich über die vergleichbare Befehlsbefugnis in der Wehrmacht hinaus, da sie im Gegensatz zu der durch die Bestimmungen vom 01.10.1940 begründeten Vorgesetzteneigenschaft kraft Dienstauftrags, die - wie oben sub. C. I. 1. b) näher ausgeführt - Angehörige

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

eher Weise wie diejenigen in der Wehrmacht verpflichtet sind, den von ihnen erteilten Befehlen Gehorsam zu verschaffen, 170 existiert auch insoweit eine Vergleichbarkeit zwischen den Angehörigen der heutigen Feldjägertruppe und den Feldjägern des zweiten Weltkrieges. Wie ihre Vorgänger sind die BundeswehrFeldjäger demnach gleichermaßen berechtigt und verpflichtet, ihre dienstlichen Anweisungen in einer den Umständen angemessenen Weise durchzusetzen. 171 Dabei können sie ebenso wie die Wehrmachts-Feldjäger Belehrungen aussprechen, 172 ihren Befehl wiederholen, 173 dem unmittelbaren Vorgesetzten des ungehorsamen Soldaten Meldung erstatten, 174 erzieherische Maßnahmen ergreifen 1 7 5 oder sogar Zwangsmittel anwenden. Wenngleich die Angehörigen der Feldjägertruppe der Bundeswehr im Gegensatz zu den Feldjägern der Wehrmacht im allgemeinen nicht über disziplinare Befugnisse verfügen, 177 steht ihnen doch ebenso wie ihren Namens Vorläufern höherer Ranggruppen nicht zu erfassen vermochte, in persönlicher Hinsicht keinerlei Begrenzungen unterworfen ist (Scherer/Alff, § 1 SG Rn. 66). Anders als in der Wehrmacht ist daher in der Bundeswehr unter den Voraussetzungen des § 3 W O selbst ein Feldjäger mit Mannschaftsdienstgrad befugt, auch Offizieren einschließlich der Generale Befehle zu erteilen (vgl. Heinen, S. 102). 170 Anders als nach der früheren Rechtslage hat diese Pflicht heute auch in einer gesetzlichen Regelung (§ 10 V 2 SG) ihren Niederschlag gefunden (näher dazu oben. Fn. 76). 171 Vgl. auch ZDv 75/100, Nr. 204, und HDv 360/200, Nr. 117. 172 HDv 360/200, Nr. 114. 173 Auch heute noch stellt die Wiederholung eines Befehls ein weitaus wirksameres Mittel dar, als dies auf den ersten Blick den Anschein hat, da ein Soldat gemäß § 20 I Nr. 2 WStG die Strafbarkeitsschwelle überschreitet, wenn er darauf beharrt, einen Befehl nicht zu befolgen, nachdem dieser wiederholt worden ist (vgl. zur entsprechenden Rechtslage nach § 94 I Alt. 2 RMStGB oben Fn. 78). 174 So die HDv 360/200 in ihrer Nr. 116 f.; vgl. zum Meldewesen der Feldjägertruppe im übrigen ZDv 75/100, Nr. 152 ff. und Anlage7; HDv 360/200, Kapitel 6 und Anlage A 7. 175 Heinen, S. 106; Scherer/Alff, § 10 SG Rn. 57. 176 ZDv 75/100, Nr. 204; HDv 360/200, Nr. 117; insoweit ist jedoch zu beachten, daß der Gebrauch der Schußwaffe zur Durchsetzung eines Befehls heute im Gegensatz zur früheren Rechtslage nach § 124 RMStGB nicht mehr zulässig ist (Heinen, S. 110 f.; Scherer/Alff, § 10 SG Rn. 58; Scholz/Lingens, § 46 WStG Rn. 8). Die ZDv 75/100 untersagt in ihrer Nr. 204 darüber hinaus sogar, den Schuß Waffengebrauch zum Zwecke der Gehorsamsverschaffung auch nur durch schlüssiges Verhalten anzudrohen. Überdies ist darauf hinzuweisen, daß die auf § 10 V 2 SG gestützte Befehlsdurchsetzung stets unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen muß, während gemäß § 124 RMStGB nach richtiger Ansicht nicht einmal die Beachtung des Erforderlichkeitsprinzips notwendig war [dazu oben sub C. II. 1.]. 177 Lediglich die Führer eines Feldjägerdienstkommandos können gemäß ZDv 75/ 100, Nr. 102, als sogenannte „Notdisziplinarvorgesetzte" (vgl. dazu Dau, § 27 WDO Rn. 1 f.) in dem von § 27 I WDO vorgegebenen Rahmen Disziplinargewalt ausüben. Gemäß § 27 HI WDO setzt das jedoch voraus, daß „die militärische Disziplin ein sofortiges Einschreiten erfordert und der an sich zuständige Disziplinarvorgesetzte hierzu nicht erreichbar ist" (näher dazu: Heinen, S. 287 ff.). Da somit die Notdiszipli-

D. Die Feldjägerkommandos im Vergleich mit der Feldjägertruppe

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ein disziplinares Festnahmerecht zu. Da sie nämlich gemäß ZDv 75/100, Nr. 206, und HDv 360/200, Nr. 120, als Angehörige des militärischen Ordnungsdienstes im Sinne des § 17 I I 1 Nr. 1 WDO anzusehen sind, können sie alle Soldaten der Bundeswehr, deren Disziplinarvorgesetzte nicht auf der Stelle erreichbar sind, wegen eines Dienstvergehens vorläufig festnehmen, wenn es die Aufrechterhaltung der Disziplin gebietet. Ohne wie ihre Vorgänger die Stellung von Disziplinarvorgesetzten innezuhaben, können die Bundeswehr-Feldjäger demnach auf ein Festnahmerecht zurückgreifen, das nicht nur bezüglich seiner Rechtsnatur, sondern auch mit Blick auf seine Voraussetzungen und Rechtsfolgen den für die Feldjäger der Wehrmacht gültigen Prinzipien einer Festnahme aufgrund des ehemaligen § 30 WDStO weitgehend entspricht. 178 Daher sind die Feldjäger auch heute noch dazu befugt, den Widerstand, den eine festzunehmende Person ihrer Freiheitsentziehung entgegensetzt, mit angemessenen Mitteln zu brechen. 179 Auch können sie ebenso wie die Feldjäger der Wehrmacht die festgenommenen Soldaten entwaffnen und ihnen etwaige gefährliche Gegenstände sowie die Ausweise abnehmen.180 Soweit erforderlich darf der aufgrund des § 17 WDO festgenommene Soldat überdies in gleicher Weise wie in früheren Zeiten ein arretierter Wehrmachtangehöriger mit Handschließen oder mit anderen Mitteln wie etwa Stricken oder Riemen gefesselt werden. 181 Schließlich liegt auch insoweit noch eine Übereinstimmung zwischen den beiden Festnahmerechten vor, als gemäß § 17 V 1 WDO genau wie in früheren Zeiten gemäß § 30 IV WDStO die exakten Zeitpunkte der Festnahme und der späteren Freilassung schriftlich zu vermerken sind, damit nach Maßgabe des § 35 WDO über eine Anrechnung der erlittenen Freiheitsentziehung auf eine sich etwaig anschließende Disziplinarmaßnahme entschieden werden kann. 182 In diesem Zusammenhang ist sodann noch darauf hinzuweisen, daß die Rechtsstellungen, die den Feldjägern der Wehrmacht und denen der Bundeswehr eingeräumt worden sind, auch in bezug auf das strafprozessuale Festnahmerecht des § 127 StPO übereinstimmen, da es den heutigen Feldjägern ebenso wie ihren Vorgängern gestattet ist, neben ihren spezifisch wehrrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen auch auf dieses Jedermannrecht zurückzugreifen. 183

nargewalt der heutigen Feldjäger sowohl in bezug auf ihre Voraussetzungen als auch hinsichtlich des berechtigten Personenkreises weit hinter den disziplinarstrafrechtlichen Befugnissen der Wehrmachts-Feldjäger zurückbleibt, kann sie beim Vergleich der jeweiligen Rechtsstellungen ohne weiteres außer Betracht gelassen werden. 178 Vgl. dazu Dau, § 17 WDO Rn. 1. 179 HDv 360/200, Nr. 121; siehe überdies auch ZDv 10/6, Nr. 1209 a.E. 180 HDv 360/200, Nr. 121 und 124; vgl. auch ZDv 10/6, Nr. 1210, und Dau, § 17 WDO Rn. 12. 181 Dau, § 17 WDO Rn. 13; HDv 360/200, Nr. 131 und Anlage A 2. 182 Dau, § 17 WDO Rn. 46 m.w.N.; vgl. auch ZDv 10/6, Nr. 1218 und 1221.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

Anders verhält es sich indessen im Hinblick auf die übrigen Eingriffsrechte der Wehrmacht-Feldjäger. So fehlt es deren gerichtsherrlichen Befugnissen schon deshalb an einer Vergleichbarkeit, weil bislang noch nicht einmal von der in Art. 96 I I GG vorgesehenen Möglichkeit, Wehrstrafgerichte für die Bundeswehr einzurichten, Gebrauch gemacht worden ist. 1 8 4 Zudem sind die heutigen Feldjäger nicht berechtigt, andere Soldaten einstweilig ihres Dienstpostens zu entheben. Da sie fernerhin - wie oben bereits ausgeführt - keine der Auskämmfunktion der historischen Feldjäger vergleichbare Aufgabe zu erfüllen haben, steht ihnen folgerichtig auch die speziell auf diese Tätigkeit zugeschnittene Befugnis nicht zu, rückwärtige Einrichtungen, Dienststellen und Truppenteile aller Teilstreitkräfte zu überprüfen, auszukämmen und ggf. sogar aufzulösen. Gleichwohl kann insgesamt ohne weiteres festgehalten werden, daß die beiden Feldjägertruppen auch mit Blick auf die Art und Weise, in der die jeweilige Rechtsstellung ihrer Angehörigen ausgestaltet worden ist, ein hohes Maß an Übereinstimmungen aufweisen. Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht stellten daher eine Truppengattung dar, die nicht nur hinsichtlich einzelner Aufgabengebiete und in bezug auf ihre Organisation, sondern vielmehr auch mit Blick auf den Befugnisrahmen ihrer Angehörigen mit den Bundeswehr-Feldjägern verglichen werden kann.

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Allg. Meinung, vgl. statt aller nur Jess! Mann 2, § 6 UZwGBw Rn. 10, sowie ZDv 75/100, Nr. 222. Hingegen ist die Frage, ob und ggf. inwieweit ein Staatsorgan darüber hinaus auch auf das allgemeine Notwehrrecht zurückgreifen kann, in Rechtsprechung und Literatur umstritten; sie wird jedoch von der überwiegenden Ansicht zu Recht dahingehend beantwortet, daß der Erlaubnistatbestand des § 32 StGB jedenfalls dann auch zugunsten eines Hoheitsträgers herangezogen werden kann, wenn entweder dessen eigene Person angegriffen wird oder „private" Rechtsgüter Dritter der Verteidigung bedürfen (vgl. Schönke/Schröder-Lencbier/Perron, 32 StGB Rn. 42a ff. mit zahlreichen Hinweisen auf den breitgefächerten Meinungsstand). Darüber hinaus hält es die wohl h. M. im Strafrecht aber auch für möglich, daß durch den § 32 StGB unter der Voraussetzung, daß öffentlich-rechtliche Spezialregelungen einen bestimmten Sachverhalt nicht abschließend erfassen, auch hoheitliche Befugnisse des Staates und seiner Organe zu Eingriffen in Grundrechte der Bürger begründet werden (vgl. nur Schönke/Schröder, a.a.O.; a.A. aber etwa SK-Günther, § 32 StGB Rn. 16 m.w.N.). Übertragen auf die Situation der Feldjäger bedeutet dies, daß sie auf der Grundlage des § 32 StGB nicht nur im Falle einer persönlichen Bedrohung, sondern grundsätzlich auch dann zu Eingriffen in die bürgerliche Freiheitssphäre berechtigt sind, wenn es um Sachverhaltskonstellationen geht, die außerhalb des Anwendungsbereiches des UZwGBw liegen (vgl. Heinen, S. 89; a.A. aber offenbar Jesst Mann 2, § 15 UZwGBw Rn. 58). In diesem Sinne wird den Feldjägern auch von der ZDv 75/100, Nr. 221, für den Fall, daß „Rechtsgrundlagen aus dem UZwGBw nicht zur Verfügung stehen", ein Einschreiten „zur Erreichung dienstlicher Zwecke [...] auf der Grundlage von Notwehr und Nothilfe" gestattet. Unter Beachtung der skizzierten Grenzziehung können sich demnach die Feldjäger der Bundeswehr in gleicher Weise wie ihre Vorgänger auf den § 32 StGB berufen; auch im Hinblick auf das allgemeine Notwehrrecht läßt sich mithin eine Vergleichbarkeit der Rechtsstellungen feststellen, die den Angehörigen der beiden Feldjägertruppen zugebilligt worden sind. 184 Vgl. dazu auch die Fn. 13 der Einführung.

E. Zusammenfassung und Ergebnis

253

E. Zusammenfassung und Ergebnis Die Feldjägertruppe der Wehrmacht verdankt ihre Existenz nachweislich einem Führerbefehl vom 27.11.1943. Danach sollten aus besonders ausgewählten Soldaten aller Wehrmachtteile und der Waffen-SS drei Feldjägerkommandos errichtet werden, um der immer sichtbarer werdenden Verschlechterung der Gesamtkriegslage durch die Wiederherstellung des personellen Gleichgewichts zwischen rückwärtigen Diensten und Front sowie durch Aufrechterhaltung der soldatischen Disziplin und Ordnung entgegenzusteuern. Insgesamt versprach man sich von dieser Maßnahme, daß mindestens eine Millionen Mann für die Verstärkung der Fronttruppen gewonnen werden könnten. Nachdem dann die Aufstellung der Feldjägerkommandos Ende Januar 1944 abgeschlossen worden war, nahmen diese ihre Tätigkeit in der darauffolgenden ersten Februarwoche im Rücken der Ostfront auf. Entsprechend der für die Feldjäger erarbeiteten Führungsgrundsätze wurden die Kommandos dabei nicht etwa raumdeckend, sondern lediglich im Bereich begrenzter Frontabschnitte eingesetzt. Ihre Verwendung erfolgte also grundsätzlich streng bedarfsorientiert und diente in erster Linie der militärpolizeilichen Schwerpunktbildung auf besonders gefährdeten Kriegsschauplätzen. Für die Auswahl solcher Einsatzräume war allein der Chef des OKW verantwortlich, dem die Feldjägerkommandos konsequenterweise auch in jeder Hinsicht unmittelbar unterstellt waren. Jedes der drei Kommandos untergliederte sich in einen Stab, der neben dem üblichen Funktionspersonal auch eine Kraftfahrzeug- und Instandsetzungsstaffel, einen Wehrmacht-Chefrichter sowie eine Flugbereitschaft umfaßte, und ein später in Feldjägerregiment umbenanntes Feldjägerbataillon mit jeweils fünf Abteilungen in Kompaniestärke, deren Stäben ebenfalls ein Wehrmachtrichter zugeordnet war. Diese Feldjägerabteilungen, denen ein Befehlshaber im Generalsrang vorstand, verfügten über etwa 50 bis 55 vollmotorisierte Streifen, die in aller Regel von einem Stabsoffizier geführt wurden und aus zwei bis drei älteren Unteroffizieren bestanden. Die Befehlshaber der so gegliederten Feldjägerkommandos standen im Rang dem Oberbefehlshaber einer Armee gleich. Inwieweit die Feldjäger in den wenigen verbleibenden Kriegsmonaten die in sie gesetzten Erwartungen hinsichtlich der Kampfkraftverstärkung der Fronttruppen erfüllt haben, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Tatsächlich ist jedoch kein Fall bekannt, in dem es ihnen gelungen wäre, den Verlust eines Frontabschnittes dauerhaft zu verhindern. Dementsprechend teilten sie im weiteren Verlauf des Krieges dann auch das Schicksal derjenigen Truppenverbände, in deren Rücken sie eingesetzt waren. So ging etwa das Feldjägerkommando I I gemeinsam mit der Heeresgruppe Schörner im allgemeinen Zusammenbruch in Schlesien unter. Eine Ausnahme stellten lediglich die noch einsatzfähigen Reste des Feldjägerkommandos I I I dar, da es Ihnen gelungen war, sich mit den dem Generalfeldmarschall Kesselring unterstellten Truppenteilen in die sogenannten

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

„Alpenfestung" zurückzuziehen. Dort wurden sie nach Kriegsende von den Amerikanern dazu verwendet, den militärischen Verkehrs- und Ordnungsdienst für die in Kriegsgefangenschaft geratenen deutschen Soldaten zu versehen. Da sie aus diesem Grunde ihre Waffen erst am 23.06.1945 niederlegen mußten, handelte es sich beim Feldjägerkommando EI um die von den Siegermächten zuletzt entwaffnete militärische Organisation der Wehrmacht. Den oben geschilderten Motiven für ihre Gründung entsprechend hatten die Feldjägerkommandos vor allem ordnungsdienstliche Aufgaben zu erfüllen. Diese beinhalteten zum einen das Überwachen und Auskämmen rückwärtiger Einrichtungen, Dienststellen und Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS mit dem Ziel, dort vorgefundenes überzähliges Personal und Material den an der Front kämpfenden Truppen zuzuführen, andererseits gehörte es aber auch zu den Obliegenheiten der Feldjäger, die militärische „Zucht und Ordnung in jeder Lage" aufrechtzuerhalten und erforderlichenfalls wiederherzustellen. Daher mußten sie neben den durch das RMStGB inkriminierten Verhaltensweisen auch die zwar nicht die Strafbarkeitsschwelle überschreitenden, gleichwohl aber unerwünschten Korruptionserscheinungen des sogenannten „ E t a p p e n l e b e n s " hinter den Fronten bekämpfen. Zudem hatten die Feldjägerkommandos auch den von der Front aus rückwärts laufenden Verkehr unter ordnungsdienstlichen Gesichtspunkten daraufhin zu kontrollieren, inwieweit er dienstlich veranlaßt war. War dies nicht der Fall, so mußten sie die ohne hinreichenden Auftrag angetroffenen einzelnen Soldaten oder Truppenteile zu den von den territorialen Befehlshabern bestimmten Sammelpunkten geleiten. Daneben wird davon berichtet, daß Feldjäger auch zur Unterstützung des Volkssturmes abkommandiert wurden und bei der Aufstellung von Eingreiftruppen zur Abwehr feindlicher Luftlandungen Verwendung fanden. Gleichwol ist insgesamt festzuhalten, daß die Feldjägerkommandos im allgemeinen keinen Kampfauftrag hatten. Vielmehr oblagen ihnen neben dem militärischen Ordnungsdienst im wesentlichen nur noch verkehrsdienstliche Aufgaben, die etwa in der Marschstraßenerkundung, dem Auflösen von Staus, der Verkehrsregelung oder dem Freiräumen bedeutsamer Straßenabschnitte nach Bombenangriffen bestehen konnten. Schließlich wurden die Feldjäger im Einzelfall auch noch zur Nachforschung nach Fahnenflüchtigen und entflohenen Kriegsgefangenen, zur Vereitelung von Sabotageakten sowie zur Spionageprävention eingesetzt. Überschneidungen mit den Obliegenheiten anderer Ordnungstruppen wurden dabei bewußt in Kauf genommen. Indessen erfuhr das so umschriebene Aufgabenspektrum der Feldjäger im März 1945 eine grundlegende Veränderung, da man seit dieser Zeit dazu überging, an allen Frontlinien unter Zusammenfassung sämtlicher vor Ort verfügbarer Ordnungstruppen Auffangorganisationen im rückwärtigen Gebiet der Heeresgruppen zu bilden. Als Teil solcher Auffangorganisationen hatten die Feldjäger fortan im wesentlichen den Auftrag, für eine lückenlose Überwachung aller

E. Zusammenfassung und Ergebnis

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von der Front aus rückwärts verlaufenden Straßen- und Schienenwege zu sorgen, um jede Rückwärtsbewegung auf ihre „Frontnotwendigkeit" hin überprüfen zu können. Wurde dies verneint, so waren die betreffenden Soldaten oder Teileinheiten in gleicher Weise wie die durch die Kampfereignisse offensichtlich versprengten Wehrmachtangehörigen entweder wieder zu ihren Truppenverbänden zurückzuschicken oder in speziellen Sammellagern zu neuen Kampfeinheiten zu formieren. Fahnenflüchtige Soldaten mußten hingegen festgenommen und durch die Feld- und Standgerichte der Feldjägerkommandos verzugslos abgeurteilt werden. Darüber hinaus umfaßte der Katalog der von den Feldjägern im Rahmen einer Auffangorganisation zu verrichtende Tätigkeiten auch noch die materielle und geistige Betreuung kampfwilliger Soldaten sowie die Organisation und Koordination der notwendigen Hilfeleistungen bei Unglückfällen jeder Art. Soweit die Erfüllung dieser Aufgaben nicht sämtliche Kräfte in Anspruch nahm, hatten die Feldjäger schließlich unverändert ihren ohnehin bestehenden ordnungs- und verkehrsdienstlichen Pflichten nachzukommen. Nach Kriegsende fielen den von den Amerikanern zur Unterstützung ihrer eigenen Militärpolizei herangezogenen Angehörigen des Feldjägerkommandos HI im Kapitulationsraum Süd, der aus der ehemaligen Alpenfestung hervorgegangen war, naturgemäß abermals neue Aufgaben zu. Diese waren hauptsächlich verkehrsdienstlicher Natur, da das stetige Eintreffen von insbesondere aus dem Osten anmarschierenden Wehrmachttruppen und deren Verteilung innerhalb des Kapitulationsraumes mit dem einsetzenden Versorgungsverkehr für die kriegsgefangenen Soldaten und den Marschbewegungen der bereits seit längerer Zeit anwesenden Verbänden in Einklang gebracht werden mußte. Daneben waren die Feldjäger für den militärischen Ordnungsdienst innerhalb der internierten Wehrmachttruppenteile sowie für die Überwachung der Waffenstillstandsbedingungen zuständig. Schließlich mußten auch im Kapitulationsraum Süd versprengte Soldaten aufgegriffen und zu ihren Einheiten zurückgeführt werden, um eine ordnungsgemäße organisatorische Abwicklung der Demobilmachung gewährleisten zu können. Zur Erfüllung des im vorstehenden zusammengefaßten umfangreichen Aufgabenspektrums waren die Feldjäger mit Machtbefugnissen ausgestattet worden, wie sie keine andere militärische Formation in der preußisch-deutschen Heeresgeschichte je zuvor besessen hatte. 185 So konnten sie zunächst einmal sowohl den Soldaten der Wehrmacht als auch den Angehörigen der Waffen-SS Befehle erteilen. Die entsprechende Befehlsgewalt leitete sich dabei nicht nur aus ihren Dienstgraden ab, die im Verhältnis zu anderen Soldaten in vergleichbaren Dienststellungen durchweg erheblich höher waren, sondern beruhte vor allem auch auf ihrem Dienstauftrag, kraft dessen schon die im Unteroffiziersrang stehenden Feldjäger die Rechtsstellung von Vorgesetzten aller anderen Unteroffiziere und Mannschaften der Wehrmacht und der Waffen185

So zutreffend: Rathke, Militärgeschichte 1999, S. 37.

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

SS innehatten. Die der Feldjägertruppe zugehörenden Offiziere konnten zur Erfüllung ihres Dienstauftrages darüber hinaus sogar auch allen Offizieren einschließlich der Generale verbindliche Verhaltensanweisungen vorgeben. Schon der Streife als kleinster Organisationseinheit der Feldjägertruppe war es daher möglich, ausnahmslos allen Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS Befehle zu erteilen. Zur Durchsetzung ihres insoweit bestehenden Gehorsamsanspruchs konnten sich die Feldjäger sodann nicht nur der Mittel der soldatischen Zuchtgewalt, die von mißbilligenden Äußerungen, Belehrungen, Ermahnungen und Zurechtweisungen über Rügen und Befehlswiederholungen bis hin zu Gehorsamsübungen und Strafandrohungen reichten, bedienen; vielmehr waren sie überdies gemäß § 124 RMStGB auch zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt, der äußerstenfalls sogar die Tötung eines den Gehorsam lediglich passiv verweigernden Untergebenen beinhalten konnte. Gegen Kriegsende wurden die Feldjäger jedoch durch zahlreiche Befehle der Wehrmachtführung zunehmend dazu angehalten, von ihren Schußwaffen selbst dann noch „rücksichtslos" Gebrauch zu machen, wenn die Voraussetzungen der ohnehin schon sehr weitreichenden Erlaubnisnorm des § 124 RMStGB nicht vorlagen. Dabei wurde ihnen versichert, daß kriegsgerichtliche Verfahren in diesem Zusammenhang bis auf weiteres verboten seien. Es steht mithin zu vermuten, daß die gesetzlichen Grenzen der Befehlsdurchsetzung von den Angehörigen der Feldjägerkommandos gewiß nicht immer eingehalten worden sind. Die Offiziere der Kommandos hatten ferner die Möglichkeit, von den disziplinarstrafrechtlichen Befugnissen Gebrauch zu machen, die ihnen durch den Befehl OKW/WFSt/Org. (I) Nr. 2251/44 vom 10.06.1944 eingeräumt worden waren. Danach waren schon diejenigen Feldjäger-Offiziere, die nicht einmal die Funktion eines Streifenführers innehatten, dazu berechtigt, die Disziplinarstrafgewalt eines Kompaniechefs nach § 14 WDStO auszuüben. Dadurch waren sie befugt, alle Mannschaften und Unteroffiziere ohne Portepee der gesamten Wehrmacht und der Waffen-SS mit gelindem Arrest und Kasernenarrest bis zu zwei Wochen sowie geschärftem Arrest bis zu einer Woche zu strafen. Im Verhältnis zu den Unteroffizieren mit Portepee reichte ihre Strafgewalt immerhin noch aus, Verweise und strenge Verweise auszusprechen oder Stubenarrest, geschärften Stubenarrest und gelinden Arrest bis zu jeweils einer Woche zu verhängen. Die Streifenführer und Kompaniechefs der Feldjägerkommandos waren darüber hinaus sogar mit der Disziplinarstrafgewalt eines Bataillonskommandeurs gemäß § 15 WDStO ausgestattet worden und konnten daher die genannten Arreststrafen gegen Unteroffiziere mit Portepee bis zu einer Dauer von zwei Wochen ausdehnen. Unteroffiziere ohne Portepee und Mannschaften mußten hingegen u.a. mit Kasernenarrest bis zu vier Wochen, gelindem Arrest bis zu drei Wochen oder geschärftem Arrest bis zu zwei Wochen rechnen, wenn sie von einem Streifenführer oder Kompaniechef der Feldjägertruppe aus disziplinaren Gründen zur Rechenschaft gezogen wurden. Noch weitreichender waren

E. Zusammenfassung und Ergebnis

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jedoch die Befugnisse der Kommandeure der Feldjägerregimenter, da diese aufgrund der ihnen in disziplinarstrafrechtlicher Hinsicht verliehene Rechtsstellung eines Regimentskommandeurs nach § 16 WDStO dazu in der Lage waren, gegen Unteroffiziere mit Portepee Stubenarrest und gelinden Arrest bis zu vier Wochen und geschärften Stubenarrest bis zu drei Wochen sowie gegen Unteroffiziere ohne Portepee und Mannschaften gelinden Arrest bis zu vier Wochen und geschärften Arrest bis zu drei Wochen zu verhängen, ohne daß dadurch die Möglichkeit beschränkt worden wäre, stattdessen etwa einen einfachen oder strengen Verweis auszusprechen. Die Befehlshaber der Feldjägerkommandos waren schließlich durch den Befehl vom 10.06.1944 mit den sich aus § 18 WDStO ergebenden Rechten versehen worden, so daß es ihnen möglich war, alle Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS, die nicht ranghöher oder rangälter waren als sie, mit sämtlichen in der WDStO vorgesehenen Disziplinarund Nebenstrafen bis hin zum vorgegebenen Höchstmaß zu belegen. Aus diesem Grunde war es theoretisch denkbar, daß der Befehlshaber eines Feldjägerkommandos einen General, der mit der Führung einer Armee betraut war, mit Stubenarrest bis zu vier Wochen bestrafte. Damit gingen die disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse der Befehlshaber der drei Feldjägerkommandos sogar über diejenigen der Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile hinaus, denn während diese insoweit auf ihren jeweiligen Befehlsbereich beschränkt waren, konnten erstere nicht nur gegenüber jedem Wehrmachtangehörigen, sondern auch im Verhältnis zu allen Soldaten der Waffen-SS disziplinarstrafrechtliche Maßnahmen ergreifen. Wie alle anderen Disziplinarvorgesetzten konnten sich die Feldjägeroffiziere überdies neben den in der WDStO geregelten Disziplinarstrafen zusätzlich auch der Mittel der sogenannten „disziplinaren Hilfsgewalt" bedienen. Diese beinhaltete in erster Linie das Recht, aufgrund der „Verordnung über einstweilige Dienstenthebung in der Wehrmacht" vom 26.02.1936 andere Soldaten entweder aus Gründen der „Manneszucht" oder aufgrund sonstiger dienstlicher Rücksichten vorübergehend von ihrem Dienstposten zu suspendieren. Auch diese Befugnis war indessen hinsichtlich ihrer Reichweite danach gestaffelt, welche Dienststellung der die Dienstenthebung anordnende Disziplinarvorgesetzte innehatte. So durften zwar bereits die Feldjäger-Offiziere mit der Funktion von Streifenbegleitern jeden Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS, der einen Unteroffiziers- oder Mannschaftsdienstgrad bekleidete, einstweilig seines Dienstpostens entheben; sie mußten insoweit jedoch die Bestätigung durch einen Regimentskommandeur ihres Feldjägerkommandos einholen. In gleicher Weise waren zudem auch die Streifenführer und Kompaniechefs der Feldjägertruppe verpflichtet, die von ihnen verfügten Dienstenthebungen unverzüglich einem höhergestellten Offizier zur Bestätigung zu melden. Erst die Kommandeure der Feldjägerregimenter waren befugt, Mannschaften und Unteroffiziere ohne Bestätigung ihres Dienstpostens zu entheben. Die Befehlshaber der Feldjägerkom17 Schütz

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

mandos hatten dann sogar das Recht, auch alle Offiziere der Wehrmacht und der Waffen-SS von ihren Dienstpflichten zu entbinden, soweit sie nicht einen höheren Rang als den eines Armeeführers innehatten. Die Befugnisse, die den Feldjägern im Zusammenhang mit der einstweiligen Dienstenthebung zustanden, konnten also letztlich gegenüber jedem Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS vom niedrigsten Mannschaftsdienstgrad bis hin zu den Oberbefehlshabern der Armee ausgeübt werden. Neben der einstweiligen Dienstenthebung vermittelte die disziplinare Hilfsgewalt ihren Inhabern auch noch das Recht zur vorläufigen Festnahme, das gemäß § 30 I WDStO jedem Disziplinarvorgesetzten in und außer Dienst zustand, wenn sich ein seiner Strafgewalt unterliegender Soldat der Wehrmacht oder der Waffen-SS eines Verstoßes gegen die militärische Disziplin und Ordnung schuldig gemacht hatte. Innerhalb der Feldjägerkommandos waren demnach also nur die Offiziere dazu befugt, andere Soldaten gemäß § 30 I WDStO vorläufig festzunehmen. Das galt im übrigen gleichermaßen auch für eine Festnahme, die auf der Grundlage des § 16 m KStVO erfolgte, da auch diese Norm lediglich diejenigen Soldaten berechtigte, die die Rechtsstellung eines Disziplinarvorgesetzten innehatten. An die Eigenschaft der Feldjägeroffiziere als Disziplinarvorgesetzte war zudem noch eine weitere Möglichkeit zur Festnahme aller ihrer Disziplinarstrafgewalt unterworfenen Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS geknüpft, die als „die militärpolizeiliche Maßnahme der Freiheitsentziehung bei unmittelbarer Gefährdung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung" bezeichnet wurde und infolge der Außerkraftsetzung des die persönliche Freiheit der Staatsbürger schützenden Art. 114 WRV durch § 1 der Notverordnung vom 28.02.1933 an keinerlei gesetzliche Voraussetzungen gebunden war. Obwohl aus dem Einleitungssatz dieser Notverordnung zumindest die Forderung abgeleitet wurde, daß die festgenommene Person durch ihr Verhalten die Staatssicherheit oder die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet haben mußte, waren Freiheitsentziehungen insoweit doch aufgrund der fehlenden gesetzlichen Normierungen nahezu unbegrenzt denkbar. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß auch die Feldjäger von dieser gleichsam rechtsgrundlosen Festnahmebefugnis in größerem Ausmaß Gebrauch gemacht haben. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß sich die Festnahmerechte der Feldjägeroffiziere nicht nur auf die Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS erstreckten, sondern auch gegenüber sämtlichen Unteroffizieren und Mannschaften der in den besetzten russischen Gebieten stationierten Streitkräfte derjenigen verbündeten Staaten bestanden, mit denen das Deutsche Reich eine entsprechende zwischenstaatliche Übereinkunft getroffen hatte. Der den Feldjägern ursprünglich eingeräumte Befugnisrahmen wurde sodann durch das Recht komplettiert, rückwärtige Einrichtungen, Dienststellen und Einheiten des Heeres, der Kriegsmarine, der Luftwaffe sowie der Waffen-SS zu überprüfen, auszukämmen oder sogar ganz aufzulösen und das auf diese Weise

E. Zusammenfassung und Ergebnis

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freiwerdende Personal und Material zur Front abzuschieben. Diese Befugnis war speziell auf die den Feldjägerkommandos zur Wiederherstellung eines ausgewogenen personellen und materiellen Verhältnisses zwischen den Fronttruppen und den rückwärtigen Diensten zugewiesene Auskämmfunktion zugeschnitten und beruhte auf einer entsprechenden Delegierung der dem Führer und Reichskanzler in seiner Eigenschaft als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht und Oberster Führer der SS zustehenden Organisationsgewalt über die drei Wehrmachtteile und die Waffen-SS. Schon im Mai 1944 wurde indessen die Rechtsstellung der Feldjäger angesichts der unverändert desaströsen Gesamtkriegslage weiter ausgebaut, da ihnen durch den Befehl OKW/WFSt/Org. Nr. 03344/44 geh. vom 15.05.1944 zusätzlich noch gerichtsherrliche Befugnisse verliehen wurden. So ernannte man die Befehlshaber der Feldjägerkommandos zu Gerichtsherren von Feldkriegsgerichten, deren Gerichtsbarkeit schlechthin alle Angehörigen und Gefolgsangehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS unterlagen, wenn die Voraussetzungen für die Begründung eines Notgerichtsstandes gemäß § 13 KStVO gegeben waren. Da somit die örtliche Zuständigkeit der Feldjägerkommandos auf dem Gebiet der Kriegsgerichtsbarkeit abweichend von den nach der KStVO ansonsten geltenden Prinzipien völlig unabhängig von bestimmten Einsatzräumen und frei von örtlichen Bindungen grundsätzlich immer zu bejahen war, wurden die Feldkriegsgerichte, die den Befehlshabern der Feldjägerkommandos zugeordnet waren, auch als „fliegend" bezeichnet. Darüber hinaus bestand noch die weitere Besonderheit, daß sich die gerichtsherrlichen Kompetenzen der Befehlshaber der Feldjägerkommandos nicht - wie ansonsten allgemein üblich - nur auf einen Wehrmachtteil beschränkten, sondern die gesamte Wehrmacht und sogar die Waffen-SS erfaßten. Im Rahmen der so definierten Reichweite ihrer Gerichtsherrlichkeit konnten die Befehlshaber der drei Feldjägerkommandos fortan alle Befugnisse ausüben, die einem Gerichtsherrn nach der KStVO zur Verfügung standen. Sie hatten damit angefangen beim Ermittlungsverfahren bis hin zur Strafvollstreckung - eine das gesamte Kriegsgerichtsverfahren beherrschende Stellung inne. Dabei ging ihre Machtfülle sogar noch weit über diejenige anderer Gerichtsherren der Wehrmacht und der Waffen-SS hinaus, da sie die einzigen Befehlshaber waren, denen einerseits ohne Rücksicht auf ihren Einsatzort und zu jeder Zeit das volle Bestätigungs- und Aufhebungsrecht für sämtliche Feldurteile des ihnen zugeordneten Kriegsgerichts zustand und andererseits nicht nur die nach der KStVO durch die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile übertragbaren, sondern auch die grundsätzlich dem Führer und Reichskanzler vorbehaltenen Gnadenbefugnisse verliehen worden waren. Damit hatte man ihnen aber eine Position eingeräumt, die nicht einmal von den Oberbefehlshabern der Wehrmachtteile erreicht worden ist und daher innerhalb der Militärgerichtsbarkeit als einzigartig eingestuft werden kann. Aus diesem Grunde stellten die gerichtsherrlichen Rechte ganz eindeutig den Schwerpunkt innerhalb des Spektrums der an sich schon außerge-

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5. Kap.: Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht

wohnlich weitreichenden Befugnisse des Befehlshabers eines Feldjägerkommandos dar. Das gilt in gleicher Weise auch für die Regimentskommandeure der Feldjägertruppe, da auch diese durch den Befehl vom 15.05.1944 zu Gerichtsherren ernannt worden waren, deren Zuständigkeit sich frei von örtlichen Bindungen auf alle Wehrmachtteile und die Waffen-SS erstreckte. Im Unterschied zu den Befehlshabern der Feldjägerkommandos hatte man deren Regimentskommandeure allerdings nicht zu Gerichtsherren regulärer Kriegsgerichte, sondern lediglich zu solchen von Standgerichten ernannt. Sie konnten daher nur dann tätig werden, wenn ein gewöhnlicher Gerichtsherr nicht auf der Stelle zu erreichen war. Da die Zuständigkeit eines Standgerichts gemäß § 13 a KStVO darüber hinaus auch noch voraussetzte, daß die erforderlichen Beweismittel sofort zur Verfügung standen, waren die in der KStVO für das Ermittlungsverfahren vorgesehenen gerichtsherrlichen Befugnisse für die Regimentskommandeure der Feldjägerkommandos in der Praxis weitgehend bedeutungslos. Ausdrücklich vorenthalten wurden ihnen überdies das Gnadenrecht und die Aufhebungsbefugnis im Nachprüfungsverfahren. Die damit verbundenen Befugnisse hatten an ihrer Stelle die Befehlshaber der Feldjägerkommandos auszuüben, so daß ihnen insoweit lediglich das Bestätigungsrecht verblieb. Alle übrigen Befugnisse, die einem Gerichtsherren in den verschiedenen Abschnitten des Kriegsstrafverfahrens einschließlich der Strafvollstreckung zustanden, konnten die Standgerichtsherren jedoch ohne weitere Einschränkungen ebenso wie diejenigen Befehlshaber ausüben, denen ein reguläres Feldkriegsgericht zugeordnet war. Auch für die Regimentskommandeure der Feldjägerkommandos bedeutete die Verleihung gerichtsherrlicher Befugnisse im Mai 1944 also eine erhebliche Verstärkung ihrer ursprünglichen Rechtsstellung. Ungeachtet dessen hat jedoch die Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen den Feldjägerkommandos der Wehrmacht und der Feldjägertruppe der Bundeswehr zahlreiche Berührungspunkte erkennen lassen. Das gilt in erster Linie mit Blick auf die Aufgaben, die beiden Truppengattungen zugewiesen worden sind. Obschon in diesem Zusammenhang keine vollständige Deckungsgleichheit festgestellt werden konnte, gibt es doch in allen Teilbereichen der in der Einführung als „klassisch" bezeichneten militärpolizeilichen Aufgabentrias weitreichende Übereinstimmungen. Auch jenseits ihrer ordnungs-, Verkehrs- und sicherheitsdienstlichen Obliegenheit sind die Tätigkeiten der BundeswehrFeldjäger mit denen ihrer Namensvorläufer insoweit vergleichbar, als es um die Verpflichtung geht, einzelnen Soldaten Hilfestellungen anzubieten und bei Rettungs- oder Evakuierungsmaßnahmen anläßlich von Unglücksfällen jeder Art mitzuwirken. Im Gegensatz zu allen anderen Truppengattungen, die in der preußisch-deutschen Militärgeschichte als „Feldjäger" bezeichnet worden sind, beschränkt sich die Vergleichbarkeit der Feldjäger der Wehrmacht mit denen der Bundeswehr indessen keineswegs auf das Aufgabenspektrum. Vielmehr haben

. Zusammenfassung und Ergebnis

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sich auch in bezug auf die Organisation beider Formationen sowie hinsichtlich der Rechtsstellungen ihrer Angehörigen weitere Gemeinsamkeiten finden lassen. So sind beide Feldjägertruppen etwa dadurch gekennzeichnet, daß ihre Kompetenzen nicht auf ihren jeweiligen Einsatzraum begrenzt sind. Zudem besteht in beiden Fällen eine teilstreitkraftübergreifende Zuständigkeit. Weitere Parallelen lassen sich in den Bereichen der Befehlsbefugnisse, der Durchsetzung von Befehlen, der Ausübung der Jedermannrechte sowie des disziplinaren Festnahmerechtes aufzeigen. Wenn es auch den übrigen Eingriffsrechten der WehrmachtFeldjäger an einer Entsprechung in der Rechtsstellung der heutigen Feldjäger fehlt, kann insgesamt doch festgehalten werden, daß auch der Befugnisrahmen beider Truppengattungen ein hohes Maß an Übereinstimmungen aufweist. Im Ergebnis kann nach all dem konstatiert werden, daß die letzte Truppengattung der preußisch-deutschen Militärgeschichte, die vor der Gründung der Bundeswehr den Namen „Feldjäger 4' getragen hat, in umfassendem Sinne mit der heutigen Feldjägertruppe verglichen werden kann. Das trifft nicht nur auf das Aufgabenspektrum der Wehrmacht-Feldjäger zu, sondern gleichermaßen auch auf ihre Organisation und den Befugnisrahmen ihrer Angehörigen. Schon in der Wehrmacht hat es also eine Truppengattung gegeben, die in jeder Hinsicht einen militärpolizeilichen Charakter aufgewiesen hat.

Ergebnis des ersten Teils der Arbeit Betrachtet man nunmehr die bisherigen Ausführungen unter Rückbesinnung auf die in der Einführung formulierte Aufgabenstellung des ersten Teils, die historischen Feldjägertruppen daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie wie die Feldjägertruppe der Bundeswehr militärpolizeiliche Aufgaben zu erfüllen hatten, so ergibt sich folgendes Bild: Das Reitende Feldjägerkorps zunächst wies, ohne im eigentlichen Sinne eine militärpolizeiliche Truppengattung zu sein, immerhin eine beachtliche Anzahl von Berührungspunkten mit der heutigen Feldjägertruppe auf. Hingegen nahmen das Feldjägerregiment zu Fuß und die geheime Feldjägerorganisation der Reichswehr nicht einmal ansatzweise einschlägige Aufgaben wahr. Demgegenüber stellte das SA-Feldjägerkorps die erste Formation dar, die in der preußisch-deutschen Militärgeschichte im weitesten Sinne unter dem Namen „Feldjäger" in Gestalt des Ordnungsdienstes eine Aufgabe erfüllte, welche zu der in der Einführung als „klassisch" bezeichneten militärpolizeilichen Aufgabentrias gehört. Schließlich hat die Betrachtung der Feldjägerkommandos der Wehrmacht gezeigt, daß diese Formationen nicht nur im Hinblick auf die von ihnen verrichteten Tätigkeiten, sondern auch bezüglich ihrer Organisation und der Rechtsstellung ihrer Angehörigen in umfassendem Sinne mit den BundeswehrFeldjägern vergleichbar sind. Folglich kamen für eine Anknüpfung an historische Vorbilder für die Namensgebung der geplanten Ordnungstruppe der Bundeswehr von vorneherein theoretisch nur das Reitende Feldjägerkorps, das SA-Feldjägerkorps und die Feldjägerkommandos der Wehrmacht in Betracht. Insoweit läßt sich allerdings feststellen, daß das Ausmaß der Gemeinsamkeiten der genannten Formationen mit der Feldjägertruppe der Bundeswehr eine deutlich ansteigende Tendenz aufweist: Während nämlich das Reitende Feldjägerkorps alleine noch nicht dazu geeignet war, den Begriff „Feldjäger" mit militärpolizeilichen Tätigkeiten in Verbindung zu bringen, so haben die seinerzeit Verantwortlichen ersichtlich bei der Schaffung des SA-Feldjägerkorps bereits die Eignung dieses Namens zur Kennzeichnung einer mit entsprechenden Aufgaben betrauten Formation empfunden. Spätestens seit der Aufstellung der Wehrmachts-Feldjäger konnte mit der Bezeichnung „Feldjäger" ohne weiteres ein militärpolizeiliches Aufgabenspektrum assoziiert werden. Daher war die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung, die neue Ordnungstruppe der Bundeswehr „Feldjäger"

Ergebnis des ersten Teils der Arbeit

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zu nennen, angesichts der Tatsache, daß der Name „Militärpolizei" nach dem Votum des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit hinfällig geworden war, durchaus konsequent. Indessen verbietet sich für die Feldjägertruppe der Bundeswehr naturgemäß jeglicher Rückgriff auf das Feldjägerkorps der SA von selbst. In diesem Sinne wird diese Einrichtung auch von dem Umdruck, den die Schule für Feldjäger und Stabsdienst in Sonthofen zur Geschichte der Feldjägertruppe herausgegeben hat, ohne jegliche nähere Informationen lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt. Dadurch kommt deutlich zum Ausdruck, daß die Feldjäger der Bundeswehr das SA-Feldjägerkorps als außerhalb ihrer Geschichte stehend betrachten. 1 Auch die Feldjägerkommandos der Wehrmacht eigneten sich letztlich schon deshalb nicht als Anknüpfungspunkt für die Namensgebung der Bundeswehr-Feldjäger, weil ihre Formationsgeschichte nicht einmal den Zeitraum von eineinhalb Jahren umfaßte. 2 Mithin kann davon ausgegangen werden, daß für die Namensgebung schon im Jahre 1956 ernsthaft nur das historische Vorbild des Reitenden Feldjägerkorps in Erwägung gezogen werden konnte. Dem entspricht ersichtlich auch das Selbstverständnis der Feldjäger, denn sie tragen den Gardestern, der dem Reitenden Feldjägerkorps durch die

1

Vgl. den Umdruck SFJgStDst, S. 12; siehe in diesem Zusammenhang aber auch den Erlaß „Bundeswehr und Tradition" (Fü B I 4 - Az 35-08-07) vom 01.07.1965 (abgedruckt bei von Ilsemann, S. 429 ff., als Anlage 17), der zwar von Bundesverteidigungsminister Hans Apel nach den Traditionsdebatten in Bundeswehr und Öffentlichkeit im April 1981 aufgehoben wurde, dennoch aber nach der zutreffenden Einschätzung von Ilsemanns „eine Fülle beachtlicher Aussagen zur Traditionspflege" enthielt, die „für das Verständnis der Auseinandersetzungen über die Traditionspflege wichtig" gewesen sind (von Ilsemann, S. 429 Fn. 1). So wurde beispielsweise in Nr. 2 des Erlasses folgendes ausgeführt: „Die Bundeswehr ist die erste Wehrpflicht-Streitmacht in einem deutschen demokratischen Staat. Es ist der Auftrag der Soldaten der Bundeswehr, ,der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen4. Dieser Auftrag ist der Maßstab für die gültige Tradition der Bundeswehr." In die gleiche Richtung zielten die im von der Bundesregierung herausgegebenen Weißbuch des Jahres 1979 aufgelisteten „Zehn Grundsätze zur Tradition" (abgedruckt bei von Ilsemann, S. 428, als Anlage 16), unter denen sich die Aussage findet, Tradition in der Bundeswehr dürfe nur sein, was vor der Verfassung bestehen kann. Das Grundgesetz sei daher die allein maßgebliche Prüfungsinstanz. Tradition in der Bundeswehr müsse vom Geist der Verfassung durchdrungen sein (Grundsatz Nr. 1). Daß aber nach den Darlegungen im 4. Kapitel dieser Arbeit das SA-Feldjägerkorps diesen Maßstäben nicht genügen kann, ist evident. Eine Anknüpfung an seine Tradition stünde daher im Widerspruch zu den grundlegenden Prinzipien über den Umgang mit der Traditionspflege in der Bundeswehr. 2 Nach heutigem Erkenntnisstand kommt eine Anknüpfung an die Feldjägerkommandos vor allem auch aus dem Grunde nicht in Betracht, weil sie als Teil der Wehrmacht für die Ziele der nationalsozialistischen Machthaber mißbraucht worden sind [näher dazu das 5. Kapitel sub D.]. Indessen hat sich diese Sicht der Dinge nach zahlreichen Kontroversen erst in jüngerer Zeit endgültig durchzusetzen vermocht und dürfte somit im Jahre 1956 noch keine entscheidende Rolle gespielt haben.

Ergebnis des ersten Teils der Arbeit A. K. O. vom 02.12.1847 verliehen worden war, 3 noch heute unverändert als Abzeichen auf ihrem Barett. 4

3 4

S. 1.

Vgl. das 1. Kapitel sub C. HI. 4. Eine Abbildung dieses Barettabzeichens findet sich im Dt. Bw-Kalender, B 24,

Zweiter Teil Die Aufgabenvorläufer der Feldjägertruppe der Bundeswehr

6.

Kapitel

Die Feldgendarmerie A. Die Gründung der Feldgendarmerie I. Die Entstehungsgeschichte Der Entschluß zur Gründung der Feldgendarmerie 1 geht auf die Erfahrungen zurück, die von der preußischen Armeeführung während des Krieges gegen Dänemark im Jahre 1864 gemacht worden waren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse über Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten in der Streitkräfteorganisation sollten nun zu Beginn des Jahres 1866 angesichts des sich abzeichnenden Konflikts mit Österreich so schnell wie möglich in die Praxis umgesetzt werden. Zu den Maßnahmen, die das Kriegsministerium insoweit aufgrund seiner Analyse des Kriegseinsatzes gegen Dänemark für dringend erforderlich hielt, gehörte u.a. auch die Bildung einer Armeepolizeiformation. Aus diesem Grunde wandte sich der Kriegsminister Albrecht Graf von Roon in einem Brief vom 07.04.1866 persönlich an seinen dem Innenministerium vorstehenden Kabinettskollegen Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg, da er bei der beabsichtigten Aufstellung der Feldgendarmerie dessen Zustimmung für die 1

Der Begriff der Gendarmerie weist ursprünglich keinen polizeilichen Bezug auf. Er stammt aus dem Französischen und diente bis ins 15. Jahrhundert hinein als Bezeichnung für alle Bewaffneten (Harnischmacher / Semerak, S. 50). Die allmähliche Entwicklung einer differenzierteren Sprachregelung stellte sich dann laut Brockhaus 1883, Stichwort „Gendarmerie", wie folgt dar: „Als Karl VII. 15 adlige Ordonnanzkompanien, jede von 100 Lanzen zu 6 Reitern, 1445 errichtete, befand sich in jeder Lanze ein Schwerbewaffneter, welcher vorzugsweise Homme d*armes genannt wurde. Ihre Mehrzahl hieß gens d'armes und die Gesamtheit dieser geharnischten, mit Lanze, Schwert und Streitaxt auf gepanzerten Hengsten kämpfenden Edelleute war die Gendarmerie. [...]. In anderen Heeren erhielten dementsprechend auch einzelne bevorzugte schwere Reiterregimenter den Namen Gendarmerie, so in Preußen." Erst nachdem diese Form von Gendarmerie im Zuge der französischen Revolution gänzlich verschwand, konnte sich der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Gendarmerie" verändern. Das geschah nach Brockhaus, a.a.O., dadurch, daß „dieser Name auf ein 1791 für die Straßenpolizei an die Stelle der früheren Maréchaussée errichtetes Korps [überging], welches aus gutgedienten Soldaten militärisch organisiert und später auch zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Disziplin im Heere, zur Verhütung von Exzessen auf Märschen usw. gebraucht wurde." Die Bezeichnung bestimmter Polizeibeamter als Gendarmen hat sich demgemäß frühestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchsetzen können.

268

6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Heranziehung von Polizeibeamten benötigte. Im einzelnen führte der Kriegsminister wörtlich aus: „Die Erfahrungen während des letzten dänischen Feldzuges haben insofern einen Mangel in der Kriegsorganisation unserer Armee fühlbar gemacht, als es dem diesseitigen Hauptquartier an einer zweckmäßig organisierten Armee-Polizei gebrach. Wenngleich zur Aufrechterhaltung der militairischen Ordnung und Disziplin den Mannschaften gegenüber die getroffenen militairischen Vorkehrungen überall genügten, so fehlte es doch an geeigneten Persönlichkeiten, welche dem Civilpublikum gegenüber mit Gewandheit aufzutreten verstanden und namentlich an solchen, welche in der Lage waren, den zahlreichen Fremdenverkehr geschickt zu überwachen, ganz abgesehen davon, daß auch für das Fach des Nachrichtenwesens nicht ausreichende zweckentsprechende Kräfte zur Verfügung standen. Für die letztgedachten Geschäftszweige bedarf es wo möglich im Polizeidienste geschulter, zuverlässiger Individuen, welche unter dem Mannschaftsstande gar nicht oder nur in geringer Anzahl anzutreffen sind. Für die Kaiserlich OesterTeichische Armee ist diesem Bedürfniß dadurch abgeholfen, daß für den Kriegsfall aus der Gendarmerie und der Polizeimannschaft geeignete Personen ausgewählt und zur Verwendung als sogenannte ,Botenjäger' bei den Hauptquartieren der höheren Kommandobehörden zur Verfügung gestellt werden, eine Einrichtung, die sich vor unseren Augen in hohem Grade bewährt hat. Die Pflicht, auch für die diesseitige Armee Aehnliches zu schaffen, um einem wirklichen Mißstande in Zukunft zu begegnen, hat zu der Erwägung geführt, ob aus unserer Gendarmerie und aus der Schutzmannschaft für den Kriegsfall nicht auch der Stamm für eine zweckmäßig organisierte Armee-Polizei entnommen werden könnte. Etwa 20 Gendarmen oder Schutzleute per Armee-Corps, zunächst einem höheren Polizeibeamten (wo möglich Landwehr-Offizier) unterstellt, mithin in Summa für die gesamte mobile Armee 9 höhere Beamte und 180 Gendarmen oder Schutzleute würden genügen, das vorgesteckte Ziel zu erreichen". 2 2 GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe. Aufgrund dieser Ausführungen des Kriegsministers steht zweifelsfrei fest, daß sich die Aufstellung der preußischen Feldgendarmerie - worauf Blankenstein, S. 128, zutreffend hinweist - am Vorbild Österreichs orientiert hat. Das ist um so überraschender, als es eine der Feldgendarmerie vergleichbare Institution schon in der Armee Napoleons I. gegeben hatte (s.o. Fn. 1; näher dazu Militär-Lexikon, Stichwort „Gendarmerie", S. 269), Bayern bereits im Jahre 1813 über eine „Gendarmerie im Felde" verfügte (dazu und zur Geschichte der Feldgendarmerieformationen anderer deutscher Staaten ausführlich Böckle, S. 51 ff.; ders., Truppenpraxis 1973, S. 35 f.) und auch das hessische „Felddienst-Reglement" vom 21.05.1834 schon ausführliche Bestimmungen über die Feldgendarmerie im Kriegsfall enthielt (Böckle, S. 55). Zudem sah auch § 97 der Kriegsverfassung des Deutschen Bundes „zur Handhabung der Heerespolizei" die Errichtung einer „eigenen Gendarmerie [vor], deren Minimum auf zwei vom Hundert der Reiterei angenommen, und welche Zahl in das Cavalerie-Contingent eingerechnet wird." Die Führung dieser Gendarmerieformation oblag gem. §§ 79, 80 der Kriegsverfassung einem „Chef der Heerespolizei", der der zweiten Hauptabteilung des Hauptquartiers angehörte und „in Folge der Befehle, welche er hierüber von dem Oberfeldherrn erhält, für die Polizei des Bundesheeres" zu sorgen hatte. Das dafür erforderliche Personal sollte gemäß Tabelle Ziffer 12 zu § 80 der Kriegsverfassung „der Gendarmerie oder den Stabsdragonern des Bundesheeres" entnommen werden (vgl.

A. Die Gründung der Feldgendarmerie

269

Diesen Vorschlägen des Grafen von Roon stimmte der Innenminister in seinem Antwortschreiben vom 18.04.1866 zwar grundsätzlich zu, machte aber die tatsächliche Durchführung der geplanten Aufstellung der ,Armee-Polizei" von einigen Bedingungen abhängig: „In wie weit das möglich sein wird, hängt aber wesentlich davon ab, ob für einen geeigneten Ersatz der zu dem fraglichen Zwecke abzugebenden Beamten und Mannschaften gesorgt werden kann. Dieselben sind ohne Ersatz um so weniger zu entbehren, je mehr in Kriegszeiten die Notwendigkeit hervortritt, die öffentliche Sicherheit im Innern des Landes zu schützen und aufrecht zu erhalten. Um nun in den Stand gesetzt zu werden, für die abzugebenden Beamten und Mannschaften, welche ihr bisheriges Gehalt fortzubeziehen haben würden, Stellvertreter anzunehmen, bedarf ich zunächst [...] entsprechender außerordentlicher Geldmittel. Euer Excellenz ersuche ich daher ganz ergebenst um gefällige Äußerung, ob Sie geneigt sind, neben den Diäten und Reisekosten resp. Marschzulagen [...] und neben den Bekleidungskosten der Schutzmänner [...] die erwachsenden Stellvertretungskosten zu übernehmen".3 Während nun der Kriegsminister die Bedenken des Innenministeriums hinsichtlich etwaiger Finanzierungsprobleme schon in seinem nächsten Schreiben vom 23.04.1866 zerstreuen konnte, indem er zusagte, daß „die hier in Rede stehenden Polizeibeamten etc. für die Dauer ihres Kommandos ganz aus der dortseitigen Verpflegung ausscheiden und hinsichtlich der Gehälter, Diäten, Reisekosten, Marschzulagen, Bekleidungskosten, Pferdegelder u.s.w. in die diesseitige Verpflegung übertreten", 4 kam eine Einigung beider Ressorts über das abzustellende Personal, dessen Ersatz durch geeignete Stellvertreter und die Frage der Führungsverhältnisse innerhalb der geplanten Feldgendarmerie erst allmählich zustande. So bat der Innenminister zunächst darum, von der beabsichtigten Inanspruchnahme der Schutzmannschaft gänzlich abzusehen: „Nach der von mir mit dem hiesigen Polizei-Präsidenten genommenen Rücksprache glaube ich von einer Abgabe von Beamten der Berliner Schutzmannschaft zu dem besagten Zweck ganz absehen zu müssen. Euer Excellenz werden mit mir darin einverstanden sein, daß während eines Krieges die Polizeikräfte in der Hauptstadt des

Kriegsverfassung, S. 27 f., S. 41 und S. 56). Gleichwohl läßt sich dem vorhandenen Primärquellenmaterial kein Hinweis darauf entnehmen, daß diesen Formationen bei der Bildung der preußischen Feldgendarmerie in irgendeiner Form Vorbildcharakter zugekommen sein könnte. 3 GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 2), ohne Blattangabe. 4 GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 2), ohne Blattangabe.

270

6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Landes und Residenz des Königs nicht geschwächt werden können, sondern eher einer Verstärkung bedürfen, um die in unruhigen Zeiten besonders gefährdete öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten. Wenn die Truppen der hiesigen Garnison ausrücken, so bleibt hier die Schutzmannschaft die alleinige bewaffnete Macht. [...]. Außerdem darf ich noch auf die Schwierigkeit hinweisen, den Beamten der Schutzmannschaft bei der Armee eine Stellung einzuräumen, welche [...] den sonstigen dienstlichen Verhältnissen dieser Beamten entsprechen würde".5 Wenngleich der Kriegsminister dem ersten Argument des Innenministers entgegentrat,6 willigte er im Ergebnis dennoch ein, bei der Bildung der „ArmeePolizei" lediglich auf Angehörige der Landgendarmerie zurückzugreifen. Dieser ursprünglich als Kompromiß gedachte Entschluß der beiden Minister stellte sich in der Folgezeit als eine das Erscheinungsbild der Feldgendarmerie prägende Grundsatzentscheidung heraus, denn die Landgendarmerie hatte bis in den ersten Weltkrieg hinein wesentlichen Anteil an der Deckung des Personalbedarfs in der Feldgendarmerie 7 Ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Einigung in der Frage, welcher Polizeiorganisation die künftigen Feldgendarmen entnommen werden sollten, traten darüber hinaus auch bei dem Versuch beider Ressortchefs auf, eine Verständigung über die Besetzung der Führungspositionen in der Feldgendarmerie herbeizuführen. Insoweit hatte der Kriegsminister nämlich schon in seiner oben zitierten ersten Anfrage vom 07.04.1866 zum Ausdruck gebracht, daß er sich die Unterstellung der Feldgendarmen unter höhere Polizeibeamte vorstellte, die nach Möglichkeit Offiziere der Landwehr sein sollten. Die gleiche Auffassung vertrat er dann nochmals in seinem nachfolgenden Schreiben vom 23.04.1866.8 Demgegenüber gab der Innenminister zu bedenken, „ob nicht etwa anstatt der Armee-Polizei beizugebenden höheren Polizei-Beamten, deren Stellung eine 5

Schreiben des Innenministers vom 06.05.1866, GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 2), ohne Blattangabe. 6 Wörtlich führte er aus: „Was die Schutzmannschaft anbetrifft, so begegne ich der Auffassung, daß die Sicherung der gesetzlichen Autorität in der Residenz, besonders im Falle des Ausmarsches des Garde-Korps, allein der Polizei zufallen würde. Es verbleibt hier jedoch eine so bedeutende Zahl von Ersatz-Truppen, daß die Aufrechterhaltung der Ordnung hinlänglich garantiert erscheint" (Schreiben vom 13.05.1866, GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 2), ohne Blattangabe). 7 Es trifft nach all dem also nicht zu, wenn Böckle, S. 61, ausführt, daß auch Angehörige der Berliner Schutzmannschaft im Juni 1866 für feldpolizeiliche Zwecke abgestellt worden seien. 8 Die Motive, die diesem Standpunkt zugrunde lagen, lassen sich einem Brief des Kriegsministeriums an den Chef der Landgendarmerie vom 13.05.1866 entnehmen, denn darin heißt es u.a.: „Als Führer der 9 Armee-Polizei-Abtheilungen erscheint es angemessen, Persönlichkeiten zu gewinnen, die auch mit dem executiven Polizeidienst gründlich vertraut sind, während es andererseits ihrer Untergebenen wegen sich empfehlen würde, daß sie Offiziere sind. Es richtete sich deshalb die Aufmerksamkeit auf Polizei-Beamte, welche als Landwehr-Offiziere Dienst thun. Diese werden namentlich auch gegen die Spionage gute Dienste leisten können" (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 1 d.A.).

A. Die Gründung der Feldgendarmerie

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sehr schwierige sein würde, Gendarmerie-Offiziere zu kommandieren und mit den den Ersteren zugedachten Funktionen zu betrauen sein dürften". Zur Begründung führte er aus, daß „die betreffenden Gendarmerie-Offiziere [...] leicht in ihren Bezirken übertragen oder durch inaktive Offiziere ersetzt werden können, während für die in Rede stehenden Zwecke höhere Polizei-Beamte, welche Landwehr-Offiziere sind, kaum disponibel zu machen sein werden". 9 Indessen konnte sich letztlich weder die Vorstellung des Kriegsministers noch die entgegenstehende Auffassung des Grafen zu Eulenburg durchsetzen, da die endgültige Konzeption der Feldgendarmerie den Überlegungen des Chefs der Landgendarmerie folgte, die dieser in seiner vom Kriegsministerium eingeholten Stellungnahme vom 17.05.1866 angestellt hatte: „Zur Führung der 9 Detachements der Armee-Polizei - je Armee-Corps eins - habe ich einen Ersten Wachtmeister [der Landgendarmerie] vorgeschlagen, und dabei den Wunsch ausgesprochen, zur Gesammtführung der Detachements deijenigen ArmeeCorps, die eine Armee-Abteilung bilden, einen Offizier [des Hauptquartiers dieser Abteilung] zu verwenden".10 Nachdem dieser Lösungsvorschlag des Chefs der Landgendarmerie von allen Beteiligten akzeptiert worden war, stand einer umfassenden Einigung zwischen den zuständigen Fachressorts nur noch die Problematik des Personalersatzes für die an die Feldgendarmerie abzugebenden Landgendarmen entgegen. Insoweit erwiesen sich die verschiedenen Interessen jedoch weitgehend als miteinander unvereinbar. So hatte der Kriegsminister zwar in seinem Schreiben vom 23.04.1866 versichert, „nach Kräften dafür Sorge zu tragen, daß [der Ersatz] möglichst zweckentsprechend ausgewählt wird", zugleich aber einschränkend hinzugefügt: „Die Armee ist jedoch im Augenblick einer Mobilmachung nicht in der Lage, den ganzen Bedarf durch Abgaben von Unteroffizieren aus der Front des Friedensstandes zu entnehmen, vielmehr wird ein großer Theil der Ersatzmänner voraussichtlich dem beurlaubten Stande angehören. Ich zweifle aber nicht, daß unter der Zahl der Landwehr-Kavallerie-Unteroffiziere sich zuverlässige Individuen in ausreichender Zahl finden lassen werden, welche bei entsprechender Anleitung in einiger Zeit den dortigen Anforderungen genügen dürften". 11 Demgegenüber beharrte der Innenminister darauf, „daß ich meine Zustimmung zu der Verwendung von Gendarmen zur Armee-Polizei [...] von der Bedingung des Ersatzes für die abzugebenden Gendarmen durch qualifizierte Unteroffiziere des stehenden Heeres, so weit ich diesen Ersatz an berittenen und 9

Schreiben an den Kriegsminister vom 06.05.1866, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe. 10 Stellungnahme des Chefs der Landgendarmerie vom 17.05.1866, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe. 11 GStA PK I. HA, a.a.O. (s.o. Fn. 10), ohne Blattangabe.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Fuß-Hilfsgendarmen für nothwendig halte, abhängig mache. An dieser Bedingung muß ich auch jetzt festhalten, da die Polizeikräfte im Innern des Landes während eines Krieges nicht ohne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geschwächt werden können und schon jetzt in Folge der Verminderung der Erwerbsgelegenheit, Schließung von Fabriken etc. Erscheinungen hervorgetreten sind, welche in dieser Richtung alle Aufmerksamkeit verdienen". 12 Diese Ansicht des Innenministers wurde zudem auch vom Chef der Landgendarmerie geteilt, der in seiner bereits erwähnten Stellungnahme für das Kriegsministerium vom 17.05.1866 ebenfalls einen Personalersatz durch Berufssoldaten gefordert hatte: „Zu dem Ersatz werden nur Berufs-Soldaten verwendet werden können und vorzugsweise solche, die bereits die Anwartschaft auf Anstellung in der Gendarmerie haben, oder doch nach ihrer Führung und ihren Fähigkeiten dazu berechtigen, wenn auch einigermaßen von [der] Länge der Dienstzeit [als Voraussetzung] abgesehen wird. Landwehr-Unteroffiziere hierzu zu verwenden, empfiehlt sich [...] nicht, da solche einmal in der [...] isolierten, sich meist selbst überlassenen Stellung wenig leisten würden und überhaupt die von ihnen zu verlangenden Dienstleistungen sich nicht mit dem Organisationsgesetz für die Gendarmerie vom 30.12.1820 vereinen lassen".13 Gleichwohl zeigte sich der Kriegsminister in keiner Weise kompromißbereit. Vielmehr war er nach wie vor der Auffassung, daß sich das Problem des Personalersatzes auch dann zufriedenstellend lösen lasse, „wenn einestheils die Patrouillenbezirke der in ihren eigentlichen Funktionen verbleibenden [Gendarmen] entsprechend vergrößert [würden], anderntheils der notwendigste Ersatz durch Einberufung von Expectanten zu Fuß-Gendarmen-Stellen aus den ErsatzTruppen stattfände". 14 Angesichts solcher Divergenzen ist es nicht verwunderlich, daß eine Einigung nicht zustande kam. Infolgedessen sah sich der Kriegsminister insbesondere auch im Hinblick auf den unmittelbar bevorstehenden Kriegsausbruch gezwungen, eine verbindliche Klärung durch den König herbeizuführen, der daraufhin schon in der Allerhöchsten Kabinettsorder vom 25.05.1866 entschied,

12 Schreiben des Innenministers an den Kriegsminister vom 19.05.1866, GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 10), ohne Blattangabe. 13 GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 10), ohne Blattangabe. 14 Schreiben des Kriegsministers vom 13.05.1866, GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 10), ohne Blattangabe; eine komprimierte Zusammenfassung der im Text ausführlich wiedergegebenen Korrespondenz zwischen dem Kriegs- und dem Innenminister ist in einer „Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung" enthalten, die das Reichsinnenministerium unter dem 31.01.1916 hatte erstellen lassen (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 150 ff. d. A.). Auch bei Blankenstein, S. 128 f., und in sehr verkürzter Weise bei Böckle, S. 61, finden sich Ausführungen zum Schriftwechsel beider Minister.

A. Die Gründung der Feldgendarmerie

273

daß „die etwa notwendigen Stellvertreter der zur Armee-Gendarmerie abgegebenen Landgendarmen [...] aus den Ersatztruppen herzugeben" seien.15 Damit hatte sich der König gegen den Widerstand des Innenministers und des Chefs der Landgendarmerie dazu entschlossen, das Problem des Personalersatzes für die zur Feldgendarmerie kommandierten Landgendarmen vollständig im Sinne des Grafen von Roon zu lösen. Diesem war es also gelungen, seine diesbezüglichen Vorstellungen genau so durchzusetzen, wie er sie schon in seinem Schreiben vom 23.04.1866 geäußert hatte.

IL Die A. K. O. vom 25.05.1866 Gleichwohl erschöpfte sich der Regelungsgehalt der erwähnten königlichen Order nicht etwa darin, die sachlichen Differenzen zweier Kabinettsmitglieder beizulegen. Vielmehr hatte der Kriegsminister seine Vortragsgelegenheit beim König dazu genutzt, diesem die gesamte Konzeption der geplanten Feldgendarmerie vorzustellen. Das hatte zur Folge, daß die A. K. O. vom 25.05.1866 im Ergebnis Regelungen zu sämtlichen Grundsatzfragen enthielt, die sich im Zusammenhang mit der Formierung der Feldgendarmerie stellten. Dabei beschränkte sich der König keineswegs darauf, die bereits im Vorfeld zwischen den beiden Ministern getroffenen Vereinbarungen zu übernehmen, sondern traf stattdessen auch Anordnungen zu solchen Problemkreisen, die bislang noch nicht erörtert worden waren. Trotz der vorausgegangenen umfangreichen Korrespondenz, die der Kriegsminister mit seinem für das Innenressort zuständigen Kollegen geführt hatte, ist somit der 25.05.1866 als der eigentliche Gründungstag der Feldgendarmerie anzusehen, da die unter diesem Datum erlassene Allerhöchste Kabinettsorder die Organisationsstrukturen der neuen Truppengattung erstmals umfassend und verbindlich festlegte. Im einzelnen hatte der König folgendes verfügt: „1. Bei der Aufstellung eines mobilen Armee-Korps wird demselben ein Detachement Armee-Gendarmerie zur Ausübung der Heerespolizei zugetheilt. Über die Stärke und Führung desselben sind die erforderlichen Festsetzungen nach den Umständen von dem Kriegs-Ministerium zu treffen [...]. 2. Die Armee-Gendarmerie-Detachements werden aus berittenen Ersten Wachtmeistern und Gendarmen der Landgendarmerie, welche der Chef derselben hierfür zu überweisen hat, gebildet. 3. [...]. Ihre Bekleidung, Ausrüstung und Bewaffnung ist die der Landgendarmerie, und legen sie als Abzeichen eine am rechten Oberarm zu tragende weißtuchene Binde mit einem darauf befindlichen metallenen Adler in Schwarz sowohl zum Waffenrock wie zum Mantel an. 15

Ziffer 7 der A. K. O. vom 25.05.1866. Eine Abschrift dieser Order befindet sich im Aktenbestand GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I (ohne Blattangabe). 18 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

4. Die Armee-Gendarmerie eines Armee-Korps ist in dienstlicher Beziehung dem Chef des Generalstabes unterstellt. Wenn mehrere Armee-Korps zu einer Armee vereinigt werden, sind auch die Armee-Gendarmen, bis auf diejenigen, welche den einzelnen Korps und Divisionen etc., zum beständigen Dienst bei denselben überwiesen werden müssen, zusammenzuziehen und treten hier unter den Befehl des Kommandanten des Hauptquartiers. [...]. 5. Im Betreff der Verwendung und der Befugnisse der Armee-Gendarmerie enthält die von Mir genehmigte anliegende Dienstinstruktion das Erforderliche. 6. [betrifft etwaige Versorgungsleistungen]. 7. Die etwa notwendigen Stellvertreter der zur Armee-Gendarmerie abgegebenen Landgendarmen sind aus den Ersatztruppen herzugeben. 8. Bei der Demobilmachung wird die Armee-Gendarmerie aufgelöst und treten die Armee-Gendarmen, sowie deren Stellvertreter, in ihr früheres Verhältnis zurück. Berlin, den 25ten Mai 1866 gez. Wilhelm ggez. von Roon".16 Mit diesen Regelungen hatte der König bereits im Jahre 1866 einige Leitlinien vorgegeben, die für die Organisation und das Erscheinungsbild der zu dieser Zeit noch als „Armeegendarmerie" bezeichneten Feldgendarmerie 17 während der gesamten Dauer ihrer Formationsgeschichte richtungweisend waren. Darauf ist hinsichtlich der Heranziehung von Landgendarmen zur Deckung des Personalbedarfs der Feldgendarmerie schon anläßlich der Darstellung ihrer Entstehungsgeschichte hingewiesen worden. Mindestens ebenso bedeutsam war jedoch die Entscheidung, die Feldgendarmerie lediglich im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung aufzustellen und sie im Zuge der anschließenden Demobilmachung wieder aufzulösen, denn das Prinzip, den Streitkräften erst im 16 Vgl. die Abschrift der A. K. O. vom 25.05.1866 im Aktenbestand GStA PK I.HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe. 17 Die Bezeichnung „Armeegendarmerie" wurde bereits im Jahre 1867 wieder aufgegeben und durch den Namen „Feldgendarmerie" ersetzt, ohne daß damit Veränderungen organisatorischer Art verbunden gewesen wären (Blankenstein, S. 130; Böckle, S. 61; vgl. auch die „Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung" vom 31.01.1916, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Blatt 151 d.A.). Aufgrund der Verwechslungsgefahr mit der Armeegendarmerie, die im preußischen Heer in der Zeit von 1820 bis 1850 mit der Verrichtung von Ordonnanzdiensten für den König und die höheren Kommandobehörden betraut war (näher dazu unten, Kapitel 7), ist im Text von Anfang an lediglich der Begriff „Feldgendarmerie" verwendet worden. Das erscheint zudem im Hinblick auf die äußerst kurze Zeitspanne, in der die neugegründete Militärpolizeiformation des preußischen Heeres „Armeegendarmerie" genannt wurde, vertretbar und ist auch in der einschlägigen Literatur allgemein üblich. Die Überlegungen und Motive, die zu der besagten Umbenennung im Jahre 1867 geführt haben, lassen sich im übrigen dem vorhandenen Primärquellenmaterial ebenso wenig entnehmen wie der genaue Zeitpunkt, in dem die Verwendung des neuen Namens befohlen worden ist.

A. Die Gründung der Feldgendarmerie

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Kriegsfall eine Militärpolizeiformation zur Verfügung zu stellen, hatte selbst in der Wehrmacht des Dritten Reiches seine Gültigkeit noch nicht verloren. 18 Ebenfalls als typisch erwies sich im weiteren Verlauf der Armeegeschichte zudem das in Ziffer 3 der A. K. O. vom 25.05.1866 erkennbare Bemühen um eine äußerliche Kennzeichnung der Feldgendarmen, da deren Identifikation als Soldaten mit speziellen Aufgaben und Befugnissen zu allen Zeiten durch besondere Bekleidungszusätze erleichtert werden sollte. 19 Schließlich handelte es sich auch noch bei der Verteilung der Feldgendarmen auf die verschiedenen Armeekorps des Heeres um einen später nicht mehr abgeänderten Einsatzgrundsatz, der einer Verwendung größerer Feldgendarmerieeinheiten in geschlossener Formation stets entgegenstand. Aus all dem folgt, daß einige wesentliche charakte18 Den Ausführungen von Steins, S. 94, aus dem Jahre 1872 zufolge wurde insbesondere im Kaiserreich die Auffassung vertreten, „das Corps der Feldgendarmerie [sei] ein wichtiger Körper im Felde, dessen der Friede nicht bedarf." Die Schwierigkeiten, die im zweiten Weltkrieg als Folge dieser unverändert vorherrschenden Ansicht aufgetreten sind, haben dann jedoch dazu geführt, daß die verantwortlichen Planer im Bundesministerium der Verteidigung bei der Neugründung der deutschen Streitkräfte im Jahre 1955 beschlossen, die Bundeswehr auch schon in Friedenszeiten mit einer militärischen Ordnungstruppe auszustatten [vgl. zu dieser Frage ausführlich die Einführung unter B. I. 3. a) aa)]. Die Feldjägertruppe der Bundeswehr ist demnach die erste militärpolizeiliche Truppengattung der preußisch-deutschen Heeresgeschichte, die nicht erst im Kriegsfall zusammentritt. 19 Schon der Kriegsminister Graf von Roon hatte es in seinem Schreiben vom 23.04.1866 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe) als wünschenswert bezeichnet, „daß die zu übernehmenden Beamten ihre derzeitige Uniform auch während ihres Kommandos beibehalten, da deren äußere Abzeichen, als bei der Armee und im Inlande bekannt, zur Aufrechterhaltung der Autorität beitragen." Der Kenntlichmachung der neuen Militärpolizisten diente in besonderem Maße auch bereits der § 8 des „Reglements über die Organisation der Feldgendarmerie" vom 07.01.1869 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe), wonach alle Angehörigen der Feldgendarmerie künftig einen Ringkragen anlegen mußten, der fortan zum Haupterkennungszeichen der Truppe wurde und nach Blankenstein, S. 170, in der Kaiserzeit folgendes Aussehen hatte: „An einer silbernen, dunkelgrün unterlegten Kette hing ein silberner Schild mit dunkelgrünem Unterfutter. Auf ihm befand sich bei den Offizieren in der Mitte ein goldener Linienadler mit F. R., bei den Ober- und Feldgendarmen dagegen war rechts und links je ein kleiner goldener Adler. In der Mitte aber eine Nummer (mit 1 beginnend) und unter dieser die römische Korpsnummer. Bei der Garde fehlte letztere natürlich, und die keinem Korps zugeteilten Feldgendarmen trugen die Nummer des Korps, bei dem sie mobilgemacht waren." Selbst für die Feldgendarmen der Wehrmacht war gemäß Ziff. 32, Abs. 2 der H. Dv. 275 vom 29.07.1940 noch das Tragen eines mattweißen Ringkragens mit dem Hoheitsabzeichen des Heeres und der Aufschrift „Feldgendarmerie" vorgeschrieben, was ihnen den berüchtigten Spitznamen „Kettenhunde" einbrachte (Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 197). Das Prinzip der eindeutigen Erkennbarkeit eines Militärpolizisten lag in späterer Zeit beispielsweise auch der Entscheidung über die Ausstattung der Feldjägerkommandos der Wehrmacht mit Armbinden und Ringkragen zugrunde (dazu näher oben, Kapitel 5, Fn. 58) und ist selbst bei den Bundeswehr-Feldjägern noch feststellbar, da diese gem. ZDv 75/100, Nr. 173, und HDv 360/200, Nr. 2006, im Dienst verpflichtet sind, u.a. eine weiße Armbinde mit dem schwarzen Aufdruck „Feldjäger" am linken Oberarm zu tragen.

18*

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

ristische Merkmale der Feldgendarmeriegeschichte bereits auf die Gründungsurkunde vom 25.05.1866 zurückgeführt werden können.

m . Die Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie vom 25.05.1866 Wie Ziffer 5 der oben zitierten A. K. O. vom 25.05.1866 zu entnehmen ist, lag dem König am gleichen Tag auch schon eine erste Dienstvorschrift für die geplante Feldgendarmerie zur Genehmigung vor. Bei diese „Dienst-Instruktion für die Armee-Gendarmerie bei den im Felde stehenden Truppen" handelte es sich jedoch noch keineswegs um ein umfassendes und klar strukturiertes Regelwerk, sondern lediglich um eine in kürzester Zeit erarbeitete und nicht einmal in verschiedene Abschnitte unterteilte Zusammenstellung von elf Paragraphen, in denen naturgemäß nur einige Grundsatzfragen angesprochen wurden, die sich im Zusammenhang mit der Einrichtung der neuen Truppengattung stellten. Dabei beschränkte sich der Kriegsminister, der für den Erlaß der Dienstinstruktion zuständig war, in den ersten vier Paragraphen zudem auch noch darauf, mit nur geringfügig abweichendem Wörtlaut die Anweisungen zu wiederholen, die der König bereits in seiner Allerhöchsten Kabinettsorder erteilt hatte. Einzig die in § 2 Satz 2 der Instruktion enthaltene Anordnung, die den Chef der Landgendarmerie verpflichtete, „auch die zu einer etwa nothwendig werdenden Kompletirung resp. Ergänzung der Armee-Gendarmerie erforderlichen Mannschaften" zu stellen, ging über die Vorschriften der A. K. O. hinaus. Auch insoweit brachte der Kriegsminister jedoch letztlich lediglich eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, da der königliche Befehl zur Rekrutierung der Feldgendarmen aus den Reihen der Landgendarmerie ohnehin implizierte, daß der im Laufe des bevorstehenden Krieges etwa notwendig werdende Personalersatz in gleicher Weise durchgeführt werden sollte. Einen wirklich neuen Aspekt, der in der A. K. O. vom 25.05.1866 noch keine Erwähnung gefunden hatte, enthielt die Dienstvorschrift daher nur in ihrem § 10. Darin fand sich nämlich eine Regelung, die bei Verwendung eines modernen Sprachgebrauchs mit dem Stichwort „Amtshilfe" umschrieben werden könnte, da sie „alle Offiziere der Armee sowie Unteroffiziere, Soldaten und Beamten" verpflichtete, „den Armee-Gendarmen auf ihr Verlangen die Unterstützung angedeihen zu lassen, die zur Erfüllung des erhaltenen Auftrages respective Verhinderung ungesetzlichen Verfahrens erforderlich ist," wozu gem. § 10 HS. 2 der Dienstinstruktion insbesondere auch „die Zuweisung der erforderlichen Mannschaften in außerordentlichen Fällen" gehörte. Alle übrigen Normen der Dienstvorschrift befaßten sich dagegen ausschließlich mit den in Ziffer 5 der A. K. O. vom 25.05.1866 bereits angesprochenen Aufgaben und Befugnissen der Feldgendarmerie.

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1. Die Aufgaben der Feldgendarmerie Betrachtet man nun zunächst einmal nur die Aufgaben, die der Feldgendarmerie durch die §§ 5 bis 7 und 11 der Dienstinstruktion zugewiesen worden waren, so erkennt man sofort die für Militärpolizeiformationen typische Dreiteilung in den militärischen Verkehrsdienst, den militärischen Ordnungsdienst und die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben. So war etwa „die Aufsicht über Beobachtung der Vorschriften auf den Straßen" ebenso eindeutig verkehrsdienstlicher Natur wie die Beobachtung und Controlle der Wegweiser" oder das Freihalten der Marschstraßen. Gleiches trifft auch für die in der Dienstvorschrift ebenfalls vorgesehene Straßen- und Geländeerkundung zu, für deren Durchführung sich die Feldgendarmen „mit der Gegend, in welcher die Armee steht, sowie mit den allgemeinen Landesverhältnissen genau bekannt zu machen" hatten. Zu diesem Zweck sollten sie insbesondere Wegweiser und Kundschafter beschaffen sowie „Verbindungen mit der Gegend besonders kundigen Personen, als Schulzen, Jägern, Fuhrleuten, Postillons und Schankwirthen" anknüpfen. 20 Während sich die so umschriebenen verkehrsdienstlichen Tätigkeiten der Feldgendarmerie in zeitgemäßer Form als Verkehrsüberwachung, Straßenerkundung, Verkehrskontrolle oder Straßenkennzeichnung auch heute noch beispielsweise in den Dienstvorschriften für die Feldjägertruppe der Bundeswehr wiederfinden, 21 umfaßte der von der Feldgendarmerie zu versehende militärische Ordnungsdienst zum Teil auch Aufgaben, für die sich ein modernes Äquivalent nicht mehr finden läßt. Dazu zählte nicht nur die „Beaufsichtigung der Kaufleute und Marketender, sowie deren Handels mit der Armee", sondern in gleichem Maße auch „die Aufsicht über Beobachtung der Vorschriften bei der Bagage und den Trains", das „Aufsuchen von Verwundeten an Gefechts- und Schlachttagen" sowie die „Verhinderung unberechtigten Requirirens, Plünderns und Raubens" gem. §§5 und 7 der Dienstinstruktion. 22 Demgegenüber läßt 20

Vgl. §§5 und 6 der Dienstinstruktion. ZDv 75/100, Nr. 116; 502; 512; 521-525 und 536-539 sowie HDv 360/200, Nr. 2001-2002; 2108-2114; 2501-2538; Anlagen C 4; C 12-C 14; C 16 und C 17. 22 Der Schutz der Zivilbevölkerung vor den im Text zuletzt genannten Erscheinungsformen war dem Inhalt der Dienstinstruktion zufolge die wohl bedeutsamste Obliegenheit der Feldgendarmerie, denn diese Tätigkeit hatte nicht nur in § 5 als Teil einer umfangreichen Aufzählung von Aufgaben Erwähnung gefunden, sondern wurde vielmehr durch die Vorschrift des § 11 nochmals speziell geregelt: „Ganz besonders liegt der Armee-Gendarmerie die Verpflichtung ob, die Bewohner des eigenen, sowie des occupirten fremden Landes gegen unberechtigte Requisitionen, Erpressungen, Plünderungen und Gewalttaten, von wem dieselben auch versucht werden mögen, zu schützen." Angesichts der aus diesen Formulierungen erkennbar werdenden Bedeutung, die das Kriegsministerium dem Schutz von Zivilisten durch die Feldgendarmerie beimaß, erscheint die im Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 197, zufindende Behauptung, die Feldgendarmerie sei u.a. zum Zweck der Unterdrückung der Bevölkerung okkupierter Territorien gegründet worden, doch 21

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sich jedoch die weitere Pflicht zur „Aufsammlung und Ablieferung der Nachzügler und Marodeurs an ihre Truppentheile" bzw. zur „Sammlung und Orientierung von abgesprengten und zerstreuten Tirailleurs und anderen Soldaten" wieder als eine typische Tätigkeit im Rahmen des militärischen Ordnungsdienstes einordnen. 23 Das gilt erst recht für den allgemeinen Auftrag der Feldgendarmerie, „Ruhe und Ordnung im Hauptquartier, wie im Bereiche der Armee" und „unmittelbar hinter der Schlachtlinie [...] bei den Verbandplätzen" aufrechtzuerhalten, da dies auch bei den heutigen Militärpolizeiformationen noch zu den Verpflichtungen gehört, die ohne besonderen Befehl ständig ausgeführt werden müssen. Ähnlich moderne Züge weisen schließlich auch einige derjenigen Dienstpflichten der Feldgendarmerie auf, die in der neueren Terminologie den Sicherheitsaufgaben zugerechnet werden, denn insoweit sah die Dienstvorschrift vor allem die „Überwachung des Fremdenverkehrs" im Hauptquartier und die Verhinderung von Spionage vor. 2 4 Darüber hinaus dürfte aber auch die Begleitung von Verwundeten- und Kranken-Transporten durch Feldgendarmen noch dem Bereich der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben angehören, obgleich zumindest im Aufgabenspektrum der Feldjägertruppe der Bundeswehr eine Entsprechung heute nicht mehr feststellbar ist. Abschießend muß noch darauf hingewiesen werden, daß die Feldgendarmerie gem. §§ 5 f. der Dienstinstruktion mit der Ausführung von Requisitionen und der Überbringung von Befehlen auch solche Obliegenheiten zu erfüllen hatte, die nicht zu der in der Einführung als „klassisch" bezeichneten militärpolizeilichen Aufgabentrias gehören. Gleichwohl ist nach der Betrachtung des der Feldgendarmerie zugewiesenen Aufgabenspektrums im Ergebnis festzuhalten, daß diese Truppengattung schon zur Zeit ihrer Gründung im Jahre 1866 im Hinblick auf die von ihr zu verrichtenden Tätigkeiten als eine Militärpolizeiformation im modernen Sinne bezeichnet werden kann.

sehr überraschend und ist nur mit der ideologischen Ausrichtung der sozialistischen Militärgeschichtsschreibung in der ehemaligen DDR zu erklären. 23 Vgl. beispielsweise die Mitwirkung von Bundeswehr-Feldjägern beim Sammeln und Rückführen von Versprengten gemäß ZDv 75/100, Nr. 406; 918-920; HDv 360/ 200, Kapitel 17. 24 In diesem Zusammenhang verlangte § 6 der Dienstinstruktion von den Feldgendarmen, daß ihnen „Persönlichkeiten von Einfluß [...] nicht fremd sein" sollten. Daß der Schutz von Gefechtsständen höherer Kommandobehörden gegen Spionage oder Sabotage im Wege von Einlaßkontrollen durch Militärpolizisten auch heute noch nichts von seiner Aktualität verloren hat, beweist ein Blick in die Nr. 615 der ZDv 75/100; vgl. im übrigen auch ZDv 75/100, Nr. 609 und 914 sowie HDv 360/200, Nr. 3003; 3012 und 3101 bis 3111.

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2. Die Rechtsstellung der Feldgendarmen Die Vielfalt der im vorstehenden ausführlich beschriebenen Obliegenheiten legt bereits die Erwartung nahe, daß ein effektiver Einsatz der Feldgendarmen nur dann zu gewährleisten war, wenn ihnen eine starke Rechtsstellung eingeräumt wurde, die sowohl Befugnisse gegenüber Soldaten als auch Eingriffsrechte gegenüber der Zivilbevölkerung umfaßte. Zu diesem Zweck hatte das Kriegsministerium in § 8 I 2 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866 die im Dienst befindlichen Feldgendarmen zu militärischen Wachen ernannt. Damit wurde nun den Feldgendarmen nicht nur der besondere Schutz zuteil, den das „Strafgesetzbuch für das preußische Heer" vom 03.04.1845 (pr. MStGB) 25 den militärischen Wachen gewährte. Vielmehr eröffnete sich ihnen durch diese Maßnahme gleichzeitig auch die Möglichkeit, Soldaten Befehle zu erteilen. Mindestens ebenso bedeutsam war jedoch der Umstand, daß die preußische Militärgesetzgebung die militärischen Wachen mit umfangreichen Festnahme- und Waffengebrauchsrechten ausgestattet hatte, die aufgrund der Vorschrift des § 8 I 2 der Dienstinstruktion nunmehr auch den Feldgendarmen zustanden.26 Schließlich war mit der Rechtsstellung der Wachmannschaften aber auch noch eine besondere militärstrafrechtliche Verantwortung verbunden, die als Gegengewicht für die den militärischen Wachen eingeräumte weitreichende Dienstgewalt fungierte und daher als deren notwendige Folge betrachtet wurde. 27 a) Der besondere militärstrafrechtliche

Schutz der Feldgendarmen

Wie wichtig dem Kriegsministerium zunächst die materiellrechtliche Absicherung der den Feldgendarmen verliehenen dienstlichen Autorität gewesen ist, läßt sich der Tatsache entnehmen, daß die den gewünschten besonderen militärstrafrechtlichen Schutz gewährende Vorschrift des § 134 pr. MStGB die einzige Rechtsgrundlage war, auf die in der Dienstinstruktion ausdrücklich Bezug genommen wurde. Gemäß § 134 pr. MStGB wurde ein Soldat, der „sich gegen Wachen (Ronden, Patrouillen, Schildwachen, Sauvegarden, Eskorten und Kasernenwachen, überhaupt militairische Wachen jeder Art)" sowie gegen Landgendarmen der Beleidigung, des Ungehorsams oder der Widersetzlichkeit schuldig 25

Pr. GS 1845, S. 287 ff. Zutreffend insoweit: „Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung," GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Blatt 156 d.A.; Meyers Konversationslexikon 1897, Stichwort „Feldgendarmen", S. 270; Romen/Rissom, § 2 EGMStGB, Anm. 10b), S. 25; Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 197, die jedoch allesamt weitgehend versäumen, die entsprechenden Rechtsgrundlagen anzugeben. 27 von Koppmann, § 125 MStGB, Anm. 1, S. 467; Solms, § 125 MStGB, Anm. 1, S. 122; Schwinge, S. 309. 26

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machte, ebenso bestraft, „als wenn er das Verbrechen gegen einen Vorgesetzten verübt hätte." Damit waren die Wachmannschaften also sowohl vor etwaigen Angriffen auf ihre Person als auch vor jeglicher Auflehnung gegen die von ihnen vorgenommenen Diensthandlungen ebenso geschützt wie die militärischen Vorgesetzten. 28 Dem unmißverständlichen Wortlaut der Norm zufolge genossen 28 Vgl. Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. la), S. 490, die den § 111 RMStGB insoweit mit dem § 113 des Reichsstrafgesetzbuches vergleichen. - Die Heranziehung des zum „Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich" vom 20.06.1872 (RGBl. 1872, S. 174) veröffentlichten Schrifttums zum Zwecke der Darstellung der militärstrafrechtlichen Situation in Preußen ist hier ebenso wie in den folgenden Abschnitten unproblematisch möglich, da die einschlägigen Normen des preußischen Militärstrafgesetzbuches mit nur geringfügigen Änderungen des Wortlauts, die kaum mit inhaltlichen Neuerungen verbunden waren, in das RMStGB übernommen wurden. Dementsprechend wich etwa der § 111 RMStGB, der die Vorschrift des im Text bereits erwähnten § 134 pr. MStGB ablöste, sogar in dreifacher Hinsicht von seiner Vorgängerregelung ab, ohne daß damit eine prinzipielle Umgestaltung der Rechtslage verbunden gewesen wäre. So hatte zunächst einmal der Umstand, daß die Norm des §111 RMStGB im Gegensatz zu der des § 134 pr. MStGB die Landgendarmen hinsichtlich des militärstrafrechtlichen Schutzes nicht mehr mit den militärischen Wachen gleichsetzte, keinerlei Auswirkungen auf die hier thematisch allein interessierende Feldgendarmerietruppe. Die Ausklammerung der Landgendarmen aus dem Tatbestand des § 111 RMStGB war nämlich lediglich darauf zurückzuführen, daß das RMStGB für das gesamte Deutsche Reich galt, zahlreiche Länder jedoch über eine Landgendarmerie verfügten, auf die das Militärstrafrecht schon deshalb nicht anwendbar war, weil sie keine militärische Organisation aufwies (vgl. zu der Frage, welche Länder im einzelnen eine militärisch organisierte Landgendarmerie unterhielten, die Fn. 38 der Einführung). Obschon sich aber das Personal der Feldgendarmerie aus den Reihen der Landgendarmerie rekrutierte, blieb der Fortfall der militärstrafrechtlichen Absicherung der Landgendarmen für die Feldgendarmen gänzlich folgenlos, da sie auch zuvor nicht etwa aufgrund ihrer friedensmäßigen Verwendung in der Landgendarmerie geschützt worden waren, sondern dem Anwendungsbereich des § 134 pr. MStGB wegen ihrer Eigenschaft als militärische Wachen unterfielen. Die im Frieden bestehende Zugehörigkeit der Feldgendarmen zur Organisation der Landgendarmerie wurde nämlich in dem Augenblick unterbrochen, in dem sie in die Feldgendarmerie eintraten. Von diesem Zeitpunkt an unterstanden sie in jeder Beziehung nur noch den für die Armee geltenden Vorschriften, nach denen sich dann naturgemäß auch die konkrete Ausgestaltung ihrer Rechtsstellung richtete. Sämtliche Rechte und Pflichten, die sie im Frieden aufgrund ihrer Tätigkeit in der Landgendarmerie innehatten, konnten mithin bis zur erneuten Demobilmachung keine Wirkung mehr entfalten. Konsequenterweise hatte daher auch das Kriegsministerium die Feldgendarmerie in § 8 I 2 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866 den militärischen Wachen gleichgestellt und sie auf diese Weise in den Geltungsbereich des § 134 pr. MStGB miteinbezogen. Das hatte aber zwangsläufig zur Folge, daß der militärstrafrechtliche Schutz der Feldgendarmen unabhängig davon gewährleistet war, ob auch die Landgendarmen davon profitierten. Indessen hatte sich die Rechtslage nach Inkrafttreten des § 111 RMStGB auch insoweit geändert, als es fortan nicht mehr in der Macht des Kriegsministeriums stand, den Feldgendarmen die Eigenschaft militärischer Wachen zu verleihen. Das war gemäß § 134 pr. MStGB noch unproblematisch möglich gewesen, weil die Vorschrift den Kreis der militärischen Wachen keineswegs abschließend aufzählte, sondern stattdessen einer nur beispielhaften Anführung einiger typischer Wachmannschaften den Halbsatz „überhaupt militärische Wachen jeder Art" folgen ließ. Damit hatte der Gesetzgeber aber bewußt darauf verzichtet, den durch § 134 pr. MStGB geschützten Personenkreis selbst zu bestimmen, so daß es letztlich den verantwortlichen militärischen

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die Wachen diese Sicherheit gegenüber allen anderen Soldaten mit Einschluß der Offiziere. 29 Lediglich diejenigen Offiziere und Unteroffiziere, die nach den Dienststellen überlassen blieb, die Reichweite der Norm im Wege der Ernennung weiterer Soldaten zu militärischen Wachen auszudehnen oder durch die Formulierung bestimmter Ausnahmen partiell einzuschränken. Bei der militärischen Wache im Sinne des § 134 pr. MStGB hatte es sich daher noch um einen außerstrafrechtlichen Begriff gehandelt, dessen genaue Inhaltsbestimmung von den jeweils gültigen militärischen Dienstvorschriften maßgeblich beeinflußt wurde. Demgegenüber hatte der Gesetzgeber in § 111 RMStGB einen anderen Weg beschritten, denn diese Norm übernahm die Definition des Begriffs der „militärischen Wache" selbst. So waren gemäß § 111 II RMStGB „als militärische Wachen im Sinne dieses Gesetzes [...] anzusehen alle zum Wacht- oder militärischen Sicherheitsdienst befehligten Personen des Soldatenstandes mit Einschluß der Feldgendarmen, welche in Ausübung dieses Dienstes begriffen und als solche äußerlich erkennbar sind." Im Gegensatz zu § 134 pr. MStGB knüpfte also § 111 RMStGB die Eigenschaft eines Soldaten als militärische Wache selbst an genau und erschöpfend geregelte gesetzliche Voraussetzungen (so insbesondere Fuhse, § 111 MStGB, Anm. 4, S. 121, und Rittau, § 111 MStGB, Anm. 10, S. 109; vgl. auch RMGE 12, 30, 31). Den militärischen Dienstvorschriften kam somit im Hinblick auf die Begründung der Wacheigenschaft nur noch die Funktion zu festzulegen, ob und wann ein Soldat als zum Wach- oder Sicherheitsdienst befohlen betrachtet werden mußte. Das hatte zur Folge, daß dem Kriegsministerium die Entscheidungsbefugnis darüber entzogen worden war, wann ein Soldat die Rechtsstellung einer militärischen Wache innehatte. Während also die Bestimmung des § 8 I 2 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866 mit Blick auf die Verleihung der Wacheigenschaft noch konstitutiv gewirkt hatte, kam den späteren Dienstvorschriften für die Feldgendarmerie aufgrund der in § 111 II RMStGB enthaltenen Legaldefinition in militärstrafrechtlicher Hinsicht nur noch deklaratorische Bedeutung zu, soweit sie die Feldgendarmen zu militärischen Wachen erklärten. Gleichwohl hatte die dergestalt geänderte Gesetzgebungstechnik keine weitergehenden Konsequenzen für die Praxis, da die in § 111 II RMStGB genannten Voraussetzungen der äußeren Erkennbarkeit einer Wache sowie der Ausübung des Wachdienstes auch schon im Tatbestand des § 134 pr. MStGB enthalten waren. Zwar standen diese Tatbestandsmerkmale in § 134 pr. MStGB gleichrangig nebeneinander und mußten, damit einem Soldaten der besondere Schutz der Norm zuteil werden konnte, kumulativ vorliegen, während die gleiche Rechtsfolge gemäß § 111 I RMStGB schon dann eintrat, wenn eine Person des Soldatenstandes die Rechtsstellung der militärischen Wache innehatte. Da letzteres jedoch gemäß § 111 II RM StGB wiederum voraussetzte, daß die Person als Wache erkennbar und in Ausübung ihres Dienstes begriffen war, unterschieden sich beide Vorschriften im Ergebnis nur insoweit voneinander, als ein Soldat nach § 134 pr. MStGB - anders als gemäß § 111 RMStGB - auch unabhängig von der Erkennbarkeit oder der Ausübung des Wachdienstes die Eigenschaft einer militärischen Wache aufweisen konnte. Insbesondere im Bereich der hier allein zu betrachtenden Feldgendarmerie wird deutlich, daß die unterschiedliche Gesetzgebungstechnik keinerlei praktische Auswirkungen hatte, denn die Feldgendarmen kamen sowohl gemäß § 134 pr. MStGB als auch nach § 111 RMStGB schon dann in den Genuß der besonderen militärstrafrechtlichen Absicherung, wenn sie erkennbar und in Ausübung ihres Dienstes begriffen waren. Soweit nämlich § 134 pr. MStGB darüber hinaus noch die Wacheigenschaft voraussetzte, ergab sich diese für die Feldgendarmen generell aus der Ernennung zu militärischen Wachen durch § 8 I 2 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866. In ähnlicher Weise stellte sich die Situation aber auch bei § 111 RMStGB dar, denn da dessen Absatz 2 die Feldgendarmen ausdrücklich den zum Wach- und militärischen Sicherheitsdienst kommandierten Soldaten zurechnete, mußten von den gesetzlichen Voraussetzungen für die Eigenschaft eines Soldaten als militärische Wache und damit eben auch für die militärstrafrechtliche Ab-

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einschlägigen Dienstvorschriften den Wachen auch während der Ausübung ihres Dienstes Befehle erteilen duften, also gerade im Hinblick auf den Wachdienst Vorgesetzte der Wache waren, wurden als sogenannte „Wachvorgesetzte" vom Anwendungsbereich des § 134 pr. MStGB nicht erfasst. 30 Die eigentliche Bedeutung des § 134 pr. MStGB lag demzufolge darin, daß selbst ein ranghöherer Soldat, der kraft seines Dienstranges an sich Vorgesetzter des Wachpersonals gewesen wäre, nach den Vorschriften über die strafbaren Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung 31 zur Rechenschaft gezogen werden konnte, wenn er sich den ihm grundsätzlich untergebenen Mannschaften im Wachdienst widersetzte, sie beleidigte oder sich ihnen gegenüber ungehorsam zeigte. Dadurch wurde nun zwar keineswegs eine Befehlsbefugnis der militärischirmung durch § 111 I RMStGB gleichfalls immer nur die Erkennbarkeit und die Dienstausübung erfüllt sein. - Schließlich wich § 111 RMStGB aber auch noch insoweit in den Bestimmungen des § 134 pr. MStGB ab, als er den Kreis der schützenswerten Belange der Wachmannschaften um das Recht auf Achtung erweiterte. Auch bei dieser Neuerung handelte es sich indessen keineswegs um eine grundsätzliche Veränderung der militärstrafrechtlichen Strukturen, sondern lediglich um eine Ausdehnung des den militärischen Wachen zugebilligten Schutzbereiches. Nach all dem läßt sich daher abschließend feststellen, daß die ausführlich beschriebenen Unterschiede zwischen den Regelungen des § 134 pr. MStGB und denen des nachfolgenden § 111 RMStGB im hier interessierenden Zusammenhang der Verwendung später erschienener Literatur zur Beschreibung der vor der Reichsgründung in Preußen vorherrschenden Rechtslage nicht entgegenstehen. 29 Fuhse, § 111 MStGB, Anm. 2, S. 120; Solms, § 111 MStGB, Anm. 6, S. 109. In späteren Jahren bemühte sich das Kriegsministerium zwischenzeitlich einmal darum, die zugunsten der Feldgendarmen wirkende Schutzfunktion des § 111 I RMStGB zumindest gegenüber den Offizieren der Armee zu begrenzen. Zu diesem Zweck ordnete es in § 12 I 2 der „Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie" vom 15.08.1872 an, daß die Feldgendarmen gegenüber „Offizieren, den im Range derselben stehenden Militair-Ärzten und den Ober-Militair-Beamten" nicht als militärische Wachen anzusehen sein sollten. Indessen war dieser Regelung im militärstrafrechtlichen Bereich seit dem Inkrafttreten des Reichsmilitärstrafgesetzbuches die rechtliche Anerkennung zu versagen, da das Kriegsministerium durch die Legaldefinition des Begriffs der militärischen Wache in § 111 II RMStGB daran gehindert war, mit den Mitteln einer Dienstinstruktion selbst zu bestimmen, ob und wann einem Soldaten die Wacheigenschaft zukam. Konstitutive Wirkung konnten die Dienstvorschriften insoweit nämlich lediglich solange entfalten, wie die Vorschrift des § 134 pr. MStGB noch in Kraft war; mit dessen Ablösung durch § 111 RMStGB hatten die Dienstinstruktionen - wie in der vorstehenden Fußnote ausführlich erläutert - diese Bedeutung jedoch verloren. Vgl. zur Vorschrift des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 näher unten sub D. II. 3. 30 Heckel, S. 414; von Koppmann, § 111 MStGB, Anm. 15, S. 416; Mayer, Militärstrafrecht II, S. 14; Rittau, § 111 MStGB, Anm. 9, S. 108. 31 Die Gleichstellung der Straftaten gegen militärische Wachen mit denen gegen Vorgesetzte erfaßte nicht alle „Verbrechen gegen die Subordination", die im 3. Abschnitt des pr. MStGB enthalten waren. Vielmehr wurden durch die Aufzählung der Beleidigung, des Ungehorsams und der Widersetzlichkeit in § 134 pr. MStGB nur die §§ 125 bis 131 pr. MStGB in Bezug genommen, die den Ungehorsam gegen Dienstbefehle, die ausdrückliche Verweigerung des Gehorsams, die Widersetzlichkeit, die tätliche Widersetzung, den versuchten Angriff mit der Waffe und die Beleidigungen der Untergebenen gegen Vorgesetzte unter Strafe stellten.

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sehen Wachen gegenüber allen übrigen Personen des Soldatenstandes begründet, doch läßt insbesondere die durch § 134 pr. MStGB angeordnete Strafbarkeit wegen Ungehorsams erkennen, daß die Vorschrift stattdessen die Funktion hatte, das als bestehend vorausgesetzte Recht der Wachmannschaften, anderen Soldaten verbindliche Anweisungen zu erteilen, 32 durch die Androhung von strafrechtlichen Sanktionen auch gegenüber ranghöheren Soldaten zu sichern. 33 32

Dazu sogleich unter b). Angesichts der zumindest in der damaligen Zeit gebräuchlichen Definition des Vorgesetzten als einer Person, die aufgrund der ihr zur Ausübung übertragenen Kommandogewalt Befehle zu erteilen berechtigt ist (Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. la), S. 489), läßt es die Selbstverständlichkeit, mit der § 134 pr. MStGB von einer Befehlsbefugnis der Wachmannschaften ausging, als naheliegend erscheinen, daß die militärischen Wachen Vorgesetzte aller übrigen Soldaten waren, sofern sie sich im Dienst befanden. Auch die Tatsache, daß die Wachen durch § 134 pr. MStGB in bezug auf ihren strafrechtlichen Schutz den Vorgesetzten teilweise gleichgestellt wurden, scheint an sich dafür zu sprechen, ihnen die Vorgesetzteneigenschaft zuzubilligen. Gleichwohl ist weder zur Zeit der Gründung der Feldgendarmerie noch im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts daran gezweifelt worden, daß die militärischen Wachen nicht als Vorgesetzte anzusehen waren. So konnte etwa von Koppmann noch im Jahre 1903 unwidersprochen ausführen, daß „den militärischen Wachen nicht die Eigenschaft von wirklichen militärischen Vorgesetzten mit allen diesen zukommenden Befugnissen verliehen" worden sei. Das Gesetz habe vielmehr in § 134 pr. MStGB bzw. in § 111 RMStGB eine Vorgesetzteneigenschaft der militärischen Wachen lediglich fingiert, um mit Hilfe dieser Fiktion zugleich bestimmte strafrechtliche Folgen auslösen zu können (von Koppmann, § 111 MStGB, Anm. 1, S. 409; ders., § 125 MStGB, Anm. 3, S. 467). Erst vier Jahre später wurden im Schrifttum vereinzelt abweichende Auffassungen formuliert. Soweit ersichtlich war es zunächst Max Ernst Mayer, der die Theorie von der Fiktion einer vorgesetztenähnlichen Rechtsstellung der militärischen Wachen bekämpfte. Seiner Ansicht nach war die in der Literatur „überall auftauchende Meinung, die Vörgesetzteneigenschaft sei bloß fingiert, durch nichts veranlaßt", denn „wie in allen analog gestalteten Verhältnissen, so ist hier die Funktion Grund und Schranke der Überordnung." Daraus sei zu schließen, „daß eine militärische Wache allen Soldaten, die nicht im Wachdienst sind, selbst solchen, die einen viel höheren Rang einnehmen, übergeordnet und nur den im Wachdienst Vorgesetzten untergeordnet ist." Mithin übe die Wache eine Funktion aus, durch die ein Vorgesetztenverhältnis begründet werde (Mayer, Militärstrafrecht II, S. 12 ff.). Unterstützung erhielt Mayer vor allem von Eberhard Schmidt, der ebenfalls die Auffassung vertrat, die militärischen Wachen seien tatsächlich Vorgesetzte aller übrigen Soldaten mit Ausnahme der Wachvorgesetzten (so auch Hechel, S. 411). Zur Begründung verwies Schmidt u.a. darauf, daß es höchst fragwürdig erscheine, angesichts der militärischen Lebenswirklichkeit mit Fiktionen zu arbeiten, zumal die Befehlsbefugnis der militärischen Wachen auch gegenüber ranghöheren Soldaten von niemanden bestritten werde (Schmidt, Militärstrafrecht, S. 66 f.). Gleichwohl schloß sich die gesamte Militärgerichtsbarkeit ebenso der „Fiktionstheorie" an (vgl. die Nachweise bei Schwinge, S. 271) wie die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte in Strafsachen (vgl. nur RGSt 60, 337, 338 f.) Auch Fuhse (§111 MStGB, Anm. 2, S. 120), Rittau (§111 MStGB, Anm. 9, S. 108), Rotermund (§111 MStGB, Anm. 2, S. 284) und das Handwörterbuch des Militärrechts (Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 860) gingen von einer nur fiktiven Vorgesetztenstellung der militärischen Wachen aus und verzichteten insoweit sogar auf jegliche Auseinandersetzung mit den insbesondere von Mayer und Schmidt vorgebrachten Gegenargumenten. Demgegenüber räumte Beckmann, S. 19, zwar ein, daß keine der beiden dargestellten Ansichten lo33

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Da jedoch ein Soldat innerhalb derselben Rechtsbeziehung gegenüber einer anderen Person des Soldatenstandes nicht zugleich befehlsbefugt und zum Gehorsam verpflichtet sein konnte, ließ sich aus § 134 pr. MStGB zusätzlich auch noch folgern, daß die aufgrund allgemeiner Regeln begründete Vorgesetzteneigenschaft aller nicht zu den spezifischen Wachvorgesetzten zählenden ranghöheren Armeeangehörigen im Verhältnis zu den militärischen Wachen insoweit ruhte, als sie mit deren Recht, Befehle zu erteilen, nicht vereinbar war. 34 Aufgisch vorrangig sei. Zudem war er bereit zu konzedieren, daß die von der Fiktionstheorie abweichende Auffassung einfacher und klarer durchzuführen sei. Gleichwohl folgte auch er der h.M. und argumentierte mit der Anschauung des militärischen Lebens, die zwischen Vorgesetztenstellung und Wacheigenschaft schon deshalb differenziere, weil ein Soldat nur aufgrund seines Charakters und seiner Leistung zum Vorgesetzten avancieren könne, während er zum Wachdienst gelegentlich sogar strafweise kommandiert werde {Beckmann, a.a.O.). Der gleichen Argumentation bediente sich im übrigen auch Schwinge, S 271 f., der jedoch zusätzlich noch darauf hinwies, daß nur die Fiktionstheorie mit der Geschichte des Wachbegriffs in Einklang gebracht werden könne. Die ausführlichste Begründung der h.M. findet sich indessen bei Romen! Rissom, § 111 MStGB, Anm. la), S. 489 f. Auch sie bedienten sich zwar zunächst einmal wie Schwinge nur der historischen Auslegung des Wachbegriffs, gestanden der Gegenansicht jedoch zu, daß es aufgrund der allgemein anerkannten Befehlsbefugnis der militärischen Wachen nahe liege, sie den Vorgesetzten zuzurechnen. Aufgrund dieses Entgegenkommens sahen sie sich indessen gezwungen, die Befehlsbefugnis eines Vorgesetzten von derjenigen der Wachmannschaften abzugrenzen und insoweit das unterscheidende Merkmal herauszuarbeiten. Daher untermauerten sie die Fiktionstheorie zusätzlich auch noch mit der Feststellung, daß die Befehlsbefugnis der Wachen nicht wie bei einem Vorgesetztenverhältnis nur gegenüber einer bestimmten anderen Person bestehe, sondern sich grundsätzlich auf jede Person des Soldatenstandes erstrecke und damit weit hinausgehe über das allgemeine Vorgesetztenverhältnis, das sich immer nur auf rangniedrigere Soldaten beziehe (zustimmend insoweit auch Beckmann, S. 19) M. E. wurde die Fiktionstheorie trotz dieser etwas gekünstelt anmutenden Differenzierung der Befehlsbefugnis eines Vorgesetzten und deijenigen einer militärischen Wache der damaligen Rechtslage eher gerecht als die Gegenmeinung, da letztere nicht zufriedenstellend zu klären vermochte, warum sowohl § 134 pr. MStGB als auch die Nachfolgevorschrift des § 111 RMStGB ausdrücklich anordneten, daß der strafrechtliche Schutz der militärischen Wachen denjenigen der Vorgesetzten entsprechen sollte. Wären die militärischen Wachen nämlich schon allein aufgrund ihrer Dienststellung als Vorgesetzte anzusehen gewesen, so hätte es einer solchen Regelung überhaupt nicht bedurft. Zudem hätten die Wachmannschaften in diesem Fall die Absicherung durch sämtliche Deliktsnormen des Abschnitts über die Straftaten gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung für sich in Anspruch nehmen können; tatsächlich genossen sie jedoch lediglich die Abschirmung durch diejenigen Vorschriften, die durch die abschließende Aufzählung in § 134 pr. MStGB bzw. § 111 RMStGB in Bezug genommen worden waren. Obschon somit die besseren Argumente für die Fiktionstheorie gesprochen haben dürften, bedarf die Frage nach der Vorgesetzteneigenschaft militärischer Wachen letztlich keiner abschließenden Entscheidung, da sie nur theoretischer Natur war und sich in der Rechtswirklichkeit unabhängig davon, welcher Ansicht man folgte, in keiner Weise bemerkbar machte. Es sei jedoch noch darauf hingewiesen, daß sich der bundesdeutsche Gesetzgeber in § 3 der „Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses" vom 04.06.1956 (BGBl. I 1956, S. 459) entgegen der noch im zweiten Weltkrieg vertretenen früheren h. M. dafür entschieden hat, die im Wachdienst eingesetzten Soldaten mit Befehlsbefugnissen auszustatten und sie dadurch entsprechend der Definition in § 1 V SG zu Vorgesetzten zu machen.

A. Die Gründung der Feldgendarmerie

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grund der Regelung des § 134 pr. MStGB wurden die Wachen also gleichsam aus ihren sonstigen Untergebenenverhältnissen herausgenommen und waren fortan nur noch den besonderen Vorschriften für den Wachdienst unterworfen. 35 Daraus folgte nun für die Feldgendarmen, daß sie nur noch den vorgesetzten Soldaten innerhalb der Feldgendarmerieorganisation sowie den Befehlshabern derjenigen Truppenteile unterworfen waren, denen sie gemäß Ziffer 1 der A. K. O. vom 25.05.1866 „zur Ausübung der Heerespolizei" zugeteilt wurden. 36 Voraussetzung dafür war indessen gemäß § 134 I pr. MStGB neben der Eigenschaft als militärische Wache, die die Feldgendarmen ja bereits durch § 8 I 2 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866 erhalten hatten, zunächst einmal ihre äußere Erkennbarkeit. Diese mußte nach wohl allgemeiner Ansicht allein aufgrund einer besonderen Bekleidung und Ausrüstung gegeben sein; sonstige Kennzeichen wie etwa der Stationierungsort oder die Zugangsberechtigung zu bestimmten Einrichtungen blieben hingegen außer Betracht. 37 Die Feldgendarmen waren daher nur dann äußerlich als solche erkennbar i.S.d. § 134 pr. MStGB, wenn sie einen Dienstanzug aufwiesen, der der Mehrzahl der Armeeangehörigen bekannt war und durch den sie sich von anderen Soldaten deutlich unterschieden. 38 Dem so definierten Erfordernis einer besonderen Kennzeichnung wurden die Feldgendarmen nun dadurch gerecht, daß sie sowohl „ zum Waffenrock wie zum Mantel" die schon durch Ziffer 3 der A. K. O. vom 25.05.1866 vorgeschriebene „weißtuchene Binde mit einem darauf befindlichen metallenen Adler in Schwarz" als Abzeichen trugen und im übrigen die Uniform der Landgendarmerie beibehielten.39 Dabei kam insbesondere der 34

Allg. M.: Fuhse, § 111 MStGB, Anm. 2, S. 120, Hechel, S. 412; Mayer, Militärstrafrecht II, S. 14; Rittau, § 111 MStGB, Anm. 9, S. 108; Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. lb), S. 492; Schmidt, Militärstrafrecht, S. 67. 35 Unberührt blieb jedoch der Anspruch eines Ranghöheren auf Achtung durch rangniedrigere Soldaten, da dieses Recht nach allgemeiner Ansicht lediglich auf den Rangunterschieden beruhte und daher unabhängig von bestehenden Vorgesetztenverhältnissen zu beachten war (vgl. statt aller nur: Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 860; Hechel, S. 414; Mayer, Militärstrafrecht II, S. 14; Schmidt, Militärstrafrecht, S. 67). Trotz ihrer Befehlsbefugnisse waren die militärischen Wachen also weiterhin verpflichtet, ranghöheren Soldaten mit der diesen gebührenden Form der Achtungsbezeugung zu begegnen. Umgekehrt löste jedoch auch die Wacheigenschaft ein Recht auf Achtung aus, das den militärischen Wachen gegenüber allen übrigen Personen des Soldatenstandes zustand, sich in den äußeren Formen jedoch vom Recht auf Achtung eines Vorgesetzten unterschied (Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. lb), S. 491 f.). 36 von Koppmann, § 111 MStGB, Anm. 8, S. 412 f.; vgl. zum Versuch des Kriegsministeriums, in der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 mit Blick auf die Offiziere der Armee eine Ausnahme zu statuieren, oben Fn. 29. 37 Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 5, S. 506; RMGE 12, 30, 32 f. 38 Vgl. RMGE 12, 30, 33; Fuhse, § 111 MStGB, Anm. 8, S. 123; Mayer, Militärstrafrecht II, S. 13; Schmidt, Militärstrafrecht, S. 67; Schwinge, S. 272. 39 Während diese Armbinde als Haupterkennungszeichen der Feldgendarmen bereits im Jahre 1869 durch den Ringkragen ersetzt wurde (s.o. Fn. 19), hatte die Regelung,

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Armbinde als auffälligstem Differenzierungsmerkmal eine herausragende Bedeutung zu, denn wenn ein Feldgendarm es in vorschriftswidriger Weise unterlassen hatte, sie anzulegen, fehlte es ihm an der äußeren Erkennbarkeit und damit zwangsläufig auch an der militärstrafrechtlichen Absicherung durch § 134 pr. MStGB, da er in diesem Fall äußerlich nicht von einem normalen Landgendarmen zu unterscheiden war. 40 Demgegenüber führten sonstige Abweichungen von den Vorschriften über die Bekleidung und Ausrüstung nicht mit der gleichen Notwendigkeit zur Aufhebung der äußeren Erkennbarkeit, denn da es sich dabei um ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal handelte, konnte die Beantwortung der Frage, ob die äußerliche Kennzeichnung eines Feldgendarmen ausreichend war oder nicht, keinesfalls entscheidend vom Inhalt einer militärischen Dienstinstruktion abhängen.41 Maßgeblich war demzufolge immer das äußere Erscheinungsbild der Feldgendarmen in der jeweils zu beurteilenden konkreten Situation. 42 Führte nun die sonach gebotene einzelfallbezogene Betrachtungsdaß der Übertritt eines Landgendarmen in die Feldgendarmerie sich nicht auf seine Uniformierung im übrigen auswirkte, dauerhaft Bestand. Erst Ziffer 32 der Feldgendarmerievorschrift vom 29.07.1940 (H. Dv. 275; M. Dv. Nr. 253; L.Dv. 2801) ordnete an, daß die Feldgendarmen die Uniform des Heeres tragen mußten. Das änderte indessen nichts daran, daß der Ringkragen auch im zweiten Weltkrieg noch das hauptsächliche Erkennungszeichen der Feldgendarmerie gewesen ist. Die nachfolgenden Ausführungen im Text können demnach mit der Maßgabe, daß der Ringkragen an die Stelle der Armbinde getreten ist, für die gesamte Feldgendarmeriegeschichte uneingeschränkt Gültigkeit beanspruchen. 40 Gleichwohl waren theoretisch auch Situationen vorstellbar, in denen das Fehlen der Armbinde der äußeren Erkennbarkeit des Feldgendarmen nicht entgegenstand. Gedacht wurde insoweit insbesondere daran, daß der Feldgendarm seine Armbinde beispielsweise im Zuge eines Handgemenges verlor (so etwa Rotermund, § 111 MStGB, Anm. 10, S. 288). Um ihn auch in diesem Fall strafrechtlich absichern zu können, stellten Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 5b), S. 508, im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsmilitärgerichts zu vergleichbaren Sachverhalten darauf ab, ob der Feldgendarm trotz des unverschuldeten Verlustes seiner hauptsächlichen Kennzeichnung seinen Dienst weiterhin ordnungsgemäß ausüben wollte. Da in der Kommentarliteratur zu § 111 RMStGB schon immer die Auffassung vertreten wurde, eine militärische Wache könne durch das bewußte Ablegen ihrer äußeren Kennzeichen auf ihre vorgesetztenähnliche Rechtsstellung verzichten, um etwa die Bestrafung eines sich gegen das Einschreiten zur Wehr setzenden Betrunkenen wegen eines Subordinationsverbrechens zu vermeiden (so z.B. von Koppmann, § 111 MStGB, Anm. 14, S. 416), dürfte das ausnahmsweise Abstellen auf die innere Willensrichtung der Wache auch im umgekehrten Fall vertretbar gewesen sein. 41 Zutreffend: Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 5, S. 507, die aus diesem Grunde auch zu Recht darauf hinweisen, daß die äußere Erkennbarkeit für den Inhalt einer zu erlassenden Instruktion maßgeblich war und nicht umgekehrt die Instruktion für die äußere Erkennbarkeit. Richtig auch von Koppmann, § 111 MStGB, Anm. 14, S. 416. Zumindest mißverständlich dagegen Schwinge, S. 212 f., und Solms, § 111 MStGB, Anm. 4, S. 109, die davon sprechen, daß die äußere Erkennbarkeit durch die von den allgemeinen und speziellen Vorschriften und Instruktionen vorgesehene Kleidung und Ausrüstung hergestellt wurde. 42 So dürfte beispielsweise das Fehlen des sowohl gemäß § 8 I 2 des „Reglements über die Organisation der Feldgendarmerie" vom 07.01.1869 als auch gemäß § 7 I 2

A. Die Gründung der Feldgendarmerie

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weise zu dem Ergebnis, daß die Feldgendarmen sich äußerlich in ausreichendem Maße von den übrigen Armeeangehörigen unterschieden, so wurden sie durch § 134 pr. MStGB immer dann geschützt, wenn sie „in Ausübung ihres Dienstes begriffen" waren. 43 Dabei ist jedoch zu beachten, daß der generelle Sprachgebrauch des pr. MStGB bewußt zwischen den Begriffen „im Dienst" und „in Ausübung des Dienstes" differenzierte. Da nämlich der Dienst vom Antreten bis zum Wegtreten andauerte, die Ausübung des Dienstes aber begrifflich zumindest den Beginn einer spezifischen Diensttätigkeit voraussetzte, mußte das Tatbestandsmerkmal der Dienstausübung enger ausgelegt werden als der Terminus „im Dienst". 44 Aus diesem Grunde definierte man die Ausübung des Dienstes allgemein als die Beschäftigung mit einer konkreten militärischen Tätigkeit, die im Rahmen derjenigen Dienstverpflichtungen anfiel, mit denen ein Soldat von der dafür jeweils zuständigen Stelle betraut worden war. 45 Die Dienstausübung eines Soldaten umfaßte somit die Ausführung eines jeden Auftrags, den er aufgrund eines besonderen, für den einzelnen Fall bzw. aus speziellem Anlaß gegebenen Befehls seiner Vorgesetzten oder aufgrund einer allgemeinen Vorschrift über die aus seiner Dienstfunktion resultierenden Obliegenheiten zu erfüllen hatte. 46 Vom militärstrafrechtlichen Schutz des § 134 pr. MStGB ausgeschlossen waren demnach nur diejenigen dienstlich veranlaßten Handlungen, die nicht in den entweder durch eine Dienstvorschrift oder durch einen Einzelbefehl begründeten Zuständigkeitsbereich eines Soldaten fielen. 47 Überträgt man nun des gleichnamigen Reglements vom 15.08.1872 für Offiziere obligatorischen „Bandoliers von Goldtresse (mit grünem Tuch gefüttert)" der äußeren Erkennbarkeit i.S.d. § 134 pr. MStGB eher nicht entgegengestanden haben. 43 Nicht erforderlich war hingegen, daß auch die Begehung der gegen sie verübten militärischen Subordinationsstraftaten einen dienstlichen Hintergrund hatte. Insoweit war vielmehr auch jede private Motivation vollständig ausreichend (von Koppmann, § 111 MStGB, Anm. 3, S. 410, der beispielhaft von Rache oder Eifersucht spricht). 44 Rotermund, § 55 MStGB, Anm. 16, S. 123. 45 Vgl. etwa Fuhse, § 111 MStGB, Anm. 7, S. 122; Mayer, Militärstrafrecht II, S. 13; Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 4b), S. 501. 46 Vgl. Rotermund, § 55 MStGB, Anm. 16, S. 123 m.w.N., der diese Definition als im militärischen Interesse bewußt weit gefaßt bezeichnet. Ähnlich auch: Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 859. 47 Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 4b), S. 501; Schwinge, S. 273. Interessanterweise stand hingegen die Unfähigkeit einer militärischen Wache, ihren Dienst ordnungsgemäß zu versehen, der Subsumtion unter den Tatbestand des § 134 pr. MStGB nach wohl allgemeiner Ansicht selbst dann nicht zwangsläufig entgegen, wenn sie auf Bewußtlosigkeit, Schlaf oder gar Trunkenheit beruhte. Vielmehr wurden diese Fälle maßgeblich danach beurteilt, ob für die betroffene Wache objektiv noch die Möglichkeit vorlag, ihren Dienst, an dessen Ausübung sie vorübergehend gehindert war, nach Beseitigung des Hindernisses weiterhin ordnungsgemäß auszuüben (Romen/Rissom, §111 MStGB, Anm. 4b), S. 502; Schwinge, S. 274). Ebenso wie beim unverschuldeten Fortfall der äußeren Erkennbarkeit (siehe dazu oben Fn. 40) stellte man zudem auch bei der zeitweiligen Dienstunfähigkeit auf die - gegebenenfalls sogar potentielle - innere Willensrichtung der militärischen Wache ab (Fuhse, § 111 MStGB, Anm. 7, S. 122 f.; Heckel, S. 414. Rotermund, § 111 MStGB, Anm. 11, S. 289). Lagen nun

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

diese Grundsätze auf die Situation der Feldgendarmerie, so stellt man fest, daß die Abgrenzung zwischen den Begriffen „im Dienst" und „in Ausübung des Dienstes" auch insoweit nicht ohne Bedeutung war. Da sich die Feldgendarmen nämlich stets im Dienst befanden, sobald und solange sie ihre Armbinde trugen, 48 konnten aufgrund der engeren Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Dienstausübung mitunter sogar längere Zeitspannen auftreten, in denen den Feldgendarmen die strafrechtliche Abschirmung durch § 134 pr. MStGB trotz ihrer Wacheigenschaft versagt blieb. 49 Geschützt waren sie demgegenüber jedoch zunächst einmal immer dann, wenn sie zur Erfüllung einer Aufgabe tätig wurden, die ihnen durch ihre Dienstinstruktionen übertragen worden war. Zudem konnten sie sich im Falle des Einschreitens aufgrund eines Befehls, der ihnen von einem Vorgesetzten innerhalb der Feldgendarmerieorganisation erteilt wurde, ebenfalls auf § 134 pr. MStGB berufen. Gleiches gilt schließlich auch für jede Maßnahme, deren Durchführung der Kommandeur desjenigen Truppenverbandes, dem sie zugeteilt waren, befohlen hatte. Wann immer die Feldgendarmen befehlsgemäß und zuständigkeitshalber mit anderen Soldaten in Berührung kamen, unterfielen sie also auch dem Anwendungsbereich des § 134 pr. MStGB. Etwas anderes galt nur dann, wenn sie ihren Zuständigkeitsbereich überschritten. Da sie in diesem Fall aber auch nicht schutzwürdig waren, kann darin keinesfalls eine planwidrige Regelungslücke erblickt werden. Lediglich diejenigen Angriffe, die auf die Person eines Feldgendarmen verübt wurden, der sich infolge seiner eigenen Passivität nicht in Ausübung seines Dienstes befand, konnten nicht nach Maßgabe des § 134 pr. MStGB geahndet werden. Da beide Voraussetzungen vor, bestand also sowohl noch die Möglichkeit der ordnungsgemäßen Ausübung des Wachdienstes als auch der Wille zu dessen Fortsetzung, so konnte die militärische Wache nach der Rechtsprechung des Reichsmilitärgerichts selbst im Falle einer schuldhaften Herbeiführung der Dienstunfähigkeit weiterhin die Absicherung durch § 134 pr. MStGB für sich in Anspruch nehmen (vgl. die Nachweise bei Romen/Rissom und Schwinge, a. a. O.). 48 So für das Anlegen des Ringkragens in späterer Zeit ausdrücklich Rotermund, § 2 EGMStGB, Anm. 15, S. 9. 49 Ein Wachsoldat, der sich zwar im Dienst befand, diesen aber nicht ausübte, konnte sich überdies auch nicht auf die übrigen Rechtsfolgen des § 134 pr. MStGB berufen. Er wurde daher auch nicht aus den durch allgemeine Regeln begründeten Vorgesetztenverhältnissen herausgenommen, so daß er Untergebener derjenigen Soldaten blieb, die etwa kraft ihres höheren Dienstranges grundsätzlich seine Vorgesetzten waren. Das hätte an sich auch zur Folge haben müssen, daß er diesem Personenkreis gegenüber zum Gehorsam verpflichtet blieb. Gleichwohl waren die militärischen Vorgesetzen nicht berechtigt, den lediglich im Dienst befindlichen Wachmannschaften Befehle zu erteilen, die mit den Zwecken des Wachdienstes nicht vereinbar waren. Da nun aber der Wachdienst von den Wachsoldaten, die ihren Dienst im Sinne des § 134 pr. MStGB vorübergehend nicht ausübten, zumindest eine ständige Bereitschaft zur Dienstausübung verlangte, konnte den nach allgemeinen Regeln vorgesetzten Soldaten auch insoweit keine Befehlsbefugnis eingeräumt werden. Auch die lediglich im Dienst befindlichen Wachmannschaften waren mithin nur ihren besonderen Wachvorgesetzten gegenüber zum Gehorsam verpflichtet (.Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 4a), S. 499).

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dies jedoch nur sehr selten vorgekommen sein dürfte, erwuchs den Angehörigen der Feldgendarmerie auch daraus kein unzumutbarer Nachteil. Somit läßt sich im Ergebnis festhalten, daß letztlich jedes Einschreiten der Feldgendarmerie innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches militärstrafrechtlich besonders geschützt war. Die Rechtsstellung der Felgendarmen hatte also in Gestalt des § 134 pr. MStGB eine ebenso zweckmäßige wie effiziente Absicherung erhalten. b) Die Befehlsbefugnis

der Feldgendarmen

Wie sich der vorstehenden Betrachtung des § 134 pr. MStGB entnehmen läßt, ging der Gesetzgeber ohne weiteres davon aus, daß den militärischen Wachen und damit auch den Feldgendarmen bereits aufgrund außerstrafrechtlicher Regelungen eine selbst ranghöhere Soldaten einschließende Befehlsbefugnis zustand. Auch in der Literatur finden sich vereinzelt Äußerungen, die darauf hindeuten, daß die Befugnis der Wachen, anderen Soldaten Befehle zu erteilen, als eine Selbstverständlichkeit betrachtet wurde. So wird der Anspruch eines Wachsoldaten auf Gehorsam beispielsweise auf eine „altüberkommene militärische Auffassung" oder einen „alten militärischen Dienstgrundsatz" zurückgeführt, der „von je her in der preußischen Armee bestanden" habe. 50 Obgleich diese Formulierungen darauf hinzudeuten scheinen, daß die betreffenden Autoren die Befehlsbefugnis der Wachmannschaften auf ein gewohnheitsrechtlich verfestigtes Prinzip des ungeschriebenen Rechts zurückzuführen versuchen, wird eine solche Behauptung doch von niemandem ausdrücklich aufgestellt. Vielmehr versäumt es das Schrifttum zumeist gänzlich, auf die Frage nach der rechtlichen Grundlage für das Befehlsrecht militärischer Wachen näher einzugehen. Das ist umso erstaunlicher, als sich in Gestalt der A. K. O. vom 31.03.1792 ohne weiteres ein den Gehorsamsanspruch der Wachen statuierendes Regelwerk finden läßt. In dieser Kabinettsorder hatte König Friedrich Wilhelm II. nämlich angeordnet, daß „jede Wache [...] als von Seiner Majestät Selbst zum Dienste befehligt und im Auftrage des Königs denselben verrichtend angesehen werden und deshalb Jedermann ohne Unterschied des Ranges und Standes schuldig sein soll, ihnen Achtung und Gehorsam zu beweisen".51 Steht damit aber fest, daß die sowohl vom Gesetzgeber als auch von einem Großteil der Literatur als selbstverständlich erachtete Befehlsbefugnis der Wachsoldaten auf die A. K. O. vom 31.03.1792 zurückging, so konnten sich

50 Fleck, § 134 pr. MStGB, S. 156; Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 1, S. 489; Schmidt, Militärstrafrecht, S. 66. 51 Zitiert nach Fleck, § 134 pr. MStGB, S. 156 f. Erwähnung findet die A. K. O. vom 31.03.1792 ansonsten nur noch bei Heckel, S. 412 Fn. 11, bei Romen/Rissom, §111 MStGB, Anm. la), S. 490, bei Schmidt, Militärstrafrecht, S. 66 Fn. 4, und in RMGE 7, 175, 182. 19 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

grundsätzlich auch die Feldgendarmen darauf berufen, wenn sie sich gezwungen sahen, anderen Personen des Soldatenstandes Anweisungen zu erteilen. 52 Voraussetzung dafür war nach dem Wortlaut der Kabinettsorder indessen, daß sie ihren Dienst verrichteten. Da davon jedoch nur dann die Rede sein konnte, wenn sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig wurden, verlieh die A.K.O vom 31.03.1792 den Feldgendarmen nur insoweit ein Befehlsrecht, als dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich war. Verbindliche Befehle konnten die Angehörigen der Feldgendarmerie mithin nur innerhalb des ihnen zugewiesenen Aufgabenspektrums erteilen. Obwohl die Kabinettsorder weitergehende Begrenzungen der Befehlsbefugnis nicht enthielt und somit auch die ranghöheren Soldaten uneingeschränkt zum Gehorsam verpflichtete, wurde es den Feldgendarmen durch § 9 I I ihrer Dienstinstruktion ausdrücklich untersagt, im Verhältnis zu den Offizieren der Armee von der ihnen zustehenden Befehlsgewalt in gleichem Maße Gebrauch zu machen wie gegenüber Unteroffizieren und Mannschaften. Das Einschreiten gegen Offiziere war daher darauf beschränkt, „solche auf das Ungesetzliche ihrer Handlung aufmerksam zu machen", sie „um die stricte Befolgung der ihnen gewordenen besonderen Instruction zu ersuchen" und ihr Verhalten im Weigerungsfalle zur Anzeige zu bringen. 53 In ähnlicher Weise wurde das durch die Kabinettsorder aus dem Jahre 1792 normierte Recht der Feldgendarmen, anderen Soldaten Befehle zu erteilen, überdies auch noch durch § 8 I I 1 der Dienstinstruktion verkürzt, denn danach mußten sich die Angehörigen der Feldgendarmerie bei „geschlossenen MiltairAbtheilungen, deren Ober- und Unteroffiziere gegenwärtig" waren, damit begnügen, „Anzeige bei dem Führer der Abtheilung" zu erstatten. Nur dann, wenn „die Offiziere nicht bei der Hand" waren, konnten die Feldgendarmen demnach auch gegenüber geschlossen auftretenden Truppenformationen von ihrer Befehlsbefugnis Gebrauch machen. Weitere Sonderregelungen enthielt die 52

Dies galt im übrigen unverändert auch noch nach Inkrafttreten des Militärstrafgesetzbuches für das Deutsche Reich, denn da die Legaldefinition der militärischen Wache in § 111 II RMStG nur für „dieses Gesetz" galt, hatte die Ernennung der Feldgendarmen zu militärischen Wachen im außerstrafrechtlichen Bereich weiterhin eine konstitutive Wirkung; soweit also der Gesetzgeber außerhalb des RMStGB darauf verzichtet hatte, den Begriff der militärischen Wache selbst zu definieren, konnten die Feldgendarmen die für die militärischen Wachen normierten Befugnisse ohne weiteres allein aufgrund der ihnen durch ihre Dienstinstruktion verliehenen Rechtstellung ausüben. Umgekehrt bedeutete das aber zugleich, daß einem Soldaten im außerstrafrechtlichen Bereich die Wacheigenschaft auch jederzeit durch Dienstvorschriften wieder ganz oder teüweise entzogen werden konnte, wie dies zum Beispiel bei den Feldgendarmen aufgrund der Vorschrift des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 im Verhältnis zu den Offizieren der Armee durchgeführt wurde [näher dazu unten B. n. 3.]. 53 Demgegenüber fiel das Befehlsrecht der Feldgendarmen gegenüber Offizieren in der Zeit nach Inkrafttreten des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 zwischenzeitlich sogar gänzlich fort; näher dazu unten B. II. 3.

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Dienstvorschrift hingegen nicht, sondern bestimmte vielmehr im Einklang mit der A. K. O. vom 31.03.1972, daß die Feldgendarmen sowohl gegen Abteilungen, die nicht geschlossen angetroffen wurden, als auch „gegen einzelne Militair-Personen [...] bis incl. Feldwebel" im Wege der Befehlsgebung einschreiten durften (§§ 8 I I 2 und 9 I 1 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866). Gleichwohl muß im Ergebnis festgehalten werden, daß die Rechtsposition der Feldgendarmen hinsichtlich ihrer Befehlsbefugnisse enger ausgestaltet worden war, als dies nach dem Inhalt der Kabinettsorder vom 31.03.1792 eigentlich geboten gewesen wäre. Insoweit blieben ihre Rechte also hinter denjenigen der übrigen militärischen Wachen der preußischen Armee zurück. c) Die Durchsetzung von Befehlen Schon an früherer Stelle dieser Arbeit ist darauf hingewiesen worden, daß der Befehlsbefugnis eines Soldaten auf Seiten des Befehlsempfängers eine unbedingte Gehorsamspflicht entsprach, aus der wiederum sowohl das Recht als auch die Pflicht des Befehlenden zur Durchsetzung seiner Anweisungen abgeleitet wurde. 54 Auch die Feldgendarmen waren mithin aufgrund ihrer Eigenschaft als militärische Wachen zur Durchsetzung der von ihnen zulässigerweise erteilten Befehle berechtigt. Ebenso wie diejenigen Soldaten, die eine Vorgesetztenstellung innehatten, konnten sich die Angehörigen der Feldgendarmerie demzufolge zunächst einmal der Mittel der sogenannten „soldatischen Zuchtgewalt" bedienen, um die Befolgung ihrer Befehle sicherzustellen. 55 Von erheblich größerer Bedeutung war jedoch der Umstand, daß den Feldgendarmen in gravierenden Fällen auch die Anwendung unmittelbaren Zwanges erlaubt war, der unter Umständen sogar im Schußwaffengebrauch gegenüber einem ungehorsamen Soldaten bestehen konnte. Dafür existierte zwar keine ausdrückliche dienstrechtliche Ermächtigungsgrundlage, wie sie beispielsweise den Vorgesetzten der heutigen Bundeswehr in Gestalt des § 10 V 2 SG zur Seite steht, 56 doch wurde das Problem der Gewaltanwendung durch befehlsbefugte Armeeangehörige stattdessen im Bereich des Militärstrafrechts gelöst. Dabei ging der Gesetzgeber von der Erkenntnis aus, daß derjenige Befehlende, der seinen Anweisungen zwangsweise Geltung verschaffte, den Befehlsempfänger 54

s.o. das 5. Kapitel sub C. II. 1. Vgl. Heckel y S. 415. Die Maßnahmen, die im Rahmen der soldatischen Zuchtgewalt ergriffen werden durften, reichten von einfachen mißbilligenden Äußerungen über Strafandrohungen und Befehlswiederholungen bis hin zur Durchführung von Gehorsamsübungen; näher dazu das 5. Kapitel, a.a.O. (s.o. Fn. 54). Hingegen standen den Feldgendarmen im Gegensatz etwa zu den Feldjägern der Wehrmacht disziplinarstrafrechtliche Befugnisse nach der „Verordnung über die Disziplinar-Bestrafung in der Armee" vom 21.12.1841 (pr. GS 1841, S. 325 ff.) nicht zur Verfügung, da es ihnen an der dafür erforderlichen Rechtsstellung eines Disziplinarvorgesetzten fehlte. 56 Vgl. dazu Scherer/Aljf, § 10 SG Rn. 58. 55

1*

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

regelmäßig vorsätzlich körperlich mißhandelte und sich somit grundsätzlich gem. §§ 183 f. pr. MStGB strafbar machte. Es mußte daher eine Regelung geschaffen werden, die es einem befehlsberechtigten Soldaten ermöglichte, zum Zwecke der Gehorsamsverschaffung Zwangsmittel einzusetzen, ohne dadurch zugleich strafrechtliche Sanktionen auszulösen. Diesem Ziel diente nun die Vorschrift des § 185 pr. MStGB, denn danach waren „diejenigen Handlungen, welche der Vorgesetzte begeht [...], um seinen Befehlen im Fall der äußersten Noth und dringendsten Gefahr Gehorsam zu verschaffen", nicht als rechtswidrig anzusehen. Gemäß § 185 II pr. MStGB galt das „namentlich auch für den Fall, wenn ein Offizier in Ermangelung anderer Mittel, den durchaus notwendigen Gehorsam zu erhalten, in der Lage sich befunden haben sollte, von der Befugnis, den thätlich sich ihm widersetzenden Untergebenen auf der Stelle niederzustoßen, Gebrauch machen zu müssen." Damit hatte der Gesetzgeber aber einen besonderen Rechtfertigungsgrund für diejenigen Vorgesetzten normiert, deren Befehle nicht befolgt wurden. Im hier interessierenden Zusammenhang ist jedoch zu beachten, daß der § 185 pr. MStGB seinem unmißverständlichen Wortlaut zufolge lediglich auf Vorgesetzte Anwendung finden sollte. Das hatte zur Folge, daß den militärischen Wachen im allgemeinen und daher auch den Feldgendarmen im besonderen die unmittelbare Berufung auf das in § 185 pr. MStGB statuierte Notrecht versagt bleiben mußte, denn obwohl sie Befehle zu erteilen berechtigt waren, gehörten sie keineswegs dem Kreis der militärischen Vorgesetzen an. 57 Durch diese tatbestandliche Ausgrenzung der Wachmannschaften entstand nun aber eine weder rechtlich noch militärisch hinnehmbare Regelungslücke, da es im Hinblick auf die Gefährdung der Disziplin, zu deren Schutz der § 185 pr. MStGB geschaffen worden war, keinen Unterschied machte, ob ein Soldat dem Befehl eines Vorgesetzten oder dem einer militärischen Wache den Gehorsam verweigerte. Daraus mußte allerdings keineswegs der an sich naheliegende Analogieschluß gezogen werden, 58 denn auch der Gesetzgeber hatte schon erkannt, daß der Wortlaut des § 185 pr. MStGB zu eng gefaßt worden war. Die sonach erforderliche Korrektur läßt sich daher bereits dem pr. MStGB selbst entnehmen, das die insoweit maßgebliche Regelung in seinem § 188 I erhielt. Danach waren militärische Wachen, „welche in Ausübung des Dienstes59 sich des Mißbrauchs ihrer Dienstgewalt schuldig machen", ebenso zu bestrafen, „wie Vorgesetzte, die sich ein solches Verbrechen 57

Das war im 19. Jahrhundert noch völlig unbestritten; zum späteren Streit darüber, ob militärische Wachen tatsächlich Vorgesetzte waren oder lediglich eine vorgesetztenähnliche Rechtsstellung bekleideten, vgl. oben Fn. 33. 58 Eine solche Rechtsfortbildung wäre jedenfalls nicht schon am „nulla poena"Grundsatz gescheitert, da sich das daraus ableitbare Analogieverbot nur auf die Neuschöpfung und Ausdehnung von Strafvorschriften sowie die Verschärfung von Strafen bezieht und mithin rechtfertigende Erlaubnistatbestände nicht erfaßt (vgl. statt vieler nur SK-Rudolphi, § 1 StGB Rn. 22 und 25). 59 Vgl. zu diesem Tatbestandsmerkmal eingehend oben sub a).

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gegen Untergebene zu Schulden kommen lassen." Diese Vorschrift hatte zwar in erster Linie den Zweck, eine Bestrafung der militärischen Wachen aufgrund der an sich nur auf Vorgesetzte anwendbaren Sonderdelikte des den Mißbrauch der Dienstgewalt regelnden VII. Abschnitts des pr. MStGB (§§ 178 ff.) zu ermöglichen; sie sollte also zunächst einmal nur eine besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit der militärischen Wachen begründen, die als notwendiges Korrelat zu der den Wachmannschaften eingeräumten vorgesetztenähnlichen Rechtsstellung begriffen wurde. 60 Gleichwohl folgte daraus aber ebenso die entsprechende Anwendbarkeit des § 185 pr. MStGB, denn da ein Vorgesetzter sich nur dann i.S.d. § 188 I pr. MStGB eines Verbrechens gegen Untergebene schuldig machen konnte, wenn er tatbestandsmäßig und zugleich rechtswidrig handelte, erfaßte der undifferenzierte Verweis auf die Vorschriften über den Mißbrauch der Dienstgewalt zwangsläufig nicht nur die besonderen Deliktstatbestände, sondern gleichermaßen auch die speziellen Rechtfertigungsgründe des VII. Abschnitts. Konnte also ein Vorgesetzter nicht wegen willkürlichen Gebrauchs seiner Befugnisse zur Rechenschaft gezogen werden, weil sein Verhalten trotz der Verwirklichung eines Straftatbestandes durch § 185 pr. MStGB gedeckt war, so mußte dies in gleicher Weise auch für die militärischen Wachen gelten, da diese ja kraft ausdrücklicher Anordnung in § 188 I pr. MStGB ebenso zu bestrafen waren wie Vorgesetzte. Gemäß § 188 I pr. MStGB kam demzufolge das in § 185 pr. MStGB normierte Notrecht auch den militärischen Wachen zugute. Diese waren mithin ebenso wie Soldaten mit Vorgesetzteneigenschaft zur Durchsetzung ihrer Befehle befugt, wenn die Voraussetzungen des §185 pr. MStGB vorlagen. Die dadurch auch für Feldgendarmen begründeten Rechte entsprachen in jeder Hinsicht denen, die die Feldjäger der Wehrmacht bei der Durchsetzung ihrer Befehle für sich in Anspruch nehmen konnten, da sowohl der Tatbestand als auch die Rechtsfolge des § 185 pr. MStGB - abgesehen von einigen sprachlichen Veränderungen ohne inhaltliche Bedeutung - in §124 RMStGB übernommen wurden und bis zum Ende des zweiten Weltkrieges in Kraft blieben. 61 Demzufolge war es auch den Feldgendarmen gestattet, 60

Dazu näher unten sub g). Auch § 124 RMStGB war unmittelbar nur auf Soldaten anwendbar, die die Rechtsstellung eines Vorgesetzten innehatten. Gleichwohl konnten sich die Feldgendarmen auch nach Inkrafttreten des RMStGB noch unverändert auf das Befehlsnotrecht berufen, da dem § 188 I pr. MStGB mit § 125 I 1 RMStGB ebenfalls eine inhaltsgleiche Norm nachfolgte. Anders als bei § 188 I pr. MStGB hatte es der Gesetzgeber jedoch für nötig gehalten, die entsprechende Anwendbarkeit des besonderen Rechtfertigungsgrundes für Vorgesetzte ausdrücklich anzuordnen. § 125 RMStGB war daher noch um einen zweiten Absatz ergänzt worden, demzufolge „die in dem § 124 enthaltene Vorschrift [...] auch hier Anwendung" finden sollte. Dabei handelte es sich jedoch lediglich um eine Klarstellung, denn dieses Ergebnis ließ sich - wie im Text für § 188 I pr. MStGB aufgezeigt - auch schon dem § 125 I 1 RMStGB entnehmen. Dennoch läßt sich § 125 RMStGB als ein weiteres Argument dafür anführen, daß militärische Wachen lediglich eine vorgesetztenähnliche Rechtsstellung innehatten und nicht tatsächlich zu Vorgesetzten wurden, wenn sie ihren Dienst ausübten. Wäre nämlich 61

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im Falle der äußersten Not und dringendsten Gefahr von der Waffe Gebrauch zu machen und ungehorsame Soldaten zu verletzen oder sogar zu töten. 62 Ebenso wie die Wehrmacht-Feldjäger waren daher auch bereits die preußischen Feldgendarmen im Extremfall dazu befugt, zum Zwecke der Gehorsamsverschaffüng notfalls Erschießungen vorzunehmen. d) Die Befugnis zu Anordnungen gegenüber Zivilpersonen Parallel zu der Befugnis, Soldaten Befehle zu erteilen, sollten die Feldgendarmen von Anfang an auch das Recht erhalten, verbindliche Anordnungen gegenüber Zivilpersonen auszusprechen. Dazu heißt es in § 8 I 1 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866 wörtlich: „Die Armee-Gendarmen im Dienst sind nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, [...] gegen Civil-Personen bei Vornahme ungesetzlicher oder besonders untersagter Handlungen einzuschreiten und ist Jedermann schuldig, ihren desfallsigen Aufforderungen und Anordnungen unbedingt und sofort Folge zu leisten." Die Dienstvorschrift ging somit wie selbstverständlich davon aus, daß die Feldgendarmen nicht nur gegenüber den übrigen Soldaten des preußischen Heeres, sondern gleichermaßen auch gegenüber Zivilpersonen einen Anspruch auf Gehorsam hatten. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß dieser Gehorsamsanspruch keineswegs durch die zitierte Regelung der Instruktion vom 25.05.1866 begründet werden konnte, denn da die militärischen Dienstvorschriften schon von der zeitgenössischen Rechtsquellenlehre als bloße Verwaltungsvorschriften eingestuft wurden, 63 vermochten sie im Verhältnis zu Zivilpersonen keinerlei Rechtswirkungen zu entfalten. Demzufolge stellte auch der § 8 I 2 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866 keinen Rechtstitel dar, auf den die Anordnungsbefugnis der Feldgendarmen hätte gestützt werden können. Indessen war ein solcher Rechtstitel nach einer von Bornhak geäußerten Ansicht auch überhaupt nicht erforderlich. Bornhak ging nämlich davon aus, daß sich die Berechtigung des Militärs zum Erlaß tatsächlicher Anordnungen unmittelbar aus der

letzteres zutreffend, so hätte es sich bei der gesamten Vorschrift des § 125 RMStGB um eine letztlich überflüssige Verdeutlichung gehandelt. Dies anzunehmen dürfte sich jedoch insbesondere mit Blick auf § 125 II RMStGB verbieten, da dieser als eine „Klarstellung innerhalb der Klarstellung" bezeichnet werden müßte, wenn militärische Wachen ohnehin Vorgesetzte gewesen wären. Darin kann sich aber der Sinngehalt des § 125 RMStGB keinesfalls erschöpft haben. 62 So wörtlich auch von Koppmann, § 125 MStGB, Anm. 7, S. 468, der insoweit vor allem an das Einschreiten von Feldgendarmen gegen solche Soldaten dachte, „die sich ohne triftigen Grund aus der Gefechtslinie ziehen und der Aufforderung zur Rückkehr ins Gefecht nicht Folge leisten." Vgl. zu § 124 RMStGB im übrigen das 5. Kapitel sub C. II. 1. 63 Fleiner, S. 62; Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 17; Liepmann, S. 33; Otto Mayer II, S. 183, jeweils m.w.N.

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königlichen Exekutivgewalt ableitete und daher ebenso weit reichte, wie die entsprechende Befugnis des Monarchen. Dieser bedurfte nach Auffassung Bornhaks jedoch nicht etwa einer besonderen Ermächtigung, um eine Anordnung zu treffen, sondern war dazu vielmehr umgekehrt aus eigenem Recht insoweit befugt, als er nicht durch rechtliche Normen ausdrücklich daran gehindert wurde. Zur Begründung seines so umschriebenen Standpunktes führte Bornhak aus, daß das Inkrafttreten der preußischen Verfassung vom 31.01.185064 nichts an der grundsätzlichen Vereinigung aller staatlichen Rechte in der Person des Herrschers geändert habe. Dementsprechend gehe auch die Staatsgewalt nicht vom Volke, sondern nach wie vor vom Monarchen aus. Sämtliche Rechte und Befugnisse, die dieser in der vorkonstitutionellen Zeit innehatte, bestünden daher unverändert fort und müßten ihm mithin nicht erst verliehen werden. Die Verfassung habe sonach lediglich die Aufgabe, die dem Herrscher zustehende Staatsgewalt zu beschränken. Wenn also etwa Art. 45 Satz 1 pr. Verf. 1850 bestimme, daß der König die vollziehende Gewalt alleine ausübe, so sei dies allenfalls von deklaratorischer Bedeutung, da er die Exekutivgewalt auch ohne die Verfassung innehabe. Konstitutive Wirkung könne folglich nur einer Verfassungsbestimmung zukommen, die die Regierungsgewalt des Herrschers beschränkt. Da es jedoch an einer solchen Regelung gerade fehle, bestehe die Exekutivgewalt des Monarchen in derselben Form weiter, die sie auch schon vor der Einführung der Verfassung hatte. Aus diesem Grunde sei der König weiterhin nicht daran gehindert, tatsächliche Anordnungen auch ohne eine spezielle Ermächtigung zu erlassen. Das müsse dann konsequenterweise auch für das Militär gelten, da dieses seine Rechte gegenüber der Zivilbevölkerung unmittelbar aus der Exekutivgewalt des Königs ableitete.65 Diese Argumentation Bornhaks vermag indessen nicht zu überzeugen. So war zunächst einmal schon seine Prämisse, daß der König trotz der Einführung der Verfassung vom 31.01.1850 seine vorkonstitutionelle Stellung unverändert beibehalten habe, zumindest zur Zeit der Gründung der Feldgendarmerie längst nicht mehr unumstritten. 66 Entscheidend gegen die Gedankenführung Bornhaks spricht jedoch der Umstand, daß die Behauptung, die Exekutivgewalt des Königs sei im Hinblick auf seine Anordnungsbefugnis durch die Verfassung in keiner Weise beschränkt worden, auf einem Irrtum beruhte, da sie die Bestimmungen des Art. 5 pr. Verf. 1850 außer acht ließ. Gemäß Art. 5 pr. Verf. 1850 mußten sich nämlich die Bedingungen und Formen, unter denen eine Beschränkung der persönlichen Freiheit, insbesondere aber eine Verhaftung zulässig war, auf eine gesetzliche Grundlage zu64

Pr. GS 1850, S. 17. Vgl. Bornhak I, S. 471 ff. 66 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf den preußischen Verfassungsstreit des Jahres 1862, in dessen Verlauf die konservative „Lückentheorie", die auf das auch der dargelegten Ansicht Bornhaks zugrunde liegende sogenannte „monarchische Prinzip" zurückging, von der liberalen Mehrheit des Abgeordnetenhauses vehement bekämpft wurde; ausführlich dazu: Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 275 ff. 65

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rückführen lassen. Vor allem aufgrund der Verwendung des Wortes „insbesondere" im Zusammenhang mit der Verhaftung ließ sich nun dem Art. 5 pr. Verf. 1850 entnehmen, daß der darin geforderte Gesetzesvorbehalt sich nicht nur auf freiheitsentziehende, sondern gleichermaßen auch auf solche staatliche Maßnahmen bezog, die die persönliche Freiheit der Staatsbürger lediglich beschränkten. 67 Daraus mußte dann jedoch konsequenterweise der Schluß gezogen werden, daß Art. 5 pr. Verf. 1850 vor jeglicher nicht auf einem Gesetz beruhender Einschränkung der persönlichen Freiheit durch den Staat Schutz gewährte. 68 Dementsprechend bestand daher das Recht, den Untertanen Befehle zu erteilen, sie also durch Gebote oder Verbote in ihrer Handlungsfreiheit zu beschränken, aufgrund der in Art. 5 pr. Verf. 1850 enthaltenen Regelung auch für den König nur insoweit, als es durch eine Norm des positiven Rechts ausdrücklich gewährt wurde. 69 Art. 5 pr. Verf. 1850 stellte somit in bezug auf die Befugnis zum Erlaß tatsächlicher Anordnungen eine verfassungsimmanente Beschränkung der vollziehenden Gewalt des Königs dar. Selbst Bornhak hätte mithin zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der König und damit erst recht auch das Militär einen entsprechenden Rechtstitel benötigten, um gegenüber der Zivilbevölkerung verbindliche Anordnungen erteilen zu können. Aus diesem Grunde fehlte es auch nicht an Bemühungen nachzuweisen, daß zumindest für die militärischen Wachen tatsächlich eine Rechtsgrundlage vorhanden war, die einen Gehorsamsanspruch gegenüber Zivilpersonen konstituierte. So griffen etwa Romen/Rissom noch im Jahre 1914 auf die oben in Auszügen zitierte A. K. O. vom 31.03.1792 zurück und argumentierten, diese habe eine allgemeine Gehorsamspflicht der Staatsbürger gegenüber den Wachmannschaften begründet, indem sie „alle Personen ohne Unterschied des Ranges und Standes" verpflichtete, den Wachen Achtung entgegenzubringen und deren Anordnungen Folge zu leisten. 70 Auch die für die Ausarbeitung der Feldgendarmerievorschrift vom 25.05.1866 zuständigen Stellen im preußischen Kriegsministerium dürften diesen Lösungsansatz befürwortet haben, da der Wortlaut des § 8 I 2 dieser Instruktion weitgehende Übereinstimmungen mit demjenigen der A. K. O. aus dem Jahre 1792 aufweist. Gleichwohl konnte dem Versuch der Herleitung einer Anordnungsbefugnis aus der A. K. O. vom 31.03.1792 im Ergebnis schon deshalb kein Erfolg bescheiden sein, weil die Order mit der Einführung der preußischen Verfassung vom 31.01.1850 im Verhältnis zu den Bürgern keine Gültigkeit mehr beanspruchen konnte. Das lag indessen nicht nur an den tiefgreifenden rechtsstaatlichen 67

Vgl. Anschütz, Art. 5 pr. Verf. 1850, S. 132 und 134 f. So etwa Arndt, Art. 5 pr. Verf. 1850, S. 90; vgl. auch Otto Mayer I, S. 70. 69 Anschütz, VerwA 1 (1893), S. 450; Loening, S. 241; Schneider, S. 4. 70 Romen/Rissom, S. 87; dies., § 111 MStGB, Anm. la), S. 490; § 114 MStGB Anm. la), S. 531, und § 125 MStGB, Anm. 1, S. 610. 68

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Bedenken, denen der Inhalt dieser Kabinettsorder im Verfassungsstaat ausgesetzt war, 71 sondern hatte vor allem formale Gründe: Wie bei allen vorkonstitutionellen Erlassen des preußischen Herrschers stellte sich nämlich auch bei der A. K. O. vom 31.03.1792 nach Inkrafttreten der Verfassung wegen des darin verankerten Gesetzesvorbehaltes zunächst einmal die Frage, ob sie fortan nur noch zur Regelung innerdienstlicher Angelegenheiten herangezogen werden durfte oder auch den Staatsbürgern gegenüber als außenwirkender Rechtssatz fortgelten konnte. Letzteres wurde aber nach wohl allgemeiner Ansicht immer nur dann angenommen, wenn das betreffende Regelwerk amtlich veröffentlicht worden war, da in der fehlenden Verkündung einer landesherrlichen Vorschrift das untrügliche Zeichen dafür gesehen wurde, daß sie nicht das Verhältnis zwischen Staat und Untertanen regeln sollte, sondern ausschließlich an staatliche Institutionen gerichtet war. 72 Überprüft man nun daraufhin die A. K. O. vom 31.03.1792, so ergibt sich, daß sie das formelle Kriterium der Veröffentlichung nicht erfüllt. Sie war daher von vorneherein nicht geeignet, dem Vorbehalt des Gesetzes, den Art. 5 pr. Verf. 1850 für Eingriffe in die Handlungsfreiheit der Bürger aufgestellt hatte, zu genügen. Mithin konnte die A. K. O. vom 31.03.1792 zwar auch nach Einführung der Verfassung noch - wie oben unter b) geschehen - zur Begründung der Befehlsrechte der Wachmannschaften gegenüber Personen des Soldatenstandes herangezogen werden; als Rechtsgrundlage für eine Anordnungsbefugnis der militärischen Wachen gegenüber Zivilpersonen eignete sie sich hingegen nicht. Damit steht aber zugleich auch fest, daß in Preußen zu keiner Zeit eine Vorschrift des geschriebenen Rechts existiert hat, die das gesamte Militär oder auch nur die militärischen Wachen und Feldgendarmen berechtigt hätte, Zivilpersonen verbindliche Anweisungen zu erteilen. Das war jedoch theoretisch auch gar nicht erforderlich, da Art. 5 pr. Verf. 1850 keineswegs verlangte, daß jeder Eingriff des Staates in die bürgerliche Freiheitssphäre zwingend auf einem formell zustande gekommenen Gesetz basieren mußte. Vielmehr war insoweit nach allgemeiner Meinung jede Rechtsnorm im materiellen Sinne völlig ausreichend, so daß es gänzlich unerheblich war, ob sie „in einem formellen Gesetze oder in einer auf Grund eines solchen erlassenen Verordnung geschrieben oder überhaupt nicht geschrieben steht, sondern von der rechtsbildenden Macht der Gewohnheit getragen wird: wenn sie nur lex lata, positiv ist". 7 3 71 Vgl. dazu Zimmermann, Der Gerichtssaal 34 (1883), S. 302: „Wie kann man aber jetzt noch [...] annehmen, daß jede Schildwache als vom Könige selbst zum Dienste befehligt und im Auftrage des Königs denselben verrichtend angesehen werden müsse? Eine solche unhaltbare Fiction würde dem Geiste des öffentlichen Rechtes widersprechen." 72 Jellinek, Zabern, S. 10; Otto Mayer I, S. 82. 73 Anschütz, Art. 5 pr. Verf. 1850, S. 141; ders., VerwA 1 (1893), S. 450; das verkennen JessIMann 2, Anhang II, Rn. 13, und Liepmann, S. 17 f. Fn. 2, da sie vom

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Dieser Befund könnte aber nunmehr wiederum dazu verleiten, den Versuch zu unternehmen, die fehlende schriftliche Fixierung einer allgemeinen Gehorsamspflicht der Zivilbevölkerung gegenüber dem Militär durch den Rückgriff auf anerkannte Prinzipien des ungeschriebenen Rechts zu kompensieren. Ernsthaft in Betracht zu ziehen war insoweit allerdings lediglich das von der Verwaltungsrechtslehre des 19. Jahrhunderts entwickelte und von manchen Autoren als „Anstaltspolizei" bezeichnet Rechtsinstitut der verwaltungsrechtlichen Selbstverteidigung. Diese gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsfigur gestattete es den öffentlichen Anstalten, Störungen ihres Betriebes durch ihre Organe zwangsweise zu beseitigen.74 Da nun aber die öffentliche Anstalt gemeinhin definiert wurde als eine Gesamtheit von Mitteln sächlicher, persönlicher oder gemischter Art, die in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen Zweck dauernd zu dienen bestimmt waren, 75 stellte auch das preußische Heer eine derartige Anstalt dar. Das hatte zur Folge, daß das Militär in Preußen zum Zwecke des Schutzes seiner Dienstsachen und seines Geschäftsbetriebes unter Berufung auf das ungeschriebene verwaltungsrechtliche Selbstverteidigungsrecht notfalls auch gewaltsam in die Rechtssphäre von Zivilpersonen eingreifen konnte, ohne dadurch gegen Art. 5 pr. Verf. 1850 zu verstoßen. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß den mit der Ausübung des Selbstverteidigungsrechts betrauten Organen der öffentlichen Anstalt „Heer" auch eine Anordnungsbefugnis gegenüber den Staatsbürgern zustand. Die Frage, ob sich aus der Anstaltspolizei neben der Befugnis zur Gewaltanwendung zum Zwecke der Gefahrenabwehr auch das Recht ableiten ließ, den nicht der Anstalt angehörenden Personen verbindliche Anweisungen zu erteilen, war im Schrifttum nämlich durchaus umstritten. So vertrat etwa Liepmann die Auffassung, daß die Anstaltspolizei nur als sofortiger Zwang in Erscheinung trete und daher keineswegs eine allgemeine Befugnis für Verfügungen polizeilichen Inhalts vermittelte. 76 Unterstützung erhielt er insoweit von Schneider, der ebenfalls ausführte, daß das Militär aufgrund seiner Eigenschaft als öffentliche Anstalt zwar befugt sei, jegliche rechtswidrige Störung des Anstaltsbetriebes in sofort wirksamer Weise zurückzuweisen, dabei jedoch keinesfalls mehr Rechte für sich in Anspruch nehmen könne als jeder Privatmann, der sich gezwungen sehe, seine privaten Rechtsgüter zu verteidigen. Die Befugnis, rechtswirksame Gebote oder Verbote gegenüber der Allgemeinheit aussprechen zu können, wurde daher nach dieser Meinung durch die Anstaltspolizei nicht begründet. 77 In die gleiche RichVorbehalt eines formellen Gesetzes ausgehen. Vgl. auch Jellinek, Gesetzesanwendung, S. 278 f. Fn. 49, und Schneider, S. 5 Fn. 15, die ebenfalls jedes Gesetz im materiellen Sinne für ausreichend halten, jedoch übereinstimmend darauf hinweisen, daß sich die Gültigkeit ungeschriebener Rechtsnormen nur schwer nachweisen lassen dürfte. 74 Fleiner, S. 330; WStVR-Kormann, Stichwort „öffentliche Anstalt", S. 2; Liepmann, S. 43; Otto Mayer I, S. 214 Fn. 3; ders. II, S. 284. 75 Otto Mayer II, S. 268; WStVR-Kormann, a.a.O. (s.o. Fn. 74), S. 1. 76 Liepmann, S. 44.

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tung deuten schließlich auch die Beispiele, die Otto Mayer zur Verdeutlichung des Umfangs der durch die Anstaltspolizei gerechtfertigten Maßnahmen des Militärs gebildet hat: „Wir sehen die Straße durch Posten gesperrt, welche die Vordrängenden mit dem Kolben abweisen, wir sehen den eiligen Mann, der durch die lange Reihe der marschierenden Truppe hindurch den jenseitigen Bürgersteig gewinnen will, mit der bloßen Degenklinge behandelt."78 Beide Fälle veranschaulichen nicht etwa die Berechtigung, Gebote und Verbote zu erlassen, sondern lassen vielmehr erkennen, daß auch Otto Mayer unter Anstaltspolizei wohl lediglich die Befugnis zur sofortigen Gewaltanwendung ohne vorausgegangene Anweisung verstand. Demgegenüber findet sich bei Kormann die Ansicht, die Anstaltspolizei könne über das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwanges hinaus auch die Form besonderer Verfügungen, die ihrerseits vollstreckungsbedürftig seien, annehmen.79 Zudem spricht auch Fleiner davon, daß die Anstaltspolizei zum Erlaß vollstreckbarer Anordnungen berechtige. 80 Gleichwohl kann diese Streitfrage im hier interessierenden Zusammenhang unentschieden bleiben, da auch diejenigen Autoren, die in der Rechtsfigur der Anstaltspolizei eine taugliche Rechtsgrundlage für verbindliche Anweisungen gegenüber der Zivilbevölkerung erblickten, keineswegs den Standpunkt vertraten, daß die Organe der Anstalt selbst anordnungsbefugt gewesen seien. Vielmehr gingen Kormann und Reiner davon aus, daß das auf der Anstaltspolizei basierende Anordnungsrecht nur den Beamten der Polizei Verwaltung zustehen könne. 81 Insoweit stimmten sie aber mit den Vertretern der Gegenansicht überein, denn auch diese hielten allein die Angehörigen der Polizeiorganisation für berechtigt, verbindliche Anordnungen zu erteilen. Uneinigkeit herrschte also letztlich lediglich in der Frage, ob die Polizeibeamten, die zugunsten einer öffentlichen Anstalt Gebote oder Verbote aussprachen, sich dabei auf das Rechtsinstitut der Anstaltspolizei berufen konnten oder ob insoweit ebenso wie auch im Falle sonstiger polizeilicher Verfügungen allein die polizeirechtliche Generalklausel des § 10 I I 17 pr. ALR als Rechtsgrundlage in Betracht kam. 82 Wurde somit aber - soweit ersichtlich 77 Schneider, S. 55 ff. Aus diesem Grunde wendet sich Schneider auch grundsätzlich gegen den Begriff der Anstaltspolizei, da diese Rechtsfigur lediglich Selbstverteidigungsrechte beinhalte und mithin überhaupt keine polizeilichen Befugnisse konstituiere. Gegen den Begriff der Anstaltspolizei auch Jellinek, Gesetzesanwendung, S. 278 ff. 78 Otto Mayer I, S. 310. 79 WStVR-Kormann, a.a.O. (s.o. Fn. 74), S. 3. 80 Fleiner, S. 330 f. 81 Fleiner, S. 330 f.; WStVR-Kormann, a.a.O. (s.o. Fn. 74), S. 3. 82 Im letzteren Sinne etwa: Jellinek, Gesetzesanwendung, S. 278 f. Fn. 49; Liepmann, S. 43, sowie Schneider, S. 57 Fn. 132 und S. 60 Fn. 140, der jedoch Kormann zu Unrecht vorwirft, dieser halte das Militär selbst für berechtigt, allgemeine Anordnungen zu treffen.

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von niemandem die Auffassung vertreten, die Rechtsfigur der administrativen Selbstverteidigung berechtige die öffentliche Anstalt bzw. deren Organe selbst zum Erlaß vollstreckungsfähiger Anweisungen, so ist daraus zwingend zu folgern, daß auch das Militär sich in diesem Zusammenhang nicht auf die Anstaltspolizei berufen konnte. Damit steht jedoch zugleich auch fest, daß dem preußischen Heer im allgemeinen und den militärischen Wachen und Feldgendarmen im besonderen weder eine geschriebene noch eine ungeschriebene Rechtsgrundlage zum Erlaß von Anordnungen zur Verfügung stand.83 Daraus folgt dann im Ergebnis, daß den Feldgendarmen überhaupt keine Anordnungsbefugnis zustand. Soweit also der oben zitierte § 8 I 2 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866 die Feldgendarmen sogar verpflichtete, gegenüber Zivilpersonen Anweisungen auszusprechen, verstieß er dadurch gegen die Regelung des Art. 5 pr. Verf. 1850 und war folglich rechtswidrig. 84 Gleichwohl dürfte aufgrund des die Soldaten zu unbedingtem Gehorsam verpflichtenden Charakters der Dienstinstruktion 85 davon auszugehen sein, daß die Feldgendarmen im Zuge der Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben auch Anordnungen gegenüber Zivilpersonen ausgesprochen und diese im Vertrauen auf deren Verbindlichkeit in letzter Konsequenz sogar gewaltsam durchgesetzt haben. Rechtmäßig war eine solche Praxis indessen nicht. 86 e) Die Festnahmerechte der Feldgendarmen Im Gegensatz zur Situation bei § 8 I 2 der Dienstinstruktion vom 25.05.1866, der - wie soeben ausführlich aufgezeigt - in rechtswidriger Weise dazu anhielt, Zivilpersonen Anweisungen zu erteilen, konnten sich die Feldgendarmen hinsichtlich ihrer Festnahmerechte sowohl als Teil des Militärs im allgemeinen als auch aufgrund ihrer Eigenschaft als militärische Wachen im besonderen auf verschiedene Rechtsgrundlagen berufen, die dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 pr. Verf. 1850 gerecht wurden. 83 So in wünschenswerter Klarheit auch: Liepmann, S. 20 („sofern man nicht annimmt, daß das Recht [auf] Gehorsam sich in einem Rechtsstaat von selbst versteht"); Schneider, S. 4 f. und S. 57 f., sowie Wolzendorff, VerwA 22 (1914), S. 539. 84 Gleiches gilt im übrigen auch für Ziffer 2 der „Instruktion über den Waffengebrauch des Militärs" vom 01.05.1851, worin davon die Rede ist, daß das Militär aus eigenem Recht von der Waffe Gebrauch machen dürfe, „um den ihm schuldigen Gehorsam zu erzwingen." Da es nämlich - wie im Text ausführlich aufgezeigt - bereits an einem Gehorsamsanspruch des Militärs gegenüber der Zivilbevölkerung fehlte, konnte der Einsatz von Waffen insoweit schon gar nicht rechtmäßig sein (ebenso: Liepmann, S. 20). 85 Vgl. dazu etwa Laband, DJZ 1914, Sp. 186. 86 Dies galt im übrigen nicht nur für die Epoche des beginnenden Verfassungsstaats, sondern ebenso auch für das Kaiserreich und die Weimarer Republik, da eine Rechtsgrundlage für verbindliche Anordnungen des Militärs auch im Jahre 1933 noch nicht existierte. Zur veränderten Situation im Dritten Reich siehe unten sub G. III. 4. a).

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aa) Das „Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit" vom 12.02.1850 Besonders hervorzuheben ist insoweit zunächst das „Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit" vom 12.02.1850,87 das der Gesetzgeber bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der Verfassungsurkunde vom 31.01.1850 geschaffen hatte, um die verfassungsmäßigen Anforderungen an freiheitsentziehende Maßnahmen des Staates erfüllen zu können. Dieses Gesetz berechtigte nämlich außer den „Polizeibehörden und anderen Beamten, welchen nach den bestehenden Gesetzen die Pflicht obliegt, Verbrechen und Vergehen nachzuforschen", auch die militärischen Wachen dazu, einer Person bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die persönliche Freiheit zu entziehen. Für die Wachmannschaften und damit zwangsläufig auch für die Feldgendarmen ergab sich dabei lediglich dadurch eine Besonderheit, daß sie neben den gesetzlichen Tatbeständen auch die mit der A. K. O. vom 08.08.1850 genehmigte „Instruktion für die Wachen, in Hinsicht der von ihnen vorzunehmenden vorläufigen Ergreifungen und förmlichen Verhaftungen" vom 27.07.185088 beachten mußten, die das Kriegsministerium erlassen hatte, um - wie es wörtlich hieß - „die genaue Beachtung der Bestimmung des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit" sicherzustellen. 89 Beiden Regelwerken war jedoch gemeinsam, daß sie zwischen drei verschiedenen Festnahmetatbeständen differenzierten, bei denen es grundsätzlich keinen Unterschied machte, ob es sich bei dem Festgenommenen um einen Soldaten oder um eine Zivilperson handelte. So konnte zunächst gemäß § 1 I des Gesetzes vom 12.02.1850, dem § 2 der Wachinstruktion vollinhaltlich entsprach, jede Person verhaftet werden, wenn dies in einem schriftlichen, die Beschuldigung und den Beschuldigten bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehl angeordnet worden war. 90 Daneben war gemäß § 2 Nr. 1 i.V.m. § 3 I des 87

Pr. GS 1850, S. 45. Pr. MilGS IV, S. 182. 89 Trotz dieser Beteuerung enthielt die Wachinstruktion jedoch auch Regelungen, die über das in Bezug genommene Gesetz hinausgingen. Diese Vorgehensweise entsprach einer durchaus gängigen Praxis des Kriegsministeriums, das immer wieder versuchte, in einer durch die Berufung auf ein Gesetz als bloße Ausführungsvorschrift getarnten Dienstinstruktion die Befugnisse des Militärs auszudehnen. Dementsprechend bezeichnete es der Abgeordnete von Liszt in einer Reichtagsrede auch zu Recht als „die allerunangenehmste Erscheinung bei den Dienstvorschriften [...], daß die Gesetze inhaltlich niemals wörtlich angeführt werden, sondern nur in Paraphrasen und meist in ziemlich unrichtigen Paraphrasen" (Sten.-Ber. RT 1914, Band 292, S. 6746 A.). - Diejenigen Bestimmungen der Wachinstruktion vom 27.07.1850, die dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit fremd waren, werden, soweit sie für den hier interessierenden Zusammenhang von Bedeutung sind, in den nachfolgenden Unterabschnitten des Textes einer näheren Betrachtung unterzogen. 90 Diese Befugnis stand den Feldgendarmen indessen lediglich bis zur Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27.01.1877 (RGBl. 1877, S. 41) und der Reichsstrafprozessordnung vom 01.02.1877 (RGBl. 1877, S. 253) zu, da seit dieser Zeit die 88

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Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit die vorläufige Ergreifung und Festnahme einer Person durch die militärischen Wachen aber auch ohne richterlichen Befehl möglich, „wenn die Person bei Ausführung einer strafbaren Handlung oder gleich nach derselben betroffen oder verfolgt" wurde. Insoweit unterlag das Festnahmerecht der Wachmannschaften allerdings einer im Gesetz selbst nicht vorgesehenen Einschränkung, da § 5 der Wachinstruktion die Festnahme von Offizieren grundsätzlich untersagte: „Keine Wache ist befugt, aus eigener Machtvollkommenheit und ohne von einem höheren Militair-Vorgesetzten den Befehl dazu erhalten zu haben, einen Offizier festzunehmen, es sei denn, daß 1. ein Offizier sich augenscheinlich eines Verbrechens im allgemeinen oder gegen die Wache selbst schuldig macht; 2. ein Offizier sich außer Uniform, d.i. in Civilkleidern befände und sich den Anordnungen der Wache widersetzte".91 Vollstreckung von Haftbefehlen gem. § 36 I 1 RStPO, dem in der heutigen Fassung der StPO die durch das „Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRG)" vom 09.12.1974 (BGBl. I 1974, S. 3393) neu gefaßte Norm des § 36 II 1 StPO entspricht, in die alleinige Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft fiel, die sich dazu zwar gemäß § 159 RStPO (seit der Neubekanntmachung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozessordnung vom 22.03.1924, RGBl. I 1924, S. 299, entsprach dem alten § 159 RStPO der bis heute nahezu unverändert fortgeltende § 161 StPO) der Polizei oder gemäß § 153 I GVG (ebenfalls seit dem 22.03.1924 bis heute: § 152 I GVG) ihrer Hilfsbeamten, nicht jedoch der militärischen Wachen bedienen konnte. Die insoweit entgegenstehenden Vorschriften des preußischen Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit verloren gemäß § 6 I des Einführungsgesetzes zur RStPO vom 01.02.1877 (RGBl. 1877, S. 346) mit Inkrafttreten der RStPO und des GVG am 01.10.1879 (vgl. § 1 EG RStPO i.V.m. § 1 des Einführungsgesetzes zum GVG vom 27.01.1877, RGBl. 1877, S. 77) ihre Gültigkeit. 91 Selbst diese Ausnahmeregelung fand aber zwischenzeitlich auf die Feldgendarmen keine Anwendung, da ihnen durch § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 im Verhältnis zu Offizieren die Eigenschaft als militärische Wachen entzogen worden war und sie aus diesem Grunde gemäß § 14 I 1 der Instruktion gänzlich daran gehindert wurden, Offiziere vorläufig zu ergreifen oder festzunehmen [näher dazu unten D. II. 3.]. Unabhängig davon aber hatte auch schon die Wachinstruktion vom 08.08.1850 neben der im Text zitierten Begrenzung der gesetzlich an sich zulässigen Freiheitsentziehungen durch militärische Wachen noch eine weitere Einschränkung der Festnahmebefugnisse vorgesehen, denn gemäß § 4 der Wachinstruktion durften die Regelungen über die vorläufige Ergreifung und Festnahme nicht auf Gesandte fremder Höfe und die zur Gesandtschaft gehörigen Personen angewendet werden. Demgegenüber enthielt das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit lediglich Bestimmungen über das weitere Verfahren, das nach einer vorläufigen Festnahme zu beachten war. So schrieb etwa § 4 des Gesetzes vor, daß jeder vorläufig Festgenommene spätestens im Laufe des folgenden Tages entweder in Freiheit gesetzt oder dem Staatsanwalt bei dem zuständigen Gericht vorgeführt werden mußte. Im letzteren Fall war der Staatsanwalt dann verpflichtet, die sofortige Freilassung zu verfügen oder aber unverzüglich zu beantragen, daß das Gericht über die Verhaftung entscheidet. Ferner machte es § 5 des Gesetzes den Justizbehörden zur Pflicht, jeden Verhafteten oder vorläufig Festgenommenen spätestens im Laufe des auf die Vorführung vor dem zuständigen Richter folgenden Tages so zu vernehmen, „daß ihm der Gegenstand der Anschuldigung mit-

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Schließlich stand den militärischen Wachen auch noch ein präventiv-polizeiliches Festnahmerecht zu. Gemäß § 6 des Gesetzes vom 12.02.1850 bzw. gemäß § 15 der Wachinstruktion durften Personen nämlich auch dann in Verwahrung genommen werden, wenn dies zu ihrem eigenen Schutz geschah oder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe dringend erforderlich war. 92 Auch diese Personen waren jedoch spätestens im Laufe des folgenden Tages wieder freizulassen oder der zuständigen Behörde zur weiteren Veranlassung zu überweisen. 93 Allen diesen Festnahmebefugnissen war gemeinsam, daß sie den Festnehmenden gemäß § 10 Satz 1 des Gesetzes vom 12.02.1850 auch dazu berechtigten, selbst zur Nachtzeit 94 in eine Wohnung einzudringen, um die Festnahme zu ermöglichen. 95 In allen übrigen Fällen war hingegen gemäß §§ 7; 8 Satz 1 des Gesetzes das Eindringen in eine Wohnung verboten. 96 getheilt und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben werde." Die Wachmannschaften hatten darüber hinaus aber auch noch die umfangreichen Verfahrensregeln der §§ 11 bis 14 der Wachinstruktion vom 27.07.1850 zu beachten, auf deren genaue Wiedergabe im hier interessierenden Zusammenhang jedoch weitgehend verzichtet werden kann. Erwähnenswert erscheint indessen, daß gemäß § 11 der Instruktion nur die von der Wache festgenommenen Zivilpersonen sobald als möglich den Polizeibehörden zu überstellen waren, während bei Soldaten die Entscheidung über das weitere Vorgehen dem Wachvorgesetzten überlassen blieb. Soweit dadurch einem festgenommenen Soldaten die dargestellten Rechte auf alsbaldige richterliche Entscheidung und verantwortliche Vernehmung gemäß §§ 4, 5 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit vorenthalten blieben, dürfte dies im Hinblick auf den damaligen Stand der Dogmatik des besonderen Gewaltverhältnisses (vgl. dazu etwa Laband, DJZ 1914, Sp. 186) zulässig gewesen sein. 92 § 6 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit war dessen einzige Vorschrift, die auch nach dem Inkrafttreten der RStPO fortgalt. Da sie zudem später weitgehend unverändert in § 15 des preußischen Polizei Verwaltungsgesetzes vom 01.06. 1931 (pr. GS 1931, S. 77) übernommen wurde, wird sie von Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 14 zu Recht als eine „legislatorische Leistung ersten Ranges" bezeichnet. 93 § 16 der Wachinstruktion enthielt insoweit eine Spezialvorschrift für solche Personen, die an öffentlichen Orten hilflos aufgefunden wurden. Beruhte diese Hilflosigkeit auf übermäßigem Alkoholgenuß, so hatten die Wachen den Betroffenen im nächstgelegenen Wachtgebäude abzuliefern, wo er solange unter Aufsicht stehen sollte, bis er wieder nüchtern geworden war. Kranke Personen mußten hingegen so bald als möglich den Polizeibehörden überantwortet werden. 94 Die Nachtzeit umfaßte gemäß § 8 des Gesetzes für die Zeit vom 01.10. bis 31.03. die Stunden von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens und für die Zeit vom 01.04. bis zum 30.09. die Stunden von 9 Uhr abends bis 4 Uhr morgens. Diese Differenzierung ist im wesentlichen bis heute noch in den Verfahrensgesetzen erhalten geblieben (vgl. etwa § 104 m StPO und § 188 I 2 ZPO). 95 Damit enthielt das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit eine Regelung, die in dieser Form nicht in die RStPO übernommen wurde, weshalb bis in die Gegenwart hinein Streit darüber besteht, ob der Haftbefehl die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten zwecks Ergreifung rechtfertigt oder nicht (vgl. Kleinknecht/MeyerGoßner, § 114 StPO Rn. 20 m.w.N.). 96 Eine wohl durch das besondere Gewaltverhältnis zu rechtfertigende Ausnahme von diesem Grundsatz enthielt jedoch § 10 II 2 Ziff. 2 der Wachinstruktion, wonach

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Angesichts der Regelungsdichte, die somit bereits durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit und die dazu vom Kriegsministerium ergänzend erlassene Wachinstruktion erzeugt wurde, kann es nicht überraschen, daß in der Dienstvorschrift vom 25.05.1866 keine eigenständigen Bestimmungen über die strafprozessualen und präventiv-polizeilichen Festnahmerechte der Feldgendarmen mehr enthalten waren. Bedeutung erlangte die Dienstinstruktion insoweit also alleine dadurch, daß sie die Feldgendarmen in § 8 I 2 zu militärischen Wachen erklärte, da nur so erreicht werden konnte, daß das Gesetz vom 12.02.1850 und die Wachinstruktion vom 27.07.1850 überhaupt auf die Feldgendarmen Anwendung fanden. Voraussetzungen und Modalitäten einer durch Feldgendarmen bewirkten strafprozessualen oder präventiv-polizeilichen Festnahme wichen mithin in keiner Weise von den dargelegten Grundsätzen der Freiheitsentziehungen durch die übrigen militärischen Wachen ab.

bb) Die disziplinaren Festnahmerechte der Feldgendarmen Die bislang erörterten Rechtstitel für vorläufige Festnahmen und Verhaftungen waren infolge ihrer strafprozessualen bzw. präventiv-polizeilichen Prägung unterschiedslos sowohl auf Soldaten als auch auf Zivilpersonen anwendbar. Darüber hinaus gab es aber noch Festnahmerechte, die nur der Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin und Ordnung dienten und deren persönlicher Anwendungsbereich daher lediglich die Angehörigen der preußischen Armee umfaßte. So enthielt bereits § 19 der „Instruction über das Verhältniß in welchem der kommandirende General der Provinz, die Gouverneurs und Commandanten zu den Brigade-Chefs, Landwehr-Inspecteurs, Brigade-Chefs der Artillerie und Ingenieur-Brigadiers stehen, und über den Wirkungskreis dieser letzten zu den ihnen untergeordneten Truppen" vom 13.03.181697 detaillierte Bestimmungen über die Grundsätze, nach denen ein Soldat aus disziplinaren Gründen vorläufig festgenommen werden durfte: „Wo jedoch das Bataillon, die Compagnie, Eskadron oder Batterie zusammen steht, sind die jüngern Offiziere derselben, zwar berechtigt, einen Unteroffizier, Bombardier und Gemeinen zur Erhaltung der Ordnung und Disciplin, nöthigenfalls in Arrest zu setzen, auch sogleich dahin abführen zu lassen - derselbe muß jedoch unverzüglich dem Chef oder Kommandeur gemeldet werden, dem sodann die weiteren Verfügungen [...] zustehen. Eben so bleiben die Feldwebel, Wachtmeister, und Unteroffiziere berechtigt und selbst verpflichtet, Soldaten und Spielleute die einen Exceß verüben und sich gegen der Zutritt zu den von Militärpersonen benutzten Wohnungen den Militärvorgesetzten oder deren Beauftragten „behufs Vollziehung dienstlicher Befehle auch zur Nachtzeit nicht versagt werden" durfte. 97 Pr. MilGS I, S. 120.

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die Militair-Disciplin oder gegen die allgemeine Ruhe vergehen, sei es durch Trunkenheit oder auf irgend eine andere Art, auf der Stelle je nachdem das Vergehen ist, und wenn sie selbige nicht anders beruhigen können - zu arretiren und sie entweder nach ihrem Quartier zu bringen oder auf dem nächsten Arrestorte oder an der nächsten Wache abzuliefern. Sie sind aber verpflichtet von einem solchen Fall sogleich ihrem vorgesetzten Offizier oder Kommandeur Meldung zu machen [...]." Obgleich mit Blick auf den disziplinarrechtlichen Charakter der zitierten Regelung an sich zu erwarten gewesen wäre, daß sie aus systematischen Erwägungen heraus in die neugeschaffene „Verordnung über die Disziplinar-Bestrafung in der Armee" vom 21.10.184198 integriert wurde, war dies tatsächlich jedoch nicht der Fall. Erstaunlicherweise hatte der König beim Erlaß der Verordnung nämlich gänzlich darauf verzichtet, die disziplinaren Festnahmebefugnisse innerhalb der preußischen Armee einer Überarbeitung zu unterziehen. Aus diesem Grunde mußte auch zur Zeit der Gründung der Feldgendarmerie noch immer auf die Instruktion aus dem Jahre 1816 zurückgegriffen werden, wenn eine Rechtsgrundlage für die vorläufige Festnahme eines Soldaten gesucht wurde, der durch sein Verhalten die militärische Disziplin gefährdete. Erst mit Inkrafttreten der „Disziplinar-Strafordnung für das Heer" (HDStO) vom 31.10.1872 wurde § 19 der Instruktion vom 13.03.1816 aufgehoben, da § 7 I I HDStO eine Neuregelung der disziplinaren Festnahmerechte beinhaltete und § 57 I 2 HDStO die Aufhebung aller älteren Bestimmungen anordnete, die mit dem neuen Regelwerk nicht in Einklang standen. Gemäß § 7 I I 1 HDStO war nunmehr jeder Offizier und Unteroffizier berechtigt, „die nach dem Dienstgrade oder dem Patent oder dem Dienstalter unter ihm stehenden Personen des Soldatenstandes nöthigenfalls vorläufig zu verhaften oder ihre vorläufige Verhaftung zu bewirken." § 7 I I 2 HDStO bestimmte überdies, daß „eine solche Verhaftung [...] sofort einem mit Disziplinarstrafgewalt versehenen Vorgesetzten des Verhafteten gemeldet werden" mußte. Wirklich neu war an diesen Bestimmungen indessen lediglich der Umstand, daß der der vorläufigen Festnahme unterliegende Personenkreis sichtlich erweitert worden war. Während nämlich § 19 der Instruktion vom 13.03.1816 strikt zwischen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaftsdienstgraden differenzierte und innerhalb dieser dreigeteilten Hierarchie den Soldaten der höheren Stufen Festnahmebefugnisse nur gegenüber den Angehörigen der jeweils untergeordneten Ebenen zugestand, berechtigte § 7 I I HDStO jeden Offizier und Unteroffizier nicht nur zur Festnahme aller Personen des Soldatenstandes, die einer niedrigeren Dienstgradgruppe angehörten oder einen geringeren Dienstgrad bekleideten, sondern sogar zur Arretierung von Soldaten gleichen Dienstgrades, wenn deren Dienstalter nicht dasjenige des Festnehmenden erreichte. Im Gegensatz zur Instruktion aus dem Jahre 1816 ermöglichte

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Pr. GS 1841, S. 29.

20 Schütz

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§ 7 I I HDStO also auch die aus disziplinaren Gründen erfolgende vorläufige Festnahme eines Offiziers. Im übrigen aber wurden durch die Einführung der HDStO hinsichtlich der disziplinaren Festnahmerechte keine weiteren Veränderungen der bestehenden Rechtslage verursacht. Nach wie vor waren es nur Offiziere und Unteroffiziere, denen disziplinare Festnahmebefugnisse eingeräumt wurden. Unberührt geblieben war überdies auch die Pflicht des Festnehmenden, den Vorgang unverzüglich dem nächst erreichbaren Disziplinarvorgesetzten des Betroffenen zur Kenntnis zu bringen. Dies hatte für die Feldgendarmen, denen insoweit bemerkenswerterweise ebensowenig wie den übrigen militärischen Wachen eine Sonderstellung eingeräumt worden war, zur Konsequenz, daß ihre ansonsten stark ausgeprägte Rechtsstellung in disziplinarrechtlicher Hinsicht eine Schwachstelle aufwies. Einzig die einfachen Soldaten mit Mannschaftsdienstgraden unterlagen nämlich nach der geltenden Rechtslage weitgehend unbeschränkt der vorläufigen Festnahme durch die Angehörigen der Feldgendarmerie. Die Festnahme von Offizieren aus disziplinaren Gründen stellte hingegen aufgrund der Dienstgradstruktur der Feldgendarmerieformationen, die nur wenige Offiziersstellen vorsah," einen äußerst seltenen Ausnahmefall dar, da sie keinesfalls von einem Unteroffizier oder gar einem Mannschaftsdienstgrad bewirkt werden konnte. Bei Unteroffizieren schließlich hing die Möglichkeit einer auf § 7 I I HDStO gestützten vorläufigen Festnahme unter Umständen letztlich sogar vom Zufall ab, denn sie war in diesem Fall überhaupt nur dann zulässig, wenn der einschreitende Feldgendarm einen höheren Dienstgrad innehatte oder auf eine längere Armeezugehörigkeit verweisen konnte als der betroffene Soldat. Gegenüber dem bedeutsamen Personenkreis der Offiziere und Unteroffiziere wurde die Rechtsposition der Feldgendarmen demnach spürbar dadurch geschwächt, daß eine disziplinarrechtliche Festnahme dieser Soldaten entweder überhaupt nicht möglich war oder von willkürlichen Umständen abhing. Damit blieb den Angehörigen der Feldgendarmerie aber die Ausnutzung der Vorteile versagt, die mit einer vorläufigen Festnahme gemäß § 7 HDStO verbunden waren. So wäre nämlich gerade die Festnahme eines Offiziers oder eines Unteroffiziers, dessen die militärische Disziplin gefährdendes Verhalten das sofortige Einschreiten der Feldgendarmerie erforderte, eine besonders wirksame Maßnahme zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Disziplin gewesen, da sie ohne Rücksicht darauf hätte angewandt werden können, ob das Dienstvergehen zugleich einen Straftatbestand verwirklichte oder ob die Voraussetzungen einer vorläufigen Festnahme aufgrund eines anderen Rechtstitels vorlagen. 100 Zudem hätte den Feldgendarmen in Gestalt der disziplinarrechtlichen Festnahmebefugnis darüber hinaus 99 Siehe dazu oben A. II. und die nachfolgenden Ausführungen zur Formationsgeschichte der Feldgendarmerie. 100 Ähnlich zur Rechtslage bei der vorläufigen Festnahme nach der Wehrdisziplinarordnung der Bundeswehr: Dau, § 17 WDO Rn. 1.

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auch noch ein geeignetes Mittel für die angemessene Durchsetzung ihrer an Offiziere und Unteroffiziere gerichteten Befehle zur Verfügung gestanden. Insoweit wurden die fehlenden Festnahmerechte auch nicht etwa durch die Norm des § 185 pr. MStGB bzw. des späteren § 124 RMStGB kompensiert. Zwar war es durchaus denkbar, daß ein Feldgendarm unter Berufung auf den darin statuierten besonderen militärstrafrechtlichen Rechtfertigungsgrund einen ungehorsamen Soldaten zum Zwecke der Befehlsdurchsetzung vorläufig festnahm, 101 doch dürfte dies im militärischen Alltag lediglich in Ausnahmefällen zulässig gewesen sein, da sowohl § 185 pr. MStGB als auch § 124 RMStGB einen Zustand äußerster Not und dringendster Gefahr voraussetzten. Obschon also - wie weiter oben bereits dargelegt - sowohl der ordnungsdienstliche Auftrag der Feldgendarmen als auch die diesen durch ihre Eigenschaft als militärische Wachen vermittelten Befehlsbefugnisse alle übrigen Armeeangehörigen unabhängig von deren Dienstgrad erfaßten, fehlte es in disziplinarrechtlicher Hinsicht im Verhältnis zu den Offizieren und nicht selten auch zu den Unteroffizieren an einem geeigneten Instrumentarium für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung. Gleichwohl wurden bis zum Ende des zweiten Weltkriegs keinerlei Versuche unternommen, die so umschriebene Situation zu verbessern. Weder die nach dem ersten Weltkrieg erlassenen Neufassungen der HDStO, in denen die Befugnisse zur vorläufigen Festnahme in § 9 I anstatt wie zuvor in § 7 I I geregelt wurden, noch die Ablösung des § 9 I HDStO durch § 30 I I WDStO im Jahre 1942 102 führten zu Veränderungen der Rechtslage, die über eine redaktionelle Überarbeitung des Wortlautes wesentlich hinausgingen. Die Feldgendarmerie war daher während des gesamten Verlaufs ihrer Formationsgeschichte gezwungen, sich mit den dargestellten Defiziten des Disziplinarrechts abzufinden. 1 0 3 Der Vollständigkeit halber muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß es innerhalb des ordnungsdienstlichen Aufgabenspektrums der Feldgendarmen 101 Die vorläufige Festnahme eines den Gehorsam verweigernden Armeeangehörigen wird beispielsweise von Mayer, Militärstrafrecht I, S. 110, ausdrücklich als ein wirksames Mittel zur Wahrung der Autorität des Befehlenden bezeichnet. 102 Vgl. dazu ausführlich das 5. Kapitel unter B. IV. 2. 103 Erst dem bundesdeutschen Gesetzgeber ist es gelungen, diese disziplinarrechtliche Lücke erfolgreich zu schließen, da er in § 17 II Nr. 1 WDO die Befugnis zur vorläufigen Festnahme eines jeden Soldaten, dessen Disziplinarvorgesetzte nicht auf der Stelle erreichbar sind, ausdrücklich auch den Angehörigen des militärischen Ordnungsdienstes einschließlich der militärischen Wachen zugestanden hat. Obwohl die amtliche Begründung zu § 9 II Nr. 1 WDO, der bis zur Neufassung der Wehrdisziplinarordnung im Jahre 1972 (BGBl. I 1972, S. 1665) dem heutigen § 17 II Nr. 1 WDO wörtlich entsprach, zu dieser Frage schweigt (vgl. Bundestagsdrucksache 2181/56 vom 02.03.1956, S. 38), kann die Verleihung disziplinarrechtlicher Festnahmebefugnisse an die Angehörigen des militärischen Ordnungsdienstes der Bundeswehr dennoch als bewußte Reaktion auf die im Text beschriebenen Nachteile des früheren Rechtszustandes betrachtet werden. *

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auch noch einen Teilbereich gab, in dem ihre Festnahmerechte zunächst ausnahmslos alle Unteroffiziere und gemeinen Soldaten umfaßten und seit Inkrafttreten der Garnisonsdienstvorschrift vom 15.03.1902 sogar sämtliche Offiziere einschlossen, die sich nicht in Uniform befanden. Dieser Spezialfall des militärischen Ordnungsdienstes betraf die Zapfenstreichregelung und wurde - soweit ersichtlich - erstmals in § 6 Nr. 2 der Wachinstruktion vom 27.07.1850 normiert. Darin heißt es nämlich wörtlich, daß von den militärischen Wachen und daher auch von den Feldgendarmen vermöge eigener Amtsgewalt alle „Unteroffiziere und gemeinen Soldaten, welche, ohne sich im Dienst zu befinden, oder ohne besondere Erlaubniß erhalten zu haben, nach dem Zapfenstreich außerhalb ihres Quartiers betroffen werden", festgenommen werden durften. Während diese Formulierung noch in § 3 Nr. 2 der „Instruktion für die Wachen in Hinsicht der von ihnen vorzunehmenden Verhaftungen und vorläufigen Festnahmen" vom 29.01.1881 104 unverändert wiederholt wurde, hatte man in Ziffer 120 der Garnisonsdienstvorschrift vom 15.03.1902105 bereits darauf verzichtet, die Offiziere von der Festnahme wegen einer Überschreitung des Zapfenstreiches auszunehmen, da dort nur noch ganz allgemein von Militärpersonen die Rede war. Die bereits erwähnte Einschränkung auf nicht uniformierte Offiziere ergab sich indessen aus Ziffer 119 der Garnisonsdienstvorschrift, denn darin wurde die Zulässigkeit der Festnahme eines Offiziers in Uniform auf diejenigen Fälle begrenzt, in denen er bei Begehung eines Verbrechens auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wurde. Systematisch stringenter, aber inhaltlich ohne Neuerungen war schließlich die Regelung in Ziffer 206 der Standortdienstvorschrift vom 24.10.1939. 106 Darin wurde zwar zunächst nochmals die Befugnis der den Wachdienst ausübenden Soldaten betont, wonach an sich aus Gründen der Manneszucht jede Militärperson, die sich nach Zapfenstreich unberechtigt außerhalb ihrer Unterkunft aufhielt, festgenommen werden konnte; die schon bekannte Ausnahme für uniformierte Offiziere war jedoch auch hier übernommen worden und folgte in unmittelbarem Anschluß an die Regelung des grundsätzlichen Anwendungsbereichs der Festnahmerechte. Immerhin ermöglichten diese Bestimmungen aber bis zum Ende des zweiten Weltkriegs abweichend von den ansonsten gültigen Prinzipien des Disziplinarrechts die vorläufige Festnahme eines Offiziers durch einen Unteroffizier oder sogar durch einen einfachen Soldaten. Gleichwohl muß insoweit festgestellt werden, daß diese Ausnahme aufgrund ihrer vergleichsweise geringen praktischen Bedeutung bei der Gesamtbeurteilung der den Feldgendarmen eingeräumten disziplinaren Festnahmerechte durchaus vernachlässigt werden kann. Im Ergebnis muß daher festgehalten werden, daß der Umfang der Befugnisse, die der Feldgendarmerie zur Verfügung standen, auf dem Gebiet des Disziplinarrechts von Anfang an in der beschriebe104 105 106

A.V.B1. 1881, S. 80, Nr. 82. Zitiert bei Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 4b), S. 503. H. Dv. 131; M. Dv. Nr. 581; L.Dv. 131 (BA-MA RM 4/131).

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nen Art und Weise deutlich hinter der Reichweite ihres Aufgabenspektrums zurückblieb. cc) Die vorläufige Festnahme in Ausübung des allgemeinen Notwehrrechts und der Anstaltspolizei Folgt man der von Jess/Mann 107 beinahe wörtlich übernommenen Auffassung Liepmanns, 108 wonach gemäß Art. 5 pr. Verf. 1850 nur solche Beschränkungen der persönlichen Freiheit zulässig gewesen seien, die durch ein formelles Gesetz gerechtfertigt wurden, so gelangt man konsequenterweise zu der Schlußfolgerung, daß eine vorläufige Festnahme von Zivilpersonen durch militärische Wachen und Feldgendarmen nur in den im Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 12.02.1850 aufgeführten Fällen zulässig war. Tatsächlich gab es nämlich außerhalb dieses Gesetzes keine einzige weitere geschriebene Norm, die speziell die militärischen Wachen im allgemeinen oder gar die Feldgendarmen im besonderen zu einem selbständigen Vorgehen gegenüber der Zivilbevölkerung berechtigt hätte. Dementsprechend lassen sich im geschriebenen Recht insoweit allenfalls noch solche Rechtsgrundlagen ausfindig machen, die das Militär in seiner Gesamtheit mit Eingriffsbefugnissen ausstatteten. Sämtliche Festnahmebefugnisse, die im folgenden noch vorgestellt werden und nicht unmittelbar oder mittelbar auf das Gesetz vom 12.02.1850 zurückgingen, waren demzufolge keineswegs auf militärische Wachen oder Feldgendarmen zugeschnitten, sondern konnten jedem einzelnen Armeeangehörigen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gleichermaßen zustehen. Jess/Mann nennen indessen in diesem Zusammenhang im wesentlichen nur noch das Notwehrrecht. Damit ist in der Tat auch hinsichtlich der Festnahme einer Zivilperson ein möglicher Anwendungsfall angesprochen worden, da es ohne weiteres denkbar ist, die Notwehr als Rechtfertigungsgrund für eine tatbestandliche Freiheitsberaubung und damit mittelbar als Festnahmerecht in Betracht zu ziehen. 109 Ebenso praxisnahe Beispiele kann man indessen auch dann bilden, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Art. 5 pr. Verf. 1850 tatsächlich nicht - wie von Jess/Mann irrtümlich behauptet - den Vorbehalt eines formellen Gesetzes enthielt. Vielmehr war insoweit - wie oben unter d) bereits ausgeführt - jede Rechtsnorm im materiellen Sinne völlig ausreichend, so daß letztlich auch Rechtsinstitute des ungeschriebenen Rechts dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 pr. Verf. 1850 genügten. Das traf aber insbesondere auf das teilweise als Anstaltspolizei bezeichnete verwaltungsrechtliche Selbstverteidigungsrecht zu, so daß auch diese Rechtsfigur über das von Jess/Mann genannte Notwehrrecht hinaus als Rechtsgrundlage für 107

Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 14. Liepmann, S. 17. 109 Vgl. Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 4b), S. 502; ebenso auch Schänke/ Schröder-Eser, § 239 StGB Rn. 8, und Mitsch, JuS 2000, S. 850 f. 108

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eine vorläufige Festnahme fungieren konnte. Da nämlich die Anstaltspolizei wie dargestellt - den öffentlichen Anstalten gestattete, Störungen ihres Betriebs durch ihre Organe zwangsweise zu beseitigen, konnte sie im Ergebnis problemlos die vorläufige Festnahme derjenigen Zivilpersonen rechtfertigen, von denen eine solche Betriebsstörung ausging. Bei zutreffender Auslegung des Art. 5 pr. Verf. 1850 ist somit auch die Anstaltspolizei den Festnahmerechten der Feldgendarmerie hinzuzuzählen. dd) Die Requisition durch Zivilbehörden Sowohl die auf die Rechtsfigur der Anstaltspolizei gestützte vorläufige Festnahme als auch die im Zuge der Ausübung des allgemeinen Notwehrrechts vorgenommene Arretierung einer Zivilperson diente allein dem Zweck, die Angehörigen der Armee, das streitkräfteeigene Material sowie den militärischen Dienstbetrieb vor Angriffen oder Beeinträchtigungen zu schützen. Sie erfolgten also ausschließlich im eigenen Interesse der Armee. Daneben waren in der Wachinstruktion vom 27.07.1850 aber auch noch Freiheitsentziehungen vorgesehen, deren Durchführung über den Bereich der Verteidigung rein militärischer Schutzgüter hinausging und daher zwangsläufig in fremde Wirkungskreise eingriff. So enthielt insbesondere § 8 der Wachinstruktion eine Regelung, die jeglichen Bezug zur Abwehr von den Streitkräften drohenden Rechtsgutverletzungen vermissen ließ: „Wird von der Polizei-Behörde oder anderen Beamten, welchen nach den bestehenden Gesetzen die Pflicht obliegt, Verbrechen und Vergehen nachzuforschen, insonderheit von den zur Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit bestellten Polizei-Beamten, Gensd' armen, Schutzmännern, Nachtwächtern u.s.w. vermöge ihres Amtes auf vorläufige Ergreifung und Festnahme einer Person angetragen, so erfolgt dieselbe [...] ohne weitere Prüfung auf die Gefahr des Requirenten." Sofern nun eine militärische Wache diese Vorschrift befolgte, verließ sie den eigenen Wirkungskreis der Streitkräfte und wurde ganz eindeutig im allgemeinpolizeilichen Interesse tätig. Das wirft jedoch die Frage auf, ob und ggf. wieweit ein solches polizeiliches Einschreiten von Soldaten rechtlich überhaupt zulässig war. Schon der in Art. 5 pr. Verf. 1850 enthaltene Gesetzesvorbehalt hatte nämlich zur Folge, daß die Wachinstruktion als ausschließlich innenrechtliches Regelwerk alleine keinesfalls geeignet war, Eingriffe in die bürgerlichen Freiheitsrechte zu rechtfertigen. 110 Die sonach bereits aufgrund des Art. 5 pr. 110 Darauf, daß dies auch schon in der Frühzeit des Verfassungsstaates der herrschenden Meinung in der Rechtslehre entsprach, ist an anderer Stelle bereits hingewiesen worden [s.o. unter III. 2. d) ]. Einen wenn auch auf den Bereich des Schußwaffengebrauchs beschränkten abweichenden Standpunkt vertrat jedoch etwa DietzGrützmacher, Stichwort „Waffengebrauch", S. 862 f., der gerade in den militärischen Dienstvorschriften die Rechtsgrundlage für ein Einschreiten des Militärs außerhalb seines eigenen Wirkungskreises erblickte. Zur Begründung führte er an, es handele sich

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Verf. 1850 erforderliche Suche nach einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage führt nun zu dem Ergebnis, daß insoweit allein das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 12.02.1850 in Betracht kam, da dies das einzige Regelwerk darstellte, das in Gestalt der militärischen Wachen zumindest einem begrenzten Personenkreis von Armeeangehörigen das Recht zur Festnahme von Zivilpersonen außerhalb des streitkräfteeigenen Wirkungskreises verlieh. Gleichwohl enthielt auch das Gesetz vom 12.02.1850 keine mit § 8 der Wachinstruktion inhaltlich völlig übereinstimmende Regelung. Vielmehr ermächtigte es die militärischen Wachen ausschließlich in den durch §§ 2 Nr. 1; 3 I geregelten Fällen zu einer vorläufigen Festnahme aus strafprozessualen Gründen, so daß - wie oben unter aa) näher ausgeführt - nur solche Personen festgenommen werden durften, die „bei Ausführung einer strafbaren Handlung oder gleich nach derselben betroffen oder verfolgt" wurden. Damit steht zunächst einmal fest, daß eine in Ausführung des § 8 der Wachinstruktion bewirkte Festnahme nur dann die notwendige materiellrechtliche Absicherung aufwies, wenn sie sich auf den in §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit normierten Rechtfertigungsgrund stützen ließ. Von dessen verschiedenen Tatbestandsvarianten war jedoch von vorneherein überhaupt nur der Fall der Verfolgung eines Straftäters gleich nach der Ausführung der strafbaren Handlung einschlägig, da ja durch § 8 der Wachinstruktion - wie dessen oben wörtlich wiedergegebenem Wortlaut eindeutig zu entnehmen ist - nur solche Sachverhalte geregelt wurden, in denen die um Unterstützung gebetene militärische Wache eine Person vorläufig festnehmen sollte, über deren strafbares Verhalten sie nicht aus eigener Wahrnehmung, sondern lediglich aufgrund der Informationen der um Hilfeleistung bittenden Polizeibeamten unterrichtet war. Nicht erfaßt wurde hingegen die Konstellation, daß die militärische Wache selbst eine Zivilperson während der Ausführung einer Straftat oder gleich danach beobachtet hatte. Es ist demnach zu fragen, ob durch die genannte Tatbestandsalternative der §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes vom 12.02.1850 auch diejenigen Fallgruppen gerechtfertigt werden konnten, in denen der Festnehmende den Straftäter zuvor zwar verfolgt, die strafbare Handlung jedoch nicht selbst beobachtet hatte. Überträgt man insoweit aufgrund des weitgehend identischen Regelungsgehaltes die zu § 127 I StPO entwickelten Grundsätze, so ist diese Frage im Ergebnis zu bejahen. Ausschlaggebend ist danach nämlich allein das Bestehen um eine Forderung der staatlichen Selbsterhaltung, daß dem Gemeinwesen die Möglichkeit eröffnet werde, die Vorschriften über den administrativen Schußwaffengebrauch im Wege der Verwaltungsverordnung zu erlassen, da nur diese - anders als die „langsam und mit Pausen arbeitende Gesetzesmaschine" - schnell geändert und „den jeweiligen Gefahrverhältnissen angepaßt werden" könnten. Gleichwohl war sich auch Grützmacher der Anfechtbarkeit seiner Rechtsansicht bewußt und wies daher auch auf die Gegenmeinung hin. Angesichts der klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben kann die Auffassung Grützmachers im Ergebnis indessen ohne weiteres als unhaltbar bezeichnet werden (so zu Recht auch Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 17; Zimmermann, Der Gerichtssaal 34 (1883), S. 302 f.).

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eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Entdeckung einer Straftat und dem Beginn der Erstverfolgung des Täters. Nicht erforderlich ist hingegen, daß der Verfolgende mit derjenigen Person identisch ist, die die strafbare Handlung entdeckt hat. 1 1 1 Ebensowenig wie § 127 I StPO setzten §§2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit darüber hinaus voraus, daß sich die Verfolgung eines Straftäters augenblicklich anschloß an die Wahrnehmung der Straftat; vielmehr war es mit dem vom Gesetz geforderten unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Entdeckung und Verfolgung eines Straftäters durchaus vereinbar, daß sich der Verfolgende zunächst Hilfskräfte oder Hilfsmittel beschaffte. 112 Da somit die Tätigkeit des Verfolgenden letztlich auch auf der Entdeckung einer Straftat durch einen anderen beruhen konnte, war es für die Rechtmäßigkeit einer auf die §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes vom 12.02.1850 gestützten Festnahme vollständig ausreichend, wenn der Festnehmende vom Entdecker der Straftat oder sogar von einem weiteren Zwischenmann mit der Einleitung seiner Verfolgungsmaßnahmen beauftragt worden war. 1 1 3 Immer mußte allerdings - wie bereits erwähnt - die Voraussetzung gegeben sein, daß die Straftat, wegen deren Begehung eine Person festgenommen werden sollte, unmittelbar nach ihrer Ausführung entdeckt worden war. Nur dann, wenn ein solcher zeitlicher Zusammenhang vorlag, konnten also die militärischen Wachen und damit auch die Feldgendarmen die Vorschrift des § 8 der Wachinstruktion befolgen, ohne dabei rechtswidrig zu handeln. Wurden sie demgegenüber um die Festnahme von Personen ersucht, die erst geraume Zeit nach Beendigung einer Straftat als daran beteiligte Täter oder Teilnehmer ausgemacht worden waren, so konnten sie diesem Ansinnen keinesfalls rechtmäßig nachkommen, obwohl auch diese Fallkonstellation vom Wortlaut des § 8 der Wachinstruktion ohne weiteres erfaßt wurde. 114 111

Karlsruher Kommentar-Boujong, § 127 StPO Rn. 13; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 127 StPO Rn. 6; Löwe/Rosenberg-Hilger, § 127 StPO Rn. 16. 112 Vgl. Karlsruher Kommentai-Boujong, § 127 StPO Rn. 12; Löwe/Rosenberg-Hilger, § 127 StPO Rn. 15. 113 Vgl. RGSt 60, 67, 69. 114 Ebenso wie bei § 8 ging auch bei § 9 I der Wachinstruktion der Wortlaut über den materiellrechtlich tatsächlich abgedeckten Anwendungsbereich der Vorschrift hinaus, da es darin wörtlich hieß: „Privatpersonen, welche Jemand bei Ausführung einer strafbaren Handlung oder gleich nach derselben betreffen oder verfolgen, sind befugt, die Wachen um deren Unterstützung behufs der Ergreifung zu ersuchen, wenn der Thäter flieht oder der Flucht dringend verdächtig ist, oder Grund zu der Besorgniß vorliegt, daß die Identität der Person sonst nicht festzustellen sein werde." Obwohl demnach das Kriegsministerium in § 9 I der Instruktion vom 27.07.1850 unter der Überschrift „vorläufige Ergreifung einer Person auf Ansuchen von Privatpersonen" ein scheinbar selbständiges Festnahmerecht der militärischen Wachen geregelt hatte, war die von dieser Norm erfaßte Fallkonstellation vor dem Hintergrund des Art. 5 pr. Verf. 1850 auch wiederum nur durch die §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit zu rechtfertigen. Die vorläufige Festnahme einer Zivilperson durch eine militärische Wache, die überhaupt erst von einem anderen Zivilisten über das Vorliegen einer Straftat informiert worden war, unterlag somit entgegen dem weiterge-

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Indessen darf nicht übersehen werden, daß die Inanspruchnahme der militärischen Wachen durch die Polizei zum Zwecke der vorläufigen Festnahme eines flüchtigen Straftäters selbst unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Einschränkungen des § 8 der Wachinstruktion keineswegs so selbstverständlich war, wie der Wortlaut dieser Vorschrift es auf den ersten Blick vermuten läßt. Die Übertragung strafprozessualer Festnahmebefugnisse auf militärische Wachen und sogar Zivilpersonen hatte nämlich nur den Zweck, Maßnahmen der Strafverfolgung im öffentlichen Interesse auch dann zu ermöglichen, wenn die an sich dazu berufene öffentliche Gewalt im Einzelfall vor Ort nicht vertreten war. 1 1 5 Schritt also die öffentliche Gewalt selbst ein, so war die Regelung der §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit folgerichtig dahingehend teleologisch zu reduzieren, daß dann die Festnahmeberechtigung einer militärischen Wache oder einer Privatperson grundsätzlich endete. 116 Überdies konnten sich aber umgekehrt die Polizeibeamten und die übrigen in § 8 der Wachinstruktion aufgezählten Personengruppen auch nicht selbständig und ohne entsprechende Ermächtigungsgrundlage ihrer Verpflichtung zur Strafverfolgung durch Delegation entziehen, da sie insoweit - anders als die um Hilfeleistung gebetenen militärischen Wachen - aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung zuständig waren. Eine unmittelbare Anwendung der strafprozessual ausgerichteten Normen des Gesetzes vom 12.02.1850 auf die von

henden Wortsinn des § 9 I der Wachinstruküon den gleichen Einschränkungen, die nach den Ausführungen im Text bei § 8 der Instruktion zu beachten waren. 115 Vgl. Wolzendorff, VerwA 15 (1907), S. 562: „Der diese Befugnis Ausübende bringt damit nicht ein individuelles Recht, sondern ein Recht des Staates zur Geltung. Für diesen handelt er; [...]." In einer späteren Veröffentlichung bezeichnete Wolzendorff die strafprozessualen Festnahmerechte des Militärs und der Zivilbevölkerung mit Blick auf ihre Entstehung aus der altgermanischen Pflicht der Gerichtsfolge treffend als Surrogate, da sie ursprünglich das Fehlen einer allgemeinen und sicher funktionierenden Organisation der Polizeiexekutive kompensieren sollten (VerwA 22 (1914), S. 538). Vgl. im übrigen auch RGSt. 17, 127, 128 zu den insoweit identischen gesetzgeberischen Motiven, die der Vorschrift des § 127 I RStPO zugrunde lagen. 116 So auch schon Dietz-von Gronow, Stichwort „Festnahme", S. 307; ebenso die allgemeine Auffassung zur Rechtslage gemäß § 127 I StPO, vgl. Karlsruher Kommentar-Boujong, § 127 StPO Rn. 21; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 127 I StPO Rn. 7; Löwe/Rosenberg-Hilger, § 127 StPO Rn. 27. Auch die Wachinstruktion vom 27.07. 1850 erkannte im übrigen entgegen der in den §§ 8, 9 I an sich zum Ausdruck kommenden Tendenz eine Vorrangstellung der Polizeibehörden in bezug auf die Strafverfolgung und die dieser dienenden strafprozessualen Festnahmerechte an. So machte es etwa § 9 II der Wachinstruktion den militärischen Wachen zur Pflicht, dem Ersuchen einer Privatperson um die vorläufige Festnahme eines Straftäters nur dann zu entsprechen, wenn „entweder augenscheinliche Gefahr im Verzuge obwaltet" oder „der Ansuchende nach den Umständen außer Stande ist, die Hilfe der Polizei zeitig genug in Anspruch zu nehmen, oder wenn er versichert, daß keine polizeiliche Hilfe zur Hand sei." In den Fällen, in denen die militärische Wache eine strafbare Handlung nicht selbst entdeckt hatte, sondern durch Privatpersonen darauf aufmerksam gemacht wurde, gestand ihr sonach selbst die Wachinstniktion lediglich ein subsidiäres Festnahmerecht zu.

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§ 8 der Wachinstruktion geregelten Fallkonstellationen schied demnach aus. Das bedeutete jedoch nicht zwangsläufig, daß die Möglichkeit, militärische Wachen zur Unterstützung von Strafverfolgungsmaßnamen heranzuziehen, von vorneherein schlechthin ausgeschlossen war. Denkbar war nämlich eine gleichsam „mittelbare" Anwendung der §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit im Wege der Amtshilfe, denn schon das preußische Oberverwaltungsgericht hatte den staatlichen Behörden die Befugnis zugesprochen, „andere Behörden um Hilfeleistung bei amtlichen Angelegenheiten zu ersuchen (zu requirieren)", und dieses Verfahren als ein „allgemeines Recht" bezeichnet, „welches zweifellos auch für die Behörden der Polizei Anwendung findet". 117 Zwar hatte die Rechtsfigur der Amtshilfe weder nach preußischem noch in späterer Zeit nach Reichsrecht eine grundsätzlich verbindliche gesetzliche Normierung erfahren, doch war sie andererseits in verschiedenen Sonderbestimmungen spezialgesetzlich geregelt worden 118 und wurde darüber hinaus gewohnheitsrechtlich als Ausfluß eines notwendigen staatsrechtlichen Grundsatzes allgemein anerkannt. 119 Zum Bindeglied für eine „mittelbare" Anwendung des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit wurde die Amtshilfe nun deshalb, weil sie schon nach der damaligen Rechtsdogmatik keineswegs zu einer Kompetenzerweiterung bei der um Unterstützung ersuchten staatlichen Institution führen konnte; der Umstand, daß eine Handlung als Amtshilfe erbeten wurde, hatte mithin weder eine Zuständigkeitserweiterung noch eine Ausdehnung bestehender Befugnisse zur Folge. 120 Konsequenterweise durfte daher aber auch eine militärische Wache, die - wie von § 8 der Wachinstruktion vorgesehen im Zusammenhang mit einer vorläufigen Festnahme von einer Strafverfolgungsbehörde um Amtshilfe ersucht wurde, diesem Gesuch nur dann nachkommen, wenn und soweit ihr ein entsprechendes Festnahmerecht zustand. Dieses konnte sich aber wiederum von vorneherein nur aus den §§2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit ergeben. Selbst wenn es also die öffentliche Gewalt dem Wortlaut des § 8 der Wachinstruktion vertrauend mitunter vorgezogen hätte, zur unbeschränkten Requisition des Militärs berechtigt zu sein, um sich etwa dessen überlegene Bewaffnung zunutze machen zu können, so war diese Möglichkeit tatsächlich doch auf die vom Tatbestand der

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Pr. OVGE 20, 445, 448 m.w.N. Vgl. beispielsweise § 38, 2 HS. 1 der zur Zeit der Gründung der Feldgendarmerie noch gültigen „Verordnung über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes, sowie über die anderweitige Organisation der Gerichte" vom 02.01.1849 (pr. GS 1849, S. 1); eine wohl vollständige Aufzählung aller gesetzlichen Sonderbestimmungen über die Amtshilfe findet sich bei WStVR-Friedrichs, Stichwort,Amtshilfe", S. 118 ff. 119 WStVR-Friedrichs, a.a.O. (s.o. Fn. 118), S. 119. 120 Delius, AöR 11 (1896), S. 91; WStVR-Friedrichs, a.a.O. (s.o. Fn. 118), S. 118. Siehe zur heutigen Rechtslage etwa Kopp!Ramsauer, § 7 VwVfG Rn. 6. - Otto Mayer I 1895, S. 3, § 7 VwVfG Rn. 6. 118

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§§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes vom 12.02.1850 umfaßten Fallkonstellationen begrenzt. Darüber hinausgehende Festnahmen waren demzufolge auch dann, wenn sie an sich von den Bestimmungen des § 8 der Wachinstruktion erfaßt wurden, wegen eines Verstoßes gegen verfassungsrechtliche Vorgaben rechtswidrig. Allen Versuchen, diese Schlußfolgerung zu vermeiden oder auch nur zu umgehen, muß daher eine klare Absage erteilt werden. Das gilt insbesondere auch für die in der damaligen Literatur bisweilen zu findende Konstruktion eines „abgeleiteten militärischen Polizeizwanges". Diese Theorie hielt das Militär für berufen, andere Verwaltungszweige bei der Ausübung der diesen übertragenen polizeilichen Tätigkeiten nötigenfalls auch im Wege der Gewaltanwendung gegenüber der Zivilbevölkerung zu unterstützen. Im Gegensatz zur Situation bei der Amtshilfe sollten sich jedoch Gegenstand und Umfang der dafür erforderlichen materiell-rechtlichen Eingriffsermächtigung allein nach dem für die jeweils unterstützte Behörde geltenden Recht richten; als Rechtsgrund etwaiger Zwangsmaßnahmen wurde also nicht etwa eine eigene, sondern vielmehr nur eine von fremder Gewaltausübungsberechtigung abgeleitete Befugnis des Militärs angesehen. 121 Auf diese Weise konnte nun zwar einerseits erreicht werden, daß etwa für die Festnahme einer Zivilperson durch eine militärische Wache oder einen Feldgendarmen eine dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 pr. Verf. 1850 genügende Rechtsgrundlage zur Verfügung stand. Andererseits fehlte es aber an einer Beantwortung der weitergehenden Frage, mit welcher rechtlichen Begründung die Befugnis zur Gewaltausübung überhaupt aus fremdem Recht abgeleitet werden durfte. Insoweit wurde jedoch bemerkenswerterweise eine Rechtsgrundlage auch gar nicht für erforderlich gehalten, da man davon ausging, daß das Militär ganz selbstverständlich auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung allein aufgrund entsprechender Anordnungen in den Dienstvorschriften dazu berechtigt war, anderen Teilen der Staatsverwaltung polizeiliche Hilfe zu leisten. 122 Diese Auffassung stand indessen in krassem Widerspruch zur Regelung des Art. 36, 1 pr. Verf. 1850, denn danach war die Verwendung des Militärs „zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen und Formen und auf Requisition der Zivilbehörde" zulässig. 123 Außerhalb ihres eigenen Wirkungskreises 124 durfte die Armee mithin nur eingesetzt werden, wenn dies gesetzlich zulässig 121 Otto Mayer I 1895, S. 375 f.; vgl. auch Foerstemann, S. 113: „Soweit sich der militärische Wachdienst nicht auf das unmittelbare Militärinteresse bezieht, wird dadurch der Ortspolizei ein Dienst abgenommen, den diese eigentlich selbst verrichten müßte, welcher ihr also naturgemäß wieder anheimfällt, wenn die militärische Kraft dafür versagt." Siehe zum Ganzen auch Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 16. 122 So ausdrücklich noch Otto Mayer I 1895, S. 376; vgl. jedoch die 3. Auflage seines Werkes aus dem Jahre 1924, S. 311: „Es [das Militär] kann daneben auch zu selbständiger Mitwirkung bei der allgemeinen Sicherheitspolizei ermächtigt sein durch besonderes Gesetz [sie!]."

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Hinsichtlich des Requisitionsprinzips behielt Art. 36, 2 pr. Verf. 1850 dem Gesetzgeber die Bestimmung von Ausnahmen vor. Tatsächlich ist jedoch ein entsprechendes Gesetz nach Inkrafttreten der Verfassungsurkunde nicht mehr erlassen worden (Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 568; Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 15; Otto Mayer I, S. 313 Fn. 32). Außerhalb des hier vorwiegend interessierenden strafprozessualen Zusammenhangs ist zwar von einigen Autoren erwogen worden, den § 6 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit als eine Ausnahme vom Requisitionsprinzip einzustufen (Jellinek, Zabern, S. 20; Wolzendorff, VerwA 22 (1914), S. 530), doch dürfte diese Ansicht aus den von Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 14 überzeugend dargelegten Gründen im Ergebnis abzulehnen gewesen sein. Aber auch das strafprozessuale Festnahmerecht der §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes vom 12.02.1850 stellte keineswegs einen Sonderfall im Sinne des Art. 36, 2 pr. Verf. 1850 dar, denn wie dem § 3 II des gleichen Gesetzes gänzlich unzweideutig zu entnehmen ist, handelte es sich dabei wie auch bei der Nachfolgeregelung des § 127 I StPO um ein Jedermannrecht, dessen Ausübung durch eine militärische Wache naturgemäß schon deshalb nicht als ein Einsatz der Armee „zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze" bezeichnet werden konnte, weil jede Privatperson insoweit die gleichen Befugnisse innehatte. Soweit schließlich Art. 111 I pr. Verf. 1850 und das zu dessen Ausführung auf der Grundlage des Art. 111 II pr. Verf. 1850 erlassene „Gesetz über den Belagerungszustand" vom 04.06.1851 [pr. GS 1851, S. 451; näher dazu unten ee)] „für den Fall eines Krieges oder Aufruhrs [...] bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit" übereinstimmend die „zeit- und distriktweise" Außerkraftsetzung des Art. 36 pr. Verf. 1850 zuließen, handelte es sich auch dabei keineswegs - wie etwa Arndt, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 168; Laband, DJZ 1914, Sp. 188; von Rönne I, S. 449, und Schwartz, S. 116, irrtümlich meinen - um eine Ausnahme von der Regel, daß das Militär in außermilitärischen Angelegenheiten nur auf Ersuchen der zuständigen Zivilbehörden einschreiten durfte, sondern vielmehr um deren - wenn auch vorübergehende - völlige Aufhebung (zutreffend Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 569). Steht somit fest, daß der Gesetzgeber von der ihm in Art. 36, 2 pr. Verf. 1850 eingeräumten Möglichkeit nach der Einführung der Verfassung des Jahres 1850 keinen Gebrauch gemacht hat, so stellt sich beinahe zwangsläufig noch die weitergehende Frage, ob eine Ausnahme vom Requisitionsprinzip auch einem vorkonstitutionellen Gesetz entnommen werden konnte oder nicht. Da Art. 36, 2 pr. Verf. 1850 wörtlich davon spricht, daß das Gesetz die Ausnahmen zu bestimmen hat, erscheint es allerdings nicht von vorneherein abwegig, in dieser Bestimmung lediglich einen Regelungsauftrag an den zukünftigen Gesetzgeber zu erblicken (in diesem Sinne etwa Jessl Mann 2, Anhang H, Rn. 13; Wolzendorff, VerwA 22 (1914), S. 523 f.). Gleichwohl läßt sich auch eine das vorkonstitutionelle Gesetz mit einbeziehende Auslegung des Art. 36, 2 pr. Verf. 1850 mit dessen möglichen Wortsinn ohne weiteres vereinbaren. Zudem hat Jellinek, Zabern, S. 6 bis 8, ausführlich dargelegt, daß es keineswegs in der Absicht des Verfassungsgebers gelegen hatte, das vorkonstitutionelle Gesetz aus dem Anwendungsbereich des Art. 36, 2 pr. Verf. 1850 auszuklammern. Dies ließe sich überdies auch nur schwerlich mit dem Inhalt des Art. 109 pr. Verf. 1850 in Einklang bringen, denn dieser ordnete ganz bewußt die Fortgeltung aller „Bestimmungen der bestehenden Gesetzbücher, Gesetze und Verordnungen" an, soweit diese „der gegenwärtigen Verfassung nicht zuwiderlaufen" oder „durch Gesetz abgeändert werden" (so auch Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 566). Aus diesen Gründen dürfte mit der wohl herrschenden Meinung davon auszugehen sein, daß auch vorkonstitutionelle Gesetze zur Begründung der Ausnahmen vom Requisitionsprinzip herangezogen werden durften (so ausdrücklich Jellinek, Zabern, S. 8; Romen/Rissom, S. 17 f.). Insoweit kam jedoch lediglich die A. K. O. „betreffend die Mitwirkung der Militär-Behörden zur Herstellung der Ordnung, wenn die öffentliche Ruhe durch Excesse gestört wird" vom

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17.10.1820 (pr. MilGS I, S. 161) in Betracht, deren Charakter als Ausnahmeregelung im Sinne des Art. 36,2 pr. Verf. 1850 insbesondere nach den Ereignissen in der elsässischen Stadt Zabern im Jahre 1914 äußerst kontrovers diskutiert wurde. In Zabern hatte ein junger preußischer Offizier durch seine schlechte Behandlung elsässischer Rekruten zahlreiche Demonstrationen der Bevölkerung ausgelöst, die nach Ansicht des örtlichen Militärbefehlshabers von der Zivilverwaltung nicht konsequent genug bekämpft worden waren. Aus diesem Grunde ließ er seine Truppen mit schußfertigen Gewehren so viele Bürger wie möglich festnehmen und in einen großen Keller der Kaserne einsperren, ohne von den zuständigen Behörden darum ersucht worden zu sein. Diese Vorgehensweise ließ sich aber nun rechtlich nur unter Berufung auf die A. K. O. vom 17.10.1820 rechtfertigen, da darin tatsächlich ein polizeiliches Einschreiten der Armee ohne vorherige Requisition vorgesehen war: „Es bleibt jedoch in der Regel die Pflicht der Civil-Behörde, mit Hilfe der Gensd'armerie solche Unordnungen in ihrem Entstehen zu unterdrücken, und die Ruhe zu erhalten, und so lange steht auch ihr allein die Anordnung und Leitung der Maßregeln zu. Sie ist aber dafür verantwortlich, sich nicht länger darauf zu beschränken, als sie mit Wahrscheinlichkeit hoffen kann, den Zweck durch die ihr zu Gebote stehenden Kräfte zu erreichen. Sobald Gefahr drohet, daß diese nicht zureichen, ist sie verpflichtet, die Einwirkung des Militärs aufzurufen; [...]. Findet indeß der Militär-Befehlshaber [...], daß die CivilBehörde mit der Requisition um Militär-Beistand zu lange zögere, indem ihre Kräfte nicht mehr zureichen die Ruhe herzustellen, so ist er befugt und verpflichtet, auch ohne Requisition der Civil-Behörde einzugreifen [...]." Nach dieser Regelung hätte nun also das Vorgehen des Militärs in Zabern möglicherweise als zulässig bezeichnet werden können. Dennoch war insoweit bereits höchst fraglich, ob die A. K. O. vom 17.10.1820 nach Inkrafttreten der preußischen Verfassung überhaupt noch als Gesetz zu betrachten war. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum vorkonstitutionellen Recht konnte davon nämlich - wie weiter oben unter A. IE. 2. d) bereits ausgeführt - aus rein formalen Gründen von vorneherein nur dann ausgegangen werden, wenn sie öffentlich verkündet worden war (vgl. nur Jellinek, Zabern, S. 10). Das war jedoch nach allgemeiner Ansicht nicht der Fall, da sich in der preußischen Militärgesetzsammlung der Hinweis findet, die A. K. O. vom 17.10.1820 sei lediglich den „Militär-Behörden durch das Kriegs-Ministerium unterm 29.10.1820" bekanntgemacht worden. Konsequenterweise hätte daher an sich schon aus diesem Grunde der A. K. O. vom 17.10.1820 nach Inkrafttreten der Verfassung keine Gesetzeskraft mehr beigemessen werden dürfen (so mit Recht Otto Mayer I, S. 313 Fn. 32; Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 9). Gleichwohl gab es in der zeitgenössischen Literatur eine Vielzahl von Stimmen, die von einer Fortgeltung der A. K. O. im Rang eines Gesetzes ausgingen und dabei teilweise sogar auf jegliche Begründung verzichteten. So begnügte sich etwa Laband insoweit mit der lapidaren Feststellung, er könne nicht finden, daß „diese Kabinettsordre etwas enthielt, was einem Gesetz zuwider ist, und ebensowenig, daß es ihr an Klarheit gebricht" (Laband, DJZ 1914, Sp. 190; ebenso: Foerstemann, S. 112; Romen/Rissom, S. 17 f.). Demgegenüber ging Jellinek davon aus, daß die A. K. O. vom 17.10.1820 zwar für sich allein betrachtet kein Gesetz im konstitutionellen Sinne war, jedoch durch ein komplexes System dynamischer Verweisungen und wechselseitiger Bezugnahmen zwischen insgesamt vier verschiedenen Regelwerken mit abgeleiteter Gesetzeskraft ausgestattet worden war. (Jellinek, Zabern, S. 12 ff.; insoweit zustimmend auch Wolzendorff, VerwA 22 (1914), S. 520). Die Frage, inwieweit diese Konstruktion dogmatisch haltbar ist (vgl. zu den aus rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen heutzutage zu erhebenden verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Gesetzestechnik der dynamischen Verweisung: BVerfGE 47, 285, 311 ff.) oder nach damaligem Erkenntnisstand der Rechtslehre vertretbar war, kann jedoch an dieser Stelle unentschieden bleiben. Unabhängig davon, ob die A. K. O. vom 17.10.1820 tatsäch-

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lieh als Gesetz qualifiziert werden konnte oder nicht, hatte sie nämlich spätestens mit Inkrafttreten der Verfassungsurkunde des Jahres 1850, nach Wolzendorff, VerwA 22 (1914), S. 523 und 527, sogar schon mit Einführung der oktroyierten Verfassung vom 05.12.1848 (pr. GS 1848, S. 375), ihre Gültigkeit verloren, da gemäß Art. 109 pr. Verf. 1850, dem Art. 108 der oktroyierten Verfassung wörtlich entsprach, nur diejenigen vorkonstitutionellen Regelwerke fortgalten, die mit dem Inhalt der Verfassung in Einklang standen. Das war indessen bei der A. K. O. vom 17.10.1820 gerade nicht der Fall, da sie den Bestimmungen des Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 bzw. des Art. 34 der oktroyierten Verfassung widersprach. Nach einhelliger Ansicht regelte die Order nämlich keineswegs die Voraussetzungen eines polizeilichen Eingreifens der Armee, sondern setzte vielmehr das Recht des Militärs, auch ohne Requisition durch eine Zivilbehörde selbständig aus polizeilichen Gründen gegen die Zivilbevölkerung einzuschreiten, als selbstverständlich bestehend voraus (Eichner, BayGemZ 37 (1927), Sp. 63; Jellinek, Zabem, S. 12 f.; Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 9 f. und 15; Laband, DJZ 1914, Sp. 188 f.; Liepmann, S. 18; Otto Mayer I, S. 309; vgl. auch Romen/Rissom, S. 25). Sie basierte daher noch immer auf dem Prinzip des „soldatischen Mitregiments in allen Polizeisachen" (dazu ausführlich Anschütz, VerwA 1 (1893), S. 413 ff.), das im absolutistischen Staat als selbstverständlich angesehen worden war, da Polizeigewalt und militärischer Oberbefehl ohnehin in der Person des Landesherrn vereinigt waren und die Armee schon aufgrund ihrer Bewaffnung besonders gut geeignet war, die Funktionen der seinerzeit noch fehlenden wohlorganisierten polizeilichen Exekutivgewalt wahrzunehmen (Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 3 und 7). Wenn also die A. K. O. vom 17.10.1820 den Grundsatz aufstellte, daß die Erfüllung polizeilicher Aufgaben in erster Linie Angelegenheit der Zivilbehörden war und das Militär nur dann aus eigenem Recht heraus einschreiten durfte, wenn die an sich zuständigen Stellen bereits außerstande waren, die Ordnung im Staat wiederherzustellen, so war dies zwar zweifellos ein Zeichen für den beginnenden Auffassungswechsel, wonach die bewaffnete Macht nicht außerhalb der allgemeinen Rechtsordnung stand und mithin keine dem Herrscher persönlich zugeordnete Einrichtung mehr war (Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 9); keinesfalls sollte dadurch jedoch das originäre Recht des Militärs, polizeiliche Aufgaben aus eigener Entschließung wahrzunehmen, gänzlich aufgehoben werden. Die einzige Funktion, die die A. K. O. vom 17.10.1820 zu erfüllen hatte, bestand demzufolge in der Beschränkung der „Verwendung des Militärs zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung" (so wörtlich pr. OVGE 31, 438, 448 zu den dem „Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs" vom 20.03.1837, pr. GS 1837, S. 60, zugrunde liegenden Motiven des Gesetzgebers). Aus diesem Grunde wurde in der A. K. O. der Zeitpunkt, in welchem das Militär erstmals auch ohne Requisition einschreiten durfte, verbindlich festgelegt: „Darüber und nur über diese Frage enthält die KabO von 1820 Vorschriften" (Laband, DJZ 1914, Sp. 189). Das hatte jedoch zwangsläufig zur Folge, daß die Wirksamkeit der A. K. O. vom 17.10.1820 untrennbar mit dem Fortbestand des militärischen Eingriffsrechts aus polizeilichen Gründen verknüpft war, denn nur wenn das Militär tatsächlich die selbständige Aufgabe hatte, die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten, ergaben auch Bestimmungen über die Beschränkung entsprechender Tätigkeiten einen Sinn. Obgleich nun aber spätestens aufgrund des Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 die bewaffnete Macht nur noch nach dem Requisitionsprinzip zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze eingesetzt werden durfte, hielten zahlreiche Autoren das Militär selbst nach Inkrafttreten der Verfassungsurkunde noch immer unverändert für befugt, polizeiliche Aufgaben auch unabhängig von einem entsprechenden Ersuchen eigenständig wahrzunehmen (so etwa: Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch", S. 863 f.; Foerstemann, S. 112 f.; Laband, DJZ 1914, Sp. 189; Romen/Rissom, § 149 MStGB, Anm. 3b), S. 798. Eichner, BayGemZ 37 (1927), Sp. 63, vertrat diese Auffassung sogar noch in

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war und zugleich ein entsprechendes Hilfsersuchen der Zivilbehörden vorlag. Da somit beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen mussten, 125 hatten die Zivilbehörden im Ergebnis lediglich in den ausdrücklich vom Gesetz vorgesehenen Konstellationen die Befugnis, die bewaffnete Macht zu requirieren. 126 Aus der Zeit der Weimarer Republik! Vgl. auch Delius, AöR 11 (1896), S. 134: „Aufgabe des Militärs ist nicht nur die Vertheidigung des Vaterlandes gegen äußere Feinde, sondern auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit"; siehe andererseits aber auch S. 142 f.: „Ein militärisches Einschreiten ohne Antrag der Civilbehörde ist unzulässig."). Laband und Eichner, a.a.O., führten insoweit zur Begründung an, daß die Fortgeltung des militärischen Rechts zum polizeilichen Einschreiten schon deshalb anzunehmen sei, weil die A. K. O. vom 17.10.1820 dies voraussetze. Dabei handelt es sich jedoch um einen klassischen Zirkelschluß, denn - wie oben aufgezeigt - war die Wirksamkeit der A. K. O. vom 17.10.1820 spätestens nach Inkrafttreten der Verfassung des Jahres 1850 gerade umgekehrt durch die fortbestehende Rechtmäßigkeit des selbständigen polizeilichen Einschreitens des Militärs bedingt. Laband und Eichner hätten demzufolge richtigerweise zunächst nach einer Rechtsgrundlage für die militärische Mitwirkung in polizeilichen Angelegenheiten fragen müssen (so mit Recht: Jellinek, Zabern, S. 12; Liepmann, S. 20; Otto Mayer I, S. 309 Fn. 26). Eine solche war indessen nach der Umwandlung Preußens in einen Verfassungsstaat nicht mehr vorhanden, denn Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 hatte ja alle polizeilichen Maßnahmen des Militärs ohne vorherige Requisition durch eine Zivilbehörde untersagt. War somit durch Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 das absolutistische Prinzip des soldatischen Mitregiments in allen Polizeisachen gänzlich beseitigt worden, so verloren zugleich auch alle darauf basierenden vorkonstitutionellen Ermächtigungen zum polizeilichen Einschreiten des Militärs ohne ziviles Ersuchen gemäß Art. 109 pr. Verf. 1850 ihre Gültigkeit, weil sie mit dem Inhalt der Verfassung nicht vereinbart werden konnten (so im Ergebnis auch: Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 564; Jellinek, Zabern, S. 12; Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 13 und 16; Liepmann, S. 20; Wolzendorff, VerwA 22 (1914), S. 523). Das galt mithin zwingend ebenfalls für die A. K. O. vom 17.10.1820, die demzufolge auch nicht etwa mit der Behauptung gerettet werden konnte, sie sei stillschweigend durch § 6 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit aufrechterhalten worden (so aber Jellinek, Zabern, S. 21; gegen Jellinek auch ausführlich Wolzendorff, VerwA 22 (1914), S. 531 ff.). Auch die A. K. O. vom 17.10.1820 stellte somit keine Ausnahme vom Requisitionsprinzip im Sinne des Art. 36, 2 pr. Verf. 1850 dar. 124 Die Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereiches des Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 auf „den Inbegriff derjenigen Angelegenheiten, welche das Militär nichts angehen" wurde vor allem dem Tatbestandsmerkmal „zur Unterdrückung innerer Unruhen" entnommen (Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 565). Demgemäß verstand man auch unter den im Verfassungstext unmittelbar nachfolgend genannten Gesetzen, zu deren Ausführung das Militär verwendet werden sollte, ausschließlich solche, die den eigenen Wirkungskreis der Armee nicht berührten. Anschütz, a. a. O., nennt daher insoweit beispielhaft die Polizei-, Justiz- und Finanzgesetze. Nicht übersehen werden darf indessen, daß diese Eingrenzung des Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 keineswegs auch den Art. 5 pr. Verf. 1850 erfaßte. Selbst wenn das Militär im eigenen Interesse tätig wurde, standen also seine Maßnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung unter dem Vorbehalt des Gesetzes. Im Unterschied zur Verwendung im fremden Wirkungskreis bedurfte es insoweit jedoch naturgemäß nicht der Requisition durch eine Zivilbehörde, um Aktionen des Militärs zu rechtfertigen. 125 Soweit die Benutzung der Konjunktion „oder" bei Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 13 auf ein Verhältnis der Alternativität hindeutet, dürfte es sich dabei angesichts der übrigen Ausführungen dieser Autoren wohl um ein Versehen handeln.

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diesem Grunde waren an die Armee gerichtete Hilfsersuchen der Zivilbehörden letztlich nur in einigen wenigen Ausnahmefällen statthaft, zu denen der durch § 8 der Wachinstruktion geregelte Sachverhalt indessen nicht gehörte. 127 Zwar sah auch § 8 der Wachinstruktion ein polizeiliches Einschreiten der militärischen Wachen nur auf Requisition ziviler Behörden vor, doch fehlte es dieser 126

Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 565; von Rönne I, S. 449; Schwartz, S. 116. Tatsächlich gab es lediglich vier Rechtsgrundlagen, die die Requisition der Armee ausdrücklich gestatteten. So war zunächst einmal in § 48 Nr. 3 der „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Polizei und Finanz-Behörden" vom 26.12.1808 (neu verkündet als Beilage zur Regierungsinstruktion vom 23.10.1817, pr. GS 1817, S. 248) vorgesehen, daß sich die Bezirksregierungen „bei hartnäckigem Ungehorsam oder wirklicher Widersetzlichkeit" nach vorheriger Androhung der Mitwirkung des Militärs bedienen konnten, wenn die ihnen verliehenen administrativen Zwangsmittel zur Durchsetzung ihrer Anordnungen nicht mehr ausreichten. In Ergänzung dieser Bestimmungen wurde den Bezirksregierungen einige Zeit später das Requisitionsrecht durch Abschnitt II lit. A der »Allerhöchst vollzogenen Geschäfts-Anweisung für die Regierungen" vom 31.12.1825 (abgedruckt bei von Kamptz, Annalen 9 (1825), S. 821 ff.) zusätzlich auch noch „zur Handhabung dringender polizeilicher Maaßregeln" verliehen. In beiden Fällen konnten die Regierungspräsidenten jedoch nur bei Gefahr im Verzuge einzelne Truppenteile unmittelbar und selbst requirieren, da das Hilfsersuchen grundsätzlich durch die Oberpräsidenten an die Generalkommandos der jeweiligen Armeekorps gerichtet werden mußte (Anschütz, VerwA 1 (1893), S. 470; Arndt, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 167; Delius, AöR 11 (1896), S. 142; von Rönne I, S. 450). Davon abweichend erlaubte die „Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der dem Gesetze schuldigen Achtung", die sogenannte „Tumultverordnung", vom 17.08.1835 (pr. GS 1835, S. 170) sogar den Ortspolizeibehörden, die Hilfe des Militärs in Anspruch zu nehmen, wenn sie sich bei »Aufläufen und Tumulten" nicht in der Lage sahen, Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung selbst zu unterbinden (Anschütz, VerwA 1 (1893), a.a.O.; Delius, AöR 11 (1896), a.a.O.; von Rönne I, S. 451). Schließlich bestimmte § 678 III 2 ZPO, der durch die aufgrund des § 1 des „Gesetzes, betreffend die Ermächtigung des Reichskanzlers zur Bekanntmachung der Texte verschiedener Reichsgesetze" vom 17.05. 1898 (RGBl. 1898, S. 342) erfolgte Neuverkündung der Zivilprozeßordnung (RGBl. 1898, S. 410) zum § 758 III 2 ZPO geworden war, bis zu seiner Aufhebung durch Art. III des „Kontrollratsgesetzes Nr. 34 bezüglich der Auflösung der Wehrmacht" vom 20.08.1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Nr. 10 vom 31.08.1946, S. 172), daß theoretisch (vgl. zur Praxis in Preußen: Liepmann, S. 13 Fn. 2 und S. 14 Fn. 1) auch der Gerichtsvollzieher durch Vermittlung des Vollstreckungsgerichts militärischen Beistand zu erbitten berechtigt war. In Preußen waren insoweit allerdings zusätzlich die Spezialregelungen des § 150 I 24 der „Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten" (AGO) sowie des auf diese Norm Bezug nehmenden § 179 des Anhangs zur AGO zu beachten, da diese als nur im weitesten Sinne prozeßrechtliche Vorschriften nicht gemäß § 14 I EGZPO mit der Einführung der Zivilprozeßordnung außer Kraft getreten waren. Danach war die Inanspruchnahme militärischer Unterstützung bei der Zwangsvollstreckung lediglich als ultima ratio zulässig, also nur dann, wenn zuvor alle sonstigen „Mittel, den richterlichen Verfügungen die gebührende Parition zu verschaffen, nicht hinreichend" waren. Auch durfte das Vollstreckungsgericht dem Ansinnen des Gerichtsvollziehers selbständig und unmittelbar nur bei Gefahr im Verzuge und nach vorheriger Androhung stattgeben, da es im Regelfall verpflichtet war, zunächst Rücksprache mit den vorgesetzten Landesjustizbehörden zu halten und deren Entscheidung abzuwarten (ausführlicher hierzu: Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 567; von Rönne I, S. 450 f.; Schwartz, S. 116 f.). 127

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Bestimmung - wie gezeigt - in weiten Teilen an der gemäß Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 erforderlichen materiellrechtlichen Absicherung durch ein Gesetz. Daran vermochte nun aber auch die Theorie vom abgeleiteten militärischen Polizeizwang nichts mehr zu ändern, denn diese war schon deshalb als verfassungswidrig abzulehnen, weil sie ebenso wie § 8 der Wachinstruktion entgegen der eindeutigen Wertung des Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 davon ausging, daß eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die Unterstützung ziviler Dienststellen durch die Armee nicht notwendig war. Es ist daher unverändert daran festzuhalten, daß die Regelung des § 8 der Wachinstruktion keinesfalls mit der Verfassung vereinbar war, soweit sie nicht vom Anwendungsbereich der §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit erfaßt und gedeckt wurde. 128 ee) Das „Gesetz über den Belagerungszustand" vom 04.06.1851 Das so formulierte Ergebnis der intensiven Betrachtung des § 8 der Wachinstruktion war indessen naturgemäß nur so lange dogmatisch zwingend und rechtlich unumgänglich, wie seine verfassungsrechtlichen Vorgaben unverändert bestehen blieben. So waren es - wie gesehen - in erster Linie die von den Art. 5 und 36 pr. Verf. 1850 aufgestellten Gesetzesvorbehalte, die immer dann die Rechtswidrigkeit einer auf § 8 der Wachinstruktion gestützten Festnahme zur Folge hatten, wenn diese nicht zugleich auch vom Tatbestand der §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit erfaßt wurde. Demgemäß war es theoretisch durchaus denkbar, daß sogar eine an sich rechtswidrige Freiheitsentziehung ausnahmsweise mit der Rechtsordnung vereinbar war. Voraussetzung dafür war allerdings, daß Art.5 und 36 pr. Verf. 1850 zumindest vorübergehend außer Kraft gesetzt wurden. Eine solche Möglichkeit war nun aber in Art. 111 pr. Verf. 1850 tatsächlich vorgesehen. Danach konnten nämlich die Art. 5, 6, 7, 27, 28, 29, 30 und 36 der Verfassungsurkunde für den Fall eines Krieges oder Aufruhrs bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach näherer Bestimmung durch ein Gesetz zeit- und distriktweise außer Kraft gesetzt werden. Art. 111 pr. Verf. 1850 enthielt also einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, dem dieser dann auch schon unter dem 04.06.1851 nachkam, indem er das „Gesetz über den Belagerungszustand" 129 erließ. Darin waren 128 So für die nach dem Inkrafttreten der preußischen Verfassung des Jahres 1850 erlassenen Dienstvorschriften im allgemeinen auch Jess/Mann 2, Anhang H, Rn. 15; vgl. auch Delius, AöR 11 (1896), S. 143, und Liepmann, S. 20, zur vergleichbaren Situation bei der „Instruktion über den Waffengebrauch des Militairs und über die Mitwirkung desselben zur Unterdrückung innerer Unruhen" vom 01.05.1851 [pr. MilGS V, S. 99; dazu näher unten sub f)]. 129 Pr. GS 1851, S. 451. Als Belagerungszustand wurde von der damaligen Rechtswissenschaft gemeinhin ein von der normalen Rechtslage abweichender Ausnahmezustand bezeichnet, der zur Abwendung einer außergewöhnlichen Gefahrdung der Staats21 Schütz

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grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die genannten Verfassungsbestimmungen in ihrer Gesamtheit oder einzeln zu suspendieren, festgelegt worden. Zum einen wurde das Staatsministerium gemäß § 16 des Gesetzes ermächtigt, die Außerkraftsetzung 130 unter den schon durch Art. 111 pr. Verf. 1850 aufgestellten Voraussetzungen zeit- und distriktweise zu verfügen. 131 Andererseits war es gemäß § 5 des Gesetzes vom 04.06.1851 aber auch zulässig, die von Art. 111 pr. Verf. 1850 vorgesehene zeit- und distriktweise Aufhebung einzelner Verfassungsteile mit der Erklärung über den Belagerungszustand zu verbinden. 132 Damit waren Sicherheit von den zuständigen staatlichen Organen vorübergehend geschaffen werden konnte. Da diese Maßnahme zwar durch eine Belagerung ausgelöst werden konnte, andererseits aber keineswegs notwendigerweise damit verbunden sein mußte, gab der Ausdruck Belagerungszustand" das Wesen der damit bezeichneten Institution nur unvollkommen wieder (Dietz-Giese, Stichwort „Belagerungszustand", S. 111). WStVRFleischmann, Stichwort Belagerungszustand", S. 397, bevorzugte daher zur Vermeidung von Irrtümern trotz ihrer relativen Konturlosigkeit die Bezeichnung »Ausnahmezustand". 130 Im Gegensatz zu Art. 111 pr. Verf. 1850 verzichtete § 16 des Gesetzes über den Belagerungszustand darauf, auch den Art. 7 pr. Verf. 1850 aufzuzählen. Das stellte indessen keineswegs ein Redaktionsversehen dar, sondern entsprang einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers. Da nämlich Art. 7 pr. Verf. 1850 einerseits gewährleistete, daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden durfte, und andererseits Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen ausdrücklich untersagte, war es ohne seine Suspension nicht möglich, die von § 10 I des Gesetzes über den Belagerungszustand vorgesehene Einrichtung von Kriegsgerichten zur Untersuchung und Aburteilung bestimmter staatsgefährdender Delikte durchzuführen. Diese Option sollte nach dem Willen des Gesetzgebers aber ausschließlich dann zur Verfügung stehen, wenn die von § 16 des Gesetzes vom 04.06.1851 nicht vorausgesetzte Erklärung des Belagerungszustandes vorangegangen war (vgl. Dietz-Giese, a.a.O. (s.o. Fn. 129), S. 115). 131 Nach Dietz-Giese, a.a.O. (s.o. Fn. 129), S. 116, handelt es sich dabei um einen sogenannten „kleinen Belagerungszustand". Diese Terminologie ist jedoch zumindest irreführend, da die auf § 16 des Gesetzes vom 04.06.1851 gestützte Suspension von Verfassungsnormen eben gerade nicht die vorherige oder gleichzeitige Erklärung des Belagerungszustandes voraussetzte. Gleichwohl war auch insoweit die Norm des § 17 des Gesetzes über den Belagerungszustand zu beachten. Danach bestand die Verpflichtung, sowohl dem Herrenhaus als auch dem Abgeordnetenhaus über jede erfolgte Suspension auch nur eines einzigen Artikels der Verfassung grundsätzlich sofort, spätestens jedoch anläßlich des nächsten regulären Zusammentretens der jeweiligen Kammer Rechenschaft abzulegen. Nicht erforderlich war hingegen, daß die beiden Kammern die Suspensionsverfiigung des Staatsministeriums ausdrücklich genehmigten. Vielmehr blieb die Außerkraftsetzung der betroffenen Verfassungsnormen auch dann bestehen, wenn die Kammern ihre Zustimmung verweigerten. § 17 des Gesetzes über den Belagerungszustand beinhaltete demnach lediglich eine bloße Formvorschrift, mit deren Nichtbeachtung keine materiellen Folgen verbunden waren (Arndt, Art. 111 pr. Verf. 1850, S. 379; Schwanz, S. 342). 132 In diesem Fall des sogenannten „qualifizierten Belagerungszustandes" (DietzGiese, a.a.O. (s.o. Fn. 129), S. 116) konnte dann auch der Art. 7 pr. Verf. 1850 suspendiert werden. Im Gegensatz zu § 16 des Gesetzes über den Belagerungszustand lag aber in diesem Fall die Bestimmung des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereiches der Aufhebungsanordnung nicht im freien Ermessen der zuständigen Behörde, da § 5 II des Gesetzes vom 04.06.1851 die Wirkung der Außerkraftsetzung an die Dauer des

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nun jedoch erneut zwei unterschiedliche Wege zur vorübergehenden Außerkraftsetzung einzelner Verfassungsbestimmungen vorgezeichnet, denn schon dem Art. 111 pr. Verf. 1850 war zu entnehmen, daß der Belagerungszustand sowohl im Krieg als auch im Falle eines Aufruhrs verhängt werden konnte. Dementsprechend sah dann auch § 1 des Gesetzes vom 04.06.1851 zunächst einmal vor, daß „für den Fall eines Krieges [...] in den, vom Feinde bedrohten oder theilweise schon besetzten Provinzen jeder Festungskommandant befugt [war], die ihm anvertraute Festung mit ihrem Rayonbezirke, der kommandirende General aber den Bezirk des Armeekorps oder einzelne Theile desselben zum Zweck der Vertheidigung in Belagerungszustand zu erklären." Darüber hinaus ermöglichte § 2 I des Gesetzes vom 04.06.1851 die Erklärung des Belagerungszustandes aber auch unabhängig davon, ob der Staat sich im Krieg befand oder nicht. Wie von Art. 111 pr. Verf. 1850 vorgegeben, wurde insoweit lediglich ein Aufruhr vorausgesetzt, der eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit hervorgerufen haben mußte. War dies der Fall, so war es ebenso wie bei § 16 des Gesetzes vom 04.06.1851 grundsätzlich dem Staatsministerium vorbehalten, den Belagerungszustand auszurufen. Hiervon machte indessen zunächst schon § 2 II des Gesetzes vom 04.06.1851 insofern eine Ausnahme, als danach die Belagerungszustandes koppelte und zudem auf den Bezirk beschränkte, in dem der Belagerungszustand erklärt worden war. Hingegen wurde nicht vorausgesetzt, daß die Suspensionsverfügung zeitgleich mit der Erklärung des Belagerungszustandes erfolgen mußte. Da nämlich die Außerkraftsetzung der betreffenden Verfassungsbestimmungen keine notwendige Folge des Eintritts des Belagerungszustandes war, konnte sie ohne weiteres auch erst nachträglich vorgenommen werden. Dann war jedoch gemäß § 5 I des Gesetzes über den Belagerungszustand zu beachten, daß die Suspension in der gleichen Form zu verkünden war wie zuvor die Erklärung des Belagerungszustandes. Diese mußte gemäß § 3, 1 des Gesetzes vom 04.06.1851 bei „Trommelschlag oder Trompetenschall" durchgeführt „und außerdem durch Mittheilung an die Gemeindebehörde, durch Anschlag an öffentlichen Plätzen und durch öffentliche Blätter ohne Verzug zur allgemeinen Kenntnis" gebracht werden. Anders als bei § 17 des Gesetzes über den Belagerungszustand war im Hinblick auf dessen § 3, 1 lebhaft umstritten, inwieweit es sich dabei um eine bloße Formvorschrift handelte. Während etwa Laband IV, S. 45, die Verkündung bei Trommelschlag oder Trompetenschall im gesamten von der Erklärung des Belagerungszustandes betroffenen Gebiet für unerläßlich hielt, es ansonsten aber ausreichen lassen wollte, wenn damit zumindest eine der drei aufgezählten Bekanntmachungsformen verknüpft wurde, bezeichnete Zorn I, S. 199, gerade umgekehrt nur die Publikation der Erklärung des Belagerungszustandes als obligatorisch und behandelte den § 3, 1 des Gesetzes vom 04.06.1851 im übrigen wie eine Sollvorschrift. Demgegenüber vertrat Arndt, Art. 111 pr. Verf. 1850, S. 378, sogar die Auffassung, der Belagerungszustand könne auch ohne jegliche Beachtung der in § 3, 1 des Gesetzes über den Belagerungszustand enthaltenen Regelungen wirksam erklärt werden. Schließlich hielt Schwartz, S. 341, zwar einerseits wie Laband nur die Verkündung bei Trommelschlag oder Trompetenschall für ein Essential, war jedoch auf der anderen Seite der Meinung, es reiche aus, wenn diese Form der Publikation nur dort praktiziert wurde, wo die den Belagerungszustand ausrufende Behörde ihre Sitz hatte. Indessen bedarf der Streit über die bei der Bekanntmachung des Belagerungszustandes zu beachtende Form an dieser Stelle keiner Entscheidung, da es im hier interessierenden Zusammenhang letztlich nur auf die Wirkungen ankommt, die mit dem Instrumentarium des Gesetzes vom 04.06.1851 erzielt werden konnten. 2*

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Erklärung des Belagerungszustandes auch „provisorisch und vorbehaltlich der sofortigen Bestätigung oder Beseitigung durch [das Staatsministerium], in dringenden Fällen, rücksichtlich einzelner Orte und Distrikte, durch den obersten Militairbefehlshaber in denselben, auf den Antrag des Verwaltungschefs des Regierungsbezirks, wenn aber Gefahr im Verzuge ist, auch ohne diesen Antrag erfolgen" konnte. Gemäß § 2 I I I des Gesetzes vom 04.06.1851 waren für die provisorische Erklärung des Belagerungszustandes in Festungen überdies sogar schon deren jeweilige Kommandanten zuständig. Da nun aber die Zuständigkeit für die Erklärung des Belagerungszustandes auch die Kompetenz mit einschloß, gemäß § 5 des Gesetzes vom 04.06.1851 zugleich oder auch nachträglich die in Art. 111 pr. Verf. 1850 vorgegebenen Verfassungsvorschriften zu suspendieren, wenn dies nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich gehalten wurde, 133 steht aufgrund der geschilderten Ausnahmeregelungen fest, daß selbst ein Festungskommandant befugt sein konnte, die den obrigkeitlichen Machtbefugnissen gesetzten verfassungsrechtlichen Grenzen zumindest vorübergehend aufzuheben. 134 Unabhängig davon aber, wer insoweit nach dem Gesetz über den Belagerungszustand im konkreten Einzelfall tatsächlich zuständig war, hatte eine Aufhebungsverfügung stets zur Folge, daß die Staatsgewalt sich unbeschränkt entfalten konnte, da sie nicht mehr durch Individualrechte der Bürger gehemmt wurde. 135 Dementsprechend war auch das Militär nicht mehr daran gehindert, ohne entsprechende Aufforderung einer Zivilbehörde aus polizeilichen Gründen im Landesinnern einzuschreiten. 136 Vor allem aber konnte es für die Dauer einer etwaigen Suspension des Art. 5 pr. Verf. 1850 auch ohne gesetzliche Grundlage Zivilpersonen vorläufig festnehmen oder verhaften, da in diesem Falle der verfassungsmäßige Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in die persönliche Freiheit eines Staatsbürgers letztlich sogar durch das freie Ermessen der jeweiligen militärischen Befehlshaber und der ihnen unterstellten Organe ersetzt werden konnte. 137 War somit selbst eine Arretierung denkbar, die nur auf einer Ermes-

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Das folgte zwingend aus dem Charakter der Suspension als einer Zusatzmaßregel (Dietz-Giese, Stichwort „Belagerungszustand", S. 116; Hänel I, S. 437). 134 In der Praxis ist es in Preußen jedoch nie dazu gekommen, daß ein Festungskommandant tatsächlich den Belagerungszustand verhängt hat. Hingegen gab es zwei Gelegenheiten, bei denen ein örtlicher Militärbefehlshaber gemäß § 2 II des Gesetzes vom 04.06.1851 auf Antrag des Regierungspräsidenten den provisorischen Belagerungszustand ausgerufen hatte, nämlich am 28.06.1871 in Königshütte, Kreis Beuthen in Schlesien, sowie unter dem 28.03.1885 im Stadtkreis Bielefeld und der angrenzenden Amtsgemeinde Gadderbaum-Sandhagen. In beiden Fällen wurde die entsprechende Erklärung der Militärbefehlshaber nach Angaben von Dietz-Giese, a. a. O. (s. o. Fn. 129), S. 112, und WStVR-Fleischmann, Stichwort „Belagerungszustand", S. 400, wie vom Gesetz vorgesehen vom Staatsministerium nachträglich bestätigt. 135 Dietz-Giese, a.a.O. (s.o. Fn. 129), S. 111; WStVR-Fleischmann, a.a.O. (s.o. Fn. 134), S. 397. 136 Zutreffend: Delius, AöR 11 (1896), S. 143. 137 Hänel I, S. 438.

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sensentscheidung beruhte, so mußte es erst recht möglich sein, nicht nur § 8 der Wachinstruktion, sondern schlechthin jede Bestimmung dieser Dienstvorschrift, die unter normalen Umständen wegen eines Verstoßes gegen Art. 5 und 36 pr. Verf. 1850 als rechtswidrig einzustufen gewesen wäre, unter der Voraussetzung einer nach dem Gesetz über den Belagerungszustand zulässigen Außerkraftsetzung der in Art. 111 pr. Verf. 1850 genannten Verfassungsnormen zur Grundlage einer Freiheitsentziehung durch eine militärische Wache oder einen Feldgendarmen zu machen. Im Ergebnis bewirkten also die zur Ausführung des Art. 111 pr. Verf. 1850 erlassenen Vorschriften des Gesetzes vom 04.06.1851 eine beträchtliche Ausdehnung des den militärischen Wachen zustehenden Spektrums von Festnahmerechten. Der Vollständigkeit halber muß indessen noch darauf hingewiesen werden, daß das Gesetz über den Belagerungszustand auch außerhalb des eigentlichen Regelungsbereichs des Art. 111 pr. Verf. 1850 den Befugnisrahmen, der den Feldgendarmen verliehen worden war, spürbar erweiterte. Das war darauf zurückzuführen, daß gemäß § 4 I 1 des Gesetzes vom 04.06.1851 mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes die gesamte Exekutivgewalt einschließlich aller damit einhergehender Zwangsbefugnisse 138 auf die bewaffnete Macht und ihren jeweiligen Militärbefehlshaber überging. Anders als bei der Außerkraftsetzung einzelner staatsbürgerlicher Grundrechte gemäß §§ 5 oder 16 des Gesetzes vom 04.06.1851 handelte es sich bei dieser Überleitung nicht etwa um eine nach pflichtgemäßem Ermessen zu ergreifende Zusatzmaßnahme, sondern vielmehr um die zwingende Folge einer jeden Verhängung des Belagerungszustandes.139 Aus diesem Grunde gewann der zuständige Militärbefehlshaber ausnahmslos in jedem Fall eines Belagerungszustandes nach einer Formulierung Hänels „das Recht, überall da und in dem Umfange, wo und soweit es nach seinem Ermessen der Zweck erheischt, die Kompetenzen der bürgerlichen Behörden an sich und an die von ihm bestellten Organe zu ziehen". 1 4 0 Zu beachten ist jedoch, daß dadurch zwar eine Konzentration ziviler und militärischer Eingriffsrechte in der Person eines militärischen Befehlshabers eintrat, gleichwohl aber die rechtlichen Grenzen, die den zivilen Befugnissen durch die Gesetze gezogen wurden, keine Erweiterung oder Veränderung erfuhren. 141 Das konnte vielmehr nur durch die Inanspruchnahme der zusätzlichen Möglichkeit einer vorübergehenden Außerkraftsetzung der in Art. 111 pr. Verf. 1850 aufgeführten Verfassungsteile erreicht werden. Griff diese Zusatzmaßregel sonach erheblich weiter als die ex lege eintretende Überleitung der vollziehenden Gewalt, so wird deutlich, daß letztere nur dann eine selbständige 138

Darauf weist Anschütz, VerwA 1 (1893), S. 470 Fn. 138, zutreffend hin. Dietz-Giese, Stichwort „Belagerungszustand", S. 114; WStVR-Fleischmann, Stichwort Belagerungszustand", S. 398. 140 Hänel I, S. 436. 141 Hänel I, S. 437; WStVR-Fleischmann, a.a.O. (s.o. Fn. 139), S. 398. 139

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Bedeutung erlangte, wenn die für die Erklärung des Belagerungszustandes zuständige Instanz unter Ausnutzung des ihr insoweit eingeräumten Ermessensspielraums darauf verzichtete, die Artikel 5, 6, 7, 27, 28, 29, 30 und 36 der preußischen Verfassungsurkunde zu suspendieren. Dann aber hatte die Vorschrift des § 4 I 1 des Gesetzes über den Belagerungszustand zur Konsequenz, daß dem jeweiligen Militärbefehlshaber und den von ihm eingesetzten Organen, zu denen selbstverständlich auch und gerade die militärischen Wachen und die Feldgendarmen gehören konnten, neben den für die Armee geschaffenen auch noch diejenigen Festnahmerechte zustanden, die die Rechtsordnung ansonsten nur den Angehörigen ziviler Staatsbehörden vorbehielt. Auch § 4 I 1 des Gesetzes über den Belagerungszustand gehörte mithin im dargelegten Umfang zu denjenigen Rechtsgrundlagen, die geeignet waren, den Feldgendarmen die Befugnis zur vorläufigen Festnahme oder Verhaftung von Zivilpersonen zu vermitteln. ff) Die übrigen Vorschriften der Wachinstruktion vom 27.07.1850 Schon die intensive Beschäftigung mit § 8 der Wachinstruktion hat erkennen lassen, daß das mit der Ausarbeitung dieser Dienstvorschrift federführend betraute Kriegsministerium 142 dazu tendierte, die militärischen Wachen in weit größerem Umfang zur vorläufigen Festnahme von Zivilpersonen anzuhalten, als dies nach der geltenden Rechtslage eigentlich zulässig gewesen wäre. Dieser Eindruck wird zudem durch einen Blick auf den § 9 I der Wachinstruktion, der die vorläufige Ergreifung einer Person auf Ansuchen von Zivilpersonen betraf, noch weiter verstärkt, da diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach ebenfalls deutlich über den durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vorgezeichneten Anwendungsbereich hinausging. 143 Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang schließlich auch noch die Regelung des § 6 Nr. 1 der Wachinstruktion, in der es wörtlich heißt: „Vermöge eigener Amtsgewalt werden von den Wachen vorläufig ergriffen und festgenommen: 1. Die Personen, welche bei Ausführung einer strafbaren Handlung oder gleich nach derselben betroffen oder verfolgt werden. Dahin gehören namentlich auch Personen, welche sich den Wachen thätlich widersetzen, sie insultieren oder beleidigen oder ihren Anordnungen nicht Folge leisten, besonders in Fällen, wo es auf Stillung eines Tumults, Zerstreuung von Aufläufen, Schlichtung von Schlägereien 142 Daneben waren wohl auch das Innen- und das Justizministerium am Erlaß der Wachinstruktion beteiligt, da die A. K. O. vom 08.08.1850 (abgedruckt in der pr. MilGS IV, S. 181), mit der König Friedrich Wilhelm IV. den Entwurf der neuen Dienstvorschrift genehmigte, auch an die diesen Ressorts vorstehenden Regierungsmitglieder adressiert war. 143 s.o. Fn. 114.

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oder Verhinderung eines die öffentliche Ruhe störenden Straßenunfugs ankommt; desgleichen die Uebertreter allgemein bekannter, am Orte geltender Polizei-Vorschriften, z.B. wegen schnellen Fahrens und Reitens, Beschädigung der Laternen, Bürgersteige, Brücken u.s.w., wenn sie dieses Vergehen Angesichts der Wachen verüben und der verwirkten Strafe durch die Flucht sich zu entziehen versuchen." Das Bemerkenswerte an dieser Vorschrift war nun, daß sie in ihrem ersten Satz beinahe wörtlich den § 2 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit wiederholte. Dadurch sollte offenbar der Eindruck erweckt werden, die gesamte Regelung des § 6 Nr. 1 der Wachinstruktion bestehe lediglich in einer Konkretisierung des gesetzlichen Tatbestandes. Ganz besonders deutlich hatte diese Vorgehensweise überdies auch in der Einleitung des zweiten Satzes des § 6 Nr. 1 der Wachinstruktion ihren Ausdruck gefunden, denn die Verwendung des Wortes „namentlich" suggerierte, daß die nachfolgend aufgeführten Beispiele ausnahmslos unter § 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 12.02.1850 subsumiert werden konnten. Tatsächlich jedoch handelte es sich bei der Aufzählung in § 6 Nr. 1 Satz 2 der Wachinstruktion um ein Gemisch verschiedener Fallgruppen, die sich den gesetzlich geregelten Sachverhalten lediglich zum Teil zuordnen ließen. So war eine solche Zuordnung zwar ohne Zweifel dann möglich, wenn die Verhaftung wegen einer persönlichen Beleidigung der festnehmenden militärischen Wache, wegen eines Angriffs auf ihre Person oder wegen einer in ihrem Angesicht begangenen Beschädigung von Brücken, Bürgersteigen und Laternen erfolgte, da alle diese Handlungen strafbar waren. Schon eine Freiheitsentziehung aber, die darauf gestützt wurde, daß eine Zivilperson sich geweigert hatte, der Anordnung einer militärischen Wache nachzukommen, war im Ergebnis mit dem Gesetz nicht mehr vereinbar. Zwar galt es in der damaligen preußischen Verwaltungsrechtswissenschaft als völlig unumstritten, daß einer Behörde, die befugt war, den Staatsbürgern obrigkeitliche Anweisungen zu erteilen, auch ohne einen geschriebenen Rechtssatz das Recht zur Durchsetzung ihrer Anordnungen zustand. 144 Dennoch aber fehlte es der Vorschrift des § 6 Nr. 1 der Wachinstruktion insoweit schon deshalb an einer materiellrechtlichen Absicherung, weil den militärischen Wachen - wie oben nachgewiesen - eine durch Gesetz begründete Anordnungsbefugnis gegenüber Zivilpersonen tatsächlich nicht zustand. Nahm also eine militärische Wache einen Zivilisten vorläufig fest, um ihn dazu zu zwingen, einer ihm erteilten Anordnung Folge zu leisten, so handelte es sich dabei ganz eindeutig um eine rechtswidrige Maßnahme. Das gleiche Urteil muß zudem auch mit Blick auf diejenigen Arretierungen gefällt werden, die im Zusammenhang mit der Stillung von Tumulten, der Zerstreuung von Aufläufen oder der Verhinderung eines ruhestörenden Straßenunfugs vorgenommen wurden. Da nämlich diesen Festnahmen in aller Regel keine Straftaten zugrunde lagen, ließ sich ihre Rechtmäßigkeit allenfalls dann begründen, wenn man der Armee das Recht zugestand, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Er144

Anschütz, VerwA 1 (1893), S. 389.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

mächtigung aus allgemein-polizeilichen Gründen heraus im Innern des Landes tätig zu werden. Dies galt in besonderem Maße auch für denjenigen Teil der in § 6 Nr. 1 Satz 2 der Wachinstruktion enthaltenen Aufzählung, der es den militärischen Wachen sogar erlaubte, durch zu schnelles Reiten oder Fahren begangene Übertretungen örtlicher Polizeivorschriften im Wege der vorläufigen Festnahme zu ahnden, denn insoweit war im Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit nicht einmal ansatzweise eine Stütze zu finden. Vielmehr war es gerade diese Regelung, die in erster Linie darauf hindeutete, daß das Kriegsministerium die militärischen Wachen für berufen hielt, aus eigenem Recht die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten und nötigenfalls wiederherzustellen. Diese Auffassung war jedoch spätestens seit dem Inkrafttreten der preußischen Verfassung des Jahres 1850 nicht mehr haltbar, da deren Art. 36 militärische Interventionen, die nicht ausschließlich der Verteidigung eigener Interessen der Armee dienten, nur in den Fällen gestattete, in denen eine gesetzlich zugelassene Requisition durch eine Zivilbehörde vorangegangen war. 1 4 5 Es ist daher auch an dieser Stelle erneut nachdrücklich festzustellen, daß alle Bestimmungen der Wachinstruktion rechtswidrig waren, soweit sie nicht zu den durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit geregelten Fallgruppen gehörten, von den auch dem Militär zustehenden allgemeinen Selbstverteidigungsrechten erfaßt wurden oder als Konkretisierung derjenigen Bestimmungen angesehen werden konnten, die für innere Unruhen und die sonstigen außergewöhnlichen Verhältnisse des Krieges und des Belagerungszustandes geschaffen worden waren. 146 Gleichwohl dürften sich militärische Wachen, die die Festnahme einer Zivilperson auf eine der besprochenen Regelungen des § 6 Nr. 1 der Wachinstruktion stützten, letztlich nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen der Freiheitsberaubung schuldig gemacht haben. Da nämlich auch die militärischen Dienstvorschriften aus der Sicht eines Soldaten Befehle darstellten, stand diesem keinesfalls die Befugnis zu, die Rechtmäßigkeit der darin enthaltenen Anweisungen selbständig zu überprüfen. Stattdessen oblag ihm insoweit die gleiche gesteigerte und unbedingte Gehorsamspflicht wie gegenüber jedem anderen Befehl. 147 Dadurch aber wurde die Strafbarkeit des festnehmenden Wachsoldaten regelmäßig ausgeschlossen, da ihn seine Gehorsamspflicht gemäß § 71 pr. MStGB, dem § 47 I RMStGB im wesentlichen entsprach, vor der persönlichen Verantwortung in Schutz nahm. 148 Das bedeutete nun jedoch nicht etwa, daß damit der Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit freiheitsentziehender Maßnah145 Siehe dazu und zu der Frage, warum auch die für die konkrete Fassung des § 6 Nr. 1 der Wachinstruktion augenscheinlich vorbildhafte A. K. O. vom 17.10.1820 nicht geeignet war, eine abweichende Ansicht zu begründen, die umfangreichen Ausführungen in Fußnote 123. 146 So auch Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 14; Liepmann, S. 17. 147 Vgl. dazu Laband, DJZ 1914, Sp. 186 f.

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men erweitert worden wäre. Da nämlich § 71 pr. MStGB ebenso wie der spätere § 47 I RMStGB nach der wohl zutreffenden Einordnung der zeitgenössischen Literatur keine Ermächtigungsgrundlage darstellte, sondern lediglich einen besonderen militärstrafrechtlichen Entschuldigungsgrund normierte, 149 war er überhaupt nur auf solche Handlungen anwendbar, deren fehlende Rechtmäßigkeit bereits feststand. Hatten demnach beide Vorschriften schon keinerlei Einfluß auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines tatbestandlichen Verhaltens, so konnten sie sich konsequenterweise erst recht nicht auf die etwaige Rechtswidrigkeit des diesem Verhalten zugrunde liegenden Befehls auswirken. Eine als der Rechtsordnung widersprechend erkannte Norm der Wachinstruktion wurde mithin auch durch die §§ 71 pr. MStGB; 47 I RMStGB keineswegs geheilt. Gerade im Hinblick auf diese Bestimmungen ist jedoch davon auszugehen, daß sämtliche in der Wachinstruktion vorgesehenen Festnahmetatbestände tatsächlich ohne Rücksicht auf ihre materielle Rechtmäßigkeit zur Anwendung kamen. Auch von den Feldgendarmen dürfte mithin anzunehmen sein, daß sie ungestraft die gesamte Wachinstruktion umsetzten und daher teilweise in die bürgerlichen Freiheitsrechte eingriffen, ohne dazu in rechtmäßiger Weise ermächtigt worden zu sein. Ähnlich wie schon bei der Erteilung von Anweisungen gegenüber Zivilpersonen ist demzufolge wohl auch in bezug auf die Festnahmerechte abschließend festzustellen, daß deren Handhabung durch die Feld-

148 Ähnlich auch Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 18; Romen/Rissom, § 149 MStGB, Anm. 3 b), S. 796. Abweichend davon konnte der zum Gehorsam verpflichtete Soldat gemäß § 71, 2 pr. MStGB bzw. § 47 I 2 RMStGB indessen dann bestraft werden, wenn er den ihm erteilten Befehl überschritten hatte oder ,4hm bekannt gewesen ist, daß der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche offenbar ein allgemeines oder militärisches Verbrechen oder Vergehen bezweckte". Letzteres war jedoch im Hinblick auf die Dienstvorschriften schon deshalb weitgehend auszuschließen, weil es nach der Rechtsprechung des Reichsmilitärgerichts für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Befehlsempfängers nicht ausreichte, wenn dieser die Strafbarkeit der ihm abverlangten Handlung kannte, sondern vielmehr zusätzlich die positive Kenntnis zu fordern war, daß der Vorgesetzte in der Absicht handelte, „durch das Mittel der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens einen rechtswidrigen Zweck zu erreichen" (RMGE 5, 33, 35 f.; 13, 180, 185; 19, 190, 194 f.; Romen/Rissom, § 47 MStGB, Anm. 14, S. 185 f.). Ein solches Wissen dürfte auf Seiten der Adressaten der Wachinstruktion aber wohl kaum je vorgelegen haben. Aber auch im Falle der Befehlsüberschreitung gab es in späteren Jahren noch eine Möglichkeit, der Strafbarkeit zu entgehen, da der § 47 RMStGB durch die „Verordnung über die Neufassung des Militärstrafgesetzbuches" vom 10.10.1940 (RGBl. I 1940, S. 1347) um einen zweiten Absatz erweitert wurde, demzufolge von der Bestrafung des Untergebenen abgesehen werden konnte, wenn seine Schuld gering war. Trotz der in § 71, 2 pr. MStGB bzw. § 47 I 2 RMStGB vorgesehenen Ausnahmen von dem Grundsatz, wonach die Gehorsamspflicht der Untergebenen diese vor einer strafrechtlichen Verfolgung schützte, bedarf daher die im Text formulierte Erkenntnis, daß die militärischen Wachen in aller Regel nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten, wenn sie die an sie gerichtete Wachinstruktion befolgten, letztlich keiner Korrektur. 149 Vgl. nur Schwinge, S. 108 f. m.w.N.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

gendarmen zumindest teilweise zu einer rechtswidrigen Überschreitung des diesen eingeräumten Befugnisrahmens geführt hat. f) Das Recht zum Waffengebrauch

gegenüber der Zivilbevölkerung

Die im vorstehenden detailliert beschriebenen Festnahmerechte stellten indessen keineswegs die einzigen Möglichkeiten der Feldgendarmen zur Ausübung unmittelbaren Zwanges dar. Vielmehr beinhaltete der ihnen eingeräumte Befugnisrahmen zusätzlich auch noch das Recht zum Waffengebrauch. So ist bereits an früherer Stelle dieser Arbeit ausführlich dargelegt worden, daß die Feldgendarmen in ihrer Eigenschaft als militärische Wachen die ihnen zur Verfügung stehenden Waffen 150 gegen alle übrigen Armeeangehörigen mit Ausnahme ihrer eigenen Vorgesetzten einzusetzen berechtigt waren. 151 Da es somit in diesem 150 Die Bewaffnung der Feldgendarmen im preußisch-österreichischen Krieg des Jahres 1866 entsprach gemäß Ziffer 3 der A. K. O. vom 25.05.1866 noch vollständig der der Landgendarmerie, deren Wachtmeister und Gendarmen zu dieser Zeit gemäß § 29 des „Order- und Instructionsbuches für die Landgendarmerie" vom 28.04.1863 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 299a Nr. 41 Adh. 1 Band 1, Bl. 59-88 d.A.) mit einem Karabiner nebst dazu gehörigem Seitengewehr ausgerüstet waren, während die Offiziere lediglich eine Pistole trugen (zutreffend Böckle, S. 43). Schon das „Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie" vom 07.01.1869 enthielt jedoch in seinem § 14 eine eigenständige Bestimmung über die Bewaffnung der Feldgendarmen, wonach diese vor Beginn ihres Einsatzes von den jeweils örtlich zuständigen Artillerie-Depots mit Kürassier-Degen sowie mit Pistolen ausgestattet werden sollten. Diese Regelung wurde dann in § 13 des nachfolgenden „Reglements über die Organisation der Feldgendarmerie" vom 15.08.1872 unverändert übernommen. Erst § 5 Ziffer 4 der Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 enthielt wieder eine abweichende Vorschrift über die Bewaffnung, derzufolge diejenigen Feldgendarmen, die den Kavallerieregimentern entstammten, mit dem Kavalleriedegen 89 und einem Revolver auszurüsten waren, während die im Mobilmachungsfall zur Feldgendarmerie übertretenden Landgendarmen statt des Degens die schon im Friedensdienst zu ihrer Ausrüstung gehörenden Säbel behalten sollten. Im Gegensatz dazu verzichtete die H.Dv. 275 sowohl in ihrer Fassung aus dem Jahre 1938 als auch in der Neufassung vom 29.07.1940 gänzlich darauf, die Ausstattung der Feldgendarmen mit Waffen eigenständig zu regeln. Stattdessen verwies Ziffer 27 der H.Dv. 275 des Jahres 1938 in Übereinstimmung mit Ziffer 31 der Neufassung vom 29.07.1940 hinsichtlich der Bewaffnung der Feldgendarmen ebenso wie in bezug auf deren übrige Ausrüstung und Bekleidung auf die Vorschriften der für das Heer erstellten „KriegsausrüstungsnachWeisungen". Danach beschränkte sich die persönliche Ausrüstung der Feldgendarmen grundsätzlich auf die Bewaffnung mit einer automatischen Pistole, deren Typ vom Dienstrang abhing. Während nämlich Mannschaften und Unteroffiziere mit Pistolen vom Typ Waither P 38 oder Luger PO 8 vorliebnehmen mußten, konnten die Offiziere der Truppe in der Regel über die kompaktere Walther PPK verfügen. Darüber hinaus sahen die Ausrüstungsnachweisungen aber auch noch vor, die Feldgendarmen zusätzlich mit der Maschinenpistole MP 38/40 oder dem Karabiner K 98 der Firma Mauser zu bewaffnen. Schließlich sollte jeder Feldgendarmerieeinheit ein leichtes Maschinengewehr vom Typ MG 34 oder MG 42 zugewiesen werden, um auf diese Weise auch die Bewaffnung einzelner Kraftfahrzeuge oder die Errichtung von Straßensperren zu ermöglichen (vgl. Williamson, S. 7); vgl. zur Bewaffnung der Feldgendarmeriekompanien und der Feldgendarmerietrupps im zweiten Weltkrieg auch die Anlagen 5 a und 5 b.

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Zusammenhang ausreicht, auf die obigen Ausführungen über die Bestimmungen der §§ 188, 185 I pr. MStGB und die Regelungen der davon inhaltlich nur geringfügig abweichenden §§ 125 II, 124 RMStGB zu verweisen, 152 können sich die nachfolgenden Erörterungen ohne weiteres auf die Darstellung derjenigen Rechtsgrundlagen beschränken, die bei der Waffenanwendung im Verhältnis zur Zivilbevölkerung zu beachten waren. Insoweit kommen für die Zeit bis zum Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11.08.1919153 allerdings - abgesehen vom allgemeinen Notwehrrecht 154 - im wesentlichen nur das „Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs" vom 20.03.1837 155 sowie die 151

Eine weitere Ausnahme galt in der Zeit von 1872 bis 1890 gegenüber den Offizieren der Armee; näher dazu unten D. IL 3. 152 s.o. Abschnitt III. 2. c) sowie das 5. Kapitel unter C D . 1. 153 RGBl. 1919, S. 1383. 154 Während in der gegenwärtigen Rechtslehre zuweilen bezweifelt wird, daß ein Hoheitsträger neben den ihm zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben vorgegebenen öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlagen auf andere Rechte zurückgreifen darf (vgl. die Nachweise bei Heinen, NZWehrr 1995, S. 139 Fn. 1 bis 7), war diese Frage im Schrifttum des 19. und auch des beginnenden 20. Jahrhunderts noch gänzlich unumstritten. So war etwa Liepmann der Auffassung, daß einem Soldaten in und außer Dienst die Befugnis zustand, sich der ihm zur Verfügung stehenden Waffen zu bedienen, um rechtswidrige Angriffe auf Leib und Leben, aber auch auf seine Ehre oder andere Rechtsgüter von sich abzuwehren (Liepmann, S. 38 f.). Insoweit hatte wohl auch Otto Mayer I, S. 307, keinerlei Bedenken, doch warnte er (a.a.O., S. 311 Fn. 28) vor der vor allem bei Rehm, S. 160, feststellbaren Tendenz, die besonderen militärischen Anschauungen von Ehre zur Ausdehnung des Notwehrtatbestandes zu benutzen (kritisch dazu auch Wilfling, S. 173). Vgl. im übrigen auch: Mayer, Militärstrafrecht I, S. 108 f., und Romen/Rissom, S. 61 und S. 68. 155 Pr. GS 1837, S. 60. Anders als im Text ausgeführt hatte das Gesetz nach Ansicht des Reichsgerichts indessen durch das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung seine Gültigkeit noch keineswegs verloren, da es „weder durch die lediglich zu seiner Erläuterung aufgestellte Dienstvorschrift vom 19. August 1914 noch seit der Revolution abgeändert oder aufgehoben worden" sei (RGZ 100, 25, 28; RGSt 56, 353, 354; wie das Reichsgericht auch Fuhse, § 124 MStGB, Anm. 6, S. 150, und Plöttner, S. 69). Daran war zwar zutreffend, daß gemäß Art. 81 II der „Verfassung des Freistaates Preußen" vom 30.11.1920 (pr. GS 1920, S. 543) alle bestehenden Gesetze und Verordnungen in Kraft bleiben sollten, „soweit ihnen diese Verfassung nicht entgegensteht", doch galt diese Bestimmung naturgemäß nur für den Bereich des Landesrechts. Auf Sachgebiete, deren Regelung dem Reichsrecht vorbehalten war, konnte sie als landesverfassungsrechtliche Norm hingegen schon aufgrund der Vorschrift des Art. 13 I WRV, wonach das Landesrecht durch Reichsrecht gebrochen wurde, keinesfalls angewendet werden. Das mußte dann konsequenterweise aber auch für den Bereich des Wehrrechts gelten, da es sich dabei in der Weimarer Republik - anders als nach wohl h.M. noch im Kaiserreich - gänzlich unzweideutig um eine Reichsangelegenheit handelte. Die WRV hatte nämlich nicht nur durch ihren Art. 47 den Reichspräsidenten mit dem „Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht" ausgestattet, sondern vielmehr auch in Art. 6 Ziffer 4 die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Wehrrechts ausdrücklich dem Reich zugewiesen. Das hatte aber zur Folge, daß die Länder gemäß Art. 12 I 2 WRV selbst dann nicht für eine wehrrechtliche Gesetzgebung zuständig gewesen wären, wenn das Reich von der ihm eingeräumten legislativen Kompetenz auf diesem Gebiet keinen Gebrauch gemacht hätte. Fehlte es den Ländern sonach schon an der Möglichkeit, neue Vorschriften zu erlassen, die die Dienst-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

durch dessen § 11 ausdrücklich in Bezug genommenen Vorschriften der §§8 bis 10 der „Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der dem Gesetz schuldigen Achtung" (sog. „Tumultverordnung") vom 17.08. 1835 156 in Betracht. 157 ausübung der Reichswehr betrafen, so mußten sie doch gleichermaßen auch daran gehindert sein, die Fortgeltung früherer Regelwerke mit militärrechtlichem Inhalt alleine dadurch zu bewirken, daß sie in den Übergangs- und Schlußbestimmungen ihrer Verfassungen Blankettanweisungen auf vorrevolutionäre Gesetze und Verordnungen aufgenommen hatten. Auch die Regelung des Art. 81 II der preußischen Verfassung des Jahres 1920 konnte sich also von vorneherein nicht auf das durch reichsverfassungsrechtliche Bestimmungen der Gesetzgebungskompetenz der Länder entzogene Sachgebiet des Wehrrechts erstrecken. Die reichsgerichtliche Auffassung, das dem preußischen Landesrecht entstammende Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs habe auch nach Inkrafttreten der WRV unverändert fortgegolten, weil es weder abgeändert noch gar aufgehoben worden sei, erweist sich somit im Ergebnis als unhaltbar (so auch Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 20, sowie ausführlich und mit zahlreichen weiteren Nachweisen Liepmann, S. 30 ff.). 156 Pr. GS 1835, S. 170; die §§ 1 bis 7 der Tumultverordnung hatten Tatbestände enthalten, die bestimmte Formen der Beteiligung an einem Aufruhr unter Strafe stellten. Da sie damit aber eine Rechtsmaterie betrafen, auf die sich später auch die Bestimmungen der §§91 bis 93 des „Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten" vom 14.04.1851 (pr. GS 1851, S. 101) bezogen, sind sie bereits durch Art. II Abs. 1 des „Gesetzes über die Einführung des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten" vom 14.04.1851 (pr. GS 1851, S. 93) mit Wirkung zum 01.07.1851, an dem das preußische Strafgesetzbuch gemäß Art. I des Einführungsgesetzes in Kraft trat, wieder aufgehoben worden (vgl. auch von Rönne I, S. 451 Fn. 6 bis 8). Dagegen fielen die §§ 8 bis 10 der Tumultverordnung nicht in den Anwendungsbereich des Art. II Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum preußischen Strafgesetzbuch, da sie keine Strafbestimmungen enthielten. Sie blieben daher weiterhin in Kraft und entfalteten sogar die Wirkung eines formellen Gesetzes, da sie zu denjenigen vorkonstitutionellen Rechtsnormen zählten, die in der preußischen Gesetzessammlung förmlich bekanntgegeben worden waren. Daß sie Teil eines lediglich als Verordnung bezeichneten Regelwerkes gewesen waren, stand diesem Ergebnis nicht entgegen. Wie oben unter III. 2. d) bereits aufgezeigt, stellte nämlich die amtliche Publizierung das einzige Kriterium dar, das erfüllt sein mußte, damit eine ältere Vorschrift nach Inkrafttreten der Verfassung als ein förmliches Gesetz eingestuft werden konnte. 157 Daneben wird bisweilen zwar auch noch die A. K. O. vom 17.10.1820 als mögliche Rechtsgrundlage für den Waffengebrauch des Militärs genannt (so etwa Romeni Rissom, § 149 MStGB, Anm. 3b), S. 796; dies., S. 16-19), doch war diese - wie oben in Fn. 123 ausführlich nachgewiesen - weder formell noch inhaltlich mit der preußischen Verfassung vereinbar und gehörte daher eben gerade nicht zu den gemäß Art. 109 pr. Verf. 1850 fortgeltenden vorkonstitutionellen Regelwerken. Etwas anderes galt hingegen wiederum für den ersten Abschnitt der königlichen Verordnung vom 30.12.1798, da er im Jahre 1835 ausdrücklich zum Bestandteil der Tumultverordnung gemacht und dementsprechend auch als deren Anhang in der Gesetzessammlung verkündet worden war (pr. GS 1835, S. 173). Das hatte indessen zugleich die Folge, daß der erste Abschnitt der Verordnung vom 30.12.1798 fortan das Schicksal der Tumultverordnung teilte. Mit Inkrafttreten des preußischen Strafgesetzbuches verloren daher alle Strafbestimmungen der Verordnung ebenso wie die §§ 1 bis 7 der Tumultverordnung ihre Gültigkeit. Rechts wirksam blieben mithin lediglich die §§ 6 bis 8 der Verordnung vom 30.12.1798, da sich deren Inhalt auf die §§ 8 bis 10 der Tumultverordnung bezog. Gleichwohl ist im Text deshalb auf die Erwähnung der §§ 6 bis 8 der

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aa) Die Voraussetzungen des Einschreitens mit Waffengewalt Beginnt man nun die Untersuchung dieser Regelwerke mit der Frage nach den Voraussetzungen, unter denen das Militär mit Waffengewalt gegen Zivilpersonen einschreiten durfte, so ist zunächst § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 von Bedeutung, in dem es wörtlich heißt: „Das in Unserem Dienste zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit auftretende Militär ist berechtigt, auf Wachen und Posten, bei Patrouillen, Transporten und allen anderen Kommandos, auch wenn solche auf Requisition oder zum Beistande einer Zivilbehörde gegeben werden, in den nachstehend §§ 2 bis 6 bezeichneten Fällen von seinen Waffen Gebrauch zu machen." Danach hing die Zulässigkeit des Waffengebrauchs nach Maßgabe des Gesetzes vom 20.03.1837 also zunächst einmal davon ab, daß das Militär zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit oder, einfacher formuliert, aus polizeilichen Gründen tätig wurde. 158 Bemerkenswerterweise wird durch das Zitat indessen deutlich, daß die Vorschrift darauf verzichtete, diejenigen Fallgruppen zu definieren, in denen das Militär zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit gegen Zivilpersonen vorzugehen berechtigt war. Wie nämlich insbesondere dem attributiven Gebrauch des Partizips „auftretend" zu entnehmen ist, knüpfte die Norm vielmehr ganz offenkundig an einen die polizeilichen Mitwirkungsrechte der Armee begründenden Rechtssatz an, dessen Existenz dem Gesetzgeber als selbstverständlich erschienen war. § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 stellte daher keineswegs selbst die Rechtsgrundlage für ein Einschreiten der bewaffneten Macht gegenüber der Zivilbevölkerung dar, sondern ging stattdessen davon aus, daß der Armee bereits durch andere Bestimmungen die Aufgabe zugewiesen worden war, die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Ruhe zu bewahren und zu diesem Zweck auch „aufzutreten". 159 Gleichwohl läßt sich im gesamten geschriebenen Recht des Staates Preußen Verordnung vom 30.12.1798 verzichtet worden, weil sie keine eigenständigen Rechtsgrundlagen für den militärischen Waffengebrauch darstellten, sondern lediglich im Rahmen der Anwendung der §§ 8 bis 10 der Tumultverordnung eine Bedeutung als Ergänzungsvorschriften erlangten. 158 Darüber hinaus war nur noch erforderlich, daß der Waffeneinsatz anläßlich eines „Kommandos" stattfand. Wie nämlich dem Gebrauch des Wortes „andere" im Zusammenhang mit dem Kommando eindeutig zu entnehmen ist, handelte es sich dabei im Verhältnis zu den übrigen Bestandteilen der tatbestandlichen Aufzählung um den Oberbegriff, der lediglich durch einige Beispiele veranschaulicht werden sollte. Daraus läßt sich aber nun wiederum ableiten, daß unter einem Kommando letztlich nichts weiter als eine „befohlene Dienstleistung" zu verstehen war (so auch Otto Mayer I, S. 309). Weitere Voraussetzungen enthielt der Tatbestand des § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 hingegen nicht. So wird insbesondere durch die den eingeschobenen Nebensatz am Ende der Norm einleitenden Worte „auch wenn" deutlich zum Ausdruck gebracht, daß dem Militär die Befugnis zum Einsatz seiner Waffen unabhängig davon zugebilligt worden war, ob eine Zivilbehörde zuvor darum nachgesucht hatte oder nicht (vgl. Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 10; Laband, DJZ 1914, Sp. 189).

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kein einheitliches Regelwerk finden, das eine solche Aufgabenzuweisung zum Inhalt gehabt hätte. Trotz der an sich eine gegenteilige Vermutung nahelegenden Regelung des § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 ist dieser Befund jedoch tatsächlich erheblich weniger überraschend, als dies auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Bei der Betrachtung des Gesetzes über den Waffengebrauch des Militärs muß nämlich unbedingt beachtet werden, daß es sich dabei um ein vorkonstitutionelles Regelwerk handelte, dem zur Zeit seines Inkrafttretens die Bindungen, denen die Staatsgewalt später durch die Verfassung unterworfen wurde, noch völlig fremd waren. Eine zutreffende Auslegung des Gesetzes vom 20.03.1837 ist demzufolge überhaupt nur dann möglich, wenn sie vor dem Hintergrund des noch nicht durch eine geschriebene Verfassungsurkunde organisierten Staates erfolgt. Der vorkonstitutionelle Staat war aber insbesondere im 18. Jahrhundert durch ein System „soldatischen Mitregiments in allen Polizeisachen" 160 geprägt, dessen Etablierung letztlich darauf zurückzuführen war, daß der Landesherr infolge der noch unvollkommen entwickelten Organisation der polizeilichen Exekutivgewalt vielfach praktisch gar keine andere Möglichkeit hatte, als die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie die Durchsetzung des Staatswillens der Armee anzuvertrauen. 161 Dies war zudem auch in rechtlicher Hinsicht völlig unbedenklich, da bis zur Umwandlung Preußens in einen Verfassungsstaat die Militärhoheit und die oberste Polizeigewalt des Landes ohnehin in der Person des Herrschers zusammentrafen und somit auch nur theoretisch differenziert werden konnten. Das Militär war also Teil der einheitlichen obersten Staatsgewalt, in deren Vertretung es dann auch jederzeit polizeilich tätig werden konnte. 162 Mit dem voranschreitenden Ausbau der Polizeiverwaltung zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte dieses Phänomen dann zwar in der Praxis weitgehend zurückgedrängt werden, doch ging die Entwicklung nicht so weit, daß der Herrscher auch recht159 So im Ergebnis JessIMann 2,Anhang II, Rn. 10 und 16; in ähnlicher Weise erschöpfte sich im übrigen auch der Regelungsgehalt des § 8 der Tumultverordnung darin, den militärischen Vorgesetzten diejenigen Verhaltensregeln vorzuschreiben, nach denen sie vorzugehen hatten, „wenn bei einem Auflauf die bewaffnete Macht einschreitet, um die zusammengelaufenen Haufen auseinander zu treiben und die Ruhe wiederherzustellen." Die Vorschrift enthielt somit zwar Bestimmungen darüber, was zu beachten war, „wenn" das Militär aus polizeilichen Gründen tätig wurde, ließ jedoch zugleich die logisch vorrangige Frage, „wann" diese Tätigkeit überhaupt zulässig war, ebenso unbeantwortet wie § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837. Auch § 8 der Tumultverordnung legte mithin nicht die Voraussetzungen eines militärischen Vorgehens zu polizeilichen Zwecken fest, sondern setzte ein entsprechendes Recht des Militärs vielmehr als zweifellos bestehend voraus. 160 Lehmann, Stein 2, S. 31. 161 Vgl. dazu ausführlich Anschütz, VerwA 1 (1893), S. 413 ff. m.w.N. 162 Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 3; vgl. auch die oben unter JE. 2. b) bereits erwähnte A. K. O. vom 31.03.1792, in der es wörtlich heißt, daß „jede Wache [...] als von Seiner Majestät selbst zum Dienste befehligt und im Auftrage des Königs denselben verrichtend anzusehen" sei.

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lieh auf die Option verzichtete, notfalls auf seine Armee zurückzugreifen. 163 Vielmehr lassen noch die Regelungen der schon mehrfach erwähnten A. K. O. vom 17.10.1820 deutliche Anklänge an das altpreußische System der Mitwirkung der Armee in polizeilichen Angelegenheiten erkennen, da danach jeder Militärbefehlshaber aus eigener Machtvollkommenheit heraus gegen die Zivilbevölkerung einzuschreiten befugt war, wenn er zu der Überzeugung gelangte, „daß die Zivilbehörde mit der Requisition um Militärbeistand zu lange zögert". 1 6 4 Auf der anderen Seite ist gerade dieser Bestimmung aber auch zu entnehmen, daß die Übernahme polizeilicher Aufgaben durch das Militär nur noch ausnahmsweise stattfinden sollte, nämlich immer dann, wenn die Kräfte der an sich zuständigen Zivilbehörde überfordert zu werden drohten. Die A. K. O. vom 17.10.1820 kann daher mit Fug und Recht auch als ein Anzeichen für den beginnenden Auffassungswechsel gewertet werden, demzufolge das Militär nicht mehr das bestimmende Exekutivinstrument des Landesherrn war. 1 6 5 Von diesem Standpunkt aus gesehen handelte es sich also bei der A. K. O. vom 17.10.1820 in Wirklichkeit um eine erste rechtliche Einschränkung der bis zu diesem Zeitpunkt theoretisch nach wie vor völlig unbeschränkt zulässigen Tätigkeit des Militärs auf polizeilichem Sektor. Nichts anderes gilt demnach auch für das Gesetz vom 20.03.1837. Da es nämlich zur Zeit seines Inkrafttretens noch an einer Verfassung fehlte, die die Staatsgewalt nicht mehr allein dem Herrscher zuwies, sondern auf verschiedene Institutionen verteilte, konnte der Gesetzgeber unverändert davon ausgehen, daß dem Militär das Recht zustand, aus eigener Machtvollkommenheit polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen. Einer nochmaligen Statuierung dieser bereits bestehenden Befugnis bedurfte es daher nicht. Sie war vielmehr in den durch die A. K. O. vom 17.10.1820 gezogenen Grenzen noch immer Teil der Rechtsordnung und konnte mithin von § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 zu Recht auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung als selbstverständlich vorhanden vorausgesetzt werden. 166 163

Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 564. Vgl. Otto Mayer I, S. 313 Fn. 32. 165 Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 8 f. 166 Daß sich der Gesetzgeber dieser Zusammenhänge auch durchaus bewußt gewesen ist, läßt sich anhand der Entstehungsgeschichte des Gesetzes eindeutig belegen. So wurde etwa ausweislich des Protokolls der Staatsratssitzung vom 15.02.1837 im Zuge der Beratungen über den Wortlaut der Einleitung des Gesetzes darauf hingewiesen, daß mit der darin enthaltenen Formulierung, der König habe sich bewogen gefunden, „die bestehenden Vorschriften zu erneuern und zu vervollständigen", nur hervorgehoben werden sollte, „daß das Gesetz lediglich eine Klarstellung vorhandener Befugnisse des Militärs" bezwecke (zitiert nach pr. OVGE 31, 438, 449). Überdies läßt sich den dem Gesetzentwurf beigefügten Motiven entnehmen, daß das Staatsministerium erst im Laufe der Beratungen von seiner ursprünglichen Absicht, nur die Befugnisse des auf Requisition durch die Zivilbehörden einschreitenden Militärs zu regeln, Abstand genommen hatte und stattdessen zu der Ansicht gelangt war, es sei zweckmäßiger, „das Gesetz auch auf die Fälle, wo das Militär zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit aus eigener Autorität auftritt, auszudehnen" (zitiert nach pr. OVGE 31, 438, 446). 164

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

So folgerichtig diese Überlegungen indessen in vorkonstitutioneller Zeit auch gewesen sein mochten, so unzutreffend waren sie geworden, nachdem die preußische Verfassung vom 31.01.1850 in Kraft getreten war. Da nämlich deren Art. 5 und 36 im Ergebnis jede belastende Maßnahme des Staates im allgemeinen und des Militärs im besonderen dem Vorbehalt des Gesetzes unterworfen hatten, war für die Annahme einer eigenständigen Befugnis der Armee zur Ausübung polizeilicher Funktionen insoweit kein Raum mehr, als sie nicht auf einen gesetzlich ausdrücklich festgeschriebenen Tatbestand zurückgeführt werden konnte. 167 Gleichwohl gab es im damaligen Schrifttum eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Stimmen, die eine gesetzliche Regelung der Voraussetzungen für das aus polizeilichen Gründen erfolgende Einschreiten des Militärs gegen die Zivilbevölkerung trotz der fundamental gewandelten Verfassungsverhältnisse unverändert für verzichtbar hielten und daher insoweit die militärischen Dienstvorschriften als völlig ausreichend ansahen. So argumentierte etwa Grützmacher, bei den verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalten habe es sich lediglich um freiwillige Selbstbeschränkungen des Staates gehandelt, die im Hinblick auf Schließlich erklärten sich dann später auch die zuständigen Abteilungen des Staatsrates ausdrücklich damit einverstanden, „daß der Gesetzentwurf auch den Fall trifft, wo das Militär (z.B. eine Schildwache auf ihrem Posten) aus eigener Autorität handelt" (zitiert nach pr. OVGE 31, 438, 447). Demnach bestanden also weder im Staatsministerium noch im gutachterlich an der Gestaltung des Gesetzes beteiligten Staatsrat die geringsten Zweifel daran, daß die Streitkräfte auch ohne eine erst noch zu schaffende Ermächtigungsgrundlage schon aufgrund der bestehenden Rechtslage befugt waren, aus eigenem Recht polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen. Wenn aber der Gesetzgeber nun in den dem § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 nachfolgenden Vorschriften den Waffeneinsatz der in einer Polizeiangelegenheit auftretenden Armee reglementiert hatte, so konnte er damit also keinesfalls das Ziel verfolgt haben, das Waffengebrauchsrecht des Militärs überhaupt erst zu begründen. Vielmehr wirkten sich die in den §§ 2 bis 6 des Gesetzes vom 20.03.1837 enthaltenen Bestimmungen im Ergebnis als Beschränkungen der militärischen Befugnisse aus, denn da es einerseits zuvor an vergleichbaren Regelungen gefehlt hatte und andererseits die polizeilichen Mitwirkungsrechte der bewaffneten Macht nicht bezweifelt worden waren, war es dem zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung tätig werdenden Militär im Gegensatz zu der durch das Gesetz vom 20.03.1837 geschaffenen Rechtslage ursprünglich noch gestattet, im Verlauf seiner Einsätze nach eigenem Ermessen von seinen Waffen Gebrauch zu machen. Daraus folgt nun aber zwingend, daß das Gesetz vom 20.03.1837 nicht etwa den Sinn hatte, die Armee mit neuen Befugnissen auszustatten, sondern vor allem den Zweck verfolgte, das Militär erstmals zu zwingen, sich bei der Ausübung seiner im Hinblick auf den Einsatz von Waffen gegen Zivilpersonen bislang noch weitgehend unbegrenzten Befugnisse an gesetzlich vorgegebenen Richtlinien zu orientieren. Auch dieses Ergebnis läßt sich im übrigen wiederum anhand der Gesetzesmaterialien verifizieren, denn in der Sitzung des Staatsrates vom 11.02.1837 wurde ausdrücklich geltend gemacht, die Verwendung des Militärs zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung müsse „möglichst beschränkt und nur in solchen Fällen gestattet werden, wo die gewöhnlichen Mittel der Polizeiobrigkeit nicht ausreichen" (zitiert nach pr. OVGE 31, 438, 448). 167

Vgl. Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 13 und 16. Damit war zugleich das alte Mitregiment des Militärs in allen Polizeisachen auch in rechtlicher Hinsicht endgültig beseitigt worden (vgl. Anschütz, Art. 36 pr. Verf. 1850, S. 564).

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den Einsatz von Waffen anläßlich polizeilicher Einsätze der Armee erheblich weniger restriktiv ausgefallen seien als in anderen Bereichen hoheitlichen Handelns. Das sei zum einen darauf zurückzuführen, daß der Waffengebrauch sowohl gegen äußere als auch gegen innere Feinde ein „unentbehrliches Mittel des Staates zur Durchsetzung seiner Interessen und Sicherung seiner Daseinsbedingungen" darstelle. Das Recht zum Einsatz von Waffen sei daher „in dem Wesen des Staates naturnotwendig begründet" und bedürfe somit keines „besonderen formalen Schöpfungsaktes durch Gesetz." Vielmehr gelte insoweit schlicht der Satz: „Macht ist Recht." Zum anderen entspreche es aber auch einem Gebot der Selbsterhaltung des Staates, die Vorschriften über den Waffengebrauch seiner Organe Jederzeit ohne Inanspruchnahme der nur langsam und mit Pausen arbeitenden Gesetzesmaschine" schnell abändern und „den jeweiligen Gefahrverhältnissen" anpassen zu können. Für die Rechtmäßigkeit des administrativen Waffeneinsatzes reiche es mithin im Ergebnis aus, wenn er im Einklang mit den Regelungen der jeweils einschlägigen Dienstvorschriften stehe. 168 Zustimmung erhielt Grützmacher insoweit von Plöttner, der ebenfalls allein die „Regelung des Waffengebrauchs durch schnell veränderliche und anpassungsfähige nichtgesetzliche Vorschriften" für geeignet hielt, den Bedürfnissen der Praxis gerecht zu werden, da der „weit fortgeschrittene, vielleicht überreife Parlamentarismus von Jahr zu Jahr unfähiger zu gesetzgeberischen Arbeiten geworden" sei. 1 6 9 Zum gleichen Resultat kam überdies auch van Calker, doch beschritt er einen gänzlich anderen Weg, um seine Meinung zu begründen. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war nämlich die Feststellung, daß „weder im bürgerlichen Strafgesetzbuch, noch in einer Processordnung oder in einem Specialgesetz" eine Bestimmung zu finden war, durch die das Recht zum administrativen Waffengebrauch ausdrücklich begründet wurde. Tatsächlich gebe es außerhalb des Gesetzes vom 20.03.1837 sogar nur eine einzige gesetzliche Norm, in der das Waffengebrauchsrecht des Militärs überhaupt Erwähnung gefunden habe. Dabei handele es sich um den § 149 RMStGB, durch den der rechtswidrige Waffengebrauch unter Strafe gestellt worden sei. Auch dort werde aber das Waffenge168 Ygi Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer," S. 862 f. 169 Plöttner, S. 64, wo es außerdem ergänzend heißt: „Der Parlamente größte Sorge ist heute die Behebung der Finanznot. Darum dreht sich alles - für abgelegenere Gebiete, wie das Waffengebrauchsrecht, bleibt keine Zeit. Würde man von Seiten der Regierung aber doch Vorlagen an Reichs- oder Landtag machen, so wäre die Gefahr gegeben, daß sie infolge all der Milderungsbestimmungen, die dort zweifellos verlangt würden, schließlich bei Genehmigung durch die Volksvertretung wertlos sein würden. Der Hang zur Verweichlichung, der schon bei den letzten Beratungen über die Strafrechtsreform so deutlich zum Ausdruck kam, würde sich sicher auch bei Behandlung dieser Frage zeigen. Das Waffengebrauchsrecht muss aber ein »schneidiges4 sein, dafür ist die [Dienstinstruktion] das geeignete Mittel, sie allein kann unbeeinflußt von der jeweiligen Stimmung der Volksvertretung den Beamten geben, was des Beamten ist". 22 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

brauchsrecht keineswegs positiv konstituiert, sondern lediglich durch das Tatbestandsmerkmal „rechtswidrig" gleichsam spiegelbildlich in Bezug genommen. Da jedoch der § 149 RMStGB selbst keine Aussage darüber enthalte, wann der Waffengebrauch als rechtswidrig zu bezeichnen sei, müsse dies ganz allgemein in allen Fällen geschehen, in denen er „mit den bestehenden Gesetzen und Vorschriften" nicht in Einklang stehe. Daraus könne dann im Umkehrschluß wiederum abgeleitet werden, daß der Waffengebrauch immer rechtmäßig sein müsse, „wenn er im concreten Fall durch die bestehenden Gesetze und Verordnungen gestattet war". Zu den Verordnungen, durch deren Beachtung sonach die Strafbarkeit nach § 149 RMStGB ausgeschlossen werde, müßten nun aber insbesondere auch die militärischen Dienstvorschriften gerechnet werden, denn da es an einer „das Recht des administrativen Waffengebrauchs im allgemeinen gesetzlich regelnden Bestimmung" ja gerade fehle, könne nur der Rückgriff auf die nichtgesetzlichen Instruktionen verhindern, daß letztlich jeder Waffeneinsatz rechtswidrig sei. Auch van Calker vertrat somit die Ansicht, daß es im Hinblick auf das militärische Waffengebrauchsrecht keineswegs einer gesetzlichen Regelung bedürfe. 170 Damit stimmten im Ergebnis zwar auch Romen/Rissom überein, doch basierte ihre Auffassung auf einer völlig abweichenden Begründung. In Anlehnung an § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 gingen sie nämlich davon aus, daß der gegen Zivilpersonen gerichtete Waffengebrauch des Militärs von vorneherein überhaupt nur im Rahmen eines rechtmäßigen Einsatzes im Landesinnern zulässig sein konnte. Soweit also das Einschreiten rechtmäßig sei, treffe dies auch auf den Waffeneinsatz zu. Ersteres müsse jedoch auch ohne besonderes Gesetz für zulässig erklärt werden. Zwar entspreche es „der Tendenz des modernen Verfassungsstaates, die Zulässigkeit des administrativen Einschreitens und namentlich des Waffengebrauchs an bestimmte gesetzlich festgelegte Voraussetzungen zu knüpfen und so die Beschränkung der persönlichen Freiheit 170 Vgl v a n Calker\ S. 40 f. Die im Text skizzierte Beweisführung van Calkers litt indessen an einem eklatanten Gedankenfehler, da er gänzlich übersehen hatte, daß der Waffengebrauch des Militärs auch dann rechtswidrig sein konnte, wenn zwar alle Bestimmungen der Dienstvorschriften beachtet worden waren, diese jedoch ihrerseits im Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung standen. Van Calker hielt es daher offenbar für selbstverständlich, daß die militärischen Dienstvorschriften, die sich mit den Waffengebrauchsrechten der Armee befaßten, ohne weiteres vollumfänglich zu beachten waren und sich aus diesem Grunde auch als strafausschließende Ermächtigungsgrundlagen eigneten. Gerade das hätte jedoch vor dem Hintergrund der verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalte, mit denen sich van Calker bemerkenswerterweise überhaupt nicht auseinandersetzte, zuallererst einmal bewiesen werden müssen. Obwohl somit seinem Gedankengang ein klassischer Zirkelabschluß zugrunde lag, wurde einer Analyse Liepmanns, S. 20 Fn. 2, zufolge die Methode van Calkers, „als Belege für die Eingriffe in die bürgerliche Freiheit durch das Militär militärische Dienstvorschriften [...] heranzuziehen", vorbildhaft für zahlreiche spätere Darstellungen des administrativen Waffengebrauchsrechtes in Lehrbüchern und Monographien (vgl. die Nachweise bei Liepmann, a.a.O.).

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und körperlichen Unversehrtheit dem Ermessen, unter Umständen der Willkür der Verwaltungsorgane tunlichst zu entziehen." Gleichwohl ergebe sich schon „aus dem Wesen der militärischen Macht als der stets schlagfertig zum Kampf nach außen und zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung bestimmten (!) Zusammenfassung der staatlichen Kraft", daß der verfassungsmäßige Gesetzesvorbehalt insoweit keine Gültigkeit beanspruchen könne. Daher sei es unschädlich, die „von der höchsten militärischen Stelle oder ihren berufenen Vertretern" erlassenen Verordnungen und Instruktionen als wirksame Rechtsgrundlagen für das Einschreiten des Militärs aus polizeilichen Gründen und den dabei etwaig erforderlich werdenden Waffeneinsatz anzusehen.171 Schließlich folgte auch noch Delius der Ansicht, daß es nicht notwendig sei, den Waffengebrauch des Militärs gesetzlich zu regeln, da es vollauf genüge, „wenn die zuständige Behörde eine dahingehende Verwaltungsvorschrift erlassen habe. 172 Auf eine nähere Begründung dieses Standpunktes verzichtete er indessen ebenso wie Dietz, der sich sogar von vorneherein damit begnügte, die militärischen Waffengebrauchsrechte kommentarlos nur anhand der in den einschlägigen Dienstvorschriften enthaltenen Bestimmungen darzustellen. 173 Allen diesen Autoren ist jedoch zunächst einmal entgegenzuhalten, daß ihre im Ergebnis übereinstimmenden Auffassungen jeder Stütze im Wortlaut der Verfassung entbehrten. Das wog aber umso schwerer, als sie einen schier unauflöslichen Wertungswiderspruch hervorriefen. Da nämlich der militärische Waffengebrauch ganz ohne Zweifel eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben der davon betroffenen Zivilpersonen darstellte, mußte jede Einschränkung des verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehaltes in diesem Bereich zwangsläufig dazu führen, daß ausgerechnet die bedeutsamsten der durch die Verfassungsurkunde garantierten staatsbürgerlichen Rechtsgüter ohne gesetzliche Legitimation ihres Schutzes vor Eingriffen durch die öffentliche Gewalt beraubt wurden. Dieses Manko konnte keineswegs durch den Hinweis darauf kompensiert werden, daß der Einsatz von Waffen ja nicht im freien Ermessen der Armee stand, sondern vielmehr immerhin an die in den einschlägigen Dienstvorschriften enthaltenen Bestimmungen gebunden war. Einerseits nämlich waren die militärischen Dienstinstruktionen auch nach dem damaligen Stand der Rechtsdogmatik infolge ihres rein innendienstlichen Charakters grundsätzlich unbestrittenermaßen nicht geeignet, Rechte und Pflichten für die Staatsbürger zu erzeugen. 174 Zum anderen aber ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzesvorbehalt seine Aufnahme in die Verfassung sowohl der Idee einer bürgerlichen Beteiligung an der Staatsgewalt als auch dem Gedanken an den Schutz vor willkürlichen Akten des Lan171 172 173 174

2*

Vgl. Romen/Rissom, § 149 MStGB, Anm. 3b), S. 798; dies., S. 48. Delius, AöR 11 (1896), S. 90. Vgl. Dietz, Militärstrafrecht, S. 65 f. Siehe dazu schon oben sub III. 2. d).

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desherrn verdankte. 175 Die von der Verfassung selbst nicht vorgesehene Beschränkung des Gesetzesvorbehaltes im Bereich des administrativen Waffengebrauchs hatte mithin nicht nur eine den Gewaltenteilungsgrundsatz verletzende Verschiebung der Rechtsetzungskompetenz von der Legislative auf die Exekutive zur Folge, sondern verstieß darüber hinaus auch noch gegen fundamentale demokratische und rechtsstaatliche Forderungen, die als grundlegende Strukturprinzipien des Staates Eingang in die Verfassungsurkunde gefunden hatten. Damit wird zugleich auch deutlich, daß die als Vorteil gepriesene Flexibilität der Dienstvorschriften aus verfassungsrechtlicher Sicht die Gefahr der Willkürlichkeit in sich barg und somit den durch die Verfassung geschaffenen Schutz der körperlichen Integrität der Staatsbürger völlig illusorisch zu machen drohte. 176 Demgegenüber können aber die vorstehend wiedergegebenen, allenfalls mehr oder weniger überzeugenden Evidenzappelle und Argumentationen aus der Natur der Sache heraus, deren sich der genannte Teil des Schrifttums zur Rechtfertigung seiner Auffassung bedient hatte, insbesondere aufgrund des völlig fehlenden Ansatzpunktes in der Verfassung keineswegs als zur Befürwortung einer Einschränkung des Gesetzesvorbehaltes ausreichende Begründung bezeichnet werden. Eine Ausnahme vom verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalt der Art. 5 und 36 pr. Verf. 1850 kann mithin auch und gerade im Bereich des militärischen Waffengebrauchs gegenüber der Zivilbevölkerung nicht anerkannt werden. Damit existiert indessen unverändert das Problem, daß zur Zeit der Gründung der Feldgendarmerie die durch § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 vorausgesetzte polizeiliche Tätigkeit des Militärs zwar einerseits aus verfassungsrechtlichen Gründen einer gesetzlichen Rechtsgrundlage bedurft hätte, diese aber andererseits weder im Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs zu finden war noch im übrigen geschriebenen Recht des preußischen Staates eine einheitliche Regelung erfahren hatte. 177 Soweit diese Schwierigkeit von der zeitgenössi175

Vgl. dazu ausführlich Ossenbühl, HdbStR III, S. 323 Rn. 14 m.w.N. So ausdrücklich Wilfling, S. 11 Fn. 15 a.E. 177 Konsequenterweise kommen dann auch diejenigen Autoren, nach deren Meinung die Art. 5 und 36 pr. Verf. 1850 einen formellen Gesetzesvorbehalt enthielten (so etwa Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 13, und Liepmann, S. 17 f. Fn. 2), zu dem Ergebnis, daß es nach dem Inkrafttreten der preußischen Verfassung vom 31.01.1850 „keine verfassungsgerechte gesetzliche Regelung der Befugnisse der bewaffneten Macht zur Ausübung staatlicher Zwangsgewalt einschließlich des Waffengebrauchs gegenüber Zivilpersonen" gegeben habe (so wörtlich Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 17; im Ergebnis wohl auch Liepmann, a. a. O.). Demgegenüber ist jedoch - wie schon an früherer Stelle (s. o. Fn. 73) - auch in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, daß der durch die genannten Verfassungsbestimmungen statuierte Gesetzesvorbehalt tatsächlich ein solcher des materiellen Gesetzes war. Daher konnten die Voraussetzungen einer polizeilichen Mitwirkungsbefugnis des Militärs letztlich sogar einem ungeschriebenen Rechtssatz oder einer im Rang unterhalb des formellen Gesetzes stehenden Norm des geschriebenen Rechts entnommen werden (vgl. Anschütz, Art. 5 pr. Verf. 1850, S. 141; ders., VerwA 1 (1893), S. 450). 176

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sehen Rechtslehre überhaupt zur Kenntnis genommen wurde, 178 kam es zur Entwicklung unterschiedlicher Lösungsansätze.179 So griff etwa Laband noch im Jahre 1914 abermals auf die dem Gesetz vom 20.03.1837 zugrunde liegenden vorkonstitutionellen Anschauungen zurück und instrumentalisierte sie für das Unterfangen, die gegen die Einwohner der elsässischen Stadt Zabern gerichteten Aktionen des preußischen Militärs 1 8 0 zu rechtfertigen. Dabei ging er von der Erkenntnis aus, daß der § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 das Recht des Militärs, „zur Aufrechterhaltung des Landfriedens und der Staatsordnung und Staatsgewalt" tätig zu werden, nicht etwa selbst begründete, sondern vielmehr als zweifellos bestehend voraussetzte. Daraus zog er dann den Schluß, daß das Militär die selbständige Aufgabe habe, „die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit aufrechtzuerhalten und zu diesem Zweck aufzutreten." Es habe daher nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, aus polizeilichen Gründen notfalls auch mit Waffengewalt gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. 181 Indessen ging eine solche Anknüpfung an altpreußische Überlegungen schon im Ansatz fehl, da es nach Inkrafttreten der preußischen Verfassung vom 31.01.1850 nicht mehr möglich war, polizeiliche Mitwirkungsrechte des Militärs alleine deshalb als bestehend anzusehen, weil deren Existenz auch von einem vorkonstitutionellen Gesetz nicht bezweifelt wurde. Stattdessen mußte vor dem Hinter-

178

Ganz offensichtlich war zahlreichen Autoren nicht einmal bewußt geworden, daß das Gesetz vom 20.03.1837 keine eigenständige Regelung der Voraussetzungen enthielt, unter denen das Militär aus polizeilichen Gründen gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen berechtigt war. So befaßte sich beispielsweise Mayer, Militärstrafrecht I, S. 112, zwar kurz mit der Frage, ob es aus rechtssystematischen Erwägungen heraus nicht wünschenswert wäre, die Bestimmungen über den militärischen Waffengebrauch de lege ferenda in das Militärstrafgesetzbuch zu überführen (dagegen ausführlich Wilfling, S. 15 f.). Zweifel daran, daß das Gesetz vom 20.03.1837 die Voraussetzungen des Einsatzes von Waffen durch das Militär erschöpfend regelte, hegte er indessen nicht. Auch die Darstellungen des militärischen Waffengebrauchsrechts bei von Rönne I, S. 451 f., und Zimmermann, GA 30 (1882), S. 412, gingen mit keinem einzigen Wort auf diese Problematik ein. 179 Abgesehen von den bereits oben in Fn. 177 erwähnten Autoren vertrat - soweit ersichtlich - bemerkenswerterweise niemand die Ansicht, daß der zu polizeilichen Zwecken erfolgende Waffengebrauch des Militärs gegenüber der Zivilbevölkerung de lege lata weitgehend unzulässig war. Insoweit zeichnen sich jedoch die Ausführungen Wilflings durch eine erstaunliche Inkonsequenz aus, denn obwohl er das im Text geschilderte Problem klar erkannte (vgl. Wilfling, S. 175: „Die Regelung des Waffengebrauchs des Heeres [...] kann zurzeit in formeller Hinsicht kaum [...] als einwandfrei und den berechtigten Anforderungen des modernen Verfassungsrechtes entsprechend bezeichnet werden."), verzichtete er darauf, sich einer der im übrigen Schrifttum vertretenen Lösungsmöglichkeiten anzuschließen oder einen eigenständigen Ausweg zu erarbeiten. Wenn er dann jedoch im folgenden (S. 178 ff.) das Gesetz vom 20.03.1837 gleichwohl für uneingeschränkt anwendbar hielt, so kam dies einer aus rechtlicher Sicht keinesfalls befriedigenden Kapitulation vor der „normativen Kraft des Faktischen" gleich. 180 Siehe dazu oben Fn. 123. 181 Laband, DJZ 1914, Sp. 188 f.

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grund der verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalte der Art. 5 und 36 pr. Verf. 1850 gerade umgekehrt vor der Anwendung eines solchen Regelwerkes erst einmal nachgewiesen werden, daß die von diesem als selbstverständlich vorausgesetzte Rechtsgrundlage für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch das Militär auch tatsächlich vorhanden war. 1 8 2 Durch das Inkrafttreten der preußischen Verfassung hatte mithin eine Vorverlagerung der für den militärischen Waffengebrauch gegenüber Zivilpersonen entscheidenden Fragestellung stattgefunden, da nicht mehr nur zu problematisieren war, wann das Militär von der Waffe Gebrauch machen durfte, wenn es einschritt, sondern vielmehr bereits hinterfragt werden mußte, ob die Armee überhaupt gegen die Bevölkerung vorgehen durfte. 183 Wenn demnach also Laband seine Auffassung damit begründete, die Befugnis des Militärs zur Ergreifung polizeilicher Maßnahmen habe schon deshalb bestanden, weil auch ein vorkonstitutionelles Gesetz von ihrem Vorhandensein ausging, so basierte diese in Zeiten des soldatischen Mitregimentes in allen Polizeiangelegenheiten noch durchaus zutreffende Argumentation seit der Umwandlung Preußens in einen Verfassungsstaat letztlich auf einem Zirkelschluß, da sie dasjenige, was sie mit Blick auf die Art. 5 und 36 pr. Verf. 1850 erst hätte belegen müssen, im Anschluß an das Gesetz vom 20.03.1837 als bereits gegeben voraussetzte. Ein völlig anders gearteter Vorschlag zur Lösung des Problems, daß es an einer einheitlichen gesetzlichen Regelung der polizeilichen Befugnisse des Heeres fehlte, fand sich bei Rehm, dessen Standpunkt allerdings von Wilfling zu Recht als „ganz merkwürdig und extrem" bezeichnete wurde. 184 Rehm ging nämlich davon aus, daß das allgemeine Notwehrrecht als Rechtsgrundlage für alle denkbaren Fälle des militärischen Waffengebrauches fungieren konnte, da dessen Zweck immer im Schutz der staatlichen Rechtsgüter vor einer gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Gefahr zu sehen sei. Das sei bei der Abwehr eines gegenwärtigen oder drohenden Angriffs auf die Person des seine Waffe gebrauchenden Soldaten oder auf die von diesem zu bewachenden Objekte evident, gelte aber ebenso auch dann, wenn es lediglich um die Brechung eines bloß passiven Widerstandes, um die Vereitelung der Flucht eines Gefangenen oder um die Erzwingung des Gehorsams gehe. Bei diesen Konstellationen handele es sich nämlich sämtlich um Fälle einer Ehrennotwehr, also um solche Notwehrhandlungen, durch die „die Würde des Militärdienstes, welche durch den Beruf, durch die Eigenschaft des Militärs als der bewaffneten Staatsmacht im Verhältnis zu anderen Staatsorganen eine gesteigerte ist, vertheidigt" werden solle. 185 182

Vgl. Otto Mayer I, S. 309 Fn. 26. Vgl. Plöttner, S. 47. 184 Wilfling, S. 173. 185 Rehm, S. 160. Daß die Verteidigungshandlung dann auch noch ausgerechnet mit der Waffe erfolgen durfte, war nach Rehm, a.a.O., auf „die in ihrer Bedeutung als 183

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Angesichts solcher Ausführungen, die wohl eher einer gefühlsmäßigen als einer juristischen Annäherung an das zu lösende Problem entsprangen, 186 bedarf es keiner umfangreichen Diskussion, um die Ansicht Rehms als unhaltbar abzulehnen. Es mag daher genügen, mit Liepmann und Otto Mayer darauf hinzuweisen, daß zwar einerseits die Ehre ohne Zweifel ein notwehrfähiges Rechtsgut darstellte, dieser Befund aber andererseits keinesfalls dazu berechtigte, eine besondere soldatische Ehrennotwehr anzuerkennen, die auch dann als Rechtstitel für den „Waffengebrauch zu allerlei Zwecken" zu fungieren geeignet sein sollte, wenn der Erlaubnistatbestand des Notwehrrechts an sich nicht erfüllt war. 1 8 7 Erheblich schwieriger gestaltet sich hingegen die Auseinandersetzung mit der Auffassung von Reinhardts, der zwar grundsätzlich eine gesetzliche Regelung des administrativen Waffengebrauchs für erforderlich hielt, gleichwohl aber behauptete, daß die militärischen Dienstvorschriften solange als Rechtsgrundlagen herangezogen werden könnten, wie es an einem entsprechenden Gesetz noch fehle. Obgleich durch die Dienstvorschriften „unzweifelhaft in die wichtigsten Güter der Staatsuntertanen eingegriffen" werde und „das Bedenkliche eines derartigen Verfahrens den Schriftstellern, welche auf dasselbe hingewiesen haben, sicherlich zuzugeben" sei, könne doch die Rechtsgültigkeit der einschlägigen Instruktionen „in den meisten Fällen nicht in Zweifel gezogen werden". Diese bestünden „nämlich meist schon seit langer Zeit" und seien „stets anerkannt worden, ohne daß von den Parlamenten oder sonst zuständigen staatlichen Faktoren Widerspruch erhoben worden wäre, so daß vielleicht bereits ein Gewohnheitsrecht in dieser Richtung angenommen werden" müsse. 188 Gleichwohl scheint von Reinhardt selbst an der Schlüssigkeit dieser Beweisführung gezweifelt zu haben, denn im unmittelbaren Anschluß daran berief er sich zusätzlich auch noch darauf, daß »jedenfalls die faktische Gültigkeit der betreffenden Verordnungen nicht bestritten werden" könne. 189 In der Tat muß der Behauptung einer gewohnheitsrechtlichen Verfestigung bestimmter Handlungsformen schon grundsätzlich mit einiger Skepsis begegnet werden, weil sie sich vor allem immer dann einer besonderen Beliebtheit erfreut, wenn sich andere materiell-rechtliche Rechtsgrundlagen zur Verteidigung einer gängigen Pra-

Rechtsquelle so viel verkannte ,Natur der Sache' (!)" zurückzuführen. Die Zulässigkeit der Anwendung der Dienstwaffe im Rahmen einer jeden Notwehrhandlung folge ebenfalls aus dem Wesen des Militärs als der bewaffneten Staatsmacht und stelle somit ein militärisches Berufsrecht dar. 186 So Plöttner, S. 62. 187 Liepmann, S. 39; Otto Mayer I, S. 311 Fn. 28. In der Tat fällt es nicht leicht, sich vorzustellen, daß der Fluchtversuch eines Gefangenen einen zur Verteidigung mit Waffengewalt berechtigenden Angriff auf die Ehre des Bewachers darstellen soll! 188 Zitiert nach Plöttner, S. 57. 189 Zitiert wiederum nach Plöttner, a.a.O. (s.o. Fn. 188).

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xis nicht oder nur schwer nachweisen lassen. Obschon diese Erkenntnis für sich allein genommen sicherlich nicht ausreicht, um die Ansicht von Reinhardts abzulehnen, kann ihm letztlich doch nicht zugestimmt werden, da noch weitere gewichtige Gegenargumente vorhanden sind. So läßt sich nämlich in Anbetracht der Tatsache, daß es in der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne zwischen der Gründung der Feldgendarmerie und dem Ende des ersten Weltkrieges insgesamt drei verschiedene Instruktionen über den militärischen Waffengebrauch gegeben hat, 1 9 0 mit Recht zunächst einmal schon in Frage stellen, ob auch nur ein einziges dieser Regelwerke zu der für die Annahme von Gewohnheitsrecht notwendigen langandauernden und gleichmäßigen Übung geführt haben kann. Zudem leidet die Argumentation von Reinhardts an dem Fehler, daß sie sofort versagen müßte, wenn eine bestehende Dienstvorschrift durch eine neue Instruktion abgelöst würde, die völlig neue Grundsätze für den Einsatz von Waffen aufstellte. Dann nämlich könnte keinesfalls mehr davon gesprochen werden, daß eine anerkannte Praxis vorliege. 191 Schließlich dürfte auch das Vorliegen der zweiten Voraussetzung für das Entstehen von Gewohnheitsrecht zu verneinen sein, denn daß von der erforderlichen opinio juris aufgrund der gänzlich unterschiedlichen Begründungsbemühungen für das Bestehen des Rechts zum Einsatz von Waffen gegen Zivilpersonen angesichts des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts nicht ernsthaft die Rede sein konnte, ist evident. Kann somit von Reinhardt schon nicht beigepflichtet werden, soweit er mit Gewohnheitsrecht argumentiert, so läßt sich der Behauptung einer faktischen Geltung der Dienstvorschriften erst recht nicht entnehmen, daß diese als taugliche Rechtfertigungen für den militärischen Waffengebrauch gegenüber der Zivilbevölkerung zu fungieren geeignet waren. Die rein faktische Geltung der Instruktionen hatte nämlich keine weitergehende Bedeutung, als daß diese in der Praxis regelmäßig beachtet wurden. Über die Rechtmäßigkeit dieser Praxis war damit jedoch noch überhaupt nichts gesagt. Innerhalb des dogmatischen Rahmens seiner Zeit entwickelte einzig Otto Mayer eine tragfähige Lösung. Dieser respektierte die in der Verfassung festgeschriebenen Gesetzesvorbehalte ohne jede Einschränkung, interpretierte sie jedoch übereinstimmend mit den übrigen Staats- und Verwaltungsrechtslehrern als Vorbehalte im materiellen Sinne. Er konnte sich daher darum bemühen, das Fehlen einer einheitlichen gesetzlichen Regelung der polizeilichen Mitwirkungsrechte der Armee durch den Rückgriff auf diverse Spezialgesetze und aner190

Es waren dies die „Instruktion über den Waffengebrauch des Militärs und über die Mitwirkung desselben zur Unterdrückung innerer Unruhen" vom 01.05.1851 (pr. MilGS V, S. 100), die gleichnamige Instruktion vom 23.03.1899 (übereinstimmend genannt von Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 15, und Liepmann, S. 15 Fn. 2), sowie die „Vorschrift über den Waffengebrauch des Militärs und seine Mitwirkung zur Unterdrückung innerer Unruhen" vom 19.03.1914 (abgedruckt als Anhang V bei Fuhse, S. 259 ff.). 191 Vgl. Plöttner, S. 72.

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kannte allgemeine straf- und verwaltungsrechtliche Grundsätze zu kompensieren. Für besonders bedeutsam hielt er insoweit das bereits an anderer Stelle ausführlich vorgestellte verwaltungsrechtliche Selbstverteidigungsrecht des Militärs, 192 denn da die Armee als staatliche Einrichtung zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehöre, stelle der Schutz ihrer dienstlichen Tätigkeit vor rechtswidrigen Störungen ebenso wie die Abwehr von Straftaten gegen Soldaten oder militärisches Material ein Kernstück polizeilicher Tätigkeit dar. Dementsprechend trete also das Militär im Sinne des § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 zunächst einmal immer dann zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit auf, wenn die Voraussetzungen vorlägen, unter denen das Rechtsinstitut der Anstaltspolizei den Organen der Armee ein Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung ermögliche. Darüber hinaus sei jedoch auch noch in weiteren Fällen von einem polizeilichen Auftreten des Militärs gegenüber der Zivilbevölkerung auszugehen. So handele es sich etwa auch bei der Ausübung der durch die §§ 2 Nr. 1; 3 I des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit begründeten und später in der nachfolgenden Vorschrift des § 127 I RStPO geregelten Festnahmebefugnis um eine polizeiliche Tätigkeit, da eine dadurch bewirkte Freiheitsentziehung „die strafbare Handlung [...] kräftig" unterbreche und daher einen strafprozessualen Charakter habe. 193 Zudem könne selbst das allgemeine Nothilferecht den Zweck erfüllen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten, sofern es dazu benutzt werde, einem in Ausübung seiner Dienstpflichten auf Widerstand treffenden Polizeibeamten beizustehen. Zwar sei die Nothilfe ein Jedermannrecht, dessen Ausübung auch Privatpersonen gestattet sei. Soweit jedoch den Armeeangehörigen die Unterstützung der in eine Notwehrlage geratenen Polizeimannschaften durch entsprechende Anordnungen in den militärischen Dienstinstruktionen zur Pflicht gemacht worden sei, erfolge die Ausübung des Jedermannrechts gemäß § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 „in unserem Dienste zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit" und stelle mithin eine polizeiliche Maßnahme dar. Schließlich sprach Otto Mayer auch dann von polizeilicher Gewaltausübung des Militärs, wenn dieses in den schon oben in Fußnote 127 aufgezählten Fällen zulässigerweise von einer Zivilbehörde um Unterstützung ersucht wurde oder im Kriege bzw. anläßlich eines inneren Aufruhrs nach Maßgabe des Gesetzes über den Belagerungszustand zum Einsatz kam, um eine „dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit" abzuwehren. 194 192

Siehe dazu oben unter EI. 2. d). Konsequenterweise hätte Otto Mayer in diesem Zusammenhang auch den § 6 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit nennen müssen, denn daß diese Norm der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit diente, läßt sich aufgrund ihres präventiv-polizeilichen Regelungsgehalts [vgl. dazu oben DI. 2. e) aa)] nur schwerlich bestreiten. 194 Ausführlich dazu oben unter III. 2. e) ee). Zum Ganzen: Otto Mayer I, S. 309 ff. 193

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Diese Gedankenführung wurde später im Hinblick auf die durch das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung geschaffene Rechtslage von Liepmann 195 unter Beifall in der Literatur 196 wieder aufgenommen. Auf dem Boden dieser Konzeption waren demzufolge die Angehörigen der preußischen Armee und damit auch die Feldgendarmen immer dann im Sinne des § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 aus polizeilichen Gründen im Landesinnern aufzutreten berechtigt, wenn die Voraussetzungen der von Otto Mayer genannten Rechtsinstitute und Gesetzesvorschriften vorlagen. bb) Die Fallgruppen des zulässigen Waffengebrauchs War diese Sachlage dann erst einmal eingetreten, gab es im wesentlichen vier Fallgruppen, in denen ein Soldat ohne Rechtsverstoß die ihm zur Verfügung stehenden Waffen einsetzen durfte. So bestimmte zunächst § 2 des Gesetzes vom 20.03.1837, daß sich das zur Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe kommandierte Militär mit Waffengewalt verteidigen und durchsetzen durfte, wenn es angegriffen oder mit einem Angriff gefährlich bedroht wurde oder auf tätlichen Widerstand stieß. 197 Dabei machte es keinen Unterschied, ob der dem Militär entgegengesetzte Widerstand aktiver oder passiver Natur war. Entscheidend war vielmehr allein der Umstand, daß die polizeiliche Tätigkeit der Armee überhaupt auf ein Hindernis traf, das nur durch die Anwendung von Gewalt sofort beseitigt werden konnte und dessen rasche und durchgreifende Überwindung im Interesse der Aufrechterhaltung der staatlichen Autorität und der Sicherheit des einschreitenden Militärs geboten war. 1 9 8 Das ließ sich nicht zuletzt 195

S. 38 ff. 196 Ygj piöttner, S. 58, der die Ausführungen Liepmanns „als logisch durchgeführt und auf jeden Fall nicht so einfach von der Hand zu weisen" bezeichnete. Liepmann hätte es jedoch nicht unterlassen dürfen, darauf hinzuweisen, daß es sich bei seiner Darstellung im wesentlichen um die Rezeption und den Ausbau von Gedankengut handelte, für das Otto Mayer bereits die Grundlagen gelegt hatte. 197 Mayer; Militärstrafrecht I, S. 113, ist der Auffassung, daß dieser Rechtstitel nicht über die Grenzen des allgemeinen Notwehrrechts hinausgehe und daher keine eigenständige Bedeutung erlangen könne. Dem wird jedoch von Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 863, zu Recht entgegengehalten, daß der Waffengebrauch gemäß § 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 auch unabhängig von der Gegenwärtigkeit eines Angriffes zulässig sei, da dieser anders als bei der Notwehr nicht schon unmittelbar bevorstehen müsse, sondern lediglich Gegenstand einer gefährlichen Drohung zu sein brauche (im Ergebnis zustimmend auch Dietz, Militärstrafrecht, S. 65). Soweit Grützmacher (a.a.O.) jedoch darüber hinaus auch die Erforderlichkeit der auf § 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 gestützten Verteidigung für entbehrlich hält, kann dem keinesfalls gefolgt werden, da § 7, 1 des Gesetzes vom 20.03. 1837 ausdrücklich vorsah, daß das Militär von seinen Waffen nur Gebrauch zu machen befugt war, wenn „es zur Erreichung der in den vorstehenden §§ 2 bis 6 angegebenen Zwecke erforderlich ist" (zutreffend Mayer, Militärstrafrecht I, S. 113). 198 Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 864.

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dem § 3 des Gesetzes vom 20.03.1837 entnehmen, da dieser sowohl einen besonderen Fall des passiven Widerstandes als auch eine spezielle Konstellation der aktiven Bedrohung normierte. 199 Gemäß § 3 des Gesetzes vom 20.03.1837 war das Militär nämlich zum einen befugt, sich mit Gewalt Gehorsam zu verschaffen, wenn es „zur Ablegung der Waffen oder anderer zum Angriffe oder zum Widerstande geeigneter oder sonst gefährlicher Werkzeuge" aufgefordert hatte und „dieser Aufforderung nicht sofort Folge geleistet" wurde. Andererseits gestattete die Norm jedoch ebenso die gewaltsame Durchsetzung derjenigen Anordnungen, die erforderlich wurden, weil eine Zivilperson die zuvor bereits „abgelegten Waffen oder Werkzeuge wieder aufgenommen" hatte. Während demzufolge die §§ 2 und 3 des Gesetzes vom 20.03.1837 lediglich im Verhältnis lex generalis zu lex specialis zueinander standen, wurde durch die §§4 und 5 des Gesetzes vom 20.03.1837 eine weitere Fallgruppe des rechtmäßigen militärischen Waffengebrauchs geregelt. Beide Vorschriften ermächtigten das Militär nämlich dazu, etwaige Fluchtversuche verhafteter Personen notfalls durch den Einsatz von Waffen zu unterbinden. So hieß es etwa in § 4 des Gesetzes vom 20.03.1837, daß die Armee ihre Waffen benutzen dürfe, falls bei einer „Arrestation der bereits Verhaftete entspringt oder auch nur einen Versuch dazu macht." In ähnlicher Weise gestattete § 5 des Gesetzes vom 20.03.1837 einem Soldaten, seine Waffen zu verwenden, „wenn Gefangene, welche ihm zur Abführung oder zur Bewachung anvertraut sind, vom Transporte oder aus Gefängnissen zu entfliehen versuchen". 200 Darüber hinaus räumte das Gesetz vom 20.03.1837 dem aus polizeilichen Gründen gegen die Zivilbevölkerung einschreitenden Militär auch noch eine dritte Möglichkeit ein, in rechtmäßiger Weise Waffen zu verwenden. Gemäß § 6 des Gesetzes vom 20.03.1837 war ,jede Schildwache (die Ehrenposten mit eingerechnet)" berechtigt, „sich zum Schutze der ihrer Bewachung anvertrauten Personen oder Sachen nöthigen Falls der Waffen zu bedienen", wobei es keineswegs darauf ankam, ob das Einschreiten durch die bewachte Person selbst oder durch einen Dritten veranlaßt worden war. 2 0 1 Die vierte Fallgruppe zuläs199 Dietz-Grützmacher, a.a.O. (s.o. Fn. 198); Romen/Rissom, § 149 MStGB, Anm. 3b) S. 798. 200 Sowohl § 4 als auch § 5 des Gesetzes vom 20.03.1837 setzten demzufolge voraus, daß die Festnahme bereits vollzogen war, der Arrestant sich also tatsächlich schon in der Gewalt der gegen ihn einschreitenden Militärperson befunden hatte. Gegen Personen, die sich einer erst noch durchzusetzenden Verhaftung zu entziehen versuchten, kam mithin der Einsatz von Waffen auf der Grundlage der §§4 und 5 des Gesetzes vom 20.03.1837 nicht in Betracht (van Calker, S. 8 f.; Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 864; Mayer, Militärstrafrecht I, S. 113). 201 Mayer, Militärstrafrecht I, S. 112; für Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 864, lag es „in der Natur der Sache, daß die in § 6 des Gesetzes vom 20.03.1837 ausdrücklich nur für Schildwachen gegebenen Vorschriften analog auch für Patrouillen, Transportkommandos und überhaupt für alle Militärpersonen gelten, denen die Bewachung von Personen oder Sachen dienstlich anvertraut ist."

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sigen militärischen Waffengebrauchs betraf schließlich die Unterdrückung innerer Unruhen. Insoweit hatte der Gesetzgeber allerdings darauf verzichtet, die Voraussetzungen, unter denen Waffen eingesetzt werden durften, unmittelbar im Gesetz vom 20.03.1837 niederzulegen. Vielmehr hatte er sich aus Gründen der Effektivität der Gesetzgebungstechnik damit begnügt, in § 11 des Gesetzes vom 20.03.1837 auf die Bestimmungen der preußischen Tumultverordnung aus dem Jahre 1835 zu verweisen, da deren §§ 8 bis 10 sowie die diese Vorschriften ergänzenden und kraft ausdrücklicher Bezugnahme im Anhang der Tumultverordnung fortgeltenden §§ 6 bis 8 der alten Verordnung vom 30.12.1798 bereits die notwendigen Regelungen für das Verhalten der Armee anläßlich von Aufläufen und Tumulten enthielten. Danach durfte das Militär gegen Menschenmengen einschreiten, „um allem Unfug vorzubeugen und den Auflauf zu unterdrücken" bzw. „um den zusammengelaufenen Haufen auseinander zu treiben und die Ruhe wiederherzustellen." Voraussetzung war jedoch grundsätzlich, 202 daß dem militärischen Einschreiten eine entsprechende Aufforderung durch die jeweils zuständige Zivilbehörde vorangegangen war. 2 0 3 War dies der Fall, so hatte der

Obgleich eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereiches einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung im Wege eines nur mit der Natur der Sache begründeten Analogieschlusses insbesondere mit Blick auf die verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalte der Art. 5 und 36 pr. Verf. 1850 in höchstem Maße bedenklich erscheint, wurde die durch Grützmacher geäußerte Ansicht auch von Dietz, Militärstrafrecht, S. 66; Mayer, Militärstrafrecht I, S. 112, und RomenIRissom, § 149 MStGB, Anm. 3b) S. 799, geteilt. Indessen dürfte sich dieses Problem im wesentlichen dadurch auf eine rein theoretische Fragestellung reduziert haben, daß wohl kaum ein Sachverhalt denkbar war, in dem nicht neben § 6 des Gesetzes vom 20.03.1837 auch das allgemeine Nothilfebzw. Notwehrrecht als Rechtsgrundlage in Frage kam. Soweit nämlich Dietz-Grützmacher, a.a.O., auch im Zusammenhang mit § 6 des Gesetzes vom 20.03.1837 die Behauptung aufstellte, die darauf gestützte Verteidigungshandlung müsse im Gegensatz zur Rechtslage beim allgemeinen Notwehrrecht nicht erforderlich sein, kann dem wie schon bei der Betrachtung des § 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 im Hinblick auf die Norm des § 7, 1 dieses Gesetzes nicht beigetreten werden. Die Frage, ob der von Grützmacher propagierte Analogieschluß aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus abzulehnen ist oder nicht, kann daher an dieser Stelle letztlich unentschieden bleiben. 202 Vgl. zu den Ausnahmen das preußische „Gesetz über den Belagerungszustand vom 04.06.1851 [dazu oben III. 2. e) ee)]. 203 Vgl. zu den Einzelfällen der zulässigen Requisition der Armee oben Fn. 127; die Entscheidung darüber, ob das Heer zur Unterstützung herangezogen werden sollte oder nicht, lag im alleinigen Ermessen der Zivilbehören (Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 863). Wurde die Armee dann jedoch tatsächlich einmal um ihren Beistand gebeten, so hatte gemäß § 8, 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 nicht die ersuchende Zivilbehörde, „sondern das Militär und dessen Befehlshaber zu beurtheilen, ob und in welcher Art zur Anwendung der Waffen geschritten werden" sollte. Damit aber die sonach erforderlichen Anordnungen „von Seiten des requirirten Militär-Befehlshabers [...] mit Zuverlässigkeit getroffen" werden konnten, bestimmte § 8, 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 in Übereinstimmung mit § 2 der Dienstinstruktion über den Waffengebrauch des Militärs ergänzend, daß „die Zivil-Behörde [...] in jedem Falle, in welchem sie die Hilfe des Militärs nachsucht, den Gegenstand und den Zweck, wozu sie verlangt wird, bestimmt angeben" mußte.

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kommandierende Offizier oder Unteroffizier gemäß § 8 der Tumultverordnung i.V.m. § 8 der Verordnung vom 30.12.1798 zunächst „den versammelten Haufen mit lauter Stimme aufzufordern, ruhig zu seyn und sogleich auseinander zu gehen". 204 Erst dann, wenn diese Anordnung trotz zweifacher Wiederholung 205 erfolglos blieb, 2 0 6 war das Militär berechtigt, „durch Waffengebrauch den schuldigen Gehorsam" zu erzwingen, doch mußte es gemäß § 7 I 2 der Verordnung vom 30.12.1798 zuvor noch prüfen, ob nicht „gelindere Mittel wirksam seyn sollten". 207 Daneben war es gemäß § 9 der Tumultverordnung aber auch noch zulässig, daß die bewaffnete Macht „auf Anordnung ihres Befehlshabers von der Schusswaffe Gebrauch" machte. Voraussetzung dafür war jedoch, daß den eingesetzten Soldaten „thätlicher Widerstand entgegengesetzt oder sogar ein Angriff auf dieselben mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen unternommen [oder] mit Steinen oder anderen Gegenständen nach denselben geworfen" wurde. 208 Damit war jedoch die Zahl der Rechtstitel für den zulässi204 Wenn also Dietz, Militärstrafrecht, S. 66, behauptet, dem militärischen Waffengebrauch habe keine Androhung vorausgehen müssen, so kann dem in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden, da der im Text erwähnten Aufforderung, die vor dem gewaltsamen Einschreiten gegen eine Menschenmenge zwingend vorgeschrieben war, ohne Zweifel eine ausgeprägte Warnfunktion zukam. 205 Gemäß § 8, 3 der Verordnung vom 30.12.1798 durfte das „Zeichen der Entfernung" auch „durch Trommelschlag oder Trompetenschall" gegeben werden, wenn „der versammelte Volkshaufen so zahlreich [war], daß der Zuruf nicht auf eine vernehmliche Art geschehen" konnte. 206 Da somit lediglich eine andauernde und hartnäckige Untätigkeit Voraussetzung für die Zulässigkeit des militärischen Waffengebrauchs gegen eine Menschenmenge war, bezeichnete Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 864, diese Konstellation nicht ganz zu Unrecht als einen Unterfall des bereits durch § 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 geregelten passiven Widerstands. Gleichwohl dürfte die Einstufung des Waffeneinsatzes bei öffentlichen „Aufläufen und Tumulten" (so die Formulierung in § 11 des Gesetzes vom 20.03.1837) als eine selbständige Fallgruppe schon deshalb gerechtfertigt sein, weil das Vorgehen gegen eine Menschenmenge im Verhältnis zum Einschreiten gegen Einzelpersonen doch ein aliud darstellt. Dementsprechend wird in der heutigen Zeit der Schußwaffengebrauch gegen eine Menschenmenge beispielsweise auch durch § 15 II UZwGBw deutlich von dem gegen einzelne Personen abgegrenzt. 207 Ebenso wie in § 7, 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 war somit auch in § 7 I 2 der Verordnung vom 30.12.1798 der Grundsatz der Erforderlichkeit festgeschrieben worden. Dabei handelte es sich jedoch nicht etwa um eine überflüssige Doppelnormierung. Da nämlich § 7, 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 seinem unmißverständlichen Wortlaut zufolge lediglich auf die „vorstehenden §§ 2 bis 6" anwendbar war, die Tumultverordnung aber durch § 11 des Gesetzes vom 20.03.1837 in Bezug genommen wurde, hätte der Erforderlichkeitsgrundsatz im Bereich des militärischen Waffengebrauchs anläßlich von »Aufläufen und Tumulten" vielmehr grundsätzlich keine Gültigkeit beanspruchen können, wenn er nicht durch § 7 I 2 der Verordnung vom 30.12. 1798 nochmals ausdrücklich normiert worden wäre. 208 Auf den ersten Blick scheint sich diese Bestimmung inhaltlich in keiner Weise von den Regelungen des § 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 zu unterscheiden. Bei genauerer Betrachtung läßt sich jedoch rechtsfolgenseitig eine signifikante Divergenz zwischen den beiden Vorschriften feststellen. Während nämlich § 2 des Gesetzes vom

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gen Waffeneinsatz der Armee im Landesinneren bereits erschöpft; jeder militärische Waffengebrauch, der davon nicht erfaßt wurde, stand daher im Widerspruch zur Rechtsordnung.

20.03.1837 ganz allgemein den Einsatz von Waffen gestattet, spricht § 9 der Tumultverordnung ausdrücklich davon, daß das Militär unter den im Text wiedergegebenen Voraussetzungen sofort von der Schußwaffe Gebrauch machen dürfe. Daraus kann nun aber keinesfalls geschlossen werden, daß im Anwendungsbereich des § 9 der Tumultverordnung der in § 7 I 2 der Verordnung vom 30.12.1798 festgeschriebene Erforderlichkeitsgrundsatz hinsichtlich der Wahl des Verteidigungsmittels keine Gültigkeit beanspruchen könne (so aber Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 864, und Dietz, Militärstrafrecht, S. 65). Vielmehr bringt die unterschiedliche Gesetzesfassung lediglich zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber das von einer Menschenmenge ausgehende Gefährdungspotential grundsätzlich wesentlich höher einschätzte als bei der Bedrohung durch einzelne Personen. Zwar ist nicht zu bestreiten, daß das handelnde Militär gemäß § 9 der Tumultverordnung auch zum sofortigen Schußwaffengebrauch gegen eine Menschenansammlung berechtigt war. Andererseits aber läßt sich daraus nicht der Schluß ziehen, daß die Armee durch § 9 der Tumultverordnung in jedem Fall gezwungen war, die ihr zur Verfügung stehenden Schußwaffen einzusetzen. Es wäre nämlich geradezu widersinnig anzunehmen, daß das Militär automatisch seine Schußwaffen verwenden mußte, sobald es gegen eine sich tätlich widersetzende Menschenmenge einschritt. Wenn das Militär seine Verteidigung auch ohne Schußwaffen sicherstellen konnte, so war es doch gänzlich unnötig, gleichwohl auf Zivilpersonen zu schießen (ähnlich Laband, DJZ 1914, Sp. 188 f., zum militärischen Waffengebrauch im allgemeinen). Sinnvoll erscheint somit allein, im Wege eines argumentum a fortiori ad minus zu dem Ergebnis zu gelangen, daß, wenn die Armee schon Schußwaffen einzusetzen berechtigt war, sie doch erst recht auch weniger gefährliche Verteidigungsmittel verwenden durfte. Dann aber kann der in § 7 I 2 der Verordnung vom 30.12.1798 verankerte Grundsatz der Erforderlichkeit auch nicht als durch die Rechtsfolgenanordnung des § 9 der Tumultverordnung verdrängt angesehen werden. Zumindest der Befehlshaber, der den Schußwaffengebrauch im Einzelfall anordnete, mußte daher vor der Befehlsgebung stets den Erforderlichkeitsgrundsatz prüfen. - Ebenso, wie sonach der § 7 I 2 der Verordnung vom 30.12.1798 entgegen einiger Stimmen in der Literatur in beiden Fallkonstellationen der zulässigen Verwendung von Waffen gegen eine Menschenansammlung beachtet werden mußte, war überdies auch die Vorschrift des § 10 der Tumultverordnung bei jedem Waffengebrauch anläßlich öffentlicher „Aufläufe und Tumulte" zu befolgen. Danach war der jeweilige Befehlshaber im Anschluß an den Einsatz der ihm unterstellten Truppen gehalten, eine amtliche Darstellung zu verfassen, in der er „über folgende Gegenstände Auskunft zu ertheilen" hatte: „Uber die Veranlassung seines Einschreitens; über den an den Haufen erlassenen Befehl, ob er ihn zu wiederholen genöthigt gewesen und die Wirkung desselben; ob eine thätliche Widersetzung stattgefunden, worin sie bestanden, ob von Seiten der Aufrührer ein Angriff mit Waffen oder anderen Werkzeugen erfolgt ist, ob mit Steinen oder anderen Gegenständen geworfen worden; ob und welchen Gebrauch er von den Waffen, insbesondere von der Schusswaffe, gemacht, und wie er den Auflauf gedämpft hat; endlich ob und was für Beschädigungen an Personen oder Sachen erfolgt sind. [...]. Die nähere Bezeichnung der Beschädigungen an Personen und Sachen, so weit es nöthig ist, erfolgt von der Polizeibehörde, wird dem Befehlshaber zugestellt und bildet einen Theil seiner Darstellung".

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cc) Die übrigen Vorschriften des Gesetzes vom 20.03.1837 Neben den im vorstehenden dargestellten Vorschriften, die die Einzelfälle des zulässigen militärischen Waffengebrauchs regelten, enthielt das Gesetz vom 20.03.1837 noch eine Reihe anderer Normen, deren nähere Betrachtung durchaus lohnenswert erscheint. Herauszuheben sind insoweit vor allem die Bestimmungen des § 7 des Gesetzes vom 20.03.1837, denn diese stellten sicher, daß das Maß des erlaubten Waffengebrauchs immer durch den Zweck des Vorgehens bestimmt wurde. 209 So war zunächst einmal in § 7, 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 vorgesehen, daß das Militär von seinen Waffen nur insoweit Gebrauch machen durfte, „als es zur Erreichung der in den vorstehenden §§ 2 bis 6 angegebenen Zwecke erforderlich ist." Zudem bestimmte § 7, 2 des Gesetzes vom 20.03.1837, daß Schußwaffen nur dann eingesetzt werden durften, „wenn entweder ein besonderer Befehl dazu ertheilt worden ist, oder wenn die anderen Waffen unzureichend erscheinen". 210 Damit enthielt also das Gesetz vom 20.03.1837 schon sehr frühzeitig eine rechtsstaatlichen Forderungen genügende Formulierung des Erforderlichkeitsprinzips. Ähnlich modern war überdies auch die Vorschrift des § 9 des Gesetzes vom 20.03.1837, da diese sich mit der Hilfeleistung für die durch den Einsatz von Waffen verletzten Personen befaßte: „Wenn Jemand durch Anwendung der Waffen von Seiten des Militärs verletzt worden, so liegt dem letzteren ob, sobald es die Umstände irgend zulassen, die nächste Polizeibehörde davon zu benachrichtigen; die Polizei-Behörde ihrerseits ist verpflichtet, die Sorge für die Verletzten zu übernehmen und die erforderlichen gerichtlichen Einleitungen zu veranlassen."211 209

Mayer, Militärstrafrecht I, S. 113. Die Tatsache, daß somit der Schußwaffengebrauch gemäß § 7, 2 das Gesetzes vom 20.03.1837 nicht nur im Fall des Versagens anderer Waffen, sondern vielmehr auch auf Befehl statthaft war, stellt nur scheinbar eine Einschränkung des Erforderlichkeitsprinzips dar. Da nämlich jedenfalls der jeweilige Befehlsgeber unverändert gemäß § 7, 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 gezwungen war, vor der Befehlsgebung das etwaige Vorhandensein milderer Mittel mit gleicher Eignung zu prüfen, durfte er den Schußwaffengebrauch im Ergebnis nur anordnen, wenn er zuvor den Grundsatz der Erforderlichkeit beachtet hatte. Auch dann, wenn der Schußwaffengebrauch befohlen wurde, stellte er also nur die ultima ratio dar (a.M.: Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 864). Hingegen fehlte es im Gesetz vom 20.03.1837 noch an einer Normierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im engeren Sinne. Daher dürfte Dietz-Grützmacher, a. a. O., zumindest insoweit zuzustimmen sein, als er darlegt, daß der von seinen Waffen Gebrauch machende Soldat nicht einmal vor einer Verletzung unbeteiligter Dritter zurückzuschrecken brauchte, „wenn er anders den ihm durch die Dienstpflicht gesteckten Zweck nicht erreichen" konnte. Dadurch unterschied sich das Gesetz vom 20.03.1837 noch deutlich von den heutigen Regelungen der Anwendung unmittelbaren Zwanges. So ist es beispielsweise der Bundeswehr gemäß § 16 II 2 UZwGBw sogar schon dann verboten zu schießen, wenn durch den Schußwaffengebrauch Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Ähnliche Regelungen beinhalten etwa auch die Vorschriften der §§ 12 II 2 UZwG; § 3 IV 1 PolGNW für den Schußwaffengebrauch der Vollzugsbeamten des Bundes bzw. der Polizeibeamten des Landes Nordrhein-Westfalen. 210

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Schließlich muß noch auf die Norm des § 10 des Gesetzes vom 20.03.1837 hingewiesen werden, denn darin hatte der Gesetzgeber nicht nur eine widerlegliche Beweisvermutung zugunsten des Militärs, sondern auch eine sogenannte „Beweisregel" für das gerichtliche Verfahren aufgenommen. So war gemäß § 10, 1 des Gesetzes vom 10.03.1837 bis zum Beweis des Gegenteils zu vermuten, daß das Militär beim Gebrauch seiner Waffen „innerhalb der Schranken seiner Befugnisse gehandelt habe". 212 Gemäß § 10, 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 profitierte die Armee überdies auch noch davon, daß „die Angaben derjenigen Personen, welche irgend einer Theilnahme an dem, was das Einschreiten der Militärgewalt herbeigeführt hat, schuldig oder verdächtig sind, [...] für sich allein keinen zur Anwendung einer Strafe hinreichenden Beweis für den Mißbrauch der Waffengewalt" zu erbringen geeignet waren. Im Gegensatz zur Beweisvermutung des § 10, 1 des Gesetzes vom 20.03.1837, die während der gesamten Gültigkeitsdauer des Gesetzes in Kraft blieb, stand die Beweisregel des § 10, 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 dem Militär lediglich bis zur Einführung der RStPO vom 01.02.1877 213 zur Seite. Da nämlich gemäß § 6 I 1 EGRStPO vom 01.02.1877 214 sämtliche prozessrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze, die mit den Regelungen der RStPO nicht zu vereinbaren waren, außer Kraft treten sollten, verlor auch die Beweisregel des § 10, 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 mit der Einführung der RStPO im Strafverfahren ihre Gültigkeit, 2 1 5 weil sie dem in § 260 RStPO 216 verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch das Gericht widersprach. 217 Für die Feldgendarmen hatte dies zur Folge, daß sie sich im Falle einer gerichtlichen Nachprüfung ihres 211

Noch heute enthält der Großteil der Gesetze, die die Anwendung unmittelbaren Zwanges betreffen, eine nahezu inhaltsgleiche Regelung, vgl. etwa §§13 UZwGBw; 5 UZwG; 57 HSOG; 72 VwVgNW; 60 PolGNW; § 60 POG RhlPf etc. 212 Eine solche widerlegliche Beweisvermutung steht auch im Strafverfahren selbst nach heutigem Verständnis nicht im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen. Sie verstößt zudem auch nicht gegen das Prinzip der freien Beweiswürdigung, da sie lediglich das Beweisthema anders stellt und die Grenzen der notwendigen Beweiserhebung sowie den Beziehungspunkt für die Beweiswürdigung ändert (Kleinknecht/ Meyer-Goßner, § 261 StPO Rn. 23). So wird beispielsweise auch gegenwärtig gemäß § 69 II StGB zum Nachteil der Täter bestimmter Delikte vermutet, daß sie zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet sind. 213 RGBl. 1877, S. 253. 214 RGBl. 1877, S. 346. 215 Hingegen blieb § 10, 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 durch das Inkrafttreten der RStPO am 01.10.1879 (vgl. § 1 EGRStPO i.V.m. § 1 EGGVG vom 27.01.1877, RGBl. 1877, S. 77) insoweit unberührt, als er im Disziplinarverfahren zur Anwendung kam, da die RStPO gemäß § 3 I EGRStPO nur für Strafverfahren galt, die vor den ordentlichen Gerichten zu verhandeln waren (zutreffend: Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 865). 216 Der alte § 260 RStPO ist im Zuge der Bekanntmachung der Texte des GVG und der StPO aufgrund der Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 04.01.1929 (RGBl. I 1924, S. 15)" im Jahre 1924 (RGBl. I 1924, S. 299) ohne inhaltliche Veränderungen durch den bis heute gültigen § 261 StPO abgelöst worden.

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Waffengebrauchs nur während der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne, die zwischen der Gründung ihrer Truppengattung im Jahre 1866 und dem Inkrafttreten der RStPO am 01.10.1879 lag, auf die Beweisregel des § 10, 2 des Gesetzes vom 20.03.1837 berufen konnten; alle übrigen Vorschriften des Gesetzes vom 20.03.1837 sowie der Tumultverordnung nebst Anhang waren hingegen bis zum Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung vom 11.08.1919218 unverändert gültig. dd) Die Dienstinstruktion vom 01.05.1851 Neben den bereits ausführlich dargestellten gesetzlichen Bestimmungen hatten die Feldgendarmen ebenso wie alle übrigen Waffenträger der Armee auch noch die Vorschriften der „Instruktion über den Waffengebrauch des Militärs und über die Mitwirkung desselben zur Unterdrückung innerer Unruhen" vom 01.05.1851 219 zu beachten, da die darin enthaltenen Anweisungen des Kriegsministeriums Befehlscharakter hatten. Ihrer Präambel zufolge diente diese Instruktion dem Zweck, „die kommandirenden Offiziere in den Stand zu setzen, von den bestehenden Bestimmungen über den Waffengebrauch des Militairs und dessen Mitwirkung zur Unterdrückung innerer Unruhen sich ohne Zeitverlust genau zu unterrichten und dadurch die richtige Anwendung derselben zu sichern". Dieser Zielsetzung entsprechend beschränkten sich die §§ 2 bis 4 und 7 bis 9 der Instruktion darauf, den Regelungsgehalt der §§ 7 bis 9 des Gesetzes vom 20.03.1837 sowie des § 8 der Tumultverordnung unter nur leichter Abwandlung des Wortlautes sinngemäß zu wiederholen. Darüber hinaus enthielt die Instruktion vom 01.05.1851 aber auch noch Vorschriften, deren Inhalt mit den bestehenden Gesetzen über den militärischen Waffengebrauch teilweise nicht in Einklang stand. So hieß es etwa in § 5 der Instruktion wörtlich:

217 Im Ergebnis ebenso: Delius, AöR 11 (1896), S. 98 f.; Dietz-Grützmacher, Stichwort „Waffengebrauch, administrativer", S. 865; Liepmann, S. 33 Fn. 2; Mayer, Militärstrafrecht I, S. 112 Fn. 1. Für den Bereich des Strafverfahrens hatte also das Prinzip der freien Beweiswürdigung das ältere prozeßrechtliche System der Beweisregeln vollständig verdrängt (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 261 StPO Rn. 11). Seither gibt es daher keine strafverfahrensrechtlichen Vorschriften mehr darüber, unter welchen Voraussetzungen der Richter eine Tatsache für bewiesen oder nicht bewiesen zu halten hat (vgl. BGHSt 10, 208, 209; 29, 18, 20; BGH NJW 1982, 2882, 2883). 218 Vgl. dazu oben Fn. 155. 219 Pr. MilGS V, S. 99. 23 Schütz

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„Ohne Requisition der Civilbehörde findet die Verwendung des Militairs [...] statt: l. [• • -]; 2 2 0 2. wenn bei Störung der öffentlichen Ruhe durch Excesse der Militair-Befehlshaber bei Beobachtung des Auftritts nach Pflicht und Gewissen findet, daß die Civilbehörde mit der Requisition um Militair-Beistand zu lange zögert, indem ihre Kräfte nicht mehr zureichen, die Ruhe herzustellen; 3. wenn die Civilbehörde durch äußere Umstände außer Stand gesetzt ist, die Requisition rechtzeitig zu erlassen." § 5 der Waffengebrauchsinstruktion erhob mithin den Anspruch, diejenigen Sachverhalte zusammenzufassen, in denen das verfassungsrechtliche Requisitionsprinzip eine Ausnahme erfuhr. Er stand daher in einem engen systematischen Zusammenhang mit dem § 1 der Instruktion vom 01.05.1851, demzufolge das Militär „zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze [...] in der Regel nur auf Requisition der Civilbehörde verwendet werden" konnte. Während aber die so formulierte Regel ohne weiteres mit der Vorschrift des Art. 36 pr. Verf. 1850, an dessen Inhalt sich die Bestimmungen des § 1 der Dienstinstruktion vom 01.05.1851 laut der darauf bezogenen amtlichen Anmerkung des Kriegsministeriums orientiert hatten, zu vereinbaren war, traf dies für die in § 5 Ziffer 2 und 3 der Waffengebrauchsvorschrift aufgezählten vermeintlichen Ausnahmen vom Requisitionsprinzip nicht im gleichem Maße zu. Zwar war es theoretisch keineswegs ausgeschlossen, daß das Requisitionsprinzip ausnahmsweise durchbrochen werden durfte, doch war dies gemäß Art. 36, 2 pr. Verf. 1850 nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung zulässig. Eine solche lag den Ziffern 2 und 3 des § 5 der Instruktion vom 01.05.1851 indessen gerade nicht zugrunde. Diese hatten einer weiteren amtlichen Anmerkung zufolge nämlich die Funktion, die ehemals in der A. K. O. vom 17.10. 220 Nach § 5 Ziffer 1 der Waffengebrauchsvorschrift konnte das strenge Requisitionsprinzip „an Orten, welche in Belagerungs-Zustand erklärt sind", ausnahmsweise keine Gültigkeit beanspruchen. In der Tat war es der Armee im Falle der Erklärung des Belagerungszustandes schon allein wegen des damit gemäß § 4 I 1 des Gesetzes vom 04.06.1851 zwangsläufig verbundenen Übergangs der Exekutivgewalt auf den jeweils zuständigen Militärbefehlshaber gestattet, auch ohne vorherige Aufforderung durch eine Zivilbehörde aus polizeilichen Gründen im Landesinnern tätig zu werden. Dies war zudem erst recht auch dann erlaubt, wenn die Erklärung des Belagerungszustandes gemäß § 5 I des Gesetzes vom 04.06.1851 zusätzlich noch mit einer „zeitund distriktweisen" Außerkraftsetzung der Art. 5 und 36 pr. Verf. 1850 verknüpft wurde [näher dazu oben DI. 2. e) ee)]. Gleichwohl stellte der Belagerungszustand wie oben in Fn. 123 bereits dargelegt - keineswegs eine Ausnahme vom strengen Requisitionsprinzip dar, sondern hatte vielmehr dessen völlige Aufhebung zur Folge. Diese Erkenntnis vermag indessen nichts daran zu ändern, daß die Vorschrift des § 5 Ziffer 1 zu denjenigen Normen der Dienstinstruktion vom 01.05.1851 zu zählen ist, die den gesetzlichen Bestimmungen über den Einsatz von Waffen durch das preußische Militär nicht zuwiderliefen. Sie konnte daher auch in dem im Text angesprochenen Zusammenhang nicht gemeinsam mit den Ziffern 2 und 3 der Dienstvorschrift vom 01.05.1851 zitiert werden.

A. Die Gründung der Feldgendarmerie

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1820 normierten Ausnahmen vom Requisitionsprinzip zum Inhalt der Waffengebrauchsvorschrift zu machen. Die A. K. O. vom 17.10.1820 war aber spätestens mit der Einführung der preußischen Verfassung vom 31.01.1850 außer Kraft getreten, da sie zum einen niemals amtlich bekanntgemacht worden war und andererseits inhaltlich gegen Art. 36 pr. Verf. 1850 verstieß. 221 Fehlte es den Ziffern 2 und 3 des § 5 der Instruktion vom 01.05.1851 sonach an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, so konnten „diese Bestimmungen der Instruktion [...] gegenüber dem Art. 36 der preußischen Verfassung nicht für rechtsgültig erachtet werden". 222 In gleicher Weise unwirksam war überdies auch § 6 der Instruktion vom 01.05.1851, da dieser ebenfalls nicht auf eine gesetzliche Rechtsgrundlage zurückgeführt werden konnte. § 6 der Waffengebrauchsvorschrift ging davon aus, daß dem Militär in den durch die §§ 2 bis 6 des Gesetzes vom 20.03.1837 normierten Fallgruppen „zu jeder Zeit [...] bei Ausübung des Wacht- oder Patrouillen-Dienstes, oder sonst während der Dienstleistung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit, der Gebrauch der Waffen aus eigenem Recht gestattet" war. Damit erweckte die Vorschrift aber ganz gezielt den Eindruck, sie fasse lediglich den Regelungsgehalt des § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 zusammen. Tatsächlich wich sie davon jedoch in signifikanter Weise ab. Obschon nämlich § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837 keineswegs ein eigenes Mitwirkungsrecht der Armee in polizeilichen Angelegenheiten begründete, gab § 6 der Waffengebrauchsinstruktion seinen Wörtlaut in einer so veränderten Form wieder, daß jeder Normanwender dennoch von der Existenz einer selbständigen Befugnis des Militärs zum Einschreiten gegenüber Zivilpersonen ausgehen mußte. 223 Als besonders irreführend erwies sich insoweit der Umstand, daß in § 6 der Dienstvorschrift vom 01.05.1851 vom Waffengebrauch des Militärs „aus eigenem Recht" gesprochen wurde, obwohl diese Formulierung dem Gesetz vom 20.03.1837 völlig fremd war. 2 2 4 Im Ergebnis Heß sich somit auch die Norm des § 6 der Waffengebrauchsinstruktion nicht mit der be221

Ausführlich dazu oben Fn. 123. So wörtlich Delius, AöR 11 (1896), S. 143. Gleichwohl enthielten auch die nachfolgenden Dienstvorschriften über den militärischen Waffengebrauch regelmäßig eine dem § 5 der Instruktion vom 01.05.1851 vergleichbare Norm, so daß sich die Armee zur Rechtfertigung ihres Vorgehens in der elsässischen Stadt Zabern noch im Jahre 1914 darauf berief. Erst danach gab das Kriegsministerium eine neue Instruktion heraus, in der der „verhängnisvolle Passus" nicht mehr vorkam; vgl. dazu Otto Mayer I, S. 313 Fn. 32: „Schade nur, daß vorher niemand dahinter gekommen ist, daß hier, offenbar unbewußt, der Keim zu argen Gesetzwidrigkeiten gelegt worden war". 223 Treffend formulierte der Abgeordnete von Liszt daher in der Reichstagsdebatte vom 23.01.1914 mit Blick auf § 1 des Gesetzes vom 20.03.1837, es sei „ganz merkwürdig, wie dieser Paragraph in den militärischen Dienstvorschriften herumgeschoben und herumgedreht wird in seinen einzelnen Bestandteilen, bis fast ein anderer Sinn herauskommt." [Sten.-Ber. RT, Band 292, S. 6744 (C)]. 224 Liepmann, S. 19 f. 222

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

stehenden Rechtslage in Einklang bringen; sie war mithin ebenso wie die Vorschrift des § 5 der Instruktion vom 01.05.1851 als rechtswidrig einzustufen. Obgleich somit von vorneherein feststand, daß jeder auf die §§ 5 und 6 der Dienstvorschrift vom 01.05.1851 gestützte Einsatz von Waffen unzulässig war, enthielten alle späteren Waffengebrauchsinstruktionen der preußischen Armee vergleichbare Regelungen. Es dürfte daher aufgrund des jeden Soldaten zum Gehorsam verpflichtenden Befehlscharakters der militärischen Dienstvorschriften davon auszugehen sein, daß zumindest bis zum Ende des ersten Weltkrieges zuweilen auch die Feldgendarmen unter Berufung auf die §§5 und 6 der Instruktion vom 01.05.1851 sowie die diesen nachfolgenden Bestimmungen ihre Waffen einsetzten. Dies dürfte für sie allerdings ohne Folgen geblieben sein, weil die erwähnten Regelungen auch „von der diesbezüglichen Literatur [zu keiner Zeit] vor das Forum der Jurisprudenz gezogen" wurden. 225 Mit der Rechtsordnung war diese Praxis aber dennoch nicht vereinbar. g) Die besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit der Feldgendarmen Schon an früherer Stelle 226 ist darauf hingewiesen worden, daß dem spezifischen Schutz, den sowohl das pr. MStGB als auch das RMStGB den militärischen Wachen gewährten, gleichsam spiegelbildlich eine besondere militärstrafrechtliche Verantwortlichkeit gegenüberstand. Das war auch durchaus konsequent, da der Gesetzgeber die materiell-rechtliche Absicherung der militärischen Wachen dadurch gewährleistet hatte, daß er ihnen eine vorgesetztenähnliche Rechtsstellung zubilligte. 227 Wenn aber den Wachen sonach die ausgedehnte Dienstgewalt eines Vorgesetzten zustand, dann mußten sie auf der anderen Seite auch wie ein solcher bestraft werden, wenn sie ihre Befugnisse willkürlich überschritten. 228 Daher hatte der durch die §§ 134 I pr. MStGB; 111 I RMStGB bewirkte militärstrafrechtliche Schutz der Wachmannschaften geradezu zwangsläufig zur Folge, daß gemäß § 188 I pr. MStGB - dem später die Vorschrift des § 125 I 1 RMStGB inhaltlich vollständig entsprach 229 - diejeni225

Liepmann, S. 20. s.o. IE. 2. 227 Ausführlich dazu oben EI. 2. a) und insbesondere Fn. 33. 228 So schon Fleck, § 188 pr. MStGB, S. 223. 229 Abgesehen von den bereits in anderem Zusammenhang dargelegten Differenzen, die zwischen dem preußischen Militärstrafgesetzbuch und dem des Reiches im Hinblick auf die Bestimmung des Begriffs der „Wache" festzustellen waren (s.o. Fn. 28), und ungeachtet einiger geringfügiger sprachlicher Abweichungen unterschieden sich die beiden Vorschriften im wesentlichen nur dadurch, daß in § 188 I pr. MStGB ganz allgemein vom Mißbrauch der Dienstgewalt durch eine militärische Wache die Rede war, während die mit diesem Begriff in Bezug genommenen Deliktsnormen in § 125 I 1 RMStGB einzeln aufgezählt wurden. Ein inhaltlicher Unterschied war damit indes226

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gen Wachen, „welche in Ausübung des Dienstes sich des Mißbrauchs der Dienstgewalt schuldig" machten, ebenso zu bestrafen waren, „wie Vorgesetzte, die sich ein solches Verbrechen gegen Untergebene zu Schulden kommen" ließen. 230 Dementsprechend konnten sich also die im Dienst befindlichen Wachen gemäß §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB ebenso wie im übrigen nur die zum Kreis der militärischen Vorgesetzten zählenden Soldaten eines Mißbrauchs der Dienstgewalt zu privaten Zwecken gemäß §§ 178 pr. MStGB; 114 I RMStGB, der Bestimmung eines Untergebenen zu Straftaten gemäß §§ 179 I pr. MStGB; 115 f. RMStGB; einer Überschreitung der Strafbefugnisse, einer sen nicht verbunden, da die im 7. Abschnitt des besonderen Teils des preußischen Militärstrafgesetzbuches unter der Überschrift „Mißbrauch der Dienstgewalt" zusammengefaßten Straftatbestände der §§ 178 ff. pr. MStGB hinsichtlich ihres Regelungsgehalts mit den in § 125 I 1 RMStGB genannten „§§ 114 bis 116, 118 bis 123" RMStGB völlig übereinstimmten. Daran vermochte auch der Umstand nichts zu ändern, daß in der in § 125 I 1 RMStGB enthaltenen Aufzählung der § 117 RMStGB ausgelassen worden war, denn eine diesem vergleichbare Norm hatte es im preußischen Militärstrafgesetzbuch noch nicht gegeben. Im übrigen hätte der § 117 RMStGB, der sowohl das Abhalten eines Untergebenen von der Erhebung einer Beschwerde als auch die Unterdrückung einer solchen pönalisierte, in bezug auf militärische Wachen ohnehin keine praktische Bedeutung erlangen können (vgl. statt vieler nur: Schwinge, S. 309). Einerseits nämlich hatten die militärischen Wachen ihre vorgesetztenähnliche Dienstgewalt in aller Regel nur für eine so kurze Zeitspanne inne, daß sich schon aus rein tatsächlichen Gründen gar keine Gelegenheit ergeben konnte, einen untergebenen Soldaten davon abzuhalten, sich zu beschweren. Zum anderen aber waren die militärischen Wachen auch nur in den seltensten Fällen für die Annahme einer Beschwerde zuständig, so daß sie eine wesentliche Voraussetzung für die Strafbarkeit des Unterdrückens von Beschwerden grundsätzlich nicht erfüllten (Romen/Rissom, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 611). § 117 RMStGB konnte daher letztlich seiner Natur nach nur von wirklichen militärischen Vorgesetzten begangen werden (von Koppmann, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 467; Rittau, § 125 MStGB, Anm. 2, S. 127; Rotermund, § 125 MStGB, Anm. 4, S. 346). Zudem war das durch § 117 RMStGB kriminalisierte Verhalten für die einfachen Wachsoldaten schon nach § 141 RMStGB und für die Wachvorgesetzten gemäß 139 RMStGB strafbar (Romen/Rissom, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 611; Rotermund, § 125 MStGB, Anm. 4, S. 127). Da diese Vorschriften aber wiederum nur sprachlich von den §§ 156 I, 158, 159 pr. MStGB abwichen, bestünde letztlich zwischen den §§ 188 I pr. MStGB und 125 I 1 RMStGB auch dann kein sachlicher Unterschied, wenn letzterer auch den § 117 RMStGB in Bezug genommen hätte. Es ist nach all dem also unproblematisch möglich, die zu § 125 RMStGB ergangenen Gerichtsentscheidungen ebenso wie die dazu publizierten Literaturmeinungen auch für die Interpretation des § 188 I pr. MStGB heranzuziehen. 230

Ähnlich das Reichsmilitärgericht, das die durch die § 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB begründete besondere strafrechtliche Verantwortlichkeit der militärischen Wachen zu Recht als „notwendige Konsequenz des [...] im § 111 des Militärstrafgesetzbuches zum Ausdruck gekommenen Grundsatzes" bezeichnete (RMGE 21, 256, 258); ebenso auch Rotermund, § 125 MStGB, Anm. 1, S. 346. Vgl. überdies auch Schwinge, S. 271 und S. 309, sowie Solms, § 125 MStGB, Anm. 1, S. 122, die im Anschluß an eine andere Formulierung des Reichsmilitärgerichts in RMGE 7, 175, 181 von einer „notwendigen Folge" sprachen. Gleichermaßen treffend schließlich auch von Koppmann, § 125 MStGB, Anm. 1, S. 467: „Der gegenwärtige Paragraph [i.e. § 125 RMStGB], welcher dem § 188 I pr. MStGB entspricht, ist eine notwendige Folge des Grundsatzes in § 111, dessen Gegenstück er bildet."

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Beeinflussung der Rechtspflege bzw. der Anmaßung einer Befehlsbefugnis gemäß §§ 180 pr. MStGB; 118, 119 I, 120 RMStGB, der vorschriftswidrigen Behandlung eines Untergebenen gemäß §§ 181 f., 187 pr. MStGB; 121 I RMStGB, der Mißhandlung Untergebener gemäß §§ 183 pr. MStGB; 122 I RMStGB sowie der schweren Körperverletzung Untergebener gemäß §§184 pr. MStGB; 123 RMStGB schuldig machen. Um das zu erreichen, hatte sich der Gesetzgeber in den §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB der gleichen Rechtsfiktion bedient wie schon bei den §§ 134 pr. MStGB; 1111 RMStGB. 2 3 1 Demzufolge erhielten die militärischen Wachen auch im Anwendungsbereich der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB nicht wirklich den Status eines Vorgesetzten. Vielmehr wurde diese Rechtsstellung lediglich insoweit fingiert, als sie erforderlich war, um die Anwendbarkeit der grundsätzlich nur von Vorgesetzten begehbaren Sonderdelikte auf dem Gebiet des Mißbrauchs der Dienstgewalt auszulösen. Die dadurch hervorgerufene Ausdehnung des potentiellen Täterkreises der genannten Straftatbestände stellte indessen keineswegs die einzige Wirkung dar, die von der Fiktion einer Vorgesetzteneigenschaft der militärischen Wachen ausging. Da diese nämlich zusätzlich zur Folge hatte, daß die Wachmannschaften aus ihren sonstigen Unterstellungsverhältnissen herausgenommen wurden, kamen neben denjenigen Armeeangehörigen, zu denen die Wachen außerhalb des Wachdienstes nicht in einer Subordinationsbeziehung standen, auch solche Soldaten als taugliche Tatobjekte in Betracht, die an sich nach allgemeinen Regeln gegenüber dem zur Wachtätigkeit herangezogenen Personal befehlsbefugt waren, deren Vorgesetzteneigenschaft jedoch für die Dauer der Wachverpflichtungen ihrer Untergebenen ruhte. 232 Das wird durch einen Blick auf die 231

Vgl. RMGE 7, 175, 184; Rittau, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 128. Grundlegend zur Frage der Herauslösung der Wachmannschaften aus der üblichen militärischen Hierarchie RMGE 7, 175, 181, wonach jedes „Vorgesetztenverhältnis, welches außerhalb des Wachdienstes besteht, während desselben" ruhte. Von dieser Rechtsfolge wurde indessen der Anspruch des ranghöheren Soldaten auf Achtung ausdrücklich ausgenommen, da er nach Ansicht des Reichsmilitärgerichts nicht zu den „spezifischen Eigentümlichkeiten" eines Vorgesetztenverhältnisses gehörte (RMGE 7, 175, 184). Daher erschien es zumindest zweifelhaft, ob eine militärische Wache, die einen ihr außerhalb des Wachdienstes an sich vorgesetzten Soldaten beleidigte, sich dadurch eines Mißbrauchs ihrer Dienstgewalt schuldig gemacht hatte. Denkbar war nämlich auch, eine solche Beleidigung lediglich als ein weniger streng zu bestrafendes Subordinationsvergehen nach Maßgabe der §§123 pr. MStGB; 89 RMStGB zu ahnden, da die fiktive Vorgesetzteneigenschaft der Wachmannschaften nach der erwähnten Rechtsprechung des Reichsmilitärgerichts hinsichtlich des Rechts auf Achtung ja gerade nichts an den außerhalb des Wachdienstes bestehenden Strukturen zu ändern vermochte. Indessen hatte das Reichsmilitärgericht in bezug auf die durch die Einführung des RMStGB geschaffene Rechtslage schon früh entschieden, daß eine militärische Wache, die ihre Achtungspflicht gegenüber einem an sich vorgesetzten Soldaten verletzte, ,glicht aus § 89 des Militärstrafgesetzbuches, sondern [...] wie ein Vorgesetzter, der die den Verkehr eines solchen mit einem Untergebenen gegebenen Vorschriften außer acht lässt", zu bestrafen sei. Zur Begründung führte das Reichsmilitärgericht in überzeugender Weise aus, daß der § 121 RMStGB, der die Be232

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Bestimmungen des § 188 I I pr. MStGB, dem die nachfolgende Vorschrift des § 125 I 1 RMStGB nahezu wörtlich entsprach, zweifelsfrei bestätigt. Danach waren nämlich die einen Mißbrauch der Dienstgewalt darstellenden Handlungen eines Wachsoldaten mit erhöhter Strafe zu ahnden, wenn sie „gegen eine solche Person begangen [wurden], die außer dem Dienstverhältnisse der Wache deren Vorgesetzter ist". 2 3 3 Ebenso unstreitig, wie demnach die den militärischen Wachen außerhalb des Wachdienstes vorgesetzten Armeeangehörigen dem Anwendungsbereich der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB unterfielen, handelte es sich auch bei allen übrigen Personen des Soldatenstandes um taugliche Tatobjekte im Sinne dieser Vorschriften. 234 leidigung eines Untergebenen kriminalisierte, zu denjenigen Vorschriften gehörte, die von § 125 I 1 RMStGB ausdrücklich in Bezug genommen worden waren, um ihre Anwendbarkeit auf die militärischen Wachen zu ermöglichen. Da dies aber nicht auf alle Tatbestände zutreffe, die einen Mißbrauch der Dienstgewalt unter Strafe stellten, sondern vielmehr insbesondere der § 117 RMStGB in der Aufzählung des § 125 I 1 RMStGB nicht enthalten sei, müsse davon ausgegangen werden, daß sich der Gesetzgeber ganz bewußt dafür entschieden habe, auch die Verletzung der den Wachen obliegenden Achtungspflichten so zu strafen, als sei sie einem Untergebenen gegenüber begangen worden (RMGE 7, 175, 176 und 185; wie das Reichsmilitärgericht auch: Fuhse, § 125 MStGB, Anm. 4, S. 150; Romen/Rissom, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 611; Rotermund, § 125 MStGB Anm. 7, S. 347; Schwinge, S. 310). Dieses Ergebnis dürfte im übrigen auch schon vor Inkrafttreten des RMStGB zutreffend gewesen sein, da keine durchgreifenden Bedenken dagegen bestehen, die zu den §§125 I 1; 121 RMStGB entwickelten Grundsätze auf die inhaltsgleichen §§ 188 I, 187, 181 pr. MStGB zu übertragen. Auch in Preußen machte sich daher eine militärische Wache eines Mißbrauchs der ihr eingeräumten Dienstgewalt schuldig, wenn sie es an den Achtungsbezeugungen fehlen ließ, auf die die außerhalb des Wachdienstes vorgesetzten Soldaten einen Anspruch hatten. 233 Vgl dazu u n c j z u ¿er Frage, ob die Strafschärfung erst aufgrund der Androhung in § 125 I 2 RMStGB nach § 53 RMStGB eintrat oder unabhängig davon ohnehin gemäß § 55 Nr. 2 RMStGB vorzunehmen war, insbesondere Romen/Rissom, § 125 MStGB, Anm. 4 und 5, S. 612. Für eine Strafschärfung gemäß §§ 125 I 2; 53 RMStGB die ganz überwiegende Meinung, vgl. Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 861 mit Beispielen; Fuhse, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 150; von Koppmann, § 125 MStGB, Anm. 5, S. 467; Rittau, § 125 MStGB, Anm. 4, S. 128; Rotermund, § 125 MStGB, Anm. 5, S. 346; Solms, § 125 MStGB, Anm. 4, S. 122. Dagegen eine von § 125 I 2 RMStGB losgelöste Strafschärfung allein aufgrund des § 55 Nr. 2 RMStGB befürwortend: Romen/Rissom, § 125 MStGB, Anm. 4 und 5, S. 612, unter Berufung auf RMGE 9, 77, 80, wo jedoch die rechtlich anders gelagerte Bestrafung eines Landgendarmen zu beurteilen war. Hinsichtlich der militärischen Wachen folgte das Reichsmilitärgericht hingegen der h.M. und lehnte die von Romen/Rissom vertretene Gegenansicht ausdrücklich ab (RMGE 21, 115, 117). Obwohl im Ergebnis die besseren Argumente fraglos für die h.M. sprachen, weil die Vorschrift des § 125 I 2 RMStGB überflüssig gewesen wäre, wenn die dort angeordnete Straferhöhung ohnehin schon gemäß § 55 Nr. 2 RMStGB einträte, kann diese Fragestellung im hier interessierenden Zusammenhang letztlich offen bleiben, da sich die §§ 53 und 55 RMStGB rechtsfolgenseitig nicht voneinander unterschieden. Der Vollständigkeit halber sei daher an dieser Stelle nur noch darauf hingewiesen, daß sich die gleiche Problematik auch schon nach dem preußischen Militärstrafgesetzbuch ergeben konnte, da die §§ 188 II; 77; 74 Nr. 2 pr. MStGB gänzlich mit den §§ 125 I 2; 53; 55 Nr. 2 RMStGB übereinstimmten.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Ausgenommen waren allerdings die Wachvorgesetzten, also diejenigen Offiziere und Unteroffiziere, die nach den einschlägigen Dienstvorschriften den Wachmannschaften auch während der Ausübung ihrer Pflichten Befehle erteilen durften, weil sie gerade im Hinblick auf den Wachdienst Vorgesetzte der Wachen waren. 235 Da nämlich einerseits die Herauslösung der Wachsoldaten aus ihren sonstigen Unterstellungsverhältnissen zur Folge hatte, daß sie für die Dauer ihres Wachdienstes nur noch den besonderen Wachvorschriften unterworfen waren, andererseits aber die Wachvorgesetzten gerade durch diese Instruktionen überhaupt erst Befehlsbefugnisse gegenüber den einfachen Wachmannschaften erhielten, konnte die Fiktion der Vorgesetzteneigenschaft der Wachen insoweit naturgemäß nicht wie sonst eingreifen. Verfehlungen, die sich die Wachsoldaten im Verhältnis zu ihren Wachvorgesetzten zuschulden kommen ließen, waren daher nicht gemäß §§ 178 ff. pr. MStGB bzw. §§ 114 bis 116; 118 bis 123 RMStGB zu ahnden, sondern vielmehr nach Maßgabe der §§ 122 ff. pr. MStGB; 89 ff. RMStGB als strafbare Verstöße gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung zu behandeln. 236 Demgegenüber waren die Personen des Beurlaubtenstandes unter Umständen sogar dann taugliche Tatob-

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Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 861. Das galt auch und gerade im Hinbück auf die Offiziere der Armee. Soweit sich demgegenüber das Kriegsministerium in § 12 I 2 der Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie vom 15.08.1872 darum bemüht hatte, den Feldgendarmen die Wacheigenschaft im Verhältnis zu Offizieren abzusprechen, konnte diesem Versuch seit Inkrafttreten des RMStGB kein Erfolg mehr beschieden sein. Da nämlich dessen § 111 II eine für den gesamten Bereich des Militärstrafrechts verbindliche Definition des Begriffs der militärischen Wache enthielt (s.o. Fn. 28), war es der Exekutive unmöglich, einem Soldaten, der die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlangung der Wacheigenschaft erfüllte, diese Rechtsstellung mit den Mitteln einer Dienstvorschrift vorzuenthalten. Entgegen § 12 I 2 der Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie vom 15.08.1872 handelte es sich daher auch bei den Offizieren uneingeschränkt um taugliche Tatobjekte im Sinne des § 125 I 1 RMStGB. Anders stellte sich hingegen die Rechtslage in Preußen dar, solange dort nach Erlaß der Dienstinstruktion des Jahres 1872 noch die Vorschrift des § 188 I pr. MStGB Gültigkeit beanspruchen konnte. Der Grund dafür war darin zu erblicken, daß dem pr. MStGB eine Legaldefinition des Wachbegriffs noch fremd gewesen war. Vielmehr hatte der preußische Gesetzgeber bewußt darauf verzichtet, den Begriff der militärischen Wache selbst zu bestimmen, und diese Aufgabe stattdessen dem Kriegsministerium überlassen (s.o. Fn. 28). Demzufolge war es während der Geltungsdauer des § 188 I pr. MStGB tatsächlich noch möglich, den Feldgendarmen die Wacheigenschaft durch eine Dienstvorschrift ganz oder teilweise zu entziehen. Das bedeutete aber zugleich, daß das Kriegsministerium auch in § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 zulässigerweise anordnen konnte, daß die Feldgendarmen im Verhältnis zu den Offizieren nicht als militärische Wachen anzusehen waren. Da jedoch das pr. MStGB schon kurze Zeit nach Erlaß der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 durch das RMStGB abgelöst wurde, konnte die Vorschrift des § 12 I 2 der Instruktion auch in der Zeit, in der ihre Rechtsgültigkeit im Bereich des preußischen Militärstrafrechts noch nicht zu bezweifeln war, keine nennenswerte praktische Bedeutung mehr erlangen [näher zum Ganzen unten D. II. 3.]. 235 Vgl. zu dieser Begriffsbestimmung nur von Koppmann, § 111 MStGB, Anm. 15, S. 416.

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jekte im Sinne der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB, wenn sie sich nicht einmal im Dienst befanden. 237 Voraussetzung dafür war jedoch gemäß § 113 RMStGB, daß der Beurlaubte aus dienstlichem Anlaß mit einem Vorgesetzten verkehrte oder seine Militäruniform trug. 2 3 8 Darüber hinaus fanden die §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB kraft einer ausdrücklichen Anordnung in § 155 RMStG, dessen Rechtsfolge in Preußen auch schon vor Inkrafttreten des RMStGB gemäß § 1 der Einleitung zum pr. MStGB i.V.m. § 18 Nr. 1 pr. MStGO in gleicher Weise eintreten konnte, zusätzlich noch auf das sogenannte „Heeresgefolge" 239 Anwendung, 240 doch setzte dies voraus, daß bereits der Kriegszustand eingetreten war. In Friedenszeiten wurde das Gefolge dementsprechend allenfalls dann von den §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB erfaßt, wenn diese Vorschriften ganz allgemein auf Zivilpersonen Anwendung finden konnten. Ob dies der Fall war, war jedoch 236 Allgemeine Meinung, vgl. von Koppmann, § 125 MStGB, Anm. 5, S. 467; Romen/Rissom, § 125 MStGB, Anm. 7, S. 612; Rotermund, § 125 MStGB, Anm. 5, S. 346; Schwinge, S. 310; Solms, § 125 MStGB, Anm. 4, S. 122. 237 Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 861. 238 Zum gleichen Ergebnis gelangte man auch schon vor Inkrafttreten des RMStGB, doch war die preußische Regelung erheblich komplizierter. So enthielt der § 1 der Einleitung zum pr. MStGB vom 03.04.1845 (pr. GS 1845, S. 296) zunächst einmal lediglich die Bestimmung, daß das Militärstrafgesetzbuch und damit eben auch dessen § 188 auf alle Personen Anwendung finden solle, die der Militärgerichtsbarkeit unterworfen waren. Das waren aber gemäß § 6 I 2 Nr. 3 lit. a)-c) der preußischen „Militärstrafgerichts-Ordnung" (pr. MStGO) vom 03.04.1845 (pr. GS 1845, S. 329) auch die zum Beurlaubtenstande gehörenden Personen, sofern sie die im Text wiedergegebenen Voraussetzungen erfüllten, die später von § 113 RMStGB unverändert übernommen wurden. 239 Unter Heeresgefolge waren nach der Legaldefinition des § 155 RMStGB alle Personen zu verstehen, „welche sich in irgendeinem Dienst- oder Vertragsverhältnisse bei dem kriegführenden Heere befinden, oder sonst sich bei demselben aufhalten oder ihm folgen." Dagegen hatte der preußische Gesetzgeber auf eine solche Definition noch verzichtet und in § 18 I Nr. 1 pr. MStGO ganz allgemein nur vom „Gefolge" gesprochen. 240 Romen/Rissom, § 155 MStGB, Anm. 9, S. 855. Soweit Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische," S. 861, zudem die Auffassung vertraten, die §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB seien gemäß §§ 193 ff. pr. MStGB; 153 RMStGB „im Felde" auch auf Militärbeamte anwendbar gewesen, so trifft dies nicht zu, da diese Verweisungsnormen die jeweiligen Strafbestimmungen über den Mißbrauch der Dienstgewalt gerade nicht in Bezug nahmen. Das gleiche gilt im übrigen auch für die von Dietz-Näumann, a.a.O., des weiteren noch aufgestellte Behauptung, auch Kriegsgefangene könnten gemäß § 1 der Einleitung zum pr. MStGB i.V.m. § 18 I Nr. 3 pr. MStGO bzw. gemäß § 158 RMStGB dem Anwendungsbereich der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB unterfallen. Da nämlich die von Näumann genannten Vorschriften lediglich anordneten, daß die Regelungen der beiden Militärstrafgesetzbücher nur auf die strafbaren Handlungen der Kriegsgefangenen entsprechend anzuwenden waren, konnten diese zwar zu Tatsubjekten werden, kamen jedoch keineswegs - wie von den Tatbeständen der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB vorausgesetzt - als geeignete Objekte der mißbräuchlichen Nutzung der einem Angehörigen der deutschen Streitkräfte eingeräumten Dienstgewalt in Betracht.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

umstritten. Obwohl selbst die Befürworter einer Anwendung der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB auch auf Zivilpersonen einräumen mußten, daß diese „Interpretation gegenwärtig etwas Gewaltsames hat und Zweifel berechtigt erscheinen könnten", 241 hielten Rechtsprechung und Literatur in Preußen zunächst einhellig und nach Inkrafttreten des RMStGB immerhin noch weit überwiegend Zivilisten für taugliche Objekte der den Mißbrauch der Dienstgewalt kriminalisierenden Strafbestimmungen" 242 Zur Begründung führte etwa von Koppmann in Übereinstimmung mit dem Reichsmilitärgericht 243 aus, es sei der Sinn und Zweck der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB, jeden Mißbrauch der Dienstgewalt zu ahnden. Ein solcher hege aber „z.B. bei Mißhandlung eines festgenommenen Zivilisten seitens einer Patrouille ebenso [vor], als wenn die gleiche Straftat gegen eine Militärperson begangen" wurde. 244 Indessen wäre diese Argumentation allenfalls dann zutreffend, wenn tatsächlich feststünde, daß die militärischen Wachen mit Dienstgewalt gegenüber Zivilisten ausgestattet waren. Da jedoch die Dienstgewalt ihrem Wesen nach Befehlsgewalt war, 2 4 5 konnte sie einem Soldaten gegenüber einer Zivilperson von vorneherein überhaupt nur unter der Voraussetzung zustehen, daß er insoweit verbindliche Anordnungen aussprechen durfte. Da dies jedoch - wie oben unter III. 2. d) ausführlich dargelegt - spätestens seit Inkrafttreten der preußischen Verfassung vom 31.01.1850 eben gerade nicht mehr der Fall war, fehlte es den militärischen Wachen seither im Verhältnis zu Zivilpersonen an der für eine Anwendung der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB zwingend erforderlichen Dienstgewalt. 246 Entgegen 241 So wörtlich Rotermund, § 125 MStGB, Anm. 9, S. 347, der es deshalb de lege ferenda auch für zweckmäßig hielt, „diesen Bezug des § 125 auf das Zivil besonders zum Ausdruck zu bringen." 242 Vgl. RMGE 21, 256 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch aus der preußischen Rechtsprechung; RGSt 60, 94, 95; Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 861; Fuhse, § 125 MStGB, Anm. 2, S. 150; von Koppmann, § 125 MStGB, Anm. 4, S. 467; Rittau, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 128; Romen/Rissom, § 125 MStGB, Anm. 1, S. 610; Rotermund, § 124 MStGB, Anm. 6, S. 343, und § 125 MStGB, Anm. 9, S. 347; Solms, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 122; a. A. - soweit ersichtlich - im wesentlichen nur Schwinge, S. 310. 243 RMGE 21, 256, 257 f. 244 von Koppmann, § 125 MStGB, Anm. 4, S. 467; im Beispiel von Koppmanns wäre die Patrouille also gemäß § 122 I RMStGB bzw. gemäß § 183 pr. MStGB zu bestrafen gewesen. Weitere Beispiele aus der Praxis bei Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 861. Anders als bei einer Anwendung der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB auf Tatobjekte aus dem Bereich der Armee sollte im Verhältnis zu Zivilpersonen jedoch keineswegs ein fiktives Vorgesetztenverhältnis entstehen. Diese wurden sonach zwar als Untergebene im Sinne der §§ 188 I pr. MStGB; 125 I 1 RMStGB aufgefaßt, traten indessen nach wohl allgemeiner Ansicht weder in ein wirkliches noch in ein fiktives Untergebenenverhältnis zu den militärischen Wachen ein; vgl. RMGE 5, 284, 285 und 294; Dietz-Näumann, Stichwort „Wachen, militärische", S. 861; Fuhse, § 125 MStGB, Anm. 2, S. 150; Solms, § 125 MStGB, Anm. 3, S. 122. 245 Dietz-Romen, Stichwort „Mißbrauch der Dienstgewalt. Übersicht", S. 558, unter zutreffender Bezugnahme auf RMGE 9, 302, 303 f.

A. Die Gründung der Feldgendarmerie

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der damals vorherrschenden Meinung konnte mithin der Einstufung von Zivilpersonen als taugliche Objekte eines von militärischen Wachen begangenen 246 An dieser Stelle wird zugleich die eigentiiche Ursache für die in der damaligen Zeit vorherrschende Auffassung deutlich. Da nämlich das preußische Militärstrafgesetzbuch bereits im Jahre 1845 in Kraft getreten war, konnte die im Text verwendete verfassungsrechtliche Argumentation ursprünglich nicht herangezogen werden. Vor Einführung der preußischen Verfassung vom 31.01.1850 stand demnach der Annahme einer Anordnungsbefugnis der militärischen Wachen gegenüber Zivilpersonen ein Gesetzesvorbehalt noch nicht entgegen. Zu dieser Zeit war es daher noch unproblematisch möglich, das Bestehen eines Dienstgewaltverhältnisses zwischen den militärischen Wachen und der Zivilbevölkerung unter Berufung auf die bereits mehrfach erwähnte A. K. O. vom 31.03.1792 zu begründen, denn danach waren ja alle Personen ohne Unterschied des Ranges und Standes den Wachen Achtung und Gehorsam schuldig. Bis zum Inkrafttreten der preußischen Verfassung konnte es sich mithin auch bei Zivilisten um taugliche Tatobjekte im Sinne des § 188 I pr. MStGB handeln, da sie den Anordnungen der Wachmannschaften Folge zu leisten verpflichtet waren und somit deren Dienstgewalt unterlagen (so im Ergebnis auch Rotermund, § 125 MStGB, Anm. 9, S. 347). Mit der Umwandlung Preußens in einen Verfassungsstaat waren hoheitliche Eingriffe in die bürgerliche Freiheitssphäre dann aber nur noch aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung zulässig, die jedoch nicht mehr in der A. K. O. vom 31.03.1792 gesehen werden konnte. Da diese Kabinettsorder nämlich niemals amtlich bekanntgemacht worden war, mußte ihr nach Einführung der preußischen Verfassung jegliche Verbindlichkeit im Verhältnis zu den Staatsbürgern abgesprochen werden [dazu ausführlich oben DI. 2. d)]. Gleichwohl ging die Rechtslehre offenbar unter völliger Ignorierung der neuen verfassungsrechtlichen Zustände unverändert davon aus, daß § 188 I pr. MStGB auch die „gegen das Zivil" gerichteten Handlungen der militärischen Wachen erfaßte (so namentlich Fleck, § 188 pr. MStGB, S. 243). Das dürfte letztlich darauf zurückzuführen sein, daß in § 188 pr. MStGB neben den militärischen Wachen ausdrücklich auch die Landgendarmen als potentielle Täter aufgeführt worden waren. Diese hatten aber vor Inkrafttreten der preußischen Verfassung vom 31.01.1850 nicht etwa - wie die Wachmannschaften aufgrund der A. K. O vom 31.03.1792, sondern vielmehr nach Maßgabe der Vorschriften der „Verordnung über die anderweitige Organisation der Landgendarmerie" vom 30.12.1820 (pr. GS 1821, S. 1 ff.) die Befugnis erhalten, Zivilpersonen Anweisungen zu erteilen. Da nun aber die Verordnung vom 30.12.1820 im Unterschied zur A. K. O des Jahres 1792 ordnungsgemäß in der amtlichen Gesetzessammlung publiziert worden war, durften die Landgendarmen im Gegensatz zu den militärischen Wachen auch nach der Einführung der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat noch unverändert Anordnungen gegenüber Zivilpersonen aussprechen. Anders als die Wachen konnten sie sich also auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalte ganz ohne Zweifel eines Mißbrauchs ihrer Dienstgewalt zum Nachteil von Zivilpersonen schuldig machen. Das sollte dann jedoch einem durch das preußische Generalauditoriat erstellten „Immediatbericht" vom 31.08.1888 (auszugsweise abgedruckt in RMGE 21, 256, 257 f.) zufolge in gleichem Maße auch für militärische Wachen gelten, da diese durch den § 188 I pr. MStGB den Landgendarmen gleichgestellt worden seien. Indessen ist einer solchen Schlußfolgerung entgegenzuhalten, daß sie die Rechtsfolge des § 188 I pr. MStGB nicht von der Tatbestandsseite der Norm trennte. Bei zutreffender Betrachtung der Vorschrift fällt nämlich auf, daß sie Wachen und Landgendarmen lediglich hinsichtlich ihrer Strafbarkeit und auch insoweit nur dann gleichsetzte, wenn sie sich zuvor „in Ausübung des Dienstes des Mißbrauchs ihrer Dienstgewalt schuldig" gemacht hatten. War dies aber nicht der Fall, so entfiel zwangsläufig auch die rechtsfolgenseitig angeordnete Gleichbehandlung der militärischen Wachen mit den Landgendarmen. Diese konnte also nur unter der Voraus-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Dienstgewaltmißbrauchs schon zur Zeit der Gründung der Feldgendarmerie nicht mehr zugestimmt werden. Eine besondere militärstrafrechtliche Verantsetzung eintreten, daß die Wachmannschaften und Gendarmen überhaupt über eine mißbrauchsfähige Dienstgewalt verfügten. Damit lag der Regelung des § 188 I pr. MStGB jedoch eine logische Rangfolge zwischen Dienstgewalt und Gleichstellung der Wachen und Gendarmen hinsichtlich ihrer Strafbarkeit zugrunde, die sich nicht umkehren ließ. Unzulässig war es daher, einem der genannten Personenkreise unter Hinweis auf die Gleichstellungsanordnung in § 188 I pr. MStGB alleine deshalb eine Dienstgewalt zuzusprechen, weil der jeweils andere in einer vergleichbaren Situation nachweislich darüber verfügen konnte. War demnach die Beweisführung des preußischen Generalauditoriats, der sich das Reichsmilitärgericht im übrigen vorbehaltlos angeschlossen hatte (vgl. RMGE 21, 256, 258), schon nach preußischem Recht nicht zustimmungsfähig, so konnte ihr erst recht nicht mehr gefolgt werden, nachdem das pr. MStGB durch das RMStGB abgelöst worden war. Im Hinblick darauf, daß die Landgendarmerie nicht in allen Ländern des Deutschen Reiches militärisch organisiert war (vgl. dazu die Einleitung in Fn. 38), hatte sich der Gesetzgeber nämlich in der dem § 188 I pr. MStGB nachfolgenden Vorschrift des § 125 I 1 RMStGB ganz bewußt dafür entschieden, die Gendarmen nicht mehr zu erwähnen. Damit war aber der auf die angebliche Gleichsetzung der Wachmannschaften mit den Landgendarmen gestützten Argumentation des preußischen Generalauditoriats endgültig die Grundlage entzogen worden. Gleichwohl hielt es ebenso wie auch das Reichsmilitärgericht und das überwiegende Schrifttum unverändert an seiner Auffassung fest, daß sich die militärischen Wachen auch im Verhältnis zur Zivilbevölkerung des Mißbrauchs der Dienstgewalt strafbar machen konnten. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, daß, obgleich gemäß § 2 I des „Einführungsgesetzes zum Militär-Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich" (EG RMStGB) vom 20.06.1872 (RGBl. 1872, S. 173) grundsätzlich „alle landesrechtlichen Militärstrafgesetze, soweit sie materielles Strafrecht zum Gegenstand haben, außer Kraft treten und durch das Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich" ersetzt werden sollten, doch durch § 2 II EG RMStGB ausnahmsweise in denjenigen Ländern, „wo landesgesetzlich - wie in Preußen - die Gendarmen zu den Personen des Soldatenstandes gehören [...], die bestehenden besonderen Vorschriften über die von ihnen begangenen strafbaren Handlungen in ihrem bisherigen Umfange und Geltungsbereiche" aufrecht erhalten wurden (vgl. RMGE 2, 193, 194). Obwohl nun aber nicht bezweifelt werden konnte, daß die Vorschrift des § 188 I pr. MStGB zu den durch § 2 II EG RMStGB aufrechterhaltenen Bestimmungen zählte (so ausdrücklich auch RMGE 2, 193, 194; 5, 284, 294; Romen/Rissom, § 125 MStGB, Anm. 2, S. 610), reichte dies dennoch alleine nicht aus, um die damals vorherrschende Meinung zu untermauern. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß der § 188 I pr. MStGB aufgrund der Regelung des § 2 II EG RMStGB nur insoweit in Kraft geblieben war, „als er die Landgendarmen im Auge hat" (so wörtlich selbst das preußische Generalauditoriat, vgl. RMGE 21, 256, 258). Selbst wenn also der § 188 I pr. MStGB entgegen der vorstehenden Argumentation tatsächlich die militärischen Wachen und die Landgendarmen nicht nur hinsichtlich ihrer Strafbarkeit, sondern ebenso bezüglich ihrer Dienstgewalt gleichgestellt hätte, so wäre diese Gleichbehandlung als eine dem § 125 I 1 RMStGB entgegenstehende Regelung gemäß § 2 I EG RMStGB außer Kraft getreten, da sie von der Ausnahmevorschrift des § 2 II EG RMStGB nicht erfaßt wurde. Auch der § 2 II EG RMStGB vermochte mithin nichts daran zu ändern, daß sich in Preußen lediglich die Landgendarmen, nicht aber zugleich auch die militärischen Wachen im Verhältnis zur Zivilbevölkerung einen Mißbrauch ihrer Dienstgewalt zuschulden kommen lassen konnten. Mit Inkrafttreten des RMStGB war daher die entgegenstehende Auffassung des preußischen Generalauditoriats erst recht nicht mehr vertretbar. Selbst wenn man sich aber diesem dogmatisch an sich zwingenden Ergebnis zum Trotz der Ansicht des Generalauditoriats anschließen wollte, so müßte man doch ein-

B. Die Feldgendarmerie im preußisch-österreichischen Krieg

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wortlichkeit gegenüber Zivilpersonen wurde den Feldgendarmen durch ihre Eigenschaft als militärische Wachen also zu keiner Zeit vermittelt. 247 Damit steht fest, daß die den Feldgendarmen verliehene Rechtsstellung neben den in den vorstehenden Abschnitten ausführlich erörterten Befugnissen nur noch durch die Gewährung eines besonderen militärstrafrechtlichen Schutzes gekennzeichnet war, dem sowohl das preußische Militärstrafgesetzbuch als auch dasjenige des Deutschen Reichs eine allerdings auf das Verhältnis zu den Personen des Soldatenstandes beschränkte spezifische Verantwortlichkeit gegenüberstellten. Insoweit hat es nach der Gründung der Feldgendarmerie dann bis zum Ende des zweiten Weltkrieges keine fundamentalen Veränderungen mehr gegeben. Auch im Jahre 1945 ließ sich daher die Rechtsstellung der Feldgendarmerie im wesentlichen noch ebenso zusammenfassen wie schon zur Zeit ihrer Gründung. 248

B. Die Feldgendarmerie im preußisch-österreichischen Krieg Schon kurze Zeit nach der Gründung der Feldgendarmerie brach am 14.06.1866 der preußisch-österreichische Krieg aus, nachdem der Bundestag in Frankfurt dem Antrag Österreichs auf Mobilmachung gegen Preußen mehrheitlich zugestimmt hatte. Über das Erscheinungsbild der preußischen Feldgendarmerie in dieser bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den beiden mächgestehen, daß die auf § 188 I pr. MStGB gestützte Argumentation zumindest seit 1926 hinfallig war. In diesem Jahr trat nämlich der § 188 I pr. MStGB endgültig außer Kraft, da er ohnehin lediglich im Rahmen des § 2 II EG RMStGB fortgegolten hatte, diese Vorschrift aber durch Art. I Abs. 2 des „Gesetzes zur Vereinfachung des Militärstrafrechts" vom 30.04.1926 (RGBl. I 1926, S. 197) aufgehoben wurde und daher in der vom 01.08.1926 an geltenden Neufassung des EG RMStGB (RGBl. I 1926, S. 275) nicht mehr enthalten war (zutreffend: Schwinge, S. 310, der jedoch dem Reichsgericht zu Unrecht vorwirft, es habe bei seiner Entscheidung RGSt 60, 94, 95, die durch das erwähnte Vereinfachungsgesetz eingetretene Veränderung der Rechtslage übersehen. Richtig ist vielmehr, daß das Reichsgericht die neue Gesetzeslage noch gar nicht berücksichtigen konnte, da das von Schwinge kritisierte Urteil vom 12.02.1926 stammte und somit bereits vor der Verkündung des Gesetzes zur Vereinfachung des Militärstrafrechts gefallt worden war). Vom August 1926 an war es demgemäß sogar mit Blick auf die Landgendarmen unmöglich, Zivilpersonen als taugliche Tatobjekte im Sinne des § 125 I 1 RMStGB anzusehen; selbst im Falle einer Gleichstellung der militärischen Wachen mit den Landgendarmen hätten erstere also spätestens seit dieser Zeit gegenüber der Zivilbevölkerung keinen Mißbrauch ihrer Dienstgewalt mehr verüben können. Tatsächlich traf dies jedoch - wie eingangs aufgezeigt - schon nicht mehr zu, nachdem die preußische Verfassung vom 31.01.1850 in Kraft getreten war. 247 Eine etwaige Strafbarkeit nach den Vorschriften der jeweils gültigen allgemeinen Strafgesetzbücher war hingegen ohne weiteres möglich. 248 Diejenigen der nachfolgenden Abschnitte, die sich mit der Rechtsstellung und den Befugnissen der Feldgendarmen befassen, können sich dementsprechend darauf beschränken, die wenigen Änderungen darzustellen, die trotz aller Kontinuität dennoch festzustellen sind.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

tigsten Staaten des Deutschen Bundes sind indessen weder im noch vorhandenen Primärquellenmaterial noch in der wehrgeschichtlichen Literatur nähere Informationen vorhanden. 249 Es ist jedoch ohne weiteres davon auszugehen, daß die Feldgendarmen im Verlauf des Krieges diejenigen Tätigkeiten verrichteten, die ihnen durch die Dienstinstruktion vom 25.05.1866 vorgegeben worden waren. Daß sie sich dabei der ihnen eingeräumten Befugnisse bedient haben, kann ebenfalls als sicher gelten. Sofern man dann noch unterstellt, daß vor Kriegsausbruch schriftlich fixierte Anordnungen später in der Praxis tatsächlich ohne größere Abweichungen umgesetzt wurden, lassen sich darüber hinaus auch den Ausführungsbestimmungen vom 31.05.1866, 250 zu deren Erlaß das Kriegsministerium durch Ziffer 1 Satz 2 der A.K.O. vom 25.05.1866 ermächtigt worden war, weitere Einzelheiten entnehmen. Diese bezogen sich in erster Linie auf das Personal der Feldgendarmerie. 251 Danach entsprach die vorgesehene Stärke der neuen Truppengattung zwar grundsätzlich den Vorstellungen, die der Kriegsminister insoweit bereits in seinem Schreiben vom 07.04.1866 entwickelt hatte. Geringfügige Abweichungen ergaben sich jedoch daraus, daß der preußische Aufmarschplan einerseits die isolierte Stationierung einzelner Truppenteile 249 Selbst Blankenstein, der die bislang wohl ausführlichste primärquellenorientierte Darstellung der Feldgendarmeriegeschichte des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts vorgelegt hat, begnügt sich mit dem kurzen Hinweis, der Aufgabenkreis der preußischen Feldgendarmerie habe im Krieg gegen Österreich „in der Ausübung des Polizeidienstes bei dem Feldheere und in der Sicherung der Etappenstraßen" bestanden (Blankenstein, S. 130). Hingegen findet sich bei Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 36, eine Strichaufzählung einzelner Aufgaben, die von der Feldgendarmerie vermeintlich erfüllt worden sind. Abgesehen davon aber, daß Böckle insoweit keinerlei Quellennachweise erbringt, ist seine Aufzählung verglichen mit dem Aufgabenspektrum, das den Feldgendarmen durch die Instruktion vom 25.05.1866 zugewiesen worden war, auch ausgesprochen unvollständig. In einer späteren Publikation beschränkt sich Böckle dann sogar darauf, die Obliegenheiten der Feldgendarmerie im Krieg des Jahres 1866 dahingehend zusammenzufassen, daß sie „den Polizeidienst bei den höheren Kommandostäben versehen und die Sicherheit des Nachrichtendienstes und der rückwärtigen Verbindungen" gewährleistet hätte (Böckle, S. 61). Belege für diese Behauptung werden von Böckle jedoch abermals nicht angeführt. Festzuhalten ist demnach, daß es keine gesicherten Erkenntnisse über die Rolle gibt, die die Feldgendarmerie im Krieg von 1866 gespielt hat. 250 GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe. 251 Daneben enthielten die Ausführungsbestimmungen auch noch Regelungen über die Erstattung der anfallenden Reisekosten, über die Zahlung der Gehälter, Zulagen und etwaigen Versorgungsleistungen, über die Bekleidung und Ausrüstung der Feldgendarmerie sowie über die fällig werdenden Entschädigungen für den Wertverlust, den die von den Gendarmen mitzubringenden Pferde im Verlauf des Krieges erlitten. Gleichwohl können die mit diesen Bestimmungen verbundenen Probleme im hier interessierenden formationsgeschichtlichen Zusammenhang nicht näher betrachtet werden. Eine instruktive Zusammenfassung zumindest der durch die Ausführungsbestimmungen geregelten Gebührnisfragen ist jedoch in einer vom Reichsinnenministerium unter dem 31.01.1916 erarbeiteten „Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung" (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 150 ff. d.A.) zu finden (vgl. insbesondere S. 3 f. ebda., Bl. 151 d.A.).

B. Die Feldgendarmerie im preußisch-österreichischen Krieg

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bei Wetzlar erforderlich machte und andererseits die Zusammenfassung zweier Armeekorps unter einheitlicher Führung vorschrieb. Dementsprechend heißt es in Ziffer 1 Absatz 1 der Ausführungsbestimmungen wörtlich: „Die Zahl der sofort zu stellenden Mannschaft beläuft sich auf 8 Erste Wachtmeister und 174 Gendarmen, und zwar für das Garde-Korps, das lte, 2te, 5te, 6te, 7te und 8te Armee-Korps je 1 Wachtmeister und 20 Gendarmen, für das unter dem Ober-Befehl Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Karl vereinigte 3te und 4te Armee-Korps zusammen 1 Wachtmeister und 30 Gendarmen und für die bei Wetzlar stehenden Truppen 4 Gendarmen." Der Dislozierung der verschiedenen Korpsstäbe entsprechend sah Ziffer 1 der Ausführungsbestimmungen des weiteren noch vor, daß „die für das GardeKorps, das lte, 2te, 5te, 6te, 7te und 8te Armee-Korps bestimmten Wachtmeister und Gendarmen nach Berlin, Görlitz, Muskau, Landshut in Schlesien, Waldenburg in Schlesien, Münster und Halle a.d.S., diejenigen für das 3te und 4te Armee-Korps Ober-Kommando der 1. Armee nach Cottbus [und] endlich die für die Truppen bei Wetzlar nach letzterem Orte zu instradieren" waren. Die Durchführung der dieser Inmarschsetzung vorausgehenden Einberufungen oblag indessen überraschenderweise weder bei den einfachen Gendarmen noch im Falle der Ersten Wachtmeister dem Kriegsministerium. Zuständig für die Auswahl der Gendarmen war vielmehr ausschließlich der Chef der Landgendarmerie, dessen diesbezügliche Ermessensentscheidung zur Zeit des preußisch-österreichischen Krieges noch in keiner Weise durch verbindliche Richtlinien oder sonstige Vorschriften gelenkt wurde. Dem Kriegsministerium kam daher insoweit lediglich die Funktion zu, das für den Aufbau der Feldgendarmerieorganisation benötigte Personal beim Chef der Landgendarmerie auf dem Dienstweg förmlich anzufordern. Zudem gehörte auch die Besetzung der für die Feldgendarmerie vorgesehenen Wachtmeisterstellen nicht zum Verantwortungsbereich des Kriegsministeriums, sondern war von diesem auf einzelne nachgeordnete Dienststellen delegiert worden. Diese Delegierung ergab sich aus Ziffer 7 der Ausführungsbestimmungen, in der es dazu wörtlich heißt: „Von den 8 Soldaten, welche laut Etat für die gegenwärtig in Funktion tretenden 8 Ersten Wachtmeister erforderlich sind, werden drei (nämlich für die Wachtmeister des lten, 5ten und 6ten Armee-Korps) in der Provinz Schlesien, zwei in der Provinz Brandenburg (und zwar für den Wachtmeister beim Garde-Korps und den beim Ober-Kommando des 3ten und 4ten Armee-Korps), ferner zwei von der Provinz Sachsen (für das 2te und 8te Armee-Korps), endlich 1 Mann in der Provinz Westfalen (für das 7te Armee-Korps), gestellt werden. Die stellvertretenden Königlichen General-Kommandos des 6ten, 3ten und 7ten Armee-Korps, sowie das Militair-Gouvernement der Provinz Sachsen sind ersucht, jene 8 Soldaten ausheben, einkleiden und nach ihren Bestimmungsorten absenden zu lassen." Obwohl die auf diese Weise ausgewählten Gendarmen und Wachtmeister ihren jeweiligen Gestellungsort nach Ziffer 2 der Ausführungsbestimmungen „soweit wie möglich unter Benutzung der Eisenbahn" erreichen sollten, war ei-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

nem an das Kriegsministerium gerichteten Schreiben des Chefs der Landgendarmerie vom 18.05.1866 252 zufolge regelmäßig damit zu rechnen, daß die Zeitspanne, die „vom Tage des Eingangs der Requisition bei mir" bis zum endgültigen Dienstantritt der Gendarmen verging, aufgrund „der isolierten Stationierung, der nicht kürzlichen Postverbindung für einzelne Dorf-Stationen und [des] theilweise mehrere Tage in Anspruch nehmenden Marsches zur Erreichung der Eisenbahn" nicht weniger als 10 Tage betrug. Hatten die Gendarmen ihren Gestellungsort, den sie „wie überhaupt die Dislokation der Armee secret" behandeln mußten, den beschriebenen Widrigkeiten zum Trotz dann aber erst einmal erreicht, so machte es ihnen Ziffer 2 der Ausführungsbestimmungen außerdem noch zur Pflicht, sich „zu informieren, wo sich das Hauptquartier resp. Stabs-Quartier, welchem sie zugewiesen sind, augenblicklich befindet, sich dorthin zu begeben und beim Chef des General-Stabes des betreffenden ArmeeKorps, resp. beim Befehlshaber in Wetzlar zu melden". Da sich jedoch die Gendarmen spätestens seit diesem Zeitpunkt im Kriegseinsatz befanden und daher ihren zivilen Dienstposten fern bleiben mußten, befaßten sich die Ausführungsbestimmungen auch noch mit der Frage des Ersatzes für das an die Armee abgegebene Personal der Landgendarmerie. Zwar hatte bereits der König in Ziffer 7 der A.K.O vom 25.05.1866 angeordnet, daß die Landgendarmen durch Angehörige der Ersatztruppenteile vertreten werden sollten. Das Kriegsministerium ging über diese Regelung jedoch hinaus und verfügte in Ziffer 8 der Ausführungsbestimmungen ergänzend, daß „die für die zur mobilen Armee abkommandirten Landgendarmen etwa nöthig werdenden Stellvertreter [...] auf den (an die stellvertretenden Königlichen General-Kommandos resp. an das MilitairGouvernement der Provinz Sachsen zu richtenden) Antrag der Gendarmerie-Brigaden [...] vorzugsweise von der Infanterie zu geben" waren. Damit war dann der Regelungsgehalt der Ausführungsbestimmungen vom 31.05.1866 erschöpft. Weitere formationsgeschichtliche Erkenntnisse lassen sich also auch aus dieser Quelle nicht mehr gewinnen. Im Hinblick auf den Krieg mit Österreich bleibt demnach nichts anderes mehr übrig, als abschließend mit Böckle festzustellen, daß die Feldgendarmen nach dem preußischen Sieg im Zuge der Demobilisation aus der Armee ausschieden und zu ihren Heimatdienststellen zurückkehrten. 253

252 253

GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 9 d. A. Böckle, S. 61.

C. Die Zeit bis zur Reichsgründung

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C. Die Zeit bis zur Reichsgründung I. Die Übergangszeit bis zum Erlaß einer neuen Dienstvorschrift Ganz offenkundig war die preußische Armeeführung bei der Analyse der Kriegsereignisse zu dem Ergebnis gekommen, daß sich die Einrichtung einer Feldgendarmerietruppe bewährt hatte, denn einem für das Innenministerium bestimmten Schreiben vom 18.06.1867254 zufolge empfand das Kriegsministerium nicht nur unverändert „die Notwendigkeit, operierenden Korps eine hinreichend starke Heerespolizei beizugeben", 255 sondern plante überdies für zukünftige Mobilmachungen sogar eine deutliche Vergrößerung der neuen Truppengattung. Aus diesem Grunde hatten die zuständigen Stellen im Kriegsministerium bereits im April 1867 beim Chef der Landgendarmerie angefragt, „wie viel Wachtmeister oder hierzu geeignete Expektanten und berittene Landgendarmen ohne Gefährdung der polizeilichen Sicherheit im Innern des Landes unter ähnlichen Bedingungen wie im Vorjahr im Mobilmachungsfall von dem Landgendarmeriekorps für die Armee wohl würden disponibel gestellt werden können." In seiner Antwort vom 27.04.1867 teilte der Chef der Landgendarmerie daraufhin zwar einerseits wunschgemäß mit, daß „er nach den Erfahrungen des Vorjahres glaube, im Mobilmachungsfalle 24 Erste Wachtmeister resp. dazu geeignete Expektanten und circa 280 bis 300 berittene Gendarmen zur Formation einer Feld-Gendarmerie abgeben zu können." Andererseits bestand er aber auch darauf, „daß unter dem für die obige Abgabe aus den Ersatztruppen zu stellenden Ersatz, welcher auf mindestens die Hälfte der Kopfzahl der abkommandierten Gendarmen zu normieren sein dürfte, wohl ein Drittel beritten sein müßte." Da jedoch das Kriegsministerium nicht geneigt war, dem Chef der Landgendarmerie den verlangten berittenen Personalersatz zu stellen, beschloß es stattdessen, die Feldgendarmen künftig nur noch zum Teil aus den Reihen der Landgendarmerie zu rekrutieren und die übrigen Stellen der einzelnen Feldgendarmerieabteilungen durch das von diesen jeweils unterstützte Armeekorps mit Angehörigen der Kavallerie-Regimenter besetzen zu lassen. Dementsprechend rechnete das Kriegsministerium dann auch damit, daß es zu der „in Aussicht genommenen Organisation einer Feldgendarmerie im Mobilmachungsfalle [...] nur der Gestellung von etwa 28 Wachtmeistern und 200 Landgendarmen" bedürfe, wenn als Ausgleich für diese reduzierte Personalforderung „ein etwaiger Ersatz [...] nur aus den zurückbleibenden Fußtruppen entnommen und, wo in 254

GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe. Dementsprechend hatte der Chef der Landgendarmerie die einzelnen Gendarmeriebrigaden schon im Mai 1867 davon in Kenntnis gesetzt, daß „bei ferneren Mobilmachungen wiederum eine Feld-Gendarmerie errichtet werden" sollte; vgl. das Schreiben des Chefs der Landgendarmerie vom 09.05.1867, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 60 d.A. 255

24 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

einzelnen Bezirken das Bedürfnis eines berittenen Stellvertreters erforderlich sein sollte, dieser aus der Landgendarmerie selbst durch eine entsprechende Vertheilung der ihr verbliebenen berittenen Gendarmen gedeckt würde." Hinzuzurechnen seien allerdings noch weitere 12 Offiziere, die nach Möglichkeit ebenfalls der Landgendarmerie entnommen werden sollten. 256 Um nun aber das sonach erforderliche Personal nicht erst dann bestimmen zu müssen, wenn die Armee tatsächlich mobil gemacht wurde, sondern vielmehr „die zur Errichtung eines Feldgendarmerie-Korps [...] zur Ausführung zu bringenden Anordnungen wie bei allen übrigen Formationen der Armee schon jetzt im Frieden genau präzisieren zu können," machte sich das Kriegsministerium insoweit schließlich den Vorschlag des Chefs der Landgendarmerie zu eigen, auch unabhängig von einer etwa drohenden kriegerischen Auseinandersetzung „alljährlich diejenigen Ersten Wachtmeister und Gendarmen zu designieren, welche eintretenden Falls zur Feld-Gendarmerie abzugeben wären". 257 Aufgrund der Tatsache, daß sich der Minister des Innern noch im Juni 1867 mit den dargelegten Vorstellungen des Kriegsministeriums von der zukünftigen Erscheinungsform der Feldgendarmerie einverstanden erklärte, 258 gelang es schon im Jahre 1867, erstmals detaillierte „Grundsätze zur Organisation des bei einer Mobilmachung zu formierenden Feldgendarmerie-Corps" 259 zu formulieren. Danach sollte zunächst einmal an dem bereits im preußisch-österreichischen Krieg praktizierten Prinzip, daß „die Formation der Feldgendarmerie [...] armeecorpsweise im Stabs-Quartier der General-Kommandos" zu erfolgen hatte, unverändert festgehalten wer256 Vgl. zu all dem das Schreiben des Kriegsministeriums vom 18.06.1867, a.a.O. (s.o. Fn. 254), dem auch sämtliche im Text enthaltenen Zitate entstammen, die nicht anderweitig nachgewiesen worden sind. 257 Vgl. das Schreiben des Chefs der Landgendarmerie vom 09.05.1867, a.a.O. (s.o. Fn. 255); dort wird überdies auch das Anforderungsprofil umrissen, dem ein für die Verwendung in der Feldgendarmerie einzuplanender Gendarm entsprechen mußte: „Da die Stellung als Feld-Gendarm schwierig und die Anforderungen bedeutend sind, so muß eine sehr sorgfältige Auswahl erfolgen. Die Leute müssen sich noch im kräftigen Alter befinden, vollkommen gesund und geistig frisch sein, mit Lack aufzutreten und sich leicht zu orientieren wissen. Eine gute Führung muß ihnen zur Seite stehen, sie müssen eine gute militärische Haltung haben und gute Reiter sein. Soweit es angängig, ist auch auf möglichst wenig zahlreiche Familien zu sehen. Gendarmen aus Klasse C sind selbstredend ausgeschlossen. Probisten dürfen nur zur Verwendung kommen, wenn sie mindestens die Hälfte der Probezeit zurückgelegt und sich schon ganz brauchbar gezeigt haben." 258 Das entsprechende Antwortschreiben vom 28.06.1867 konnte in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht gefunden werden, ist aber von der durch das Innenministerium erarbeiteten „Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung" vom 31.01.1916 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band n, Bl. 150 ff. d.A.) in Bezug genommen worden (S. 4 ebda., Bl. 151 d.A.) und war daher zumindest zu dieser Zeit noch zweifelsfrei nachweisbar. 259 GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 72 ff. d.A.; hingegen richteten sich die für die Feldgendarmen vorgesehenen Aufgaben und Befugnisse weiterhin ausschließlich nach den Vorschriften der Dienstinstruktion vom 25.05.1866.

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den. 2 6 0 Hinsichtlich der Stärke und der Zusammensetzung der aufgrund dieser Vorgabe zu bildenden Feldgendarmerieeinheiten griffen die Organisationsgrundsätze sodann auf die bereits dargestellten Vorüberlegungen des Kriegsministeriums zurück. Demgemäß hieß es in § 2 der Organisationsgrundsätze wörtlich: „Bei jedem Armee-Corps wird im Mobilmachungsfalle ein [Detachement] Feldgendarmerie in der Stärke von 1 Offizier, 2 Wachtmeister, 15 Obergendarmen, 15 Unteroffizieren und 30 Gefreiten formiert. Hierzu werden vom Landgendarmerie-Corps 2 Ober-Wachtmeister oder dazu geeignete Expektanten261 und 15 Landgendarmen, 260 dieser strengen Zuordnung der einzelnen Feldgendarmerieeinheiten zu bestimmten Truppen verbänden hatte das Kriegsministerium zugleich auch eine Beschränkung der Zuständigkeit der Feldgendarmen auf den ihnen jeweils zugewiesenen Bereich bewirkt. Da dies während der gesamten Dauer der Formationsgeschichte der Feldgendarmerie nicht mehr geändert wurde und mithin auch im zweiten Weltkrieg noch als typisch anzusehen war, handelte es sich bei der Zuständigkeitsbegrenzung um eine ebenso charakteristische Erscheinungsform der Truppe wie etwa auch bei der besonderen äußeren Kennzeichnung ihrer Angehörigen oder deren Rekrutierung aus den Reihen der Landgendarmerie. Insoweit unterschied sich die Feldgendarmerie daher auch in signifikanter Weise von den Feldjägerkommandos im zweiten Weltkrieg, da diese die ihnen eingeräumten Befugnisse - wie oben im 5. Kapitel unter C. näher aufgezeigt - unterschiedslos gegenüber allen Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS ohne Rücksicht auf deren Truppenzugehörigkeit ausüben konnten. Das kann ohne weiteres als eine bewußte Abkehr von dem aus der Feldgendarmeriegeschichte bekannten Prinzip der begrenzten Zuständigkeiten interpretiert werden, denn dieser Grundsatz war keineswegs frei von Nachteilen. So ist dem Befehlshaber des Wehrbereichskommandos IE in Düsseldorf beizupflichten, wenn er in einem Memorandum zur Neuregelung des Feldjägerwesens in der Bundeswehr vom 23.07.1959 (BA-MA BW 2/20029, ohne Blattangabe) glaubte feststellen zu können, daß „die organisatorischen Erfahrungen dieser Zersplitterung der Feldgendarmeriekräfte und der unvermeidlichen Überschneidungen der räumlichen und sachlichen Zuständigkeiten" als unerfreulich zu bezeichnen waren. Ganz bewußt hat dementsprechend auch die Bundeswehr den Erfahrungen mit der Feldgendarmerie im zweiten Weltkrieg Rechnung getragen und die Feldjägertruppe sogar mit teilstreitkraftübergreifenden Befugnissen ausgestattet. Diese Gesamtstreitkraftlösung in der Bundeswehr wurde dann auch den Worten des Befehlshabers im Wehrbereich III zufolge selbst von britischen und amerikanischen Militärpolizei-Offizieren „als die zweckmäßigste Regelung" bezeichnet (S. 2 des Memorandums, a.a.O.; vgl. zur Beschränkung der örtlichen Zuständigkeit der Feldgendarmen auf das Gebiet des Truppenkommandos, dem sie jeweils unterstanden, auch die im Aktenbestand BA-MA BW 9/1578, Bl. 108 ff. d.A. enthaltene Ausarbeitung über „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht", S. 5 und S. 7 f., ebda.). 261 Insoweit enthielt eine Fußnote zum ansonsten weitgehend inhaltsgleichen § 2 des späteren „Reglements über die Organisation der Feldgendarmerie" vom 07.01.1869 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe) folgende Zusatzbestimmung: „Die von der Landgendarmerie zur Feldgendarmerie übertretenden Oberwachtmeister führen auch in der Feldgendarmerie den Titel , Oberwachtmeister4 und das betreffende Abzeichen fort. Wird jedoch von der Landgendarmerie zu einer Wachtmeisterstelle in der Feldgendarmerie kein Oberwachtmeister, sondern nur ein Gendarm als geeigneter Expektant abgegeben, welcher bei der Formation der Feldgendarmerie von dem betreffenden General-Kommando zum Wachtmeister zu ernennen ist, so führt ein solcher in der Feldgendarmerie nur den Titel »Wachtmeister4 und hat nicht das besondere Abzeichen der Oberwachtmeister anzuleu

gen. 24*

6. Kap.: Die Feldgendarmerie

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aus den Kavallerie-Regimentern des Armee-Corps 15 Unteroffiziere oder zur Beförderung hierzu geeignete Gefreite und 30 Gefreite der Garnison gestellt. Außer großer Umsicht und Zuverlässigkeit müssen die von den Regimentern abzugebenden Mannschaften auch Geschriebenes geläufig lesen und sich schriftlich auszudrücken im Stande sein. Zu Obergendarmen, d.h. Patrouillenführern sind die von der Landgendarmerie übertretenden Feldgendarmen [...] zu ernennen.262 [...]. Die Mannschaften aus den Kavallerie-Regimentern werden beritten abgegeben. [...]. Es wird den betreffenden Truppen-Kommandos und in letzter Instanz den General-Kommandos zur besonderen Pflicht gemacht, dafür Sorge zu tragen, daß nur qualifizierte Leute und brauchbare Pferde in das Feld-Gendarmerie-Corps zur Einstellung gelant*

gen. Schließlich befaßten sich die Grundsätze zur Organisation der Feldgendarmerie auch noch mit der Auswahl und Ernennung der Offiziere der Truppe und bestimmten insoweit zunächst, daß diese „in der Regel aus dem Offizier-Corps der Landgendarmerie oder aus den Offizieren des beurlaubten oder inactiven Standes" auszuwählen seien, „wobei besonders auf solche Persönlichkeiten" zurückgegriffen werden müsse, „welche in ihrer Civilstellung der exekutiven Polizei angehören." Es seien daher „nur Personen von besonderer Umsicht, Energie und rücksichtsloser Strenge vereint mit der nöthigen körperlichen Rüstigkeit" für den Dienst in der Feldgendarmerie als geeignet anzusehen. Jedes einzelne Armeekorps hatte dann selbst die Aufgabe, unter Berücksichtigung dieses Anforderungsprofils schon im Frieden zwei Offiziere festzulegen, die im Mobilmachungsfall für den Dienst in dem ihm zugewiesenen Feldgendarmeriedetachement in Betracht kamen. Gleichwohl wurde den Generalkommandos der Armeekorps lediglich das Recht zugestanden, einen der beiden designierten Offiziere „mit der Kommandeurstelle des zugehörigen Feldgendarmerie-Detachements zu beleihen." Die Entscheidung über die konkrete Verwendung des zweiten Offiziers hatte sich das Kriegsministerium hingegen selbst vorbehalten. Soweit die Generalkommandos der Armeekorps bei der ihnen obliegenden Offiziersauswahl auf Offiziere der Landgendarmerie zurückgreifen wollten, mußten sie schließlich „zuvörderst mit dem Chef der Land-Gendarmerie in Verbindung treten, welcher ihnen die geeigneten und abkömmlichen Persönlichkeiten auf desfallsige Anfragen zu bezeichnen" hatte. Auf diese Weise wurde sichergestellt, daß die Generalkommandos „diese Offiziere behufs etwaiger Übernahme der Kommandeurstelle [ihres] Feldgendarmerie-Detachements von dem vorgedachten Chef 4 zu Beginn der Mobilmachung auch tatsächlich problemlos requirieren konnten.

262 Auch zu dieser Frage findet sich in der amtlichen Anmerkung zu § 2 des Reglements vom 07.01.1869 eine Spezialregelung, wonach „die in der Feldgendarmerie zu ,Obergendarmen' ernannten Landgendarmen [...] bei ihrem Rücktritt in die Landgendarmerie diesen Titel und das Abzeichen - die gelbe Litze auf der Achselklappe wieder abzulegen hatten.

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Die so umschriebenen Grundsätze zur Organisation der Feldgendarmerie blieben in der Folgezeit noch beinahe eineinhalb Jahre lang in Kraft, ehe sie am 07.01.1869 in eine völlig neugestaltete Dienstvorschrift überführt wurden.

II. Die Dienstvorschrift vom 07.01.1869 Bei dieser neuen Dienstvorschrift handelte es sich im Gegensatz zur ursprünglichen Instruktion aus dem Jahre 1866, die unter großem Zeitdruck zustande gekommen war und daher einen eher provisorischen Charakter aufwies, um ein ausführliches Regelwerk, das sich nicht nur mit dem Aufbau der Feldgendarmerie, sondern gleichermaßen auch mit deren Aufgaben und Befugnissen umfassend beschäftigte. Zu diesem Zweck hatte das Kriegsministerium die Dienstvorschrift in ein „Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie" und eine „Dienst-Instruktion für die Feldgendarmerie" aufgespalten und so die durch den zeitversetzten Erlaß der Dienstinstruktion vom 25.05.1866 und der Organisationsgrundsätze des Jahres 1867 schon früher entstandene Zweiteilung der für die Feldgendarmerie maßgeblichen Regelwerke grundsätzlich beibehalten. 1. Das Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie Betrachtet man nun zunächst einmal das „Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie," so stellt man sogleich fest, daß darin erstmals verbindlich vorgeschrieben wurde, welchen Zweck die neue Truppengattung erfüllen sollte. So hieß es in § 1 I des Reglements, die Feldgendarmerie sei ausschließlich „zur Wahrnehmung der Heerespolizei im Kriege, sowie auch erforderlichen Falls zur Handhabung der Landespolizei in occupirten feindlichen Gebieten bestimmt." Ein davon abweichender Einsatz der Truppe wurde dann durch § 1 I I des Reglements sogar noch ausdrücklich untersagt. Weitere Einzelheiten über den Verwendungszweck der Feldgendarmerie enthielt das Reglement indessen nicht. Vielmehr überließ es die detaillierte Regelung derjenigen Fragen, die bedingt durch die vorgegebene Zweckbestimmung im Hinblick auf die Aufgaben und Befugnisse der Feldgendarmen zwangsläufig aufgeworfen wurden, allein der zeitgleich erlassenen „Dienst-Instruktion für die Feldgendarmerie" vom 07.01.1869 und ging stattdessen in den nachfolgenden Vorschriften unmittelbar dazu über, die Organisationsstrukturen der Truppe näher festzulegen. Dabei konnte sie naturgemäß auf die schon im Jahre 1867 formulierten Grundsätze zurückgreifen, die daher teilweise sogar beinahe wörtlich übernommen wurden. Das wird bereits durch einen Blick auf die Vorschrift des § 2 des Reglements bestätigt, denn obgleich darin sowohl die Stärke als auch die Zusammensetzung der im Mobilmachungsfall aufzustellenden Feldgendarmerieeinheiten eine ausführliche Normierung erfahren hatten, ergaben sich dadurch keinerlei Abwei-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

chungen zu den Bestimmungen des weiter oben zitierten § 2 der Organisationsgrundsätze aus dem Jahre 1867. 263 Darüber hinaus waren aber auch die bereits dargestellten Kriterien, die die Grundsätze von 1867 für die Offiziersauswahl vorgegeben hatten, weitgehend unverändert in die §§20, 21 des Reglements integriert worden. Schließlich wich auch § 7 des Reglements, der die jeweils zuständigen Truppenkommandos dazu verpflichtete, „nur qualifizirte Leute und brauchbare Pferde zur Feldgendarmerie abzugeben," weder in bezug auf seinen Inhalt noch auch nur hinsichtlich seines Wortlautes von der Vorgängerregelung ab, die ebenfalls in § 2 der Organisationsgrundsätze des Jahres 1867 zu finden war. Neu war im Zusammenhang mit der Gliederung und dem Aufbau der Feldgendarmerie demgegenüber allerdings der Umstand, daß die §§ 2 IV; 15 ff. des Reglements sich intensiver mit der konkreten Verteilung des einberufenen Feldgendarmeriepersonals befaßten. Danach waren die als „Detachements" bezeichneten Feldgendarmerieeinheiten zwar im allgemeinen nach wie vor nur von den Generalkommandos der Armee-Korps mobil zu machen, da es sich bei diesen um die größten schon im Frieden bestehenden Truppenverbände der preußischen Streitkräfte handelte. Gleichwohl war erstmals nicht mehr geplant, das gesamte Personal der Feldgendarmerie-Detachements nur den kämpfenden Truppenteilen eines Armeekorps zur Unterstützung beizuordnen. Vielmehr schrieb § 15 I des Reglements insoweit für die Zukunft vor, daß „den betreffenden mobilen Armee-Korps [nur] ein Feldgendarmerie-Detachement in der Stärke von 1 Wachtmeister und 40 Feldgendarmen (10 Obergendarmen, 10 Unteroffiziere, 20 Gefreite) unter dem Kommando eines Rittmeisters als Kommandeur des Detachements" zuzuteilen war. Hingegen sollte das Personal, das dann im Vergleich mit dem durch § 2 des Reglements vorgegebenen Gesamtumfang eines Feldgendarmerie-Detachements auf Korpsebene noch übrig blieb, gemäß 263 Das galt indessen lediglich für den Bereich der preußischen Streitkräfte. Zu beachten war jedoch, daß das Anwendungsgebiet der Dienstvorschrift vom 07.01.1869 nicht mehr wie noch das der Organisationsgrundsätze aus dem Jahre 1867 nur auf Preußen beschränkt war, sondern vielmehr sämtliche Mitgliedsstaaten des Norddeutschen Bundes umfaßte. Da aber in den nichtpreußischen Bundesländern mitunter sowohl die Organisationsform der Landgendarmerie als auch die Struktur des Heeres deutlich vom preußischen Vorbild abwichen, ergaben sich immer wieder partikulare Besonderheiten, denen auch die militärischen Dienstvorschriften Rechnung tragen mußten. So wurde etwa in einer amtlichen Anmerkung zu § 2 des Reglements ausdrücklich auf die nichtmilitärische Organisation der Landgendarmerie in einigen Staaten des Norddeutschen Bundes Rücksicht genommen und demgemäß bestimmt, daß „für das XII. (Königlich Sächsische) Armee-Korps sowie für das Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsche und Herzoglich Braunschweigische Kontingent [...] der Bedarf an Feldgendarmerie ausschließlich aus den betreffenden Kavallerie-Regimentern entnommen" werden sollte. Eine weitere Besonderheit war dann auch noch für das Großherzogtum Hessen vorgesehen, denn insoweit schrieb die offizielle Fußnote zu § 2 des Reglements wörtlich vor: „Die bei der Großherzoglich Hessischen (25.) Division theilweise aus der Groherzoglichen Landgendarmerie zu gestellenden Mannschaften sind beim Eintritt in die Feldgendarmerie auf den Bundesfeldherrn zu vereidigen."

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§ 15 I I des Reglements „der zugehörigen Etappen-Inspektion264 in der Stärke von 1 Wachtmeister und 20 Feldgendarmen (5 Obergendarmen, 5 Unteroffiziere, 10 Gefreite) überwiesen" werden. 265 Damit war indessen die Verteilung der im Mobilmachungsfall eingezogenen Feldgendarmen noch keineswegs abgeschlossen. Vielmehr war § 2 IV des Reglements zu entnehmen, daß auch in „den Armee-Kommandos, 266 den General-Etappen-Inspektionen und dem Armee-Ober-Kommando (großes Hauptquartier)" Feldgendarmerieeinheiten aufzustellen waren. Diese waren erheblich kleiner als die Detachements auf Korpsebene und wurden daher als „Feldgendarmerie-Abteilungen" bezeichnet. Ihre Aufgabe bestand gemäß § 2 IV des Reglements vom 07.01.1869 im wesentlichen nur darin, die „Aufrechterhaltung der polizeilichen Ordnung in den bezüglichen Hauptquartieren" zu gewährleisten. Die wenigen Feldgendarmen, die man zur Erfüllung dieser Verpflichtung benötigte, sollten „von den Feldgendarmerie-Detachements der mobilen Armee-Korps oder deren Etappen-Inspektionen abkommandirt" werden, damit eine zusätzliche Belastung der Landgendarmerie durch weitere Personalabstellungen vermieden werden konnte. Im Gegensatz dazu mußte das qualifiziertere Personal, das für die Besetzung der in den Feldgendarmerie-Abteilungen eingeplanten Wachtmeisterstellen erforderlich war, gemäß § 2 IV des Reglements jedoch wiederum von der Landgendarmerie abgestellt werden. Bezüglich der Offiziersstellen schrieb § 21 I I des Reglements vom 07.01.1869 dann schließlich noch vor, daß sie unter Beachtung der bereits 264 Der Begriff ,»Etappe" beschrieb im allgemeinen das Gebiet, das zwischen den Kampfzonen der Truppenverbände und der Heimat lag. Es unterstand besonderen Etappenbehörden, die mit eigenen Soldaten meist älterer Jahrgänge oder nur eingeschränkter Feldverwendungsfähigkeit ausgestattet waren und vor allem die Funktion hatten, die Sicherung und Verwaltung des ihnen jeweils zugewiesenen Etappengebiets durchzuführen, den Ab- und Nachschub von Material sicherzustellen sowie den reibungslosen Abtransport von Verwundeten, Kranken und Kriegsgefangenen zu gewährleisten. Die Etappenbehörden unterstanden jeweils dem Oberbefehl des Kommandeurs desjenigen Truppenverbandes, in dessen rückwärtigen Bereich sie eingesetzt waren. Die zuständige Etappenbehörde eines Korps hieß „Etappen-Inspektion", während sie im Rücken einer Armee die Bezeichnung „General-Etappen-Inspektion" führte. 265 Das sonach bei der Etappen-Inspektion des Korps zu bildende FeldgendarmerieDetachement wurde gemäß § 16 des Reglements nur „für den Fall, daß das ArmeeKorps selbständig operirt, [...] unter das Kommando eines Offiziers (Rittmeisters) gestellt". Grundsätzlich war jedoch der Kommandeur des dem mobilen Teil des ArmeeKorps zugewiesenen Feldgendarmerie-Detachements auch für die Führung der bei der Etappen-Inspektion tätigen Feldgendarmen zuständig. Aus diesem Grunde hatte das Kriegsministerium in der im Text zitierten Vorschrift des § 15 II des Reglements vom 07.01.1869 bewußt darauf verzichtet, für das Feldgendarmerie-Detachement der Etappen-Inspektion im Normalfall eine Offiziersstelle auszuweisen. 266 Als Armeekommando bezeichnete man den Stab einer aus verschiedenen Armee-Korps zusammengefaßten Armee, bei der es sich folglich im Verhältnis zu den Korps um einen übergeordneten taktischen Truppenverband handelte. Demgegenüber führte der Stab des Oberbefehlshabers der gesamten Streitkräfte die Bezeichnung „Armee-Ober-Kommando (großes Hauptquartier)". Die Führung der Armee-Korps schließlich oblag den im Text schon vielfach erwähnten „Generalkommandos".

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

in den Organisationsgrundsätzen des Jahres 1867 enthaltenen Auswahlkriterien im Einzelfall und allein durch das Kriegsministerium besetzt werden sollten. Während nun das Reglement erstaunlicherweise keinerlei Angaben dazu machte, wie viele Wachtmeister und einfache Gendarmen den FeldgendarmerieAbteilungen auf der Ebene der Armeen angehörten, enthielt es hinsichtlich der in diesen Einheiten benötigten Offiziere sogar ausführliche Regelungen. So schrieb § 17, 1 des Reglements vor, daß die Feldgendarmerie-Abteilung einer Armee dem Kommando eines Stabsoffiziers unterstand, der dann gemäß § 17, 2 des Reglements zugleich auch für die einheitliche Führung der Feldgendarmerie-Detachements derjenigen Armee-Korps verantwortlich war, aus denen die Armee jeweils gebildet wurde. Überdies bestimmte § 18 des Reglements, daß „den Abtheilungs-Kommandos der Feldgendarmerie bei den Armee-Kommandos [...] noch ein 2. Feldgendarmerie-Offizier, in der Charge eines Rittmeisters, zur Unterstützung und Fortführung der laufenden Geschäfte bei zeitweiser Abwesenheit des Abtheilungs-Kommandeurs, sowie zur Ausführung besonderer Aufträge beigegeben" wurde. Wies das Reglement somit im Hinblick auf die Feldgendarmerie-Abteilungen bei den Korps noch eine vergleichsweise beachtliche Regelungsdichte auf, so beschränkte es sich in seinem § 19, der die Feldgendarmerie-Abteilung im großen Hauptquartier betraf, auf die lapidare Feststellung, daß das Kriegsministerium die Stärke dieser Einheit, die „direkt dem Kommandeur der Stabswache, resp. dem Kommandanten des Hauptquartiers unterstellt" war, immer erst dann konkret bestimmen sollte, wenn das große Hauptquartier mobil gemacht wurde; weitere Regelungen über die Feldgendarmerie-Abteilung im Armee-Ober-Kommando enthielt das Reglement dagegen nicht. Neben den so zusammengefaßten Bestimmungen über den Aufbau und die Gliederung der Feldgendarmerietruppe beinhaltete das Reglement vom 07.01. 1869 aber auch noch weitere Vorschriften, die über den Regelungsgehalt der Organisationsgrundsätze aus dem Jahre 1867 hinausgingen. So waren in § 5 des Reglements erstmals auch die Grundzüge eines Ersatzwesens der Feldgendarmerietruppe niedergelegt worden. Danach sollte „ein etwaiger Abgang in der Feldgendarmerie [...], je nachdem derselbe entweder in der von der Landgendarmerie oder in der von den Regimentern gestellten Quote eingetreten ist, aus der Landgendarmerie oder aus den mobilen resp. Besatzungs-Kavallerie-Regimentern des betreffenden Armee-Korps, resp. der Etappen-Inspektion, gedeckt" werden. Für den Fall, daß nach diesen Grundsätzen dann tatsächlich einmal die ersatzweise Gestellung eines weiteren Landgendarmen erforderlich wurde, gestattete § 5 I 2 des Reglements den Kommandeuren der Feldgendarmerie-Detachements bei den Armee-Korps, unter Vermeidung der ansonsten üblichen Dienstwege „direkt mit dem Chef der Landgendarmerie in Verbindung zu treten". 2 6 7 Demgegenüber war „ein Abgang an Pferden bei der Feldgendarmerie"

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gemäß § 5 I I des Reglements vom 07.01.1869 durch das „zum betreffenden Armee-Korps gehörige, mobile Pferde-Depot" zu kompensieren, wobei jedoch nach § 4 V I I des Reglements darauf geachtet werden mußte, daß nur solche Pferde ausgewählt wurden, „welche sich zu dem der Feldgendarmerie vorzugsweise obliegenden Einzeln-Dienst eignen, also überall hingehen, nicht kleben, nicht schlagen oder andere dergleichen Untugenden haben." Hatte das Reglement vom 07.01.1869 demzufolge im Gegensatz zu den Organisationsgrundsätzen aus dem Jahre 1867 erstmals Bestimmungen über das Ersatzwesen der Feldgendarmerie getroffen, so enthielt es ebenfalls zum ersten Mal auch eine Regelung der Art und Weise, in der das von der Landgendarmerie abgestellte Personal vertreten werden sollte. Gemäß § 28 des Reglements waren nämlich „die etwa erforderlichen Stellvertreter der zur Feldgendarmerie abgegebenen Landgendarmen [...] von dem Chef der Landgendarmerie beim Kriegs-Ministerium, Allgemeinen Kriegs-Departement, zu requiriren", von wo aus dann deren Gestellung aus den Reihen der Ersatztruppen veranlaßt wurde. Den Ausführungen entsprechend, die das Kriegsministerium bereits in der vor Erlaß des Reglements vom 07.01.1869 mit dem Minister des Innern geführten Korrespondenz gemacht hatte, schrieb § 29, 1 des Reglements sodann ergänzend vor, daß „die etwaige Stellvertretung der abgegebenen berittenen Landgendarmen nur durch Fußgendarmen" stattfinden sollte, „welche aus den Ersatztruppen der Infanterie entnommen werden." Daher war es auch gemäß § 29, 2 des Reglements vom 07.01.1869 nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig, „auf das Ansuchen des Chefs der Landgendarmerie [...] berittene Mannschaften aus den Kavallerie-Ersatztruppen zur Stellvertretung der Landgendarmen" zu verwenden. Damit sind nun aber die durch das Reglement vom 07.01.1869 eingeführten wesentlichen Neuerungen in der Organisation der Feldgendarmerietruppe allesamt aufgezeigt worden. 268 Weitere formationsgeschichtlich belangvolle Einzelheiten, die bis dahin noch keine anderweitige Normierung erfahren hatten, be267 Dieser war dann gemäß § 3 I des Reglements in gleicher Weise wie im Falle des ursprünglichen Mobilmachungsbefehls dazu verpflichtet, die sofortige Überweisung der angeforderten Landgendarmen „unter möglichster Berücksichtigung der provinziellen Zugehörigkeit an die [betreffenden] Armee-Korps zu veranlassen." Insoweit schrieb § 3 II des Reglements unter deutlich erkennbarer Anlehnung an die oben bereits ausführlich vorgestellten Ausführungsbestimmungen zur A.K.O. vom 25.05.1866 [s.o. B.] noch ergänzend vor, daß „zur Heranziehung sämtlicher zur Feldgendarmerie designirten Mannschaften [...] die Eisenbahnen thunlichst zu benutzen" waren. 268 Daneben enthielt das Reglement zwar auch noch Vorschriften über Gebührnisund Pensionsfragen, Bekleidung, Ausrüstung und Bewaffnung der Feldgendarmen, die disziplinarrechtlichen Verhältnisse innerhalb der Truppe sowie über deren Verpflegung. Gleichwohl kann diesen im allgemeinen erheblich weniger bedeutsamen Problemkreisen im hier interessierenden formationsgeschichtlichen Zusammenhang ebenso wenig nachgegangen werden wie oben unter B. anläßlich der Betrachtung der Ausführungsbestimmungen zur A.K.O. vom 25.05.1866 (siehe dazu oben Fn. 251).

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inhaltete das Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie nicht mehr. Dementsprechend knüpfte § 32 I des Reglements dann auch nur noch an das althergebrachte Prinzip an, daß die Feldgendarmerie mit der Demobilmachung wieder aufgelöst wurde und „die Mitglieder derselben sowie auch die etwaigen Stellvertreter der Landgendarmen in ihr früheres Verhältnis" zurücktraten. Da das Reglement vom 07.01.1869 dann in der folgenden Zeit bis zur Reichsgründung keinerlei Änderungen mehr unterworfen wurde, vollzog sich mithin die Mobilmachung der Feldgendarmerietruppe noch im deutsch-französischen Krieg nach seinen unveränderten Bestimmungen. 2. Die Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie Ebenso, wie nach alledem das Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie zum großen Teil die Vorschriften der älteren Organisationsgrundsätze aus dem Jahre 1867 übernommen hatte, griff auch die eingangs bereits erwähnte „Dienst-Instruktion für die Feldgendarmerie" vom 07.01.1869 weitgehend auf die Regelungen ihrer Vorgängerin vom 25.05.1866 zurück. a) Die Aufgaben der Feldgendarmerie Daher ist es unzutreffend, wenn Böckle behauptet, die Aufgaben der Feldgendarmerie seien in der Zeit zwischen dem preußisch-österreichischen Krieg und der bewaffneten Auseinandersetzung mit Frankreich „immer umfangreicher und schwieriger" geworden. 269 Richtig ist vielmehr, daß die §§ 1 bis 6 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869, die die Obliegenheiten der Feldgendarmerie festlegten, inhaltlich weitgehend mit den entsprechenden Normen der Dienstvorschrift aus dem Jahre 1866 übereinstimmten. 270 Neu aufgenommen worden war im wesentlichen nur die Aufgabe, „nach einer siegreichen Aktion das Gefechtsfeld abzupatrouillieren, um das Ausplündern der Verwundeten und Gebliebenen nach Möglichkeit zu verhüten" (§ 5 I I HS. 1 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869). Darüber hinaus waren jedoch nur noch die durch § 4 I der Vorschrift vom 07.01.1869 begründeten Obliegenheiten der Feldgendarmen, sich mit der Einteilung der Armee und ihrer Uniformierung vertraut zu machen sowie „die Namen der Kommandeure größerer Truppenabtheilungen - Korps, Divisionen - " zu kennen, ohne Vorbild in der Instruktion vom 25.05.1866. Hingegen kann die Regelung des § 2, 1 der Instruktion vom 07.01.1869, wonach die Feldgendarmerie „darüber zu wachen [hatte], daß alle militair-polizeilichen Be269

Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 36; ders., S. 67. So auch die Bewertung Blankensteins, S. 130, der das Aufgabenspektrum der Feldgendarmerie im deutsch-französischen Krieg sogar für völlig identisch mit dem Pflichtenkreis hielt, den die Truppe in der Auseinandersetzung des Jahres 1866 zu erfüllen hatte. 270

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Stimmungen überhaupt, sowie die von dem Kommando, dem sie beigegeben ist, für einzelne Fälle erlassenen polizeilichen Anordnungen genau befolgt werden", nur schwerlich als eine Neuerung angesehen werden, da sie weitaus eher den Charakter einer allgemein formulierten Zusammenfassung der den Feldgendarmen im einzelnen auferlegten Verpflichtungen hatte. Schließlich enthielt § 6 der neuen Dienstinstruktion sogar eine Einschränkung des Aufgabenspektrums der Feldgendarmerie, denn danach durfte diese „zur Gestellung von erforderlichen Sauve-Garden [...] nur vorübergehend [und] zum Escort- und Ordonnanzdienst nur in Ausübung der eigenen Dienstobliegenheiten" herangezogen werden. Damit steht fest, daß der Kreis der von den Feldgendarmen zu verrichtenden Tätigkeiten durch die Einführung der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 keine nennenswerte Ausdehnung erfahren hat.

b) Die Befugnisse und die Rechtsstellung der Feldgendarmen In ähnlicher Weise unverändert geblieben waren überdies auch die in den §§ 14 bis 24 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 enthaltenen Bestimmungen über die Rechtsstellung der Feldgendarmen und deren Befugnisse. Zwar legt die im Verhältnis zur Instruktion vom 25.05.1866 deutlich gestiegene Anzahl von Vorschriften die Vermutung nahe, daß der Befugnisrahmen der Feldgendarmen erweitert worden war, doch erweist sich dies bei genauerer Betrachtung als ein Irrtum. Tatsächlich hatte sich nämlich die Rechtsstellung der Feldgendarmen weder im Verhältnis zu den übrigen Armeeangehörigen noch gegenüber der Zivilbevölkerung entscheidend gewandelt. Vielmehr beruhte die größere Regelungsdichte, die die Instruktion vom 07.01.1869 insoweit aufwies, in erster Linie darauf, daß diese sich vor allem im Hinblick auf die Festnahmerechte der Feldgendarmen und ihre Befugnisse zum Waffengebrauch nicht - wie noch die alte Dienstvorschrift vom 25.05.1866 - damit begnügte, pauschal auf die für militärische Wachen geltenden Vorschriften zu verweisen, sondern stattdessen deren Inhalt selber ausführlich wiedergab. Daneben hatte das Kriegsministerium der Instruktion vom 07.01.1869 allerdings auch einige Sonderregeln hinzugefügt, die der bisherigen Rechtslage noch fremd gewesen waren und insbesondere das Verhältnis der Feldgendarmen zu den Offizieren der Streitkräfte betrafen. So begrenzte die Instruktion vom 07.01.1869 zunächst einmal die Festnahmebefugnisse, die den Feldgendarmen gegenüber den Offizieren zustehen sollten. Dabei ging sie sogar noch über diejenigen Einschränkungen hinaus, denen das Recht der militärischen Wachen zur Festnahme von Soldaten im Offiziersrang gemäß § 5 der Wachinstruktion vom 27.07.1850 ohnehin schon unterlag, denn § 20 I der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 enthielt folgende Bestimmungen: „Das Recht einer eventuellen vorläufigen Ergreifung und Festnahme von Offizieren in Uniform (aus eigener Machtvollkommenheit) steht von den Mitgliedern der Feld-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

gendarmerie, welche nicht dem Offizierstande angehören, nur den Patrouillenfiihrern und deren Stellvertretern, resp. deren Vorgesetzten und auch diesen nur gegen Offiziere vom Hauptmann (inclusive) abwärts zu." Diese Regelung wurde überdies noch durch die Vorschrift des § 21 der Dienstinstruktion ergänzt, in der es wörtlich hieß: „Die vorläufige Ergreifung oder Festnahme eines Offiziers ist dadurch auszuführen, daß das betreffende Mitglied der Feldgendarmerie den Offizier ersucht, ihn zu dem nächsten, dem Range oder der Charge nach höheren Offizier zu begleiten. Auf die an den letzteren zu erstattende Meldung hat derselbe entweder nach Feststellung der Identität der Person des Offiziers die vorläufige Festnahme aufzuheben, oder nach Umständen die Ablieferung des betreffenden Offiziers an die zuständige Behörde zu veranlassen." Schließlich sah dann § 22 HS. 1 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 zusätzlich noch vor, daß „bei der vorläufigen Festnehmung eines Offiziers [...] demselben in der Regel seine Waffen zu belassen" waren. Indessen beinhaltete die Instruktion vom 07.01.1869 nicht nur besondere Bestimmungen über die Festnahme von Offizieren, sondern gab den Feldgendarmen darüber hinaus auch noch Verhaltensregeln vor, die bei der Arretierung von Soldaten, die keinen Offiziersdienstgrad innehatten, oder bei der Festnahme von Zivilpersonen zu beachten waren. So schrieb § 24 der Instruktion vom 07.01.1869 den Feldgendarmen folgendes vor: „Die von der Feldgendarmerie festgenommenen Personen [...] sind ohne Verzug in der Regel an das Haupt- oder Stabsquartier desjenigen Truppen-Kommandos abzuliefern, zu welchem das Gendarmerie-Detachement oder das Mitglied der Feldgendarmerie, welches die Festnahme bewirkt hat, kommandirt ist. Arretirte Militair-Personen können auch, wenn dieses näher ist, ihrem Truppen-Kommando überwiesen werden. Sollte jedoch sowohl das vorgenannte Haupt- oder Stabsquartier oder das Truppen-Kommando des Arretirten so entfernt sein, daß die Feldgendarmerie durch den Transport an der Ausführung wichtiger Aufträge gehindert wird, so sind die Arretirten dem nächsten Truppentheil, resp. der nächsten Etappenbehörde mit dem Ersuchen des Weitertransportes an die vorbezeichneten Stellen zu übergeben. Im Inlande festgenommene Civil-Personen sind der nächsten Polizei-Behörde abzuliefern." Im Gegensatz dazu betraf die letzte der erstmals durch die Dienstinstruktion vom 07.01.1869 eingeführten Sonderregelungen über diejenigen Rechte, die den Feldgendarmen zuvor noch unbeschränkt zugestanden hatten, wiederum nur die Offiziere. Soweit nämlich ein Offizier die Auffassung vertrat, „den Aufforderungen eines Mitgliedes der Feldgendarmerie um deswillen nicht Folge leisten zu können, weil bestimmte, diesen entgegenlaufende Instruktionen ihm von seinem Vorgesetzten ertheilt sind," so hatte er - anders als etwa ein Unteroffizier oder gar ein einfacher Soldat - gemäß § 23, 1 der Dienstvorschrift vom

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07.01.1869 die Möglichkeit, sich „unter Bezeichnung seiner Instruktion, des Vorgesetzten, welcher dieselbe ertheilt hat und seines Namens, Charge und Truppentheils" darauf zu berufen. Das hatte dann gemäß § 23, 2 der Instruktion zwangsläufig zur Folge, daß „das betreffende Mitglied der Feldgendarmerie von weiterer Verfolgung seiner Anordnungen abzustehen" und sich damit zu begnügen hatte, „seinem Vorgesetzten - in dringlichen Fällen sofort - Meldung zu machen oder durch einen Mann der Patrouille machen zu lassen." Abgesehen von diesen neu hinzugekommenen Eingrenzungen des den Feldgendarmen zugestandenen Befugnisrahmens waren jedoch keine weiteren Änderungen der oben bereits ausführlich dargestellten Rechtslage eingetreten. Diese stellte sich mithin auch nach dem Erlaß der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 noch weitestgehend unverändert dar. c) Der Dienstbetrieb der Feldgendarmerie Vollständig neu war die Instruktion vom 07.01.1869 demzufolge lediglich insoweit, als sie in ihren §§ 7 bis 13 und 25 bis 31 zum ersten Mal detaillierte Bestimmungen über den Dienstbetrieb der Feldgendarmerie beinhaltete. Danach wurden die Einsatzkräfte eines jeden Feldgendarmerie-Detachements zu sogenannten „Patrouillen" zusammengefaßt, die gemäß § 7 IV 2 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 mindestens aus zwei Personen - „einem Avancirten und einem Gefreiten zu dessen Unterstützung" - bestehen mußten, nach Möglichkeit aber durch einen Obergendarmen als Patrouillenführer, einen Unteroffizier als dessen Stellvertreter und zwei Gefreite gebildet werden sollten. Während diese Patrouillen, deren „innerer und äußerer Dienst" sich gemäß § 7 I I der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 in erster Linie nach den Anordnungen des leitenden Obergendarmen bzw. dessen Stellvertreters richtete, die eigentlichen militärpolizeilichen Aufgaben der Feldgendarmerie wahrzunehmen hatten, 2 7 1 mußten die einzelnen Abteilungs- und Detachement-Kommandeure vor

271 Dabei war »jeder Wachtmeister, Obergendarm, Unteroffizier und Feldgendarm" gemäß § 13 der Dienstinstruktion gehalten, „ein mit dem Namen und der Nummer des Inhabers versehenes Dienst-Journal" zu führen, in dem er „Tag für Tag den Nachweis über [seine] einzelnen Dienstverrichtungen [...], ferner die vorgenommenen Verhaftungen und in kurzen Worten die erstatteten Anzeigen, die gemachten besonderen Wahrnehmungen oder erhaltenen besonderen Aufträge sowie die Bescheinigungen derjenigen Behörden" eintragen mußte, denen er einen ,Arrestanten überliefert, oder sonst einen Gegenstand dienstlich überantwortet" hatte. Sobald es dann erforderlich wurde, „an Stelle eines vollgeschriebenen Dienstjournals ein neues auszugeben, so ist das frühere, Behufs etwaiger Recherchen, bei den Abtheilungs- resp. DetachementsKommandos zu asserviren." Über die Einhaltung dieser Anordnungen hatten gemäß § 13 III der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 „die Offiziere und beziehungsweise die Wachtmeister, Obergendarmen und Unteroffiziere" zu wachen, da es deren Aufgabe

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

allem den „inneren und Polizei-Dienst [...] ihrer Abtheilungen resp. Détachements anordnen und kontroliren". 272 Ferner waren sie nach § 10 I I 2 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 dafür verantwortlich, darauf zu achten, „daß die Feldgendarmen nicht zu anderen, ihrer Bestimmung sie entziehenden Dienstleistungen verwandt werden." Schließlich hatten sie dann auch noch darüber zu befinden, „ob und welchen der unterstellten Kommandobehörden im Interesse der Heerespolizei von den Feldgendarmerie-Detachements der General-Kommandos resp. Etappen-Inspektionen Patrouillen zu überweisen sind." Eine solche Entscheidung konnte gemäß § 8, 1 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 indessen auch durch die Vorgesetzten der Abteilungs- und Detachement-Kommandeure getroffen werden. 273 Abgesehen von ihren unmittelbaren Vorgesetzten innerhalb der Feldgendarmerieorganisation waren die Kommandeure allerdings gemäß § 9 I der Instruktion vom 07.01.1869, der bis hin zu seinem Wortlaut mit der Regelung des § 4, 1 der Dienstvorschrift vom 25.05.1866 identisch war, lediglich „dem Chef des Generalstabes resp. Oberquartiermeister desjenigen Kommandos, dem sie beigegeben sind, direkt unterstellt." Auch die übrigen Angehörigen der Feldgendarmerie standen gemäß § 28 I der Dienstinstruktion „nur unter den Befehlen ihrer direkten Vorgesetzten sowie derjenigen Offiziere [...], welchen sie zur Dienstleistung beigegeben" worden waren. Gegenüber allen anderen Soldaten, die unter normalen Umständen etwa aufgrund ihres Dienstgrades als Vorgesetzte einzustufen gewesen wären, waren die Feldgendarmen bekanntlich infolge ihrer Eigenschaft als militärische Wachen nicht zum Gehorsam verpflichtet. Mithin fehlte es auch den Offizieren der Armee in der Regel an der Berechtigung, den Feldgendarmen „Anordnungen oder Verweise zu ertheilen." Selbst Stabsoffiziere wurden durch § 28 I I der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 darauf beschränkt, einzelne Feldgendarmen,

war, „die Dienstjournale ihrer Untergebenen wiederholentlich zu kontroliren und daß dieses geschehen, durch Datum und Namensunterschrift in denselben zu vermerken." 272 Da den Kommandeuren der Feldgendarmerie-Abteilungen bei den Armee-Kommandos - wie oben unter C. II. 1. bereits ausgeführt - gemäß § 18 des Organisationsreglements vom 07.01.1869 noch ein zweiter Feldgendarmerieoffizier zur Verfügung stand, eröffnete ihnen § 10 III der Dienstinstruktion mit Blick auf ihre Kontrollfunktion die Möglichkeit, „sämmtliche Feldgendarmen ihrer Abtheilung bezüglich der Ausübung ihres Polizeidienstes durch den ihnen beigegebenen 2. Gendarmerie-Offizier kontroliren zu lassen." 273 Dabei sollten gemäß § 8, 2 der Instruktion „detachirte" Abteilungen wie etwa die Avantgarde bevorzugt berücksichtigt werden. Entschieden sich die Kommandeure oder deren Vorgesetzte dann tatsächlich dafür, den nachgeordneten Truppenverbänden Feldgendarmeriepersonal zur Verfügung zu stellen, so machte es ihnen § 11 der Instruktion ergänzend zur Pflicht, zum Zwecke der „Vermeidung von Collisionen mit Special-Anordnungen derjenigen Truppen-Kommandos, welchen Feldgendarmerie-Patrouillen zum Dienst überwiesen sind, generelle, den Polizeidienst betreffende Anordnungen den Stabschefs resp. Oberquartiermeistern ihrer Truppen-Kommandos zur Genehmigung und evtl. Publikation durch die bezügliche Kommando-Stelle zu unterbreiten."

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„welche sie bei Vernachlässigung ihres Polizeidienstes oder bei Überschreitung ihrer Amtsbefugnisse zu betreffen glauben, in angemessener Weise zu rektifiziren." Daher konnten auch Verhaftungen von Feldgendarmen gemäß § 29 I HS. 1 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 nur durch deren Vorgesetzte angeordnet werden. 274 Das galt indessen stets nur dann, wenn die Feldgendarmen ihren Dienst ausübten und dies zugleich durch Anlegen ihres Ringkragens auch äußerlich erkennbar machten, da sie sich anderenfalls - wie an früherer Stelle bereits ausführlich dargelegt 275 - nicht auf die Rechts Wirkungen des § 134 pr. MStGB bzw. des § 111 RMStGB berufen konnten. Lagen die Voraussetzungen dieser Normen im Einzelfall aber einmal nicht vor, so konnten auch die Feldgendarmen gemäß § 29 I I ihrer Dienstinstruktion „nur die Rechte der Charge, welche sie bekleiden", für sich in Anspruch nehmen. Darüber hinaus enthielt die Dienstinstruktion vom 07.01.1869 auch noch weitere Vorschriften, die sich mit dem Dienstbetrieb der Feldgendarmerie befaßten. So bezeichnete es § 25 der Instruktion als im Interesse des Dienstes liegend, daß „zwischen der Feldgendarmerie der verschiedenen Heeres-Abtheilungen eine dienstliche Verbindung bestehe." Aus diesem Grunde sollten „die betreffenden Vorgesetzten durch Patrouillen-Ritte der Feldgendarmerie die vorerwähnte Verbindung" herstellen, wann immer es „die Entfernungen und die sonstigen militairischen Verhältnisse gestatten." Überdies hatten sich im Dienst begegnende Feldgendarmen gemäß § 25, 3 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 die Pflicht, „die für ihre Dienstbestimmung erheblichen Notizen auszutauschen." Im Gegensatz zu § 25 der Dienstinstruktion, der nach all dem lediglich einen Gesichtspunkt regelte, der ausschließlich innerhalb der Feldgendarmerieorganisation zu beachten war, beinhaltete § 27 der Instruktion Bestimmungen, die ihre Wirkung im Falle einer dienstlich veranlaßten Zusammenarbeit zwischen Personal der Feldgendarmerie und Angehörigen anderer Truppengattungen entfalteten. Insoweit stellte sich nämlich insbesondere die Frage, wer bei einer von verschiedenen Truppengattungen gemeinsam durchgeführten Aktion die Befehlsgewalt innehaben sollte. Das wurde dann von § 27 I der Instruktion vom 07.01.1869 grundsätzlich dahingehend beantwortet, daß „über die Führung des Kommandos im gemeinschaftlichen Dienste der Feldgendarmerie mit Abtheilungen anderer Truppentheile [...] bei den Offizieren Grad und Anciennität" entschied. Dagegen erhielten „die Feldgendarmerie-Unteroffiziere (Wachtmeister, Obergendarm, Unteroffizier) [...] das Kommando über die ihnen im Range gleichstehenden Chargen der übrigen Truppen [auch] ohne Rücksicht auf ihr Dienstalter." Selbst wenn aber diesen Prinzipien zufolge „bei einer von der 274 Ausnahmsweise sollten jedoch „nach Lage der Umstände [auch] sämmtliche Generale hierzu berechtigt sein," vgl. § 29 I HS. 2 der Instruktion. 275 s.o. A. EI. 2. a).

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Feldgendarmerie mit Unterstützung eines anderen Truppen-Detachements auszuführenden polizeilichen Expedition der Führer des letzteren das Kommando" erhielt, so war er doch gemäß § 27 I I der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 dazu gezwungen, „in seinen Anordnungen auf die ihm von dem Führer der Feldgendarmerie über die etwa zu beobachtenden polizeilichen Maßnahmen mitzutheilenden Ansichten Rücksicht" zu nehmen, wenn er nicht riskieren wollte, „für den aus der Unterlassung solcher Maßnahmen erwachsenden Nachtheil verantwortlich" gemacht zu werden. Unabhängig davon jedoch, wer nun im Einzelfall letztlich mit der Führung der zusammenarbeitenden Angehörigen der Feldgendarmerie und anderer Truppengattungen betraut wurde, oblag es schließlich gemäß § 27 III der Instruktion dem ranghöchsten Feldgendarmen, stets „über den Verlauf einer solchen Expedition [...] seinen Vorgesetzten besonders zu berichten." Weitere Bestimmungen, die für den Dienstbetrieb der Feldgendarmerie bedeutsam gewesen wären, waren der Instruktion vom 07.01.1869 dann nicht mehr zu entnehmen.

III. Die Feldgendarmerie im deutsch-französischen Krieg Bemerkenswerterweise endete die Dienstinstruktion vom 07.01.1869 nicht mit einer verbindlichen Verhaltensmaßregel, sondern wies stattdessen in ihrem §31 abschließend folgenden an die Feldgendarmen gerichteten Appell auf: „Da diese Dienst-Instruktion den Mitgliedern der Feldgendarmerie einen weitgehenden Wirkungskreis, außergewöhnliche Rechte und Befugnisse zuweist, so darf angenommen werden, daß jeder, welcher in dieses Elite-Korps eingestellt wird, durch strengste Pflichterfüllung und regsten Diensteifer das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen bemüht sein wird." Nur eineinhalb Jahre später erhielten die Feldgendarmen im deutsch-französischen Krieg erstmals die Gelegenheit, die Richtigkeit der zitierten kriegsministeriellen Annahme unter Beweis zu stellen, denn schon am 16.07.1870 wurde sowohl in Preußen als auch in den übrigen deutschen Staaten mit Einschluß Bayerns die Mobilmachung der Streitkräfte befohlen. 276 Dementsprechend forderten dann auch die General-Kommandos der Armee-Korps noch am gleichen Tag beim Chef der Landgendarmerie dasjenige Personal an, das für den Aufbau der Feldgendarmerieorganisation schon im Frieden vorgesehen worden war. 2 7 7 276

Zutreffend Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 36. Vgl. etwa das Schreiben des Generalkommandos des IX. Armeekorps an den Chef der Landgendarmerie vom 16.07.1870, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1713 Nr. 73b Band I, ohne Blattangabe, in dem es wörtlich heißt: „Unter Bezugnahme auf §§20, 21 des Reglements über die Organisation der Feld-Gendarmerie ersuche ich Euer Excellenz ergebenst, den mir als Commandeur des Feldgendarmerie-Detachements diesseitigen Armee-Corps seiner Zeit namhaft gemachten Major Haack der 1. 277

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Damit zwangen sie den Chef der Landgendarmerie dazu, ebenso schnell auf den Mobilmachungsbefehl zu reagieren. Dieser ordnete daher gleichfalls noch am 16.07.1870 in einem an die einzelnen Gendarmerie-Brigaden gerichteten Schreiben an, daß „die Feldgendarmen einzubeordern [und] die beurlaubten Offiziere telegraphisch sofort zurückzuberufen" seien. 278 Gleichzeitig erließ er aber auch schon nähere Bestimmungen darüber, wie die Formation der Feldgendarmerie im einzelnen vonstatten zu gehen hatte. 279 Danach sollte „die Überweisung der zur Feldgendarmerie bestimmten Oberwachtmeister und Gendarmen an die General-Commandos" so erfolgen, daß diese sich - wie auch schon im Krieg des Jahres 1866 - am 10. Mobilmachungstag bei der für sie jeweils vorgesehenen Dienststelle melden konnten. Für die zu diesem Zweck notwendig werdende Benutzung der Eisenbahn sollten die eingezogenen Landgendarmen gemäß Ziffer 2 der Formationsanordnungen sogenannte „Requisitionsscheine" erhalten, die nach einem durch den Chef der Landgendarmerie vorgegebenen Muster ausgestellt werden mußten. Schließlich wies der Chef der Landgendarmerie auch noch darauf hin, daß die von den Landgendarmen mitzubringenden Pferde brauchbar im Sinne des § 7 des Organisationsreglements vom 07.01.1869 sein mußten: „Wenn daher Pferde der designirten Mannschaften krank oder nicht felddienstfähig sind, so sind ganz brauchbare Pferde anderer Gendarmen [...] den zur Feldgendarmerie abzugebenden Leuten zu überweisen." Aufgrund der auf diese Weise unverzüglich eingeleiteten Maßnahmen ist es dann tatsächlich gelungen, die Feldgendarmerieorganisation bis Ende Juli 1870 unter weitgehender Einhaltung der vorgeschriebenen Stärke aufzubauen. 280 Den Vorgaben des Gendarmerie-Brigade gefälligst zu überweisen und hierher zu beordern. Betreffs Überweisung von 2 Oberwachtmeistern und 15 Landgendarmen [...] darf ich denselben wohl bis spätestens zum 10. Mobilmachungstag entgegensehen." Daß jedoch die seit 1867 alljährlich neu durchgeführte Einplanung der für die Feldgendarmerie vorgesehenen Landgendarmen [siehe dazu oben unter C. I.], auf die das Generalkommando sich in dem zitierten Schreiben bezog, nicht in allen Fällen zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt hat, beweist ein an die 11. Gendarmerie-Brigade gerichteter Brief vom 20.07.1870, in dem der Chef der Landgendarmerie folgendes ausführte: „Der berittene Gendarm Wagner, der zwei Mal wegen Trunkenheit bestraft ist und nach dem Urtheil der Brigade in der Conduitenliste der strengen Beaufsichtigung bedarf, ist keinesfalls für die Feld-Gendarmerie geeignet. [...]. Ich muß daher verfügen, die Qualifikation der Leute für die wichtige Stelle als Feldgendarm schärfer in Betracht zu ziehen und die Conduitenliste und Personalien genau einzusehen" (GStA PK I HA Rep. 77 Titel 1713 Nr. 73b Band I, ohne Blattangabe). 278 Vgl. etwa das Schreiben des Chefs der Landgendarmerie an die 3. GendarmerieBrigade vom 16.07.1870 (Az.: I. Nr. 744), GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1713 Nr. 73b Band I, ohne Blattangabe. 279 Vgl. die »Anordnungen zur Ausführung der Formation der Feld-Gendarmerie" vom 16.07.1870 (Az.: I. Nr. 748), GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 278). 280 So sinngemäß Blankenstein, S. 46 und S. 130. Gleichwohl läßt sich die genaue Gesamtstärke der Feldgendarmerietruppe im Krieg gegen Frankreich nicht mit letzter Gewißheit ermitteln. Sicher feststellbar ist nämlich lediglich die Zahl der Landgendarmen, die zur Feldgendarmerie abkommandiert wurden, denn darüber gibt eine im Ak25 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Organisationsreglements vom 07.01.1869 entsprechend wurde das eingezogene Personal auf die insgesamt 13 Armeekorps des Norddeutschen Bundes, das tenhestand GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1713 Nr. 73b Band I (ohne Blattangabe) nachweisbare Übersicht genaueren Aufschluß. Danach hatten mit nur einer Ausnahme tatsächlich sämtliche Armeekorps, deren Feldgendarmerieeinheiten nach § 2 des Organisatiönsreglements vom 07.01.1869 auch mit Personal aus der Landgendarmerie gebildet werden sollten, die vorgeschriebene Anzahl von 18 Gendarmerieangehörigen (1 Rittmeister, 2 Wachtmeister und 15 Obergendarmen) erhalten. Lediglich dem XI. Armeekorps waren nur 11 Landgendarmen zugewiesen worden. Da somit 12 Armeekorps über je 18 Gendarmen verfügen konnten und im XI. Armeekorps 11 Gendarmen tätig waren, ergibt sich eine Zahl von 209 Feldgendarmen, die von der Landgendarmerie abgegeben worden waren. Hinzu gezählt werden müssen dann noch diejenigen Personen, die gemäß § 2 IV des Organisationsreglements von der Landgendarmerie zusätzlich abgestellt werden mußten, um im großen Hauptquartier sowie den ArmeeKommandos nebst den dazu gehörenden General-Etappen-Inspektionen ihren Dienst als Feldgendarmen zu versehen. Der erwähnten Übersicht zufolge waren dies weitere 16 Gendarmen, von denen einer dem großen Hauptquartier, jeweils 3 den Oberkommandos der drei Armeen des Norddeutschen Bundes und je 2 den entsprechenden Etappenbehörden zugeordnet worden waren. Damit ist eine Gesamtzahl von 225 Landgendarmen feststellbar, die zu Beginn des deutsch-französischen Krieges der Feldgendarmerie angehörten. Böckle weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß dieses Personal nicht nur der preußischen Landgendarmerie entstammte, sondern auch von kleineren Bundesstaaten gestellt worden sei. Als Beispiel führt er dazu die oldenburgischen Landdragoner an, von denen er behauptet, daß sie ihren Dienst als Feldgendarmen am 17.08.1870 in Hamburg-Uhlenhorst angetreten hätten (Böckle, S. 63). Sofern diese Behauptung zutrifft, gibt sie indessen keinen außergewöhnlichen Sachverhalt wieder, da gerade Oldenburg zu denjenigen Staaten zählte, die nach der Gründung des Norddeutschen Bundes sogar ihre gesamten Streitkräfte als nichtselbständige Kontingente in die preußische Armee integriert hatten. Unabhängig davon aber, welchem Bundesstaat die zum Militärdienst eingezogenen Gendarmen im einzelnen angehörten, stellten sie doch nur einen Teil des gesamten Feldgendarmeriepersonals, das sich im übrigen gemäß § 2 I des Organisationsreglements vom 07.01.1869 aus den KavallerieRegimentern des Bundesheeres rekrutierte. Unterstellt man insoweit in Ermangelung genauerer Stärkenachweisungen im Primärquellenmaterial, daß die im Organisationsreglement enthaltenen Zahlenvorgaben eingehalten wurden, so muß man von 45 Kavalleriesoldaten ausgehen, die jedem der 12 bereits mit Landgendarmen ausgestatteten Armeekorps zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden. Zu den so zu errechnenden 540 Kavallerieangehörigen müssen dann jedoch noch die 63 Feldgendarmen des Sächsischen Armeekorps hinzugezählt werden, da sich dessen Feldgendarmerie-Detachement der amtlichen Anmerkung zu § 2 des Organisationsreglements zufolge ausschließlich aus Soldaten der Kavallerie-Regimenter zusammensetzte. Vorausgesetzt also, daß die durch das Organisationsreglement vom 07.01.1869 vorgegebenen Sollstärken eingehalten wurden, errechnet sich somit eine Gesamtzahl von 828 Feldgendarmen, von denen 603 der Kavallerie entnommen worden waren. Demgegenüber findet sich im Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 197, die Ansicht, im deutsch-französischen Krieg hätten der Feldgendarmerie insgesamt 875 Personen angehört. Das ist auch durchaus folgerichtig, denn die bislang angestellten Berechnungen haben allesamt außer acht gelassen, daß die organisatorisch selbständig neben den 13 Armeekorps des Norddeutschen Bundes stehende Großherzoglich Hessische (25.) Division der amtlichen Fußnote zu § 2 des Organisationsreglements vom 07.01.1869 zufolge ebenfalls über eigene Feldgendarmeriekräfte verfügen konnte. Über deren genaue Anzahl im deutsch-französischen Krieg ist nun zwar bislang - soweit ersichtlich - noch nichts bekannt geworden, doch läßt sich einem Schreiben des preußischen

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große Hauptquartier sowie die Kommandostäbe der drei nach der Mobilmachung gebildeten Armeen nebst ihren General-Etappen-Inspektionen verteilt. 281 Kriegsministeriums an das Generalkommando des XI. Armeekorps in Kassel vom 23.12.1872 entnehmen, daß zu dieser Zeit das Feldgendarmerie-Detachement der 25. Division die gleiche Stärke aufweisen sollte wie dasjenige eines Armeekorps abzüglich des für die Etappen-Inspektion bestimmten Personals (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 172 d.A.). Bei Zugrundelegung der im Dezember 1872 bereits durch das neue Organisationsreglement vom 15.08.1872 [dazu sogleich im Text unter D. I.] geregelten Stärkevorgaben ergibt sich demnach, daß für die hessische Division weitere 53 Feldgendarmen einzuplanen waren, von denen im übrigen einem weiteren Schreiben des Kriegsministeriums vom 14.04.1873 (GStA PK, a.a.O., Bl. 175 d.A.) zufolge lediglich 1 Wachtmeister und 6 Obergendarmen der hessischen Landgendarmerie entnommen werden sollten. Geht man nun davon aus, daß diese Regelungen im deutsch-französischen Krieg in ähnlicher Weise umgesetzt worden waren und rechnet daher der oben ermittelten Gesamtzahl von 828 Feldgendarmen in etwa 50 weitere hinzu, so macht die Stärkeangabe im Wörterbuch zur Militärgeschichte einen durchaus plausiblen Eindruck. Gleichwohl stehen ihr die Ausführungen Böckles (a. a. O.) diametral entgegen, denn danach sind die für das hessische FeldgendarmerieDetachement vorgesehenen Gendarmen zwar am 21.07.1870 in Kassel zusammengezogen worden, haben dann aber preußische Uniformen erhalten und ihren Dienst gerade nicht in der 25. Division, sondern beim IX. preußischen Armeekorps versehen. Ob diese Ausführungen Böckles aber tatsächlich zutreffen, erscheint indessen zweifelhaft, da sie dem Inhalt des Organisationsreglements vom 07.01.1869 widersprechen, in dem es wörtlich heißt, daß es sich bei den der „Großherzoglich Hessischen (25.) Division" zugeordneten Feldgendarmen um „theilweise aus der Großherzoglichen Landgendarmerie zu gestellende Mannschaften" zu handeln habe. Gleichwohl läßt sich die Ansicht Böckles, die zudem auch nicht durch Quellenangaben gestützt wird, aufgrund fehlenden Materials an dieser Stelle nicht endgültig widerlegen. Dennoch begegnet seine Darstellung auch noch in weiteren Detailfragen erheblichen Bedenken. So führt er etwa aus, daß auch die Berliner Schutzmannschaft 31 Offiziere und Anwärter an die Feldgendarmerie abgegeben habe (Böckle, S. 62). Schon bei der Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Feldgendarmerie ist demgegenüber nachgewiesen worden, daß das Kriegsministerium auf Bitten des Innenministers noch vor Ausbruch des Krieges gegen Österreich gänzlich von der Inanspruchnahme der Schutzmannschaft abgesehen hatte. Schließlich sind auch die übrigen Angaben Böckles zur Personalstärke der Feldgendarmerie nicht mit den in dieser Fußnote erarbeiteten Zahlen zu vereinbaren, denn er geht davon aus, daß der Truppe zwar 25 Offiziere, 40 Oberwachtmeister und 250 Gendarmen aus der Landgendarmerie, andererseits aber lediglich 500 Unteroffiziere und Gefreite aus der Kavallerie angehörten. Widerlegen lassen sich indessen insoweit anhand der eingangs erwähnten Ubersicht nur die Angaben über die vermeintliche Zahl der abgestellten Landgendarmen; im übrigen aber kann mangels einschlägigen Quellenmaterials nicht der Anspruch erhoben werden, daß die unter Zuhilfenahme des Organisationsreglements vom 07.01.1869 ermittelte Gesamtstärke von 828 Feldgendarmen den davon abweichenden Literaturmeinungen mit Sicherheit vorzuziehen ist. 281 Die Feldgendarmerieabteilung des großen Hauptquartiers umfaßte neben dem in § 19 des Reglements vom 07.01.1869 als Kommandeur vorgesehenen Wachtmeister noch zwei Obergendarmen und zwei Gefreite. Das geht aus der im Aktenbestand GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1713 Nr. 73 b Band I enthaltenen Stärkeübersicht hervor, derzufolge die Feldgendarmerie-Detachements des II. und III. Armeekorps je einen Obergendarmen und einen Gefreiten an das große Hauptquartier abzugeben hatten. Diese Vorgehensweise stimmte mit § 2 IV des Reglements vom 07.01.1869 überein, denn danach war nur der Wachtmeister zusätzlich von der Landgendarmerie zu 25*

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Dort nahmen sie im Verlauf des Krieges diejenigen Aufgaben wahr, die ihnen durch die Dienstinstruktion vom 07.01.1869 zugewiesen worden waren. Gleichwohl bildeten sich insoweit einigen Darstellungen in der Literatur zufolge durchaus Schwerpunkte heraus. So hebt etwa Blankenstein 282 in erster Linie die verkehrsdienstlichen Tätigkeiten der Feldgendarmerie auf den Etappenstraßen hervor. Auch bei Böckle 2 8 3 werden die Verkehrslenkungsmaßnahmen der Feldgendarmen auf den Marschstraßen nachdrücklich betont, doch berichtet er auch über die Verwendung der Gendarmen beim Übergang der deutschen Truppen über die Seine. 284 Zudem hält er auch den Dienst zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin und Ordnung in den Quartieren der Armee für besonders erwähnenswert. Erstmals hatte die Feldgendarmerie schließlich aufgrund des siegreichen Verlaufs des Krieges im besetzten Feindgebiet auch die Polizeihoheit inne, die sie im Auftrag der zuständigen Militärgouverneure ausübte. Da sie dabei jedoch des öfteren mit Angriffen französischer Franktireurverbände konfrontiert wurde, mußte sie zusätzlich auch Kräfte zu deren Bekämpfung einsetzen. 285 stellen, während die übrigen Feldgendarmen „von den Feldgendarmerie-Detachements der mobilen Armee-Korps oder deren Etappen-Inspektionen abkommandirt" werden sollten. Daher widerspricht auch die Behauptung Böckles, S. 62, daß die Feldgendarmerieabteilungen in den Armee-Kommandos abgesehen vom Kommandeur und dessen Stellvertreter jeweils über einen Wachtmeister und 5 Feldgendarmen verfügten, nicht den Zahlenangaben in der erwähnten Stärkeübersicht, wonach die Landgendarmerie für jede Armee lediglich drei Personen zusätzlich abgestellt hatte. Auch diese Diskrepanz läßt sich nämlich mit § 2 IV des Reglements problemlos in Einklang bringen. Während demnach die Stärke der Feldgendarmerieabteilungen im großen Hauptquartier und in den Armee-Kommandos feststeht, finden sich weder in der Literatur noch im übrigen Quellenmaterial Angaben darüber, wie viele Feldgendarmen den drei General-Etappen-Inspektionen zugewiesen worden waren. Diese Frage muß daher unbeantwortet bleiben. 282 Blankenstein, S. 130. 283 Böckle, S. 63. 284 Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 36; weitere Schilderungen einzelner Einsätze der Feldgendarmerie im Zuge des Krieges finden sich in seiner späteren Publikation, vgl. ders., S. 64 ff. 285 Aus diesem Grunde heißt es auch im Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 197, es sei eine Hauptaufgabe der Feldgendarmerie gewesen, die Bevölkerung der okkupierten Territorien zu unterdrücken und die Franktireurbewegung zu verfolgen. Im Gegensatz zu dieser der Tradition der marxistischen Historiographie verhafteten Einschätzung äußern sich Blankenstein und Böckle in einer apologetischen Weise über den Einsatz der Feldgendarmerie gegen die französischen „Freischützen". So schreibt etwa Böckle, S. 63, die Tätigkeit der Feldgendarmerie sei „durch die aufgestachelten Emotionen der Zivilbevölkerung, die in diesem »nationalen Krieg4 in chauvinistischer Begeisterung als Heckenschützen die deutschen Soldaten bekämpfte", besonders erschwert worden. Auch Blankenstein, S. 130 f., verweist darauf, daß die Feldgendarmen unter dem „Franktireurunwesen" zu leiden gehabt hätten, und fügt mit zeittypischem Pathos hinzu: „So mancher von ihnen fiel auf dem Felde der Ehre durch eine heimtückische Kugel, die ihm feige aus dem Hinterhalt nachgesandt wurde." Die Wahrheit über die Kämpfe der Feldgendarmen mit den französi-

C. Die Zeit bis zur Reichsgründung

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In gleicher Weise, wie sonach die Aufgabenerfüllung der Feldgendarmen mit den entsprechenden Regelungen ihrer Dienstinstruktion übereinstimmte, richtete sich auch die Stellvertretung für die eingezogenen Landgendarmen nach den diesbezüglichen Bestimmungen im Organisationsreglement vom 07.01.1869. So wandte sich der Chef der Landgendarmerie etwa unter dem 27.07.1870 an die für die Ersatzgestellung zuständigen Behörden und forderte dort die Vertreter für die zur Feldgendarmerie übertretenden Feldgendarmen an. Wörtlich heißt es dazu in dem Schreiben vom 27.07.1870: „Unter Bezugnahme auf § 28 des Reglements über die Organisation der Feld-Gendarmerie wird [...] ganz ergebenst ersucht, 10 qualifizierte Unteroffiziere aus den Infanterie-Ersatz-Truppen schleunigst auswählen zu lassen, welche als Stellvertreter der zur Feld-Gendarmerie abgegebenen Landgendarmen dienen sollen." 286 Im Gegensatz dazu wählte man in Ermangelung einer einschlägigen Regelung in der Dienstvorschrift mit Blick auf die Vertretung der zur Feldgendarmerie einberufenen Offiziere der Landgendarmerie einen anderen Weg, den der Chef der Landgendarmerie nach Kriegsende wie folgt beschrieb: „Während des Feldzuges 1870/71 waren die Distrikte der zur Feldgendarmerie abgegebenen Offiziere des Corps den Offizieren der angrenzenden Distrikte zugetheilt." 287

sehen Freischützen dürfte indessen - wie so oft in diesen Fällen - in der Mitte zwischen den zitierten Extremstandpunkten zu suchen sein. Belege dafür haben sich jedoch bislang - soweit ersichtlich - noch nicht auffinden lassen. 286 GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1713 Nr. 73b Band I, ohne Blattangabe. 287 Schreiben des Chefs der Landgendarmerie an das Kriegsministerium vom 24.09.1874, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 13 d.A. Indessen hatte sich diese Form der Stellvertretung nach Ansicht des Chefs der Landgendarmerie nicht zu bewähren vermocht, „weil die dadurch geschaffenen Dienstbereiche [...] zu groß waren." Zum gleichen Ergebnis war der Chef der Landgendarmerie überdies auch schon unter dem 29.07.1874 gelangt, als er gegenüber dem Innenministerium beklagte, daß diejenigen Offiziere, die ihre zur Feldgendarmerie abkommandierten Kameraden vertreten mußten, durch die „zahlreichen Dienstreisen auf große Entfernungen, trotz der gewährten Zusatzrationen empfindliche pekuniäre Opfer" hätten erbringen müssen (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, ohne Blattangabe). Aus diesen Gründen wurde dann für die Zukunft eine andere Methode vereinbart, die das Kriegsministerium in einem an den Chef der Landgendarmerie gerichteten Schreiben vom 09.02.1875 folgendermaßen zusammenfaßte: „Ad 4 wird dem dortseitigen Vorschlage dahin zugestimmt, daß für die bei eintretender Mobilmachung zur Armee abkommandirten Gendarmerie-Distrikt-Offiziere, soweit als thunlich, Stellvertreter aus der Zahl der pensionierten Gendarmerie-Offiziere oder aus der Zahl derjenigen Offiziere für die Dauer des mobilen Verhältnisses herangezogen werden, welchen die Aussicht auf Anstellung in der Gendarmerie verliehen ist" (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 21 f. d.A.). Da diese Lösung später auch in Ziffer 30 Abs. 1 Satz 2 der „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" vom 23.05.1891 [näher dazu unten unter F. I.] übernommen wurde, kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß sie zu Beginn des ersten Weltkrieges noch immer unverändert zur Anwendung kam.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Die dergestalt vertretenen Offiziere kehrten indessen wie alle übrigen Angehörigen der Feldgendarmerie auch im Zuge der allgemeinen Demobilmachung der deutschen Streitkräfte schon im Jahre 1871 wieder auf ihren ursprünglichen Dienstposten zurück, nachdem sie zuvor noch den langen Rückmarsch der einzelnen Divisionen und Armeekorps aus Frankreich nach Deutschland verkehrsdienstlich begleitet hatten. 288 Damit endete der erste Einsatz, den die Feldgendarmerie auf der Grundlage einer nicht nur provisorisch erstellten Dienstvorschrift durchzuführen hatte. Die Auswertung der Erfahrungen, die im Verlauf des Krieges mit der Feldgendarmerie gemacht worden waren, geriet damit zugleich zum Gradmesser für die Praxistauglichkeit der Dienstvorschrift vom 07.01.1869. Deren Bestimmungen hatten sich im Grundsatz offenbar bewährt, denn noch im Jahre 1897 hieß es in der 5. Auflage von Meyers Konversationslexikon: „Einrichtungen zur Heerespolizei, ähnlich der Feldgendarmerie, sind von jeher für notwendig erachtet worden; aber erst bei dem deutschen Heer 1870 ist eine wirklich ausreichende und mustergültige Einrichtung dieser Art in Wirksamkeit getreten". 289 Es ist kaum anzunehmen, daß dieses Fazit in eine Enzyklopädie aufgenommen worden wäre, wenn die verantwortlichen Stellen im Kriegsministerium unmittelbar nach Kriegsende eine andere Ansicht vertreten hätten. Auch 1871 dürfte demnach der Rückblick auf den Feldgendarmerieeinsatz im deutsch-französischen Krieg zu einer ähnlichen Bilanz geführt haben.

D. Die Dienstvorschrift vom 15.08.1872 Obschon aufgrund der bisherigen Erfahrungen kaum Anlaß zu grundsätzlichen Veränderungen der für die Feldgendarmerie geltenden Bestimmungen bestand, bedurfte die Dienstvorschrift vom 07.01.1869 nach der Reichsgründung schon allein aus terminologischen Gründen einer Neubearbeitung. Dadurch ergab sich dann aber zugleich auch die Gelegenheit, die im Detail gemachten praktischen Erfahrungen des vorangegangenen Krieges in das neu zu erlassende Regelwerk mit einfließen zu lassen. Auch konnten auf diese Weise zusätzlich noch die Änderungsvorschläge berücksichtigt werden, die der Chef der Landgendarmerie und das Kriegsministerium im Zuge ihres in der Zeit vom 22.02.1872 bis zum 02.05.1872 geführten umfangreichen Schriftwechsels erarbeitet hatten. 290 Alle diese Erwägungen trugen dazu bei, daß bereits am 15.08.1872 eine neue Dienstvorschrift für die Feldgendarmerie erlassen wurde. Ebenso wie ihre Vorgängerin wies sie noch die historisch vorgegebene Zweiteilung in ein „Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie" und eine „Dienst-Instruktion für die 288 289 290

Böckle, S. 67. Meyers Konversationslexikon 1897, Stichwort „Feldgendarmen", S. 270. GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 149 ff. d.A.

D. Die Dienstvorschrift vom 15.08.1872

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Feldgendarmerie" auf. Auch inhaltlich waren aber die Vorgaben der alten Dienstvorschrift überwiegend beibehalten worden.

I. Das Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie Das wird bei der Betrachtung des Organisationsreglements vom 15.08.1872 besonders deutlich, da darin im wesentlichen nur hinsichtlich der Stärkeverhältnisse in der Feldgendarmerietruppe Veränderungen vorgenommen worden waren. So sah bereits § 1 des Reglements eine Vergrößerung der den Armeekorps zugeordneten Feldgendarmeriedetachements vor, die danach zukünftig aus einem Rittmeister, einem Wachtmeister und 51 Feldgendarmen (17 Obergendarmen, 17 Unteroffiziere, 17 Gefreite) bestehen sollten. Darüber hinaus war jedoch jedes Armeekorps im Mobilmachungsfall auch noch verpflichtet, zusätzliches Feldgendarmeriepersonal einzuberufen, um damit die Bildung der Feldgendarmeriedetachements der Etappen-Inspektionen ermöglichen zu können. Anders als noch im Krieg gegen Frankreich konnte zwar inzwischen nicht mehr jedes Armeekorps über eine eigene Etappen-Inspektion verfügen. Vielmehr sollten „künftighin [...] den General-Commandos Etappen-Inspektionen nicht [mehr] zugetheilt, sondern solche nur den Armee-Ober-Commandos, deren 4 nach den Mobilmachungs-Directiven pro 1872 formirt werden sollen, unter Fortfall von General-Etappen-Inspektionen beigegeben werden". 291 Gleichwohl war aber jedes Armeekorps dafür verantwortlich, weitere 21 Feldgendarmen (7 Obergendarmen, 7 Unteroffiziere, 7 Gefreite) einzuziehen und anschließend an eine der vier Etappen-Inspektionen abzugeben.292 Daher mußten im Ergebnis zu Beginn einer Mobilmachung bei jedem Armeekorps neben einem Ritt- und einem Wachtmeister insgesamt 72 Feldgendarmen zusammengezogen werden, von denen jedoch lediglich 48 den Kavallerie-Regimentern entnommen werden durften. Die übrigen 24 Feldgendarmen sollten hingegen ebenso wie der Wachtmeister des Detachements, das dem Armeekorps verblieb - aus den Reihen der Landgendarmerie rekrutiert werden, da sie gemäß § 1 I I des Reglements „für die Stellen der Obergendarmen" vorgesehen waren. 293 Da291 Vgl. das Schreiben des Kriegsministeriums an den Chef der Landgendarmerie vom 09.03.1872, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 152 d. A. 292 Die Feldgendarmeriedetachements der Etappen-Inspektionen hatten demnach einen Personalumfang von 84 Feldgendarmen, denn da der Geltungsbereich des Reglements vom 15.08.1872 mit Ausnahme des bayerischen Kontingentes, für das eigenständige Dienstinstruktionen erlassen worden waren, das gesamte Heer des Deutschen Reiches und damit 16 Armeekorps umfaßte, waren letztlich jeweils vier Armeekorps für die Bildung des Feldgendarmeriedetachements einer Etappen-Inspektion zuständig. Überdies mußte die Landgendarmerie dann gemäß § 1 m des Reglements auch noch jedem Feldgendarmeriedetachement in der Etappe je einen Rittmeister als Kommandeur und einen Wachtmeister zur Verfügung stellen.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

mit war aber der Anteil des von der Landgendarmerie zu stellenden Feldgendarmeriepersonals auf insgesamt ein Drittel angewachsen.294 Da diese Ausweitung der Gestellungspflichten jedoch zwangsläufig zu nicht unerheblichen Bela293 Demgegenüber enthielt § 15, 2 HS. 1 des Reglements vom 15.08.1872 mit Blick auf die Besetzung der Rittmeisterstelle eine Spezialregelung, derzufolge der Chef der Landgendarmerie ,jedem General-Kommando 1 Gendarmerie-Offizier im Monat Februar jeden Jahres namhaft" zu machen hatte. Das galt indessen nur, soweit „geeignete und abkömmliche Offiziere der Landgendarmerie vorhanden" waren. War dies hingegen nicht der Fall, so konnten gemäß § 14 I des Organisationsreglements ausnahmsweise auch „Offiziere des beurlaubten oder inaktiven Standes gewählt" werden, doch waren dann zumindest vorrangig „solche Persönlichkeiten ins Auge zu fassen, welche in ihrer Civilstellung der executiven Polizei angehören." Diese wurden nach § 15, 2 HS. 2 naturgemäß nicht mehr vom Chef der Landgendarmerie benannt, sondern vom jeweils betroffenen Generalkommando selbständig ausgesucht und „in seinen Listen designirt." 294 Diese Quote wurde durch die Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 nicht verändert (vgl. Meyers Konversationslexikon 1897, Stichwort „Feldgendarmen", S. 270; Militär-Lexikon, Stichwort „Gendarmerie", S. 269) und hatte mithin auch zu Beginn des ersten Weltkrieges noch immer Bestand (Graf von Matuschka, S. 269; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 411). Der zahlenmäßige Anstieg der Landgendarmen in der Feldgendarmerietruppe war keineswegs rein zufällig zustande gekommen, sondern ging vielmehr auf eine bewußte Entscheidung zurück, die das Kriegsministerium aufgrund seiner Analyse des Kriegseinsatzes der Feldgendarmen gefällt hatte. Das läßt sich eindrucksvoll anhand einer an den Chef der Landgendarmerie adressierten Mitteilung des Kriegsministeriums vom 22.02.1872 belegen, in der es wörtlich heißt: „Die Erfahrungen des Feldzuges 1870/71 haben gezeigt, daß die Mannschaften, welche von den Kavallerie-Regimentern zur Feldgendarmerie abgegeben worden sind, den an sie als Feldgendarmen herantretenden Anforderungen zu genügen nicht im Stande waren. Es mangelte ihnen in ihrer selbständigen und verantwortlichen Stellung die erforderliche Umsicht und diejenige Sicherheit des Auftretens, welche nothwendig ist, um bei voller Energie in allen Anordnungen das richtige Maß zu finden und nicht Veranlassung zu Reibungen und Konflikten zu geben. Dagegen haben die für die Stellen der Obergendarmen abgegebenen Landgendarmen, die durch ihren Friedensdienst gewöhnt sind, selbständig aufzutreten, Anordnungen zu treffen und deren Ausführung in der richtigen Form und mit Bestimmtheit zu verlangen und durchzusetzen sich durchaus bewährt und zu ähnlichen Beobachtungen keinerlei Veranlassung gegeben. Aus diesen Umständen und da bei sorgfältiger Auswahl für die Feldgendarmerie durchaus geeignete Persönlichkeiten in genügender Zahl in den Kavallerie-Regimentern sich nicht werden finden lassen, erscheint es im höchsten Maße wünschenswerth, der Feldgendarmerie einen größeren Theil Landgendarmen als bisher zu überweisen, in der Regel nur diese als Patrouillenführer, die von den KavallerieRegimentern Kommandirten hauptsächlich nur als deren Begleiter zu verwenden und, um dies ermöglichen zu können, der Feldgendarmerie mindestens ein Drittheil Landgendarmen zuzutheilen" (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 150 d.A.). Diesen Ausführungen dürfte es im übrigen auch zu verdanken sein, daß das Anforderungsprofil, dem die der Kavallerie entstammenden Feldgendarmen genügen mußten, in § 6 II und DI des Organisationsreglements vom 15.08.1872 erstmals verbindlich festgelegt wurde. Danach durften aus den Kavallerie-Regimentern künftig nur noch solche Soldaten ausgewählt werden, „welche außer der Fähigkeit, Geschriebenes geläufig zu lesen und sich schriftlich verständlich auszudrücken, bei tadelloser Führung Dienstkenntnis, Energie und Charakter-Festigkeit besitzen und die in ihrem Civil-Verhältnis als Inspektoren, kleine Grundbesitzer etc. die nothwendige Sicherheit in selbständigem Auftreten sich anzueignen Gelegenheit gehabt haben." Zudem mußten

D. Die Dienstvorschrift vom 15.08.1872

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stungen für den Dienstbetrieb der Landgendarmerie führen mußte, hatte sich deren Chef damit nur unter der Voraussetzung einverstanden erklärt, daß zugleich auch die Anzahl der berittenen Vertreter für die in Kriegszeiten abzugebenden Landgendarmen spürbar angehoben wurde. 295 Konsequenterweise bestimmte dann auch § 23 des Reglements vom 15.08.1872, daß „die als n o t wendig erachtete Quote an Stellvertretern [...] zur einen Hälfte aus Infanterie-, zur anderen Hälfte aus Kavallerie-Ersatz-Truppen entnommen" werden sollte. 296 Neben den bislang erörterten Neuerungen, die allesamt mit der Vergrößerung der den mobilen Armeekorps zugeordneten Feldgendarmeriedetachements zusammenhingen, wich das Organisationsreglement vom 15.08.1872 aber auch noch in bezug auf die Feldgendarmerieeinheiten im großen Hauptquartier und in den Armeestäben von den früheren Verhältnissen ab. So sollten dort in Zukunft gemäß § 1 V des Reglements anstelle der im Jahre 1869 eingeführten Abteilungen nur noch Feldgendarmeriekommandos „hauptsächlich zur Aufrechterhaltung der polizeilichen Ordnung in den bezüglichen Hauptquartieren" aufgestellt werden. 297 Das hatte zunächst einmal zur Folge, daß dem großen Hauptquartier von § 1 V I des Organisationsreglements lediglich „1 Wachtmeister und 5 Obergendarmen, welche von der Landgendarmerie zu stellen sind," zugebilligt wurden. Auch die Feldgendarmeriekräfte in den Hauptquartieren der Armeen dürften erheblich an Umfang eingebüßt haben, denn gemäß § 1 V I I des Reglements vom 15.08.1872 sollten dort - abgesehen von einem einzigen, der Landgendarmerie zu entnehmenden Wachtmeister - künftig überhaupt nur noch einzelne Feldgendarmeriepatrouillen tätig sein, „welche auf Befehl des ArmeeOber-Kommandos und in einer von diesem zu bestimmenden Stärke von dem Feldgendarmerie-Detachement der Etappen-Inspektion der betreffenden Armee sie auch noch „von kräftigem Körperbau [und] wenn möglich nicht unter 1 m 67 cm groß sein." 295 Vgl. das Schreiben des Chefs der Landgendarmerie an das Kriegsministerium vom 03.03.1872, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 151 d.A. 296 Damit war es dem Chef der Landgendarmerie gelungen, die in seinem Schreiben vom 03.03.1872 (a.a.O., s.o. Fn. 295) aufgestellten Forderungen in vollem Umfang durchzusetzen. 297 Bei dieser Regelung handelte es sich nicht lediglich um eine bloße Umbenennung der betroffenen Feldgendarmerieeinheiten. Vielmehr ist einem Schreiben des Kriegsministeriums an den Chef der Landgendarmerie vom 09.03.1872 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 152 f. d.A.) zu entnehmen, daß auf diese Weise die ursprünglich bestehende Hierarchie zwischen den Feldgendarmeriedetachements der Armeekorps und den Abteilungen der Feldgendarmerie bei den Armeestäben beseitigt werden sollte. So heißt es in dem Schreiben wörtlich: „Seitens der Truppen ist befürwortet, die Feldgendarmeriedetachements der Etappen-Inspektionen und der mobilen General-Commandos voneinander vollständig zu trennen und die Unterstellung derselben unter ein Abtheilungs-Commando wegfallen zu lassen. Es [...] empfiehlt sich [dies] besonders, um zu vermeiden, daß manches Abtheilungs-Commando [...] Befehle ertheilt, die mit den von den einzelnen General-Commandos gegebenen Special-Instruktionen im Widerspruch stehen."

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

abkommandirt werden." Über diese Abwandlungen der Stärkeverhältnisse innerhalb der Feldgendarmerietruppe hinaus verursachte das Reglement vom 15.08. 1872 dann nur noch eine einzige erwähnenswerte Veränderung der im Jahre 1869 erarbeiteten Organisationsstrukturen, denn seinem § 2 I 2 zufolge durften sich die zur Armee einberufenen Landgendarmen von nun an nicht mehr - wie noch zu Beginn des deutsch-französischen Krieges - erst am 10. Tag nach der befohlenen Mobilmachung der Streitkräfte melden, sondern hatten vielmehr die Verpflichtung, sich im allgemeinen spätestens bis zum 7. Mobilmachungstag an ihrem Gestellungsort einzufinden. Alle übrigen Prinzipien, die das Reglement vom 07.01.1869 hinsichtlich der Organisation der Feldgendarmerie aufgestellt hatte, wurden hingegen durch die Dienstvorschrift des Jahres 1872 in keiner Weise berührt und galten daher unverändert fort.

II. Die Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie Ähnlich wie das Organisationsreglement knüpfte auch die ,»Dienst-Instruktion für die Feldgendarmerie" vom 15.08.1872 inhaltlich in weiten Teilen an das ihr vorausgegangene Regelwerk an. Dementsprechend enthielt die Instruktion selbst in ihrem § 1, in dem der Zweck der Feldgendarmerie zusammengefaßt wurde, keinerlei grundlegende Neuerungen, obgleich es ihrer Vorgängerin an einer vergleichbaren Vorschrift noch gänzlich gefehlt hatte. In diesem § 1 der Dienstinstruktion war es dem Kriegsministerium gelungen, die grundlegenden Wesensmerkmale der Truppengattung in aller Kürze so prägnant zu definieren, daß seine Formulierungen auch noch in späterer Zeit von einigen Autoren der wehrkundlichen Literatur beinahe wörtlich übernommen wurden. 298 So wurde die Feldgendarmerie beispielsweise durch von Stein 299 unter enger Anlehnung an § 1 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 wie folgt charakterisiert: „Das Corps der Feldgendarmerie [...] hat die Individualpolizei in Marsch und Gefecht; seine Competenz beginnt da, wo der Einzelne [...] von seinem Waffenkörper getrennt auftritt, und daher theils der Legitimation, theils der Zurückführung zu seinem Körper bedarf. Die Feldgendarmerie kann daher nur vom Commandirenden relevieren, nur ihm verantwortlich sein, aber auch niemals Competenz über den Waffenkörper oder den Verwaltungskörper im Ganzen haben; sobald dieser als Ganzes auftritt, tritt auch die Competenz des Officier-corps ein." 300 298

Vgl. etwa Brockhaus 1883, Stichwort „Feldpolizei/Feldgendarmerie"; Romenl Rissom, § 2 EGMStGB, Anm. 10b), S. 23. 299 Von Stein, S. 94. 300 Insoweit enthielt § 16 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 noch eine Spezialregelung, die das Einschreiten der Feldgendarmerie „bei geschlossenen Militair-Abtheilungen [beschränkte] auf die Anzeige an den Führer, sobald derselbe anwesend ist, oder ohne nachtheiligen Zeitverlust erreicht werden kann." Selbst dann, wenn „der betreffende Offizier die ihm kundgegebenen Unregelmäßigkeiten" nicht abstellte, durfte „der Gendarm doch seine Autorität gegen die ersterem unterstellten Personen

D. Die Dienstvorschrift vom 15.08.1872

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1. Das Aufgabenspektrum der Feldgendarmerie Die Aufgaben, die die Feldgendarmen dann innerhalb ihres so beschriebenen Wirkungskreises im einzelnen zu erfüllen hatten, gab Meyers Konversationslexikon in besonders anschaulicher Weise wieder: „Der Dienst der Feldgendarmen besteht hauptsächlich darin, unnützes Gesindel, welches sich den Heeren anzuhängen liebt, von der Truppe fern zu halten und zugleich zu verhindern, daß sich aus den schlechten Elementen der Truppe selbst solches Gesindel bilde. Sie haben daher alle nicht im Heerverband stehenden Personen, welche der Armee folgen, wie auch die Marketender zu überwachen, sonstige Zivilpersonen hinsichtlich Spionage zu beobachten,301 Marodeure und Soldaten, welche ohne Legitimation einzeln betroffen werden, festzunehmen und an ihren Truppenteil oder die nächste Etappe abzuliefern, Plündern, eigenmächtiges Beitreiben (Requirieren), Beschädigungen fremden Eigentums302 etc. [...] zu verhindern. An den Schlachttagen haben sie die Ordnung auf den Verbandplätzen aufrecht zu erhalten, dafür zu sorgen, daß die Wege für den Verkehr frei sind und die Verwundeten und Toten nicht beraubt werden". 303 nicht geltend machen." In diesem Fall traf dann jedoch den Offizier die alleinige Verantwortung für alle etwaigen Nachteile, die aus der Nichtbeachtung der von dem Feldgendarmen vorgebrachten Rüge entstanden. Letzterem blieb daher lediglich die Möglichkeit, „seinem Vorgesetzten - in dringenden Fällen sofort durch einen Mann seiner Patrouille - über den Vorfall Meldung" zu machen. 301 Vgl. zu den Obliegenheiten der Feldgendarmerie im Bereich der Spionageabwehr die ausführlichere Regelung des § 3 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872, in dem es wörtlich heißt: „Die Feldgendarmerie soll die Spionage verhüten und den Verkehr im Bereiche der Armee so viel als möglich kontroliren, andererseits aber auch den eigenen Truppenführern Nachrichtenquellen über den Feind eröffnen. Dazu gehört vor allem das Herbeischaffen von Zeitungen und von Briefen aus dem vom Feinde besetzten Gebiet. Wird ein Ort neu von den diesseitigen Truppen besetzt, so ist auf der Post, in den Briefkasten und auf den Büreaus feindlicher Behörden, Telegraphen, Eisenbahnen etc. nach Schriften zu forschen, die Aufschluß über den Feind geben könnten. Mit Zeichen bedruckte Streifen Telegraphenpapier können von Werth sein. Personen, die aus der vom Feinde besetzten Gegend kommen, oder die sonst über die feindlichen Maßregeln unterrichtet zu sein scheinen, sind unverzüglich dem nächsten Truppenführer vorzuführen. Personen, die der Spionage verdächtig sind, können an ihrem Körper und an ihren Sachen nicht sorgfältig genug untersucht werden. Stiefel und Kleider sind aufzutrennen, um die oft sehr kleinen Depeschen zu finden. Bei der Arretirung solcher Personen muß so verfahren werden, daß sie sich ihrer Depeschen nicht noch entledigen können." 302 Insoweit war wohl in erster Linie an die Vorschrift des § 2 III der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 gedacht worden, wonach die Feldgendarmen insbesondere Telegraphen und die Eisenbahn vor Beschädigungen schützen mussten und überdies verpflichtet waren, über jeden dennoch aufgetretenen Defekt „möglichst schnell bezügliche Anzeige zu machen." 303 Meyers Konversationslexikon 1897, Stichwort „Feldgendarmen", S. 270; ähnliche Zusammenfassungen des Aufgabenspektrums der Feldgendarmerie finden sich auch im Brockhaus 1883, Stichwort „Feldpolizei/Feldgendarmerie", im Militärlexikon, Stichwort „Gendarmerie", S. 269, sowie bei Romen/Rissom, § 2 EGMStGB, Anm. 10b), S. 24, doch bleiben sie im Hinblick auf ihre Vollständigkeit noch hinter der im Text zitierten Darstellung zurück.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Obschon diese Ausführungen auch als eine im wesentlichen vollständige Zusammenfassung der der Feldgendarmerie schon durch die Instruktion vom 07.01.1869 auferlegten Tätigkeiten hätte fungieren können, bezogen sie sich tatsächlich doch auf diejenigen Aufgaben, deren Erfüllung der Truppe aufgrund der Dienstvorschrift des Jahres 1872 oblag. Damit wird deutlich, in welchem Ausmaß die beiden Regelwerke auch im Hinblick auf die Obliegenheiten der Feldgendarmerie übereinstimmten. Gleichwohl hatten die im Krieg gegen Frankreich gewonnenen Erkenntnisse ganz offenkundig dafür gesorgt, daß das Spektrum der den Feldgendarmen zugewiesenen Dienstpflichten durch die Instruktion vom 15.08.1872 sogar noch weiter ausgedehnt worden war. So war die Feldgendarmerie gemäß § 2 I I der Instruktion von nun an zusätzlich dazu verpflichtet, „die Orte, an denen die Mannschaften einzeln zu verkehren pflegen: Wirthshäuser, Bahnhöfe, Magazine etc. besonders unter Aufsicht zu nehmen." Ohne Vorbild in der früheren Dienstvorschrift war überdies die Regelung des § 2 IV der Instruktion vom 15.08.1872, wonach die Feldgendarmerie „nach Kräften für den guten Zustand von Landstraßen und Brücken, und für deren schnelle Herstellung, da wo sie beschädigt waren", zu sorgen hatte. Auch die beiden nachfolgenden Absätze des § 2 der Instruktion beinhalteten völlig neue Bestimmungen, die ohne Zweifel überhaupt erst unter dem Eindruck der Kriegsereignisse entstanden waren, da sie sich nur mit den Aufgaben befaßten, die in besetzten Territorien des feindlichen Auslandes anfielen. Danach hatte die Feldgendarmerie „die feindliche Bevölkerung im Zaume zu halten, [...] die Entwaffnung derselben" zu leiten, „etwa nöthige Haussuchungen" vorzunehmen und „beim Besetzen größerer Städte in Feindesland [...] schnell die öffentlichen Gebäude, als: Kassen, Post, Telegraphen etc. [aufzusuchen], um deren weitere Benutzung dem Feinde zu entziehen und ihren Inhalt uns zu sichern." Darüber hinaus wurde der Feldgendarmerie erstmals auch die Ausführung sanitätspolizeilicher Anordnungen zur Pflicht gemacht, worunter nach § 2 VIII der Instruktion vom 15.08.1872 insbesondere „die Sorge für die Reinerhaltung von Brunnen und Wasserläufen, für die vorschriftsmäßige Bestattung von Leichen und für das Vergraben von Thierkadavern, sowie des Abfalles von Feldschlächtereien" zu verstehen war. Schließlich schrieb § 5, 2 der Instruktion noch vor, daß einzelne Feldgendarmen die höheren Generale begleiten mußten, „um auf deren Befehl die schnelle Beseitigung vorgefundener Unordnungen und die sofortige Verhaftung von Excedenten vorzunehmen". Damit ist aber der den Feldgendarmen seit dem Jahre 1872 obliegende Pflichtenkreis vollständig wiedergegeben; weitere Aufgaben wies ihnen die Dienstinstruktion vom 15.08.1872 dann nicht mehr zu.

D. Die Dienstvorschrift vom 15.08.1872

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2. Der Dienstbetrieb der Feldgendarmerie Ebenso wie schon im Zusammenhang mit der Organisation der Feldgendarmerietruppe beschränkte sich die neue Dienstvorschrift vom 15.08.1872 auch bei der Regelung des Dienstbetriebes der Truppe im wesentlichen auf eine Korrektur der alten Stärkeverhältnisse. Demzufolge bestand die einzig nennenswerte Änderung, die in den §§ 7 ff. der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 im Vergleich zu den entsprechenden Bestimmungen des Jahres 1869 aufgenommen worden war, in einer Reduzierung der Patrouillenstärke. 304 So sollte gemäß § 8 I I der Instruktion eine Patrouille fortan nicht mehr wie bisher von insgesamt vier Personen gebildet werden, sondern vielmehr im allgemeinen nur noch aus einem Obergendarmen als Führer sowie einem Unteroffizier und einem Gefreiten als dessen Begleiter bestehen. Niemals aber durfte gemäß § 8 IV der Dienstinstruktion „eine Patrouille aus drei Gefreiten" zusammengestellt werden. Im übrigen aber sah die Instruktion vom 15.08.1872 im Hinblick auf den Dienstbetrieb der Feldgendarmerie keinerlei weitere Neuerungen vor; auch in zukünftigen kriegerischen Auseinandersetzungen sollten die Feldgendarmen also ihre Tätigkeiten nach den schon im Jahre 1869 formulierten und im Krieg gegen Frankreich in der Praxis erprobten Prinzipien verrichten. 3. Die Befugnisse der Feldgendarmen Im Gegensatz zu den mithin durch eine weitgehende Kontinuität geprägten Bestimmungen über den Dienstbetrieb der Feldgendarmen wies die sich anschließende Regelung ihrer Befugnisse allerdings eine Änderung von grundsätzlicher Bedeutung auf, da die den Angehörigen der Feldgendarmerie verliehene Rechtsstellung militärischer Wachen erstmals eine Einschränkung erfuhr. Gemäß § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 sollten nämlich „die Mitglieder der Feldgendarmerie" nicht mehr wie bisher unterschiedslos „zu sämmtlichen Militairpersonen [...] in dem Verhältnis der Wachen stehen", sondern die Wacheigenschaft vielmehr nur noch gegenüber Mannschaften und Unteroffizieren geltend machen können. „Offiziere, im Range derselben stehende MilitairÄrzte und Ober-Militair-Beamte" wurden hingegen insoweit ausdrücklich ausgenommen. Damit war es nunmehr den Feldgendarmen seit Inkrafttreten der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 im Verhältnis zu den Offizieren der Armee weitgehend verwehrt, sich auf diejenigen Rechtsvorschriften zu berufen, deren Tatbestand ausschließlich auf die militärischen Wachen zugeschnitten war. Am deutlichsten machten sich die Folgen dieser Neuerung im Bereich der Festnah304 Daneben war lediglich noch die in § 25 II der Instruktion enthaltene Bestimmung hinzugekommen, wonach diejenigen „Feldgendarmen, welche den an sie zu stellenden Anforderungen nicht genügen, [...] von den General-Kommandos resp. Etappen-Inspektionen aus der Feldgendarmerie" entfernt werden mußten.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

merechte bemerkbar, denn insoweit hatte sich das Kriegsministerium nicht etwa darauf beschränkt, den Feldgendarmen die Berufung auf diejenigen Rechtsnormen zu verwehren, deren Tatbestand die Wacheigenschaft des Festnehmenden voraussetzte. Vielmehr hatte es stattdessen in § 14 I 1 der Dienstinstruktion sogar jegliche Festnahme „der in § 12 ausgenommenen" Personen, also der „Offiziere, der im Range derselben stehenden Militair-Ärzte und der Ober-MilitairBeamten" ausdrücklich untersagt. 305 Das hatte zur Folge, daß die Feldgendarmen seit dem Erlaß der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 Offiziere und diesen gleichstehende Armeeangehörige nicht einmal mehr dann festzunehmen berechtigt waren, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen eines Jedermannrechtes an sich erfüllt waren. Aber auch hinsichtlich ihrer Befehlsbefugnisse mußten die Feldgendarmen im Verhältnis zu den Offizieren aufgrund der Bestimmungen des § 12 I 2 der Dienstinstruktion eine Einschränkung ihrer Rechtsstellung hinnehmen. Da nämlich das Recht der Feldgendarmen, anderen Personen des Soldatenstandes Befehle zu erteilen, auf die A.K.O. vom 31.03.1792 zurückzuführen war, 3 0 6 diese aber lediglich die militärischen Wachen zur Befehlsgebung berechtigte, wurde den Feldgendarmen durch die Vorschrift des § 12 I 2 der Dienstinstruktion die Befugnis, Offizieren mit dem Anspruch auf Gehorsam verbundene Verhaltensanweisungen zu erteilen, vollständig entzogen. 307 Konse305 Obschon die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht zwischen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften der Feldgendarmerie differenzierte, sondern vielmehr die Festnahme von Offizieren anderer Truppengattungen generell verbot, dürfte insoweit mit Blick auf die disziplinaren Festnahmebefugnisse der Feldgendarmen eine Ausnahme zu erwägen sein. Wie oben unter A. III. 2. e) bb) festgestellt, stand nämlich nach der HDStO jedem Offizier der Armee das Recht zu, zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin und Ordnung „die nach dem Dienstgrade oder dem Patent oder dem Dienstalter unter ihm stehenden Personen des Soldatenstandes nöthigenfalls vorläufig zu verhaften oder ihre vorläufige Verhaftung zu bewirken." Es erscheint aber nicht recht einsichtig, warum das Kriegsministerium beabsichtigt haben sollte, auf dem Gebiet des Disziplinarrechts ausgerechnet die Feldgendarmerieoffiziere, deren Rechtsstellung sich doch grundsätzlich durch einen Befugnisrahmen auszeichnete, der weit über denjenigen anderer Soldaten gleichen Dienstranges hinausging, verglichen mit den übrigen Offizieren der Armee zu benachteiligen. Folgt man dieser Einschätzung, so muß man die Bestimmungen der §§ 12 I 2; 14 I 1 der Dienstinstruktion dahingehend teleologisch reduzieren, daß sie auf die disziplinaren Festnahmerechte der Feldgendarmerieoffiziere keine Anwendung finden sollten; zwingend ist dies jedoch nicht. 306 Siehe dazu im einzelnen oben unter A. III. 2. b). 307 Damit war aber zwangsläufig zugleich auch eine Umkehrung der Regelungstechnik verbunden, die der Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie zugrunde lag. Da nämlich die bisherigen Dienstinstruktionen die Feldgendarmen grundsätzlich auch gegenüber den Offizieren der Armee uneingeschränkt mit der Eigenschaft militärischer Wachen ausgestattet hatten, waren sie gezwungen, Einschränkungen zu formulieren, wenn eine besondere Rücksichtnahme auf die Angehörigen des Offiziersstandes erwünscht war. Demzufolge hatte etwa § 19 der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 angeordnet, daß „Offiziere, Militair-Oberärzte und Ober-Militair-Beamte" trotz an sich weitergehender Befugnisse „von den Mitgliedern der Feldgendarmerie zunächst nur auf das Ungesetzliche oder Unerlaubte ihrer Handlungsweise aufmerksam zu machen,

D. Die Dienstvorschrift vom 15.08.1872

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quenterweise entfiel damit gegenüber den Offizieren zugleich auch die Berechtigung zur Ergreifung derjenigen Maßnahmen, die befehlsbefugten Soldaten gemäß §§ 185 pr. MStGB; 124 RMStGB zur Verfügung standen, um ihre Anordnungen durchsetzen zu können. Im Gegensatz dazu blieben die Befugnisse zum Waffengebrauch von der Regelung des § 12 I 2 der Dienstinstruktion für die Feldgendarmerie gänzlich unberührt, da nach dem Gesetz vom 20.03.1837 keineswegs nur militärische Wachen, sondern im allgemeinen alle Angehörigen des Militärs zum Einsatz der ihnen zur Verfügung stehenden Waffen berechtigt waren. Auf dem Gebiet des Militärstrafrechts war schließlich eine differenzierte Betrachtung der Auswirkungen erforderlich, die die Regelung des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 auf die Rechtsstellung der Feldgendarmen hatte. Das lag vor allem daran, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Dienstinstruktion noch das alte preußische Militärstrafgesetzbuch vom 03.04. 1845 gültig war. Darin hatte der Gesetzgeber aber noch darauf verzichtet, den Begriff der militärischen Wache selbst zu definieren. Vielmehr hatte er ihn in den einschlägigen Normen gleichsam als ein „außerstrafrechtliches" Tatbestandsmerkmal übernommen und seine nähere Bestimmung mithin vom Inhalt der durch das Kriegsministerium geschaffenen Dienstinstruktionen abhängig gemacht 308 . Aus diesem Grunde konnte das Kriegsministerium tatsächlich einzelnen Soldaten mit den Mitteln einer Dienstvorschrift die Eigenschaft als militärische Wache nach eigenem Ermessen ganz oder teilweise verleihen und auch wieder entziehen. Solange also nach Erlaß der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 noch das preußische Militärstrafgesetzbuch in Kraft war, hatte die Vorschrift des § 12 I 2 der Instruktion zur Folge, daß die Feldgendarmen im Verhältnis zu den Offizieren der Armee weder den besonderen militärstrafrechtresp. um die strikte Beobachtung der den Feldgendarmen gewordenen besonderen Instruktionen zu ersuchen" waren. Erst im Falle einer hartnäckigen Gehorsamsverweigerung durch einen Offizier durften die Feldgendarmen demnach das Potential ihrer Rechtsstellung als militärische Wachen vollständig ausschöpfen. Demgegenüber standen ihnen aufgrund der Vorschrift des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 im Verhältnis zu den Offizieren grundsätzlich überhaupt keine Rechte zu. Das hatte aber zur Folge, daß sie nunmehr ausdrücklich ermächtigt werden mußten, wenn sie ausnahmsweise doch einmal berechtigt sein sollten, Maßnahmen gegenüber den Offizieren der Armee zu ergreifen. Dementsprechend war dann beispielsweise auch in § 13 II der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 vorgesehen, daß „die Offiziere, im Offizier-Rang stehenden Militair-Ärzte und die Ober-Militair-Beamten" ebenso wie die übrigen Armeeangehörigen aufgrund der Regelung des § 13 I der Dienstinstruktion verpflichtet waren, „auf die Aufforderung eines Feldgendarmen" die erforderlichen „Angaben zur Feststellung der Identität unweigerlich zu machen." Im Ergebnis mußten sich die Feldgendarmen daher nach ihrer neuen Dienstinstruküon gegenüber Offizieren darauf beschränken, sie „bei Verstößen gegen Polizei-Anordnungen [...] darauf aufmerksam zu machen, daß ihre Handlungsweise den höheren Ortes ertheilten Anordnungen zuwiderläuft" (vgl. § 17, 1 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872). Hingegen hatte es sich bei dieser Maßnahme zuvor lediglich um den ersten Schritt beim Einschreiten gegen Offiziere gehandelt. 308 Ausführlich dazu oben Fn. 28.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

liehen Schutz des § 134 pr. MStGB genossen noch den Bestimmungen über die spezifische Verantwortlichkeit der militärischen Wachen unterlagen. Das änderte sich jedoch grundlegend, nachdem das „Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich" gemäß § 1 EG RMStGB am 01.10.1872 in Kraft getreten war und das Strafgesetzbuch für das preußische Heer gemäß § 2 I EG RMStGB abgelöst hatte. Anders als das preußische Militärstrafgesetzbuch enthielt das RMStGB in seinem § 111 I I nämlich eine Legaldefmition des Begriffs der militärischen Wache, so daß jeder Soldat, der die Voraussetzungen dieser Norm erfüllte, die Wacheigenschaft ex lege erwarb. Damit war es dem Kriegsministerium aber verwehrt, den Feldgendarmen im Wege einer innenrechtlichen Bestimmung die Rechtsstellung militärischer Wachen zu versagen. Im Verhältnis zu der höherrangigen Rechtsnorm des § 111 I I RMStGB mußte daher die Vorschrift des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 zwangsläufig zurücktreten. Im Gegensatz zu der noch beim Erlaß der Instruktion vorherrschenden Rechtslage waren die Angehörigen der Feldgendarmerie mithin im militärstrafrechtlichen Bereich seit dem 01.10.1872 auch im Verhältnis zu den Offizieren, den Militärärzten und den Obermilitärbeamten mit den bereits geschilderten Konsequenzen wieder wie zuvor in vollem Umfang als militärische Wachen anzusehen.309 Gleichwohl war dieser Rechtszustand nicht von Dauer. Schon die nachfolgende Dienstvorschrift vom 10.06.1890, die als „Feldgendarmerieordnung" bezeichnet wurde, kehrte nämlich wieder zu den ursprünglichen Regelungen zurück und verzichtete daher in ihrem § 17 Ziff. 1 Abs. 1 im Hinblick auf die Wacheigenschaft der Feldgendarmen auf jegliche Differenzierung. Bei der Bestimmung des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 handelte es sich somit um eine singuläre Erscheinung in der Feldgendarmeriegeschichte, die zudem während ihrer gesamten Geltungsdauer keine praktische Anwendung erfuhr, weil die Armee bis zum Erlaß der neuen Dienstvorschrift des Jahres 1890 nicht mehr mobil gemacht wurde. 310 Über die Bedeutung eines Intermezzos kam die 309

Zu beachten war jedoch, daß die Wacheigenschaft eines Soldaten gemäß § 111 II RMStGB nur dann gegeben war, wenn er sich in Ausübung seines Dienstes befand. Diejenigen dienstlich veranlaßten Handlungen eines Feldgendarmen, die nicht in seinen entweder durch eine Dienstvorschrift oder durch einen Einzelbefehl begründeten Zuständigkeitsbereich fielen, konnten daher nicht dazu führen, daß er die Eigenschaft als militärische Wache erwarb [näher dazu oben unter A. III. 2. a)]. Auf diese Weise war dann aber die Regelung des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 gleichsam mittelbar wieder von erheblicher Bedeutung, denn da sie die Zuständigkeit der Feldgendarmen im Verhältnis zu den Offizieren spürbar begrenzt hatte, limitierte sie dadurch zugleich auch die Zahl der dienstlich veranlaßten Handlungen, die nach der Definition des § 111 II RMStGB den Erwerb der Wacheigenschaft auszulösen vermochten. Das änderte indessen nichts daran, daß der Wortlaut des § 12 I 2 der Dienstinstruktion im militärstrafrechtlichen Bereich seit dem 01.10.1872 grundsätzlich der im Text beschriebenen Einschränkung bedurfte. 310 Nur unter diesem Aspekt läßt sich im übrigen die Bemerkung Böckles, Truppenpraxis 1973, S. 36, in den langen Friedensjahren vor dem ersten Weltkrieg habe es keine militärische Ordnungstruppe gegeben, aufrechterhalten.

E. Die Veränderungen in der Zeit bis 1890

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Vorschrift des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 mithin letztlich nicht hinaus.

E. Die Veränderungen in der Zeit bis 1890 I. Die formationsgeschichtliche Entwicklung Der auf die Einführung der Dienstvorschrift vom 15.08.1872 folgende Zeitraum war vor allem dadurch gekennzeichnet, daß die Feldgendarmerie aufgrund der anhaltenden Friedensperiode bis zum Erlaß der Feldgendarmerieordnung praktisch nicht zum Einsatz kam. Konsequenterweise traten dann auch formationsgeschichtliche Veränderungen nur in sehr begrenztem Umfang auf. Erwähnenswert erscheint daher insoweit allenfalls der Umstand, daß der preußischen Landgendarmerie zumindest eine minimale Entlastung von ihren Pflichten zur Gestellung des Feldgendarmeriepersonals gewährt wurde. Aufgrund einer Vereinbarung, die das preußische Kriegsministerium mit dem Innenministerium des Großherzogtums Mecklenburg getroffen hatte, 311 wurde nämlich die mecklenburgische Landgendarmerie seit Dezember 1872 an den Abstellungsverpflichtungen, die der preußischen Landgendarmerie gegenüber dem IX. Armeekorps oblagen, zur Hälfte beteiligt. Da somit fortan das Großherzogtum Mecklenburg im Mobilmachungsfall zwölf Gendarmen an die Feldgendarmerieorganisation des IX. Armeekorps und die von diesem zur Bildung des Feldgendarmerie-Detachements einer Etappen-Inspektion zu stellende Abteilung abgeben mußte, reduzierte sich der Gesamtumfang der die preußische Landgendarmerie treffenden Gestellungspflichten auf insgesamt 16 Offiziere, 21 Oberwachtmeister und nur noch 281 berittene Gendarmen. 312 Abgesehen von dieser Neuerung ist dann aber in formationsgeschichtlicher Hinsicht bis zum Erlaß der Feldgendarmerieordnung des Jahres 1890 nur noch der Versuch des Chefs der Landgendarmerie zu registrieren, eine über die Vorschriften der §§ 22, 23 des Organisationsreglements vom 15.08.1872 hinausgehende Detailregelung der Vertretung für diejenigen Landgendarmen zu errei311 Vgl. hierzu den Schriftverkehr zwischen den beiden Ministerien im Aktenbestand GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 170 ff. d. A. 312 Vgl. die mit den Bestimmungen des § 1 des Organisationsreglements vom 15.08.1872 vollständig übereinstimmende Auflistung im Schreiben des Chefs der Landgendarmerie an das Innenministerium (Az. I Nr. 861/74) vom 29.07.1874 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, ohne Blattangabe). Danach teilte sich das Personal im Mobilmachungsfall im einzelnen wie folgt auf: 11 Offiziere, 11 Oberwachtmeister und 264 Gendarmen für das Garde-, I. bis VIII., X. und XI. Armeekorps; 1 Offizier, 1 Oberwachtmeister und 12 berittene Gendarmen für das IX. Armeekorps; 4 Oberwachtmeister für die Armee-Korps-Kommandos; 4 Offiziere und 4 Oberwachtmeister für die Etappen-Inspektionen sowie 1 Oberwachtmeister und 5 berittene Gendarmen für das große Hauptquartier. 26 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

chen, die im Mobilmachungsfall an die Feldgendarmerie abgegeben werden sollten. Wörtlich führte der Chef der Landgendarmerie in einem an das Innenministerium gerichteten Schreiben vom 29.07.1874 313 zu dieser Frage aus: „Bei der Mobilmachung 1870 hat die Stellvertretung der zur Feldgendarmerie abgegebenen [...] Oberwachtmeister und Gendarmen sowohl in ihrer Einleitung als in ihrer Durchführung vielfache [...] Verzögerungen mit sich geführt, weil es an jeder Vorbereitung mangelte. Da sich aber die Bedürfnisfrage im Großen und Ganzen schon im Frieden erörtern und vereinbaren lässt, so erscheint es zur Vermeidung jeglicher Störungen im Dienstbetriebe zu der wichtigen Zeit einer Mobilmachung dringend nothwendig, die erforderlichen Festsetzungen über den Ersatz vorbereitend zu treffen und alljährlich zu erneuern. [...]. In Betreff der von den Ersatz-Truppen zu gestellenden Stellvertretern für die berittenen Gendarmen halte ich es im Prinzip nach jeder Richtung für sehr wünschenswerth, deren Zahl auf ein möglichstes Minimum zu begrenzen. In den meisten Fällen wird sich die Frage, ,ob es angängig, die Patrouillen-Bezirke der abkommandirten Gendarmen unter die angrenzenden Gendarmen [...] zu vertheilen, oder ob ein Ersatz-Gendarm unerläßlich nöthig ist?', schon im Frieden entscheiden lassen. Hierüber dürfte die Feststellung durch Vereinbarung zwischen Landrath und Distrikt-Offizier, resp. Regierung und Brigade zur Zeit des Friedens und die jährliche Erneuerung dieser Maßregel aus vielfachen Gründen und namentlich deshalb zu empfehlen sein, weil sich im Frieden die Bedürfnisfrage gründlicher erörtern läßt als nach ausgesprochener Mobilmachung, bei den dann vermehrten Dienstgeschäften mehr oder minder aller Instanzen und den überall verminderten Arbeitskräften. Auch würde dadurch erreicht werden, daß die Zahl der aus jedem Armee-Corps-Bezirke zu gestellenden Ersatz-Gendarmen [...] schon im Frieden festgesetzt werden könnte, so daß mit der Mobilmachung sofort die Gestellung der Ersatz-Gendarmen durchführbar wäre." Obschon das Innenministerium in seinem Antwortschreiben vom 16.08. 1874 314 durchaus Verständnis dafür äußerte, daß der Chef der Landgendarmerie die Zahl der aus den Ersatztruppen zu entnehmenden Stellvertreter deshalb gering halten wollte, weil es insoweit an geeignetem Personal weitgehend fehlte, hielt es ,4m Interesse des Zivildienstes und der öffentlichen Sicherheit" dennoch an einer möglichst vollständigen Stellvertretung der abkommandierten Gendarmen fest. Da es überdies auch die bereits im Frieden durchzuführende Festlegung der Ersatz-Gendarmen für unnötig hielt, blieb der zitierte Vorstoß des Chefs der Landgendarmerie im Ergebnis ohne jedes Resultat. Aus diesem Grunde wurden die Bestimmungen über die Vertretung der im Mobilmachungsfall zur Feldgendarmerie wechselnden Landgendarmen in der Folgezeit ebensowenig verändert wie die übrigen Grundsätze, die das Organisationsreglement vom 15.08.1872 für den Aufbau der Feldgendarmerieorganisation aufgestellt hatte. Nennenswerte formationsgeschichtliche Veränderungen sind mithin bis zum Inkrafttreten der Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 nicht mehr zu verzeichnen. 313 314

GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 312). GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band H, ohne Blattangabe.

E. Die Veränderungen in der Zeit bis 1890

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IL Die neuen Rechtsgrundlagen für den Dienst der Feldgendarmen Im Gegensatz dazu schien die Rechtsstellung der Feldgendarmen in der Zeit bis zum Jahre 1890 auf den ersten Blick geradezu fundamentalen Umwälzungen unterworfen gewesen zu sein, da nicht wenige der für die Feldgendarmerie maßgeblichen Rechtsgrundlagen durch neue Regelwerke ersetzt wurden. Gleichwohl waren mit diesem Vorgang im wesentlichen nur rein äußerliche Neuerungen verbunden; inhaltlichen Veränderungen war der Befugnisrahmen der Feldgendarmerie hingegen kaum ausgesetzt. So ist bereits in anderem Zusammenhang 315 mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Ablösung des Militärstrafgesetzbuches für das preußische Heer durch dasjenige des Deutschen Reiches lediglich geringfügige Modifikationen des materiellen Rechts hervorgerufen hatte. Auch nach Inkrafttreten des RMStGB am 01.10.1872 hatte sich daher an der besonderen militärstrafrechtlichen Absicherung und der damit eng verknüpften spezifischen Verantwortlichkeit der Feldgendarmen ebensowenig etwas verändert wie an ihrer Berechtigung, die von ihnen erteilten Befehle notfalls sogar mit Waffengewalt durchzusetzen. Überdies waren sie aufgrund ihrer Wacheigenschaft noch immer dazu befugt, anderen Soldaten Befehle zu erteilen, da der Gehorsamsanspruch der militärischen Wachen nach wie vor aus der A.K.O. vom 31.03.1792 abgeleitet wurde. Demgegenüber bietet die Betrachtung der den Feldgendarmen eingeräumten Festnahmebefugnisse ein etwas differenzierteres Bild. Das war in erster Linie darauf zurückzuführen, daß das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit insgesamt drei verschiedene Rechtstitel enthielt, auf die sich die Feldgendarmen bei einer Festnahme berufen konnten. Mit der Ablösung des Freiheitsschutzgesetzes durch die am 01.10.1879 in Kraft getretene Reichsstrafprozeßordnung vom 01.02.1877 316 erlitt aber jedes einzelne dieser Festnahmerechte ein anderes Schicksal. So fiel zunächst einmal die noch von § 1 des Gesetzes vom 12.02.1850 ausdrücklich auch für militärische Wachen vorgesehene Möglichkeit, eine Person aufgrund eines richterlichen Haftbefehls zu verhaften, ersatzlos weg, da dafür nach der RStPO allein die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten zuständig waren. 317 Hingegen trat die aus § 2 Nr. 1 i.V.m. § 3 I des Freiheitsschutzgesetzes resultierende Festnahmebefugnis zwar formell ebenfalls außer Kraft, doch wurde sie durch das auch die Feldgendarmen berechtigende Jedermannrecht des § 127 315 316

Fn. 90. 317

Siehe dazu wiederum insbesondere oben Fn. 28. RGBl. 1877, S. 253; vgl. zum Datum des Inkrafttretens die Ausführungen in

Näher dazu wiederum oben Fn. 90; soweit also die Wachinstruktionen nach Einführung der RStPO noch Regelungen über „die Verhaftung einer Person [...] kraft eines schriftlichen Haftbefehls des Richters" vorsehen (vgl. beispielsweise § 2 der Instruktion vom 29.01.1881), waren diese unwirksam, da sie gegen höherrangiges Recht verstießen. 26*

404

6. Kap.: Die Feldgendarmerie

I RStPO ersetzt, von dem sie sich in materieller Hinsicht nicht unterschied. Das hatte aber zur Folge, daß insoweit letztlich keine Änderung der Rechtslage eingetreten war. Eine noch größere Kontinuität ist schließlich hinsichtlich der auf § 6 des Gesetzes vom 12.02.1850 gestützten Freiheitsentziehung festzustellen, denn dabei handelte es sich um einen präventiv-polizeilichen Rechtstitel, der von den ausschließlich die Strafverfolgung betreffenden Bestimmungen der RStPO nicht verdrängt werden konnte. Als einzige Vorschrift des Freiheitsschutzgesetzes überdauerte daher dessen § 6 die Einführung der Reichsjustizgesetze und blieb als landesrechtliche Regelung in Preußen noch bis zum Jahre 1931 in Kraft. 3 1 8 Angesichts der so umschriebenen Unterschiede in der Entwicklung der ursprünglich durch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit begründeten Festnahmebefugnisse kann es nicht verwundern, daß die Wachinstruktion vom 27.07.1850 ebenfalls durch ein neues Regelwerk ersetzt wurde. Gleichwohl enthielt auch die zu diesem Zweck erlassene „Instruktion für die Wachen in Hinsicht der von ihnen vorzunehmenden Verhaftungen und vorläufigen Festnahmen" vom 29.01.1881 319 im Vergleich zu ihrer Vorgängerin keine nennenswerten Abweichungen inhaltlicher Art. Vielmehr handelte es sich bei der Wachinstruktion vom 29.01.1881 den Worten Jess/Manns zufolge lediglich um eine durch das Inkrafttreten der RStPO erforderlich gewordene redaktionelle Überarbeitung der Vorschrift aus dem Jahre 1850. 320 Daran änderte sich selbst dann nichts, als die Vorschriften der Wachinstruktion später in die neue Garnisonsdienstvorschrift vom 13.09.1888 integriert wurden, da damit abermals keine sachlichen Änderungen verbunden waren. 321 Dazu bestand indessen im Hin3,8

So auch RGSt 4, 101, 102; 11, 101, 103; 13, 44, 45; 15, 356 und 31, 307, 308. A. V. Bl. 1881, S. 80, Nr. 82; eine umfangreiche Zusammenfassung des Regelungsgehaltes dieser Instruktion findet sich bei Zimmermann, GA 30 (1882), S. 411 ff. 320 Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 14. 321 So Liepmann, S. 15 Fn. 2; das gilt im übrigen in gleicher Weise auch für die nachfolgende Garnisonsdienstvorschrift vom 15.03.1902, deren auf die Festnahmebefugnisse der Wachen bezogener Inhalt bei Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 4b), S. 502 ff., ausführlich wiedergegeben wird. Selbst der für die Reichswehr geschaffenen Standortdienstvorschrift, die seit dem 31.03.1922 als Entwurf vorlag und deren endgültige Fassung am 24.04.1925 genehmigt wurde, waren den als Anlage VI bei Fuhse, S. 266 ff., abgedruckten Auszügen nach zu urteilen keine grundlegend neuen Bestimmungen zu entnehmen. Ähnliches läßt sich abschließend auch mit Blick auf die Standortdienstvorschrift vom 25.08.1934 und ihre während des zweiten Weltkrieges gültige Nachfolgerin vom 24.10.1939 (H.Dv. 131; M.Dv. Nr. 581; L.Dv. 131) sagen, da deren die Festnahme durch militärische Wachen regelnden Ziffern 206 bis 222 zwar deutlich ausführlicher waren als die entsprechenden Vorschriften früherer Regelwerke, sachlich jedoch kaum Neuerungen beinhalteten. Das ist indessen in Anbetracht der Tatsache, daß sich die den Festnahmebefugnissen zugrunde liegenden Rechtsvorschriften seit Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze nicht mehr verändert hatten, letztlich erheblich weniger überraschend als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. 319

E. Die Veränderungen in der Zeit bis 1890

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blick auf die außerhalb des Freiheitsschutzgesetzes geregelten Festnahmerechte der militärischen Wachen auch keinerlei Veranlassung, da insoweit überhaupt keine Abänderungen feststellbar sind. So hatte beispielsweise weder die nach dem ersten Weltkrieg erlassene Neuregelung der Disziplinarstrafordnung, die das disziplinare Festnahmerecht in § 9 I anstatt wie zuvor in § 7 I I normierte, noch die Ablösung des § 9 HDStO durch § 30 I I WDStO im Jahre 1942 eine beachtenswerte Abweichung von den erstmals in § 7 I I der HDStO vom 31.10.1872 formulierten Prinzipien zur Folge. Selbst das preußische „Gesetz über den Belagerungszustand" vom 04.06.1851 galt nach der Reichsgründung noch fort, obgleich es sich dabei um ein landesrechtliches Regelwerk handelte und die ausschließliche Zuständigkeit zur Bekämpfung von Situationen inneren Notstandes nach ganz h.M. auf das Reich übergegangen war. 3 2 2 Interessanterweise hatte das preußische Gesetz vom 04.06.1851 seine Aufrechterhaltung ausgerechnet einer Bestimmung der Reichsverfassung zu verdanken, denn nach deren Art.68,2 sollten für die Erklärung des Kriegszustandes im Reichsgebiet „bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkung einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes [...] die Vorschriften des preußischen Gesetzes vom 04.06.1851" angewendet werden. Da jedoch ein solches Reichsgesetz zu keiner Zeit geschaffen worden ist, blieb das Gesetz über den Belagerungszustand im Ergebnis sogar bis zum Ende des ersten Weltkrieges unverändert in Kraft. 3 2 3 Auch insoweit hatte sich mithin die für die 322 Vgl. zu dem Streit, ob neben dem Reich auch dessen Gliedstaaten zur Verhängung des Belagerungszustandes berechtigt waren oder nicht: Arndt, Art. 68 RV, Anm. 1, S. 318 f. mit zahlreichen Nachweisen zu beiden Ansichten sowie Dietz-Giese, Stichwort Belagerungszustand", S. 112 f. Im hier interessierenden Zusammenhang bedarf dieses Problem indessen keiner näheren Erörterung, da das preußische Gesetz vom 04.06.1851 ohnehin nach beiden dazu vertretenen Meinungen aufgrund der Vorschrift des Art. 68,2 RV (dazu sogleich im Text) beinahe im gesamten Reichsgebiet fortgalt. Eine Sonderstellung wurde insoweit aber vor allem dem Königreich Bayern eingeräumt, das seine eigene Notstandsgesetzgebung beibehalten durfte, weil Art. 68 RV dort aufgrund der Schlußbestimmung zum XI. Abschnitt der Reichsverfassung in Verbindung mit § 5 des dritten Abschnitts des „Vertrages, betreffend den Beitritt Bayerns zur Verfassung des Deutschen Bundes" vom 23.11.1870 (RGBl. 1870, S. 9) nicht zur Anwendung kam. Für das Reichsland Elsaß-Lothringen galt überdies anstelle des preußischen Gesetzes vom 04.06.1851 das „Gesetz über die Vorbereitung des Kriegszustandes in Elsaß-Lothringen" vom 30.05.1892 (RGBl. 1892, S. 667). In allen übrigen Ländern des Deutschen Reiches verblieb es hingegen bei den preußischen Bestimmungen. 323 Zu beachten war aber, daß die in § 5 des Gesetzes vom 04.06.1851 vorgesehene Möglichkeit, einzelne Vorschriften der preußischen Verfassungsurkunde zeit- und distriktweise außer Kraft zu setzen, naturgemäß nur dann wörtlich angewendet werden konnte, wenn der Belagerungszustand innerhalb der preußischen Landesteile ausgerufen wurde. In den außerpreußischen Gebieten war daher die Suspension auf diejenigen dort gültigen Rechtsnormen zu richten, deren Inhalt den in § 5 des Gesetzes vom 04.06.1851 aufgeführten Regelungen der preußischen Verfassung entsprach (Arndt, Art. 68 RV, Anm. 3, S. 321 Fn. 2). Dasselbe mußte dann ganz offenkundig aber auch in den Fällen gelten, in denen reichsrechtliche Vorschriften an die Stelle der preußi-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Feldgendarmerie maßgebliche Rechtslage nicht geändert. Zum gleichen Ergebnis führt dann schließlich auch die Betrachtung der den Feldgendarmen eingeräumten Befugnis zum Einsatz ihrer Waffen, da das „Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs" vom 20.03.1837 324 zumindest bis zum Ende des Kaiserreiches in Kraft geblieben war. 3 2 5 Zwar wurde die zu seiner Ausführung erlassene „Instruktion über den Waffengebrauch des Militärs und über die Mitwirkung desselben zur Unterdrückung innerer Unruhen" vom 01.05.1851 unter dem 23.03.1899 durch eine gleichnamige neue Dienstvorschrift ersetzt, doch hatte diese sich darauf beschränkt, die Regelungen ihrer Vorgängerin ohne wesentliche Änderungen zu übernehmen. 326 Das traf dann auch in gleicher Weise auf die nachfolgende „Vorschrift über den Waffengebrauch des Militärs und seine Mitwirkung zur Unterdrückung innerer Unruhen" vom 19.03.1914327 zu, da sie nach einer Formulierung Muffs lediglich „eine Zusammenfassung und nähere Erläuterung der bereits bestehenden" Bestimmungen enthielt. 328 Wie schon bei allen anderen Befugnissen der Feldgendarmen läßt sich demnach auch mit Blick auf deren Recht zum Waffengebrauch feststellen, daß der verschiedentliche Austausch der zugrunde liegenden Vorschriften letztlich nicht zu einer grundlegenden Veränderung der schon im Jahre 1866 gültigen Rechtslage geführt hat. Tatsächlich war daher der den preußischen Feldgendarmen eingeräumte Befugnisrahmen trotz der Reichsgründung bis zum Ende des ersten Weltkrieges kaum einer nennenswerten Neuerung ausgesetzt.

sehen Verfassungsbestimmungen getreten waren (dazu Dietz-Giese, Stichwort „Belagerungszustand", S. 116. 324 Abgesehen von Preußen galt dieses Gesetz mit Ausnahme von Bayern, das wegen der in Fn. 322 genannten vertraglichen Vereinbarungen zum Erlaß abweichender Vorschriften berechtigt war, auch in allen anderen Gliedstaaten des Deutschen Reiches, da diese aufgrund des Art. 61 I 1 RV verpflichtet waren, „die gesamte preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen." Vgl. zur Frage der Erfüllung dieser Verpflichtung im einzelnen Arndt, Art. 61 RV, Anm. 1, S. 291. 325 Vgl z u r Ansicht des Reichsgerichts und des ihm folgenden Teils der Literatur, das Gesetz sei auch in der Weimarer Republik noch anwendbar gewesen, ausführlich oben Fn. 155. 326 Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 15; Liepmann, S. 15 Fn. 2. 327 Eine ausführliche Zusammenfassung des Inhalts dieser Instruktion, deren im Jahre 1926 gültige Fassung im übrigen bei Fuhse, S. 259 ff., als Anhang V wörtlich wiedergegeben wird, findet sich bei Romen/Rissom, § 149 MStGB, Anm. 3 b), S. 797 ff. 328

Muff, S. 20 f. Fn. 16.

E. Die Veränderungen in der Zeit bis 1890

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III. Die Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 1. Die Veränderungen gegenüber der Dienstvorschrift vom 15.08.1872 Obschon nach all dem feststeht, daß eine fundamentale Neubearbeitung der Dienstvorschrift vom 15.08.1872 weder im Hinblick auf die formationsgeschichtliche Entwicklung der Feldgendarmerie noch in bezug auf ihre Aufgaben und Befugnisse erforderlich war, trat unter dem 10.06.1890 eine neue Instruktion in Kraft. Diese sollte der kriegsministeriellen Verfügung Nr. 82/7.90.A.3. vom 11.07.1890329 zufolge sowohl das „Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie" vom 15.08.1872 als auch die am selben Tage erlassene „Dienst-Instruktion für die Feldgendarmerie" ersetzen. Damit hatte die Feldgendarmerie aber erstmals eine einheitliche Dienstvorschrift erhalten, in der nicht nur ihre Organisation, sondern zugleich auch die ihr zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse geregelt worden waren. Das drückte sich nicht zuletzt auch in der veränderten Namensgebung des für die Feldgendarmen verbindlichen Regelwerks aus, da es von nun an die Bezeichnung „Feldgendarmerieordnung" (Feldg. O.) 3 3 0 führte. Inhaltlich riefen diese Maßnahmen indessen nur in sehr geringem Umfang Veränderungen hervor. Am augenfälligsten war insoweit noch die Tatsache, daß der Stärkeetat der den Armeekorps zugewiesenen Feldgendarmerieeinheiten, die inzwischen nicht mehr die Bezeichnung „Detachement" führten, sondern „Feldgendarmerietrupp" genannt wurden, abermals heraufgesetzt worden war. 3 3 1 Zukünftig sollte nämlich jedes Armeekorps gemäß § 1 Ziff. 1 lit. a Feldg. O. neben einem Rittmeister und einem Wachtmeister über insgesamt 60 Feldgendarmen (20 Obergendarmen, 20 Unteroffiziere, 20 Gefreite) verfügen können. Das hatte jedoch zur Folge, daß die von der preußischen Landgendarmerie zu erfüllenden Gestellungspflichten an Umfang nochmals zunahmen, denn da die Feldgendarmerieordnung in ihrem § 1 Ziff. 2 daran festhielt, daß ein Drittel des Feldgendarmeriepersonals der Landgendarmerie entstammen mußte, hatte diese nunmehr pro Armeekorps 27 statt wie bisher nur 24 Gendarmen abzugeben. Zudem stieg in der Folgezeit die Zahl der preußischen Armeekorps ebenfalls weiter an, 3 3 2 so daß der Stärkenachweis der 329

A.V.B1. 1890, S. 141, Nr. 177. D.V.E. Nr. 181, BA-MA PHD 3/181. 331 Hingegen war das von jedem Armeekorps zur Bildung des Feldgendarmerietrupps einer Etappen-Inspektion aufzustellende Kontingent gemäß § 1 Ziff. 1 lit. b Feldg. O. ebensowenig vergrößert worden wie das Feldgendarmeriekommando des großen Hauptquartiers, das demzufolge gemäß § 1 Ziff. 4 lit. a Feldg. O. nach wie vor aus einem Wachtmeister und fünf Obergendarmen bestand. Ebenfalls unverändert geblieben waren zudem auch die in § 1 Ziff. 4 lit. b enthaltenen Regelungen über die Feldgendarmeriekommandos in den Hauptquartieren der Armeen. 332 So war zunächst einem Schreiben des Kriegsministeriums an das preußische Innenministerium vom 27.02.1900 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, 330

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Feldgendarmerietruppe im Jahre 1913 die Namen von insgesamt 502 preußischen Landgendarmen aufführte, die im Falle der Mobilmachung zur Feldgendarmerie übertreten sollten. 333 Bl. 219 d.A.) zu entnehmen, daß „für das XVIII. Armeekorps, welches am 01.04.1899 durch Abzweigung der 21. und 25. Division vom XI. Armeekorps neu errichtet wurde [...], die Gestellung preußischer Landgendarmen der 4.Gendarmerie-Brigade [...] und der 11. Gendarmerie-Brigade" vereinbart worden war. In einem weiteren Schreiben des Kriegsministeriums vom 29.06.1912 heißt es darüber hinaus, „daß infolge Errichtung von zwei neuen Armeekorps vom 01.10.1912 ab im Falle einer Mobilmachung je ein Feldgendarmerietrupp in Alienstein für das XX. Armeekorps und in Saarbrücken für das XXI. Armeekorps aufzustellen" war (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, Bl. 284 d.A.). Zu diesem Zweck sollten einer schriftlichen Mitteilung der Generalkommandos der beiden neu gebildeten Armeekorps zufolge der 1. preußischen Gendarmeriebrigade ein Offizier, ein Wachtmeister und zehn berittene Gendarmen, der 3. Gendarmeriebrigade nur ein Wachtmeister, der 8. Gendarmeriebrigade ein Offizier und 20 berittene Gendarmen sowie der 12. Gendarmeriebrigade weitere zehn Gendarmen entnommen werden (GStA PK, a.a.O., Bl. 286 f. d.A.). Schließlich erhöhte sich die Belastung für die preußische Landgendarmerie auch noch infolge der zum 01.04.1914 zu einem gewissen Abschluß gelangten Planung für die sogenannten „Reservekorps", deren im Mobilmachungsfall zu aktivierenden Generalkommandos mit Feldgendarmerietrupps in der durch § 1 Ziff. 1 lit. a Feldg. O. vorgegebenen Stärke ausgestattet werden sollten (vgl. dazu näher GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 94 d.A.). 333 GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, Bl. 295 bis 307 d.A. Gleichwohl war Preußen keineswegs das einzige Land, das im Krieg dazu verpflichtet war, Landgendarmen an die Feldgendarmerie zu überweisen. Vielmehr hatten auch Bayern und Württemberg die Aufgabe, „für ihre Mobilmachungs-Formationen den Bedarf an Feldgendarmen aus der eigenen Landgendarmerie" zu decken (vgl. die amtliche Anmerkung zu § 1 Ziff. 2 Feldg. O.). Überdies sollten die Feldgendarmerietrupps des XV. und des XVI. Armeekorps mit Landgendarmen aus der Gendarmeriebrigade Elsaß-Lothringen gebildet werden. Auch Sachsen war für die Aufstellung der Feldgendarmerieeinheiten seiner Truppen selbst verantwortlich, griff insoweit aber nicht auf seine Landgendarmerie zurück, sondern entnahm das erforderliche Personal ausschließlich „dem Aktiv-, Beurlaubten- oder Inaktivitätsstande" seines Heereskontingentes. Schließlich waren auch noch mit verschiedenen Großherzogtümern gesonderte Vereinbarungen über den Umfang ihrer Gestellungspflichten getroffen worden. So ist bereits in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen worden, daß die preußische Landgendarmerie infolge einer solchen Abmachung mit Mecklenburg-Schwerin schon seit Dezember 1872 nur noch die Hälfte der ihr gegenüber dem IX. Armeekorps obliegenden Abstellungsverpflichtungen erfüllen mußte [s.o. sub E. I.]. Aber auch mit Baden sind vergleichbare Vereinbarungen nachweisbar, denn dieses Großherzogtum hatte sich unter dem 25.11.1889 gegenüber Preußen dazu verpflichtet, die Deckung des gesamten Personalbedarfs der Feldgendarmerie beim XIV. Armeekorps alleine zu gewährleisten und zu diesem Zweck nach erfolgter Mobilmachung einen Oberwachtmeister und 27 berittene Gendarmen abzustellen (näher dazu GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 66 bis 68 d.A.). Zwar wurde diese Aufgabe dann seit dem 01.04.1901 wieder der 3. und der 8. preußischen Gendarmeriebrigade zugewiesen (vgl. das Schreiben des Kriegsministeriums an das preußische Innenministerium vom 16.04.1904, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, Bl. 233 d.A.), doch mußte das Kriegsministerium das Großherzogtum Baden im Jahre 1914 erneut um die Übernahme der Verpflichtung zur Aufstellung des Feldgendarmerietrupps des XIV. Armeekorps ersuchen, da aufgrund der Planungen für die Reserve-Generalkommandos (s. dazu oben Fn. 332) „bei den Feldgendarmerieformationen [...] vom 01.04.1914 ab

E. Die Veränderungen in der Zeit bis 1890

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Neben der sonach in ihren Auswirkungen doch recht folgenschweren Anhebung des Stärkeetats der Feldgendarmerie fielen die übrigen Veränderungen, die eine erhebliche Vermehrung der Kopfzahl" eintrete und daher der Bedarf „auch nach vermehrter Heranziehung von Mannschaften des Beurlaubtenstandes" von der preußischen Landgendarmerie nicht mehr gedeckt werden könne (Schreiben des Kriegsministeriums an das badische ,Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Großherzoglichen Hauses" vom 07.01.1914, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, Bl. 317 d.A.). Da zudem „eine weitere Heranziehung von aktiven Kavallerie-Unteroffizieren [...] ohne Schädigung der Zusammensetzung der Feldformationen der Kavallerie nicht möglich" erschien, erklärte sich das Großherzogtum Baden mit dem preußischen Ansinnen einverstanden und übernahm damit erneut die alleinige Verantwortung für die Bildung der Feldgendarmerieeinheiten beim XIV. Armeekorps. Gleichwohl war es der preußischen Landgendarmerie bei Ausbruch des ersten Weltkrieges nur annähernd gelungen, ihren durch die Feldgendarmerieordnung begründeten Gestellungspflichten nachzukommen. Einem für das preußische Finanzministerium erstellten Bericht des Innenministeriums vom 27.10.1914 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 299b Nr. 76 Beiheft 2 Band I, ohne Blattangabe) zufolge reichte die Zahl der insgesamt zur Feldgendarmerie überwiesenen 622 Landgendarmen nämlich lediglich dafür aus, „an Stelle der für die einzelnen Feldgendarmerietrupps [...] vorgeschriebenen 20 Obergendarmen" jedem Armeekorps nur je 16 zuzuweisen. Da sonach feststand, daß „der Bestand an felddienstfähigen Gendarmen zur Verwendung in der Feldgendarmerie aufgebraucht" war, hatte das Kriegsministerium bereits unter dem 29.09.1914 erwogen, „ältere Unteroffiziere der Reserve oder Landwehr für noch neu zu formierende Feldgendarmerie-Abteilungen zu verwenden" (Schreiben des Kriegsministeriums an den Chef der Landgendarmerie vom 29.09.1914, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 132 d.A.). Tatsächlich wurde dieser Vorschlag dann jedoch nicht nur anläßlich der Neugründung einer Feldgendarmerieformation verwirklicht, sondern vielmehr auch zur Lösung des Problems herangezogen, daß die schon eingerichteten Feldgendarmerietrupps ihre Sollstärke nicht erreichten. Entgegen § 1 Ziff. 1 lit. a) konnte daher bei Kriegsbeginn der Feldgendarmerietrupp eines Armeekorps nicht über 20 Obergendarmen, 20 Unteroffiziere und 20 Gefreite verfügen, sondern setzte sich stattdessen aus 16 Obergendarmen, 24 Unteroffizieren und 20 Gefreiten zusammen (insoweit zutreffend: Blankenstein, S. 132; Böckle, S. 124; nicht nachvollziehbar hingegen die Stärkeangaben bei Graf von Matuschka, S. 269, und Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 412, die übereinstimmend angeben, ein Feldgendarmerietrupp sei von nur „21 berittenen Unteroffizieren und Mannschaften" gebildet worden). Da diese Zusammensetzung mithin der bei Kriegsbeginn gültigen Fassung der Feldgendarmerieordnung widersprach, andererseits aber eine Erhöhung des Anteils der Landgendarmen de facto nicht möglich war, entschloß sich das Kriegsministerium dazu, die Feldgendarmerieordnung den realen Verhältnissen anzupassen. Mit der Verfügung Nr. 33/6.15. C 3. vom 09.06.1915 (A.V.B1. 1915, S. 265, Nr. 469) wurde daher der § 1 Ziff. 1 lit. a Feldg. O. dahingehend geändert, daß er den tatsächlich bestehenden Stärkeetat der Feldgendarmerietrupps übernahm (in diesem Punkt unzutreffend Blankenstein, a.a.O., und Böckle, a.a.O., da beide davon ausgehen, daß sich ein Feldgendarmerietrupp bei Kriegsausbruch nicht nur faktisch, sondern auch in Übereinstimmung mit dem Inhalt der Feldgendarmerieordnung aus 16 Obergendarmen, 24 Unteroffizieren und 20 Gefreiten zusammensetzte. Tatsächlich stand diese Iststärke jedoch - wie gezeigt - erst seit Juni 1915 mit den Vorschriften der Feldgendarmerieordnung in Einklang). Das hinderte das Kriegsministerium indessen keineswegs daran, in den beinahe zeitgleich vorgelegten Vorschlägen für eine nach Kriegsende durchzuführende Neubearbeitung der Feldgendarmerieordnung die weitere Aufstockung sämtlicher Feldgendarmerieformationen vorzusehen. Danach hätte der Feldgendarmerietrupp eines Armeekorps über einen Rittmeister, einen Leutnant, einen Wachtmeister und insgesamt 70 Feldgendar-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

durch die Feldgendarmerieordnung verursacht wurden, kaum noch ins Gewicht. Das galt insbesondere auch für die Ziffern 5 und 6 des § 2 Feldg. O. Darin war zwar erstmals festgeschrieben worden, daß die zur Feldgendarmerie abgegebenen Landgendarmen die Bezeichnung „Obergendarmen" führten, während die der Kavallerie entstammenden Soldaten unterschiedslos „Feldgendarmen" hießen; tatsächlich hatte man diese Begriffe jedoch auch in früheren Zeiten schon in gleicher Weise verwendet. 334 Letztlich hatten die Vorschriften des § 2 Ziff. 5 men verfügen können, von denen 20 der Landgendarmerie entstammen und demgemäß als Obergendarmen Verwendung finden sollten. Auch im Hinblick auf die Feldgendarmerietrupps der Etappen-Inspektionen war eine Vergrößerung geplant, denn diese sollten nach den Vorstellungen des Kriegsministeriums von den Armeekorps statt den bislang vorgesehenen 21 Feldgendarmen künftig fünf Obergendarmen, zehn Unteroffiziere und zehn Gefreite erhalten. Selbst für das Feldgendarmeriekommando im großen Hauptquartier war eine Erweiterung um fünf Unteroffiziere vorgesehen; demgegenüber war eine Verstärkung der den Armeeoberkommandos beigegebenen Feldgendarmerieeinheiten nur insoweit angedacht worden, als sie von einem Stabsoffizier im Range eines Regimentskommandeurs geführt werden sollten (vgl. dazu im einzelnen die Vorschläge des Kriegsministeriums für eine Neubearbeitung der Feldgendarmerieordnung (D.V.E. Nr. 181) vom 27.05.1915, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Beiheft 1, passim). Tatsächlich ist es dann jedoch aufgrund des verlorenen ersten Weltkrieges nicht mehr zu einer Verwirklichung dieser Änderungsvorschläge gekommen. 334 Obgleich aus diesem Grunde keineswegs eine sachliche Veränderung der bestehenden Zustände eingetreten war, führten die Vorschriften des § 2 Ziff. 5 und 6 Feldg. O. später dennoch zu bemerkenswerten Überlegungen. Im Verlauf des ersten Weltkrieges kam insoweit nämlich die Frage auf, ob ein Feldgendarm zum Obergendarmen befördert werden konnte. Dazu vertrat der Chef der Landgendarmerie in einer für das Kriegsministerium bestimmten Stellungnahme vom 07.12.1915 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 190 d.A.) nun zwar mit Recht die Ansicht, daß eine solche Beförderung nicht möglich sei. Gleichwohl hielt er es für zulässig, daß die einzelnen Generalkommandos und Etappen-Inspektionen die Dienstposten der Obergendarmen eigenverantwortlich mit besonders geeigneten Feldgendarmen besetzten, wenn das von der Landgendarmerie abgestellte Personal nicht ausreichte. In diesem Fall hatte er dann „auch keine Bedenken dagegen zu erheben, daß diese Feldgendarmen [...] ausnahmsweise den Titel und die Abzeichen der Obergendarmen" erhielten. Eine echte militärische Beförderung sei darin jedoch nicht zu erblicken. In seinem Antwortschreiben vom 14.02.1916 (GStA PK, a.a.O., Bl. 196 d.A.) wies das Kriegsministerium zunächst einmal darauf hin, daß mit der Bekleidung der Stelle eines Obergendarmen grundsätzlich überhaupt kein bestimmter militärischer Dienstgrad verbunden sei. Daher habe man es für erforderlich gehalten, sämtliche Obergendarmen der Feldgendarmerie in der A.K.O. vom 01.11.1915 (A.V.B1. 1915, S. 517, Nr. 50) zu Unteroffizieren zu befördern, „da ihnen als Führern von Gendarmerie-Patrouillen meist ältere, oft schon im Dienstgrad eines Vizewachtmeisters befindliche" Kavalleriesoldaten als Streifenbegleiter unterstellt seien. Soweit letztere dem Vorschlag des Chefs der Landgendarmerie entsprechend durch die Generalkommandos oder die Etappen-Inspektionen als Patrouillenführer eingesetzt würden, könnten sie ,glicht als Inhaber der Stellen von Obergendarmen, sondern nur als deren Stellvertreter angesehen" werden. Das habe aber zur Folge, daß die A.K.O. vom 01.11.1915 auf diesen Personenkreis nicht anwendbar sei. Daraus folge dann wiederum, daß auch eine dauerhafte Besetzung des Dienstpostens eines Obergendarmen mit einem dafür nach der Feldgendarmerieordnung an sich nicht vorgesehenen Soldaten keinesfalls zu dessen Beförderung führen könne. Aus diesem Grunde werde aber immerhin erwogen, die als Pa-

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und 6 Feldg. O. also nur deklaratorische Bedeutung. Im Gegensatz dazu wich die Norm des § 3 Ziff. 1 Feldg. O., die den Zeitpunkt regelte, bis zu dem die einberufenen Landgendarmen sich spätestens in ihrem Mobilmachungsort eingefunden haben mußten, wiederum von ihrer Vorgängerin ab. Während nämlich § 2 I 2 des Organisationsreglements vom 15.08.1872 noch ganz allgemein den 7. Mobilmachungstag als für alle Feldgendarmen gleichermaßen verbindlichen Gestellungstag bezeichnet hatte, sah § 3 Ziff. 1 Feldg. O. erstmals eine einzelfallbezogene Lösungsmöglichkeit vor. Danach sollten die für die preußischen Gendarmen maßgeblichen Gestellungstage künftig für jedes Armeekorps gesondert festgelegt werden. Zuständig dafür war allein das Kriegsministerium, das seine Entscheidung unter Anhörung des Chefs der Landgendarmerie alljährlich auf Antrag der Generalkommandos treffen und dem Innenministerium mitteilen musste. 335 Darüber hinaus enthielt die Feldgendarmerieordnung in ihrem § 16 trouillenführer eingesetzten Kavalleriesoldaten den Obergendarmen zukünftig „in bezug auf Gebührnisse, Dienststellung und Dienstgrad" gleichzustellen. Trotz dieser Ankündigung nahm das Kriegsministerium von der erwogenen Anpassung der unterschiedlichen Rechtsstellungen schon sehr bald wieder Abstand. Demgemäß teilte es dann auch dem Chef der Landgendarmerie bereits unter dem 19.06.1916 mit, daß „die Änderung der zur Zeit geltenden Bestimmungen [...] nicht für zweckmäßig gehalten" werde (GStA PK, a.a.O., Bl. 200 d.A.). An dieser Einschätzung dürfte sich in der Folgezeit bis zum Ende des ersten Weltkrieges nichts mehr geändert haben, denn noch im Oktober 1918 sah sich das Kriegsministerium genötigt, erneut darauf hinzuweisen, daß „die aus der Truppe für die Feldgendarmerie abgegebenen und in Stellen von Obergendarmen Verwendung findenden Mannschaften - Feldgendarmen - als Stelleninhaber nicht angesehen werden" könnten und „daher auch keinen Anspruch auf das Stellengehalt der Obergendarmen" hätten (vgl. die kriegsministerielle Verfügung Nr. 99/9.18.B 4a. vom 21.10.1918, A.V.B1. 1918, S. 607, Nr. 1142). 335 Die erste Mitteilung dieser Art stammt vom 13.03.1891 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, Bl. 138 f. d.A.) und läßt erkennen, daß aufgrund der neuen Regelung die Gestellungstage der Feldgendarmerie im Vergleich zur alten Dienstvorschrift bei jedem Armeekorps deutlich vorverlegt werden konnten. So durften etwa das I. bis V., das VIII., das XVI. und das XVII. Armeekorps schon am 4. Mobilmachungstag mit dem Eintreffen ihrer Feldgendarmen rechnen, während für die Feldgendarmerietrupps beim VI., VII. und IX. bis XI. Armeekorps immerhin noch der 5. Mobilmachungstag als Gestellungstag festgesetzt worden war. Selbst für das Gardekorps, dessen Feldgendarmerie zuletzt aufgestellt wurde, hatte das Kriegsministerium mit dem 6. Mobilmachungstag noch immer einen früheren Zeitpunkt für die Gestellung der Landgendarmen vorgesehen als zuvor das Organisationsreglement des Jahres 1872. Bis 1898 ist es dann sogar gelungen, den Gestellungstag der Feldgendarmen beim I., II., Vin., IX., X. und XVII. Armeekorps nochmals um einen Mobilmachungstag nach vorne zu verlegen (vgl. die Mitteilung des Kriegsministeriums an das Innenministerium vom 19.02.1898, GStA PK, a.a.O., Bl. 211 d.A.). Im Jahr darauf erhielt § 3 Ziff. 1 Feldg. O. indessen eine neue Fassung, derzufolge die Gestellungstage nicht mehr - wie bisher - alljährlich vom Kriegsministerium festzusetzen waren, sondern stattdessen unmittelbar zwischen den Generalkommandos der Armeekorps und den jeweils zuständigen Zivilverwaltungsbehörden der Gliedstaaten, in Preußen also dem Chef der Landgendarmerie, vereinbart werden sollten. Daher kam dem Kriegsministerium seither nur noch die Funktion zu, die getroffenen Vereinbarungen zu registrieren und zu überwachen. Zu diesem Zweck mußten die Generalkommandos dem Kriegsministerium zum 15.01. jeden Jahres melden, welche Gestellungstage für ihre Feldgen-

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Ziff. 1 Abs. 2 erstmals auch die schriftliche Fixierung der Aufgaben, die der Kommandeur des Feldgendarmerietrupps eines Armeekorps oder einer EtappenInspektion zu erfüllen hatte. Danach war er dafür verantwortlich, „die persönlichen Verhältnisse der Feldgendarmen seines Trupps zu bearbeiten, die Einteilung desselben zu regeln, die ihm für den Dienstbetrieb erforderlich erscheinenden Maßnahmen vorzuschlagen und die Feldgendarmen in ihrer Haltung und in Ausübung ihres Dienstes zu überwachen." Obschon auch die Wachtmeister, die den Feldgendarmeriekommandos im großen Hauptquartier und in den Oberkommandos der Armeen vorstanden, ähnliche Obliegenheiten zu erfüllen gehabt haben dürften, hatte das Kriegsministerium insoweit auf eine ausdrückliche Auflistung in der Feldgendarmerieordnung verzichtet. Hinsichtlich dieser Wachtmeister hatte sich die Feldgendarmerieordnung vielmehr auf eine Regelung der für sie maßgeblichen Unterstellungsverhältnisse beschränkt. So bestimmte § 16 Ziff. 2 Feldg. O., daß die Wachtmeister bei den Armeeoberkommandos unmittelbar dem Kommandanten des Hauptquartiers unterstanden, während „der Wachtmeister bei dem großen Hauptquartier [...] dem 2. Kommandanten des großen Hauptquartiers" unterstellt sein sollte. 336 Damit war dann aber auch der darmerietrupps vereinbart worden waren. Vergleicht man nun die im Januar 1914 gemeldeten Vereinbarungen (siehe dazu die vom Kriegsministerium unter dem 01.04.1914 erstellte „NachWeisung der Gestellungstage für die an die Feldgendarmerieformationen abzugebenden Landgendarmen", GStA PK, a.a.O., Bl. 328 d.A.) mit den Festsetzungen des Jahres 1898, so fällt auf, daß das neue Verfahren lediglich beim VI. Armeekorps zu einer beschleunigten Aufstellung der Feldgendarmerie geführt hatte. Es kann daher nicht überraschen, daß auch die von den zwischenzeitlich neu aufgestellten Armeekorps mit dem Chef der Landgendarmerie vereinbarten Gestellungstage für die zur Feldgendarmerie einberufenen Landgendarmen dem Mobümachungsbefehl nicht früher nachfolgten, als dies bei der großen Mehrheit der bereits existierenden Armeekorps vorgesehen war, sondern vielmehr wie etwa im Falle des XVm. Armeekorps (vgl. dazu die an das preußische Innenministerium gerichteten Schreiben des Kriegsministeriums vom 27.02.1900 und vom 16.04.1901, GStA PK, a.a.O., Bl. 219 bzw. 233 d.A.) mit dem vierten oder wie beim XXI. Armeekorps (siehe insoweit die bereits erwähnte Nachweisung vom 01.04.1914) mit dem 5. Mobilmachungstag zusammentrafen. Lediglich das XX. Armeekorps fiel etwas aus dem Rahmen, da dessen Generalkommando der vom Kriegsministerium erstellten Nachweisung vom 01.04.1914 zufolge mit dem Chef der Landgendarmerie überein gekommen war, schon am 2. Mobilmachungstag mit der Aufstellung des zugeordneten Feldgendarmerietrupps zu beginnen. Damit zählte das XX. Armeekorps zu den ganz wenigen Truppen verbänden, die spätestens am 3. Mobilmachungstag über ihre Feldgendarmerieeinheit verfügen konnten. Vgl. zum Problemkreis der Mobilmachung der Feldgendarmerie im übrigen die „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" vom 23.05.1891 [dazu sogleich unter F. I.]. 336 Nach Cron, S. 13, war die Feldgendarmerieabteilung des großen Hauptquartiers schon deshalb dessen zweiten Kommandanten unterstellt, weil dieser „im wesentlichen für die Sicherheit des Hauptquartiers und die Disziplin des Unterpersonals verantwortlich war" und daher sämtliche etwa anfallenden militärpolizeilichen Tätigkeiten zu verrichten hatte. Der zweite Kommandant des großen Hauptquartiers unterstand seinerseits dem Generalquartiermeister, der wiederum dem Chef des Generalstabes zugeordnet war (Cron, S. 5). Letzterer hatte bereits nach den allgemeinen Mobilmachungsbestimmungen das Recht, im Namen des Kaisers operative Befehle zu geben. Obgleich

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zu Abweichungen von den bestehenden Zuständen führende Regelungsgehalt der Feldgendarmerieordnung erschöpft; weitere Veränderungen hatte sie nicht mehr zur Folge. 337 2. Die Gendarmerie-Patrouillen bei Manövern Während die bislang erörterten Neuerungen zumindest an die in der Vergangenheit entstandenen Vorgaben anknüpfen konnten, enthielt die Feldgendarmerieordnung in ihrem Anhang eine zusätzliche Regelung, die ohne jedes historische Vorbild auskommen mußte. Erstmals beinhaltete nämlich der Anhang zur Feldgendarmerieordnung eine insgesamt sechs Paragraphen umfassende ausführliche Dienstanweisung für die „Gendarmerie-Patrouillen bei den Manövern." a) Die Organisation der Gendarmerie-Patrouillen Danach war es fortan möglich, nicht nur bei den Kaiser-Manövern, sondern auch im Zusammenhang mit den Übungsvorhaben der Armeekorps, der Divisionen und sogar der einzelnen Brigaden Gendarmerie-Patrouillen aufzustellen, die gemäß § 1 I 2 Anh. Feldg. O. in erster Linie dafür verantwortlich sein sollten, „die nicht militärischen Zuschauer von dem Betreten bestellter Fluren zurückzuhalten, bzw. denselben geeignete Aufstellungspunkte anzuweisen." Überdies war auch geplant, die Gendarmerie-Patrouillen damit zu betrauen, „die Ordnung der marschierenden Truppenbagage, der Wagenkolonnen mit Biwaksbedürfnissen zu überwachen und sonstige, dem Feldverhältnisse entsprechende Polizeidienste zu verrichten." Aufgrund der Tatsache, daß der Anhang zur Feldgendarmerieordnung den Dienstbetrieb der Gendarmerie-Patrouillen bis hinunter zu den Manövern auf Brigadeebene regelte, hatte das Kriegsministerium darauf verzichten müssen, allgemeine Vorschriften über die Gesamtstärke der jeweils also die höchste Kommandogewalt - wie von Art. 63 I RV vorgesehen - unzweifelhaft auch im Verlauf des ersten Weltkrieges beim Kaiser verblieb, lag doch die eigentliche Führung des deutschen Heeres von Anfang an in der Verantwortung des insoweit allein zuständigen Chefs des Generalstabes des Feldheeres, der seine Anordnungen im Namen des Kaisers als „Oberste Heeresleitung" gab (ausführlich zur obersten Leitung der militärischen Führung und Verwaltung im ersten Weltkrieg: Cron, S. 3 ff.). 337 So enthielt insbesondere der die Obliegenheiten der Feldgendarmerie regelnde §15 Feldg. O. im Vergleich zu den entsprechenden Vorschriften der Dienstinstruktion vom 15.08.1872 nicht eine einzige Abänderung, die über eine Modernisierung der Gliederung und des Wortlauts hinausgegangen wäre. Im übrigen ist bereits anläßlich der Besprechung der Vorschrift des § 12 I 2 der Dienstinstruktion vom 15.08.1872, in der das Kriegsministerium den Feldgendarmen im Verhältnis zu den Offizieren der Armee die Eigenschaft als militärische Wachen aberkannt hatte, darauf hingewiesen worden, daß die Feldgendarmerieordnung in ihrem § 17 Ziff. 1 Abs. 1 insoweit wieder zum ursprünglichen Rechtszustand zurückgekehrt war; eine im Text erwähnenswerte Neuerung ist daher auch in § 17 Feldg. O. nicht mehr zu erblicken.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

aufzustellenden Patrouillen vorzugeben. Es hatte sich daher damit begnügt, in § 2 Ziff. 1 Anh. Feldg. O. lapidar festzustellen, daß für „die Zahl der zu bildenden Patrouillen allein das Bedürfnis maßgebend" war. Das hatte jedoch zur Folge, daß die Aufstellung der Gendarmerie-Patrouillen schon im Vorfeld der jeweiligen Übungsvorhaben genau festgelegt werden mußte. Da sich aber die Patrouillen gemäß § 1 I 1 Anh. Feldg. O. - ähnlich wie im Krieg die Feldgendarmerie - aus Landgendarmen und abkommandierten Unteroffizieren und Gefreiten der Kavallerie zusammensetzen sollten, mußten die jeweiligen militärischen Kommandobehörden bei der Vorplanung des Gendarmerieeinsatzes mit den zuständigen zivilen Dienststellen in Kontakt treten. Insoweit schrieb § 2 Ziff. 2 Abs. 1 Anh. Feldg. O. dann allerdings vor, daß „für die Brigade-, Divisions- und Korpsmanöver [...] durch den das Manöver leitenden Kommandeur (Brigade-, Divisions-Kommandeur bzw. kommandierenden General) mit der betreffenden Zivilbehörde (Landrat, Regierungs-Präsident, Ober-Präsident) jedesmal eine Vereinbarung über die Zahl der zu bildenden Gendarmerie-Patrouillen" getroffen werden musste. 338 Zudem war auch daran gedacht worden, daß an größeren Manövern nicht selten zwei und mehr Armeekorps beteiligt waren. Für diesen Fall sah nämlich § 2 Ziff. 3 Anh. Feldg. O. vor, daß die erforderlichen Absprachen zu treffen waren „zwischen demjenigen Generalkommando, in dessen Bereich das Manöver stattfindet, einerseits und dem betreffenden OberPräsidenten andererseits, welch letzterer dieserhalb mit dem Chef der Landgendarmerie in Verbindung zu treten hat". 3 3 9 Die nach diesen Grundsätzen aufge338

Einem Schreiben des Innenministeriums an das Kriegsministerium vom 23.05. 1911 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, Bl. 278 f. d.A.) nach zu urteilen scheinen insbesondere die unteren Kommandobehörden von der Möglichkeit der Aufstellung von Gendarmerie-Patrouillen regen Gebrauch gemacht zu haben, denn darin heißt es u.a. wörtlich: „Sofern landespolizeiliche Interessen in Frage kommen, bestehen gegen eine Heranziehung von Gendarmeriemannschaften in den Grenzen des Notwendigen selbstverständlich keine Bedenken. Bei Absperrungen aus Anlaß von Truppen- und Schießübungen, im Interesse des kriegsmäßigen Verlaufs des Manövers usw. dürfte aber das militärische Interesse bei weitem überwiegen, so daß eine Inanspruchnahme der Gendarmerie - wenn überhaupt - nur in beschränktem Umfang angängig erscheint. Um Weiterungen in Zukunft zu vermeiden und im Interesse der preußischen Staatskasse sind daher die Anträge der Truppenteile auf Entsendung von Gendarmeriemannschaften aus Anlaß von Truppen- und Schießübungen [...] nach der vorstehend angedeuteten Richtung hin einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, und es ist den Anträgen nur insoweit zu entsprechen, als dies nach den Verhältnissen des Einzelfalles im polizeilichen Interesse nötig erscheint." 339 Bei diesen Großmanövern mußte der Gesamtbedarf der militärischerseits zu stellenden Gendarmen dann gemäß § 2 Ziff. 4 Abs. 2 Anh. Feldg. O. von allen beteiligten Armeekorps zu gleichen Teilen gedeckt werden. Dabei durften gemäß § 2 Ziff. 5 Anh. Feldg. O. nur solche Soldaten ausgewählt werden, „welche geeignet sind, im Mobilmachungsfalle bei der Feldgendarmerie verwendet zu werden." Der Grund für diese Regelung war nicht nur darin zu erblicken, daß das Kriegsministerium bestrebt war, die Gendarmerie-Patrouillen mit besonders qualifiziertem Personal zu versehen. Vielmehr war die Verwendung der Kavalleriesoldaten in den Gendarmerie-Patrouillen bei den Manövern zugleich auch dafür gedacht, sie auf diejenigen Aufgaben vorzube-

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stellten Gendarmerie-Patrouillen sollten gemäß § 3 Ziff. 1 Abs. 1 Anh. Feldg. O. jeweils aus einem berittenen Landgendarmen als Führer sowie einem Unteroffizier und einem Gefreiten „der an den Manövern teilnehmenden KavallerieRegimenter als Begleiter des ersteren" bestehen. Diese gemischte Zusammensetzung der Patrouillen machte es aber erforderlich, einige weitere Regeln für ihren Dienstbetrieb aufzustellen. Da nämlich der Einsatz der Gendarmerie-Patrouillen nicht nur im militärischen Interesse erfolgte, sondern ebenso zivilpolizeiliche Funktionen erfüllte, waren konsequenterweise neben den „bezüglich des Einschreitens gegen Unordnungen der marschierenden Truppenbagagen etc. [...] militärischerseits gegebenen Weisungen" 340 zusätzlich auch noch die Anordnungen des zuständigen Landrates zu befolgen. Während aber nun die Gehorsamspflichten der Landgendarmen gegenüber den Landräten als Polizeibehörden nicht in Zweifel standen, waren die zur Bildung der Gendarmerie-Patrouillen abkommandierten Kavalleriesoldaten an sich nicht dazu verpflichtet, die dienstlichen Verfügungen ziviler Dienststellen zu beachten.341 Aus diesem Grunde hatte das Kriegsministerium in § 3 Ziff. 2 Abs. 1 Anh. Feldg. O. auch eigens vorgeschrieben, daß die in die Gendarmerie-Patrouillen integrierten Personen des Soldatenstandes sowohl den unmittelbar „seitens des betreffenden Landrates an sie ergehenden Weisungen" als auch denjenigen polizeilichen Anordnungen, „welche der Landrat den zu diesen Patrouillen kommandierten Gendarmen innerhalb seiner Befugnis zu erteilen für nötig erachtet", nachzukommen verpflichtet waren. b) Die Rechtsstellung der Patrouillenmitglieder Ähnliche Schwierigkeiten wurden durch die gemischte Zusammensetzung der Gendarmerie-Patrouillen überdies auch im Hinblick auf die Rechtsstellung ihrer reiten, die sie im Mobilmachungsfall in der Feldgendarmerie zu erfüllen hatten. Daß dieser Gesichtspunkt als durchaus gleichwertig eingeschätzt wurde, läßt sich im übrigen der Vorschrift des § 2 Ziff. 5 Abs. 2 Anh. Feldg. O. unschwer entnehmen, denn danach war bei der Entlassung der zu den Gendarmerie-Patrouillen kommandierten Soldaten in den Militärpässen der Vermerk „als Feldgendarm ausgebildet" aufzunehmen. 340 So der Wörtlaut des § 3 Ziff. 2 Abs. 2 Anh. Feldg. O. Zuständig für diese militärische Befehlsgebung war gemäß § 3 Ziff. 3 Anh. Feldg. O. der das Manöver leitende Truppenkommandeur. Aus diesem Grunde mußten sich die als Patrouillenführer eingeteilten Landgendarmen allabendlich dort melden, um ihre Anweisungen für den folgenden Tag in Empfang zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit konnten sie dann zugleich auch „über den voraussichtlichen Gang des Manövers, die wünschenswerte Leitung der Zuschauer und über sonstige für die Ausübung des Patrouillendienstes notwendige Einzelheiten unterrichtet" werden. 341 Abgesehen von den Landräten waren gemäß § 3 Ziff. 4 Anh. Feldg. O. auch die sogenannten „Flurschäden-Abschätzungs-Kommissionen" berechtigt, den Gendarmerie-Patrouillen Verhaltensmaßregeln zu erteilen. Das galt indessen nur, „soweit sich dieselben auf das Zurückhalten der Zuschauer von den bestellten Fluren beziehen."

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Mitglieder verursacht. Während es nämlich im Falle der Landgendarmen durchaus ausreichte, in § 4 Ziff. 1 Anh. Feldg. O. die Beibehaltung ihrer zivilpolizeilichen Befugnisse anzuordnen, um sie sowohl im Verhältnis zur Zivilbevölkerung als auch gegenüber Militärpersonen mit für den Patrouillendienst bei Manövern hinreichenden Befugnissen zu versehen, 342 läßt sich die Rechtsstellung der abkommandierten Kavalleriesoldaten nur im Wege einer differenzierten Betrachtungsweise vollständig erfassen. So genossen sie im militärischen Bereich naturgemäß zunächst einmal die Rechte, die ihnen ihr Dienstgrad vermittelte. Da dies jedoch infolge der in den Gendarmerie-Patrouillen durchweg vorherrschenden niedrigen Dienstgradstruktur keinesfalls ausreichte, um eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung gewährleisten zu können, hatte das Kriegsministerium in § 4 Ziff. 3 Anh. Feldg. O. bestimmt, daß die Patrouillenmitglieder gegenüber ausnahmslos allen übrigen Personen des Soldatenstandes als militärische Wachen aufzutreten berechtigt sein sollten. 343 Wichtigste Folge dieser 342 Das galt in besonderem Maße für diejenigen Gendarmen, die einer militärisch organisierten Landgendarmerieformation entstammten (dazu Fn. 38 der Einführung). Diese Landgendarmen waren nämlich im Verhältnis zu bestimmten Angehörigen der Streitkräfte keineswegs auf ihre ohnehin bestehenden zivilpolizeilichen Befugnisse beschränkt. Vielmehr waren sie aufgrund einer Allerhöchsten Kabinettsorder vom 19.07.1873 in und außer Dienst mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten militärische Vorgesetzte sämtlicher Mannschaftsdienstgrade der Marine sowie des preußischen, sächsischen und württembergischen Heereskontingentes (für die bayerischen Soldaten galt die A.K.O. vom 19.07.1873 indessen nur, wenn sie sich auf preußischem Staatsgebiet befanden, wohingegen alle übrigen Staaten des Deutschen Reiches schon gar nicht über eigenständige Kontingente verfügten, sondern aufgrund verschiedener Militärkonventionen dergestalt an Preußen gebunden waren, daß ihre Streitkräfte zu dessen Kontingent gezählt wurden; näher dazu Dietz-Rotermund, Stichwort „Landgendarmerie", S. 470; von Koppmann, § 2 EGMStGB, Anm. 6, S. 16; ders., § 89 MStGB, Anm. 7, S. 318 f.; ders., § 111 MStGB, Anm. 10, S. 413 f.; Romen/Rissom, § 2 EGMStGB, Anm. 3 e), S. 19). Ein solches Vorgesetztenverhältnis war jedoch von vorneherein überhaupt nur deshalb denkbar, weil die Angehörigen militärisch organisierter Landgendarmerieformationen zu den Personen des Soldatenstandes gehörten. Daraus ergaben sich dann aber auch noch weitere Besonderheiten im Verhältnis zu den Offizieren und den Unteroffizieren der Armee. So bestimmte etwa Ziff. 23 der für die preußische Landgendarmerie verbindlichen Dienstvorschrift, daß zwischen den Gendarmen und den Unteroffizieren der Armee zwar kein wechselseitiges Vorgesetzten- und Untergebenenverhältnis bestehe, sie jedoch durch kameradschaftliche Beziehungen miteinander verbunden sein sollten (vgl. Dietz-Rotermund, Stichwort „Landgendarmerie", S. 470). Demgegenüber mußten die Landgendarmen kraft ausdrücklicher Anordnung in Ziff. 20 ihrer Dienstvorschrift aufgrund von Standesrücksichten den Offizieren der Armee „Achtung und Ehrerbietung" erweisen, worunter insbesondere auch die militärische Grußpflicht verstanden wurde. Befehlsgewalt über die Landgendarmen stand indessen grundsätzlich auch den Offizieren der Armee nicht zu. Eine Ausnahme war lediglich dann vorgesehen, wenn die Landgendarmen einzelne Tätigkeiten gemeinsam mit den Streitkräften verrichten mußten, da sie in diesem Fall den jeweils zuständigen Offizieren unterstellt wurden (ausführlich dazu: Romen/Rissom, § 2 EGMStGB, Anm. 3 d), S. 18 f.). 343

Eine Einschränkung der damit verbundenen Rechtsstellung war jedoch für den Fall vorgesehen, daß die Gendarmerie-Patrouille sich gezwungen sah, ihrer Aufgabenstellung entsprechend gegen geschlossene Truppenabteilungen einzuschreiten. Ähnlich

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Anordnung war für die Gendarmerie-Patrouillen zweifellos der Umstand, daß ihnen so die Befugnis verliehen worden war, jedem anderen Armeeangehörigen diejenigen Befehle zu erteilen und notfalls auch durchzusetzen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig waren. Darüber hinaus konnten sich die zu den Gendarmerie-Patrouillen kommandierten Kavalleriesoldaten aufgrund der Regelung des § 4 Ziff. 3 Anh. Feldg. O. aber auch auf alle übrigen Rechte berufen, die mit der Eigenschaft einer militärischen Wache verbunden waren. 344 Zu beachten ist jedoch, daß die Vorschrift des § 4 Ziff. 3 Anh. Feldg. O. auf militärstrafrechtlichem Gebiet keine konstitutive Wirkung zu entfalten vermochte, denn da das RMStGB in seinem § 111 I I eine Legaldefinition des Wachbegriffs enthielt, war es dem Kriegsministerium insoweit versagt, mit den Mitteln einer nur dem Innenrecht zuzuordnenden Dienstvorschrift selbst abschließend zu bestimmen, welcher Personenkreis mit der Rechtsstellung militärischer Wachen ausgestattet werden sollte. Gleichwohl waren die von der Kavallerie abgestellten Patrouillenmitglieder letztlich auch im militärstrafrechtlichen Bereich als militärische Wachen zu betrachten, da sie den Tatbestand des § 111 13 RMStGB erfüllten, wenn sie sich in Ausübung ihres Dienstes befanden. Das war indessen keineswegs darauf zurückzuführen, daß sie etwa als Feldgendarmen anzusehen gewesen wären. Da nämlich Feldgendarmen den unmißverständlichen Regelungen der §§ 1 und 14 Feldg. O. zufolge überhaupt nur in der Zeit zwischen der Mobilmachung der Armee und der nach Ende des Krieges stattfindenden Demobilisierung auftreten konnten, handelte es sich bei den für Manöverzwecke aufgestellten Gendarmerie-Patrouillen eben gerade nicht um Teileinheiten der Feldgendarmerietruppe. Andererseits war aber nicht zu bezweifeln, daß die Angehörigen dieser Gendarmerie-Patrouillen zu den „zum Wacht- oder militärischen Sicherheitsdienste befehligten Personen des Soldatenstandes" im Sinne des § 111 I I RMStGB gezählt werden mußten, da sie nicht nur „für die Handhabung der militärischen Polizei [...] im Manövergelände," sondern ebenso für dessen Absperrung gegenüber der Zivilbevölkerung verantwortlich waren. 345 Dementsprechend hatten die zu den Gendarmerie-Patrouillen abkommandierten Kavallerie-Soldaten gemäß § 111 I I RMStGB auch wie bei der Feldgendarmerie ließ nämlich § 4 Ziff. 4 Abs. 1 Anh. Feldg. O. insoweit lediglich die Meldung an den „Führer der Bagage bzw. dessen Stellvertreter" zu. Stellte dieser daraufhin „die ihm kundgegebenen Unregelmäßigkeiten nicht ab", so war es der Patrouille gleichwohl nicht gestattet, „ihre Dienstgewalt gegen die ersterem unterstellten Personen" einzusetzen. Vielmehr mußte sie sich gemäß § 4 Ziff. 4 Abs. 2 Satz 2 Anh. Feldg. O. damit begnügen, „alsdann dem etwa vorhandenen GendarmerieOffizier oder Oberwachtmeister, andernfalls unmittelbar dem Leitenden des Manövers über den Vorfall" Bericht zu erstatten. Weitere Begrenzungen der den GendarmeriePatrouillen eingeräumten Rechtsstellung sah der Anhang zur Feldgendarmerieordnung indessen nicht vor. 344 Dazu ausführlich oben A. m. 2. 345 So wörtlich von Koppmann, § 111 MStGB, Anm. 4, S. 410; zustimmend insoweit auch Romen/Rissom, § 111 MStGB, Anm. 3 e), S. 497. 27 Schütz

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gänzlich unabhängig von ihrer etwaigen Einordnung als Feldgendarmen die Rechtsstellung militärischer Wachen inne, wenn sie in Ausübung ihres Dienstes begriffen waren. 346 In diesem Falle war die Rechtsstellung der Patrouillenmitglieder mithin zusätzlich noch dadurch gekennzeichnet, daß sie in militärstrafrechtlicher Hinsicht zwar einerseits einen spezifischen Schutz genossen, andererseits aber auch in besonderer Weise zur Verantwortung gezogen werden konnten. 347 Indessen waren sowohl die Regelungen des § 111 I I RMStGB als auch die Bestimmungen des § 4 Ziff. 3 Anh. Feldg. O. lediglich gegenüber den Personen des Soldatenstandes anwendbar; im Verhältnis zur Zivilbevölkerung galten sie hingegen nicht. Aus diesem Grunde blieb den der Kavallerie entstammenden Gendarmen die Rechtsstellung der militärischen Wachen insoweit versagt. Gegenüber Zivilisten konnten sie sich demnach lediglich der Jedermannrechte sowie deijenigen Befugnisse bedienen, die dem Militär ganz allgemein eingeräumt worden waren. Damit stand ihnen aber neben dem allgemeinen Notwehrrecht zunächst einmal auch die in § 127 I RStPO statuierte Festnahmebefugnis zur Verfügung. Darüber hinaus dürften sie zusätzlich noch zur Ausübung des verwaltungsrechtlichen Selbstverteidigungsrechtes befugt gewesen sein, denn da sie aufgrund der ihnen zugewiesenen Absperrfunktionen bestimmungsgemäß mit der Zivilbevölkerung in Kontakt kamen, handelten sie dieser gegenüber als die für die Gewährleistung des ungestörten und reibungslosen Ablaufs der Manöver zuständigen Organe der öffentlichen Anstalt „Heer". 3 4 8 Schließlich konn346

Dem Umstand, daß der Tatbestand des § 111 II RMStGB darüber hinaus auch noch die äußere Erkennbarkeit der militärischen Wachen voraussetzte, hatte das Kriegsministerium in § 5 I Anh. Feldg. O. Rechnung getragen. Danach waren die kommandierten Mannschaften nämlich dazu verpflichtet, „als besonderes Dienstabzeichen [...] zum Waffenrock etc. wie zum Mantel den im § 6 der Feldg. O. beschriebenen Ringkragen [anzulegen], sobald sie zur Wahrnehmung ihres Dienstes" auftraten. Zu diesem Zweck sollten „die für die kommandierten Mannschaften erforderlichen Ringkragen" gemäß § 5 II Anh. Feldg. O. für die Dauer des Manövereinsatzes „aus den für die Feldgendarmen niedergelegten Beständen entnommen" werden. 347 Näher dazu oben unter A. III. 2. a) und g). 348 Näher zum Institut der sogenannten „Anstaltspolizei" oben A. IE. 2. d); von allen während eines Manövereinsatzes emsthaft in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten, einer Zivilperson die Freiheit zu entziehen, fehlte daher den zu einer Gendarmerie-Patrouille kommandierten Kavalleriesoldaten im Vergleich zu den militärischen Wachen letztlich nur das präventiv-polizeiliche Festnahmerecht des § 6 des Freiheitsschutzgesetzes vom 12.02.1850. Im übrigen war also der Umfang der den militärischen Wachen einerseits und den Gendarmerie-Patrouillen bei den Manövern andererseits eingeräumten Festnahmebefugnisse vollständig deckungsgleich. Anstatt sich nun jedoch im Sinne einer ökonomischen Normsetzungstechnik bei der Erarbeitung der neuen Instruktion für die Gendarmerie-Patrouillen bei den Manövern darauf zu beschränken, einfach auf die zu dieser Zeit bereits umfassend normierten Festnahmebefugnisse der militärischen Wachen zu verweisen, hatte sich das Kriegsministerium dafür entschieden, in § 4 Ziff. 2 Anh. Feldg. O. eine eigenständige Regelung deijenigen Festnahmerechte aufzunehmen, die „den von den Truppen kommandierten Begleit-

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ten sie sich - ebenso wie alle übrigen Angehörigen der Streitkräfte auch - nach Maßgabe des Gesetzes vom 20.03.1837 der ihnen zur Verfügung stehenden Waffen bedienen. Ausgestattet mit dem so umrissenen Befugnisrahmen versahen die Gendarmerie-Patrouillen in der dem Erlaß des Anhangs zur Feldgendarmerieordnung folgenden Zeit den von ihnen erwarteten Dienst bei allen größeren Manövern, die vor dem ersten Weltkrieg abgehalten wurden. Aber auch in der Reichswehr wurden anläßlich von Truppenübungen noch Gendarmerie-Patrouillen nach Maßgabe des Anhangs zur Feldgendarmerieordnung zusammengezogen, da diese Instruktion erst im Jahre 1938 außer Kraft trat. 3 4 9 Daher hatte man selbst nach der nationalsozialistischen Machtergreifung noch auf der Grundlage der Vorschriften des Jahres 1890 Gendarmerie-Patrouillen bei Manövern aufgestellt mannschaften" künftig zustehen sollten. Danach wurde diesen „die Befugnis beigelegt, in Ausübung ihres Dienstes wie die Wachen Zivilpersonen vorläufig festzunehmen, welche a) den Anordnungen der Mitglieder der Gendarmerie-Patrouille tätlich sich widersetzen oder sonst keine Folge leisten, b) sich der Beleidigung gegen die Mitglieder der Gendarmerie-Patrouille schuldig machen, falls die Persönlichkeit des Beleidigers nicht sofort festgestellt werden kann." Indessen waren diese Bestimmungen nicht dafür geeignet, eine zutreffende Einschätzung der Rechtslage zu erleichtern, da sie den Anschein erweckten, sie seien dazu bestimmt gewesen, eigenständige neue Rechtstitel für die Festnahme von Zivilpersonen durch die militärischerseits gestellten Angehörigen der Gendarmerie-Patrouillen bei den Manövern zu schaffen. Verstärkt wurde dieser Eindruck überdies noch durch die amtliche Anmerkung zu § 4 Ziff. 2 Anh. Feldg. O., in der darauf hingewiesen wurde, daß „der Herr Minister des Innern" ersucht worden sei, „die Erklärung der Befugnisse der in Rede stehenden Mannschaften seitens der Königlichen Regierungen etc. durch die Amtsblätter veröffentlichen und vor jedem Manöver wieder in Erinnerung bringen zu lassen." Gleichwohl war es vor dem Hintergrund der verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalte selbstverständlich nach wie vor nicht möglich, in einer Dienstinstruktion rechtlich verbindliche Ermächtigungsgrundlagen für Eingriffe des Militärs in die bürgerliche Freiheitssphäre zu etablieren. Auf den ersten Blick erscheint die Regelung des § 4 Ziff. 2 Anh. Feldg. O. daher als rechtswidrig. Bei genauerer Betrachtungsweise fällt jedoch auf, daß sämtliche in § 4 Ziff. 2 Anh. Feldg. O. zusammengestellten Fallgruppen materiell-rechtlich weitgehend problemlos auf die Festnahmebefugnis des § 127 I RStPO, das Institut der Anstaltspolizei sowie das allgemeine Notwehrrecht zurückgeführt werden konnten. Tatsächlich handelte es sich bei der Vorschrift des § 4 Ziff. 2 Anh. Feldg. O. also eher um eine beispielhafte Aufzählung derjenigen konkreten Anwendungsfälle der genannten gesetzlichen Rechtsgrundlagen, mit denen die Gendarmerie-Patrouillen im Manövereinsatz mutmaßlich am häufigsten konfrontiert wurden. Damit erweist sich aber, daß das Kriegsministerium diesmal keineswegs beabsichtigt hatte, unter Außerachtlassung zwingender verfassungsrechtlicher Vorgaben neue Festnahmebefugnisse zu kreieren. Vielmehr dürfte es stattdessen lediglich die Intention gehabt haben, die für juristische Laien oftmals nur sehr schwer zu erfassenden abstrakten gesetzlichen Tatbestände durch einige leicht verständliche Beispiele zu illustrieren. Andere durch § 127 I RStPO, die verwaltungsrechtliche Selbstverteidigungsbefugnis oder das allgemeine Notwehrrecht gerechtfertigte Festnahmen von Zivilpersonen waren dadurch jedoch im Außenverhältnis ebensowenig ausgeschlossen wie bei den militärischen Wachen. 349

27*

Dazu unten F. HI.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

und übungshalber eingesetzt.350 Erst die Feldgendarmerievorschrift des Jahres 1938 ersetzte den Anhang zur Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 durch eine „Feldgendarmerie bei Übungen" betitelte Neuregelung, die die Rechtsstellung der bei Manövern eingesetzten Patrouillen an die der im Mobilmachungsfall aufgestellten Feldgendarmerie anglich. Bis zu diesem Zeitpunkt galten somit die im vorstehenden dargestellten Grundsätze unverändert fort.

F. Die weitere Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik I. Die „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" vom 23.05.1891 Obzwar die Feldgendarmerieordnung die erste einheitliche Dienstvorschrift der Feldgendarmeriegeschichte war, die sowohl Organisation und Dienstbetrieb der Truppe als auch die Aufgaben und Befugnisse ihrer Angehörigen regelte, trat in Gestalt der „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" 351 bereits unter dem 23.05.1891 ein zweites Regelwerk hinzu. 3 5 2 Dadurch entstand indessen keineswegs ein neuer Vorschriften-Dualismus, denn da die „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" nicht vom Kriegsministerium geschaffen worden war, sondern auf den Chef der Landgendarmerie zurückging, stand sie auch nicht gleichwertig neben der Feldgendarmerieordnung des Jahres 1890. Vielmehr hatten die Vorschriften der Instruktion vom 23.05.1891 im Verhältnis zu denen der Feldgendarmerieordnung eher den Charakter von hauptsächlich an die Landgendarmerieverbände gerichteten Ausfuhrungsbestimmungen, die im Bereich der Mobilmachungsplanungen für die Feldgendarmerietruppe etwaige Lücken schließen und bereits festgelegte Prinzipien vertiefen sollten. Demzufolge heißt es auch in der Einleitung der neuen Instruktion wörtlich: „Für die Formation der Feldgendarmerie ist die Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 maßgebend. Da [jedoch] nach § 32, 3 des Mobilmachungsplans für das Deutsche Heer die Vorschriften für eine Mobilmachung schon im Frieden so vollständig und so klar getroffen sein sollen, daß die einfache Weiterbeförderung des 350

Vgl. Sehrt, S. 302. GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, Bl. 154-181 d. A. 352 Dem Bericht des Chefs der Landgendarmerie zu dem Entwurf der „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 42-44 d.A.) ist zu entnehmen, daß schon am 02.05.1875 eine gleichnamige Vorschrift erlassen worden war, deren Inhalt in den Grundzügen mit dem neuen Regelwerk übereinstimmte. Überprüfen läßt sich diese Behauptung heute jedoch nicht mehr, da die Instruktion vom 02.05.1875 in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs nicht nachgewiesen werden konnte. 351

F. Die weitere Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik

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Mobilmachungsbefehls genügen muß, um die geordnete und sichere Ausführung der Mobilmachung zu gewährleisten, so werden nachfolgende Anordnungen erlassen, unter deren Anleitung der vorerwähnte Grundsatz durch alle Instanzen des Corps zu beachten ist." Dieser Zielsetzung entsprechend befaßte sich die Instruktion äußerst detailliert mit allen Fragen, die im Zusammenhang mit der Mobilmachung der Feldgendarmerie auftreten konnten. Neben zahlreichen Vorschriften über Reisekosten, Besoldung, Verpflegung, Bekleidung, Ausrüstung, Pensionen, Hinterbliebenenversorgung und Beihilfen im Krankheitsfall, die zwar einen Großteil der Instruktion ausmachten, denen aber im hier interessierenden Zusammenhang nicht im einzelnen nachgegangen werden kann, waren daher in erster Linie Regeln für die Auswahl der Feldgendarmen und ihrer Vertreter sowie für die Art und Weise ihres Dienstantritts aufgestellt worden. So wurde gleich in Ziffer 1 der Instruktion vorgeschrieben, daß die Gendarmerie-Brigaden alljährlich bis zum 10. Dezember sämtliche für den Dienst in der Feldgendarmerie geeigneten Distrikts-Offiziere erfassen und weitermelden mußten, damit der Chef der Landgendarmerie spätestens im Januar des darauffolgenden Jahres konkret festlegen konnte, welche „Offiziere designirt, den General-Commandos namhaft gemacht und den Gendarmerie-Brigaden zur Bekanntmachung an die Betreffenden bezeichnet" werden sollten. 353 Darüber hinaus legte Ziffer 2 der „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" gemeinsam mit deren Anlage 1 genauestens fest, „wieviel Oberwachtmeister und Gendarmen und für welche Feldgendarmerie-Detachements" jede Brigade zu gestellen hatte. In diesem Zusammenhang war auch an die Einplanung von Ersatzpersonal gedacht worden, denn Ziffer 2 der Instruktion vom 23.05.1891 machte den Gendarmerie-Brigaden ebenfalls zur Pflicht, insgesamt 14 Oberwachtmeister und 54 Gendarmen „zur Reserve zu designiren." Zudem sollte „für jeden ausscheidenden Mann (einschließlich der zu interimistischen Oberwachtmeistern herangezogenen Gendarmen) sofort ein anderer Mann" ausgewählt und „dreimonatlich zum 10. März, 10. Juni und 10. September jeden Jahres" an den Chef der Landgendarmerie gemeldet werden. Selbst die Art und Weise, in der der Mobilmachungsbefehl den Gendarmerie-Brigaden, den Distrikten und sogar den einzelnen Gendarmen zu übermitteln war, mußte gemäß Ziffer 4 der Instruktion unter Berücksichtigung individueller Gegebenheiten bis in alle Einzelheiten vorausgeplant wer353 Da die Feldgendarmerieordnung hinsichtlich des bei der Gestellung der Feldgendarmerieoffiziere einzuhaltenden Verfahrens interessanterweise überhaupt keine Vorgaben enthielt, schlug der Chef der Landgendarmerie im Jahre 1914 vor, eine der Ziffer 1 der Instruktion vom 23.05.1891 entsprechende Regelung in § 3 Feldg. O. zu integrieren (vgl. die vom Chef der Landgendarmerie erarbeiteten „Änderungsvorschläge für die Feldg. O." vom 30.01.1914, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 106 ff. d.A., hier: Bl. 109 d.A.). Zu einer Verwirklichung dieses Vorschlages ist es indessen - möglicherweise aufgrund des sich abzeichnenden Weltkrieges - niemals gekommen.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

den. 3 5 4 Während diese anfänglichen Regelungen allesamt die schon im Frieden zu treffenden Vorbereitungsmaßnahmen festlegten, befaßte sich die Instruktion vom 23.05.1891 im folgenden mit dem Verfahren, das nach der Übermittlung des Mobilmachungsbefehls eingehalten werden sollte. So enthielt etwa Ziffer 34 der Instruktion die naheliegende Bestimmung, daß „mit dem Eintritt der Mobilmachung und zwar am 1. Mobilmachungstage [alle] Beurlaubten, und zwar Offiziere durch die Brigade, Oberwachtmeister und Gendarmen durch den Distrikt, telegraphisch zurückzuberufen" waren. Dabei sollte auch dann keine Ausnahme zugelassen werden, wenn „der Urlaub zum Gebrauch eines Bades bewilligt ist." Dementsprechend durfte auch gemäß Ziffer 35 der Instruktion vom 23.05.1891 neuer Urlaub „während des mobilen Verhältnisses [...] nur in ganz dringenden Fällen und nur auf ganz kurze Dauer gewährt werden." Selbst Pensionierungen mußten nach Ziffer 36 Abs. 1 der Instruktion „in dieser Zeit auf solche Fälle beschränkt bleiben, in denen die Leute gänzlich unfähig sind, Dienst zu leisten." Konsequenterweise verbot Ziffer 36 Abs. 2 der Instruktion vom 23.05.1891 dann „Entlassungen noch landwehrpflichtiger Mannschaften" und „Beurlaubungen ohne Gehalt zur Probedienstleistung in Civilstellen." In gleicher Weise, wie sich die Instruktion sonach zum Ziel gesetzt hatte, nach erfolgter Mobilmachung einem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erschwerenden Absinken der Iststärke der Landgendarmerie entgegenzusteuern, bemühte sie sich auch darum sicherzustellen, daß der Personalbedarf der Feldgendarmerie nach Möglichkeit vollständig befriedigt werden konnte. Aus diesem Grunde sah sie vor, daß „nur Krankheit von Mann oder Pferd" die Nichtbefolgung des Mobilmachungsbefehls zu rechtfertigen vermochte. Damit jedoch in diesem Fall „sofort Ersatz aus den zur Reserve Designirten" einberufen werden konnte, hatte der betroffene Gendarm gemäß Ziffer 9 der Instruktion vom 23.05.1891 „ungesäumt bezügliche telegraphische Meldung an die Brigade zu erstatten." Umgekehrt mußte die Brigade nach Ziffer 38 der Instruktion dafür Sorge tragen, daß „als verwundet oder krank in ihre 354 Daß in Anbetracht dieser Ausführlichkeit auch eine Übersicht über die bei den einzelnen Armeekorps einzuhaltenden Gestellungstage vorhanden war, ist beinahe schon eine Selbstverständlichkeit. Insoweit kann jedoch auf die umfassende Darstellung in Fn. 335 verwiesen werden. Hinzuzufügen ist allerdings, daß sich nach Ziffer 5 Abs. 2 der „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" die Offiziere der Truppe im allgemeinen bereits „einen Tag früher in den Mobilmachungsorten" einzufinden hatten, „damit sie Zeit zu Meldungen, zur Orientierung und Vorbereitung haben." Bemerkenswerterweise war bei den gedruckten Exemplaren der Instruktion vom 23.05.1891 die konkrete Angabe des Gestellungstages in der entsprechenden Übersicht jeweils ausgelassen worden. Das war darauf zurückzuführen, daß die Gestellungstage, die zu dieser Zeit noch vom Kriegsministerium festgelegt wurden, der Geheimhaltung unterlagen und daher auf Vorschlag des Chefs der Landgendarmerie erst durch die Dienststellen der Landgendarmerie handschriftlich hinzugefügt werden sollten (vgl. den Bericht des Chefs der Landgendarmerie zu dem Entwurf der Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 42 d.A.).

F. Die weitere Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik

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Friedensstationen zurückgekehrte evtl. gebliebene und nicht zur Landgendarmerie zurückgetretene Feldgendarmen [...] nicht länger als ihr körperlicher Zustand es durchaus erfordert, dem Dienst entzogen" wurden. Neben diesen eher allgemein gehaltenen Verhaltensmaßregeln wies die Instruktion vom 23.05.1891 aber auch noch sehr konkrete Vorgaben darüber auf, welche Maßnahmen an jedem einzelnen Tag, der auf den Erlaß des Mobilmachungsbefehls folgte, zu treffen waren. So war in Ziffer 11 der Instruktion beispielsweise vorgesehen, daß „am zweiten Mobilmachungstage [...] die Brigaden den Regierungs-Präsidenten [und] die Distrikte den Civil-Dienstbehörden der Oberwachtmeister und Gendarmen Mittheilung von dem Abmarsch der sämmtlichen Beorderten, einschließlich der Offiziere, zu machen" hatten. Zudem sollte auch „die Abgabe der Geschäfte der Friedensstellung" am zweiten Mobilmachungstag erfolgen. 355 Während dies aber bei den Offizieren und Oberwachtmeistern gemäß Ziffern 12 und 13 der „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" durch die schlichte Übertragung der jeweiligen Dienststellung auf den vorgesehenen Vertreter im Amt erfolgen konnte, hatte die Abgabe der Dienstgeschäfte im Falle der einfachen Gendarmen in Ziffer 14 der Instruktion eine differenzierte Regelung erfahren, in der es wörtlich hieß: „Die Gendarmen melden am zweiten Mobilmachungstage der Civil-Dienstbehörde den Tag ihres Abmarsches. Unerledigte Aufträge und Requisitionen sind an diejenigen Behörden mit entsprechender Meldung abzuliefern, von der sie ausgegangen sind. Der Dienst im Patrouillenbezirk ist nach Empfang des Mobilmachungsbefehls überhaupt nur noch zu leisten, soweit die Vorbereitungen zum Abmarsch und die persönlichen Verhältnisse dies gestatten." Soweit nun diese Bestimmungen über die Abgabe der Dienstgeschäfte die Frage nach deren anschließender Wiederaufnahme durch die Stellvertreter der zur Feldgendarmerie abkommandierten Landgendarmen aufwirft, ist daran zu erinnern, daß es das Innenministerium bereits im Jahre 1874 abgelehnt hatte, „laufend im Frieden über das Bedürfnis von Ersatzgendarmen in Erörterungen zu treten". 356 Dementsprechend konnte also weder die Ermittlung des Bedarfs an Ersatzgendarmen noch deren Auswahl vorausgeplant werden. Der Chef der Landgendarmerie hatte sich daher in Ziffer 32 der „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" damit begnügen müssen, lediglich das nach einer

355

Durch eine Zusammenfassung und Systematisierung dieser und ähnlicher Bestimmungen, die über die gesamte Instruktion verstreut waren, konnte ein regelrechter „Alarmkalender" erstellt werden, der in tabellarischer Form einen Überblick über die vom Chef der Landgendarmerie und von den Gendarmerie-Brigaden einerseits sowie von den Gendarmen, Oberwachtmeistern und Distrikt-Offizieren andererseits an den ersten vier Mobilmachungstagen jeweils zu ergreifenden Maßnahmen enthielt und der Instruktion vom 23.05.1891 als Anlage 9 hinzugefügt wurde. Zu weiteren Einzelheiten siehe daselbst, GStA PK, a.a.O. (s.o. Fn. 351), Bl. 178-181 d.A. 356 So die Formulierung in Ziffer 32 der Instruktion vom 23.05.1891; näher zu diesem Problemkreis oben E. I.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

etwaigen Mobilmachungsanordnung einzuhaltende Verfahren bei der Anforderung der Ersatzgendarmen festzulegen. Danach hatte „dies in der Weise zu geschehen, daß die Brigaden bei den nach Punkt 11 den Regierungs-Präsidenten zu machenden Mittheilungen über Abmarsch der Gendarmen das Ersuchen um Angabe auszusprechen haben, in welcher Zahl Ersatzgendarmen für nothwendig erachtet werden." Anschließend sollten die Brigaden dann dem Chef der Landgendarmerie über die Bedarfsmitteilungen der Regierungspräsidenten Bericht erstatten und dabei insbesondere herausstellen, „für welche Stellen berittene Ersatzgendarmen für nöthig gehalten" wurden. Damit blieb also die endgültige Entscheidung über die Anzahl der anzufordernden Ersatzgendarmen für den gesamten Bereich der preußischen Landgendarmerie allein deren Chef vorbehalten. Hatte sich dieser dann entschlossen, wie viele Stellvertreter er beantragen wollte, so nahmen diese gemäß Ziffer 32 Abs. 5 der Instruktion vom 23.05.1891 je nachdem, ob sie mit einem Pferd ausgestattet waren oder nicht, entweder als „berittene Ersatzgendarmen" oder als „Fuß-Ersatzgendarmen" ihren Dienst auf, wobei sie gemäß Ziffer 32 Abs. 3 der Instruktion „wie Probisten zu behandeln" und daher „von den Vorgesetzten besonders im Auge zu behalten" waren. 357

357 Tatsächlich ist jedoch der „Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung" vom 31.01.1916 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 150 ff. d.A., hier: Bl. 154) zufolge in Preußen zumindest zu Beginn des ersten Weltkrieges „von der Befugnis, Stellvertreter anzufordern, [...] kein Gebrauch gemacht worden, einesteils um den Bestand des Heeres an Unteroffizieren nicht zu schwächen, anderenteils aus dem Grunde, weil es sich hat ermöglichen lassen, eine Anzahl früherer Gendarmen (Pensionäre) als Ersatzgendarmen vorübergehend einzustellen, die die Vertretung eines Teils der zur Feldgendarmerie einberufenen Gendarmen übernehmen konnten." Demgegenüber findet sich bei Blankenstein, S. 133, die Behauptung, die durch die Abgaben von Landgendarmen an die Feldgendarmerie entstandenen Lücken seien dadurch ausgefüllt worden, „daß die Ersatztruppenteile der Infanterie- und Kavallerieregimenter garnisonsdienstfähige Mannschaften als Hilfsgendarmen abkommandierten." Gleichwohl stehen die Ausführungen Blankensteins keineswegs im Widerspruch zu denen in der ,»Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung", da sie sich im Gegensatz zu letzteren auf das Kriegsjahr 1916 beziehen. Das geht nicht zuletzt auch daraus hervor, daß Blankenstein auf S. 63 seines Werkes davon spricht, der Minister des Innern habe „schließlich [...] dringend von dem Kriegsministerium die Abkommandierung abkömmlicher Unteroffiziere und Mannschaften der Ersatztruppenteile zwecks Unterstützung der Gendarmerie als »militärische Hilfsgendarmen'" angefordert, da den nicht zur Feldgendarmerie übergetretenen Landgendarmen „die Erfüllung ihrer Pflicht immer mehr über den Kopf 4 gewachsen sei. Steht somit fest, daß die in Ziffer 32 der Instruktion vom 23.05.1891 enthaltene Regelung in Preußen bei Ausbruch des ersten Weltkrieges nicht zur Anwendung kam, so ist im Gegensatz dazu zumindest in Elsaß-Lothringen auch anfänglich nicht auf die Gestellung von Ersatzgendarmen verzichtet worden. Dort wurde nämlich der kaiserliche Statthalter von der Gendarmeriebrigade Elsaß-Lothringen bereits unter dem 16.09.1914 aufgefordert, das Kriegsministerium „ergebenst zu ersuchen, gemäß §§ 13 ff. der Feldgendarmerieordnung 15 berittene und 15 Fußgendarmen [...] zur Verfügung stellen zu wollen" (vgl. das Schreiben der Gendarmeriebri-

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Im Gegensatz dazu strebte der Chef der Landgendarmerie hinsichtlich der Stellvertretung der zur Feldgendarmerie abgegebenen Oberwachtmeister eine rein interne Lösung an, da diese für die Dauer ihrer Zugehörigkeit zu den Streitkräften durch Oberwachtmeister - Expektanten ersetzt werden sollten. Zu diesem Zweck machte es Ziffer 31 Abs. 1 Satz 2 der Instruktion vom 23.05. 1891 jeder Brigade zur Pflicht, die im Ernstfall als „stellvertretende Oberwachtmeister" anzusprechenden Expektanten schon im Frieden laufend auszuwählen und „darüber unter der Nachweisung der zur Feldgendarmerie Designirten an den Chef zu berichten." In ähnlicher Weise war die Vertretungsproblematik schließlich auch bei den Offizieren geregelt worden, denn deren Stellvertreter mußten gemäß Ziffer 30 der Instruktion vom 23.05.1891 ebenfalls schon zu Friedenszeiten alljährlich festgelegt werden. Offen blieb dabei jedoch zunächst die Frage, „ob und in wie weit [...] die Einberufung pensionierter GendarmerieOffiziere, beziehungsweise solcher Offiziere, denen die Aussicht auf Anstellung in der Gendarmerie verliehen ist, als Stellvertreter erfolgen" konnte. Insoweit sollten die erforderlichen Überlegungen nämlich erst „nach eingetretener Mobilmachung" angestellt werden. Alle diese Regelungen blieben in der Folgezeit vollständig unverändert bestehen. Neuerungen sind - soweit ersichtlich - der „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges nicht mehr hinzugefügt worden. Es kann daher - von geringfügigen Ausnahmen abgesehen - 3 5 8 davon ausgegangen werden, daß die Mobilmachung der Feldgendarmerie im August 1914 genau so vonstatten gegangen ist, wie dies in den vorstehend dargestellten Bestimmungen schon im Jahre 1891 vorgesehen worden war.

IL Die Militärstrafgerichtsordnung vom 01.12,1898 Bevor aber die Rolle, die die Feldgendarmerie im Verlauf des ersten Weltkrieges gespielt hat, einer näheren Betrachtung unterzogen werden kann, muß noch darauf hingewiesen werden, daß sich der Befugnisrahmen der Feldgendarmen zur Zeit der Jahrhundertwende in signifikanter Weise veränderte. Mit der Einführung der „Militärstrafgerichtsordnung für das Deutsche Reich" (RMStGO) vom 01.12.1898,359 die gemäß § 1 des „Einführungsgesetzes zur Militärstrafgerichtsordnung" (EG RMStGO) vom gleichen Tage 3 6 0 in Verbindung mit der kaiserlichen „Verordnung, betreffend das Inkrafttreten der Militärstrafgerichtsordnung" vom 28.12.1899 361 seit dem 01.10.1900 Gültigkeit beangade Elsaß-Lothringen an den dortigen kaiserlichen Statthalter vom 16.09.1914, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 299b Beiheft 2 Band I, ohne Blattangabe). 358 Siehe dazu beispielsweise die vorstehende Fußnote. 359 RGBl. 1898, S. 1189. 360 RGBl. 1898, S. 1289.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

spruchen konnte, wurde nämlich ein eigenständiger Militärgerichtsstand geschaffen, der sowohl für die militärischen als auch für die bürgerlichen Straftaten aller in den §§ 1 und 5 RMStGO aufgezählten Militärpersonen begründet war. 3 6 2 Da dies jedoch zur Folge hatte, daß die Vorschriften der Reichsstrafprozeßordnung gemäß § 3 I EG RStPO auf die der Militärgerichtsbarkeit unterworfenen Personen 363 keine Anwendung mehr finden konnten, war es den Feldgendarmen seit Inkrafttreten der RMStGO versagt, Soldaten unter Berufung auf § 127 I RStPO vorläufig festzunehmen. 364 Indessen wurde dieses Manko dadurch wieder ausgeglichen, daß die RMStGO in ihrem § 180 gleich zwei verschiedene Rechtstitel enthielt, die die Feldgendarmen zur vorläufigen Festnahme von Militärpersonen ermächtigten. So waren sie in ihrer Eigenschaft als militärische Wachen zunächst einmal gemäß § 180 I Alt. 1 RMStGO zur Festnahme berechtigt, wenn die in § 176 RMStGO geregelten Voraussetzungen der Untersuchungshaft vorlagen. Danach war die Untersuchungshaft und damit zugleich auch die vorläufige Festnahme ganz ähnlich wie nach § 112 RStPO immer dann zulässig, wenn „dringende Verdachtsgründe gegen den Beschuldigten vorhanden" waren und zusätzlich einer der in § 176 Nr. 1 bis 4 RMStGO genannten Haftgründe vorlag. Allen Varianten des durch die §§ 180 I; 176 RMStGO begründeten Festnahmerechtes war also gemeinsam, daß sie einen dringenden Tatverdacht voraussetzten. Dieser Verdacht mußte sich nach von Koppmann „auf die Gesammtheit der die Strafbarkeit bedingenden Thatbestandsmomente richten" und demnach „sowohl dafür, daß eine strafbare Handlung begangen ist, als auch [...] für die Thäterschaft [und] für die Schuld des Angeschuldigten" vorliegen. 365 Als dringend wurde ein so umschriebener Verdacht dann angesehen, wenn er bereits „einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit" für eine spätere Verurteilung der festgenommenen Person aufwies. 366 War dies der Fall, so mußte zusätzlich noch einer der in § 176 Nr. 1 bis 4 RMStGO aufgezählten besonderen Gründe hinzukommen, damit die vorläufige 361

RGBl. 1900, S. 1. von Koppmann, S. 2. 363 Es waren dies gemäß §§ 1 und 5 RMStGO neben anderen im wesentlichen alle Militärpersonen des aktiven Heeres und der aktiven Marine, die zur Disposition gestellten Offiziere, Sanitätsoffiziere und Ingenieure des Soldatenstandes, die in militärischen Anstalten versorgten invaliden Offiziere und Mannschaften, die nicht zum Soldatenstande gehörigen Offiziere ä la suite und Sanitätsoffiziere ä la suite, wenn und solange sie zu vorübergehender Dienstleistung zugelassen waren sowie die verabschiedeten Offiziere, Sanitätsoffiziere und Ingenieure des Soldatenstandes, wenn und solange sie als solche oder als Militärbeamte im aktiven Heer oder in der aktiven Marine vorübergehend Verwendung gefunden hatten. 364 Hingegen blieb § 127 I RStPO hinsichtlich der der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterfallenden Personen und Handlungen nach wie vor die allein maßgebende Vorschrift (Romen/Rissom, § 180 MStGO, Anm. 3, S. 363). 365 von Koppmann, S. 290. 362

366

von Koppmann, S. 290; Romen/Rissom, § 176 MStGO, Anm. 4, S. 353.

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Festnahme nach § 180 I RMStGO zulässig war. 3 6 7 So verlangte zunächst § 176 Nr. 1 RMStGO, daß „ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung" bilden mußte. Demgegenüber wurden von der Vorschrift des § 176 Nr. 2 RMStGO ausnahmslos alle strafbaren Handlungen erfaßt, da sie nicht wie § 176 Nr. 1 RMStGO an die Deliktsnatur der mutmaßlich begangenen Tat anknüpfte, sondern vielmehr den aus § 112 RStPO schon seit dem Jahre 1877 hinlänglich bekannten Haftgrund der Fluchtgefahr wörtlich übernommen hatte. 368 Im Gegensatz dazu enthielt § 176 Nr. 3 RMStGO einen Haftgrund, der dem bürgerlichen Strafprozeßrecht aus naheliegenden Gründen unbekannt war, denn danach durften Freiheitsentziehungen auch „zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin" angeordnet werden. Damit hatte eine Regelung Eingang in die Militärstrafgerichtsordnung gefunden, die an sich dem Disziplinarrecht zuzuordnen gewesen wäre. Obgleich daher die Vorschrift des § 176 Nr. 3 RMStGO auf den ersten Blick systemwidrig erscheint, wurde sie dennoch durch Romen/Rissom und von Koppmann unter Hinweis auf die Eigentümlichkeiten des militärischen Strafprozesses übereinstimmend verteidigt. So führte etwa von Koppmann aus, die Untersuchungshaft müsse „für jene Fälle, in denen die Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin die Verhaftung erfordert", schon deshalb zugelassen werden, weil es „eben militärische wie gemeinstrafrechtliche Verschuldungen [gebe], bei welchen es nach deren Beschaffenheit - auch ohne daß eine andere der in § 176 aufgezählten Voraussetzungen vorliegt - mit dem Dienste bzw. der Disziplin schlechterdings nicht vereinbar wäre, den Beschuldigten unter seinen Kameraden oder gar Untergebenen auf freiem Fuße zu belassen". 369 Aus dem gleichen Grunde wurden die Bestimmungen des § 176 Nr. 3 RMStGO dann auch von Romen/Rissom als ein „für das militärische Strafverfahren bestehendes Bedürfnis" bezeichnet. 370 Bemerkenswerterweise hatten also die Feldgen367

von Koppmann, S. 291, und Romen/Rissom, § 176 MStGO, Anm. 2, S. 353, weisen übereinstimmend auf die an sich selbstverständliche Tatsache hin, daß die Festnahme auch bei Vorliegen aller Voraussetzungen nur zulässig und nicht obligatorisch sei. Sie hege daher im Ermessen des Berechtigten und könne demnach sogar bei objektiv unzweifelhaft gegebenen Schwerverbrechen unterbleiben (vgl. dazu auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 127 StPO Rn. 1 m.w.N. aus dem heutigen Schrifttum). 368 Da es sich bei der Fluchtgefahr gemäß § 112 II Nr. 2 StPO auch heute noch um einen Haftgrund handelt, kann an dieser Stelle wegen weiterer Einzelheiten auf die einschlägige Literatur verwiesen werden. Auch von Koppmann, S. 291, beschränkt sich bei seinen Erläuterungen zu § 176 Nr. 2 RMStGO darauf, einige wenige Grundprinzipien wiederzugeben, die von dem zu § 112 RStPO veröffentlichten Schrifttum bereits herausgearbeitet worden waren. In ähnlicher Weise waren dann auch die von Romen/Rissom, § 176 MStGO, Anm. 6, S. 354, gemachten Ausführungen zum Fluchtverdacht schon mit der kurzen Bemerkung erschöpft, daß dieser zwar eingehender Prüfung bedürfe, aber keine ,Angabe der ihn begründenden Tatsachen" erfordere; im übrigen beließen es aber auch diese Autoren dabei, auf § 112 RStPO Bezug zu nehmen. 369 von Koppmann, S. 291. 37 0Romen/Rissom, § 1 MStGO, Anm. , S. 3 .

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

darmen, deren Befugnisrahmen auf dem Gebiet des Disziplinarrechts - wie an früherer Stelle bereits festgestellt - 3 7 1 an sich spürbar hinter der Reichweite ihres Aufgabenspektrums zurückblieb, auf dem Umweg über die Militärstrafgerichtsordnung doch noch das allerdings durch das zusätzliche Erfordernis des Vorliegens eines dringenden Straftatverdachts begrenzte Recht erhalten, andere Militärpersonen aus disziplinaren Gründen festzunehmen. Hingegen enthielt § 176 Nr. 4 RMStGO schließlich wiederum eine Regelung mit rein strafprozessualem Inhalt. Danach war die vorläufige Festnahme auch noch immer dann zulässig, wenn Tatsachen vorlagen, „aus denen zu schließen ist, daß der Beschuldigte Spuren der Tat vernichten oder daß er Zeugen oder Mitschuldige zu einer falschen Aussage oder Zeugen dazu verleiten werde, sich der Zeugnispflicht zu entziehen oder daß er seine Freiheit zur Begehung neuer strafbarer Handlungen mißbrauchen werde." Während nun die beiden ersten Fallgruppen des § 176 Nr. 4 RMStGO wörtlich mit der ursprünglichen Fassung des § 112 I RStPO übereinstimmten und mit zwar deutlichen sprachlichen Abweichungen, aber ohne tiefgreifende inhaltliche Veränderungen auch heute noch in § 112 I I Nr. 3 StPO als Haftgrund der „Verdunkelungsgefahr" anerkannt sind, 3 7 2 handelt es sich bei der letzten Variante der Vorschrift um eine dem bürgerlichen Strafprozeß zu allen Zeiten fremde Regelung, die unter dem Begriff „Wiederholungsgefahr" zusammengefaßt werden könnte. Diese war nach einer gängigen Formulierung, die auf die gesetzgeberischen Motive zurückging, insbesondere dann anzunehmen, wenn bei einem Soldaten „der Hang zum Umhertreiben vorhanden" war, da in diesem Fall davon ausgegangen werden mußte, daß er geneigt sein werde, „die Freiheit immer von neuem zu unerlaubter Entfernung" von der Truppe oder sogar zur Fahnenflucht zu missbrauchen. 373 Aus diesem Grunde wurde der Haftgrund der Wiederholungsgefahr auf militärischem Gebiet auch als eine unabdingbare Notwendigkeit betrachtet. 374 Gleichwohl ermächtigte er - ebenso wie alle anderen Tatbestandsvarianten des § 176 RMStGO auch - die Feldgendarmen nur aufgrund ihrer Eigenschaft als militärische Wachen zur Festnahme von Militärpersonen, da die Verweisungsnorm des § 180 I RMStGO lediglich auf Untersuchungsführer, militärische Vorgesetzte und Wachmannschaften anwendbar war. Demgegenüber stellte die zweite Festnahmebefugnis, die in § 180 I I RMStGO geregelt worden war, ein Jedermannrecht 371

Siehe oben A. III. 2. e) bb). Aus diesem Grunde mag auch an dieser Stelle wieder der Verweis auf die einschlägige Literatur zu § 112 StPO als Erläuterung genügen. Im übrigen findet sich bei von Koppmann, S. 291 f., eine knappe Zusammenfassung des damaligen Standes der Dogmatik, die zu dem als „Kollusionsgefahr" bezeichneten Haftgrund des § 176 Nr. 4 Fälle 1 und 2 RMStGO entwickelt worden war. 373 von Koppmann, S. 292; Romen/Rissom, § 176 MStGO, Anm. 7, S. 354 f., jeweils unter Hinweis auf S. 119 der Begründung des Regierungsentwurfs zur MStGO." 372

374

von Koppmann, S. 292.

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dar, das nicht nur sämtliche Angehörigen der Streitkräfte, sondern sogar Zivilpersonen dazu berechtigte, Soldaten zu arretieren. Voraussetzung dafür war jedoch, daß die festzunehmende Militärperson „bei Verübung eines Verbrechens oder Vergehens auf frischer That betroffen oder verfolgt" wurde und sie entweder „der Flucht verdächtig oder ihre Persönlichkeit nicht sofort feststellbar" war. Daher schien die Vorschrift auf den ersten Blick der strafjprozessualen Festnahmebefugnis des § 127 I RStPO zu entsprechen. Tatsächlich wich sie jedoch nach der damaligen Rechtslage in einem bedeutsamen Punkt von der bürgerlichen Strafprozeßordnung ab, da sie die vorläufige Festnahme einer Militärperson ausdrücklich nur anläßlich der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens zuließ. Im Gegensatz zu § 127 I RStPO schloß also § 180 I I RMStGO die Festnahmebefugnis bei Übertretungen aus. 375 Das war maßgeblich darauf zurückzuführen, daß der Gesetzgeber das Auftreten von Konflikten zu verhindern beabsichtigte, die er aufgrund des besonderen soldatischen Ehrverständnisses für unvermeidlich hielt, wenn eine Militärperson schon im Falle einer Bagatellstraftat durch einen Zivilisten ihrer Freiheit hätte beraubt werden dürfen. 376 Eine ähnliche Überlegung lag überdies auch der zweiten Einschränkung zugrunde, der das Jedermannrecht des § 180 I I RMStGO im Gegensatz zur Festnahmebefugnis des § 127 I RStPO unterlag. Gemäß § 180 III RMStGO durfte „bei einem im Offiziersrange stehenden und in entsprechender Uniform befindlichen Angehörigen der bewaffneten Macht" nämlich nur dann davon ausgegangen werden, „daß er der Flucht verdächtig sei, oder daß seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden könne," wenn „er bei der Begehung eines Verbrechens auf frischer Tat betroffen oder verfolgt" wurde. Das hatte aber zur Folge, daß ein Offizier in Uniform aufgrund des Jedermannrechtes des § 180 I I RMStGO nur noch festgenommen werden konnte, falls er bei der Begehung eines Verbrechens auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wurde und er der Flucht verdächtig war oder seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden konnte. 377 Auch hier lag dem Gesetz wiederum das Motiv der Konfliktprävention zugrunde, da es davon ausging, daß die „im Offiziersrange befindlichen Militärpersonen" sich in ihrem „berechtigten Standesbewußtsein" verletzt fühlen würden, wenn sie ebenso wie Unteroffiziere oder gar Mannschaftsdienstgrade durch jedermann hätten festgenommen werden können. Eine solche Krän375 Romen/Rissom, § 180 MStGO, Anm. 6, S. 366; nach heutiger Rechtslage wäre durch die Fassung des § 180 II RMStGO indessen kein Unterschied mehr zur Strafprozeßordnung hervorgerufen worden, da die Vorschrift des § 127 I StPO nach der Abschaffung der Trichotomie der rechtswidrigen Taten im Wege der Beseitigung der Übertretungen als selbständiger Deliktskategorie durch das „ Z w e i t e Gesetz zur Reform des Strafrechts" (2. StrRG) vom 04.07.1969 (BGBl. I 1969, S. 717) ebenfalls nur noch auf Verbrechen und Vergehen Anwendung findet. 376 von Koppmann, S. 301, unter Bezugnahme auf S. 120 der Begründung des Regierungsentwuifes zur MStGO." 377

von Koppmann, S. 304; Romen/Rissom, § 180 MStGO, Anm. 7, S. 367.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

kung wollte der Gesetzgeber den Offizieren aber schon deshalb erst dann zumuten, wenn sie sich eines Verbrechens schuldig gemacht hatten, weil er glaubte unterstellen zu dürfen, daß „die spätere Feststellung der Person" eines seine Uniform tragenden Offiziers „keine besonderen Schwierigkeiten bieten" werde. 3 7 8 Von diesen Besonderheiten abgesehen waren indessen mit der Einführung der Militärstrafgerichtsordnung keine wesentlichen Begrenzungen der den Feldgendarmen bislang zustehenden Befugnisse verbunden. Vielmehr hatte sich ihr Rechtskreis im Verhältnis zu den Personen des Soldatenstandes durch das neue 378

S. 121 der Begründung des Regierungsentwurfes zur MStGO," zitiert nach von Koppmann, § 180 MStGO, Anm. 10, S. 303. Obschon weder der Wortlaut noch die systematische Stellung des § 180 DI RMStGO gegen dessen generelle Anwendung auf die beiden ersten Absätze der Norm sprachen, wurde unter Berufung auf seine Entstehungsgeschichte (vgl. dazu ausführlich von Koppmann, § 180 MStGO, Anm. 10, S. 303) allgemein angenommen, daß seine Bestimmungen „sich nur auf die Festnahme durch Jedermann nach Absatz 2 [...], nicht [aber] auf die im Absatz 1 geregelten Fälle" bezogen (Romen/Rissom, § 180 MStGO, Anm. 7a), S. 367). Gleichwohl galt für die Feldgendarmerie auch bei einer auf die §§ 180 I; 176 RMStGO gestützten Festnahme letztlich eine der Regelung des § 180 III RMStGO vergleichbare Einschränkung im Verhältnis zu den Offizieren der Armee. Da die Feldgendarmen nämlich die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten, waren sie dazu gezwungen, die Vorschriften der Wachinstruktion zu beachten. Das wurde aber durch die in der A.K.O. vom 28.12.1899 (A.V.B1. 1900, S. 1, Nr. 1, abgedruckt bei von Koppmann, Anhang I, S. 928 ff.) enthaltenen kaiserlichen Ausführungsbestimmungen zur Militärstrafgerichtsordnung nochmals ausdrücklich bestätigt, denn darin hieß es u.a., daß das bei der Festnahme durch eine militärische Wache „zu beobachtende Verfahren [...] sich nach den Vorschriften der Wachinstruktion" richten sollte (zutreffend also DietzElsner von Gronow, Stichwort „Festnahme", S. 308; von Koppmann, § 181 MStGO, Anm. 5, S. 305; Romen/Rissom, § 181 MStGO, Anm. 3, S. 368). Schon an früherer Stelle [s.o. A. III. 2. e) aa)] ist aber darauf hingewiesen worden, daß bereits die Wachinstruktion vom 27.07.1850 den Wachen im Verhältnis zu Offizieren in Uniform nur dann eine Festnahmebefugnis zugestanden hatte, wenn diese „sich augenscheinlich eines Verbrechens im allgemeinen oder gegen die Wache selbst schuldig" machten. Daran hatte sich dann auch in späterer Zeit nichts mehr geändert, da alle nachfolgenden Wachinstruktionen und Garnisonsdienstvorschriften identische Regelungen enthielten (vgl. etwa Nr. 119 der Garnisonsdienstvorschrift vom 15.03.1902, dazu Romen/Rissom, § 180 MStGO, Anm. 4b), S. 364 f.). Obgleich diese dem Innenrecht zugehörigen Regelwerke naturgemäß nicht dazu geeignet waren, das Gesetz zu verändern, waren sie - wie Romen/Rissom, § 180 MStGO, Anm. 5 a), S. 365, zutreffend ausführten - im Innenverhältnis dennoch zwingend zu beachten. Daher waren auch die Feldgendarmen verpflichtet, bei jeder Festnahme eines Offiziers neben den gesetzlichen Rechtsgrundlagen zusätzlich die Regelungen der für sie verbindlichen Dienstvorschriften zu beachten. Zwar war für die Beurteilung der Frage, ob eine Festnahme rechtmäßig war oder nicht, ausschließlich das Gesetz und nicht etwa eine Dienstvorschrift bedeutsam (so schon RMGE 18, 4, 6 unter zutreffender Bezugnahme auf RGSt 29, 180, 183). Auch standen die Bestimmungen des § 180 m RMStGO - wie gesehen - nach allgemeiner Ansicht der Rechtsgültigkeit der auf die §§ 180 I, 176 RMStGO gestützten Festnahme eines Offiziers auch dann nicht entgegen, wenn dieser sich lediglich eines Vergehens schuldig gemacht hatte. Rein faktisch aber waren die militärischen Wachen und damit auch die Feldgendarmen durch die Wachvorschriften im Falle des § 180 I RMStGO dennoch ebenso wie bei § 180 II RMStGO daran gehindert, Offiziere in Uniform vorläufig festzunehmen, wenn diese nicht den Tatbestand eines Verbrechens erfüllt hatten.

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Festnahmerecht der §§ 180 I; 176 RMStGO sogar noch erweitert. Dieser Rechtszustand blieb bis zum Ende des ersten Weltkrieges unverändert, da weitere Neuerungen der den Feldgendarmen eingeräumten Rechtsstellung bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auftraten.

m . Die Feldgendarmerie im ersten Weltkrieg Wie schon anläßlich der bewaffneten Auseinandersetzungen mit Österreich und Frankreich wurde die Feldgendarmerietruppe auch zu Beginn des ersten Weltkrieges wieder planmäßig mobil gemacht. In seltener Einmütigkeit führt die einschlägige wehrgeschichtliche Literatur insoweit aus, es seien im August 1914 insgesamt 33 Feldgendarmerieeinheiten aufgestellt worden. 379 Daran ist richtig, daß die bei Kriegsausbruch vorhandenen 25 Armeekorps ebenso wie die Etappeninspektionen der acht Armeen, zu denen die Korps verbunden wurden, 380 über jeweils einen Feldgendarmerietrupp verfügen konnten. Hinzugerechnet werden müssen jedoch noch die allerdings erheblich kleineren Feldgendarmeriekommandos im großen Hauptquartier und in den acht Armeeoberkommandos, so daß letztlich zu Beginn des Krieges sogar 42 Feldgendarmerieformationen existierten. Im Verlauf der Kämpfe kam es dann jedoch aufgrund der Bildung zahlreicher neuer Armeekorps und infolge umfangreicher Umgliederungsmaßnahmen innerhalb des deutschen Heeres zu einer geradezu sprunghaften Ausweitung des Militärpolizeiapparates, 381 die dazu führte, daß zur Zeit des Waffenstillstandes im November 1918 insgesamt 115 Feldgendarmerieeinheiten vorhanden waren. 382 Angesichts dieser Entwicklung liegt es auf der Hand, daß die Landgendarmerie, die schon im Jahre 1914 ihren durch § 1 Feldg. O. begründeten Gestellungspflichten nicht in vollem Umfang hatte nachkommen können, 383 schon bald nicht mehr in der Lage war, den an sie 379 Böckle, S. 124; ders., Truppenpraxis 1973, S. 36; Graf von Matuschka, S. 269; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 412; Williamson, S. 4; Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 197. 380 Ygi ¿je Gliederungsübersicht des deutschen Feldheeres im August 1914 bei Graf von Matuschka, S. 158. 381 So wurde beispielsweise im Jahre 1915 damit begonnen, zur Beseitigung aufgetretener Führungsschwierigkeiten mehrere Armeen zu Heeresgruppen unter einheitlichem Kommando zusammenzufassen, um zwischen oberster Heeresleitung und den Oberkommandos der Armeen eine zusätzliche operative Befehlsstelle einzurichten (Cron, S. 63). Die Stäbe dieser Heeresgruppen sollten nun aber ebenso wie die Hauptquartiere der ihnen unterstellten Truppenverbände über eigene Feldgendarmeriekommandos verfügen, deren konkrete Stärke in jedem einzelnen Fall besonders festgelegt wurde. Auch durch diese Maßnahme stieg also die Zahl der Feldgendarmerieformationen weiter an (vgl. Cron, S. 62). 382 Böckle, S. 127; ders., Truppenpraxis 1973, S. 36; Graf von Matuschka, S. 269; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 412; Williamson, S. 4; Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 197.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

gestellten Anforderungen im Zusammenhang mit der Deckung des stetig ansteigenden Personalbedarfs der Feldgendarmerie gerecht zu werden. Obschon im Laufe des Krieges insgesamt etwa jeder achte Angehörige der preußischen Landgendarmerie an die Feldgendarmerie abgegeben wurde, 384 mußten daher auch noch andere Maßnahmen ergriffen werden, um die erforderlichen Kräfte aufbringen zu können. So ging man beispielsweise dazu über, bei den neugegründeten Feldgendarmerieeinheiten die Planstelle des Kommandeurs abweichend von den Regelungen der Feldgendarmerieordnung, die insoweit einen Offizier vorsahen, mit einem Oberwachtmeister zu besetzen.385 Überdies sah man entgegen zwischenzeitlich angestellter Überlegungen davon ab, auch die Divisionen mit eigenen Feldgendarmerieformationen zu versehen. 386 Schließlich mußten dann neben den Landgendarmen unter Zurückstellung aller früheren Bedenken auch noch die der zivilen Polizeiverwaltung angehörenden Schutzmannswachtmeister und Schutzmänner als Feldgendarmerie-Wachtmeister und Obergendarmen eingezogen werden. 387 Gleichwohl war eine gewisse Unterbesetzung der Feldgendarmerietrupps offenkundig nicht zu vermeiden, denn obschon im Jahre 1916 insgesamt 48 Oberwachtmeister und 604 Gendarmen der Landgendarmerie sowie weitere 8 Wachtmeister und 138 Schutzmänner der königlich-preußischen Polizei Verwaltung in der Feldgendarmerie verwendet wurden, 388 wies der Feldgendarmerietrupp eines Armeekorps anstelle der in der Feldgendarmerieordnung seit Juni 1915 vorgeschriebenen 16 Obergendarmen, 389 24 Unteroffiziere und 20 Gefrei383

Siehe dazu ausführlich oben Fn. 333. Blankenstein, S. 62 und S. 133. 385 Blankenstein, S. 133; Böckle, S. 124. 386 Yg] d a s Schreiben des Kriegsministeriums an den Chef der Landgendarmerie vom 20.01.1917 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 216 d.A.), in dem es wörtlich heißt: ,Jm Einvernehmen mit dem Chef des Generalstabes des Feldheeres wird die Etatisierung von Feldgendarmerietrupps bei den selbständigen und nicht selbständigen Divisionen nicht für erforderlich gehalten. Die Aufgaben der Trupps müssen von der Divisions-Kavallerie mitwahrgenommen werden." 387 Vgl. die ,»Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung" vom 31.01.1916 [GStA PK, a.a.O. (oben Fn. 357)], S. 7. Damit war aber eine Maßnahme ergriffen worden, die der preußische Kriegsminister von Roon bereits im Jahre 1866 vorgeschlagen hatte. Erst die während des ersten Weltkrieges auftretende Personalnot hatte also dafür sorgen können, daß das Innenministerium seine erstmals schon im Schreiben vom 06.05.1866 geäußerten Bedenken gegen die Verwendung von Schutzmännern in der Feldgendarmerie [s. o. unter A. I.] fallen ließ (so auch Blankenstein, S. 133, und Böckle, S. 124, der sich damit jedoch in Widerspruch zu seiner eigenen Darstellung auf S. 61 f. setzt, derzufolge angeblich bereits in den Kriegen gegen Österreich und Frankreich preußische Schutzmänner als Feldgendarmen gedient haben sollen). 388 Blankenstein, S. 133, im Anschluß an die „Darstellung der Entwicklung der Feldgendarmerie und ihrer Besoldung" vom 31.01.1916, S. 7. 389 Schon diese Änderung der Feldgendarmerieordnung stellte bekanntlich eine Reduzierung der die Landgendarmerie treffenden Gestellungspflichten dar, denn die ur384

F. Die weitere Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik

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ten tatsächlich nur jeweils zwölf auf. 3 9 0 Indessen hatte keineswegs nur die Feldgendarmerie unter einem spürbaren Personalmangel zu leiden. Vielmehr machte sich auch bei der Landgendarmerie das Fehlen der abkommandierten Kräfte nachteilig bemerkbar. Zwar hatte man sich zu Beginn des Jahres 1916 dafür entschieden, den bei Kriegsausbruch eingenommenen Standpunkt aufzugeben und nunmehr doch - wie von der Feldgendarmerieordnung ohnehin vorgesehen - Stellvertreter für die zur Feldgendarmerie abgegebenen Landgendarmen anzufordern, doch zeigte sich schon bald, daß die Ersatzgendarmen ihrem Pflichtenkreis nur unzureichend gewachsen waren. Das war vor allem darauf zurückzuführen, daß es infolge der kriegsbedingten Mangelwirtschaft, der durch die englische Seeblockade hervorgerufenen Lebensmittelknappheit und der kriegswirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen der Behörden mit zunehmender Kriegsdauer immer häufiger zu Unruhen unter der Zivilbevölkerung kam, die von den Vertretern der zur Feldgendarmerie einberufenen Gendarmen schon aufgrund ihrer nur lückenhaften Kenntnisse von Land und Leuten und ihrer psychologischen Unerfahrenheit im Umgang mit den Landbewohnern nicht wirksam unterdrückt werden konnten. 391 Aus diesem Grunde begannen dann die verantwortlichen Stellen im Innenministerium gegen Ende des Jahres 1916 damit, im Einvernehmen mit dem Kriegsministerium die seit Kriegsbeginn an die Feldgendarmerie abgegebenen Landgendarmen nach und nach wieder zurückzubeordern. 392 Die auf diese Weise frei werdenden Stellen in der Feldgendarmerietruppe wurden unter vollständiger Abweichung von den Vorschriften der Feldsprüngliche Fassung des § 1 Feldg. O. hatte ja sogar 20 Landgendarmen pro Armeekorps vorgesehen (s. o. Fn. 333). 390 Vgl. die „Stärkenachweisung für ein Generalkommando" vom 01.12.1916, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 208 d.A. Noch angespannter stellte sich einer weiteren Stärkenachweisung vom 01.12.1916 zufolge die Personallage bei den den Generalkommandos z. b. V. zugewiesenen Feldgendarmerietrupps dar, denn diese konnten jeweils lediglich über einen Wachtmeister, fünf Obergendarmen, fünf Unteroffiziere, fünf Gefreite und einen Trainsoldaten verfügen (vgl. GStA PK, a.a.O., Bl. 214 d.A.). 391 Blankenstein, S. 65 und S. 133; Böckle, S. 124 und S. 126. 392 Schon im Dezember 1915 hatte der Chef der Landgendarmerie beim Kriegsministerium angefragt, inwieweit eine Rückbeorderung seiner Gendarmen möglich sei, da er erfahren hatte, daß einzelne Angehörige der Feldgendarmerie der Gendarmerietruppe der Zivilverwaltung bei den Etappen-Inspektionen im Bereich des Oberbefehlshabers Ost zugewiesen worden waren. Zu dieser Zeit war das Kriegsministerium indessen noch nicht bereit, zukünftig auf die Landgendarmen zu verzichten. Vielmehr teilte es dem Chef der Landgendarmerie in seinem Antwortschreiben vom 15.12.1915 mit, daß es sich bei denjenigen Feldgendarmen, die zu den Institutionen der Zivilverwaltungen in den besetzten Ostgebieten kommandiert worden waren, keineswegs um „Personen handelt, die für militärische Zwecke entbehrlich waren." Solche Kommandierungen seien nämlich nur „mit Rücksicht auf den gegenwärtig bestehenden Mangel an Personal bei der preußischen Landgendarmerie [erfolgt], um Anforderungen von neuem Personal, die vielleicht von Eurer Exzellenz gar nicht mehr hätten befriedigt werden können, zu vermeiden" (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 299b Nr. 176 Beiheft 4, ohne Blattangabe). 28 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

gendarmerieordnung durch geeignete Kavallerieunteroffiziere ersetzt, die erforderlichenfalls auch „durch Heranziehung von den ersatzpflichtigen stellvertretenden Generalkommandos" ausgewählt werden durften. 393 Das hatte dann jedoch zur Folge, daß sich die Feldgendarmerie fast nur noch aus militärischerseits gestelltem Personal zusammensetzte, nachdem die Zurückziehung nahezu aller Landgendarmen im Sommer 1917 abgeschlossen worden war. 3 9 4 Darüber hinaus kam es aber auch noch zu weiteren Abweichungen vom Inhalt der Feldgendarmerieordnung, die von deren Verfassern aufgrund des unkalkulierbaren Verlaufs der Kriegsereignisse nicht hatten vorhergesehen werden können. So wurde etwa auf dem östlichen Kriegsschauplatz bereits am 01.11. 1914 ein in der Mobilmachungsplanung nicht vorgesehener „Oberbefehlshaber Ost" ernannt, der - von einigen kürzeren Unterbrechungen abgesehen - bis Kriegsende für die militärische Operationsführung aller Kampfverbände an der gesamten Ostfront zuständig war. 3 9 5 Gleichzeitig sollte der Oberbefehlshaber Ost aber auch die einheitliche Führung sämtlicher Etappen-Inspektionen der ihm unterstellten Armeen gewährleisten, so daß er zusätzlich zu seinen operativen Aufgaben noch für die zivile Verwaltung der besetzten russisch-polnischen Gebiete von Bialystok im Süden bis zum Meer im Norden verantwortlich war. 3 9 6 Aus diesem Grunde gehörte seinem Stab eine eigene Oberquartiermeisterabteilung an, in der sich wiederum ein sogenannter „Verwaltungschef 4 befand, der nach den allgemeinen, vom Chef des Generalstabes des Oberbe393

Vgl. das Schreiben des Kriegsministeriums an den Chef des Generalstabes des Heeres vom 09.05.1917 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band H, Bl. 240 d.A.), in dem es fernerhin ergänzend heißt: „Mit nennenswerten Schwierigkeiten ist kaum zu rechnen, da bereits in erheblichem Umfange Unteroffiziere anstelle von Berufsgendarmen in den Feldgendarmerie-Formationen befriedigend verwendet werden". 394 Zutreffend Blankenstein, S. 65 und S. 133; Böckle, S. 126. Ob allerdings die von der Armee gestellten Feldgendarmen tatsächlich allesamt der Kavallerie entnommen wurden, hat sich anhand des zur Verfügung stehenden Primärquellenmaterials nicht abschließend aufklären lassen. Zweifel daran könnten aber mit Blick auf einen im Kriegsministerium schon im Jahre 1912 erarbeiteten Vorschlag zur Änderung der Feldgendarmerieordnung aufkommen, denn darin wurde angeregt, „daß auch geeignete Unteroffiziere und Mannschaften des Beurlaubtenstandes (einschließlich Landwehr) als Feldgendarmen verwendet werden können, selbst wenn sie nicht besonders als solche ausgebildet sind" (Schreiben des Kriegsministeriums an den Chef der Landgendarmerie vom 10.06.1912, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 80 d.A.). Zwar ist diese Anregung niemals verwirklicht worden, obwohl sie auch in den nachfolgenden Änderungsvorschlägen des Chefs der Landgendarmerie vom 30.01. 1914 (GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 106 ff. d.A.) nochmals aufgegriffen (ebda., Bl. 106 f. d.A.) und durch die Ergänzung der entsprechenden Gestellungsregelungen (ebda., Bl. 109 d.A.) sogar noch weiter ausgearbeitet wurde, doch ist es durchaus vorstellbar, daß das Kriegsministerium im Jahre 1917 zur Lösung der in der Feldgendarmerie aufgetretenen Personalprobleme darauf zurückgegriffen hat. Indessen muß diese Frage letztlich offengelassen werden, da auch dem Schrifttum keine diesbezüglichen Informationen zu entnehmen sind. 395 Cron, S. 59; Graf von Matuschka, S. 223. 396

Cron, S. 282; Graf von Matuschka, S. 279.

F. Die weitere Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik

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fehlshabers Ost genehmigten Richtlinien des Oberquartiermeisters die Landesverwaltung ausübte.397 Da somit neben anderen Obliegenheiten vor allem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Etappengebiet zum Zuständigkeitsbereich des Chefs der Zivilverwaltung zählte, mußten ihm auch Polizeimannschaften zugewiesen werden, damit er eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sicherstellen konnte. Das dafür erforderliche Personal konnte indessen keinesfalls den Landgendarmerieorganisationen der deutschen Gliedstaaten entnommen werden, da deren Kräfte bereits durch die Erfüllung der gegenüber der Feldgendarmerie bestehenden Gestellungspflichten erschöpft waren. Daher entschloß man sich stattdessen, zum 19.01.1916 eine „Gendarmerie-Inspektion" aufzubauen, deren Personal sich überwiegend aus Mannschaften und Unteroffizieren der dem Oberbefehlshaber Ost unterstellten Truppenteile zusammensetzen sollte. 398 Da es diesen als „Korpsgendarmen" bezeichneten Soldaten jedoch an jeglicher Erfahrung mit polizeilichen Tätigkeiten fehlte, wurden sie durch zahlreiche Feldgendarmen unterstützt, die zu diesem Zweck eigens zur Gendarmerie-Inspektion der Etappenverwaltung im Bereich des Oberbefehlshabers Ost abkommandiert wurden. 399 In ähnlicher Weise wie der Stab des Oberbefehlshabers Ost wies überdies auch das Generalgouvernement Warschau, das bereits am 24.08.1915 aus den im Zuge der Offensive des Jahres 1915 eroberten polnischen Gebieten zwischen dem Zuständigkeitsbereich der dem Oberbefehlshaber Ost unterstehenden Etappen-Inspektionen und den Grenzen des Deutschen Reiches gebildet worden war, 4 0 0 eine Doppelfunktion auf, da es nicht nur für die militärische Absicherung der besetzten Landesteile, sondern ebenso für deren zivile Verwaltung zu sorgen hatte. 401 Konsequenterweise war dann auch dem Generalgouverneur neben einem militärischen Stab 4 0 2 zusätzlich ein „Chef der Zivilverwaltung" nebst 397

Cron, S. 59; Graf von Matuschka, S. 279. Graf von Matuschka, S. 269; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 412. 399 Vgl. dazu das schon in Fn. 392 zitierte Schreiben des Kriegsministeriums an den Chef der Landgendarmerie vom 15.12.1915. 400 Graf von Matuschka, S. 278; im einzelnen umfaßte das Generalgouvernement neben der Hauptstadt Warschau die entlang der schlesischen Grenze und nördlich der Pilica gelegenen polnischen Kreise Czenstochau, Grodzisk, Kaiisch, Lodz, Lomza, Lukow, Mlawa, Plock, Siedice und Wloclawek (Cron, S. 281). 401 Cron, S. 280; Graf von Matuschka, S. 278. 402 Dieser militärische Stab entsprach in seiner Zusammensetzung im allgemeinen dem eines Armee-Oberkommandos (Cron, S. 281; Graf von Matuschka, S. 278) und konnte daher in der Regel über ein kleines Feldgendaimeriekommando verfügen, das in der Feldgendarmerieordnung ebenfalls nicht vorgesehen war. Auch die Einrichtung der verschiedenen Generalgouvernements erhöhte demnach zwar im Laufe des Krieges die Zahl der existierenden Feldgendarmerieeinheiten, doch hielt sich die dadurch verursachte Zusatzbelastung für die gestellungspflichtigen Landgendarmerieorganisationen schon deshalb durchaus in Grenzen, weil es neben dem Generalgouvernement Warschau lediglich zwei weitere Institutionen dieser Art in Belgien und Rumänien gegeben hat (vgl. Graf von Matuschka, S. 278 f.). 398

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Unterbau unterstellt, dem wiederum zum Zwecke der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine noch durch den Oberbefehlshaber Ost am 01.03.1915 in Warschau zusammengezogene Gendarmerie-Brigade übergeben wurde. 403 Ebenso wie die Gendarmerie-Inspektion des Oberbefehlshabers Ost bestand auch diese Gendarmerie-Brigade aus einer Mischung von militärischerseits gestellten „Korpsgendarmen" und hinzubefohlenen Angehörigen der Feldgendarmerie. Deren Versetzung zu den Zivilverwaltungen im Bereich des Generalgouvernements und der Etappen-Inspektionen des Oberbefehlshabers Ost führten nun bemerkenswerterweise zunächst einmal dazu, daß sie ihren Status als Feldgendarmen verloren, weil sowohl die Gendarmerie-Brigade als auch die Gendarmerie-Inspektion als immobile Truppenteile einzustufen waren. Andererseits sollten die abgegebenen Feldgendarmerieangehörigen aber bis zur Beendigung ihres Kommandos bei den genannten Zivilverwaltungen in organisatorischer Hinsicht auch nicht wieder in die Landgendarmerieorganisationen ihrer Herkunftsstaaten eingegliedert werden. 404 Sie blieben daher im Zuständigkeitsbereich des Kriegsministeriums und unterschieden sich mithin von den eigentlichen Feldgendarmen lediglich „insofern, als die Feldgendarmerie nach § 15 Feldg. O. hauptsächlich die Heerespolizei im Rücken des fechtenden Heeres und auf den Etappenstraßen ausübt, während die Gendarmerietrupps der Zivilverwaltung außer zu den gleichen Aufgaben im weiter rückwärts liegenden Etappengebiet noch zur Landesverwaltung usw. bestimmt" waren. 405 Gleichwohl wurden die von der Feldgendarmerie zu der Gendarmerie bei den Zivilverwaltungen übergetretenen Offiziere und Mannschaften nicht mehr als Feldgendarmen bezeichnet, sondern führten als Ausdruck ihrer durch diese Kommandierung eingetretenen Immobilität nur noch den Titel „Gendarmen". Daran änderte sich erst dann wieder etwas, als durch den kriegsministeriellen Erlaß Nr. 10810/17. A 1. vom 13.04.1917406 „im Einvernehmen mit dem Herrn Reichskanzler (Reichsamt des Innern) und dem Herrn Minister des Innern [...] unter Aufhebung aller entgegenstehenden Vereinbarungen die Gendarmerie der Zivilverwaltung des General-Gouvernements Warschau [...] und die Gendarmerie der Etappenverwaltung im Bereich des Oberbefehlshabers Ost [...] in je eine Feldgendarmerietruppe" umgewandelt wurde. Damit hatten indessen nicht nur die ursprünglich der Feldgendarmerie entstammenden Offiziere und Mannschaften ihren Status als Feldgendarmen zurückerhalten. Vielmehr waren auf diese 403

Graf von Matuschka, S. 269; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 412. Vgl. das Schreiben des Chefs der Landgendarmerie an das Kriegsministerium vom 23.12.1915, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 299b Nr. 176 Beiheft 4, ohne Blattangabe. 405 So wörtlich die Antwort des Kriegsministeriums auf eine Anfrage des Chefs der Landgendarmerie vom 03.01.1916, GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 299b Nr. 176 Beiheft 4, ohne Blattangabe. 406 GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, ohne Blattangabe. 404

F. Die weitere Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik

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Weise gleichzeitig auch alle Korpsgendarmen zu Feldgendarmen gemacht worden. Dadurch waren erstmals größere Feldgendarmerieverbände entstanden,407 die sogar über eigene Ersatztruppenteile verfügen konnten. 408 Obwohl schon diese Maßnahmen mit der Feldgendarmerieordnung nicht zu vereinbaren waren, entstand im letzten Kriegsjahr auch im Westen noch eine Feldgendarmerieformation, die von keiner der einschlägigen Dienstvorschriften vorgesehen worden war. Da nämlich in der zweiten Hälfte des Jahres 1918 bedingt durch die lange Kriegsdauer, die überdimensionale Ausdehnung der Fron407

Den in der Anlage zum zitierten kriegsministeriellen Erlaß vom 13.04.1917 enthaltenen Stärkenachweisungen zufolge waren die neuen Feldgendarmerieverbände im einzelnen wie folgt gegliedert: Die Feldgendarmeriebrigade im Generalgouvernement Warschau wurde von einem Stab geführt, der neben dem Brigadier im Range eines Regimentskommandeurs aus einem Feldgendarmeriewachtmeister als Bürovorstand, drei Schreibern, einer Ordonnanz und zwei Trainsoldaten bestand. Diesem BrigadeHauptquartier unterstanden insgesamt fünf Abteilungsstäbe, die von einem Stabsoffizier, zumindest aber einem Hauptmann geführt wurden, dem je zwei Schreiber und zwei Trainsoldaten zugeteilt waren. Die Feldgendarmerieabteilungen der Brigade waren wiederum in insgesamt 38 Beritte aufgeteilt, in denen je ein Feldgendarmeriewachtmeister, ein bis drei Obergendarmen und eine unterschiedlich große Anzahl von Korpsgendarmen ihren Dienst versahen. Daraus ergab sich dann eine Summe von 1.010 Korpsgendarmen, 26 Stabsdienstsoldaten, 48 Obergendarmen, 39 Feldgendarmeriewachtmeistern und sechs Offizieren. Demgegenüber setzte sich der Stab der Feldgendarmerie-Inspektion des Oberbefehlshabers Ost aus dem Inspekteur im Range eines Regimentskommandeurs, einem Hauptmann oder Leutnant als dessen Adjutant sowie einem Feldgendarmeriewachtmeister, einem Obergendarmen, drei unberittenen Korpsgendarmen und drei Ordonnanzen zusammen. Dem so gegliederten Inspektionsstab unterstanden vier Feldgendarmerieabteilungen, die in Kurland, in Litauen, in Wilna/Suwalki und in Bialystok/Grodno eingesetzt wurden. Während nun die Gendarmerieabteilungen für Kurland und Bialystok/Grodno von Stäben geführt wurden, die jeweils aus einem Abteilungskommandeur im Range eines Stabsoffiziers oder Hauptmanns, einem Feldgendarmeriewachtmeister, zwei unberittenen Korpsgendarmen, einem Kraftwagenführer, einem Trainsoldaten und einer Ordonnanz bestanden, waren die übrigen beiden Hauptquartiere von unterschiedlicher Größe. So befanden sich im Stab der Feldgendarmerieabteilung für Litauen zwei Offiziere, zwei Feldgendarmeriewachtmeister, vier Korpsgendarmen und fünf Stabsdienstsoldaten, während es im Abteilungsstab in Wilna zwei Offiziere, ein Wachtmeister, zwei Korpsgendarmen und fünf Stabsdienstsoldaten waren. Diese Abteilungsstäbe waren nun für die Gendarmerieeinheiten in insgesamt 58 verschiedenen Landkreisen zuständig und trugen daher alles in allem die Verantwortung für weitere 58 Obergendarmen und 1.905 überwiegend berittene Korpsgendarmen. Damit errechnet sich für die Gendarmerie-Inspektion beim Oberbefehlshaber Ost letztlich eine Gesamtstärke von acht Offizieren, sechs Feldgendarmeriewachtmeistern, 59 Obergendarmen, 1918 Korpsgendarmen und 19 Stabsdienstsoldaten. 408 Ygi dazu Ziffer 7) des kriegsministeriellen Erlasses vom 13.04.1917, in der es wörtlich heißt: „Um Bestimmung je eines Ersatztruppenteiles werden ersucht: Das stellvertretende Generalkommando V. Armeekorps für die Feldgendarmerietruppe des General-Gouvernements Warschau, das stellvertretende Generalkommando I. Armeekorps für die Feldgendarmerietruppe der Etappenverwaltung Ober Ost. [...]. Sofern die stellvertretenden Generalkommandos V. bzw. I. Armeekorps den laufenden Ersatz an Korpsgendarmen nicht stellen können, sind Aushilfen bei den übrigen stellvertretenden Generalkommandos zu beantragen."

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

ten und vor allem auch die Kenntnis von den Schwierigkeiten in der Heimat bei zahllosen Truppenteilen insbesondere in der Etappe Disziplinlosigkeiten auftraten, die bis hin zu Auflösungs- und Revolutionserscheinungen reichten, befahl das Kriegsministerium unter dem 04.10.1918, ein aus fünf Kavallerie-Eskadrons bestehendes „Feldgendarmeriekorps zur besonderen Verwendung" zu bilden, um die militärische Ordnung wiederherzustellen. 409 Viel Zeit blieb diesem noch am 05.11.1918 in „Gendarmerieregiment 9" umbenannten410 Feldgendarmerieverband indessen nicht mehr, um die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen, denn schon am 11.11.1918 endeten die kriegerischen Auseinandersetzungen des ersten Weltkrieges aufgrund des zwischen Deutschland und den Westalliierten geschlossenen Waffenstillstandes von Compifcgne. Damit endete aber zugleich auch die Formationsgeschichte der Feldgendarmerie des Kaiserreiches, da die wenigen seit Sommer 1917 noch in der Truppe verbliebenen Landgendarmen im Zuge der nachfolgenden Demobilmachung ebenso wie die übrigen Feldgendarmen auch aus der Armee entlassen wurden. Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges ist die Feldgendarmerie dann nicht mehr mobil gemacht worden. I V . Die Zeit der Republik von Weimar Die sich nunmehr anschließende Zeit der Republik von Weimar war auf militärpolizeilichem Gebiet einer geläufigen Formulierung im wehrgeschichtlichen Schrifttum zufolge in erster Linie dadurch gekennzeichnet, daß die Reichswehr „keine organisch eingegliederte militärische Ordnungstruppe" aufzuweisen hatte. 411 Daran ist zwar richtig, daß die Feldgendarmen tatsächlich erstmals wieder im September 1939 dauerhaft einberufen wurden. Das war indessen keineswegs eine formationsgeschichtliche Besonderheit, denn da die Feldgendarmerie von Anfang an als eine nur im Mobilmachungsfall aufzustellende Truppengattung konzipiert worden war, hatte es auch früher bereits längere Perioden gegeben, in denen es den preußisch-deutschen Streitkräften an einer aktiven militärpolizeilichen Formation gänzlich gefehlt hatte. Soweit also die von der Literatur gewählte Beschreibung der ordnungsdienstlichen Verhältnisse in der Reichswehr den Anschein erweckt, als sei die Feldgendarmerie mit dem Ende des Kaiserreiches abgeschafft worden, so muß dem nachdrücklich widersprochen werden. Tatsächlich war nämlich auch in der Weimarer Republik nach 409

So übereinstimmend: Böckle, S. 127; Graf von Matuschka, S. 269; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 412; Williamson , S. 4; Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie," S. 197. 410 Böckle, S. 127; ders., Truppenpraxis 1973, S. 36; Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie", S. 197. 411 Böckle, S. 158; ders., Truppenpraxis 1973, S. 37; Boßbrügge, S. 453; Meyer, Deutsches Soldatenjahrbuch 35, S. 413; Williamson , S. 4; vgl. auch den Aktenvermerk „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht", BA-MA BW 9/1578, Bl. 133 d. A.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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wie vor geplant, im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung Feldgendarmen einzuberufen. So heißt es etwa schon in einem Schreiben des Innenministeriums an das Kriegsministerium vom 16.03.1919 wörtlich: „Die Umgestaltung der Dienstvorschrift für die Landgendarmerie soll bezüglich deren Verwendung als Feldgendarmerie für den Kriegsfall nichts ändern. Um darüber jeden Zweifel auszuräumen, wird der neuen Fassung der Ziffer 1 der Dienstvorschrift als Absatz 3 hinzugefügt: ,Ein Teil der Landgendarmerie findet im Kriege als Feldgendarmerie Verwendung 4."412 Dementsprechend war auch die Feldgendarmerieordnung trotz der Umwandlung der kaiserlichen Armee in das 100.000-Mann-Heer der Weimarer Republik unverändert in Kraft geblieben und stellte daher immer noch die Grundlage der Planungen für die Wahrnehmung militärpolizeilicher Aufgaben im Krieg dar. Erst unter dem 22.07.1938 wurde sie durch eine neue „Feldgendarmerievorschrift" 413 abgelöst und in einer entsprechenden Bekanntmachung des Oberkommandos des Heeres für ungültig erklärt. 414 Zu dieser Zeit war die Weimarer Republik indessen schon längst in das Dritte Reich übergegangen. Damit steht aber fest, daß die tiefgreifenden Veränderungen, denen die deutschen Streitkräfte nach dem Ende des ersten Weltkrieges ausgesetzt waren, keineswegs zu einem Kontinuitätsbruch in der Formationsgeschichte der Feldgendarmerietruppe geführt hatten. Zwar konnte die Reichswehr der Weimarer Republik tatsächlich zu keiner Zeit über eine aktive militärische Ordnungstruppe verfügen, doch war dies nicht darauf zurückzuführen, daß die Feldgendarmerie etwa abgeschafft worden wäre. Vielmehr war deren Mobilmachung im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung nach wie vor auf der Grundlage der alten Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 geplant. Änderungen traten insoweit erst wieder in der Zeit des Dritten Reiches auf.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich Obgleich die ehemals nur 100.000 Heeressoldaten umfassende Reichswehr im Zuge der nationalsozialistischen Wiederaufrüstungspolitik in enormen Ausmaß vergrößert wurde, fehlte es auch ihr in Friedenszeiten an einer für den militärischen Ordnungsdienst zuständigen Truppengattung. Auch die Wehrmacht hielt mithin an dem althergebrachten Grundsatz fest, daß es im Frieden völlig ausreichte, wenn die Truppe alle ordnungs- und sicherheitspolizeilichen Aufgaben in erster Linie selbst übernahm und im Falle des Fehlens eigener Möglichkeiten auf die allgemeine Polizei zurückgriff. 415

412 413 414

GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 299b Nr. 176 Beiheft 1, ohne Blattangabe. H.Dv. 275; M.Dv. Nr. 253; L.Dv. 2801. A.H.M. 1938, S. 224, Nr. 601.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Dementsprechend sah sich das Kriegsministerium zunächst auch nicht veranlaßt, sich mit der Feldgendarmerie näher zu befassen. Lediglich in den Kriegsstärkenachweisungen und Mobilmachungsplänen für des Heer konnte nicht darauf verzichtet werden, zumindest diejenigen Regelungen zu treffen, die für die im Fall einer bewaffneten Auseinandersetzung unverändert beabsichtigte Aufstellung der Feldgendarmerie als unerläßlich galten. Im übrigen beließ man es jedoch erstaunlich lange Zeit bei den Vorschriften der Feldgendarmerieordnung des Jahres 1890. Erst das im Februar 1938 neugeschaffene OKW erarbeitete vermutlich unter dem Eindruck der rapide angestiegenen Kriegsgefahr - eine neue Dienstvorschrift, die an die Stelle der alten Instruktion trat und die Bestimmungen über die Organisation der Feldgendarmerie und ihren Einsatz den veränderten Verhältnissen anzupassen suchte. Indessen mußte diese „Feldgendarmerievorschrift" vom 22.07.1938, die im Heer als H.Dv. 275 bezeichnet wurde, 416 schon nach der Auswertung der ersten Kriegserfahrungen grundlegend überarbeitet werden. Sie wurde demgemäß bereits am 29.07.1940 durch eine weitaus umfangreichere Neufassung ersetzt, die jedoch bis Kriegsende ebenfalls zahlreichen Änderungen ausgesetzt war. Es erscheint daher nur mäßig sinnvoll, den jeweiligen Regelungsgehalt der beiden neuen Dienstvorschriften unabhängig voneinander in seiner vollen Bandbreite zu betrachten. Einen besseren Überblick über die Formationsgeschichte der Feldgendarmerie im Dritten Reich gewinnt man vielmehr dann, wenn man die Vorschriften der H.Dv. 275 in verschiedene Sachgruppen einteilt und anschließend deren Entwicklung bis zum Ende des zweiten Weltkrieges einzeln verfolgt. Aus diesem Grunde ist die nachfolgende Darstellung nicht etwa rein chronologisch aufgebaut, sondern erörtert stattdessen jeweils separat, welchen Veränderungen die Organisation, das Aufgabenspektrum und der Befugnisrahmen der Feldgendarmerietruppe sowie die Planungen für ihren Einsatz im Rahmen von Manövern unterworfen waren. I . Die Organisation der Feldgendarmerietruppe Beginnt man insoweit mit der in Aussicht genommenen Organisation der Truppe, so stellt man sehr schnell fest, daß erheblich mehr Feldgendarmerieeinheiten aufgestellt werden sollten, als selbst gegen Ende des ersten Weltkrieges existierten. Gemäß Ziffer 1 der H.Dv. 275 war nämlich erstmals geplant, alle Kommandobehörden des Feldheeres einschließlich der Feld- und Ortskommandanturen „kriegsgliederungsmäßig" mit Feldgendarmerieverbänden unterschiedlicher Größenordnung auszustatten.417 Im Gegensatz zu früheren Mobilmachungen erhielten zu Beginn des zweiten Weltkrieges also auch die Divisionen ei415 Vgl. die Vorbemerkung des Aktenvermerks „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht", BA-MA BW 9/1578, Bl. 133 d.A. 416 Demgegenüber führte sie in der Luftwaffe die Bezeichnung L.Dv. 2801 und hieß in der Marine M.Dv. Nr. 253; vgl. auch Anlage 4.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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gene Feldgendarmerietrupps. Dies war grundsätzlich die unterste Ebene, auf der eine Kommandobehörde über eigene Feldgendarmeriekräfte verfügen konnte, doch war es nach Ziffer 2 der H.Dv. 275 (1938) durchaus möglich, „Feldgendarmerieeinheiten oder Teile von ihnen [...] zur Durchführung bestimmter Aufgaben" vorübergehend auch noch anderen Dienststellen zuzuweisen. Anders als die früheren Dienstvorschriften für die Feldgendarmerie verzichtete die H.Dv. 275 sodann jedoch sowohl 1938 als auch im Jahre 1940 darauf, Stärke und Gliederung der verschiedenen Verbände und Einheiten selbst zu bestimmen, und verwies stattdessen in ihrer Ziffer 3 auf die Kriegsstärkenachweisungen und Mobilmachungspläne für das Heer. 418 Darin waren dann auch die Einzelheiten der Mobilmachung der Feldgendarmerieverbände geregelt worden. So hieß es etwa in Ziffer 218 des „Mobilmachungsplans für das Heer" vom 12.03.1937,419 die Aufstellung der Feldgendarmerieeinheiten habe „durch die Wehrersatzdienststellen [...] im engsten Einvernehmen mit den Inspekteuren der Ordnungspolizei zu erfolgen". 420 Wie auch schon im Zuge aller früheren 417

Eine Übersicht über die im zweiten Weltkrieg vorhandenen Feldgendarmerieformationen ist in Anlage 5 enthalten. 418 Vgl. zur Frage der Gliederung der diversen Feldgendarmerieformationen Anlagen 5 a bis 5 d. 4,9 BA-MA RHD 5/151. 420 Das steht in klarem Widerspruch zu der Behauptung Sehrts, S. 302, die Verantwortung für die „mob.-mäßige Aufstellung der Einheiten der Feldgendarmerie" sei aufgrund einer „Vereinbarung zwischen OKW/OKH und dem Chef der Ordnungspolizei im Reichsministerium des Innern" den Dienststellen der Ordnungspolizei übertragen worden (ähnlich auch Boßbrügge, S. 453). Daran ist indessen lediglich zutreffend, daß die Inspekteure der Ordnungspolizei nach den Bestimmungen der Anlage 22 zu Ziffer 218 des Mobilmachungsplans für die Beorderung der Feldgendarmerieoffiziere zuständig waren. Alle übrigen Angehörigen der Gendarmerie wurden jedoch ausschließlich durch die Wehrersatzdienststellen mit Kriegsbeorderungen versehen. Dabei mußte gemäß Ziffer 218 des Mobilmachungsplans zwar „im Einvernehmen mit dem Reichs- und Preußischen Minister des Innern" gehandelt werden, doch änderte dies nichts daran, daß die Führung des Mobilmachungskalenders für die Mannschaften und Unteroffiziere der Feldgendarmerie nicht - wie von Boßbrügge und Sehrt behauptet der Ordnungspolizei, sondern den Wehrersatzbehörden oblag, die folgerichtig durch den Mobilmachungsplan auch für die Vorbereitung der erforderlichen Einberufungsbescheide verantwortlich gemacht wurden. Im übrigen waren aber auch an der Auswahl der Offiziere, die deren Beorderung durch die Inspekteure der Ordnungspolizei vorausging, noch weitere Dienststellen beteiligt. So oblag es nach den Vorschriften der Anlage 22 zu Ziffer 218 des Mobilmachungsplans zunächst einmal den Generalkommandos der Armeekorps, dem Reichs- und Preußischen Minister des Innern zum 1. Dezember jeden Jahres die Anzahl der im darauffolgenden Mobilmachungsjahr benötigten Gendarmerieoffiziere mitzuteilen und dabei zugleich auch anzugeben, welche Dienstgrade für die Führerstellen erwünscht waren. Danach war dann das Innenministerium dafür zuständig, die als Führer der Feldgendarmerieeinheiten vorgesehenen Gendarmerieoffiziere einzuteilen, wobei es zwar im allgemeinen auf Hauptleute und Majore zurückgreifen sollte, jedoch „für besonders wichtige Einheiten in beschränktem Umfange auch Oberstleutnante" und „für weniger wichtige Trupps GendarmerieInspektoren" aussuchen durfte. Nur dann, wenn es mit Hilfe dieser Grundsätze nicht gelang, alle Offiziersstellen zu besetzen, konnten auch die Inspekteure der Ordnungs-

442

6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Kriege sollten sich die Feldgendarmeriekräfte also auch im zweiten Weltkrieg aus den Reihen ziviler Polizeiorganisationen rekrutieren. Zu diesem Zweck sah Ziffer 218 des Mobilmachungsplans allerdings nur die Heranziehung der zur Ordnungspolizei zählenden Formationen der Gendarmerie und der motorisierten Gendarmeriebereitschaften vor; 4 2 1 Angehörige anderer Polizeiorganisationen wie etwa der Schutzpolizei des Reichs oder der Schutzpolizei der Gemeinden wurden hingegen erst nach Kriegsbeginn zur Feldgendarmerie eingezogen.422 Schon sehr frühzeitig hatte man allerdings versucht, die den genannten Gendarmerieformationen obliegenden Gestellungspflichten dadurch zu reduzieren, daß abweichend von den Bestimmungen der Ziffer 218 des Mobilmachungsplans auch „ehemalige Angehörige der Ordnungspolizei, die aus der Ordnungspolizei ehrenvoll ausgeschieden waren" oder inzwischen als Soldaten anderen Truppengattungen der Wehrmacht angehörten, in der Feldgendarmerie verwendet wurden. 423 Da diese Maßnahme jedoch bei weitem nicht dafür genügte, den angestrebten Entlastungserfolg zu erzielen, ließ Ziffer 8 lit. b) der H.Dv. 275 (1940) nur wenig später zu, daß abgesehen von den Dienstposten der Offiziere sämtliche Planstellen der Truppe auch mit Unteroffizieren und solchen Mannschaften, die die Eignung zum Unteroffizier bereits nachgewiesen hatten, besetzt werden konnten, 424 soweit das von der Ordnungspolizei abgestellte Personal 425

polizei an der Personalauswahl mitwirken, da es in diesem Falle ihre Aufgabe war, in Zusammenarbeit mit den Generalkommandos den „Fehlbedarf [...] aus anderen geeigneten Dienstgraden der Gendarmerie zu decken." Auch insoweit war also der Einfluß der ordnungspolizeilichen Behörden sehr begrenzt; der eingangs wiedergegebenen Behauptung Boßbrügges und Sehrts kann daher nicht einmal im Bereich der Besetzung der Offiziersstellen vorbehaltlos zugestimmt werden. 421 Böckle, S. 158, behauptet, die motorisierte Gendarmerie habe besonders viel Personal abstellen müssen, weil sie dem Militär in bezug auf ihre Organisation, ihre Ausbildungsmethoden und ihre Laufbahnrichtlinien bereits im Frieden so weit angenähert worden sei, daß die Einberufung ihrer Angehörigen keine Schwierigkeiten mehr bereiten konnte (vgl. auch Witter, S. 1: „Their transition from policemen to soldiers was fairly effortless, for the German police Organization and status of the 1930's was decidedly para-military"). Dem Mobilmachungsplan läßt sich dafür jedoch ebensowenig ein Anhaltspunkt entnehmen wie der H.Dv. 275. 422 Vgl. beispielsweise die entsprechende Änderung der Ziffer 8 der H.Dv. 275 (1940) durch die Verfügung O.K.H. Chef H Rüst u. BdE, I n 8 Nr. 1027/43 vom 09.04.1943 (A.H.M. 1943, S. 243, Nr. 377). Das dürfte damit zusammenhängen, daß die Kräfte der Gendarmerie infolge der Gestellungspflichten für die von Himmler als Chef der deutschen Polizei aufgestellten Polizeitruppenverbände alleine nicht mehr ausreichte, um neue Feldgendarmerieeinheiten zu bilden und Ausfalle bei den bereits bestehenden zu kompensieren (vgl. Boßbrügge, S. 454). 423 Vgl. den Befehl O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 7367/40 vom 04.05.1940 (A.H.M. 1940, S. 269, Nr. 612). 424 Wenn also Böckle, S. 158 und S. 160; Umdruck SFJgStDst, S. 13; Williamson, S. 6, und Witter, S. 1, übereinstimmend berichten, die Feldgendarmerie des zweiten Weltkrieges habe sich aus Angehörigen der Ordnungspolizei sowie aus Unteroffizieren und Mannschaften anderer Truppengattungen der Wehrmacht zusammengesetzt, so trifft das zwar für die Zeit nach Inkrafttreten der H.Dv. 275 (1940) zu, unterschlägt

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

443

dafür nicht ausreichte. Schließlich wurde Ziffer 8 der H.Dv. 275 (1940) durch die Verfügung O.K.H Chef H Rüst u. BdE, I n 8 Nr. 1027/43 vom 09.04. 1943 426 sogar noch dahingehend abgeändert, daß mit sofortiger Wirkung selbst die Feldgendarmerieoffiziere anderen Truppenteilen der Wehrmacht entnommen werden durften. Damit hatte man dann aber bei der Stellenbesetzung endgültig auf diejenigen Auswahlkriterien verzichtet, die ursprünglich dazu geführt hatten, daß die Feldgendarmen lediglich den zivilen Gendarmerieformationen entstammen sollten. 427 Deren Angehörige hatten nämlich zunächst einmal den Vorteil, daß sie zum größten Teil bereits auf eine langjährige Berufserfahrung im Polizeidienst zurückblicken konnten. 428 Zudem waren sie vor Ausbruch des Krieges bereits des öfteren im Rahmen von Manövern und größeren Truppenübungen als Feldgendarmen tätig geworden und verfügten daher über eine entsprechende Ausbildung. 429 Das galt vor allem auch für diejenigen Feldgendarmen, die in den letzten Friedensjahren der motorisierten Gendarmerie angehört hatten, da sie dort insbesondere mit Blick auf die im verkehrsdienstlichen jedoch zugleich, daß sich die Feldgendarmeriekräfte im ersten Kriegsjahr den geltenden Vorschriften zufolge noch ausschließlich aus den Reihen der Gendarmerie und der motorisierten Gendarmerie rekrutiert hatten. 425 Witter, S. 1, spricht davon, die Ordnungspolizei habe mehr als 8.000 Mann an die Feldgendarmerie abgegeben, doch bezieht er sich dabei auf Publikationen, die sich mit den aus Polizeikräften gebildeten Truppenverbänden beschäftigen. Obschon sich mit dem zur Verfügung stehenden Quellenmaterial die Zahlenangabe Witters weder bestätigen noch widerlegen läßt, sind daher zumindest Zweifel an der Richtigkeit seiner Behauptung angebracht. 426 A.H.M. 1943, S. 243, Nr. 377. 427 Das war allerdings auch nach den Bestimmungen des Mobilmachungsplans nur für solche Stellen verbindlich vorgesehen, deren Inhabern „ausübende Tätigkeit als Feldgendarm" oblag. Stabs- und Funktionspersonal sollte hingegen zu allen Zeiten von den Generalkommandos der Armeekorps gestellt werden (vgl. Anlage 22 zu Ziffer 218 des Mobilmachungsplans). 428 Dem eigens für das Militärarchiv des Bundesarchivs erstellten Erfahrungsbericht eines ehemaligen Feldgendarmen zufolge wurden bei der Aufstellung der Feldgendarmerietrupps zu Beginn des Krieges ganz bewußt in erster Linie altgediente Gendarmen ausgewählt. Wörtlich führt der Verfasser dazu aus: „Der Trupp als Ganzes wie auch der einzelne Feldgendarm war ausschließlich dem Divisionsstab unterstellt, m.a.W. berechtigt, Befehle zu erteilen, war ausschließlich der Divisionskommandeur, ferner der I a, I b, I c [...]. Der Ermessensspielraum und damit die Verantwortung für den Einzelnen war m. E. verhältnismäßig groß. Demgemäß wurden bei der Aufstellung des Feldgendarmerietrupps nach meinem Eindruck von den Wehrersatzbehörden [sie!] bewußt ältere Männer, meist Teilnehmer des 1. Weltkrieges, mit entsprechender militärischer, aber auch beruflicher Erfahrung und menschlicher Reife zu dieser Einheit einberufen" (BA-MA MSg 2/785, ohne Blattangabe). 429 Böckle, S. 158; ders., Truppenpraxis 1973, S. 37; Sehrt, S. 302, der zudem in Übereinstimmung mit dem Erfahrungsbericht BA-MA MSg 2/785 darauf hinweist, daß die für die Verwendung in der Feldgendarmerie vorgesehenen Angehörigen der Ordnungspolizei planmäßig schon Mitte des Jahres 1939 „in Kurzlehrgängen, die vom OKW/OKH und dem Hauptamt Ordnungspolizei gesteuert wurden, bei der Fahrtruppenschule in Hannover in ihre Aufgaben in der Feldgendarmerie eingewiesen" worden waren.

444

6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Bereich anfallenden Aufgaben Fachkenntnisse hatten erwerben können. 430 Die geschilderte Entwicklung der Prinzipien, nach denen die Planstellen der Feldgendarmerietruppe besetzt wurden, hatte demnach auch zur Folge, daß immer mehr Feldgendarmen bei ihrem Dienstantritt nicht über die notwendigen Kenntnisse der Eigenarten und Erfordernisse der Truppe sowie der kriegsbedingten Schwierigkeiten des militärischen Straßenverkehrs verfügten und sie daher im Laufe des Krieges erst noch mühsam erwerben mussten. 431 Das war indessen nicht das einzige Problem, das im Zusammenhang mit der gemischten Personalstruktur der Feldgendarmerieformationen auftrat. Vielmehr mußte auch das Verhältnis, in dem die zivilen Rangstufen des der Ordnungspolizei entstammenden Personals zu den militärischen Dienstgraden der von anderen Truppenteilen abgestellten Feldgendarmen stehen sollten, geklärt werden. Insoweit konnte die H.Dv. 275 (1940) jedoch auf die bereits nach Abschluß des Polenfeldzuges erlassene Verfügung O.K.H. GenSt d H, Org. Abt. (II) Nr. 1399/39 geh. vom 17.11.1939432 zurückgreifen, denn darin hatten die fraglichen Rangverhältnisse erstmals eine klärende Regelung erfahren, um - wie es wörtlich hieß - „die Stellung der Feldgendarmerie als eines Bestandteils des Heeres auch nach außen hin [...] in der Bezeichnung der Dienstgrade zum Ausdruck zu bringen." Danach waren die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Feldgendarmerie in wehrrechtlicher Hinsicht allesamt unterschiedslos als Soldaten anzusehen und unterlagen daher „ohne Ausnahme den militärischen Gesetzen und Bestimmungen." Aus diesem Grunde sollten die Feldgendarmen dann auch einheitlich nur noch die um den Zusatz „der Feldgendarmerie" erweiterten Dienstgradbezeichnungen des Heeres führen. 433 Da dies jedoch nur dann zu erreichen war, wenn jedem Ordnungspolizisten, der in die Feldgendarmerie übertrat, eine militärische Rangstufe zugeordnet werden konnte, enthielt die genannte Verfügung des O.K.H. auch noch eine Übersicht, der zu entnehmen war, welcher militärische Dienstgrad demjenigen entsprechen sollte, den die betreffende Person im Polizeidienst bekleidet hatte. Nachdem diese Übersicht dann durch den Erlaß O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 917/40 geh. vom 15.01. 1940 434 nochmals geändert worden war, fand sie schließlich als Anlage 3 Eingang in die H.Dv. 275 (1940) und legte die militärischen Dienstgrade, die den in die Feldgendarmerie aufgenommenen Angehörigen der Ordnungspolizei aufgrund ihrer zivilen Rangverhältnisse verliehen werden sollten, wie folgt fest:

430

Boßbrügge, S. 453; vgl. auch den Aktenvermerk „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht", BA-MA BW 9/1578, Bl. 136 d.A. 431 Vgl. auch Boßbrügge, S. 453 f. 432 BA-MA RH 14/41, Bl. 53 ff. d.A. 433 Diese Regelung wurde später unverändert auch durch die Ziffern 9 und 10 der H.Dv. 275 (1940) übernommen. 434 BA-MA RH 14/41, Bl. 46 ff. d.A.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich „Rottwachtmeister der Ordnungspolizei

445

Obergefreiter (UA) des Heeres

Wachtmeister der Ordnungspolizei

Unteroffizier des Heeres

Oberwachtmeister der Ordnungspolizei

Feldwebel des Heeres

Bezirks- (Revier-) Oberwachtmeister der Ordnungspolizei, Hauptwachtmeister der Ordnungspolizei bis zu 12j ähriger Dienstzeit

Oberfeldwebel des Heeres

Hauptwachtmeister der Ordnungspolizei mit mehr als 12jähriger Dienstzeit

Stabsfeldwebel des Heeres

Meister der Ordnungspolizei

Leutnant des Heeres

Obermeister der Ordnungspolizei

Leutnant des Heeres

Inspektor der Ordnungspolizei

4 Oberleutnant des Heeres".435

Indessen wurde diese Dienstgradfestsetzung durch den Befehl O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 14152/43 436 bereits unter dem 07.06.1943 wieder aufgehoben. Das hing damit zusammen, daß sie aufgrund einer Änderung der Modalitäten, unter denen die Angehörigen der Ordnungspolizei in die Feldgendarmerie eintraten, schlichtweg überflüssig geworden war. In der vorausgegangenen Verfügung O.K.H Chef H Rüst u. BdE, I n 8 Nr. 1027/43 vom 09.04.1943 437 war nämlich mutmaßlich aus Gründen der Gleichbehandlung mit den aus der übrigen Wehrmacht rekrutierten Feldgendarmen befohlen worden, daß fortan alle Angehörigen der Ordnungs- und der Schutzpolizei nur noch mit demjenigen Dienstgrad eingestellt werden sollten, den sie unter Anrechnung der in der Polizei geleisteten Dienstzeit nach den Beförderungsbestimmungen des Heeres in der Armee hätten erreicht haben können. 438 Daher bedurfte es von diesem Zeitpunkt an keiner Übersicht mehr, die die militärischen Äquivalente für zivilpolizeiliche Dienstgrade aufzeigte. Zwar sollte für die Offiziere der Feldgendarmerie die ursprüngliche Regelung fortgelten, doch gab der Befehl 435 Ergänzend war in dem Erlaß O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 6224/40 vom 13.04.1940 (A.H.M 1940, S. 207, Nr. 490) noch angeordnet worden, daß „die Wachtmeister und Oberwachtmeister der ehemaligen Danziger Ordnungspolizei [...] bei mehr als 12-jähriger Dienstzeit den Stabsfeldwebeln des Heeres gleichgestellt" sein sollten. Überdies schrieb die Verfügung O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 7367/40 vom 04.05.1940 (A.H.M. 1940, S. 269, Nr. 612), zusätzlich vor, daß auch die ehemaligen Angehörigen der Ordnungspolizei, die entweder ehrenvoll ausgeschieden oder als Soldaten in die Wehrmacht eingetreten waren, ihrem in der Ordnungspolizei erreichten Dienstgrad entsprechend eingestuft werden mußten, wenn sie sich für den Eintritt in die Feldgendarmerietruppe entschieden. 436 A.H.M 1943, S. 324, Nr. 504. 437 A.H.M 1943, S. 243, Nr. 377. 438 Hingegen konnten die zu einem früheren Zeitpunkt aus der Ordnungspolizei in die Feldgendarmerie übernommenen Unteroffiziere und Mannschaften ihren auf der Grundlage der Anlage 3 zur H.Dv. 275 (1940) ermittelten Dienstgrad unverändert beibehalten, „sofern sich bei Zusammenrechnung der Dienstzeiten des Heeres und der Polizei kein höherer Dienstgrad ergibt."

446

6. Kap.: Die Feldgendarmerie

vom 09.04.1943 die aus diesem Grunde erforderlichen Dienstgradfestsetzungen eigenständig an. Auch insoweit hatte also die Anlage 3 zur H.Dv. 275 (1940) ihre Funktion endgültig verloren. Unabhängig davon aber, nach welchen Kriterien der militärische Dienstgrad eines der Ordnungspolizei entstammenden Feldgendarmen nun konkret zu ermitteln war, hatte seine vollständige Unterstellung unter die für die Wehrmacht gültigen Gesetze und Bestimmungen die weitere Folge, daß er auch die Aussicht auf Beförderung besaß. Während aber nun Beförderungen und sogar Laufbahnwechsel eines Feldgendarmen, der ursprünglich einer anderen Truppengattung der Wehrmacht angehört hatte, unproblematisch nach den allgemein für alle Soldaten gültigen Vorschriften vorgenommen werden konnten, ergab sich bei den von der Polizei abgestellten Personen das Problem, wie sich eine etwaige militärische Beförderung auf die im zivilen Dienstverhältnis erreichte Rangstufe auswirkte und umgekehrt. Daher hatte das Oberkommando des Heeres gleichzeitig mit der Anordnung, daß alle Angehörigen der Feldgendarmerie die militärischen Dienstgradbezeichnungen führen sollten, erstmals in der Formationsgeschichte der Truppe auch für die Beförderung der von der zivilen Polizeiverwaltung gestellten Feldgendarmen Richtlinien aufgestellt, 439 die später unverändert in den Ziffern 13 und 14 der H.Dv. 275 (1940) übernommen wurden. Danach war eine Beförderung von Feldgendarmerieoffizieren militärischerseits anfänglich noch nicht möglich. Vielmehr verblieben die von der Ordnungspolizei übernommenen Offiziere der Feldgendarmerie gemäß Ziffer 13 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) hinsichtlich der Beförderung zunächst ausschließlich „in der Betreuung des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern." Nur dieser konnte demnach die genannten Offiziere befördern. Da jedoch die Beförderung in der Ordnungspolizei gemäß Ziffer 13 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) automatisch auch eine „entsprechende Änderung im Dienstverhältnis der Feldgendarmerie" bewirkte, war der Reichsführer verpflichtet, sich des Einverständnisses des OKW zu versichern, bevor er einem Offizier einen höheren Dienstgrad verlieh. Nach den Bestimmungen des Heeres konnte ein der Ordnungspolizei entstammender Offizier hingegen erst befördert werden, nachdem dies durch den Befehl O.K.H Chef H Rüst u. BdE, I n 8 Nr. 1027/43 vom 09.04.1943 440 ermöglicht worden war. Auswirkungen auf den Dienstgrad bei der Ordnungspolizei hatte eine derartige Beförderung indessen nicht. Damit waren aber die Beförderungsgrundsätze für Offiziere an diejenigen Prinzipien angeglichen worden, die für die Unteroffiziere von Anfang an gegol439

Vgl. die Verfügungen O.K.H GenSt d H, Org. Abt. (II) Nr. 1399/39 geh. vom 17.11.1939 (BA-MA RH 14/ 41, Bl. 53 ff. d.A.) und O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 917/40 geh. vom 15.01.1940 (BA-MA RH 14/41, Bl. 46 ff. d.A.). 440 A.H.M 1943, S. 243, Nr. 377.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

447

ten hatten. Auch bei den Unteroffizieren hatte eine militärischerseits verfügte Beförderung, die bei entsprechender Eignung im Feldgendarmeriedienst von der jeweils vorgesetzten Kommandobehörde in eigener Verantwortung vorgenommen werden konnte, keinen Einfluß auf den Dienstgrad bei der Ordnungspolizei. 4 4 1 Umgekehrt jedoch führte die von der Heimatdienststelle „nach den Reichsgrundsätzen und den Laufbahnrichtlinien für die Ordnungspolizei" ausgesprochene Beförderung eines von ihr gestellten Unteroffiziers der Feldgendarmerie gemäß Ziffer 14 Abs. 5 und 6 der H.Dv. 275 (1940) ebenso wie bei den Offizieren automatisch auch zu der Verleihung eines höheren militärischen Dienstgrades, wenn sie im Einverständnis mit der jeweiligen Feldgendarmeriedienststelle erfolgt war. Interessanterweise schien indessen anfangs niemand daran gedacht zu haben, spezielle Regeln für den Fall aufzustellen, daß die Beförderung eines Feldgendarmen zu einem Laufbahnwechsel führte, da selbst die Neufassung der H.Dv. 275 aus dem Jahre 1940 jedenfalls zunächst keine entsprechenden Vorschriften enthielt. Daran änderte sich erst dann etwas, als im Jahre 1943 mit der Aufnahme der Ziffern 13 a und 13b in die Feldgendarmerie Vorschrift dafür gesorgt wurde, daß wenigstens der Wechsel von der Unteroffiziers- in die Offizierslaufbahn von besonderen Voraussetzungen abhing. 442 So befaßte sich etwa Ziffer 13 a der H.Dv. 275 (1940) mit der Konstellation, daß einem der Ordnungspolizei entstammenden Stabsfeldwebel der Feldgendarmerie bei seiner zivilen Heimatdienststelle eine Rangstufe verliehen wurde, der militärischerseits ein Offiziersdienstgrad entsprach. Eine solche Beförderung innerhalb des zivilen Dienstverhältnisses sollte nämlich künftig nicht mehr wie bisher gemäß Ziffer 13 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) ohne weiteres auch in der Feldgendarmerie zu einer Dienstgradanhebung führen. Vielmehr mußte fortan gemäß Ziffer 13 a Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) erst noch ein sogenannter „Feldgendarmerie-Offizier-Lehrgang", der später die Bezeichnung „Fahnenjunker-Lehrgang" erhielt, 443 erfolgreich absolviert werden, zu dem der Höhere Feldgendarmerieoffizier beim O.K.H überdies von vorneherein nur diejenigen Offiziersanwärter einberufen durfte, denen die jeweils zuständige Felddienststelle die Eignung zum Leutnant

441 Aus diesem Grunde war die Dienstgradanhebung innerhalb der Feldgendarmerie auch nicht vom Einverständnis des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei abhängig. Gleichwohl mußte sie gemäß Ziffer 14 Abs. 4 Satz 2 der H.Dv. 275 (1940) der ordnungspolizeilichen Heimatdienststelle mitgeteilt werden. Soweit also Sehrt, S. 302, in diesem Zusammenhang ausführt, eine Beförderung in der Feldgendarmerie habe anfanglich noch eine entsprechende Beförderung in der Ordnungspolizei nach sich gezogen, so trifft das ebensowenig zu wie seine weitere Behauptung, daß diese Regelung auf Betreiben der zur Feldgendarmerie abgestellten Angehörigen der Ordnungspolizei erst im weiteren Verlauf des Krieges geändert worden sei. 442 Vgl. den Erlaß O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 15679/43 vom 30.06.1943 (A.H.M 1943, S. 347, Nr. 551). 443 Näher dazu: Anlage 5 sub G. II.

448

6. Kap.: Die Feldgendarmerie

der Feldgendarmerie ausdrücklich attestiert hatte. Wurde diese Bestätigung aber von der Felddienststelle verweigert oder gelang es dem an sich geeigneten Stabsfeldwebel nicht, den Offizierslehrgang zu bestehen, so mußte er zwar grundsätzlich trotz der „Beförderung bei der Heimatdienststelle mit [seinem] bisherigen Dienstgrad in der Feldgendarmerie" verbleiben, konnte aber bis Oktober 1944 stattdessen ausnahmsweise auch im Austausch gegen einen neuen Ordnungspolizisten im Range eines Unteroffiziers aus der Wehrmacht entlassen werden. 444 Hatte der zur Beförderung heranstehende Stabsfeldwebel den Offizierslehrgang hingegen mit Erfolg besucht, so bewirkte die bei seiner Heimatdienststelle erfolgte Ernennung schließlich auch „die Änderung im Dienstverhältnis bei der Feldgendarmerie." Zu seinen Gunsten ging man dann gemäß Ziffer 13a Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) bei der Berechnung seines Rangdienstalters sogar von dem zeitlich früheren „Tag der Ernennung bei der Ordnungspolizei" aus. Demgegenüber regelte Ziffer 13b der H.Dv. 275 (1940) den umgekehrt gelagerten Sachverhalt, daß ein Unteroffizier der Feldgendarmerie nach dem Urteil seiner Vorgesetzten zum Offizier geeignet war und daher innerhalb der Wehrmacht für einen Laufbahnwechsel vorgesehen wurde. Insoweit hing die Beförderung zwar grundsätzlich ebenfalls von der erfolgreichen Teilnahme an einem Offizierslehrgang ab, doch war es abweichend von den Bestimmungen der Ziffer 13 a der H.Dv. 275 (1940) ausnahmsweise möglich, den ausgewählten Unteroffizier auch ohne Lehrgang zum Offizier zu ernennen, wenn er durch „besondere Tapferkeit oder außergewöhnliche Leistungen" auf sich aufmerksam gemacht hatte. Unverzichtbar war hingegen das Erfordernis, daß die zu befördernden Personen ihre Fähigkeiten während einer zweimonatigen Probezeit bei einer Feldgendarmerie-Abteilung unter Beweis gestellt hatten. War dies aber der Fall, stand einem Laufbahnwechsel nichts mehr entgegen, doch beschränkte er sich auf den militärischen Bereich, da gemäß Ziffer 13 b Abs. 3 Satz 1 der H.Dv. 275 (1940) Beförderungen in der Wehrmacht bei Feldgendarmen, die der Ordnungspolizei entstammten, keine zwingenden Auswirkungen auf ihren Dienstgrad in der Polizeiverwaltung hatten. Um aber einem militärischerseits zum Offizier ernannten Ordnungspolizisten zumindest die Aussicht darauf zu erhalten, daß seine Dienstgradanhebung in der Feldgendarmerie auch auf sein ziviles Dienstverhältnis ausgedehnt wurde, machte es Ziffer 13 b Abs. 3 Satz 2 der H.Dv. 275 (1940) dem Höheren Feldgendarmerieoffizier im OKH abschließend zur Pflicht, „die maßgebenden Gründe der Beförderung unter Beifügung einer Beurteilung dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei" mitzuteilen. Dieser konnte daraufhin in eigener Verantwortung darüber entscheiden,

444

Diese Alternative wurde jedoch vermutlich wegen Personalmangels durch die Verfügung O.K.H GenSt d H, Gen Qu/Höh Feldg Offz 1/56, I/R Nr. 4670/44 vom 16.10.1944 wieder abgeschafft.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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ob er den durch das Militär vollzogenen Laufbahnwechsel innerhalb der Ordnungspolizei nachvollziehen wollte oder nicht. Abgesehen von den so umschriebenen Beförderungsrichtlinien wies die Neufassung der H.Dv. 275 aber auch noch andere Bestimmungen auf, die in der Feldgendarmerievorschrift des Jahres 1938 noch nicht enthalten waren. Am bedeutsamsten dürfte insoweit wohl die Einführung der sog. „Sachbearbeiter" gewesen sein, die gemäß Ziffer 7 der H.Dv. 275 (1940) einschließlich der Feldund Ortskommandanturen sämtliche Kommandobehörden des Heeres von der Divisionsebene an aufwärts in allen Fragen des Feldgendarmerieeinsatzes beraten sollten. An der Spitze dieser Sachbearbeiter stand der „Höhere Feldgendarmerie-Offizier beim O.K.H", der seinen Dienst in der Generalquartiermeisterabteilung des Oberkommandos versah und den Rang eines Generalmajors bekleidete. 445 Gemäß Absatz 1 seiner Dienstanweisung, die der H.Dv. 275 (1940) als Anlage 1 hinzugefügt worden war, war er der zuständige „Sachbearbeiter für alle Angelegenheiten der Feldgendarmerie des Feldheeres, insbesondere auch für Personalbearbeitung und Offizierstellenbesetzung im Einvernehmen mit dem Heerespersonalamt und ggf. dem RF SS u. ChdDtP." Aus diesem Grunde oblag ihm zunächst einmal die Bearbeitung der Forderungen, die der Generalstab des Heeres hinsichtlich des Einsatzes, der Ausbildung, der Gliederung und der Ausrüstung der Feldgendarmerie sowie auch der Verkehrsregelungsbataillone446 aufstellte. Zudem hatte er dafür zu sorgen, „daß Fronterfahrungen, die für die Ausbildung des Ersatzes wichtig sind, unverzüglich der zuständigen Waffenabteilung [...] zugehen, damit sie alsbald für die Ausbildung nutzbar gemacht werden können". 447 Schließlich mußte der Höhere Feldgendarmerieoffizier beim OKH auch noch die Zuteilung von Feldgendarmerie- und Verkehrsregelungseinheiten vorschlagen, deren Tätigkeit überwachen und dem Generalstab des Heeres die erforderlichen Anregungen in allen Verkehrsregelungsfragen geben. 448 Demgegenüber gab es auf der dem Oberkommando des Heeres unmittelbar nachfolgenden Führungsebene der Heeresgruppen zunächst noch keinen Sachbearbeiter für Feldgendarmerieangelegenheiten. Ein solcher befand sich vielmehr erst wieder in den Oberkommandos der Armeen, wo er anfänglich dem jeweiligen Oberquartiermeister und seit September 1943 dem Chef des Generalstabes unterstellt war. Dieser sogenannte „Stabsoffizier der Feldgendarmerie" hatte den Rang eines Oberstleutnants oder Majors inne 4 4 9 und war der Sachbearbeiter für 445

Sehrt, S. 302; Witter, S. 2. Dazu näher das 8. Kapitel. 447 Vgl. zur Rolle, die dem Höheren Feldgendarmerieoffizier beim O.K.H im Ausbildungswesen der Feldgendarmerie zukam, auch Anlage 5 sub G. I. und II. 448 Vgl. zum Aufgabenspektrum des Höheren Feldgendarmerieoffiziers beim O.K.H im übrigen auch die Ausführungen Böckles, S. 159, und Witters, S. 2. 449 Sehrt, S. 302. 446

29 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

alle Angelegenheiten der Feldgendarmerie und des Verkehrswesens einer Armee. 4 5 0 Dementsprechend mußte er im Auftrag des Oberbefehlshabers der Armee die Tätigkeit der Feldgendarmerietrupps und -gruppen überwachen und im Einvernehmen mit der zuständigen Kommandobehörde die erforderlichen Anregungen für die gleichmäßige Aus- und Weiterbildung der Feldgendarmerie geben. In verkehrsdienstlicher Hinsicht oblag ihm überdies neben der Überwachung der Verkehrsdisziplin und der Einhaltung der Verkehrsbestimmungen im Armeegebiet vor allem die Koordinierung des Zusammenwirkens der Verkehrsdienste. Zu diesem Zweck konnte er Straßen- oder Verkehrsabschnittskommandanten ernennen und war berechtigt, „alle für einen reibungslosen Ablauf des Verkehrs erforderlichen Einzelanordnungen" zu erteilen. Bei größeren Truppenbewegungen kam ihm die Funktion eines „Kommandeurs der Verkehrsregelungsdienste" zu, dessen Hauptaufgabe in der Marschüberwachung und der Durchführung der von der Kommandobehörde gegebenen Verkehrsanordnungen bestand. Schließlich war er auch noch verpflichtet, der Gruppe Verkehrsregelung im Stab des Armeebefehlshabers fortlaufend über den Ablauf der Marschbewegungen im Armeegebiet Bericht zu erstatten und sich über Ausbildungsstand und Arbeitsweise der Feldgendarmerie, der Verkehrsregelungsbataillone sowie aller übrigen im Verkehrsdienst der Armee eingesetzten Organe zu unterrichten. Indessen wurde der Dienstposten des Stabsoffiziers der Feldgendarmerie beim A.O.K, bereits im September 1943 wieder abgeschafft. 451 An seiner Stelle rückte der Kommandeur der der Armee unmittelbar unterstellten Feldgendarmerieabteilung in den Stab des Oberbefehlshabers auf und war fortan für die Erfüllung der zuvor vom Stabsoffizier der Feldgendarmerie wahrgenommenen Aufgaben verantwortlich. Dadurch hatte er eine zweigeteilte Rechtsstellung inne, denn während er als Kommandeur der Feldgendarmerieabteilung gegenüber deren Angehörigen ein echter Truppenvorgesetzter mit Disziplinarbefugnissen war, stand ihm im Verhältnis zu denjenigen Einheiten der Feldgendarmerie, die kriegsgliederungsmäßig den der Armee unterstellten Korps und Divisionen zugewiesen waren, lediglich die Führung der Fachaufsicht zu. Da aber diese Umgliederungsmaßnahmen schon aus redaktionellen Gründen eine Neubearbeitung der für den ehemaligen Stabsoffizier der Feldgendarmerie geltenden Vorschriften erforderlich machten, erhielt der neue „Kommandeur der Feldgendarmerie beim A.O.K. (Panzer-A.O.K.)" eine eigene Dienstanweisung. Grundlegende Änderungen des bisherigen Zustandes waren damit allerdings nicht ver450 Vgl Abs. 1 Satz 1 der „Dienstanweisung für den Stabsoffizier der Feldgendarmerie beim A.O.K.", die in der H.Dv. 275 (1940) als Anlage 2 zu finden war. 451 Verfügung O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 37322/43 geh. vom 06.10.1943 (A.H.M 1943, S. 470, Nr. 781), die gemeinsam mit dem Erlass O.K.H GenSt d H, Org. Abt. (II) Nr. 20063/43 geh. vom 04.09.1943 (A.H.M, a.a.O.) den nachfolgenden Ausführungen im Text zugrunde liegt.

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bunden. Lediglich der Umstand, daß der Kommandeur der Feldgendarmerie im Gegensatz zu seinem Vorgänger zusätzlich noch für die ortsfeste Straßenbeschilderung im Armeebereich verantwortlich war und für die Führungsabteilung des Stabes regelmäßig Zustandsberichte über Wege, Straßen und Brücken verfassen mußte, stellte eine echte Neuerung dar. Im übrigen unterschied sich seine Tätigkeit jedoch in keiner Weise von derjenigen des früheren Stabsoffiziers der Feldgendarmerie. Gleichzeitig mit der Ablösung des Stabsoffiziers der Feldgendarmerie im Armeeoberkommando richtete das OKH nunmehr auch im Stab der Heeresgruppen die Stelle eines Sachbearbeiters ein, der im Regelfall den Dienstgrad eines Obristen hatte 452 und den Titel „Höherer Kommandeur der Feldgendarmerie bei der Heeresgruppe" führte. 453 Tätigkeiten, die über das bereits geschilderte Aufgabenspektrum des Sachbearbeiters auf der Führungsebene der Armee hinausgingen, mußte er indessen nicht verrichten, da die Dienstanweisung für den Kommandeur der Feldgendarmerie beim A.O.K. auf den Höheren Kommandeur bei der Heeresgruppe entsprechend anzuwenden war. Schließlich konnten auch die Korps- und Divisionsstäbe auf spezielle Sachbearbeiter in Feldgendarmerieangelegenheiten zurückgreifen, doch wurde diese Funktion schon zur Zeit des Inkrafttretens der Neufassung der H.Dv. 275 von den Führern der jeweils unterstellten Feldgendarmerietrupps wahrgenommen. Wie später den Armeen fehlte es also auch den Korps und Divisionen an einem eigenständigen Dienstposten für den Berater des Stabes in Fragen des Feldgendarmerieeinsatzes. Es kann daher nicht verwundern, daß insoweit auch keine eigenen Dienstanweisungen vorhanden waren. Die Aufgaben des Sachbearbeiters der Feldgendarmerie auf Korps- und Divisionsebene mußten mithin ebenso wie diejenigen des Höheren Kommandeurs bei den Heeresgruppen einer sinngemäßen Anwendung der Dienstanweisung für den Feldgendarmeriekommandeur im Oberkommando einer Armee entnommen werden. Darüber hinaus standen weiterhin den Dienststellen der Militärverwaltungen eigene Sachbearbeiter zur Verfügung. Diese waren allerdings nicht von Anfang an auf allen Führungsebenen vertreten, sondern unterstützten nach den Regelungen der H.Dv. 275 (1940) ursprünglich nur die Orts-, Feld- und Oberfeldkommandanturen. Der eingeschränkten Bedeutung entsprechend, die den Sachbearbeitern im Bereich der Militärverwaltung somit anfänglich zugemessen wurde, existierte für sie auch keine spezielle Dienstanweisung. Vielmehr hatte man sich damit begnügt, die analoge Anwendung der für den Stabsoffizier der Feldgendarmerie beim A.O.K, verbindlichen Instruktion anzuordnen. Erst im Jahre 1943 wurden auch die Stäbe der territorialen Befehlshaber mit „Höheren Feldgendarmerieoffizieren" als Sachbearbeiter für Feldgendarmerieangelegenheiten 452 453

2

Sehrt, S. 302; Witter, S. 2. Vgl. die Befehle vom 04.09.1943 und vom 06.10.1943, a.a.O. (s.o. Fn. 451).

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

ausgestattet; zudem erhielten die Kommandanten der rückwärtigen Armeegebiete und die der Militärverwaltungsbezirke ebenfalls eigene Stabsoffiziere der Feldgendarmerie. 454 Indessen war damit keineswegs die Schaffung neuer Dienstposten verbunden, denn die entsprechenden Funktionen mußten durch den Führer der den jeweiligen Kommandobehörden unmittelbar unterstellten Feldgendarmeriekräfte zusätzlich zu seinen Aufgaben als deren Truppenvorgesetzter wahrgenommen werden. Alle Sachbearbeiter im Bereich der Militärverwaltung hatten sich nun unterschiedslos nach den Vorschriften einer einzigen Instruktion zu richten, die im Oktober 1943 als Dienstanweisung für den Höheren Feldgendarmerieoffizier und den Stabsoffizier der Feldgendarmerie bei den territorialen Befehlshabern erschien und für die Offiziere der Feldgendarmerie bei den Orts-, Feld- und Oberfeldkommandanturen entsprechend anwendbar war. 4 5 5 Danach hatten sie nicht nur den Einsatz der jeweils unterstellten Feldgendarmerieeinheiten vorzuschlagen, sondern im Auftrag ihrer Kommandobehörden auch zu überwachen. Zudem waren sie für Ausbildung und Ausrüstung der Feldgendarmerie verantwortlich und mußten sich im Auftrag ihrer Dienststelle von der Art und Weise überzeugen, in der die Feldgendarmen ihren Dienst ausübten. Schließlich fungierten sie dann auch noch als Verbindungsoffiziere für diejenigen Institutionen, die - wie etwa der Heeresstreifendienst, die Geheime Feldpolizei oder die Sicherheits- und Ordnungspolizei häufig auf Zusammenarbeit mit der Feldgendarmerie angewiesen wurden. Neben diesen umfangreichen Vorgaben für die Dienstausübung der Sachbearbeiter in Feldgendarmerieangelegenheiten bei den diversen Kommandobehörden enthielt die H.Dv. 275 (1940) nur noch wenige erwähnenswerte Regelungen, die die Organisation der Truppe betrafen. So beinhaltete etwa die Ziffer 12 der H.Dv. 275 (1940) die an sich selbstverständliche Bestimmung, daß jeder Angehörige der Feldgendarmerie im Falle seines Ausscheidens ohne weiteres in sein ursprüngliches Dienstverhältnis zurückkehren mußte, dort aber keine besonderen Rechte aus seiner früheren Tätigkeit als Feldgendarm herleiten konnte. 456 454 Vgl. hierzu und zum folgenden den bereits erwähnten Befehl vom 06.10.1943, a.a.O. (s.o. Fn. 451.). 455 Letztere erhielten indessen nicht selten auch noch zusätzliche Anordnungen von ihren vorgesetzten Dienststellen. So hieß es etwa in einem den Einsatz der Feldgendarmerie betreffenden Befehl des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich vom 14.08.1940 zur Frage der Funktion der Sachbearbeiter wörtlich: „Den Einsatz aller unterstellten Feldgendarmeriekräfte befehlen [...] die Feld- und Ortskommandanten. Ihnen stehen hierzu die planmäßig zugeteilten Feldgendarmerieoffiziere als Sachbearbeiter zur Verfügung. Diese Sachbearbeiter sind für die Durchführung des Einsatzes verantwortlich und entscheiden über die einzusetzenden Kräfte und die Art der Ausführung. Ihre Selbständigkeit im Entschluß und ihre Verantwortungsfreudigkeit soll nicht gehemmt werden. Sie bearbeiten alle Feldgendarmerieangelegenheiten und ordnungspolizeilichen Fragen innerhalb der zuständigen Bereiche und geben die für die Dienstaufsicht erforderlichen Befehle unmittelbar" (BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe).

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Eine geringfügig abweichende Verfahrensweise war gemäß Ziffer 18 der H.Dv. 275 (1940) indessen dann vorgesehen, wenn der Grund für das Ausscheiden eines Feldgendarmen in seiner eigenen Verhaltensweise zu suchen war. Anschaulich faßt Witter den Regelungsgehalt der Ziffer 18 der H.Dv. 275 (1940) wie folgt zusammen: „Since all Feldgendarmen [...] were the »policemen4 of soldiers, their behaviour and conduct had to be above reproach. If an officer of the Feldgendarmerie failed to abide by his Officer's Code of Honour, he would be relieved of his command, turned over to the Feldgendarmerie Replacement Battalion and returned to his home duty station in disgrace. Likewise, all Feldgendarmen who turned out to be unsuitable for further service [because of] bad character, poor performance or having committed a crime could, depending upon the severity of their situation, be transferred out of the Feldgendarmerie and reassigned to the Feldgendarmerie Replacement Battalion. What happened to the former Feldgendarm after that depended upon the nature of his transgression". 457 Im Gegensatz zu diesen noch recht detaillierten Bestimmungen über das Ausscheiden aus der Feldgendarmerie waren die Regelungen, die die H.Dv. 275 (1940) zum Personalersatz der Truppe enthielt, schon deshalb ausgesprochen lückenhaft, weil sie sich in bezug auf Feldgendarmen mit Unteroffiziers- und Mannschaftsdienstgraden darauf beschränkten, auf die das Personalersatzwesen der Wehrmacht organisierenden Dienstvorschriften zu verweisen. Aber auch im Hinblick auf die Offiziere war der Ziffer 20 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) lediglich zu entnehmen, daß diese bei der Generalquartiermeisterabteilung im Oberkommando des Heeres auf dem Dienstwege anzufordern waren. Weitere Einzelheiten schrieb die H.Dv. 275 (1940) in diesem Zusammenhang hingegen nicht vor. Stattdessen befaßte sie sich aber noch mit der Frage der Versetzung eines der Ordnungspolizei entstammenden Feldgendarmen zu einer anderen Truppengattung der Wehrmacht und bestimmte insoweit, daß dies grundsätzlich unstatthaft sein sollte. Gleichwohl war es gemäß Ziffer 17 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) in Ausnahmefällen dennoch zulässig, einen entsprechenden Versetzungsantrag zu stellen. Dieser war jedoch dem Oberkommando des Heeres vorzulegen, das wiederum das Einverständnis des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei einholen mußte, wenn es willens war, den Antrag positiv zu bescheiden.458

456 Von dieser Rechtsfolge des Ausscheidens aus der Feldgendarmerie wurde indessen schon wenig später insoweit eine Ausnahme zugelassen, als diejenigen „Unteroffiziere und Mannschaften, die von Truppenteilen des Kriegsheeres zu Feldgendarmerieeinheiten versetzt worden sind, [...] bei ihrer Entlassung oder Zurückversetzung zu anderen Einheiten des Heeres ihren letzten, als Feldgendarm erreichten militärischen Dienstgrad" beibehalten durften (vgl. Ziffer 1 der Verfügung O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 4637/41 vom 24.05.1941 (A.H.M 1941, S. 280, Nr. 542). 457 Witter, S. 2.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Damit war dann aber in bezug auf die Organisation der Feldgendarmerie selbst der Regelungsgehalt der ausführlicheren Neufassung der H.Dv. 275 aus dem Jahre 1940 erschöpft. Zu berichten ist jedoch noch von einer recht bemerkenswerten Neuerung, die erst gegen Kriegsende eintrat und daher in den Dienstvorschriften keinen Niederschlag mehr hatte finden können. Gemeint ist der vom 15.02.1945 datierende Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht, 459 durch den die Zusammenfassung aller „zur Überwachung, Betreuung und Frontleitung der Wehrmachtangehörigen (einschließlich Waffen-SS) außerhalb der Truppe eingesetzten Kräfte der Wehrmacht [...] unter dem neu gebildeten ,Chef der Wehrmacht-Ordnungstruppen'" angeordnet wurde. Das hatte nämlich zur Folge, daß neben dem Wehrmachtstreifendienst und den Generalen z.b.V. auch die Feldgendarmerie mit allen Stäben, Einheiten, Dienststellen und Einrichtungen mit Wirkung zum 20.02.1945 dem Chef der Wehrmacht-Ordnungstruppen unterstellt wurde. Obgleich sich dadurch gemäß Ziffer 3 Abs. 1 des Befehls vom 15.02.1945 zunächst noch nichts an der „derzeitigen Tätigkeit [und] der kriegsgliederungsmäßigen Zugehörigkeit der Feldgendarmerie" ändern sollte, 460 führte die Unterstellung unter eine unmittelbar dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht unterstehende Dienststelle doch dazu, daß die Feldgendarmen aus dem Befehlsbereich der Teilstreitkräfte herausgelöst wurden und fortan einer Truppengattung angehörten, die als ein „Organ der Gesamtwehrmacht" zu betrachten war. 4 6 1 Dementsprechend wurden die Feldgendarmen wie zuvor bereits die Angehörigen des Wehrmachtstreifendienstes durch Ziffer 6 des Befehls vom 15.02.1945 dann auch mit einer teilstreitkraftübergreifenden sachlichen Zuständigkeit ausgestattet, so daß sie fortan gegenüber allen Wehrmachtangehörigen von ihren Befugnissen Gebrauch machen konnten. 462 Diese Angleichung 458

Später wurde die Versetzung eines der Ordnungspolizei entnommenen Feldgendarmen, der keinen Offiziersrang innehatte, durch die Ziffer 2 der bereits erwähnten Verfügung vom 24.05.1941 (s.o. Fn. 456) sogar vollständig untersagt. 459 WFSt/Org. (I) Nr. 742/45 geh., BA-MA RW 4/878, ohne Blattangabe. 460 So sollten die Feldgendarmen anfänglich gemäß Ziffer 3 Abs. 2 des Befehls vom 15.02.1945 während ihres Einsatzes in allen taktischen und disziplinaren Belangen ebenso wie hinsichtlich der Versorgung unverändert im alleinigen Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Oberbefehlshaber, Befehlshaber und Kommandeure verbleiben, da der Chef der Wehrmacht-Ordnungstruppen ursprünglich nur ein fachliches Weisungsrecht und die personelle Steuerung beanspruchen konnte. Zu diesem Zweck wurden ihm für seinen Befehlsbereich allerdings die Befugnisse eines Armeeoberbefehlshabers eingeräumt, wodurch er die gleiche Rechtsstellung erhielt wie die Befehlshaber der drei Feldjägerkommandos [vgl. dazu ausführlich das 5. Kapitel sub C.]. Zudem konnte er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben gemäß Ziffer 2 des Befehls vom 15.02.1945 des Stabes „des bisherigen Chefs des Wehrmachtstreifendienstes" bedienen. 461 Vgl. Ziffer 1 der „Durchführungsbestimmungen für die Zusammenfassung der Wehrmacht-Ordnungstruppen" vom 18.03.1945, BA-MA RW 4/878, ohne Blattangabe. 462 Hingegen blieb die örtliche Zuständigkeit nach wie vor auf den Befehlsbereich der ihnen jeweils vorgesetzten Kommandobehörde beschränkt, da ihre kriegsgliede-

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des Zuständigkeitsbereiches der Feldgendarmerie an denjenigen des Wehrmachtstreifendienstes diente in erster Linie der Verwirklichung des dem Befehl vom 15.02.1945 erklärtermaßen zugrunde liegenden Ziels, die Schlagkraft der ordnungsdienstlichen Kräfte innerhalb der Armee zu erhöhen. Aus dem gleichen Grunde war zudem geplant, die Wehrmachtordnungstruppen unter Auflösung der bislang bestehenden Organisationsstrukturen in eine einheitliche neue Truppengattung zu verwandeln. Mittelfristig sollte diese Einheit „durch eine planmäßige Angleichung der Ausbildung und Befugnisse der Überwachungseinheiten des Wehrmachtstreifendienstes und der Feldgendarmerie" hergestellt werden. 463 Während es dazu jedoch in den verbleibenden Kriegsmonaten tatsächlich nicht mehr kommen konnte, wurden zur Herbeiführung der angestrebten organisatorischen Vereinheitlichung aber auch solche Maßnahmen ergriffen, die ihre Wirkung ohne Zeitverzug entfalten konnten. So wurde etwa der bisherige „Höhere Feldgendarmerie-Offizier beim OKH" aus dem Bereich des Heeres herausgelöst und unter Anpassung seiner Dienststellenbezeichnung als „Höherer Feldgendarmerie-Offizier beim Chef der Wehrmacht-Ordnungstruppen" dem OKW unterstellt. 464 Zudem erhielt der Chef der Wehrmacht-Ordnungstruppen gemäß Ziffer 4 Abs. 2 des Befehls vom 15.02.1945 die Befugnis, nach den Weisungen des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht den Heeresgruppen, den Armeeoberkommandos und den territorialen Kommandobehörden selbst dann einzelne Wehrmachtstreifengruppen und Feldgendarmerieeinheiten zuzuweisen, wenn dadurch der für diese Dienststellen in den Kriegsstärkenachweisungen an sich vorgesehene Kräfteansatz für die Ordnungsdienste bei weitem überschritten wurde. Damit war es ihm ermöglicht worden, die Wehrmacht-Ordnungstruppen zur Bekämpfung aller „Umstände, die mittelbar oder unmittelbar die Manneszucht gefährden oder untergraben", schwerpunktmäßig einzusetzen, ohne daß es dabei noch in irgendeiner Weise darauf ankam, ob die einer Kommandobehörde zusätzlich unterstellten Einheiten der Feldgendarmerie oder dem Wehrmachtstreifendienst entstammten. In ähnlicher Weise wurde dann auch auf den nachgeordneten Führungsebenen dafür gesorgt, daß der Einsatz aller ordnungsdienstlichen Kräfte innerhalb eines Befehlsbereiches nur noch von einem einzigen Führer zu koordinieren war. Zu diesem Zweck wurden beispielsweise bei den Armeen sämtliche dauernd zugeteilten Wehrmacht-Ordnungstruppen zu einer Einheit zusammengefaßt und einem „Kommandeur der Wehrmacht-Ordnungstruppen" unterstellt, der den „Kommandeur der Feldgendarmerie beim A.O.K." ersetzte und fortan allein für die Durchführung und Abstimmung des rungsmäßige Zuordnung - wie im Text bereits erwähnt - durch den Befehl vom 15.02.1945 nicht angetastet wurde (vgl. auch den Aktenvermerk „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht", BA-MA BW 9/1578, (Bl. 133 ff. d.A.), Bl. 137 d.A.) 463 Vgl. Ziffer 2 der Durchführungsbestimmungen vom 18.03.1945, BA-MA, a.a.O. (s.o. Fn. 461). 464 Vgl. Ziffer 4 lit. a) der Durchführungsbestimmungen vom 18.03.1945.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

militärpolizeilichen Kräfteeinsatzes innerhalb des Armeegebietes verantwortlich war. 4 6 5 Indessen können alle diese Neuregelungen der Unterstellungsverhältnisse ebensowenig wie die beschriebenen Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb der Spitzengliederung der Wehrmacht-Ordnungstruppen darüber hinwegtäuschen, daß die angestrebte Zusammenfassung aller ordnungsdienstlichen Formationen zu einer einheitlichen neuen Truppengattung in der verbleibenden Zeit bis zum Ende des zweiten Weltkrieges nicht über das Stadium eines Provisoriums hinausgekommen ist. Eine vollständige Integration der Feldgendarmerie in die neu geschaffene Wehrmacht-Ordnungstruppe ist letztlich nicht mehr erreicht worden. Das wird nicht zuletzt auch daran deutlich, daß die H.Dv. 275 (1940) zu keiner Zeit außer Kraft getreten ist und daher bis zum 08.05.1945 fortgalt. Trotz aller organisatorischer Veränderungen, die der Befehl vom 15.02.1945 in den letzten Kriegsmonaten noch hervorrief, kann also nicht davon gesprochen werden, daß die Feldgendarmerie vorzeitig aufgehört hätte, als eigenständige Truppengattung zu existieren. Ihre Formationsgeschichte endete daher erst dann, als die Kämpfe auf dem europäischen Kriegsschauplatz nach der Kapitulation der Wehrmacht zum Erliegen kamen. I L Die Aufgaben der Feldgendarmerie Betrachtet man nun im Anschluß an die Organisation der Feldgendarmerietruppe das dieser zugewiesene Aufgabenspektrum, so fällt zunächst einmal auf, daß es die für alle militärpolizeilichen Formationen typische Dreiteilung in militärischen Ordnungsdienst, sicherheitspolizeiliche Tätigkeiten und militärischen Verkehrsdienst aufwies. Darüber hinaus sollten die Feldgendarmen aber zusätzlich zu „den wehrmachtpolizeilichen Aufgaben auch die gesamte ordnungspolizeiliche Tätigkeit" im besetzten Feindesland verrichten. 466

465 Vgl. Ziffer 4 lit. b) der Durchführungsbestimmungen vom 18.03.1945, wo zudem befohlen wird, daß die bisherige Dienstanweisung des „Kommandeurs der Feldgendarmerie" zunächst in Kraft bleiben und auf den neu geschaffenen „Kommandeur der Wehrmacht-Ordnungstruppen" entsprechende Anwendung finden sollte. 466 Vgl. Ziffern 5 und 7 der H.Dv. 275 (1938). Im Hinblick auf die Aufgaben der Feldgendarmerie stimmen die Regelungen der Feldgendarmerievorschrift des Jahres 1938 inhaltlich ganz überwiegend mit denen der Neufassung vom 27.07.1940 überein. Gleichwohl liegt den folgenden Ausführungen grundsätzlich nur die Dienstvorschrift aus dem Jahre 1940 zugrunde, da darin bereits die ersten Kriegserfahrungen des Polenfeldzuges verarbeitet worden waren. Die ursprüngliche Fassung der H.Dv. 275 wird daher nur dann herangezogen, wenn ihr Regelungsgehalt über denjenigen der überarbeiteten Version hinausgeht.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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1. Der militärische Verkehrsdienst Als wichtigste Aufgabe der Feldgendarmerie bezeichnete Ziffer 38 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) jedoch den Einsatz im Verkehrsdienst. 467 Dieser bestand gemäß Ziffer 38 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) „neben der allgemeinen Überwachung der Verkehrsdisziplin und der Einhaltung der Verkehrsbestimmungen 468 vor allem in einer planmäßigen Verkehrsregelung unter schwierigen Verhältnissen, wo die eigenen Kräfte der Truppe nicht ausreichen und größere Truppenansammlungen oder Bewegungen den Verkehr erschweren." Wann genau eine solche planmäßige Verkehrsregelung nun im einzelnen für erforderlich gehalten wurde, bestimmte sodann Ziffer 38 Abs. 3 der H.Dv. 275 (1940). 469 Danach 467 Demgegenüber hatte Ziffer 8 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1938) lediglich davon gesprochen, die verkehrsdienstliche Tätigkeit der Feldgendarmerie stelle eine ihrer „wichtigsten wehrmachtpolizeilichen Aufgaben" dar. Ganz offensichtlich gehörte also der sonach feststellbare Bedeutungszuwachs des Verkehrsdienstes zu denjenigen Erkenntnissen, die aus der Analyse der Ereignisse dès ersten Kriegsjahres gewonnen worden waren. 468 Dazu zählte nach einem vom 14.08.1940 datierenden Befehl des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich, betreffend den Einsatz der Feldgendarmerie innerhalb seines Bereiches, nicht zuletzt auch die „Kontrolle der befohlenen Personal- und Wagenpapiere" (BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe). Ein weiteres Beispiel für den Einsatz der Feldgendarmerie auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung läßt sich einem Befehl des Kommandanten für das rückwärtige Korpsgebiet 19 vom 06.11.1944 entnehmen, denn darin wurde u.a. folgendes angeordnet: „Gemäß Bezugsbefehl dürfen die Verkehrsschilder für die Durchgangsstraßen (durch römische Zahlen bzw. große lateinische Buchstaben kenntlich) von der Truppe weder bemalt noch mit anderen Hinweisschildern benagelt oder überdeckt werden. [...]. Zum Kenntlichmachen der Unterkünfte usw. hat die Truppe eigene Schilder zu verwenden und gesondert anzubringen. Die Feldgendarmerietrupps überwachen die Innehaltung dieser Bestimmungen und sorgen für die Abstellung von Verstößen" (BA-MA RW 17/192, Bl. 3 d. A.). 469 Dagegen enthielt die Vorschrift zu der Frage, wie der Verkehrsregelungsdienst organisiert und ausgeführt werden sollte, keinerlei Bestimmungen. Ein Anhaltspunkt läßt sich insoweit jedoch der Anlage 1 zu dem Befehl O.K.H OQu DI Nr. 350/38 geh. aus dem Juli 1938 (BA-MA RH 12/240, ohne Blattangabe) entnehmen, denn darin wird zur „Regelung der Bewegung motorisierter Truppen zum Einsatz" u. a. folgendes ausgeführt: „An schwierigen Stellen erfolgt die Verkehrsregelung durch die Kommandobehörden, zu welchem Zweck Korps und Divisionen den motorisierten Feldgendarmerietrupp [...] einsetzen, der im Sinne des Truppenführers einen glatten Ablauf der Bewegungen sicherstellen helfen soll. [...]. Der Einsatz erfolgt zweckmäßig derart, daß Streifen die [...] zu benutzenden Straßen abfahren, das Freimachen [...] im Auftrag des Truppenführers anordnen und nach Beendigung der Bewegung die Straße wieder freigeben. An schwierigen Stellen regeln Posten den Ablauf der Bewegungen im Sinne des Befehls des Truppenführers (Ausgabe von Weisungen, evtl. einer Zeitübersicht an Streifen und Posten). In schwierigen Lagen ist es zweckmäßig, Offiziere mit der Verkehrsregelung an Brücken, in Ortschaften usw. zu beauftragen, u.U. auch Straßenkommandanten einzusetzen." Ergänzend finden sich bei Witter, S. 4 f., dann noch die folgenden Informationen: „Within the German armoured division [...] the military police detachement formed the backbone of all the diverse elements that ultimately constituted the whole of the divisional traffic control Organization. [...]. When the detachement was at füll strength and completely available, a maximum of from twelve to fifteen traffic control posts could be established. However, for reasons of

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

war die Verkehrsregelung durch Feldgendarmen in erster Linie vorgesehen „auf den Vor- bzw. Rückmarschstraßen, in Ortschaften, an Straßenkreuzungen, Einbahnstraßen, Umleitungen, Brücken, Unterführungen und Engen, bei Gegenverkehr, insbesondere bei operativen Bewegungen, wenn auf engem Raum motorisierte Einheiten und Verbände zusammentreffen oder über größere Räume hinweggeführt werden müssen und somit Verkehrsbeschränkungen erforderlich sind." Zudem sollte die Feldgendarmerie auch „bei starkem Verkehr auf den Nachschubstraßen und an größeren Versorgungseinrichtungen (Ausladebahnhöfen, Lagern, Parken, Ausgabe- und Umschlagstellen)" sowie „in allen sonstigen Fällen, in denen infolge besonderer Verhältnisse Verkehrssteigerungen und Verkehrsschwierigkeiten [...] durch Feindeinwirkungen jeder Art, Flüchtlingsbewegungen", Wettereinflüsse oder ähnliche Faktoren zu erwarten waren, verkehrsregelnd tätig werden. Neben der vor allem anläßlich der dargestellten Gelegenheiten durchzuführenden Verkehrsregelung bildete die Verkehrsunfallaufnahme einen zweiten Schwerpunkt der Aufgaben, die von der Feldgendarmerie im Rahmen des militärischen Verkehrsdienstes zu erfüllen waren. Dabei richtete sich die von den Feldgendarmen erwartete konkrete Tätigkeit gemäß Ziffer 40 der H.Dv. 275 (1940) in erster Linie danach, ob an dem zu bearbeitenden Unfallereignis Fahrzeuge und Angehörige der Wehrmacht beteiligt waren oder nicht. So mußte die Feldgendarmerie gemäß Ziffer 40 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) bei Verkehrsunfällen, an denen ausschließlich Fahrzeuge und Angehörige der Wehrmacht beteiligt waren, den gesamten Tatbestand in eigener Verantwortung ermitteln. Waren hingegen „bei Verkehrsunfällen im eigenen Land Zivilfahrzeuge oder Zivilpersonen beteiligt", so hatten die erforderlichen Ermittlungen nach Ziffer 40 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) „im Einvernehmen mit der zuständigen örtlichen Polizeidienststelle zu erfolgen." „Bei Verkehrsunfällen im eigenen Lande, an denen weder Fahrzeuge noch Angehörige der Wehrmacht beteiligt" waren, wurde die Tätigkeit der Feldgendarmen durch Ziffer 40 Abs. 3 der H.Dv. 275 (1940) schließlich „auf die erste Hilfeleistung" beschränkt. Eine Tatbestandsaufnahme durfte insoweit nur dann vorgenommen werden, wenn „keine örtlich zuständigen Polizeiorgane zu erreichen" waren. Auch in diesem Fall oblag jedoch

sickness, losses, furloughs or vacancies, usually no more than six to eight control posts could be established in actual practice. A traffic control post was normally composed of four MP's and one messenger and was equipped with two light personnel carriers and one motorcycle. In unusual situations or under extremely critical circumstances traffic control elements of a military police battalion from a higher headquarters were sometimes placed at the disposal of an armoured division in platoon or company strength for limited periods or within specific areas. Since the traffic control personnel within the detachement was usually below strength, its employment had to be carefully plannend. Some personnel always had to be held in reserve to cope with unexpected emergency situations."

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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„die weitere Bearbeitung [...] der zuständigen Polizeidienststelle", der die Feldgendarmen folgerichtig die „getroffenen Feststellungen zuzuleiten" hatten. Über die so umschriebene Unfallaufnahme hinaus umfaßte der militärische Verkehrsdienst nach der geltenden Vorschriftenlage dann nur noch wenige weitere Obliegenheiten. Dazu gehörte gemäß Ziffer 41 lit. e) der H.Dv. 275 (1940) zunächst einmal die „Sorge für das Beseitigen von Verkehrshindernissen, insbesondere auf den Vor- und Rückmarsch- sowie den Nachschubstraßen". 470 Zu nennen ist zudem die Pflicht, die von der Wehrmacht benutzten Straßen zu kennzeichnen und zu beschildern. 471 Schließlich waren Feldgendarmen dann auch noch dafür verantwortlich, „in Zusammenarbeit mit den [...] Straßen-Instandsetzungsdiensten" die Ausbesserung von beschädigten Marschstraßen zu veranlassen. 472 2. Die ordnungsdienstlichen Pflichten der Feldgendarmerie Während alle diese verkehrsdienstlichen Aufgaben aus naheliegenden Gründen vor allem von denjenigen Feldgendarmerieeinheiten zu erfüllen waren, die man der kämpfenden Truppe zugewiesen hatte, nahm der militärische Ordnungsdienst vornehmlich die Feldgendarmeriekräfte der territorialen Befehlshaber in Anspruch. Zwar hatte gemäß Ziffer 41 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) im allgemeinen jeder Feldgendarm die Pflicht, das „vorschriftsmäßige und disziplinierte Verhalten der Wehrmachtangehörigen insbesondere dort, wo sie den Augen ihrer unmittelbaren Vorgesetzten entzogen sind", zu überwachen, 473 doch 470 Gedacht wurde insoweit vor allem an „beschädigte und stehen gelassene Fahrzeuge, Kadaver, Leichen usw.", da diese gerade „zur Nachtzeit eine Gefahr" für den Verkehr darstellten (vgl. Ziffer 11 lit. a) der H.Dv. 275 (1938), die als Vorbild für die Ziffer 41 lit. e) der H.Dv. 275 (1940) gedient hatte). 471 Vgl. Witter, S. 4, der diese von der H.Dv. 275 nicht eigens erwähnte Tätigkeit als „posting signs and marking posts" beschreibt. 472 Vgl. neben Ziffer 41 lit. e) der H.Dv. 275 (1940) abermals auch Ziffer 11 lit. a) der H.Dv. 275 (1938). 473 Zu diesem Zweck mußten die Führer aller Feldgendarmerieeinheiten gemäß Ziffer 44 der H.Dv. 275 (1940) „innerhalb ihres zugewiesenen Dienstbezirks einen regelmäßigen Streifendienst" einrichten, „sofern sie von ihrer vorgesetzten Kommandobehörde keine anderen Befehle erhalten" hatten. Ein typisches Problem, mit dem sich die eingeteilten Feldgendarmeriestreifen im Rahmen ihrer Obliegenheit zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin und Ordnung zu befassen hatten, bestand im Umgang mit betrunkenen Soldaten. So berichtet etwa ein ehemaliger Angehöriger des Feldgendarmerietrupps der 164. Infanteriedivision über seine diesbezüglichen Erfahrungen folgendes: „In der Zeit der Besetzung Nordgriechenlands durch die 164. ID. war ich auch öfters als Streifenführer eingeteilt worden. Da der griechische Wein für die Wehrmachtangehörigen eine gewisse Gefahr darstellte, hatte ich öfters mit betrunkenen Soldaten mich zu befassen. Für die Behandlung von Betrunkenen galt (wie schon in der alten Wehrmacht vor 1918) folgender Leitsatz: Der Betrunkene muß, sei es von Kameraden, sei es von Feldgendarmen möglichst geschickt und unauffällig in sein Quaitier gebracht werden" (BA-MA MSg 2/785, ohne Blattangabe). Obgleich so-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

war dies bei den Fronttruppen erfahrungsgemäß viel seltener vonnöten als in den rückwärtigen Bereichen. Zudem gab es eine Reihe von ordnungsdienstlichen Tätigkeiten, die ihrer Natur nach in den weiter zurückliegenden Gebieten des besetzten Feindeslandes oder gar der Heimat erheblich häufiger zu verrichten waren als in der Nähe der Front. Das wird bei der durch Ziffer 42 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) vorgeschriebenen Kontrolle der Urlauber und ihres Gepäcks auf Bahnhöfen und in Zügen besonders deutlich 4 7 4 Aber auch bei der in Ziffer 41 lit. c) der H.Dv. 275 (1940) vorgesehenen Nachforschung nach „Wehrmachtangehörigen, die sich eigenmächtig von ihrer Truppe usw. entfernt haben", handelte es sich typischerweise um eine Aufgabe, die schwerpunktmäßig im Rücken des Operationsgebietes zu erfüllen war. 4 7 5 Ähnliches gilt überdies auch noch für die gemäß Ziffer 42 lit. b) der H.Dv. 275 (1940) ausdrücklich „vornehmlich der Feldgendarmerie der Feld- und Ortskommandanturen" vorbehaltenen Obliegenheiten des Sicherstellens „der Erkennungsmarken, Soldbücher, Barschaften usw. Gefallener" sowie der Sorge für deren Bestattung. 476 Demgegenüber gab es allerdings auch Aufgaben, die lediglich in Frontnähe anfielen.

nach die Trunkenheit keine Seltenheit gewesen sein dürfte, fehlte es der H.Dv. 275 (1940) trotz ihrer ansonsten großen Regelungsdichte überraschenderweise an einer eigenständigen Vorschrift über die Behandlung berauschter Soldaten. Das Einschreiten gegen alkoholisierte Wehrmachtangehörige konnte mithin nur auf die „ordnungsdienstliche Generalklausel" der Ziffer 41 lit. a) gestützt werden. 474 Dementsprechend waren es dann auch vorwiegend territoriale Dienststellen, die Maßnahmen nach Ziffer 42 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) bzw. deren Vorgängerregelung in Ziffer 10 lit. c) der H.Dv. 275 (1938) befahlen. So heißt es etwa in einer Anweisung der Standortkommandantur Koblenz vom 28.11.1939: „Ab heute wird [...] eine Bahnhofskontrolle durch Feldgendarmerie eingerichtet. Die Kontrolle [...] erstreckt sich auf Prüfen der Ausweise, Fahrausweise, Urlaubsscheine, des Reisezwecks und Überprüfung des Anzugs. [...]. Das Feldgendarmeriekommando ist von mir angewiesen, alle Soldaten, deren Aufenthalt auf dem Bahnhof (einschließlich Bahnsteige, Wartesäle, Bahnhofshalle) nicht notwendig ist, also die nicht auf Reise oder aus dienstlicher Veranlassung dort sind, aus dem Bahnhof zu weisen" (BA-MA RH 34/ 313, ohne Blattangabe). In einem anderen Fall war es dann der Kommandant für das rückwärtige Armeegebiet 580, der einem Eintrag in sein Kriegstagebuch Nr. 17 vom 24.11.1942 zufolge einen unter Ziffer 42 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) zu subsumierenden Befehl gab, in dem er u.a. folgendes anordnete: „Von Feldgendarmerieabteilung 696 wird ständig ein Posten gestellt, der [...] für die reibungslose Abwicklung des Urlauberverkehrs zu sorgen hat. Zur Zeit werden in den Baracken täglich 200-300 Urlauber untergebracht" (BA-MA RH 23/180, Bl. 190 d.A.). 475 Obwohl die genannte Regelung im Gegensatz zu der entsprechenden Vorschrift der Ziffer 10 lit. b) der H.Dv. 275 (1938) die Feldgendarmen nicht mehr ausdrücklich auch für die Rückführung des ergriffenen Soldaten zu seinem Truppenteil verantwortlich machte, dürfte kaum anzunehmen sein, daß insoweit eine Änderung gewollt war. 476 Letzteres gehörte indessen nach der Neufassung der H.Dv. 275 nur noch subsidiär zum Pflichtenkreis der Feldgendarmerie, da insoweit in erster Linie die Baubataillone herangezogen wurden. Nur wenn diese nicht verfügbar waren oder ihre Kräfte nicht ausreichten, war die Feldgendarmerie gemäß Ziffer 43 lit. d) der H.Dv. 275 (1940) für das „Aufräumen des Schlachtfeldes" zuständig, worunter im übrigen neben der Bestattung Gefallener auch das „Vergraben von Kadavern" zu verstehen war.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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So beschränkte etwa Ziffer 41 lit. d) der H.Dv. 275 (1940) die Verantwortlichkeit der Feldgendarmerie für das Einrichten von Gefangenensammelstellen gänzlich unzweideutig auf das „Gefechtsgebiet". 477 Dort waren dann auch gemäß Ziffer 43 lit. e) der H.Dv. 275 (1940) etwa liegengebliebene Ausrüstungsstücke und Waffen der eigenen Truppe sowie zurückgelassene Beutegegenstände des Feindes aufzusammeln. Schließlich ist noch auf eine letzte Tätigkeit mit ordnungsdienstlichem Charakter hinzuweisen, die von allen Feldgendarmen gleichermaßen zu erledigen war. 4 7 8 Gemäß Ziffer 41 lit. b) der H.Dv. 275 (1940) hatten sie nämlich gänzlich unabhängig von ihrem konkreten Einsatz-

477 Das hatte seinen Grund darin, daß Ziffer 41 der H.Dv. 90 „Versorgung des Feldheeres" (BA-MA RHD 4/90) die Zuständigkeit für das Einrichten von Gefangenensammelstellen im rückwärtigen Armeegebiet den Wachbataillonen zuwies. Diese waren zudem auch grundsätzlich alleine für die Bewachung der in den Sammellagern internierten Kriegsgefangenen zuständig. Feldgendarmen durften insoweit an sich nicht einmal dann herangezogen werden, wenn sie das Lager selber eingerichtet hatten. Allenfalls in besonderen Ausnahmefällen und bei Gefahr im Verzug war der Einsatz von Feldgendarmeriekräften zur Bewachung und zum Abtransport gefangener Soldaten gemäß Ziffer 43 lit. b) der H.Dv. 275 (1940) statthaft. 478 Soweit die H.Dv. 275 (1938) darüber hinaus in ihrer Ziffer 10 lit. d) und e) noch das „Einrichten von Versprengtensammelstellen", das „Sammeln von Versprengten und Zuführen zu Versprengtensammelstellen oder Truppenteilen" sowie das „Einrichten von Auskunftsstellen" als Obliegenheiten der Feldgendarmerie aufgezählt hatte, war dies bei der Neufassung der Feldgendarmerievorschrift vom 29.07.1940 nicht mehr der Fall. Ob aber deshalb eine Tätigkeit der Feldgendarmen im Bereich der Betreuung versprengter Soldaten seit dieser Zeit nicht mehr vorkam, hat sich nicht mit letzter Sicherheit klären lassen. Während nämlich etwa Witter trotz seiner ansonsten sehr ausführlichen Darstellung des Aufgabenspektrums der Feldgendarmerie den Problemkreis der Versprengten mit keinem Wort erwähnt, gehen der Aktenvermerk über „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht" (BA-MA BW 9/ 1578, Bl. 133 ff. d.A., Bl. 135 d.A.), Böckle, S. 163, und Williamson, S. 7, offenbar davon aus, daß die Feldgendarmerie während des gesamten Krieges versprengte Soldaten zu ihren Einheiten zurückgeführt hat. Diese Annahme kann sich immerhin auf die Regelungen der Ziffer 37 der aus dem Jahre 1941 stammenden Fassung der H.Dv. 90 berufen, denn darin werden das Sammeln von Versprengten und die Einrichtung von Auskunftsstellen sogar als beispielhaft für das ordnungsdienstliche Aufgabenspektrum der Feldgendarmerie angesehen. Überdies heißt es auch in Ziffer 40 der H.Dv. 90, daß „Versprengtensammelstellen und Auskunftsstellen [...] nach Bedarf durch [...] Feldgendarmerieeinheiten bei den Stabsquartieren oder an größeren Verkehrsknotenpunkten" einzurichten seien, um „Versprengte und Nachzügler abbeförderter Truppenteile sowie einzelne zurückgekehrte Urlauber- und Ersatztransporte, sofern sie nicht ein zweifelsfreies Marschziel haben, vorübergehend unterzubringen, zu verpflegen und weiterzuleiten." Auskunftsstellen müßten daher „unter Wahrung der Geheimhaltung vom Armeeoberkommando über den Aufenthalt der Truppe auf dem laufenden gehalten" werden. Obwohl also dem benutzten Quellenmaterial kein sicherer Hinweis auf eine Tätigkeit der Feldgendarmerie im Zusammenhang mit der Rückführung versprengter Soldaten zu entnehmen ist, muß doch der Umstand, daß die H.Dv. 90 im Jahr nach dem Inkrafttreten der H.Dv. 275 (1940) insoweit detaillierte Regelungen enthielt, als ein starkes Indiz für ein Redaktionsversehen bei der Überarbeitung der ursprünglichen Fassung der Feldgendarmerievorschrift aus dem Jahre 1938 gewertet werden.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

räum den ständigen Auftrag, strafbare Handlungen von Wehrmachtangehörigen nach Möglichkeit schon im Ansatz zu verhindern. 479 3. Die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben Die klassische militärpolizeiliche Aufgabentrias wurde sodann komplettiert durch zahlreiche sicherheitspolizeiliche Obliegenheiten. So mußten die Feldgendarmen gemäß Ziffer 41 lit. f) der H.Dv. 275 (1940) zunächst einmal im Einvernehmen mit der Geheimen Feldpolizei Gebäude oder Räumlichkeiten, „in denen feindliche Stäbe untergebracht waren, nach Schriftstücken, Nachrichtenanlagen usw." durchsuchen und dort „aufgefundene Schriftstücke [...] auf dem schnellsten Wege dem Armeeoberkommando" zukommen lassen. In ähnlicher Weise hatten sie gemäß Ziffer 42 lit. c) der H.Dv. 275 (1940) auch feindliche Gefallene und Verwundete „nach Befehlen, Karten, Aufzeichnungen und sonstigen wichtigen Schriftstücken" zu durchsuchen. Überdies waren sie gemäß Ziffer 42 lit. d)-f) der H.Dv. 275 (1940) für die Sicherstellung feindlichen Propagandamaterials, die „Fahndung nach Personen, die aus feindlichen Flugzeugen abgesetzt werden", die „Sprengung gefundener Blindgänger" sowie die „Erkundung und Meldung aller für die Wehrmacht verwertbaren Vorräte des Feindes" verantwortlich. Damit waren die dem militärischen Sicherheitsdienst zuzurechnenden Pflichten der Feldgendarmerie indessen noch keineswegs erschöpft. Vielmehr müssen in diesem Zusammenhang auch noch die Tätigkeiten genannt werden, die den Feldgendarmen von Ziffer 43 lit. c) der H.Dv. 275 (1940) anläßlich außerplanmäßiger Flugzeuglandungen abverlangt wurden. Danach waren sie bei der Notlandung eines Flugzeuges der Wehrmacht dazu verpflichtet, für 479

Obschon die Vorschrift in Übereinstimmung mit ihrer Vorgängerin [vgl. Ziffer 11 lit. e) der H.Dv. 275 (1938)] in erster Linie das „Verhindern der Ausraubung Gefallener und Verwundeter" im Auge hatte, war sie völlig unproblematisch auch auf unbefugte Beitreibungen oder Plünderungen anwendbar, da beides gemäß § 129 I RMStGB strafbar war. Daher kam dem Befehl des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich betreffend den Einsatz der Feldgendarmerie in seinem Bereich vom 14.08.1940 (BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe) allenfalls eine deklaratorische Bedeutung zu, soweit darin die „Verhinderung von Plünderungen [und] unberechtigten Requisitionen" ausdrücklich als eine eigenständige Aufgabe der in Frankreich eingesetzten Feldgendarmeriekräfte aufgeführt wird. Daß diese Klarstellung auf der anderen Seite aber durchaus ihre Berechtigung hatte, läßt sich dem bereits mehrfach erwähnten Erfahrungsbericht des ehemaligen Angehörigen des Feldgendarmerietrupps der 164. Infanteriedivision entnehmen, in dem es heißt: „Auch der Raum Mezieres-Charleville hatte bei den Durchbruchskämpfen seit dem 10.05.1940 mehr oder weniger stark gelitten; die Häuser waren jedenfalls teilweise mehr oder weniger beschädigt. Die Bevölkerung war evakuiert worden oder geflohen. [...]. Unter diesen Umständen konnte der deutsche Soldat überall, wo er wollte, eintreten. Die Versuchung, sich herrenloses Gut anzueignen, war naheliegenderweise sehr groß. [...]. In einem Kriege ist es unvermeidlich, daß auch Gebäude zerstört werden und Menschen fliehen müssen; so besteht dann die Gefahr für charakterlich Schwache, sich fremdes Gut anzueignen" (BA-MA MSg 2/785, ohne Blattangabe).

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dessen Bewachung zu sorgen und seiner Besatzung jede erforderliche Hilfe zu leisten. Im Falle eines Absturzes oder einer Notlandung feindlicher Flugzeuge mußten sie hingegen deren Sicherstellung bewirken, die Besatzungen gefangennehmen und die angefallenen Trümmer und etwaigen Toten bewachen. Darüber hinaus war die Feldgendarmerie gemäß Ziffer 43 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) dann noch für den „Schutz der rückwärtigen Verbindungen und der für Kriegführung und Heeresversorgung wichtigen Einrichtungen" 480 sowie für die B e kämpfung des Banden- und Freischärlerunwesens" zuständig.481 Zudem gehör480

Dazu dürften vor allem die Eisenbahnlinien zu zählen sein. Diese waren nämlich beispielsweise der Oberfeldkommandantur in Lille so wichtig, daß sie unter dem 12.05.1944 deren ständige Beaufsichtigung anordnete: „Die aufgeführten Bahnstrecken sind einmal wöchentlich in beiden Richtungen zu kontrollieren. Nebenstrecken und Kleinbahnen, die von vorstehendem Streifenplan für die laufende Überwachung nicht erfaßt sind, sind nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Kräfte stichprobenartig zu überprüfen" (BA-MA RH 36/94, ohne Blattangabe). 481 Obgleich die Bekämpfung von Partisanen durch Feldgendarmeriekräfte in Ziffer 43 der H.Dv. 275 (1940) ausdrücklich als ein nur bei Gefahr im Verzug in Betracht zu ziehender Ausnahmefall bezeichnet wird, kam sie im Verlauf des Krieges insbesondere an der Ostfront mit zunehmender Häufigkeit vor. So heißt es etwa in einem Befehl des Kommandanten für das rückwärtige Armeegebiet 580 vom 02.11.1942: „Verschiedene Sabotageanschläge auf die Bahnstrecke Ponyri-Malsarchangelsk-Glasunowka bis zur nördlichen Armeegrenze und das Auftreten einer bewaffneten Bande von 30 Mann, die einen Russen erschossen und weitere fünf verletzt hat in Senkoba und Tagino, [...], lassen darauf schließen, daß sich eine größere Banditengruppe in den Dörfern um das große Waldstück westlich Senkoba und nördlich Tagino oder vielleicht in dem großen Waldstück selbst aufhält. 3./Feldgendarmerieabteilung 696 ist sofort zu einer Säuberungsaktion in diese Dörfer und dieses Waldstück anzusetzen" (BA-MA RH 23/180, Bl. 18 d.A.). Einen Eindruck davon, wie eine solche Säuberungsaktion dann konkret ausgesehen haben könnte, vermittelt im übrigen die Tagesmeldung eines Einsatztrupps der Feldgendarmerieabteilung 581 an den Kommandanten für das rückwärtige Armeegebiet 580 vom 07.10.1942, in der folgendes berichtet wird: „Bobrowo ist bereits heute durch Teile der 2. Kosaken-Abteilung 580 besetzt. Im Kampf wurden vier Banditen getötet, elf weitere, die sich bei Beschießung der Ortschaft in die Keller verkrochen hatten, sind erhängt worden. Verfolgung der zurückweichenden Banditen wird aufgenommen" (BA-MA, a.a.O., Bl. 40 d.A.). Angesichts dieser Ausführungen muß wohl der Einschätzung Böckles, S. 163, und Witters, S. 6, entgegengetreten werden, wonach der Tatsache, daß es nach dem Krieg keine ,»Feldgendarmerieprozesse" gegeben hat, zu entnehmen sein soll, daß sich die Feldgendarmen an die Regeln des Kriegsvölkerrechts gehalten hätten. Trotz der zugrunde liegenden marxistischen Geschichtsbetrachtung dürfte insoweit also das Wörterbuch zur Militärgeschichte, Stichwort „Feldgendarmerie," S. 198, der Wahrheit deutlich näher kommen, wenn es ausführt: „Die Feldgendarmerie der faschistischen deutschen Wehrmacht beging Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in großem Ausmaße. Seinen Höhepunkt erreichte ihr Terroreinsatz in den zeitweise vom deutschen Faschismus okkupierten Gebieten der Sowjetunion. Hier wurden die Feldgendarmen in engem Zusammenwirken mit der Geheimen Feldpolizei und anderen Repressivorganen hauptsächlich gegen die ständig anwachsende sowjetische Partisanenbewegung, bei der Verschleppung der Sowjetbevölkerung zur Zwangsarbeit sowie zur Verfolgung der seit 1942/43 stark zunehmenden antifaschistischen und Antikriegsregungen in den faschistischen deutschen Streitkräften eingesetzt." Für eine solche Sicht der Dinge spricht zudem der auf die Erinnerungen eines ehemaligen Feldgendarmen

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

ten gemäß Ziffer 47 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) sogar die „Abwehr von Spionage und Sabotage", 482 die „Bekämpfung des Landesverrates und der Zersetzung" sowie die „Bearbeitung aller Verdachtsfälle politischer und strafrechtlicher Art" zu den sicherheitspolizeilichen Aufgaben der Feldgendarmerie. 483 Schließlich machte es Ziffer 46 der H.Dv. 275 (1940) den Feldgendarmen dann noch ganz allgemein zur Pflicht, „alle für die Kriegführung wichtigen Mitteilungen aus den Kreisen der Bevölkerung oder eigene Wahrnehmungen und Feststellungen [...] unverzüglich ihrer vorgesetzten Dienststelle" zu melden. 484 gestützte Bericht von Williamson, S. 8, in dem es u.a. heißt: „ A c c o r d i n g to Herrn Heuer, in these late days of the war Feldgendarmerie personnel caught by the Soviets could expect short shrift; indeed, rumours abounded of a »bounty' offered for the head of any Feldgendarm taken. Certainly these rumours were taken seriously by the Germans: each Feldgendarm was issued with a second Soldbuch [...] falsely showing the holder as an »ordinary* soldier whose capture would be uninteresting to the Soviets. When capture was imminent the Feldgendarm would merely throw away his duty gorget and real Soldbuch and on capture present his fake Soldbuch in the hope of avoiding execution." Obschon im Rahmen dieser Arbeit die Frage nach dem Verhalten der Feldgendarmerie im zweiten Weltkrieg nicht weiter vertieft werden kann» muß nach all dem doch zumindest festgehalten werden, daß die Bandenbekämpfung durch Feldgendarmen auf dem östlichen Kriegsschauplatz nur schwerlich immer im Einklang mit den anerkannten Prinzipien des Kriegsvölkerrechts gestanden haben kann, wenn sie sogar die Auslobung eines Kopfgeldes durch den Gegner provoziert hat. 482 Insbesondere in den rückwärtigen Bereichen und den besetzten Gebieten des feindlichen Auslandes gehörte die Verhinderung von Sabotageakten aus naheliegenden Gründen zu den Hauptaufgaben der Feldgendarmerie, da dort trotz einer vergleichsweise geringen Truppenpräsenz eine große Anzahl von Brücken, Bahnanlagen, Nachrichtenmitteln und sonstigen militärisch bedeutsamen Einrichtungen wie Wasser-, Elektrizitäts- oder Gaswerke soweit wie irgend möglich vor Beschädigungen oder gar Zerstörungen bewahrt werden mußten (vgl. dazu etwa Ziffer 5 des Befehls des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich betreffend den Einsatz der Feldgendarmerie in seinem Bereich vom 14.08.1940, BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe). Insoweit überschnitt sich daher die Sabotageabwehr mit der in Ziffer 43 lit. a) der H. Dv. 275 (1940) vorgesehenen und im Text bereits beschriebenen Pflicht zum Schutz rückwärtiger Verbindungen und kriegswichtiger Einrichtungen. 483 Da insoweit aber zugleich auch die Zuständigkeit der Geheimen Feldpolizei gegeben war, enthielt Ziffer 47 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) zusätzlich noch einige Bestimmungen über die Zusammenarbeit beider Formationen. Danach war das Einschreiten der Feldgendarmerie aus sicherheitspolizeilichen Gründen zwar grundsätzlich nicht von einem vorherigen Ersuchen der Geheimen Feldpolizei abhängig, doch mußten deren Dienststellen umgehend informiert werden, wenn ein Feldgendarm aus eigener Entschließung mit der Wahrnehmung einer der im Text genannten Sicherheitsaufgaben begonnen hatte. Zudem war es der Feldgendarmerie „in Abwehrangelegenheiten" sogar gänzlich untersagt, eine Tätigkeit zu entfalten, die über „die unmittelbare Meldung an die nächste Dienststelle der Geheimen Feldpolizei" hinausging. Zu beachten ist jedoch, daß diese Kollisionsregeln lediglich für die in Ziffer 47 der H.Dv. 275 (1940) aufgezählten Obliegenheiten galten; ihre sonstigen sicherheitspolizeilichen Aufgaben konnten die Feldgendarmen mithin auch ohne die Beteiligung der Geheimen Feldpolizei wahrnehmen. 484 Soweit der Aktenvermerk über „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht" (BA-MA BW 9/1578, Bl. 133 ff. d.A., Bl. 136 d.A.), darüber hinaus noch davon spricht, den Feldgendarmen habe auch der Schutz und die Begleitung ho-

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4. Die übrigen Tätigkeiten der Feldgendarmerie im zweiten Weltkrieg Schon eingangs ist erwähnt worden, daß die Feldgendarmen in den besetzten Territorien nicht nur für die Erfüllung der soeben ausführlich wiedergegebenen ordnungs-, Verkehrs- und sicherheitsdienstlichen Pflichten im Rahmen der Wehrmacht zuständig waren, sondern darüber hinaus auch noch die gesamte zivilpolizeiliche Tätigkeit übernehmen mußten. Das hatte gemäß Ziffer 37 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) zur Folge, daß die Feldgendarmerie zunächst einmal alle diejenigen Aufgaben zu erledigen hatte, die in den Bereichen der „Verkehrs-, Verwaltungs-, Fremden- und Melde-, Viehseuchen-, Jagd- 485 , Fischerei-, Gesundheits-, Gewerbe- 486 , Feuer-, Feld- 4 8 7 und Forstpolizei" anfielen. Zudem war sie auch für die Ergreifung der erforderlichen „Maßnahmen auf dem Gebiete des zivilen Luftschutzes" verantwortlich. 488 Zu diesem Zweck war her Persönlichkeiten sowie der Empfang von Parlamentären oblegen, so findet das weder in der H.Dv. 275 (1938) noch in deren Neufassung vom 29.07.1940 eine konkrete Stütze. Da jedoch Ziffer 43 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) der Feldgendarmerie auch die Verrichtung von Wach- und Sicherheitsdiensten im allgemeinen zur Aufgabe machte, ist es durchaus denkbar, daß unter diese Generalklausel auch eine Tätigkeit im Bereich des Personenschutzes subsumiert ^urde. Dann mußte allerdings beachtet werden, daß sämtliche Tätigkeiten, die Ziffer 43 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) aufzählte, von Feldgendarmen nur in Ausnahmefällen und bei Gefahr im Verzug durchgeführt werden durften. Der vom erwähnten Aktenvermerk beschriebene Personenschutz kann somit zulässigerweise allenfalls unter diesen Voraussetzungen stattgefunden haben; ob dies aber tatsächlich der Fall war, hat sich anhand des benutzten Quellenmaterials nicht abschließend klären lassen. 485 Daß sich die Feldgendarmen zumindest in der Anfangsphase des zweiten Weltkrieges tatsächlich mit den Problemen der Jagdausübung befassen mußten, läßt sich anhand eines Befehls des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich vom 31.07.1940 belegen, in dem es heißt: „Die Feldkommandanten sorgen durch zweckmäßigen Einsatz der Feldgendarmerie [...] für ausreichenden Jagdschutz. [...]. Der Jagdschutz umfaßt den Schutz des Wildes vor unberechtigter Jagdausübung, vor Raubwild und Raubzügen (!), insbesondere vor wildernden Hunden und Katzen, sowie die Sorge für die Einhaltung dieser zum Schutz des Wildes und der Jagd erlassenen Vorschriften und der dazu ergehenden weiteren Anordnungen" (BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe). 486 Zu den Obliegenheiten der Feldgendarmerie im Bereich der Gewerbeaufsicht zählte gemäß Ziffer 11 lit. a) der H.Dv. 275 (1938) vor allem auch „die Überwachung der gewerblichen Unzucht und etwa vorhandener Bordelle." Obschon diese Vorschrift von der Neufassung der H.Dv. 275 nicht übernommen worden war, ist davon auszugehen, daß auf die darin vorgesehene Verwendung der Feldgendarmerie auch im weiteren Verlauf des Krieges nicht verzichtet worden ist. Eine weitere gewerbeaufsichtliche Tätigkeit der Feldgendarmen bestand dem Befehl des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich betreffend den Einsatz der Feldgendarmerie in seinem Bereich vom 14.08.1940 zufolge in der Preisüberwachung und der Bekämpfung schwarzmarktähnlicher Zustände (BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe). 487 Auch insoweit hatte der Chef der Militärverwaltung in seinem Befehl vom 14.08.1940 (vgl. die vorstehende Fußnote) spezielle Anordnungen für den Feldgendarmerieeinsatz in Frankreich getroffen, da dieser hauptsächlich der Erkundung des Zustandes der Felder und Fluren dienen sollte. 30 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

es den Feldgendarmen gemäß Ziffer 42 lit. g) der H.Dv. 275 (1940) sogar gestattet, wenn nötig die gesamte arbeitsfähige feindliche Zivilbevölkerung einer bestimmten Region zusammenzufassen und zur Arbeitsleistung zu verpflichten. Die gleiche Maßnahme durften sie im übrigen auch dann ergreifen, wenn die eigenen Kräfte zur Bestattung gefallener Soldaten oder zur Ausbesserung von Straßen nicht ausreichten. Weiterhin gehörte es gemäß Ziffer 41 lit. g) und h) der H.Dv. 275 (1940) zu den polizeilichen Aufgaben der Feldgendarmerie, die feindliche Zivilbevölkerung zu entwaffnen, zu beaufsichtigen, aus ihren „ordnungsliebenden Teilen" einen „Ortsschutz" aufzustellen und sie erforderlichenfalls zum Schutz vor der herannahenden Front zu evakuieren. 489 Schließlich waren alle Feldgendarmen gemäß Ziffer 41 lit. i) der H.Dv. 275 (1940) auch noch dazu verpflichtet, sämtliche „Aufträge und Ansuchen zuständiger Dienststellen in polizeilichen Angelegenheiten" zu erledigen. 490 Damit war an sich 488 So mußte die Feldgendarmerie beispielsweise auch im besetzten Teil Frankreichs neben der „Überwachung der Luftschutzmaßnahmen in allen von der Wehrmacht in Anspruch genommenen Gebäuden und Einrichtungen" vor allem für die Kontrolle der „Durchführung der französischen zivilen Luftschutzmaßnahmen" sorgen, soweit dies - wie etwa im Falle der Verdunkelung - „im Interesse der militärischen Belange" lag (vgl. Ziffer 9 des Befehls des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich vom 14.08.1940, BA-MA, a.a.O., s.o. Fn. 486). Zudem ist einem Befehl des zuständigen Sachbearbeiters beim A.O.K. 19 vom 17.10.1944 zu entnehmen, daß die Feldgendarmerie auch die Einhaltung der im Rahmen der Wehrmacht angeordneten Luftschutzmaßnahmen zu überprüfen hatte. So sollte sie etwa „in Ortschaften untergebrachte oder auf dem Marsch befindliche Einheiten und Soldaten auf luftschutzmäßiges Verhalten [...] (Tarnung der Fahrzeuge, Anlage von Deckungslöchern)" hinweisen und auf eine „vorschriftsmäßige Verdunkelung der Scheinwerfer am Kfz (Fahren mit abgeblendeten Scheinwerfern)" dringen (BA-MA RW 17/192, Bl. 12 d.A.). Da der Feldgendarmerie diese Pflichten indessen nicht gegenüber der Zivilbevölkerung oblagen, wurden sie auch nicht durch Ziffer 37 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) begründet. Vielmehr handelte es sich insoweit lediglich um eine Kontrolle der Einhaltung von Befehlen und damit letztlich um eine ordnungsdienstliche Tätigkeit, die auf die entsprechende Generalklausel in Ziffer 41 lit. a) der H.Dv. 275 (1940) zurückzuführen war. 489 Vgl. dazu auch den Aktenvermerk über „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht" (BA-MA BW 9/1578, Bl. 133 ff. d.A., Bl. 136 d.A.), und Williamson, S. 7. 490 Insbesondere hatten sie dem Befehl O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I n 8 (I b) Nr. 1300/42 vom 19.05.1942 (A.H.M 1942, S. 270, Nr. 498) zufolge jegliches „Ersuchen eines Gerichtsherrn oder des von ihm beauftragten Untersuchungsführers um Vornahme von Ermittlungen oder sonstigen Maßnahmen auszuführen." Daher kam es durchaus vor, daß die Feldgendarmen den „Transport von Strafgefangenen oder Beschuldigten" übernehmen mußten oder zur „Aufrechterhaltung der Ordnung bei der Durchführung von Gerichtsurteilen" herangezogen wurden (so der Aktenvermerk über „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht", BA-MA BW 9/1578, Bl. 133 ff. d.A., Bl. 135 d.A.). Daneben konnten sie unter Berufung auf Ziffer 41 lit. i) der H.Dv. 275 (1940) aber beispielsweise auch für die „Fahndung nach ausgeschriebenen Kraftfahrzeugen" oder die Lösung „sanitärer Fragen" eingesetzt werden (vgl. den Befehl des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich vom 14.08.1940, BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe). Nachweisen läßt sich zudem, daß die dem A.O.K. 19 unterstellten Feldgendarmen den „zuständigen Polizei- und Gendarmerie-Dienststellen

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der Pflichtenkreis der Feldgendarmerie im zweiten Weltkrieg vollständig abgeschlossen, da es gemäß Ziffer 2 der H.Dv. 275 (1940) strikt untersagt war, ihre Angehörigen „zu Dienstleistungen zu verwenden, die sie ihrer Bestimmung entziehen". 491 Gleichwohl wird verschiedentlich behauptet, daß einzelne Feldgendarmerieeinheiten gegen Kriegsende sogar zu Kampfeinsätzen eingeteilt worden seien. 492 So führt etwa Williamson wörtlich aus: „Towards the end of the war, many Feldgendarmen found themselves used as front line combat troops in desperate defensive or counter-attack movements, particularly on the Eastern front." 493 (GFP, SS-Gestapo)" Hilfe bei der Fahndung nach „landwirtschaftlichen Arbeitern (angeblich auf Ernteurlaub befindlichen Soldaten)" und deren anschließender „ Z u f ü h r u n g zum Gericht" leisten sollten (vgl. den Befehl des Feldgendarmerieoffiziers beim A.O.K. 19 vom 17.10.1944, BA-MA RW 17/192, Bl. 12 d. A.). Indessen war die Feldgendarmerie keineswegs nur einseitig zur Unterstützung anderer Institutionen gezwungen, sondern konnte sich vielmehr auch ihrerseits fremder Hilfe versichern. So waren gemäß Ziffer 50 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) alle übrigen Wehrmachtangehörigen verpflichtet, „den Feldgendarmen auf deren Aufforderung Hilfe und Unterstützung zu leisten". Ergänzend sah der zweite Absatz der Ziffer 50 der H.Dv. 275 (1940) dann sogar noch vor, daß selbst „die Führer von geschlossenen Abteilungen oder im Dienst befindliche Wehrmachtangehörige [...] wenn irgend angängig" dem Hilfsersuchen eines Feldgendarmen zu entsprechen hatten. Angesichts der Fülle von Aufgaben, die der Feldgendarmerie zugewiesen worden waren, dürfte von diesen Bestimmungen ein reger Gebrauch gemacht worden sein. 491 Ganz in diesem Sinne hatte auch der Chef der Militärverwaltung in Frankreich in seinem Befehl vom 14.08.1940 angeordnet, daß in Anbetracht des Mangels an ausgebildeten Feldgendarmen deren „Einteilung in Schreib- oder gar Vorzimmern" ebenso wie ihre Verwendung „als Wachtposten ganz allgemein oder gar auf Parkplätzen tunlichst zu vermeiden" sei (BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe). 492 Weniger spektakulär als eine Frontverwendung, vor dem Hintergrund der eindeutigen Verbotsbestimmung in Ziffer 2 der H.Dv. 275 (1940) aber ebenso unzulässig wie diese war der Einsatzbefehl des dem A.O.K. 19 als Sachbearbeiter zugeteilten Feldgendarmerieoffiziers vom 17.10.1944, in dem es heißt: „Nach der H.Dv. 275 [...] obliegen der Feldgendarmerie im Rahmen der Wehrmacht die Aufgaben der Ordnungspolizei sowie der Sicherheitspolizei. Neben diesen allgemeinen, überall gültigen Aufgaben, die von der Feldgendarmerie gewissenhaft zu erfüllen sind, hat [sie] noch folgendes durchzuführen: 1. Es ist besonders auf stramme Ausführung des deutschen Grußes zu achten. Auch Vorgesetzten gegenüber, die in Kraftfahrzeugen vorüberfahren, ist der deutsche Gruß zu erweisen. [...]. 2. [...] 3. Erfassung aller in den einzelnen Stadtteilen bzw. Ortschaften untergebrachten bzw. selbständig einquartierten Einheiten sowie einzelnen Soldaten für Zwecke der Aufstellung von Alarmeinheiten usw. An- und Abmeldung ist zu überprüfen" (BA-MA RW 17/192, Bl. 12 d.A.). Da sich der Befehlshaber seinen einleitenden Ausführungen zufolge ganz offenkundig darüber im klaren war, daß die zitierten Aufgabenstellungen mit der Feldgendarmerievorschrift nicht in Einklang gebracht werden konnten, handelt es sich hier um einen bewußten Verstoß gegen das Verbot der Ziffer 2 der H.Dv. 275 (1940). Angesichts der zu dieser Zeit bereits häufiger vorkommenden Kampfeinsätze der Feldgendarmerie dürfte diese Kompetenzüberschreitung des Feldgendarmerieoffiziers im Oberkommando einer Armee indessen ohne Folgen geblieben sein. 3

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

In ähnlicher Weise berichtet zudem auch Witter von der gezielten Heranziehung der Feldgendarmerie zum Kampf an der Front: „During the battle of the Luchesa Valley (Soviet Union) in December of 1942, the Feldgendarmerie of the Großdeutschland Division were utilized as infantry to support a delaying action against the Red Army. As the war progressed and the front lines drew ever closer to the heart of the Reich, practically all areas within the enclave became combat zones and as a result, Feldgendarmen often found themselves in the thick of the fighting." 494 Obschon sich diese Ausführungen anhand des benutzten Primärquellenmaterials nicht haben verifizieren lassen, spricht doch die desolate Lage der deutschen Wehrmacht in der Endphase des Krieges für ihre Richtigkeit. Es ist somit mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß die Feldgendarmerie entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung und zusätzlich zu ihren ohnehin schon umfangreichen sonstigen Aufgaben auch im Rahmen von Kampfhandlungen im Frontbereich Verwendung gefunden hat. Mit der geltenden Vorschriftenlage war dies indessen nicht vereinbar.

m . Die Rechtsstellung der Feldgendarmerie Der Befugnisrahmen, der der Feldgendarmerie im Dritten Reich zur Erfüllung ihres im vorstehenden Abschnitt ausführlich dargestellten umfangreichen Aufgabenspektrums eingeräumt worden war, wies zwar im Vergleich zur früheren Rechtslage einige durch das nationalsozialistische Rechtssystem bedingte Besonderheiten auf, hatte sich jedoch in seinen Grundzügen im wesentlichen nicht gewandelt. 1. Die Wacheigenschaft der Feldgendarmen Dementsprechend zeichnete sich auch das Verhältnis der Feldgendarmen zu den übrigen Armeeangehörigen unverändert dadurch aus, daß sie gemäß § 111 II RMStGB als militärische Wachen anzusehen waren. Das hatte zunächst einmal zur Folge, daß die Feldgendarmen auch im zweiten Weltkrieg den speziel493

Williamson , S. 8. Davon zu unterscheiden sind indessen diejenigen Kampfhandlungen, in die die Feldgendarmen gegen ihren Willen verwickelt wurden, während sie ihren regulären Dienst ausübten: „Since the Feldgendarmerie was assigned duties which brought them into close proximity of the combat zone, it was inevitable that they would, on occasion, become involved in the fighting" (Witter , S. 7; ähnlich auch Williamson, S. 7: „As the war drew towards its end, many Feldgendarmerie personnel found themselves thrown into front-line combat."). Dabei handelte es sich also um Maßnahmen der Selbstverteidigung bei Gelegenheit der Dienstausübung. Diese waren aber im Gegensatz zu den im Text genannten Kampfeinsätzen ohne weiteres mit den Regelungen der H.Dv. 275 (1940) vereinbar. 494 Witter, S. 7.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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len Schutz des § 111 RMStGB genossen, wenn sie sich in Ausübung ihres Dienstes befanden. 495 Überdies wurden sie aufgrund ihrer Wacheigenschaft nach wie vor durch § 125 RMStGB für die unberechtigte Handhabung ihrer Dienstgewalt in besonderer Weise zur Rechenschaft gezogen. 496 Ebenso wie früher waren die Feldgendarmen anfänglich auch noch dazu berechtigt, mit Ausnahme ihrer unmittelbaren Vorgesetzten allen übrigen Angehörigen der Wehrmacht Befehle zu erteilen. 4 9 7 Später wurden jedoch zusätzlich auch diejenigen Soldaten, „die den Einsatz der Feldgendarmerie" anordnen konnten, sowie alle „Generalstabsoffiziere mit besonderer Vollmacht der gemeinsamen vorgesetzten Kommandobehörde" der Befehlsgewalt der Feldgendarmen entzogen. 498 Weitere Besonderheiten ergaben sich mit Blick auf die Befehlsverhältnisse zudem immer dann, wenn einzelne Wehrmachtangehörige oder sogar ganze Truppenteile zur Unterstützung der Feldgendarmerie eingesetzt wurden. In diesem Fall stand gemäß Ziffer 6 Abs. 1 Satz 1 der H.Dv. 275 (1940) die gemeinsame Führung unabhängig von der Wacheigenschaft immer nur dem Dienstgradhöchsten zu. Sofern jedoch die beiden ranghöchsten Soldaten denselben Dienstgrad bekleideten, sollte gemäß Ziffer 22 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1938) grundsätzlich der Feldgendarm mit dem Oberbefehl ausgestattet werden. Lediglich bei Offizieren wurde zur Klärung der Führungsfrage anfänglich noch auf das jeweilige Rangdienstalter abgestellt; 499 schon in der ursprünglichen Fassung 495 Waren sie hingegen außer Dienst, so standen ihnen gemäß Ziffer 51 lit. b) der H.Dv. 275 (1940) grundsätzlich nur die Rechte ihres Dienstgrades zu. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage nach der Feldgendarmerieordnung des Jahres 1890 sah aber Ziffer 51 lit. b) Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) in Übereinstimmung mit der entsprechenden Regelung in Ziffer 17 lit. b) Abs. 2 der H.Dv. 275 (1938) bei Gefahr im Verzuge die Möglichkeit vor, daß auch an sich „nicht im Dienst befindliche Feldgendarmen gegen Wehrmachtangehörige einschreiten" konnten. Das war jedoch mit Rücksicht auf die Legaldefinition der militärischen Wache in § 111 II RMStGB lediglich dann gestattet, „wenn sie als Feldgendarmen erkenntlich sind oder sich als solche ausweisen und erklären, daß sie nunmehr als im Dienst befindlich gelten." 496 Zutreffend Hechel S. 415. 497 Vgl. Ziffer 22 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1938) sowie die ursprüngliche Fassung der Ziffer 3 der H.Dv. 275 (1940). 498 Vgl. Ziffer 3 der H.Dv. 275 (1940) in der Fassung, die sie durch die Verfügung O.K.H Chef H Rüst u. BdE, I n (I b) Nr. 3038/43 vom 08.01.1943 (A.H.M 1943, S. 25, Nr. 94) erhalten hatte; abgesehen von dem darin aufgeführten und im Text wiedergegebenen Personenkreis war zwar kein anderer Angehöriger der Wehrmacht mit Befehlsbefugnissen gegenüber den Feldgendarmen ausgestattet, doch verlieh Ziffer 5 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) allen Offizieren vom Stabsoffizier an aufwärts immerhin das Recht, „Feldgendarmen im Dienst bei Verstößen" zurechtzuweisen. Zur Festnahme eines Feldgendarmen waren hingegen gemäß Ziffer 5 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) selbst bei mißbräuchlicher Dienstausübung wiederum nur die in Ziffer 3 der H.Dv. 275 (1940) erwähnten Soldaten berechtigt. 499 Dabei war aufgrund der Verfügung O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 8370/40 vom 23.05.1940 (A.H.M 1940, S. 300, Nr. 674) zu beachten, daß sich

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

der Ziffer 6 der H.Dv. 275 (1940) hieß es dann jedoch, daß auch „bei Offizieren gleichen Dienstgrades [immer] der Offizier der Feldgendarmerie die Führung" beanspruchen konnte. Stand dann aber nach diesen Prinzipien die Führung dennoch einem „Offizier oder Unteroffizier der unterstützenden Truppe" zu, so war er dazu berechtigt, den Feldgendarmen trotz ihrer Wacheigenschaft Befehle zu erteilen. 500 In allen übrigen Fällen blieb es hingegen bei dem althergebrachten Grundsatz, daß die Feldgendarmen in Ausübung ihres Dienstes im Verhältnis zu den übrigen Soldaten der Armee befehlsbefugt waren. Wie auch schon in früheren Zeiten berechtigte sie der damit verbundene Gehorsamsanspruch überdies gemäß § 124 RMStGB noch immer zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Anordnungen. Waren jedoch die vergleichsweise strengen Tatbestandsvoraussetzungen des § 124 RMStGB 5 0 1 nicht erfüllt, so mußten sich die Feldgendarmen gemäß Ziffer 51 lit. d) Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) damit begnügen, die Personalien des ungehorsamen Wehrmachtangehörigen festzustell e n 5 0 2 und den Sachverhalt über die zuständige Feldgendarmeriedienststelle dem jeweiligen Disziplinarvorgesetzten zur Kenntnis zu bringen, der dann über das weitere Vorgehen gänzlich unabhängig entscheiden durfte. Gleichwohl läßt sich nach all dem feststellen, daß die Wacheigenschaft und die daraus unmittelbar abgeleiteten Befugnisse der Feldgendarmen allenfalls geringfügig von der Rechtslage vergangener Epochen abwichen.

das Rangdienstalter der aus der Ordnungspolizei zur Feldgendarmerie übergetretenen Offiziere nach dem Besoldungsalter richtete, das sie als Beamte der Ordnungspolizei erreicht hatten. Obwohl diese Verfügung bereits durch den Erlaß O.K.H Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 17504/40 vom 23.11.1940 (A.H.M 1940, S. 524, Nr. 1205) wieder aufgehoben und durch eine differenziertere Regelung ersetzt worden war, bedarf es im hier interessierenden Zusammenhang keines näheren Eingehens auf diese neuen Bestimmungen zum Rangdienstalter der Feldgendarmerieoffiziere. Zur Zeit ihres Inkrafttretens war nämlich die H.Dv. 275 (1938) schon durch eine Neufassung abgelöst worden, deren Ziffer 6 zur Klärung der Befehlsverhältnisse nicht mehr auf das Rangdienstalter zurückgriff (dazu sogleich im Text). 500 Die Rolle des unterstellten Führers der Feldgendarmeriekräfte hatte sich dementsprechend gemäß Ziffer 6 Abs. 3 der H.Dv. 275 (1940) darauf zu beschränken, „dem gemeinsamen Führer die zu treffenden polizeilichen Maßnahmen vorzuschlagen." 501 Siehe dazu oben A. III. 2. c) und das 5. Kapitel sub C. II. 1. 502 Insoweit unterschied die Ziffer 51 der H.Dv. 275 (1940) nicht zwischen Offizieren, Unteroffizieren oder Mannschaften, sondern verpflichtete unterschiedslos alle Wehrmachtangehörigen, „sich gegenüber einem im Dienst befindlichen Feldgendarmen auf dessen Verlangen auszuweisen." Demgegenüber hatte die H.Dv. 275 (1938) in ihrer Ziffer 17 lit. c) Abs. 3 im Verhältnis zu Offizieren und Wehrmachtbeamten im Offizierrang, „die die Hinweise eines im Dienst befindlichen Feldgendarmen" nicht beachteten, lediglich die Bitte um »Angabe des Dienstgrades, Namens und Truppenteils" zugelassen; eine Verpflichtung der Offiziere, die Feststellung ihrer Personalien zu ermöglichen, hatte die H.Dv. 275 (1938) also noch nicht vorgesehen.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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2. Die Festnahmebefugnisse der Feldgendarmen Demgegenüber waren im Bereich der den Feldgendarmen eingeräumten Festnahmerechte teilweise sogar deutliche Veränderungen eingetreten. a) Die Festnahmerechte nach der Militärstrafgerichtsordnung Interessanterweise war es ausgerechnet die den Feldgendarmen zuletzt zugestandene Festnahmebefugnis nach der Militärstrafgerichtsordnung, die die wechselvollste Entwicklung durchgemacht hatte. So wurde sie bereits kurz nach dem Ende des ersten Weltkrieges dadurch beeinflußt, daß die Militärgerichtsbarkeit gemäß Art. 106 der neugeschaffenen „Verfassung des Deutschen Reichs" vom 11.08.1919503 „außer für Kriegszeiten und an Bord der Kriegsschiffe" aufgehoben werden sollte. Dabei handelte es sich zwar zunächst einmal nur um einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, doch kam dieser seiner verfassungsrechtlich begründeten Verpflichtung bereits unter dem 17.08.1920 nach und schaffte die Militärgerichtsbarkeit „abgesehen von den Strafverfahren in Kriegszeiten und gegen die an Bord von in Dienst gestellten Kriegsschiffen eingeschifften Angehörigen der Reichsmarine" durch Art. 1, § 1 Abs. 1 des „Gesetzes, betreffend Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit" 504 tatsächlich ab. Das hatte zwar nicht unmittelbar zur Folge, daß auch die Militärstrafgerichtsordnung vom 01.12.1898 außer Kraft trat, doch beschränkte sich deren Geltungsbereich im Frieden fortan auf die Marinesoldaten an Bord von Kriegsschiffen. 505 Auf alle übrigen Angehörigen der Streitkräfte waren hingegen gemäß Art. 2, § 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 17.08.1920 künftig nur noch „die allgemein gültigen Vorschriften über die Zuständigkeit der Gerichte und das Strafverfahren" anzuwenden. Damit war aber das Festnahmerecht der RMStGO in Friedenszeiten de facto weitgehend bedeutungslos geworden. Da jedoch die Aufstellung der Feldgendarmerie auch in der Zeit der Weimarer Republik nur im Mobilmachungsfall geplant war und die RMStGO gerade im Kriege wieder für alle Soldaten verbindlich sein sollte, blieben die genannten Neuerungen im hier interessierenden Zusammenhang letztlich ohne Auswirkungen. 506 Daran änderte sich aus naheliegenden Gründen auch dann nichts, als die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht ergriffen. Vielmehr machten diese bereits wenig später die Abschaf503

Weimarer Reichsverfassung (WRV), RGBl. 1919, S. 1383. RGBl. 1920, S. 1579; vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der von Art. 106 WRV abweichenden Fassung des Ausnahmetatbestandes für Kriegsschiffe in Art. 1, § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 17.08.1920: Anschütz, Art. 106 WRV, Anm. 4, S. 493 f. 505 Zutreffend: Anschütz, Art. 106 WRV, Anm. 5, S. 494. 506 Insbesondere hatte auch das „Gesetz über Militärgerichte und das militärgerichtliche Verfahren" vom 26.02.1926 (RGBl. I 1926, S. 103) keine Veränderung der Regelungen, die die §§ 180, 176 RMStGO über die vorläufige Festnahme enthielten, zur Folge. 504

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

fung der Militärgerichtsbarkeit durch § 1 des „Gesetzes über die Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit" vom 12.05.1933507 rückgängig und sorgten so dafür, daß fortan auch im Frieden wieder alle Angehörigen der Wehrmacht den Regelungen der Militärstrafgerichtsordnung vom 01.12.1898 unterworfen waren. Zwar führte die Vorschrift des § 4, 2 des Gesetzes vom 12.05.1933, die den Reichswehrminister ermächtigte, im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz die Militärstrafgerichtsordnung vom 01.12.1898 „zu ändern und den Wortlaut des geänderten Gesetzes unter fortlaufender Nummernfolge der Paragraphen im Reichsgesetzblatt bekannt zu machen", in der Folgezeit schon bald zu einer Neufassung der RMStGO, doch blieben die Regelungen über die vorläufige Festnahme davon inhaltlich gänzlich unberührt. Obwohl also die am 04.11.1933 durch den ermächtigten Reichswehrminister bewirkte Bekanntmachung des Wortlauts der Militärstrafgerichtsordnung und des Einführungsgesetzes dazu" 5 0 8 die Reihenfolge der Vorschriften in der RMStGO veränderte und dadurch die Regelungen der ehemaligen §§ 180, 176 in die §§ 101, 96 vorverlegte, ergaben sich daraus für die Feldgendarmen deshalb keine Veränderungen, weil die neuen Paragraphen wörtlich mit ihren historischen Vorbildern übereinstimmten. Erst das „Gesetz zur Änderung des Militärstrafgesetzbuches und der Militärstrafgerichtsordnung" vom 23.11.1934 509 verursachte auch in materieller Hinsicht eine Abweichung von den ursprünglichen Festnahmebestimmungen der RMStGO. So schrieb Art. 2 Ziffer 9 dieses Gesetzes vor, daß die vorläufige Festnahme einer der Militärgerichtsbarkeit unterworfenen Person durch militärische Wachen gemäß § 101 I RMStGO fortan nicht mehr nur - wie bisher - im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls, sondern darüber hinaus auch dann möglich sein sollte, wenn aufgrund des durch Art. 2 Ziffer 8 des Gesetzes vom 23.11.1934 neu geschaffenen § 100a RMStGO ein sogenannter „Unterbringungsbefehl" ergehen konnte. Demzufolge war seither die einstweilige Inhaftierung eines Soldaten erstmals auch gänzlich unabhängig von einer Beeinträchtigung der militärischen Disziplin oder dem Vorliegen einer Verdunkelungs-, Flucht- oder Wiederholungsgefahr zulässig, sofern die öffentliche Sicherheit die Freiheitsentziehung erforderte und „dringende Gründe für die Annahme vorhanden [waren], daß der Beschuldigte eine mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit oder der verminderten Zurechnungsfähigkeit begangen hat, und daß seine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet werden wird." Aus diesem Grunde hing die Rechtmäßigkeit einer auf die neue Tatbestandsalternative des § 101 I RMStGO gestützten Festnahme maßgeblich von der Prognose ab, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr bestand, daß der Beschuldigte weitere rechtswid-

507 508 509

RGBl. I 1933, S. 264. RGBl. I 1933, S. 921 (EG RMStGO) bzw. S. 924 (RMStGO). RGBl. I 1934, S. 1165.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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rige Taten von solcher Schwere begehen würde, daß der Schutz der Allgemeinheit seine Unterbringung gebot. 510 Damit hatte aber der Gesetzgeber die bislang allein der Verfahrenssicherung sowie der Aufrechterhaltung der Disziplin dienende Festnahmebefugnis des § 101 I RMStGO dahingehend erweitert, daß sie künftig auch aus präventiven Gründen zum „Schutz der Bevölkerung vor gemeingefährlichen Rechtsbrechern" 511 ausgeübt werden durfte. 512 Insoweit kam es dann auch nicht mehr zu Abweichungen, als der Reichskriegsminister von der ihm durch § 2 Satz 2 Nr. 4 des „Gesetzes über die Wiedereinrichtung eines Obersten Gerichtshofs der Wehrmacht" vom 26.06.1936 513 eingeräumten Möglichkeit, „den Wörtlaut der neugefaßten Militärstrafgerichtsordnung, soweit erforderlich unter fortlaufender Nummernfolge der Paragraphen im Reichsgesetzblatt bekanntzugeben", Gebrauch machte und die „Neufassung der Militärstrafgerichtsordnung und des Einführungsgesetzes zu ihr" unter dem 29.09.1936 verkünden ließ. 5 1 4 Dadurch wurden zwar die bislang in den §§ 96, 100a und 101 RMStGO enthaltenen Regelungen mit Wirkung vom 01.10.1936 in die §§ 116, 121 und 122 RMStGO überführt, doch hatte dies deshalb keinerlei inhaltliche Veränderungen zur Folge, weil die neuen Vorschriften mit ihren Vorgängern im Wortlaut völlig übereinstimmten. Gleichwohl war es den Feldgendarmen im zweiten Weltkrieg nicht mehr möglich, sich auf die von der Militärstrafgerichtsordnung vorgesehenen Festnahmerechte zu berufen. Das war darauf zurückzuführen, daß man die Vorschriften der RMStGO über das militärische Strafverfahren nicht für flexibel genug hielt, um „der Schlagfertigkeit und Sicherung der Wehrmacht durch eine rasche und strenge, aber gerechte Anwendung der Kriegsgesetze einen verschärften Rechtsschutz zu gewährleisten". 515 Daher hatte der Gesetzgeber bereits unter dem 17.08.1938 die „Verordnung über das militärische Strafverfah510 So Karlsruher Kommentar-Boujong, § 126a StPO, Rn. 3, und Kleinknecht/ Meyer-Goßner, § 126a StPO, Rn. 5, zu der Vorschrift des § 126a StPO, die noch heute beinahe wörtlich mit der Regelung des § 100 a RMStGO übereinstimmt. Vgl. zu den Voraussetzungen des § 126a StPO auch ausführlich Starke, S. 109 ff. m.w.N. 511 So die im Zusammenhang mit § 126 a StPO gebräuchliche Formulierung, vgl. etwa OLG Frankfurt NStZ 1985, 284, 285; Karlsruher Kommentai-Boujong, § 126a StPO, Rn. 1; Kleinknecht! Meyer-Goßner, § 126a StPO, Rn. 1; Starke, S. 38 m.w.N. 512 Demgegenüber blieb das durch § 180 II RMStGO begründete und nunmehr in § 101 II RMStGO enthaltene Jedermannrecht bis zu seinem Außerkrafttreten im Jahre 1939 in inhaltlicher Hinsicht gänzlich unberührt. Eine Veränderung trat daher lediglich noch mit Blick auf die Numerierung der Vorschrift ein, da die Bestimmungen des ehemaligen § 101 RMStGO im Zuge der im Text sogleich dargestellten Neufassung der Militärstrafgerichtsordnung vom 29.09.1936 in § 122 RMStGO übernommen worden waren. 513 RGBl. I 1936, S. 517. 514 RGBl. I 1936, S. 751 (EG RMStGO) bzw. S. 755 (RMStGO). 515 Vgl. den ersten Abschnitt der „Erläuterungen zur Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz", abgedruckt bei Absolon, Wehrmachtstrafrecht, S. 179 ff.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

ren im Kriege und bei besonderem Einsatz (Kriegsstrafverfahrensordnung KStVO)" 5 1 6 geschaffen, durch die die Militärstrafgerichtsordnung insbesondere im Falle eines Krieges abgelöst werden sollte. Konsequenterweise verloren dann auch sämtliche Regelungen der RMStGO ihre Gültigkeit, als die KStVO gemäß § 1 Nr. 2 der „Verordnung über das Inkrafttreten der Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz und der Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz" vom 26.08.1939 517 tatsächlich mit sofortiger Wirkung eingeführt wurde. Für die Feldgendarmen bedeutete dies, daß sie im zweiten Weltkrieg aus den §§ 116, 121 und 122 RMStGO keinerlei Rechte mehr ableiten konnten. Da jedoch auch die KStVO keine Vorschriften enthielt, durch die die militärischen Wachen zur Festnahme von Militärpersonen ermächtigt wurden, fehlte es insoweit seit dem 26.08.1939 völlig an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage. Eine solche war indessen aufgrund der im Dritten Reich herrschenden Rechtslage auch gar nicht notwendig, um eine Freiheitsentziehung zu rechtfertigen. Da nämlich der Art. 114 I 2 WRV, der jede „Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt" dem Gesetzesvorbehalt unterstellt hatte, bereits durch § 1 der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28.02.1933 518 „bis auf weiteres außer Kraft gesetzt" worden war, konnte seit dieser Zeit die persönliche Freiheit aller Staatsbürger „auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen" beschränkt werden. Mithin war es formalrechtlich betrachtet durchaus zulässig, daß den Feldgendarmen auch durch militärische Dienstvorschriften besondere Festnahmerechte verliehen wurden. Von dieser Möglichkeit war dann auch schon in Ziffer 17 lit. d) der H.Dv. 275 (1938) Gebrauch gemacht worden, in der es ebenso wie in der später nachfolgenden Vorschrift der Ziffer 51 lit. e) Abs. 1 der H.Dv. 275 (1940) wörtlich hieß: „Wehrmachtangehörige, die den Weisungen oder Befehlen von Feldgendarmen nicht nachkommen oder der VerÜbung eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig sind, können durch Feldgendarmen vorläufig festgenommen werden, wenn die Festnahme erforderlich ist: 1. zur Feststellung der Person; 2. zur Aufrechterhaltung der militärischen Manneszucht; 3. wegen Fluchtverdachts; 4. wegen Verdunkelungsgefahr." Obwohl also die RMStGO seit Kriegsbeginn nicht mehr in Kraft war, hatten die Feldgendarmen somit auf dem Umweg über ihre Dienstvorschrift dennoch 5,6 517 518

RGBl. I 1939, S. 1457. RGBl. I 1939, S. 1482. RGBl. I 1933, S. 83.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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ein Festnahmerecht erhalten, das mit demjenigen der früheren §§ 122 I Alt. 1; 122 II; 116 Nr. 2 bis 4 RMStGO weitgehend identisch war. Soweit es jedoch hinter den ehemals durch die RMStGO begründeten Festnahmerechten zurückblieb, 5 1 9 waren die Feldgendarmen auf die ihnen außerhalb des militärischen Strafprozeßrechtes eingeräumten Befugnisse beschränkt. b) Die weiteren Festnahmerechte der Feldgendarmerie Dazu gehörte nach wie vor in erster Linie das in § 127 I RStPO normierte Jedermannrecht, auf das sich die Feldgendarmen auch im zweiten Weltkrieg unverändert berufen konnten. 520 Im militärischen Bereich stand ihnen sodann noch immer die disziplinare Festnahmebefugnis des § 7 I I HDStO zur Verfügung, die in späterer Zeit zunächst in § 9 I HDStO und seit Juni 1942 in § 30 I I WDStO geregelt wurde, ohne daß damit Veränderungen inhaltlicher Art verbunden gewesen wären. Zudem vermittelte ihnen ihre Wacheigenschaft das weitergehende Recht, nach Maßgabe des Befehls „O.K.H (Chef H Rüst u. BdE) - G 3 s - HR (III 6)" vom 06.03.1942 521 in den besetzten russischen Gebieten auch noch diejenigen Angehörigen verbündeter ausländischer Streitkräfte vorläufig festnehmen zu können, die keinen Offiziersdienstgrad bekleideten. Hingegen war das präventiv-polizeiliche Festnahmerecht des § 6 des preußischen Freiheitsschutzgesetzes vom 12.02.1850 für die Feldgendarmen ersatzlos weggefallen, da diese Vorschrift durch § 79 I I 2 lit. d) des preußischen „Polizeiverwaltungsgesetzes" vom 01.06.1931 (PVG) 5 2 2 mit Wirkung zum 01.10.1931 ausdrücklich aufgehoben und in Gestalt von § 15 PVG durch eine Norm ersetzt wurde, die nur noch die Angehörigen der Polizeibehörden zur vorläufigen Festnahme berechtigte und mithin auf militärische Wachen nicht mehr anwendbar war. Dieser Rechtsverlust wurde indessen teilweise wiederum dadurch kompensiert, daß den Feldgendarmen ebenso wie auch den Feldjägern infolge der Außerkraftsetzung des Art. 114 WRV durch § 1 der erwähnten Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 ein allgemeines militärpolizeiliches Festnahmerecht zustand, das lediglich eine Gefährdung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung zur Voraussetzung hatte. 523 Daher konnten die Feldgendarmen letztlich 519

Von der H.Dv. 275 nicht erfaßt worden war etwa die gemäß § 122 I Alt. 1 i.V.m. § 116 RMStGO zweifelsfrei bestehende Möglichkeit, eine der Militärgerichtsbarkeit unterworfene Person wegen einer von ihr begangenen Übertretung vorläufig festzunehmen. Zudem fehlte es an einer dem § 116 Nr. 1 RMStGO entsprechenden Regelung. Schließlich hatte auch die durch das Gesetz vom 23.11.1934 neugeschaffene Festnahmebefugnis im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung eines Beschuldigten gemäß § 122 I Alt. 2 i.V.m. § 121 RMStGO in der H.Dv. 275 keine Berücksichtigung gefunden. 520 Vgl. dazu auch Heckel, S. 419. 521 A.H.M. 1942, S. 148, Nr. 241; dazu das 5. Kapitel sub C. V. 3. 522 Pr. GS 1931, S. 77.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

auch im zweiten Weltkrieg noch auf eine Vielzahl von Festnahmebefugnissen zurückgreifen, um ihre umfangreichen Pflichten zu erfüllen. c) Die übrigen Vorschriften

über die Festnahme

Ähnlich wie in früheren Zeiten wurden die vorgestellten Festnahmerechte jedoch im Verhältnis zu den Offizieren der Armee durch die Dienstvorschrift der Feldgendarmerie begrenzt. Gemäß Ziffer 51 lit. e) Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) durften nämlich „Offiziere und Wehrmachtbeamte im Offizierrang in Uniform [...] nur dann vorläufig festgenommen werden: 1. wenn sie bei Begehung eines Verbrechens auf frischer Tat betroffen oder verfolgt werden; 2. wenn sie sich gegenüber einem im Dienst befindlichen Feldgendarmen nicht genügend ausweisen".524 Darüber hinaus enthielt die H.Dv. 275 (1940) in Übereinstimmung mit der Feldgendarmerievorschrift vom 22.07.1938 noch weitere Bestimmungen, die sich mit Festnahmen durch Feldgendarmen befaßten. So schrieb etwa Ziffer 51 lit. f) der H.Dv. 275 (1940) vor, daß vorläufig festgenommene Wehrmachtangehörige grundsätzlich unverzüglich bei der nächsten Feldgendarmerie-Dienststelle abzuliefern waren. Eine Ausnahme galt indessen dann, wenn die Vorführung des Delinquenten bei seinem Stammtruppenteil voraussichtlich weniger Zeit in Anspruch nahm. In besonders gelagerten Fällen war überdies auch die einstweilige Festsetzung festgenommener Soldaten „auf der nächsterreichbaren Wache [...] zulässig." Demgegenüber mußten arretierte Zivilpersonen gemäß Ziffer 52 I 2 der H.Dv. 275 (1940) „soweit nichts anderes bestimmt ist [stets] der zuständigen ordentlichen Polizeibehörde" zugeführt werden. Darüber hinaus waren die Feldgendarmen gemäß Ziffer 51 lit. e) Abs. 3 der H.Dv. 275 (1940) verpflichtet, allen »festgenommenen [...] bei der Festnahme die Waffen abzunehmen" und der jeweils zuständigen militärischen oder zivilen Dienststelle zu übergeben. Schließlich bestimmte Ziffer 51 lit. f) Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) auch noch, daß über jede Festnahme eines Soldaten oder einer Zivilperson eine Anzeige erstattet werden mußte. Innerhalb dieses Rahmens konnten die Feldgendarmen ihre Festnahmebefugnisse dann jedoch bis zum Ende des Krieges unverändert ausüben.

523

Vgl. Dietz, S. 107; ausführlich dazu das 5. Kapitel sub C. V. 2. Die Tatsache, daß es der H.Dv. 275 (1938) im Gegensatz zufrüheren Dienstvorschriften der Feldgendarmerie noch an einer solchen die Festnahmebefugnisse gegenüber Offizieren der Wehrmacht beschränkenden Regelung gefehlt hatte, war also ganz offensichtlich schon recht schnell als ein korrekturbedürftiger Mangel empfunden worden. 524

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

477

3. Das Waffengebrauchsrecht der Feldgendarmerie Im Gegensatz zu den Festnahmebefugnissen, die zumindest teilweise noch immer auf den schon in früheren Zeiten maßgeblichen Rechtsgrundlagen beruhten, war das Recht der Feldgendarmen, ihre Waffen gegenüber der Zivilbevölkerung zu verwenden, vollständig neu geregelt worden. Selbst wenn nämlich das preußische „Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs" vom 12.03.1837 der reichsgerichtlichen Auffassung entsprechend auch noch nach dem Sturz der Monarchie fortgegolten hatte, 525 war es doch spätestens mit der Einführung der „Verordnung über den Waffengebrauch der Wehrmacht" vom 17.01.1936,526 die der „Führer und Reichskanzler" aufgrund der in § 37 I des „Wehrgesetzes" vom 21.05.1935 527 enthaltenen Verordnungsermächtigung erlassen hatte, außer Kraft getreten. a) Die Voraussetzungen des militärischen mit Waffengewalt

Einschreitens

Gleichwohl führte die neue Verordnung vom 17.01.1936 keineswegs zu einer fundamentalen Neugestaltung der Rechtslage, sondern orientierte sich in weiten Teilen ersichtlich am preußischen Vorbild des Gesetzes aus dem Jahre 1837. Das wird bereits bei der Betrachtung der Voraussetzungen deutlich, unter denen das Militär nach den Vorschriften der Verordnung vom 17.01.1936 berechtigt sein sollte, die ihm zur Verfügung stehenden Waffen zu verwenden. Gemäß § 1 der Verordnung war dies nämlich immer dann der Fall, wenn „die Wehrmacht zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" tätig wurde. Genauso wie in früheren Zeiten hing somit die Rechtmäßigkeit des militärischen Waffeneinsatzes alleine davon ab, daß die Streitkräfte aus polizeilichen Gründen gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. Die sich daran anschließende Frage, wann ein solches Vorgehen denn nun im einzelnen gestattet war, ließ die Waffengebrauchsverordnung indessen ebenso unbeantwortet wie zuvor auch schon das Gesetz vom 20.03.1837. Wie ihr historisches Vorbild enthielt die Verordnung vom 17.01.1936 also keineswegs selbst eine Rechtsgrundlage für das polizeiliche Auftreten der bewaffneten Macht im Landesinnern, sondern setzte dessen Zulässigkeit stillschweigend als selbstverständlich voraus und beschränkte sich den Worten Heckeis zufolge darauf, „die Art und Weise des waffenmäßigen Einsatzes" zu regeln. 528 Obschon sonach an sich zu vermuten wäre, daß Umfang und Inhalt der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse der Wehrmacht außerhalb der Waffengebrauchsverordnung gesetzlich 525 526 527 528

Vgl. zur Frage der Geltungsdauer des Gesetzes vom 20.03.1837 oben Fn. 155. RGBl. I 1936, S. 39. RGBl. I 1935, S. 609. Heckel, S. 422; ähnlich auch Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 25.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

festgeschrieben worden waren, fehlte es der Rechtsordnung des Dritten Reiches an jeder materiell-rechtlichen Grundlage für den Einsatz der Streitkräfte im Landesinnern. 529 Gleichwohl wurde daraus nicht etwa der grundsätzlich naheliegende Schluß gezogen, daß das Militär überhaupt nicht polizeilich tätig werden durfte. Vielmehr war es stattdessen sogar unbestritten, daß es zumindest zwei verschiedene Konstellationen gab, in denen die Armee auch ohne gesetzliche Rechtsgrundlage zur Ausübung von Tätigkeiten mit polizeilichem Charakter befugt war. So entsprach es zunächst einmal der einhellig vertretenen Auffassung, daß das Militär anläßlich von notstandsähnlichen Situationen zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingesetzt werden konnte, ohne daß es dafür einer ausdrücklichen rechtlichen Ermächtigung bedurft hätte. Abstrakt-generelle Regelungen des inneren Notstandes, wie sie etwa das preußische Gesetz über den Belagerungszustand vom 04.06.1851 oder der spätere Art. 48 WRV enthalten hatten, wurden sogar „oft als hemmend und vielfach als zu schwach" empfunden. 530 Konsequenterweise ging man dann auch davon aus, daß die geschriebenen Notstandsverfassungen der Vergangenheit aufgrund der geänderten staatsrechtlichen Verhältnisse durch die dem Führer kraft des ihm vom Volke anvertrauten Amtes zustehende Macht ersetzt worden seien, „in Zeiten des Aufruhrs und der inneren Not unter Durchbrechung des formellen Gesetzes und Beiseiteschiebung der für den Normalfall berechneten Zuständigkeitsabgrenzungen" sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich erschienen, um „die Nation vor [der] Bedrohung ihres Bestandes und ihrer Verfassung" zu schützen. 5 3 1 Soweit es danach zu einem Einsatz der Wehrmacht im Landesinnern kam, konnte sie also polizeilich tätig werden, ohne daß dafür eine gesetzliche Legitimation vorhanden war. Darüber hinaus gab es noch eine zweite Konstellation, in der die Streitkräfte nach allgemeiner Ansicht zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung allein aufgrund der Natur der Sache aufzutreten berechtigt waren. Wie alle anderen öffentlichen Einrichtungen auch hatte die Wehrmacht nämlich nach nationalsozialistischer Lesart „die Pflicht, ihrer Aufgabe mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nachzukommen." Das galt auch und gerade dann, „wenn sich ihr Schwierigkei529

Hechel, S. 415. Heckel, S. 421. 531 Dernedde, ZgesStW 98 (1938), S. 545; Heckel, S. 422; Müller, S. 108; letztlich trat also die Macht an die Stelle des Rechts. Das war rein formaljuristisch bis zu einem gewissen Grade sogar noch durchaus nachvollziehbar, da staatliche Eingriffe in die bürgerliche Freiheitssphäre seit der Aufhebung des Art. 114 I WRV durch die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 nicht mehr dem Vorbehalt des Gesetzes unterlagen. Indessen ist eine solche Argumentation aus rechtsstaatlicher Sicht allenfalls als Ausfluß des für das Herrschaftssystem des Nationalsozialismus geradezu typischen Prinzips der Scheinlegalität staatlichen Handelns anzusehen; zur Rechtfertigung hoheitlichen Unrechts eignet sie sich daher nicht. 530

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

479

ten" entgegenstellten.532 Sie wurde daher für befugt gehalten, Störungen ihres Dienstbetriebes mit militärischen Machtmitteln durch ihre eigenen Organe, insbesondere aber durch die militärischen Wachen beseitigen zu lassen. 533 Diese wurden mithin tätig, um rechtswidrige Beeinträchtigungen der Armee zu verhindern, die als staatliche Einrichtung fraglos zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit zählte. Auch insoweit trat das Militär somit aus polizeilichen Gründen in Erscheinung, ohne daß dafür eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage existierte. Trotz des unveränderten Fehlens entsprechender gesetzlicher Rechtstitel hatte also die nationalsozialistische Rechtslehre im Gegensatz zu deijenigen Preußens und des Kaiserreichs keinerlei Schwierigkeiten, das Vorhandensein polizeilicher Aufgaben des Militärs zu begründen, da man es in den beiden aufgezeigten Konstellationen auch ohne jede Rechtsgrundlage für befugt hielt, zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. b) Die Anwendungsfälle

des Waffengebrauchsrechts

Soweit dann die Wehrmacht tatsächlich einmal von dieser Befugnis Gebrauch machte und im beschriebenen Umfang zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben tätig wurde, stand „den hieran beteiligten Soldaten und Wehrmachtbeamten" gemäß § 1 der Verordnung vom 17.01.1936 in insgesamt fünf verschiedenen Fällen das Recht zu, in Ausübung ihres Dienstes die ihnen zur Verfügung stehenden Waffen einzusetzen. So war der Waffengebrauch gemäß § 1 Ziffer 1 der Verordnung vom 17.01.1936 zunächst einmal gestattet, „um einen Angriff oder eine Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben abzuwehren oder

532

So wörtlich Hechel, S. 415. Heckel, S. 416; obgleich diese Auffassung der Sache nach weitgehend mit dem von der Rechtslehre des 19. Jahrhunderts entwickelten Institut der verwaltungsrechtlichen Selbstverteidigung [siehe dazu oben A. III. 2. d)] übereinstimmte, lehnte Heckel die Rechtsfigur einer allgemeinen Anstaltspolizei als der Dogmatik des „bürgerlichen Rechtsstaates" zugehörig ab. Von Polizei könne nämlich „nur dann gesprochen werden, wenn sowohl ein polizeiliches Ziel verfolgt als auch es in polizeiartiger Weise durchgesetzt wird." Daher sei über das bloße Recht zur Selbstverteidigung hinaus zusätzlich noch „erforderlich, daß die öffentlich-rechtliche Einrichtung über die ultima ratio der Polizei, den unmittelbaren Zwang, selbst zu verfügen vermag." Nur in diesem Fall könne von „Polizei" die Rede sein, ohne daß das Wort „seinen konkreten Sinn" verliere (Heckel, a. a. O.). Indessen führt diese Ansicht Heckeis im hier interessierenden Zusammenhang schon deshalb nicht zu einem von der Rechtslehre des 19. Jahrhunderts inhaltlich abweichenden Ergebnis, weil die Machtmittel der Wehrmacht denen der Polizei ganz offensichtlich sogar noch weit überlegen waren. Da somit aber nicht bezweifelt werden konnte, daß die Armee auch ohne Hilfe der zivilen Polizeiorganisationen in der Lage war, sich selbst gegen drohende Gefahren für ihren Dienstbetrieb zu schützen, mußte auch Heckel letztlich einräumen, daß insoweit ganz „unbedenklich von polizeilichen Befugnissen" der zuständigen Wehrmachtsorgane auszugehen war (Heckel, a. a. O.). 533

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

um Widerstand zu brechen". 534 Darüber hinaus konnte das Militär gemäß § 1 Ziffer 2 der Verordnung vom 17.01.1936 aber auch in dem Fall zur Waffe grei534 Hechel S. 424 Fn. 3, vertrat die Ansicht, daß der auf § 1 Ziffer 1 der Verordnung vom 17.01.1936 gestützte Waffeneinsatz anders als beim allgemeinen Notwehrrecht des § 53 RStGB nicht erforderlich sein mußte. Er hielt demnach die Wehrmacht im Unterschied zur zivilen Polizei nicht für verpflichtet, „unter den geeigneten Abwehrmitteln das mildeste anzuwenden" (so wörtlich im Text der S. 424, wo diese Frage jedoch fälschlicherweise im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erörtert wird). Damit erlag Hechel jedoch dem gleichen Irrtum wie vor ihm auch schon diejenigen Kommentatoren des preußischen Gesetzes vom 20.03.1837, die gleichfalls davon ausgegangen waren, daß der militärische Waffengebrauch nicht am Grundsatz der Erforderlichkeit zu messen sei (näher dazu oben Fn. 197). Ebenso wie das Gesetz vom 20.03.1837 in seinem § 7, 1 sah nämlich auch die Verordnung vom 17.01.1936 ausdrücklich vor, daß „die Waffe [...] nur insoweit gebraucht werden [durfte], als es für die zu erreichenden Zwecke erforderlich" war (vgl. § 4 I der Waffengebrauchsverordnung). Daß seine Auffassung demnach mit dieser Regelung nicht zu vereinbaren war, scheint Hechel sogar selbst festgestellt zu haben, da er im Zuge der Erläuterung des § 4 der Waffengebrauchsverordnung den vom Gesetzgeber verwendeten Begriff der „Erforderlichkeit" stillschweigend durch den rechtlich nicht näher definierten Terminus der „Notwendigkeit" ersetzte (Hechel, S. 425). Auf diese Weise war es ihm zwar gelungen, das Problem, daß seine Ausführungen eindeutig im Widerspruch zum unmißverständlichen Wortlaut der Waffengebrauchsverordnung standen, zu umgehen; objektiv betrachtet konnte das jedoch keinesfalls darüber hinwegtäuschen, daß die von ihm vertretene Meinung mit dem Inhalt der Verordnung vom 17.01.1936 nicht in Einklang gebracht werden konnte. Das wird überdies auch durch einen Blick auf die Vorschrift des § 4 II der Verordnung vom 17.01.1936 bestätigt, denn darin wurde der in § 4 I der Verordnung allgemein formulierte Erforderlichkeitsgrundsatz für den Fall der Verwendung von Schußwaffen nochmals bekräftigt und konkretisiert. So durften gemäß § 4 II 1 der Verordnung vom 17.01.1936 Schußwaffen nur dann zum Einsatz kommen, wenn die „blanke Waffe" nicht mehr ausreichte. Insoweit waren gemäß § 4 II 3 der Verordnung vom 17.01.1936 zudem „Handgranaten, Sprengmunition, geballte Ladungen usw." den Schußwaffen gleichgestellt. Lediglich im Falle eines Angriffs oder einer Widerstandsleistung mit Waffen oder gefährlichen Werkzeugen war dem Militär gemäß § 4 II 2 der Verordnung vom 17.01.1936 auch der sofortige Schußwaffengebrauch gestattet. Angesichts dieser Sachlage kann aber keinesfalls davon gesprochen werden, daß der auf der Grundlage des § 1 Ziffer 1 der Verordnung vom 17.01.1936 erfolgende Waffeneinsatz nicht erforderlich sein mußte. Soweit jedoch Jess/Mann 2, Anhang II, Rn. 25, aus diesem Ergebnis den weitergehenden Schluß ziehen wollen, daß in der Norm des § 4 der Verordnung vom 17.01.1936 „erste Ansätze der Verankerung des verwaltungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit" zu erblicken seien, kann dem ebenfalls unter keinen Umständen gefolgt werden. Da nämlich bereits das Gesetz vom 20.03.1837 in Gestalt seines § 7 eine dem § 4 der Waffengebrauchsverordnung beinahe wörtlich entsprechende Regelung enthalten hatte, waren Teile des Verhältnismäßigkeitsprinzips in seinem weiteren Sinne sogar schon von der vorkonstitutionellen preußischen Rechtsordnung festgeschrieben worden. Aber auch dann, wenn man davon ausgeht, daß Jess/Mann den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne vor Augen hatten, ist ihre Behauptung unzutreffend, da weder das Gesetz vom 20.03.1837 noch die Verordnung vom 17.01.1936 eine angemessene Relation zwischen dem durch den Waffengebrauch zu erwartenden Schaden und dem damit angestrebten Erfolg verlangte. Vielmehr waren beide Regelwerke einzig und allein dem Prinzip der Effektivität des Einsatzes von Waffen im Hinblick auf die Herstellung des gewünschten Zustandes verpflichtet (Hechel, S. 424; Müller, S. 108). Damit steht aber fest, daß der

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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fen, in dem es sich gezwungen sah, „der Aufforderung, die Waffen abzulegen oder bei Menschenansammlungen auseinander zu gehen, Gehorsam zu verschaffen." Dabei war jedoch zu beachten, daß § 4 m der Verordnung vom 17.01. 1936 den „Gebrauch der Schußwaffe zum Zerstreuen von Menschenansammlungen" nur unter der Voraussetzung zuließ, daß eine Warnung, „deren Form der jeweiligen Lage anzupassen ist", vorausgegangen war. In ähnlicher Weise durfte die Armee gemäß § 1 Ziffer 5 der Verordnung vom 17.01.1936 auch „zum Schutz der ihrer Bewachung anvertrauten Personen oder Sachen" in der Regel nur dann mit Waffengewalt tätig werden, wenn sie zuvor eine Warnung in Gestalt eines „lauten Haltrufes" ausgesprochen hatte. Ebenso eindeutig, wie sich der Regelungsgehalt der bislang vorgestellten Rechtstitel für den Waffengebrauch am Vorbild der §§2 und 6 des Gesetzes vom 20.03.1837 sowie am Inhalt des § 8 der Tumultverordnung 535 orientiert hatte, ging überdies auch § 1 Ziffer 3 der Verordnung vom 17.01.1936 auf eine ältere Vorschrift zurück. In weitgehender inhaltlicher Übereinstimmung mit § 4 des Gesetzes vom 20.03.1837 berechtigte § 1 Ziffer 3 der Verordnung vom 17.01.1936 die Wehrmacht nämlich auch zum waffenmäßigen Einschreiten „gegen Gefangene oder vorläufig Festgenommene, die einen Fluchtversuch unternehmen, obwohl ihnen bei ihrer Übernahme angedroht worden ist, daß bei Fluchtversuch die Waffe gebraucht werde". 536 Schließlich war es der Wehrmacht gemäß § 1 Ziffer 4 der Verordnung vom 17.01.1936 auch noch möglich, die ihr zur Verfügung stehenden Waffen zu verwenden, „um Personen anzuhalten, die sich der Befolgung rechtmäßiger Anord-

Waffengebrauch auf der Grundlage der Verordnung vom 17.01.1936 zwar erforderlich, nicht jedoch zugleich auch verhältnismäßig sein mußte. 535 Vgl. dazu eingehend oben A. III. 2. f) bb). 536 Der hohe Stellenwert, der der Androhung des Waffengebrauchs in diesem Fall zukam, wird besonders durch den Umstand verdeutlicht, daß Ziffer 17 lit. f) Abs. 2 der H.Dv. 275 (1938) es den Feldgendarmen - die im übrigen aufgrund ihrer Wacheigenschaft dem in § 2 zur Klarstellung speziell hervorgehobenen Kreis von zum Waffengebrauch berechtigten Personen angehörten - nochmals eindringlich zur Pflicht machte, „Gefangenen und vorläufig Festgenommenen [...] bei der Übernahme (Festnahme) anzudrohen, daß bei Fluchtversuch von der Schußwaffe Gebrauch gemacht wird." Gleichwohl wies diese Regelung eine signifikante Abweichung vom Wortlaut der Verordnung vom 17.01.1936 auf, denn während letztere nur vom Einsatz der „Waffe" sprach, ist in Ziffer 17 lit. f) der H.Dv. 275 (1938) vom sofortigen Gebrauch der „Schußwaffe" die Rede. Das dürfte jedoch mit der Vorschrift des § 4 II 1 der Waffengebrauchsverordnung, wonach die Verwendung von Schußwaffen zu nicht der Verteidigung dienenden Zwecken allenfalls als ultima ratio in Betracht kam, nur schwerlich zu vereinbaren gewesen sein. Aus diesem Grunde fehlte es dann auch der neuen Feldgendarmerievorschrift vom 29.07.1940 an einer der Ziffer 17 lit. f) Abs. 2 der H.Dv. 275 (1938) vergleichbaren Norm; die Neufassung der H.Dv. 275 enthielt vielmehr im Hinblick auf den Waffengebrauch der Feldgendarmen in ihrer Ziffer 51 lit. g) lediglich den Hinweis, daß insoweit die Verordnung vom 17.01.1936 anzuwenden sei. 31 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

nungen trotz lauten Haltrufes durch die Flucht zu entziehen suchen" 5 3 7 Obgleich also das Recht der Feldgendarmen, ihre Waffen gegenüber der Zivilbevölkerung zu verwenden, seit dem 17.01.1936 auf eine völlig neue Rechtsgrundlage zurückging, hatte dies nicht zu einer nennenswerten Umgestaltung der zuvor bestehenden Rechtslage geführt. In materiell-rechtlicher Hinsicht war demnach das Waffengebrauchsrecht der Feldgendarmerie im Vergleich mit früheren Zeiten weitestgehend unverändert gebheben. 4. Die Erweiterungen der den Feldgendarmen eingeräumten Rechtsstellung Demgegenüber ist schon eingangs darauf hingewiesen worden, daß es aufgrund der Besonderheiten des nationalsozialistischen Rechtssystems auch Bereiche gab, in denen der Befugnisrahmen der Feldgendarmen gänzlich neu geregelt und sogar erweitert worden war. a) Die Auswirkungen der Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 Das wird besonders deutlich, wenn man die Auswirkungen betrachtet, die die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 auf die Rechtsstellung der Feldgendarmerie gehabt hat. In dieser Verordnung war nämlich - wie bereits erwähnt - u.a. die Aufhebung des Art. 114 I WRV, der die persönliche Freiheit aller Staatsbürger garantiert hatte, angeordnet worden. Das hatte aber nun nicht nur zur Folge, daß die vorläufige Festnahme oder Verhaftung eines Staatsbürgers durch die öffentliche Gewalt auch außerhalb der in einem Rechtsstaat dafür vorgegebenen gesetzlichen Grenzen erfolgen konnte. Vielmehr war aufgrund des Außerkrafttretens des in Art. 114 I WRV enthaltenen Gesetzes Vorbehaltes darüber hinaus auch jede andere Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit eines Staatsbürgers zulässig geworden. Anders als in früheren Zeiten waren die Feldgendarmen in ihrer Eigenschaft als militärische Wachen daher im Dritten Reich erstmals auch dazu berechtigt, zumindest zur Erfüllung ihrer polizeilichen Aufgaben verbindliche Anordnungen gegenüber Zivilpersonen auszusprechen. Dementsprechend heißt es etwa auch bei Heckel, daß die militärischen Wachen der Zivilbevölkerung polizeiliche Befehle zu erteilen befugt seien, die von den Anweisungen ziviler Polizeiorgane lediglich durch ihre Form 537

Gemäß § 5 der Verordnung vom 17.01.1936 sollten zudem „für jeden Wehrmachtangehörigen im Fall der Notwehr oder des Notstandes §§53 und 54 des Strafgesetzbuches und für Vorgesetzte im Fall des disziplinaren Notstandes §§124, 125 Abs. 2 des Militärstrafgesetzbuches" gelten. Soweit sich aus diesen Normen Waffengebrauchsrechte ergaben, wurden sie also von den Vorschriften der Verordnung vom 17.01.1936 nicht berührt.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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unterschieden werden könnten. Aufgrund ihrer „Eingliederung in die Wehrmacht" müßten die militärischen Wachen nämlich „gegen Außenstehende in militärischer Weise" vorgehen, so daß „der polizeiliche Befehl bei ihnen das Gewand einer kommandoartigen »Weisung4" trage. 538 Damit eröffnete sich den Feldgendarmen zugleich aber auch noch die Möglichkeit, die von ihnen erteilten Anordnungen unter Einsatz aller „der Wehrmacht eigentümlichen Machtmittel" notfalls sogar gewaltsam durchzusetzen. Insoweit unterlagen sie wegen des fehlenden Gesetzesvorbehaltes konsequenterweise nicht einmal „den Einschränkungen, welche der Polizei hinsichtlich der Wahl des wenigst lästigen Mittels auferlegt sind." Vielmehr waren sie im Gegenteil sogar gehalten, ihre Zwangsmittel mit „größter Schärfe und möglichster Unwiderstehlichkeit" anzuwenden. 5 3 9 Demzufolge waren die Feldgendarmen bei der Durchsetzung ihrer Anweisungen also lediglich dann Beschränkungen unterworfen, wenn sie ihre Waffen verwendeten, da sie dabei die soeben erörterten Bestimmungen der Waffengebrauchsverordnung vom 17.01.1936 befolgen mußten. Im übrigen aber gab es keine weiteren Regelungen, durch die der Durchsetzbarkeit militärischer Anordnungen an die Zivilbevölkerung Grenzen gesetzt worden wären. Aufgrund der Aufhebung des Gesetzesvorbehaltes in Art. 114 1 WRV war dies - wie gezeigt - bei rein formaljuristischer Betrachtungsweise aber auch gar nicht erforderlich. Indessen war das Grundrecht der Freiheit der Person keineswegs die einzige Verfassungsbestimmung, die durch § 1 der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28.02.1933 aufgehoben worden war. Vielmehr wurden neben dem Art. 114 I WRV vor allem auch die Art. 115 und 153 I WRV, die jeden hoheitlichen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung oder das Eigentumsrecht der Staatsbürger dem Gesetzesvorbehalt unterstellt hatten, außer Kraft gesetzt. Damit wurde es den jeweils zuständigen staatlichen Organen aber gemäß § 1, 2 der Notverordnung vom 28.02.1933 ermöglicht, „Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums" auch ohne gesetzliche Rechtsgrundlage und gegen den Willen der berechtigten Staatsbürger vorzunehmen. Es kann daher nicht überraschen, daß auch die Feldgendarmen im Verhältnis zur Zivilbevölkerung zu Sicherstellungen und Durchsuchungen befugt waren. 540 So hieß es dann 538

Hechel, S. 416 f. Hechel, S. 417. 540 So zutreffend auch Böckle, S. 162, und die „Studie über die Forderungen bezüglich der Rechtsstellung der Militär-Polizei im Rahmen des Militärrechts," BA-MA BW 9/1578, Bl. 127 ff. d.A., Bl. 128 d.A.; letztere stellt überdies die Behauptung auf, daß „diejenigen Feldgendarmen, die der Ordnungspolizei entstammten, auch außerhalb des Operationsgebietes im eigenen Land die Rechte ihres Zivilberufes" behalten hätten. Sie seien also zumeist Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft gewesen, weshalb es „gegenüber der deutschen Zivilbevölkerung 2 Sorten von Feldgendarmen" gegeben habe (BA-MA, a.a.O., Bl. 129 d.A.). Indessen läßt sich für diese Ansicht 539

3

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

auch in der Ziffer 48 der H.Dv. 275 (1940) in wörtlicher Übereinstimmung mit Ziffer 19 Abs. 1 der H.Dv. 275 (1938), daß die Feldgendarmen gleichermaßen befugt und verpflichtet waren, „auch ohne besonderen Auftrag Gegenstände sicherzustellen und Personen, Räume und Sachen zu durchsuchen, wenn dies zur Durchführung ihrer Diensttätigkeit notwendig ist." Obwohl es sich bei dieser Bestimmung lediglich um eine Regelung des Innenrechts handelte, genügte sie im Dritten Reich als Rechtsgrundlage, da ja die entgegenstehenden Gesetzesvorbehalte seit dem Inkrafttreten der Notverordnung vom 28.02.1933 keine Gültigkeit mehr beanspruchen konnten. Aus diesem Grunde trug auch sie dazu bei, daß der Befugnisrahmen der Feldgendarmen nach der nationalsozialistischen Machtergreifung eine spürbare Erweiterung erfahren hatte. b) Die Regelung der Ziffer

49 der H.Dv. 275 (1940)

Neben den unmittelbar nach außen wirkenden Beschlagnahme- und Durchsuchungsrechten, die den Feldgendarmen durch Ziffer 48 der H.Dv. 275 (1940) verliehen worden waren, sah die Dienstvorschrift der Feldgendarmerie in ihrer Ziffer 49 auch noch solche Befugnisse vor, die ihrer Natur nach lediglich im Bereich der Wehrmacht ausgeübt werden konnten. So bestimmte etwa Ziffer 49 Abs. 1 Satz 1 der H.Dv. 275 (1940), daß „die Feldgendarmen im Dienst [...] zum Durchschreiten jeder militärischen Absperrung und Wache, zum Betreten militärischer Dienstgebäude und Unterkünfte, zur Sicherstellung von Heeresgut [sowie] zur Durchführung von Ermittlungen einschließlich Personalfeststellung jeden Dienstgrades befugt" sein sollten. 541 Zudem waren sie gemäß Ziffer 49 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) „zur jederzeitigen Benutzung aller militärischen Nachrichten- und Verkehrsmittel, insonderheit zur Benutzung jeglicher Wehrmachtfahrzeuge, soweit Platz vorhanden ist, berechtigt", wenn es ihre Diensttätigkeit erforderte. Auch insoweit war also der Rechtskreis der Feldgendarmen ausgeweitet worden, da zuvor nicht einmal die H.Dv. 275 (1938) eine der Ziffer 49 der H.Dv. 275 (1940) vergleichbare Vorschrift enthalten hatte. weder in den einschlägigen Dienstvorschriften noch im übrigen Quellenmaterial oder der wehrgeschichtlichen Literatur eine Stütze finden. Zudem steht sie in einem unauflöslichen Widerspruch zur Regelung der Ziffer 9 der H.Dv. 275 (1940), wonach unterschiedslos alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Feldgendarmerie statusrechtlich als Soldaten einzuordnen waren und daher auch den militärischen Gesetzen und Bestimmungen unterlagen. Es kann demnach ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die der Ordnungspolizei entnommenen Feldgendarmen ihre zivilen Befugnisse im Zeitpunkt ihres Eintritts in die Feldgendarmerie verloren. Insoweit kann den Ausführungen in der genannten Studie also keinesfalls gefolgt werden. 541 Zu beachten war jedoch, daß im Falle des Betretens militärischer Dienstgebäude und Unterkünfte „der örtliche Führer des betreffenden Truppenteils bzw. der betreffenden Dienststelle" verständigt werden mußte, vgl. Ziffer 49 Abs. 1 Satz 2 der H.Dv. 275 (1940).

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich c) Das Reichsverteidigungsgesetz

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vom 04.09.1938

Eine weitere Ausdehnung des den Feldgendarmen im Dritten Reich eingeräumten Befugnisrahmens resultierte aus dem „Reichsverteidigungsgesetz" vom 04.09.1938. 542 In dessen § 2 I war nämlich vorgesehen, daß „mit Erklärung des Verteidigungszustandes 543 der Oberbefehlshaber des Heeres und die Oberbefehlshaber der Armeen ohne weiteren Befehl" in dem ihnen jeweils zugewiesenen Operationsgebiet „die Befugnis zur Ausübung vollziehender Gewalt" erhalten sollten. Da nun aber die Feldgendarmerie aus naheliegenden Gründen geradezu dafür prädestiniert war, die aufgrund des Übergangs der Exekutivgewalt im Operationsgebiet anfallenden Aufgaben im Auftrag des jeweils zuständigen Oberbefehlshabers auszuführen, wurden sie von der Wehrmachtführung auch generell mit dieser Funktion betraut. Dementsprechend hieß es dann auch in Ziffer 52 Abs. 1 Satz 1 der H.Dv. 275 (1940) wörtlich:

542 Da der Inhalt des Reichsverteidigungsgesetzes dem Geheimschutz unterlag, hatte seine Verkündung im Reichsgesetzblatt einer Anordnung des Führers und Reichskanzlers zufolge vorerst zu unterbleiben (vgl. Ziffer 1 des „Vermerks zum Reichsverteidigungsgesetz" vom 04.09.1938, abgedruckt in der Dokumentation über den „Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof' in Nürnberg vom 14.11.1945 bis zum 01.10.1946, Band 29, Nürnberg, 1948, S. 326). Tatsächlich ist es später dann auch nach Kriegsausbruch nicht mehr zu einer förmlichen Bekanntmachung des Reichsverteidigungsgesetzes gekommen. Gleichwohl läßt sich sein Wortlaut in der Dokumentation über den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß nachlesen (a.a.O., Band 29, S. 319 ff.). Obschon in der ausgebliebenen Verkündung des Reichsverteidigungsgesetzes ein klarer Verstoß gegen die für förmliche Gesetze an sich noch immer verbindliche Bekanntmachungsanordnung in Art. 70 WRV (vgl. zur konstitutiven Wirkung, die der Verkündung nach dieser Verfassungsbestimmung grundsätzlich zukam, statt vieler nur Giese, Art. 70 WRV, Anm. 2, S. 178: „Die Verkündung begründet die formelle und materielle Gesetzeskraft. Das Gesetz wird damit für Bürger und Behörden verbindlich.") zu erblicken war, wurde die Verbindlichkeit des Reichsverteidigungsgesetzes im Dritten Reich - soweit ersichtlich von niemandem und zu keiner Zeit bezweifelt. Vielmehr wurden seine Vorschriften wie auch die weiteren Ausführungen im Text belegen - ganz selbstverständlich angewendet. 543 Der Verteidigungszustand konnte gemäß § 1 I des Reichsverteidigungsgesetzes vom Führer und Reichskanzler „als Inhaber der gesamten Staatsgewalt" sowohl für das ganze Reichsgebiet als auch für einzelne Teile desselben erklärt werden, „wenn die politische Lage es erfordert." Der Systematik des Reichsverteidigungsgesetzes zufolge war er zwar regelmäßig, aber nicht zwangsläufig dem sogenannten „Kriegszustand" vorgelagert, der vom Führer und Reichskanzler gemäß § 8 I des Reichsverteidigungsgesetzes ausgerufen wurde, sofern „der Kampf mit einem äußeren Feind dem Deutschen Volke aufgezwungen" wurde. Für den Fall, daß aufgrund überraschend schneller Veränderungen der sicherheitspolitischen Lage einmal die Ausrufung des Kriegszustandes erforderlich geworden wäre, bevor der Verteidigungszustand erklärt werden konnte, war überdies gemäß § 9 des Reichsverteidigungsgesetzes vorgesehen, „die Bestimmungen über den Verteidigungszustand mit Erklärung des Kriegszustandes in Kraft" treten zu lassen. In einer solchen Konstellation wären dann also die Bestimmungen des § 2 I des Reichsverteidigungsgesetzes auch unabhängig von einer Erklärung des Verteidigungszustandes anwendbar gewesen.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

„Gegenüber der Zivilbevölkerung im eigenen Lande 544 haben Feldgendarmen im Operationsgebiet die gleichen Rechte wie die ordentlichen Polizeivollzugsbeamten" 5 4 5 Ähnlich wie gemäß § 4 I 1 des preußischen „Gesetzes über den Belagerungszustand" vom 04.06.1851 546 kam es mithin bei der Feldgendarmerie innerhalb der inländischen Operationsgebiete zu einer Konzentration ziviler und militärischer Eingriffsrechte, da ihr nach der Erklärung des Verteidigungs- oder Kriegszustandes neben den eigens für die Armee geschaffenen auch noch diejenigen Befugnisse zustanden, die die Rechtsordnung unter normalen Umständen den Angehörigen der zivilen Polizeiorgane vorbehielt. Anders als in Preußen wur544 Vgl. zu den Befugnissen gegenüber der Zivilbevölkerung im Feindesland und in den sonstigen von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten unten sub G. III. 5. 545 Demgegenüber hatte Ziffer 18 lit. a) der H.Dv. 275 (1938) noch bestimmt, daß die Feldgendarmen nicht nur innerhalb der Operationsgebiete, sondern im gesamten Inland den Polizeivollzugskräften gleichgestellt sein sollten. Das ging noch auf das alte, ebenfalls aus Geheimhaltungsgründen im Reichsgesetzblatt nicht verkündete (vgl. dazu die entsprechende Anordnung des Führers und Reichskanzlers in dem „Vermerk zum Reichsverteidigungsgesetz" vom 21.05.1935, abgedruckt in der Dokumentation über den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß, a.a.O. (s.o. Fn. 542), Band 30, S. 62) Reichsverteidigungsgesetz vom 21.05.1935 zurück. Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 sollte nämlich „mit der Erklärung des Verteidigungszustandes [...] die gesamte vollziehende Gewalt auf den Führer und Reichskanzler" übergehen, ohne daß insoweit eine räumliche Begrenzung vorgesehen gewesen wäre. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Reichsverteidigungsgesetzes vom 21.05.1935 nahm jedoch der Führer und Reichskanzler die ihm übertragenen Befugnisse keineswegs selber wahr. Vielmehr war stattdessen vorgesehen, daß sie der Reichskriegsminister in seinem Auftrag ausüben sollte. Dieser war jedoch gemäß § 2 Abs. 3 des Reichsverteidigungsgesetzes vom 21.05.1935 wiederum dazu berechtigt, „die ihm zur Ausübung der vollziehenden Gewalt zustehenden Befugnisse ganz oder teilweise" zu delegieren. Dementsprechend handelte es sich also bei der in Ziffer 18 lit. a) der H.Dv. 275 (1938) angeordneten Gleichstellung der Feldgendarmen mit den zivilen Polizeibeamten um eine Ausübung der dem Kriegsminister durch das alte Reichsverteidigungsgesetz eingeräumten Delegationsbefugnis. Obschon nun die H.Dv. 275 in ihrer ursprünglichen Fassung noch bis zum Juli 1940 gültig war, ist es zu einer Anwendung ihrer Ziffer 18 lit. a) tatsächlich zu keiner Zeit gekommen, da das Reichsverteidigungsgesetz vom 21.05.1935 gemäß Ziffer 2 des „Vermerks zum Reichsverteidigungsgesetz" vom 04.09.1938 (a.a.O., s.o. Fn. 542) „mit sofortiger Wirkung außer Kraft" getreten war und daher zu Beginn des zweiten Weltkrieges schon keine Rechtswirkungen mehr erzeugen konnte. Zur Zeit der Mobilmachung der Feldgendarmerie galten stattdessen bereits die im Text näher erläuterten Bestimmungen des neueren Reichsverteidigungsgesetzes, das naturgemäß auch unabhängig davon wirksam war, daß die H.Dv. 275 (1938) entgegenstehende Regelungen enthielt. Diese wurden vielmehr durch das höherrangige Recht des Reichsverteidigungsgesetzes verdrängt und konnten daher seit dem 04.09.1938 keine Verbindlichkeit mehr beanspruchen. Diesem Zustand trug das Kriegsministerium dann dadurch Rechnung, daß es die Neufassung der H.Dv. 275 im Jahre 1940 den Vorschriften des neuen Reichsverteidigungsgesetzes anpaßte. Aus diesem Grunde können sich die Ausführungen im Text auf die Erläuterung der H.Dv. 275 (1940) beschränken, da die Regelungen der Ziffer 18 lit. a) der H.Dv. 275 (1938) in der Praxis niemals angewendet worden sind. 546 Vgl. dazu oben A. HI. 2. e) ee).

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

487

den diese Rechtsfolgen des Übergangs der Exekutivgewalt in der Praxis jedoch im Wege einer engen Auslegung der Ziffer 52 der H.Dv. 275 (1940) abgemildert. So führte etwa der Kommandeur der Feldgendarmerie beim A.O.K. 19 in einer für seinen Zuständigkeitsbereich verbindlichen Weisung unter dem 11.10.1944547 aus, die Feldgendarmerie habe „im allgemeinen das Einschreiten gegen Zivilpersonen im eigenen Lande der zuständigen Polizeibehörde" zu überlassen. Etwas anderes könne allenfalls „bei Gefahr im Verzuge" gelten, doch sei auch dann „auf die Zusammenarbeit mit den örtlichen Polizeibehörden und taktvolles, korrektes Verhalten beim Einschreiten" größter Wert zu legen. In gleicher Weise ordnete etwa einen Monat später auch der Kommandant des rückwärtigen Armeegebietes des A.O.K. 19 5 4 8 unter Bezugnahme auf die amtliche Auslegung der Ziffer 52 der H.Dv. 275 (1940) „durch den Heeresgruppenrichter und den Höheren Feldgendarmerieoffizier der Heeresgruppe" an, daß die Berechtigung der Feldgendarmerie, zivilpolizeiliche Befugnisse in Operationsgebieten innerhalb der Reichsgrenzen auszuüben, auf solche Fälle beschränkt werden solle, in denen „1. aus militärischen Gründen ein Einschreiten gegen Zivilpersonen erforderlich ist oder 2. eine entsprechende zivile Dienststelle nicht zu erreichen ist und die Diensthandlung keinen Aufschub duldet." In Übereinstimmung mit Ziffer 52 Abs. 3 der H.Dv. 275 (1940) wies der Kommandant des rückwärtigen Armeegebietes sodann nochmals nachdrücklich darauf hin, daß etwa festgenommene Zivilisten ebenso wie Anzeigen gegen Zivilpersonen „baldmöglichst an eine Stelle der zivilen Verwaltung oder Justiz abzugeben" seien. Trotz solcher Einschränkungen in der Praxis muß jedoch auch den auf das Reichsverteidigungsgesetz vom 04.09.1938 gestützten Bestimmungen in Ziffer 52 Abs. 1 Satz 1 der H.Dv. 275 (1940) attestiert werden, daß sie die Rechtsstellung der Feldgendarmen in einem bis dahin unbekannten Ausmaß stärkten. Diese wurde nämlich - wie gezeigt - durch zahlreiche zusätzliche Befugnisse weiter ausgebaut, nachdem der Frontverlauf im Zuge des allgemeinen deutschen Rückzuges die Reichsgrenzen erreicht und erstmals auch im Inland die Festlegung von Operationsgebieten erforderlich gemacht hatte.

547 548

BA-MA RW 17/192, Bl. 14 d.A. Vgl. den Befehl vom 08.11.1944, BA-MA RW 17/192, Bl. 5 d.A.

488

6. Kap.: Die Feldgendarmerie d) Die Befugnisse der Feldgendarmerie des zivilen Luftschutzes

im Bereich

Darüber hinaus erhielten die Feldgendarmen gegenüber den Staatsbürgern im eigenen Land zusätzlich noch solche Befugnisse, die weniger auf die Eigentümlichkeiten nationalsozialistischen Rechtsdenkens als vielmehr auf die Erkenntnis zurückzuführen waren, daß das Szenario eines mit modernen Waffensystemen geführten Krieges insbesondere im Bereich der Luftstreitkräfte bislang ungeahnte Gefahren für die Zivilbevölkerung umfassen würde. Aus diesem Grunde wurde auch dem sogenannten zivilen Luftschutz als Ergänzung der militärischen Luftabwehr im Dritten Reich eine gesteigerte Bedeutung beigemessen. So ging etwa München sogar so weit, daß er die passiven Maßnahmen des zivilen Luftschutzes und die aktive Flugabwehr „durch Flieger und Flakartillerie" im Hinblick auf den angestrebten Enderfolg für gleichentscheidend hielt. 5 4 9 Unabhängig davon aber, ob man dieser Einschätzung nun zu folgen vermag oder nicht, handelte es sich beim zivilen Luftschutz jedenfalls um einen Problemkreis, der allgemein für so bedeutsam gehalten wurde, daß er einer reichseinheitlichen Lösung bedurfte. Dementsprechend wurde er dann auch von § 1 1 des die zivile Flugabwehr regelnden „Luftschutzgesetzes" (LSchG) vom 26.06. 1935 5 5 0 ausdrücklich als eine Reichsaufgabe bezeichnet, deren Durchführung dem Reichsminister der Luftfahrt oblag. Das bedeutete indessen keineswegs, daß das Luftfahrtministerium sämtliche Luftschutzangelegenheiten des Dritten Reiches in alleiniger Verantwortung erledigen mußte. Vielmehr durfte der Minister gemäß § 1 I I 1 LSchG „bei der Durchführung des Luftschutzes neben den Dienststellen der Reichsluftfahrtverwaltung [auch die] ordentlichen Polizeiund Polizeiaufsichtsbehörden [sowie] andere Dienststellen und Einrichtungen der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts in Anspruch nehmen." Überdies war er aufgrund des § 12 LSchG dazu „ermächtigt, im Einvernehmen mit den zuständigen Reichsministern zur Durchführung dieses Gesetzes Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen", in denen er „die ihm nach diesem Gesetz zustehenden" Aufgaben und Befugnisse auch auf andere Behörden übertragen konnte. Von dieser Befugnis machte der Reichsluftfahrtminister in der Folgezeit dann auch tatsächlich mehrfach Gebrauch, doch ist von allen auf § 12 LSchG basierenden Regelwerken im hier interessierenden Zusammenhang lediglich die „ E r s t e Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz" (1. DVO LSchG) vom 04.05.1937 551 von Bedeutung, da darin nicht nur eine Konkretisierung der im Luftschutzbereich anfallenden Aufgaben, sondern dem Regelungsauftrag des § 4 LSchG entsprechend auch der Rahmen für den organisatorischen Aufbau 549 550 551

München, S. 135. RGBl. I 1935, S. 827. RGBl. I 1937, S. 559.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

489

der zivilen Flugabwehr zu finden war. Danach gab es für die Feldgendarmen zwei verschiedene Sachverhaltskonstellationen, in denen sie mit der Erfüllung luftschutzbezogener Obliegenheiten betraut werden konnten.

aa) Die Übertragung polizeilicher Luftschutzaufgaben So eröffnete die wörtlich mit Ziffer 19 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1938) übereinstimmende Ziffer 52 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) dem Reichsluftfahrtminister zunächst einmal die Möglichkeit, der Feldgendarmerie „die Aufgaben der Polizei auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes" zu übertragen. Einen solchen Übertragungsakt vorausgesetzt, konnten die Feldgendarmen also sämtliche Tätigkeiten ausüben, die nach den Bestimmungen des Luftschutzgesetzes und der dazu ergangenen ersten Durchführungsverordnung an sich den zivilen Polizeiorganisationen vorbehalten waren. Dazu zählte gemäß § 5 LSchG in erster Linie die Heranziehung luftschutzpflichtiger Personen zur Luftschutzpflicht, soweit dafür in den Durchführungsbestimmungen nicht eine abweichende Zuständigkeit begründet worden war. Luftschutzpflichtig waren gemäß § 2 LSchG jeder Deutsche ohne Unterschied des Alters oder des Geschlechts, „alle juristischen Personen, nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen, Anstalten und Einrichtungen öffentlichen und privaten Rechts, soweit sie im Deutschen Reich Sitz, Niederlassung oder Vermögen" hatten, sowie schließlich auch sämtliche Ausländer und Staatenlosen, soweit sie im „Deutschen Reich Wohnsitz, Aufenthalt oder Vermögen" aufwiesen und „nicht Staatsverträge oder allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechts" entgegenstanden. Indessen wurden durch den bloßen Umstand, daß eine Person nach diesen Grundsätzen luftschutzpflichtig war, noch keine bestimmten Verhaltenspflichten ausgelöst. Vielmehr handelte es sich bei der Luftschutzpflichtigkeit lediglich um die abstrakte Verpflichtung, die jeweils zuständigen staatlichen Dienststellen und Behörden bei der Wahrnehmung der im Bereich des Luftschutzes anfallenden Aufgaben zu unterstützen. Die Pflichtigen Personen mußten daher erst dann aktiv werden, wenn die Luftschutzpflichtigkeit zuvor konkretisiert worden war. Den sonach erforderlichen Zwischenschritt, durch den die Konkretisierung der Luftschutzpflichtigkeit bewirkt wurde, bezeichnete das Luftschutzgesetz als die „Heranziehung" des in § 2 LSchG festgelegten Personenkreises. Erst durch diese Maßnahme wurden die Pflichtigen Personen also zur Erfüllung der unter dem Oberbegriff der „Luftschutzpflicht" zusammengefaßten Einzelobliegenheiten der zivilen Flugabwehr angehalten. Dabei handelte es sich gemäß § 2 I LSchG um die Luftschutzdienstpflicht, die Luftschutzsachleistungspflicht sowie die Pflicht zum luftschutzmäßigen Verhalten. Obschon diese Einzelpflichten des Luftschutzes nun jeweils gesonderten Bestimmungen unterlagen, war letztlich doch in allen drei Fällen nur die Polizei für die Heranziehung der Pflichtigen Personen zuständig. Für die Heranziehung zur Luftschutzsachleistungspflicht ergab sich das

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

unmittelbar aus dem Luftschutzgesetz. Da nämlich die Verpflichtung, zur Durchführung des Luftschutzes Sachleistungen zu erbringen, bis zum Ende des Dritten Reichs spezialgesetzlich nicht mehr geregelt worden ist, galt der in § 5 LSchG festgeschriebene Grundsatz insoweit unverändert fort. Demgegenüber beruhte die polizeiliche Zuständigkeit für die Heranziehung zur Luftschutzdienstpflicht 552 in erster Linie auf der Vorschrift des § 9 I 1 der 1. DVO LSchG, denn darin war in Anknüpfung an § 5 LSchG die Anordnung enthalten, daß die „notwendigen Kräfte aus dem Kreis der nach § 2 des Luftschutzgesetzes luftschutzpflichtigen Personen durch polizeiliche Verfügung" der ordent552 Im Gegensatz zur Luftschutzsachleistungspflicht und zur Pflicht zum luftschutzmäßigen Verhalten konnten bei der Luftschutzdienstpflicht nicht alle luftschutzpflichtigen Personen herangezogen werden. So war es zunächst einmal ganz selbstverständlich, daß juristische Personen von der Luftschutzdienstpflicht nicht betroffen sein konnten, da sie naturgemäß nicht in der Lage waren, persönliche Dienstleistungen zu erbringen (München, S. 137). Zudem durften gemäß § 3, 1 LSchG „Personen, die infolge ihres Lebensalters oder ihres Gesundheitszustandes ungeeignet" erschienen, nicht „zu persönlichen Diensten im Luftschutz" herangezogen werden. Ergänzend nahm dann § 3, 2 LSchG noch diejenigen Personen von der Luftschutzdienstpflicht aus, „deren Heranziehung mit ihren Berufspflichten gegenüber der Volksgemeinschaft, insbesondere mit den Pflichten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, nicht zu vereinbaren" war. Darüber hinaus ergaben sich aber auch dadurch weitere Ausnahmen, daß gemäß § 10 I Nr. 1 der 1. DVO LSchG diejenigen Personen, die der allgemeinen Wehrpflicht unterlagen, nur dann herangezogen werden durften, wenn „sie durch die Wehrersatz-Dienststellen als »unabkömmlich zugunsten des Luftschutzes4 erklärt" wurden. Überdies war es gemäß § 10 I Nr. 2 der 1. DVO LSchG zusätzlich untersagt, solche Personen für den Luftschutzdienst auszuwählen, „die zwar der allgemeinen Wehrpflicht nicht unterliegen, aber für Zwecke der Kriegsführung anderweitig benötigt" wurden. Schließlich wurde dann der Kreis der Dienstpflichtigen auch dadurch nochmals eingeengt, daß § 10 II der 1. DVO LSchG schlichtweg allen „Personen, die 1. mit Zuchthaus bestraft sind, 2. nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sind, 3. den Maßregeln der Sicherung und Besserung [...] unterworfen sind, 4. durch militärgerichtliches Urteil die Wehrwürdigkeit verloren haben, 5. wegen staatsfeindlicher Betätigung gerichtlich bestraft sind," die Fähigkeit absprach, den Luftschutzdienst auszuüben. In diesem Zusammenhang vertrat München, S. 137, die Auffassung, daß § 10 der 1. DVO LSchG den Luftschutzdienst unausgesprochen zum Ehrendienst erkläre. Nur so sei überhaupt zu verstehen, warum er „die Personen, die durch ihr Verhalten bewiesen haben, daß sie außerhalb der Volksgemeinschaft stehen", vom Luftschutzdienst freistelle. Für diese Ansicht sprach vor allem ein Vergleich mit den Bestimmungen des „Wehrgesetzes" (WG) vom 21.05.1935 (RGBl. I 1935, S. 609). Dessen § 13 stufte nämlich genau dieselben Personen, die auch von § 10 II der 1. DVO LSchG aufgezählt wurden, als wehrunwürdig ein und schloß sie von der Ausübung des Wehrdienstes aus. Aus dieser vollständigen Übereinstimmung der Ausschlußgründe konnte nun aber mit Recht geschlossen werden, daß die „Würde des Luftschutzdienstes" nach dem Willen des Gesetzgebers nicht hinter dem ,»Ansehen des Wehrdienstes" zurückstehen sollte. Wenn also der Wehrdienst von § 1 I WG ausdrücklich als ein „ E h r e n d i e n s t am Deutschen Volke" bezeichnet wurde, dann mußte dies doch für den Luftschutzdienst auch ohne eine entsprechende Gesetzesnorm in gleicher Weise gelten. Obgleich die Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz im Gegensatz zum Wehrgesetz den Begriff der „Unwürdigkeit" nicht verwendete, dürfte mithin die von München geäußerte Meinung aus Sicht der nationalsozialistischen Rechtsdogmatik im Ergebnis zutreffend gewesen sein.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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liehen Polizeibehörden heranzuziehen seien. Schließlich fiel auch die Heranziehung zur letzten Einzelobliegenheit der Luftschutzpflicht aufgrund einer Spezialregelung in den Verantwortungsbereich der Polizei, da diese von § 7 der 1. DVO LSchG dazu ermächtigt wurde, „durch polizeiliche Verfügung oder Verordnung [...] den nach § 2 des Luftschutzgesetzes luftschutzpflichtigen Personen die Verpflichtung zum luftschutzmäßigen Verhalten" aufzuerlegen und sie auf diese Weise zu sämtlichen Handlungen, Duldungen und Unterlassungen anzuhalten, „die zur Durchführung des Luftschutzes, insbesondere zur Durchführung von Ausbildungsveranstaltungen, Übungen und technischen Maßnahmen notwendig" waren. Neben den sonach im Zusammenhang mit der Heranziehung luftschutzpflichtiger Personen anfallenden Tätigkeiten gehörte aber auch die unmittelbare Wahrnehmung konkreter Luftschutzaufgaben zu den Obliegenheiten der Polizei. So waren gemäß § 2 I 1 der 1. DVO LSchG vor allem „der Luftschutzwarndienst und der Sicherheits- und Hilfsdienst [...] von den ordentlichen Polizeiund Polizeiaufsichtsbehörden" durchzuführen. 553 Dadurch wurde aber der Polizei gemäß § 1 lit. a) und b) der 1. DVO LSchG zusätzlich noch die Verpflichtung zugewiesen, alle „Maßnahmen zu treffen, um Bevölkerung, Dienststellen und Betriebe zu warnen [sowie] bei Personen- und Sachschäden Hilfe zu leisten und bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, soweit sie durch Luftangriffe gestört oder gefährdet wird, mitzuwirken." Schließlich gehörte es auch noch zu den Aufgaben der Polizei, bestimmte Verstöße luftschutzpflichtiger Personen gegen die Bestimmungen des Luftschutzgesetzes zu sanktionieren. Insoweit sah § 17, 1 der 1. DVO LSchG vor, daß die Polizeibehörden „wegen der in ihrem Bezirk verübten Übertretungen des § 9 des Luftschutzgesetzes die Strafe durch polizeiliche Strafverfügung festsetzen" konnten. 554 Das hatte zur Folge, daß die Polizei das Recht erhielt, gemäß § 9 I LSchG jeden Luftschutzpflichtigen, der den Vorschriften der §§2 oder 8 zuwider handelte, „mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark" zu bestrafen. 555 553 Mit München, S. 136, dürfte diese Zuständigkeitsregelung darauf zurückzuführen sein, daß die genannten Dienste „unmittelbar die Volksgemeinschaft" betrafen und daher im Gegensatz zu den übrigen Aufgaben des Luftschutzes, die jeweils nur für einen engeren Kreis von Betroffenen relevant waren, eine besondere Bedeutung hatten. 554 Gemäß § 17, 2 der 1. DVO LSchG war jedoch in leichteren Fällen von einer Strafverfügung abzusehen. Ergänzend eröffnete § 17, 3 der 1. DVO LSchG sodann auch noch die Möglichkeit, „statt oder neben einer polizeilichen Strafverfügung [...] eine gebührenfreie Verwarnung" zu erteilen. 555 Hingegen gehörte die Ahndung der in § 9 II LSchG geregelten Delikte nicht zu den Aufgaben der Polizei. Das hing damit zusammen, daß § 17 der 1. DVO LSchG lediglich auf die in § 9 LSchG vorgesehenen Übertretungen verwies. Eine Übertretung lag jedoch gemäß § 1 HI RStGB in der im Dritten Reich gültigen Fassung nur bei solchen Handlungen vor, die mit Haft oder Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Aus diesem Grunde konnte nicht nur jede Person, die sich ihrer auf § 2 LSchG beruhenden Luftschutzpflichtigkeit zu entziehen versuchte, von der Polizei zur Rechenschaft gezogen werden. Vielmehr unterlagen zusätzlich auch alle diejenigen Luftschutzpflichtigen der polizeilichen Strafgewalt, die entgegen § 8 LSchG ohne vorherige Genehmigung des Reichsluftfahrtministers Gerät oder Mittel für den Luftschutz vertrieben, über Fragen des Luftschutzes Unterricht erteilten, Vorträge hielten, Druckschriften veröffentlichten oder sonst verbreiteten, Bilder oder Filme öffentlich vorführten oder Luftschutzausstellungen veranstalteten. Damit war jedoch der Pflichtenkreis der zivilen Polizeiorganisationen auf dem Gebiet des Luftschutzes erschöpft; weitere Tätigkeiten hatten sie insoweit also nicht mehr zu verrichten. Soweit nun aber die vorgestellten Aufgaben der Polizei aufgrund der eingangs zitierten Regelung in der H.Dv. 275 ganz oder teilweise den Feldgendarmen übertragen wurden, bewirkte dies zugleich eine abermalige Erweiterung des ihnen zugestandenen Befugnisrahmens. Um eine effektive Erfüllung der delegierten Obliegenheiten zu gewährleisten, beschränkte sich nämlich der Regelungsgehalt der Ziffer 52 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) keineswegs auf die Eröffnung einer Übertragungsmöglichkeit für polizeiliche Luftschutzaufgaben, sondern enthielt darüber hinaus noch die Bestimmung, daß die vom Pflichtenübergang betroffenen Feldgendarmen berechtigt sein sollten, die „zulässigen polizeilichen Zwangsmittel anzuwenden." Dementsprechend stand also den aufgrund einer Delegierung polizeilicher Aufgaben im Bereich des zivilen Luftschutzes eingesetzten Feldgendarmen zusätzlich zu den ihnen ohnehin schon eingeräumten umfangreichen Befugnissen auch noch das Recht zu, ihre Anweisungen gegenüber der Zivilbevölkerung im eigenen Lande mit den Mitteln des Verwaltungszwanges durchzusetzen. bb) Die originären Zuständigkeiten im Bereich des Luftschutzes Indessen hing die Entstehung dieses Rechts - wie gesehen - entscheidend davon ab, daß die Feldgendarmen aufgrund eines vorangegangenen Übertragungsaktes zur Verrichtung luftschutzbezogener Tätigkeiten eingesetzt wurden. Darüber hinaus gab es aber auch noch eine Fallgruppe, in der die Feldgendarmerie Aufgaben des Luftschutzes ohne einen solchen Zwischenschritt und

Reichsmark bedroht waren. Da aber § 9 II LSchG sowohl einen Verstoß gegen die durch § 7 LSchG auf dem Gebiet des Luftschutzes begründeten Geheimhaltungspflichten als auch die wiederholte Verwirklichung der Straftatbestände des § 9 I LSchG mit Gefängnis oder Geldstrafe bis zum gesetzlich zugelassenen Höchstmaß (vgl. dazu §§ 27 ff. RStGB damaliger Fassung) bedrohte, waren die auf diese Weise inkriminierten Verhaltensweisen gemäß § 1 II RStGB dem Deliktstypus des Vergehens zuzuordnen. Obwohl also § 17 der 1. DVO LSchG den § 9 LSchG ganz allgemein in Bezug nahm, erfaßte die Verweisung tatsächlich nur den ersten Absatz dieser Norm.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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daher gleichsam in originärer Zuständigkeit wahrzunehmen hatte. Das war darauf zurückzuführen, daß die Wehrmacht gemäß § 22 I 1 der 1. DVO LSchG zu denjenigen Verwaltungszweigen zu zählen war, die die „für sie in Betracht kommenden Luftschutzmaßnahmen" eigenständig ergreifen durften. 556 Sie war mithin grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, alle in ihrem Bereich auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes auftretenden Aufgaben zu erfüllen. 557 Dazu gehörte neben den bereits dargestellten Luftschutzwarn-, Sicherheits- und Hilfsdiensten insbesondere auch der sogenannte „Selbstschutz", der gemäß § 1 lit. d) der 1. DVO LSchG alle Maßnahmen umfaßte, die dazu dienten, „öffentliche und private Gebäude, Dienststellen und Betriebe sowie die in ihnen befindlichen Personen zu schützen." Soweit die Wehrmacht darüber hinaus im Rahmen der Wehrwirtschaftsorganisation oder der militärischen Verwaltung in den besetzten Gebieten die unmittelbare Aufsicht über „industrielle oder gewerbliche Betriebe" führte, war sie zudem auch für den dort erforderlichen Werkluftschutz zuständig, der gemäß § 1 lit. c) der 1. DVO LSchG den Zweck verfolgte, die betreffenden Betriebe und die darin „tätigen Personen zur Aufrechterhaltung eines ungestörten" Produktionsablaufs zu schützen. In ähnlicher Weise mußten schließlich im Rahmen des sogenannten „erweiterten Selbstschutzes" gemäß § 1 lit. e) der 1. DVO LSchG auch noch sämtliche öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe, „für die der Selbstschutz nicht ausreicht, ein Werkluftschutz aber nicht notwendig ist," sowie die in ihnen befindlichen Personen geschützt werden. Allen diesen Aufgaben war nun gemeinsam, daß es im Zuge ihrer Durchführung erforderlich werden konnte, luftschutzpflichtige Zivilpersonen zur Erfüllung ihrer Luftschutzpflichten heranzuziehen. Entsprechende Befugnisse standen jedoch nach den Bestimmungen des Luftschutzgesetzes und der dazu ergangenen ersten Durchführungsverordnung an sich nur den zivilen Polizeikräften zur Verfügung. Aus diesem Grunde war in § 22 I 6 Hs. 1 der 1. DVO LSchG zumindest vorgesehen, daß diejenigen Verwaltungszweige, die die für sie in Betracht kommenden Luftschutzaufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen berechtigt waren, die in den §§7 und 17 der 1. DVO LSchG geregelten Befugnisse ebenfalls selbst ausüben durften, wenn sie über eine „Sonder556

Soweit das von der Wehrmacht zu diesem Zweck eingesetzte Personal für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht ausreichte, bestand gemäß § 22 III 1 der 1. DVO LSchG die Möglichkeit, daß „aus dem Kreis der nach § 2 des Luftschutzgesetzes luftschutzpflichtigen Personen durch die ordentlichen Polizeibehörden Ergänzungskräfte herangezogen" wurden. Auch dabei handelte es sich um eine Aufgabe, die aufgrund der Ziffer 52 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) auf die Feldgendarmerie übertragbar war. Im Unterschied zu den im Rahmen des § 22 I der 1. DVO LSchG anfallenden Pflichten gehörte sie jedoch zum originären Zuständigkeitsbereich der zivilen Polizeiformationen und konnte einem Feldgendarmen daher nur nach ausdrücklicher Delegierung zufallen. 557 Konsequenterweise heißt es dann auch in § 22 I 6 HS. 2 der 1. DVO LSchG, daß „im übrigen die ordentlichen Polizeibehörden nur auf Antrag tätig" werden durften.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

polizei" verfügten, die an die Stelle der ordentlichen Polizei treten konnte. Das war aber vor allem bei der Wehrmacht der Fall, da dort in Gestalt der Feldgendarmerie ganz ohne Zweifel eine Sonderpolizeiorganisation existierte, die den Anforderungen des § 22 I 6 der 1. DVO LSchG genügte. Damit trat dann also die Feldgendarmerie an die Stelle der zivilen Polizei, soweit diese durch die §§7 und 17 der 1. DVO LSchG mit Rechten und Pflichten versehen worden war. Eines vorherigen Übertragungsaktes bedurfte es dafür schon deshalb nicht, weil diese Rechtsfolge unmittelbar durch die entsprechende gesetzliche Bestimmung des § 22 I 6 der 1. DVO LSchG ausgelöst wurde. Mithin war die Feldgendarmerie auf dem Gebiet der bei der Wehrmacht anfallenden zivilen Luftschutzaufgaben kraft Gesetzes dafür zuständig, gemäß § 7 der 1. DVO LSchG luftschutzpflichtigen Zivilpersonen die Verpflichtung zum luftschutzmäßigen Verhalten aufzuerlegen und nach Maßgabe des § 17 der 1. DVO LSchG die in § 9 I LSchG unter Strafe gestellten Handlungen zu ahnden. 558 Zu diesem Zweck war sie dann nicht nur dazu berechtigt, den betroffenen Zivilpersonen die erforderlichen Anweisungen zu erteilen. Vielmehr konnte sie diese notfalls auch mit den ansonsten der zivilen Polizei vorbehaltenen Zwangsmitteln durchsetzen, da Ziffer 52 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) nicht danach differenzierte, ob der Feldgendarmerie die polizeilichen Luftschutzaufgaben unmittelbar kraft Gesetzes zugewiesen wurden oder ob es dafür erst noch eines zwischengeschalteten Übertragungsaktes bedurfte. Auch insoweit war daher der Katalog der den Feldgendarmen eingeräumten Rechte um eine zuvor unbekannte Befugnis erweitert worden. e) Das Verhältnis zu den Angehörigen der Waffen-SS Schon an früherer Stelle dieser Arbeit ist darauf hingewiesen worden, daß die Befugnisse, die einem Soldaten innerhalb der Wehrmacht zustanden, nicht ohne weiteres auch im Verhältnis zu den Angehörigen der Waffen-SS ausgeübt werden konnten. Umgekehrt war auch die Rechtsstellung eines Soldaten der Waffen-SS nicht automatisch auf den Bereich der Wehrmacht übertragbar. Die wechselseitige Anerkennung von Rechten und Pflichten bedurfte daher jeweils einer besonderen Regelung, die der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht 558 Hingegen verblieb sowohl die Heranziehung zur Luftschutzsachleistungspflicht als auch die Auswahl luftschutzpflichtiger Personen für die Luftschutzdienstpflicht in der primären Zuständigkeit der zivilen Polizeibehörden, da § 22 I 6 der 1. DVO LSchG weder auf § 5 LSchG verwies noch die Bestimmungen des § 9 I 1 der 1. DVO LSchG in Bezug nahm. Gleichwohl konnte die Feldgendarmerie im Bereich der von der Wehrmacht zu erfüllenden Luftschutzaufgaben auch insoweit tätig werden, doch war das wiederum nur dann möglich, wenn zuvor eine entsprechende Pflichtenübertragung aufgrund der in Ziffer 52 Abs. 2 der H.Dv. 275 (1940) enthaltenen Vorschriften stattgefunden hatte. Mit den im Text dargestellten originären Zuständigkeiten der Feldgendarmerie hatte dies indessen nichts zu tun.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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einem Befehl des Führers und Reichskanzlers zufolge im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS im Einzelfall erst ausarbeiten musste. 559 Aus diesem Grunde konnten sich auch die Feldgendarmen gegenüber den Soldaten der Waffen-SS zu Kriegsbeginn noch nicht auf die Befugnisse berufen, die ihnen für den Organisationsbereich der Wehrmacht eingeräumt worden waren. Vielmehr verfügte die Waffen-SS über eine eigenständige Feldgendarmerietruppe, 560 deren Wirkungskreis sich wiederum nicht auf die Angehörigen der Wehrmacht erstreckte. Daran änderte sich erst dann etwas, als der Chef des OKW im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS die für die Begründung wechselseitiger Befugnisse erforderlichen Vorschriften erlassen hatte. Danach konnten nämlich seit dem 29.09.1943 einerseits „die Feldgendarmen des Heeres 561 gegenüber den Angehörigen der Waffen-SS die gleichen Befugnisse [ausüben] wie gegenüber Wehrmachtangehörigen"; andererseits war es seither aber auch der Feldgendarmerie der Waffen-SS gestattet, gegen alle „Angehörigen der Wehrmacht und des Wehrmachtgefolges" vorzugehen. 562 Mit dieser Ausweitung des jeweiligen persönlichen Zuständigkeitsbereichs hatte die Rechtsstellung der Feldgendarmen gegen Ende des Jahres 1943 ihren größten Umfang erreicht; weitere Befugnisse kamen dann bis zum Ende des Krieges nicht mehr hinzu. f) Die Befugnisse gegenüber der Zivilbevölkerung und in den besetzten Gebieten

im Feindesland

Der wechselvolle Verlauf des zweiten Weltkrieges brachte es mit sich, daß die Feldgendarmerie als Teil der Wehrmacht nicht nur im eigenen Land, sondern von Beginn an auch außerhalb des Deutschen Reiches mit der Zivilbevölkerung in Berührung kam. Dabei konnte sie sich nun jedoch nicht einfach auf die bereits erörterten Vorschriften der Ziffer 52 Abs. 1 Satz 1 der H.Dv. 275 (1940) berufen, da diese - wie gesehen - lediglich auf die inländischen Operationsgebiete der Armee anwendbar waren. Aus diesem Grunde hatte das Oberkommando der Wehrmacht der H.Dv. 275 (1940) in Gestalt der Ziffer 52 Abs. 4 und 5 abschließend noch solche Regelungen hinzugefügt, die sich ganz speziell mit dem Einsatz der Feldgendarmerie im Feindesland und in den „sonstigen 559

Näher dazu das 5. Kapitel sub C. I. 2. 560 ygj dazu die Anlage 5 sub I. 561 Die Vereinbarung zwischen dem Chef des OKW und dem Reichsführer SS bezog sich also lediglich auf die dem Heer zugehörigen Einheiten der Feldgendarmerie. Die Marine-Küstenpolizei wurde daher von diesen Regelungen ebensowenig erfaßt wie die Feldgendarmerie der Luftwaffe [vgl. zu diesen Truppenteilen die Anlage 5 sub H. und J.]. Insoweit blieb es folglich bis zur Gründung der Wehrmacht-Ordnungstruppen bei der auf die jeweilige Teilstreitkraft beschränkten Zuständigkeit der Feldgendarmen und Küstenpolizisten. 562 Vgl. den Befehl OKH Chef H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 24324/43 vom 29.09.1943 (A.H.M. 1943, S. 447, Nr. 750).

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten" befassten. 563 Bei den letzteren handelte es sich um die von territorialen Kommandobehörden des deutschen Militärs verwalteten Teile derjenigen fremden Staaten, die sich entweder aufgrund eines Waffenstillstandsabkommens bzw. eines Friedensvertrages mit dem Deutschen Reich nicht mehr im Kriegszustand befanden oder deren staatliche Existenz als Folge der Kampfhandlungen vernichtet worden war. Da aber jede Militärverwaltung überhaupt nur dann zu einer effizienten Aufgabenerfüllung imstande ist, wenn sie sich der noch vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen des besiegten Staates bedient, mußten auch die Feldgendarmen mit den jeweiligen einheimischen Polizeiorganisationen zusammenarbeiten. Um nun jedoch einen möglichst reibungslosen Ablauf dieser Zusammenarbeit zu gewährleisten, hatten die Feldgendarmen gemäß Ziffer 52 Abs. 5 der H.Dv. 275 (1940) gegenüber der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten dieselben „Rechte, die nach den Landesgesetzen den ordentlichen Polizeivollzugsbeamten zustehen, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist oder die Beachtung des Landesrechts den Zweck der Besetzung beeinträchtigen würde." Das hatte nämlich nicht nur den Vorteil, daß die einheimische Zivilbevölkerung von Anfang an mit den polizeilichen Befugnissen der Feldgendarmen vertraut war. Vielmehr wurde durch die zitierte Regelung zusätzlich den im Verhältnis zur Feldgendarmerie zahlenmäßig weit überlegenen ausländischen Polizeikräften die Schwierigkeit erspart, sich zur Herstellung ihrer Einsatzbereitschaft zunächst mit den Prinzipien des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts beschäftigen zu müssen. Es erschien daher ganz offenbar als weitaus weniger problematisch, der erheblich geringeren Anzahl von Feldgendarmen zuzumuten, sich die erforderlichen Kenntnisse über die gesetzlichen Bestimmungen anzueignen, die in den jeweils besetzten Gebieten zu beachten waren. Das hatte indessen beinahe zwangsläufig zur Folge, daß die polizeiliche Tätigkeit in den besetzten ausländischen Landesteilen primär von den einheimischen Polizeibeamten verrichtet wurde, während der Feldgendarmerie insoweit neben der Leitungs- und Kontrollfunktion lediglich eine subsidiäre Zuständigkeit zukam. Dementsprechend war dann beispielsweise auch das Verhältnis zwischen der Feldgendarmerie und der französischen Polizei wie folgt geregelt worden:

563 Demgegenüber hatte Ziffer 18 der H.Dv. 275 (1938) noch keine Differenzierung zwischen Feindesland und anderen ausländischen Besatzungsgebieten enthalten. Vielmehr bezeichnete Ziffer 18 lit. b) der H.Dv. 275 (1938) das gesamte besetzte Staatsgebiet derjenigen fremden Länder, mit denen das Deutsche Reich sich im Kriegszustand befand oder vor der Besetzung befunden hatte, unterschiedslos als Feindesland und traf insoweit eine der Ziffer 52 Abs. 4 der H.Dv. 275 (1940) inhaltiich entsprechende Regelung. Die Bestimmungen der Ziffer 52 Abs. 5 der H.Dv. 275 (1940) über die besetzten Gebiete dürften daher ihre Aufnahme in die Feldgendarmerievorschrift den Erfahrungen zu verdanken haben, die die Wehrmachtspitze mit den deutschen Militärverwaltungen im Ausland zur Zeit der Neufassung der H.Dv. 275 (1940) bereits gesammelt hatte.

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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„Sache der französischen Polizei ist es: a) Die öffentliche Ordnung und Sicherheit innerhalb der Zivilbevölkerung aufrechtzuerhalten entsprechend den französischen Gesetzen, soweit diese nicht durch Verordnungen der deutschen Militärverwaltungsstellen hinfällig oder außer Kraft gesetzt worden sind. b) Die Verordnungen und Weisungen der deutschen Militärverwaltungsstellen gegenüber der Zivilbevölkerung durchzusetzen. Der Feldgendarmerie obliegt die Bearbeitung aller Fälle von strafbaren Handlungen, an denen Wehrmachtangehörige (einschließlich Heeresgefolge) beteiligt sind. Sie kann sich, soweit es sich um beteiligte Zivilpersonen handelt, der französischen Gendarmerie bzw. Polizei bedienen. In den Fällen zu a) greift die Feldgendarmerie an Ort und Stelle nur dann ein, wenn es sich um Verbrechen oder schwere Vergehen handelt und französische Polizeiorgane nicht anwesend sind oder wenn ein Einschreiten im Interesse der deutschen Wehrmacht erforderlich erscheint. Nach Durchführung der ersten, unbedingt erforderlichen Maßnahmen sind diese Fälle alsbald der französischen Polizei zur weiteren Bearbeitung zu übergeben. In den Fällen zu b) hat die Feldgendarmerie darüber zu wachen, daß die Verordnungen der deutschen Militärverwaltungsstellen bei der Zivilbevölkerung tatsächlich und dem Sinne entsprechend durchgeführt werden. Ferner überwacht die Feldgendarmerie die Durchführung aller für die französische Polizei selbst von den deutschen Militärverwaltungsstellen erlassenen Bestimmungen." 564 Ergänzend hieß es dann noch in Ziffer 7 der „Anweisung für die Kommandoführer einer französischen Gendarmerieabteilung" vom 08.08.1940, daß „bei gemeinsamer dienstlicher Tätigkeit von deutschen und französischen Sicherheitsorganen [...] der Führer der deutschen Sicherheitsorgane die Befehlsgewalt bezüglich des Einsatzes" innehatte. 565 Während die Feldgendarmen demzufolge in den besetzten Gebieten die Verrichtung polizeilicher Tätigkeiten im Regelfall den einheimischen Polizeikräften überlassen konnten und mußten, war dies in den durch die Wehrmacht eroberten und von der H.Dv. 275 (1940) als „Feindesland" bezeichneten Landesteilen der564 Vgl. den bereits mehrfach erwähnten Befehl des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich betreffend den Einsatz der Feldgendarmerie innerhalb seines Bereiches vom 14.08.1940 (BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe); gleichwohl lassen sich auch immer wieder Fälle nachweisen, in denen die Feldgendarmerie das „Recht des ersten Zugriffs" in Anspruch nahm, ohne daß die dafür in dem zitierten Befehl aufgestellten Voraussetzungen erfüllt waren. So ist etwa der Meldung eines Feldgendarmen in Rochefort/Frankreich zu entnehmen, daß er einen französischen Zivilisten lediglich deshalb festgenommen und zur Standortkommandantur verbracht hat, weil er seine Personalien nicht an Ort und Stelle hatte überprüfen können (BA-MA RW 17/198, Bl. 10 d.A.). Mit den im Text wiedergegebenen Bestimmungen des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich dürfte diese Vorgehensweise zwar nicht zu vereinbaren gewesen sein, doch blieb sie - soweit aus dem angegebenen Aktenbestand ersichtlich - für den handelnden Feldgendarmen letztlich dennoch ohne Folgen. 565 BA-MA RH 36/237, ohne Blattangabe. 32 Schütz

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

jenigen Staaten, mit denen die bewaffneten Auseinandersetzungen noch andauerten, aus naheliegenden Gründen völlig anders. In den von der Wehrmacht eingenommenen Arealen dieser Länder konnte sich die deutsche Militärverwaltung nämlich naturgemäß nicht im gleichen Maße auf die Unterstützung durch die einheimischen staatlichen Dienststellen verlassen wie dies in den besetzten Gebieten der Fall war. Das hatte zur Folge, daß in den als Feindesland bezeichneten Bereichen sämtliche polizeilichen Aufgaben und Befugnisse „in Händen der Feldgendarmerie [lagen], soweit nicht für besondere Aufgaben besondere Kräfte eingesetzt sind (z.B. Geheime Feldpolizei) oder für die Kriegsverwaltung besetzter Feindgebiete [...] eine besondere Regelung getroffen ist". 5 6 6 Dementsprechend sah dann Ziffer 52 Abs. 4 Satz 1 der H.Dv. 275 (1940) auch vor, daß die Feldgendarmerie im Feindesland ihre Aufgaben gegenüber der Zivilbevölkerung „nach den Grundsätzen deutschen Polizeirechts" zu erfüllen hatte, „soweit nicht besondere Anordnungen getroffen sind." Die H.Dv. 275 (1940) ging also davon aus, daß die Angehörigen der Feldgendarmerie im Feindesland wegen der dort fehlenden Unterstützung durch die örtlichen Polizeikräfte effektiver arbeiten konnten, wenn sie sich nicht erst mit der Rechtslage in einem fremden Staat vertraut machen mußten. Das war schon deshalb richtig, weil ein beträchtlicher Teil des Personals der Feldgendarmerie den zivilen Polizeiorganisationen des Dritten Reiches entstammte und daher die Anwendung des deutschen Polizeirechts grundsätzlich beherrschte. Festzuhalten bleibt jedenfalls, daß die Feldgendarmen in den von der Wehrmacht besetzten Landesteilen feindlicher Staaten die gleiche rechtliche Position bekleideten, die innerhalb des Deutschen Reiches den zivilen Polizeibeamten vorbehalten war. Damit ist aber die Rechtsstellung der Feldgendarmen in der Gestalt, die sie unter Berücksichtigung der Eigentümlichkeiten des nationalsozialistischen Rechtssystems angenommen hatte, vollständig dargestellt. Mit den daraus resultierenden Befugnissen mußte die Feldgendarmerie also bis zum Ende des zweiten Weltkrieges eine möglichst wirkungsvolle Erfüllung ihrer oben ebenfalls bereits umfassend wiedergegebenen Aufgaben gewährleisten, ehe ihre Formationsgeschichte infolge der Kapitulation der Wehrmacht am 08.05.1945 endgültig endete.

IV. Die Feldgendarmerie bei Übungen Ähnlich wie schon im Kaiserreich wurde das für den Dienst in der Feldgendarmerie vorgesehene Personal auch in der Zeit des Nationalsozialismus teilweise bereits im Frieden eingezogen, um anläßlich von Truppenübungen und 566

So wörtlich die treffende und aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen in der Neufassung der Feldgendarmerievorschrift nicht übernommene Formulierung in Ziffer 18 lit. b) der H.Dv. 275 (1938).

G. Die Feldgendarmerie im Dritten Reich

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Großmanövern militärpolizeiliche Aufgaben zu erfüllen. Bis in die zweite Hälfte des Jahres 1938 hinein vollzog sich diese Friedenstätigkeit noch immer auf der Grundlage des Anhangs zur Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890. Die einzige Ergänzung, die - soweit ersichtlich - in den Jahren bis zum Außerkrafttreten der Feldgendarmerieordnung den Vorschriften über die GendarmeriePatrouillen bei Manövern hinzugefügt worden war, ging auf einen Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht vom 10.06.1938567 zurück und betraf die Grußpflichten des Gendarmeriepersonals. Danach mußten diejenigen ManöverGendarmen, die einem Truppenteil der Wehrmacht entnommen worden waren und daher die Uniform eines Wehrmachtteils trugen, wie sonst auch nur „die für die Wehrmacht vorgeschriebenen Ehrenbezeigungen" erweisen. Demgegenüber waren die der zivilen Polizeiorganisation entstammenden Gendarmen gemäß Ziffer 2 des Befehls vom 10.06.1938 verpflichtet, „den deutschen Gruß" zu entbieten. Daß sie für die Dauer des Manövers einer militärischen Kommandobehörde unterstellt waren, sollte dabei gemäß Ziffer 4 des Befehls außer Betracht bleiben. Entscheidend für die „Art des Grußes" war vielmehr allein die Frage, welche Uniform ein Gendarm während der Übung trug. Von diesen Neuerungen einmal abgesehen galten jedoch die Bestimmungen des Anhangs zur Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 unverändert fort, bis sie unter dem 22.07.1938 aufgehoben und durch die nachfolgenden Vorschriften der H.Dv. 275 (1938) abgelöst wurden. Auch diese Feldgendarmerievorschrift befaßte sich in ihrem Anhang, der im übrigen später von der H.Dv. 275 (1940) wörtlich übernommen wurde, mit dem Einsatz von Gendarmen bei Übungen der Wehrmacht. Im Hinblick auf die wahrzunehmenden Aufgaben hatte diese Neuregelung indessen keine grundlegenden Änderungen zur Folge. Nach wie vor diente nämlich der Einsatz von Gendarmen bei Truppenübungen gemäß Ziffer 4 des Anhangs zur H.Dv. 275 (1938) hauptsächlich dem Ziel, Flurschäden zu verhindern und für „die Verkehrsregelung und Verkehrsüberwachung an Brennpunkten des militärischen Verkehrs" zu sorgen. Zu diesen verkehrsdienstlichen Aufgaben gehörte des weiteren aber auch noch die Verkehrsunfallaufnahme, für deren Durchführung Ziffer 9 des Anhangs zur H.Dv. 275 (1938) eine differenzierte Regelung enthielt. So sollte sich die Tätigkeit der eingesetzten Gendarmen zunächst einmal „bei Verkehrsunfällen, bei denen die Wehrmacht nicht beteiligt ist", darauf beschränken, erste Hilfe zu leisten und den Tatbestand aufzunehmen. Insoweit mußte die Verkehrsunfallaufnahme nämlich in erster Linie von den örtlichen Polizeibehörden vorgenommen werden, denen die Gendarmen daher die von ihnen „getroffenen Feststellungen unmittelbar zuzuleiten" hatten. Handelte es sich hingegen um Verkehrsunfälle „zwischen Fahrzeugen oder Personen der Wehrmacht und Zivilfahrzeugen oder Zivilpersonen", so waren die Gendarmen zwar an sich alleine zuständig, doch hatten sie auch insoweit grund567

32*

Az. 14a 12 J (I a), BA-MA RW 6/139, ohne Blattangabe.

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

sätzlich im Einvernehmen mit den örtlichen Polizeidienststellen zu handeln. Unabhängig davon aber, welcher Art der von den Gendarmen aufgenommene Unfall letztlich war, mußte er der vorgesetzten Feldgendarmeriedienststelle immer dann gemeldet werden, wenn die einschreitenden Gendarmen den Vorgang nicht allein bearbeitet hatten. Über diese verkehrsdienstlichen Obliegenheiten hinaus waren die Gendarmen dann nur noch für die Ausübung der sogenannten „Manöver-Polizei" zuständig, deren Aufgaben gemäß Ziffer 5 des Anhangs zur H.Dv. 275 (1938) „in erster Linie in der Ausschaltung aller durch die Friedensverhältnisse bedingten Hemmnisse und Störungen [bestanden], die den Ablauf der Übungen" zu behindern geeignet waren. Die Pflicht zur „Überwachung des Verkehrs der Zivilbevölkerung" stellte daher wie zuvor auch schon im Kaiserreich einen weiteren Schwerpunkt der militärpolizeilichen Tätigkeiten anläßlich von Übungen und Manövern der Wehrmacht dar. Wichen demnach die von den Manöver-Gendarmen der Wehrmacht zu erfüllenden Aufgaben nur in sehr geringem Maße von denen ihrer historischen Vorgänger ab, so galt dies keineswegs in gleicher Weise auch für ihre Rechtsstellung. Im Gegensatz zu den Gendarmerie-Patrouillen der kaiserlichen Armee sollten sich diejenigen der Wehrmacht hinsichtlich ihrer Befugnisse nicht von den im Krieg eingesetzten Feldgendarmen unterscheiden. Zu diesem Zweck ordnete Ziffer 2 des Anhangs zur H.Dv. 275 (1938) an, daß für die Aufstellung der Patrouillen und die Beorderung des dafür benötigten Personals allein die Feldgendarmerievorschrift maßgebend war. Das hatte dann aber zur Folge, daß die eingezogenen Militärpolizisten tatsächlich unterschiedslos als Feldgendarmen anzusehen waren. Sämtliche Befugnisse, auf die sich ein Feldgendarm der ausführlichen Darstellung in den vorstehenden Abschnitten zufolge im Krieg berufen konnte, standen daher grundsätzlich auch den schon im Frieden anläßlich von Übungen der Wehrmacht mobilisierten Gendarmen zu. Eine signifikante Einschränkung dieses Grundsatzes ergab sich jedoch aus der Vorschrift der Ziffer 8 Abs. 1 des Anhangs zur H.Dv. 275 (1938), da darin angeordnet worden war, daß die Feldgendarmerie im Verlauf des Manövers nur bei Gefahr im Verzug befugt sein sollte, gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. Zudem waren auch im Hinblick auf die Festnahmerechte der Feldgendarmen einige Besonderheiten zu beachten, denn insoweit hieß es in Ziffer 8 Abs. 3 des Anhangs zur H.Dv. 275 (1938) wörtlich: „Festgenommene Zivilpersonen sind unverzüglich bei der zuständigen Polizeibehörde abzuliefern. Über abgelieferte Personen läßt sich der Feldgendarm eine Bescheinigung ausstellen, aus der die Personalien des Festgenommenen und der Zeitpunkt der Ablieferung zu ersehen sind. Diese Bescheinigung hat der Feldgendarm mit einem Bericht über den Grund der Festnahme seiner vorgesetzten Feldgendarmeriedienststelle vorzulegen." Trotz dieser Modifikationen handelte es sich bei der prinzipiellen Gleichstellung der Manöver-Gendarmen mit den Feldgendarmen im Vergleich zur frühe-

H. Zusammenfassung und Ergebnis

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ren Rechtslage um eine beträchtliche Vereinfachung, da nunmehr nicht nur erstmals alle eingesetzten Militärpolizisten die gleiche Rechtsstellung innehatten, sondern überdies auch hinsichtlich ihrer Befugnisse keine komplexen Sonderregelungen mehr getroffen werden mußten. In gleicher Weise war im übrigen auch die Aufstellung der für das Manöver benötigten Patrouillen erleichtert worden. Während nämlich insoweit nach der Feldgendarmerieordnung des Jahres 1890 noch ein umständliches Zusammenwirken zwischen militärischen und zivilen Dienststellen im Vorfeld des Manövers erforderlich war, gestattete die Regelung der Ziffer 1 des Anhangs zur H.Dv. 275 (1938) den Kommandobehörden der übenden Truppenteile, entweder auf Anordnung oder zumindest mit Genehmigung des O.K.H. die Aufstellung oder den Einsatz von Feldgendarmerieeinheiten sowie die Besetzung von Feld- und Ortskommandanturen mit Feldgendarmeriekräften in eigener Verantwortung zu befehlen. Einer wie auch immer gearteten Mitwirkung ziviler Behörden bedurfte es daher fortan nicht mehr. Indessen brachte es die weitere geschichtliche Entwicklung mit sich, daß die beschriebenen Neuregelungen des Gendarmeriedienstes bei Übungen nur innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes tatsächlich ausgeübt werden konnten. Schon ein Jahr später hatte nämlich der Ausbruch des zweiten Weltkrieges zur Folge, daß der Anhang zur H.Dv. 275 (1938) mit seinen auf die Friedensverhältnisse zugeschnittenen Bestimmungen über die Manöver und Übungen der Wehrmacht jede praktische Relevanz verlor. Obschon also die Vorschriften über den Feldgendarmerieeinsatz bei Truppenübungen bis zur Kapitulation der Wehrmacht am 08.05.1945 in Kraft blieben, weil sie im Anhang der H.Dv. 275 (1940) wörtlich übernommen wurden, erlangten sie seit September 1939 allenfalls noch theoretische Bedeutung; in der Praxis spielte der Anhang zur H.Dv. 275 dagegen bis zum Ende der Feldgendarmeriegeschichte keine Rolle mehr.

H. Zusammenfassung und Ergebnis Die Feldgendarmerie wurde nach intensiven Vorverhandlungen zwischen dem Kriegs- und dem Innenministerium in Anlehnung an das österreichische Vorbild der sogenannten „Botenjäger" aufgrund einer Allerhöchsten Kabinettsorder vom 25.05.1866 gegründet. Von Anfang an wies die neue Truppengattung einige charakteristische Merkmale auf, die während der gesamten Dauer ihrer Formationsgeschichte weitgehend unverändert beibehalten wurden. So stellte etwa der Entschluß, den Personalbedarf der Feldgendarmerie aus den Reihen der Landgendarmerie zu decken, eine das Erscheinungsbild der Formation dauerhaft prägende Grundsatzentscheidung dar, da die Landgendarmen bis weit in den ersten Weltkrieg hinein einen wesentlichen Anteil an der Stellenbesetzung in der Feldgendarmerie hatten. Selbst im zweiten Weltkrieg wurden die Feldgendarmen immer noch vorrangig den zivilen Polizeiorganisationen entnommen. In glei-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

eher Weise entwickelte sich die Absicht, die Feldgendarmerie lediglich für die Dauer des Krieges gegen Österreich aufzustellen und nach erfolgtem Friedensschluß wieder aufzulösen, zu einem Grundprinzip ihrer Formationsgeschichte, da sie auch später stets nur im Rahmen von bewaffneten Auseinandersetzungen zum Einsatz gekommen ist. Zudem gehörte der zu keiner Zeit veränderte Grundsatz, daß die Feldgendarmen im allgemeinen nicht zu größeren Verbänden zusammengestellt, sondern in kleineren Einheiten auf die verschiedenen Großverbände des Heeres verteilt wurden, ebenfalls zu den bereits in der Gründungsurkunde vom 25.05.1866 vorgegebenen Leitlinien der Feldgendarmeriegeschichte. Schließlich erwies sich auch die schon im Krieg des Jahres 1866 feststellbare besondere Kennzeichnung der in der Feldgendarmerie verwendeten Soldaten als eine zu allen Zeiten anzutreffende Eigenart der Truppe. Nur wenige Wochen nach ihrer Gründung kam die Feldgendarmerie im Rahmen des preußisch-österreichischen Krieges erstmals zum Einsatz. Zu diesem Zweck hatte man beim Chef der Landgendarmerie insgesamt acht Erste Wachtmeister und 174 Gendarmen angefordert, die sich binnen zehn Tagen nach ihrer Einberufung an ihrem jeweiligen Gestellungsort einzufinden hatten. Den in der A. K. O. vom 25.05.1866 vorgesehenen Einsatzgrundsätzen entsprechend wurde dieses Personal dergestalt verteilt, daß grundsätzlich jedem Armeekorps ein Feldgendarmeriedetachement zur Verfügung stand, das sich aus einem Wachtmeister und 20 Gendarmen zusammensetzte. Lediglich zwei der insgesamt neun Armeekorps konnten nicht über eigene Feldgendarmeriekräfte verfügen, da sie nach dem preußischen Aufmarschplan zu einer Armee zusammengefaßt wurden. Demzufolge war es dann auch nur der Armeestab, dem ein Feldgendarmeriedetachement zugewiesen wurde. Dieses hatte jedoch mit einem Wachtmeister und insgesamt 30 Gendarmen einen größeren Umfang als die Detachements der Korps. Die verbleibenden vier Gendarmen wurden schließlich einem bei Wetzlar stationierten selbständigen Truppenkontingent beigegeben. Die zivilen Dienstposten aller Landgendarmen, die in der beschriebenen Weise an die Armee abgegeben worden waren, blieben während des Kriegseinsatzes nicht etwa frei, sondern wurden von Stellvertretern besetzt, die das Kriegsministerium vornehmlich aus den Reihen der zu den Ersatztruppen gehörenden Infanterieregimentern auswählte und dem Chef der Landgendarmerie zur Verfügung stellte. Ebenso wie die Feldgendarmen kehrten diese Ersatzmannschaften indessen nach Kriegsende wieder auf ihre ursprünglichen Dienststellen zurück. Nach dem Sieg gegen Österreich beschloß das preußische Kriegsministerium, die Feldgendarmerie, die sich offenkundig bewährt hatte, zu einer Dauereinrichtung zu machen und auch im Rahmen künftiger Kriege wieder aufzustellen. Aus diesem Grunde wurden in der Folgezeit erstmals verbindliche „Grundsätze zur Organisation des bei einer Mobilmachung zu formierenden Feldgendarme-

H. Zusammenfassung und Ergebnis

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rie-Corps" erarbeitet. Danach sollte in Zukunft jedes Armeekorps über ein stark vergrößertes Feldgendarmeriedetachement verfügen können, das sich aus einem Offizier, zwei Wachtmeistern, 15 Obergendarmen, 15 Unteroffizieren und 30 Gefreiten zusammensetzte. Da jedoch der dadurch entstehende Personalbedarf nicht mehr allein von der Landgendarmerie gedeckt werden konnte, sollten dieser neben dem Offizier und den zwei Wachtmeistern nur noch 15 Gendarmen pro Feldgendarmeriedetachement entstammen. Die übrigen Stellen mußten daher mit Unteroffizieren und Gefreiten besetzt werden, die der Kavallerie entnommen wurden. Für den Einsatz war dann vorgesehen, die Landgendarmen als Patrouillenführer und die Kavalleriesoldaten als deren Begleiter zu verwenden. Demgemäß sollten die Landgendarmen nach ihrem Übertritt in die Feldgendarmerie auch die Bezeichnung „Obergendarmen" führen, während die von der Kavallerie abkommandierten Soldaten ganz einfach „Feldgendarmen" genannt wurden. Sämtliche Wachtmeister und Gendarmen der Landgendarmerie, die für eine Kriegsverwendung in der Feldgendarmerie vorgesehen waren, mußten von nun an alljährlich im voraus festgelegt werden, um ihre Einberufung ohne Zeitverlust in die Wege leiten zu können. Hingegen sollten die Offiziere der Feldgendarmerie nicht zwingend der Landgendarmerie angehören, sondern konnten unter der nach Möglichkeit zu beachtenden Voraussetzung, daß sie in ihrem Zivilberuf der Polizei angehörten, auch aus den Reihen des Beurlaubtenstandes ausgewählt werden. Die so umschriebenen Organisationsprinzipien wurden in der Folgezeit von der unter dem 07.01.1869 erlassenen Dienstvorschrift für die Feldgendarmerie nahezu unverändert übernommen und entwickelten sich damit zugleich auch zur Grundlage für den Einsatz der Feldgendarmen im deutsch-französischen Krieg. Neu hinzugekommen war indessen die Bestimmung, daß das einem Armeekorps zugewiesene Feldgendarmeriepersonal nicht mehr nur die kämpfende Truppe zu unterstützen hatte, sondern auch der Etappeninspektion des Korps zur Verfügung stehen mußte. Die einem Armeekorps überlassenen Feldgendarmen waren daher dergestalt aufzuteilen, daß ein Wachtmeister, fünf Obergendarmen, fünf Unteroffiziere und zehn Gefreite der Etappeninspektion unterstellt wurden, während die übrigen 40 Feldgendarmen unter der Führung des Offiziers und eines Wachtmeisters das Detachement des Korpsstabes bildeten. Zudem sollten erstmals auch die übergeordneten Kommandobehörden im voraus eingeplante eigene Feldgendarmeriekräfte erhalten, die von den Detachements der Armeekorps oder deren Etappeninspektionen abzukommandieren waren und daher hinsichtlich ihrer Personalstärke zwangsläufig hinter den Feldgendarmerieeinheiten auf Korpsebene zurückblieben. Auch für das große Hauptquartier der Heeresführung war zum ersten Mal eine Feldgendarmerieabteilung vorgesehen, deren Zusammensetzung allerdings erst nach einer Mobilmachung festgesetzt werden sollte. Überdies bestimmte die neue Dienstvorschrift, daß die auf

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der Ebene der Armeen zu bildenden Feldgendarmerieeinheiten als „Abteilungen" zu bezeichnen waren und einem Stabsoffizier unterstellt sein mußten, der dann zugleich auch für die einheitliche Führung aller Feldgendarmeriedetachements der nachgeordneten Armeekorps zu sorgen hatte. Nachdem die Feldgendarmen diesen Grundsätzen entsprechend am deutschfranzösischen Krieg teilgenommen hatten, erhielten sie unter dem 15.08.1872 abermals eine neue Dienstvorschrift, deren Erlaß nach der Reichsgründung schon allein aus terminologischen Gründen notwendig geworden war, darüber hinaus aber auch einige Veränderungen inhaltlicher Art zur Folge hatte. So wurde vor allem der Stärkeetat der Feldgendarmerie erneut heraufgesetzt, so daß jedes Armeekorps nunmehr zu Beginn einer Mobilmachung einen Rittmeister, einen Wachtmeister, 24 Obergendarmen, 24 Unteroffiziere und 24 Gefreite einziehen konnte. Von diesem Personal, an dessen Gestellung die Landgendarmerie mit einem Drittel beteiligt war, mußte jedoch jedes Korps wiederum 21 Feldgendarmen an die nur noch bei den Armeen aufzustellenden Etappeninspektionen abgeben, wo auf diese Weise aus den von jeweils vier Armeekorps abkommandierten Feldgendarmeriekräften Detachements in einer Stärke von 84 Mann entstanden. Demgegenüber sollten in den Armeestäben und im großen Hauptquartier künftig nur noch Feldgendarmeriekommandos gebildet werden, die an die Stelle der früheren Abteilungen traten und im allgemeinen deutlich kleiner waren als ihre Vorläufer. So waren etwa für das große Hauptquartier lediglich ein Wachtmeister und fünf Obergendarmen vorgesehen, die von der Landgendarmerie abgestellt werden mußten. In den Armeestäben gab es zudem sogar nur eine einzige Wachtmeisterstelle, da dort allenfalls einzelne Feldgendarmeriepatrouillen tätig werden sollten, die bei Bedarf bei der Etappen-Inspektion der Armee anzufordern waren. Demzufolge waren dann auch die Feldgendarmeriedetachements der Armeekorps nicht mehr länger der Abteilung im Armeestab unterstellt und wurden daher ausschließlich von ihrem jeweiligen Rittmeister geführt. Da aufgrund dieser Regelungen der Umfang der die Landgendarmerie treffenden Gestellungspflichten erheblich angewachsen war, sah die neue Dienstvorschrift des weiteren als Ausgleichsmaßnahme vor, daß mindestens die Hälfte der von den Ersatztruppen zu entnehmenden Stellvertreter für die zur Feldgendarmerie übertretenden Landgendarmen beritten sein mußte. Schließlich führten die Bestimmungen der Dienstvorschrift des Jahres 1872 noch dazu, daß sich das Feldgendarmeriepersonal in Zukunft spätestens am 7. statt wie bisher am 10. Mobilmachungstag an seinem Gestellungsort einzufinden hatte. In den auf die Reichsgründung folgenden Friedensjahren traten nur wenige formationsgeschichtliche Veränderungen auf, die zum größten Teil auf die Einführung der Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 zurückgingen. Danach war vor allem der Personalumfang der inzwischen als „Trupps" bezeichneten Feldgendarmerieeinheiten auf Korpsebene nochmals anzuheben. Das hatte zur Folge, daß jedes Armeekorps von nun an über einen Rittmeister, einen Wacht-

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meister, 20 Obergendarmen, 20 Unteroffiziere und 20 Gefreite verfügen können sollte, von denen nach wie vor ein Drittel der Landgendarmerie zu entnehmen war. Da zugleich auch die Zahl der preußischen Armeekorps weiter anstieg, enthielt der Stärkenachweis für die Feldgendarmerie im Jahre 1913 bereits die Namen von insgesamt 502 Landgendarmen, die im Mobilmachungsfall an nunmehr erstmals für jedes Armeekorps gesondert festgelegten Gestellungstagen zur Armee übertreten mußten. Neu war darüber hinaus auch die Regelung, daß aus dem für die Feldgendarmerie vorgesehenen Personal anläßlich größerer Übungsvorhaben der Armeekorps, der Divisionen und sogar der Brigaden schon im Frieden Gendarmerie-Patrouillen gebildet werden konnten, die in erster Linie dafür zuständig waren, Rurschäden zu verhindern und die für das Manöver erforderlichen Marschbewegungen zu überwachen. Die Anzahl dieser Patrouillen sollte sich dabei an dem im Einzelfall bestehenden Bedürfnis orientieren und daher erst im Vorfeld eines Übungsvorhabens zwischen den beteiligten Truppenkommandos und den jeweils zuständigen Zivilbehörden vereinbart werden. Hingegen war die Zusammensetzung der einzelnen Patrouillen allgemeinverbindlich dahingehend festgelegt worden, daß sie aus einem berittenen Landgendarmen als Führer und zwei Kavalleriesoldaten als dessen Begleiter bestehen sollten. Da der Einsatz von Gendarmerie-Patrouillen bei Manövern nicht nur im militärischen, sondern etwa im Hinblick auf die zu verhindernden Flurschäden auch im zivilen Interesse lag, waren die Patrouillenmitglieder an die Weisungen der Zivilverwaltung in gleicher Weise gebunden wie an die Befehle der ihnen vorgesetzten Kommandobehörden. Sie hatten daher auch nicht die Rechtsstellung von Feldgendarmen inne, sondern verfügten je nach ihrer Herkunft aus der Landgendarmerie oder der Armee über unterschiedliche Eingriffsrechte. Während nämlich die Landgendarmen ihre zivilen Befugnisse beibehielten, hatte man den von der Armee gestellten Patrouillenmitgliedern einen Befugnisrahmen eingeräumt, der demjenigen der Feldgendarmen nachempfunden war. Erst in der Dienstvorschrift des Jahres 1938 war man dann dazu übergegangen, die Rechtsstellung der bei Manövern eingesetzten Patrouillen an die der im Mobilmachungsfall aufgestellten Feldgendarmerie vollständig anzugleichen. Ihre Aufgaben blieben hingegen auch zu dieser Zeit weitgehend unverändert. Schon im Jahre 1891 wurde die Feldgendarmerieordnung durch eine vom Chef der Landgendarmerie erlassene „Instruktion über die Errichtung der Feldgendarmerie" ergänzt. Dieses Regelwerk, das im Verhältnis zur Feldgendarmerieordnung den Charakter einer hauptsächlich an die Landgendarmerieverbände gerichteten Ausführungsverordnung hatte, war zu dem Zweck erarbeitet worden, die im Bereich der Mobilmachungsplanungen für die Feldgendarmerietruppe noch bestehenden Regelungslücken zu schließen. Dieser Zielsetzung entsprechend befaßte sich die Instruktion mit allen Fragestellungen, die im Zusammenhang mit der Aufstellung der Feldgendarmerie im Mobilmachungsfall auftreten

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konnten. Sie enthielt daher neben zahlreichen Detailbestimmungen über Reisekosten, Besoldung, Verpflegung, Bekleidung, Ausrüstung, Pensionen, Hinterbliebenenversorgung und Beihilfen im Krankheitsfall in erster Linie Vorschriften über die Auswahl der Feldgendarmen und ihrer Vertreter, die Art und Weise ihres Dienstantritts sowie die an jedem einzelnen auf den Mobilmachungsbefehl folgenden Tag einzuleitenden Verfahrensschritte. Da diese Regelungen in der Folgezeit nicht mehr verändert wurden, kann davon ausgegangen werden, daß die Mobilmachung der Feldgendarmerie im August 1914 von einigen wenigen erwiesenen Ausnahmen abgesehen genau so vonstatten gegangen ist, wie dies in der Instruktion des Jahres 1891 vorgesehen worden war. Zu Beginn des ersten Weltkrieges existierten insgesamt 42 Feldgendarmerieformationen, denn abgesehen von den Feldgendarmeriekommandos im großen Hauptquartier und in den acht Oberkommandos der Armeen waren weitere 33 Feldgendarmerietrupps aufgestellt worden, von denen 25 den Armeekorps zur Verfügung standen, während die restlichen acht für die Etappeninspektionen der Armeen bestimmt waren. Im Verlauf des Krieges kam es jedoch zu einer sprunghaften Ausweitung des deutschen Militärpolizeiapparates, die dazu führte, daß zur Zeit des Waffenstillstandes insgesamt 115 Feldgendarmerieeinheiten vorhanden waren. Obgleich die Landgendarmerie beinahe jeden achten Gendarmen an die Feldgendarmerie überwies, war sie in Anbetracht der großen Zahl von Feldgendarmerieformationen mit ihren Gestellungspflichten bei weitem überfordert. Das hatte dann zur Folge, daß bei der Stellenbesetzung in der Feldgendarmerie auch Maßnahmen ergriffen werden mußten, die das von der Feldgendarmerieordnung des Jahres 1890 vorgegebene Erscheinungsbild der Truppe veränderten. So ging man etwa dazu über, die benötigten Feldgendarmen auch aus den Reihen anderer Polizeiorganisationen zu rekrutieren. Gleichwohl konnte letztlich eine deutliche Unterbesetzung der Feldgendarmerietrupps nicht vermieden werden. Aber auch die Landgendarmerie hatte mit erheblichen Problemen zu kämpfen, da sich die Stellvertreter, die ihr als Ersatz für die abgegebenen Gendarmen zugewiesen worden waren, der angespannten Sicherheitslage im Landesinnern durchweg nicht gewachsen zeigten. Aus diesem Grunde begann man schon im Jahre 1916 damit, die zur Feldgendarmerie übergetretenen Landgendarmen wieder aus der Armee zu entlassen und zu ihren zivilen Dienststellen zurückzubeordern. Da die auf diese Weise freigewordenen Stellen in der Feldgendarmerie fast ausnahmslos mit Kavallerieunteroffizieren besetzt wurden, setzte sich die Feldgendarmerie spätestens seit Sommer 1917 nahezu ausschließlich aus militärischerseits gestelltem Personal zusammen. Indessen blieben dies nicht die einzigen Abweichungen von den Regelungen der Feldgendarmerieordnung, die durch den unkalkulierbaren Verlauf des ersten Weltkrieges verursacht wurden. Da nämlich die Verwaltung der besetzten Ge-

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biete auf dem östlichen Kriegsschauplatz nicht ohne eigene Polizeimannschaften gewährleistet werden konnte, stellte man sowohl im Bereich des Oberbefehlshabers Ost als auch in dem des Generalgouvernements Warschau neue Gendarmerieformationen auf, deren Personal indessen nicht auch noch der Landgendarmerie entnommen werden konnte. Man sah sich daher gezwungen, die in diesen Gendarmerieformationen vorgesehenen Dienstposten mit Armeeangehörigen zu besetzen, die als „Korpsgendarmen" bezeichnet wurden und durch zahlreiche polizeidienstlich erfahrene Feldgendarmen unterstützt werden sollten. Aufgrund ihrer Tätigkeit im Rahmen der Militärverwaltung wurden die so gebildeten Gendarmerieformationen anfänglich indessen als immobile Truppenteile eingestuft. Mit der Feldgendarmerie kamen sie daher erst dann in Berührung, als sie durch einen kriegsministeriellen Erlaß vom 13.04.1917 in je eine Feldgendarmerietruppe umgewandelt wurden und damit die einzigen größeren Feldgendarmerieverbände darstellten, die es neben dem gegen Kriegsende noch aus fünf Kavallerie-Eskadrons gegründeten „Feldgendarmeriekorps zur besonderen Verwendung" in der preußisch-deutschen Militärgeschichte je gegeben hat. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges ist die Feldgendarmerie erst wieder im September 1939 mobil gemacht worden. Gleichwohl galt die Feldgendarmerieordnung des Jahres 1890 auch in der Zeit der Republik von Weimar unverändert fort. Die Aussage, es habe in der Weimarer Republik keine Feldgendarmerie gegeben, ist demnach nur bei einer rein faktischen Betrachtungsweise zutreffend; theoretisch war sie nämlich auch in dieser Ära ebenso existent wie in den Friedensjahren vor dem ersten Weltkrieg. Der Feldgendarmerieeinsatz im zweiten Weltkrieg richtete sich dann maßgeblich nach den Bestimmungen der Feldgendarmerievorschrift (H.Dv. 275) vom 22.07.1938, die indessen schon nach der Analyse der ersten Kriegserfahrungen durch eine ausführlichere Neufassung vom 29.07.1940 ersetzt wurde. Danach erhielten erstmals nicht mehr nur die Armeekorps, sondern schlechthin alle Großverbände des Feldheeres bis hinunter zur Divisionsebene eigene Feldgendarmeriekräfte. Zudem wurden auch territoriale Kommandobehörden wie etwa die Feld- und Ortskommandanturen mit selbständigen Feldgendarmerieformationen ausgestattet. Daneben war es aber auch noch zulässig, einzelne Feldgendarmerieeinheiten oder Teile von ihnen im Einzelfall vorübergehend anderen Dienststellen zur Verfügung zu stellen. Insgesamt hat es also im zweiten Weltkrieg erheblich mehr Feldgendarmerieformationen gegeben als in allen vorausgegangenen Kriegen seit dem Jahre 1866. Wie in früheren Zeiten setzte sich die Feldgendarmerie auch im zweiten Weltkrieg zunächst vornehmlich aus Angehörigen der zivilen Polizeiorganisationen zusammen, wobei insbesondere auf die der Ordnungspolizei zuzurechnenden Formationen der Gendarmerie und der motorisierten Gendarmeriebereitschaften zurückgegriffen wurde. Zur Deckung des beachtlich angestiegenen Per-

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sonalbedarfs wurde es jedoch alsbald erforderlich, Feldgendarmen auch aus den Reihen ehemaliger Ordnungspolizisten zu rekrutieren. Seit 1940 durften dann sogar mit Ausnahme der Dienstposten der Offiziere sämtliche Stellen in der Feldgendarmerie auch mit Unteroffizieren und Mannschaften anderer Truppenteile besetzt werden, wenn die Ordnungspolizei nicht in der Lage war, den Personalbedarf aus eigenen Kräften vollständig zu befriedigen. Im Jahre 1943 kam es schließlich noch dazu, daß selbst die Feldgendarmerieoffiziere nicht mehr zwingend der Ordnungspolizei entnommen werden mußten. Anders als in den vergangenen Kriegen waren die der Ordnungspolizei entstammenden Feldgendarmen indessen ihren militärischerseits gestellten Kameraden nicht zwangsläufig vorgesetzt. Da nämlich alle Angehörigen der Feldgendarmerie in wehrrechtlicher Hinsicht unterschiedslos als Soldaten anzusehen waren und daher ohne Ausnahme ausschließlich den militärischen Gesetzen und Bestimmungen unterlagen, wurde auch jedem Ordnungspolizisten, der in die Feldgendarmerie übertrat, eine militärische Rangstufe verliehen, die sich zunächst nach dem im Zivilberuf erreichten Dienstgrad richtete und seit 1943 allein danach bestimmt wurde, welche Position ein Feldgendarm unter Anrechnung seiner bei der Polizei geleisteten Dienstzeit nach den Beförderungsrichtlinien des Heeres zum Zeitpunkt seiner Einberufung in die Wehrmacht hätte erreicht haben können. Aus diesem Grunde richteten sich die Befehlsbefugnisse innerhalb der Feldgendarmerie alleine nach dem Dienstgrad und nicht mehr wie in der Vergangenheit - nach der Herkunft eines Feldgendarmen. Zugleich ermöglichte die beschriebene Regelung der Dienstgradverhältnisse aber auch erstmals in der Formationsgeschichte der Feldgendarmerie die Beförderung und sogar den Laufbahnwechsel ihrer Angehörigen. Im Hinblick auf die der Ordnungspolizei entstammenden Feldgendarmen führte dies jedoch zu der Frage, wie sich eine etwaige militärische Beförderung auf die im zivilen Dienstverhältnis erreichte Rangstufe auswirkte und umgekehrt. Dieses Problem wurde im allgemeinen dahingehend gelöst, daß eine Beförderung in der Ordnungspolizei automatisch auch die entsprechende Änderung im Dienstverhältnis in der Feldgendarmerie nach sich zog, während militärischerseits verfügte Dienstgradanhebungen die zivilen Rangstufen unberührt ließen. Lediglich ein Laufbahnwechsel innerhalb der Feldgendarmerie hing zusätzlich noch davon ab, daß der betreffende Soldat zuvor einen speziellen Lehrgang an der Feldgendarmerieschule bestanden hatte. Gelang ihm dies nicht, so wurde auch ein innerhalb der zivilen Polizeiorganisation erreichter Laufbahnwechsel in der Feldgendarmerie nicht nachvollzogen. Ausnahmsweise konnten jedoch diejenigen Unteroffiziere, die sich durch besondere Tapferkeit oder außergewöhnliche Leistungen ausgezeichnet hatten, auch ohne vorherigen Lehrgang zum Offizier befördert werden, wenn sie ihre Fähigkeiten während einer zweimonatigen Probezeit unter Beweis gestellt hatten; eine gleichzeitige Änderung der zivilen Rangstufe wurde dadurch allerdings nicht zwangsläufig hervorgerufen.

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Ebenso neu wie diese Beförderungsrichtlinien war die Einführung der sogenannten „Sachbearbeiter", die - ohne über eigene Kommandogewalt zu verfügen - in den Kommandobehörden des Heeres einschließlich der Feld- und Ortskommandanturen für die Beratung der Befehlshaber in allen Feldgendarmeriefragen zuständig waren. An der Spitze dieser Sachbearbeiter stand der „Höhere Feldgendarmerie-Offizier beim OKH", zu dessen Pflichten neben der Personalbearbeitung und Offizierstellenbesetzung vor allem die Überwachung des Ausbildungswesens und die Auswertung der Fronterfahrungen mit der Feldgendarmerie gehörten. Ihm nachgeordnet waren ursprünglich die sogenannten „Stabsoffiziere der Feldgendarmerie", die auf der Ebene der Armeen für die Bearbeitung sämtlicher Feldgendarmerieangelegenheiten im Befehlsbereich der jeweiligen Kommandeure verantwortlich waren. Schon 1943 fielen diese Dienstposten indessen wieder fort, da die Aufgaben der Sachbearbeiter auch von den Kommandeuren der den Armeen jeweils zugeordneten Feldgendarmerieabteilungen erfüllt werden konnten. Stattdessen erhielten jedoch die Heeresgruppen erstmals eigene Sachbearbeiter für militärpolizeiliche Angelegenheiten, die den Titel „Höherer Kommandeur der Feldgendarmerie bei der Heeresgruppe" führten und die gleichen Aufgaben zu erfüllen hatten wie vormals die Feldgendarmerieoffiziere in den Oberkommandos der Armeen. Die Funktionen der Sachbearbeiter für alle Feldgendarmerieangelegenheiten auf Korps- und Divisionsebene sowie bei den territorialen Kommandobehörden wurden schließlich ebenso wie seit 1943 auch bei den Armeen durch die Führer der den jeweiligen Stäben unmittelbar unterstellten Feldgendarmeriekräfte wahrgenommen. An der so zusammengefaßten Organisation der Feldgendarmerie im zweiten Weltkrieg trat erst im Februar 1945 eine grundlegende Veränderung ein, da zu dieser Zeit befohlen wurde, die gesamte Truppe gemeinsam mit anderen ordnungsdienstlichen Kräften der Wehrmacht vollständig in die neugeschaffenen „Wehrmacht-Ordnungstruppen" zu integrieren, die unmittelbar dem Chef des OKW unterstanden. Das hatte zur Folge, daß die Feldgendarmen aus dem Befehlsbereich der Teilstreitkräfte herausgelöst wurden und fortan einer neuen Truppengattung angehörten, die als ein Organ der Gesamtwehrmacht einzuordnen war. Dementsprechend waren sie nunmehr auch mit einer teilstreitkraftübergreifenden Zuständigkeit ausgestattet und konnten daher ihre Befugnisse auch im Verhältnis zu den Angehörigen der Luftwaffe und der Marine, die sich innerhalb ihres Einsatzgebietes aufhielten, ausüben. Zudem war es künftig möglich, daß das OKW militärpolizeiliche Schwerpunkte an solchen Frontabschnitten, an denen die militärische Disziplin und Ordnung besonders gefährdet war, bildete, da die Entscheidung über den Feldgendarmerieeinsatz nunmehr nicht mehr ausschließlich bei den Stäben der Heeresverbände lag. Obwohl mit diesen Maßnahmen unter Auflösung bestehender Organisationsstrukturen eine einheitliche neue Truppengattung gebildet werden sollte, ist dies in den wenigen verbleibenden Kriegsmonaten tatsächlich nicht mehr vollständig

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gelungen, da die Formationsgeschichte der Wehrmacht-Ordnungstruppen und damit auch der Feldgendarmerie mit der Kapitulation der Wehrmacht bereits am 08.05.1945 endete. Die Aufgaben, die von der Feldgendarmerie zu erfüllen waren, wiesen von Anfang an die für militärpolizeiliche Formationen charakteristische Dreiteilung auf. Schon in der ersten Dienstvorschrift für die Feldgendarmerie lassen sich demnach sowohl Verkehrs- und ordnungsdienstliche Pflichten als auch Sicherheitsaufgaben finden. Im verkehrsdienstlichen Bereich oblag den Feldgendarmen neben der Marschstraßen- und Geländeerkundung vor allem die Kennzeichnung und Offenhaltung derjenigen Verkehrswege, die für operative und taktische Truppenbewegungen vorgesehen waren. Zudem hatten sie dafür zu sorgen, daß die für diese Marschstraßen erlassenen Vorschriften eingehalten wurden. Demgegenüber waren sie im Rahmen des militärischen Ordnungsdienstes nicht nur ganz allgemein dafür zuständig, Ruhe und Ordnung in den Hauptquartieren, hinter der Front, bei den Verbandplätzen sowie in den übrigen Bereichen der Armee aufrechtzuerhalten, sondern mußten darüber hinaus auch noch Deserteure, Nachzügler, Versprengte und sonstige Soldaten, die den Anschluß an ihre Truppenteile verloren hatten, einsammeln und zu ihren Einheiten zurückbeordern. In zeittypischer Weise gehörte es des weiteren zu ihren ordnungsdienstlichen Obliegenheiten, die Kaufleute und Marketender im Gefolge der Armee zu überwachen, Plünderungen und unberechtigte Requisitionen zu verhindern, an Gefechtstagen Verwundete zu bergen sowie den „Train" und die „Bagage" zu beaufsichtigen. Zu den Sicherheitsaufgaben der Feldgendarmerie zählten sodann in erster Linie die Überwachung des Besucherverkehrs in den Hauptquartieren, die Verhinderung von Sabotageakten und Spionageversuchen sowie die Begleitung von Verwundeten- und Krankentransporten. Obgleich die Feldgendarmerie in Gestalt der Verpflichtungen, Befehle zu überbringen und Requisitionen durchzuführen, auch Tätigkeiten verrichten mußte, die sich nicht dem Bereich der klassischen militärpolizeilichen Aufgabentrias zuordnen lassen, führt die Bewertung ihres Aufgabenspektrums doch zu dem Ergebnis, daß sie schon zur Zeit ihrer Gründung den Charakter einer Militärpolizeiformation im modernen Sinne aufgewiesen hat. Daran änderte sich auch dann nichts, als unter dem 07.01.1869 eine neue Dienstinstruktion in Kraft trat, da deren Bestimmungen über die von der Feldgendarmerie zu erfüllenden Aufgaben mit den entsprechenden Regelungen ihrer Vörläuferin aus dem Jahre 1866 weitgehend übereinstimmten. Neu hinzugekommen war im wesentlichen nur die ordnungsdienstliche Pflicht, an Gefechtstagen das Schlachtfeld abzupatrouillieren, um die Ausplünderung verwundeter oder gefallener Soldaten zu verhindern. Hingegen war es nunmehr sogar ausdrücklich verboten, die Feldgendarmen mit anderen Tätigkeiten wie etwa dem Wachoder Ordonnanzdienst zu betrauen. Der militärpolizeiliche Charakter der Truppe

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wurde mithin durch die neue Dienstvorschrift nicht nur gewahrt, sondern sogar noch zusätzlich abgesichert. In der Praxis sollten die Feldgendarmen ihre Aufgaben unter Bildung von Patrouillen erfüllen, die zunächst mindestens aus zwei Personen, nach Möglichkeit jedoch aus einem Obergendarmen als Führer, einem Unteroffizier als dessen Stellvertreter und zwei weiteren Feldgendarmen als Begleiter bestanden. Später wurde diese Regelung dann dahingehend abgeändert, daß jede Patrouille grundsätzlich nur noch von drei Personen zu bilden war. Neben ihren militärpolizeilichen Verpflichtungen waren die Patrouillen auch dafür verantwortlich, die Verbindung zu den Feldgendarmerieeinheiten benachbarter Armeekorps aufrechtzuerhalten. Wurden sie gemeinsam mit Angehörigen anderer Truppengattungen eingesetzt, so stand die einheitliche Führung der zusammenarbeitenden Soldaten zwar nicht immer den Feldgendarmen zu, doch waren diese stets verpflichtet, den mit der Leitung des Einsatzes betrauten Personen in allen etwaig auftretenden militärpolizeilichen Fragestellungen Ratschläge zu erteilen. Hielten sich die nicht der Feldgendarmerie angehörenden Führer eines solchen gemeinsamen Kommandos nicht an die ihnen mitgeteilten Ansichten der Fachleute, so waren sie für den daraus entstehenden Schaden persönlich verantwortlich. Im Rahmen des auf diese Weise organisierten Dienstbetriebes nahmen die Feldgendarmen während des deutsch-französischen Krieges im allgemeinen diejenigen Aufgaben wahr, die ihnen von ihrer Dienstvorschrift zugewiesen worden waren. Der rasche Vormarsch der deutschen Truppen brachte es jedoch mit sich, daß sie zunächst schwerpunktmäßig mit verkehrsdienstlichen Obliegenheiten auf den Marsch- und Etappenstraßen sowie anläßlich von Gewässerübergängen beschäftigt waren. Später hatten sie dann in den besetzten französischen Gebieten auch die Polizeihoheit inne, die sie im Auftrag der zuständigen Militärgouverneure ausübten. Dabei entwickelte sich insbesondere die Partisanenbekämpfung zu einer weiteren Schwerpunkttätigkeit. Nach dem siegreichen Abschluß des Feldzuges hatten die Feldgendarmen schließlich noch den Rückmarsch der einzelnen Divisionen und Armeekorps verkehrsdienstlich zu begleiten, ehe sie im Zuge der generellen Demobilmachung wieder auf ihre ursprünglichen Dienstposten zurückkehrten. Die aus der Analyse der Kriegsereignisse gewonnenen Erkenntnisse haben in der Folgezeit dazu geführt, daß die neue Dienstvorschrift vom 15.08.1872 das Aufgabenspektrum der Feldgendarmerie erstmals spürbar erweiterte. So wurde es den Feldgendarmen in ordnungsdienstlicher Hinsicht neuerdings zur Pflicht gemacht, diejenigen Orte, an denen die Soldaten anderer Truppenteile den Einflußnahmemöglichkeiten ihrer unmittelbaren Vorgesetzten entzogen waren, besonders zu beaufsichtigen. Im Bereich des militärischen Verkehrsdienstes war zudem die Obliegenheit hinzugekommen, die Marschstraßen mit dem Ziel zu überwachen, etwaige Beschädigungen festzustellen und schnellstmöglich besei-

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tigen zu lassen. Völlig neu war darüber hinaus auch die Übertragung sanitätspolizeilicher Aufgaben, die von der Sorge für die Reinerhaltung von Brunnen und Wasserläufen über die Verantwortung für die vorschriftsmäßige Bestattung von Leichen und Tierkadavern bis hin zur Kontrolle des Vergrabens der in den Feldschlächtereien anfallenden Abfälle reichten. Als unmittelbare Reaktion auf den allgemein-polizeilichen Einsatz der Feldgendarmen in den besetzten französischen Gebieten enthielt die Dienstvorschrift vom 15.08.1872 sodann zum ersten Mal einen Katalog derjenigen Tätigkeiten, die nach der Übertragung der Polizeihoheit in den unter Militärverwaltung stehenden Territorien des feindlichen Auslandes verrichtet werden mußten. Danach hatte die Feldgendarmerie insoweit künftig nicht nur die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten, sondern ebenso an der Entwaffnung der Zivilbevölkerung mitzuwirken, Hausdurchsuchungen vorzunehmen, für die Kriegsführung bedeutsame Gegenstände zu beschlagnahmen und die Benutzung militärisch wichtiger öffentlicher Gebäude durch den Feind zu unterbinden. Schließlich war von der Feldgendarmerie im Gegensatz zur früheren Sachlage in Zukunft auch noch Personal abzustellen, das die höheren Generale begleiten mußte, um in deren Auftrag für die unverzügliche Beseitigung aufgetretener Mißstände zu sorgen und die dafür Verantwortlichen zu verhaften. Da die so zusammengefaßten Vorschriften über die Obliegenheiten der Feldgendarmen dann von einer Modernisierung des Wörtlautes abgesehen auch durch das Inkrafttreten der Feldgendarmerieordnung vom 10.06.1890 nicht mehr abgeändert worden sind, stellten sie selbst im ersten Weltkrieg immer noch die Grundlage des Feldgendarmerieeinsatzes dar. Erst die Feldgendarmerievorschrift vom 22.07.1938 führte zu einer umfassenden Neuregelung des den Feldgendarmen zugewiesenen Aufgabenspektrums, von der auch die überarbeitete Version der H.Dv. 275 des Jahres 1940 nicht mehr abwich. Danach waren von den Feldgendarmen nach wie vor in erster Linie diejenigen Tätigkeiten zu verrichten, die im Bereich der klassischen militärpolizeilichen Aufgabentrias anfielen. Insoweit war jedoch insbesondere für die den Fronttruppen beigegebenen Feldgendarmerieeinheiten der Einsatz im Verkehrsdienst die mit Abstand wichtigste Obliegenheit. Diese bestand neben der Überwachung der Verkehrsdisziplin und der Einhaltung der Verkehrsbestimmungen durch die Kraftfahrer der Wehrmacht vor allem in der planmäßigen Verkehrsregelung auf den Vorund Rückmarschstraßen, an größeren Versorgungseinrichtungen, in Ortschaften, an Straßenkreuzungen, Brücken, Unterführungen und Engpässen sowie in allen sonstigen Fällen, in denen aufgrund besonderer Verhältnisse, die etwa auch durch Wettereinflüsse, Feindeinwirkungen oder Flüchtlingsbewegungen hervorgerufen werden konnten, Verkehrsschwierigkeiten zu erwarten waren. Überdies waren die Feldgendarmen auch für die Aufnahme von Verkehrsunfällen zuständig, an denen Fahrzeuge der Wehrmacht beteiligt waren. Zusätzlich oblag der Feldgendarmerie noch die Kennzeichnung von Marschstraßen sowie die

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Pflicht, Verkehrshindernisse und Straßenschäden festzustellen und beseitigen zu lassen. In ordnungsdienstlicher Hinsicht hatte sodann jeder Feldgendarm den ständigen Auftrag, das vorschriftsmäßige und disziplinierte Verhalten der Wehrmachtangehörigen vornehmlich dort, wo sie den Augen ihrer unmittelbaren Vorgesetzten entzogen waren, zu überwachen. Insbesondere die den territorialen Befehlshabern zur Verfügung stehenden Feldgendarmeriekräfte hatten darüber hinaus jedoch noch weitere ordnungsdienstliche Aufgaben zu erfüllen, zu denen - abgesehen von der Überwachung des militärischen Reiseverkehrs auf Bahnhöfen und in Zügen - etwa auch die Nachforschung nach eigenmächtig abwesenden Soldaten, das Sicherstellen der Erkennungsmarken, Soldbücher und Wertgegenstände gefallener Wehrmachtangehöriger, die Sorge für deren Bestattung, das Einrichten von Auskunftsstellen und Gefangenensammellagern sowie die Mitwirkung beim Sammeln und Rückführen von Versprengten zählten. Der überlieferten Dreiteilung militärpolizeilicher Obliegenheiten entsprechend hatten die Feldgendarmen fernerhin auch Sicherheitsaufgaben wahrzunehmen. So gehörte es zu ihren Pflichten, feindliches Propagandamaterial sicherzustellen, aufgefundene Blindgänger zu sprengen, für die Wehrmacht verwertbare Vorräte des Feindes aufzuspüren, Partisanen zu bekämpfen, Sabotageakte zu verhindern oder Spionageversuche zu unterbinden. Zudem waren sie dafür verantwortlich, feindliche Gefallene und Verwundete nach Befehlen, Karten oder anderen militärisch bedeutsamen Dokumenten zu durchsuchen, luftgelandete Feindkräfte aufzufinden, rückwärtige Verbindungen und für die Kriegsführung oder die Heeresversorgung wichtige Einrichtungen abzusichern sowie im Zusammenwirken mit der Geheimen Feldpolizei etwaigen Landesverrat, mögliche Zersetzungshandlungen oder sonstige Verdachtsfälle politischer oder strafrechtlicher Art zu bearbeiten. Darüber hinaus mußte die Feldgendarmerie Gebäude oder Räumlichkeiten, in denen feindliche Stäbe untergebracht waren, nach Schriftstücken oder Nachrichtenanlagen absuchen und diese im Erfolgsfall auf dem schnellsten Wege der vorgesetzten Kommandobehörde zuleiten. Schließlich sind auch noch diejenigen Tätigkeiten den Sicherheitsaufgaben zuzurechnen, die den Feldgendarmen im Zusammenhang mit außerplanmäßigen Flugzeuglandungen abverlangt wurden. Danach waren sie nämlich dazu verpflichtet, bei Notlandungen von Flugzeugen der Wehrmacht deren Bewachung zu übernehmen und der Besatzung jede erforderliche Hilfe zukommen zu lassen. Im Falle eines Absturzes oder einer Notlandung feindlicher Flugzeuge hatten sie hingegen deren Sicherstellung zu bewirken, die überlebenden Insassen gefangenzunehmen und die angefallenen Trümmer abzusichern. Wie schon im Rahmen früherer bewaffneter Auseinandersetzungen war die Feldgendarmerie auch im zweiten Weltkrieg neben ihren klassischen militärpolizeilichen Tätigkeiten zusätzlich noch für die Erfüllung der zivilpolizeilichen 33 Schütz

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Aufgaben in den besetzten Gebieten des feindlichen Auslandes zuständig. Dazu gehörten nach der Dienstvorschrift des Jahres 1938 sämtliche Obliegenheiten, die in den Bereichen der Verkehrs-, Verwaltungs-, Fremden-, Melde-, Viehseuchen-, Jagd-, Fischerei-, Gesundheits-, Gewerbe-, Feuer-, Feld- und Forstpolizei anfallen konnten. Überdies mußten die Feldgendarmen auch auf dem Gebiet des Luftschutzes für die Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen Sorge tragen. Obwohl es an sich ausdrücklich untersagt war, die Feldgendarmerie zu Dienstleistungen zu verpflichten, die ihr nicht durch ihre Dienstvorschrift zugewiesen worden waren, kam es schließlich vor allem gegen Kriegsende in zunehmendem Maße auch noch zu Kampfeinsätzen der Feldgendarmerie. Gleichwohl stellte diese mit der geltenden Vorschriftenlage nicht zu vereinbarende Form des Feldgendarmerieeinsatzes lediglich einen auf die Endphase des Krieges beschränkten Ausnahmefall dar. Auch im zweiten Weltkrieg war das Aufgabenspektrum der Feldgendarmerie also ganz überwiegend durch solche Tätigkeiten geprägt, die zu der in der Einführung dieser Arbeit als klassisch bezeichneten militärpolizeilichen Aufgabentrias zu zählen waren. Der Befugnisrahmen, der den Feldgendarmen eingeräumt worden war, zeichnete sich während der gesamten Formationsgeschichte ihrer Truppengattung maßgeblich dadurch aus, daß sie zunächst gemäß § 134 pr. MStGB und später aufgrund der weitgehend inhaltsgleichen Vorschrift des § 111 RMStGB die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten, wenn und solange sie in Ausübung ihres Dienstes begriffen waren. Das hatte zunächst zur Folge, daß sie ohne selbst zu wirklichen Vorgesetzten zu werden - aus sämtlichen nach allgemeinen Regeln bestehenden Untergebenenverhältnissen herausgenommen wurden und dementsprechend nur noch von den ihnen innerhalb der Feldgendarmerieorganisation vorgesetzten Soldaten Befehle entgegennehmen mußten. Zugleich wurde den Feldgendarmen durch ihre Wacheigenschaft aber auch der besondere Schutz vermittelt, der nach den Bestimmungen des preußischen Militärstrafgesetzbuches und desjenigen des Deutschen Reiches an sich den Vorgesetzten vorbehalten war. Aus diesem Grunde wurde jeder Soldat, der sich einer Straftat gegen einen Feldgendarmen schuldig gemacht hatte, ebenso bestraft, als hätte er sie an einem seiner Vorgesetzten verübt. Kehrseite dieser begünstigenden Rechtswirkung war indessen der Umstand, daß die Feldgendarmen den Vorgesetzten auch insoweit gleichgestellt waren, als es um deren spezifische militärstrafrechtliche Verantwortlichkeit ging. Demzufolge wurden alle Feldgendarmen, die sich einen Mißbrauch ihrer vorgesetztenähnlichen Dienstgewalt hatten zuschulden kommen lassen, in gleicher Weise zur Rechenschaft gezogen wie Vorgesetzte, die ein solches Delikt im Verhältnis zu ihren Untergebenen begangen hatten. Neben diesen militärstrafrechtlichen Rechtsfolgen entsprang der Wacheigenschaft der Feldgendarmen des weiteren die auf eine Allerhöchste Kabinettsorder vom 31.03.1792 zurückgehende Befugnis, allen anderen Soldaten der Armee

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unabhängig von ihrem Dienstgrad diejenigen Befehle erteilen zu können, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich waren. Gleichwohl wurde dieses Befehlsrecht durch die Dienstvorschriften der Feldgendarmen dahingehend begrenzt, daß sie es in^ Verhältnis zu den Offizieren der Armee grundsätzlich nur eingeschränkt und in der Zeit zwischen 1872 und 1890 sogar überhaupt nicht ausüben durften. Zudem erstreckte sich die Zuständigkeit der Feldgendarmen von vorneherein nur auf einzelne Soldaten, so daß sie auch einer geschlossenen Militärabteilung gegenüber nicht befehlsbefugt waren. Insoweit mußten sie sich im Falle eines festgestellten Disziplinarverstoßes also regelmäßig damit begnügen, den jeweiligen Befehlshaber um Abhilfe zu ersuchen. Sofern jedoch nach diesen Grundsätzen eine Befehlsbefugnis der Feldgendarmen gegeben war, hatten sie nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, die von ihnen erteilten Anordnungen erforderlichenfalls auch durchzusetzen. Dabei konnten sie sich einerseits der Mittel der sogenannten „soldatischen Zuchtgewalt" bedienen, waren jedoch andererseits unter den Voraussetzungen der §§185 pr. MStGB; 124 RMStGB auch dazu berechtigt, unmittelbaren Zwang anzuwenden. Demzufolge war es den Feldgendarmen ebenso wie den Vorgesetzten der Armee gestattet, im Falle äußerster Not und dringendster Gefahr zum Zwecke der Befehlsdurchsetzung von ihren Waffen Gebrauch zu machen und einen ungehorsamen Soldaten selbst dann festzunehmen, zu verletzen oder gar zu töten, wenn er den Gehorsam lediglich passiv verweigert hatte. Anders als im Verhältnis zu den übrigen Armeeangehörigen hatten die Feldgendarmen gegenüber der Zivilbevölkerung keineswegs das Recht, verbindliche Anweisungen zu erteilen, da es für solche Eingriffe des Militärs in die bürgerliche Freiheitssphäre an jeglicher materiell-rechtlicher Grundlage fehlte. Eine solche wäre jedoch vor dem Hintergrund der auch zur Zeit der Gründung der Feldgendarmerie bereits bestehenden verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalte selbst nach der Auffassung des zeitgenössischen Schrifttums, die nur vereinzelt bestritten wurde, unabdingbar notwendig gewesen. Soweit also die Feldgendarmen durch ihre Dienstvorschriften dennoch dazu verpflichtet wurden, Anordnungen gegenüber Zivilpersonen auszusprechen, handelte es sich dabei um die Aufforderung zu rechtswidrigem Verhalten. Daran vermochten auch die in der Literatur verschiedentlich unternommenen Versuche, zumindest eine Anordnungsbefugnis der militärischen Wachen nachzuweisen, nichts zu ändern, da letztlich weder die bereits erwähnte A. K. O. vom 31.03.1792 noch das von der Verwaltungsrechtslehre des 19. Jahrhunderts entwickelte Institut der sogenannten „Anstaltspolizei" taugliche Rechtsgrundlagen darstellten. Letzteres kam nämlich bereits deshalb nicht in Betracht, weil es den Organen einer öffentlichen Anstalt zwar die zwangsweise Beseitigung rechtswidriger Störungen des Anstaltsbetriebes, nicht jedoch den Erlaß vollstreckbarer Anordnungen gegenüber der Zivilbevölkerung gestattete. Aber auch die A. K. O. vom 31.03.1792 berechtigte die Wachmannschaften nicht dazu, Zivilpersonen Anweisungen zu 33*

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erteilen, denn da sie niemals amtlich veröffentlicht worden war, konnte sie nach dem Inkrafttreten der preußischen Verfassung vom 31.01.1850 nicht mehr als eine das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern regelnde Vorschrift angesehen werden. Anordnungen der Feldgendarmen gegenüber der Zivilbevölkerung waren daher erst rechtmäßig, nachdem die Gesetzesvorbehalte der Weimarer Reichsverfassung durch die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 mit der Folge außer Kraft gesetzt worden waren, daß seit dieser Zeit die militärischen Dienstvorschriften formaljuristisch als entsprechende Ermächtigungsgrundlagen ausreichten. Während die bislang erörterten Befugnisse der Feldgendarmerie bis zum Ende des zweiten Weltkrieges weitgehend unverändert blieben, waren ihre Festnahmerechte zahlreichen Abwandlungen unterworfen. Im Mittelpunkt der den Feldgendarmen eingeräumten Festnahmebefugnisse stand anfangs noch das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 12.02.1850, das drei verschiedene Rechtstitel für etwaige Freiheitsentziehungen enthielt. Danach konnten die Feldgendarmen in ihrer Eigenschaft als militärische Wachen zunächst jede Person festnehmen, gegen die ein richterlicher Haftbefehl erlassen worden war. Daneben unterlagen auch sämtliche Personen der Festnahme durch die Feldgendarmen, die bei der Begehung einer strafbaren Handlung oder gleich danach betroffen oder verfolgt wurden. Schließlich berechtigte das Gesetz vom 12.02.1850 die Wachmannschaften zusätzlich noch immer dann zur Arretierung einer Person, wenn dies zu deren eigenem Schutz oder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe dringend erforderlich war. Während nun die Zuständigkeit der militärischen Wachen für die Ausführung richterlicher Haftbefehle mit der Einführung der Reichsjustizgesetze ersatzlos fortfiel, wurde das zweite der genannten Festnahmerechte von § 127 RStPO inhaltlich unverändert übernommen und stand den Feldgendarmen mithin bis zum Ende des zweiten Weltkrieges dauerhaft zur Verfügung. Hingegen blieb die letzte Festnahmebefugnis, die das Freiheitsschutzgesetz begründet hatte, als präventiv-polizeilicher Rechtstitel vom Inkrafttreten der Reichsstrafprozeßordnung zwar gänzlich unberührt, wurde dann jedoch von § 79 II 2 lit. d) pr. PVG vom 01.06.1931 aufgehoben, ohne durch eine die Feldgendarmen in gleicher Weise begünstigende Neuregelung ersetzt zu werden. Obschon den Feldgendarmen im Gegensatz etwa zu den Feldjägern der Wehrmacht an sich keine disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse zustanden, konnten sie doch von Anfang an auch auf einen dem Disziplinarrecht zuzuordnenden Festnahmetitel zurückgreifen. Ohne insoweit eine Sonderstellung innerhalb der Armee innezuhaben, waren nämlich die Offiziere der Feldgendarmerie aufgrund einer Instruktion vom 13.03.1816 befugt, alle Unteroffiziere und Mannschaften der Armee aus disziplinaren Gründen festzunehmen. In gleicher Weise durften auch die Feldgendarmerieunteroffiziere jedem Soldaten, der einen Mannschaftsdienstgrad bekleidete, die Freiheit entziehen, wenn er sich ei-

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ner Disziplinlosigkeit schuldig gemacht hatte. Mit Inkrafttreten der HDStO vom 31.10.1872 wurde der diesem Festnahmerecht unterliegende Personenkreis zwar dadurch ausgeweitet, daß künftig jeder Offizier und Unteroffizier berechtigt war, alle nach dem Dienstgrad, dem Patent oder auch nur dem Dienstalter unter ihm stehenden Personen des Soldatenstandes vorläufig festzunehmen. Gleichwohl stellte auch diese Bestimmung noch immer einen Schwachpunkt innerhalb der Rechtsstellung der Feldgendarmen dar, da sie allein im Verhältnis zu den einfachen Soldaten eine weitgehend unbeschränkte Festnahmemöglichkeit geschaffen hatte. Hingegen kam die vorläufige Festnahme eines Offiziers angesichts der Dienstgradstruktur der Feldgendarmerie, die nur wenige Offizierstellen umfaßte, allenfalls in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Bei Unteroffizieren hing es sogar oft genug vom Zufall ab, ob ihre Festnahme zulässig war oder nicht, da es sich nie vorhersehen ließ, inwieweit der einschreitende Feldgendarm im konkreten Einzelfall einen höheren Dienstgrad innehatte oder auf eine längere Armeezugehörigkeit verweisen konnte. Obgleich es somit dem Befugnisrahmen der Feldgendarmen in disziplinarrechtlicher Hinsicht ausgerechnet gegenüber dem wichtigen Personenkreis der Offiziere und Unteroffiziere an einem geeigneten Instrumentarium für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung fehlte, wurde dieser Rechtszustand auch in der Folgezeit nicht mehr verändert. Vielmehr enthielt auch die WDStO, die im Jahre 1942 an die Stelle der HDStO trat, noch immer eine Regelung, die inhaltlich vollständig mit der des Jahres 1872 übereinstimmte. Die Feldgendarmerie war daher gezwungen, sich während des gesamten Verlaufs ihrer Formationsgeschichte mit den dargestellten Defiziten abzufinden. Daran vermochte auch der Umstand nichts zu ändern, daß in einem kleinen Teilbereich des Disziplinarrechts abweichende Prinzipien galten. Obwohl nämlich aufgrund der für die Wachen maßgebenden militärischen Dienstvorschriften schon immer sämtliche Unteroffiziere und Mannschaften und seit 1902 zusätzlich auch alle nichtuniformierten Offiziere vorläufig festgenommen werden konnten, die nach dem Zapfenstreich ohne Erlaubnis außerhalb ihres Quartiers angetroffen wurden, war dieser Ausnahmefall doch für die Feldgendarmen von einer so geringen praktischen Bedeutung, daß er bei der Beurteilung der ihnen zugestandenen disziplinaren Festnahmebefugnisse letztlich völlig außer acht gelassen werden kann. Einen weitaus größeren Wirkungskreis entfalteten indessen wiederum diejenigen Festnahmerechte, die sich aus dem Rechtsinstitut der Anstaltspolizei und aus dem allgemeinen Notwehrrecht ableiten ließen, denn in beiden Fällen durften bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen sowohl Zivilpersonen als auch Armeeangehörige vorläufig arretiert werden. Darüber hinaus hielt die Wachinstruktion vom 08.08.1850 ebenso wie alle nachfolgenden Regelwerke dieser Art die Wachmannschaften und damit auch die Feldgendarmen dazu an, Zivilpersonen im allgemein-polizeilichen Interesse festzunehmen, wenn sie von einer Zivilbehörde darum gebeten worden waren. Indessen mußte sich eine solche Bestim-

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mung, die als dem Innenrecht zugehörige Regelung schon wegen des Gesetzesvorbehalts für Eingriffe in die bürgerliche Freiheitssphäre keine taugliche Rechtsgrundlage darstellte, zusätzlich noch an Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 messen lassen, denn danach durfte das Militär nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen von einer Zivilbehörde requiriert werden. Die wenigen gesetzlichen Vorschriften, die eine solche Requisition tatsächlich zuließen, betrafen jedoch allesamt Sachverhalte, die mit dem Regelungsgehalt der Wachinstruktionen nichts gemeinsam hatten. Aus diesem Grunde waren den Feldgendarmen entgegen den Bestimmungen der Wachinstruktionen Festnahmen von Zivilpersonen auf Anforderung einer Zivilbehörde grundsätzlich nicht möglich. Lediglich dann, wenn eine materiell-rechtliche Ermächtigungsgrundlage ganz allgemein die Hilfeleistung zugunsten Dritter zuließ und daher zwangsläufig auch das Einschreiten im Interesse ziviler Staatsbehörden gestattete, konnten die Feldgendarmen die in Rede stehenden Vorschriften der Wachinstruktionen in rechtmäßiger Weise befolgen, da in diesem Fall keine die Anwendbarkeit des Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 auslösende Requisition vorlag. Insoweit kamen jedoch allenfalls die Jedermannrechte in Betracht; die Requisition durch zivile Dienststellen begründete hingegen im allgemeinen keine eigenständige Festnahmebefugnis des Militärs. Etwas anderes ergab sich auch nicht etwa aus der mitunter vertretenen Theorie vom abgeleiteten militärischen Polizeizwang, denn diese war schon deshalb abzulehnen, weil sie entgegen der eindeutigen Wertung des Art. 36, 1 pr. Verf. 1850 davon ausging, daß die Armee auch ohne gesetzliche Grundlage zur Unterstützung ziviler Behörden berechtigt war. Zudem war auch die schon zur Zeit der Gründung der Feldgendarmerie gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsfigur der Amtshilfe nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Zwar ermöglichte die Amtshilfe dem Militär, auf das Ersuchen einer anderen staatlichen Institution hin auch außerhalb seines eigenen Wirkungskreises tätig zu werden, doch hatte dies weder eine Zuständigkeitserweiterung noch eine Ausdehnung bestehender Befugnisse zur Folge. Auch im Rahmen der Amtshilfe konnten sich die Feldgendarmen demzufolge nur nach dem für sie geltenden Recht richten, das jedoch - wie gesehen - eben gerade keine Möglichkeit eröffnete, Zivilpersonen allein aufgrund eines zivilbehördlichen Ersuchens festzunehmen. Dieses Ergebnis war indessen nur solange unumgänglich, wie seine verfassungsrechtlichen Vorgaben unverändert fortgalten. Wurden jedoch die in der Verfassung enthaltenen Gesetzesvorbehalte auch nur vorübergehend außer Kraft gesetzt, so stellte sich die Rechtslage anders dar. Insoweit ist bereits darauf hingewiesen worden, daß das Dritte Reich aufgrund der Notverordnung vom 28.02.1933 keine Gesetzesvorbehalte für Eingriffe in die staatsbürgerlichen Freiheitsrechte mehr kannte. Daher genügten in der Zeit des Nationalsozialismus auch die militärischen Dienstvorschriften als Ermächtigungsgrundlagen. Das hatte zur Folge, daß die Feldgendarmen des zweiten Weltkrieges in allen von ihren Dienstvorschriften vorgesehenen Fällen und daher auch dann, wenn

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sie von einer Zivilbehörde darum ersucht wurden, Zivilpersonen festnehmen konnten. Aber auch in Preußen gab es eine Möglichkeit, die verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalte außer Kraft zu setzen. So verlieh das Gesetz über den Belagerungszustand, das trotz seiner Zugehörigkeit zum Landesrecht im Kaiserreich auch auf Reichsebene gültig war, dem Staatsministerium das Recht, die einen Gesetzesvorbehalt enthaltenden Verfassungsnormen anläßlich eines Krieges oder Aufruhrs bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit zeit- und distriktweise zu suspendieren. Zudem war es stattdessen auch zulässig, die zeitund distriktweise Aufhebung einzelner Verfassungsbestimmungen mit der Erklärung des Belagerungszustandes zu verbinden, die unter den genannten Voraussetzungen im Krieg jeder militärische Befehlshaber vom kommandierenden General eines Armeekorps an aufwärts und im Falle eines Aufruhrs jeder territoriale Kommandeur der davon betroffenen Region für seinen Zuständigkeitsbereich abgeben konnte. Unabhängig davon aber, wer im Einzelfall tatsächlich zuständig war, bewirkte jede mit dem Gesetz über den Belagerungszustand im Einklang stehende Außerkraftsetzung der einen Gesetzesvorbehalt aufstellenden Verfassungsnormen, daß sich die Staatsgewalt im Landesinnern weitgehend unbeschränkt entfalten konnte. Auch das Militär hatte mithin das Recht, alle ihm durch seine Dienstinstruktionen vorgeschriebenen Tätigkeiten ohne Rücksichtnahme auf die staatsbürgerlichen Individualrechte durchzuführen. Aus diesem Grunde konnten auch die Feldgendarmen allein unter Berufung auf ihre Dienstvorschriften Zivilpersonen festnehmen. Darüber hinaus wurde der Kreis der den Feldgendarmen eingeräumten Festnahmerechte durch die Erklärung des Belagerungszustandes auch noch in anderer Weise spürbar erweitert. Da nämlich die Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes ex lege zur Folge hatte, daß die gesamte Exekutivgewalt auf die bewaffnete Macht überging, konnte das Militär in diesem Fall auch über die ansonsten nur den Zivilbehörden vorbehaltenen Zwangsbefugnisse verfügen. Die dadurch eintretende Konzentration ziviler und militärischer Eingriffsrechte ermöglichte es den Feldgendarmen, neben den ihnen ohnehin eingeräumten Festnahmerechten auch noch diejenigen auszuüben, die im Normalfall nur den Angehörigen ziviler Staatsbehörden zustanden. Obschon damit der Katalog der den Feldgendarmen ursprünglich zur Verfügung stehenden Festnahmebefugnisse abgeschlossen war, enthielt die Wachinstruktion vom 27.07.1850 noch weitere Festnahmetatbestände. So sollten die Feldgendarmen etwa auch auf Ansuchen von Zivilpersonen zur vorläufigen Freiheitsentziehung befugt sein. Indessen fehlte es allen diesen Regelungen an der materiell-rechtlichen Absicherung durch ein Gesetz. Solange also die einen Gesetzesvorbehalt enthaltenden Verfassungsnormen nicht außer Kraft gesetzt wurden, waren alle Vorschriften der Wachinstruktion, die nicht durch eine der bislang erörterten gesetzlichen Bestimmungen über die Festnahme gedeckt wurden, mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren. Gleichwohl kann davon aus-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

gegangen werden, daß die Feldgendarmen die Wachinstruktion wegen ihres Befehlscharakters auch insoweit befolgt haben. Zu einer Strafbarkeit führte das jedoch schon deshalb nicht, weil jeder Soldat nach den Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches im allgemeinen durch seine Gehorsamspflicht entschuldigt wurde. In der Praxis dürften daher letztlich sämtliche in der Wachinstruktion vorgesehenen Festnahmetitel ohne Rücksicht auf ihre materielle Rechtmäßigkeit zur Anwendung gekommen sein. Eine auf gesetzlichen Vorschriften beruhende Erweiterung erfuhr der Rechtskreis der Feldgendarmen in bezug auf ihre Festnahmebefugnisse dagegen mit Inkrafttreten der Militärstrafgerichtsordnung vom 01.12.1898. Danach waren die militärischen Wachen befugt, allen der Militärgerichtsbarkeit unterworfenen Personen vorläufig die Freiheit zu entziehen, wenn die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und später auch eines Unterbringungsbefehls vorlagen. Die Untersuchungshaft konnte wiederum unter der Voraussetzung angeordnet werden, daß ein Haftgrund vorlag und der Beschuldigte einer Straftat dringend verdächtig war. Ein Haftgrund lag zunächst einmal immer dann vor, wenn ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildete. Weitere Haftgründe waren die Flucht-, die Verdunkelungs- und die dem bürgerlichen Strafprozeß fremde Wiederholungsgefahr. Schließlich durften Freiheitsentziehungen auch noch aus einem an sich dem Disziplinarrecht zuzurechnenden Haftgrund heraus angeordnet werden, der gleichwohl einem für das militärische Strafverfahren bestehenden Bedürfnis entgegenkam. Da es nämlich Fälle geben konnte, in denen die begangene Straftat so beschaffen war, daß es dem militärischen Dienstbetrieb schadete, wenn der mutmaßliche Täter sich im Kreise seiner Kameraden oder Untergebenen weiterhin frei bewegte, durfte die Untersuchungshaft auch zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin verhängt werden. Demgegenüber setzte der Erlaß eines Unterbringungsbefehls voraus, daß die öffentliche Sicherheit die Freiheitsentziehung erforderte, weil dringende Gründe für die Annahme sprachen, daß der Beschuldigte eine mit Strafe bedrohte Handlung im Zustande völlig fehlender oder verminderter Schuldfähigkeit begangen hatte und mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder begehen werde. Neben den in allen diesen Fällen zulässigen Freiheitsentziehungen durch militärische Wachen war in der Militärstrafgerichtsordnung auch noch ein zweites Festnahmerecht geregelt worden, das von jedermann ausgeübt werden konnte und daher den Feldgendarmen ebenfalls zur Verfügung stand. Voraussetzung dieses Jedermannrechts war jedoch, daß die festzunehmende Militärperson bei Verübung eines Verbrechens oder Vergehens auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wurde und sie entweder der Flucht verdächtig war oder ihre Identität nicht sofort festgestellt werden konnte. Im Gegensatz zum weitgehend identischen Jedermannrecht des § 127 I RStPO war die Festnahme einer Militärperson nach dieser Regelung also nicht anläßlich einer jeden Straftat möglich, sondern nur im Falle eines Verbrechens oder Vergehens. Militärpersonen, die sich lediglich

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eine Übertretung hatten zuschulden kommen lassen, unterlagen mithin nicht der vorläufigen Festnahme durch jedermann. Alle diese Bestimmungen blieben in der Folgezeit der Sache nach weitgehend erhalten. Daran änderte sich auch dann nur wenig, als die Militärstrafgerichtsordnung zu Beginn des zweiten Weltkrieges durch die Kriegsstrafverfahrensordnung abgelöst wurde. Diese enthielt zwar keine den dargestellten Regelungen entsprechende Vorschrift, doch war eine solche stattdessen in die Feldgendarmerievorschrift aufgenommen worden. Danach war die Festnahme eines Soldaten immer noch zulässig zur Feststellung seiner Identität, zur Aufrechterhaltung der militärischen Manneszucht, wegen Vorliegens eines Fluchtverdachts oder aufgrund einer bestehenden Verdunkelungsgefahr. Da aber seit dem Inkrafttreten der Notverordnung vom 28.02.1933 auch innenrechtliche Normen als Eingriffsermächtigungen ausreichten, hatten die Feldgendarmen trotz der Aufhebung der MStGO auf dem Umweg über ihre Dienstvorschrift nach wie vor ein strafprozessuales Festnahmerecht inne, das mit demjenigen früherer Zeiten in weiten Teilen identisch war. Soweit es jedoch hinter der durch die MStGO geschaffenen Rechtslage zurückblieb, waren die Feldgendarmen auf ihre sonstigen Festnahmebefugnisse beschränkt. Sämtliche vorstehend besprochenen Festnahmerechte der Feldgendarmerie unterlagen im militärischen Bereich zu allen Zeiten einer bemerkenswerten Einschränkung, die das Verhältnis zu den Offizieren betraf. Diese durften von den Feldgendarmen nämlich in der Zeit von 1872 bis 1890 überhaupt nicht und im übrigen lediglich dann vorläufig festgenommen werden, wenn sie ihre Uniform nicht trugen oder ein Verbrechen verübt hatten. Während der Gültigkeitsdauer der Dienstinstruktion vom 07.01.1869 war die Arretierung eines Offiziers überdies lediglich den Feldgendarmerieoffizieren sowie den Obergendarmen und deren Stellvertretern gestattet; Stabsoffiziere konnten dagegen überhaupt nicht festgenommen werden. Weiteren Begrenzungen waren die Festnahmebefugnisse der Feldgendarmen jedoch nicht mehr ausgesetzt. Das Recht der Feldgendarmen zum Einsatz ihrer Waffen gegenüber der Zivilbevölkerung richtete sich zunächst nach dem „Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs" vom 20.03.1837 sowie nach der preußischen „Tumultverordnung" aus dem Jahre 1835. Erst im Dritten Reich trat in Gestalt der „Verordnung über den Waffengebrauch der Wehrmacht" vom 17.01.1936 ein neues Regelwerk in Kraft, das in seinen Grundzügen jedoch weitgehend den Bestimmungen des Gesetzes vom 20.03.1837 nachempfunden war. Dementsprechend waren nicht zuletzt die Fallgruppen, in denen die Feldgendarmen als Teil des Militärs von ihren Waffen Gebrauch machen durften, im zweiten Weltkrieg im wesentlichen noch immer identisch mit denen, die schon das Gesetz vom 20.03.1837 vorgesehen hatte. So durften die Armeeangehörigen im Dritten Reich in gleicher Weise wie zuvor bereits in preußischer Zeit oder im Kaiserreich die ihnen zur

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Verfügung stehenden Waffen einsetzen, um einen Angriff oder eine Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben von sich abzuwenden, aktiven oder passiven Widerstand im allgemeinen und gegen die Anweisung zum Niederlegen von Waffen oder anderen gefährlichen Gegenständen im besonderen zu brechen, unerlaubte Versammlungen aufzulösen, ihnen anvertraute Personen oder Sachen zu beschützen sowie etwaige Fluchtversuche festgenommener oder gefangener Personen zu vereiteln. Lediglich der in der Verordnung vom 17.01.1936 zusätzlich geregelte Fall der Waffenanwendung zu dem Zweck, Personen anzuhalten, die sich der Befolgung rechtmäßiger Anordnungen durch Flucht zu entziehen versuchten, ging nicht auf ein historisches Vorbild zurück und stellte mithin eine Erweiterung des den Feldgendarmen eingeräumten Rechtskreises dar. Alle diese Einzelfälle des zulässigen militärischen Waffeneinsatzes gegen die Zivilbevölkerung setzten sowohl nach dem Gesetz vom 20.03.1837 als auch nach der Verordnung des Jahres 1936 lediglich voraus, daß die Streitkräfte aus polizeilichen Gründen im Innern des Landes tätig wurden. Bemerkenswerterweise ließen jedoch beide Regelwerke übereinstimmend die Frage offen, wann denn nun ein solcher Einsatz des Militärs im allgemeinpolizeilichen Interesse im einzelnen statthaft sein sollte. Auch der übrigen Rechtsordnung ließ sich zu keiner Zeit eine spezielle Vorschrift entnehmen, die den Streitkräften ausdrücklich die Aufgabe zugewiesen hätte, unter bestimmten Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung im Landesinnern einzuschreiten. Dieser Befund warf für die Rechtslehre im Dritten Reich indessen keinerlei Probleme auf, da das Militär nach nationalsozialistischer Doktrin zumindest in zwei verschiedenen Konstellationen auch ohne jede materiellrechtliche Grundlage aus polizeilichen Gründen im Landesinnern aufzutreten berechtigt war. So ging man zunächst einhellig davon aus, daß es dem Führer und Reichskanzler allein kraft der ihm vom Volke anvertrauten Amtsautorität ohne weiteres möglich war, die Streitkräfte in notstandsähnlichen Situationen unter Durchbrechung des formellen Gesetzes und Beiseiteschiebung der für den Normalfall vorgesehenen Zuständigkeitsregelungen im Landesinnern einzusetzen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen. Zudem hatte die Wehrmacht in den Augen der nationalsozialistischen Rechtslehre ganz selbstverständlich auch das Recht, Störungen ihres Dienstbetriebes mit militärischen Machtmitteln durch ihre Organe beseitigen zu lassen. Da aber die Armee als staatliche Einrichtung ganz zweifellos zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit zählte, handelte es sich auch bei der Beseitigung rechtswidriger Beeinträchtigungen ihrer dienstlichen Tätigkeit um einen aus polizeilichen Gründen erfolgenden Einsatz, für den es nach nationalsozialistischer Lesart keiner formellen Ermächtigungsgrundlage bedurfte. Im Gegensatz dazu stellte das Fehlen einer spezifischen Rechtsgrundlage für polizeiliche Aufgaben des Militärs die juristische Dogmatik früherer Epochen

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vor schier unüberwindliche Schwierigkeiten. Da nämlich schon die preußische Verfassung jede belastende Maßnahme des Staates im allgemeinen und der Streitkräfte im besonderen dem Vorbehalt des Gesetzes unterworfen hatte, war für die Annahme einer eigenständigen Befugnis der Armee zur Ausübung polizeilicher Funktionen insoweit kein Raum mehr, als sie nicht auf einen gesetzlich fixierten Tatbestand zurückgeführt werden konnte. Gleichwohl wurde daraus von niemandem der an sich naheliegende Schluß gezogen, daß das Militär überhaupt nicht polizeilich tätig werden durfte, solange es dafür keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage gab. Vielmehr hat es nicht an Versuchen gemangelt, die Berechtigung des Militärs zum polizeilich veranlaßten Einschreiten gegen die Zivilbevölkerung unter Umgehung der bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben nachzuweisen. So gab es etwa eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Stimmen, die von verschiedenen Begründungsansätzen ausgehend im Ergebnis die militärischen Dienstvorschriften als Rechtsgrundlagen für polizeiliche Tätigkeiten der Streitkräfte im Landesinnern ausreichen lassen wollten. Andere Autoren vertraten demgegenüber die Ansicht, die Polizeibefugnisse des Militärs seien gewohnheitsrechtlich anerkannt. Schließlich fand sich auch die These, das Militär müsse schon deshalb aus polizeilichen Gründen zum Auftreten im Landesinnern berechtigt sein, weil dies im Gesetz vom 20.03.1837 als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Indessen konnte allen diesen Lösungsansätzen vor dem Hintergrund der verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalte letztlich kein Erfolg beschieden sein. Einzig Otto Mayer ist es gelungen, eine rechtlich tragfähige Begründung für die Zulässigkeit polizeilicher Einsätze der Streitkräfte zu entwickeln. Zu diesem Zweck bemühte er sich darum, das Fehlen einer spezifischen gesetzlichen Regelung der polizeilichen Mitwirkungsrechte der Armee durch den Rückgriff auf diverse Spezialgesetze und anerkannte allgemeine straf- und verwaltungsrechtliche Prinzipien zu kompensieren. So wies er insbesondere darauf hin, daß die Ausübung des verwaltungsrechtlichen Selbstverteidigungsrechts eine zulässige polizeiliche Betätigung der Armee darstelle, weil sie zugunsten eines Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit erfolge. Überdies sah er auch eine auf § 127 I RStPO gestützte Festnahme aufgrund ihres strafprozessualen Charakters als polizeiliches Einschreiten des Militärs gegen die Zivilbevölkerung an. Gleiches sollte zudem auch für das allgemeine Nothilferecht gelten, wenn es von einem Soldaten dazu genutzt wurde, einem Polizeibeamten beizustehen, der in Ausübung seines Dienstes auf Widerstand traf. Schließlich führte Otto Mayer noch diejenigen Fälle auf, in denen das Militär zulässigerweise von einer Zivilbehörde um Unterstützung ersucht wurde oder anläßlich eines Krieges oder inneren Aufruhrs nach Maßgabe des Gesetzes über den Belagerungszustand zum Einsatz kam, um eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Demzufolge stellte sich also jedes Auftreten des Militärs im Landesinnern nach Otto Mayer immer dann, wenn es die Voraussetzungen eines der genannten

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

Rechtsinstitute erfüllte, als polizeiliches Einschreiten im Sinne des Gesetzes vom 20.03.1837 dar. Konsequenterweise war nach seiner Ansicht auch der gegen die Zivilbevölkerung gerichtete Waffengebrauch des Militärs im allgemeinen und damit zugleich der Feldgendarmen im besonderen im Rahmen der bereits dargestellten Fallkonstellationen lediglich bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der von ihm aufgezählten Rechtsfiguren zulässig. Soweit der Feldgendarmerie durch ihre Dienstvorschriften darüber hinaus auch noch in anderen Fällen zur Pflicht gemacht wurde, mit Waffengewalt gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen, kann zwar davon ausgegangen werden, daß die entsprechenden Bestimmungen in der Praxis befolgt wurden; rechtmäßig waren sie indessen nicht. Bedingt durch die Besonderheiten des nationalsozialistischen Rechtssystems beinhaltete die Rechtsstellung der Feldgendarmen im zweiten Weltkrieg zahlreiche Befugnisse, die ihnen zuvor noch nicht zugestanden hatten. So konnten sie aufgrund der Außerkraftsetzung der verfassungsmäßigen Gesetzesvorbehalte zunächst über ein weiteres Festnahmerecht verfügen, das lediglich eine Gefährdung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung zur Voraussetzung hatte. Indessen war das Grundrecht der Freiheit der Person nicht die einzige Verfassungsbestimmung, die durch die Notverordnung vom 28.02.1933 ihre Gültigkeit verloren hatte. Vielmehr waren auch das Recht auf Eigentum und dasjenige auf Unverletzlichkeit der Wohnung ihrer verfassungsrechtlichen Absicherung beraubt worden. Aus diesem Grunde durften die Feldgendarmen allein aufgrund entsprechender Vorschriften in ihrer Dienstinstruktion zusätzlich auch Personen, Räume und Sachen durchsuchen und Gegenstände sicherstellen. Im militärischen Bereich waren sie zudem zum Durchschreiten jeder Absperrung, zum Betreten eines jeden Dienstgebäudes, zur Sicherstellung von Heeresgut, zur Durchführung von Ermittlungen aller Art sowie zur Benutzung von sämtlichen Nachrichten- und Verkehrsmitteln einschließlich der Wehrmachtfahrzeuge befugt. Darüber hinaus hatten die Bestimmungen des Reichsverteidigungsgesetzes vom 04.09.1938 zur Folge, daß die Feldgendarmen in den inländischen Operationsgebieten derjenigen Truppenverbände, denen sie zugeordnet waren, mit der Ausübung der vollziehenden Gewalt betraut wurden. Insoweit erhielten sie also zusätzlich zu ihren ohnehin schon umfangreichen Befugnissen auch noch diejenigen Rechte, die an sich den zivilen Polizeivollzugsbeamten vorbehalten waren. Auch wenn von diesen Rechten in der Praxis grundsätzlich nur bei Gefahr im Verzug Gebrauch gemacht werden durfte, führten sie doch dazu, daß die Rechtsstellung der Feldgendarmen im Verhältnis zur Zivilbevölkerung des eigenen Landes bislang nicht gekannte Ausmaße annahm. In ähnlicher Weise standen den Feldgendarmen aber auch in den besetzten Gebieten gegenüber der Zivilbevölkerung diejenigen Befugnisse zu, die von den dortigen Landesgesetzen den ordentlichen Polizeivollzugsbeamten eingeräumt wurden. Hingegen mußten die Feldgendarmen in den von der Wehrmacht verwalteten Re-

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gionen des feindlichen Auslandes sämtliche anfallenden polizeilichen Aufgaben gegenüber der Zivilbevölkerung wiederum nach den Grundsätzen des deutschen Polizeirechts erfüllen, da sie dort im Gegensatz zu den besetzten Gebieten nicht mit der Unterstützung der einheimischen Polizeikräfte rechnen konnten. Wie in den inländischen Operationsgebieten hatten die Feldgendarmen daher auch im Feindesland dieselbe Rechtsstellung inne, die innerhalb des Deutschen Reiches für die zivilen Polizeibeamten vorgesehen war. Des weiteren war die rechtliche Position der Feldgendarmen im zweiten Weltkrieg auch noch durch die Verleihung von Befugnissen auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes ausgebaut worden. So konnten sie etwa im gesamten Organisationsbereich der Wehrmacht alle luftschutzpflichtigen Personen notfalls sogar mit den Mitteln des Verwaltungszwanges zur Erfüllung der unter dem Oberbegriff der Luftschutzpflicht zusammengefaßten Einzelobliegenheiten der zivilen Flugabwehr heranziehen und etwaige Verstöße gegen die Bestimmungen des Luftschutzgesetzes vom 26.06.1935 sanktionieren. Die gleichen Rechte standen ihnen zudem auch gegenüber der Zivilbevölkerung zu, wenn und soweit sie ihnen vom Reichsluftfahrtminister ausdrücklich übertragen worden waren. Schließlich erfuhr der Befugnisrahmen der Feldgendarmen in der zweiten Kriegshälfte noch eine letzte Ausweitung, da der Chef des OKW im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS unter dem 29.09.1943 verfügt hatte, daß sie künftig auch gegenüber den Angehörigen der Waffen-SS die gleichen Rechte ausüben konnten, die ihnen bislang schon im Verhältnis zu den Soldaten der Wehrmacht zugestanden hatten. Damit hatte die Rechtsstellung der Feldgendarmen dann aber ihren größten Umfang erreicht, da später keine weiteren Befugnisse mehr hinzukamen. Nach all dem ergibt sich folgendes Gesamtbild: Die Feldgendarmerie ist von Anfang an als eine ausschließlich militärpolizeilichen Zwecken dienende Truppengattung aufgestellt worden. Sie hat den durch diese Zweckbestimmung hervorgerufenen Charakter einer reinen Militärpolizeiformation auch später nie verloren. Das war maßgeblich darauf zurückzuführen, daß sie während der gesamten Zeit ihres Bestehens im wesentlichen nur solche Tätigkeiten verrichtet hat, die entweder dem militärischen Ordnungs- und Verkehrsdienst oder dem Bereich der Sicherheitsaufgaben zuzuordnen waren. Die Erfüllung anderer als militärpolizeilicher Obliegenheiten war ihnen durch ihre Dienstvorschriften überdies sogar ausdrücklich untersagt. Soweit sie insbesondere im Verlauf des zweiten Weltkrieges bisweilen dennoch auch zu Verrichtungen herangezogen wurde, die der typischen militärpolizeilichen Aufgabentrias fremd waren, handelte es sich dabei sowohl inhaltlich als auch zeitlich um seltene Ausnahmefälle, die in der Formationsgeschichte der Feldgendarmerie letztlich nur Randerscheinungen darstellten und mithin im Rahmen einer Gesamt-

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6. Kap.: Die Feldgendarmerie

bewertung außer Betracht gelassen werden können. Damit steht fest, daß die Feldgendarmerie von ihren Zeitgenossen zu Recht als die Militärpolizei der preußisch-deutschen Streitkräfte angesehen wurde. Sie ist daher auch in jeder Hinsicht und in umfassendem Sinne als ein Aufgabenvorläufer der heutigen Feldjägertruppe zu bezeichnen.

7. Kapitel

Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres Schon lange bevor die vorstehend ausführlich dargestellte Feldgendarmerie ins Leben gerufen worden war, hatte es in den preußischen Streitkräften mit der Armeegendarmerie, der Leibgendarmerie und der Hafengendarmerie drei Truppengattungen gegeben, die die Bezeichnung „Gendarmerie" aufwiesen und im Unterschied zur Landgendarmerie in keinerlei Beziehung zu einer Zivilbehörde standen. Da dies aber nun die Vermutung aufkommen läßt, daß die genannten Formationen mit der Wahrnehmung militärpolizeilicher Aufgaben betraut gewesen sein könnten, ist es erforderlich, im folgenden zu untersuchen, ob und ggf. inwieweit es sich dabei etwa um die Anfänge der Einrichtung einer Feldgendarmerie gehandelt hat.

A. Die Armeegendarmerie Die Armeegendarmerie verdankt ihre Entstehung den Ausführungen Janys1 zufolge dem Bemühen der Heeresleitung um eine „Entlastung der Kavallerie vom Ordonnanzdienst bei den höheren Stäben". Eine genauere Schilderung der Gründungsmotive ist jedoch bei Kiesling 2 zu finden: „Bis zum Jahre 1820 lag den Kavallerie-Regimentern die Gestellung der berittenen Ordonnanzen für Seine Majestät den König, für die Königlichen Prinzen, für die Generale und für die Kommandobehörden ob. Diese Einrichtung war mit mannigfachen Unzuträglichkeiten verbunden. In erster Linie wurden die Kavallerie-Regimenter durch die gedachte Verpflichtung besonders im Kriege allzu sehr gebunden. Ferner war die Abfindung der Ordonnanzen mit Löhnung, Bekleidung und Verpflegung auf Schwierigkeiten gestoßen, namentlich im mobilen Verhältnis, wo dieselben oft längere Zeit weit von ihren Regimentern entfernt waren. Desgleichen war es als ein Mißstand empfunden worden, daß die königlichen Ordonnanzen und die Ordonnanzen der höheren Befehlshaber nicht schon von Weitem als solche äußerlich kenntlich waren, sondern nur ihre Regimentsuniform, ohne jedes Abzeichen, trugen." Diese Überlegungen führten dazu, daß der König anläßlich der Neuorganisation der Landgendarmerie und der Umgliederung der Landwehr-Kavallerie be1 2

Jany IV, S. 144. Kiesling, S. 3.

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7. Kap.: Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres

fahl, die Armeegendarmerie in einer Gesamtstärke von 151 Mann, die einheitlich uniformiert werden sollten,3 zu errichten. Aufgrund der Allerhöchsten Kabinettsorder vom 12.02.1820,4 in der diese Gründungsanordnung enthalten war, wurde dann das Personal der neuen Truppengattung aus dem Kreis der bei den erwähnten Umstrukturierungsmaßnahmen freigewordenen Kavallerieangehörigen und Landgendarmen ausgewählt5 und dergestalt auf die verschiedenen Armeekorps verteilt, daß das Gardekorps einen Unteroffizier und 14 Gendarmen erhielt, während den übrigen acht Armeekorps jeweils ein Unteroffizier und 13 Gendarmen zugewiesen wurden. 6 Innerhalb der einzelnen Armeekorps, die nach der damaligen Gliederung des preußischen Heeres aus zwei Divisionen mit je drei Brigaden bestanden, setzte sich die Aufteilung der neuen Truppe bis hinunter zur Ebene der Brigaden, für die jeweils ein Armeegendarm vorgesehen war, fort. Dies hatte zur Folge, daß dem Generalkommando des jeweiligen Korps lediglich der Unteroffizier und drei Gendarmen verblieben, da auch die Divisionsstäbe jeweils über zwei Angehörige der Armeegendarmerie verfügen konnten.7 Die nach der Durchführung dieser Dislozierung noch nicht verwendeten Armeegendarmen 8 wurden unter der Bezeichnung „Garde-Reserve-Armee-Gendarmerie-Kommando" 9 zusammengefaßt, im Wege eines Anschlusses an die Versorgungseinrichtungen der in Berlin stehenden Eskadron des Regimentes „Garde du Corps" organisatorisch von der übrigen Armeegendarmerie abgekop3 Die Uniform der Armeegendarmen war dunkelgrün mit hellblauen, rot vorgestoßenen Abzeichen, gelben Litzen, Epauletten und Kürassierhelmen. 4 Diese Kabinettsorder konnte in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs nicht mehr nachgewiesen werden. Sie wird jedoch durch von Bredow, S. 158, Jany IV, S. 144, und Kiesling, S. 3, übereinstimmend als die Gründungsurkunde der Armeegendarmerie bezeichnet. Auch Blankenstein, S. 170 und S. 173, geht davon aus, daß die Armeegendarmerie im Jahre 1820 entstanden ist. Auffällig ist indessen, daß die besagte A. K. O. auch in der älteren Vorkriegsliteratur nicht einmal auszugsweise zitiert wird. Das läßt vermuten, daß die Order schon lange vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges nicht mehr auffindbar war und demgemäß nicht zu den kriegsbedingten Verlusten zählt. Gleichwohl steht aufgrund der einhelligen Literaturmeinung nahezu zweifelsfrei fest, daß die Gründung der Armeegendarmerie auf eine A. K. O. vom 12.02.1820 zurückzuführen ist. Selbst Böckle, der zunächst noch behauptete, die Armeegendarmerie sei bereits im Jahre 1810 existent gewesen (Truppenpraxis 1973, S. 35), gibt in seiner späteren Publikation den 12.02.1820 als Gründungsdatum an CBöckle, S. 54; vgl. auch S. 73). 5 Laut Böckle, S. 73, wurden die künftigen Armeegendarmen vor allem nach ihrem äußeren Erscheinungsbild ausgesucht. Kiesling, S. 5, weist hingegen darauf hin, daß bei der Auswahl auch noch andere Qualifikationskriterien von Bedeutung gewesen sind. So mußten sich etwa unter den Kandidaten „je zwei, die der Französischen, der Russischen, der Polnischen und je einer, der der Holländischen und Wendischen Sprache neben der Deutschen mächtig war, befinden." 6 Blankenstein, S. 170; Böckle, S. 54; Jany IV, S. 144. 7 Kiesling, S. 4. 8 Dies waren nach Blankenstein, S. 173, von Bredow, S. 158, und Jany IV, S. 144, der Rittmeister von Triebenfeld vom 9. Husarenregiment als einziger Offizier sowie ein Feldwebel, zwei Unteroffiziere und 20 Gendarmen.

A. Die Armeegendarmerie

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pelt 1 0 und unter Ablösung des Reitenden Feldjägerkorps fiir die Erledigung der Fouriergeschäfte des Königs abgestellt.11 Dementsprechend umfaßte ihr Aufgabenbereich den ständigen Ordonnanzdienst für den König sowie dessen Begleitung auf Reisen und bei der Besichtigung von Truppenrevuen. 12 Überdies standen sie erforderlichenfalls auch den ausländischen Staatsgästen des Königs zur Verfügung. Demgegenüber fungierten die auf die Armeekorps verteilten Gendarmen lediglich im Frieden als Ordonnanzen der jeweiligen Generale, da sie im Krieg den berittenen Teil der für die höheren Kommandobehörden vorgesehenen Wachmannschaften stellen sollten. 13 Da es jedoch zu einem solchen Kriegseinsatz der Armeegendarmerie tatsächlich nie gekommen ist, haben ihre Angehörigen ausschließlich Ordonnanzdienste versehen. Welche Pflichten sie dabei im einzelnen zu erfüllen hatten, wird von einem Zeitgenossen in anschaulicher Weise wie folgt beschrieben: „Der Dienst der Ordonnanzen nämlich ist aber der, immerwährend in der Nähe des betreffenden Vorgesetzten zu sein, um Befehle und Aufträge desselben schnell, pünktlich und verständlich auszurichten sowie die zu seiner Disposition nötigen Pläne, Karten oder sonstige Schreibereien und Materialien des Kommandierenden bei sich zu führen und für denselben stets in Bereitschaft zu halten. Deshalb nimmt man zu den Ordonnanzen aus den Regimentern auch die gewandtesten und umsichtigsten Leute."14

9 Im Gegensatz dazu wurde die Gesamtheit der einem Armeekorps zugewiesenen Gendarmen als ,,Armee-Gendarmerie-Kommando" bezeichnet, das im Falle des Gardekorps „Garde-Armee-Gendarmerie-Kommando" hieß (Kiesling, S. 4). 10 Böckle, S. 73; von Bredow, S. 158. Nach Kiesling, S. 5, erfolgte die Verselbständigung des „Garde-Reserve-Armee-Gendarmerie-Kommandos" aufgrund einer A. K. O. vom 12.05.1820. Da diese Order aber in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs nicht nachgewiesen werden konnte und auch in der übrigen Literatur keine Erwähnung findet, läßt sich die Angabe Kieslings nicht verifizieren. 11 s.o. das 1. Kapitel sub C. I. 2. b); Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 35. 12 Kiesling, S. 6; soweit Böckle in Truppenpraxis 1973, S. 35, darüber hinaus die Auffassung vertritt, die Armeegendarmen hätten vom Reitenden Feldjägerkorps auch den Absperrdienst bei den Herbstmanövern und den Berliner Truppenrevuen übernommen, handelt es sich um einen Irrtum, denn diese militärpolizeiliche Tätigkeit gehörte schon im Jahre 1807 nicht mehr zu den Aufgaben der Feldjäger (vgl. das 1. Kapitel, a.a.O., s.o. Fn. 11). Zudem gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Armeegendarmen tatsächlich Absperrdienste versehen haben. Dementsprechend hat auch Böckle seine diesbezügliche Behauptung in seiner späteren Veröffentlichung (Böckle, S. 54 und 73) nicht mehr aufrecht erhalten. 13 Blankenstein, S. 170; von Bredow, S. 158; Jany IV, S. 144; auch insoweit hatte Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 35, ursprünglich behauptet, daß die Armeegendarmerie an die Stelle des Reitenden Feldjägerkorps getreten sei. Da jedoch der Ordonnanzdienst für Generale zu keiner Zeit zu den Aufgaben des Reitenden Feldjägerkorps gehört hat, konnte er auch an dieser Ansicht später nicht mehr festhalten (vgl. Böckle, S. 54 und S. 73). 14 Zitiert nach Böckle, S. 54. 34 Schütz

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7. Kap.: Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres

Dieser Schilderung ist zu entnehmen, daß der Ordonnanzdienst, den die Armeegendarmen bei den höheren Kommandobehörden versahen, nach zeitgenössischer Auffassung mit überdurchschnittlichen Anforderungen verbunden war. Beinahe zwangsläufig setzte sich daher alsbald die Erkenntnis durch, daß zwischen den in der Armeegendarmerie vorherrschenden Dienstgradstrukturen und dem Anforderungsprofil der von den Gendarmen zu bewältigenden Aufgaben ein deutliches Mißverhältnis bestand, da die Angehörigen der Truppe zwar einerseits eine als besonders anspruchsvoll empfundene Tätigkeit ausübten, andererseits jedoch in ihrer weit überwiegenden Mehrzahl lediglich einen einfachen Mannschaftsdienstgrad innehatten. Aus diesem Grunde wurden schon kurz nach der Gründung der Armeegendarmerie ausnahmslos alle Gendarmen, die diesen Dienstrang noch nicht bekleideten, durch die kriegsministerielle Verfügung vom 02.02.1823 zu Unteroffizieren ernannt. 15 Gleichzeitig modifizierte das Kriegsministerium mit der Anordnung, von nun an nur noch solche Soldaten zu rekrutieren, die in einem beliebigen Kavallerieregiment bereits als Unteroffiziere gedient hatten, auch noch das Personalersatzwesen der Armeegendarmerie, um auf diese Weise zu verhindern, daß künftig jedesmal dann, wenn ein Gendarm aus der Truppe ausschied, dessen Nachfolger erst umständlich durch eine weitere Verfügung befördert werden musste.16 Der weitestgehend ruhig verlaufenen Formationsgeschichte der Armeegendarmerie entsprechend stellten diese Maßnahmen zugleich auch schon die letzten Neuerungen dar, die die bei den höheren Stäben gebildeten Kommandos bis zu ihrer Auflösung erfuhren. Dementsprechend sind dann auch in der Folgezeit nur noch beim Garde-Reserve-Armee-Gendarmerie-Kommando in Berlin Veränderungen vorgenommen worden. Obwohl es aber auch insoweit nur noch sehr wenige nennenswerte Ereignisse gegeben hat, waren deren Auswirkungen auf die organisatorischen Strukturen der gesamten Formation von erheblicher Bedeutung, da sie die von Anfang an feststellbare Eigenständigkeit des Berliner Kommandos noch deutlich ausdehnten. So wurde zwar der Stärke-Etat der Armeegendarmerie im Jahre 1835 ganz allgemein um den Dienstposten eines Kommandeurs erweitert, doch hatte dieser nicht etwa die Leitung sämtlicher Kommandos zu übernehmen, sondern war in seiner Zuständigkeit ausschließlich 15 Böckle, S. 54; Kiesling, S. 6. In den Beständen des Geheimen Staatsarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war diese Verfügung nicht mehr nachweisbar. 16 Im Gegensatz zu der vor 1820 bestehenden Situation stellte dieses System keine Belastung für die Kavallerieregimenter dar, denn nunmehr wurde der für die Armeegendarmerie rekrutierte Unteroffizier erstmals auf einen neuen Dienstposten versetzt, so daß seine alte Stelle bei der Kavallerie wieder offen war und demgemäß auch anderweitig neu besetzt werden konnte. Demgegenüber war vor der Gründung der Armeegendarmerie eine Neubesetzung der Stelle eines zum Ordonnanzdienst herangezogenen Kavalleriesoldaten schon deshalb nicht möglich gewesen, weil dieser lediglich abkommandiert wurde und daher seinen Dienstposten mit der unerwünschten Folge beibehielt, daß er seinem Regiment für die Dauer der Kommandierung fehlte; vgl. auch Böckle, S. 54; Kiesling, S. 6.

A. Die Armeegendarmerie

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auf das Garde-Reserve-Armee-Gendarmerie-Kommando in Berlin beschränkt. 17 Dies hatte zur Konsequenz, daß das Kommando einen Grad an Selbständigkeit erlangte, der ihm beinahe den Charakter einer eigenständigen Truppengattung verlieh, denn mit den übrigen Kommandos bestand nunmehr praktisch nur noch hinsichtlich des Namens eine Gemeinsamkeit. Schon kurze Zeit später fiel indessen auch diese letzte Übereinstimmung weg, denn der König selbst reagierte auf die immer offensichtlicher gewordene Unabhängigkeit des Berliner Kommandos und befahl in der A. K. O. vom 06.07.1843 dessen Umbenennung in „Königlich-Preußische Leibgendarmerie". 18 Damit hatte dann aber eine Entwicklung ihren Abschluß gefunden, in deren Verlauf aus dem ehemaligen Garde-Reserve-Armee-Gendarmerie-Kommando in Berlin eine vollständig neue Truppengattung geworden war. 19 Gleichwohl war es in der Folgezeit zunächst noch nicht möglich, daß sich bei der Leibgendarmerie eine eigene kontinuierliche Formationsgeschichte herausbildete, die von derjenigen der Armeegendarmerie völlig losgelöst war. Vielmehr teilte sie stattdessen das weitere Schicksal der Armeegendarmerie und wurde schon wenige Jahre später durch die A. K. O. vom 20.07.1850 mit Wirkung zum 01.01.1851 wieder aufgelöst, nachdem der Landtag im Zuge der Budgetverhandlungen des Jahres 1850 die Abschaffung beider Formationen verlangt hatte. 20 Das durch diese Maßnahme frei gewordene Personal der Armee- und der Leibgendarmerie wurde je nach Tauglichkeitsgrad entweder in die Garde-Kavallerie integriert oder zu einem Regiment der Linienkavallerie versetzt. 21 Dies hatte jedoch zur Folge, daß hin17

Böckle, S. 73; Kiesling, S. 6. Die Besetzung der Kommandeursstelle bei der Armeegendarmerie erfolgte in aller Regel mit einem Stabsoffizier aus der Flügeladjutantur des Königs. Ein Verzeichnis aller Kommandeure der Armee- und der späteren Leibgendarmerie ist in Anlage 6 enthalten. 18 Blankenstein, S. 173; von Bredow, S. 158; Jany IV, S. 144. In den Beständen des Geheimen Staatsarchivs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz konnte diese A. K. O. nicht mehr nachgewiesen werden. 19 Auch in der Rang- und Stammliste des preußischen Heeres wurde das „GardeReserve-Armee-Gendarmerie-Kommando" nach seiner Umbenennung in „Leibgendarmerie" erstmals getrennt von der Armeegendarmerie als eigenständige Formation aufgeführt (vgl. Kiesling, S. 8). 20 Blankenstein, S. 173; Böckle, S. 74; Jany IV, S. 211. Demgegenüber findet sich bei von Bredow, S. 158, die Behauptung, die Armee- und die Leibgendarmerie seien bereits am 01.10.1850 aufgelöst worden. Darin liegt aber wohl nur scheinbar ein Widerspruch zu den Ausführungen im Text, da der Darstellung Kieslings, S. 6, zu entnehmen ist, daß die Auflösung der beiden Truppenteile dem Inhalt der A. K. O. vom 20.07.1850 zufolge zwar tatsächlich wie durch von Bredow behauptet bereits zum 01.10.1850 hätte erfolgen sollen, de facto aber aus organisatorischen Gründen, die mit der Umstrukturierung der gesamten Kavallerie zusammenhingen, erst zum 01.01.1851 verwirklicht werden konnte. Aufgrund der Tatsache, daß die erwähnte Kabinettsorder in den erhalten gebliebenen Archivbeständen nicht mehr nachgewiesen werden konnte, läßt sich jedoch die Frage, ob die Darlegung Kieslings tatsächlich zutrifft, heute nicht mehr zweifelsfrei klären. 21 Kiesling, S. 6. 34*

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7. Kap.: Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres

sichtlich des Ordonnanzdienstes für den König und bei den höheren Kommandobehörden wieder genau diejenige Situation eingetreten war, die vor der Gründung der Armeegendarmerie im Jahre 1820 vorgeherrscht hatte, denn die Kavallerie mußte, um die Erfüllung der bislang durch die Armee- und Leibgendarmen wahrgenommenen Aufgaben sicherzustellen, nunmehr wieder zahlreiche Unteroffiziere als Ordonnanzen abkommandieren. Soweit diese den höheren Truppenbefehlshabern zur Verfügung gestellt wurden, bezeichnete man sie als „Stabsordonnanzen" und stattete sie mit den Uniformen der ehemaligen Armeegendarmen aus. 22 Dadurch waren sie dann aber auch nach außen erkennbar an die Stelle der aufgelösten Armeegendarmerie-Kommandos getreten. Deren Formationsgeschichte fand mithin spätestens dann ihren Abschluß, als die Stabsordonnanzen am 02.10.1852 erstmals ihren Dienst aufnahmen. Seit dieser Zeit hat es in den preußisch-deutschen Streitkräften keine Truppengattung mehr gegeben, die dauerhaft die Bezeichnung „Armeegendarmerie" getragen hat.

B. Die Leibgendarmerie I. Die Zeit der Königsordonnanzen Im Gegensatz dazu war der durch die Auflösung der Leibgendarmerie geschaffene Zustand nur von vorübergehender Dauer. Zwar traten zunächst auch insoweit von der Kavallerie abkommandierte Unteroffiziere als sogenannte „Königliche Ordonnanzen" bzw. „Königsordonnanzen" an die Stelle der Leibgendarmen und nahmen zu Beginn des Jahres 1851 ihren Dienst auf. Gleichwohl war der dadurch verursachte Kontinuitätsbruch in der Formationsgeschichte der Leibgendarmerie schon deshalb nicht von tiefgreifender Bedeutung, weil es sich bei den abkommandierten Kavallerieunteroffizieren weitgehend um solche Personen handelte, die zuvor bereits als Leibgendarmen gedient hatten. 23 Zudem stellte die Zusammenfassung der königlichen Ordonnanzen zu einem einzigen Kommando, dem ein Stabsoffizier aus der Flügeladjutantur des Königs als Kommandeur vorstand, 24 eine unveränderte Übernahme der früheren Organisation der Leibgendarmerie dar. Da die Königsordonnanzen schließlich aufgrund der Tatsache, daß sie anfänglich allesamt von der GardeKavallerie abgestellt werden mußten, auch noch eine einheitliche Bekleidung aufwiesen, erschienen sie zunächst ebenso wie zuvor die Leibgendarmen als eine eigenständige Truppenformation, obwohl sie deren alte Uniformen nicht hatten übernehmen dürfen.

22 23 24

JanyW, S. 211. von Bredow, S. 158; Kiesling, S. 7. Kiesling, S. 7; Militär-Lexikon, Stichwort „Gendarmerie", S. 269.

B. Die Leibgendarmerie

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Indessen konnte die durch die übereinstimmende Uniformierung bewirkte äußerliche Kennzeichnung der organisatorischen Selbständigkeit des Kommandos königlicher Ordonnanzen nur für kurze Zeit beibehalten werden, denn schon in einer Allerhöchsten Kabinettsorder vom 14.03.1851 sah sich der König zur Entlastung der auch durch anderweitige Personalabgaben unverhältnismäßig stark beanspruchten Garde-Kavallerie gezwungen zu befehlen, daß diese künftig lediglich für die Kommandierung von einem Wachtmeister und sieben Unteroffizieren verantwortlich sein sollte. Damit ergab sich jedoch zugleich die Notwendigkeit, die übrigen Königsordonnanzen, die zur Erreichung der für das Kommando vorgesehenen Gesamtstärke von 24 Mann noch benötigt wurden, von nun an den Regimentern der Linien-Kavallerie entnehmen zu müssen. Da dies aber in der Weise geschah, daß jedes der zu dieser Zeit acht Armeekorps des preußischen Heeres zur Gestellung zweier Ordonnanz-Unteroffiziere verpflichtet wurde, 25 hatte die A. K. O. vom 14.03.1851 letztlich auch zur Folge, daß „in dem Korps der königlichen Ordonnanzen [...] jetzt fast alle Uniformen der Kavallerie vorhanden" waren. 26 Demgemäß war also die Bekleidung des zum königlichen Ordonnanzdienst abkommandierten Personals seit März 1851 ähnlich, wie schon einmal in der Zeit vor der Gründung der Armeegendarmerie - erneut durch ein uneinheitliches Nebeneinander von Ulanen-, Kürassier-, Dragoner» und Husarenuniformen gekennzeichnet, das jeglichen Versuch, die Königsordonnanzen anhand äußerer Merkmale als solche zu identifizieren, von vorneherein zunichte machte. Aus diesem Grunde entschloß sich der König bereits im darauffolgenden Jahr, das durch seine Maßnahme entstandene Uniformgemisch bei den königlichen Ordonnanzen durch die Wiedereinführung der Uniform der ehemaligen Leibgendarmen zu beseitigen.27 Damit hatte der König nun aber wiederum einen Prozeß ausgelöst, der verglichen mit der Entwicklung, die das Kommando königlicher Ordonnanzen seit der Verfügung vom 14.03.1851 genommen hatte, gleichsam unter umgekehrten Vorzeichen stand: Während nämlich die Entlastung der Garde-Kavallerie durch Abstellungen auch von Unteroffizieren der Linientruppen dazu geführt hatte, daß das Kommando der Königsordonnanzen durch eine gänzlich heterogene Personalstruktur gekennzeichnet war, bewirkte die Verleihung einer einheitlichen Uniform bei den königlichen Ordonnanzen in zunehmendem Maße die Herausbildung des Be25 Vgl. von Bredow, S. 158, und Kiesling, S. 8, die überdies übereinstimmend ausführen, daß der von der Garde-Kavallerie abkommandierte Wachtmeister als Kommandoführer fungierte. 26 Kiesling, S. 8; die A. K. O. vom 14.03.1851 konnte in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs nicht mehr aufgefunden werden und dürfte daher den kriegsbedingten Quellenverlusten zuzurechnen sein. 27 Die entsprechende Kabinettsorder vom 22.07.1852 konnte in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs ebenfalls nicht mehr nachgewiesen werden. Dennoch bestehen hinsichtlich ihres Regelungsgehalts aufgrund der übereinstimmenden inhaltlichen Wiedergaben bei Böckle, S. 74, Jany IV, S. 211, und Kiesling, S. 8, keinerlei Zweifel.

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7. Kap.: Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres

wußtseins, einer eigenständigen Formation anzugehören, deren Identität von derjenigen der jeweiligen Herkunftstruppenteile zu unterscheiden war. Gleichzeitig hatte die Rückkehr zur früheren Uniformierung aber auch zur Folge, daß die Königsordonnanzen nunmehr als Traditionsnachfolger der Leibgendarmen erkennbar waren und als solche betrachtet wurden. Es ist daher nicht verwunderlich, daß der König nur zwei Jahre, nachdem er seine Ordonnanzen mit den Uniformen der ehemaligen Leibgendarmen ausgestattet hatte, in der A. K. O. vom 20.07.1854 auch die Wiedereinführung der Bezeichnung „Leibgendarmerie" anordnete. 28 Damit erweist sich aber die vom preußischen Landtag im Jahre 1850 durchgesetzte Auflösung der Leib- und der Armeegendarmerie im Ergebnis tatsächlich nur für letztere als endgültig; im Falle der Leibgendarmerie ist demgegenüber festzustellen, daß die Ersetzung durch die sogenannten Königsordonnanzen lediglich eine vorübergehende Unterbrechung ihrer ansonsten einheitlichen Formationsgeschichte darstellte. 29 Diese Einschätzung wird durch einen Blick auf die Aufgaben, die von der wieder so bezeichneten Leibgendarmerie im Frieden zu erfüllen waren, vollauf bestätigt, denn insoweit waren im Vergleich zu der Situation vor 1850 keine Veränderungen eingetreten. Nach wie vor versahen die Leibgendarmen nämlich den ständigen Ordonnanzdienst für den König und begleiteten ihn auf Reisen sowie bei der Besichtigung von Truppenrevuen. Bei entsprechenden Anlässen verrichteten sie Ordonnanzdienst auch für ausländische Staatsgäste.30 Eine Neuerung trat lediglich aufgrund der Tatsache ein, daß der König in der A. K. O. vom 20.07.1854 neben der Wiedereinführung der Bezeichnung „Leibgendarmerie" zugleich auch befohlen hatte, daß ihre Angehörigen künftig im Kriegsfall mobil gemacht werden sollten, um einen Teil der Stabswache des Großen Hauptquartiers zu stellen. 31 Obwohl eine solche Kriegsverwendung der Leibgendarmerie vor ihrer vorübergehenden Auflösung im Jahre 1850 noch nicht vorgesehen war, ist darin keinesfalls ein Widerspruch zu der These zu erblicken, daß die Leibgendarmerie des Jahres 1854 nahtlos an die Tradition ihrer Namensvorläuferin anknüpfte. Vielmehr stellte die genannte Aufgabe der Leibgendarmerie letztlich nur eine Fortsetzung ihres Friedensdienstes im Kriege dar, denn wenn der König zu Frie28 Soweit ersichtlich fehlt auch diese Kabinettsorder in den heute noch vorhandenen Beständen des Geheimen Staatsarchivs. Sie wird jedoch übereinstimmend erwähnt bei Blankenstein, S. 173, Böckle, S. 74, von Bredow, S. 158, Jany IV, S. 211, und Kiesling, S. 8. 29 Demgemäß wurden die Leibgendarmerie und ihr Kommandeur seit dem 20.07.1854 auch wieder in der Rangliste der Armee aufgeführt, wobei ebenso wie auch schon vor der Auflösung im Jahre 1850 als Stiftungstag der Truppe der 12.02.1820 galt, an dem - wie oben unter A. näher ausgeführt - das Garde-ReserveArmee-Gendarmerie-Kommando gegründet worden war (von Bredow, S. 158; Kiesling, S. 8). 30 Böckle, S. 63; ders., Truppenpraxis 1973, S. 35; Militär-Lexikon, Stichwort „Gendarmerie", S. 269. 31 Kiesling, S. 8.

B. Die Leibgendarmerie

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denszeiten ständig von Ordonnanzen begleitet wurde, dann war es nur konsequent, ihn auch für den Fall der Mobilmachung des Großen Hauptquartiers mit Leibgendarmen zu umgeben.32 Auch die Betrachtung der von der Leibgendarmerie in Krieg und Frieden zu erfüllenden Aufgaben führt also zu dem Ergebnis, daß sich diese Formation nach der Rückkehr zu ihrer früheren Bezeichnung nicht mehr von ihrer Vorgängerin gleichen Namens unterschied.

II. Die weitere Entwicklung der Leibgendarmerie bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1919 Die weitere Formationsgeschichte der Leibgendarmerie ist vor allem durch solche Entwicklungen geprägt, die als Ausdruck einer stetig wachsenden Reputation der Truppe angesehen werden können. So war etwa schon durch die in der A. K. O. vom 15.05.1860 enthaltene Bewilligung einer zusätzlichen Planstelle für einen Offizier, der als Führer des Berliner Kommandos fungieren sollte, 33 das Ansehen der Leibgendarmerie nicht unerheblich gestiegen. Eine weitere Aufwertung ihres Stellenwertes ist zweifellos darin zu erblicken, daß dem Kommandeur der Leibgendarmerie durch die A. K. O. vom 01.04.188034 innerhalb seines Befehlsbereiches die Disziplinarstrafgewalt eines Regimentskommandeurs verliehen wurde. 35 Die bedeutsamste Veränderung, die die Leib32

Trotz der entsprechenden Anordnung in der A. K. O. vom 20.07.1854 nahm die Leibgendarmerie am Feldzug gegen Dänemark im Jahre 1864 nicht teil. Hingegen wurde der König in den Kriegen von 1866 und 1870/71 ebenso wie später der Kaiser im ersten Weltkrieg wie vorgesehen von Leibgendarmen in das Große Hauptquartier begleitet. Da jedoch bei allen diesen Gelegenheiten die Hälfte des Personals des Leibgendarmerie-Kommandos in Berlin zurückblieb und einer Ersatz-Schwadron der Garde-Kavallerie überwiesen wurde, standen für die Bildung der Stabswache lediglich 12 Gendarmen zur Verfügung. Diese mußten daher durch Personalabstellungen anderer Kavallerieeinheiten erheblich verstärkt werden. Gleichwohl war es regelmäßig der Kommandeur der Leibgendarmerie, dem auch die Befehlsgewalt für die Stabs wache übertragen wurde (Böckle, S. 74; Kiesling, S. 9 f.). 33 Blankenstein, S. 173; Kiesling, S. 9; obgleich diese Stelle nach dem Tode des Kommandoführers Oberstleutnant Krug von Nidda im Jahre 1881 wieder gestrichen wurde, änderte sich an der Führung des Kommandos durch einen Offizier auch in der Folgezeit nichts, da seit dem 01.01.1882 in alljährlichem Wechsel ein Kavallerieoffizier zur Leibgendarmerie abkommandiert wurde, um diese Funktion auszufüllen (.Blankenstein, a.a.O.; Kiesling, a.a.O.). 34 A. V. Bl. 1880, S. 106, Nr. 98. 35 Ohne eine solche ausdrückliche Verleihung der Disziplinarstrafgewalt im Wege einer königlichen Anordnung wäre die Anwendung der „Disziplinar-Strafordnung für das Heer" (HDStO) vom 31.10.1872 auf den Kommandeur der Leibgendarmerie nicht möglich gewesen, da dieser nicht zu demjenigen Personenkreis gehörte, dem nach der HDStO Disziplinarstrafgewalt zustand. Gemäß § 5 HDStO war dies nämlich nur bei Offizieren der Fall, „denen der Befehl über eine Truppen-Abtheilung, über ein abgesondertes Kommando, über eine Militärbehörde, oder über eine militärische Anstalt,

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7. Kap.: Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres

mit Verantwortlichkeit für die Disziplin übertragen" worden war. Das traf jedoch auf den Kommandeur der Leibgendarmerie nicht zu. Gleichwohl blieb es dem König unbenommen, den persönlichen Anwendungsbereich der HDStO weiter auszudehnen. Anders als etwa bei der Wehrdisziplinarordnung der Bundeswehr handelte es sich bei der HDStO nämlich nicht um ein formelles Gesetz, sondern vielmehr nur um eine militärische Verordnung, die der König aufgrund des ihm nach Art. 46 pr. Verf. 1850 bzw. Art. 63 der Reichsverfassung zustehenden Oberbefehls über die Armee aus eigener Machtvollkommenheit erlassen hatte. Damit fiel aber auch die Befugnis zur Änderung, Einschränkung oder Ergänzung der HDStO in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des Königs. In rechtlicher Hinsicht läßt sich mithin die A. K. O. vom 01.04.1880 als eine einzelfallbezogene Ergänzung der HDStO einordnen. Abweichend von den in § 5 HDStO festgeschriebenen Grundsätzen war somit auch der Kommandeur der Leibgendarmerie berechtigt, disziplinarstrafrechtliche Befugnisse auszuüben. Diese kamen gemäß § 1 Nr. 1 HDStO immer dann zur Anwendung, wenn Angehörige seines Befehlsbereich eine Handlung „gegen die militärische Zucht und Ordnung und gegen die Dienstvorschriften" begangen hatten, die im RMStGB nicht mit Strafe bedroht war. Darüber hinaus unterlagen der Disziplinarstrafgewalt gemäß § 1 Nr. 2 HDStO aber auch noch „diejenigen militärischen Vergehen, deren Bestrafung im Disziplinarwege in leichteren Fällen durch § 3 II EG RMStGB ausdrücklich gestattet war. Es waren dies im einzelnen die eigenmächtige Entfernung von der Truppe und die eigenmächtige Urlaubsüberschreitung gemäß § 64 RMStGB, die Achtungsverletzung gegenüber einem Vorgesetzten gemäß § 89 I RMStGB, das Belügen eines Vorgesetzten gemäß § 90 RMStGB, die Beleidigung eines Vorgesetzten gemäß § 91 I RMStGB, der Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen gemäß § 92 RMStGB, der Mißbrauch der Dienstgewalt durch Borgen von Geld oder Annahme von Geschenken von einem Untergebenen gemäß § 114 RMStGB, die Beleidigung oder vorschriftswidrige Behandlung eines Untergebenen gemäß § 121 I RMStGB, die Beschädigung eines Dienstgegenstandes gemäß § 137 RMStGB, die Wachverfehlungen gemäß §§ 141 und 146 RMStGB sowie schließlich die Trunkenheit im Dienst gemäß § 151 RMStGB. In allen diesen Fällen konnte der Kommandeur der Leibgendarmerie wie jeder andere Disziplinarvorgesetzte auch unter Beachtung der in § 40 I HDStO niedergelegten Strafzumessungsregeln (möglichste Schonung des Ehrgefühls des Betroffenen, Berücksichtigung des Charakters des Delinquenten, Grad der Gefährdung des Dienstinteresses, Natur der zu bestrafenden Handlung und bisherige Führung des Täters) zunächst einmal gemäß § 8 HDStO gegen die Offiziere seines Befehlsbereichs einfache Verweise ohne Zeugen oder im Beisein eines Vorgesetzten oder förmliche Verweise vor dem versammelten Offizierkorps aussprechen. Gegen Unteroffiziere war darüber hinaus die Verhängung eines strengen Verweises durch Parolebefehl mit Eintragung der Veranlassung in die Parolebücher sowie die Auferlegung gewisser Dienstverrichtungen außer der Reihe (z.B. Strafwachen) statthaft. Mannschaftsdienstgrade konnten schließlich außer mit den bereits genannten Disziplinarmaßnahmen auch noch mit der „Entziehung der freien Verfügung über die Löhnung und der Ueberweisung derselben an einen Unteroffizier zur Auszahlung in täglichen Raten" sowie mit der Auferlegung der bis zu vier Wochen andauernden Verpflichtung, zu einer bestimmten Zeit vor dem Zapfenstreich in das Quartier oder die Kaserne zurückzukehren, bestraft werden. Damit waren die Möglichkeiten des Kommandeurs der Leibgendarmerie zur Verhängung von Disziplinarstrafen indessen noch keineswegs erschöpft. Da er nämlich kraft ausdrücklicher Anordnung in der A. K. O. vom 01.04.1880 mit der Disziplinarstrafgewalt eines Regimentskommandeurs ausgestattet worden war, konnte er über die in § 8 HDStO aufgezählten Strafmaßnahmen hinaus auch noch von den in § 11 HDStO vorgesehenen Disziplinarstrafbefugnissen Gebrauch machen. Daher war es ihm gestattet, gegen Offiziere auch mit einem strengen Verweis oder sogar mit Stubenarrest bis zu

B. Die Leibgendarmerie

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gendarmerie im Rahmen der Tendenz, ihre Bedeutung zu vergrößern, erfuhr, geht indessen auf die A. K. O. vom 28.06.1889 zurück, denn darin ordnete der König die Bildung eines zweiten Zuges an: „Ich befehle hiermit, daß Meine Leibgendarmerie um einen Zug zu verstärken ist, bestehend aus 1 Offizier (Premier- oder Sekonde-Lieutenant) vom Kürassier-Regiment Königin (Pommerschen) Nr. 2, 2 Unteroffizieren und 24 Mann. Zur Bildung derselben kommandirt jedes Linien-Kürassier-Regiment 3 Kürassiere (beziehungsweise Gefreite), das Leib-Kürassier-Regiment Großer Kurfürst (Schlesisches) Nr. 1 sowie das Kürassier-Regiment Königin (Pommersches) Nr. 2 außerdem je 1 Unteroffizier. [...]. Die Bildung des Zuges ist bis zum 1. August dieses Jahres zu beenden". 36 Während nun der erste Zug noch immer unverändert für den Ordonnanzdienst beim Kaiser zuständig war und aus diesem Grunde erforderlichenfalls seine Standarte zu tragen hatte, 37 mußten die Leibgendarmen des zweiten Zu-

sechs Tagen vorzugehen. Verfehlungen von Unteroffizieren mit Portepee konnte er überdies mit Kasernen-, Quartier- oder gelindem Arrest bis zu vier Wochen ahnden, wobei diese Arreststrafen gemäß § 4 II HDStO nicht kürzer sein durften als 24 Stunden. Unteroffiziere ohne Portepee mußten zudem damit rechnen, anstelle der genannten Arrestarten mit mittlerem Arrest bis zu einer Dauer von drei Wochen bestraft zu werden, während gegenüber Mannschaftsdienstgraden die Verhängung sämtlicher Arreststrafen einschließlich des strengen Arrestes bis zu vierzehn Tagen möglich war. Der strenge Arrest konnte für den davon betroffenen Soldaten ausgesprochen unangenehme Folgen haben, von denen die Degradierung oder die Lohnverwaltung, die von einem Vorgesetzten mit der Disziplinarstrafgewalt eines Regimentskommandeurs gemäß § 41, 2 Nr. 1 und Nr. 2 lit. a) HDStO kumulativ ausgesprochen werden konnten, noch die geringfügigsten waren. Erheblich einschneidender wirkte sich nämlich der Umstand aus, daß der strenge Arrest gemäß § 47 DI; IV Nr. 2 HDStO durch das täglich bis zu zwei Stunden andauernde Anbinden des Betroffenen oder durch das gleichlange Gewehr- oder Satteltragen ersetzt wurde, „wenn im Felde [...] der strenge Arrest den örtlichen Verhältnissen nach weder in einem Ortsgefängnis noch in einem anderen zur Arrestvollstreckung geeigneten Lokale verbüßt werden" konnte. Gemäß § 48 I HDStO hatte in diesem Falle das Anbinden des Betroffenen „in aufrechter Stellung, den Rücken nach einer Wand oder einem Baum gelehnt, dergestalt, daß er sich weder setzen noch niederlegen kann," zu erfolgen, während das Gewehr- oder Satteltragen gemäß § 48 II HDStO darin bestand, „daß der Arrestat im Stillstehen oder Umhergehen eine fünfzehn Kilogramm nicht übersteigende Last, welche durch Gewehre oder durch an hölzernen Stangen befestigte Sättel gebildet wird, auf einer Schulter oder auf beiden Schultern ungleich vertheilt, zu tragen" hatte. Zweistündiges Anbinden oder Gewehr- bzw. Satteltragen in der beschriebenen Form entsprach gemäß § 48 HI HDStO nur einem einzigen Tag der verhängten Arreststrafe. Zusammenfassend läßt sich demnach ohne weiteres feststellen, daß die Verleihung der Disziplinarstrafgewalt eines Regimentskommandeurs die Rechtsstellung des Kommandeurs der Leibgendarmerie beträchtlich aufwertete; die A. K. O. vom 01.04.1880 war mithin in besonderem Maße Ausdruck der gestiegenen Reputation der Leibgendarmerie. 36 A. V. Bl. 1889, S. 161, Nr. 209. Damit hatte sich die Gesamtstärke der Leibgendarmerie beinahe verdoppelt, da sie nunmehr aus einem Stabsoffizier als Kommandeur, zwei weiteren Offizieren als Zugführern, drei Unteroffizieren und insgesamt 47 Leibgendarmen bestand (vgl. das Gliederungsschema bei Riesling, S. 10). 37 Blankenstein, S. 175; Böckle, Truppenpraxis 1973, S. 35.

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7. Kap.: Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres

ges die Kaiserin bei ihren Besuchen von Paraden oder Truppenrevuen begleiten. Darüber hinaus wurde der zweite Zug aber auch ganz allgemein für den Ordonnanzdienst in den königlichen Schlössern verwendet und bei besonderen zeremoniellen Anlässen gemeinsam mit der Galawache des Garde du Corps zur Gestellung von Ehrenwachen herangezogen.38 Schließlich waren es die Trompeter beider Züge, die seit 1894 alljährlich das Kaisermanöver mit dem bekannten Signal „Das Ganze Halt" beendeten. Die zur Erfüllung dieser neuen Aufgabe erforderliche Verstärkung des Stellenetats der Leibgendarmerie im Jahre 1894 stellte zugleich auch die letzte Neuerung ihrer Formationsgeschichte dar, da später - nach dem Sturz der Monarchie - für eine lediglich Ordonnanzdienste versehende Truppengattung schon in Anbetracht der durch den Versailler Vertrag vorgegebenen Beschränkung der Gesamtstärke der deutschen Streitkräfte auf 100.000 Mann keine Verwendung mehr zu finden war. Die Leibgendarmerie wurde daher im Jahre 1919 ebenso wie etwa auch das Reitende Feldjägerkorps aufgelöst. 39

C. Die Hafengendarmerie Die dritte Gendarmerieformation, die im preußischen Heer schon vor der Gründung der Feldgendarmerie existierte, war die Hafengendarmerie. Über diese Truppengattung sind sowohl im Bereich des Primärquellenmaterials als auch in der wehrgeschichtlichen Literatur nur sehr wenig Informationen verfügbar. Selbst bei Blankenstein, der die wohl umfangreichste Monographie über die preußische Gendarmeriegeschichte vorgelegt hat, findet sich lediglich der Hinweis, daß die Hafengendarmerie im Jahre 1846 in einer Gesamtstärke von zwei Offizieren, 60 Unteroffizieren und ebenso vielen Mannschaftsdienstgraden errichtet und in zwei gleich große Kommandos aufgeteilt worden ist, die in Memel und in Swinemünde stationiert wurden. 40 Demgegenüber behauptet Jany, der Verfasser des umfangreichen Standardwerkes zur Geschichte der preußischen Armee, daß die Gründung der Hafengendarmerie auf eine Allerhöchste Kabinettsorder vom 13.07.1843 zurückgeht, in der die Bildung der beiden auch von Blankenstein erwähnten Kommandos mit halbinvalidem Personal zum 01.03.1844 angeordnet worden sei. 41 Welchem der beiden Autoren nun tatsächlich zu folgen ist, läßt sich indessen letztlich nicht abschließend klären, da die Gründungsurkunde der Hafengendarmerie in den einschlägigen Archivbeständen heute nicht mehr auffindbar ist. Gleichwohl spricht aufgrund des größeren De-

38

Böckle, S. 73; Kiesling, S. 11; Militär-Lexikon, Stichwort „Gendarmerie", S. 269. Blankenstein, S. 173; Böckle, S. 74; ein genaues Datum der Auflösungsverfügung hat sich trotz intensiven Quellenstudiums nicht ermitteln lassen. 40 Blankenstein, S. 168. 41 Jany IV, S. 212. 39

D. Der Aufgaben- und Truppencharakter

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tailreichtums vieles dafür, eher den Ausführungen Janys als der nur pauschalen Jahreszahlangabe von Blankenstein zu vertrauen. Als sicher ist hingegen anzusehen, daß das Kommando in Memel bereits durch eine Kabinettsorder vom 16.01.1863 wieder aufgelöst wurde, da Jany und Blankenstein in diesem Punkt vollständig übereinstimmen. 42 Eine solche Übereinstimmung ist zudem auch hinsichtlich der Auflösung des zweiten Hafengendarmerie-Kommandos in Swinemünde festzustellen, denn in diesem Zusammenhang nennen beide Autoren das Jahr 1884. Insoweit finden ihre Darlegungen sogar einen objektiven Beleg in der entsprechenden Kabinettsorder vom 29.03.1884, die im Armeeverordnungsblatt veröffentlicht worden ist. 43 Weitere formationsgeschichtliche Einzelheiten aus der vergleichsweise kurzen Zeitspanne, in der es im preußischen Heer eine Hafengendarmerie gegeben hat, liegen indessen nicht vor. Einzig dem Werk Janys läßt sich noch entnehmen, daß die beiden Kommandos in Memel und Swinemünde die Aufgabe hatten, die dortigen Steuer- und Polizeibehörden zu unterstützen. 44 Darüber hinausgehende Spuren hat die Hafengendarmerie in der preußisch-deutschen Heeresgeschichte - soweit ersichtlich - nicht hinterlassen.

D. Der Aufgaben- und Truppencharakter der drei Gendarmerieformationen Untersucht man die oben unter A. und B. dargestellten Aufgaben der Armeeund der Leibgendarmen daraufhin, inwieweit sie einen militärpolizeilichen Charakter aufwiesen, so stellt man fest, daß durchaus Bezüge zur Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben und zum militärischen Ordnungsdienst vorhanden sind. So hat schon der Vergleich des dem Reitenden Feldjägerkorps obliegenden Fourierdienstes mit dem Aufgabenspektrum der Feldjägertruppe der Bundeswehr gezeigt, daß hinsichtlich einzelner Aspekte Ähnlichkeiten vorhanden waren, wobei insbesondere im Bereich der Sicherheitsaufgabe des Personenschutzes Übereinstimmungen mit der Begleitung des Königs auf Reisen oder anläßlich von Truppenbesuchen gefunden werden konnten 4 5 Da nun aber die Leibgendarmerie in bezug auf den Fourierdienst die Nachfolge des Reitenden Feldjägerkorps angetreten hat, lassen sich die diesbezüglich an früherer Stelle erzielten Ergebnisse nahtlos übertragen. Gleiches gilt überdies 42

Blankenstein, a.a.O. (s.o. Fn. 40); Jany IV, a.a.O. (s.o. Fn. 41); auch hier fehlt es jedoch an einer Beweisbarkeit durch Primärquellenmaterial. 43 A. V. Bl. 1884, S. 79, Nr. 74. 44 Jany IV, a.a.O. (s.o. Fn. 41). 45 s.o. das 1. Kapitel, B. II. 2.; vgl. im übrigen zum Personenschutz durch die Feldjägertruppe der Bundeswehr: ZDv 75/100, Nr. 609, 621 ff., 911, 914 und Anlage 10, sowie HDv 360/200, Kapitel 35 und Anlagen D 9 bis D 11.

540

7. Kap.: Die übrigen Gendarmerieformationen des preußischen Heeres

auch für die sowohl den Armee- als auch den Leibgendarmen zugedachte Kriegsverwendung als Stabswachen, denn insoweit ist ebenfalls bereits anläßlich der Betrachtung des Reitenden Feldjägerkorps erkannt worden, daß die Absicherung des Gefechtsstandes einer Kommandobehörde oder einer höheren Kommandobehörde auch heute noch zu den militärpolizeilichen Sicherheitsaufgaben gehört. 46 Schließlich läßt sich auch noch daran denken, in der Verpflichtung der Leibgendarmen, gegebenenfalls ausländische Staatsgäste zu begleiten, Anklänge an die militärpolizeiliche Aufgabe des Eskortendienstes zu erblikken. 47 Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß die den Armee- und den Leibgendarmen übertragenen Dienstpflichten in der Tätigkeit als Ordonnanzen ihren Schwerpunkt hatten. Damit wurde das Erscheinungsbild beider Formationen aber hauptsächlich durch die Erfüllung einer Aufgabe geprägt, der es an jeglicher Vergleichbarkeit mit militärpolizeilichen Verrichtungen fehlte. Schon aus diesem Grunde dürfen die vorstehend erzielten Ergebnisse keinesfalls zu der auch wegen der Bezeichnung beider Truppengattungen als „Gendarmerie" naheliegenden Schlußfolgerung verleiten, daß es sich bei der Armee- oder der Leibgendarmerie um eine militärische Ordnungstruppe gehandelt hätte. Ein solches Resümee verbietet sich auch deshalb, weil viele der aufgezeigten Parallelen zwischen dem Aufgabenspektrum der Armee- und der Leibgendarmerie einerseits und der Tätigkeit einer militärpolizeilichen Formation andererseits letztlich doch nur mit einiger Mühe gezogen werden können. Dies wird bei einer genaueren Betrachtung der Verpflichtung, den König auf Reisen und beim Besuch von Truppenrevuen zu begleiten, besonders deutlich. Obgleich insoweit auch der Schutz für die Person des Königs eine Rolle gespielt haben mag, dürfte dies doch allenfalls eine erwünschte Nebenerscheinung der tatsächlich im Vordergrund stehenden repräsentativen Zielsetzung gewesen sein, denn nur so ist sinnvollerweise zu erklären, daß die Leibgendarmerie im Jahre 1898 eigens aus Anlaß der Palästinareise des Kaiserpaares, an der sie mit beiden Zügen teilnahm, mit einer völlig neuen Uniform ausgestattet wurde. 48 Ist demnach festzuhalten, daß die Begleitung des Königs durch Leibgendarmen keinesfalls primär eine militärpolizeiliche Funktion erfüllte, so gilt dies in ähnlicher Weise auch für die ständige Begleitung ausländischer Staatsgäste. Zwar ließe sich diese Tätigkeit der Leibgendarmen auf den ersten Blick ohne weiteres beispielsweise an den für die Bundeswehr-Feldjäger geltenden Formulierungen der ZDv 75/100 messen, da nach deren Nr. 634 f. militärische Ehreneskorten bedeutende Persönlichkeiten des Auslandes bei offiziellen Besuchen der Bundeswehr begleiten, um dadurch protokollarischen Zwecken zu dienen und zugleich den Schutz des 46 a.a.O. (s.o. Fn. 45); näher dazu: ZDv 75/100, Nr. 609, 615 ff., 911 und 914, sowie die HDv 360/200, Kapitel 31 (insbesondere Nr. 3106 bis Nr. 3111). 47 Vgl. hierzu ZDv 75/100, Nr. 609 und 634 bis 639, sowie HDv 360/200, Kapitel 13. 48 Blankenstein, S. 175; Böckle, S. 74.

D. Der Aufgaben- und Truppencharakter

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Ehrengastes zu verstärken. Gleichwohl standen diese Erwägungen im Falle der Zuteilung von Leibgendarmen an ausländische Staatsbesucher keineswegs im Vordergrund, sondern traten hinter dem eigentlichen Grund, den Gästen des Königs einen ständig einsatzbereiten Ordonnanzdienst zur Verfügung zu stellen, zurück. Auch dieser Aufgabe der Leibgendarmerie fehlte mithin eine finale Ausrichtung auf militärpolizeiliche Zwecke. Demgegenüber läßt sich der sicherheitsdienstliche Charakter der Gestellung von Stabswachen nicht in Frage stellen. Daher gehört zumindest die geplante Kriegsverwendung der Armee- und der Leibgendarmerie in den Bereich militärpolizeilicher Aufgabenstellungen. Indessen darf dabei nicht übersehen werden, daß die Armeegendarmerie insoweit tatsächlich niemals zum Einsatz gekommen ist. Auch die Leibgendarmerie ist dem König in der gesamten Zeit ihres Bestehens lediglich dreimal in das Große Hauptquartier gefolgt, wobei in allen drei Fällen gerade einmal die Hälfte des Personals bei den anfallenden Wachdienstleistungen Verwendung fand. Es kann somit keinesfalls die Rede davon sein, daß die Bildung von Stabswachen eine zentrale Aufgabe der Armee- bzw. der Leibgendarmerie gewesen wäre. Verglichen mit der Hauptaufgabe beider Truppengattungen, die aus der Verrichtung von Ordonnanzdiensten bestand, war diese Verwendungsart vielmehr nur von untergeordneter Bedeutung und stellte allenfalls eine Randerscheinung in der jeweiligen Formationsgeschichte dar. Im Ergebnis ist dementsprechend festzustellen, daß weder die Armee- noch die Leibgendarmerie als militärpolizeiliche Organisationen eingestuft werden können. Sie markierten also keineswegs den Beginn der Einrichtung einer Feldgendarmerie im preußischen Heer. Dies gilt zudem in gleichem Maße auch für die Hafengendarmerie, da deren Angehörige bis zur Auflösung ihrer Kommandos in den Jahren 1863 und 1884 lediglich die Aufgabe hatten, die jeweiligen Steuer- und Polizeibehörden zu unterstützen. Sie stellten demzufolge Hilfsorgane staatlicher Zivilbeamter dar, die im Bereich der Zollverwaltung und des Grenzschutzes eingesetzt wurden und mithin dem Finanzministerium bzw. dem Innenminister unterstanden. Aus diesem Grunde hatte die Tätigkeit der Hafengendarmerie letztlich noch nicht einmal einen unmittelbaren militärischen Bezug; jedenfalls aber fehlte ihr jegliche Vergleichbarkeit mit dem Aufgabenspektrum einer militärpolizeilichen Formation. Da somit auch die Hafengendarmerie keinesfalls als eine frühe Form der Feldgendarmerie angesehen werden kann, muß abschließend festgestellt werden, daß es bis zu deren Gründung im preußischen Heer eine mit der ständigen Wahrnehmung militärpolizeilicher Aufgaben betraute Truppengattung nicht gegeben hat. Die Feldgendarmerie erweist sich also als die erste reine Militärpolizeiorganisation der preußischen Armeegeschichte.

. Kapitel

Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht Schon in der Einführung ist darauf hingewiesen worden, daß es im zweiten Weltkrieg neben der Feldgendarmerie und der Feldjägertruppe auch noch weitere Formationen gegeben hat, denen die Erfüllung militärpolizeilicher Aufgaben oblag. In gleicher Weise ist jedoch auch dargelegt worden, daß im Rahmen dieser Arbeit nicht auf sämtliche Ordnungstruppen der Wehrmacht eingegangen werden kann. Eingehender zu erörtern sind daher an dieser Stelle nur noch die Verkehrsregelungsbataillone und der später vollständig im Wehrmachtstreifendienst aufgegangene Heeresstreifendienst. 1

A. Die Verkehrsregelungsbataillone Die Verkehrsregelungsbataillone verdanken ihre Entstehung in erster Linie der aus den Erfahrungen des ersten Weltkrieges resultierenden Erkenntnis, daß die bewaffneten Auseinandersetzungen der Zukunft den Charakter von Bewegungskriegen haben würden. 2 Diese Einsicht hatte nämlich dazu geführt, daß bei der Wiederaufrüstung der Wehrmacht besonderer Wert auf die Mobilität der Bodentruppen gelegt worden war. Schon sehr frühzeitig hatte man dabei jedoch 1

Vgl. zur Geheimen Feldpolizei, zur Organisation der Wachbataillone sowie zu den Bahnhofswachen und den Zugstreifen die Ausführungen in der Fn. 39 der Einführung. 2 Vgl. dazu die zwar in einem anderen Zusammenhang stehenden, dennoch auch an dieser Stelle instruktiven Ausführungen Falkes, S. 453: „Es ist wohl einleuchtend, daß in einer zukünftigen Auseinandersetzung, die aller Voraussicht nach zumindest in der ersten Phase ein Kampf weniger gegen viele unter Einsatz starker Luftstreitkräfte sein dürfte, die Möglichkeit der schnellen Verschiebung und Versorgung der zur Verfügung stehenden Verbände von kriegsentscheidender Bedeutung sein wird. [...]. Die Angleichung der Kampfformen, die eine strenge Unterscheidung von Angriff und Verteidigung in der bisher üblichen Form nicht mehr zuläßt, bringt es mit sich, daß die Initiative dauernd von der einen Seite zur anderen wechselt, und derjenige wird schließlich den Sieg davon tragen, der am schnellsten beweglich in der Lage ist, den Maßnahmen des Feindes mit ausreichenden Kräften zu begegnen und ihm seinerseits seinen Willen aufzuzwingen. Zu der Qualität der Offiziere und Soldaten, zu der Wirksamkeit der Waffen und der Leistungsfähigkeit der Transportmittel tritt in immer stärker werdender Bedeutung die wendige und restlose Ausnutzung der vorhandenen Verkehrswege als kriegsentscheidender Faktor. Es gilt nun, alle Erfahrungen und Erkenntnisse auszuwerten und Maßnahmen zu treffen, die die Schlagkräftigkeit der Verbände garantiert (!), und diese hängt in erster Linie von der Beweglichkeit ab."

A. Die Verkehrsregelungsbataillone

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festgestellt, daß die weitreichende Motorisierung des Heeres spezielle verkehrsdienstliche Maßnahmen auf den Straßen erforderlich machte, mit denen die bestehenden Verkehrsregelungskräfte der Truppe überfordert waren. 3 Demgemäß hieß es auch bereits im Jahre 1934 in einer vom Kriegsministerium erarbeiteten „Studie über Aufgaben, Gliederung und Einsatz einer Verkehrs-Regelungs-Abteilung (V. R. A.)" wörtlich: „Sobald auf eine Straße nur ein Verband gesetzt wird, kann er seinen Marsch ungestört durchführen, Kreuzungen mit anderen Verbänden sind nicht zu erwarten und die Ausschaltung des zivilen Verkehrs an besonders lebhaften Punkten kann durch Einsatz weniger Leute des Verbandes selbst durchgefühlt oder den örtlichen Polizeiorganen überlassen werden. Die Verhältnisse werden sich aber grundlegend ändern. Die fortschreitende Entwicklung des Kraftwagens und auch des Straßennetzes und die Empfindlichkeit der Eisenbahntransportbewegungen gegenüber Luftangriffen werden auch einen vermehrten Einsatz des Kraftwagens als Heerestransportmittel mit sich bringen. Dazu kommt aber noch die sich immer mehr steigernde Motorisierung der Truppe selbst, das Anwachsen des von der Kampftruppe benötigten Materials und die Massierung zahlreicher Verbände auf engstem Raum zur Schlachtentscheidung. Der Aufmarsch von 10 Divisionen [...] bringt schon heute eine räumliche und zeitliche Zusammenballung einer so großen Anzahl motorisierter Formationen mit sich, wie wir es bisher - wo nur ein Teil der motorisierten Einheiten auf Landmarsch verwiesen wurde - noch nicht gekannt haben. [...]. Ließe man die Verbände nach eigenem Belieben laufen, so würde es zu unerträglichen Schwierigkeiten, wie Ansammlungen und Verstopfungen an besonders empfindlichen Punkten kommen, die sich auf hunderte von Kilometern auswirken. Es ist klar, daß derart große Bewegungen motorisierter Verbände von der Führung bis ins einzelne genau organisiert werden müssen, will man nicht Gefahr laufen, daß der Vorteil der großen Geschwindigkeit, die erhöhte Beweglichkeit des motorisierten Verbandes verloren geht. Die Führung aber benötigt eine Einrichtung, die die Durchführung der von ihr gegebenen Anordnungen überwacht und bei auftretenden Schwierigkeiten in ihrem Sinne helfend eingreifen kann. [...]. Sie muß im Kriegsfall sofort verfügbar sein und daher im Frieden vorbereitet werden."4 Diesen Erwägungen entsprechend kam es dann am 26.10.1939 tatsächlich zur Aufstellung von insgesamt zehn Verkehrsregelungsbataillonen, 5 die die Bezeichnung 751 bis 760 führten. 6 Jedes dieser Bataillone sollte gemäß Ziffer 1 der für 3

Zutreffend: Böckle, S. 172. Vgl. S. 1 f. der Studie, BA-MA H 12/248, ohne Blattangabe. 5 Tessin, S. 294; demgegenüber findet sich bei Keilig-Koch, S. 286, die Behauptung, die Verkehrsregelungsbataillone seien erst im Jahre 1940 geschaffen worden. Diese Ansicht dürfte indessen schon deshalb unzutreffend sein, weil aufgrund des Befehls OKH/GenStH, Ausb. Abt./Gen. Qu. Ia/Id Nr. 1000/39 bereits unter dem 11.12.1939 eine eigene Dienstanweisung für die Verkehrsregelungsbataillone in Kraft getreten war [abgedruckt als Anhang 2 zur H.Dv. 275 (1940)]. Es kann daher ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Verkehrsregelungsbataillone zwar erst nach Abschluß des Polenfeldzuges, jedoch noch deutlich vor Beginn der Kämpfe auf dem westlichen Kriegsschauplatz aufgestellt worden sind (so auch Mueller-Hillebrand E, S. 118). 4

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

sie geschaffenen Dienstanweisung vom 11.12.1939 aus zwei Kompanien bestehen, die wiederum über jeweils 150 Mann verfügen konnten.7 Da dieser Kräfteeinsatz jedoch nicht einmal dafür ausreichte, sämtliche Armeen mit den erforderlichen Verkehrsregelungskräften zu versehen, wurde der Einsatz der Verkehrsregelungsbataillone unmittelbar vom Stab des Oberbefehlshabers des Heeres koordiniert. 8 Dort war es der bereits an früherer Stelle9 ausführlich beschriebene „Höhere Feldgendarmerie-Offizier", der dafür zuständig war, die einzelnen Bataillone zur Durchführung größerer Truppenbewegungen je nach Bedarf auf die verschiedenen Großverbände zu verteilen. 10 Zu Recht bezeichnete Ziffer 1 der Dienstanweisung vom 11.12.1939 die Verkehrsregelungsbataillone also als ein Instrument, dessen sich die übergeordnete Führung bedienen konnte, „um den Verkehr in verkehrstechnisch schwierigen Räumen zu regeln". 11 Im Einsatz unterstanden die Verkehrsregelungsbataillone dann jedoch

6

Keilig-Koch, S. 286; Mueller-Hillebrand II, S. 129; Tessin, S. 282; vgl. zu den wechselnden Unterstellungsverhältnissen der einzelnen Bataillone die Auflistung in Anlage 7. 7 So in wörtlicher Wiedergabe der Dienstanweisung auch Böckle, S. 172; Tessin, S. 294; Umdruck SFJgStDst, S. 15. Indessen dürfte sich diese Stärkeangabe lediglich auf die Zahl der tatsächlich für die Verkehrsregelung zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte bezogen haben, denn da die Dienstanweisung den für die einheitliche Führung der beiden Kompanien unerläßlichen Bataillonsstab nicht erwähnte, kann unterstellt werden, daß sie auch das Führungs- und Funktionspersonal der einzelnen Kompanien und Züge außer Betracht gelassen hat. Mit Keilig-Koch, S. 286, ist daher zunächst einmal darauf hinzuweisen , daß sich ein Verkehrsregelungsbataillon aus einem Stab und zwei Einsatzkompanien zusammensetzte [unzutreffend also jedenfalls der Aktenvermerk „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht" (BA-MA BW 9/1578, Bl. 133 ff. d. A.)], worin von jeweils drei Kompanien pro Bataillon die Rede ist (vgl. Bl. 138 d.A.). Hingegen fehlt es in der Literatur und dem benutzten Primärquellenmaterial an näheren Informationen über die Gliederung des Stabes und der einzelnen Kompanien. Als Anhaltspunkt können insoweit jedoch die entsprechenden Planungen in der bereits erwähnten Studie aus dem Jahre 1934 herangezogen werden. Danach könnte der Stab eines Verkehrsregelungsbataillons von einem Stabsoffizier als Kommandeur, einem Adjutanten, einem Ordonnanzoffizier, einem Sanitätsoffizier, einem Zahlmeister sowie drei Unteroffizieren, zwei Schreibern, drei Ordonnanzen und elf Kraftfahrern gebildet worden sein, während sich die Kompanien aus einem Offizier als Chef, einem „Hilfsoffizier" als Stellvertreter, drei Zugführern, einem Kompaniefeldwebel, zwei Unteroffizieren, drei Mannschaftsdienstgraden, zwei Mann Feldküche, 17 Kraftfahrern, drei Zugtrupps mit je fünf Unteroffizieren und einem Mannschaftsdienstgrad sowie den auf die drei Züge verteilten 150 Einsatzkräften zusammengesetzt hätten (vgl. S. 9 bis 11 der Studie). Legt man diese Zahlen zugrunde, so ergibt sich abweichend von Ziffer 1 der Dienstanweisung vom 11.12.1939 eine Gesamtstärke der Kompanien von fünf Offizieren, 18 Unteroffizieren und 175 Mannschaften; belegen läßt sich das allerdings letztlich nicht. 8

Vgl. den Aktenvermerk im Bestand BA-MA BW 9/1578, Bl. 138 d.A. s. o. das 6. Kapitel sub G. I. 10 Böckle, S. 172; vgl. auch den Aktenvermerk im Bestand BA-MA BW 9/1578, Bl. 138 d. A. 11 Ähnlich auch Böckle, S. 172, und der Umdruck SFJgStDst, S. 15. 9

A. Die Verkehrsregelungsbataillone

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allein den Oberkommandos derjenigen Armeen, denen sie vom OKH zugewiesen worden waren. Zuständige Sachbearbeiter im Hauptquartier der Armeen waren die ebenfalls schon erwähnten 12 „Stabsoffiziere der Feldgendarmerie", die die Einsatzkräfte der Verkehrsregelungsbataillone gemäß Ziffer 2 Satz 1 der Dienstanweisung vom 11.12.1939 „entweder selbständig oder in Verbindung mit anderen Verkehrsregelungseinheiten der Armee" verwenden konnten. Aufgrund der allenfalls als „behelfsmäßig" einzuschätzenden Motorisierung der Verkehrsregelungsbataillone 13 war jedoch gemäß Ziffer 2 Satz 2 der Dienstanweisung vom 11.12.1939 darauf zu achten, daß sie vorwiegend im rückwärtigen Armeegebiet eingesetzt wurden. Zudem hatte der geringe Mobilitätsgrad der Verkehrsregelungsbataillone beinahe zwangsläufig zur Folge, daß sie hauptsächlich die ständigen Verkehrsposten zu stellen hatten. 14 Soweit diese ihre Aufgaben nicht ausschließlich in eigener Verantwortung, sondern gemeinsam mit anderen Verkehrsregelungsorganen durchführen mußten, stand die Befehlsgewalt vor Ort gemäß Ziffer 2 Satz 3 der Dienstanweisung vom 11.12.1939 immer dem jeweils dienstältesten Soldaten zu. Den nach diesen Grundsätzen verwendeten Einsatzkräften der Verkehrsregelungsbataillone oblag es dann gemäß Ziffer 3 der Dienstanweisung vom 11.12.1939, an den Vor- und Rückmarschwegen, den Hauptnachschubstraßen sowie den größeren Ausladebahnhöfen, Lagern, Parken, Ausgabe- und Umschlagstellen und ähnlichen Versorgungseinrichtungen den militärischen Straßenverkehr zu regeln. Überdies waren sie für die Überwachung und Instandhaltung der Verkehrszeichen und Hinweisschilder an den Marschstraßen verantwortlich. Schließlich sah die Dienstanweisung auch noch den „abschnittsweisen und überlagernden Einsatz zur Verkehrsregelung und -Überwachung von (operativen) Bewegungen [vor], die von der oberen Führung angeordnet werden (Querverschiebungen)." Weitere Einzelheiten über den Pflichtenkreis der Verkehrsregelungsbataillone sind in der Dienstanweisung vom 11.12.1939 indessen 12 13

d.A.

Vgl. das 6. Kapitel, a.a.O. So das Verdikt des Aktenvermerks im Bestand BA-MA BW 9/1578, Bl. 138

14

So auch der Aktenvermerk im Bestand BA-MA BW 9/1578, Bl. 138 d.A.; das dürfte noch auf die Studie aus dem Jahre 1934 zurückzuführen gewesen sein, da darin ausdrücklich die Forderung aufgestellt worden war, daß eine Verkehrsregelungseinheit „nach Möglichkeit in dem Gebiet, in dem sie wirken soll, beheimatet sein" mußte. Ziel dieses Prinzips war es zu gewährleisten, daß der militärische Straßenverkehr „reibungslos so vor sich geht, wie ihn die Führung will." Dazu sei eine Verkehrsregelungseinheit aber „umso besser in der Lage [...], je mehr sie mit dem Straßennetz und den örtlichen Verhältnissen vertraut ist." Es müsse daher ohne weiteres einleuchten, daß eine Verkehrsregelungseinheit, „die nicht bodenständig ist, [...] erheblich mehr Zeit brauchen" werde, um ihren Einsatz vorzubereiten, als dies bei stationären Verkehrsregelungskräften der Fall sei (vgl. S. 4 und S. 12 der Studie). Die begrenzte Ausstattung der Verkehrsregelungsbataillone mit Kraftfahrzeugen läßt daher darauf schließen, daß die im Jahre 1934 formulierten Einsatzgrundsätze auch zur Zeit der Gründung dieser Formationen noch unverändert gültig waren. 35 Schütz

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

nicht enthalten. Insoweit kann jedoch auf die kriegsministerielle Studie des Jahres 1934 zurückgegriffen werden, denn darin wird das typische Aufgabenspektrum einer Verkehrsregelungsabteilung erheblich ausführlicher festgelegt. Danach waren im wesentlichen acht verschiedene Tätigkeiten zu unterscheiden, die im einzelnen wie folgt umschrieben wurden: 15 „1. Die V. R. A. organisiert den Verkehr auf den in Frage kommenden Straßen, indem sie diese absperrt und mit allen den Einrichtungen versieht, die für eine reibungslose Durchführung einer Bewegung notwendig sind. Sie stellt an allen Stellen, an denen andere Bewegungen oder sonstiger Verkehr auf die gesperrten Straßen heraufkommen können, Posten auf, [...]. Durch Anbringung von Wegweisern, Richtungs- und Warnungstafeln erleichtert sie den marschierenden Verbänden den Marsch. [...]. 2. Die V. R. A. erkundet und bereitet Rastplätze für die marschierenden Verbände vor, falls in ihrem Gebiet eine Rast stattfinden soll. [...]. 1 6 3. Die V. R. A. meldet den Durchlauf der ersten und letzten Marschgruppe einer Bewegung durch einen bestimmten Punkt an die [übergeordnete Führung], so daß diese jederzeit über den Stand der Transportbewegung orientiert [ist]. 17 4. Die V. R. A. bereitet in ihrem Gebiet stattfindende Ein- oder Ausladungen vor, indem sie Ein- oder Ausladeplätze erkundet und diese sowie die zu ihnen führenden Wege bezeichnet. 5. Die V. R. A. übermittelt die von der Führung eingehenden Befehle an die Truppe und umgekehrt Meldungen der Truppe an die Führung. 15

Vgl. S. 5 bis 7 der Studie. Mit der Beschaffenheit, die ein solcher Rastplatz nach Möglichkeit aufweisen sollte, befaßte sich die Studie an späterer Stelle (vgl. S. 13 f.) nochmals ausführlich. Danach waren bei der Auswahl eines Rastraumes folgende Prinzipien zu beachten: „Seine Beschaffenheit hängt von der Länge der Rast ab. In erster Linie muß Deckung gegen Flieger angestrengt werden. Bei Rasten über eine Stunde soll grundsätzlich von der Straße herunter gegangen werden. Der Rastraum wird praktisch auf beiden Seiten der Straße ausgesucht werden, und zwar so reichlich, daß gleichzeitig 2 Marschuntergruppen rasten können. Hierdurch wird ein Auflaufen der Bewegung auf der Straße vermieden. Fährt dann die erste Marschuntergruppe wieder an, so kann die dritte in diesen Rastraum. Fehlen Waldungen oder deckende Bäume, so wird die Rast in Ortschaften am geeignetsten sein. Die Wege, die von der Transportstraße zu den Rastplätzen und von den Rastplätzen wieder zur Transportstraße führen, sind genau zu bezeichnen und die Abzweigungen durch Posten zu besetzen." 17 Darüber hinaus sollte aber auch noch jedes andere Ereignis gemeldet werden, „das eine Änderung in der beabsichtigten Durchführung der Bewegung herbeiführen" konnte. Gedacht war vor allem an den Fall, „daß durch eine plötzlich notwendig werdende Umleitung" eine erhebliche Verzögerung oder eine „Änderung der Marschfolge" eintrat, da dann die rechtzeitige Meldung des Sachverhalts an die übergeordnete Führung besonders wichtig war, um „später beim Auseinanderfächeln der Bewegungen [...] Verwirrungen in Verbindung mit Zeitverlust" verhindern zu können (vgl. S. 16 der Studie). 16

A. Die Verkehrsregelungsbataillone

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6. Die V. R. A., die über sämtliche Bewegungen in ihrem Gebiet orientiert ist, leitet bei Störungen eine Bewegung selbständig so um, daß sie wieder schnell in die befohlene Richtung kommt. 7. Die V. R. A. nimmt mit allen in ihrem Gebiet liegenden Truppen und Transporteinheiten Fühlung, um bei einer plötzlichen Abbeförderung schnell die Maßnahmen ergreifen zu können, die zur reibungslosen Durchführung derselben erforderlich sind. [...]. 8. Die V. R. A. wirkt mit beim Abschleppdienst durch Weitergabe von Nachrichten, die sie von Straßenbenutzern erhält." Wird sonach ein hinreichend detaillierter Eindruck vom Pflichtenkreis der Verkehrsregelungsbataillone erst dann vermittelt, wenn man zusätzlich zur Dienstanweisung vom 11.12.1939 noch die aus dem Jahre 1934 stammende Studie des Kriegsministeriums heranzieht, so gilt dies erst recht im Hinblick auf die weitergehende Frage, wie die vorgeschriebenen Verkehrsregelungseinsätze in der Praxis konkret ablaufen sollten. Da sich die Dienstanweisung nämlich insoweit darauf beschränkte, in ihrer Ziffer 4 auf die für die Feldgendarmerie geltenden „Vorschriften, Bestimmungen und Verfügungen" zu verweisen, ist es allein die kriegsministerielle Studie, der einige speziell auf die Verkehrsregelungsbataillone zugeschnittene Einsatzgrundsätze entnommen werden können. So hieß es darin u. a. wörtlich: „Schon vor dem eigentlichen Einsatz wird sich die V. R. A. über die in ihrem Bezirk laufenden Straßen genauestens unterrichtet haben. Sie wird wissen, welche Hauptstraßenzüge als durchgehende Verbindungen in Frage kommen, welche weiteren Straßen als Aushilfe in Betracht kommen, welche Punkte besondere Gefahrenmomente in sich bergen (Brücken, Ortschaften pp.) und wie etwa notwendig werdende Umleitungen durchgeführt werden können. [...]. Soll nun eine Transportbewegung durch das zu betreuende Gebiet laufen, so ist es notwendig, daß die V. R. A. frühzeitig den Befehl zur Sperrung bestimmter Straßen zu bestimmten Zeiten und zur Verkehrsregelung erhält. Laufen mehrere Bewegungen, so ist zu befehlen, welche Bewegung den Vorrang hat. [...]. Nach Eingang des Befehls verteilt der Stab die Aufgaben nach der Karte an die unterstellten Einheiten. Diese teilen ihr Gebiet in Unterbezirke, in denen die einzelnen Züge eingesetzt werden. Wie groß diese Unterbezirke sind, richtet sich nach der zu betreuenden Gesamtlänge der Strecke und nach ihrer Beschaffenheit. Wo viele verkehrsreiche Straßen einmünden, wird der Bezirk kleiner sein, in großen Waldgebieten oder Ödflächen, wo wenige Straßen zugeführt sind, kann er größer gehalten werden. [...]. Der Zugführer verteilt nach Erkundung seines Bezirks seine Gruppen auf die Straße entsprechend den Erfordernissen und sorgt dafür, daß sein Abschnitt ordnungsgemäß ausgestattet ist. Er bestimmt seinen Standpunkt, der allen Posten bekannt sein und an einem Fernsprecher liegen muß."18

18

35*

Vgl. S. 12 bis 15 der Studie.

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

Zur Durchführung der so umschriebenen Einsätze und zur Erfüllung der dabei anfallenden Aufgaben stand den Mitgliedern der Verkehrsregelungsbataillone abgesehen von den Rechten, die ihnen ihr jeweiliger Dienstgrad verlieh, gemäß Ziffer 5 Abs. 2 HS. 1 der Dienstanweisung vom 11.12.1939 vor allem die Befugnis zu, den Soldaten und Beamten „aller Dienstgrade der drei Wehrmachtteile" sowie sämtlichen „Angehörigen der SS- und Polizeiverbände" verbindliche Anweisungen zu erteilen. Zu beachten war jedoch, daß sich diese Befehlsbefugnis der Angehörigen der Verkehrsregelungsbataillone sachlich auf den „ihnen übertragenen besonderen Aufgabenkreis" beschränkte und in örtlicher Hinsicht nicht über den jeweiligen Einsatzraum hinausging.19 Innerhalb des so eingegrenzten Zuständigkeitsbereiches waren die Verkehrsregelungskräfte dann jedoch ebenso wie alle übrigen befehlsbefugten Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS dazu berechtigt, ihre Verkehrsanordnungen notfalls unter Einsatz von Gewalt auch durchzusetzen. Zudem konnten sie gemäß Ziffer 5 Abs. 2 HS. 2 der Dienstanweisung vom 11.12.1939 im Zuge ihrer Dienstausübung auch noch sämtliche Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS zur Unterstützung verpflichten. Obgleich der Stellenwert, den die Wahrnehmung von Verkehrsregelungsaufgaben für die operative Kriegsführung besaß, im Verlauf des zweiten Weltkrieges nicht geringer wurde, war die Existenz der Verkehrsregelungsbataillone überraschenderweise nicht von langer Dauer, da sie schon während des Rußlandfeldzuges aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen wieder aufgelöst und in Feldgendarmerieabteilungen umgegliedert wurden. Die Formationsgeschichte der Verkehrsregelungsbataillone endete also bereits im Jahre 1942 20 und umfaßte daher letztlich nicht einmal einen Zeitraum von drei Jahren.

B. Der Heeresstreifendienst I. Die Formationsgeschichte des Heeresstreifendienstes 1. Der auf das Heer beschränkte Streifendienst Ebenso wie die Verkehrsregelungsbataillone wurde auch der Heeresstreifendienst erst gegen Ende des Jahres 1939 eingerichtet. Es kann daher ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß sich die Vorkommnisse, die nach den Worten des Oberbefehlshabers des Heeres im Gründungsbefehl vom 18.11.1939 für die Aufstellung des neuen militärpolizeilichen Instruments ausschlaggebend ge-

19 20

So zutreffend der Aktenvermerk BA-MA BW 9/1578, Bl. 139 f. d.A. Tessin, S. 294.

B. Der Heeresstreifendienst

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wesen sind, vorwiegend im Verlauf des Polenfeldzuges ereignet hatten. Wörtlich führte der Oberbefehlshaber des Heeres aus: „Vorfälle der letzten Wochen veranlassen mich, mit besonderem Ernst auf die Wahrung der Manneszucht hinzuweisen. Sie ist das Fundament des Heeres; sie bestimmt - gerade im Kriege - unseren Wert, unsere Schlagkraft und unser Durchhaltevermögen. Die Erhaltung der Manneszucht ist - jetzt besonders - die vornehmste und vordringlichste Aufgabe aller Führer und Unterführer. [...]. Ich verlange, daß gegen Offiziere, welche die Wahrung der Manneszucht vernachlässigen oder nicht durchzusetzen vermögen, schärfstens durchgegriffen wird. [...]. Darüber hinaus ordne ich als besondere Maßnahme den sofortigen Einsatz eines Streifendienstes im Heere an." 21 Bemerkenswerterweise bezog sich dieser Befehl nur auf das Feldheer, da er es lediglich den Armeen 22 zur Pflicht machte, innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches jeweils eine Gruppe „Heeresstreifendienst" aufzustellen. Das dafür erforderliche Personal sollte indessen nicht den Ersatztruppenteilen der Wehrmacht entnommen werden, sondern war vielmehr von den Armeen selbst zu stellen. Diesen oblag es daher gemäß Ziffer 2 der Anlage 1 zum Befehl vom 18.11.1939, jeweils einen Stabsoffizier als Kommandeur der Gruppe Heeresstreifendienst, sechs weitere Stabsoffiziere oder zumindest Hauptleute als Führer der sogenannten „Offizierstreifen", sechs Feldwebel als Führer der daneben auch noch vorgesehenen „Feldwebelstreifen" sowie zwölf Unteroffiziere als Streifenbegleiter zur Bildung einer Gruppe Heeresstreifendienst aus dem Kreis der armeeintern zur Verfügung stehenden Soldaten auszuwählen. Insgesamt bestand eine Gruppe Heeresstreifendienst mithin aus sieben Offizieren und 18 Unteroffizieren, 23 die zur Aufstellung von sechs Offizier- und ebensovielen Feldwebelstreifen herangezogen werden sollten. Der siebte Offizier fungierte dagegen als Kommandeur der Gruppe und war in dieser Eigenschaft ausschließlich 21 Vgl. den Befehl Ob.d.H./PA (2) I a Nr. 5840/39 geh., OQu IV/Org. Abt. (II), GenSt.d.H. Nr. 1431/39 geh. vom 18.11.1939, A.H.M. 1941, S. 271, Nr. 526 A. Die Tatsache, daß dieser Gründungsbefehl erst im Jahre 1941 in den Allgemeinen Heeresmitteilungen veröffentlicht wurde, ist vermutlich dafür verantwortlich, daß das genaue Gründungsdatum des Heeresstreifendienstes in der wehrgeschichtlichen Literatur weitestgehend unerwähnt geblieben ist. Einzig Absolon, S. 171, weist zutreffend darauf hin, daß die Aufstellung des Heeresstreifendienstes auf einen Befehl vom 18.11.1939 zurückging. Demgegenüber begnügen sich andere Autoren mit der Feststellung, der Heeresstreifendienst sei im November 1939 eingerichtet worden (so etwa Keilig-Koch, S. 284). Weit überwiegend fehlt es jedoch sogar an jeglicher Angabe des Zeitpunktes, zu dem der Heeresstreifendienst ins Leben gerufen worden ist. 22 Unterhalb der Ebene der Armee war die Einrichtung eines dauerhaften Streifendienstes hingegen nicht vorgesehen. Der Heeresstreifendienst war also von vorneherein als ein für die Aufrechterhaltung der Manneszucht zuständiges „Organ der oberen Führung" konzipiert worden, vgl. Ziffer 1 Satz 2 der Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst vom 18.11.1939 [abgedruckt als Anhang 3 zur H.Dv. 275 (1940)]. 23 Darüber hinaus sollte jede Gruppe Heeresstreifendienst vom Befehlshaber des Ersatzheeres noch zusätzlich 13 Kraftfahrer mit der entsprechenden Anzahl an Personenkraftwagen erhalten, vgl. Ziffern 2 und 4 der Anlage 1 zum Befehl vom 18.11.1939.

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

und unmittelbar dem Chef des Generalstabes der Armee unterstellt. 24 Obschon die Armeeoberkommandos die so zusammengesetzten Gruppen des Heeresstreifendienstes grundsätzlich in eigener Verantwortung einrichten konnten, waren sie doch bei der Stellenbesetzung an die Vorgaben des Oberbefehlshabers des Heeres gebunden, der seine diesbezüglichen Vorstellungen im Gründungsbefehl vom 18.11.1939 wie folgt umschrieben hatte: „Der Heeresstreifendienst kann sich nur dann erfolgreich auswirken, wenn in ihm ausgezeichnete, vor dem Feinde bewährte Offiziere und Unteroffiziere eingesetzt werden. Die Nachteile, die durch deren Abgabe in der Truppe entstehen, müssen zurücktreten. [...]. Die [dem Heeresstreifendienst] übertragenen Aufgaben sind von außergewöhnlicher Bedeutung. Sie verpflichten jeden im Heeresstreifendienst Verwendeten in besonderem Maße; jeder einzelne Offizier und Unteroffizier des Heeresstreifendienstes wird vom Vertrauen des Heeres getragen. Angehörige des Heeresstreifendienstes, die sich ihrer verantwortungsvollen und schwierigen Aufgaben nicht voll gewachsen zeigen, sind unverzüglich abzulösen und zu ersetzen."25 Neben den Gruppen des Heeresstreifendienstes, die nach den vorstehenden Grundsätzen den einzelnen Armeeoberkommandos zugeordnet worden waren, wurden zunächst nur noch die sogenannten „Gruppen Heeresstreifendienst z.b.V." 1 bis 15 geschaffen. 26 Diese unterstanden unmittelbar dem O K H 2 7 und konnten daher unabhängig von einem bestimmten Truppenverband je nach Bedarf zur militärpolizeilichen Schwerpunktbildung auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt werden. Mit Beginn des Jahres 1941 kam es dann jedoch zu einer beträchtlichen Vergrößerung des Heeresstreifendienstes, da er durch den Befehl OKH/Chef H Rüst u. BdE, AHA/Ag/H (Ia) Nr. 2565/41 geh. vom 10.05.194128 auch auf das Ersatzheer ausgedehnt wurde. Danach mußten mit sofortiger Wirkung 29 auch die Wehrkreiskommandos I - X I I I , XVII, XVIII, XX, X X I und „Generalgouvernement", der Wehrmachtbevollmächtigte beim

24

Vgl. den Aktenvermerk über „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht", BA-MA BW 9/1578, Bl. 133 ff. d.A., Bl. 138 d.A.; Böckle, S. 170; ders., Truppenpraxis 1973, S. 37; Umdruck SFJgStDst, S. 15. 25 Vgl. den Befehl vom 18.11.1939, a.a.O. (oben Fn. 21). 26 Tessin, S. 283. 27 Keilig-Koch, S. 286. 28 A.H.M. 1941, S. 272, Nr. 526 B. 29 Es trifft mithin nicht zu, wenn Tessin, S. 295, die Gründung des Streifendienstes in den Wehrkreisen der Heimat bereits auf den 01.02.1941 datiert. Da an diesem Tag aber im OKH „zur Erfüllung besonderer Aufgaben zwecks Aufrechterhaltung der Disziplin und auf dem Gebiet der Betreuungseinrichtungen im gesamten Wehrmachtreiseverkehr" die Dienststelle eines „Generals z.b.V. IV" eingerichtet wurde (so wörtlich Absolon, S. 171, unter Berufung auf A.H.M. 1941, S. 59, Nr. 273), kann davon ausgegangen werden, daß Tessin insoweit lediglich eine Verwechslung unterlaufen ist.

B. Der Heeresstreifendienst

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Reichsprotektor in Böhmen und Mähren sowie der Befehlshaber der deutschen Truppen in Dänemark einen Heeresstreifendienst ins Leben rufen. 30 Zur Begründung führte der Befehlshaber des Ersatzheeres u. a. folgendes aus: „Disziplin ist die Grundlage der friedensmäßigen Erziehung zum Soldaten. Im Krieg ist ihre eiserne Aufrechterhaltung die Voraussetzung für den Endsieg. Vermehrte Vorkommnisse von disziplinwidrigem Auftreten von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften in der Heimat machen es erforderlich, auf die zur Aufrechterhaltung der Disziplin gegebenen Mittel nachdrücklich hinzuweisen. [...]. In dem totalen Krieg, den wir zu fuhren haben, sind Front und Heimat nicht voneinander zu trennen. Soldatischer Geist und soldatischer Wille müssen Front und Heimat in fester unerschütterlicher Disziplin zu einem unlösbaren Ganzen verbinden." Die aus diesen Gründen umgehend begonnene Aufstellung der Gruppen Heeresstreifendienst im Ersatzheer sollte sich in organisatorischer Hinsicht zwar an sich am Vorbild des Feldheeres orientieren, doch ergaben sich aus dem Befehl vom 10.05.1941 auch einige Besonderheiten. So waren etwa die einzelnen Streifengruppen im Gegensatz zu denjenigen des Feldheeres nicht von vorneherein motorisiert, sondern wurden gemäß Ziffer 2 Satz 3 des Befehls lediglich dann mit Kraftfahrzeugen ausgestattet, wenn diese für eine effektive Aufgabenerfüllung unerläßlich erschienen. Zudem hatte man darauf verzichtet, die Anzahl der in einer Gruppe zusammengefaßten Streifen von vorneherein allgemeinverbindlich festzusetzen, da insoweit aufgrund der abweichenden Gegebenheiten im Ersatzheer eine flexiblere Lösung für erforderlich gehalten wurde. Die Zahl der Streifen sollte sich daher ausschließlich am jeweiligen Bedarf orientieren und wurde sonach in jedem Einzelfall gesondert festgelegt. Schließlich wich der Heeresstreifendienst im Ersatzheer auch noch insoweit von demjenigen des Feldheeres ab, als der Führer einer Streifengruppe anstelle des Titels „Kommandeur der Gruppe Heeresstreifendienst" gemäß Ziffer 2 Satz 5 des Befehls vom 10.05.1941 die Bezeichnung „Kommandeur des Streifendienstes" führte. Im übrigen aber unterschied sich die Organisation des Heeresstreifendienstes im Ersatzheer in keiner Weise von der im Feldheer. 31 30

Vgl. Ziffer 2 des Befehls vom 10.05.1941; aufgrund der Kriegsgliederung des Feldheeres, Band V: „Heerestruppen, Armeetruppen, Versorgungstruppen Sommer 1943-Januar 1944", S. 147-149; 151-164; 171 f. (BA-MA RHD 18/70) und der Feldpostübersicht, Teil m, Band 13, 12. Neudruck, Stand: 06.02.1945 (BA-MA RH 3/89) lassen sich ferner beim Chef der deutschen Militärmission in Bulgarien, beim Kommandanten von Groß-Paris sowie beim Deutschen General beim Oberkommando der rumänischen Wehrmacht weitere Gruppen des Heeresstreifendienstes nachweisen. Den nicht nachgeprüften Angaben Keilig-Kochs, S. 286, zufolge gab es überdies auch in den größeren Städten des Reichsgebietes (Berlin, Hamburg, Wien, Breslau etc.) Einheiten des Heeresstreifendienstes, die als Streifenabteilungen bzw. -kompanien bezeichnet worden sein sollen. Auch der Umdruck SFJgStDst, S. 16, spricht von Streifenabteilungen und -kompanien, doch läßt er insoweit ebenso wie Keilig-Koch jeden Nachweis vermissen. Es muß daher letztlich offen gelassen werden, ob es innerhalb des Heeresstreifendienstes tatsächlich außer den Gruppen auch noch Einheiten mit abweichenden Bezeichnungen gegeben hat.

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

Eine weitere Ausweitung erfuhr die Organisation des Heeresstreifendienstes dann noch einmal nach Beginn des Rußlandfeldzuges. Da nämlich die Masse der zu dieser Zeit der Wehrmacht angehörenden Soldaten u.a. auch einen sprunghaften Anstieg des durch Heimaturlaubsfahrten verursachten militärischen Reiseverkehrs zur Folge hatte, entstand alsbald das Bedürfnis, die beurlaubten Soldaten während ihrer Reisen in die Heimat und zurück zur Front planmäßig zu betreuen und zu überwachen. Aus diesem Grunde wurden bei den Heeresgruppen und den selbständig agierenden Armeeoberkommandos nach und nach mehrere sogenannte „Kommandeure des Heeresstreifendienstes für den Reiseverkehr" aufgestellt, die ihren Dienst zwar vorwiegend, jedoch nicht nur an der Ostfront versahen. 32 Obschon der Heeresstreifendienst mit dieser Maßnahme endgültig einen beachtenswerten Umfang angenommen hatte, konnte er zunächst weder über eine spezielle Ausbildungseinrichtung noch über einen eigenen Ersatztruppenteil verfügen. Da dieser Zustand jedoch in der Folgezeit in zunehmendem Maße als mißlich empfunden wurde, ordnete der Befehlshaber des Ersatzheeres unter dem 05.11.1943 an, daß die bisherige Gruppe Heeresstreifendienst z.b.V. 2 bis 31

So sollte gemäß Ziffer 3 des Befehls vom 10.05.1941 namentlich auch die ursprünglich auf die Gruppe Heeresstreifendienst eines Armeeoberkommandos zugeschnittene Dienstanweisung sinngemäß angewendet werden. Insoweit war dann jedoch nicht mehr die ursprüngliche Fassung vom 18.11.1939 maßgebend, denn diese trat aufgrund einer Verfügung des Befehlshabers des Ersatzheeres (A.H.M. 1941, S. 271, Nr. 526) bereits unter dem 27.05.1941 außer Kraft und wurde durch eine Neufassung ersetzt. Veränderungen inhaltlicher Art waren damit indessen nur in sehr geringem Umfang verbunden. Vielmehr stimmte die neue Fassung der Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst weitgehend wörtlich mit derjenigen vom 18.11.1939 überein. Gleichwohl enthielt sie doch an einigen wenigen Stellen ausführlichere und differenziertere Regelungen als ihre Vorläuferin. Soweit nichts anderes angemerkt ist, liegt daher den nachfolgenden Ausführungen im Text immer nur die Neufassung der Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst vom 27.05.1941 zugrunde. 32 Anhand der Kriegsgliederung des Feldheeres und der Feldpostübersicht (BA-MA, a.a.O., s.o. Fn. 30) haben sich insgesamt acht Kommandeure des Heeresstreifendienstes für den Reiseverkehr nachweisen lassen, die die Bezeichnungen ,glitte/Reich", „Nordrußland", „Mittelrußland", „Skandinavien/Norwegen", „Südost" sowie „Süd/ Südwest" führten bzw. nach ihren Heeresgruppen „Süd/Don" und „A" benannt waren. Nach Tessin, S. 295, waren dann lediglich die Kommandeure ,Mitte/Reich" in Berlin, „Skandinavien/Norwegen" in Oslo, „Südost" in Marburg/Drau und „Süd/Südwest" in Verona nicht an der Ostfront eingesetzt. Seit Januar 1942 befaßten sich zusätzlich auch noch die neugeschaffenen „Kommandeure für Urlaubsüberwachung" 1 bis 48, 51 bis 76 und 103 bis 130 mit der Abwicklung des militärischen Reiseverkehrs (Tessin, S. 283), doch waren diese einem im Aktenbestand BA-MA RW 4/878, ohne Blattangabe, enthaltenen Organigramm zufolge den Kommandeuren des Heeresstreifendienstes für den Reiseverkehr zur Vermeidung von Zuständigkeitskonflikten unterstellt. Demgegenüber geht Tessin, S. 295, von umgekehrten Unterstellungsverhältnissen aus. Das läßt sich jedoch schon nicht damit vereinbaren, daß nach seiner eigenen Aufstellung die Zahl der Kommandeure für Urlaubsüberwachung die der Kommandeure des Heeresstreifendienstes für den Reiseverkehr um ein Vielfaches überstieg. Es kann daher angenommen werden, daß das erwähnte Organigramm zutrifft.

B. Der Heeresstreifendienst

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zum 15.11.1943 umgegliedert und zur sogenannten „Heeresstreifenlehrabteilung" ausgebaut werden sollte. 33 Diese in Beizig (Mark) angesiedelte Lehrabteilung war mitsamt ihrer Außenstelle in Berlin-Kirschgarten (Lager) fortan nicht nur für „die Ausbildung des Ersatzes an Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften für alle Einheiten des Streifendienstes im Feld- und Ersatzheer" verantwortlich, sondern hatte darüber hinaus auch noch die Funktion, die Aufgaben eines Ersatztruppenteils für alle Gruppen des Heeresstreifendienstes im Feldheer wahrzunehmen. 34 Das war dann jedoch zugleich auch die letzte Veränderung, die die Organisation des Streifendienstes erfuhr, solange sie auf diese Teilstreitkraft beschränkt war. 2. Der Wehrmachtstreifendienst Schon bald darauf verlor der Heeresstreifendienst nämlich seine Selbständigkeit, weil er gemäß Ziffer 1 des Befehls OKW WFSt/Org (I) Nr. 0538/44 geh. vom 20.01.194435 zum 01.03.1944 mit den vergleichbaren Einrichtungen der Luftwaffe, der Marine und der Waffen-SS „innerhalb der Wehrmacht zusammengefaßt" und als sogenannter „Wehrmachtstreifendienst" dem Chef des OKW unterstellt werden sollte. 36 Gleichwohl erscheint die Betrachtung des Wehrmachtstreifendienstes im Rahmen des Kapitels über den Heeresstreifendienst als gerechtfertigt, da sowohl hinsichtlich des Personals als auch mit Blick auf die grundlegenden Organisationsprinzipien eine weitgehende Kontinuität gewahrt wurde. So ordnete etwa Ziffer 9 des Befehls vom 20.01.1944 nicht nur die vollständige Überführung aller Einrichtungen des bislang im OKH angesiedelten Generals z.b.V. IV in den Wehrmachtstreifendienst an, sondern bestimmte darüber hinaus vor allem auch, daß „die personelle und materielle Beteiligung der Wehrmachtteile und der Waffen-SS am Wehrmachtstreifendienst" zu 70% vom Heer sicherzustellen war, während auf die Luftwaffe lediglich 20% und auf Marine und Waffen-SS sogar nur jeweils 5% entfallen sollten. Zudem sah Ziffer 5 der ersten Durchführungsbestimmung zum Befehl vom 20.01.194437 vor, daß „für den Wehrmachtstreifendienst die bisher für den Heeresstreifendienst gültigen Bestimmungen" sinngemäße Anwendung finden soll33 Vgl. den Befehl OKH Chef H Rüst u. BdE, AHA Ia (IV) Nr. 27780/43 vom 05.11.1943, A.H.M. 1943, S. 506, Nr. 846. Insoweit also in durchaus seltener Übereinstimmung zutreffend: Böckle, S. 171; ders., Truppenpraxis 1973, S. 37; Keilig-Koch, S. 286; Tessin, S. 283, und der Umdruck SFJgStDst, S. 16. 34 Vgl. Ziffern 2 und 3 des Befehls vom 05.11.1943, a.a.O. (s.o. Fn. 33). 35 A.H.M. 1944, S. 167, Nr. 262. 36 Es trifft also nicht zu, wenn Böckle, S. 171; ders., Truppenpraxis 1973, S. 37; Keilig-Koch, S. 286; Umdruck SFJgStDst, S. 16, und Williamson, S. 16, die Zusammenfassung der Streifendienste der verschiedenen Teilstreitkräfte übereinstimmend auf den 01.02.1941 datieren. Richtig dagegen Absolon, S. 171; Dietz, ZWehrr 9 (1944), S. 183; Tessin, S. 295.

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

ten. Schließlich waren auch die Anforderungen an die Personalauswahl für die Stellenbesetzung im Wehrmachtstreifendienst weitgehend unverändert geblieben, denn insoweit hieß es in Ziffer 4 Abs. 1 der ersten Durchführungsbestimmung zum Befehl vom 20.01.1944 wörtlich: „Die Wehrmachtteile und die Waffen-SS stellen für den Wehrmachtstreifendienst geeignete tatkräftige frontbewährte Soldaten, möglichst mit Kriegsauszeichnung zur Verfügung". 38 Indessen gingen mit der Schaffung des Wehrmachtstreifendienstes aus naheliegenden Gründen doch auch einige Neuerungen einher. So wurden zunächst einmal alle Truppenteile, Dienststellen und Einrichtungen des bisherigen Heeresstreifendienstes naturgemäß in solche des neuen Wehrmachtstreifendienstes umbenannt. Überdies wurde der neu entstandenen teilstreitkraftübergreifenden Zuständigkeit des Wehrmachtstreifendienstes dadurch Rechnung getragen, daß gemäß Ziffer 2 des Befehls vom 20.01.1944 im Oberkommando der Wehrmacht der Dienstposten eines „Chefs des Wehrmachtstreifendienstes" einzurichten war. Dieser sollte an der Spitze des Wehrmachtstreifendienstes stehen und dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht unmittelbar unterstellt sein, um ihn in allen mit dem Streifendienst zusammenhängenden Fragen beraten zu können. 39 Darüber hinaus war er nach Ziffer 2 Abs. 1 Satz 2 seiner Dienstanweisung „für Organisation und Schlagkraft des Wehrmachtstreifendienstes verantwortlich" und hatte gemäß Ziffer 3 des Befehls vom 20.01.1944 „alle Umstände, die mit-

37 Vgl. die Verfügung OKW WFSt/Org.(I), AWA/W Allg. Nr. 809/44 geh. vom 13.02.1944, A.H.M. 1944, S. 168, Nr. 262. 38 Neu war hingegen die Regelung in Ziffer 4 Abs. 2 der ersten Durchführungsbestimmung zum Befehl vom 20.01.1944, wonach auch Kriegsversehrte zum Wehrmachtstreifendienst abgestellt werden konnten, sofern „sie körperlich den Aufgaben des Streifendienstes gewachsen" waren. Hintergrund dieser Neuregelung dürfte die Zielsetzung gewesen sein, den Fronttruppen nicht zuviele qualifizierte Soldaten zu entziehen. Diese Einschätzung wird überdies durch einen Blick auf die Vorschrift der Ziffer 1 der zweiten Durchführungsbestimmung zum Befehl vom 20.01.1944 [A.H.M. 1944, a.a.O. (s.o. Fn. 37)] bestätigt, denn darin setzte das OKW die endgültige Stärke des Wehrmachtstreifendienstes fest, indem es die Kriegsstärkenachweisungen des bisherigen Heeresstreifendienstes durchgehend um 20% kürzte. Lediglich bei der Offiziersauswahl war man offenbar nicht bereit, hinter den insoweit in früheren Zeiten geltenden Standards zurückzubleiben. Das wird durch die Betrachtung der Regelung in Ziffer 2 Abs. 2 der zweiten Durchführungsbestimmung zum Befehl vom 20.01.1944 besonders deutlich, denn darin hieß es wörtlich: „Offiziere [...] außerhalb des Heimatkriegsgebietes sollen nicht älter als Jahrgang 1894 sein. Sie müssen körperlich den Anstrengungen des Überwachungsdienstes voll gewachsen sein und den hohen Anforderungen, die an den Persönlichkeitswert des Offiziers im Überwachungsdienst zu stellen sind, voll entsprechen. Auf ihre Auswahl ist deshalb besondere Sorgfalt zu richten, damit die Ausbildungsorgane des Wehrmachtstreifendienstes nicht unnütz mit ungeeigneten Offizieren belastet werden." 39 Vgl. Ziffer 1 der ersten Durchführungsbestimmung zum Befehl vom 20.01.1944 sowie Ziffer 2 der „Dienstanweisung für den Chef des Wehrmachtstreifendienstes" (BA-MA RW 4/457, Bl. 98 bis 100 d.A.).

B. Der Heeresstreifendienst

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telbar oder unmittelbar die Manneszucht schädigen oder untergraben, festzustellen und in unmittelbarem Zusammenwirken mit den Wehrmachtteilen und der Waffen-SS bzw. mit den zuständigen Befehlshabern abzustellen." Aus diesem Grunde wurde ihm durch Ziffer 1 Abs. 2 des Befehls vom 20.01.1944 nicht nur „die Dienststellung eines Kommandierenden Generals" eingeräumt. 40 Vielmehr konnte er gemäß Ziffer 2 der ersten Durchführungsbestimmung zum Befehl vom 20.01.1944 auch über einen eigenen Stab verfügen, der sich im gleichen Verhältnis aus den Angehörigen der drei Teilstreitkräfte der Wehrmacht und der Waffen-SS zusammensetzen sollte wie der übrige Wehrmachtstreifendienst. 41 Vor allem aber sah seine Dienstanweisung vor, daß ihm zum Zweck der Erfüllung seiner Aufgaben die Wehrmachtstreifenlehrabteilung, die Kommandeure des Wehrmachtstreifendienstes für den Reiseverkehr sowie sämtliche Wehrmachtstreifengruppen z.b.V., deren Zahl inzwischen auf insgesamt 43 angewachsen war, 42 unmittelbar als Truppenvorgesetzten unterstellt werden sollten. 43 Hingegen blieben die Unterstellungsverhältnisse der den Wehrkreisen und Armeeoberkommandos zugeordneten Wehrmachtstreifengruppen unverändert, 44 da die Wehrmachtteile und die Waffen-SS für „die Aufrechterhaltung der Disziplin in ihren Befehlsbereichen" nach wie vor allein verantwortlich waren und der Chef des Wehrmachtstreifendienstes demgemäß insoweit nur als „Hilfsorgan" fungierte. 45 Gegenüber den Streifendiensten des Feld- und Ersatzheeres kam dem Chef des Wehrmachtstreifendienstes also nur die Stellung eines Inspekteurs zu, so daß sich seine Befugnisse gemäß Ziffer 5 des Befehls vom 20.01.1944 darauf beschränkten, „grundsätzliche Weisungen für Organisation, Aufgaben und Einsatz" der Wehrmachtstreifen zu erteilen. Darüber hinaus gestand ihm seine Dienstanweisung außerdem noch das Recht zu, „über die Kommandeure der Streifengruppen der Armeeoberkommandos und der Wehrkreise den Oberbefehlshabern der Armeen bzw. den Befehlshabern der Wehrkreise Be40

m.

Vgl. zu den damit verbundenen Befugnissen und Rechten das 5. Kapitel sub C.

41 Obgleich sonach 70 % des Stabspersonals vom Heer zu stellen waren, bestimmte Ziffer 2 Abs. 2 der ersten Durchführungsbestimmung zum Befehl vom 20.01.1944 den „zum Stabe des Chefs des Wehrmachtstreifendienstes tretenden General der Luftwaffe" zu dessen ständigem Vertreter. 42 Tessin, S. 283. 43 Vgl. Ziffer 3 der Dienstanweisung, die jedoch in ihrer Ziffer 6 einschränkend hinzufügte, daß der Chef des Wehrmachtstreifendienstes „den Einsatz der Wehrmachtstreifengruppen z.b.V. und ihre jeweilige Unterstellung unter einzelne Kommandobehörden" nicht in alleiniger Zuständigkeit, sondern nur nach den Weisungen des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht anordnen durfte. 44 Zutreffend: Keilig-Koch, S. 286. 45 Vgl. Ziffer 6 des Befehls vom 20.01.1944, wo es folgerichtig weiter heißt, daß „Dienststellen, Einrichtungen, Streifen [...] jeweils den zuständigen Territorialbefehlshabern" unterstellt blieben, „in deren Gebiet sie eingesetzt sind (z.B. Wehrmachtbefehlshaber, Wehrkreisbefehlshaber, in Operationsgebieten des Ostens Oberbefehlshaber der Heeresgruppen usw.).

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

urteilungsnotizen" vorzulegen. Zudem konnte „die Besetzung der Kommandeurstellen im Bereich des Wehrmachtstreifendienstes bei den Heeresgruppen, den Armeen, den Wehrkreisen und gleichgearteten Kommandobehörden der anderen Wehrmachtteile" nur erfolgen, wenn der Chef des Wehrmachtstreifendienstes zuvor sein Einverständnis signalisiert hatte. 46 Im übrigen waren aber mit der Einrichtung des Dienstpostens eines „Chefs des Wehrmachtstreifendienstes" keine organisatorischen Veränderungen mehr verbunden. Solche Abweichungen von den schon für den Heeresstreifendienst entwickelten Prinzipien drohten dem Wehrmachtstreifendienst jedoch gegen Ende des Jahres 1944 von Seiten des Reichsführers SS, da dieser seine Kompetenzen im Bereich der Wehrmacht weiter auszudehnen versuchte. So berichtete der Chef des Heeres-Personalamtes, General der Infanterie Burgdorf, der Führer habe im Oktober 1944 „bei einer Besprechung, an der Reichsführer SS, Gauleiter Koch und Generaloberst Guderian im Lager Wolfsschanze teilnahmen, angeordnet, daß dem Reichsführer SS mit sofortiger Wirkung der Wehrmachtstreifendienst und alle sonstigen Einrichtungen der Wehrmacht mit polizeilichen Aufgaben unterstellt werden" sollten. 47 Tatsächlich vermochte der Reichsführer SS jedoch trotz dieses Führerbefehls in der Folgezeit den Widerstand der sich einer Ausgliederung des Wehrmachtstreifendienstes widersetzenden Wehrmachtspitze nicht zu brechen, so daß der Wehrmachtstreifendienst zu keiner Zeit der Waffen-SS zugeordnet wurde. Immerhin hatte der Reichsführer SS aber erreicht, daß der Chef des Wehrmachtstreifendienstes zukünftig „in allen Fällen, die eine Zusammenarbeit mit der Polizei erfordern, [...] an die Weisungen des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei gebunden" war. 48 Indessen konnte sich der Wehrmachtstreifendienst seine Eigenständigkeit auch unabhängig von den Begehrlichkeiten des Reichsführers SS nicht uneingeschränkt bis zum Ende des zweiten Weltkrieges bewahren, da er ebenso wie die Feldgendarmerie am 20.02.1945 in der neu geschaffenen Truppengattung der „Wehrmachtordnungstruppen" aufging. 49 Das hatte zunächst einmal zur Folge, daß sämtliche Gruppen des bisherigen Wehrmachtstreifendienstes zu solchen der Wehrmachtordnungstruppen wurden. Zudem wurde der Chef des Wehrmachtstreifendienstes im OKW durch den sogenannten „Chef der Wehrmachtordnungstruppen" ersetzt, dem daher fortan nicht nur dessen Stab, sondern vor allem auch die ehemalige Wehrmachtstreifenlehrabteilung, die Kommandeure des Wehrmachtstreifendienstes für den Reiseverkehr sowie die vormaligen 46

Vgl. Ziffern 4 und 5 der Dienstanweisung. Vgl. das Schreiben Burgdorfs an den stellvertretenden Chef des Wehrmachtführungsstabes vom 08.01.1945, BA-MA RW 4/498, ohne Blattangabe. 48 So wörtlich die in Ziffer 2 Abs. 2 der Dienstanweisung für den Chef des Wehrmachtstreifendienstes aufgenommene Formulierung. 49 Ausführlich dazu das 6. Kapitel sub G. I. 47

B. Der Heeresstreifendienst

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Wehrmachtstreifengruppen z.b.V. unmittelbar unterstellt waren. 50 Anders als der Chef des Wehrmachtstreifendienstes hatte der Chef der Wehrmachtordnungstruppen darüber hinaus aber auch im Verhältnis zu denjenigen Streifengruppen, die den einzelnen Armeen und Wehrkreisen des Feld- und Ersatzheeres zugeordnet waren, die Stellung eines militärischen Vorgesetzten inne und mußte sich demzufolge insoweit nicht mehr mit dem Status eines Inspekteurs begnügen.51 Er war daher in der Lage, „in allen Fällen, in denen ein die Manneszucht gefährdendes Verhalten von Wehrmachtangehörigen oder Versagen von Wehrmachtdienststellen offenkundig ist oder in denen einwandfreie Verstöße gegen Befehle des Führers oder des Chefs OKW vorliegen - unter Meldung an Chef OKW und Verständigung der vorgesetzten Dienststellen" - selbst einzugreifen und in eigener Verantwortung „die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die die disziplinschädigende Auswirkung des Zustandes bzw. die Folgen des Ungehorsams sofort beseitigen".52 Zu diesem Zweck wurden ihm dann schließlich auch die bislang nur an seine fachlichen Weisungen gebundenen Kommandeure der Streifengruppen in den Stäben der Armeen und der territorialen Kommandobehörden in jeder Hinsicht unmittelbar unterstellt. 53 Obschon aus naheliegenden Gründen davon auszugehen ist, daß es in der Kürze der bis zum Ende des zweiten Weltkrieges verbleibenden Zeit nicht mehr zu der angestrebten Verschmelzung aller ordnungsdienstlichen Formationen zu einer einheitlichen neuen Truppengattung gekommen ist, muß doch festgestellt werden, daß die Formationsgeschichte des Wehrmachtstreifendienstes seit Fe50 Vgl. Ziffer 2 Satz 3 und Ziffer 4 Abs. 3 des die Einrichtung der Wehrmachtordnungstruppen anordnenden Befehls OKW WFSt/Org. (I) Nr. 742/45 geh., BA-MA RW 4/878, ohne Blattangabe. 51 Vgl. Ziffer 2 der „Dienstanweisung für den Chef der Wehrmachtordnungstruppen" vom 18.03.1945 (BA-MA RW 4/878, ohne Blattangabe), wonach dieser „Truppenvorgesetzter aller Einheiten der Wehrmachtordnungstruppen" war. 52 Ziffer 4 der Dienstanweisung für den Chef der Wehrmachtordnungstruppen vom 18.03.1945; wie der Chef des Wehrmachtstreifendienstes war er jedoch anläßlich von gemeinsamen Einsätzen der Wehrmachtordnungstruppen mit der Polizei „auf dem Gebiet« der inneren und äußeren Sicherheit des Reiches" an die Weisungen des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei gebunden (vgl. Ziffer 5 der Dienstanweisung). 53 So war er beispielsweise gemäß Ziffer 3 Abs. 2 seiner Dienstanweisung künftig dafür zuständig, die Dienstanweisungen für die Gruppenkommandeure zu erlassen und deren Durchführung zu überprüfen. Zu beachten war jedoch, daß die bisherigen „Kommandeure des Streifendienstes" in den Wehrkreisen seit dem 18.03.1945 die neue Stellenbezeichnung „Kommandeure der Wehrmachtordnungstruppen" führten und die Dienstposten der „Kommandeure der Gruppen Wehrmachtstreifendienst" in den Armeeoberkommandos sogar vollständig wegfielen, da sie durch die nunmehr ebenfalls als „Kommandeure der Wehrmachtordnungstruppen" bezeichneten ehemaligen „Kommandeure der Feldgendarmerie" ersetzt wurden [vgl. Ziffer 4 lit. a) und b) der „Durchführungsbestimmungen für die Zusammenfassung der Wehrmachtordnungstruppen" vom 18.03.1945, BA-MA RW 4/878, ohne Blattangabe; siehe auch das 6. Kapitel sub G. I.].

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstppen der Wehrmacht

bruar 1945 nicht mehr von derjenigen der Wehrmachtordnungstruppen zu trennen ist. Daraus könnte man nun mit einer gewissen Berechtigung den Schluß ziehen, daß die Nachfolgeorganisation des Heeresstreifendienstes schon vorzeitig aufgehört hatte zu existieren. Will man sich dem jedoch mit Blick auf die innerhalb der Wehrmachtordnungstruppen unverändert erkennbaren Strukturen des ehemaligen Wehrmachtstreifendienstes nicht anschließen, so muß man stattdessen davon ausgehen, daß seine Formationsgeschichte erst mit der Kapitulation der Wehrmacht ein Ende fand. Da jedoch die Wehrmachtordnungstruppen in der Zeit zwischen dem 20.02. und dem 08.05.1945 - soweit ersichtlich keine signifikanten Änderungen in Struktur und Unterstellung mehr erfahren haben, ist eine Entscheidung zwischen den beiden aufgezeigten Sichtweisen im hier interessierenden Zusammenhang letztlich nicht erforderlich. Abschließend mag daher die Feststellung genügen, daß die Formationsgeschichte des Wehrmachtstreifendienstes frühestens im Februar 1945 und spätestens mit Abschluß der Kämpfe auf dem europäischen Kriegsschauplatz endete.54

II. Die Aufgaben des Heeresstreifendienstes Schon in dem die Aufstellung des Heeresstreifendienstes anordnenden Befehl vom 18.11.1939 wurden dessen Aufgaben dahingehend zusammengefaßt, daß er „als Organ der oberen Führung an der Überwachung der Manneszucht mitzuwirken und die in ihrem Bereich unverändert verantwortlich bleibenden Disziplinarvorgesetzten überall da zu unterstützen und gegebenenfalls zu ersetzen [habe], wo diese sich im Augenblick nicht auswirken können - also außerhalb 54 Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa daraus, daß den übereinstimmenden Ausführungen Böckles, Truppenpraxis 1973, S. 38, und Keilig-Kochs, S. 286, zufolge in dem Befehl OKH GenSt d.H./Org. Abt. Nr. 80443/45 g. Kdos. noch unter dem 18.04.1945 angeordnet worden ist, in den Stäben der Heeresgruppen Süd, Mitte und Weichsel den Dienstposten eines sogenannten „Streifkorpsführers" einzurichten und diesem jeweils 27 Streifkorps zu unterstellen, die ihrerseits aus je einem Feldwebel und neun Mannschaften gebildet werden sollten. Ganz abgesehen davon, daß es als höchst zweifelhaft erscheint, ob dieser Befehl, der sogar die Gründung eines eigenen „Streifkorps-Ausbildungslagers" vorgesehen haben soll, in den verbleibenden drei Kriegswochen tatsächlich noch vollständig umgesetzt werden konnte, hätte es sich selbst in diesem Fall bei den Streifkorps nicht um Einheiten gehandelt, die der Formationsgeschichte des Heeres- bzw. Wehrmachtstreifendienstes zuzurechnen gewesen wären. Zur Zeit des erwähnten Befehls vom 18.04.1945 war nämlich der Wehrmachtstreifendienst bereits den Wehrmachtordnungstruppen unterstellt, so daß für ihn endgültig nur das OKW zuständig war. Wenn also die Aufstellung der Streifkorps durch das OKH angeordnet wurde, so zwingt das zu der Schlußfolgerung, daß damit die Schaffung eines eigenständigen neuen Truppenteils des Heeres beabsichtigt worden war. Dessen nähere Erörterung muß im Rahmen dieser Arbeit jedoch schon deshalb unterbleiben, weil darüber weder der wehrgeschichtlichen Literatur noch dem eingesehenen Primärquellenmaterial weitere Einzelheiten haben entnommen werden können. Die Einrichtung der Streifkorps ist daher keinesfalls geeignet, eine Korrektur der im Text enthaltenen Ausführungen zu erzwingen.

B. Der Heeresstreifendienst

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der geschlossenen Truppe." Dementsprechend hieß es dann auch in Ziffer 1 Satz 2 der Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst, dieser habe die Funktion, „die Manneszucht aller Heeresangehörigen, die sich außerhalb der geschlossenen Truppe befinden, sowie des Heeresgefolges auf das schärfste zu überwachen und bei Verfehlungen unverzüglich einzuschreiten." Zu diesem Zweck sollte er gemäß Ziffer 1 Satz 4 der Dienstanweisung derart eingeteilt werden, „daß eine ständige Überwachung der Manneszucht außerhalb des Wirkungsbereiches der Truppenvorgesetzten gewährleistet" war. Verantwortlich für diese Einteilung waren die Kommandeure des Heeresstreifendienstes, die von Ziffer 2 der Dienstanweisung als die Beauftragten „für die Überwachung und Aufrechterhaltung der Manneszucht" im gesamten Zuständigkeitsbereich der übergeordneten Kommandobehörden bezeichnet wurden und in dieser Eigenschaft gemäß Ziffer 3 Satz 1 der Dienstanweisung den Einsatz der einzelnen Offizier- und Feldwebelstreifen ihrer Gruppen nach den Weisungen der jeweiligen Befehlshaber zu koordinieren hatten. Dabei mußten sie gemäß Ziffer 1 Satz 5 der Dienstanweisung nach Möglichkeit so vorgehen, daß insbesondere die „sorgfältige Auswahl der zum Streifendienst eingeteilten Offiziere und Unteroffiziere" sowie eine ständige „unvermutete Überwachung der Manneszucht gerade dort, wo sie zuerst nachzulassen beginnt (Großstädte, Urlauberverkehr, abgezweigte Kommandos)," sichergestellt waren. Weitere ordnungsdienstliche Aufgaben wurden dem Heeresstreifendienst durch seine Dienstanweisung indessen nicht zugewiesen.55 Auch im übrigen hatte der Heeresstreifendienst zunächst keine über das beschriebene Aufgabenspektrum hinausgehenden Obliegenheiten zu erfüllen. Lediglich dann, wenn „es ihre eigentlichen Aufgaben" zuließen, konnte den Heeresstreifen gemäß Ziffer 9 ihrer Dienstanweisung auch die Mitwirkung „bei der Aufrechterhaltung der Verkehrsdisziplin" vorgeschrieben werden. So enthielt beispielsweise der Befehl Nr. 81 der Wehrmachtkommandantur in Straßburg/Elsaß vom 10.10.194456 folgende Anordnungen: „2. (Ia) Betr.: Fahrten von Kraftfahrzeugen. Trotz des Führerbefehls, der die äußerste Sparsamkeit im Verbrauch von Betriebsstoff den Vorgesetzten aller Dienstgrade zur Pflicht macht, werden nach Feststellungen der Heeresstreifen weiterhin Fahrten mit Kraftfahrzeugen ausgeführt, die in schwerster Weise gegen die Bestimmungen verstoßen. Es wird deshalb nochmals nachdrücklichst auf folgendes hingewiesen: [...]. Nur aus kriegswichtigen Gründen 55 Das war vermutlich auch der Grund dafür, daß der Heeresstreifendienst nach den Worten des Oberbefehlshabers des Heeres im Gründungsbefehl „nicht zu den Ordnungsdiensten" der Wehrmacht gehörte. Er zählte daher ebenso wie etwa die Transportdienststellen, die Betreuungseinheiten, die Feldstrafgefangenen-Abteilungen oder die Feldstraflager zu denjenigen Truppen und Dienststellen, die weder den fechtenden Truppen noch den Versorgungs- und Sicherungstruppen des Feldheeres zugeordnet werden konnten, weil sie nur für die Wahrnehmung einzelner Spezialaufgaben geschaffen worden waren (vgl. Keilig-Koch, S. 4). 56 BA-MA RW 17/86, Bl. 31 ff. d.A.

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

darf eine Fahrt mit Kraftwagen ausgeführt werden. Mit aller Schärfe ist dagegen einzuschreiten, daß Fahrten aus Bequemlichkeitsgründen mit Kraftwagen ausgeführt werden oder mit dienstlichen Gründen gekoppelt oder getarnt werden. Alle Wehrmachtstreifen [...] haben eingehend den Zweck der Fahrt zu prüfen und [...] sind angewiesen, die Kontrolle der Kraftfahrzeuge [...] zu verschärfen. Kraftfahrzeuge, welche nicht entsprechend dem Führerbefehl eingesetzt sind, verfallen der Beschlagnahme [...]. 7. (Ia) Betr.: Geschwindigkeit der Kraftfahrzeuge in Straßburg. In letzter Zeit wurde festgestellt, daß Kraftfahrzeuge bei Fahrten durch Straßburg insbesondere auf der Vogesen- und Schwarzwaldstraße die Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h nicht einhalten und daß sie in rücksichtsloser Weise die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden. Die Streifen sind angewiesen, gegen solche Fahrer mit größter Schärfe einzuschreiten und die Verantwortlichen zur Meldung zu bringen." Demgegenüber führte eine weitere Anweisung der Wehrmachtkommandantur in Straßburg dazu, daß die Kontrolle von Kraftfahrzeugen mit dem ordnungsdienstlichen Auftrag des Heeresstreifendienstes verknüpft wurde, denn im Wehrmachtkommandanturbefehl Nr. 93 vom 21.11.194457 hieß es wörtlich: „1. (Ia) Betr.: Kontrolle von Kraftfahrzeugen. [...]. Es werden westlich des Rheins einschließlich Brückenkopf Straßburg sämtliche Offiziere, auch Generale, mit Ausnahme des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe West und der Armee-Befehlshaber, durch die Wehrmachtstreifen kontrolliert. [...]. Von der Schußwaffe ist Gebrauch zu machen, wenn Widerstand geleistet wird oder wenn bei Durchfahrt von anderen, nicht als Kraftfahrzeuge des Oberbefehlshabers einer Heeresgruppe oder eines Armeeführers kenntlich gemachten Kraftfahrzeugen der Verdacht besteht, daß es sich hierbei um Personen handelt, die sich eines militärischen oder polizeilichen Zugriffs durch die Flucht entziehen wollen. In diesem Fall ist nicht in die Luft, sondern sofort in den Wagen zu schießen. Ostwärts des Rheins werden alle Wehrmachtangehörigen und sämüiche Generale überprüft. Hinsichtlich der Kontrollen durch die Wehrmachtstreifen werden diese von den [Kommandeuren] des Streifendienstes bei der Wehrmachtkommandantur in vorstehendem Sinne eingehend belehrt." Erst dem neugeschaffenen Wehrmachtstreifendienst war im Befehl vom 20.01.1944 ein Pflichtenkreis zugewiesen worden, der ein breiteres Spektrum abdeckte als derjenige des ehemaligen Heeresstreifendienstes. Gemäß Ziffer 4 des Befehls vom 20.01.1944 sollten die Wehrmachtstreifen nämlich nicht mehr nur für die „Aufrechterhaltung der Manneszucht außerhalb der Truppe" zuständig sein, sondern darüber hinaus „im Reichsgebiet (einschließlich BöhmenMähren und Generalgouvernement) in sämtlichen besetzten Gebieten, in Italien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Finnland, Slowakei, Kroatien, Dänemark" künftig auch noch den Wehrmacht-Reiseverkehr einschließlich des Bahnhofswachdienstes überwachen, in Zusammenarbeit mit zivilen Polizeidienststellen Fahn-

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BA-MA RW 17/86, Bl. 2 d.A.

B. Der Heeresstreifendienst

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düngen durchführen sowie die Betreuung der außerhalb der Truppe angetroffenen Wehrmachtangehörigen übernehmen. Gegen Ende des Krieges wurden die Gruppen des Wehrmachtstreifendienstes dann zur Bekämpfung der Auswirkungen, die die sich häufenden Feindeinbrüche an allen Fronten auf die Kampfmoral der Soldaten hatten, in zunehmendem Maße in die aufgrund des Befehls OKW WFSt/Org. (I) Nr. 865/45 geh. vom 24.02.194558 im Rücken sämtlicher Heeresgruppen zu bildenden Auffangorganisationen integriert. 59 Dort hatten sie die Aufgaben wahrzunehmen, die typischerweise mit der Auffangtätigkeit hinter der Front verbunden waren und im Juli 1944 etwa für den Bereich der Heeresgruppe Mitte beispielhaft wie folgt beschrieben wurden: ,,a) Überprüfung sämtlicher nach Westen abmarschierenden Einheiten, Gruppen und Einzelpersonen militärischer und ziviler Art mit dem Ziel, das Eindringen ungeordneter Elemente über die Grenze des Heimatkriegsgebietes unter allen Umständen zu unterbinden. b) Geordnete Durchschleusung von Versorgungstruppen der Front nach befohlenen Marschzielen. c) Auffangen von Splittergruppen und Versprengten. Reorganisation von zum erneuten Einsatz im Bereich der Heeresgruppe Mitte geeigneten Formationen. [...]. d) Auffangen und Anhalten von Flüchtlingstrecks [...]. Aussondern der Flüchtlinge zum Arbeitseinsatz im Stellungsbau."60 Obschon die so umschriebenen Tätigkeiten, die innerhalb einer Auffangorganisation anfallen konnten, in den letzten Kriegsmonaten zur Hauptbeschäftigung des Wehrmachtstreifendienstes avancierten, hatten sie in dessen Dienstanweisung keine Aufnahme mehr gefunden. Das war jedoch - soweit ersichtlich zugleich die einzige Fallgruppe, bei der das tatsächliche Betätigungsfeld des Wehrmachtstreifendienstes ausnahmsweise über den Kreis der nach der Vorschriftenlage zu erfüllenden Pflichten hinausging. Da zudem die Dienstanweisung für den Wehrmachtstreifendienst bis zum Ende des zweiten Weltkrieges nicht mehr verändert wurde, läßt sich zusammenfassend feststellen, daß das Aufgabenspektrum des Wehrmachtstreifendienstes insgesamt durchaus überschaubar war und einen weitaus geringeren Umfang hatte als etwa das der Feldgendarmerie.

58

Vgl. dazu die Ausführungen in Fußnote 41 des 5. Kapitels. Vgl. zu Funktion und Wirkungsweise dieser Auffangorganisationen die ausführliche Beschreibung im 5. Kapitel sub B. II. 60 Vgl. Ziffer I. 3. des Befehls OKW WFSt/Qu 2 (Ost) Nr. 007522/44g. Kdos. vom 16.07.1944 (BA-MA RW 4/709, Teil 1, Bl. 3-5 d.A.). Siehe im übrigen auch die Darlegungen über die Aufgaben der seit Mitte März 1945 an der Westfront eingerichteten flächendeckenden Auffangorganisation im 5. Kapitel sub B. II. 59

3 Schütz

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

m . Die Befugnisse des Heeresstreifendienstes Im Gegensatz dazu ging jedoch der dem Heeresstreifendienst eingeräumte Befugnisrahmen sogar noch deutlich über denjenigen der Feldgendarmerie hinaus. Unzutreffend wäre es allerdings, diesen Umstand dahingehend zu beschreiben, daß die Heeresstreifen die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten und außerdem noch auf bestimmte Disziplinarstrafbefugnisse zurückgreifen konnten. 61 Eine solche Aussage steht nämlich in dieser Allgemeinheit keineswegs im Einklang mit der damaligen Rechtswirklichkeit. Vielmehr läßt sich die Rechtsstellung der Streifendienste nur im Wege einer differenzierten Betrachtungsweise wirklich vollständig und richtig erfassen. 1. Die Befehlsbefugnisse der Streifen Beginnt man dabei mit der Frage, in welchem Umfang die Angehörigen des Heeresstreifendienstes mit Befehlsbefugnissen ausgestattet waren, so stößt man zunächst auf die Regelung der Ziffer 5 lit c) der Dienstanweisung vom 27.05.1941. Danach hatten die Offizierstreifen des Heeresstreifendienstes „gegenüber jedem Angehörigen der Wehrmacht und des Wehrmachtgefolges mit Ausnahme von Generalen, Admiralen und Wehrmachtbeamten im Generalsrang" einen Anspruch auf Gehorsam, während die Feldwebelstreifen immerhin noch im Verhältnis zu allen Soldaten, die nicht Offiziere oder im Offizierrang stehende Wehrmachtbeamte in Uniform waren, Befehlsrechte ausüben konnten. Die Befehlsgewalt des Heeresstreifendienstes sollte demnach durch die bereits an früherer Stelle 62 näher erläuterte rangmäßige Einteilung der Wehrmachtangehörigen in Ranggruppen begrenzt werden. Das war letztlich darauf zurückzuführen, daß die Soldaten des Heeresstreifendienstes ursprünglich noch nicht die Eigenschaft als militärische Wachen aufwiesen, da sie - anders als etwa die Feldgendarmen - anfänglich keineswegs dem Tatbestand des § 111 I I RMStGB unterfielen. Insoweit fehlte es zwar nicht an der erforderlichen äußerlichen Kennzeichnung des Heeresstreifendienstes, da dessen Offiziere und Unteroffiziere gemäß Ziffer 3 Satz 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 nicht nur „einen besonderen Ausweis ihrer Kommandobehörde" mit sich führen mußten, sondern vor allem dazu verpflichtet waren, im Dienst stets die „alte Adjutantenschnur" als spezifisches Abzeichen zu tragen. 63 Gleichwohl konnte § 111 I I RMStGB aber deshalb nicht auf den Heeresstreifendienst angewendet werden, 61 So jedoch tatsächlich der Aktenvermerk über „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht", BA-MA BW 9/1578, Bl. 133 ff. d.A., Bl. 138 d.A. 62 Vgl. das 5. Kapitel sub C. I. 1. a). 63 Zutreffend also Williamson, S. 16: ,A duty lanyard was worn and special ID was carried." Böckle, S. 170, beschreibt die Adjutantenschnur als „eine silberne Fangschnur."

B. Der Heeresstreifendienst

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weil seine Angehörigen weder zum Wach- noch zum militärischen Sicherheitsdienst kommandiert worden waren. Im Gegensatz zur Rechtslage bei der Feldgendarmerie war eine solche Kommandierung in der Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst nämlich nicht vorgesehen worden. Das wäre aber unabdingbar notwendig gewesen, um die Tätigkeit des Heeresstreifendienstes als eine solche im Sinne des § 111 I I RMStGB zu qualifizieren. 64 Konnten die Angehörigen des Heeresstreifendienstes daher zur Zeit der Gründung ihrer Truppengattung noch nicht als militärische Wachen eingestuft werden, 65 so kamen für ihre Befehlsrechte nur noch die für das Heer, die Luftwaffe und die Marine gleichermaßen verbindlichen „Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten"66 als Rechtsgrundlage in Betracht. Folgerichtig enthielten diese Bestimmungen dann auch tatsächlich eine Regelung, die die Befehlsgewalt, die dem Heeresstreifendienst nach den eingangs wiedergegebenen Worten der Dienstanweisung vom 27.05.1941 zustehen sollte, vollumfänglich zu rechtfertigen vermochte. Da nämlich dem Heeresstreifendienst in Gestalt seines im vorstehenden Abschnitt näher betrachteten ordnungsdienstlichen Auftrages ein besonderer Pflichtenkreis zugewiesen worden war, der ihm dauerhaft obliegen sollte und daher auch Eingang in seine Dienstanweisung vom 27.05.1941 gefunden hatte, bekleideten seine Angehörigen eine Dienststellung, die die Voraussetzungen der sogenannten „Vorgesetzteneigenschaft kraft Dienstauftrages" im Sinne des Abschnitts C. II. 1. der „Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten" erfüllte. 67 Damit stand dem Heeresstreifendienst aber aufgrund der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis eine Befehlsgewalt zu, die insbesondere dadurch gekennzeichnet war, daß ihr jeweiliger Inhaber genau so, wie es auch die Regelung der Ziffer 5 lit. c) 64 Siehe wegen näherer Ausführungen über das Verhältnis der Legaldefinition des Wachbegriffs zum Inhalt der militärischen Dienstvorschriften das 6. Kapitel in Fn. 28. 65 Gegen die Annahme, die Angehörigen des Heeresstreifendienstes seien mit der Rechtsstellung militärischer Wachen versehen gewesen, spricht im übrigen auch der Befehl OKH Chef H Rüst u. BdE, AHA/Ag/H (Ia) Nr. 21226/41 vom 24.11.1941 (A.H.M. 1941, S. 623, Nr. 1163). Darin wurde darauf hingewiesen, daß die Streifen ihre Befugnisse auch dann nicht verloren, wenn sie „aus dienstlichen Gründen in Ausnahmefällen [...] bürgerliche Kleidung" trugen. Da es aber den Streifenangehörigen in diesem Fall unzweifelhaft an der von § 111 RMStGB geforderten besonderen Erkennbarkeit fehlte, konnte ihr Befugnisrahmen davon nur unter der Voraussetzung unbeeinflußt bleiben, daß er unabhängig von der Wacheigenschaft bestand. Wären die Befugnisse des Heeresstreifendienstes nämlich an die Rechtsstellung der militärischen Wachen geknüpft gewesen, so hätten sie zwangsläufig auch in dem Augenblick entfallen müssen, in dem der Tatbestand des § 111 II RMStGB aufgrund fehlender äußerlicher Kennzeichnung nicht mehr erfüllt war. Da genau dieses Resultat aber nach dem Inhalt des genannten Befehls nicht eintreten sollte, kann daraus nur geschlossen werden, daß es sich bei den Angehörigen des Heeresstreifendienstes nicht um militärische Wachen handelte. 66 H.Dv. 82/9 vom 01.10.1940; L.Dv. 3/11, Teil E - Neudruck 1940; M.Dv. Nr. 15 O.B. Heft 6 vom 14.09.1939. 67 Ausführlich dazu das 5. Kapitel sub C. I. 1. b). 3*

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

der Dienstanweisung vom 27.05.1941 voraussetzte, selbst solchen Soldaten Befehle erteilen konnte, die einen höheren Dienstgrad hatten oder sogar einer übergeordneten Rangklasse angehörten. 68 Die Soldaten des Heeresstreifendienstes waren mithin zu Beginn der Formationsgeschichte ihrer Truppengattung nicht etwa gemäß § 111 I I RMStGB, sondern vielmehr kraft ihres besonderen Dienstauftrages in dem beschriebenen Umfang als Vorgesetzte 69 anderer Wehrmachtangehöriger anzusehen.70 Daran änderte sich erst dann etwas, als der Heeresstreifendienst aufgrund des bereits erwähnten Führerbefehls vom 20.01.1944 geschlossen in den neugegründeten Wehrmachtstreifendienst überführt wurde. Ziffer 7 dieses Befehls ordnete nämlich an, daß „die im Streifen- und Überwachungsdienst eingesetzten Soldaten [künftig] als militärische Wachen im Sinne der Standortdienstvorschrift" angesehen werden sollten. Damit war aber die bislang fehlende Kommandierung der Angehörigen des Heeresstreifendienstes zum Wach- und militärischen Sicherheitsdienst mit sofortiger Wirkung nachgeholt worden. Da zudem die äußerliche Kennzeichnung durch die silberne Adjutantenschnur unverändert beibehalten wurde, hatten die Soldaten des Wehrmachtstreifendienstes gemäß § 111 I I RMStGB während der verbleibenden Zeit des zweiten Weltkrieges in Ausübung ihres Dienstes die Rechtsstellung militärischer Wachen inne. Für den hier interessierenden Zusammenhang bedeutete dies in erster Linie, daß sämtliche bisher bestehenden Beschränkungen der Befehlsgewalt des Wehrmachtstreifendienstes in Wegfall gerieten. 71 Ähnlich wie die Feldgendarmen waren daher fortan auch die Wehrmachtstreifen unabhängig von ihrem Dienstgrad dazu berechtigt, mit Ausnahme der ihnen innerhalb der Organisation des Wehrmachtstreifendienstes vorgesetzten Soldaten allen übrigen Angehörigen der Wehrmacht einschließlich der Generale Befehle zu erteilen. 72 68 Eine Abweichung von der Regelung des Abschnitts C. II. 1. der Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis war lediglich insoweit gegeben, als Ziffer 5 lit. c) der Dienstanweisung vom 27.05.1941 innerhalb der Ranggruppe der Offiziere die Generale und Admirale ausdrücklich von der Befehlsbefugnis der durch einen Offizier geführten Heeresstreifen ausnahm. Das vermochte indessen nichts daran zu ändern, daß die Befehlsrechte des Heeresstreifendienstes dem Grunde nach auf die Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis der Soldaten der Wehrmacht zurückgingen. 69 Im Gegensatz zu den Wachmannschaften waren die Heeresstreifen also tatsächlich uneingeschränkt als militärische Vorgesetzte anzusehen, so daß die mit dieser Stellung verbundenen Rechtsfolgen nicht erst fingiert werden mußten. Mit dem späteren Erwerb der Wacheigenschaft (dazu sogleich im Text) trat dann insoweit jedoch eine Angleichung an die Verhältnisse bei der Feldgendarmerie ein (vgl. das 6. Kapitel in Fn. 33). 70 Daneben standen ihnen naturgemäß auch noch die Rechte ihres jeweiligen Dienstgrades zu, doch da die mit dem Dienstrang verbundene Befehlsgewalt in persönlicher Hinsicht hinter der Reichweite der Vorgesetzteneigenschaft kraft Dienstauftrages zurückblieb, kann an dieser Stelle auf ihre nähere Betrachtung verzichtet werden; insoweit mag daher der Verweis auf die ausführliche Darstellung im 5. Kapitel sub C. I. 1. a) genügen. 71 So mit wünschenswerter Klarheit auch Dietz, ZWehrr 9 (1944), S. 304.

B. Der Heeresstreifendienst

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Die Eingliederung der Heeresstreifen in den Wehrmachtstreifendienst hatte für die betreffenden Soldaten also eine ganz erhebliche Ausdehnung der ihnen eingeräumten Befehlsgewalt zur Folge. Wie die meisten der von der Armeeführung gegen Kriegsende auf militärpolizeilichem Gebiet ergriffenen Maßnahmen dürfte auch diese Erweiterung des den Angehörigen des Wehrmachtstreifendienstes zugestandenen Befugnisrahmens als eine Reaktion auf die sich an allen Fronten zunehmend zur Katastrophe entwickelnde Gesamtkriegslage zu werten sein. 2. Die Durchsetzung von Befehlen Ebenso wie allen anderen befehlsbefugten Soldaten oblag auch den Angehörigen des Heeresstreifendienstes die Verpflichtung, einen einmal erteilten Befehl erforderlichenfalls auch durchzusetzen.73 Zu diesem Zweck konnten sie sich zunächst einmal sämtlicher Mittel der sogenannten „soldatischen Zuchtgewalt" bedienen, die von der in Ziffer 5 lit. a) der Dienstanweisung vom 27.05.1941 ausdrücklich angeführten einfachen Belehrung über die Wiederholung des Befehls bis hin zur Durchführung von Gehorsamsübungen reichten. Soweit sie nach Maßgabe ihrer Dienstanweisung dazu berechtigt waren, konnten sie überdies naturgemäß auch disziplinarstrafrechtliche Maßnahmen nach der HDStO bzw. der späteren WDStO ergreifen. 74 Reichte dies zur Durchsetzung eines Befehls jedoch nicht aus, so stand den Heeresstreifen schließlich noch die Möglichkeit der Anwendung unmittelbaren Zwanges offen, sofern durch die Gehorsamsverweigerung ein Zustand „der äußersten Not und dringendsten Gefahr" im Sinne des § 124 RMStGB hervorgerufen wurde. 75 In diesem Fall waren sie dann unter Umständen auch zum Gebrauch ihrer Schußwaffen 76 berechtigt. Dementsprechend hieß es auch in Ziffer 5 lit. e) der Dienstanweisung vom 27.05.1941, daß erforderlichenfalls mit Waffengewalt einzuschreiten sei. Das wurde dann durch Ziffer 8 Abs. 1 Satz 1 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 noch dahingehend präzisiert, daß der Einsatz von Waffen immer dann als notwendig betrachtet werden sollte, wenn andere Maßnahmen „zur Durchsetzung des Gehorsams und zur Erhaltung der Manneszucht im äußersten Falle" als ungeeignet erschienen. Obschon der Tatbestand des § 124 I RMStGB mit dieser Formulierung nur sehr unvollkommen wiedergegeben worden war, kam es der Dienstanweisung doch ersichtlich nicht darauf an, für den Heeresstreifendienst Prinzipien einzuführen, 72

Vgl. zur Begründung ausführlich das 6. Kapitel sub A. III. 2. b). Siehe dazu und zum folgenden auch das 5. Kapitel sub C. II. 1. 74 Siehe dazu unten d). 75 Vgl. dazu auch die Ausführungen im 6. Kapitel sub A. in. 2. c). 76 Gemäß Ziffer 8 Abs. 1 Satz 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 verfügten die Heeresstreifen im Regelfall über Pistolen und Maschinenpistolen; „blanke" Waffen gehörten dagegen grundsätzlich nicht zu ihrer Ausrüstung. 73

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

die von der Gesetzeslage abwichen. Vielmehr deutet insbesondere die Wahl der Worte „im äußersten Falle" darauf hin, daß mit der Regelung der Ziffer 8 Abs. 1 Satz 1 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 auf die gesetzlichen Bestimmungen über das Befehlsnotrecht verwiesen werden sollte. Diese waren im übrigen auch völlig ausreichend, da sie in letzter Konsequenz sogar die Tötung eines ungehorsamen Soldaten zuließen. Im von der Dienstanweisung angesprochenen „äußersten Fall" waren die Angehörigen des Heeresstreifendienstes sonach wie die Feldjäger oder die Feldgendarmen sogar anläßlich einer bloß passiven Gehorsamsverweigerung zur Erschießung eines untergebenen Soldaten befugt. 3. Die Befugnisse gegenüber der Zivilbevölkerung Schon die Betrachtung des Aufgabenspektrums des Heeresstreifendienstes hat gezeigt, daß diese Formation fast ausschließlich ordnungsdienstlichen Zwecken zu dienen bestimmt war. Aufgaben, bei deren Erfüllung die Heeresstreifen bestimmungsgemäß mit der Zivilbevölkerung in Berührung kommen mußten, gehörten daher ursprünglich nicht zu ihrem Pflichtenkreis. Konsequenterweise hieß es dann auch in einem Befehl des OKH vom 21.10.1940 wörtlich: „Es liegt Veranlassung vor, darauf hinzuweisen, daß Heeresstreifen lediglich zur Überwachung der militärischen Manneszucht eingesetzt werden. Sie haben gegen Disziplinwidrigkeiten von Wehrmachtangehörigen einzuschreiten. Polizeiliche Befugnisse gegenüber der Allgemeinheit besitzen sie nicht. Ein Eingreifen bei Gefahrdung der öffentlichen Ordnung ist nur geboten, wenn sie durch Wehrmachtangehörige gestört wird." 77 Im Verhältnis zur Zivilbevölkerung standen den Angehörigen des Heeresstreifendienstes daher grundsätzlich nur die Jedermannrechte zu, so daß sich ihre Befugnisse insoweit im wesentlichen auf das allgemeine Notwehrrecht und die Berechtigung zur vorläufigen Festnahme gemäß § 127 I RStPO beschränkten. Als Teil des Militärs waren sie darüber hinaus jedoch unter den Voraussetzungen des § 1 der „Verordnung über den Waffengebrauch der Wehrmacht" vom 17.01.193678 auch noch zum Waffengebrauch gegenüber Zivilpersonen berechtigt, wenn sie ausnahmsweise doch einmal an einem Einsatz der Wehrmacht „zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" teilnehmen mußten.79 Über Befugnisse, die nicht in gleichem Maße 77

OKH AHA/Ag/H (Ic) vom 21.10.1940 (H.V.B1. 1940, Teil C, S. 443, Nr. 1126). Näher dazu das 6. Kapitel sub G. III. 3. 79 Daß dies trotz des zitierten Befehls vom 21.10.1940 selbst im OKH für möglich gehalten wurde, läßt sich der Regelung der Ziffer 8 Abs. 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 entnehmen. Darin wurden nämlich die Bestimmungen, die in § 4 I und II der Verordnung vom 17.01.1936 über Maß und Art des Waffengebrauchs im allgemeinen und im Falle des Vorgehens gegen eine Menschenansammlung enthalten waren, wörtlich in Bezug genommen. Das ergab jedoch nur dann einen Sinn, wenn grundsätzlich damit zu rechnen war, daß die Heeresstreifen gegebenenfalls einmal mit Waffen78

B. Der Heeresstreifendienst

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auch von jedem anderen Angehörigen der Wehrmacht ausgeübt werden konnten, verfügten die Heeresstreifen im Verhältnis zur Zivilbevölkerung dagegen anfänglich noch nicht. Das änderte sich erst dann, als der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und der Reichsführer SS in seiner Eigenschaft als Chef der Deutschen Polizei gegen Ende des Jahres 1944 übereinkamen, „die Kontrollbefugnis [...] der Wehrmacht [...] gegenüber Personen des zivilen Bereichs den Erfordernissen des totalen Krieges" anzupassen. Zur Begründung dieses Vorhabens führten der Chef des OKW und der Reichsführer SS u. a. folgendes aus: „Die Fahndung nach feindlichen Agenten, Saboteuren, Spionen, politischen und kriminellen Rechtsbrechern sowie nach Fahnenflüchtigen, wegen anderer Straftaten gesuchten Wehrmachtangehörigen, flüchtigen Kriegsgefangenen und Vertragsbrüchigen in - oder ausländischen Arbeitern hat im Zuge des kriegerischen Geschehens von Jahr zu Jahr eine größere Bedeutung gewonnen. Die Fahndungstätigkeit muß sich dem trickreichen Verhalten solcher Reichsfeinde anpassen. Die Zusammenfassung aller verfügbaren Kräfte unter Ausschaltung von Zuständigkeitsfragen ist unerläßlich. Für den Fall, daß gemeinsame Streifen von Polizei und Wehrmacht bzw. Waffen-SS nicht zur Stelle sind, muß jedes Fahndungsorgan berechtigt sein, jeden Verdächtigen zu überprüfen." 80 Mit den aus diesen Gründen fortan in zunehmendem Maße anfallenden Kontrollen von Zivilpersonen durch das Militär wurde nun der inzwischen eingerichtete Wehrmachtstreifendienst betraut. Zu diesem Zweck erhielt er die Befugnis, „alle nicht der Wehrmacht oder der Waffen-SS angehörenden Personen zu überprüfen." Obgleich dabei so vorzugehen war, „daß das Ansehen der Überprüften nicht beeinträchtigt und auch der Anschein einer Taktlosigkeit vermieden wird," wurde doch kein Zweifel daran gelassen, daß der Kontrollbefugnis der Wehrmachtstreifen auf Seiten der Zivilbevölkerung die Pflicht entsprach, die Ausweispapiere bereitwillig vorzulegen, da nur deijenige eine nähere Inspizierung scheue, „der etwas zu verbergen hat." 81 gewalt gegen die Zivilbevölkerung einzuschreiten gezwungen sein konnten. Wann dieser Fall eintreten sollte, bestimmte die Dienstanweisung indessen nicht. Vielmehr begnügte sie sich damit, die Regelungen über den Waffengebrauch des Heeresstreifendienstes mit dem Hinweis abzuschließen, daß Besonnenheit, Takt und Härte der Heeresstreifenführer und deren Unterstützung durch die Truppe [...] für die Wahl der Mittel und für deren Erfolg ausschlaggebend" seien. Es blieb daher dabei, daß die Heeresstreifen nur im Rahmen eines Einsatzes im Sinne von § 1 der Waffengebrauchsverordnung vom 17.01.1936 gewaltsam gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen berechtigt waren. 80 Vgl. Abschnitt I des Befehls OKW AWA/WAllg (IIc) Nr. 4600/44 vom 20.09.1944, A.H.M. 1944, S. 313, Nr. 571. 81 Obwohl die somit eingeführte Ausweispflicht der Zivilbevölkerung gegenüber der Wehrmacht zweifellos einen Eingriff in die bürgerliche Freiheitssphäre darstellte, bedurfte es insoweit im Dritten Reich keineswegs einer gesetzlichen Grundlage. Da nämlich das die individuelle Freiheit schützende Grundrecht des Art. 114 I WRV bereits durch § 1, 1 der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28.02.1933 [eingehend dazu das 5. Kapitel sub C. V. 2. sowie das 6. Kapitel unter G. III. 2. a)] außer Kraft gesetzt worden war, konnten Beschränkungen der

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

Eine Grenze fand die neue Kontrollbefugnis des Wehrmachtstreifendienstes indessen in den Erfordernissen des Geheimschutzes. So ordnete der Chef des OKW ausdrücklich an, daß die Einsichtnahme in Geheimpapiere unstatthaft sein sollte. Bestanden jedoch Zweifel darüber, „ob der Kontrollierte sich zu Recht auf den Geheimcharakter beruft", mußten ihn die Wehrmachtstreifen unverzüglich „der nächsterreichbaren Polizeidienststelle zuleiten", damit dort „die weitere Überprüfung" veranlaßt werden konnte. 82 Ausgehend von der Erkenntnis, daß der Tatbestand des in § 127 I RStPO normierten Jedermannrechtes normalerweise nicht erfüllt war, wenn eine Wehrmachtstreife im Zuge ihrer Überprüfungsmaßnahmen eine von den staatlichen Organen gesuchte Person entdeckte, hatten der Chef des OKW und der Reichsführer SS schließlich auch noch daran gedacht, eine neue Festnahmebefugnis zu schaffen, deren Voraussetzungen den spezifischen Bedürfnissen der befohlenen Kontrolltätigkeit entgegenkamen. Aus diesem Grunde erhielten die Angehörigen des Wehrmachtstreifendienstes fortan zusätzlich zu den ihnen ohnehin zustehenden Jedermannrechten die Befugnis, Zivilpersonen alleine deshalb vorläufig festzunehmen, weil sie den Verdacht einer strafbaren Handlung erweckt oder unzureichende Ausweise vorgelegt hatten. 83 Obschon dies eine beachtliche Erweiterung des den Wehrmachtstreifen im Verhältnis zur Zivilbevölkerung eingeräumten Befugnisrahmens darstellte, blieb die Ausweiskontrolle doch die einzige Tätigkeit, die einen Angehörigen der Streifendienste in Kontakt mit Zivilpersönlichen Freiheit auch „außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen" angeordnet werden. Für die Begründung einer Ausweispflicht der Zivilbevölkerung gegenüber dem Militär genügte es daher völlig, daß sie vom Chef des OKW im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS befohlen worden war. 82 Vgl. Abschnitt IE.) 2.) des Befehls vom 20.09.1944; der Sache nach handelte es sich bei dieser Regelung um die Anordnung einer durch § 127 I RStPO im Regelfall keineswegs gedeckten Freiheitsentziehung. Das war jedoch mit Blick auf die erwähnte Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 nach nationalsozialistischer Rechtsanschauung ebenso unschädlich wie im Falle der nachfolgend im Text erwähnten weiteren neuen Festnahmerechte, die durch die Bestimmungen des Abschnitts IE.) 3.) des Befehls vom 20.09.1944 begründet wurden. 83 Ergänzt wurde diese Regelung sodann durch zahlreiche Vorschriften über das bei der vorläufigen Festnahme zu beachtende Verfahren. So sah etwa Abschnitt EI.) 3.) des Befehls vom 20.09.1944 vor, daß „der festgenommenen Person die Waffen abzunehmen" waren. Überdies mußten „Festgenommene sowie deren Gepäck und Fahrzeuge [...] in jedem Fall unverzüglich auf Waffen und, falls Verdacht einer strafbaren Handlung besteht, auch auf Beweismittel" durchsucht werden. Dabei war jedoch darauf zu achten, daß „der Geheimcharakter von Geheimsachen" gewahrt blieb. Schließlich enthielt Abschnitt EI.) 4.) des Befehls vom 20.09.1944 noch folgende Bestimmungen, die bei einer vorläufigen Festnahme zu befolgen waren: „Festgenommene [...] sind unverzüglich der nächsterreichbaren Polizeidienststelle zuzuführen. Festgenommene sind bei dem Transport so unterzubringen, daß sie sich weder untereinander noch mit anderen Personen verständigen können. Beweismittel - Schriftstücke, Geld usw. - sowie Fahrzeuge sind der übernehmenden Stelle gegen Quittung zu übergeben. Grund und Umstände der Festnahme sind hierbei schriftlich oder mündlich darzulegen."

B. Der Heeresstreifendienst

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personen bringen konnte. Weitere Gelegenheiten, die neue Festnahmebefugnis auszuschöpfen, ergaben sich mithin nicht mehr. Da es sich somit bei der Kontrolle von Zivilpersonen im Rahmen des gesamten Aufgabenspektrums des Wehrmachtstreifendienstes letztlich eher um eine Randerscheinung handelte, kann auch das neue Festnahmerecht keineswegs als ein Schwerpunkt der den Streifen zur Verfügung stehenden Befugnisse bezeichnet werden. Allen Neuerungen zum Trotz dürften daher die schon eingangs genannten Jedermannrechte weitaus häufiger zur Anwendung gekommen sein. Diese stellten also bis zum Ende des zweiten Weltkrieges den Kernbereich derjenigen Befugnisse dar, die dem Wehrmachtstreifendienst gegenüber der Zivilbevölkerung eingeräumt worden waren. 4. Die disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse des Heeresund des Wehrmachtstreifendienstes Über die bislang erörterten Rechte hinaus hatte man die Heeresstreifen ähnlich wie die Feldjäger von Anfang an auch noch mit disziplinarstrafrechtlichen Befugnissen versehen. Der ursprünglichen Regelung in Ziffer 4 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 zufolge konnten die Kommandeure des Heeresstreifendienstes nämlich die Disziplinarstrafbefugnisse eines Regimentskommandeurs gemäß § 14 HDStO ausüben.84 während den Stabsoffizieren und Hauptleuten der Truppe, die als Führer einer Heeresstreife fungierten, im Verhältnis zu den „Unteroffizieren und Mannschaften des Heeres sowie gegenüber dem Heeresgefolge" immerhin noch die Strafgewalt eines Bataillonkommandeurs gemäß § 13 HDStO zustand.85 Gleichwohl sollte die sofortige Bestrafung eines 84 Insoweit wurde für die dem Ersatzheer angehörenden Kommandeure des Streifendienstes, auf die die Regelungen der Dienstanweisung vom 27.05.1941 - wie aufgezeigt - grundsätzlich sinngemäß anwendbar waren, indessen bereits unter dem 15.10.1941 eine einschränkende Vorschrift erlassen, wonach sie sich nur „gegenüber den Unteroffizieren und Mannschaften des Heeres und gegenüber dem Heeresgefolge" auf die Strafgewalt eines Regimentskommandeurs berufen konnten. Im Verhältnis zu den Offizieren kamen ihnen die entsprechenden Befugnisse hingegen lediglich dann zu, wenn diese der ihnen unmittelbar unterstellten Gruppe des Heeresstreifendienstes angehörten (vgl. Ziffer 1 des Befehls OKH Chef H Rüst u. BdE, AHA/Ag/H (Ia) vom 15.10.1941, A.H.M. 1941, S. 543, Nr. 1004). 85 Damit hatte man den Kommandeuren des Heeresstreifendienstes zunächst einmal die Möglichkeit eröffnet, gegen die ihrer Disziplinarstrafgewalt unterworfenen Offiziere einfache oder strenge Verweise auszusprechen oder Stubenarrest bis zu 10 Tagen zu verhängen. Unteroffiziere mit Portepee konnten darüber hinaus mit Stubenarrest oder gelindem Arrest bis zu vier Wochen bestraft werden. Hingegen mußten Unteroffiziere ohne Portepee zusätzlich noch damit rechnen, mit einer Ausgangsbeschränkung bis zu einer Dauer von vier Wochen belegt, zu Dienstverrichtungen außer der Reihe wie etwa einer Strafwache eingeteilt oder sogar mit geschärftem Arrest bis zu drei Wochen bestraft zu werden. Im Verhältnis zu den Mannschaften reichte die Strafgewalt eines Regimentskommandeurs schließlich so weit, daß neben dem einfachen oder strengen Verweis auch Dienstverrichtungen außer der Reihe, Besoldungsverwaltung

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

Soldaten durch den Heeresstreifendienst zunächst die Ausnahme bleiben, da Ziffer 5 lit. b) der Dienstanweisung vom 27.05.1941 vorschrieb, daß Disziplinlosigkeiten und Verstöße gegen die Manneszucht grundsätzlich den zuständigen Truppenkommandeuren und Dienststellen zu melden waren. Das war nun zwar mit Blick auf die Soldaten der Luftwaffe und der Marine, für die eine Zuständigkeit des Heeresstreifendienstes nicht begründet war, beinahe selbstverständlich, wurde jedoch durch Ziffer 5 lit. d) Nr. 1 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 überraschenderweise auch im Verhältnis zu den Heeresangehörigen zum Prinzip erhoben. Auch insoweit war der Heeresstreifendienst also an sich darauf beschränkt, dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten des jeweiligen Delinquenten Bericht zu erstatten. Immerhin hatte eine solche Meldung des Heeresstreifendienstes aber zur Folge, daß der informierte Disziplinarvorgesetzte gemäß Ziffer 6 Abs. 1 Satz 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 verpflichtet war, „nach Prüfung sofort disziplinarisch einzuschreiten." 86 Weitergehende bis auf die Dauer von zwei Monaten, Ausgangsbeschränkungen bis zu vier Wochen sowie Kasernen-, Quartier- oder gelinder Arrest bis zu vier und geschärfter Arrest bis zu drei Wochen verhängt werden konnten. Zusätzlich war ein Soldat mit der Stellung eines Regimentskommandeurs dann auch noch berechtigt, Oberschützen „in den Stand der Schützen" zu degradieren. Demgegenüber hatten die Streifenführer der Offizierstreifen nach dem unmißverständlichen Wortlaut der Ziffer 4 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 gegenüber den Offizieren des Heeres keinerlei Disziplinarstrafgewalt. Stattdessen waren sie jedoch befugt, Unteroffizieren mit Portepee einfache oder strenge Verweise zu erteilen oder sie mit Stuben- bzw. gelindem Arrest bis zu vier Wochen zu bestrafen. Gegenüber Unteroffizieren ohne Portepee und Mannschaften unterschied sich die Strafgewalt der Streifenführer in keiner Weise von derjenigen, die den Kommandeuren des Heeresstreifendienstes eingeräumt worden war. Insoweit blieb den Führern der Offizierstreifen lediglich die Möglichkeit versagt, Oberschützen zu Schützen zurückzustufen. Obschon den Feldwebelstreifen überhaupt keine disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse zustanden, läßt sich nach all dem dennoch sagen, daß dem Heeresstreifendienst in Gestalt seiner Offizierstreifen auch auf der unteren Führungsebene ein durchaus beachtliches Repertoire von Disziplinarstrafen verliehen worden war. 86 Der systematischen Stellung dieser Regelung ist zu entnehmen, daß sie als eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Amtshilfeprinzips betrachtet wurde, da dieses ebenfalls in Ziffer 6 Abs. 1 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 festgeschrieben worden war. Danach waren nicht nur alle Truppenteile und Dienststellen, sondern schlechthin auch ,jeder Offizier, Unteroffizier, Mann und Wehrmachtbeamte" dazu verpflichtet, „die Heeresstreifen auf Anfordern mit allen erforderlichen Mitteln zu unterstützen". Gleichwohl scheinen die Disziplinarvorgesetzten gemeldeter Soldaten ihren Verpflichtungen nicht in dem gewünschten Maße nachgekommen zu sein, denn schon unter dem 14.01.1941 sah man sich gezwungen, in dem Befehl OKH Chef H Rüst u. BdE, AHA/Ag/H (Ia) Nr. 2333/41 (A.H.M. 1941, S. 79, Nr. 134) folgendes auszuführen: „Es wurde wiederholt festgestellt, daß Mitteilungen der [...] Streifenführer über disziplinwidriges und ungebührliches Verhalten von Wehrmachtangehörigen seitens der Disziplinarvorgesetzten unberücksichtigt blieben. Verfehlungen wurden von den Vorgesetzten nur mit Verwarnungen geahndet, oft Bestrafungen ganz unterlassen, obwohl sie in den zur Kenntnis gebrachten Fällen am Platz gewesen wären. Entschuldigungen und Ausreden der Festgestellten werden vielfach von den Disziplinarvorgesetzten als der Wahrheit entsprechend hingenommen, dagegen die Glaubwürdigkeit der Streifenführer in Zweifel gezogen. Ein solches Verfahren ist nicht vertretbar und

B. Der Heeresstreifendienst

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Rechte konnten die mit Disziplinarstrafgewalt versehenen Angehörigen des Heeresstreifendienstes demzufolge immer nur in subsidiärer Zuständigkeit ausüben. Diese war jedoch gemäß Ziffer 5 lit. d) Nr. 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 nur gegenüber denjenigen Heeresangehörigen gegeben, deren Disziplinarvorgesetzte nicht auf der Stelle erreichbar waren; im Verhältnis zu den Soldaten der Kriegsmarine und der Luftwaffe hatten die Heeresstreifen dagegen überhaupt keine eigenen Disziplinarstrafbefugnisse. Auch bei den Heeresangehörigen war indessen zu beachten, daß die Offizierstreifen des Heeresstreifendienstes nur Unteroffiziere und Mannschaften bestrafen konnten und sich demgemäß im Verhältnis zu den Offizieren auch dann mit einer Meldung begnügen mußten, wenn deren grundsätzlich zuständiger Disziplinarvorgesetzter nur unter erheblichen Schwierigkeiten zu erreichen war. Erst im Jahre 1942 wurde insoweit eine Alternative geschaffen, da es die durch den Befehl OKH GenStdH, Org. Abt. (II) Nr. 4448/42 vom 05.07.194287 neu eingefügte Ziffer 5 lit. d) Nr. 4 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 fortan zuließ, daß die Offizierstreifen des Heeresstreifendienstes alle Heeresoffiziere, die keinen höheren Dienstgrad bekleideten als der jeweilige Streifenführer, „zur sofortigen disziplinarischen Erledigung" beim nächsterreichbaren Ortskommandanten oder Standortältesten vorführen durften. Eine Bestrafung von Offizieren durch den Heeresstreifendienst selbst war folglich auch nach dieser Neuerung allenfalls schädigt das Ansehen der mit der Aufrechterhaltung der Manneszucht in der Öffentlichkeit eingesetzten Organe. [...]. Insbesondere muß der vielfach zum Ausdruck gebrachten Auffassung entgegengetreten werden, als ob die Streifenführer Interesse daran hätten, ,Fälle zu konstruieren/ Die Besetzung der Streifen mit besonders ausgesuchten Soldaten bietet die Gewähr für die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der von ihnen abgegebenen Meldungen." Ganz offensichtlich hatten jedoch auch diese nachdrücklichen Ermahnungen auf Dauer den beabsichtigten Erfolg verfehlt, denn nachdem der Wehrmachtstreifendienst ins Leben gerufen worden war, machte es das OKW den Disziplinarvorgesetzten sogar zur Pflicht, den Wehrmachtstreifendienst über die disziplinare Erledigung der von ihm gemeldeten Verstöße gegen die Manneszucht zu unterrichten. Wörtlich hieß es dazu in dem Befehl OKW AWA/WAllg (De) Nr. 6017/ 44 vom 15.10.1944 wie folgt: „Der Wehrmachtstreifendienst hat auf Befehl des Führers die Aufrechterhaltung der Manneszucht außerhalb der Truppe zu überwachen. Zur Durchführung des Führerbefehls ist es daher erforderlich, daß auch der Wehrmachtstreifendienst von dem Strafmaß Mitteilung erhält, [...]. Diese Auskunft setzt den Wehrmachtstreifendienst in die Lage, die vordringliche Aufgabe der Überwachung der Disziplin im Sinne der Truppe zu erfüllen. Die Benachrichtigung über das Strafmaß dient somit unmittelbar dem Wehrmachtstreifendienst bei der Erledigung seiner Aufgaben, jedoch mittelbar den Oberkommandos der Wehrmachtteile, denen der Wehrmachtstreifendienst für die Aufrechterhaltung der Manneszucht Hilfsorgan ist. Dem Wehrmachtstreifendienst ist daher auf sein Ersuchen Auskunft über das Strafmaß zu erteüen, [...]" (H.V.B1. 1944, Teü B, S. 311, Nr. 504). Indessen darf auch dieser Befehl nicht darüber hinwegtäuschen, daß in erster Linie nach wie vor die Wehrmachtteile und die Waffen-SS für die Aufrechterhaltung der Disziplin in ihren Befehlsbereichen selbst verantwortlich waren; in disziplinarstrafrechtlicher Hinsicht war also auch der Wehrmachtstreifendienst nur subsidiär zuständig (zutreffend Dietz, ZWehrr 9 (1944), S. 183). 87

A.H.M. 1942, S. 309, Nr. 591.

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

unter der Voraussetzung denkbar, daß sie von den Kommandeuren des Heeresstreifendienstes ausgesprochen wurde. Diese waren indessen schon aufgrund der allgemeinen Prinzipien des Disziplinarrechts höchst selten zur Bestrafung von Soldaten berechtigt, die nicht dem Heeresstreifendienst angehörten. Gemäß § 11 I 1 HDStO oblag die Ausübung der Disziplinarstrafgewalt nämlich grundsätzlich nur dem nächsten Disziplinarvorgesetzten des Täters. Die Zuständigkeit des Heeresstreifendienstes unterstellt, konnten darunter aber sinnvollerweise doch nur die Führer der Offizierstreifen verstanden werden, da es sich bei den Kommandeuren des Heeresstreifendienstes bereits um solche Vorgesetzte handelte, die innerhalb der militärischen Hierarchie der nächsthöheren Führungsebene angehörten. 88 Höhere Vorgesetzte waren jedoch gemäß § 11 HDStO ausschließlich dann zur Ahndung einer Disziplinarübertretung berufen, wenn die Tat unter ihren Augen geschehen war, sich gegen ihr eigenes dienstliches Ansehen richtete, ihnen zur Entscheidung bzw. zur Bestimmung der Strafe vorgelegt wurde, von Angehörigen verschiedener Truppenteile ihres Befehlsbereiches gemeinsam begangen worden war oder einem vor Ort befindlichen Soldaten zugeschrieben wurde, dessen niederer eigener Disziplinarvorgesetzter nicht anwesend war. Bedenkt man nun, daß der gesamte Heeresstreifendienst grundsätzlich nur subsidiär zur Ergreifung disziplinarer Strafmaßnahmen zuständig war, so muß man feststellen, daß von den in § 11 I I HDStO aufgeführten Varianten von vorneherein nur diejenige jemals auf den Kommandeur einer Gruppe Heeresstreifendienst zutreffen konnte, die von einer unter seinen Augen begangenen Disziplinarübertretung ausging. Alle anderen in § 11 I I HDStO genannten Fallgruppen schieden hingegen ohne weiteres aus, da in den von ihnen erfaßten Sachverhaltskonstellationen die für ein Einschreiten des Heeresstreifendienstes mit Disziplinarstrafen unverzichtbare Voraussetzung der Notwendigkeit eines sofortigen Durchgreifens auf der Stelle niemals gegeben sein konnte. 89 Die disziplinarische Bestrafung eines Offiziers durch den Heeresstreifendienst war daher lediglich in dem wohl eher selten auftretenden Fall möglich, daß er sich unter den Augen 90 eines Kommandeurs des Heeresstreifendienstes einen Verstoß gegen die Manneszucht zuschulden kommen ließ und sein eigener Diszipli88

Daß die Offizierstreifen im Verhältnis zu den Offizieren des Heeres gemäß Ziffer 4 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 tatsächlich überhaupt nicht über disziplinare Strafbefugnisse verfügten, war insoweit deshalb unschädlich, weil sich § 11 HDStO ausschließlich am Aufbau der militärischen Hierarchie orientierte. Spezialfälle, die durch die in § 22 HDStO vorgesehene besondere Verleihung von Disziplinarstrafbefugnissen außerhalb der allgemeinen Regeln der HDStO auftraten, mußten daher bei der Subsumtion unter den Tatbestand des § 11 HDStO außer Betracht bleiben (vgl. Ziffer 2 des Befehls OKH Chef H Rüst u. BdE, AHA/Ag/H (Ia) vom 15.10.1941 (A.H.M. 1941, S. 543, Nr. 1004), wo der Sache nach die gleiche Feststellung getroffen wurde, „um aufgetretene Zweifel zu beseitigen"). 89 Darauf wurde im übrigen auch in dem bereits erwähnten Befehl OKH Chef H Rüst u. BdE, AHA/Ag/H (I a) vom 15.10.1941 (A.H.M. 1941, S. 543, Nr. 1004) völlig zu Recht hingewiesen.

B. Der Heeresstreifendienst

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narvorgesetzter zum Zweck der unmittelbar notwendigen Bestrafung nicht auf der Stelle erreichbar war. 91 Sofern es nun aufgrund der so umschriebenen Prinzipien tatsächlich einmal dazu kam, daß ein Heeresangehöriger durch den Heeresstreifendienst bestraft wurde, stellt sich sofort die weitergehende Frage, wer für die Vollstreckung einer solchen Disziplinarstrafe verantwortlich sein sollte. 92 Vermutlich um dem Heeresstreifendienst in Anbetracht seiner eher begrenzten Kapazitäten die Konzentration auf seine ordnungsdienstlichen Obliegenheiten zu erleichtern, hatte man sich im OKH dafür entschieden, die Strafvollstrekkung abweichend von den Grundsätzen des § 39 HDStO nicht von dem Disziplinarvorgesetzten, der die Strafe verhängt hatte, sondern von anderen Dienststellen durchführen zu lassen. Aus diesem Grunde schrieb die Ziffer 5 lit. b) Nr. 2 Satz 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 den Heeresstreifen vor, daß sie die Vollstreckung der von ihnen verhängten Strafen „bei der nächsten Heeresdienststelle" veranlassen mußten. Dabei konnten sie davon ausgehen, daß sie nicht auf Schwierigkeiten stoßen würden, da gemäß Ziffer 6 Abs. 1 Satz 3 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 schlechterdings jede Dienststelle des Heeres angewiesen war, die durch den Führer einer Heeresstreife verhängten Disziplinarstrafen auf eine entsprechende Aufforderung hin ohne weiteres zu vollstrekken. Für den Betroffenen waren mit diesem Vorgehen zwar grundsätzlich nicht zwangsläufig Nachteile verbunden, da ihm das durch § 46 I 1 HDStO verbürgte Beschwerderecht auch nach seiner Überstellung verblieb. Gleichwohl war ein durch den Heeresstreifendienst bestrafter Soldat letztlich deshalb schlechter gestellt als andere Delinquenten, weil seiner Beschwerde gemäß Ziffer 6 Abs. 1 Satz 4 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 entgegen den Bestimmungen der §§ 46 II; 38 I 2 HDStO der Suspensiveffekt versagt blieb. Unabhängig davon also, wie der gemäß § 46 I I I HDStO insoweit zuständige Kommandeur des Heeresstreifendienstes letztlich über den Rechtsbehelf des betroffenen Soldaten entschied, war die durch eine Streife verhängte Strafe unter Berücksichtigung des § 38 I 1 HDStO nach Ablauf einer Nacht seit ihrer Bekanntgabe von der ersuchten Dienststelle zu vollstrecken. Die durch eine Heeresstreife ausgesprochene Disziplinarstrafe hatte demnach für den Betroffenen zusätzlich noch eine spürbare Beschneidung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten zur Folge. 90

Vgl. zur Auslegung dieses Begriffs nur Dietz, § 24 WDStO, Anm. III B 1 a, S. 258 m.w.N. Danach war es nicht zwangsläufig erforderlich, daß der Täter dem höheren Vorgesetzten körperlich sichtbar war; als ausreichend wurde vielmehr angesehen, wenn letzterer die Tat auf andere Weise bemerken konnte. 91 Die gleiche Beschränkung mußten die Kommandeure des Heeresstreifendienstes im übrigen aufgrund der Vorschrift des § 11 II HDStO naturgemäß auch im Verhältnis zu den Unteroffizieren und Mannschaften des Heeres hinnehmen, doch fiel das deshalb nicht weiter ins Gewicht, weil insoweit die Offizierstreifen ohne weiteres disziplinare Strafmaßnahmen ergreifen konnten, wenn die Voraussetzungen der Ziffer 5 lit. d) Nr. 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 erfüllt waren. 92 Vgl. zur Art und Weise, in der die einzelnen Disziplinarstrafen zu vollstrecken waren, die Fußnoten 97 bis 100 des 5. Kapitels.

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

Der Sache nach wurden diese Grundsätze im weiteren Verlauf des Krieges zwar nicht mehr entscheidend verändert, da auch die neue Wehrmachtdisziplinarstrafordnung, die die HDStO unter dem 06.06.1942 ablöste, entsprechend den einleitenden Worten des vom OKW herausgegebenen „Merkblatts für den Disziplinarvorgesetzten" 93 nicht etwa neues Recht schuf, sondern vielmehr „das alte bewährte Recht" im Grundsatz beibehielt. Gleichwohl kamen doch mit Blick auf den Umstand, daß die WDStO die Höhe der den einzelnen Disziplinarvorgesetzten zustehenden Strafbefugnisse teilweise neu abgestuft hatte, 94 ernsthafte Zweifel daran auf, inwieweit die Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst nach dem Außerkrafttreten der HDStO noch fortgelten konnte. Daher sah sich das OKH genötigt, in der Verfügung OKH Gen StdH, Org. Abt. (II), Nr. 11967/43 vom 07.11.194395 klarzustellen, daß die Vorschriften der Dienstanweisung vom 27.05.1941 weiterhin sinngemäß anzuwenden seien, da deren Gültigkeit durch das Inkrafttreten der WDStO nicht habe in Frage gestellt werden sollen. Indessen nutzte das OKH die Gelegenheit dieser Klarstellung zugleich dazu, den Rechtsschutz für die von einer Heeresstreife bestraften Soldaten weiter zu verkürzen, indem es fernerhin ausführte, daß künftig auch die sofortige Vollstreckung derartiger Strafen angeordnet werden konnte. Damit fehlte es aber den Delinquenten im Bereich der durch den Heeresstreifendienst verhängten Disziplinarstrafmaßnahmen nicht nur an dem Suspensiveffekt ihrer Beschwerden, sondern darüber hinaus auch noch an dem Schutz des § 51 I 1 WDStO, der - wie zuvor schon § 38 I 1 HDStO - die Vollstreckung einer Strafe an sich erst nach Ablauf einer Nacht seit ihrer Bekanntgabe zuließ. Das war dann jedoch - soweit ersichtlich - die letzte Veränderung, die die Regelung der dem Heeresstreifendienst verliehenen Disziplinarstrafgewalt vor der Einrichtung des Wehrmachtstreifendienstes erfuhr. Mit dessen Gründung traten dann allerdings wieder einige Neuerungen ein, die eine nähere Betrachtung lohnenswert erscheinen lassen. Das galt insbesondere im Hinblick auf den Umstand, daß in erster Linie die Disziplinarstrafbefugnisse, die den Angehörigen des Heeresstreifendienstes im einzelnen zur Verfügung standen, neu geregelt worden waren. Wörtlich hieß es insoweit in Ziffer 8 des Führerbefehls vom 20.01.1944:96 „Disziplinarstrafgewalt gegenüber allen Unteroffizieren und Mannschaften der 3 Wehrmachtteile und gegenüber allen Unterführern und Mannschaften der Waffen-SS haben a) der Chef des Wehrmachtstreifendienstes eines Höheren Befehlshabers gemäß § 18 WDStO 93

Anlage 1 zur H.Dv. 3/9; L.Dv. 3/9; M.Dv. Nr. 130. Vgl. dazu die Gegenüberstellung im Abschnitt B. des Merkblatts für den Disziplinarvorgesetzten. 95 A.H.M. 1943, S. 506, Nr. 844. 96 A.H.M. 1944, S. 167, Nr. 262. 94

B. Der Heeresstreifendienst

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b) die Kommandeure des Wehrmachtstreifendienstes eines Regimentskommandeurs gemäß § 16 WDStO c) die Offiziere als Führer der Streifen 97 [...] eines Kompaniechefs gemäß § 14 WDStO.98 Vom Wehrmachtstreifendienst verhängte Strafen können sofort vollstreckt werden. [...]. Der Bestrafte braucht nicht in der Lage gewesen zu sein, sich über die Strafe zu beschweren." Obgleich diese Vorschriften auf den ersten Blick lediglich eine redaktionelle Anpassung der in der Dienstanweisung vom 27.05.1941 enthaltenen Bestimmungen an die neuen organisatorischen Gegebenheiten zu bewirken schienen, führten sie bei näherem Hinsehen doch zu einigen signifikanten Veränderungen der bisherigen Rechtslage. So fällt zunächst einmal auf, daß der Kreis derjenigen Personen, die der Disziplinarstrafgewalt der Wehrmachtstreifen unterlagen, im Vergleich zur früheren Rechtslage erheblich ausgedehnt worden war, da fortan nicht mehr nur die Soldaten des Heeres, sondern schlechthin sämtliche Wehrmachtangehörigen bestraft werden konnten. 99 Hinzu kam noch, daß sich die Disziplinarstrafbefugnisse des Wehrmachtstreifendienstes dem unmißver97 Von dieser Regelung wurden zunächst nur die Offiziere der Wehrmacht erfaßt, da den Soldaten der Waffen-SS Befugnisse gegenüber Wehrmachtangehörigen nur dann zustanden, wenn dies vom Chef des OKW im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS zuvor ausdrücklich angeordnet worden war [dazu ausführlich das 5. Kapitel sub C. I. 2.]. Während aber nun der zitierte Befehl unmißverständlich davon sprach, daß die im einzelnen genannten Offiziere der Wehrmacht auch gegenüber Unterführern und Mannschaften der Waffen-SS zur Ergreifung disziplinarischer Maßnahmen befugt sein sollten, fehlte es im umgekehrten Fall an einer solchen Anordnung. Dies wurde dann auch erst durch die Verfügung OKW WFSt/Org (I) Nr. 6015/44g. vom 05.10.1944 (V.Bl.d.W.-SS. 1944, S. 160, Nr. 648) nachgeholt, in der es u.a. hieß: „Im Einvernehmen mit den Wehrmachtteilen und der Waffen-SS wird den Offizieren bzw. Führern der Waffen-SS innerhalb [...] des Wehrmachtstreifendienstes in ihrer Eigenschaft als Streifenführer in Ausübung ihres Dienstes Disziplinarstrafgewalt gegenüber allen Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS, die im Dienstgrad unter ihnen stehen, verliehen." Die Führer der Waffen-SS konnten Angehörige der Wehrmacht daher erst seit Oktober 1944 disziplinar bestrafen. 98 Unter dem 15.05.1944 wurde diese Bestimmung dann noch dahingehend erweitert, daß einigen Streifenführern, die einen höherwertigen Dienstposten bekleideten, sogar die Disziplinarstrafgewalt eines Bataillonskommandeurs gemäß § 15 WDStO zustehen sollte (vgl. den Befehl OKW WFSt/Org. (III)/(I) Nr. 2942/44g. vom 15.05. 1944, A.H.M. 1944, S. 196, Nr. 322.). Insoweit kann jedoch wegen der damit im einzelnen verbundenen Disziplinarstrafbefugnisse ebenso wie bei den §§ 14, 16 und 18 WDStO auf die umfangreichen Ausführungen verwiesen werden, die zu dieser Frage im 5. Kapitel sub C. IE. gemacht worden sind. 99 Auch ohne daß dies im Befehl vom 20.01.1944 ausdrücklich hätte erwähnt werden müssen, hatte die geschilderte Zuständigkeitserweiterung auf alle Teilstreitkräfte gleichsam spiegelbildlich außerdem noch zur Folge, daß die Vollstreckung der durch den Wehrmachtstreifendienst verhängten Disziplinarstrafen nunmehr nicht mehr nur durch Einrichtungen des Heeres, sondern auf entsprechende Anforderungen hin durch jede Dienststelle der Wehrmacht und der Waffen-SS erfolgen konnte (so auch Dietz, ZWehrr 9 (1944), S. 305).

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

ständlichen Wortlaut der Ziffer 8 des Befehls vom 20.01.1944 zufolge von nun an zusätzlich auch auf die Angehörigen der Waffen-SS erstreckten. 100 Unverändert geblieben war hingegen, daß die Kommandeure des Streifendienstes über die Disziplinarstrafgewalt eines Regimentskommandeurs verfügen konnten. Demgegenüber hatte man jedoch die Führer der Offizierstreifen dahingehend zurückgestuft, daß ihnen anstelle der Strafgewalt eines Bataillonkommandeurs grundsätzlich nur noch diejenige eines Kompaniechefs zustehen sollte. 101 Ohne Vorbild war zudem naturgemäß, daß der Inhaber des neu geschaffenen Dienstpostens eines Chefs des Wehrmachtstreifendienstes in disziplinarrechtlicher Hinsicht die Stellung eines Kommandierenden Generals innehatte. 102 Bei genauerer Betrachtung läßt sich sodann noch feststellen, daß auch die Kommandeure des Streifendienstes eine Beschneidung ihrer bestehenden Befugnisse hinnehmen mußten, denn aufgrund der Einleitung der Ziffer 8 des Befehls vom 20.01.1944 hatten sie die ihnen zuvor noch eingeräumte Disziplinarstrafgewalt über die Offiziere des Heeres endgültig verloren. 103 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß durch den abschließenden Satz der Ziffer 8 des Befehls vom 20.01.1944 auch noch die letzte Bestimmung aufgehoben worden war, die einen bestraften Sol100 Da die im Wehrmachtstreifendienst eingesetzten Soldaten im Verhältnis zur Waffen-SS darüber hinaus gemäß Ziffer 7 des Befehls vom 20.01.1944 die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten, waren sie gegenüber deren Angehörigen zudem auch noch befehlsbefugt. Die obigen Ausführungen zu der Befugnis des Heeresstreifendienstes, anderen Soldaten Befehle zu erteilen und diese notfalls gewaltsam durchzusetzen, können daher seit Anfang 1944 auch auf die Waffen-SS übertragen werden. Aufgrund der Tatsache, daß die Wehrmacht lediglich dann Befugnisse gegenüber der Waffen-SS ausüben konnte, wenn dies vom Chef des OKW im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS ausdrücklich angeordnet worden war, handelte es sich bei den insoweit in den Ziffern 7 und 8 des Befehls vom 20.01.1944 getroffenen Regelungen um grundlegende Neuerungen. Zuvor hatte man dem Heeresstreifendienst nämlich allenfalls vereinzelt und grundsätzlich nur aufgrund eines konkreten Anlasses mit Befugnissen gegenüber der Waffen-SS versehen, die zudem auch noch auf bestimmte eng umgrenzte Aufgabengebiete beschränkt wurden. So hieß es beispielsweise in einem unter dem 01.12.1942 bekanntgemachten Befehl des Kommandos der Waffen-SS wörtlich: „Im Zuge der Bekämpfung der Fahnenflucht hat sich ergeben, daß im Operationsgebiet und in den besetzten Gebieten fahnenflüchtige Soldaten häufig ohne jede Überprüfung bedenkenlos über weite Strecken in das Hinterland mitgenommen worden sind. Hierdurch wird das Fortkommen der Fahnenflüchtigen erleichtert und die Fahndung äußerst erschwert. Es wurde daher eine verschärfte Kontrolle durch Heeresstreifen angeordnet. Die Angehörigen der Waffen-SS sind durch die Einheitsführer eingehend zu belehren, sich den Anordnungen des Streifendienstes nicht zur zu fügen, sondern diesen nach besten Kräften zu unterstützen und jede Möglichkeit auszunutzen, zur Festnahme Fahnenflüchtiger beizutragen" (V.B1. d. W.-SS 1942, S. 104, Nr. 436). Diesen Bestimmungen läßt sich anschaulich entnehmen, daß den Streifendiensten tatsächlich erst durch den Befehl vom 20.01.1944 grundsätzlich uneingeschränkte und umfassende Befehlsbefugnisse gegenüber der Waffen-SS zugestanden worden waren. 101

Siehe andererseits aber auch oben Fn. 98. Vgl. auch Ziffer 1 Abs. 2 des Befehls vom 20.01.1944. 103 Zutreffend: Dietz, ZWehrr 9 (1944), S. 304. Gleichwohl war dies infolge der oben angeführten Gründe letztlich nur von geringer praktischer Bedeutung. 102

B. Der Heeresstreifendienst

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daten gemäß § 51 I 1 WDStO an sich davor schützen sollte, daß er ohne die Möglichkeit wirksamen Rechtsschutzes der Strafvollstreckung ausgesetzt wurde. Jede Strafe, die von einer Wehrmachtstreife verhängt wurde, konnte daher künftig vollstreckt werden, ohne daß der Delinquent auch nur die Chance hatte, im Wege der Beschwerde zuvor die Berechtigung seiner Bestrafung nachprüfen zu lassen. Im Gegensatz dazu blieben alle übrigen Prinzipien, die die Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst im Hinblick auf dessen Disziplinarstrafgewalt enthalten hatte, vollständig unberührt. Gemeinsam mit den aufgezählten Neuerungen bildeten sie daher fortan den Rahmen für die Ausübung von Disziplinarstrafbefugnissen durch den Wehrmachtstreifendienst. Weitere Veränderungen hat es dann - soweit ersichtlich - in der Folgezeit bis zum Ende des zweiten Weltkrieges nicht mehr gegeben. 5. Die disziplinare Hilfsgewalt und die speziellen Festnahmerechte des Heeresstreifendienstes Die Betrachtung der disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse eines Soldaten ist indessen nur dann wirklich vollständig, wenn sie auch die sich aus der sogenannten „disziplinaren Hilfsgewalt" ergebenden Rechte mit einschließt. Dazu gehörte zunächst einmal die von der „Verordnung über einstweilige Dienstenthebung in der Wehrmacht" vom 26.02.1936 vorgesehene Möglichkeit, Wehrmachtangehörigen zur „Aufrechterhaltung der Manneszucht" oder aus „sonstigen wichtigen dienstlichen Rücksichten" vorläufig die Ausübung ihres Dienstes zu untersagen. Zuständig für die Anordnung einer solchen einstweiligen Dienstenthebung war nach der Systematik der Verordnung vom 26.02.1936 grundsätzlich jeder Disziplinarvorgesetzte, der aufgrund seiner Strafgewalt berechtigt war, eine Arreststrafe zu verhängen. Soweit seine Befugnisse jedoch nicht ausreichten, die jeweils höchstzulässige Disziplinararreststrafe von vier Wochen beim Stuben- und gelinden Arrest bzw. von drei Wochen beim geschärften Arrest auszusprechen, mußte er die von ihm vorgenommenen Dienstenthebungen durch den „hierzu befugten höheren Disziplinarvorgesetzten" bestätigen lassen. 104 Übertragen auf die Situation beim Heeresstreifendienst hatten diese Grundsätze zur Folge, daß jeder Führer einer Offizierstreife aufgrund der ihm eingeräumten Strafbefugnisse ursprünglich mit Ausnahme der Offiziere, die seiner Disziplinarstrafgewalt nach der Dienstanweisung vom 27.05.1941 nicht unterworfen waren, jeden Soldaten des Heeres vorübergehend seines Dienstpostens entheben konnte. Dabei bedurfte es nicht einmal einer Bestätigung durch einen höheren Disziplinarvorgesetzten, da § 13 HDStO sowohl gegenüber sämt104 Vgl Ziffer 2 der Verordnung vom 26.02.1936; siehe wegen weiterer Einzelheiten das 5. Kapitel sub C. IV. 1. 37 Schütz

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

liehen Mannschaftsdienstgraden als auch im Verhältnis zu den Unteroffizieren mit und ohne Portepee zur Verhängung der jeweils höchstzulässigen Disziplinararreststrafe berechtigte. Dagegen durften die Kommandeure des Streifendienstes gestützt auf die ihnen in disziplinarrechtlicher Hinsicht zuerkannte Stellung eines Regimentskommandeurs zwar darüber hinaus auch noch allen ihrer Strafgewalt unterliegenden Offizieren die Dienstausübung untersagen, doch mußten sie ihre Maßnahmen insoweit durch den nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten bestätigen lassen, da Offiziere gemäß § 14 HDStO längstens mit 10 Tagen Stubenarrest bestraft werden konnten. Mit der Aufstellung des Wehrmachtstreifendienstes trat dann zunächst insofern eine Veränderung ein, als die mit disziplinaren Strafbefugnissen ausgestatteten Streifendienstangehörigen fortan auch Soldaten der Luftwaffe, der Kriegsmarine und der Waffen-SS ihres Dienstpostens zu entheben berechtigt waren. Insoweit konnten jedoch nur noch die Mannschaftsdienstgrade und die Unteroffiziere betroffen sein, da dem Wehrmachtstreifendienst im Verhältnis zu den Offizieren der Armee keine disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse mehr zur Verfügung standen. Innerhalb des so eingegrenzten Zuständigkeitsbereiches war es dann aber dem Chef des Wehrmachtstreifendienstes ebenso wie den ihm nachgeordneten Kommandeuren jeweils ohne Bestätigung möglich, einstweilige Dienstenthebungen anzuordnen. Demgegenüber hatten die neuen Regelungen für die Führer der Offizierstreifen zur Folge, daß erstmals sämtliche von ihnen für notwendig gehaltenen Dienstenthebungen der Bestätigung durch einen Kommandeur des Wehrmachtstreifendienstes bedurften, da § 14 WDStO eine Bestrafung mit gelindem Arrest von mehr als zwei Wochen nicht einmal bei Mannschaftsdienstgraden zuließ. 105 Neben der Befugnis zur einstweiligen Dienstenthebung umfaßte die disziplinare Hilfsgewalt aber auch noch das zunächst in § 9 I 1 HDStO geregelte und später dann in § 30 I I WDStO beinahe wörtlich übernommene Recht zur vorläufigen Festnahme. Danach waren grundsätzlich alle Offiziere und Unteroffiziere der Wehrmacht unabhängig davon, ob sie über Disziplinarstrafbefugnisse verfügten oder nicht, dazu berechtigt, jeden „Soldaten, der nach Dienstgrad oder Dienstalter unter ihm steht, vorläufig festzunehmen, wenn die Aufrechterhaltung der Manneszucht es erfordert." In ähnlicher Weise durften überdies die Disziplinarvorgesetzten gemäß § 30 I WDStO ebenfalls allen Personen, die ihrer Strafgewalt unterstellt waren, vorübergehend die Freiheit entziehen. 106 Unter den Vor105 Daran vermochte auch der Umstand nichts zu ändern, daß einige Streifenführer seit dem 15.05.1944 über die Disziplinarstrafgewalt eines Bataillonskommandeurs verfügten, denn selbst gemäß § 15 WDStO war es noch nicht möglich, die in § 6 WDStO festgelegten Höchstmaße für Arreststrafen vollständig auszuschöpfen. Auch diejenigen Streifenführer, die einen höherwertigen Dienstposten innehatten, mußten daher für die Bestätigung der von ihnen verhängten Dienstausübungsverbote Sorge tragen.

B. Der Heeresstreifendienst

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aussetzungen der § § 9 1 1 HDStO; 30 I und I I WDStO waren daher auch die Angehörigen des Heeres- bzw. des Wehrmachtstreifendienstes zur vorläufigen Festnahme anderer Soldaten der Wehrmacht und später der Waffen-SS befugt. Speziell für den Heeres- bzw. den Wehrmachtstreifendienst war zudem im Jahre 1942 ein weiteres Festnahmerecht geschaffen worden, das demjenigen in § 30 I I WDStO strukturell ähnelte. 107 Das hing damit zusammen, daß nicht einmal die Offizierstreifen im Verhältnis zu den Offizieren der Armee über Disziplinarstrafbefugnisse verfügten. Hatte sich also ein Offizier eine Disziplinarübertretung zuschulden kommen lassen, so konnten die Feldwebelstreifen überhaupt keine Maßnahmen ergreifen, während die Offizierstreifen - wie oben ausgeführt - darauf beschränkt waren, den Delinquenten gemäß Ziffer 5 lit. d) Nr. 4 Satz 1 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 zur sofortigen disziplinarischen Erledigung dem nächsterreichbaren Ortskommandanten oder Standortältesten vorzuführen. Für den Fall jedoch, daß sich der Vorzuführende dieser Maßnahme widersetzte, war der Streifenführer gemäß Ziffer 5 lit. d) Nr. 4 Satz 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941 zu dessen vorläufiger Festnahme berechtigt, sofern es sich um einen Offizier des gleichen oder eines niedrigeren Dienstgrades handelte. Darüber hinaus enthielt die Dienstanweisung vom 27.05.1941 aber auch noch zwei weitere Festnahmerechte, die auf die besonderen Bedürfnisse des Heeresstreifendienstes zugeschnitten waren. So regelte zunächst einmal Ziffer 5 lit. d) Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dienstanweisung die Befugnis des Führers einer Heeresstreife, den Täter einer Disziplinarübertretung immer dann festnehmen zu dürfen, wenn er sich nicht genügend ausweisen konnte. 108 Eine ähnliche Bestimmung befand sich auch noch in Ziffer 6 Abs. 2 der Dienstanweisung vom 27.05.1941, denn darin hieß es: „Sämtliche Wehrmachtangehörige, mit Ausnahme von Generalen, Admiralen und Wehrmachtbeamten im Generalsrang, haben sich den Heeresstreifen - Offiziere und Wehrmachtbeamte im Offizierrang in Uniform nur den Führern der Offizierstreifen gegenüber - auf Aufforderung auszuweisen (Truppenausweis, Soldbuch, Dienstreise- oder Marschbefehl, Urlaubsschein). Können einwandfreie Unterlagen zur Feststellung der Personalien nicht erbracht werden, so sind die Führer der Offizierstreifen auch zur Festnahme von Offizieren und Wehrmachtbeamten im Offizierrang in Uniform berechtigt." 106 Vgl dazu im einzelnen das 5. Kapitel sub C. IV. 2. Dietz, § 30 WDStO, Anm. E 1, S. 316 Fn. 3. 108 Der aufgrund dieses Rechtstitels festgenommene Soldat war gemäß Ziffer 5 lit. d) Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dienstanweisung entweder seinem Truppenteil oder dem nächsten Gerichtsherrn zuzuführen, sofern er dem Heer angehörte. Soldaten der Luftwaffe und der Kriegsmarine waren hingegen gemäß Ziffer 5 lit. d) Nr. 3 Abs. 2 der Dienstanweisung unverzüglich ihrer Einheit „oder dem nächsten Truppenteil ihres Wehrmachtteiles zuzuführen". 107

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

Waren demzufolge diese Bestimmungen über das zweite Festnahmerecht, das von der Dienstanweisung vom 27.05.1941 konstituiert wurde, anfänglich gegenüber den Generalen und Admiralen überhaupt noch nicht und im Verhältnis zu den sonstigen Offizieren nur auf die Führer der Offizierstreifen anwendbar, so fielen die genannten Beschränkungen mit der Aufstellung des Wehrmachtstreifendienstes fort. Da dessen Angehörige nämlich die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten, waren sie wie alle Wachmannschaften unabhängig von ihrem eigenen Dienstgrad dazu berechtigt, jeden Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS einschließlich der Offiziere und Wehrmachtbeamten im Generalsrang zu kontrollieren und unter den zitierten Voraussetzungen vorläufig festzunehmen. 109 Der Umstand, daß die Wehrmachtstreifen anders als die Heeresstreifen die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten, hatte überdies zur Folge, daß sie aufgrund des Befehls OKH Chef H Rüst u. BdE - G 3 s - HR ( m 6) vom 06.03.1942 110 unter den dort normierten Voraussetzungen 111 zusätzlich dazu berechtigt waren, in den besetzten russischen Gebieten auch noch diejenigen Angehörigen verbündeter Streitkräfte vorläufig festzunehmen, die nicht im Offiziersrang standen. Wie alle anderen Wachmannschaften auch 1 1 2 konnten sich die Wehrmachtstreifen im Gegensatz zu ihren auf das Heer beschränkten Vorgängern sodann noch auf die in der Standortdienstvorschrift vom 24.10.1939 113 aufgeführten Festnahmerechte berufen, 114 die von deren Ziffer 206 wie folgt zusammengefaßt wurden: „Die den Wachdienst ausübenden Soldaten [...] sind aus eigener Machtvollkommenheit zu einer Festnahme befugt: a) zur gerichtlichen Strafverfolgung, wenn ein Wehrmachtangehöriger oder eine Zivilperson auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und entweder der Flucht verdächtig oder der Persönlichkeit nach nicht sofort feststellbar ist[...]. 115 109

So auch Dietz, ZWehrr 9 (1944), S. 304. A.H.M. 1942, S. 148, Nr. 241. 111 Dazu das 5. Kapitel sub C. V. 3. 112 Lediglich für die Feldgendarmen galt insoweit vorrangig die Spezialregelung in Ziffer 17 lit. d) der H.Dv. 275 (1938) bzw. der Ziffer 51 lit. e) der H.Dv. 275 (1940); vgl. das 6. Kapitel sub G. III. 2. a). 113 H.Dv. 131; L.Dv. 131; M.Dv. Nr. 581. 114 Dietz, ZWehrr 9 (1944), S. 304. 115 Da diese Regelung in keiner Weise von den Bestimmungen des § 127 I RStPO abwich, hatte sie nur deklaratorischen Charakter. Soweit jedoch die nachfolgend zitierten Vorschriften Festnahmerechte vorsahen, die nicht auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen waren, kam der Ziffer 206 der Standortdienstvorschrift mit Blick auf die bereits mehrfach erwähnte Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28.02.1933 (RGBl. I 1933, S. 83) auch im Verhältnis zu Zivilpersonen ohne weiteres eine konstitutive Wirkung zu. 110

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b) aus Schutz- oder Sicherheitsgründen, wenn die Festnahme eines Wehrmachtangehörigen oder einer Zivilperson nötig ist: - Zum Schutz des Festzunehmenden oder zum Schutz der zu bewachenden Personen oder Sachen, - bei Angriffen, Tätlichkeiten oder Beleidigungen gegen Wachen [...], um ihre Fortsetzung zu verhindern.

[...] c) aus Gründen der Manneszucht, wenn Soldaten - ohne gültigen Truppenausweis betroffen werden, - sich nach Zapfenstreich unberechtigt außerhalb ihrer Unterkunft aufhalten, - der unerlaubten Entfernung von der Truppe verdächtig sind, - das Ansehen der Wehrmacht erheblich schädigen." Abgesehen davon, daß vorläufige Freiheitsentziehungen - wie in anderem Zusammenhang bereits erwähnt 116 - unter Umständen auch gemäß § 124 I RMStGB zur Durchsetzung eines Befehls oder aufgrund des allgemeinen Notwehrrechts vorgenommen werden konnten, ist über die Bestimmungen der Ziffer 206 der Standortdienstvorschrift hinaus in Gestalt des § 16 I I I KStVO dann nur noch ein weiteres Festnahmerecht feststellbar, auf das der Heeresstreifendienst zur Erfüllung seiner Aufgaben zurückgreifen konnte. Danach war es im Vorfeld der Eröffnung eines Kriegsstrafverfahrens möglich, den Beschuldigten 1 1 7 vorläufig festzunehmen, „wenn militärische Belange oder der Untersuchungszweck es erfordern." Zuständig waren neben den Gerichtsoffizieren indessen lediglich solche Soldaten, die mit Disziplinarstrafgewalt ausgestattet waren. Aus diesem Grunde konnten sich auch nur die Führer der Offizierstreifen, die Kommandeure des Streifendienstes und nach Einrichtung des Wehrmachtstreifendienstes zusätzlich auch dessen Chef auf die Festnahmebefugnis des § 16 III KStVO berufen. Die Feldwebelstreifen mußten sich hingegen mit den allerdings noch immer äußerst umfangreichen und komplexen Festnahmerechten begnügen, die dem Heeres- bzw. dem Wehrmachtstreifendienst den vorstehenden Ausführungen zufolge außerdem noch zur Verfügung standen. 6. Die Wacheigenschaft der Wehrmachtstreifen Der Vollständigkeit halber ist abschließend noch klarzustellen, daß die Angehörigen des Wehrmachtstreifendienstes im Gegensatz zu ihren Vorgängern im Heeresstreifendienst aufgrund ihrer Eigenschaft als militärische Wachen selbstverständlich sowohl der insoweit besonderen Schutz vermittelnden Vorschrift 116

Siehe das 6. Kapitel sub A. m. 2. e) bb) und cc). Vgl. zur Definition dieses Begriffs nach der KStVO und zu weiteren Einzelheiten die ausführliche Darstellung im 5. Kapitel sub C. V. 1. 117

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

des § 111 I RMStGB als auch den Bestimmungen, die § 125 I RMStGB über die spezifische militärstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Wachmannschaften enthielt, unterfielen. 118 Damit ist die Rechtsstellung des Heeres- und späteren Wehrmachtstreifendienstes aber vollständig dargestellt; weitere Befugnisse und Rechte sind den Soldaten der Streifendienste nicht mehr eingeräumt worden.

C. Zusammenfassung und Ergebnis Obwohl im Hinblick auf den im Vergleich zum ersten Weltkrieg erheblich gestiegenen Mobilitätsgrad der Bodentruppen bereits im Jahre 1934 erste Überlegungen angestellt worden waren, eine auf verkehrsdienstliche Aufgaben spezialisierte Truppengattung ins Leben zu rufen, konnte die Wehrmacht zunächst noch nicht über eigenständige Verkehrsregelungskräfte verfügen. Vielmehr kam es erst am 26.10.1939 im unmittelbaren Anschluß an den Polenfeldzug zur Aufstellung von insgesamt zehn sogenannten Verkehrsregelungsbataillonen, die die Bezeichnung 751 bis 760 führten. Jedes dieser Bataillone bestand aus einem Stab und zwei Kompanien, die ihrerseits jeweils eine Stärke von mindestens 150 Mann aufwiesen. Da die Verkehrsregelungsbataillone von vorneherein als ein Instrument der obersten Führung konzipiert worden waren, unterstanden sie grundsätzlich unmittelbar dem Stab des Oberbefehlshabers des Heeres, der sie dann im Einzelfall und in Abhängigkeit von der jeweiligen Lage verschiedenen Großverbänden zuwies, um die erforderlichen Truppenbewegungen durch den schwerpunktmäßigen Einsatz von Verkehrsregelungskräften auch an verkehrstechnisch besonders schwierigen Kriegsschauplätzen ermöglichen zu können. Aufgrund ihrer nur behelfsmäßigen Ausstattung mit Kraftfahrzeugen wurden die Verkehrsregelungsbataillone jedoch in aller Regel nur in den rückwärtigen Gebieten hinter der Front eingesetzt, wo sie zudem überwiegend stationäre Verkehrsposten zu stellen hatten. Diesen Einsatzgrundsätzen entsprechend hatten die Verkehrsregelungsbataillone vornehmlich die Aufgabe, den militärischen Straßenverkehr an den Vorund Rückmarschwegen sowie den Hauptnachschubstraßen der Frontverbände zu koordinieren. Daneben wurden sie aber auch zur Überwachung und Kennzeichnung sonstiger Marschstraßen eingesetzt, die von den höheren Kommandobehörden zur Durchführung operativer Truppenverschiebungen ausgewählt worden waren. Darüber hinaus gehörte es zu ihrem Pflichtenkreis, die für die Verlegung größerer Kampfverbände in Frage kommenden Verkehrswege einschließlich geeigneter Rasträume und etwaiger Umleitungen schon im Vorfeld der eigentlichen Marschbewegungen zu erkunden und mit allen Einrichtungen zu versehen, die 118

Eingehend dazu das 6. Kapitel sub A. ID. 2. a) und g).

C. Zusammenfassung und Ergebnis

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für den reibungslosen Verlauf der vorgesehen Truppentransporte erforderlich waren. Zudem fungierten die Einsatzkräfte der Verkehrsregelungsbataillone oftmals als eine Art Bindeglied zwischen der marschierenden Truppe und der übergeordneten Führung, da sie sich bestens dafür eigneten, Befehle zu übermitteln, Meldungen weiterzuleiten und den Kontakt mit sämtlichen in ihrem Einsatzraum stationierten Truppenteilen aufrechtzuerhalten. Schließlich oblag es den Verkehrsregelungsbataillonen, die oberen Führungsebenen des Heeres ständig über den aktuellen Stand der befohlenen Marschbewegungen zu informieren. Zur Durchführung ihres so umrissenen Aufgabenspektrums stand den Angehörigen der Verkehrsregelungsbataillone neben den Rechten, die ihnen durch ihren jeweiligen Dienstgrad vermittelt wurden, im wesentlichen nur die Befugnis zu, sämtlichen Beamten und Soldaten der drei Wehrmachtteile, der WaffenSS und der Polizeiverbände diejenigen Anordnungen zu erteilen, die zur Erfüllung ihrer verkehrsdienstlichen Obliegenheiten erforderlich waren. Ihre Befehlsbefugnis war somit sachlich auf den ihnen übertragenen Wirkungskreis und örtlich auf ihren jeweiligen Einsatzraum beschränkt. Innerhalb dieses begrenzten Zuständigkeitsbereichs waren die Soldaten der Verkehrsregelungsbataillone jedoch dazu berechtigt, ihren Verkehrsanordnungen notfalls auch mit Waffengewalt Gehorsam zu verschaffen. Überdies konnten sie im Zuge ihrer Dienstausübung auch noch jeden Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS verpflichten, ihnen bei der Ausführung ihrer Aufträge behilflich zu sein. Trotz des großen Stellenwertes, den ihre Funktion für die operative Kriegsführung besaß, war die Existenz der Verkehrsregelungsbataillone nur von vorübergehender Dauer. Schon während des Rußlandfeldzuges wurden sie nämlich wieder aufgelöst und zu Feldgendarmerieabteilungen umstrukturiert. Daher endete die Formationsgeschichte der Verkehrsregelungsbataillone nach noch nicht einmal drei Jahren bereits im Sommer 1942. In gleicher Weise wie die Verkehrsregelungsbataillone wurde auch der Heeresstreifendienst erst gegen Ende des Jahres 1939 aufgestellt. Bei dieser Maßnahme handelte es sich um eine Reaktion auf die Erfahrungen, die man nach Abschluß des Polenfeldzuges mit der nachlassenden Disziplin der Soldaten gemacht hatte. Aus diesem Grunde ordnete der Oberbefehlshaber des Heeres unter dem 18.11.1939 an, daß jede Armee des Feldheeres innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches eine Gruppe Heeresstreifendienst einrichten mußte, die aus einem Stabsoffizier als Kommandeur, sechs Offizieren als Führern von Offizierstreifen, sechs Feldwebeln als weiteren Streifenführern und zwölf Unteroffizieren als Streifenbegleitern gebildet und unmittelbar dem Chef des Generalstabes der Armee unterstellt werden sollte. Bei der Personalauswahl war darauf zu achten, daß nur ausgezeichnete und fronterfahrene Soldaten herangezogen wurden, da man dem Heeresstreifendienst eine außergewöhnliche Bedeutung für die Disziplin der Truppe beimaß.

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Neben diesen den Armeen unterstehenden Gruppen des Heeresstreifendienstes hatte das OKH ursprünglich noch insgesamt 15 weitere Einheiten dieser Art geschaffen, die der militärpolizeilichen Schwerpunktbildung an verschiedenen Frontabschnitten dienten und ihre Einsatzbefehle daher unmittelbar vom Generalstab des Heeres erhielten. Eine erste Aufstockung erfuhr der Heeresstreifendienst sodann zu Beginn des Jahres 1941, da er aufgrund eines Befehls vom 10.05.1941 zusätzlich noch in den Wehrkreisen der Heimat und ausgewählten besetzten Gebieten eingerichtet wurde und somit fortan auch im Ersatzheer anzutreffen war. Im Unterschied zu den Gruppen des Heeresstreifendienstes im Feldheer wiesen diejenigen des Ersatzheeres jedoch einen erheblich geringeren Motorisierungsgrad auf. Zudem richteten sich ihre Stärke und Zusammensetzung nach den Umständen des Einzelfalles und waren mithin in keiner Weise standardisiert. Davon abgesehen ließen sie sich jedoch von den Gruppen des Heeresstreifendienstes im Feldheer allenfalls noch durch die geringfügig abweichende Bezeichnung für die Dienstposten ihrer Kommandeure unterscheiden. Mit Beginn des Rußlandfeldzuges erwies es sich dann als notwendig, den durch die Masse der an der Ostfront eingesetzten Soldaten sprunghaft angestiegenen militärischen Reiseverkehr durch den Heeresstreifendienst besonders überwachen zu lassen. Da dies jedoch von der bestehenden Organisation des Heeresstreifendienstes nicht geleistet werden konnte, mußte sie bei den Heeresgruppen und allen selbständig operierenden Armeen um die Dienststelle eines „Kommandeurs des Heeresstreifendienstes für den Reiseverkehr" erweitert werden. Gleichwohl hatte der Heeresstreifendienst auch damit noch keineswegs seine größte Ausdehnung erreicht. Vielmehr wuchs sein Umfang gegen Ende des Jahres 1943 nochmals dadurch an, daß eine der dem Generalstab des Heeres unterstellten Streifengruppen umgegliedert und zur sogenannten „Heeresstreifenlehrabteilung" ausgebaut wurde, die fortan für die Ausbildung des Personalersatzes aller Einheiten des Streifendienstes im Feld- und Ersatzheer verantwortlich war. Indessen existierte der Heeresstreifendienst in dieser Form nicht einmal mehr für die Dauer eines halben Jahres, da er bereits zum 01.03.1944 mit vergleichbaren Einrichtungen der anderen Wehrmachtteile und der Waffen-SS zum sogenannten „Wehrmachtstreifendienst" zusammengefaßt wurde. Obwohl der Heeresstreifendienst auf diese Weise seine Selbständigkeit verloren hatte, setzte sich seine Formationsgeschichte doch im Wehrmachtstreifendienst fort, da dieser nicht nur zu 70% aus Soldaten des Heeres bestand, sondern darüber hinaus zunächst auch weitgehend die bislang für den Heeresstreifendienst gültigen Bestimmungen übernahm. Sieht man einmal davon ab, daß sämtliche Truppenteile, Dienststellen und Einrichtungen des bisherigen Streifendienstes umbenannt werden mußten, hatte der Übergang vom Heeres- zum Wehrmachtstreifendienst also weder hinsichtlich des Personals noch in bezug auf die grundlegenden Or-

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ganisationsprinzipien einen tiefgreifenden Kontinuitätsbruch zur Folge. Neu war jedoch der Umstand, daß der Streifendienst künftig mit einer teilstreitkraftübergreifenden Zuständigkeit ausgestattet war und dementsprechend von einem „Chef des Wehrmachtstreifendienstes" angeführt wurde, der mit seinem Stab unmittelbar dem Chef des OKW unterstand. Da aber die Wehrmachtteile ebenso wie die Waffen-SS für die Aufrechterhaltung der Disziplin in ihrem jeweiligen Befehlsbereich nach wie vor alleine zuständig waren, hatte der Chef des Wehrmachtstreifendienstes im Verhältnis zu den Streifengruppen des Feld- und des Ersatzheeres lediglich die Stellung eines Inspekteurs. Wirkliche Kommandogewalt stand ihm mithin nur gegenüber der Wehrmachtstreifenlehrabteilung, den Kommandeuren des Wehrmachtstreifendienstes für den Reiseverkehr sowie den ehemals unmittelbar dem Generalstab des Heeres unterstellten Streifengruppen zu, deren Zahl sich allerdings inzwischen beinahe verdreifacht hatte. Ebenso wie zuvor der Heeresstreifendienst konnte sich indessen auch der Wehrmachtstreifendienst seine Eigenständigkeit nicht dauerhaft bewahren; vielmehr wurde er im Februar 1945 gemeinsam mit der Feldgendarmerie und anderen ordnungsdienstlichen Formationen vollständig in die neugeschaffene Truppengattung der „Wehrmachtordnungstruppen" überführt. Das hatte neben den erneut erforderlichen Umbenennungen vor allem zur Folge, daß der Chef des Wehrmachtstreifendienstes durch den sogenannten „Chef der Wehrmachtordnungstruppen" ersetzt wurde. Dessen Rechtsstellung unterschied sich in erster Linie dadurch von der seines Vorgängers, daß er im Verhältnis zu den Streifengruppen des Feld- und Ersatzheeres nicht mehr nur als Inspekteur fungierte, sondern mit unmittelbarer Befehlsgewalt ausgestattet worden war. Er war daher - anders als noch der Chef des Wehrmachtstreifendienstes - in der Lage, in allen Fällen, in denen ein Angehöriger der Wehrmacht oder der Waffen-SS durch sein Verhalten die „Manneszucht" gefährdete, selbst einzugreifen und die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung des disziplinwidrigen Zustandes zu veranlassen. Auch diese neuerliche Umstrukturierung vermochte jedoch bekanntlich nicht mehr, dem unaufhaltsamen Zusammenbruch der Wehrmacht spürbar entgegenzuwirken. Schon drei Monate später fand daher die Formationsgeschichte des Heeresstreifendienstes mit der Kapitulation der deutschen Streitkräfte endgültig ihren Abschluß. Das Aufgabenspektrum, das den Streifendiensten zugewiesen worden war, hatte einen erheblich geringeren Umfang als beispielsweise das der Feldgendarmerie und kann daher insgesamt als überschaubar bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den Feldgendarmen hatten die Heeresstreifen nämlich weit überwiegend nur ordnungsdienstliche Tätigkeiten zu verrichten. Auch insoweit hatten sie jedoch lediglich einen Teilbereich abzudecken, da sich ihre Hauptfunktion darin erschöpfte, die militärische Disziplin aller Angehörigen des Heeres und später auch der übrigen Wehrmachtteile sowie der Waffen-SS aufrechtzuer-

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halten und erforderlichenfalls unverzüglich wiederherzustellen. Zu diesem Zweck mußten sie eine ständige Überwachung aller Soldaten gewährleisten, die sich insbesondere anläßlich eines Heimaturlaubes vorübergehend außerhalb der unmittelbaren Einflußnahmemöglichkeiten ihrer Truppenvorgesetzten befanden. Weitergehende ordnungsdienstliche Pflichten oblagen den Heeresstreifen hingegen nicht. Zudem durften sie auch zu anderen Tätigkeiten nur dann herangezogen werden, wenn es ihre eigentlichen Aufgaben zuließen. War dies der Fall, so mußten die Heeresstreifen jedoch im allgemeinen lediglich an der Aufrechterhaltung der Verkehrsdisziplin der militärischen Kraftfahrer mitwirken; sonstige Verwendungsweisen haben sich nicht feststellen lassen. Erst nachdem der Heeresstreifendienst im Wehrmachtstreifendienst aufgegangen war, kam es zu einer Erweiterung des Pflichtenkreises seiner Angehörigen. Diese waren nämlich fortan auch dafür zuständig, im Rahmen der Überwachung des Wehrmacht-Reiseverkehrs den Bahnhofswachdienst zu übernehmen, in Zusammenarbeit mit der Polizei Fahndungen nach desertierten Soldaten durchzuführen, Ausweise von Zivilpersonen zu kontrollieren und die Betreuung außerhalb der Truppe angetroffener Wehrmachtangehöriger zu organisieren. Gegen Ende des Krieges wurden schließlich auch die Gruppen des Wehrmachtstreifendienstes zunehmend in die im Rücken sämtlicher Heeresgruppen gebildeten Auffangorganisationen integriert. Dort waren sie dann zusätzlich dafür verantwortlich, die geordnete Durchschleusung von Versorgungstruppen zur Front sicherzustellen, Versprengte aufzufangen und dem erneuten Fronteinsatz zuzuführen, Flüchtlinge anzuhalten und zum Arbeitseinsatz im Stellungsbau heranzuziehen sowie die von der Front zurückmarschierenden Einheiten, Gruppen oder Einzelpersonen zu kontrollieren. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, daß diese Tätigkeiten allenfalls in den letzten Kriegsmonaten zum Aufgabenspektrum der Wehrmachtstreifen gehört haben. Sie können daher keinesfalls als typisch angesehen werden. War somit der Tätigkeitsbereich der Heeresstreifen durchaus begrenzt, so gilt dies nicht in gleichem Maße auch für ihre Befugnisse, denn diese gingen sogar noch über diejenigen der Feldgendarmen hinaus. Insoweit ist allerdings festzuhalten, daß die Angehörigen der Streifendienste ursprünglich keineswegs die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten, da sie durch ihre Dienstanweisung weder zum Wach- noch zum militärischen Sicherheitsdienst kommandiert wurden und demzufolge den Tatbestand des § 111 I I RMStGB nicht erfüllten. Aus diesem Grunde richteten sich die für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung unabdingbar erforderlichen Befehlsbefugnisse der Streifen zunächst ausschließlich nach den für die gesamte Wehrmacht verbindlichen Bestimmungen über das Rang- und Vorgesetztenverhältnis, deren Abschnitt C. II. 1. ihnen die sogenannte Vorgesetzteneigenschaft kraft Dienstauftrages vermittelte. Die damit verbundene Befehlsgewalt war indessen durch die rangmäßige Einteilung der Wehrmachtangehörigen in Ranggruppen begrenzt, so daß die Unteroffiziere des

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Heeresstreifendienstes lediglich im Verhältnis zu allen Personen des Soldatenstandes, die nicht Offiziere oder im Offizierrang stehende Wehrmachtbeamte in Uniform waren, als Vorgesetzte auftreten konnten. Demgegenüber erstreckten sich die Befehlsbefugnisse, die den Offizieren des Heeresstreifendienstes kraft ihres Dienstauftrages zustanden, zwar grundsätzlich auch auf die anderen Offiziere der Wehrmacht; gegenüber Generalen, Admiralen und Wehrmachtbeamten im Generalsrang hatten jedoch auch die Offizierstreifen keinen Anspruch auf Gehorsam, weil diese Personen von der Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst ausdrücklich ausgenommen worden waren. Insoweit blieben die Befehlsbefugnisse der Heeresstreifen ursprünglich also hinter denjenigen der militärischen Wachen zurück. Das änderte sich jedoch in dem Augenblick, in dem der Heeresstreifendienst vollständig in den Wehrmachtstreifendienst überführt wurde, da dessen Angehörige anders als ihre Vorgänger die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten. Damit fielen aber die erwähnten Beschränkungen der Befehlsgewalt der Streifen mit der Folge fort, daß diese künftig unabhängig von ihrem Dienstgrad mit Ausnahme ihrer eigenen Vorgesetzten allen übrigen Angehörigen der Wehrmacht einschließlich der Generale Befehle zu erteilen berechtigt waren. Diesen Befehlen durften sie zudem - insoweit in Übereinstimmung mit der für ihre Vorgänger im Heeresstreifendienst maßgeblichen Rechtslage - gemäß §124 RMStGB auch unter Zuhilfenahme von Zwangsmitteln, die notfalls bis zur Erschießung eines lediglich passiv ungehorsamen Soldaten reichen konnten, Geltung verschaffen. Soweit die Heeresstreifen im Zuge der Erfüllung ihrer Aufgaben überhaupt mit der Zivilbevölkerung in Berührung kamen, standen ihnen anfänglich noch keine spezifischen Rechtsgrundlagen zur Verfügung. Insoweit mußten sie sich also grundsätzlich mit den Jedermannrechten begnügen. Als Teil des Militärs konnten sie darüber hinaus allerdings auch ihre Waffen einsetzen, wenn ausnahmsweise doch einmal die Voraussetzungen des § 1 der Verordnung über den Waffengebrauch der Wehrmacht erfüllt waren. Erst dem Wehrmachtstreifendienst wurde in Gestalt der Befugnis, die Ausweise aller nicht der Wehrmacht oder der Waffen-SS angehörenden Personen zu kontrollieren, ein weitergehendes Recht eingeräumt, das lediglich durch die Erfordernisse des Geheimschutzes begrenzt war. Konsequenterweise durften die Wehrmachtstreifen dann jedoch auch jede Zivilperson vorläufig festnehmen, die bei ihrer Kontrolle den Verdacht einer strafbaren Handlung erweckte oder unzureichende Ausweise vorgelegt hatte. Indessen dürfte es sich bei dieser Festnahmebefugnis in Anbetracht der Tatsache, daß die Kontrollfunktion der Wehrmachtstreifen eher eine Randerscheinung ihres Aufgabenspektrums darstellte, keineswegs um einen Schwerpunkt des den Streifenangehörigen eingeräumten Befugnisrahmens gehandelt haben.

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8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

Im militärischen Bereich war die Rechtsstellung der Heeres- und der Wehrmachtstreifen des weiteren vor allem dadurch gekennzeichnet, daß ihnen - anders als etwa den Feldgendarmen - disziplinarstrafrechtliche Befugnisse zustanden. Der anfänglichen Regelung zufolge hatten die Kommandeure des Heeresstreifendienstes insoweit die Rechtsstellung eines Regimentskommandeurs gemäß § 14 HDStO inne, während die Führer der Offizierstreifen immerhin noch im Verhältnis zu allen Unteroffizieren und Mannschaften die Rechte eines Bataillonskommandeurs gemäß § 13 HDStO ausüben konnten. Indessen beschränkte sich diese Strafgewalt zunächst nur auf die Angehörigen des Heeres; auf die Soldaten der Luftwaffe und der Marine erstreckte sich die disziplinarstrafrechtliche Zuständigkeit des Heeresstreifendienstes dagegen nicht. Aber auch im Verhältnis zu den Heeresangehörigen waren die Disziplinarbefugnisse des Heeresstreifendienstes mit einer Subsidiaritätsanordnung verknüpft worden, da sowohl die Kommandeure als auch die Führer der Offizierstreifen lediglich dann Maßnahmen nach der HDStO ausführen durften, wenn die militärische Disziplin ein sofortiges Einschreiten erforderte, die unmittelbaren Disziplinarvorgesetzten der wegen eines Verstoßes gegen die Manneszucht zu strafenden Soldaten aber nicht auf der Stelle erreichbar waren. Grundsätzlich mußten sich die Heeresstreifen also damit begnügen, festgestellte Disziplinlosigkeiten an die jeweils zuständigen Truppenkommandeure und Dienststellen zu melden. Gegenüber den Offizieren des Heeres war dies für die Offizierstreifen zunächst sogar die einzig zulässige Vorgehensweise, da ihre Strafgewalt nur Unteroffiziere und Mannschaften umfaßte. Insoweit vergrößerte sich ihr Handlungsspielraum erst, nachdem im Jahre 1942 die Regelung eingeführt worden war, daß die Führer einer Offizierstreife künftig alle Heeresoffiziere mit gleichem oder niedrigerem Dienstgrad dem nächsterreichbaren Ortskommandanten oder Standortältesten zur sofortigen disziplinaren Prüfung des Falles vorführen und zu diesem Zweck notfalls auch vorläufig festnehmen durften; die Möglichkeit, einen Offizier aus eigener Machtvollkommenheit zu bestrafen, blieb den Offizierstreifen indessen nach wie vor verwehrt. Selbst die Kommandeure des Heeresstreifendienstes konnten jedoch die ihnen im Verhältnis zu den Offizieren eingeräumten Disziplinarstrafbefugnisse aufgrund der Vorschriften des § 11 HDStO auch dann, wenn ihre subsidiäre Zuständigkeit an sich gegeben war, lediglich in den eher seltenen Fällen ausüben, in denen der Delinquent die zu ahndende Disziplinarübertretung unter ihren Augen begangen hatte. In Anbetracht ihrer nur geringen personellen und materiellen Ressourcen waren die Heeresstreifen abweichend von den ansonsten gültigen Prinzipien des Disziplinarrechts nicht für die Vollstreckung der von ihnen verhängten Strafen zuständig. Vielmehr mußte diese Aufgabe von jeder Dienststelle übernommen werden, die von einem Angehörigen des Heeresstreifendienstes darum ersucht worden war. Das wirkte sich für die betroffenen Soldaten insoweit negativ aus, als ihren Beschwerden gegen die ihnen zugedachten Strafmaßnahmen abwei-

C. Zusammenfassung und Ergebnis

589

chend von den Vorschriften der HDStO der Suspensiveffekt versagt blieb. Die Disziplinarstrafen, die der Heeresstreifendienst verhängte, mußten daher von der damit beauftragten Dienststelle entweder sofort oder spätestens nach Ablauf einer Nacht vollstreckt werden. Mit der Aufstellung des Wehrmachtstreifendienstes veränderten sich diese Prinzipien dann zunächst einmal in bezug auf den Personenkreis, der der Strafgewalt der Streifen unterlag, da nunmehr nicht mehr nur die Soldaten des Heeres, sondern auch die Angehörigen der anderen Teilstreitkräfte und der WaffenSS disziplinar bestraft werden konnten. Das galt indessen nur noch für Unteroffiziere und Mannschaften; gegenüber Offizieren war fortan nicht einmal mehr der Chef des Wehrmachtstreifendienstes dazu berechtigt, Disziplinarstrafen zu verhängen. Unverändert geblieben war jedoch der Grundsatz, daß die Disziplinarstrafgewalt der Kommandeure des Streifendienstes derjenigen eines Regimentskommandeurs entsprach. Hingegen hatten die Führer der Offizierstreifen von wenigen Ausnahmen abgesehen in disziplinarstrafrechtlicher Hinsicht künftig nur noch die Rechtsstellung eines Kompaniechefs inne und waren mithin im Vergleich zur früheren Rechtslage zurückgestuft worden. Demgegenüber konnte der Inhaber des neugeschaffenen Dienstpostens des Chefs des Wehrmachtstreifendienstes sogar über die Disziplinarbefugnisse eines kommandierenden Generals verfügen. Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß die von den Wehrmachtstreifen verhängten Disziplinarstrafen erstmals selbst dann vollstreckt werden konnten, wenn der betroffene Soldat noch nicht einmal die Gelegenheit gehabt hatte, gegen seine Bestrafung Beschwerde einzulegen. Damit fehlte es einem vom Wehmachtstreifendienst disziplinar bestraften Soldaten endgültig an jeder Möglichkeit, sich auf diejenigen Vorschriften der HDStO und später der WDStO zu berufen, die einen Delinquenten an sich vor der Strafvollstreckung ohne vorherigen wirksamen Rechtsschutz bewahren sollten. Jeder Angehörige des Heeresstreifendienstes, dem nach den vorstehenden Ausführungen disziplinarstrafrechtliche Befugnisse zustanden, hatte zusätzlich das Recht, sich der Mittel der sogenannten disziplinaren Hilfsgewalt zu bedienen. Er konnte daher die seiner Strafgewalt unterworfenen Soldaten nicht nur disziplinar belangen, sondern daneben auch noch vorläufig festnehmen oder nach Maßgabe der „Verordnung über einstweilige Dienstenthebung in der Wehrmacht" vorübergehend von ihren Dienstposten suspendieren. Eine Einschränkung galt insoweit lediglich für den Fall, daß die Kommandeure des Heeresstreifendienstes einen Offizier einstweilig von seinen Dienstpflichten entbanden, denn da ihre Strafgewalt nicht dazu ausreichte, gegen Offiziere die höchstzulässigen Disziplinararreststrafen zu verhängen, bedurften die von ihnen ausgesprochenen Dienstenthebungen der Bestätigung durch den nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten. Nach der Ablösung des Heeresstreifendienstes durch den Wehrmachtstreifendienst änderten sich die Verhältnisse dann insofern, als dessen Angehörige im

590

8. Kap.: Die übrigen Ordnungstruppen der Wehrmacht

Verhältnis zu den Offizieren keine disziplinarstrafrechtlichen Befugnisse mehr ausüben konnten. Das hatte aber zwangsläufig zur Folge, daß insoweit auch die Rechte der disziplinaren Hilfsgewalt ersatzlos wegfielen. Zudem waren die Führer der Offizierstreifen aufgrund der beschriebenen Rückstufung ihrer Strafgewalt künftig selbst gegenüber Mannschaften nicht mehr dazu in der Lage, Arreststrafen bis zum höchstzulässigen Maß festzusetzen. Dementsprechend bedurften die von einer Offizierstreife des Wehrmachtstreifendienstes verfügten Dienstenthebungen im Gegensatz zur früheren Rechtslage fortan stets der Bestätigung durch den vorgesetzten Kommandeur. Die Rechtsstellung der Heeresstreifen wurde sodann noch durch einige weitere Festnahmebefugnisse abgerundet. So war es jedem Angehörigen des Heeresstreifendienstes gestattet, den seiner Befehlsgewalt unterstehenden Soldaten zum Zwecke der Durchsetzung der von ihm erteilten Anordnungen die Freiheit zu entziehen. In gleicher Weise konnte jede Streife auch im Rahmen des allgemeinen Notwehrrechts vorläufige Festnahmen vornehmen. Darüber hinaus gestattete die Dienstanweisung für den Heeresstreifendienst den Führern einer Streife, die Täter einer Disziplinarübertretung festzunehmen, wenn sie sich nicht genügend ausweisen konnten. Zudem durften auch solche Soldaten arretiert werden, die sich keiner disziplinarstrafrechtlichen Verhaltensweise schuldig gemacht hatten. Voraussetzung dafür war jedoch, daß ihre Personalien ohne entsprechende Dokumente nicht einwandfrei festgestellt werden konnten und sie sich gleichwohl geweigert hatten, der ihnen gegenüber den Heeresstreifen obliegenden Ausweispflicht nachzukommen. In diesem Fall waren die Führer der Offizierstreifen dann sogar berechtigt, mit Ausnahme von Generalen, Admiralen und Wehrmachtbeamten im Generalsrang auch alle Offiziere des Heeres festzunehmen. Schließlich konnten diejenigen Angehörigen des Heeresstreifendienstes, die mit disziplinarstrafrechtlichen Befugnissen versehen worden waren, aufgrund der Vorschrift des § 16 DI KStVO im Vorfeld der Eröffnung eines Kriegsstrafverfahrens auch noch den Beschuldigten festnehmen, wenn der Untersuchungszweck oder sonstige militärische Belange es erforderten. War damit aber der Befugnisrahmen der Heeresstreifen ausgeschöpft, so ging derjenige der Wehrmachtstreifen sogar noch weiter darüber hinaus. Da nämlich die Wehrmachtstreifen im Gegensatz zu ihren Vorgängern die Rechtsstellung militärischer Wachen innehatten, war es ihnen möglich, zur Begründung einer Festnahme zusätzlich noch auf die Regelungen der Standortdienstvorschrift zurückzugreifen. Dadurch waren sie berechtigt, den übrigen Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS nicht nur zur gerichtlichen Strafverfolgung oder aus Gründen der Manneszucht, sondern auch aus verschiedenen Schutz- und Sicherheitserwägungen heraus die Freiheit zu entziehen. Überdies konnten sie wie alle Wachmannschaften unabhängig von ihrem Dienstgrad jeden Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS einschließlich der Offiziere im Generalsrang aus eigenem Recht kontrollieren und im Falle nicht oder nur unzureichend fest-

C. Zusammenfassung und Ergebnis

591

stellbarer Identität vorläufig festnehmen. Schließlich war die Wacheigenschaft der Wehrmachtstreifen auch dafür verantwortlich, daß sie im Unterschied zu den Angehörigen des ehemaligen Heeresstreifendienstes sowohl der Schutzvorschrift des § 111 I RMStGB als auch den Bestimmungen, die der § 125 I RMStGB über die spezifische Verantwortlichkeit militärischer Wachen enthielt, unterfielen. Die abschließende Bewertung der in diesem Kapitel betrachteten Formationen kommt nicht an dem Urteil vorbei, daß beide Truppengattungen ganz eindeutig eine militärpolizeiliche Prägung aufwiesen. Sowohl die verkehrsdienstlichen Tätigkeiten der Verkehrsregelungsbataillone als auch die ordnungsdienstlichen Aufgaben der Streifendienste gehören nämlich ohne Zweifel zum Kernbereich militärpolizeilicher Obliegenheiten. Ebenso sicher läßt sich aber zugleich feststellen, daß die Pflichterikreise beider Formationen jeweils nur ein Teilgebiet der in der Einführung als klassisch bezeichneten militärpolizeilichen Aufgabentrias abdeckten. Das gilt in besonderem Maße für die Streifendienste, da deren ordnungsdienstliche Funktion sich im wesentlichen darin erschöpfte, die militärische Disziplin und Ordnung aufrechtzuerhalten. Damit war ihnen aber selbst innerhalb des ohnehin bereits nur einen Ausschnitt möglicher militärpolizeilicher Pflichten darstellenden militärischen Ordnungsdienstes wiederum nur eine einzige Detailaufgabe zur Erfüllung zugewiesen worden. Soweit sie daneben insbesondere in den letzten Kriegsmonaten auch noch andere Aufträge ausgeführt haben, können diese im Rahmen einer zusammenfassenden Betrachtung ohne weiteres außer acht gelassen werden, da sie sowohl zeitlich als auch inhaltlich nicht über die Bedeutung von gelegentlichen Begleiterscheinungen hinausgekommen sind und mithin in keiner Weise typisch waren. Aus dem Blickwinkel ihres Pflichtenkreises gesehen können die Streifendienste demgemäß in gleicher Weise wie die Verkehrsregelungsbataillone nur bedingt als eine echte militärpolizeiliche Truppengattung bezeichnet werden. Sie lassen sich aus diesem Grunde auch nicht - wie etwa die Feldgendarmerie - in umfassendem Sinne als Aufgaben Vorläufer der heutigen Feldjäger einordnen und stellen daher letztlich nur eine Randerscheinung der historischen Entwicklung hin zur Militärpolizei der Bundeswehr dar. Aufgrund ihres gleichwohl nicht zu leugnenden partiellen militärpolizeilichen Charakters, der ihnen durch ihre jeweilige Funktion vermittelt wurde, müssen sie der Vollständigkeit halber aber dennoch zu den Vorgängern der Feldjägertruppe der Gegenwart gezählt werden.

Ergebnis des zweiten Teils der Arbeit Die Untersuchungen im zweiten Teil der Arbeit haben zunächst erkennen lassen, daß die Feldgendarmerie im wesentlichen nur solche Pflichten zu erfüllen hatte, die zu der in der Einführung als klassisch bezeichneten militärpolizeilichen Aufgabentrias gehören. Sie hat sich daher als eine Truppengattung erwiesen, die in jeder Hinsicht als ein Aufgabenvorläufer der Bundeswehr-Feldjäger zu bezeichnen ist. Die weiteren Betrachtungen haben zudem gezeigt, daß die Feldgendarmerie die älteste militärpolizeiliche Formation in der preußisch-deutschen Heeresgeschichte war, da sämtliche noch früher existierenden und ebenfalls als „Gendarmerie" bezeichneten Truppengattungen anderen Zwecken dienten: Weder die Arme- und die aus ihr hervorgegangene Leibgendarmerie noch die Hafengendarmerie des preußischen Militärs hatten ordnungs-, Verkehrs- oder sicherheitsdienstliche Tätigkeiten zu verrichten. Es handelte sich bei ihnen daher auch nicht ansatzweise um frühe Formen der späteren Feldgendarmerie, die somit nicht auf ein historisches Vorbild in den preußisch-deutschen Streitkräften verweisen konnte. Schließlich hat die Ausweitung der Darstellung auf andere Ordnungstruppen, die im zweiten Weltkrieg in der Wehrmacht ihren Dienst versahen, zu dem Ergebnis geführt, daß keine der betrachteten Formationen in umfassendem Sinne militärpolizeiliche Obliegenheiten zu erfüllen hatte. So war das Aufgabenspektrum der Verkehrsregelungsbataillone ausschließlich auf den verkehrsdienstlichen Bereich beschränkt, während dasjenige des Heeres- und späteren Wehrmachtstreifendienstes im wesentlichen nur aus ordnungsdienstlichen Verrichtungen bestand. Beide Institutionen sind also lediglich partielle Aufgabenvorläufer der heutigen Feldjäger und können demzufolge nicht im gleichen Maße wie etwa die Feldgendarmerie als echte Militärpolizeiformationen angesehen werden. In einer Arbeit über die geschichtliche Entwicklung hin zur Feldjägertruppe der Bundeswehr dürfen sie mithin auch nur der Vollständigkeit halber Aufnahme finden. Damit steht zugleich auch fest, daß die Feldgendarmerie im Hinblick auf die Aufgaben der Bundeswehr-Feldjäger die eigentliche Vorgängerorganisation gewesen ist, da es vor ihrer Gründung überhaupt keine und im Verlauf ihrer Formationsgeschichte zumindest keine über einen längeren Zeitraum hinweg bestehende andere Truppengattung gegeben hat, die in umfassendem Sinne durch die Erfüllung militärpolizeilicher Verpflichtungen gekennzeichnet war. Letztlich

Ergebnis des zweiten Teils der Arbeit

593

hat daher die Entscheidung des Verteidigungsministeriums, die im Jahre 1955 neu zu gründende Ordnungstruppe der Bundeswehr „Feldjäger" zu nennen, auch für einen Bruch mit der traditionellen Art der Namensgebung für die Militärpolizei in den preußisch-deutschen Streitkräften gesorgt.

38 Schütz

Gesamtergebnis Der erste Teil der Arbeit hat zu dem Ergebnis geführt, daß sich die im Jahre 1955 erfolgte Auswahl der Bezeichnung für die neue Ordnungstruppe der Bundeswehr in Gestalt des von Friedrich dem Großen unter dem 24.11.1740 gegründeten Reitenden Feldjägerkorps an einer historischen Truppengattung der preußischen Armee orientiert hat. Demgegenüber ist dem zweiten Teil der Arbeit zu entnehmen, daß mit Blick auf ihre Aufgaben die erstmals im Jahre 1866 unter Heranziehung von zivilen Polizeibeamten aufgestellte Feldgendarmerie als die eigentliche Vorläuferorganisation der Bundeswehr-Feldjäger zu betrachten ist. Die Namensgebung für die Feldjägertruppe der Bundeswehr hat demnach zweierlei bewirkt: Während sie nämlich einerseits zur Folge hatte, daß die Feldjäger der Bundeswehr ihre Tradition auf das Reitende Feldjägerkorps Friedrich des Großen zurückführen können, hat sie anderseits zugleich auch eine Abkehr von der herkömmlichen Art der Bezeichnung für die Militärpolizei in den preußisch-deutschen Streitkräften hervorgerufen. Damit stößt aber jede Darstellung der geschichtlichen Entwicklung hin zur Feldjägertruppe der Bundeswehr auf die eigentümliche Schwierigkeit, daß Aufgaben- und Traditionsvorläufer dieser Formation nicht identisch sind. Gleichwohl ist im ersten Teil der Arbeit auch nachgewiesen worden, daß die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung, die neue Ordnungstruppe der Bundeswehr „Feldjäger" zu nennen, nachdem die ursprüngliche Bezeichnung als „Militärpolizei" nicht mehr in Frage kam, zu Recht getroffen wurde. Die Betrachtung aller historischen Truppenteile, die als Namensvorläufer der Bundes wehr-Feldjäger in Betracht kamen, hat nämlich die im Laufe der Zeit deutlich ansteigende Tendenz erkennen lassen, mit dem Begriff „Feldjäger" militärpolizeiliche Tätigkeiten zu assoziieren. Dieser Trend gipfelte schließlich in der Feldjägertruppe der Wehrmacht, da diese nicht nur in bezug auf ihren Namen, sondern ebenso auch hinsichtlich ihrer Aufgaben und Befugnisse umfassende Parallelen zur Militärpolizeitruppe der Bundeswehr aufwies. Die Feldjägerkommandos der Wehrmacht können demgemäß geradezu als eine Schnittstelle der bis dahin strikt zweigleisig verlaufenden Geschichte der Vorläuferorganisationen der Bundeswehr-Feldjäger bezeichnet werden. Dieser Befund darf jedoch schon allein aufgrund der lediglich knapp eineinhalb Jahre andauernden Existenz der Feldjägerkommandos keinesfalls darüber

Gesamtergebnis

595

hinwegtäuschen, daß die heutige Feldjägertruppe zwei verschiedene historische Wurzeln hat, deren getrennte Betrachtung daher für eine vollständige Darstellung der geschichtlichen Entwicklung hin zur Militärpolizei der Bundeswehr unerläßlich war.

38*

Anhang

Anlage 1

Verzeichnis der Chefs des Reitenden Feldjägerkorps1 24.11.1740

Generalleutnant Hans Christoph Friedrich von Hacke

04.06.1750

Generalleutnant Johann Jobst Heinrich Wilhelm von Buddenbrock

01.12.1754

Generalmajor Johann Ludwig von Ingersleben

01.12.1757

Generalmajor Moritz Franz Kasimir von Wobersnow

19.01.1759

Generalleutnant Hans Friedrich von Krusemark

01.06.1768

General der Infanterie Heinrich Wilhelm von Anhalt

05.07.1781

Generalleutnant Friedrich Wilhelm von Götzen

24.08.1784

Generalleutnant Emst Friedrich Carl von Hanstein

01.11.1787

Generalleutnant Levin von Geusau

26.08.1790

Generalleutnant Hans Rudolf von Bischofswerder

03.01.1798

General der Infanterie Friedrich Wilhelm von Zastrow

20.05.1801

Generalleutnant Carl Leopold von Köckritz

17.02.1822

Generalfeldmarschall Karl Friedrich von dem Knesebeck

14.10.1847

General der Infanterie August Wilhelm von Neumann

20.05.1865

Keine Besetzung der Chefstelle bis zum 08.12.1869

09.12.1869

General der Infanterie Adolf Albert Ferdinand Karl Leopold von Bonin

11.01.1873

General der Kavallerie Carl Friedrich Graf von der Goltz

12.04.1888

Generalfeldmarschall Carl Constantin Albrecht Leonhard Graf von Blumenthal

18.01.1901

General der Infanterie Franz Wilhelm Bernhard von Werder

18.09.1907

Generaloberst Hans von Plessen

1

Das Verzeichnis ist auf der Basis der entsprechenden Übersichten bei Heym\ S. 167 f.; Lange, S. 48 f.; Voigt, Band 7, S. 790 f; Wegner, Teil 1/1, S. 27 f. und Teil 1/3, S. 197, erstellt worden. Der angegebene Dienstgrad ist jeweils der letzte, der von den Chefs des Korps erreicht worden ist.

Anlage

Verzeichnis der Kommandeure des Reitenden Feldjägerkorps1 24.11.1740

Obeijäger Joachim Schenck, „Capitaine de Guides"

1744

Generalleutnant Johann Jobst Heinrich Wilhelm von Buddenbrock

Im Zuge der Vorbereitungen für den kurz bevorstehenden zweiten Schlesischen Krieg ordnete Friedrich der Große in der A. K. O. vom 15.06.17442 die Gliederung des Korps in zwei Eskadrons an, denen jeweils ein Rittmeister vorstand. Nachdem der Generalleutnant von Buddenbrock am 04.06.1750 zum Chef des Korps ernannt worden war, wurde die Stelle des Kommandeurs zunächst nicht mehr besetzt. Stattdessen übernahmen die jeweiligen Rittmeister die damit verbundenen Aufgaben gemeinsam. 1750

Rittmeister von Bayar

22.09.1746

Rittmeister von Kautek3

1770

Major Franz Adam von Frankenberg

Nach dem Tode des Rittmeisters von Bayar im Jahre 1791 wurde die Einteilung des Korps in zwei Eskadrons wieder rückgängig gemacht und der Major von Frankenberg avancierte zum Kommandeur. 4 1791

Major Franz Adam von Frankenberg

1799

Major Emanuel Balthasar Leopold von Boeltzig

20.10.1812

Oberstleutnant Sigesmund August von Valentini

11.03.1834

Major Carl Friedrich Gumtau

14.10.1847

Oberst Friedrich Schulemann

1 Das Verzeichnis ist auf der Grundlage der entsprechenden Übersichten bei Heym\ S. 169 bis 172; Voigt, Band 7, S. 791 f.; Wegner, Teil 1/1, S. 29 f., und Teil 1/3, S. 198 f., erstellt worden. Der angegebene Dienstgrad ist jeweils der letzte, der von den Kommandeuren erreicht worden ist. 2 Auszugsweise abgedruckt bei von Rentzell S. 4. 3 Ernannt durch die A. K. O. vom 22.09.1746, GStA PK II. HA, „Forstdepartement", Titel II, Nr. 55, Bl. 120 d.A. 4 Heym\ S. 26.

Anlage 2

601

Oberst Schulemann verstarb am 25.05.1856. Seit dieser Zeit wurde bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs der Inspekteur der Jäger und Schützen mit der Führung des Reitenden Feldjägerkorps betraut; einen eigenen Kommandeur hatte das Korps seither nicht mehr. 5 23.10.1856

General der Infanterie Heinrich Ludwig Franz von Plonski

22.05.1858

General der Infanterie Carl Friedrich Wilhelm Leopold August von Werder

29.01.1863

Generalmajor Louis Abraham Theobald Graf zu Dohna

13.01.1868

General der Infanterie Hugo Moritz Anton Heinrich von Obernitz

06.05.1871

General der Infanterie Kuno Alexander Eduard Freiherr von der Goltz

12.04.1873

General der Infanterie Friedrich Wilhelm Gustav von Stiehle

02.11.1875

Generalleutnant Rudolf Bernhard Alexander von Thile

12.03.1881

General der Infanterie Stanislaus Eduard Paul von Leszczynski

15.05.1883

General der Infanterie Gustav Emil Heinrich Karl von Arnim

09.07.1887

Generalleutnant Karl Alexander Friedrich August Graf Finck von Finckenstein

24.03.1890

Generalmajor Friedrich Franz Hugo von Oidtman

20.10.1891

Generalleutnant Hans Georg Ferdinand Erdmann von Schweinicken

14.11.1894

Generalleutnant Johann Karl Eduard von Müller

27.01.1898

Generalleutnant Ferdinand Gustav Hans von Arnim

22.03.1902

Generalleutnant Karl Freiherr von Plettenberg

16.10.1906

Generalleutnant Rudolf Graf von Bünau

01.08.1908

Generalleutnant Karl Friedrich Georg Otto Alfred von Larisch

01.10.1912

Generalleutnant Ludwig Friedrich August Eugen Eduard Leo Sontag

Da die Inspektion der Jäger und Schützen beim Ausbruch des ersten Weltkrieges aufgelöst worden war, wurde das Kommando über das Reitende Feldjägerkorps während des Krieges auf die Inspektion der immobilen Gardeinfanterie übertragen. Nach dem ersten Weltkrieg hatte das Reitende Feldjägerkorps dann nur noch einen Kommandeur, der die Auflösung und Abwicklung der Truppe zu überwachen hatte.6 09.02.1919

5 6

Generalleutnant Bernhard Graf Finck von Finckenstein

Roeder, S. 5; Umdruck SFJg StDst, S. 4. Böckle, S. 128.

Anlage

Verzeichnis der Dienstvorschriften des Reitenden Feldjägerkorps nicht mehr nachweisbar, erwähnt bei Heym1, S. 31

1770

älteste bekannte Dienstvorschrift

01.04.1784

ausführlichere neue Dienstvorschrift nicht mehr nachweisbar, erwähnt bei Heym1, a.a.O.

04.05.1784

„Instruction, wie es künftighin mit denen jungen Jäger-Burschen, so beym Corps angenommen werden, gehalten werden soll"

GStA PK IV. HA B Nr. 708

1791

Instruktion für die Grenzpostierungskommandos entlang der sächsischen Grenze

nicht mehr nachweisbar, erwähnt bei Heym1, S. 33

11.08.1798

,»Instruction für das reitende Feldj äger-Corps"

GStA PK IV. HA B. Nr. 708

08.12.1799

,3efehl für den Garnisons-Dienst"

GStA PK IV. HA B. Nr. 708

1804/05

„Reglement für das Königlich Preußische Feldjäger-Corps zu Pferde"

GStA PK IV. HA B. Nr. 708

28.05.1824

„Bestimmungen für das reitende Feld-Jäger-Corps"

GStA PK IV. HA B. Nr. 708

1836

Dienstinstruktion

nicht mehr nachweisbar, erwähnt bei Heym1, S. 94

1853

Dienstinstruktion

nicht mehr nachweisbar, erwähnt bei Heym1, a.a.O.

01.08.1874

„Dienst-Instruction für das Königliche Reitende Feldjägerkorps"

erschienen im Verlag E. S. Mittler und Sohn, Berlin, 1881

01.07.1888

Dienstinstruktion

nicht mehr nachweisbar, erwähnt bei Heym1, S. 146

30.11.1899

,JDienst-Vorschrift für das Königliche Reitende Feldjägerkorps"

erschienen im Verlag E. S. Mittler und Sohn, Berlin, 1900

10.03.1911

„Dienstvorschrift für das Königliche BA-MA PHD 13/1 Reitende Feldjägerkorps"

Anlage

Verzeichnis der Dienstvorschriften der Feldgendarmerie 25.05.1866

Allerhöchste Kabinettsorder/„DienstInstruction für die Armee-Gendarmerie bei den im Felde stehenden Truppen" nebst Ausführungsvorschriften des Kriegsministeriums vom 31.05.1866

GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band I, ohne Blattangabe

1867

„Grundsätze zur Organisation des bei einer Mobilmachung zu formierenden Feldgendarmerie-Corps"

GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band I, Bl. 72 ff. d. A.

07.01.1869

GStA PK I. HA Rep. 77 „Reglement über die Organisation der Feldgendarmerie" und „Dienst- Titel 1206 Nr. 4 Band I, Instruction für die Feldgendarmerie" ohne Blattangabe

15.08.1872

„Reglement über die Organisation GStA PK I. HA Rep. 77 der Feldgendarmerie" und „Dienst- Titel 1206 Nr. 4 Band I, Instruction für die Feldgendarmerie" ohne Blattangabe

02.05.1875

„Instruction über die Errichtung der nicht mehr nachweisbar, aber im Feldgendarmerie" Aktenbestand GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1712 Nr. 52 Band II, Bl. 42 bis 44 d.A., mehrfach erwähnt

10.06.1890

, Jeldgendarmerieordnung"

23.05.1891

„Instruktion über die Errichtung der GStA PK I. HA Rep. 77 Titel 1206 Nr. 4 Band II, Bl. 154 Feldgendarmerie" bis 181 d.A.

22.07.1938

,,Feldgendarmerie-Vorschrift" (F. Gend. V.)

H. Dv. 275 L. Dv. 2801 BA-ZNS M. Dv. Nr. 253

29.07.1940

,,Feldgendarmerie-Vorschrift" (F. Gend. V.)

H. Dv. 275 L. Dv. 2801 BA-ZNS M. Dv. Nr. 253

ebda.

BA-MA PHD 3/181

Anlage

Übersicht über die Feldgendarmerieeinheiten des zweiten Weltkrieges Die nachfolgende Übersicht ist sowohl mit Hilfe von Primärquellenmaterial als auch unter Hinzuziehung der einschlägigen Literatur erstellt worden. Zu den wichtigsten Primärquellen zählen dabei die Kriegsgliederung des Feldheeres, Band V: „Heerestruppen, Armeetruppen, Versorgungstruppen Sommer 1943-Januar 1944", S. 147-149, 151-164 und 171 f., 1 das Feldpostverzeichnis, Teil m , Band 13, 12. Neudruck, Stand: 06.02.19452 sowie die Verleihungslisten des Eisernen Kreuzes und des Kriegsverdienstkreuzes, erstellt vom BA-ZNS unter Az. I 40-90/68. Im Bereich der Literatur ist insbesondere auf die Gliederungsübersichten bei Mueller-Hillebrand, Keilig-Koch und Tessin zurückgegriffen worden. Gleichwohl war es einerseits aufgrund der beinahe verwirrenden Vielzahl an Feldgendarmerieeinheiten verschiedener Größenordnung und andererseits infolge ständiger Umgliederungsmaßnahmen innerhalb der Feldgendarmerieorganisation3 und zahlreicher Neuaufstellungen letztlich nicht möglich, ein Verzeichnis zu erstellen, das Anspruch darauf erheben könnte, wirklich vollständig zu sein. Die Grundstrukturen der Feldgendarmerieorganisation im zweiten Weltkrieg dürften dagegen deutlich werden.

A. Die Heerestruppen Als Heerestruppen bezeichnete man ursprünglich diejenigen Truppenteile, die unmittelbar dem Oberkommando des Heeres unterstanden und die den nachgeordneten Kommandobehörden im Einzelfall zur Verfügung gestellt wurden, damit diese die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen konnten. Die Heerestruppen umfaßten sowohl kämpfende Truppen als auch rückwärtige Dienste, zu denen die Feldgendarmerie gezählt wurde. 4 Im einzelnen haben sich im Bereich der Heerestruppen folgende Feldgendarmerieverbände nachweisen lassen: 1

BA-MA RHD 18/70. BA-MA RH 3/89. 3 Vgl. dazu beispielsweise den Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 37535/42g. vom 12.12.1942 betreffend die Neugliederung der Feldgendarmerie im Wehrkreis Generalgouvernement, BA-MA RH 15/248, Bl. 66 ff. d.A. 4 Vgl. Mueller-Hillebrand I, S. 75. 2

Anlage

605

Feldgendarmeriebataillon 682 Feldgendarmeriebataillon 683 Feldgendarmeriebataillon 685 Die Feldgendarmeriebataillone wurden im Mai 1940 in Feldgendarmerieabteilungen umbenannt. Nennenswerte Umgliederungen scheinen mit dieser Namensänderung indessen nicht verbunden gewesen zu sein.

B. Die Armeetruppen Unter Armeetruppen waren anfangs des zweiten Weltkrieges diejenigen „Hilfstruppen" zu verstehen, die den für die Führung einer Armee verantwortlichen Armeeoberkommandos zur Erfüllung ihrer logistischen und territorialen Kriegsaufgaben unmittelbar unterstanden und zumeist erst mit der Mobilmachung aufgestellt wurden. 5 Im Mai 1940 wurde die Bezeichnung Armeetruppen dann durch den Begriff der Heerestruppen ersetzt, ohne daß damit eine inhaltliche Veränderung einhergegangen wäre. 6 Die Organisation der für die Armeeoberkommandos vorgesehenen Armeetruppen folgte stets dem gleichen Grundmuster, so daß ihre Zusammenstellung von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen immer identisch war. Sie wurden daher auch als „Pakete" bezeichnet und konnten je nach Bedarf ohne weiteres zwischen den verschiedenen Armeeoberkommandos ausgetauscht werden. 7 Da sie zum größten Teil erst mit der Mobilmachung des Heeres in vorgeplanten Sammelräumen aufgestellt wurden, fehlte ihnen schon bei Kriegsausbruch eine feste Zuordnung zu einem bestimmten Armeeoberkommando. Welches Paket Armeetruppen zu den einzelnen Armeeoberkommandos treten sollte, richtete sich daher nur nach den Aufmarschabsichten. Dadurch gelang es, längere Aufmarschtransporte zu vermeiden.8 Die den Armeetruppen angehörende Organisationseinheit der Feldgendarmerie wurde als Abteilung bezeichnet und bestand aus drei Kompanien,9 auf deren Aufnahme in die nachfolgende Übersicht jedoch aus Platzgründen verzichtet werden mußte. Insoweit ist auf das eingangs aufgeführte Quellenmaterial zu verweisen. 10 Aufgrund der weitgehenden Austauschbarkeit der Armeetruppenpakete haben deren Unterstellungsverhältnisse im Verlauf des Krieges häufig gewechselt. Dabei 5

Mueller-Hillebrand I, S. 74; Schottelius/Caspar, S. 336. Mueller-Hillebrand II, S. 117. 7 Handbook on German Military Forces, S. ü-98; Schottelius/Caspar, S. 336; Tessin, S. 293. 8 Mueller-Hillebrand I, S. 146. 9 Handbook on German Military Forces, S. 11-100; Sehrt, S. 302; Tessin, S. 294. Hinzu kamen noch der Abteilungsstab und ein Stabszug, vgl. Keilig-Koch, S. 285. 10 Eine Gliederungsübersicht der Feldgendarmeriekompanien ist in Anlage 5 a enthalten. 6

606

Anlage 5

wurden zuweilen sogar einzelne Truppenteile der verschiedenen Pakete nicht nur einem anderen Armeeoberkommando zugeteilt, sondern auch einer höheren territorialen Kommandobehörde wie etwa dem Militärbefehlshaber in Frankreich zugewiesen. Mitunter ist überdies auch die Unterstellung ganzer Feldgendarmerieabteilungen unter das Generalkommando eines Armeekorps festzustellen, obwohl die Korps an sich im Verhältnis zu den Armeen die nächst kleineren Organisationseinheiten waren und daher grundsätzlich nur über Feldgendarmerietrupps verfügten. Daß davon dennoch gelegentlich in der beschriebenen Art und Weise abgewichen wurde, war wohl auf Ziffer 1 Absatz 4 der H. Dv. 275 (1940) zurückzuführen, da darin die Zuteilung einzelner Feldgendarmerieeinheiten oder sogar von Feldgendarmerieteileinheiten „zur vorübergehenden Verstärkung oder zur Durchführung bestimmter Aufgaben" an andere Dienststellen ausdrücklich zugelassen wurde. Hinzu kamen schließlich auch noch zahlreiche Umbenennungen sowie Neuaufstellungen größerer Truppenverbände unter Verwendung früher bereits anderweitig vergebener Bezeichnungen. Angesichts der aus diesen Gründen ständig sich verändernden Truppenzugehörigkeit der Feldgendarmerieabteilungen kann das nachfolgende Verzeichnis keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Auch die Aufzählung einzelner Unterstellungsverhältnisse, die anhand der eingangs genannten Quellen nachvollzogen werden konnten, darf daher wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht als abschließend bezeichnet werden. Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse im Laufe des Krieges

Feldgendarmerieabteilung 501

Generalkommando XXII. Armeekorps Armeeoberkommando 12 Heeresgruppe E

Feldgendarmerieabteilung 521

Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich Panzergruppenkommando 4 1 1 Armeeoberkommando 1 Generalkommando LVI. Armeekorps Generalkommando XXXXVIII. Armeekorps Panzerarmeeoberkommando 1

Feldgendarmerieabteilung 531

Armeeoberkommando 9 Generalkommando XXXXVI. Armeekorps

Feldgendarmerieabteilung 541

Armeeoberkommando 6 Armeeoberkommando 14

11 Seit Februar 1942: Panzerarmeeoberkommando 4; vgl. Granier/Henke/Oldenhage, S. 239.

Anlage

607

Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse im Laufe des Krieges

Feldgendarmerieabteilung 551

Armeeoberkommando 4 Generalkommando XII. Armeekorps Panzergruppenkommando 3 1 2 Panzerarmeeoberkommando 4 Armeeoberkommando 8 Generalkommando LVI. Armeekorps Generalkommando XXXXI. Armeekorps Generalkommando XXXX. Armeekorps Heeresgruppe Süd

Feldgendarmerieabteilung 561

Armeeoberkommando 16

Feldgendarmerieabteilung 571

Militärbefehlshaber in Frankreich Armeeoberkommando 18 Panzerarmeeoberkommando 2 Armeeoberkommando 6

Feldgendarmerieabteilung 581

Armeeoberkommando 4 Armeeoberkommando 2

Feldgendarmerieabteilung 591

Armeeoberkommando 1 Panzerarmeeoberkommando 2 Militärbefehlshaber in Frankreich Generalkommando XXIV. Panzerkorps

Feldgendarmerieabteilung 613

Panzerarmeeoberkommando Afrika 13

Feldgendarmerieabteilung 682

Armeeoberkommando 7 Armeeoberkommando 18 Panzergruppenkommando l 1 4 Heeresgruppe Süd Heeresgruppe Nordukraine Heeresgruppe A Heeresgruppe Mitte Generalkommando III. Armeekorps Panzerarmeeoberkommando 1 Armeeoberkommando 17

Feldgendarmerieabteilung 683

Armeeoberkommando 12 Armeeoberkommando 17 Armeeoberkommando 2 Armeeoberkommando 11 Generalkommando XXXXII. Armeekorps Armeeoberkommando 8 Fortsetzung Seite 608

12

Seit Januar 1942: Panzerarmeeoberkommando 3; vgl. Granier!Henke!Oldenhage, a.a.O. (Fn. 11). 13 Vgl. dazu und zu den nachfolgenden Umbenennungen dieses Verbandes: Granier/Henke/Oldenhage, S. 229. 14 Seit Oktober 1941: Panzerarmeeoberkommando 1; vgl. Granier/Henke/Oldenhage, S. 238.

608

Anlage 5

Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse im Laufe des Krieges

Feldgendarmerieabteilung 685

Armeeoberkommando 2 Panzergruppenkommando l 1 4 Armeeoberkommando 4 Generalkommando XI. Armeekorps Generalkommando XXXX. Armeekorps Armeeoberkommando 17

Feldgendarmerieabteilung 689

Armeeoberkommando 18 Generalkommando XXVI. Armeekorps

Feldgendarmerieabteilung 690

Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Mitte 15 Wehrmachtbefehlshaber für Weißruthenien

Feldgendarmerieabteilung 691

Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Nord 16 Armeeoberkommando 17

Feldgendarmerieabteilung 692

Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Süd17 Armeeoberkommando 10

Feldgendarmerieabteilung 693

Stellvertretendes Generalkommando III. Armeekorps Armeeoberkommando 17 Generalkommando XXXX3L Armeekorps Panzerarmeeoberkommando 5 1 8

Feldgendarmerieabteilung 694

Panzergruppenkommando 312 Armeeoberkommando 17 Heeresgruppe A Heeresgruppe Südukraine Heeresgruppe Süd Heeresgruppe A Generalkommando LXXII. Armeekorps

Feldgendarmerieabteilung 695

Militärbefehlshaber im Generalgouvernement Generalkommando XXXXVI. Armeekorps Panzerarmeeoberkommando 4 Generalkommando XI. Armeekorps Panzerarmeeoberkommando 3

15 Seit 01.04.1942: Kommandierender General der Sicherungstruppen und Befehlshaber im Heeresgebiet Mitte; vgl. Granier! Henke/Oldenhage, S. 243. 16 Seit 01.04.1942: Kommandierender General der Sicherungstruppen und Befehlshaber im Heeresgebiet Nord; vgl. Granier!Henke/Oldenhage, a.a.O. (Fn. 15). 17 Seit 01.04.1942: Kommandierender General der Sicherungstruppen und Befehlshaber im Heeresgebiet Süd; vgl. Granier! Henkel Oldenhage, a.a.O. (Fn. 15). 18 Das Panzerarmeeoberkommando 5 entstand durch Umgliederung des Generalkommandos LXXXX. Armeekorps erstmals im Dezember 1942 in Afrika, wurde jedoch bereits im Mai 1943 in Tunis wieder vernichtet. Seit August 1944 führte dann das ehemalige Panzergruppenkommando West erneut die Bezeichnung Panzerarmeeoberkommando 5. Welchem dieser Verbände die Feldgendarmerieabteilung 693 zugeordnet war, hat sich anhand des benutzten Quellenmaterials nicht klären lassen.

Anlage 5

609

Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse im Laufe des Krieges

Feldgendarmerieabteilung 696

Armeeoberkommando 4 Armeeoberkommando 2 Generalkommando XV. Armeekorps Militärbefehlshaber Südost Heeresgruppe E

Feldgendarmerieabteilung 697

Armeeoberkommando 4

Feldgendarmerieabteilung 698

Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes A 1 9 Befehlshaber im rückwärtigen Operationsgebiet der Heeresgruppe Südukraine Panzerarmeeoberkommando 2

Feldgendarmerieabteilung A. O. K. 19

Armeeoberkommando 19 20

C. Die Korpstruppen Bei den Korpstruppen handelte es sich um Truppenteile, die die für die Führung der Armeekorps bestimmten Generalkommandos in gleicher Weise zu unterstützen hatten wie die Armeetruppen die Armeeoberkommandos. Die den Korpstruppen zugeordneten Einheiten der Feldgendarmerie wurden als Feldgendarmerietrupps bezeichnet. Eine Fluktuation der Unterstellungsverhältnisse wie 19 Seit 01.04.1942: Kommandierender General der Sicherungstruppen und Befehlshaber im Heeresgebiet A; vgl. Granier/Henke/Oldenhage, a.a.O. (Fn. 15). 20 Obgleich das Armeeoberkommando 19 bereits im August 1943 aus der ehemaligen Armeegruppe Felber hervorgegangen war (Granier/Henke/Oldenhage, S. 236), konnte es auch ein Jahr später noch nicht über Feldgendarmeriekräfte in Abteilungsstärke verfügen. Vielmehr wurde ihm die in der Übersicht aufgeführte Feldgendarmerieabteilung erst am 12.09.1944 zugewiesen (Keilig-Koch, S. 286). Der Grund für diese Verzögerung ist ganz offenbar in einem Mangel an qualifiziertem Personal zu erblikken, da auch die im September 1944 abgeschlossene Aufstellung der neuen Feldgendarmerieabteilung nicht unter Heranziehung von Feldgendarmen ohne feste Planstelle zustande gekommen war, sondern überhaupt nur durch die Auflösung und anschließende Zusammenfassung der bis dahin selbständigen Feldgendarmerietrupps 498, 516, 554, 566, 568, 620, 641, 658, 685, 693, 744, 790, 889, 913 und 976 hatte bewirkt werden können. Soweit diese Trupps in den im nachfolgenden Text der Anlage enthaltenen Übersichten nicht vertreten sind, so handelt es sich dabei entweder um den Divisionstruppen angehörende Einheiten oder um solche, die den territorialen Kommandobehörden überwiesen worden waren. Letzteres ist aufgrund der Angabe bei KeiligKoch, S. 285 f., beispielsweise für den Feldgendarmerietrupp 516 nachweisbar, der bis zu seiner Integration in die Feldgendarmerieabteilung des A. O. K. 19 der Kreiskommandantur Dijon unterstellt war. Ähnliches galt auch für die Feldgendarmerietrupps 566 und 658, die vor ihrer Verwendung beim A. O. K. 19 den Feldkommandanturen 661 und 651 als Ordnungstruppen gedient hatten. Darüber hinaus ist indessen nur noch die vorangegangene Zugehörigkeit des Feldgendarmerietrupps 685 zur Kreiskommandantur Vesoul feststellbar gewesen. Bei allen übrigen Trupps haben sich hingegen die früheren Unterstellungsverhältnisse anhand des benutzten Quellenmaterials nicht mehr klären lassen und müssen daher im Rahmen dieser Arbeit offen bleiben. Schütz

Anlage 5

610

bei den Armeetruppen hat es bei den Korpstruppen nicht gegeben, da insoweit aufgrund der erheblich geringeren Größenordnungen auf die Päckchenlösung zur Vermeidung überlanger Aufmarschzeiten verzichtet werden konnte. Stattdessen ist sogar eine weitgehende Kontinuität in der Zuordnung der Korpstruppen zu den Generalkommandos feststellbar. Das wird auch anhand der Unterstellungsverhältnisse der Feldgendarmerietrupps deutlich, da diese - wie die nachfolgenden Übersichten zeigen - in der Kriegsgliederung des Feldheeres im Jahre 1943 nur geringfügig von denen in der Heeresorganisation des Jahres 1940 abweichen.

I. Die Kriegsgliederung des Feldheeres im Mai 194021 Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse

Feldgendarmerietrupp 307

Generalkommando XXV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 308

Generalkommando XXIII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 311

Generalkommando XXIV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 402

Generalkommando IL Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 403

Generalkommando m. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 404

Generalkommando IV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 405

Generalkommando V. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 406

Generalkommando VI. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 407

Generalkommando VII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 408

Generalkommando VHI. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 409

Generalkommando IX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 410

Generalkommando X. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 411

Generalkommando XI. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 412

Generalkommando XII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 413

Generalkommando Xm. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 414

Generalkommando (mot.) XIV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 415

Generalkommando (mot.) XV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 417

Generalkommando XVII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 418

Generalkommando XVIII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 419

Generalkommando (mot.) XIX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 421

Generalkommando I. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 422

Generalkommando XXII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 426

Generalkommando XXVI. Armeekorps

21

Vgl. Mueller-Hillebrand

II, S. 122 f.

Anlage 5

611

Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse

Feldgendarmerietrupp 427

Generalkommando XXVII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 430

Generalkommando XXX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 438

Generalkommando XXXVIII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 439

Generalkommando (mot.) XXXIX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 440

Generalkommando XXXX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 441

Generalkommando (mot.) XXXXI. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 442

Generalkommando XXXXII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 443

Generalkommando XXXXIII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 444

Generalkommando XXXXIV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 463

Generalkommando XXI. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 473

Generalkommando (mot.) XVI. Armeekorps

IL Die Kriegsgliederung des Feldheeres im Jahre 194322 Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse

Feldgendarmerietrupp 307

Generalkommando XXV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 308

Generalkommando XXIII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 316

Generalkommando LIV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 401

Generalkommando I. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 402

Generalkommando EL Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 403

Generalkommando m. Panzerkorps

Feldgendarmerietrupp 404

Generalkommando IV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 405

Generalkommando V. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 406

Generalkommando VI. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 407

Generalkommando VII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 408

Generalkommando VIII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 409

Generalkommando IX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 410

Generalkommando X. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 411

Generalkommando XI. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 412

Generalkommando XII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 413

Generalkommando XIII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 414

Generalkommando XIV. Panzerkorps Fortsetzung Seite 612

22

*

Vgl. Keilig-Koch

15, S. 4 bis 9.

612

Anlage 5

Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse

Feldgendarmerietrupp 415 Feldgendarmerietrupp 417

Generalkommando XV. Gebirgskorps Generalkommando XVII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 418

Generalkommando XXXXIX. Gebirgskorps

Feldgendarmerietrupp 420

Generalkommando XX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 421

Generalkommando XXI. Gebirgskorps

Feldgendarmerietrupp 422 Feldgendarmerietrupp 423

Generalkommando XXII. Gebirgskorps Generalkommando XXXm. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 424

Generalkommando XXIV. Panzerkorps

Feldgendarmerietrupp 426

Generalkommando XXVI. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 427

Generalkommando XXVII. Armeekorps Generalkommando XXVni. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 428 Feldgendarmerietrupp 429 Feldgendarmerietrupp 430 Feldgendarmerietrupp 431 Feldgendarmerietrupp 432 Feldgendarmerietrupp 435 Feldgendarmerietrupp 436 Feldgendarmerietrupp 437

Generalkommando XXIX. Armeekorps Generalkommando XXX. Armeekorps Generalkommando LXXX. Armeekorps Generalkommando LXXXI. Armeekorps Generalkommando XXXV. Armeekorps Generalkommando XXXVI. Gebirgskorps

Feldgendarmerietrupp 438

Generalkommando LXXXH. Armeekorps Generalkommando XXXVm. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 439

Generalkommando XXXIX. Panzerkorps

Feldgendarmerietrupp 440

Generalkommando XXXX. Panzerkorps

Feldgendarmerietrupp 441

Generalkommando XXXXI. Panzerkorps Generalkommando XXXXII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 442 Feldgendarmerietrupp 443 Feldgendarmerietrupp 444 Feldgendarmerietrupp 446 Feldgendarmerietrupp 447 Feldgendarmerietrupp 448 Feldgendarmerietrupp 449 Feldgendarmerietrupp 450

Generalkommando XXXXm. Armeekorps Generalkommando XXXXIV. Armeekorps Generalkommando XXXXVI. Panzerkorps Generalkommando XXXXVII. Panzerkorps Generalkommando XXXXVin. Panzerkorps Generalkommando XVm. Gebirgskorps

Feldgendarmerietrupp 452

Generalkommando L. Armeekorps Generalkommando LI. Gebirgskorps Generalkommando LII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 453

Generalkommando LID. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 455 Feldgendarmerietrupp 456

Generalkommando LV. Armeekorps Generalkommando LVI. Panzerkorps

Feldgendarmerietrupp 457

Generalkommando LVII. Panzerkorps

Feldgendarmerietrupp 451

Anlage Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse

Feldgendarmerietrupp 459

Generalkommando LIX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 460

Generalkommando LXXXIV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 463

Generalkommando XIX. Gebirgskorps

Feldgendarmerietrupp 468

Generalkommando z. b. V. LXVIII. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 474

Generalkommando LXXIV. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 476

Generalkommando LXXVI. Panzerkorps

Feldgendarmerietrupp 477

Generalkommando LXX. Armeekorps

Feldgendarmerietrupp 486

Generalkommando LXXXVI. Armeekorps

613

D. Die Divisionstruppen Auch den Divisionsstäben standen Hilfstruppen zur Verfügung, die ihnen unmittelbar unterstellt waren und sie bei der Führung der Kampftruppenregimenter zu unterstützen hatten. Die Organisationseinheiten der Feldgendarmerie innerhalb dieser sogenannten Divisionstruppen wurden wie bei den Korpstruppen als Feldgendarmerietrupps bezeichnet. Es ist davon auszugehen, daß grundsätzlich jede Division des Heeres über einen solchen Trupp verfügte. 23 Dessen Gliederung hing jedoch davon ab, ob er einer Infanteriedivision oder einer Panzerbzw. motorisierten Division angegliedert war. 24 Angesichts der Vielzahl von Divisionen, die die Wehrmacht im zweiten Weltkrieg aufwies, muß hier allerdings darauf verzichtet werden, sämtliche den Divisionstruppen zugehörigen Feldgendarmerietrupps zu verzeichnen. Insoweit mag erneut der Hinweis auf das eingangs dieser Anlage genannte Quellenmaterial genügen. Es sei allerdings noch darauf hingewiesen, daß die Feldgendarmerietrupps grundsätzlich ebenso wie alle übrigen Divisionstruppen die Nummer ihrer Division trugen. 25

23 Tessin, S. 294; vgl. auch das Handbook on German Military Forces, S. EI-100: „Military police detachments are organic in every German division. They were originally a part of the divisional services, but may be found now frequently within the division headquarters." Siehe andererseits aber auch Mueller-Hillebrand II, S. 165, wonach zu Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion nicht bei allen Divisionen der dritten Welle ein motorisierter Feldgendarmerietrupp vorhanden gewesen sein soll. Wie das Handbook aber wiederum Williamson, S. 6. 24 Die unterschiedliche Stärke und die variierende Ausrüstung führten dazu, daß die Bezeichnung der einzelnen Feldgendarmerietrupps um das zusätzliche Unterscheidungsmerkmal des Kleinbuchstabens a, b, c oder d erweitert wurde (Sehrt, S. 302). So waren den Infanteriedivisionen motorisierte Feldgendarmerietrupps vom Typ „a" zugeordnet, während den Panzer- und motorisierten Divisionen solche des Typs „b" unterstanden; vgl. zu den Einzelheiten der verschiedenen Gliederungen Anlage 5 b. 25 Vgl. Mueller-Hillebrand II, S. 131; Keilig-Koch, S. 286.

Anlage 5

614

E. Die Feld- und Ortskommandanturen Neben den höheren Stäben des Feldheeres konnten in Gestalt der Feld- und Ortskommandanturen auch territoriale Kommandobehörden über Feldgendarmerieeinheiten verfügen. Diese waren teilmotorisiert und hatten ebenso wie die den Divisionstruppen angehörenden Einheiten Truppstärke. 26 Zur besseren Unterscheidung führten sie jedoch nach außen hin die Bezeichnung als Feldgendarmeriegruppen. 27 In der Kriegsgliederungsübersicht des Heeres wurden sie hingegen als Feldgendarmerietrupps vom Typ „c" und „d" geführt. 28 Da jedoch bereits im Mai 1940 insgesamt 58 Feld- und 181 Ortskommandanturen existierten, 29 muß auch hier wieder auf ein Einzelverzeichnis verzichtet werden. Ein solches läßt sich aber mit Hilfe der eingangs dieser Anlage aufgezählten Primärquellen jederzeit erstellen.

F. Die Feldgendarmerie-Staffeln -Obwohl die nachfolgend aufgeführten Feldgendarmerie-Staffeln im benutzten Primärquellenmaterial nachweisbar waren, hat sich auch unter Zuhilfenahme der einschlägigen Literatur nicht klären lassen, welche Funktion sie hatten, wo sie eingesetzt wurden oder wem sie unterstellt waren. Ihre Auflistung ist daher lediglich aus Gründen der Vollständigkeit erfolgt. Im einzelnen handelt es sich um folgende Einheiten: Feldgendarmerie-Staffel 1001 Feldgendarmerie-Staffel 1002 Feldgendarmerie-Staffel 1003 Feldgendarmerie-Staffel 1004 Feldgendarmerie-Staffel 1005 Feldgendarmerie-Staffel 1006 Feldgendarmerie-Staffel 1008

G. Die Feldgendarmerieersatzverbände Bei Kriegsausbruch verfügte die Feldgendarmerie noch keineswegs über eigene Ersatztruppenverbände. Vielmehr wurden die bei der Feldgendarmerie anfallenden Aufgaben des Ersatzwesens von Ersatztruppenteilen anderer Truppen26 27 28 29

Sehrt, S. 302. Böckle, S. 158; vgl. auch Ziffer 1 Absatz 1 a.E. der H. Dv. 275 (1940). Vgl. zu den Einzelheiten der verschiedenen Gliederungen Anlage 5 b. Mueller-Hillehrand II, S. 129.

Anlage

615

gattungen miterledigt. Erst im Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 917/40 g. findet sich die Ankündigung, daß demnächst die Aufstellung einer Feldgendarmerieersatzabteilung für alle Feldgendarmerieeinheiten angeordnet werde. 30 Diese Anordnung war dann im Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 4537/40g. vom 11.03.194031 enthalten. Danach war nämlich in Perleberg eine Feldgendarmerieersatzabteilung einzurichten, die die bisher für die Ersatzgestellung von Feldgendarmen zuständigen Dienststellen bereits mit dem 15.04.1940 ablösen sollte. Zu diesem Zweck mußten alle bis dahin für die Feldgendarmerieeinheiten zuständigen Ersatztruppenteile sämtliche noch bei ihnen befindlichen „genesenen oder aus Lazaretten eintreffenden Feldgendarmen" ab dem 15.03.1940 an die Feldgendarmerieersatzabteilung überweisen, damit diese zu Beginn ihrer Tätigkeit über genügend Personal verfügte, um die an sie gerichteten Ersatzanforderungen erfüllen zu können. Aus dem gleichen Grunde war ihr - worauf später im Befehl OKH GenStdH/GenQu/Abt. HVers./Feldgend. 1/57 vom 07.02.194132 nochmals nachdrücklich hingewiesen wurde vom Feldheer alle nicht feldverwendungsfähigen Feldgendarmen einschließlich der Offiziere zuzuweisen. Sofern diese jedoch selbst für eine Verwendung in der Feldgendarmerieersatzabteilung nicht mehr in Frage kamen, waren sie, „soweit sie aus der Ordnungspolizei hervorgegangen sind, nach Entlassung aus dem aktiven Wehrdienst dem zuständigen Inspekteur der Ordnungspolizei zu überweisen, in allen anderen Fällen [aber wieder] dem Ersatzheer zuzuführen."

I. Das Feldgendarmerieersatzregiment 1 Die Aufstellung eines Feldgendarmerieersatzregimentes war deshalb erforderlich, weil die ursprünglich allein vorhandene Feldgendarmerieersatzabteilung in Perleberg um zwei weitere Abteilungen verstärkt wurde und daher die Einrichtung einer übergeordneten Kommandobehörde die einzige Möglichkeit darstellte, eine einheitliche Führung aller Ersatztruppenteile zu gewährleisten. Aus diesem Grunde wurde auch im Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 17979/40g. vom 16.10.194033 die Einrichtung des Regimentsstabes zugleich mit der Aufstellung der neuen Ersatzabteilungen angeordnet. Zum ersten Regimentskommandeur, der auch mit der entsprechenden Disziplinarstrafgewalt ausgestattet war, 34 wurde mit Wirkung zum 01.11.1940 der Oberstleutnant der Feldgendarmerie Scholz bestellt. 35 Dessen Dienstanweisung war dem Befehl 30

S. 5 des Befehls, BA-MA RH 14/41, Bl. 50 d.A. Abgedruckt in A.H.M. 1940, S. 139, Nr. 350. 32 A.H.M. 1941, S. 82, Nr. 149. 33 BA-MA RH 14/42, Bl. 304 ff. d.A. 34 Vgl. S. 6 des Befehls vom 16.10.1940, BA-MA a.a.O., Bl. 309 d.A. Vgl. zu den damit im einzelnen verbundenen Befugnissen nach der HDStO und später der WDStO das 5. Kapitel unter C. III. 31

616

Anlage 5

vom 16.10.1940 als Anlage 1 beigegeben und unterschied die Aufgabengebiete des Ersatz- und des Ausbildungswesens. Im Bereich des ersteren oblag dem Regimentskommandeur der Personalaustausch und -ausgleich innerhalb der Feldgendarmerieersatzabteilungen, die Bearbeitung der Offizierangelegenheiten betreffend die Stammoffiziere der Ersatzabteilungen sowie die Überwachung der Art und Weise, in der die ihm unterstellten Einheiten die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllten. Die gleiche Überwachungsfunktion übte er darüber hinaus auch im Ausbildungswesen aus. Daneben mußte er insoweit Ausbildungspläne erstellen, Einzelanweisungen für die Ausbildung erteilen und die Durchführung der Sonderlehrgänge anordnen, die der Höhere Feldgendarmerieoffizier beim OKH gemäß Absatz 4 seiner Dienstanweisung36 zuvor vorgeschlagen hatte, weil ihm im Zuge der Unterrichtung über die Arbeitsweise der Feldgendarmen Ausbildungsdefizite aufgefallen waren. Die einzige Veränderung, die in der Folgezeit in der Formationsgeschichte des Ersatzregimentes nachweislich eintrat, bestand in der Verlegung des in Berlin aufgestellten Regimentsstabes nach Litzmannstadt aufgrund des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 14539/43 g. vom 16.04.1943.37 Der Aufgabenbereich des Regimentskommandeurs blieb von dieser am 10.05.1943 vollzogenen Verlegung indessen völlig unberührt. Weitere Änderungen hat es dann - soweit ersichtlich - nicht mehr gegeben.

II. Die Feldgendarmerieersatzabteilung 1 Die Feldgendarmerieersatzabteilung 1 war der erste Ersatztruppenteil, den die Feldgendarmerie aufzuweisen hatte. Wie oben bereits erwähnt, nahm die Feldgendarmerieersatzabteilung ihre Tätigkeit erst am 15.04.1940 in Perleberg auf. Bis zur Aufstellung der beiden anderen Ersatzabteilungen war sie alleine zuständig für das gesamte Ersatz-, Ausbildungs- und Gefallenenwesen der Feldgendarmerie. Zur effektiveren Erfüllung der im Bereich des Ersatzwesens anfallenden Aufgaben erhielt sie im Oktober 1940 eine eigene Durchgangs- und Entlassungsstelle. Im einzelnen umfaßte das Ersatzwesen die Ersatzgestellung des Feldgendarmeriepersonals für die Feldeinheiten der Truppengattung, die Abstellung von Feldgendarmen zu Neuformationen sowie die Auffüllung der Ersatzeinheiten mit Ergänzungspersonal aus dem Ersatzheer. Dabei war darauf zu achten, daß das für eine Ersatzgestellung vorgesehene Personal die Einstellungsvoraussetzungen für die Feldgendarmerie erfüllte, die in dem bereits erwähnten Befehl vom 16.10.194038 wie folgt umschrieben wurden:

35 36 37 38

S. 2 des Befehls vom 16.10.1940, BA-MA a.a.O., Bl. 305 d.A. Anlage 1 zur H. Dv. 275 (1940). A.H.M. 1943, S. 253, Nr. 395. BA-MA RH 14/42, Bl. 306 d.A.

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„Größe 1,65 m und darüber. Völlige körperliche Rüstigkeit, einwandfreie Führung, unbedingte politische Zuverlässigkeit (sie!). Personal mit Vorstrafen - abgesehen von Strafen aus geringfügigen Anlässen - scheidet für eine Verwendung in der Feldgendarmerie aus. Es muß ferner Gewandheit besitzen und die deutsche Sprache in Wort und Schrift sowie die Grundrechnungsarten beherrschen. Besitz eines Führerscheins wird nicht gefordert, ist aber erwünscht. Die den Feldgendarmen zufallenden Aufgaben verlangen das Anlegen dieses strengen Maßstabes an das auszuwählende Personal, das seinem ganzen Auftreten nach diesen Aufgaben gewachsen sein muß. Die Mannschaften müssen die Eignung zum Unteroffizier besitzen. Freiwillige Meldungen sind zu bevorzugen." Neben dem so umschriebenen Anforderungsprofil war bei der Ersatzgestellung seit Oktober 1942 fernerhin zu beachten, daß „ehemalige Angehörige der Ordnungspolizei, die vor der Machtübernahme aus der Ordnungspolizei ausgeschieden sind, [...] nicht mehr zur Feldgendarmerie versetzt werden" durften. Soweit jedoch bis zu diesem Zeitpunkt „vor der Machtübernahme ehrenvoll aus der Ordnungspolizei ausgeschiedene ehemalige Angehörige der Ordnungspolizei" bereits zu den Feldgendarmerieersatzeinheiten versetzt worden waren, „verbleiben sie bei der Feldgendarmerie und sind ihrem in der Ordnungspolizei oder Gendarmerie erreichten Dienstgrad entsprechend einzustufen". 39 Jeder Personalgestellung durch die Ersatzabteilung hatte eine entsprechende Anforderung der ersatzbedürftigen Feldeinheiten vorauszugehen. Diese Anforderung konnte jedoch - worauf im Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 14539/43 g. vom 16.04.194340 ausdrücklich hingewiesen wurde - keineswegs unmittelbar an die Ersatzabteilung gerichtet werden. Vielmehr mußte der Ersatz auf dem Dienstweg angefordert werden. Für den Antrag auf Zuweisung eines Feldgendarmerieoffiziers bedeutete dies gemäß Ziffer 20 lit. a) der H. Dv. 275 (1940), daß er an den Höheren Feldgendarmerieoffizier gerichtet werden mußte, der der Generalquartiermeisterabteilung im Generalstab des OKH zugeordnet war. 41 Feldgendarmen mit Unteroffiziers- und Mannschaftsdienstgraden konnten hingegen gemäß Ziffer 20 lit. b) der H. Dv. 275 (1940) beim Stellvertretenden Generalkommando des III. Armeekorps als der für Perleberg zuständigen territorialen Kommandobehörde angefordert werden. Von dort aus wurde der Antrag auf Ersatzgestellung dann zunächst an die Feldgendarmerieersatzabteilung 1 und später an das Feldgendarmerieersatzregiment weitergeleitet. Anforderungen des sonstigen Personals der Feldgendarmerieeinheiten,

39 OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 19852/42 vom 15.10.1942 (A.H.M. 1942, S. 462, Nr. 887). 40 A.H.M. 1943, S. 253, Nr. 395. 41 Ebenso der Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 4537/40g. vom 11.03.1940 (A.H.M. 1940, S. 143, Nr. 350) sowie die von der gleichen Dienststelle erlassenen Verfügungen Nr. 17979/40g. vom 16.10.1940 (BA-MA RH 14/42, Bl. 308 d.A.) und Nr. 14539/43g. vom 16.04.1943 (A.H.M. 1943, S. 253, Nr. 395).

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das - wie etwa die Schirr- und Waffenmeister, die Kraftfahrer oder die Handwerker - keinen Feldgendarmeriedienst versah, konnten demgegenüber gemäß Ziffer 2. des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 8129/40 vom 20.05.194042 zunächst noch unmittelbar an die jeweils zuständigen Wehrkreiskommandos gerichtet werden. Mit Inkrafttreten der H. Dv. 275 (1940) wurde dieser Dienstweg durch die Ziffer 20 lit. b) der neuen Dienstvorschrift jedoch bereits zwei Monate später wieder dahingehend abgewandelt, daß nunmehr das gesamte „Sonderpersonal" ebenfalls beim Stellvertretenden Generalkommando des III. Armeekorps angefordert werden mußte, das dann wiederum dafür verantwortlich war, die betroffenen Wehrkreise anzuweisen, für die Deckung des angemeldeten Personalbedarfs Sorge zu tragen. 43 Nach diesen Regelungen gehörte also die Bearbeitung von Ersatzanforderungen an Personal für Feldgendarmerieeinheiten, die nicht die Feldgendarmen betrafen, ursprünglich nicht zu den Obliegenheiten der Feldgendarmerieersatzabteilung 1. Das änderte sich dann jedoch in dem Augenblick, in dem durch den Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 10313/43 vom 28.04.194344 angeordnet wurde, mit sofortiger Wirkung sämtliche Dienstposten in den Feldgendarmerieeinheiten mit Ausnahme der Beamten und der Sanitätsdienstgrade nur noch mit Angehörigen der Feldgendarmerie zu besetzen. Da nämlich aufgrund dieser Anweisung alle bereits in den Feldgendarmerieeinheiten befindlichen Soldaten anderer Waffengattungen zur Feldgendarmerie versetzt werden mußten, war von diesem Zeitpunkt an die Feldgendarmerieersatzabteilung auch für deren Ersatz ausschließlich zuständig. Etwas anderes galt nach dem Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 20518/43 vom 08.09.194345 lediglich für die Schinmeister, da diese nur beim OKH angefordert werden konnten. Schließlich war durch den Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 17979/40g. vom 16.10. 1940 46 auch noch das Verfahren geregelt worden, nach dem die Ersatz verbände selbst ihren Personalersatz erhielten. Insoweit sah Abschnitt E, Ziffer 3 des Befehls vor, daß das von den Feldgendarmerieersatzeinheiten benötigte Personal unter Benachrichtigung des Wehrkreiskommandos HI zu gleichen Teilen bei den übrigen Wehrkreiskommandos anzufordern war. Hinzuweisen ist überdies noch auf den Umstand, daß sich die Zuständigkeit der Feldgendarmerieersatzabteilung auf den personellen Ersatz an Feldgendarmen beschränkte. Bekleidung, Ausrüstung und Dienstvorschriften für die Feldgendarmen des Heeres wurden hingegen durch andere Dienststellen ausgeliefert. 47 42

A.H.M. 1940, S. 299, Nr. 672. So auch die Verfügung OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 4537/40g. vom 11.03.1940 (A.H.M. 1940, S. 143, Nr. 350) und der Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 17979/40g. vom 16.10.1940 (BA-MA RH 14/42, Bl. 304 ff. d.A.). 44 A.H.M. 1943, S. 253, Nr. 396. 45 A.H.M. 1943, S. 432, Nr. 714. 46 BA-MA RH 14/42, Bl. 308 d.A. 43

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Neben dem so umschriebenen Personalersatzsystem der Feldgendarmerie hatte die Ersatzabteilung - wie schon erwähnt - auch das Gefallenenwesen der gesamten Truppengattung zu bearbeiten. Aus diesem Grunde mußten alle Einheiten der Feldgendarmerie sowie diejenigen Dienststellen, in denen einzelne Feldgendarmen tätig waren, die Wehrpässe der gefallenen, verstorbenen oder vermißten Truppenangehörigen der Feldgendarmerieersatzabteilung zur weiteren Bearbeitung zuleiten. „In Fällen, in denen bisher anders verfahren wurde, ist der Ersatzabteilung Nachmeldung zu erstatten unter Angabe von: Name, Vorname, Dienstgrad, Geburtsdatum, Beruf, Heimatanschrift, Todestag oder Tag des Vermißtseins, zuständige Wehrersatzdienststelle und unter Aufführung der Dienststelle, an die der Wehrpaß abgegeben oder Ausfallmeldung erstattet wurde". 48 Schließlich oblag der Feldgendarmerieersatzabteilung auch noch die Bearbeitung des Ausbildungswesens in der Feldgendarmerie, wozu in erster Linie die Durchführung von Lehrgängen gehörte. Da gemäß Ziffer 8 der H. Dv. 275 (1940) bei der Stellenbesetzung in den Feldgendarmerieeinheiten auch Unteroffiziere und Mannschaften der Wehrmacht berücksichtigt werden durften, die keine Erfahrung als zivile Polizeibeamte hatten sammeln können, beinhaltete der Lehrgangskatalog der Feldgendarmerieersatzabteilung zunächst einmal die Erstausbildung dieses Personals. Ohne an dieser Ausbildung erfolgreich teilgenommen zu haben, konnte nach der durch den Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, I n 8 Nr. 1027/43 vom 09.04.194349 eingeführten Neufassung der Ziffer 8 kein Soldat der Wehrmacht mehr als für den Dienst in der Feldgendarmerie befähigt angesehen werden. Darüber hinaus bot die Ersatzabteilung regelmäßig Fortbildungskurse für die Offiziere der Truppe an, die gemäß Ziffer 2 Absatz 3 des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 15679/43 vom 30.06. 1943 50 die Bezeichnung „Feldgendarmerie-Offizier-Fortbildungslehrgang" mit laufender Nummer führten. Darüber hinaus war auch für die Beförderung zum Offizier die vorherige erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang bei der Feldgendarmerieersatzabteilung erforderlich. Dabei wurde zunächst danach differenziert, ob der Bewerber ein Stabsfeldwebel war, der der Ordnungspolizei entstammte und bei seiner zivilen Heimatdienststelle zur Beförderung zum Polizeimeister anstand, ober ob er wegen seiner sonstigen Eignung zum Offizier befördert werden sollte. Im ersteren Fall wurde der zu absolvierende Lehrgang gemäß der durch die Verfügung OKH Ch HRüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 15679/43 vom 30.06.194351 eingefügten Ziffer 13 lit. a) der H. Dv. 275 47 Vgl. dazu den Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 12413/40 vom 06.08.1940 (A.H.M. 1940, S. 398, Nr. 903). 48 OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 22820/42 vom 21.01.1943 (A.H.M. 1943, S. 80, Nr. 127). 49 A.H.M. 1943, S. 243, Nr. 377. 50 A.H.M. 1943, S. 347 f., Nr. 552. 51 A.H.M. 1943, S. 347 f., Nr. 551 f.

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(1940) als „Feldgendarmerie-Offizier-Lehrgang" mit laufender Nummer bezeichnet, während die von den übrigen Bewerbern besuchten Lehrgänge aufgrund einer entsprechenden Anordnung in der gleichzeitig mit der Ziffer 13 lit. a) in die H. Dv. 275 (1940) integrierten Ziffer 13 lit. b) „Feldgendarmerie-Fahnenjunker-Lehrgang" hießen. Nachdem jedoch durch den Befehl OKH/GenSt d. H/Gen Qu/Höh. Feldg. Offz 1/56,1/R Nr. 4670/44 vom 16.10.194452 die Ziffer 13 lit. a) der H. Dv. 275 (1940) abgeändert worden war, erhielten alle beförderungswirksamen Lehrgänge einheitlich den Namen „Fahnenjunker-Lehrgang", so daß es Feldgendarmerie-Offizier-Lehrgänge seit dieser Zeit nicht mehr gab. Schließlich umfaßte die Ausbildungstätigkeit der Ersatzabteilung auch noch die Veranstaltung der bereits erwähnten Sonderlehrgänge, die durch den Höheren Feldgendarmerieoffizier beim OKH vorgeschlagen worden waren. Sämtliche Lehrgänge sollten gemäß Abschnitt D, Ziffer 1 des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 17979/40g. vom 16.10.194053 anfangs lediglich eine Dauer von drei Wochen aufweisen. Für die Folgezeit ordnete Abschnitt D, Ziffer 2 des Befehls indessen an, daß der Kommandeur des Feldgendarmerieersatzregimentes die Ausbildung einheitlich steuern und die Länge der Lehrgänge unter Berücksichtigung der Gesamtersatzlage, über die er durch die Dienststelle OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) laufend unterrichtet wurde, im Einzelfall festlegen sollte. Seit Juni 1943 wurden Zeitpunkt und Dauer der Lehrgänge dann jedoch unmittelbar durch den Höheren Feldgendarmerieoffizier beim OKH festgelegt, der gemäß Ziffer 3 des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 15679/43 vom 30.06.194354 auch für die Einberufung der Lehrgangsteilnehmer verantwortlich war. Ziffer 1 dieses Befehls verlieh dem jeweiligen Lehrgangsleiter überdies die Disziplinarstrafbefugnisse, die der Kommandeur eines nicht selbständigen Bataillons nach der WDStO innehatte. An diesen Grundsätzen des Ersatz-, des Ausbildungs- und des Gefallenenwesens änderte sich auch im weiteren Verlauf des Krieges nur wenig. So blieb die Feldgendarmerieersatzabteilung 1 gemäß Abschnitt E, Ziffer 5 des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 17979/40 vom 16.10.194055 auch dann der ausschließlich zuständige Ersatztruppenteil für alle als Feldgendarmen verwendeten Heeresangehörigen sowie für sämtliche in den Feldgendarmerieeinheiten, Stäben, Kommandanturen und sonstigen Dienststellen des Feld- und Ersatzheeres eingeplanten Feldgendarmen, als die Ersatzabteilung 2 und 3 aufgestellt wurden. Nachdem die in Perleberg stationierte Ersatzabteilung 1 jedoch aufgrund des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 26122/42 vom 18.11.194256 nach Litzmannstadt verlegt worden war, war die für sie zu52 53 54 55 56

A.H.M. 1944, S. 337, Nr. 626. BA-MA RH 14/42, Bl. 308 d.A. A.H.M. 1943, S. 347 f., Nr. 552. BA-MA RH 14/42, Bl. 308 f. d.A. A.H.M. 1942, S. 584, Nr. 1059.

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ständige territoriale Kommandobehörde nicht mehr das Stellvertretende Generalkommando des DI. Armeekorps, sondern vielmehr dasjenige des XXI. Armeekorps im Wehrkreis Posen. Dementsprechend hatte sich seit dieser Zeit dann auch der Dienstweg für Ersatzanforderungen von Unteroffizieren und Mannschaften der Feldgendarmerie geändert, da die entsprechenden Anträge fortan an das Stellvertretende Generalkommando in Posen zu richten waren. 57 Schon im Oktober 1943 wurde diese Bestimmung jedoch durch den Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 25565/43 vom 11.10.194358 wieder aufgehoben und durch die Anweisung ersetzt, daß „sämtliche Ersatzanforderungen von Offizieren der Feldgendarmerie und von Feldgendarmen [...] künftig an den Kommandeur der Feldgendarmerie beim Armeeoberkommando bzw. Höheren Feldgendarmerieoffizier (Stabsoffizier der Feldgendarmerie) beim territorialen Befehlshaber zur Weiterleitung an OKH/Gen Qu/Höh. Feldg. Offz. zu richten" waren. Abgesehen davon, daß mit der Verlegung der Feldgendarmerieersatzabteilung 1 insoweit eine Veränderung ihres Namens einherging, als sie fortan keinen Nummernzusatz mehr trug, handelte es sich bei den beschriebenen Abänderungen des Dienstweges dann aber um die letzten Neuerungen in der Formationsgeschichte dieser Ersatzeinheit. Alle übrigen dargestellten Grundzüge und Prinzipien galten sonach unverändert bis zum Kriegsende fort.

HI. Die Feldgendarmerieersatzabteilung 2 Die Feldgendarmerieersatzabteilung 2 wurde in einer Stärke von fünf Feldgendarmerieersatzkompanien aufgrund des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 17979/40g. vom 16.10.194059 zum 15.11.1940 in Stuttgart aufgestellt. Ihre Aufgaben lagen von vorneherein nur im Bereich des Ausbildungswesens der Feldgendarmerie, so daß sie sich letztlich auf die Durchführung von Lehrgängen nach Maßgabe der im Zusammenhang mit der Feldgendarmerieersatzabteilung 1 bereits ausführlich dargestellten Grundsätze beschränkten. Wegen der besonders schwierigen Ausbildungsverhältnisse hatten die bei der Feldgendarmerieersatzabteilung 2 angebotenen Lehrgänge gemäß Abschnitt D, Ziffer 1 a.E. des genannten Befehls vom 16.10.194060 jedoch anfänglich eine Dauer von vier anstatt wie bei den beiden anderen Ersatzabteilungen von nur drei Wochen. Infolge der ausschließlich wahrgenommenen Ausbildungstätigkeit wurde die Feldgendarmerieersatzabteilung 2 im Jahre 1942 in Feldgendarmerieausbildungsabteilung I I umbenannt. Nachdem diese dann auf57

Befehl OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 14539/43g. vom 16.04.1943 (A.H.M. 1943, S. 253, Nr. 395). 58 A.H.M. 1943, S. 470, Nr. 782. 59 BA-MA RH 14/42, Bl. 304 ff. d.A. 60 BA-MA a.a.O. (Fn. 59), Bl. 308 d.A.

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grund des Befehls OKH Ch H Rüst u. BdE, AHA I a (IV) Nr. 14539/43g. vom 16.04.194361 nach Zgierz bei Litzmannstadt verlegt worden war, wurde sie des öfteren auch als Feldgendarmerieschule Litzmannstadt bezeichnet.62

IV. Die Feldgendarmerieersatzabteilung 3 Die Feldgendarmerieersatzabteilung 3 wurde gemeinsam mit den ihr unterstellten fünf Feldgendarmerieersatzkompanien zeitgleich mit der Feldgendarmerieersatzabteilung 2 in Greifswald gegründet. Ebenso wie diese war auch die Ersatzabteilung 3 von Anfang an ausschließlich zuständig für die Erfüllung der im Bereich des Ausbildungswesens der Feldgendarmerie anfallenden Aufgaben. Auch die Ersatzabteilung 3 wurde daher konsequenterweise im Jahre 1942 umbenannt und führte seither die Bezeichnung Feldgendarmerieausbildungsabteilung I. Weitere formationsgeschichtliche Änderungen sind hingegen nicht bekannt.

H. Die Feldgendarmerieeinheiten der Luftwaffe Bislang nur wenig bekannt ist der Umstand, daß es sogar im Bereich der Luftwaffe Feldgendarmerieeinheiten gegeben hat. Das wird auch überhaupt nur dann verständlich, wenn man berücksichtigt, daß die Luftwaffe im Verlauf des Krieges auch über Bodenkampftruppen verfügte. Es waren dies vor allem die sogenannten „LuftwaffenfelddiVisionen", die seit Sommer 1942 aus Angehörigen der Luftwaffenbodendiensten aller Art aufgestellt worden waren. Insgesamt ist die Rede von etwa 20 dieser Felddivisionen, die in den „Luftwaffenfeldkorps" I bis IV zusammengefaßt wurden und in der Regel nicht mehr als vier Bataillone und drei Artillerieabteilungen umfassten. 63 Obgleich nach Angaben Williamsons jeder einzelnen Luftwaffenfelddivision ein eigener Feldgendarmerietrupp, der unmittelbar dem jeweiligen Divisionsstab unterstand, zugewiesen worden war, 64 haben sich anhand der zugänglichen Quellen nur die drei folgenden Einheiten, die im Jahre 1944 sämtlich im Bereich des Luftwaffenfeldkorps IV eingesetzt wurden, nachweisen lassen:65 Feldgendarmerietrupp 317 Feldgendarmerietrupp 540 Feldgendarmerietrupp 560 61

A.H.M. 1943, S. 253, Nr. 395. Vgl. dazu das eingangs der Anlage aufgeführte Primärquellenmaterial sowie Williamson, S. 7: „training school Litzmannstadt-Görnau". Auch bei Tessin , S. 282, ist von einer Feldgendarmerieschule die Rede. 63 Granier! Henke! Oldenhage, S. 336. 64 Williamson, S. 24. 65 Keilig'Koch, S. 285. 62

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Williamson 66 behauptet darüber hinaus, daß auch die Fallschirmjägerdivisionen, die ebenso wie das Fallschirmpanzerkorps „Hermann Göring" organisatorisch der Luftwaffe angehörten, 67 mit eigenständigen Einheiten der LuftwaffenFeldgendarmerie versehen worden seien. Hingegen findet sich bei Tessin die Einschätzung, die Gestellung von Feldgendarmerietrupps für die Fallschirmkorps und -divisionen habe durch das Heer gewährleistet werden müssen.68 Indessen läßt sich diese Streitfrage hier nicht klären, da dem eingangs aufgeführten Quellenmaterial schon nicht zu entnehmen war, daß der Fallschirmjägertruppe überhaupt Feldgendarmerieeinheiten zur Verfügung gestanden hatten. Gleichwohl spricht der größere Detailreichtum letztlich für die Richtigkeit der Ausführungen Williamsons, denn dort findet sich auch noch die Information, daß das Fallschirmpanzerkorps „Hermann Göring" mit dem Feldgendarmerietrupp ,,Fallschirmpanzerkorps Hermann Göring", dem Feldgendarmerietrupp ,»Fallschirmpanzerdivision Hermann Göring" 1 sowie dem Feldgendarmerietrupp „Fallschirmpanzerdivision Hermann Göring" 2 über insgesamt drei verschiedene Feldgendarmerieeinheiten habe verfügen können. 69 Williamson ist es aber auch, der über die letzten Aktivitäten der dem Fallschirmpanzerkorps Hermann Göring angehörenden Feldgendarmerieformationen zu Beginn des Jahres 1945 Einzelheiten mitteilt: „During the retreat through Poland in 1945 when units of the ,Hermann Goring4 formations were encircled, the despatch riders of the »Hermann Goring' Feldgendarmerie carried out many dangerous night missions through the Soviet lines to escort precious fuel supply vehicles to the beleagured »Hermann Goring' troops". 70 Die Aufgaben, die von der Luftwaffen-Feldgendarmerie zu erfüllen waren, glichen denen, die den Feldgendarmen des Heeres oblagen, denn die Feldgendarmerievorschrift vom 29.07.1940 fand als L. Dv. 2801 auch auf die Luftwaffe sinngemäße Anwendung. Hinsichtlich der Gliederung unterschieden sich jedoch die Feldgendarmeriekompanien der Luftwaffe von denen des Heeres, da erstere erheblich kleiner waren. 71 Anders als bei der Feldgendarmerie des Heeres war bei der Luftwaffenfeldgendarmerie zunächst nicht orange, sondern hellblau als Waffenfarbe vorgesehen. Die Luftwaffenfeldgendarmerie gehörte nämlich organisatorisch den Verwaltungstruppen der Luftwaffe an, deren Verbände generell die hellblaue Waffenfarbe aufwiesen. Erst im Jahre 1943 kam es dann

66 67 68 69 70 71

5c).

Williamson , S. 24. Vgl. dazu kurz und m.w.N.: Granier!HenkelOldenhage, S. 335 f. Tessin, S. 294. Williamson, S. 24. Williamson, S. 34. Vgl. dazu die entsprechenden Gliederungsübersichten in den Anlagen 5 a) und

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zu einer Angleichung an die orangene Waffenfarbe der Heeresfeldgendarmerie.72 Im übrigen aber stimmten Ausrüstung und Bekleidung, von einigen luftwaffenspezifischen Besonderheiten 73 abgesehen, mit denen der Feldgendarmerie des Heeres überein.

I. Die Feldgendarmerie der Waffen-SS Schließlich existierte auch innerhalb der Waffen-SS noch eine eigenständige Feldgendarmerieorganisation. Deren Größenordnung war indessen so gering, daß sich selbst ehemalige Soldaten der Waffen-SS nach dem Krieg nicht mehr daran zu erinnern vermochten, jemals einen SS-Feldgendarmen gesehen zu haben. 74 Dementsprechend liegen über die Feldgendarmerie der Waffen-SS auch nur sehr spärliche Erkenntnisse vor. Selbst die gründliche Durchsicht aller sechs Jahrgänge des Verordnungsblattes der Waffen-SS in der Zeit von 1940 bis 1945 hat lediglich dazu geführt, daß gerade einmal drei Befehle aufgefunden werden konnten, deren Inhalt sich mit der SS-Feldgendarmerie befaßte. So wurde zunächst einmal im August 1942 von der Abteilung I a des Kommandos der Waffen-SS mitgeteilt, daß der Reichsführer-SS die Einführung eines Ärmelstreifens mit der grauen Aufschrift „SS-Feldgendarmerie" auf schwarzem Grund für sämtliche Angehörige der Feldgendarmerie der Waffen-SS genehmigt habe. In der gleichen Verordnung wies das Kommando der Waffen-SS überdies noch darauf hin, daß die SS-Feldgendarmen sowohl auf dem Waffenrock als auch auf ihrem Mantel an Stelle des SS-Hoheitsabzeichens dasjenige der Polizei zu tragen hatten.75 Indessen gab das SS-Führungshauptamt unter dem 01.10.1944 bekannt, daß der Reichsführer-SS sich dafür entschieden habe, die erst im Jahre 1942 eingeführten Ärmelstreifen wieder abzuschaffen, „da die Feldgendarmen durch den Ringkragen genügend gekennzeichnet" seien. Zudem waren die Hoheitsabzeichen der Polizei nunmehr doch durch diejenigen der SS 72

Vgl. Williamson, S. 34. So berichtet Williamson, S. 34, davon, daß der Ringkragen der Luftwaffen-Feldgendarmen zwar auch nur die Aufschrift „Feldgendarmerie" trug, jedoch durch das Bildnis eines fliegenden Adlers als Symbol für die Zugehörigkeit zur Luftwaffe ergänzt worden war. 74 So gab etwa der SS-Unterscharführer Erwin Bartmann, der während des gesamten Krieges der Leibstandarte Adolf Hitler angehörte, zu Protokoll, daß er niemals einem Waffen-SS-Feldgendarmen, sondern ausschließlich solchen des Heeres begegnet sei; vgl. Williamson, S. 18, wo es weiterhin noch heißt: „It is probable that they [i.e. die SS-Feldgendarmen] were used primarily to maintain order and discipline within their own unit lines, and their areas of responsibility were thus more restricted than those of the Army Feldgendarmerie. [...]. As the Feldgendarmerie were divisional troops, it is quite possible that a combat NCO [i.e. Unteroffizier] in an infantry section might never meet up with such personnel, but would encounter their Army counterparts on many occasions." 75 V. Bl. d. W.-SS 1942, Ausgabe 15 vom 01.08.1942, Nr. 255. 73

Anlage 5

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zu ersetzen, die künftig „auf dem linken Arm" getragen werden sollten. 76 Der dritte im Verordnungsblatt der Waffen-SS veröffentlichte Befehl, der sich auf die SS-Feldgendarmerie bezog, beschränkte sich schließlich auf die schlichte Bekanntgabe des Umstandes, daß das gesamte Feldgendarmeriewesen der Waffen-SS ausschließlich durch das SS-Führungshauptamt, Amt ü, Abteilung I c bearbeitet werde. 77 Weitergehende Einzelheiten über die SS-Feldgendarmerie sind überdies auch bei Williamson nur in geringfügigem Umfang zu finden. So weist er etwa noch ergänzend darauf hin, daß die Funktionen der Feldgendarmerie der Waffen-SS denjenigen glichen, die von der Feldgendarmerie des Heeres auszufüllen waren. 78 Darüber hinaus enthalten seine Ausführungen nur noch die Information, daß sich das Personal der SS-Feldgendarmerietrupps aus den Reihen der zivilen Polizeiangehörigen mit mindestens vierjähriger Berufserfahrung rekrutierte. 79 Obwohl auch in der Waffen-SS jede Division über einen eigenen SS-Feldgendarmerietrupp verfügt haben soll, 80 haben sich anhand des dieser Anlage zugrunde liegenden Quellenmaterials keine einzelnen Feldgendarmerieeinheiten auffinden lassen.

J. Exkurs: Die Marine-Küstenpolizei 1 Im Gegensatz zum Heer, zur Luftwaffe und zur Waffen-SS gab es in der Marine keine Ordnungstruppe, die die Bezeichnung ,,Feldgendarmerie" aufgewiesen hätte. Da jedoch die Feldgendarmerievorschrift als M. Dv. Nr. 253 auch innerhalb der Marine sinngemäß anzuwenden war, läßt sich bereits erahnen, daß dort ebenfalls eine ordnungsdienstliche Truppengattung vorhanden war. Es war dies die sogenannte „Marine-Küstenpolizei", deren Aufgabe darin bestand, Küstenbefestigungen zu überwachen und die Disziplin und Ordnung in denjenigen Hafenstädten aufrechtzuerhalten, in denen die Kriegsmarine Kasernenanlagen oder sonstige Truppenunterkünfte unterhielt. 81 Obschon damit das Aufgabenspektrum der Marine-Küstenpolizei grundsätzlich demjenigen der vorstehend vorgestellten Feldgendarmerieformationen ähnelte, gehörte sie doch nicht zur Feldgendarmerietruppe im engeren Sinne. Sie ist daher an dieser Stelle auch nur der Vollständigkeit halber aufgeführt worden.

76

V. Bl. d. W.-SS 1944, Ausgabe 19 vom 01.10 1944, S. 143, Nr. 580. Vgl. SS-FHA, Amt II, Org. Abt. I a/II, V. Bl. d. W.-SS, Ausgabe 14 vom 15.07.44, S. 101, Nr. 390. 78 Williamson, S. 18. 79 Williamson, S. 17. 80 Williamson, S. 17. 81 Vgl. Williamson, S. 36. 77

40 Schütz

5

-

8

3

3

1

-

-

Kraftomnibus 1

Krafträder 1

PKw

3

9

-

1

Pistolen

1 5 8 11 4 20 3 5 8 11 4 20 3 5 8 11 4 20 3 - - 1 - 11

1

LKw

16 25 38 13 78

-

1

4

-

MannSchäften

Kraftfahrzeuge

-

MP

4 3

-

Karabiner

Bewaffnung

-

leichte MG

Anlage 5

82 Die Gliederungsübersicht ist nach dem Vorbild ähnlicher Tabellen im Handbook on German Military Forces, S. 11-99, erstellt worden und basiert auf der entsprechenden schematischen Darstellung bei Böckle, S. 163 ff., sowie auf den Angaben zur Organisation der Feldgendarmerie bei Witter, S. 3, und Williamson, S. 6 f. Dort finden sich auch jeweils detailliertere Ausführungen über die Verwendung des Personals und die Beschaffenheit der Ausrüstung. 83 Für den Fall, daß die von der Feldgendarmerie geforderte Verkehrsregelung aufgrund des Umfanges der zu erwartenden Truppenbewegungen den Einsatz einer gesamten Kompanie erforderte, wurde grundsätzlich ein Zug mit der eigentlichen Wahrnehmung der anfallenden Verkehrsregelungsaufgaben betraut, während sich je ein weiterer Zug mit der Marschstraßenerkundung und der Kenntlichmachung der Vormarschwege (Beschilderung, Wegweiser etc.) befassen mußte (vgl. den Bericht „Die Militärpolizei in der ehemaligen deutschen Wehrmacht" im Aktenbestand BA-MA BW 9/1578, Bl. 108 ff. d.A., Bl. 111).

68 44

4

gesamt

3

UnterOffiziere

1 1 20 10 1 20 10 1 20 10 4

1

Offiziere

Personal

Führungsgruppe Kfz-Instandsetzungstrupp I. Zug IL Zug83 III. Zug Troß

Teileinheit

Gliederungsübersicht einer Feldgendarmeriekompanie82

Anlage 5 a

626

40*

3

1

1

Feldgendarmerietrupp c (tmot) einer Feldoder Ortskommandantur

Feldgendarmerietrupp d (tmot) einer Feldoder Ortskommandantur

20

25

41

21

20

10

7

7 10

MannSchäften

6

1

-

4

4 17 10

1

UnterOffiziere

4

-

-

3

-

LKw

18

13

6

6

5

1

5

3

5

3

2

12

Pistolen

Bewaffnung Fahrräder

19

17

Kraft-

9 45

10

12

PKw räder

Kraftfahrzeuge MP

1

Karabiner MG

leichte

627

84 Das Verzeichnis ist nach dem Vorbild ähnlicher Tabellen im Handbook on German Military Forces, S. 11-99, erstellt worden und basiert auf den Angaben zur Organisation der Feldgendarmerie bei Williamson, S. 6 f., und Witter, S. 3, sowie auf den Gliederungsübersichten bei Böckle, S. 165 ff. Dort finden sich auch jeweils nähere Informationen über Einzelheiten zur Verwendung des Personals und die Beschaffenheit der Ausrüstung.

2

Feldgendarmerietrupp b (mot) einer Panzeroder motorisierten Division

Offiziere

Personal

Feldgendarmerietrupp a (mot) einer Infanteriedivision

Teileinheit

Verzeichnis der Gliederungen der verschiedenen Feldgendarmerietrupps84

Anlage 5 b

Anlage 5

628

Anlage 5

Anlage 5c Gliederungsübersicht einer Kompanie der Luftwaffen-Feldgendarmerie 85 Personal86

Teileinheit Offiziere

Unteroffiziere

Mannschaften

Führungsgruppe

2

3-5

3-5

I. Zug

1

15

5

II. Zug III. Zug

1

15

5

1

Troß und Kfz- Instandhaltung

-

gesamt

5

15

5

9-11

5-10

57-61

23-30

Anlage 5d Gliederungsübersicht eines Feldgendarmerietrupps der Waffen-SS 87 Personal Offiziere 1

Kraftfahrzeuge

Unteroffiziere

Mannschaften

PKw

Krafträder

4

36

1

11

85 Die Tabelle ist nach den entsprechenden Angaben bei Williamson, S. 24 ff., erstellt worden. Im Gegensatz zu den Übersichten in den Anlagen 5 a und 5 b mußte hier jedoch auf die Spalten „Bewaffnung" und „Kraftfahrzeuge" verzichtet werden, da insoweit auch bei Williamson keine ausreichenden Informationen zu finden sind. Dort heißt es dazu nämlich lediglich: „Feldgendarmerie were fully motorised but with only light unarmoured vehicles and light weapons (though Panzerfaust anti-tank projectiles were issued in the latter part of the war)" (Williamson , S. 33). Weitergehende Einzelheiten haben sich anhand des benutzten Quellenmaterials hingegen nicht ermitteln lassen. 86 Zur Herkunft des Personals der Luftwaffen-Feldgendarmerie heißt es bei Williamson, S. 33, wörtlich: „Officers and warrant officers were mainly career soldiers who had come from the Prussian Landespolizei (via »Landespolizeigruppe z. b. V. Wecke* and Regiment ,General Goring4) and the Motorisierten Gendarmerie. NCOs [i.e. Unteroffiziere] and men were mostly career soldiers and conscripts. The Musikkorps »Hermann Goring* was absorbed into the Feldgendarmerie in 1944." 87 Der Tabelle liegen die entsprechenden Angaben bei Williamson, S. 18, zugrunde. Weiter Informationen, insbesondere über die Bewaffnung der SS-Feldgendarmen, haben sich anhand des zu Beginn der Anlage 5 aufgeführten Quellenmaterials nicht ermitteln lassen.

Anlage

Verzeichnis der Kommandeure • i der Armee- und der Leibgendarmerie 1835 1840 1842 1845 1849

Major von Thümen von Below von Willisen Graf von Brühl Oberstleutnant von Alvensleben

Durch A. K. O. vom 20.07.1850 wurde die Leibgendarmerie mit Wirkung zum 01.10.1850 aufgelöst. Ab dem 14.02.1851 übernahmen dann die „Königlichen Ordonnanzen" den Dienst, den die Leibgendarmen bis dahin versehen hatten. Die Bezeichnung Leibgendarmerie ist erst am 20.07.1854 wieder eingeführt worden. Seit dieser Zeit wurde die Leibgendarmerie dann auch wieder in den Rangund Stammlisten des preußischen und später des deutschen Heeres geführt. 1854 1856 1858 1864 1866 1872 1874 1881 1888 1889 1891 1

Oberstleutnant von Alvensleben Graf von Bismarck-Bohlen Krafft Prinz zu Hohenlohe-Ingelfingen Graf Finck von Finckenstein von Albedyll von Alten Graf von Lehndorff von Broesigke Freiherr von Bissing Graf von Wedel Generalleutnant von Scholl

Das Verzeichnis ist auf der Grundlage der entsprechenden Übersicht bei von Bredow, S. 158, erstellt worden. Abgesehen von den Dienstgraden, die in drei Fällen nach Durchsicht der einschlägigen Literatur ergänzt werden konnten, ist es nicht gelungen, dem vorhandenen Quellenmaterial Informationen zu entnehmen, die über die bei von Bredow zu findenden Angaben hinausgehen. Soweit ein Dienstgrad hinzugefügt worden ist, entspricht er demjenigen, den der betreffende Offizier in seiner Zeit als Kommandeur innegehabt hat. Im übrigen weist von Bredow noch darauf hin, daß es sich bei den Kommandeuren, die er ohne Dienstgradangabe verzeichnet hat, ausnahmslos um Stabsoffiziere handelte, so daß sie einerseits zumindest Majore gewesen sein müssen, andererseits aber den Generalsrang noch nicht erreicht haben konnten.

Anlage

Die Unterstellungsverhältnisse der Verkehrsregelungsbataillone Aufgrund der Kriegsgliederung des Feldheeres, Band V: „Heerestruppen, Armeetruppen, Versorgungstruppen Sommer 1943-Januar 1944", S. 147-149, 151-164 und 171 f., 1 der Feldpostübersicht, Teil III, Band 13, 12. Neudruck, Stand: 06.02.19452 und der durch die Zentralnachweisstelle des Bundesarchivs unter dem Aktenzeichen I 40-90/68 erstellten Verleihungslisten des Eisernen Kreuzes und des Kriegsverdienstkreuzes haben sich für die zehn Verkehrsregelungsbataillone während der kurzen Zeit ihres Bestehens folgende Unterstellungsverhältnisse nachweisen lassen:3 Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse während des Krieges

Verkehrsregelungsbataillon 751

Armeeoberkommando 16

Verkehrsregelungsbataillon 752

Armeeoberkommando 9 Generalkommando XXXVIII. Armeekorps Generalkommando XXXXVI. Armeekorps

Verkehrsregelungsbataillon 753

Militärbefehlshaber in Frankreich Armeeoberkommando 18 Generalkommando XXXVIII. Armeekorps Generalkommando I. Armeekorps

Verkehrsregelungsbataillon 754

Armeeoberkommando 4

Verkehrsregelungsbataillon 755

Generalkommando XXII. Armeekorps 4 Militärbefehlshaber in Frankreich Generalkommando XXXXVI. Armeekorps Panzerarmeeoberkommando 2

1

BA-MA RHD 18/70. BA-MA RH 3/89. 3 Das Verzeichnis kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Ergänzungen und Abweichungen sind daher nicht auszuschließen. 4 Das Generalkommando des XXH. Armeekorps wurde bereits kurz nach der Gründung der Verkehrsregelungsbataillone zum Panzergruppenkommando 1 umgegliedert, woraus im Oktober 1941 wiederum das Panzerarmeeoberkommando 1 entstand; vgl. Granier! Henkel Oldenhage, S. 238. 2

Anlage Truppenteilbezeichnung

Unterstellungsverhältnisse während des Krieges

Verkehrsregelungsbataillon 756

Panzergruppenkommando l 5 Generalkommando XXXX. Armeekorps Armeeoberkommando 11 Generalkommando LIV. Armeekorps

Verkehrsregelungsbataillon 757

Armeeoberkommando 1 Armeeoberkommando 2

Verkehrsregelungsbataillon 758

Militärbefehlshaber in Frankreich Panzergruppenkommando 4 6 Armeeoberkommando 2

Verkehrsregelungsbataillon 759

Armeeoberkommando 6 Generalkommando LV. Armeekorps

Verkehrsregelungsbataillon 760

Armeeoberkommando 2 Generalkommando XXXX. Armeekorps Armeeoberkommando 17

5

631

Seit Oktober 1941: Panzerarmeeoberkommando 1; vgl. Fn. 4. Seit Februar 1942: Panzerarmeeoberkommando 4; vgl. Granier!HenkelOldenhage, S. 239. 6

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-

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-

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„Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat", Band 1, Berlin, 1912 (zit.: Anschütz, Art. ... pr. Verf. 1850, S. ...)

-

„Die Verfassung des Deutschen Reichs", unveränderter Nachdruck der 14. Auflage 1933, Bad Homburg, 1965 (zit.: Anschütz, Art. ... WRV, Anm. ..., S. ...)

Arndt, Adolf: „Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat", 7. Auflage, Berlin, 1911 (zit.: Arndt, Art. ... pr. Verf. 1850, S. ...) -

„Verfassung des Deutschen Reichs", 5. Auflage, Berlin, 1913 (zit.: Arndt, Art. ... RV, Anm. ..., S. ...)

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arverzeichnis A.K.O. s. Allerhöchste Kabinettsorder Allerhöchste Kabinettsorder 47; 49 f.; 55-59; 65-68; 82 f.; 86-92; 96 f.; 101 f.; 107; 109; 113; 121; 123; 127138; 143; 145; 147; 150 f.; 264; 272276; 285; 289-291; 296 f.; 301; 316319; 326 Fn. 142; 328 Fn. 145, 330 Fn. 150; 332 Fn. 157; 334 f.; 354 f.; 363 Fn. 246; 366 f.; 398; 403; 410 Fn. 334; 416 Fn. 342; 430 Fn. 378; 501 f.; 514 f.; 528-539; 600; 603; 629 Amtshilfe 73; 276; 314 f.; 518 Anschlußverwendung 66 f.; 85; 87; 8991; 103-106; 144 f.; 147 Anstaltspolizei 298-300; 309 f.; 345; 418 f.; 479 Fn. 533; 515; 517 Anweisungsrecht 226 Armeegendarmerie 29; 274; 527-534; 541 Arrest 304 Arrest, gelinder 205 f.; 210; 256 f.; 537 Fn. 35; 569 f.; 577 f. Arrest, geschärfter 196 Fn. 78; 205 f.; 210; 256 f.; 569 f.; 577 Arrest, mittlerer 537 Fn. 35 Arrest, strenger 537 Fn. 35 Ausfallgruppen 161 Fn. 14 Ausgangsbeschränkung 205 f.; 570 Fn. 85 Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit 22-26; 29 Fn. 37 Bahnhofswachen 30 f.; 542 Fn. 1 Basler Frieden 137 Fn. 37 Bayerischer Erbfolgekrieg 68; 136; 145 Befreiungskriege 92-94; 96; 98-100; 103; 117; 124 Belagerungszustand 321-326; 328; 354 Fn. 220; 405; 519

Belehrung 196; 250; 256; 565 Beneficiarii Consularis 35 f. Fn. 57 Besonderes Gewaltverhältnis 195 Fn. 73 Botenjäger 268; 501 Bundesfeldherr 374 Fn. 263 Bundesgrenzschutz 25 f.; 73 f.; 78 Bundesheer 386 Fn. 280 Bundesministerium der Verteidigung 19; 22-24; 26-28; 262; 275; 593 f. Bundespräsident 245 Fn. 155 Bundesrat 20 Fn. 13; 26 Fn. 32 Bundesregierung 73 Fn. 96; 263 Fn. 1 Bundestag 22 Fn. 20; 26 Fn. 32; 73 Fn. 96; 244-246; 365 Bundeswehr 18 f.; 21-29; 31 Fn. 39; 33; 36 Fn. 57; 40; 53-55; 69-82; 98101; 119 f.; 124-126; 140; 142; 148 f.; 151-153; 155 Fn. 2; 163; 169; 171; 188 f.; 196 Fn. 76; 245-252; 260-263; 275; 277 f.; 291; 306 f.; 351; 371 Fn. 260; 536 Fn. 35; 539 f.; 591-595 Bundeswehrdisziplinaranwalt 20 Fn. 13 Bundeswehrverwaltung 249 Fn. 167 Deutscher Bund 268 Fn. 2; 366; 405 Fn. 322 Deutsches Reich 28 Fn. 35; 109; 111 Fn. 180; 115 f.; 157; 171; 194 Fn. 73; 219; 258; 280 Fn. 28; 290 Fn. 52; 364 f.; 391 Fn. 292; 400; 403; 405 f.; 416 Fn. 342; 425; 435; 471; 489; 495 f.; 498; 514; 525 Dienstenthebung, einstweilige 209-215; 257 f.; 577 f.; 589 f. Dienstgradherabsetzung 206; 234; 243 Disziplinare Hilfsgewalt s. Hilfsgewalt, disziplinare

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S achWortverzeichnis

Disziplinar-Strafordnung für das Heer 305-307; 398 Fn. 305; 405; 475; 517; 535-537; 565; 569; 572-574; 577579; 588 f.; 615 Fn. 34 Drittes Reich 179; 194-196; 217 Fn. 118; 275; 300 Fn. 86; 439 f.; 468; 474; 478; 482; 484 f.; 488; 490 f.; 498; 518; 521 f.; 567 Fn. 81 Ehrengericht 109 f. Ehrengerichtsverordnung 109 Ehrennotwehr 342 f. Ehrenrat 109 f. Eigenmächtige Abwesenheit 79 f. Engagements-Paß 83; 85 f. Entpolizeilichung 24 Ersatzgendarme 423 f.; 433 Erster Weltkrieg 27 Fn. 34; 107; 114; 119 f.; 125; 270; 307; 344; 356; 389 Fn. 287; 392 Fn. 294; 400 Fn. 310; 405 f.; 409-411; 413 Fn. 336; 419; 421 Fn. 353; 424 f.; 431 f.; 438-440; 443 Fn. 428; 471; 501; 506 f.; 512; 535 Fn. 32; 542; 582; 601 Erzieherische Maßnahmen 250 Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 19-21; 24; 28 Fn. 37 Fahnenflucht 36; 64; 79 f.; 122; 178; 182; 428; 576 Fn. 100 Feldgendarmerie 22; 28-30; 36 Fn. 57; 39; 125; 267-526 passim; 527; 538; 541 f.; 544 f.; 547; 556 f.; 561-564; 566; 580 Fn. 112; 585 f.; 588; 591 f.; 594; 603-606; 609; 613-628 Feldgendarmerieabteilung 181; 369; 375 f.; 382 Fn. 272; 387 f.; 409 Fn. 333; 412 Fn. 335; 437 Fn. 407; 448; 450; 460 Fn. 474; 463 Fn. 481; 503; 509; 548; 583; 605 f.; 609 Fn. 20 Feldgendarmerieausbildungsabteilung 621 f. Feldgendarmeriebataillon 605 Feldgendarmeriebrigade 437 Fn. 407

Feldgendarmeriedetachement 372; 374376; 381 f.; 384 Fn. 277; 386-388; 391-393; 401; 421; 502-504 Feldgendarmerieersatzabteilung 615-622 Feldgendarmerieersatzkompanie 621-623 Feldgendarmerieersatzregiment 615; 617; 620 Feldgendarmeriegruppen 614 Feldgendarmerieinspektion 437 Fn. 407 Feldgendarmeriekommandos 393; 407 Fn. 331; 410 Fn. 333; 412; 431; 435 Fn. 402; 460 Fn. 474; 504; 506 Feldgendarmeriekompanien 330 Fn. 150; 605 Fn. 10 Feldgendarmeriekorps 438; 507 Feldgendarmerieordnung 330 Fn. 150; 392 Fn. 294; 400-402; 407-421; 424 Fn. 357; 431^37; 439 f.; 469 Fn. 495; 499; 501; 504-507; 512; 603; 623; 625 Feldgendarmerieschule 622 Feldgendarmeriestaffeln 614 Feldgendarmerietrupps 330 Fn. 150; 407-412; 431-433; 441; 443 Fn. 428; 450 f.; 457; 459 Fn. 473; 462 Fn. 479; 506; 606; 609 f.; 613 f.; 622 f.; 625; 627 Feldgendarmerievorschrift 286 Fn. 39; 296; 420; 439 f.; 447; 449; 456 Fn. 466; 461 Fn. 478; 467 Fn. 492; 476; 481 Fn. 526; 496 Fn. 563; 498500; 507; 512; 521; 603 Feldjäger 18 f.; 26 f.; 36 Fn. 57; 40; 43-263 passim; 275 Fn. 19; 278 Fn. 23; 291-294; 371 Fn. 260; 475; 516; 529 Fn. 12; 540; 566; 569; 591594 Feldjägerabteilungen 165-167; 174; 182; 253 Feldjägerbataillon 136; 174; 253 Feldjägerbereitschaften 165-168 Feldjägerdienst 33 Fn. 47; 54; 71 Fn. 90; 148 Fn. 82; 173 Fn. 7; 179; 189 Fn. 58; 249

Sachwortverzeichnis Feldjägerdienst, geheimer 27; 154-164; 169; 262 Feldjägerdienstausweis 189 Fn. 58 Feldjägerdienstkommandos 70; 250 Fn. 177 Feldj ägerdienstordnung 154 Feldjägergruppen 157-159; 161 Feldjägerkommandos 27; 59 f.; 96; 116; 121 Fn. 217; 171-263 passim; 275 Fn. 19; 371 Fn. 260; 454 Fn. 460; 542; 594 Feldjägerkompanien 150; 159 f.; 257 Feldjägerkorps zu Fuß 127-153 passim Feldjägerkorps, reitendes 27; 38 f.; 43126 passim; 128 f.; 131-133; 139; 141 f.; 144; 146; 152; 154; 162 f.; 262 f.; 529; 538-540; 594; 601 f. Feldjägerkorps der SA 27; 164-170; 244; 262 f. Feldjägerorganisation 181-184; 190 Feldjägerregiment 174; 204; 206; 210; 253; 257 Feldjägerregiment zu Fuß 27; 38; 137153 passim; 162 f.; 169; 262 Feldjägerstreifen 174; 187; 190; 206 Feldjägertruppe der Bundeswehr 18; 2629; 31 Fn. 39; 33; 53-55; 69-72; 7582; 98-101; 119 f.; 124-126; 142; 148 f.; 153; 169; 246-250; 252; 260263; 275 Fn. 18; 277 f.; 526; 539; 591 f.; 594 f. Feldjägerzug 159 Feldkriegsgericht 208; 223-225; 228236; 242 Fn. 152; 259 f. Feldmarschall 32 f. Feldpolizei 164; 394 f. Festnahme 182; 213-221; 251; 258; 302-306; 308-312; 315; 321; 327329; 347 Fn. 200; 379 f.; 398; 403 f.; 419 Fn. 348; 426428; 430 Fn. 378; 469 Fn. 498; 472; 474; 476; 481 Fn. 536; 500; 516-521; 523; 568 Fn. 83; 576 Fn. 100; 579-581; 590 Festnahme, vorläufige 209; 212-218; 258; 305-308; 310-314; 326; 328;

647

380; 404; 426-429; 471 f.; 475; 482; 517; 521; 566; 568 Fn. 83; 578 f.; 590 Festnahmebefugnis 221 Fn. 129; 258; 302 f.; 305-307; 309; 313; 345; 379; 398 Fn. 305; 403 f.; 418 f.; 428-430; 471; 473; 475-477; 516-521; 568 f.; 581; 587; 590 Festnahmerecht 213-216; 220 f.; 251; 258; 261; 279; 302-314; 316; 325 f.; 329 f.; 379; 398 Fn. 305; 403; 405; 431; 471; 473-476; 500; 516 f.; 519521; 524; 568 Fn. 82; 569; 579-581 Fiktionstheorie 283 f. Fourieijäger 52-55; 59 f.; 64; 68 f.; 81 f.; 94; 96; 103; 118 f.; 122; 125 f. Freischützen 388 f. Frieden von Tilsit s. Tilsiter Frieden Friedensdienst 61 f.; 66-68; 86 Fn. 124; 93 f.; 96; 98; 100; 102; 115; 117; 119; 123; 140 f.; 330 Fn. 150; 392 Fn. 294; 534 Friedensvertrag von Versailles s. Versailler Vertrag Fußjäger 90 f.; 131-133; 138-142; 144 f.; 147-149; 151-153 Fußjägerbataillon 136; 145 Fußjägerkorps 128-136; 143 f.; 146; 151 f. Fußjägerregiment 56; 65; 137; 147; 150 Garde, reitende 35 f. Garde-Reserve-Armee-Gendarmerie-Kommando 97 Fn. 148; 528-531; 534 Fn. 29 Gardestern 113; 263 Garnison 57; 59 f.; 62 f.; 65; 70; 72; 80 f.; 94 Fn. 142; 123; 136 f.; 148; 270; 372 Garnisonsdienst 62; 97; 602 Garnisonsdienstvorschrift 308; 404; 430 Fn. 378 Gehegejäger 61; 97 Geheime Feldpolizei 30 Fn. 39; 220; 452; 462 f.; 498; 513; 542 Fn. 1 Gelinder Arrest s. Arrest, gelinder

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arverzeichnis

Gendarmerie 29; 125 Fn. 221; 168; 267-269; 272; 368 f.; 385 f.; 389 Fn. 287; 408; 414; 424 f.; 436 f.; 441443; 466 Fn. 490; 497; 499; 501; 507; 538; 617; 628 Fn. 86 Gendarmerie, motorisierte 168; 442 f.; 507 Gendarmerieabteilung 437 Fn. 407; 497 Gendarmeriebrigade 368 f.; 385; 408; 421; 423 f.; 436 Gendarmeriebrigade Elsaß-Lothringen 408 Fn. 333; 424 Fn. 357 Gendarmerie-Inspektion 435-437 Gendarmerie-Patrouille 408 Fn. 333; 413-419; 499 f.; 505 Gendarmerieregiment 9 438 Generalgewaltiger 34 Generalprofos 34 Gerichtsherr 208; 216 Fn. 116; 223243; 259 f.; 466 Fn. 490; 579 Fn. 108 Gerichtsherrliche Befugnisse 194; 223225; 227; 235-237; 239-244; 252; 259 f. Geschärfter Arrest s. Arrest, geschärfter Gesetz über den Belagerungszustand 316 Fn. 123; 321-325; 345; 348 Fn. 202; 405; 478; 486; 519; 523 Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs 318; 331 f.; 334; 340; 406; 477; 521 Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit 301-304; 309; 311-314; 316; 319 Fn. 123; 321; 326-328; 345; 403405; 418 Fn. 348; 475; 516 Gestapo 166; 168; 467 Fn. 490 Gnadenrecht 224; 235 f.; 239; 243; 260 Grenzpostierungskommandos 36; 64; 78-81; 97; 122 f.; 141 f.; 152; 602 Haager Landkriegsordnung 160 Fn. 11 Hafengendarmerie 29; 527; 538 f.; 541; 592 HDStO s. Disziplinar-Strafordnung für das Heer

Heeresstreifendienst 31; 452; 542; 548554; 556; 558-560; 562-567; 569574; 576 f.; 579; 581; 583-591 Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft 21; 302; 403; 483 Fn. 540 Hilfsbeamte der Wehrstaatsanwaltschaft 20 Hilfsfeldjäger 27 Fn. 34 Hilfsgendarme 271 f.; 424 Fn. 357 Hilfsgewalt, disziplinare 209; 214 f.; 222; 257 f.; 577 f.; 589 f. Hilfspolizei 164 f. Hitlerjugend (HJ) 165-169 HLKO s. Haager Landkriegsordnung Hurenwebel 34 Fn. 53 Husaren 36; 65; 528 Fn. 8; 533 Ingenieur-Geographen 51; 65-67; 78 f.; 81; 95; 97; 122 Jäger im Felde 43 Jäger-Corps zu Fuß 56; 128-132; 135; 143 Jäger-Corps zu Pferde 48-50; 52-56; 59; 84; 87; 93; 124; 130 f. Kabinettsorder s. Allerhöchste Kabinettsorder Kasernenarrest 205 f.; 256; 537 Fn. 35; 570 Fn. 85 Katastrophenhilfe 73; 75 f. Kettenhunde 275 Fn. 19 Königsordonnanzen 532-534 Kolonnenjäger 51-54; 59 f.; 65 f.; 68 f.; 81; 94-96; 103; 118 f.; 121-125 Kurierjäger 52; 59; 62; 68 f.; 81; 94; 96; 103; 118; 122; 125 Landgendarmerie 29 Fn. 38; 270-273 276; 280 Fn. 28; 285; 330 Fn. 150 363 f.; 367-372; 374-377; 384-393 401 f.; 407-412; 414; 416 Fn. 342 420-425; 431^36; 439; 501-507; 527

Sachwortverzeichnis Landwehr 107 Fn. 166; 113; 268; 270272; 304; 409 Fn. 333; 434 Fn. 394; 527 Leibgendarmerie 29; 97 Fn. 148; 527; 531-541; 592; 629 Leibjäger 52-54; 59 f.; 68 f.; 122; 126 Leibstandarte Adolf Hitler 624 Fn. 74 Luftschutzpflicht 489; 491-493; 525 Marschstraßenerkundung 54; 179; 247; 254; 626 Mezai 35 f. Militärischer Ordnungsdienst 17 f.; 20 f.; 29 Fn. 37; 35 Fn. 56; 76 Fn. 99; 125; 176; 178; 246 f.; 251; 254 f.; 277 f.; 307 f.; 439; 456; 459; 510; 539; 591 Militärischer Verkehrsdienst 17 f.; 21; 27; 53; 69; 81; 124; 163; 247; 277; 450; 456-459; 511 f.; 525 Militärpolizei 18; 20-29; 35 f.; 126; 169; 255; 263; 277 f.; 371 Fn. 260; 431; 506; 510; 525 f.; 541; 591-595 Mobilmachungsplan 114; 420; 434; 441-443; 505 Motorisierte Gendarmerie s. Gendarmerie, motorisierte Nachforschung 79 f.; 142; 152; 246; 254; 460; 513 Nachprüfungsverfahren 224; 226; 232237; 239; 243; 260 Nationalsozialismus 164; 168; 244; 478 Fn. 531; 498; 518 NATO 18 Norddeutscher Bund 28 Fn. 35; 374 Fn. 263; 386 Notdisziplinarvorgesetzter 250 Fn. 177 Notstand der Disziplin 198 Fn. 81; 200 f.; 482 Fn. 537 Notstand, innerer 73 Fn. 93; 405; 478 Notstand, rechtfertigender 197 Fn. 80; 482 Fn. 537 Notstandsgesetzgebung 405 Fn. 322

649

Notverordnung 258; 475; 478 Fn. 531; 482-484; 516; 518; 521; 524; 568 Fn. 82; 580 Fn. 115 NSDAP 165-167; 169 NSKK 165-167; 169; 177 Obeijäger 49 Fn. 26; 58 f.; 63; 66 f.; 85; 90; 92; 102; 105; 107; 110 Fn. 176; 114 f.; 134 Fn. 23; 136 Oberkommando des Heeres 31 Fn. 39; 40 Fn. 65; 177 Fn. 27; 181; 242 Fn. 152; 439; 441 Fn. 420; 443 Fn. 429; 448 f.; 451; 453; 455; 509; 545; 550; 553; 556; 558 Fn. 54; 566 Fn. 79; 573 f.; 584; 606; 616-618; 620 Oberkommando der Wehrmacht 40; 171-177; 179 f.; 184; 187; 189-194; 201-204; 218 Fn. 120; 222-224; 226 f.; 239; 248; 253; 440 f.; 443 Fn. 429; 446; 454 f.; 494 f.; 499; 509; 525; 553-558; 567 f.; 571 Fn. 86; 574-576; 585 Oberstprofos 33 f. OKH s. Oberkommando des Heeres OKW s. Oberkommando der Wehrmacht Ordnungspolizei 168; 441-449; 452454; 467 Fn. 492; 470 Fn. 499; 483 Fn. 540; 507 f.; 615; 617; 619 Ordonnanzdienst 95; 99; 274 Fn. 17; 379; 510; 527; 529 f.; 532-534; 537 f.; 541 Organisationsreglement der Feldgendarmerie 382 Fn. 272; 385-387; 389; 391-394; 401 f.; 411 Personalersatzwesen 84 f.; 87; 90; 102; 104 f.; 146 f.; 453; 530 Personenschutz 33 Fn. 47; 52 Fn. 39; 54; 77; 119 f.; 124; 126; 465; 539 Phylakitai 35 f. Piemontesische Jägerkompanie 45 f. Preußische Husaren s. Husaren Profos 32-35 Quartierarrest 537 Fn. 35; 570 Fn. 85

arverzeichnis

650 Reformatio in peius 234

Reichsführer SS 179 Fn. 40; 190-194; 446-449; 453; 495; 525; 556 f.; 567 f.; 575 Fn. 97; 624

SS 156 Fn. 5; 164-169; 179 Fn. 40; 190 f.; 193 f.; 204; 218; 222; 259; 467; 548; 624 f.; 628 Fn. 87 SS-Führungshauptamt 40 Fn. 65; 167; 624 f.

Reichsgründung 282 Fn. 28; 378; 390; 405 f.; 504

SS-Polizeidivision 191 Fn. 64

Reichsjustizgesetze 404; 516

SS-Sonderkommandos 245 Fn. 154

Reichspräsident 194 Fn. 73; 219; 331 Fn. 155; 474 f.; 478 Fn. 531; 482 f.; 516; 567 f.; 580 Fn. 115

SS-Totenkopfverbände 191

Reichswehr 39; 120; 154-156; 158-162; 262; 332 Fn. 155; 404 Fn. 321; 419; 438 f.; 472 Reichswehrministerium 40 Fn. 65; 155 f.; 159; 161 f.; 472 Reitende Garde s. Garde, reitende Reitendes Feldjägerkorps korps, reitendes

s. Feldjäger-

Requisitionsprinzip 316; 318 f.; 354 f. Ruhrkampf 156 SA 27; 164-170; 244; 262 f. SA-Feldjägerkorps s. Feldjägerkorps der SA SAR 166 Schlesische Kriege 49-51; 53; 55-60; 65; 67; 70; 81-83; 87; 121 f.; 124; 128 f.; 131-133; 152; 600 Schule für Feldjäger und Stabsdienst 263 Schutzhaft 219 Schutzpolizei 166-168; 442; 445 Schwarze Reichswehr 154 f.; 162 SD 179 Fn. 40 Selbstschutz 493 Selbstverteidigung, administrative (verwaltungsrechtliche) 298; 300; 309; 345; 418 f.; 479 Fn. 533; 523 Sicherheitspolizei Fn. 492

315 Fn. 122; 467

Siebenjähriger Krieg 59; 61 f.; 64; 67 f.; 85; 93 f.; 134 f.; 139-141; 144 Soldverwaltung 205 f.

SS-Verfügungstruppe 191-194 Stabsordonnanzen 532 Stahlhelm 164-167; 169 Standgericht 260

182; 223; 241-243; 255;

Standgericht, fliegendes 242 f. Standgerichtsherren 260

234; 240 f.; 243;

Standort 22; 31 Fn. 39; 70 f.; 166 Standortdienstvorschrift 31 Fn. 39; 214; 308; 404 Fn. 321; 460 Fn. 474; 564; 580 f.; 590 Standortkommandantur 497 Fn. 564 Standortältester 571; 579; 588 StDVO s. Standortdienstvorschrift Steckenknechte 35 Stein-Hardenbergische-Reformen 91 Stiftung Preußischer Kulturbesitz 5; 30 Fn. 39; 37-39; 43 Fn. 2; 61; 96 Fn. 145; 106 Fn. 163; 133 Fn. 19; 370 Fn. 258; 530 f. Stockmeister 35 Strenger Arrest s. Arrest, strenger Strenger Verweis s. Verweis, strenger Stubenarrest 205 f.; 256 f.; 536; 569 Fn. 85; 578 Stubenarrest, geschärfter 205 f.; 256 f. Tilsiter Frieden 91; 93-95; 151 Truppenrevuen 76 f.; 81; 97; 122 f.; 125; 529; 534; 538; 540 Tumultverordnung 320 Fn. 127; 332334; 348-350; 353; 481; 521

Sachwortverzeichnis Unerlaubte Abwesenheit 79 f.; 142 Unmittelbarer Zwang 196; 198 f.; 202; 256; 291; 299 f.; 351 f.; 479 Fn. 533; 515; 565 Untermarschall 32 Untersuchungshaft 216 Fn. 116; 221; 229; 426 f.; 520 Verkehrskontrollen 247 Verkehrsregelungsbataillone 31; 449 f.; 542-545; 547 f.; 582 f.; 591 f.; 630 Versailler Vertrag 120; 154; 157 Fn. 7; 162; 538 Versprengte 99; 180; 182; 246; 278 Fn. 23; 461 Fn. 478; 510; 513; 561; 586 Versprengtensammelstellen 247; 461 Fn. 478 Verteidigungsausschuss 22; 26 Verteidigungsministerium s. Bundesministerium der Verteidigung Verwaltungsrechtliche Selbstverteidigung s. Selbstverteidigung, administrative (verwaltungsrechtliche) Verweis 204-206; 211; 256 Verweis, einfacher 205 Fn. 97; 257; 536; 569 f. Verweis, förmlicher 536 Verweis, strenger 204-206; 256 f.; 536; 569 f. Volkssturm 179; 254 Volontäre 67; 83; 85-87; 91 f. Vorläufige Festnahme s. Festnahme, vorläufige Wachbataillone 30 f.; 461 Fn. 477; 542 Fn. 1 Waffengebrauch 178; 200-202; 300 Fn. 84; 321 Fn. 128; 332 f.; 337-344; 346-351; 353-356; 379; 399; 406; 479-481; 524; 566 f. Waffengebrauch, administrativer 337 f.; 340; 343 Waffengebrauchsinstruktion 354-356

651

Waffengebrauchsrecht 200 Fn. 87; 279; 330; 336-339; 406; 482 Waffengebrauchsverordnung 477; 480 f.; 483; 521; 566 f.; 587 Waffen-SS 40; 173; 175; 177 f.; 185; 190-194; 203 f.; 206, 209; 214 f.; 218-224; 226; 233; 240; 242 Fn. 152; 244; 253-260; 371; 454; 494 f.; 525; 548; 553-556; 567; 571 Fn. 86; 574576; 578-580; 583-585; 587; 589 f.; 624 f. Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben 18; 27; 36 Fn. 57; 53; 55; 77; 99; 139; 169; 277 f.; 464 Fn. 483; 539 WDO s. Wehrdisziplinarordnung WDStO s. Wehrmachtdisziplinarstrafordnung Wehrdisziplinaranwälte 20 Fn. 13 Wehrdisziplinarordnung 79 Fn. 107; 203 Fn. 93; 250 f.; 306 f.; 536 Wehrmacht 22; 27; 29 f.; 39 f.; 171; 174-180; 184; 186-195; 202-204; 206; 209-215; 218-224; 226 f.; 232 f.; 236; 238; 241 f.; 244-263; 275; 291 Fn. 55; 293 f.; 320 Fn. 127; 331 Fn. 155; 371 Fn. 260; 438-440; 442446; 448; 453-456; 458 f.; 461-463; 465-469; 472 f.; 476-481; 483-486; 493-501; 508-510; 512 f.; 516; 521 f.; 524 f.; 542; 548 f.; 551-556; 558 f.; 562; 564; 566 f.; 575-583; 585-587; 589 f.; 592; 594; 613; 619; 626 Fn. 83 Wehrmachtabteilung 162 Wehrmachtangehörige 31 Fn. 39; 185 f.; 190; 209; 220 f.; 224; 237; 239; 245; 251; 255; 257; 454; 459 f.; 462; 467 Fn. 490; 469 f.; 474; 476; 482 Fn. 537; 495; 497; 513; 557; 560-562; 564; 566 f.; 570 Fn. 86; 575; 577; 579-581; 586 Wehrmachtsausstellung 244 Fn. 153 Wehrmachtbeamte 30 Fn. 39; 186 Fn. 54; 232; 236; 470 Fn. 502; 476; 479; 562; 570 Fn. 86; 579 f.; 587; 590 Wehrmachtdisziplinarstrafordnung 196; 203-215; 218 f.; 224; 231; 251; 256-

652

arverzeichnis

258; 307; 405; 475; 517; 565; 574 f.; 577-579; 589; 615 Fn. 34; 620 Wehrmachtfiihrungsstab 171; 173; 223 f.; 226 Fn. 138; 240; 242 Fn. 152; 556 Fn. 47 Wehrmachtgefolge 562 Wehrmachtgerichte 237 Wehrmachtordnungstruppen 180; 454456; 495 Fn. 561; 509 f.; 556 f.; 585 Wehrmachtrechtsabteilung 223; 233; 240; 242 Fn. 152 Wehrmachtstrafrecht 218 Wehrmachtstreifendienst 31; 454 f.; 542; 553-558; 560 f.; 564 f.; 567-569; 571 Fn. 86; 574-582; 584-592 Wehrmachtteile 172 f.; 178; 184-187; 190 f.; 203 f.; 206; 208; 218; 222; 224-226; 232; 236; 240; 242 Fn. 152; 253; 257; 259 f.; 499; 548; 553-556; 571 Fn. 86; 574 f.; 579 Fn. 108; 583585 Wehrmachtvorschriften 209 Wehrstrafgerichte 20 Fn. 13; 252 Weimarer Reichsverfassung 37; 155 Fn. 2; 219; 331 f.; 346; 353; 471; 474 f.; 478; 482 f.; 485 Fn. 542; 516; 567 Fn. 81

Weimarer Republik 27; 37; 154; 162164; 169; 300 Fn. 86; 319 Fn. 183; 331 Fn. 155; 406 Fn. 325; 438 f.; 471; 507 Weißzeug 189 Fn. 58 Werwolf 156 Fn. 5 WFSt s. Wehrmachtführungsstab Wiederholung eines Befehls 196 Fn. 78; 250 Fn. 173 Wiener Kongress 92 WRV s. Weimarer Reichsverfassung Zugstreifen 30 Fn. 39; 542 Fn. 1 Zwangsmittel 199 Fn. 85; 202; 250; 292; 320 Fn. 127; 483; 492; 494; 587 Zweiter Weltkrieg 19; 21 f.; 29-31; 38 f.; 155; 176; 181; 244 f.; 250; 275 Fn. 18; 284 Fn. 33; 286 Fn. 39; 293; 307 f.; 330 Fn. 150; 365; 371 Fn. 360; 404 Fn. 321; 440-442; 456; 464 f.; 467 f.; 473-476; 486 Fn. 545; 495; 498; 501; 507; 509; 513 f.; 516; 518; 521; 524 f.; 528 Fn. 4; 542; 548; 556 f.; 561; 564; 569; 577; 592; 604 f.; 613