Die Verfassungsurkunde des Freistaates Bayern vom 14. August 1919: Mit den einschlägigen Gesetzen, dem Konkordat und den Verträgen mit den evangelischen Kirchen [Reprint 2020 ed.] 9783112359143, 9783112359136

143 50 17MB

German Pages 374 [376] Year 1925

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Verfassungsurkunde des Freistaates Bayern vom 14. August 1919: Mit den einschlägigen Gesetzen, dem Konkordat und den Verträgen mit den evangelischen Kirchen [Reprint 2020 ed.]
 9783112359143, 9783112359136

Citation preview

Die Verfaffungsurkunde des Freistaates Bayern vom 14. August 1919 mit den einschlägigen Gesehen,

dem Konkordat und den Verträgen mit den evangelischen Kirchen

Erläutert von

Dr. Jakob Kratzer Negierungsrat in München

1925 München, Berlin u. Leipzig I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier)

Vorwort. Die vorliegenden Erläuterungen zur bayerische» VerfassungsUrkunde sind hauptsächlich für die Zwecke der Praxis gedacht. All­

gemeine Erörterungen, zu denen das Staatsgrundgesetz reichlich Ainlaß gäbe, wurden daher auf ein Mindestmaß beschränkt. Auf die geschichtliche Entwicklung der Verfassungseinrichtungen konnte nur

in ganz großen Zügen in der Einleitung hingewiesen werden.

München, den 6. Januar 1925.

Der Verfasser.

Inhaltsübersicht.

Seite Abkürzungsverzeichnis................................................................................... V Einleitung........................................................................................................ 1 I. Text der Bersassungsurkunde.......................................................... 15 II. Erläuterungen ................................................................... 39 1. Abschnitt: Staat, Staatsgebiet,Staatsgewalt (§§ 1—5) . . 39 2. Abschnitt: Staatsbürgerschaft (§§6—12)................................ 53 3. Abschnitt: Grundrechte (§§ 13—16)............................... . . 68 4. Abschnitt: Gewissensfreiheit, Religionsgesellschasten, Schul(§§17—21) . ......................................................................... 76 5. Abschnitt: Selbstverwaltung, Stiftungen (§§ 22—25) ... 96 6, Abschnitt: Landtag: a) Wahl, Mitgliedschaft, Geschäftsgang, Auflösung (§§ 26—43 110 . b) Aufgaben, Rechte (§§ 44—56).............................................. 141 7. Abschnitt: Staatsverwaltung: a) Ministerium (§§ 57—66)................................................... 157 b) Behörden, Staatsdienst (§§ 67—73)............................... 185 8. Abschnitt: Gesetzgebung, Staatshaushalt (§§ 74—85) ... 201 9. Abschnitt: Heerwesen (§§ 86—88)........................................... 219 10. Abschnitt: Verkehrswesen (§§ 89—91)................................... 223 11. Abschnitt: Schluß- und Übergangsbestimmungen (§§ 92—95) 229 III. Anhang: Nr. 1. Verfassung des Deutschen Reiches v. 11. August 1919 235 Nr. 2. Gesetz über die Vereidigung der öffentlichen Beamte v. 6. November 1919....................................... 274 Nr. 3. Ländeswahlgesetz für Landtagswahlen, Bolksbegehre und Bolksentscheidungen v. 12. Mai 1920 . 275 Nr. 4. Gesetz über den Staatsgerichtshof v. 11. Juni 1920 . 293 Nr. 5. Geschäftsordnung für den bayerischen Landtag . . . 303 Nr. 6. Religionsverträge (mit Anmerkungen): a) Konkordat v. 29. März 1924 ..................................... 321 b) Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und dc Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts ds Rheins v. 15. November 1924 ............................ 341 c) Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und dc Bereinigten protestantisch-evangelisch-christlichen Kirch der Pfalz (Pfälzische Landeskirche) v. 15. N* vember 1924 ............................................................... 352 IV. Alphabetisches Sachregister................................................................... 360

Verzeichnis der hauptsächlichen Abkürzungen. A. A. — anderer Ansicht. a. a. O. = am angegebenen Orte. Abs. -- Absatz. AG. -- Ausführungsgesetz. Anm. — Anmerkung. AufGes. — bayer. Aufenthaltsgesetz v. 21. August 1914, GVBl. 1915 S. 590. Ansch. = De G. Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches, Berlin 1921. ArchOffR. = Archiv des öffentlichen Rechts. BayGemBZ. --- Bayerische Gemeinde- und Berwaltungszeitung. BayZfR. = Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. Bd. -- Band. BeaGes. --- bayer. Beamtengesetz v. 16. August 1908, GVBl. S. 581. Bek. = Bekanntmachung. BGBl. --- Gesetzblatt des norddeutschen Bundes. BlfadmPr. = Blätter für administrative Praxis. BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch. bzw. — beziehungsweise. DIZ. = Deutsche Juristenzeitung. E. = Entscheidung. EG. = Einführungsgesetz. Entschl. = Entschließung. FGG. = Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17. Mai 1898, RGBl. S. 189. Form-BO. --- Formationsverordnung. FrzG. = Gesetz über die Freizügigkeit v. 1. November 1867, BGBl. S. 55. GBl. =-• Gesetzblatt für das Königreich Bayern. GBO. = Grundbuchordnung in der Fassung der Bek. v. 20. Mai 1898. RGBl. S. 754. GO. - Geschäftsordnung des Landtags, abgedruckt im Anhang Nr. 5. GemO. = Gemeindeordnung v. 29. April 1869 (r. = für die Landesteile rechts des Rheins, GBl. 1866—1869 S. 865; pf. = für die Pfalz, GBl. S. 1009). GewO. — Gewerbeordnung für das Deutsche Reich v. 21. Juni 1869, BGBl. S. 245. Giese = Dr F. Giese, Berfassung des Deutschen Reiches, 5. Aufl., Berlin 1923. GBBl. = Bayer. Gesetz- und Verordnungsblatt. GBG. — Gerichtsverfassungsgesetz, in der Fassung der Bek. v. 22. März 1924, RGBl. S. 299.

VI

Verzeichnis der hauptsächlichen Attürzungerl.

IW. -- Juristische Wochenschrift. Kahr = De. G. von Kahr, bayer. Genleliweordnung für die Landesteile dies­ seits des Rheins, München 1896. KirchgemO. = Kirchengemeindeordnung v. 24. September 1912, GBBl. S. 911. KMBl. — Amtsblatt des Staatsnrinisteriums für Unterricht und Kultus. I. Les. = Verhandlungen des Berfassungsausschusses in I. Lesung, Tagung des bayer. Landtags 1919, Beilagenbd. II. II. Les. = Verhandlungen des Berfassungsausschusses in II. Lesung, Tagung des bayer. Landtags 1919, Beilagenbd. II. LWG. = Landeswahlgesetz v. 12. Mai 1920, GBBl. S. 195, abgedrmkt ' im Anhang Nr. 3. LWO. = Landeswahlordnung v. 12. Mai 1920, GBBl. S. 241. LZ. = Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht. Naw. = De H. Nawiasky, bayer. Berfassungsrecht, München, Berlin und Leipzig 1923. § ... = Paragraph, ohne Zusatz: § der BerfUrk. Piloty = Dr R. Piloty, Die Berfassungsurkunde des Freistaates Bayer»l, München, Berlin und Leipzig 1919. PStGB. = Polizeistrafgesetzbuch für Bayern v. 26. Dezember 1871, GBl. 1871/72 S. 9. RGBl. = Regierungsblatt für das Königreich Bayern. Recht = Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenstand. RegEntw. — Regierungsentwnrf der BerfUrk., Tagung des bayer. Landtags 1919, Beilagenbd. I S. 111. Reger --- Entscheidungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden, heraus­ gegeben von A. Reger, fortgesetzt von De R. Oeschey. RGBl. — Reichsgesetzblatt (Teil I). RGS1. = Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. RGZ. = Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. Rösch = M. Rösch, Bayer. Gemeindeordnung, Selbstverwaltungs- und Wahlgesetz, München, Berlin und Leipzig 1923. RV. = Die Verfassung des Deutschen Reichs v. 11. August 1919, RGBl. S. 1383, abgedruckt im Anhang Nr. 1. Rothenb. = K. Rotbenbücher, Die Stellung des Ministeriums nach bayer. Berfassllngsrecht, München 1922. s. = siehe. S. — Seite oder Satz. Seydel = M. Seydel, bayer. Staatsrecht, München 1884. StAnz. = Bayer. Staatsanzeiger (amtliche Beilage der Bayer. Staatszeitung). StenBer. = Stenographische Berichte (der Landtagsverhandlungen). StGB. = Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich v. 15. Mai 1871, RGBl. S. 127. StGerHofGcs. = Gesetz über den Staatsgerichtshof v. 11. Juni 1920, GBBl. S. 323, abgedruckt int Anhang Nr. 4. StPO. = Strafprozeßordnung, in der Fassung der Bek. v. 22. März 1924, RGBl. S. 299. SBG. = Gesetz über die Selbstverwaltung v. 22. Mai 1919, GBBl. S. 239. BerfUrk. — Berfassungsurkunde des Freistaates Bayern v. 14. August 1919, GBBl. S. 531.

Verzeichnis der hauptsächlichen Abkürzungen.

VII

BGG. = Gesetz über die Errichtung eines Berwaltungsgerichtshofes und das Verfahren in Berwaltungsrechtssachen v. 8. August 1878, GBBl. S. 369. BGH. = Berwaltungsgerichtshof. -- vergleiche. BO. = Verordnung. BoillzAnw. = Bollzugsanweisung. Weber = neue Gesetz- und Berordnungensanlmlung für das Königreich Bayern von K. Weber. ZWO. = Zivilprozeßordnung, in der Fassung der Bek. v. 13. Mai 1924, RGBl. S. 437.

Einleitung.*) Der Friede von Preßburg vom 26. Dezember 1805 brachte den bayer­ ischen Landen mit der Erhebung zum Königreiche dte Souveränität. Sie biLete ein günstiges äußeres Moment für die Schaffung der bayerischen Konstitution vom 1. Mai 1808, die unter Leitung des Staatsministers Frei­ herrn Maximilian^ von Montgelas ausgearbeitet wurde. Die Konstitution, die sich an die Berfassung des Königreichs Westfalen anlehnte, legte den Grund­ stein zur Zusammenschweißung der verschiedenen den bayerischen Staat bildenden Bestandteile zu einer wirklichen Einheit und zu einem einheitlichen staatsbürgerlichen Bewußtsein seiner Bewohner. Sie löste die landständische Berfassung ab. Ihr Hauptverdienst lag darin, daß sie den öffentlichrechtlichen Charakter, die Einheit, Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Staates sicherte, die privatrechtliche Auffassung vom Fürstentum überwand und, wenn auch in bescheidener Weise, einem Teil des Bölkes einen Anteil an der Regierung einräumte, indem sie neben jkreisdeputationen eine National­ repräsentation vorsah. Allerdings ist diese Repräsentation nie zusammen­ getreten. Die Leibeigenschaft wurde beseitigt, die Umwandlung der un­ gemessenen Fronen in gemessene verfügt. Aus der Konstitution von 1808 ist sodann die bayerische Verfassung von 1818 herausgewachsen. Nach dem Sturze Napoleons vermochte die Regierung den Fragen der inneren Staatspolitik vermehrte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Durch königliches Reskript vom 17. September 1814 wurde eine Berfassungskommission eingesetzt. Die Beratungen wurden gründlich geführt, hatten aber zunächst kein endgültiges Ergebnis. Gegen die Ge­ währung einer wirklichen Volksvertretung war insbesondere der leitende Minister Montgelas. Den entgegengesetzten Standpunkt nahm der von den Idealen der Freiheitskriege erfüllte damalige Kronprinz Ludwig ein. *) Benutztes Schrifttum: Seydel, Bayer. Staatsrecht, 1. Ausl. München 1884, Bd. I S. 199—220; Doeberl, Ein Jahrhundert bayer. Berfafsungslebens, 2. Aufl. München 1918; Dr Piloty, Die Verfassungsmkunde des Freistaates Bayern, München 1919, Einleitung; Dr MüllerMeiningen, Aus Bayerns schwersten Tagen, neue Ausgabe Berlin 1924; Nawiasky, Bayerisches Berfassungsrecht, München 1923, S. 2—18. Aratzer, BerfasslmgSurruude des Areistaares Bayern.

1

2

Stnlettung.

Am 2. Februar 1817 entließ König Maximilian L Josef den Minister MontgelaS. Am nämlichen Tage noch erschien eine königliche Bewrbnung, die eine neue Berfassung in unmittelbare Aussicht stellte. Am 26. Februar 1818 begannen die Besprechungen, denen der revidierte BerfassungSentwurf von 1816 samt den Bemerkungen des Kwnprinzen zugrunde gelegt wurde. Be­ schleunigend auf die Beratungen wirtte der Wunsch, die Kirchenfrage zu er­ ledigen, und die Besorgnis, es könnten von feiten des Bundestages in Frankfurt

Eingriffe in die Souveränität Bayerns erfolgen. ^Am 26. Mai 1818 ritt der Reichsherold unter dem Geläute der Kirchenglocken und dem Donner der Geschütze durch die Sttaßen Münchens, um den Entschluß des Königs, seinem Staate eine Berfassung zu geben, sowie

den Inhalt der Berfassungsurkunde den Einwohnern Münchens bekannt zu machen. Ihn begleiteten zwölf auserwählte Bürger, die die Bersassungsurkunde und die bis dahin erschienenen konstituttonellen ©bitte unter das Volk verteilten." (Doeberl a. a. O. S. 45.) Diese denkwürdige Urkunde des bayerischen Staates und des bayerischen Fürstenhauses begann also: „Bon den hohen Regentenpflichten durchdrungen und geleitet haben Wir Unsere bis­ herige Regierung mit solchen Einrichtungen bezeichnet, welche Unser fottgesetztes Bestreben, das Gesamtwohl Unserer Untettanen zu fördern, berrrkunden. Zur festeren Begründung desselben gaben Wir im Jahre 1808 Unserem Reiche eine seinen damaligen äußeren und inneren Verhältnissen angemessene Berfassung, in welche Wir schon die Einführung einer ständischen Versamm­ lung als eines wesentlichen Bestandteiles ausgenommen haben. — Kaum hatten die großen seit jener Zeit eingetretenen Weltbegebenheiten, von welchen kein deutscher Staat unberührt geblieben ist, und während welcher das Volk von Bayem gleich groß im erlittenen Drucke wie im bestandenen Kampfe sich gezeigt hat, in der Akte des Wiener Kongresses ihr Ziel gefunden, als Wir sogleich das nur durch die Ereignisse der Zeit unterbrochene Werk mit unverrücktem Blicke auf die allgemeinen und besonderen Forderungen

des Staatszweckes zu vollenden suchten; die im Jahre 1814 dafür angeordneten Vorarbeiten und das Dekret vom 2. Februar 1817 bestätigen Unseren hier­ über schon früher gefaßten Entschluß. Die gegenwättige Akte ist nach voran­ gegangener reifer und vielseitiger Beratung und nach Vernehmung Unseres Staatsrates das Werk Unseres ebenso freien als festen Willens. Unser Volk wird in dem Inhalte desselben die kräftige Gewährleistung Unserer landes-

väterlichen Gesinnungen finden." Am Morgen des 27. Mai 1818, des Gebuttstages des Kölügs, vollzog sich der feierliche Akt der Eidesleistung auf die Verfassung in der Münchener Residenz. Der König hatte in den Zimmern des Staatsrates unter den; Thronhimmel Platz genommen, ihm zur Rechten Kronprinz Ludwig, zur Linken Prinz Karl. Die höchsten Würdenträger und Beamten des Staates, umgaben ihn. Er sprach die einleitenden Motte: „Ich habe Sie um Meinen

Einleitung.

g

Thwm versammelt, um von Ihnen den Eid auf die Berfassung zu empfangen, welche Ihnen auf Meinen Befehl verttndet wurde. Sie haben in dem die Berfassungsurkunde begleitenden Reskripte die Satzungen und die Grund­ sätze ausgedrückt gefunden, welche Mich dabei begleitet haben; Ich wieder­ hole in dieser feierlichen Versammlung, daß Ich Mein persönliches Glück und den Ruhm Meines Thrones einzig in dem Gesamtwohl und in der Liebe Meiner Untertanen suche. Ich erwarte von Ihrer Treue tätige Mitwirkung, daß die gegenwärtige Huldigung in eine fortlebende der Tat erwachse, und Ich habe das feste Bertmuen, in dem Mde der Einzelnen den Widerhall aller Herzen Meiner Bayern zu hören." — Die Berfassung bestand aus der Berfassungsurkunde, aus zehn Edikten als Beilagen und aus zwei Anhängen, nämlich dem Konkordat und dem Edikt über die inneren kirchlichen Angelegenheiten der protestantischen Gesamtgemeinde. Die Grundbestimmungen des Verfassungswerkes sind in seinen Einleitungsworten zusammengefaßt: „Freiheit der Gewissen und gewissen­ hafte Scheidung und Schützung dessen, was des Staates und der Kirche ist; Freiheit der Meinungen, mit gesetzlichen Beschränkungen gegen den Miß­ brauch; gleiches Recht der Eingeborenen zu allen Graden des Staatsdienstes und zu allen Bezeichnungen des Verdienstes; gleiche Berufung zur Pflicht und zur Ehre der Waffen; Gleichheit der Gesetze und vor dem Gesetze; Unparteilichkeit und Unaufhaltbarkeit der Rechtspflege; Gleichheit der Be­ legung und der Pflichtigkeit ihrer Leistung; Ordnung durch alle Teile des Staatshaushaltes, rechtlicher Schutz des Staatskredits und gesicherte Ver­ wendung der dafür bestimmten Mittel; Wiederbelebung der Gemeindekörper durch die Wiedergabe der Verwaltung der ihr Wohl zunächst berührenden Angelegenheiten; eine Standschaft — hervorgehend aus allen Klassen der im Staate ansässigen Staatsbürger — mit den Rechten des Beirates, der Zustimmung, der Willigung, der Wünsche und der Beschwerdeführung wegen verletzter verfassungsmäßiger Rechte, berufen, um in öffentlichen Versamm­ lungen die Weisheit der Beratung zu verstärken, ohne die Kraft der Regierung zu schwächen; endlich eine Gewähr der Verfassung, sichernd gegen willkür­ lichen Wechsel, aber nicht hindernd das Fortschreiten zum Bessern nach ge­ prüften Erfahrungen." Die Verfassung führte das Zweikammersystem ein. Die 2. Kammer setzte sich zusammen aus je einem Vertreter der drei Landesuniversitäten, aus Berttetern der adligen Gutsbesitzer mit grundherrlicher Gerichtsbarkeit (7e der Abgeordneten), aus Vertretern der Geistlichkeit der katholischen und der pwtestantischen Kirche (ebenfalls V8), aus Vertretern der Städte und Märtte (l/4), aus Vertretern der Landeigentümer ohne grundherrliche Gerichts­ barkeit (7s). Für die Wählbarkeit war u. a. eine gewisse Mindeststeuerleistung und die Zugehörigkeit 311 einem der drei christlichen Glaubensbekenntnisse Voraussetzung.

4

Einleitung.

Die bayerische Berfassung wurde, ohne daß ihre Mängel verkannt worden wären, im allgemeinen freudig begrüßt. Der Erlanger Professor Johann Paul Harl z. B. bezeichnete sie als „die Morgenröte einer schönen Zukunft", als „eine bahnbrechende Tat für ganz Deutschlanb", als „einen aNgemeinen Freiheitsbrief, wodurch in der bayenschen Geschichte eine neue Periode begründet wurde". In der Zeit der Karlsbader und Wiener Ministerkonferenzen drohten ihr gewisse, teilweise mif Metternich zurückgehende Gefahren, die haupt­ sächlich durch das Eingreifen des Kronprinzen Ludwig abgewendet wurden. Die Thronrede, in der dieser als König am 17. November 1827 den Landtag eröffnete, enthielt die Worte: „Nicht von Mängeln frei ist Unsere Verfassung... Weise gibt uns die Berfassung selbst die Wege zur Verbesserung an die Hand. Biel Gutes ist bereits auf den früheren Landtagen geschehen, vieles bleibt noch zu tun." Ms Ausläufer der Pariser Julirevolution von 1830 ergab sich auch eine Erschütterung des bayerischen Berfassungswesens. Namentlich die Zensurfrage spielte dabei eine große Rolle. Während des Ministeriums Ottingen-Wallerstein befürchtete der König den Ausbruch einer Revolutton und richtete seine Politik darnach ein. An dem Berfassungswerke, bei dessen Zustandekommen er mitgeholfen, hatte er keine Freude mehr. Ein langer und lebhafter Streit über das Budgetrecht wurde im Jahre 1843 durch das berühmte „Berfassungsverständnis" beendet, worin der Landtag die Ver­ fügung der Regierung über frühere Erübrigungen aus dem Staatshaushalte genehmigte, zugleich aber festlegte, daß künfttg die Regierung nur mehr mit Zustimmung des Landtags über die Erübrigungen, die Staatseinnahmen der künftigen Finanzperiode seien, befinden könne. Die neue Zeit, die mit dem stürmischen Jahre 1848 heraufzog, wollte Ludwig I. als König nicht mehr mitmachen. Am 20. März 1848 entsagte er zugunsten seines Sohnes Maximilian dem Thron. In seinem Mschiedsgruß an das bayerische Volk sprach er aus: „Eine neue Richtung hat be­ gonnen, eine andere als in der Berfassungsurkunde enthaltene, in welcher Ich nun 23 Jahre geherrscht!" Der junge König Maximilian II. verkündete in seiner Thronrede vom 22. März 1848 dem außerordentlichen Landtag: „Ich bin stolz, Mich einen konstitutionellen König zu nennen." „In einen neuen Abschnitt Unseres öffentlichen Lebens sind wir eingetteten. Der Geist, der Europa durchdringt, gebietet es. Nicht bloß Bayern, sondern Deutschland richtet das Auge auf die Beratungen, die bevorstehen . . . Unser Wahlspruch sei Freiheit und Gesetzmäßigkeit." Eine Reihe wichtiger Gesetze wurde geschaffen. Das Landtagswahlgesetz vom 4. Juni 1848 (mit indirekter Wahl) machte die Stände­ versammlung zu einer wirklichen Bolksverttetung. Das Recht der Gesetzesinitiattve wurde dem Landtag eingeräumt. Das Gesetz über die Minister-

Verantwortlichkeit brachte weitere langst erstrebte Fortschritte. Besonders bedeutsam war noch das Gesetz vom 4. Juni 1848 über die Aufhebung der standeS- und gutsherrlichen Gerichtsbarkeit, dann die Aufhebung, Fixierung und Ablösung von Grundlasten. Unter dem Ministerium von der Psordten erschien das Gesetz vom 26. Jnli 1850 über den Geschäftsgang des Landtags, auf Grund dessen die beiden Kammern ihre inneren Angelegenheiten selbst ordnen konnten. Damals wurde auch eine Revision der Bersassungsurtunde und ihrer Beilagen er­ wogen. Das Gesetz über die Aufhebung und Ablösung des Weiderechts, das Forst-, Wasser-, Distriktsrats- und Landratsgesetz fanden allseits Anklang. Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 10. November 1861 brachte eine neue Gerichtsorganisation und vor allem die so begehrte Trennung der Justiz von der Verwaltung. Das Notariatsgesetz beseitigte die Siegelmäßigkeit. Als König Ludwig II. zur Regierung gelangte und das Ministerium von der Pfordten wiederkehrte, gewann die „Fortschrittspartei" vermehrten Einfluß auf den Entwicklungsgang des bayerischen Verfajsungslebens. Durch Gesetz vom 10. Juli 1865 wurde die Dauer der Finanzperiode von 6 auf 2 Jahre herabgesetzt. Demzufolge wuchs auch der Einfluß des Landtags, der jetzt wenigstens alle 2 Jahre einberufen werden mußte. Unter dem Ministerium des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillings­ fürst wurde als bedeutendes, den Grundsatz der Gewerbefreiheit als Regel aufstellendes Gesetz die Gewerbeordnung vom 30. Januar 1868 erlassen. Weiterhin erschienen neben anderen sozialen Gesetzen die beiden Gemeinde­ ordnungen vom 29. April 1869, die eine Beschränkung der Staatsaufsicht bezüglich der Verwaltung eigentlicher Gemeindeangelegenheiten brachten. Im Gesetz über die Wehrverfassung wurde die wirkliche Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht nach preußischem Borbilde angebahnt. Den denkbar tiefsten Einschnitt in das bayerische Verfassungsleben brachten infolge des siegreichen Krreges gegen Frankreich der Versailler Vertrag vom 23. November 1870, aus Grund dessen Bayern dem deutschen Reiche beittat, die Berliner Vereinbarung vom 8. Dezember 1870 und die hierauf bezügliche königliche Deklaration vom 30. Januar 1871: Bayern begibt sich im Interesse der Einheit und Macht des neuen Deutschen Reiches des Rechtes der Gesetzgebung aus einer Reihe wichtiger Gebiete. Zahlreiche bedeutungsvolle Reichsgesetze vornehmlich aus den Gegenständen der Justiz traten in den folgenden Jahren in Bayem in Geltung. Das Gesetz vom 21. März 1881 beseitigte die Einrichtung der Ersatz­ männer bei den Landtagswahlerr und führte die geheime Wahl ein. Ani 8. August 1878 war das Gesetz über die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshoses zustande gekommen. Während der Regentschaft des Prinzregenten Luitpold nahm das öffentliche Leben eine ruhige Entwicklung. Die Parieigegensätze wurden

6

Einleitung.

gemiwert, der religiöse Frieden im Lande erhalten. Das Landtagswahlgesetz vom S. April 1906 (mit der gesetzlichen Wahlkreiseinteilung und dem direkten Wahlrecht) sowie das Beamtengesetz vom 16. August 1908 waren bedeutungs­ volle Schritte zur Fortbildung des bayerischen Berfassungslebens. Der Beginn des -bltkriegs fiel in die Regierungszeit König Ludwigs III.

Als treues Glied in dem festgefügten bundesstaatlichen Verbände des stolzen und mächtigen Reiches nahm Bayern teil an den ruhmvollen Siegen, an den Hoffnungen und Leiden des gewaltigen Ringens. Auf allen Kriegsschau­ plätzen im Kampfe gegen eine Welt von Feinden wanden auch die bayerischen Verbände unvergänglichen Lorbeer um ihre alten und neuen Fahnen. — Durch das Reichsgesetz vom 28. Oktober 1918 fand das parlamentarische System im Reiche seinen Eingang. Am 2. November 1918 (Staatsanzeiger Nr. 256) erließ auch König Ludwig III. eine Kundgebung, wornach das

Mnisterium nur im Einverständnis mit dem Landtag gebildet werden sollte. Damit wurde auch in Bayern das Berfassungsrecht grundlegend umgestaltet: Während bis dahin der König als Oberhaupt des Staates alle Rechte der Staatsgewalt in sich vereinigte und sie nach den Berfassungsbestimmungen ausübte, sollte nunnrehr das Schwergewicht der Staatsleitung auf den Land­ tag und dessen Vertrauensmänner übergehen. Diese Neuordnung kam indessen nicht mehr zur Auswirkung. Die Ereignisse überstürzten sich, die Staatsumwälzung begann. Österreich-Ungarn hatte am 4. November kapituliert, die bayerische Südgrenze war bedroht, die Nachricht vom Matrosenaufruhr in Kiel erreichte die Hauptstadt. Am 7. November, während noch die deutschen Kampftruppen

in Frankreich und Belgien zähe fechtend schrittweise zurückwichen, fand auf der Theresienwiese in München eine große Kundgebung unzufriedener Volksteile statt. Im Anschlusse daran wurden die Kasernen und öffentlichen Ge­ bäude besetzt, ohne daß man ernstlichen Widerstand gesunden hätte. Noch in der Nacht vom 7. auf den 8. bildete sich ein revoluttonärer Arbeiter-, Sol­ daten- und Bauernrat nach russischem Muster im Landtagsgebäude, dessen Vorsitz der Schriftsteller Kurt Eisner übernahm. Dieser hatte schon am 6. November vor einer Versammlung seinen Kops dafür verpfändet, daß

binnen 48 Stunden in München die Revolution auferstehen werde. Am Morgen des 8. November brachten die Zeitungen den überraschten Bürgern die Nachricht, daß Bayern zur Republik erklärt sei. Am 9. November wurden von den alten Ministern die Amtsgeschäfte an die Nachfolger übergeben. An diesem Tage wurde auch in den übrigen Bundesstaaten die Republik ausgerufen. Zahlreiche Proklamationen wurden erlassen. In einem Aufruf war angekündigt, daß der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat zum Zwecke der Einleitung von Friedensverhandlungen mit den Ententemächten in Verbindung getreten sei. In einem anderen war gesagt: „Die Dynastie

Wittelsbach ist abgesetzt."

Der König, jeglicher Hilfe bar, hatte am 7. November abends mit seiner Familie im Kraftwagen München verlassen und sich zunächst nach SchloH Wildenwarth bei Prien begeben. Aus Schloß Anis bei Salzburg, wo er dann vorübergehend Zuflucht suchte, richtete er am 13. November folgendes Schreiben an das bayerische Volk: „Zeit meines Lebens habe ich mit dem Bolt und für das Volk gearbeitet. Die Sorge für das Wohl meiner geliebten Bayern war stets mein höchstes Streben. Nachdem ich infolge der Ereignisse der letzten Tage nicht mehr in der Lage bin, die Regierung weiterzuführen, stelle ich allen Beamten, Offizieren und Soldaten die Weiter^ arbeit unter den gegebenen Verhältnissen frei und entbinde sie des mir ge­ leisteten Treu-Eides." Das Ministerium sah darin den Thronverzicht und antwortete (Staatsanzeiger Nr. 266) t „Der Ministerrat des Bolksstaates Bayern nimmt den Thronverzicht Ludwigs III. zur Kenntnis. Es steht dem ehemaligen König und seiner Familie nichts im Wege, sich wie jeder andere Staatsbürger frei und unangetastet in Badern zu bewegen, sofern er und seine Angehörigen sich verbürgen, nichts gegen den Bestand des Bolksstaates Bayern zu unternehmen." Bon einem Thronverzicht hatte der König nicht gesprochen. Eine Verordnung der Regierung des Bolksstaates Bayern vom 16. No­ vember 1918, GBBl. S. 1231, lautete: „Die bisher durch Berfassung, Gesetze und Verordnungen dem König persönlich vorbehaltenen Entscheidungen und Verfügungen werden von den Ministern innerhalb ihrer Geschäftskreise erlassen. Die Sanktion der Gesetze und die Ausübung des Begnadigungsrechtes in Fällen der Todesstrafe siud dem Miniperrat Vorbehalten."

Der Landtag und später auch die Kammer der Reichsräte protestierten durch ihre Präsidenten gegen ihre Beseitigung. Ein sog. provisorischer National­ rat wurde gebildet, der sich aus Vertretern der sozialistischen Parteien und einigen bürgerlichen Abgeordneten zusammensetzte. Ferner bildete sich ein Bollzugsrat, der später einem Zentralrat Platz machte. Noch im November beauftragte Eisner den damaligen Geheimen Rat im Berkehrsministerium Dr von Graßmann mit der Ausarbeitung eines Entwurfs einer neuen bayerischen Verfassung. Der Würzburger Staats­ rechtslehrer De Piloty arbeitete daran mit. Am 6. Dezember 1918 erließ die provisorische Regierung ihre Wahlproklamation an das bayerische Volk (GBBl. S. 1256), in der als Wahltermin für das diesrheinische Bayern der 12. Januar 1919 festgesetzt wurde. Das Wahlrecht erhielten alle männlichen und weiblichen bayerischen Staatsangehörigen, die das 20. Lebensjahr vollendet hatten, ausgenommen die Entmündigten und die der bürgerlichen Ehrenrechte Verlustigen. Die Wählbarkeit hatte die Vollendung des 26. Le­ bensjahres zur Voraussetzung. Der Landtag sollte aus 180 Abgeordneten bestehen.

s

EinleVüng.

Inzwischen wurde ein vorläufiges Staat-grundgesetz vom 4. Januar 1919 (GBBl. S. 1) verkündet, de ssen Einleitung von Eisner selbst verfaßt wurde. Es lautet: StaatSgruudgesetz der Republik Bayer«.

Der Weltkrieg hat den Zusammenbruch der politischen und wirtschaft­ lichen Ordnung herbeigeführt. Das entrechtete, von der Entscheidung über seine Lebensfragen ausgesperrte Volk wurde von schrankenlos herrschenden Gewalten in Krieg und Untergang getrieben. In der Stunde höchster Not aber raffte sich dieses ohnmächtige Volk auf, zertrat in gewaltiger revolutio­ närer Erhebung das schuldige System der Vergangenheit und riß die Macht an sich. Das politisch ohnmächtige Volk wurde durch die Revolution das freieste. Das bayerische Volk ist in der Befreiung Deutschlands vorangegangen. Es ist entschlossen, als ein kraftvolles, selbsttätiges Glied in einigem Verein deutscher Staaten und im Geiste des kommenden Völkerbundes zu wirken, der die Menschheit zu friedlicher gemeinschaftlicher Arbeit für alle Zeilen zusammenschließt. Die Vergangenheit ist tot. Auf neuen Wegen ringt das Volk um die Gestaltung seines Schicksals. Daß dieses Volk in seiner Gesamtheit frei über die Bedingungen und Formen seines Lebens entscheidet, ist das unantastbare ewige Grundgesetz der bayerischen Republik. Seine Herrschaft soll nicht in der Anwendung leerer äußerlicher Rechte bestehen, sondern in der unmittel­ baren und unablässigen Mitarbeit an den Angelegenheiten des Staates und in der gesetzlich verbürgten Macht, den Bolks'willen jederzeit durchzusetzen. Diese lebendige Demokratie vollzieht und vollendet sich in den freien Organi­ sationen des Volkes wie im Landtag und ganz besonders in der Volks­ abstimmung, die den Zweck und die Wirkung hat, die Übereinstimmung zwischen dem Willen des Volkes und seinen Vertretungen in Regierung und Landtag zu sichern. Die uneingeschränkte Herrschaft des Volkes, die gewaltige Kraft der Massen kann aber nur dann in schöpferische Leistung umgesetzt werden, wenn alle mit Kopf und Hand Arbeitenden im Staate durchdrungen sind von der einheitlichen Erkenntnis der Staatsziele und der Klarheit über die Mittel ihrer Erreichung. Aus der völligen Zerrüttung der alten Verhältnisse kann nur die soziale Neuordnung herausführen. Die neue Demokratie kann ihre Lebensfähigkeit und ihr Daseinsrecht nur in dem Grade beweisen, als es ihr gelingt, in ruhiger organisierender Arbeit den sozialen Neuaufbau der Gesellschaft von Grund aus zu verwirklichen. In einem umfassenden Verfassungswerk sollen die Grundsätze der sozialistischen Republik zur Darstellung gelangen. Bis zur Vollendung dieser Aufgabe, die dem von der revolutionären Regierung einberufenen Land-

Einleitung.

9

tag obliegt, bleibt das folgende vorläufige Staatsgrundgesetz in Kmft, das die unerläßlichen Grundsätze der künftigen Berfassung festlegt und so lange die gültige provisorische Berfassung der Republik Bayern darstellt, bis die endgültige Verfassung zustande gekommen ist.

Bayern ist eine Republik. 1. Bayern ist Mitglied der Bereinigten Staaten Deutschlands (Deutsches

Reich). 2. Die höchste Gewalt des bayerischen Staates liegt beim Volk. 3. Das Bolk äußert seinen Willen durch Abstimmungen und Wahlen der Staatsbürger und die durch die Verfassung eingesetzten Organe. Staatsbürger ist ohne Unterschied der Geburt, des Geschlechtes, des Glaubens und des Berufes jeder Angehörige des Bayerischen Staates, der das 20. Lebensjahr vollendet hat. 4. Durch Wahlen der Staatsbürger wird der Landtag gebildet, der aus einer Kammer besteht. Die Wahl ist allgemein, gleich, un­ mittelbar, geheim, nach dem. Verhältnisse der Stimmen. 5. Wahlberechtigt sind alle bayerischen Staatsbürger, wählbar sind alle bayerischen Staatsbürger über 25 Jahre. 6. Die oberste vollziehende Gewalt wird vom Gesamtministerium ausgeübt. 7. Das Gesamtministerium hat das Recht, Beschlüsse des Landtags spätestens innerhalb 4 Wochen der Bolksbestimmung (Referendum) zu unterbreiten. In solchen Fällen werden die Beschlüsse des Land­

tags erst wirksam, wenn sie in der Volksabstimmung mit einfacher Mehrheit der abstimmenden Staatsbürger bestätigt sind. Entscheidet die Volksabstimmung gegen den Landtag, so ist er aufzulösen. Entscheidet sie gegen das Gesamtministerium, so hat es zurück­

zutreten. 8. Der Staat sichert die Unverletzlichkeit der Person, Freiheit des Glaubens und der Meinung in Rede und Schrift, Freiheit der Lehre, Wissenschaft und Kunst. 9. Das Eigentum ist unverletzlich. Die Enteignung von Vermögen kann nur zum Zwecke des Gemeinwohls auf Grund von Gesetzen erfolgen. 10. Bor dem Gesetze sind alle Einwohner gleich. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die Rechtsprechung wird

durch unabhängige Gerichte ausgeübt. 11. Alle Vorrechte der Geburt und des Adels, sowie Titel, die keine

Berufsbezeichnung sind, werden aufgehoben.

Neue Fideikommisse

dürfen nicht errichtet werden, die bestehenden sind durch besonderes Gesetz mlfzuheben.

W

Einleitung. 12. Die öffentlichen Lasten find aufsteigend nach der Leistungsfähigkeit zu verteilen. 13. Die Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht weit­ gehender Selbstverwaltung. Die Wahlen zu den gemeindlichen Bertretungskörpern erfolgen nach den Grundsätzen des Landtags­ wahlrechtes. 14. Die Glaubensgesellschaften sind unabhängig vom Staate und unter­ stehen dessen Schutz. Alle Glaubensgesellschaften sind gleichberechtigt

und frei in ihrer Betätigung. Niemcmd kann zum Eintritt in eine Glaubensgesellschaft, zur Teilnahme an ihrem Kultus oder zum Ver­

bleiben in einer Gklubensgesellschaft gezwungen werden. Bestehende Rechte der Glaubensgesellschaften können nur auf dem Wege der Gesetzgebung abgelöst werden. 15. Das Unterrichtswesen ist eine staatliche Angelegenheit. Die Er­

teilung des Religionsunterrichts obliegt den Glaubensgesellschaften. Staatliche Lehrpersonen können zur Erteilung des Religionsunter­ richts nicht gezwungen werden; die Erziehungsberechtigten können von Staats wegen nicht gezwungen werden, die ihnen anvertraute Jugend zur Teilnahme am Religionsunterricht oder an religiösen Übungen anzuhatten. 16. Die Beamten haben das unbeschräntte Recht ihrer staatsbürgerlichen

Betätigung. Die Rechte der Beamten bleiben unangetastet. 17. Bis zur endgültigen Erledigung des Berfassungsentwurfes, der dem

Landtag sofort nach seinem Zusammentritt vorgelegt werden muß, übt die revolutionäre Regierung die gesetzgebende und vollziehende Gewalt aus. 18. Dieses Staatsgrundgesetz tritt, insoweit es nicht bloße Programm­ sätze (Ziff. 11, 12, 13, 14, 15) enthält, mit seiner Verkündigung

in Kraft. München, den 4. Januar 1919. Kurt Eisner.

E. Auer. H. v. Frauendorfer. Hoffmann. Roßhaupter. I. Timm. Unterleitner.

Dr Jaffs.

Die Wahl zum neuen Landtag zeitigte folgendes Ergebnis: 9 Angehörige der Mittelpattei, 66 der bayerischen Bottspattei, 25 Demokraten, 15 Mit­ glieder des Bauernbundes, 62 Sozialdemokraten, 3 Unabhängige. Eisners Pattei, die unabhängige Sozialdemokratte, erhielt also eine verschwindend geringe Stimmenzahl. Dies beleuchtete schlaglichtattig die politische Lage. Der Landtag trat am 21. Februar zusammen. Die Schüsse des Grafen

Arco, die den Ministerpräsidenten auf dem Wege zur Parlanientserösfnung töteten, und die sich daran im Landtagsgebäude anschließenden Attentate brachten eine ungeheure Erregung in das Volk. Der Landtag zerstreute sich,

Einleitung

N

RüteLongreß, Vollzugsausschuß und Zentralrat rissen zunächst die Gewalt an sich (sog. 2. Revolution). Levien, Mühsam, Niekisch, Toller, Landauer und andere arbeiteten in den Versammlungen auf die Einführung der Räte­ republik hin. Die politischen Kräfte wogten hin und her. In der Landtags­ sitzung vom 17. März wurde ein rein sozialistisches Ministerium unter

Hoffmann gebildet. Ein neues vorläufiges Staatsgrundgesetz vom 17. März 1919 lGBBl. S. 109) wurde beschlossen, worin auch die gesetz­

gebende Gewalt des Landtags anerkannt war:

Vorläufiges Staatsgrundgesetz des AreiftaateS Vaher«. Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende vorläufige Staatsgrundgesetz beschlossen: § L Der Freistaat Bayern ist Mitglied des Deutschen Reiches.

§2. Die höchste Gewalt des bayerischen Staates liegt beim Volk.

§3. Das Volk äußert seinen Willen durch die auf der Verfassung beruhenden Organe, dann durch die Wahlen und die von der Verfassung vorgesehenen Abstimmungen der Staatsbürger. Staatsbürger ist ohne Unterschied der Geburt, des Geschlechtes, des Glaubens und des Beruses jeder Angehörige des bayerischen Staates, der das 20. Lebensjahr vollendet hat.

§ 4. Durch Wahlen der Staatsbürger wird der Landtag gebildet, der aus einer Kammer besteht. Die Wahlen sind allgemein, gleich, unmittelbar, geheim und erfolgen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl.

§ 6. Wahlberechtigt sind alle bayerischen Staatsbürger, wählbar sind alle

bayerischen Staatsbürger über 25 Jahre.

§ 6. Die gesetzgebende Gewalt wird vom Landtag ausgeübt. Zum Zu» standekommen eines Gesetzes ist die Zustimmung der einfachen Mehrheit der anwesenden Landtagsmitglieder erforderlich. § 7. Das Gesamtministerium hat das Recht, Beschlüsse des Landtags, die mit einer Bestimmung des gegenwättigen vorläufigen Staatsgrundgesetzes in Widerspruch stehen, innerhalb vier Jahren der Volksabstimmung zu

unterbreiten.

In solchen Fällen werden die Beschlüsse des Landtags erst

W

Einleitung.

wirksam, wenn sie in der Bolksabstinrmung mit einfacher Mehrheit der ab­ stimmenden Staatsbürger bestätigt sind. Entscheidet die Volksabstimmung gegen den Landtag, so ist er aufzulösen. Entscheidet sie gegen das Gesamtministerium, so hat es zurückzutreten.

Auf Beschlüsse des Landtags, die zum Zustandekommen des end­ gültigen Staatsgrundgesetzes gefaßt werden, finden diese Bestimmungen keine Anwendung.

8 8. Die oberste vollziehende Gewalt wird vonr Gesamtministerium aus­ geübt. Der Vorsitzende des Gesamtministeriums wird vom Landtag mit einfacher Mehrheit der Gesamtzahl seiner Mitglieder gewählt. Die übrigen

Minister werden von ihm berufen. Die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Land­ tags. Sie sind für die Führung ihrer Geschäfte dem Landtag verantwortlich.

§ v. Der Staat sichert die Unverletzlichkeit der Person, Freiheit des Glaubens und der Meinung in Rede und Schrift, Freiheit der Lehre, Wissenschaft und Kunst.

§ 10. Das Eigentum ist unverletzlich. Die Enteignung von Vermögen kann nur zum Zwecke des Gemeinwohls auf Grund Gesetzes erfolgen.

§ 11. Bor dem Gesetze sind alle Einwohner gleich. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die Rechtsprechrmg wird durch un­

abhängige Gerichte ausgeübt.

§ 12. Alle Vorrechte der Geburt und des Adels sowie Titel, die keine Berufsbezeichnung sind, werden aufgehoben. Neue Fideikommisse dürfen nicht errichtet werden. Die bestehenden Fideikommisse werden durch besonderes Gesetz aufgehoben werden.

§ 13. Die öffentlichen Lasten sind ansteigend nach der Leistungsfähigkeit zu verteilen.

§ 14. Die Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbst­ verwaltung nach Maßgabe der Gesetze. Die Wahlen zu den gemeindlichen Bertretungskörpern erfolgen nach den Grundsätzen des Landtagswahlrechts.

§ 16. Die Glaubensgesellschaften sind gleichberechtigt und ordnen und ver­

walten ihre Angelegenheiten selbständig nach Maßgabe der Staatsgesetze.

Einleitung.

13

Niemand kann zum Eintritt in eine GlaubenSgesellschaft oder zum Verbleiben in ihr, zur Teilnahme oder Nichtteilnahme an Kultushandlungen gezwungen werden. Bestehende Rechte der Glaubensgesellschaften können nur durch Gesetz abgelöst werden. § 16. Das Unterrichtswesen ist eine staatliche Angelegenheit. Die Ertellung des Religionsunterrichts ist den Glaubensgesellschaften überlassen. Staat­ liche Lehrpersonen können zur Erteilung des Religionsunterrichts nicht ge­ zwungen werden. Die Erziehungsberechtigten können von Staatswegen nicht gezwungen werden, die ihnen anverttaute Jugend zur Teilnahme am Religionsunterricht oder an religiösen Übungen anzuhalten.

§ 17. Die Beamten haben das unbeschränkte Recht der staatsbürgerlichen Betätigung. Die Rechte der Beamten bleiben unangetastet. § 18. Dieses vorläufige Staatsgrundgesetz tritt mit seiner Verkündigung in Kraft. Das vorläufige Staatsgrundgesetz vom 4. Januar 1919 (GBBl. S. Ist) wird aufgehoben. München, den 17. März 1919. Hoffmann.

Endres. Frauendorfer. Schneppenhorst. Simon. Steiner. Unterleitner.

Segitz.

Am 8. April sollte der Landtag zu einer kurzen Tagung zusanlmerrkonrmen, wogegen jedoch der Zentralrat ein Veto einlegte. Am 7. April wurde in München die Räterepublik ausgerufen (3. Revolution). An: 13. April versuchte die „republikanische Schutztruppe" durch einen Handstreich die Macht der Regierung wiederherzustellen, doch ohne bleibenden Erfolg. Es kam vielmehr jetzt die 4. Revolution, welche die „Diktatur des Proletariats" brachte. Regierung utib Landtag hatten sich nach Bamberg begeben. Es wurde zur Bildung von Freiwilligenverbänden aufgerufen, um Südbayern von der Räteherrschaft wieder zu befreien. Am 1. und 2. Mai setzten sich dann die Regierungstruppen (preußische, bayerische und Württembergische Verbände) nach blutigem Kampfe in den Besitz der Hauptstadt. Am 28. Mai 1919 legte die Regierung in Bamberg dem Landtag den „Entwurf einer Verfassungsurkunde für den Freistaat Bayern" vor (ohne Be­ gründung). Ein aus 28 Mitgliedern bestehender Berfassungsausschuß übernahnl die Vorberatung. Als Berichterstatter lvurde der Abgeordnete Ackernrann (sozialdeinokratische Partei), als erster Mitberichterstatter Abgeordneter Held

14

Einleitung.

sbayerische BolkSpartei) und als zweiter Mitberichterstatter Abgeordneter Dt Piloty (demokratische Partei) bestimmt. Die I. Lesung wurde in der

Zeit vom 16. Juni bis 24. Juli ISIS in 18 Sitzungen erledigt, die II. Lesung geschah vom 31. Juli bis 11. August in 3 Sitzungen. Es wurden an dem Regierungsentwürfzahlreiche, wenn auch nicht sehr einschneidendeAnderungen

vorgenommen. In der Vollsitzung vom 19. August 1919 nahm der Landtag sodann die Berfassungsurkunde mit einer Mehrheit von 165 gegen 3 Stimmen bei einer Stimmenthaltung in I. und II. Lesung an. In der Sitzung des Zwischenausschusses vom 1. September 1919 wurde noch die endgültige Fassung bestimmt. Damit hatte Bayern sein neues Staatsgrundgesetz erhalten.

Verfassungsurkunde des Freistaates Bayern vom 14. August 1919, GVBl. S. 531 ff.*)

Das bayerische Volk hat durch den am 12. Januar und 2. Februar 1919 gewählten Landtag dem Freistaate Bayern diese Berfassung gegeben: 1. Abschnitt.

Staat, Staatsgebiet. Staatsgewalt. 8 11 Bayern ist ein Freistaat und Mtglied des Deutschen Reiches. Diie bisherigen Landesteile Bayerns in ihrem Gesamtbestande bilden das Staatsgebiet. 11 Die Landesfarben sind weiß und blau.

8 2. Die Staatsgewalt geht von der Gesamtheit des Volkes aus. Sie wird nach den Bestimmungen dieser Verfassung und der Verfassung des Deutschen Reiches unmittelbar durch die Staatsbürger und mittel­ bar durch die in dieser Verfassung eingesetzten Organe ausgeübt.

8 8. 1 Dem Landtage steht die Ausübung aller Rechte der Staatsgewalt zu» die nicht durch diese Verfassung oder die Verfassung des Deutschen Reiches der Staatsbürgerschaft, den Behörden oder den Verbänden der Selbstverwaltung vorbehalten sind. 11 Die dem Landtage zustehenden Rechte und Aufgaben sind un­ übertragbar, soweit diese Verfassung nichts anderes vorsieht.

8 4. Das Gesamtministerium ist die oberste vollziehende und leitende Behörde des Staates. Es wird von dem Landtage bestellt und ist diesem verantwortlich. *) In der derzeitigen Fassung.

L BrrfassungSurkund« deS FretstaalrS Bayern.

16

§8. Die Rechtspflege wird durch unabhängige, nur den Gesetzen unter­ worfene Gerichte ausgeübt. Die Gerichte sind Staatsgerichte. Ihre Einrichtung erfolgt durch Gesetz.

2. Abschnitt.

Staatsbürgerschaft.

8«.

Staatsbürger ist ohne Unterschied der Geburt, des Geschlechte-, des Glaubens und des Berufes jeder Angehörige des bayerischen Staates, welcher das zwanzigste Lebensjahr vollendet hat.

8 7. Der Staatsbürger übt sein Bürgerrecht aus durch Abstimmung 1. bei Volksbegehren und Volksentscheidungen, 2. bei Wahlen.

8 8. Jeder Staatsbürger hat das Recht, an den durch diese Verfassung vorgesehenen Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen, wenn er seit mindestens sechs Monaten seinen Wohnsitz in Bayem hat. Das Stimmund Wahlrecht wird, soweit nicht durch Gesetz Ausnahmen zugelassen sind, am Wohnsitz ausgeübt.

8».

Bon der Ausübung des Stimm- und Wahlrechtes ist ausgeschlossen: 1. wer entmündigt, unter vorläufige Vormundschaft oder wegen geistigen Gebrechens unter Pflegschaft gestellt ist, 2. wer infolge strafgerichtlicher Verurteilung die bürgerlichen Ehren­ rechte nicht besitzt.

8 10. Volksbegehren können nur gerichtet werden: 1. auf Abänderung der Verfassung, 2. auf Erlaß, Abänderung und Aufhebung von Gesetzen, soweit solche nicht von der Bolksentscheidung ausgenommen sind (§ 77 Abs. 1), 3. auf Einberufung oder Auflösung des Landtages (§ 30). 11 Volksbegehren sind an den Landtag und, wenn dieser nicht ver­ sammelt ist, an das Gesamtministerium zu richten. Sie sind vorbehalt­ lich der Vorschriften des § 30 Abs. I und IV rechtswirksam bei einfachen Gesetzen, wenn sie von mindestens einem Zehntel, bei Berfassungs­ gesetzen, wenn sie von mindestens einem Fünftel der Staatsbürgerschaft gestellt werden. 1

3. Abschnitt.

Grundrrchtt.

17

§g 5—16.

111 Volksentscheidung findet nur in den von dieser Verfassung vor­ gesehenen FAlen statt. Sie ist rechtswirksam bei einfachen Gesetzen, wenn mindestens ein Fünftel, bei Berfassungsgesetzen, wenn mindestens zwei Fünftel der stimmberechtigten Staatsbürger daran teilgenommen haben. Vorbehaltlich der Vorschrift des § 30 Abs. IV entscheidet einfache Mehrheit, bei Verfassungsänderungen Zweidrittelmehrheit der ab­ gegebenen gültigen Stimmen. Die Mstimmung ist allgemein, gleich, unmittelbar und geheim. Sie kann nur bejahend oder verneinend sein. IV Das Verfahren bei Volksbegehren und Bolksentscheidungen wird durch Gesetz geregelt.

8 11.

1 Jeder Staatsbürger hat in der Gemeinde seines Wohnsitzes das Gemeindebürgerrecht. Er kann es nur ausüben, wenn er seit mindestens sechs Monaten im Gemeindebezirke wohnt. 11 Die Ausübung des Wahlrechtes in den Gemeinden darf nicht von der Entrichtung einer Gebühr abhängig gemacht werden. m Die Regelung der besonderen Rechte und Pflichten aus dem Gemeindeverbande bleibt der Gesetzgebung Vorbehalten.

8 12. Die Staatsbürger sind nach Maßgabe der Gesetze zu den öffent­ lichen Ämtern zugelassen, wenn sie ihre Befähigung hierfür nachweisen. Nur Tüchtigkeit und Würdigkeit sollen für Verleihung der Ämter maß­ gebend sein. 3. Abschnitt.

Grundrechte. 8 13.. Kein Staatsangehöriger kann aus dem Staatsgebiet ausgewiesen werden.

8 14. 1 Jeder Bayer hat das Recht, sich innerhalb des bayerischen Staats­ gebietes an jedem Ort aufzuhalten und niederzulassen. Ausnahmen können nur auf Grund Gesetzes angeordnet werden. 11 Die Niederlassung darf bayerischen Staatsangehörigen an keinem Orte durch besondere Lasten erschwert werden.

8 15. 1 Alle Bayern sind vor dem Gesetze gleich. 11 Der bayerische Adel ist aufgehoben. Bayerische Staatsangehörige, die vor dem 28. März 1919 Adelsbezeichnungen zu führen berechtigt waren, dürfen diese nur als Teil ihres Namens weiterführen. AdelsKratzer, Setfeflungeurtunbe de» Freistaates Bayern.

2

18

I Versasiungsukkunde drS Freistaates Bayern.

bezeichnungen werden nicht mehr verliehen. Den bayerischen Staats­ angehörigen ist es verboten, die Verleihung des Adels eines anderen Staates anzunehmen. 111 Titel, die nicht ein Amt, einen Beruf oder einen akademischen Grad bezeichnen, werden nicht mehr verliehen.

§ 16. Jedem Einwohner werden die Freiheit der Person und das Eigentum gewährleistet. Einschränkungen können nur nach Maßgabe der Gesetze angeordnet werden.

4. Abschnitt.

Gewissensfreiheit, Religionsgesellschaften, Schule. Zu den Vorschriften der Verfassung Reiches im Zweiten Hauptteile, Dritten tikeln 135—141 wird bestimmt:

des Deutschen Abschnitt, Ar­

§17. 1 Jedermann ist volle Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet. 11 Die Entscheidung über die Zugehörigkeit der Kinder zu einer Religionsgesellschaft steht bis zu deren vollendetem sechzehnten Lebens­ jahre den Erziehungsberechtigten zu. Bis zu diesem Zeitpunkte können die Eltern die Zugehörigkeit ihrer Kinder zu einer Religionsgesellschaft auch durch Vertrag regeln. Ein solcher Vertrag bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung; er wird durch den Tod der Eltern nicht berührt. Ist ein Kind mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten vor Vollendung des sechzehnten Lebensjahres durch einen Kultusakt einer Religionsgesellschaft endgültig in diese ausgenommen worden, so kann hieran durch die Erziehungsberechtigten nichts mehr geändert werden. Von diesem Alter an hat das Kind selbst die Freiheit der Entschließung über sein Verbleiben in der Religionsgesellschaft. 111 Der Austritt aus einer Religionsgesellschaft kann niündlich oder schriftlich bei dem Standesamte des Wohnsitzes oder ständigen Aufent­ haltsortes erklärt werden. Die schriftliche Erklärung bedarf der Beglau­ bigung durch eine öffentliche Behörde. Abs. II findet entsprechende An­ wendung. Mchtigkeit und Anfechtbarkeit der Austrittserklärung sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. IV Neue freiwillige Leistungen des Staates, der bürgerlichen Ge­ meinden und Gemeindeverbände an eine Religionsgesellschaft werden durch Zuschläge zu den Staatssteuern und Umlagen der Angehörigen dieser Religionsgesellschaft aufgebracht.

4. Abschnitt. Gewissensfreiheit, RelitzionSgesellschasten, Schule. §§ 16—19. 1g

8 18. 1 Die Vereinigung von Religionsgenossen zu gemeinsamer Haus­ andacht oder zu öffentlichen Kultushandlungen, zu Religionsgesellschasten, Religionsgemeinden oder geistlichen Gesellschaften ist innerhalb der Schranken des Gesetzes freigegeben. 11 Bestehende Religionsgesellschaften, Religionsgemeinden oder geist­ liche Gesellschaften, dann ihre Anstalten, Stiftungen oder sonstigen Ein­ richtungen bleiben rechtsfähig, soweit sie es bisher waren. Neue können die Rechtsfähigkeit nach Maßgabe des geltenden Rechtes erwerben. Ihr Eigentum und ihre anderen Rechte sowie ihr Bekenntnisgepräge werden gewährleistet. 111 Religionsgesellschaften, Religionsgemeinden und geistlichen Gesell­ schaften wird die selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegen­ heiten, den Religionsgesellschaften und Religionsgemeinden, welche die Rechtsstellung von Körperschaften des öffentlichen Rechtes besitzen, auch die Besteuerung ihrer Mtglieder auf Grund der bürgerlichen Steuer­ listen innerhalb der Schranken des Gesetzes gewährleistet. IV Bis zur Ablösung der Staatsleistungen gemäß Artikel 138 der Verfassung des Deutschen Reiches bleiben die auf Gesetz, Vertrag oder besonderem Rechtstitel beruhenden Staatsleistungen an die Religions­ gesellschaften aufrechterhalten. v Bis zu dem gleichen Zeitpunkte dürfen Gebäude und Grundstücke des Staates, die derzeit irgendwelchen Kultuszwecken dienen, diesen gegen den Willen der Beteiligten nicht entzogen werden.

8 1». 1 Errichtung und Unterhaltung von Vegräbnisplätzen obliegen den bürgerlichen Gemeinden. Das gleiche gilt für Errichtung und Unter­ haltung von Bestattungsanstalten. 11 Tie bürgerlichen Gemeinden sind zur Errichtung von Begräbnis­ plätzen und Bestattungsanstalten nur soweit verpflichtet, als die vor­ handenen Begräbnisplätze und Bestattungsanstalten nicht ausreichen. Im übrigen bestimmen sich Errichtung und Unterhaltung nach dem öffent­ lichen Bedürfnis. 111 In Friedhöfen, die nur für einzelne Religionsgesellschaften be­ stimmt sind, ist mangels eines gemeinschaftlichen Begräbnisplatzes die Beisetzung Andersgläubiger unter den für sie üblichen Formen und ohne räumliche Absonderung, erforderlichenfalls nach Anordnung der zustän­ digen Behörde zu gestatten. IV Im übrigen bemißt sich der Simultangebrauch der Kirchen und Friedhöfe nach bisherigem Rechte, soweit nicht Abänderungen durch Gesetz getroffen werden.

20

1. BerfaflungSurkund« be8 Krrtstaate» Bayern.

Zu den Vorschriften der Verfassung des Deutschen Reiches im Zweiten Hauptteile, Vierten Abschnitt, Ar­ tikeln 142—149 wird bestimmt:

§ 2*. Die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und ihrer Lehre wird ge­ währleistet und kann nur durch Gesetz und nur zur Wahmng der öffent­ lichen Ordnung, Sicherheit, Gesundheit oder Sittlichkeit beschränkt werden.

§ 21. 1 Die Regelung und Förderung des öffentlichen Erziehungs-, Unterrichts- und Bildungswesens sowie die Genehmigung und Beauf­ sichtigung der privaten Unterrichts- und Erziehungsanstalten sind An­ gelegenheiten des Staates. Die öffentlichen Volksschulen sind grund­ sätzlich Staatsanstalten. 11 Die Erziehungsberechtigten und die Personen, denen Schul­ pflichtige durch besonderen Auftrag anvertraut sind, sind verpflichtet, diese während der Dauer der gesetzlichen Schulpflicht zum Schulbesuche anzuhalten. 5. Abschnitt.

Selbstverwaltung, Stiftungen. § 22. 1 Den bürgerlichen Gemeinden und den Gemeindeverbänden wird das Selbstverwaltungsrecht gewährleistet. Sie verwalten nach Maß­ gabe der Gesetze, ihre eigenen und die ihnen vom Staat übertragenen Angelegenheiten.' Sie haben das Recht, ihren Bedarf durch öffentliche Abgaben im Rahmen der Gesetze zu decken. Neue Aufgaben und Lasten können ihnen nur auf Grund Gesetzes zugewiesen werden. 11 Der Staat überwacht die Erfüllung ihrer Pflichten und die Gesetz­ mäßigkeit ihrer Verwaltung. 111 Der Staat schützt die Behörden der Gemeinden und Gemeinde­ verbände bei Durchführung ihrer Aufgaben. IV Gegen Überschreitung der Grenzen, die den Aufsichtsbehörden durch das Gesetz gezogen sind, haben die Gemeinden und Gemeinde­ verbände Anspruch auf verwaltungsgerichtlichen Schutz. v Das Vermögen der Gemeinden und Gemeindeverbände kann unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen gezogen werden.

8 23. Die Wahlen für die Vertretungskörper der Gemeinden und Gemeinde­ verbände erfolgen nach den Gmndsätzen des Landtagswahlrechtes. Sie werden durch Gesetz geregelt.

6. Abschnitt.

Landtag.

§§ 20—28.

21

§ 24.

1 Die Bildung von bemssständischen Vertretungen zur Wahr­ nehmung der wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben aller schaffenden Kreise des Volkes erfolgt durch Gesetz. 11 Diese Vertretungen sind berechtigt, innerhalb ihres Wirkungs­ bereiches in Gegenständen der Gesetzgebung Anträge an den Landtag zu bringen. In den übrigen Gegenständen ihres Wirkungsbereiches können sie an die Verwaltungsbehörden des Staates und der Gemeinden Anträge richten, über welche Entscheidung getroffen und den Antrag­ stellern mitgeteilt werden muß. § 25.

1 Das gesamte Vermögen der ösfentlichen Stiftungen und die stiftungsmäßige Verwendung seiner Erträgnisse unterstehen dem be­ sonderen Schutze des Staates. Stiftungsvermögen darf unter keinem Vorwande dem Staatsvermögen einverleibt werden. Verwaltung und Ausrichtung der ösfentlichen Stiftungen werden staatlich beaufsichtigt. 11 Ein besonderes Gesetz über das Stiftungswesen bleibt vorbehalten.

6. Abschnitt. Landtag.

a) Wahl, Mitgliedschaft, Geschäftsgang, Auflösung. § 26.

1 Der Landtag wird durch allgemeine, gleiche, geheime und un­ mittelbare Wahl nach dem Grundsätze des Verhältniswahlrechtes gebildet. 11 Wählbar sind nur wahlberechtigte bayerische Staatsbürger, welche das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben. Wahlrecht und Wahlverfahren werden im übrigen durch besonderes Gesetz geregelt. Auf je 40 000 Landeseinwohner nach der letzten Volkszählung soll ein Abgeordneter treffen. Beträgt der Rest mehr als 20 000, so ist ein weiterer Abgeordneter zu wählen. § 27.

Der Landtag wird auf vier Jahre gewählt. Bor Ablauf dieser Zeit ist er neu zu wählen. § 28.

1 Der Landtag bestimmt durch eine Geschäftsordnung seine Ein­ richtungen, seinen Geschäftsgang, seine Disziplin und Gliederung. Er wählt für seine Tauer aus seiner Mtte einen Vorstand, der aus einem Präsidenten, seinen Vertretern und den Schriftführern besteht. Der Präsident und seine Vertreter führen die Geschäfte nach Ablauf der Dauer

22

I. Be rfosiungSui künde des Freistaates Bayern.

des Landtags oder nach dessen Auflösung bis zum Zusammentritte des neuen Landtags fort. 11 Die Verhandlungen des Landtages sind öffentlich. Die Gefchäfts-ordnung kann Ausnahmen zulassen. Die Minister und ihre Bevoll­ mächtigten können für Mtteilungen oder Verhandlungen, die Geheim­ haltung erfordern, den Ausschluß der Öffentlichkeit beantragen. 111 Über Gesetzentwürfe findet mindestens eine doppelte Lesung in der Vollversammlung statt.

IV Die Entwürfe der Gesetze und des Haushaltsplanes sind vor der ersten Lesung allgemein zugänglich zu machen.

8 29. Bestellung, Besoldung und Entlassung sowie Dienstverhältnis und Dienstbeaufsichtigung der Landtagsbeamten werden durch die Geschästsordnung des Landtages geregelt, soweit nicht durch Gesetz anderes be­ stimmt ist.

8 30. 1 Der Landtag tritt alljährlich mindestens einmal zu einer ordent­ lichen Tagung zusammen. Zu einer außerordentlichen Tagung versammelt er sich, wenn seine Einberufung vom Vorstand oder Gesamtministerium beschlossen oder von fünfzig Mitgliedern oder einem Fünftel der stimm­ berechtigten Staatsbürger beantragt wird.

11 Der Präsident beruft, eröffnet und schließt den Landtag. Zu jeder ersten Tagung nach einer Neuwahl wird der Landtag von seinen drei ältesten Mitgliedern binnen siebzehn Tagen nach dem Tage der amtlichen Feststellung des Wahlergebnisses einberufen.

111 Der Landtag hat das Recht, seine Tagung zu schließen. Er setzt für die zwischen zwei Tagungen liegende Zeit einen Zwischenausschuß ein und betraut ihn mit bestimmten Befugnissen.

IV Zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung setzt der Landtag für die Zeit nach Ablauf seiner Dauer oder nach seiner Auslösung einen ständigen Ausschuß ein. v Begehrt mindestens ein Fünftel der stimmberechtigten Staats­ bürger die Auflösung des Landtages, so ist eine Bolksentscheidung hierüber anzuordnen. Die Abstimmung ist nur rechtswirksam, wenn an ihr min­ destens die Hälfte der Stimmberechtigten teilgenommen und eine Mehr­ heit von mindestens Zweidrittel der abgegebenen Stimmen für die Auflösung sich ausgesprochen haben. V1 Wird die Auslösung des Landtages beschlossen, so ist sie durch seinen Präsidenten baldigst zu vollziehen.

§ 81. Der Landtag kann jederzeit seine Auflösung beschließen. Zur Gültig­ keit des Beschlusses ist die Anwesenheit von Zweidrittel und die Zu­ stimmung von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl er­ forderlich.

8 82. Nach einer Auflösung des Landtages sind Neuwahlen so anzu­ ordnen, daß die Einberufung binnen sechzig Tagen erfolgen kann.

8 88. Der Landtag prüft das Recht der Mitgliedschaft und entscheidet über die Gültigkeit der Wahlen. Er kann diese Aufgabe einem Gerichts­ hof übertragen.

8 34. Vorbehaltlich besonderer Vorschrift der Verfassung beschließt der Landtag mit Mchrh.it der abgeg. benen Stimmen und bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte seiner Mitglieder.

8 86. 1 Die Mtglieder des Landtages sind Vertreter des gesamten Volkes und an Aufträge der Wähler nicht gebunden. Sie können ihre Rechte nur selbst ausüben. 11 Beamte, Angestellte und ständige Arbeiter des Staates, der bürgerlichen Gemeinden und der Gemeindcverbände sowie Heeres­ angehörige bedürfen keines Urlaubes zur Teilnahme an den Landtags­ verhandlungen. Bewerben sie sich auf Gmnd eines nach gesetzlicher Vorschrift eingereichten Wahlvorschlages pm einen Sitz im Landtage, so ist ihnen von der Einreichung des Wahlvorschlages an Urlaub zu ge­ währen.

8 36. Jeder Abgeordnete hat nach Maßgabe der Geschäftsordnung das Recht, Anträge zu stellen.

8 37. 1 Kein Abgeordneter darf zu irgendeiner Zeit wegen einer Äußerung, die er in Ausübung seines Berufs getan hat, oder wegen seiner Ab­ stimmung gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden. 11 Hat ein Abgeordneter in dieser Eigenschaft von jemand eine Tatsache anvertraut erhalten oder jemand eine solche anvertraut, so ist er berechtigt, über diese Personen und Tatsachen das Zeugnis zu ver­ weigern. Hinsichtlich der Beschlagnahme von Schriftstücken steht er den Personen gleich, die ein gesetzliches Recht haben, das Zeugnis zu verweigern.

24

I 8trfaffung8urtunbe des FrrtftaaleS Bayern.

§ 38. Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen bleiben von jeder Verantwortung frei.

8 39. 1 Kein Abgeordneter darf während der Tagung ohne Genehmigung des Landtages verhaftet oder wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung in Untersuchung gezogen werden, außer wenn er bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächsten Tages festgenommen worden ist. 11 Auf Verlangen des Landtages ist jede Haft eines Abgeordneten und jedes Strafverfahren gegen einen solchen für die Dauer der Tagung aufzuhcben. 111 Während der Tagung darf kein Abgeordneter, solang er sich am Orte der Versammlung aufhält, ohne Genehmigung des Landtages an einem anderen Ort als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden. w Diese Bestimmungen finden auf den Präsidenten und seine Ver­ treter (§ 28 Abs. I), ferner auf die Mitglieder des Zwischenausschufses und des Ständigen Ausschusses, sowie sonstiger Ausschüsse, die zwischen zwei Tagungen des Landtags versammelt sind, und ihre von der Voll­ versammlung bestimmten Ersatzmänner sinngemäße Anwendung.

8 40. Die Abgeordneten haben für die Dauer des Landtages Anspruch auf freie Benützung der staatlichen Verkehrsmittel und auf Entschädigung nach Gesetz.

8*1. 1 Die Mitgliedschaft endigt mit Ablauf der Landtagsdauer, Auf­ lösung des Landtages, Ungültigkeitserklämng der Wahl, Wegfall der Wählbarkeit oder Verzicht. Der Verzicht ist unwiderruflich. Er ist dem Präsidenten schriftlich zu erklären. 1 1 Als Verzicht gilt auch die Annahme eines öffentlichen Dienstes in einem mit Bayern im Kriege befindlichen Staat.

8 42. Die Geschäftsordnung des Landtages hat dafür zu sorgen, daß in seinen Ausschüssen die Mnderheiten verhältnismäßig vertreten sind.

8 43. Alle Verhandlungen und Beschlüsse der Vollversammlung des Landtages und der nach § 30 Abs. III und IV gebildeten Ausschüsse, der Haushaltsplan, die Staatsrechnungen, der Vermögens- und Schulden­ stand des Staates sind im Wortlaut allgemein zugänglich zu machen.

b) Aufgaben, Rechte.

8 44. Der Landtag hat das Recht der Gesetzgebung und übt es nach den Bestimmungen der Berfassung aus.

§ 46. Ehe der Landtag Vorlagen der Volksentscheidung unterbreitet, hat er hierüber nach §§ 76 und 77 Beschluß zu fassen.

8 46. Verordnungen, welche die Einrichtung oder Verändemng von Be­ hörden oder Stellen betreffen, sind dem Landtage zur Genehmigung vorzulegen. In dringenden Fällen kann das Gesamtministerium solche Verordnungen unter Vorbehalt der nachträglichen Bestätigung des Landtages erlassen.

8 47. 1 Ohne Genehmigung des Landtages kann keine neue Anleihe, welche die Erhöhung des bisherigen Schuldenstandes des Staates an Kapital oder Verzinsung bewirkt, ausgenommen oder eine Bürgschaft zu Lasten des Staates eingegangen werden. 11 Ohne Genehmigung des Landtages kann weder der von ihm beschlossene Staatsschuldentilgungsplan geändert noch ein zur Schulden­ tilgung bestimmtes Gefäll zu einem anderen Zwecke verwendet werden. 111 Das Grundstockvermögen des Staates darf in seinem Wertbestände durch Veräußerungen nicht verringert werden. Soweit nicht durch Gesetz das Mnisterium zu Veräußerungen von Grundstockvermögen ermächtigt wird, können solche nur mit Genehmigung des Landtages erfolgen. Der Erlös solcher Veräußerungen ist zu Neuerwerbungen für das Grundstockvermögen zu verwenden.

8 48. Der Landtag beschließt über den vom Gesamtministerium alljährlich vorzulegenden Haushaltsplan.

8 4». Der Landtag beschließt über die alljährlich vom Gesamtministerium abzulegende Rechnung des Staates samt Vermögens- und Schulden­ nachweis.

8 50. Der Landtag genehmigt die Staatsverträge. Sie sind, wenn sie Rechtssätze enthalten, hinsichtlich ihres Rechtsinhaltes als Gesetze zu beschließen.

8 51. 1 Der Landtag beschließt durch Gesetz über Straferlasse, die sich auf alle bestraften Personen oder auf besondere Gruppen beziehen.

26

I. Brrfassungkurkunde des FrristaateS Boyern.

11 Straferlasse für einzelne Personen stehen dem Gesamtministermm oder nach dessen Beschlusse den einzelnen Ministerien zu.

§ 52. 1 Durch beauftragte Mitglieder kann der Landtag nach voraus­ gegangener Verständigung des Mnisteriums von den Einrichtungen und Unternehmungen der Staatsverwaltung, insbesondere der Staatsschuldenverwaltung Einsicht nehmen. 11 Der Landtag muß auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder Ausschüsse zur Untersuchung von Tatsachen ernennen. Sie haben das Recht, staatliche und gemeindliche Behörden zur Durchführung ihrer Aufgabe in Anspruch zu nehmen. Die Ausschüsse können die Unter­ suchungen auch selbst durchführen. Auf die Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden finden die Vorschriften der Straf­ prozeßordnung sinngemäße Anwendung. Die gesetzlichen Vorschriften über die Wahmng des Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprcchgeheimnisses werden hierdurch nicht berührt. Die Geschäftsordnung des Landtages regelt das Verfahren.

§ 58. Der Landtag hat das Recht, das Gesamtministerium oder einzelne Mnister zur Verantwortung zu ziehen. Dies kann durch parlamentarische oder gerichtliche Mttel geschehen.

8 64. Das ordentliche parlamentarische Mttel ist die Rechenschastssorderung. Der zur Rechenschaft geforderte Minister hat sich im-Land­ tage persönlich zu verantworten.

8 55. 1 Das außerordentliche parlamentarische Mttel ist die Kundgabe des Mßtrauens, die sich gegen das Gesamtministerium oder gegen einzelne Minister richten kann. 11 Der Antrag aus eine solche Kundgebung bedarf der Unterstützung von mindestens dreißig Abgeordneten, ist dem Ministerpräsidenten sofort schriftlich mitzuteilen und innerhalb fünf Tagen zur Beratung zu bringen. 111 Die Minister müssen zur Verhandlung über die gegen sie ge­ richteten Mißtrauensanträge persönlich erscheinen, wenn sie nicht vorher zurücktreten. Erscheinen sie nicht, so kann in ihrer Abwesenheit beraten und beschlossen werden. IV Der Beschluß ist gültig, wenn mindestens die Mehrheit der gesetz­ lichen Mtgliederzahl zustimmt. Er ist eingehend zu begründen.

7. Abschnitt.

Staatsverwaltung.

§§ 52—68.

27

§ M. 1 Das gerichtliche Mittel der Geltendmachung der Mnisterverantwortlichkeit ist die Anklage vor dem Staatsgerichtshofe. Die Anklage kann nur daraus gerichtet sein, daß ein Mnister in Ausübung seines Amtes durch Handlungen oder Unterlassungen die Verfassung oder ein Gesetz vorsätzlich oder grobsahrlässig verlrtzt hat. 11 Der Antrag aus Erhebung der Anklage muß von mindestens fünfzig Abgeordneten unterzeichnet sein. Der Beschluß bedarf der Zu­ stimmung der für Berfassungsändemngen vorgeschriebenen Mehrheit. 111 Wird der Angeklagte für schuldig befunden, so kann nur auf Ent­ fernung aus dem Amt erkannt werden. War er schon vor dem Urteile zurückgetreten, so ist eine Entscheidung nur über die Schuldfrage zu treffen. w Die Anklage wird durch Vertagung oder Auslösung des Land­ tages oder Ablauf der Landtagsdauer nicht berührt.

7. Abschnitt.

StaatSverwattung. a) Ministerium.

§ 57. 1 Dem Gesamtministerium obliegt die Leitung der gesamten Staats­ verwaltung, der Vollzug aller Gesetze, Reichsverordnungen und Beschlüsse des Landtages sowie die Vertretung Bayerns gegenüber dem Reiche, den einzelnen Staaten des Reiches und den auswärtigen Mächten int Rahmen der Verfassung des Deutschen Reiches. 11 Alle Staatsbehörden sind ihm untergeordnet. Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung und der Tätigkeit des Rechnungshofes wird hierdurch nicht berührt. 111 Das Ministerium handhabt auch in den gesetzlichen Schranken die Oberaufsicht über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeinde­ verbände.

§ 58. 1 Das Gesamtministerium wird durch den Landtag bestellt. Der Landtag wählt den Mnisterpräsidenten. Zur Gültigkeit der Wahl ist die Zustimmung der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl erforderlich. Der Ministerpräsident unterbreitet dem Landtag eine Vorschlagsliste für die übrigen Ministerien. Er besetzt diese im Einverständnisse mit dem Landtage. Bei Erledigung einzelner Ministerien wird in gleicher Weise verfahren. 11 Den Ministern können Staatssekretäre als ständige politische Stellvertreter beigegeben werden. Sie werden auf Vorschlag des Ministers

28

I BrrfasfungSurkmld« d«S Freistaates ivayem.

im Einverständnisse mit dem Landtage durch das Gesamtministerium ernannt und entlassen. 111 Jeder Minister hat einen bestimmten Geschäftskreis zu verwalten. Alle Geschäfte der Staatsverwaltung sind nach Maßgabe der Gesetze vom Gesamtministerium unter die Ministerien zu verteilen. Die Ber­ teilung ist im Gesetz- und Verordnungsblatte bekannt zu machen. IV Als Vertreter des Mnisterpräsidenten für die ihm vorbehaltenen Geschäfte ist durch das Gesamtministerium ein Mnister zu bestellen.

§ 59. 1 Die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtages. Das Gleiche gilt für die Staatssekretäre, soweit sie in Vertretung der Mnister selbständig handeln. 11 Das Gesamtministerium, die Minister und Staatssekretäre sind sür ihre Amtssühmng dem Landtage verantwortlich. Sie können jeder­ zeit von ihrem Amte zurücktreten; sie müssen zurücktreten, wenn ihnen das Mißtrauen des Landtages ausgesprochen wird. 111 Die Mnister und Staatssekretäre dürfen ein anderes besoldetes Amt, einen Berus oder ein Gewerbe nicht ausüben. § 60. 1 Die Minister haben Anspruch auf Besoldung, die durch Gesetz zu regeln ist. Bersorgungsansprüche sür sich und ihre Hinterbliebenen stehen ihnen nicht zu. 11 Ein Minister, der zur Zeit seiner Bestellung als etatmäßiger Beamter im bayerischen Staatsdienste stand, hat bei seinem Rücktritt Anspruch auf Übertragung einer verfügbaren etatmäßigen Bcamtenstelle, die seinem früheren Amte gleichwertig und gleichartig ist. Das Gleiche gilt für solche Mnister, denen als früheren etatmäßigen bayer­ ischen Staatsbeamten der Rücktritt in den bayerischen Staatsdienst zur Zeit ihrer Bestellung noch Vorbehalten war. 111 Ein Minister, auf den die Voraussetzungen des Abs. II zutreffen oder der zur Zeit seiner Bestellung mit Anspruch auf Versorgung im Dienste des Reichs, eines Landes oder in einem sonstigen öffentlichen Dienste stand, erhält bei seinem Rücktritt einen Ruhegehalt samt Zu­ schlägen nach den für unwiderrufliche etatmäßige bayerische Staats­ beamte geltenden Vorschriften mit dem Abmaße, daß der Ruhegehalt gleich ist dem Wartegeld aus dem pensionsfähigen Diensteinkommen seiner früheren Stelle und daß der Anspruch auf den Ruhegehalt erlischt, wenn dem Mnister eine seinem früheren Amte mindestens gleichwertige versorgungsberechtigte Stelle im bayerischen Staatsdienst, im Dienste des Reichs, eines Landes oder in einem sonstigen öffentlichen Dienste

7. Abschnitt.

Staatsverwaltung.

§§ 59—61.

29

übertragen wird. Der Anspruch auf den Ruhegehalt beginnt mit dem Ablaufe des Monats, in dem der Minister zurückgetreten ist. IV In den Fällen der Wsätze II und III sind Gehaltsvorrückungen und Beförderungsmöglichkeiten bis zum Abgang als Mnister nach bayer­ ischen Anstellungs- und Beförderungsverhältnissen zu berücksichtigen. Über die Gehaltsvorrückungen und die Beförderungsmöglichkeiten ent­ scheidet das Gesamtministerium unter Ausschluß des Rechtsweges; das Gleiche gilt hinsichtlich der Frage, ob die neue Stelle (Abs. II, III) dem früheren Amte gleichwertig und gleichartig ist. v Nach dem Ruhegehalte (Abs. III) wird die Versorgung der Hinter­ bliebenen eines früheren Mnisters mit Ruhegehalt (Abs. III Satz 1) nach den für Hinterbliebene der bayerischen etatmäßigen Staatsbeamten geltenden Vorschriften geregelt; das Gleiche gilt, wenn der Mnister, der im Falle des Rücktritts Anspruch auf Ruhegehalt nach Abs.^ III hätte, im Dienste gestorben ist. Keinen Anspruch auf Versorgung haben Hinter­ bliebene aus einer Ehe, die ein früherer Mnister nach seinem Rücktritt geschlossen hat. VI Vorstehende Bestimmungen finden auf die Staatssekretäre ent­ sprechende Anwendung. 8 61. Für die Aufgaben und die Geschäftsführung des Gesamtministeriums und der Ministerien bestehen folgende Grundsätze: 1. Die Staatsverwaltung wird nach der Verfassung, den Gesetzen und dem Haushaltspläne geführt. 2. Das Gesamtministerium erledigt die ihm durch diese Verfassung, die Gesetze und allgemeinen Verordnungen zugewiesenen Auf­ gaben. Alle übrigen Aufgaben sind nach den oben aufgeführten Grundsätzen von den einzelnen Mnisterien zu erMlen. Das Gesamtministerium ist befugt, die Entscheidung über einzelne dieser Angelegenheiten an sich zu ziehen, soferne sie von all­ gemeiner politischer Bedeutung sind. 3. Das Gesamtministerium vertritt Bayern gegenüber dem Reich und anderen Staaten, soweit diese Geschäfte nicht einem beson­ deren Ministerium übertragen sind. 4. Das Gesamtministerium ernennt die Vertreter der Minister und die Vorstände der den Ministerien unmittelbar untergeord­ neten Behörden. Die übrigen Beamten werden durch die zu­ ständigen einzelnen Minister oder die von ihnen beauftragten Behörden ernannt. 5. Jeder Minister übt die Dienstaufsicht über die Behörden und Beamten seines Dienstzweiges und entscheidet vorbehaltlich der

30

I BersassungSurkund« be8 Freistaates Bayern.

Zuständigkeit der Gerichte und der Berwaltungsgerichte über die Beschwerden, welche sich aus seinem Geschäftsbereich ergeben. 6. Das Gesamtministerium erläßt unter Beachtung des § 46 die allgemeinen Berwaltungsverordnungen.

7. Rechtsverordnungen können durch das Gesamtministerium oder die einzelnen Mnister nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung erlassen werden. Das Notverordnungsrecht steht dem Gesamt. ministerium nach näherer gesetzlicher Bestimmung zu.

8. Das Gesamtministerium beschließt über alle Vorlagen, die dem Landtag im Namen der Regierung zu machen sind. 9. Jedes Mnisterium bearbeitet die Gesetzentwürfe, welche sich auf seinen Geschäftskreis erstrecken. 10. Jedes Mnisterium entwirft den Haushaltsplan seines Geschäfts­ kreises und ist für dessen Vollzug verantwortlich.

11. Das Mnisterium der Finanzen stellt den Gesamthaushaltsplan auf und überwacht dessen Vollzug.

§ «2. 1 Die Landesgesetze sind vom Landtagspräsidenten und Gesamt­ ministerium, die Staatsverträge vom Landtagspräsidenten und Minister­ präsidenten auszufertigen und zu verkündigen. 11 Der Ministerpräsident hat Vorsitz und Stichentscheid im GesamtMinisterium und überwacht den Vollzug der Beschlüsse. 111 Der Ministerpräsident hat das Recht, in allen Staatsangelegen­ heiten sich durch Beamte aller Ministerien und durch sonstige von ihm hierzu berufene Personen beraten zu lassen. § «r. In allen Angelegenheiten, über die das Gesamtministerium zu be­ schließen hat, entscheidet Stimmenmehrheit der anivesenden Minister.

§ 64. 1 Das Gesamtministerium wacht über die Sicherheit des Staates. Es hat bei drohender Gefahr die Maßnahmen zu ergreifen, welche die Ruhe und Ordnung im Innern sichern oder gegenüber der Gefahr eines Angriffes von außen unmittelbar erforderlich sind. Zu diesem Zwecke kann es vorübergehend die verfassungsmäßigen Grundrechte ganz oder teilweise außer Kraft setzen. 11 Um einer augenblicklichen dringenden Gefahr zu begegnen, kann das Gesamtministerium über die bewaffnete Macht verfügen und die erforderlichen Anordnungen treffen.

7. Abschnitt

Staa'svrrwaltun Diese Bestimmung lautet: § 1. Electus, si electio confirmatione indigeat, saltem intra octiduum a die acceptatae electionis confirmationem a competente Superiore petere per se vel per alium debet; secus omni jure privatur, nisi probaverit se a petenda confirmatione justo impedimento fuisse detentum. § 2. Superior, si electum repererit indoneum, et electio ad normarn juris fuerit peracta, nequit confirmationem denegare, § 3. Confirmatio in scriptis darf debet § 4. Recepta confirmatione, electus obtinet plenum jus in officio, nisi aliud in jure caveatur. Die Kapitel sind jetzt gegenüber der bisherigen konkordatmäßigen Regelung (Art. X Abs. 1) günstiger gestellt. 75. Nämlich die Stelle des Dompropstes und Domdekans. 76. Durch den Papst allein. S. c. 396 § 1 und 1435 § 1 cod. jur. can. 77. S. das Seelsorger-Einkommensergänzungsgesetz v. 21. Februar 1924, GVBl. S. 72, ferner Art. 10 § 1 Abs. 1 S. 1 und Buchst, k.

in. Anhang.

340

Nr. 6.

RrltgionSvertrSg«.

Erinnerungen der Staatsregierung 18 sollen in möglichst kurzer Zeit erfolgen. Die staatlichen Patronat- oder Präsentationsrechle aus besonderen kanonischen Rechtstiteln^^ bleiben in der bisherigen Form unberührt.

Artikel 15.

§ 1.

Sollte sich in Zukunft bei der Auslegung vorstehender Bestimmungen irgendeine Schwierigkeit ergeben, so werden der Hl. Stuhl und der Bayerische Staat gemeinsam eine freundschaft­ liche Lösung herbeiführenb". § 2. Mit dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Konkordates^^ wird das Konkordat vom Jahre 1817 als nicht mehr geltend erklärt. Insoweit bisher erlassene und noch in Kraft befindliche Landes­ gesetze, Verordnungen und Verfügungen mit den Bestimmungen dieses Vertrages in Widerspruch stehen, werden sie aufgehoben^^.

Artkel 16. Die Ratifikationen werden möglichst bald ausgewechselt werden und das Konkordat wird mit dem Zeitpunkte dieser Auswechselung in Kraft treten83. Zur Beglaubigung des Vorstehenden haben die nachgenannten Bevollmächtigten das gegenwärtige Konkordat unterzeichnet.

München, den 29. März 1924. (gez.) (gez.) (gez.) (gez.)

Eugenio Pacelli, Arcivescovo di Sardi, Nunzio Apostolico, Dr. Eugen von Knilling, Staatsminister des Äußern, Dr. Franz Matt, Staatsminister für Unterricht und Kultus, Dr. Wilhelm Krausneü, Staatsminister der Finanzen.

78. Z. B. politischer Natur. Eine Pflicht der kirchlichen Oberbehörde^ diese zu berücksichtigen, ist nicht festgesetzt (Art. 137 Abs. 3 S. 2 RB.). S. aber Art. 13 § 1. Unberührt geblieben ist die staatliche Pfründeaufsicht, die den Kreis­ regierungen zukommt. 79. Das sind Dotation, Fundation und Bauführung. (Patroninn faciunt dos, aedificatio, fundus.) 80. Dies entspricht dem Wesen eines gegenseitigen Vertrages. 81. S. Art. 16. 82. Vgl. insbesondere Anm. 16. Die Bestimmungen des Gesetzes v. 21. Februar 1924, GBBl. S. 70, über Ergänzung der Bezüge der Erzbischöfe, Bischöfe und Mitglieder der Domkapitel haben nach Art. 5 Abs. 2 jenes Ge­ setzes nur Gültigkeit bis zum Abschlusse des neuen Konkordates. 83. Die Ratifikation des Konkordates besteht bayerischerseits in der Übergabe einer dem § 62 Abs. 1 BerfUrk. entsprechenden Ausfertigung des vom Landtage genehmigten Vertrayes an den päpstlichen Stuhl oder an dessen Bevollmächtigten und päpstlicherseits in der Übergabe einer dem

b) Vertrag zwischen d. Bay. Staate u. d. Ev.-Luth. Kirche i. Bay. r. d. Rh.

341

b) «ertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins.

Der Bayerische Staat, vertreten durch den Staatsminister für Unterricht und Kultus Dr Franz Matt auf Grund Beschlusses des Gesamtministeriums vom 14. November 1924, und die Evanaelisch-Lutherische Kirche in Bayern rechts des Rheins, vertreten durch ihren Präsidenten D. Friedrich Veit, haben folgende Ver­ tragsbestimmungen vereinbarte^: Kurialrecht entsprechenden Ausfertigung des von Sr. Heiligkeit dem Papste genehmigten Vertrages an die bayer. Staatsregierung oder an deren Bevoll­ mächtigten. Mit dem Tage dieser Auswechselung tritt das neue Konkordat als Vertrag in Kraft. (Begr.) Gemäß §§ 50 Abs. 2, 74, 75 BerfUrk. ist es sodann als bayer. Landesgesetz im GeseA- und Verordnungsblatte bekannt zu machen*). 84. Die Angelegenheiten der protestantischen Kirche in Bayern waren im 2. Anhang der Beilage II zur BerfUrk. v. 26. Mai 1818 geordnet, der die Überschrift trug: „Edikt über die inneren kirchlichen Angelegenheiten der Protestantischen Gesamt-Gemeinde in dem Königreiche." Damals wurden also die einschlägiAen Beziehungen in einem Edikt, d. h. einem Gesetz, geregelt. In der nunmehrigen Bertraysform äußert sich die staatsseitige Anerkennung der grundsätzlichen Koordinatron auch der evangelischen Kirche mit dem Staate (Dr Giese, ArchOffR., neue Folge Bd. 7, Heft 1 S. 70). Nachdem infolge des Wegfalls des Summepiskopates des Landesherrn als Folge der Staatsumwälzung die enge Verbindung der evangelischen Kirche mit dem Staate gelöst worden war, hatte sich die rechtsrheinische protestantische Kirche eine neue Verfassung gegeben (Art. 137 Abs. 1 u. 3 RB.). Sie wurde als „Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern r. d. Rh." unterm 16. September 1920 vom früheren protestantischen Ober­ konsistorium im Amtsblatt dieser Kirche 1920 S. 413 ff. verkündet. Bor Abschluß des Konkordates mit dem Hl. Stuhle hat sich die bayer. Staatsregierung mit der rechtsrheinischen evang.-luther. Kirche in Ver­ bindung gesetzt, um ihr Gelegenheit zu geben, ihr Interesse an einer etlvaigen Neuregelung des Verhältnisses Zwischen Staat und Kirche zu wahren. So entstand dann der vorliegende Vertrag. Er ist nicht wie das Konkordat ein Staatsvertrag im Sinne des § 50 BerfUrk., sondern ein sogenannter Staats­ verwaltungsvertrag, dessen Bestimmungen jedoch, soweit sie Rechtssätze darstellen, gleichfalls der Behandlung wie Landesgesetze bedürfen. Der Vertrag ist auch nicht nach § 77 Abs. 1 Ziff. 2 BerfUrk. von der Volksentscheidung ausgenommen; dies sollte jedoch dadurch erreicht lverden, daß oas Mantelgesetz für dringend erklärt wurde (vgl. Zisf. 6 a. a. O.). Uber das Inkrafttreten des Vertrages s. Art. 32**). Er befaßt sich in Art. 1 mit der

*) Der Austausch der Ratifikationsurkuuden erfolgte in feierlicher Weise am 24. 1. 1925 (Min.-Bek. v. 24. 1. 1925, StAnz. Nr. 20). Das Konkordat (mit dem Mantelgesetz v. 15. 1. 1925, den Verträgen mit den evang. Kirchen und der Regierungserklärung v. 14. 1. 1925) ist im GBBl. 1925 Nr. 3 (S. 53 ff.) v. 22. 1. 1925 veröffentlicht. Es tritt daher als Landesgesetz mit dem 5. 2. 1925 in Kraft. **) Art. ohne Beifügung verweist auf diesen Vertrag.

342

III. Anhang.

Nr. 6.

ReÜgionSdenräge.

Artikel l85. 1 Der Bayerische Staat gewährleistet die freie und öffent­ liche Ausübung der evangelischen Religion. 11 Er anerkennt das Recht der Kirche im Rahmen ihrer Zu­ ständigkeit Gesetze zu erlassen und Anordnungen zu treffen, die ihre Mitglieder binden; er wird die Ausübung dieses Rechtes weder hindern noch erschweren. 111 Er sichert der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins die ungestörte Kultübung zu. In der Erfüllung ihrer Amtspflichten genießen die Geistlichen den Schutz des Staates. Artikel 2. 1 Die evangelische theologische Fakultät der Universität Er­ langen bleibt erhalten88. Der Staat sichert die Aufrechterhaltung ihres evangelisch-lutherischen Charakters ju87. Vor der Ernennung von Professoren wird der Landeskirchenrat gutachtlich einver­ nommen88. Bei der Zulassung von Privatdozenten wird ent­ sprechend verfahren. 11 Bei der Besetzung der Professur für Kirchenrecht in der juristischen Fakultät der Universität Erlangen wird der Staat auf die Bedürfnisse der Studierenden der theologischen Fakultät Rück­ sicht nehmen88. allgemeinen verfassungsmäßigen Stellung der evang.-luther. Kirche in Bayern r. d. Rh., in Art. 2 bte 14 mit der Sicherung der kirchlichen Belange auf dem Gebiete des Schulwesens, in Art. 15 bis 25 mit den vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirche, in Art. 26 bis 30 mit den Fragen der kirchlichen Steuenbesetzuna, in Art. 31 mit der Vertragsausleyung und der Aushebung widersprechender Gesetze des Staates und der Kirche und in Art. 32 mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens. 85. Die Bestimmungen sind hier wie auch mehrmals im Folgenden genau dieselben wie im Konkordate. Es wird deshalb lediglich auf die Änm. 7 mit 10 oben verwiesen. 86. S. Art. 149 Abs. 3 RV. 87. Der evang.-luther. Charakter der theologischen Fakultät Erlangen ist schon in den Stiftungsbestimmungen der Statuta ordinis theologici in academia Fridericiana Erlangens! von 1473 und noch heute in § 1 der ein­ schlägigen Fakultätssatzungen ausdrücklich festgelegt. Der Fortbestand der im Jahre 1847 errichteten Professur für reformierte Theologie steht dieser Zusicherung nicht entgegen, da die Beteiligung des Inhabers dieser Pro­ fessur an den Angelegenheiten der Fakultät durch die Fakultätssatzung genau geregelt ist. (Begr.) 88. Diese Bestimmung ist weniger weitgehend wie die entsprechende in Art. 3 § 1 des Konkordates. Die nämliche Befugnis war in § 13 des Protestantenediktes dem Oberkonsistorium eingeräumt. 89. Regelung soll den Bedürfnissen des Studiums der evang. Theologie entgegenkommen, nachdem innerhalb der theologischen Fakultät ein besonderer Lehrstuhl Mr Kirchenrecht nicht vorgesehen ist. (Begr.)

b) Vertrag zwischen d. Bay. Staate u. d. Ev.-Luih. Kirche i. Bay. r. d. Rh.

343

Artikel 3. 1 Die Ernennung oder Zulassung der Religionslehrer an den höheren Lehranstalten wird staatlicherseits erst erfolgen, wenn gegen die in Aussicht genommenen Kandidaten vom Landesnrchenrate keine Erinnerung erhoben worden ist. 11 Sollte einer der genannten Lehrer von dem Landeskirchenrate wegen seiner Lehre oder wegen seines sittlichen Verhaltens aus triftigen Gründen beanstandet werden, so wird die Staats­ regierung unbeschadet seiner staatsdienerlichen Rechte alsbald auf andere Weise für einen entsprechenden Ersatz sorgen'". Artikel 4. Der Religionsunterricht bleibt an allen höheren Lehranstalten und Mittelschulen'^ wenigstens im bisherigen Umfang ordent­ liches Lehrfach'^. Artikel 5. Der Unterricht und die Erziehung der Kinder an den evan­ gelischen Volksschulen wird nur solchen Lehrkräften anvertraut werden, die geeignet und bereit sind, in verlässiger Weise in der evangelischen Religionslehre zu unterrichten und im Geiste des evangelischen Glaubens zu erziehen". Artikel «. 1 Die Lehrer und Lehrerinnen, die an Volksschulen Religions­ unterricht erteilen wollen, müssen nachweisen, daß sie für die Er­ teilung des Religionsunterrichtes im Sinne der evangelisch-lutheri­ schen Kirche eine entsprechende Ausbildung empfangen haben. Die Erteilung des Religionsunterrichtes setzt die Bevollmächtigung durch den Landeskirchenrat voraus. N. S. Anm. 19 mit 21. 91. Wegen der Volksschulen s. Art. 10. 92. S. Anm. 28. Die außerordentliche Landessynode 1924 hat folgende Erklärung einstimmig angenommen: „Die außerordentliche Landessynode 1924 erkennt die große und weit­ tragende Bedeutung an, welche ein auf gegenseitigem Vertmuen beruhendes Verhältnis zwischen Kirche und Schule für die innere und äußere Entwicklung des evangelischen Schullebens hat. Sie ist erfüllt von Wertschätzung des Dienstes, den die evangelische Lehrerschaft durch Erteilung des Religions­ unterrichtes der Kirche leistet. Die Synode spricht es in Übereinstimmung mit dem Landeskirchenrat als Willensmeinung der Kirche in dauernd bindender Forni aus, daß durch den Vollzug der die Schule berührenden Bestimmungen des Vertrages zwischen dem Staat und der evang.-luther. Kirche in keinerlei Akt einer neuen geistlichen Schulaussicht der Weg gebahnt oder die Nieder­ legung des Religionsunterrichtes an einer Bekenntnisschule überhaupt un­ möglich gemacht werden soll. Die Unverletzlichkeit der Beamtenrechte des Lehrerstandes ist der Synode wie dem Landeskirchenrat selbstverständlich."

344

HI. Anhang.

Nr. 6.

ReligionSverlrägr.

11 Der Staat wird bei der Neuordnung der Lehrerbildung für Einrichtungen sorgen, die eine den obigen Grundsätzen entsprechende Ausbildung derjenigen Lehrkräfte sichern, die für die Erteilung des evangelischen Religionsunterrichtes in Betracht kommen. 111 In den Prüfungskommissionen, die für die Erteilung der Lehrbefähigung an den evangelischen Volksschulen zuständig sind, erhält oie kirchliche Oberbehörde mindestens für die Prüfung aus der Religionslehre eine angemessene Vertretung'^.

Artikel 7. 1 Soweit nach der Neuordnung des Lehrerbildungswesens Privatanstalten noch in der Lage sind die Vorbildung oder die bemfliche Ausbildung von Lehrern oder Lehrerinnen zu übernehmen, wird der Staat bei ihrer Zulassung auch bestehende Anstalten der kirchlich anerkannten Diakonen- und Diakonissenanstalten ent­ sprechend berücksichtigen". 11 Die an solchen privaten Anstalten vorgebildeten Zöglinge werden, falls diese Anstalten die staatlich vorgeschriebenen wissen­ schaftlichen Bedingungen erfüllen, nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen zu den staatlichen Prüfungen zugelassen".

Artikel 8. Die Erwerbung der Lehrbefähigung für Volksschulen, Mittel­ schulen und höhere Lehranstalten sowie die Übertragung eines Lehramtes wird für die Angehörigen von kirchlich anerkannten Diakonen- und Diakonissenanstalten an keine anderen Bedingungen geknüpft als für Laien".

Artikel 9. In allen Gemeinden müssen auf Antrag der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten evangelische Volksschulen errichtet werden, wenn bei einer entsprechenden Schülerzahl ein geordneter Schulbetrieb — selbst in der Form einer ungeteilten Schule — ermöglicht ist36. 93. S. Amn. 29, 30, 32. Wenn die gegenüber Art. 5 §§ 2 u. 3 des Kon­ kordates etwas veränderte Fassung den besonderen Wünschen der evang. Kirche entsprechend auch den Religionsunterricht an anderen Volksschulen als evang. Konfessionsschule» in die Regelung einbezieht, so steht dies mit dem Grundsätze möglichster Gleichbehandlung der christlichen Bekenntnisse auf schulischem Gebiete insofern nicht in Widerspruch, als die sonstigen ein­ schlägigen Bestimmungen des Konkordates, insbesondere auch dessen Art. 8 die Sicherung der entsprechenden Belange der kath. Kirche auf diesem Gebiete verbürgen. (Begr.) 94. S. Anm. 33 und 34. 95. Entsprechend der Art. 5 § 6 des Konkordates.

b) Beitrag zwischen b. Bay. Staate u. b. Ev.-Luth. Kirche i. Bah. r. b. Rh.

345

Artikel 10.

1 An allen Volksschulen — abgesehen von den in Abs. II erwähnten Fällen — bleibt der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach. Der Umfang dieses Religionsunterrichtes soll im Ein­ vernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde festgesetzt und gegen­ über dem gegenwärtigen Stande nicht gekürzt werden. 11 Sollte der Bayerische Staat in etlichen Schulen rechtlich nicht in der Lage, sein dem Religionsunterrichte den Charakter eines ordentlichen Lehrfaches zu erteilen, so wird wenigstens die Erteilung eines privaten Religionsunterrichtes durch die Bereit­ stellung der Schulräume sowie durch deren Beheizung und Be­ leuchtung aus gemeindlichen oder staatlichen Mtteln sichergestellt". Arttkel 11.

Den Schülern der Volksschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten wird im Benehmen mit der kirchlichen Oberbehörde geeignete und ausreichende Gelegenheit zur Erfüllung ihrer reli­ giösen Pflichten, insbesondere auch zum Besuche des Konfirmandenunterichtes gegeben^. Arttkel 12.

Die Beaufsichtigung und Leitung des Religionsunterrichtes an den Volksschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten werden der Kirche gewährleistet^. Arttkel 13.

1 Kirchlich anerkannte Diakonen- und Diakonissenanstalten werden unter den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zur Gründung und Führung von Privatschulen zugelassen. Die Zu­ erkennung von Berechtigungen an derartige Schulen erfolgt nach den für andere Privatschulen geltenden Grundsätzen *3. 11 Von kirchlich anerkannten Diakonen- und Diakonissen­ anstalten geleitete Schulen, die bisher den Charakter öffentlicher Schulen gehabt haben, behalten ihn, soferne sie die an gleichartige Schulen gestellten Anforderungen erfüllen. Unter den gleichen Vorbedingungen kann auch neuen Schulen von kirchlich aner96. S. Anm. 27 und 39. Wegen der höheren Lehranstalten und Mittel­ schulen s. Art. 4. 97. Vgl. Art. 7 § 2 des Konkordates. Auf die Zeitlage des Konsirmandenunterrichtes wurde bisher schon im Wege gegenseitigen Benehmens der be­ teiligten staatlichen und kirchlichen Behörden im Schulbetriebe Rücksicht genommen.